ee en an Ba } N Ha um 4.4 .d } Ka UANIR Wohl Vak IM y NR Senne Ze x Eee u ee en PAPST a ma hen Re ErFRBEEETEFNT > EL 2» ER 32 a5 24373 - a * ag =, a ar Ba me en . 1-ı >» u m. iR RR: IE El Kal“ ” 172) 4 } : re Jin We Ale It NER VER N 7 gie u LM UL RUF N Id f 17 ) ARE U NCHLELM EN ’ el. EI LERNEN AN ah u # u) + h 1 f y 1 Il | A ’ D IR a LER 4 2 Dan: 2. " Nardaı j AMELE EU ya Ye mir) a 4 mb BEER DR BE ET LINE LAS BL ER RER AU | HEHE) DR MU EN IDEE IE RR USE NEON ELYEL S SW ION LINEAR) A ‚ Di IH a BERSEIN EL LIOHRENAFFREL DALE U TE AAN N/A, 1 WE IH Haan v Wlan, ,a jr An Be I) KAUM ilız J 1 [ Yıh I Ei LIE) Wall 1» DLDLTAEEN ER BEN ED IL RIEED ESS RTEELTFELEIA EIG LA BRIEH OR DEN NA Li / NN ’ IN BI | 117 } WR “ } Ai en R Y iR hr 4 San h N h} Mi & KUN 4“ N y ! i l f WENN Dei}, ‚! In Tao ihr KAHN PN AN i Li 4 nd \ DAL Y f nn Kae. j it AInCHN KuhN \ i n ’ 1% Kan “bl ’ I J EUER IKEA Rce 4 y } if Hu A Kun KARIN: AIROIIDIRNN ufah Ville > VERS — == >> a h ine ) LPAALAN RN) \ IN ; Ar DIR HELL HEUER EU WEIT ka DT ER) w 179° I ya 03 OSEETHRETETIEUG DEE IE DT Kir rast dıdın du“ LEER PRICE SEEN DUNEEOEL ‚’ eh i Y AN “ W 13 1,6 008 IW EU DIOR UL KRRIER EUTR NET EIER DE WLCHLEN, . . k DHKIFRRIR BOT ZE EUNERRUBAICNE BETRATE LEER IL HA BALL IE KENT NLIENT WEN DEIN ) IHILHREN # IE DIRT RT MT A Wi BRAUN i Imih3 HE} LTE EURE ANETTE EN | j, UERUTHESEU WERE IE) U MET ICH af 1 FREIE IN a EI de { VE E N II. HA La a Ra Lak FREE ER I TUE ER TR EN A ’ vr | IL UUTN 7 ’ ' 1 vr } \ \ ‚ \ ie) 1 a A v IL MEERE NG hr REREITEIL EEE} Nah ROH W REN NEHRUMLRHERENLTNNHH REINE LEW IUW KATY jr 1 ‘ RuLNTTY \ f i D 3 NEN LT Kunert IUINHN i f ; ‘ 1A kuins IE " Lrh vu i eh \l N in) Bin IR ul Kun ) \ 7 [ * anal 11 4 179 wir} ul } KON fr 1.) } ‚a Mi RN 4 DE ER I IR EEE ER EI FE ER CN Tao N a A VERKOHUFNESC UN 7 v PIOC HET EA Km DL EE AN EIS DEU ET? EEE USE I HAB * ET ee IV BEN II Bau REICH KR v Ua N bahn ehe aaa ih IHNEN te KHK NE A h ’ ı t EFT au har N} h F er Zus {N | 1.) Zen D) Kam Kids vun, A UMIW Ya I . N N B \F RE I ON NEE KR LER I Ar. iR Kur EHEM REFRAIN 'k) MN ‚) M A dr 1% v NEM (' | \ u ; ) 4) i LEE EI h ‚ ‚r ‘ \ IE) 1 Aha hg DEE EEE ER FE RE WON CLEAR DR ER IE IRA v Il Pin dl ’ [ \ DEREN RTL YET win. a9 RER HTNNENU ROH UENU GE NEROR KELAWAG SCHULE N JUN) j 11849 EU NER U HD U RU USE LENEINEETRSEHEER RUHE UST N oh - M A | N } UL IE DE Urne BED EEE I MEERE EI vd U HTERTE RER N. Y (\ ri! f v \ } Ah, u) ‚4 AARAU rl mai EDEN EUTIN RAN TURN « k, ) N N ı - il N Y JA7 ren! ei an Bu Sr n\ A, bi Hin iu i | 7 h R un | | . | u ER e «Hliill] 0, al um e B M 3 ii N r Pr; ni4 DR | | a zZ 1% hj = Y (®) — nn | 2 I 1%, } LT ll nn, & ulm? % Im”, I el © | (N | ı { ii Be: Sa ih are 4 Ir 12 ı | A et A [Ohr 3E ä £) N a ET N fi > en I Di a Sl 2 RT Ne? al y ne N {N Ho F) N rE, ‚rl Al EM a: ee) ER > Ar ZEITSCHRIFT FÜR SAUGETIERKUNDE 3 OIRGANFDER DEUTSCHEN GESEELSCHAÄET FÜR SAUGETIERKUNDE Herausgegeben von P. J. H. van BrEE, Amsterdam - H. DartnHe, Berlin - W. HERRE, Kiel _K.Herrter, Berlin - J. Kärın, Freı- burg/Schweiz -B. Lanza, Florenz - H. NACHTSHEIM, Berlın -1.@S-MOorRRISONSECOTT, London - D.STARrcK, Erankfurt a ME. THeENnTUSs, Wien -— W. VERHEYEN, Tervuren - K. ZIMMERMANN, Berlin Schriftleitung E. Monur, Hamburg - M. Rönrs, Hamburg 26. BAND - 1961 Mit 147 Abbildungen 3 N MERPARG PAUL PAREY .- HAMBURG UND BERLIN VERLAG FÜR LANDWIRTSCHAFT - VETERINÄRMEDIZIN » GARTENBAU + FORST- UND JAGDWESEN HAMBURG 1 + SPITALERSTRASSE 12 NOV 7 1961 LIBRART Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, sind vor- behalten. Gewerblichen Unternehmen wird jedoch die Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Beiträgen oder Beitragsteilen für den innerbetrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleichen nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vor- gesehenen Gebühr bis zu drei Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen haben einen Vermerk über die Quelle und den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die Inkassostelle für Photokopiergebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e,. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgraben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkasso- stelle, so ist für jedes Photokopierblatt eine Marke im Betrag von DM 0,30 zu verwenden, © Paul Parey, Hamburg und Berlin, 1961 » Printed in Germany by C. Beckers Buchdruckerei, Uelzen. ZEITSCHRIFT FÜR SAUGETIERKUNDE ORGAN DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT BUÜR SAUGETIERKUNDE Herausgegeben von P. J. H. van BrEE, Amsterdam - H. Darue, Berlin - W. HERRE, Kiel - K. HeRrTeER, Berlin - J. Kärın, Frei- burg/Schweiz - B. Lanza, Florenz - H. NAacHTSsHEIM, ‚Berlin -T.C.$. Morrıson Scott, London - D. STArRcK, Frankfurt a. M. - E. Tuenıus, Wien - W. VERHEYEN, Tervuren - K. ZIMMERMANN, Berlin Schriftleitung E. Mour, Hamburg - M. Rönrs, Hamburg BAND XXVI - HEFT1 Marz 1961 VERLAG PAUL PAREY -. HAMBURG UND BERLIN Inhalt ORIGINALBEITRÄGE Beiträge zur Biologie der Stachelmaus, Acomys cahirinus dimidiatus Cretzschmar. Von F. DIETERLEN :. Vena ee ee ae a DE N Beziehungen zwischen Bestandsdichte und Vermehrung bei der‘ Waldspitzmaus, Sorex araneus, und weiteren Rotzahnspitzmäusen. Von G. H. W. STEIN .. .. .. .. 3 Vitiligo bei Rindern in Asien und Europa. Von W. C. Ph. MEIJER .. .. .2 .2....28 Elements d’une revision des Lievres europ&ens et asiatiques du sous-genre Lepus. Von F. PETTER .. .% u KR 34) .. .. .. .. .» .. ri Brnmz .». .. .. 30 Die Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas im Pleistozän (Insectivora, Rodentia, Lagomorpha). Von D. JAnossy .. .. .. ee EEE Der Zahnschluß im Gebiß der Wildraubtiere und der Haushunde. Von E. MoHur .. .. 50 KLEINE MITTEILUNGEN Willkürliche Betätigung der Rückendrüse beim Halsband-Pekari. Von E. Monr .. .. 57 Starkes Anwachsen der Luchsbestände in der Slowakei. Von P. Hzıı .. .. .. .. 57 Zur Variabilität der Färbung des Eichhörnchens in Bulgarien. Von G. Markov .. .. 59 SCHRIFTENSCHAU.. Al NL RL ee al ee DR ee Ne a Eee BEKANNTMACHUNGEN N ee ar a en a ee Een Dieses Heft enthält 2 Beilagen des Verlages Paul Parey Die „Zeitschrift für Säugetierkunde* veröffentlicht Originalarbeiten auf dem Gesamtgebiet der Säugetierkunde, ferner Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der wichtigsten internationalen Literatur, kleine Mitteilungen und die Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“, deren alleiniges Organ sie gleichzeitig ist. Die Veröffentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung mit Zusammenfas- sung in allen drei Sprachen. EN Herausgeberschafl und Schriflleitung: Manuskriptsendungen sind zu richten an einen der Herren Herausgeber oder direkt an die Schriftleiter: Frau Dr. Erna Mohr, Hamburg-Langenhorn 1, Krämerstieg 8 (Tel. 598586), oder Dr. Manfred Röhrs, Zoologisches Staatsinstitut, Hamburg, Bornplatz 5 (Tel. 441071). ? Manuskripte: Es wird gebeten, die Manuskripte möglichst mit Schreibmaschine und nur einseitig zu schreiben. Photographische Abbildunsevorlasen müssen so beschaffen sein, daß sie eine kontrastreiche Vz ermög- lichen. Von der Beigabe umfangreicher Tabellen soll abgesehen werden. Alle dem Manuskript beiliegenden Unterlagen, wie Photographien, Zeichnungen, Tabellen, sollen auf der Rückseite mit dem Namen des Ver- fassers und dem Titel des Beitrages versehen sein. Bei Abbildungen aus bereits erfolgten Veröffentlichungen ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Jeder Originalarbeit ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in wenigen Zeilen anzufügen. Mit der Übergabe des Manuskriptes überträgt der Verfasser dem Verlag Paul Parey das Recht, die Herstellung von photomechanischen Vervielfältigungen in gewerblichen Un- ternehmen zum innerbetrieblichen Gebrauch nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buch- handels van dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 zu genehmigen. Sonderdrucke: Anstelle einer Unkostenvergütung erhalten die Verfasser von Originalbeiträgen, Einzel- und Sam- melreferaten 50 unberechnete Sonderdrucke. Mehrbedarf steht gegen Berechnung zur Verfügung, jedoch muß die Bestellung spätestens mit der Rücksendung der Korrekturfahnen erfolgen. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, sind vorbehalten. Gewerblichen Unternehmen wird jedoch die Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Bei- trägen oder Beitragsteilen für den innerbetrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleichen nah Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deut- schen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vorgesehenen Gebühr bis zu drei Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen haben einen Vermerk über die ger und den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die Inkassostelle - für Photokopiegebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgra- ben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkassostelle, so ist für jedes Photokopierblatt eine Marke im Betrag von 0,10 DM zu verwenden. Erscheinineneiie und Bezugspreis: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich; 4 Hefte bilden einen Band; jedes Heft umfaßt 4 Druckbogen. Der Abonnementspreis beträgt je Band 34,— DM zuzügl. amtl. Postgebühr. Das Abonnement verpflichtet zur Abnahme eines ganzen Bandes. Es verlängert sich stillschweigend, wenn nicht unmittelbar nach Erhalt des letzten Heftes eines Bandes Abbestellung erfolgt. Einzelbezugspreis der Hefte: 10,80 DM. Die Zeitschrift kann bei jeder Buchhandlung oder beim Verlag Paul Parey, Hamburg 1, Spitaler- straße 12, bestellt werden. Die Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“ erhalten die Zeit- schrift unberechnet im Rahmen des Mitgliedsbeitrages. © Paul Parey, Hamburg und Berlin 1961 — Printed in Germany by C. Beckers Buchdruckerei, Uelzen ” | Z. Säugetierkde. 26 (1961), H. 1, S. 1—64 | Beiträge zur Biologie der Stachelmaus, Acomys cahirinus dimidiatus Cretzschmar Von Fritz DIETERLEN Aus dem Zoologischen Institut der Universität Freiburg ı. Br. Eingang des Ms. 25. 9. 1960 Einleitung Die Stachelmäuse (Genus Acomys, Subfam. Murinae) sind bisher wenig untersuchte Nager. Die Angaben über Aussehen, Verbreitung, Biotop usw. geben nur ein lücken- haftes Bild. Über biologische Daten, Jugendentwicklung und Verhalten ist fast nichts bekannt!), obwohl Stachelmäuse ın einigen, auch deutschen Zoos, schon gehalten wur- den und in London z. B. mehrfach züchteten (ZUCKERMAN 1952/53). In Deutschland haben sie m. W. erstmals 1959 unter Liebhabern weitere Verbreitung gefunden. Stachelmäuse bewohnen meist felsige öde Biotope in Steppen- und Wüstengebieten SW- Asiens und NO-Afrikas. Nur A. cahirinus cahirinus Desmarest scheint menschliche Sied- lungen zu bevorzugen und ist aus Ägypten als Haus-Maus bekannt, vielerorts sogar in der Rolle des Mus musculus L. (AnDErson 1902, BONHOTE 1909, FLOWER 1932). Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit biologischen Daten und der Jugend- entwicklung. Hauptproblem meiner Untersuchungen ist das Verhalten, besonders die Soziologie; darüber will ich später berichten. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die Ermöglichung dieser Arbeit. Herrn Prof. Dr. ©. KoEHLER sage ich Dank für oftmalige Unterstützung und Anregungen. Tiere und Haltung Die Stamm-Tiere (1 3, 2 PP) meiner seit Sommer 1958 laufenden Zucht kamen aus Israel, sie gehören zur subsp. A. c. dimidiatus, die in Ägypten im Gegensatz zur subsp. cahirinus keine Bindung an menschliche Siedlungen zeigt; dimidiatus ist etwas größer als die graubäu- chige cahirinus und hat als wichtigstes Merkmal eine reinweiße Bauchseite, die scharf an die Stacheln tragende gelbbraune Rückenseite grenzt (Abb. 1). Daneben finden sich weitere Unter- schiede. Zur Zeit halte ich drei Rudel (Großfamilien) mit insgesamt mehr als 65 Tieren, davon gut 30 adulte Stamm-Tiere. Im ganzen lebten in meiner Zucht schon weit über hundert erwachsene Stachelmäuse. - Die Tiere bewohnen Käfige oder Boden-Areale von 4-11 qm Bodenfläche, die durch Steine, Steinhaufen, allerlei Unterschlupfe, Kletteräste u.a. m. stark struktuiert sind, wodurch ich das natürliche felsige und spaltenreiche Biotop so gut wie möglich zu ersetzen suche. - Die Raumtemperatur beträgt 18-22° C. Gegen feuchte kühle Witterung scheinen Stachelmäuse sehr empfindlich zu sein. ! Einige Angaben bringt die nach Abschluß dieser Arbeit zu meiner Kenntnis gekommene Mitteilung von Korar (1960). F. Dieterlen P. Das tägliche Futter be- steht aus Grünzeug (Klee, Gräser, Löwenzahn, Wege- rich), einem Körnerfutter mit ca.70°/e Sonnenblumen- kernen und ca. 30°/o ge- mischtem Weizen, Gerste, Hafer, Mais, Wald- und Exoten-Vogelfutter, ferner Mehlwürmern und etwas Obst, meist Äpfeln. Im Ab- stand von einigen Tagen gebe ich trockenes Brot, Sul- tanınen, Erdnüsse, Garnelen u.a.m., ab und zu etwas Fleischabfall und Blüten. Täglich erhalten sie frisches Wasser. Die Stachelmaus scheint also omnivor zu sein, was ZIMMERMANN (1952) Abb. 1. Erwachsene Stachelmaus auch von Freiland-Beobach- tungen an der Kreta-Stachel- maus berichtet. Alle erwachsenen Tiere sind, je nach Geschlecht, mit Fuchsin oder Merhylenblau an be- stimmten, gut sichtbaren Körperstellen (vorheriges Entfetten der Stacheln oder Haare mit einem Ather-Alkohol-Gemisch) markiert. So ist es mir möglich, jedes Tier zu kennen und Material über seinen biologischen Zustand, die soziale Stellung usw. zu sammeln. Die Markierung ver- liert sich nach 3-4 Monaten, wird daher rechtzeitig schon nach 6-8 Wochen erneuert. — Beob- achten kann ich aus nächster Nähe, ohne die Tiere zu beunruhigen. Bei entsprechender Be- handlung werden Stachelmäuse recht zutraulich. Fortpflanzung Seit dem 2. 9. 1958 kamen 124 Würfe zur Welt. Die Tragzeit ist für Muriden unge- wöhnlich lang; sie betrug in 4 Fällen 36 Tage, in 36 Fällen 37 Tage, 41mal 38 Tage, fünfmal 39 und einmal 40 Tage, im Durchschnitt also 37 bis 38 Tage (nach 87 Fällen). Die früheren Angaben (BonHorE 1911, 1912; KENNETH 1947) müssen demnach falsch sein. BONHOTE (1911) gibt eine elftägige Tragzeit an, die schon im Hinblick auf die weitentwickelten Jungen, die er beschreibt, unmöglich ist. Sein Irrtum beruht darauf, daß er zu einem 9, 11 Tage ehe es Junge gebar, ein 46 Tage altes, sicher noch nicht geschlechtsreifes & setzte und nach Geburt der Jungen annahm, die Tiere hätten sıch gleich nach dem Zusammensetzen gepaart. In Wirklichkeit war das ? längst trächtig. Eine ähnlich kurze Tragzeit nimmt er bei A. russatus an (1912). GrassE (1955) bringt mit 42 Tagen erstmals eine einigermaßen zutreffende Angabe. Von den ca. 1900 Arten der Überfamilie der Muroidae? sind von gut 100 Arten die Tragzeiten ermittelt (s. z. B. MoHr 1954, KRUMBIEGEL 1954, GrassE 1955). Die längste hat offenbar der Murinae-Vertreter Cricetomys gambianus Waterhouse mit 42 Tagen (Grass£ 1955). Dann kommt A. c. dimidiatus mit 38 Tagen. Psammo- mys obesus Cretzschmar (Gerbillinae) trägt 36 Tage. Von 3 Arten der nord- amerikanischen Gattung Neotoma (Cricetinae) sind 33 Tage bekannt. Das Gros der Muroidae hat jedoch 20 bis 28 Trächtigkeitstage. Mesocricetus auratus Waterhouse hat mit 16 Tagen die kürzeste Tragdauer aller Monodelphter. Die Tageszeiten des Werfens konnte ich in 74 Fällen ermitteln: Würfe von: 0-8 Uhr 8-12 Uhr 12-14 Uhr 14-16 Uhr 16-20 Uhr 20-24 Uhr 55mal elfmal viermal einmal zweimal einmal 2 Systematische Einteilung nach Ellerman. Beiträge zur Biologie der Stachelmaus 3 Rund 90°/o der Jungen werden zwischen Mitternacht und Mittag geboren. Ein wohl sehr deutliches Maximum dürfte zwischen 3 und 7 Uhr liegen?, da ich in den nicht seltenen Fällen, die ich zwischen O und 2 Uhr bei den Tieren war, noch keine Geburt beobachten konnte. Die Gesamtzahl der Jungen aus 123 Würfen beträgt 301. Das entspricht einem Durchschnitt von 2,44 Tieren pro Wurf. Hierbei sind die relativ niedrigen Jungen- anzahlen der relativ häufigen Erst- und Zweitgebärenden zu beachten (s. u.). 22 in diesem Altersstadium sind aber wahrscheinlich auch im Freileben wesentlich häufiger als ältere. Insgesamt gab es Würfe mit 1 Jungen 23mal, mit 2 Jungen 48mal, mit dreien 30mal, mit vieren 18mal und mit fünfen 4mal. Dies stimmt ungefähr mit den wenigen Literaturangaben überein. Daß A. c. cahirinus im Londoner Zoo bis zu 11 Junge ge- bracht haben soll (Zuck£erman 1952/53), ist jedoch stark anzuzweifeln. Das Gewicht eines durchschnittlichen Wurfes beträgt nämlich 20 Tabelle 1 bis 25 0/o des Körpergewichtes der Mutter. In einem Pr dr 90 ın Monaten und Extremfall machte.es sogar 44 %/o (!) aus: die 5 Neu- Jungenzahl geborenen eines 66 g schweren Q wogen zusammen Bez ds Würte, n: Zahl der 290 8 wobei das Gewicht der Embryonalhüllen und Placentae nicht eingerechnet ıst. Das Ge- schlechtsverhältnis war in meinen Zuchten einiger- maßen ausgeglichen (120 58 : 101 ?2). Das allmähliche Anwachsen der Jungenzahlen pro Wurf mit zunehmendem Alter der ?? zeigt Tabelle 1. Das Maximum der Fruchtbarkeit scheint mit 15 bis 16 Monaten erreicht zu sein. Aus den wenigen Befunden von mehr als 18 Monate alten Tieren ist anzunehmen, daß der Durchschnitt von 3 Jungen pro Wurf bis zum Alter von vielleicht 22 Monaten anhält und dann wohl ein deutliches Abfallen eintritt. Jungen, MW: mittlere Wurfgröße Brunst Die erste Paarung beobachtete ich, als ich schon 5 Monate Stachelmäuse hatte und schon drei Würfe geboren waren. Dies war am Abend nach dem Werfen des $. Von da an stellte sich schnell die Gesetzmäßigkeit heraus, nach der die PP einen fruchtbaren post-partum-oestrus erfahren, d. h., daß sie innerhalb von 8 bis 15 Stunden nach der meist in den Morgenstunden stattfindenden Geburt brünstig werden. Die mehrere Stunden währende Brunst liegt daher immer innerhalb der Zeit zwischen ungefähr 16 Uhr und 2 Uhr, also zu Beginn der Aktivitätsphase. Früheste Paarungsbereitschaft stellte ich um 16 Uhr fest, ihr spätestes Einsetzen um 21.50 Uhr, ihr spätestes Auf- hören um 1.30 Uhr. Das zeitliche Auftreten dieser Brunst scheint also sowohl von der Tageszeit abhängig, als auch von einem bestimmten Zeitabstand von der Geburt. Dieser beträgt wenigstens 8, in einem Extremfall 6 Stunden. Ein Unterschreiten scheint nicht möglich, denn bei Würfen, die nach 13 Uhr stattfanden, zeigte das $ erst am Abend des nächsten Tages Paarungsbereitschaft. Doch scheint diese manchmal vor- 3 Nach Ansitzen auf mehr als 15 nächtliche Geburten hat sich diese Annahme als richtig er- erwiesen. 4 Bis Februar 1961 hatten fünf 25 Monate alte PP immer noch überdurchschnittliche Wurfgrößen. 4 F. Dieterlen kommende „verschobene Brunst“ auch von anderen Faktoren abhängig. — So ist das ? spätestens nach 15 Stunden wieder trächtig, wirft nach 38 Tagen, wird wieder befruchtet usw. Bei trächtigen PP habe ich noch nie Paarungsbereitschaft festgestellt. Aus wiederholter fruchtbarer post-partum-Brunst ergibt sich die sog. pausenlose Wurffolge, wie sie durch günstige Jahreszeiten hindurch vor allem von Microtus ar- valis bekannt ist (FRANK 1956). Ich besitze Tiere, die Monate hindurch, zwei sogar nach 12 Würfen, seit ihrem ersten Wurf keine Pause eingelegt haben (vgl. KoLAr 1960). Nachstehend einige Beispiele: Rudel I: © 1: 2.9.58-28.5.60 fünfzehn Würfe mit 44 Jungen (Mittlere Wurfgröße 2,93). Unterbrechungen nach dem 1. Wurf (zwangsläufig), nach dem 8. Wurf von 22 Tagen. ODER: 59 _ 10. 5. 60 elf Würfe mit 22 Jungen (MW 2,0). Unterbrechungen nach dem 7., 8., 9. und 10. Wurf. © 3: 25. 4. 59 - 16. 6. 60 zwölf Würfe mit 45 Jungen (MW 3,75). Keine Unter- brechung. Q 4: 29. 4.59 - 8.5.60 neun Würfe mit 16 Jungen (MW 1,77). Unterbrechungen nach dem 3. und 9. Wurf. 0 5: 26.4.59 - 30.5.60 neun Würfe mit 20 Jungen (MW 2,22). Unterbrechungen nach dem 1., 3. und 7. Wurf. Q 6: 21. 8.59 — 21. 6. 60 neun Würfe mit 22 Jungen (MW 2,44) Keine Unter- brechung. Q 2 2 Rode Tu © 28 1a UL SR 12.8. Co Ainszehn Welse mie 48 Jungen (MW 3,06). Nach dem 6. Wurf Unterbrechung von 12 Tagen. 3: 1.5.59 _ 1.7. 60 zwölf Würfe mir 34 Jungen (MW 2,84). Keine Unter- brechung. Rudel III: 1: 1.4.59 — 24. 4. 60 zehn Würfe mit 22 Jungen (MW 2,22). Unterbrechungen nach dem 4., 7. und 10. Wurf. Ähnlich lange arten sind mir nur noch von Microtus arvalıs bekannt; FRANK (1956) berichtet von 10, 12, ja von 20 aufeinanderfolgenden Würfen, doch treten kürzere oder längere Pausen im Laufe der Zeit häufiger auf. Es ist durchaus denkbar, daß die günstigen Klimate, unter denen Stachelmäuse leben, derartige Wurffolgen ermöglichen, daß sie also keineswegs Gefangenschafts- erscheinungen oder dergl. sein müssen. Zudem ist von verschiedenen Wild-Säugern aus den Tropen Fortpflanzung während des ganzen Jahres bekannt. Die Bedeutung der andauernden iuaitelge ist vielleicht in einem Ausgleich der die Arterhaltung gefährdenden Faktoren der langen Tragzeit und der geringen Wurf- größe zu sehen. Ausgleichend wirkt auch noch der hohe Entwicklungsgrad der Jungen bei der Geburt (s. u.). Von den neun oben verzeichneten ?% haben 3 von Anfang an noch keine Pause eingelegt. Zwei mit wenigstens neun Würfen pausierten nur einmal und vier mit mindestens neun Würfen zwei- bis viermal. Ähnliche Verhältnisse zeichnen sich bei den jüngeren, hier nicht angeführten PP ab. — In etwa der Hälfte der Fälle von Unter- brechungen trat ein post-partum-Zyklus auf, der aber unfruchtbar blieb. Dabei ließ sich nun ein ausgesprochener Brunst-oestrus feststellen, der im Durchschnitt 11 Tage betrug (seltene Extreme 9 bzw. 15 Tage), d. h. PP, die nach der Geburt nicht in Brunst kamen oder bei denen sie unfruchtbar blieb, wurden nach rund 11, 22, 33 usw. Tagen wieder brünstig, solange bis sie wieder trächtig waren. . Der descensus testicolorum ist bei den meisten ö& vom 50. Lebenstag an fest- zustellen. Frühestens mit 60 bis 70 Tagen beteiligen sie sich an den Paarungen. — Die ?P werden erstmals mit etwa 75 Tagen, meistens fruchtbar, gedeckt, werfen demnach knapp 4 Monate alt. Ausnahmen bilden drei PP, deren erste Paarungen im Alter von 49, 51 und 52 Tagen fruchtbar waren. Ein für steril gehaltenes ? brachte mit zehn Monaten seinen ersten Wurf. Beiträge zur Biologie der Stachelmaus 5 Die Lebensdauer der Stachelmaus mag wenigstens drei Jahre betragen. — Meine ältesten Tiere sind jetzt mehr als zwei Jahre alt und zeigen keine Alterserscheinungen. Die Jungen Die Stachelmaus kommt weit entwickelt zur Welt (Abb. 2 und 3). Die Augen sind schon offen, die unteren Schneidezähne sind durchgebrochen. Gewicht mit fast 6 g, KRL mit über 5 cm und SL mit gut 4 cm sind beträchtlich; obwohl erst spärlich be- haart, sind sie nahezu homoio- therm. Sie reagieren bereits auf Geräusche (Ohrmuschel stehend) und sind olfaktorisch tüchtig. Am ersten Tage laufen sie noch unsicher, möglicherweise aber schon beachtliche Strecken ; zwei- bis dreitägig erkunden sie be- sonders in Abwesenheit der Mutter, bereits die Umgebung des Nestes, besser ihres Geburts- Abb. 2. Zwölf Stunden alte Stachelmaus. Beachte die TTS denn richtige, mE denen Flaumbehaarung, Tasthaarpapillen über und kaudal vom anderer Mäuse vergleichbare Auge, Tasthaare am Unterkiefer und am Vorderbein! Nester besitzen Stachelmäuse nicht. Mit 6 bis 7 Tagen riskie- ren sie kühne Ausflüge ins Revier, werden aber von der Alten immer wieder eingetra- gen. Gleichwohl läßt ihnen die Mutter sorgfältige Pflege angedeihen und säugt sie bis ins Alter von gut 3 Wochen. Die relativ lang dauernde Brutpflege sagt hierbei nichts über die früheste Potenz zur Selbständigkeit. Junge Goldhamster z. B. können unter günstigen Bedingungen, noch blind, erst 12 bis 14 Tage alt, schon selbständig weiterleben, obwohl der Brut- pflegetrieb des Muttertieres mehr als doppelt so lange anhält (DiETERLENn 1959). Ge- plante Versuche mögen noch zeigen, daß die Stachelmaus nur wenige Tage auf die Mutter angewiesen ist. Zum fortgeschrittenen Zustand der Neugeborenen bringen schon ANDER- son (1902), Pocock (1904), BONHOTE (1911, 1912) und Korar (1960) Ein- zelheiten. AssHEron (1905) beschreibt einen weitentwickelten Foetus. Die junge Stachelmaus ist also ein Nestflüchter. Dies ist ungewöhn- lich, denn von allen Muroidae ist m. W.sonst kein Nestflüchter bekannt’. Die Regel ist bei ihnen vielmehr ein Nesthocker-Stadium bis ins Alter von Abb. 3. Zwölf Stunden alte Tiere. Beachte die 10 bis 30 Tagen. - Auch Cricetomys Stachel-Anlagen! ’ ® Herr Dr. G. Stein machte mich freundlicherweise auf eine interessante Parallele bei den Insektenfressern aufmerksam, bei denen der gleichfalls in extremen Trockengebieten lebende Elefantulus anscheinend der einzige Nestflüchter ist. 6 F. Dieterlen gambianus ist trotz der langen Tragzeit ein in etwa den Rattus-Arten entsprechender Nesthocker (BouURLIERE 1948). Nestflüchtertypisch ist bei der Stachelmaus auch, daß die Muttertiere kein Nest bauen; sie tragen höchstens ein paar dürre Blätter, Stofi- stücke o. ä. zusammen und legen sich darauf; nicht selten werden Junge auf bloßem Boden geboren und aufgezogen. V a man nun de en einiger Murinae-Vertreter (Tab. 2) mit denen der Stachelmaus, so fällt bei der Mehrzahl eine interessante Übereinstimmung mit Acomys auf. Tragzeit summiert mit der Zeitdauer bis zum Augen- Tabelle 2 öffnen ergeben nämlich bei 2 Apo- A: Tragzeit, B: Zeitpunkt des Augenöffnens, C: demus-Arten und bei Mus rund durchschnittliche Summe der Zeiten von A + B bei 3%, bei den Rattus-Arten etwa 42 einheimischen Murinen (nach Zimmermann 1959) Tage. Genau dazwischen liegt die dee der sel Stachelmaus, sie braucht 38 Tage bis sie in diesem Entwicklungssta- dium ist, nur fallen bei ihr Augen- A A B € 5 B öffnen und Geburtstermin etwa zu- A. c. dimidiatus 37-33 (0D 35 an Lan en Apodemus taurıicus 20-21 12-14 34 bzw. 17 Tage länger im Mutterleib Apodemus sylvaticus 20-21 12-14 34 als Rattus und Apodemus und ent- WE, agrarıns I in = 5 wickelt sich in dieser Zeit zum Nest- allus rallus ZZ—-Z —L 2 . - Rattus norvegicus 22-24 17-20:=..;42 füchter. Ein Vergleich der Werte Mus musculus 19-21 13-15 34 zeigt auch eine deutliche Relation Micromys minutus 21 8-10 30 zwischen Entwicklungszeit und Körpergröße. Maße der Jungen und körperliche Entwicklung Von 114 untersuchten Neugeborenen hatten 100 (88/0) bei Geburt offene Augen oder öffneten sie innerhalb von 12 bis 15 Std.; nur 14 (12/o) öffneten die Augen am 2. Tag oder — in einem Fall — am 4. Tage. 65 Tiere (94/0) hatten bei Geburt schon durchgebrochene untere Schneide KG 0: 20 30:40 50 60 70 -80. 90.7100. "1107120177730 Er TAGE Abb. 4. Gewichts-Entw = Rus ermittelt an 9 d& und 10 29. Ranghöhe in d d-Kurve nicht berücksichtigt Beiträge zur Biologie der Stachelmaus 7 die rund 0,15 cm larig waren, nur bei 4 Jungen (6°/o) brachen sie erst im Laufe der folgenden Tage durch. Das obere Paar Schneidezähne ist nur bei einem Teil der Neu- geborenen schon sichtbar. Wenn das untere Paar 0,2 cm lang ist, mißt das obere etwa 0,05 cm. Am 20. Tag ist das Verhältnis ungefähr 0,4 :0,2 cm. Das durchschnittliche Gewicht von 74 Neugeborenen betrug 5,78 g. Die Schwan- kungsbreite geht von 4 bis 8 g. Tiere mit mehr als 6,5 g sind oft Einer-Würfe von voll- ausgewachsenen PP. Junge mit Tabelle 3 weniger als 5,0 g (bisher nur 7 Fälle) sind meist unterentwik- kelte Einzeltiere aus sonst nor- malen Vierer- oder Fünfer-Wür- fen. Die Kurven ın Abb. 4 zeı- Verknüpfung von d& d-Anzahl, Ranghöhe und Ge- wicht in verschiedenen Rudeln | Ranghohe Rangniedere gen die durchschnittliche Ge- wichtsentwicklung. — Der im Rudel I 010 56) mehrere mehrere Alter von 1 bis 3 Monaten sehr us 5 Sr = 5 deutliche Gewichtsunterschied Rudel II (5.50) on zwischen dd und 9% ist frühe- (er ca. 2 Be stens am 15. Tag festzustellen. Rudel III (5 808) eines wenige E aM Ed 772 a. 52 & Ewa mit onaten ist das Verhältnis wieder ausgeglichen. Das Endgewicht der 27 (Alter mindestens 12 Monate) beträgt 68 bis 70 g oe nur Wägungen bis 5 Tage nach dem Werfen in Betracht kommen); bei & d läßt sich nur ein Maximalgewicht angeben, er- mittelt an Spitzen-d d von zwei Rudeln. Es beträgt 77 g. Die Endgewichte sind je- doch sehr verschieden, sie hängen von der Rudelgröße, der Anzahl der 5& und der Machtverteilung ab. Bis jetzt läßt sich sagen, daß in kleinen Rudeln mit wenigen S Ö die Rangordnung mehr oder weniger statisch ist; es gibt nur ein Spitzen-d. Größere Rudel mit mehreren dd haben dynamische Machtverteilung und mehrere Spitzen- öd&. Die Auswirkung auf das Gewicht zeigt Tab. 3. — Ein Spitzen-Ö eines kleinen Rudels ist also gut 20 g schwerer als ein Rangniederes. Die 5 öd werden mit etwa 4 bis 5 Monaten in die Rangordnung einbezogen; zu dieser Zeit wiegen sie knapp 50 9; Rangniedere bleiben auf diesem Gewicht stehen oder fallen leicht ab. Differenzen von 2 bis 3 g sagen nichts über sozialen Rang aus. ?? haben keine im Körperlichen nachweisbare Rangordnung. — Das Höchstgewicht bei 6 & betrug 77 g, bei 29 85 g. Die Kopf-Rumpf-Länge betrug bei 74 Neugeborenen im Durchschnitt 5,2 cm. Die Schwankungsbreite liegt zwischen 4,4 und 5,7 cm. Die bei der gleichen Anzahl ge- messene Schwanzlänge ist 4,2 cm. Schwankungsbreite von 3,2 bis 4,8 cm. — Aus Abb. 5 geht, entsprechend der Gewichtsentwicklung, im KR-Wachstum wieder ein deutlicher, vom 10. Lebenstag an feststellbarer Unterschied zwischen dd und P® hervor, der sich mit ca. 5 Monaten wieder ausgeglichen hat; auch im Schwanz-Wachstum ist er zu erkennen. — Die endgültige KR-Länge der 5 ö differiert wieder deutlich in den ver- schiedenen Rudeln, aber relativ weniger stark als im Gewicht. Im Rudel I beträgt sie im Durchschnitt 11,0 cm, in den Rudeln II und III 12,2 cm. Die KRL sämtlicher er- wachsener 22 mißt 12,3 cm. — Bei ö 5 maß ich die größte Länge mit 13,8 cm, bei QP mit 13,0 cm. Beim Schwanz beträgt die Endlänge bei den 5 d 9,8 cm (Extremwerte 10,3 und 9,3), bei den 2? 10,3 (Extremwerte 11,1 und 9,5 cm). Bei && und P% sind die Schwänze durchschnittlich: 1,5 bis 2,0 cm kürzer als Kopf + Rumpf. Die Endlängen von KR und S sind bei beiden Geschlechtern erst etwa mit 8 Monaten erreicht. Ex- treme in der Relation KRL: SL z.B. 13,8:9,8 (&) und 11,0:10,5 (2). Letzteres Bei- spiel zeigt, daß die Schwanzlänge nie die Kopfrumpflänge erreicht oder gar übertrift. 8 F. Dieterlen 0 20 30. °40 50 60. 70: .60...90 2199..1102 120721307 Zoe TAGE Abb. 5. Wachstum der Kopf-Rumpf-Länge von 9 & 8 und 10 @Q und der Schwanz-Länge (untere Kurven) von 6 dd und 9 22 Dies stimmt nicht mit den an 5 bzw. 4 Tieren der Unterart dimidiatus von ZIMMER- MANN (1952) und AHaRonNI (1932) genommenen Maßen überein; KRL und SL sind nach diesen Messungen nahezu gleich. Die Zahl der Schwanzringe beträgt etwa 150 bis 180. Die Schwänze von bis zu 3 bis 4 Monate alten Tieren besitzen eine feine Ringstruktur und sind von grauer, röt- lich durchschımmernder Färbung. Erwachsene haben die „Schuppenstruktur“, die Schwänze sind stärker pigmentiert, besonders die jetzt braungraue Oberseite. Jung- tier-Schwänze sind mit feinen Borsten besetzt, Schwänze Erwachsener sind stärker bor- stig. Im ersten Schwanzdrittel erreichen die Borsten nur die Länge einer, ım letzten Drittel — wo die Ringe aber schmäler sind — von gut drei Ringbreiten. Stachelmaus-Schwänze autotomieren sehr leicht und sind gegen Bisse und sonstige Verletzungen ungemein empfindlich. BATE (1903) berichtet dies von der cypriotischen Vertreterin, von der sie mehrere Exemplare sammelte, die schon vor dem Fang ihren Schwanz verloren haben mußten. MıTcHELL (1903) schreibt von der gleichen Unterart, daß die Jungen schon früh ihre Schwänze einbüßten. AHaronı (1932) erwähnt das Autotomieren für die ganze Gattung. ZIMMERMANN (1952) hingegen fand unter 30 Tieren der kretischen Unterart minous keines mit verstümmeltem Schwanz. Auch bei meinen Tieren konnte ich Autotomieren feststellen, doch kam das nur selten vor. Sehr häufig sind jedoch verstümmelte Schwänze. Die Ursachen sind in der großen Mehrzahl nicht Unfälle oder dergl., sondern Auseinandersetzungen unter den Tieren eines Rudels. Dabeı sind die meisten Bisse gegen den Schwanz des Gegners ge- richtet, besonders bei Verfolgungen. Viele Verstümmelungen, vornehmlich bei jün- geren Tieren, rühren nicht von echten Kämpfen her, sondern von kleinen, sich nur in kurzem Zubeißen entladenden „Gehässigkeiten“. Beißereien und Verfolgungen sind unter 5.& ungleich häufiger als bei P?. Grad und Häufigkeit der Schwanzverletzun- gen sind daher entsprechend verteilt. Reviergröße, Rudelgröße u. a. soziale Faktoren spielen eine wesentliche Rolle — in den beiden kleineren Rudeln nämlich kommen ver- stümmelte Schwänze nur selten vor — doch kann darüber erst später berichtet werden. Beiträge zur Biologie der Stachelmaus 9 Tabelle 4 = | Tabelle 5 Die Hinterfuß-Länge Wachstum des Hinterfußes Ohrenwachstum in cm el 60 ee be- in cm . : FU ım ıtte 5 em. Mittelwerte von 9 d& Ben Über Wachstum siehe 2 00 ud Tab. 4. Die Endlänge ist und 8 99 A. g - NORD - mit 70 Tagen erreicht. killen aa | co Alter 2 ©L Der geringe Unterschied | zwischen dd mit 1,95 a 0980 ’ me 155 1,55 57. 10 ns a SD Es Sag 15792 21,710 15 as 125 eı vielen erwachsenen 15. Tas 1,80 1,80 a he Tieren bestätigt. Extrem- 25. Tag 190 1,8 40. Tag 1,45 werte bei den beiden Ge- ei en Be 10 as 1560 schlechtern sind 1,8 und ca. 120. Tag (1,80 2,0 cm. Amaronı (1932) und ZIMMERMANN (1952) bringen gleiche Werte für diese Unterart. Die durchschnittliche Ohrlänge belief sich bei 65 Tieren am 1. Lebenstag auf 0,8 cm. Im Wachstum und in der Endlänge (Tab. 5) zeigt sich kein Unterschied bei dd und 92. Die Extremwerte betragen 1,6 und 1,9 cm. Die Endlänge liegt etwas unter den von AHARONI (1932) und ZIMMERMANN (1952) ermittelten Maßen. Fell-Entwicklung Etwa mit 70 Tagen sind die Tiere ausgefärbt (Abb. 6e und Abb. 1). Ihr Fell ist dann in dem Zustand, wie AHARoNI (1932) es für dimidiatus beschreibt: „Auf der Oberseite sind die Haarwurzeln schmutzig grauweiß, gegen die Spitze hin sind die Stacheln gelbbraun und enden mit einem dunklen, braunen Punkte. In der Rückenmitte ist das Dunkelgrau bis auf das letzte Drittel des Haares verbreitet, so daß die Rückenmitte fast dunkelgrau erscheint, während es an den Seiten immer mehr ins Gelbliche über- geht. Rücken- und Bauchfarbe sind voneinander scharf abgesetzt. Unterseite rein weiß, ebenso die Füße und ein Streifen hinter der Ohrbasis.“ Wenigstens für meine Tiere ist ein kleiner weißer Bezirk unter den Augen noch zu ergänzen. Dafs die Rückenmitte fast dunkelgrau erscheint, kann ich nicht bestätigen. Die den ganzen Rücken bedeckenden, fast bis zum Nacken reichenden Stacheln sind abgeplattet und biegsam; nach hinten zu werden sie stärker und länger. Auf der Oberseite tragen sie eine Längsfurche, unten sind sie glatt. Das von AHarontı (1932) für die ganze Gattung Acomys aufgestellte Merkmal, nach dem zwischen den Stacheln keine Haare stehen, trifft für dimidiatus nicht zu, denn aus dem Stachelpelz ragen gut 0,5 cm weit in lockerem Abstand viele dünne dunkle Haare hervor (am Bauch sind sie weiß), die sich aus dem Flaum des Jungtieres (Abb. 2, 3) entwickelt haben. Wahr- scheinlich haben sie Tastfunktion. Nach der Abbildung bei ZImMERMANN (1952) hat auch minous diese Rückenhaare. Die Jungen kommen mit einer leichten ganz lockeren Flaumbehaarung zur Welt. Der dunkelgrau pigmentierte Rücken ist je nach Entwicklungszustand noch nackt oder von einem kurzen Fellchen bedeckt. Die Stachelanlagen (Abb. 3) sind schon zu sehen und zu spüren. Um die Mittellinie des Bauches, kranial vom Nabel, stehen meist schon weiße Haare, die im Ansatz schon die für Acomys typische Art von Bauch- scheitel bilden. Der Kopf trägt kurze graue Haare, die einen bräunlichen Anflug zei- gen. Wie bei den Erwachsenen ist ein Streifen an der Ohrbasis und unter den Augen weiß oder silbergrau. 10 F. Dieterlen NL Rp Er weiß (außer Ohren und Schwanz) Abb. 6. Entwicklung und Färbung des Haar- und Stachelkleides. A. dreitägiges Tier, B. unge- fähr 35 Tage alt, °C. mit 45 Tagen, D um den 55. Tag, E. ausgefärbter Zustand, etwa mit 70 Tagen Um den 5. Tag (Abb. 7) hat sich an der Kopffärbung wenig geändert. Am Rücken stehen jetzt kurze graue Haare und Stacheln, mit schwacher bräunlicher Einmischung, die an den Flanken etwas deutlicher ist. Körperunterseite, Ohren- und Augenbasıis sind weiß. An dieser, im ganzen einheitlichen grauen Jugendfärbung der Oberseite ändert sich nun, abgesehen von leichter Aufhellung des Grau, 3 bis 4 Wochen lang fast nichts. Das „mausgraue“ Stadıum (Abb. 8) wird auch für andere Acomys-Arten oder -Unter- arten beschrieben. Frühestens um den 30. Tag macht sich im oberen Teil des Hinterrückens eine kleine Zone brauner Stacheln bemerkbar, die sehr rasch größer wird und schon um den 35. Tag mehr als die Hälfte des Rückens bedeckt (Abb. 6b und Abb. 9). Es gibt aber Ausnahmen, z.B. Tiere, die noch mit 35 bis 40 Tagen den grauen Jugendpelz tragen. Die fünf Färbungsphasen im Lauf der Jugendentwicklung in Abb. 6 sind nur als grobes Schema zu werten. — Die allmählich mehr gelbbraun werdende Stachelzone hat um den 45. Tag den Nacken erreicht. Dieses Gelbbraun verdrängt nun immer mehr die grauen Areale an Schwanzbasis, Flanken und Nacken und zuletzt auch — vom 60. Tage an — am Kopf. Wie in der Gewicht-, KRL- und SL-Entwicklung, sind auch in der Fellfärbung die 5& den 22 immer etwas voraus, doch sind die Unterschiede auch hier nach dem 70. Tage wieder verschwunden. Beiträge zur Biologie der Stachelmaus 11 Die sehr langen Schnurrhaare entspringen auf jeder Kopfseite aus rund 35 Papillen, die in fünf horizontalen Reihen angeordnet sind; die bei- den oberen besitzen je 5 bis 6 Papillen, die drei unteren 82 bis 29 Von vorn nach hinten nehmen die Papillen an Größe zu, dementsprechend ist auch die Stärke der Vi- brissen, von denen 1 bis 2 ın jeder Papille inserie- EN ren. Auf jede Kopfseite kommen also rund 60 Schnurrhaare verschiede- ner Länge. Die längsten Vibrissen von 64 Neuge- borenen waren im Mittel 2,0 cm lang. Das Wachs- tum geht sehr rasch: am 5. Tag messen sie 2,5 cm, am 10. Tag etwa 3,0 cm, am 18. 4,0 und schon um den 30. Tag haben sie mit 4,5 cm fast die End- länge erreicht. Die größte gemessene Länge beı Er- wachsenen betrug 5,0 cm. Zwei aus je einer Papille entspringende Tasthaare finden sich über jedem Auge (Abb. 2). Das längere mıßt bei der Geburt 1,5 cm, mit 40 Tagen 2,5 hat es bereits die Endlänge. Das kür- zere ıst zu jedem Zeit- punkt etwa halb so lang wie das längere. — We- nige Millimeter kaudal vom Auge inseriert eın (manchmal auch zwei) REDE Sinneshaar (Abb. 2), das Abb. 9. 42tägiges Tier; der braun gefärbte Teil des Rückens bei Neugeborenen 1,0, erscheint in der Abb. dunkler bei Erwachsenen 1, 7 cm mißt. Die Unterkieferregion besitzt zwei seitliche und eine mediane Papille. In der mitt- leren inserieren in der Regel drei Haare, die bei Geburt 0,4, bei Erwachsenen 0,7 cm messen. Gleiche Längen wie die der mittleren, haben die je 2 Haare der beiden seit- Abb. 7.5 Tage altes Tier. Beachte die Flaumbehaarung und das (bereits endgültige) Ausmaß des Stachel-Areals! Abb. 8. 20 Tage alte Stachelmaus im typischen grauen Jugendkleid 12 F. Dieterlen - Beiträge zur Biologie der Stachelmaus lichen Papillen. Die Sinneshaare des Unterkiefers scheinen vor allem den noch fast unbehaarten Jungen zu dienen, denn bei Erwachsenen erheben sie sich nur wenig über ihre Umgebung. Am Vorderfuß sitzen 3 bis 6 Tasthaare (Abb. 2), die beim Jungtier je rund 0,3 cm, beim erwachsenen ca. 0,7 cm messen. = ° Zusammenfassung Diese Arbeit bringt Daten zur Biologie und Jugendentwicklung der Stachelmaus, daneben An- gaben zu Haltung und Zucht. — Die Tragzeit, für Muroiden ungewöhnlich lang, beträgt 38 Tage. Mehr als 90°/o der Jungen kommen in den frühen Morgenstunden zur Welt. Die Zahl der Jungen pro Wurf beträgt nur 2,44. Das Geschlechtsverhältnis ist bei der Geburt einiger- maßen ausgeglichen. Mit zunehmendem Alter bringen die QP größere Würfe, die bis zu 5 Junge umfassen. — Stachelmaus-QQ erfahren einen regelmäßigen fruchtbaren post-partum- oestrus, wodurch eine sog. pausenlose Wurffolge zustande kommt. Es gibt 99, die nach 12 aufeinanderfolgenden Würfen noch keine Pause eingelegt haben. Bei pausierenden 9 ist ein Brunst-Zyklus festzustellen, der im Mittel 11 Tage beträgt. Die Stachelmäuse werden mit 2 bis 3 Monaten fortpflanzungsfähig. — Zustand der Jungen bei der Geburt und die Entwick- lung zeigen, daß Acomys ein Nestflüchter ist, der einzige bisher bekannte unter den Muroidae. Ein Vergleich von Rattus- und Apodemus-Arten mit der Stachelmaus zeigt eine gute Über- einstimmung in der Entwicklungsdauer, nur bleibt die Stachelmaus rund 16 Tage länger im Mutterleib und entwickelt sich in dieser Zeit zum Nestflüchter. — Es folgen Daten über die Entwicklung und Erwachsenenzustände von Gewicht, KRL, SL, OL, HfL, Fell und der Sinnes- haare. Summary This study contains dates about biology and post-natal development of the spiny mouse (Acomys cahirinus dimidiatus), furthermore informations about captivity conditions and breeding. Gestation period, uncommonly long among the Muroidae, lasts 38 days. More than 90 °/o of the litters were born during the early morning hours. The average litter size is 2.44. Sex ratio of the newborn spiny mice is about 1:1. Becoming older the mature females drop greater litters up to five young. The females experience regularly fertile after parturition heats, from which may result a non-stop-breeding. There are females wich did not pause after a series of 12 litters. Pausing females show an oestrous cycle with an average length of 11 days. Spiny mice can be mature at the age of 2-3 months. State of the newborn and post-natal-develop- ment show, that Acomys ıs a nıdifugous, hitherto the only known among the Muroidae. Com- paring the times of development of some species of the genera Rattus and Apodemus with Acomys, we find nearly equality, but Acomys stays about 16 days longer in the mothers womb growing up in that time to the nidifugous state. Furthermore this work contains dates concerning growth of weight, head and body, tail, hind foot, ear, fur and vibrissae. Resume Cet ouvrage rapporte des dates au biologie et au developpement postembryonnaire de Acomys cahirinus dimidiatus (Murinae), en outre des notes sur @elevage et captivite. La ge- station dure 38 jours, c’est extraordinairement longue m&me pour un espece de la superfamille des Muroidae. Plus que 90°/o des mises-bas ont lieu pendant les heures matinaux. La nombre des petits par portee ne comprend que 2.44 en moyenne. La proportion sexuelle de nouveau- nes est environ 1 A 1. Devenantes plus agees les femelles mettant bas des portees plus grandes, comptent jusqü ä& cing petits. Quelques heures apres la mise-bas les femelles regulierement entrent en oestrus dont la plupart sont feconds; par consequent une serie de portees se fait (en intervalles de 39 jours). Il y a des femelles qui n’ ont pas faites de pause apres 12 port£es succedentes. Si ’accouplement n’ &tait pas fecond, les oestrus se r&petent environ tous les 11 jours. Avec deux A trois mois les Acomys sont capables de r&production. L’etat des nouveau- nes et le d&veloppement montrent, que le jeune Acomys est qualifi& de nidifuge, jusqu a present le cas unique entre les Muroidae. En comparent les temps de developpement de quelques especes des genres Rattus et Apodemus avec ceux de Acomys on constate egalite, mais Acomys reste environ 16 jours plus long dans l’uterus, se developpent en ce temps A l’etat nidifuge. — G. H.W. Stein — Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus 13 En outre cet ouvrage contient des dates sur la crossance du poid, du tete et du corps, du queue, des pieds, des oreilles, du pelage et des poils sensoriels. Literatur AHaronı, B. (1932): Die Muriden von Palästina und Syrien. Zs.Säugetierk. 7, 166-240. — ÄNDERSON, J. und W. E. DE Wınton (1902): Zoology of Egypt: Mammalia. Hush Rees Ltd. London. — AssHETon, R. (1905): On the foetus and the placenta of the Spiny Mouse (Aco- mys cahirinus) Proc. Zeol Soc. London, II, 280-288. — BATE, D. (1903): On the occurence of Acomys in Cyprus. Ann.Mag.Nat.Hist. (7) 11, 565-567. — BOoNHOTE, J. L. (1909): On a small collection of mammals from Egypt. Proc. Zool. Soc. London I, 788-798. — Bon- HOTE, J. L. (1911): Exhibition of, and remarks upon, a young Cairo Spiny Mouse (Acomys cahirinus). Proc. Zool. Soc. London, I, p. 5. — BontHote, J. L. (1912): On a further collec- tion of mammals from Egypt and Sinai. Proc. Zool. Soc. London, I, 224-231. — Bour- LIERE, F. (1948): Sur la r&production et la croissance de Cricetomys gambianus. Terre et Vie, 45-48. — DiIETERLEN, F. (1959): Das Verhalten des syrischen Goldhamsters (Mesocricetus auratus Waterhouse). Zs. Tierpsychol. 16, 47-103. — FLoweEr, St. S. (1932): Notes on ‘the recent mammals of Egypt, with a list of the species recorded from that kingdom. Proc. Zool. Soc. London, 369. — Frank, F. (1956): Beiträge zur Biologie der Feldmaus (Microtus arvalis PALLAS). Teil 2: Laboratoriumsergebnisse. Zool. Jahrb. Abt. Syst. 84, 32-74. — Grass£, P. P. (1955): Traite de Zoologie. Temne XVIII Mammiferes, Fasc. 11. Masson et Cie. Editeurs, Paris. — KENNETH, J. H. (1947): Gestation periodes. Edinburgh: Imp. Bur. of anı- mal Breeding and Genetics. — Korar, H. (1960): Einiges über Stachelmäuse (Acomys cahı- rinus dimidiatus), „Die Pyramide“, Innsbruck, Jg. 8, 111-112. — KrumsieceLı, 1. (1954): Biclo- gie der Säugetiere. Agıs Verlag Krefeld. — MiıTcHELL, P. C. (1903): Note on the Cypriote Spiny Mouse. Proc. Zool. Soc. London, II, 260-261. — MoHRr, E. (1954): Die freilebenden Nagetiere Deutschlands. G. Fischer Verlag, Jena. — Pocock, R. I. (1904): Exhibition of, and ' remarks upon, yong examples of the Egyptian Fat-tailed Gerbille, Proc. Zool. Soc. Lon- don, II, p. 133. — ZIMMERMANN, K. (1952): Die Rodentia Kretas. Zs. Säugetierk. 17, 21-51. — ZIMMERMANN, K. (1959): Taschenbuch unserer wildlebenden Säugetiere. Urania Verlag, Leipzig. — ZUCKERMAN, (1952/53): The Breeding seasons of mammals in captivity. Proc. Zool. Soc. London, 122, 827-950. Anschrift des Verfassers: Dr. Frırz DIETERLEN, Freiburg i. Br., Zoologisches Institut Beziehungen zwischen Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus, Sorex araneus, und weiteren Rotzahnspitzmäusen Von Georg H. W. Stein, Berlin Aus dem Institut für Spezielle Zoologie und Zoologischem Museum der Humboldt-Universität Berlin Eingang des Ms. 16. I. 1961 I. Problemstellung Exakte Angaben über die Abhängigkeit der Vermehrungsrate von der Bestandsdichte haben uns vorzugsweise Untersuchungen an Insektenpopulationen geliefert. Von ALLEE und seinen Mitarbeitern sind diese unter den künstlichen Bedingungen des Labors gewonnenen Ergebnisse 1949 zusammengestellt worden. Die Siedlungsdichte 14 G. H.W. Stein ist danach ein fundamentaler Faktor der Fruchtbarkeit. Sie sinkt mit zunehmender Zu- sammendrängung der Bestände. An kritischen Daten für freilebende Tiere mangelt es jedoch bis heute, sieht man von der Populationsanalyse der Kohlmeise, Parus major, von H. N. Kruıvjer (1951) ab, in der an imponierenden Zahlenunterlagen, die Arbeit von 34 Jahren umspannend, auch die negative Korrelation von Siedlungsdichte und Vermehrungsrate dargestellt wurde. Die hier vorgelegten Befunde an Spitzmäusen können sich damit nicht messen. Einmal umfassen sie nur einen Zeitraum von 6 Jahren, und das Material ist nach der einfachsten Methode, der der Totfänge mit Klappfallen, zusammengebracht worden. Der für die Anwendung des Markierungsexperimentes notwendige technische Apparat hat mir nicht zur Verfügung gestanden. Überhaupt ist es hinsichtlich dieser Arbeits- weise, die in den verschiedensten Tiergruppen so mannigfache hervorragende Ergeb- nisse gezeitigt hat, bei Insectivoren über erste Versuche noch nicht hinausgekommen (CrRowcrorT 1957, Janskı u. Hanax 1959). Mit besonderen Schwierigkeiten hat das nichts zu tun, aber Spitzmäuse sind wirtschaftlich und hygienisch nicht von so augen- fälliger Bedeutung wie etwa kleine Nagetiere. An diesem mächtigen Motor, ihre Er- forschung voranzutreiben, hat es also gefehlt. Dabei sind Soricinen für Populationsanalysen günstige Objekte. Pflegt sonst gerade das Fundament solcher Untersuchungen, der Altersaufbau, oft unsicher zu bleiben — man denke nur an Kleinfledermäuse, wo die vorwiegend geübte Methode der Alterszuordnung nach dem Grade der Zahnabtragung bei älteren Tieren gänzlich versagt hat, oder an die Microtusarten, bei denen sie überhaupt nicht anwendbar ist — so fallen Schwierigkeiten dieser Art bei Rotzahnspitzmäusen fort. Ihre Alters- zusammenstellung ist denkbar einfach und übersichtlich: Spitzmäuse werden nur 16 bis 18 Monate alt. Geschlechtsreife tritt (für gewöhnlich!) erst im 2. Kalenderjahr ihres Lebens ein. Im Spätherbst sind die letzten Angehörigen der Vorjahrsgeneration ver- schwunden, und allein die Jungtiere bleiben übrig. Ist diese Aufgliederung in adulte und juvenile Tiere gesicherter Bestand unseres Wissens, so hat bis heute Unklarheit geherrscht über den Anteil der Klasse der Jungtiere an der Fortpflanzung. Darum und um die Beziehungen zur Bestandsdichte geht es in dieser Untersuchung. II. Entwicklung und gegenwärtiger Stand des Problems Es liegt auf der Hand, daß dieses Problem erst gesehen werden konnte mit dem Ein- blick in die Gesetzmäßigkeit des Altersaufbaus von Spitzmauspopulationen. Dem scharfen Blicke Brasıus’, dem schon 1857 bei Waldspitzmäusen solche Feinheiten aufgefallen waren, wie temporäre Unterschiede der Schwanzdicke und der fleischigen Teile des Rüssels, Unterschiede, die bis heute nicht wieder Beachtung gefunden haben, ist die Altersgliederung entgangen. G. S. MırLeEr (1912) wußte zwar genau Bescheid über die Zahnabtragung bei Säugetieren in ihrer Bedeutung für die Alterskenn- zeichnung und hat dieses für Soricinen bis heute noch einfachste und brauchbarste Kriterium auch in seinen Tabellen gewissenhaft benutzt, aber biologische Frage- stellungen lagen dem eminenten Systematiker fern. So blieb es L. Apams vorbehalten, 1910, eingehender 1912 und dazu gleich für beide britische Sorexarten, $. araneus und S. minutus, die Unterscheidung in Vorjahrstiere und Jungtiere aufzuzeigen. Er bediente sich dabei der Gewichte und gewisser Kennzeichen der Schwänze. Unter seinen Waldspitzmäusen hatte er nun 2 gravide Weibchen gefunden, die die Merkmale jugendlicher Tiere aufwiesen und damit den ersten Hinweis auf frühe Geschlechtsreife gegeben. MıDDLEToN bezeugt 1931 hingegen „neither male nor female shrews become sexually mature and breed during the year of their birth“. BRAmBELL (1935), dem von Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus 15 Sorex araneus 196 juvenile Weibchen aus der Fortpflanzungszeit vorlagen, fand bei einigen zwar vorzeitige Entwicklung der Geschlechtsorgane, Gravidität jedoch nur bei einem vermutlichen Jungtier. 1936 wird in einer zusammen mit K. Haır verfaß- ten Arbeit für Sorex minutus angegeben, diese Art pflanze sich in ihrem ersten Lebens- jahre nicht fort. In einer zusammenfassenden Darstellung dieser Verhältnisse vertritt P. CrowcrorTt noch 1957 die Ansicht, bei solchen vereinzelten Fällen verfrühter ge- schlechtlicher Aktivität handele es sich um außergewöhnliche Vorgänge. 1938 war ich auf Grund märkischen Materials von S. araneus, 129 56 juv. und 89 PQ juv., zu ähnlichen Formulierungen gekommen. DEHner lehnt 1950 auch für polnische Wald- spitzmäuse die Fortpflanzung im ersten Kalenderjahr ihres Lebens ab. 1952 und 1954 konnte ich jedoch eine Reihe gravider junger Weibchen bekanntgeben und vermutete bereits Zusammenhänge mit der Bestandsdichte. Perıkan (1955) wiederum fand bei 29 && juv. und 32 PP juv. keine geschlechtliche Aktivität. Für osteuropäische Waldspitzmäuse (Gebiet südlich von Moskau) finden sich positive Angaben bei T. N. Dunajewa (1955). Unter 1193 jungen Weibchen aus dem Jahre 1948, bei höch- ster Bestandsdichte, ließen sich 20 gravide oder säugende juvenes aussondern. Ge- schlechtsreife in jugendlichem Alter ist weiter für Sorex minutus nachgewiesen worden (STEIN 1954, PucEk 1960) und ebenso für die Wasserspitzmaus, Neomys fodiens. Zu dieser Art bemerkt DEHNnEL 1950, sein Material gäbe „the unquestionable evidence that the watershrew can already breed just in the first calendar life-year“. Das- selbe teilte ich 1954 für ostdeutsche Neomys fodıens mit, und J. Bazan bestätigte 1955 diese Befunde. Demgegenüber wollen die Angaben von M. Prıce (1955), daß bei britischen Wasserspitzmäusen Fortpflanzung in jugendlichem Alter nicht stattfände, nichts besagen. Der Autorin ist eine einwandfreie Aufgliederung ihres Materials in die beiden Altersklassen nicht gelungen, worauf bereits J. Bazan 1955 hinge- wiesen hat. Widerspruchsvoll wie die Angaben über Wald- und Zwergspitzmaus sind auch die über nearktische Soricinen. HamıLton (1940), der über 300 aus der Fortpflan- zungszeit stammende Jungtiere von Sorex f. fumeus untersuchen konnte, fand die Sexualorgane aller Tiere im Ruhezustande und schließt daraus, daß Geschlechtsreife in dieser Alterskategorie nicht eintritt. Bei Sorex palustris (ConaweEy 1952) und der Sorex vagrans- und ornatus-Gruppe (Rupp 1955) traten dagegen geschlechtsreife Jungweibchen sehr vereinzelt auf, „curiously“ wie der letzte Autor betont, in unter- schiedlich hohen Anteilen in beiden Gruppen. Zusammenfassend ist zu sagen: Geschlechtsreife schon im Kalenderjahre der Geburt bei den ?2 der Soricinen ist jetzt zur Evidenz geworden. Daß die verneinenden und die sich widersprechenden Angaben in der Literatur auf Irrtümern oder gar Fahr- lässigkeit beruhen sollten, wird niemand annehmen wollen, der die Reihe gewissen- hafter Autoren überblickt, die sich mit dieser Frage befaßt haben. Der eine hat eben trächtige oder säugende PP juv. gefunden, und in dem Material des anderen — oder auch ein anderesmal — haben sie gefehlt. Es kann nur so sein, daß geschlechtsreife juvenes in einer Fortpflanzungsperiode sehr rar oder nicht vorhanden und in anderen häufiger sind, dieses Verhalten der Soricinen also jahrweisen Schwankungen unter- liegt. Dann obläge es jetzt nur noch, die Zusammenhänge aufzuzeigen. Festzuhalten bleibt weiter, daß (mit Ausnahme von Neomys fodiens) juvenile dd mit ausgepräg- ten Merkmalen geschlechtlicher Reife bis heute noch nicht aufgefunden worden sind. Dieser Tatbestand ist um so gewichtiger, als, wenigstens von der Waldspitzmaus, Heka- tomben untersucht worden sind. 16 G. H.W. Stein III. Material und Methode Umfang des Materials Während der Fortpflanzungszeit (Mai-Oktober) sind von mir ın den Jahren 1950 bis 1956 und 1960 1117 Waldspitzmäuse (379 Vorjahrs- und 738 Jungtiere) gesam- melt worden, alle in der weiteren Umgebung Berlins (Fürstenwalde, Spree). Weit niedriger liegen die Zahlen der mit ihnen zusammen erbeuteten beiden anderen Arten, Sorex minutus, Zwergspitzmaus und Neomys fodiens, Wasserspitzmaus. Hinzu kom- men Serien von Sorex araneus aus Oldenburg ı. ©. und von S. araneus und S$. minutus aus Preetz in Holstein, sämtlich aus der Fortpflanzungsperiode 1960. Zur Geschlechts- und Altersbestimmung Das Geschlecht ist stets an den Keimdrüsen ermittelt worden, das Lebensalter an der Zahnabnutzung, wie sie sich in dem fortschreitenden Verlust der rotgefärbten distalen Zahnpartien darstellt. Dieses Verfahren hat sich für alle daraufhin untersuchten Sori- cinen als brauchbar erwiesen (STEIN 1938, PEARson 1945, DEHNEL 1950, Bazan 1955, DunajewaA 1955, Rupp 1955). Prinzipiell um dieselbe Methode handelt es sich bei der Altersgrupperung nach Unterschieden der Zahnlänge, dıe Conaway (1952) an Sorex palustris und CrowcrorFT (1956) an der Waldspitzmaus durchgeführt haben. Von geschlechtlicher Aktivität sprechen einige Autoren schon dann, wenn Uterus und Vagina bei jungen PP und die Testikel bei den dd mit bloßem Auge eine Ver- größerung erkennen lassen. Aus praktischen Gründen, aber auch um jede Unsicherheit auszuschalten, werden in dieser Untersuchung als geschlechtsreif angesehen nur die- jenigen juvenilen PP, welche trächtig sind oder Junge säugen, juvenile d d, wenn 1. die Größe ihrer Testikel der adulter zur Fortpflanzungszeit nicht nachsteht, 2. die Hoden inguinal von außen als grobe Anschwellungen kenntlich sind und dazu 3. der Penis in Länge und Stärke voll ausgebildet ist. Besonders zu beachten ist dieses letzte Kennzeichen, da juvenile & ö schon beträchtlich vergrößerte Testes aufweisen können, wenn ihr Penis noch unentwickelt ist. Zur Methodik und Technik der Erbeutung Die gesamte Ausbeute ist mit den bekannten kleinen Bügelfallen zusammengebracht worden. Neben den Fabrikaten „Luchs“ und „Peter“ wurde 1960 auch die „Museum special“ benutzt, deren Vorteil neben Fängigkeit und einwandfreier Erhaltung des Sammelgutes in der Einfachheit der Handhabung liegt. Das vorzeitige und schon beim Aufstellen so lästige Zuschnappen fällt bei diesem durchkonstruierten System fort. Die Anordnung der Fallen geschah nach der Methode der Fallenreihen (trap-lines) mit einem Abstande von im Mittel 10 Meter. Einheitlich nach diesem Prinzip gesammeltes Material bildet eine brauchbare Grundlage einmal für Schwankungen der Bestände ım zeitlichen Bereich, also für die Populationsdynamik. Für räumliche Vergleiche ergeben sich Aufschlüsse über die quantitative Verteilung a) mehrerer Arten ım selben Lebens- raume und b) einer Art in ökologisch unterschiedlichen Bezirken. Wir werden uns die- ser quantitativ-analytischen Methode immer wieder zu bedienen haben; für ihre kriti- sche Bewertung ist hier nicht der Platz, das ist im Schrifttum ausgiebig geschehen (z. B. CaLHoun 1948-56, PELIKAN 1955). In Mischwäldern wurden die Fallenreihen ohne Anlehnung an Besonderheiten ge- Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus 17. legt, in Kiefernkulturen die Pflanzreihen entlang. In offenem Gelände beschränkte sich der systematische Fang von Spitzmäusen auf tiefgründige, feuchte Moorwiesen, aber nur auf solche, bei denen schmale, verwachsene Entwässerungsgräben Leitlinien darboten. Während Perioden hoher Dichte ıst hier nichts weiter nötig, als die Fallen quer in die längs der Gräben verlaufenden Gänge der Wühlmäuse einzuschieben. Es fängt sich — mit und ohne Köder — alles, was dort vertraut des Weges zieht, darunter auch die Soricinen. Jahre eines ausgeprägten Tiefs der Kleinsäugerdichte stellen den Sammler vor die Entscheidung, entweder das Prinzip der Fallenreihen beizubehalten, dann mit Sicherheit wenig zu erbeuten und damit auf statistisch hinreichende Serien zu verzichten oder zum „gezielten Fange“ überzugehen, also nur dort eine Falle anzu- setzen, wo mit der Anwesenheit einer Spitzmaus zu rechnen ist, damit aber die Brauch- barkeit solchen Materials für quantitative Vergleiche zu beeinträchtigen. Der letzte Weg ist 1960 von dem Zeitpunkt an eingeschlagen worden, als das Kernproblem dieser Untersuchung und seine Lösungsmöglichkeit sich abzeichnete. Von da ab wurden Fal- len in die Gänge von Sorex gestellt, die sich, gerade fingerstark und nicht ohne weiteres erkennbar, in der Grasnarbe, im Moosbewuchs hinziehen, und weiter in Zwangs- wechsel, wie sie etwa ein Seggenbüschel oder Pflanzenstengel in der Grabensohle nahe der Grabenwand bilden können. IV. Bestandsdichte und Vermehrungsrate bei jugendlichen Weibchen von Sorex araneus Tabelle 1 Schwankungen der Bestände kleiner Säugetiere im Frühjahr und Frühsommer (1. V. bis 31. VII.) Ackerflächen nicht eingeschlossen — - Jahr os) 1952 | 1953 | og ee 1960 N ARE: ER ERNT Sur RL A Enzahlleden kallen 2... 1339 900 461 1240 340 2147 Anzahl der erbeuteten Klein- säuger (Insectiv. u. Rodent.) 392 500 180 264 94 342 0/o-Satz der von Insectiv. u. . Rodent. besetzten Fallen ... 26 56 39 26 28 16 0/o-Satz der von Sorex ara- neus ad. besetzten Fallen ... Do 11.6 55 9.2 2.5. 01.06) Nach der Tabelle stellt sich 1960 mit nur 16°/o besetzter Fallen als das Jahr nıiedrig- ster Siedlungsdichte dar. Das trifft ebenso für die hier nicht einbegriffenen Ackerflächen zu, in denen in meinem Beobachtungsgebiete die Bestände der Feldmaus, Microtus arvalis, nahezu erloschen sind. Dieser Zusammenbruch nach erheblicher Dichte, denn um einen solchen handelt es sıch, ist in weiten Teilen Deutschlands und darüber hinaus . registriert worden (H. KuLicke, Eberswalde, H. REıcHsTEIn, Kleinmachnow, J. ZEJDA, Brünn, mdl.). Auch die Waldspitzmaus hat mit 2,5°/o von ihr besetzter Fallen ihren tiefsten Stand erreicht. Der Unterschied zwischen 1960 (2,5 %/0) und 1951 mit 2,7 %/o ist nur scheinbar so gering. Es ist hier daran zu erinnern, daß 1960 nach dem Auftreten des ersten juvenilen Weibchens am 20. VI., das sich unerwartet — und zu besonderer Aufmerksamkeit mahnend — als gravid erwies, mit gezieltem Fang begonnen worden ist. Bis dahin beträgt der Anteil der Art nur 1,6%/o (849 Fallen — 9 S. araneus), was der wahren Siedlungsdichte nahekommen dürfte. Bis zu welchem katastrophalen Nie- 18 G. H.W. Stein Tabelle 2 Siedlungsdichte von Sorex araneus (im Frühjahr!) und Anteile gravider und säugender ?9 juv. Jahr 1951 1952 | 1953 10.1954 1955 1960 Dichte von Sorex araneus nach Tab. Ale ra 2.7.2116 11.6 53 IR 1.06 (2.5) Gesamtzahl jugendlicher 22 VEIT TI RER A 18 147 33 36 7 57 absolute Zahl gravider oder säugender 29 juv. ......... 2 4 2 6 = 20 0/o-Satz gravider oder säugen- den OD Juve ee re NE 6.0 16.6 dergange der Zusammenbruch der Waldspitzmauspopulationen stellenweise geführt hat, illustrieren Zahlen, die ıch Ing. J. ZEDJA, Brünn, zu danken habe: In Südmähren ergaben Ende März bis Anfang Aprıl 1960 9725 Fallen eine einzige Spitzmaus und Mitte Juni 5514 keine. Ein ungemein geringes Ergebnis erzielte auch Dr. R. PIECHOcKI in Neustrelitz: 23. VII. — 3. VIII. 550 Fallen, 8 Kleinsäuger (= 1,4°/o besetzter Fallen!), darunter 1 Sorex araneus (= 0,2°/o). Für unsere Betrachtung genügt die Feststellung, daß sich der Beginn der Fortpflanzungsperiode 1960 als Periode gering- ster, ja ungewöhnlich geringer Bestandsdichte von Sorex araneus kennzeichnet. Mit 20 graviden oder säugenden von insgesammt 57 jugendlichen 2? (= 35,08 /o) übertrifft 1960 die übrigen Jahre unterschiedlicher Bestandsdichte weitaus: 1951-55 241 29 juv., davon nur 14 gravid oder säugend (= 5,80°/o). Die Differenz der 1. Prozentwerte ist statistisch real, die Be- % N ziehung niedrigste Bestandsdichte — höch- 50 ste Anzahl geschlechtsreifer PP juv. tritt klar heraus. Die nun folgende Tabelle läßt die Zusammenhänge im einzelnen #0 deutlich werden: Die beiden Jahre niedriger Siedlungs- dichte (1951 + 1953) diese Werte: = 1951+1960 Gesamtzahl der ?Q juv. 75, davon gravid oder sg. 22 = 29,33 %/o, 1952+1953 Gesamtzahl der PP juv.180, 2° davon gravid oder sg. 6 = 3,33 %o. Auch hier ıst die Differenz der Pro- zentwerte signifikant. Bei hoher Bestands- dichte der adulten Tiere im Frühjahr partizipieren sehr vereinzelte Jungweib- chen an der Fortpflanzung, mit sinkender 1951 1952 1953 1954 1960 Siedlungsdichte erhöht sich ıhr Anteil. Die Abb. Nee Ka graphische Darstellung nach Tab. 2 zeigt lationsdichte und Beteiligung jugendlicher diese negative Korrelation unmittelbar Weibchen an der Fortpflanzung bei Sorex und für jede der 6 untersuchten Fort- araneus pflanzungsperioden: —*-.- : Kleinsäugerdichte (Insectivoren und Rodentia) im Frühjahr : Siedlungsdichte der Waldspitz- In diese Befunde fügen sich gut ein die Angaben von T. N. DunajEwA (1955). Die aus m Erührabe Autorin hat 1948, einem Jahre hoherSied- ____ . 0/-Satz sich fortpflanzender lungsdichte, 1193 jugendliche? der Wald- OQ juv. von Sorex araneus Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus 19 spitzmaus aus der Fortpflanzungszeit untersucht. Nur 27 davon (= 2,26°/o) wiesen vergrößerte Uteri auf, gravid oder säugend waren 20 (= 1,68°/o). DunajEwA hebt selbst die niedrige Anzahl der geschlechtsreifen Jungtiere hervor und betont weiter, daß in diesem Jahre hohen Populationsdrucks die Fortpflanzung auch der adulten Tiere bald nachgelassen habe. V. Bestandsdichte und Vermehrung bei jugendlichen Männchen von Sorex araneus Aufschlußreich und eine weitere Stütze für die hier vertretene Auffasung über die Zu- sammenhänge zwischen Siedlungsdichte und Vermehrungsrate sind nun die dd von Sorex araneus im ersten Sommer ihres Lebens. WoLskA (1952) konnte bei ihnen Ent- wicklung des Geschlechtsapparates unter den Bedingungen des Labors erzielen. Unbe- kannt ist Geschlechtsreife bisher jedoch von Wildtieren. So fand Puckek (1960), um nur eine Zahl hier zu nennen, unter 814 Tieren aus den Jahren 1953 und 1954 zwar 3 mit deutlich vergrößerten Testikeln (max. 4,6X2,7 mm), die übrigen Teile des Geschlechtsapparates zeigten indessen nur geringe Entwicklung. Das sind typische Befunde, wie ich sie seit 1937 ebenfalls kenne. 1960 fiel ein juveniles ö vom 26. VI. durch erhebliche Entwicklung der Testikel auf (5,0X 3,5 mm) bei allerdings noch unausgebildetem Penis. Alle Merkmale der Ge- schlechtsreife zeigt nun ein ö vom 29. VI., an dessen Zugehörigkeit zur Klasse der Jungtiere schon der Zustand des Gebisses keinerlei Zweifel aufkommen läßt. Die Be- schaffenheit des Schwanzes, seine dichte Behaarung und das Fehlen jeder Beschädigung, unterstreicht diese Entscheidung noch. Gewicht 9 g, also sich dem adulter $ ö nähernd, Testikel voll ausgebildet, 7,5 X 5 mm, inguinal verlagert und äußerlich als ausgedehnte Anschwellungen kenntlich, Penis lang, kräftig, nicht mehr von dem der Vorjahrstiere verschieden. Hier liegt das erste im Freien gefundene geschlechtsreife & juv. vor. Die weiteren 45 8 & juv., die bis Mitte September gefangen wurden, hatten unentwickelte Geschlechtsorgane. So ließe sich das eine Stück als Unikum und außergewöhnliche Erscheinung abtun — wie man ja auch bei vereinzelten Funden juveniler geschlechts- reifer PP geurteilt hat — fände sich in einer Serie aus Niedersachsen, für die ich Dr. F. Frank, Oldenburg, zu ganz besonderem Danke verpflichtet bin, nicht ein zweites, dem soeben beschriebenen in allen Punkten gleichendes. Auch seine Erbeutung fällt in einen frühen Termin des Auftretens der Jungtiere (zwischen dem 9. u. 15. VII. 1960). Festzuhalten bliebe einmal, daß die geschlechtsreifen jungen 55 in dem Jahre niedrigster Siedlungsdichte auftraten, und weiter, daß sie zwar rar sind, jedoch keine Ausnahmeerscheinung darstellen. Für’das Fehlen geschlechtsreifer juveniler Waldspitzmausmännchen in den an Um- fang so bedeutenden Serien, die bisher untersucht worden sind, ist nicht allein die Beschränkung auf Jahre niedrigster Dichte verantwortlich zu machen, das gälte ja für die bis heute immerhin in einiger Anzahl vorliegenden PP ebenso. Es ist mit dem Vorkommen dieser dd offenbar nur während einer kurzen Zeitspanne zu rechnen. Den Schlüssel für diese zeitliche Begrenzung könnte das Territorialverhalten der Sori- cinen mit dem unter Säugetieren einzigartigen Kampfzeremoniell liefern. Ein wesent- liches Moment dieser Kämpfe sind Bisse in den Schwanz. Daher zeigen bei Sorex araneus Vorjahrstiere beiderlei Geschlechts und ohne Ausnahme kahle, von Narben entstellte oder deformierte Schwänze. Bei jungen Tieren pflegen sie einwandfrei be- haart und vollkommen unbeschädigt zu sein (1960 n = 113). L. Apams (1910 und 1912) hatten diese Unterschiede noch sehr wesentlich zur Kennzeichnung der beiden 20 G. H.W. Stein Alterskategorien gedient. Sucht eine der kämpfenden Spitzmäuse nach den einleiten- den Attacken auf den Schwanz nicht das Weite, kommt es zu einer Verschärfung des Konflikts mit Aufrichten des Körpers, Schlagen mit den Vorderpfoten und Bissen ın die Gesichtspartien. Es trägt wohl jede Begegnung adulter Tiere, abgesehen von dem Zusammenfinden zur Paarung, feindseligen Charakter. Am längsten bekannt ist dieses aggressive Verhalten von der Waldspitzmaus (siehe CGRowcRoFT 1957), aber auch für Sorex minutus wird es verzeichnet (Anams 1912) und von nearktischen Rotzahnspitz- mäusen für Blarina brevicauda (HamILTon 1929) und Sorex fumeus (HamıLTon 1940). Wahrscheinlich werden juvenile Waldspitzmausmännchen mit dem Eintritt der Ge- schlechtsreife in diese Auseinandersetzungen verwickelt und wohl regelmäßiger als die OP, wenngleich wir über Sexualkämpfe bei Soricinen nichts wissen. Nehmen wir an, daß diese Jungen 5 6 in der Mehrzahl bald von den physisch überlegenen und viel- leicht auch routinierteren adulten 5 ö getötet werden, so wäre die Seltenheit ihres Vorkommens zureichend erklärt. In einer soeben erschienenen Arbeit erwähnt K. Bauer (1960) ebenfalls zwei ge- schlechtsreife 5 Ö juv. von Sorex araneus aus dem Neusiedlersee-Gebiet (Gewichte 11,5 und 11,6 g, Testes 8X5 mm). Auffällig ist der späte Termin ihres Auftretens: 4. IX. und 8. XI. VI. Die auslösenden Faktoren Nach unseren bisherigen Ergebnissen löst bei Sorex araneus zerstreutes Vorkommen der Individuen, also Verdünnung der Bestände, vermehrte Beteiligung juveniler Tiere an der Vermehrung aus, woraus schnellere Auffüllung der Lücken resultiert, wohin- gegen hoher Populationsdruck die Entwicklung ihrer Keimdrüsen blockiert und damit Übervölkerung hintanhält. Wir haben es demnach mit Regulationen der Siedlungs- dichte zu tun, Mechanismen, die dann einsetzen, wenn das Optimum des Bevölkerungs- standes gestört ist. Welches sind nun die primären Faktoren dieser Dynamik? Seit langem bekannt ist die fundamentale Bedeutung des Gedrängefaktors, des „crow- ding“ der angelsächsischen Literatur. Die Vorstellungen, welche sich Mac LAGan und Dunn (1936) darüber aus experimentellen Untersuchungen an dem Reiskäfer Sito- philus orizae gebildet haben, sind im Prinzip auch auf freilebende Waldspitzmaus- populationen zu übertragen. Die Autoren sprechen von dem mächtigen Einfluß, den vermehrter Kontakt zwischen den Individuen ausübe und fahren fort: “Although the primary effect is mechanical, it operates organıcally through the reduction of the times available for feeding, ovipositing and resting; thereby causing adverse effects upon the physiological processes of reproduction.“ Was in diesen Formulierungen nicht genügend scharf zum Ausdruck kommt oder bei der Versuchsanordnung nicht zum Ausdruck kommen konnte, ist die territoriale Grundlage, auf der sich die Vor- gänge vollziehen. Bei den Waldspitzmäusen ist es so, daß physiologische Reife der Jungtiere von dem Besitz eines eigenen Reviers abhängt, dessen Voraussetzung eben niedrige Bestandsdichte bildet. Nun zeigt Sorex araneus eine bedeutende ökologische Valenz und ein entsprechen- des Dichtegefälle. Wäre herabgeminderter Kontakt zwischen den Tieren allein hin- reichend für den Eintritt der Geschlechtsreife im jugendlichen Alter, so sollten optimale Voraussetzungen dafür gerade in den Biotopen mit niedrigster Bestandsdichte, also konstant fehlendem Populationsdruck, gegeben sein. Wie liegen die Dinge nun in Wirklichkeit? Es kann in diesem Zusammenhange an einer Analyse der ökologischen Variabilität der Siedlungsdichte nicht vorübergegangen werden. Die Grundlage bildet die Tabelle 3: Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus 2 Tabelle 3 Bestandsdichte der Waldspitzmaus in ökologischer Gliederung und Anteile geschlechtsreifer PQ juv. (Material 1950—1956 + 1960, ganzjährig) Aasahl | Anzahl | Anzahl der absuluee Zahl’der Prozentualer An- Lebensraum een | gefangener Sorex araneus geschlechtsreifen |teil an der Gesamt- Sorex araneus auf 100 Fallen 99 juv. zahl der $. araneus Tiefgründige, drai- nierte Moorwiesen . 8047 978 29291 31 a Bruchwälder, trocke- nere, grasige Misch- walder .......:.., 4919 234 4.75 2 0,8 Junge Anpflanzun- gen in Kiefernwäl- TE 3002 120 4.00 — 0 Deutlich bringt diese an sich recht rohe Projektion des ökologischen Dichtegefälles die dichtere Besiedlung feuchter Lebensstätten zum Ausdruck. Dasselbe läßt sich aus einer ökologischen Aufgliederung tschechischer Populationen ablesen, die PELIKAN 1955 unternommen hat. H. LöHrr (1938) hat eine ähnliche Skala der abnehmenden Dichte gegeben: Sumpf und Moor, Bergwald, Gehölz, und gleichmäßig in ge- ringer Dichte Laubwald, Feldhecken, Felder. Als für S. araneus günstigsten Lebens- raum bezeichnet er den Sumpf, ın dem man in manchen Jahren geradezu von Über- völkerung sprechen könne. Auch in Norddeutschland sind tiefgründige, feuchte Wie- sen die Vorzugsbiotope der Waldspitzmaus, und hier lebt sie an Wassergräben ganz so wie ihre größere Verwandte, die Wasserspitzmaus. CROWCROFT widmet 1957 dieser sonst wenig beachteten Seite ihres Lebens längere Ausführungen. Der deutsche Name Waldspitzmaus erweist sich als wenig glücklich gewählt, weit besser ist die indifferen- tere englische Bezeichnung common shrew. Für Kiefernwälder, wo das Vorkommen vorzugsweise auf Heidekraut-, Heidelbeervegetation und grasige Kiefernkulturen be- schränkt ist, ergeben sich die niedrigsten Werte der Bestandsdichte. In diesen pessimalen Biotopen kommen im mehrjährigen Durchschnitt auf je 100 Fallen nur 4,00 Indivi- duen gegenüber 10,91 in Moorwiesen. Offenbar sind es Unterschiede der Nahrungs- kapazität der Lebensräume, welche die Bestandsdichte bestimmen, und unter diesen Aspekten ergibt sich eine positive Korrelation zur Vermehrungsrate der juvenes. Mit abnehmender Populationsdichte sinken also auch die Anteile geschlechtsreifer Jung- tiere. Während in Moorwiesen auf je 100 gefangene $. araneus 3,1 geschlechtsreife jugendliche Individuen entfallen, liegt dieser Wert in Mischwäldern (feuchte und trok- kenere zusammengenommen) bei 0,8, und ob in pessimalen Biotopen, Trockenhängen, Heiden und Kiefernkulturen bei juvenes Fortpflanzung jemals vorkommt, ist zu be- zweifeln. Einiges Material, das dieselben Zusammenhänge aufzeigt, kann heute schon vorgelegt werden. Pucek (1960) fand unter 3355 dd und 7% juv., die in den Fort- pflanzungsperioden 1954-1958 im Urwald von Bialowieza gesammelt wurden, einem Gebiete, das aus Bruchwäldern, aber auch trockeneren Mischwäldern besteht und der Reihe 3 der Tab. 3 vergleichbar ist, 15 geschlechtsreife PP juv. (Corpora lutea, gravid oder säugend), das ergibt auch nur 0,44 °/o. Dagegen sind unter den 8 juvenilen Sorex araneus, die Dr. F. FRAnk im Juli und August 1960 in der Wesermarsch (Wiesen auf Kleiboden) gefangen hat, 2 gravide PP, dazu eins mit enorm vergrößertem Uterus und 1 zuverlässig geschlechtsreifes d; 50%/o der Tiere zeigen also Merkmale aktiver Fort- pflanzung. Aufschlußreich sind weiter 28 Jungtiere (14 & & 14 ?2) aus Holstein, die ich Herrn E. PETERSEn, Preetz, zu danken habe. Sie stammen ebenfalls aus dem Juli 22 G. H.W. Stein und August 1960, sind aber trockeneren Lebensräumen entnommen worden, Gebüschen oder Knicks. Erwartungsgemäß enthält diese Serie keine geschlechtsreifen jugendlichen Tiere, lediglich 3 27 zeigen leicht erweiterte Uteri. Abhängigkeit vom Nahrungs- angebot hat 1959 auch Pucek vermutet: “Certain observations would seem to indicate that changes in the extent of the phenomenon of attainment of sexual maturity by young shrews in the various years are connected with the food supply of these anımalsc=2'5 Abschließend läßt sich folgendes herausstellen: Die Zusammenhänge zwischen Be- standsdichte und Vermehrungsrate bei Sorex araneus werden dadurch verwickelter, daß zwei Faktoren beteiligt sind. Es sind fehlender oder herabgeminderter Kontakt der Individuen in Verbindung mit optimalem Nahrungsangebot. Dann erst wird das Phänomen der Geschlechtsreife juveniler Tiere in statistisch erfaßbarem Umfange aus- gelöst. Im Grunde genommen handelt es sich um Vorgänge von ausgeprägter Einfachheit, um Regulationen der Bevölkerungsdichte durch Ausbleiben physiologischer Reife bei den Jungtieren, und zwar soweit und solange pessimale Umweltverhältnisse herrschen, das heißt bis zur nächsten Fortpflanzungsperiode. Dann sind nämlich die Elterntiere unausweichlich „bis auf den letzten Mann“ zugrunde gegangen und haben der jungen Generation Platz gemacht. So einfach hat der Mensch es nicht. VII. Bedeutung der frühen Geschlechtsreife von Sorex araneus für die Populationsdynamik Diese Frage konnte ernsthaft erst gestellt werden, als die Fälle früher Geschlechtsreife bei Rotzahnspitzmäusen sich gemehrt hatten. 1960 führt Pucek dazu aus: “The sexual maturation of young females of $. araneus and particularly $. minutus in certain years may therefore exert a significant influence on the population dynamics of the species.“ Der hohe Prozentsatz geschlechtsreifer Tiere in meinem Material jugendlicher Waldspitzmäuse aus dem Jahre 1960 bestätigt diese Aussage: 20 PP? und 1 ö von 57 — 36,8%/o nehmen an der Fortpflanzung teil. Der ganze Umfang des Phänomens ist daraus jedoch nicht zu ersehen; wahrscheinlich ist ein Teil der Jungtiere zu früh weg- gefangen worden, also noch bevor die Entwicklung zur Geschlechtsreife einsetzen konnte. Die Anzahl der Nachkommen ,_satzder der jungen PP bleibt, zu urteilen graviden 29 IN nach den Werten der Embryonen, 2 mit ım Mittel 5,40 (n = 30, Mate- rıal PucEek 1960, Stein 1952 bis > 1960) gegenüber denen adulter mit M = 6,91 (Stein, n = 82, 1937 bis 1960) nicht allzuweit zurük. Die Abb. 2 zeigt diese Verhältnisse ım Überblick: Puczk hat ermittelt, daß Ge- A ne schlechtsreife nur beim ersten ger mb Wurfe der Jungtiere einritt. Ich Abb. 2. Prozentuale Verteilung der Anzahl der ® Embryonen bei graviden PP von Sorex araneus vermag darüber hinaus nichts aus- ? RR ---- : 99 ad. (n = 832), zusagen. Sicher ist jedoch, daß junge N der Embryonenzahl 6,91 ?P schon im ersten Sommer ihnes pl E Fa 00 juv. (n = 30), Lebens mehrmals werfen können. Mittelwert der Embryonenzahl 5,40 U U U ı U I U U Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus 23 (Ob sie dann noch überwintern, ist ungewiß). So trägt ein @ juv. aus Ovelgönne, Wesermarsch, 29. VII. 1960, Dr. F. Frank leg., 5 senfkorngroße Embryonen bei enorm vergrößerten Milchdrüsen und großen, funktionsfähigen Zitzen. Es ist also zum zweitenmal gravid. In Jahren hoher Beteiligung juveniler ?? an der Fortpflanzung muß sich ein höherer Betrag an Jungtieren ergeben als in Perioden, in denen sie allein oder wesent- lich den Vorjahrstieren obliegt. Diese Überschüsse wären ein Ausdruck für die Auf- wärtsentwicklung der Populationen und müßten sich rechnerisch in dem Verhältnis adulter zu juvenilen Tieren darstellen lassen. Die Zahlen dazu bringt die Tabelle 4: Tabelle 4 Verhältnis adulter zu juvenilen Waldspitzmäusen während der Fortpflanzungszeit in Jahren unterschiedlicher Siedlungsdichte Jahre unterschiedlicher, vorwiegend höherer Bestandsdichte Jahr niedrigster "Bestandsdichte ad.: juv. 1950— 1955 ad.: juv. 1960 70) nur adulte Tiere (n 139) 1:072 n 229) 1:1.93 (n 140) a 196) 1:7.8C (n 84) 86) 83) nur adulte Tiere (n 1:0.81 (n 1:138 (n 1:2.78 (n 1.512. IE (n nur juvenes (n nur juvenes (n 1027 Zuerst einmal geht aus der Tabelle die bekannte Gliederung der Populationen ın die beiden Alterskategorien hervor, das ausschließliche Vorkommen adulter Tiere bis Ende Mai und weiter — mit dem Absterben ihrer letzten Vertreter — die alleinige Herrschaft der Jungtiere von November an. Wenn im Juni die ersten nestentwachsenen Jungtiere in den Fallenfängen auftauchen, ist das Verhältnis ad: juv. ausgeglichen (1:0,81 und 1 :0,72). Im Juli bereits hat es sich verschoben zu 1: 1,93 gegenüber 1:1,38, das heißt, bei hoher Beteiligung juveniler PP? werden auf je 100 adulte Individuen 55 Jungtiere mehr produziert, und im September sind die Abstände noch größer ge- worden, 1:7,80 und 1:5,12. Das Plus auf der Seite der Mitbeteiligung juveniler PP macht jetzt bereits, berechnet auf je 100 adulte Tiere, 262 juvenes aus und zeugt von einem sehr beschleunigten Tempo der Bestandsverdichtung. In der Tat war bei Frei- landuntersuchungen im September 1960 von dem katastrophalen Frühjahrs-Tiefstand der Siedlungsdichte der Waldspitzmaus nichts mehr zu merken. Die Tabelle 5 bringt das im einzelnen zum Ausdruck: Gegenüber 79/0 besetzter Fallen im September 1952 bleibt der gleiche Monat 1960 mit nur 21/0 weit zurück. Die Siedlungsdichte ist also allgemein noch niedrig, und dementsprechend sind von Microtus arvalis und Microtus oeconomus, zwei typischen Wiesentieren, die hier herausgegriffen worden sind, nur 20 bzw. 9% gefangen wor- den. Auch auf Ackerflächen und Trockenwiesen haben sich die Bestände der Feldmaus in meinem Beobachtungsgebiet bis zum November 1960 nicht wesentlich erholt. Die Waldspitzmaus hat als einzige Art bis zum Herbst die enormen Bestandslücken des Frühjahrs in erheblichem Umfange ausgeglichen. Mit 44 Exemplaren, das sind 57 %o des Gesamtfanges, liegt sie weitaus an der Spitze. Sicher sind die Zusammenhänge ver- wickelter als es die simple Gegenüberstellung in der Tabelle ausweist, unverkennbar 24 G. H.W. Stein Tabelle 5 Herbstlicher Bevölkerungsstand der Waldspitzmaus nach Frühjahren hoher und niedriger Siedlungsdichte - Bestands- | De: ; | [a Zeit- : = : Fallen- Gesamtzahl gefg- Mierotus | Microius | Sorex | Neomys abschnitt dichte Sn Biotop | zahl Rod. u. Insectiv. | arvalis |oeconomxs araneus | fodiens Frühjahr | | 1X:1952 hoch Drainierte 336 267 = 79 '/o 107 43 106 2 Moorwiese besetzte Fallen : IX. 1960 sehr ebenda 352 76 = 21 % niedrig besetzte Fallen bleibt jedoch das rapide und schnelle Anwachsen des Waldspitzmausbestandes. Das führt uns zu einer weiteren Frage: Sind bei Sorex araneus zyklische, also regelmäßige Bestandsschwankungen anzunehmen, wie sıe bei kleinen Nagern, einigen Hühner- vögeln und kleinen Carnivoren bekannt geworden sind? Leider können dazu bis heute nicht einmal Vermutungen geäußert werden. Bei hoher Bestandsdichte kann es zu Invasıonen in nicht artgemäße Biotope kom- men. So waren 1952 (StEın 1955) Waldspitzmäuse in erheblicher Anzahl in Acker- flächen, denen die Art sonst fehlt, eingewandert, und zwar müssen es überwiegend adulte Tiere gewesen sein. Fassen wir zusammen: Die Bedeutung der jugendlichen Geschlechtsreife für die Populationsdynamik geht aus dem hohen Prozentsatze geschlechtlich aktiver junger Tiere während der Fortpflanzungsperiode 1960 hervor. Juvenile 2? vermögen im ersten Sommer ihres Lebens mehrere Würfe, sicher jedoch 2, zur Welt zu bringen. Das Anwachsen der Populationen kann sich infolge der Mitbeteiligung juveniler Tiere in rapıdem Tempo vollziehen. VII. Bestandsdichte und Vermehrung bei Zwerg- und Wasserspitzmaus Zum Schluß seien noch die Verhältnisse unserer beiden anderen Rotzahnspitzmäuse, Sorex minutus und Neomys fodiens, gestreift. Einen breiten Raum im neueren Schrift- tum über die Zwergspitzmaus nehmen Analysen ihrer Bestandsdichte ein. An abso- luten Werten (Anzahl der Individuen auf einer bestimmten Flächeneinheit) mangelt es jedoch vollkommen. Erhebungen solcher Art hat wohl nur HamıLTon (1940) für die nordamerikanische Sorex fumeus angestellt. Er ermittelte auf Flächen von je 0,23 acre (= 0,093 ha) im Juli und August 12, 10 und 6 Tiere und errechnet in optimalen Lebensräumen 25 bis 50 Sorex fumeus auf 1 acre, 9 bis 14 in mäßigen. Bei Sorex minu- tus haben wir uns mit relativen Zahlen zu begnügen. Als Vergleichsmaßstab dient die Waldspitzmaus, deren Siedlungsdichte jedoch, wie wir wissen, in zeitlicher und ökolo- gischer Hinsicht schwankt, also keine Konstante darstellt. Mag sich im einzelnen so auch eın nicht ganz zutreffendes Bild ergeben, stimmen die Ansichten doch darin über- ein, die kleine Art trete durchweg seltener auf. Es gilt das nicht nur für die Fang- leistung des Menschen mit Fallen, sondern auch für den Beuteerwerb von Eulen, wie er sich aus der Zergliederung ihrer Gewölle ergibt. Die grundsätzliche Übereinstim- mung dieser beiden so verschiedenartigen Methoden ist eine hinreichende Bestätigung der Zuverlässigkeit der Dichteangaben. Um fünf Waldspitzmäuse auf eine Zwergspitz- maus finden sich immer wieder verzeichnet, abgesehen von vereinzelten wesentlichen Abweichungen nach oben und unten. Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmans 25 Sind nun bei der Zwergspitzmaus Beziehungen zwischen Siedlungsdichte und Ver- mehrungsleistung ersichtlich, wie sie aus der größeren Vereinzelung ihres Auftretens resultieren sollten? Mein eigenes Material ist unbedeutend und umfaßt nur 7 22 juv. aus der Fortpflanzungszeit, von denen allerdings 4 gravid oder säugend sind, ein auf- fällig hoher Anteil! Eine Bestätigung ist dem umfangreichen Material zu entnehmen, das Puczk 1960 vorgelegt hat: Auf 3355 55 + 2% juv. der Waldspitzmaus aus den Jahren 1954-1958 entfallen 617 juvenile Zwergspitzmäuse beiderlei Geschlechts, was wieder dem bekannten Verhältnis von 5:1 entspricht. Während aber auf die erste Art nur 0,44°/o (15 Ex.) an geschlechtsreifen ?? juv. kommen, sind es bei Sorex minutus 2,430/o (ebenfalls 15 Ex.). Die Differenz dieser Prozentwerte ist statistisch real, ihrer geringeren Siedlungsdichte entsprechend sind also bei der Zwergspitzmaus mehr jugend- liche PP? an der Vermehrung beteiligt. Pucek hebt das selbst hervor, hat dabei aber auch die PP mit erheblich vergrößerten Geschlechtsorganen einbezogen: “In the latter species (1. e. S. minutus) sexual maturity is attained by a far greater percentage of ‚young females (4 to 10°/o), whereas with S. araneus this process affects a maximum of 20/0 of all young females.“ In die gleiche Richtung weisen die Befunde an holsteini- schem Material des Jahres 1960 aus weniger günstigen Lebensräumen, Gebüschen und Knicks: S. araneus ad. u. juv.: $S. minutus ad. u. juv. = 39:7. Keins der jugendlichen QQ der ersten Art ist geschlechtsreif, von den 7 Zwergspitzmäusen sind es jedoch 2, eins, das gravid ist, das zweite mit enorm erweitertem Uterus und Uterusnarben. BAUERs Vermutung (1960), die Geschlechtsreife bei S. minutus könnte generell schon im ersten Lebenssommer eintreten, bestätigt sich an meinem Material nicht, eben- sowenig wie an dem von Pucek. Nur gelegentlich gelingt es der Zwergspitzmaus, eine beträchtliche Siedlungsdichte zu erzielen. So weiß BRAMBELL (1935) von einem Überwiegen gegenüber $. araneus ın einer „plantation“ zu berichten. CRowcroFT (1957) fand einmal in sumpfigem Gras- land Wald- und Zwergspitzmaus ım Verhältnis von 2:1. SCHOBER (1959) erbeutete bei Eisleben vom VI. 1956 bis III. 1957 auf 137 S. araneus 98 S. minutus = 1,4:1. HEYDEMANN (1960) gibt wechselnde Dichten an, kommt in einigen Biotopen aber auch zu ungewöhnlichen Zahlen, so in „Kulturfeldern“ zu 2,2 araneus auf 1 S. minutus und an Sandstrand und in Dünen auf 1,8:1. Die Frage, was bei der Zwergspitzmaus einer allgemeinen und regelmäßigen Bestandsverdichtung, wie sie doch sonst für kleine Insectivoren und Nager typisch ist, entgegenstehe, entzieht sich vorläufig noch einer Lösung. Das Fortpflanzungspotential ist sicher nicht daran beteiligt. Nach DEHnEL und Borowskı (1952) ist die Wurfgröße, gemessen an der Anzahl der Embryonen, bei der Zwergspitzmaus mit im Mittel 5,44 (n = 36) etwa so groß wie die der Wald- spitzmaus mit 5,22 (n = 104). Dazu betont BRAMmBELL (1936) auch für die kleine Art “the extraordinary fertility of the female“ und weiter, daß die Begattung postpartum stattfände, “at which the majority becomes pregnant“. Auch interspezifische Konkur- renz dürfte von untergeordneter Bedeutung sein. In geeigneten Lebensräumen kom- men alle 3 Arten unserer Rotzahnspitzmäuse miteinander aus, denn man kann sie in einer Nacht auf kürzeste Entfernung voneinander fangen, und nach CROWCROFTS schönen Beobachtungen pflegen sich Wald- und Zwergspitzmaus kampflos aus dem Wege zu gehen (CRowcrorr 1957). Für die Vermutung HEYDEMANnNs, die kleine Art werde zum Teil aus dem ökologischen Optimum von S. araneus abgedrängt, besteht kein Anhaltspunkt. Im Gegensatz zu diesem Autor bin ich auf Grund langjähriger Fangstatistiken zu der Auffassung gelangt, daß wenigstens in meinem Beobachtungs- gebiet eine ökologische Skala unterschiedlicher Häufigkeit, wie sie die Waldspitzmaus aufweist, bei der Zwergspitzmaus nicht ausgeprägt ist. Sie besiedelt Sümpfe, Misch- wälder, Heideflächen in etwa gleicher, niedriger Dichte. Die Faktoren, die zu den gelegentlichen Populationsanstiegen führen, kennen wir jedoch ebensowenig wie die, welche die Art für gewöhnlich nicht über eine niedrige Schwelle hinweggelangen lassen. 26 G. H.W. Stein Unsicherheit herrscht auch über die Okologie der Wasserspitzmaus. In Branden- burg fange ich sie in den langen Jahren der Bekanntschaft mit ihr immer nur in wenigen Stücken. Im Mittelgebirge dagegen scheinen dichtere Bestände tragbar zu sein. RICHTER (1953) beobachtete im November 1949 bei Tharandt an dem 750 Meter langen Ab- schnitt eines Forellengewässers bis zu 9 stöbernde Wasserspitzmäuse. Am auffällig- sten ıst in Norddeutschland das Ausbleiben der herbstlichen Bestandszunahme, die für unsere Kleinsäuger so kennzeichnend ist und in Gipfeljahren zu den großartigen Mas- senentfaltungen führt. Bei Neomys fodiens fehlen also schroffe Bestandsschwankungen jahreszeitlicher und langfristig zyklischer Natur. Mit dem Fortpflanzungspotential hat das nichts zu tun, denn es werden auch für die Wasserspitzmaus bis zu 10 Embryonen verzeichnet (Bazan 1955), STROGANovV (1957) führt für Sibirien sogar bis 14 an, ohne allerdings Gewährsleute für solche hohen Werte zu benennen. Wo die Über- schüsse an Jungtieren bleiben, ist bis heute noch nicht völlig erhellt. Wenigstens ein Teil dürfte in nicht artgemäße Biotope abgedrängt werden. Dafür spricht die Angabe von Janskı und HAnAk (1960), daß sich in den Herbstmonaten zweier Beobachtungs- jahre Angehörige einer Population aus Schilfbeständen an einem Teich in benachbarte Lebensstätten ausgebreitet hätten. Die durchweg niedrigen Fangergebnisse können nur mit der Zerstreutheit des Auftretens erklärt werden, Neomys fodiens bedarf also offensichtlich größerer Reviere als die Waldspitzmaus. Über intraspezifische Unver- träglichkeit wissen wir vorläufig kaum etwas. RICHTER (1953) hat jedoch gesehen, wie im Dezember 1949 eine Wasserspitzmaus mit einem anscheinend toten Artgenossen über Steine und durch flaches Wasser ihrem Versteck zustrebte. Die Tiere, die ich fange, pflegen jedenfalls in tadelloser Verfassung zu sein, ohne Spuren stattgehabter Kämpfe. Auch das wäre als Ausdruck geringen gegenseitigen Kontaktes zu werten. Mit solcher Weiträumigkeit der Siedlungsweise — die im übrigen auch aus der Spär- lichkeit von Wasserspitzmausresten in Eulengewöllen hervorgeht — stimmen nun aufs beste die Fortpflanzungsverhältnisse überein. Alle Autoren, die sich eingehender mit Neomys fodiens befaßt haben, betonen, die Jungtiere pflanzen sich regelmäßig be- reits im ersten Sommer ihres Lebens fort; das trıft sowohl für die 22 als auch für die 6 & zu. DEHNELS bestimmte Angaben dazu sind bereits weiter vorn erwähnt worden. Zwei gravide Jungweibchen habe ich 1954 beschrieben und inzwischen weitere gefunden, dazu auch unzweifelhaft geschlechtsreife 5 & juv. Rückblickend läßt sich zusammenfassen: Bei jeder unserer 3 Arten der Rotzahn- spitzmäuse tritt frühzeitige Geschlechtsreife jugendlicher ?? auf und zwar nach Maß- gabe der Siedlungsdichte. Bei der Waldspitzmaus hat sich noch ein weiterer regulieren- der Faktor herausstellen lassen, das Nahrungsangebot. Geschlechtsreife bei juvenilen 56 ist bis jetzt bekannt geworden von der Wasser- und Waldspitzmaus, bei der ersten Art als regelmäßige Erscheinung, bei Sorex araneus als nicht gewöhnlicher Vor- gang nur bei niedrigster Siedlungsdichte in Verbindung mit optimalem Nahrungs- angebot. Zusammenfassung 1. Die bisherigen Nachrichten über Geschlechtsreife im ersten Lebenssommer bei der Wald- spitzmaus, Sorex araneus, sind widerspruchsvoll. Entweder wird sie gänzlich geleugnet oder als außergewöhnliche Erscheinung abgetan. 2. In dieser Arbeit wird einmal ihre Abhängigkeit von der Siedlungsdichte nachgewiesen. In Jahren niedriger Populationsdichte ist die Beteiligung jugendlicher QP an der Fortpflanzung höher. Es besteht also eine inverse Korrelation zwischen Bestandsdichte und den Anteilen gravider oder säugender PP juv. Die Unterschiede sind statistisch real. 3. Die Zusammenhänge werden durch die Beteiligung eines zweiten Faktors, nämlich des Nah- rungsangebotes, verwickelter. In größerem Umfange vollzieht sich die Fortpflanzungsreife jugendlicher Waldspitzmausweibchen nur in optimalen Lebensräumen. 4. Auch & & juv. der Waldspitzmaus können in Jahren niedriger Siedlungsdichte geschlechts- reif werden. Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus 27 5. Geschlechtsreife im ersten Kalenderjahr ihres Lebens ist weiter von der Zwergspitzmaus, Sorex minutus und von der Wasserspitzmaus bekanntgeworden. Beziehungen zur Siedlungs- dichte werden auch für diese beiden Arten wahrscheinlich gemacht. Summary 1. The available information concerning the incidence of sexual maturation during the sum- mer of the year of birth, in common shrews (Sorex araneus L.), reveals apparent incon- sistencies. 2. In the present study, the phenomenon is considered for the first time in relation to popu- lation density. In years of low population density the contribution of the juvenile females to the summer increase is higher. An inverse correlation, which is statistically significant, exists between the population level and the proportion of pregnant or lactating young females. 3. The association is strengthened by a second factor, namely, the state of the food supply. The sexual maturation of young female common shrews appears to take place only under optimal conditions. 4. Young male common shrews are also capable of coming into breeding condition in years of low population density. . 5. Sexual maturation in the calendar year of birth is also known in the pygmy shrew (Sorex minutus L.), and the water shrew (Neomys fodiens Schreb.). A relationship with population density may be suspected in these species too. Literatur Apams,L.E. (1910): A hypothesis as to the cause of the autumnal epidemic of the common and the lesser shrew, with some notes on their habits. Mem. Proc Manch. Lit. Soc. 54, p, 1-13. — Apams, L. E. (1912): The duration of Life of the common and the lesser shrew, with some notes on their habits. Mem. Proc. Manch. Lit. Phil. Soc. 56, p. 1-10. — Auer, W. C. et al. (1949): Principles of anımal ecology. Philadelphia und London. — Bazan, J. (1955): Unter- suchungen über die Veränderlichkeit des Geschlechtsapparates und des Thymus der Wasser- spitzmaus (Neomys fodiens fodiens Schreb.) Ann. Univ. M. Curie-Skladowska S. C. IX, p. 213-259. — BAuER, K. (1960): Die Säugetiere des Neusiedlersee-Gebietes (Österreich). Bonner Zool. Beitr. 11, 2-4, p. 141-344. — Brasıus, J. H. (1857): Naturgeschichte der Säuge- tiere Deutschlands. Braunschweig. — Borowskı, St. u. DEHNEL, A. (1952): Materialien zur Biologie der Soriciden. Ann. Univ. M. Curie-Skladowska, Sect. C, VII, 6, p. 305-448. — BRAMBELL, F.W.R.(1935): Reproduction in the common shrew (Sorex araneus). I. The ostrous cycle of the female. Phil. Trans. Roy. Soc. Lond. 225, p. 1-62. — BRAMBELL, F. W.R. u. Haıı, K. (1937): Reproduction of the lesser shrew (Sorex minntus Linnaeus). Proc. Zool. Soc. Lond., p. 957-969. — CarLHoun, J. B. (1948-1956): The North-American census of small mammals. Roscoe B. Jackson Memorial Laboratory. — CRowcRroFT, P. (1956): On the life span of the common shrew (Sorex araneus). Proc. Zool. Soc. Lond. 127, p. 268-292. — CRrow- CROFT, P. (1957): The life of the Shrew. London. — DEHNEL, A. (1950): Studies on the genus Neomys Kaup. Ann. Univ. M. Curie-Skladowska S. C., V, p. 1-63. — Dunajewa, T. N. (1955): Vermehrungsbiologie von Sorex araneus. Bull. Mosk. Naturf. Ges. Biol. Ser. 60 (6), p- 27-43. — HAMmILTon, W. J. Jr. (1929): Breeding habits of the short-tailed shrew, Blarina brevicauda. Journ. Mamm. 10, p. 125-134. — HEYDEMAanNn, B. (1960): Zur Ökologie von Sorex araneus L. und Sorex minutus L. Zs. Säugetierk. 25, p. 24-29. — Jansky, L. und Hanak, V. (1959): Studien über Kleinsäugerpopulationen in Südböhmen. II. Aktivität der Spitzmäusc unter natürlichen Bedingungen. Säugetierk. Mitt. 8, p. 55-63. — Kıurjver, H. N. (1951): The population ecology of the Great Tit, Parus m. major L. Ardea 39, p. 1-135. — LöHrı,H. (1938): Ökologische und physiologische Studien an einheimischen Muriden und Soriciden. Zs. Säuge- tierk. 13, p. 114-160. — Mac Lacan u. Dunn, E. (1935): The experimental analysis of the growth of an insect population. Proc. Roy.Soc. Edinb. 55, p. 126-139. — MıpuLEToN, A.D. (1931): A contribution to the biology of the common shrew, Sorex araneus Linnaeus. Proc. Zool. Soc. Lond., p. 133-143. — MıLLer, G. S. (1912): Catalogue of the mammals of Western Europe. London. — Perikan, J. (1955): Beitrag zur Bionomie der Populationen einiger Kleinsäuger. Rozpr. Ceskosl. akad. ved. MRV, 65, Nr. 1, p. 1-73. — Prıcz, M. (1953): The reproductive cycle of the water shrew, Neomys fodiens bicolor Shaw. Proc. Zool. Soc. Lond. 123, P- 599-621. — Puczk, Zd. (1959): Some biological aspects of the sex-ratio in the common shrew (Sorex araneus L.). Acta Theriologica IV, 4, p- 43-73. — Pucek, Zp. (1960): Sexual maturation and variability of the reproductive system in young shrews (Sorex L.) in the first calendar year of life. Acta Theriologica III, p. 269-296. — RıcHTEr, H. (1953): Zur Kenntnis 28 W.C. Ph. Meijer mittelsächsischer Soriciden, Zs. Säugetierk. 18, p. 171-181. — STEm, G. H. W. (1938): Biol. Studien an deutschen Kleinsäugern. Arch. Natgesch. N. F. 7, p. 477-513. — Stein, G.H. W. (1952): Über Massenvermehrung und Massenzusammenbruch bei der Feldmaus. Zool. Jahrb. (Syst.) 81, p. 1-26. — STEIN, G. H. W. (1954): Materialien zum Haarwechsel deutscher Insektivoren. Mitt. Zool. Mus. Berlin 30, p. 12-34. — Stem, G. H. W. (1955): Die Klein- säuger ostdeutscher Ackerflächen. Zs. Säugetierk. 20, p. 89-113. — STROGAnNDYv, S. U. (1957): Die Säugetiere Sibiriens, Insektenfresser. Moskau. — TAarKovskI, A. K. (1957): Studies on reproduction and prenatal mortality of the common shrew (Sorex araneus L.) II. Reproduc- tion under natural conditions. Ann. Univ. M. Curie-Sklodowska, Sect. C, 10, p. 177-244. — Worıska, J. (1952): Die Entwicklung des Geschlechtsapparates von Sorex araneus im Lebens- zyklus. Ann. Univ. M. Curie-Skladowska, S. C. 7, p. 495-539. Anschrift des Verfassers: GEoRG H. W. Stein, Berlin N 4, Invalidenstraße 43 Vitiligo bei Rindern in Asien und Europa Von W. C. PH. MEIJER Eingang des Ms. 2. 11. 1960 „Vitiligo (viium = Fehler): Leucopathia acquisita, Scheckhaut, weiße Herde mit scharfem, bräunlichem Rand an Gesicht, Händen, Genitalien usw. Ursache: wahr- scheinlich endokrin (Hypophyse, Thyreoidea) oder neurogen bedingt“, heißt es bei PscHYREMBEL (1944). Von dieser Hautkrankheit ist bis heute die Aetiologie unbe- kannt, und es gibt auch noch keine Therapie dafür. Abb. 1. Vitiligo bei einem Bali-Stier; unterhalb des Hüfthöckers ist ein Stück der Haut rasiert und zeigt, daß nicht nur die Haare weiß sind, sondern auch die Haut; Aufn. W. C. Ph. MEIJER Vitiligo bei Rindern in Asien und Europa 29 Schon seit Jahrzehnten ist bei den Bali-Rindern auf den Inseln Bali und Lombok eine merkwürdige Art von Ab- zeichen bekannt, die von den Einge- borenen Tultul (Fleckchen) oder Bin- tangan (Sternchen) genannt wird. Hier- bei ist die Haut mehr oder weniger mit weıßen Fleckchen übersät. Bei dem ver- wandten Madura-Rind kennt man diese Flecke ebenfalls. 2 bis 3°/o der Balı- Rinder haben Tultul, also ein ziemlich hoher Prozentsatz, und doch hatte nie- mand den Verdacht, es könne eine Hautkrankheit vorliegen. Man glaubte, es gehöre nun einmal dazu. Deshalb bitte ich die Tiergärtner, bei Banteng, Bali-Rind und schwarzem Kerbau (Wasserbüffel) auf erworbene weiße Flecke zu achten. Diese Krankheit kann auch bei anderen Wiederkäuern und bei Pferden auftreten. KRANEVELD (1938) untersuchte ma- kro- und mikroskopisch Hautstücke von 20 Rindern mit Tultul, die ihm von Mataram (Lombok) zugesandt waren und konnte keinerlei Diagnose stellen. Abb. 2. Auch der Nasenspiegel der 13 Jahre 1938 begann ich meine Untersuchun- alten Bali-Kuh ist mit Vitiligo-Flecken über- gen und Beobachtungen auf Bali mit sät; Aufn. W. C. Ph. MEIJER neugeborenen Kälbern. Ein Jahr später waren schon mehr als hundert genau untersucht: keines war mit Tultul geboren, ein Hinweis darauf, daß diese Abnormität erworben war. Mit Hilfe von Durrsr (1931) konnte dann an Vitiligo gedacht wer- den. 1939 konnte ich den Beweis dafür liefern, daß es sich um eine Leucophatia acqui- sita handelt. Ein Versuchstier, das vorher photographiert worden war, bekam nach- täglich Tultul-Fleckchen (MEIJER, 1939). Dann beobachtete ich dasselbe bei zwei schwar- zen Wasserbüffeln (Meı- JER, 1940). Aber erst 20 Jahre später konnten die Ergebnisse der Beobach- tungen von Vitiligo beim Bali-Rind veröffentlicht werden (MEIJER, 1960). Kurz nach dem Er- scheinen dieser Arbeit konnte ich bei einem zu- fälligen Besuch bei Kol- legen W. van DER ER MUT wi in Drenthe bei einer Abb. 3. Schwarzweiße Friesisch-Holländische Stcammbuchfärse schwarzbunten Friesisch- mit Vitiligo in Drenthe; Aufn. W. van der Eıyk 30 F. Petter Holländischen Stammbuchfärse einen deutlichen und akuten Vitiligo-Fall beobachten. Dieses Tier hatte innerhalb von zwei Monaten mehrere größere und kleinere pigmentlose Stellen an Hals, Schulter, Rippenwand und Kreuz bekommen; auch die darauf wach- senden Haare waren weiß. Dieses Tier war krank, war unfruchtbar und wurde ge- schlachtet. Schlachtbefund: Leberabszesse mit Verwachsungen. Das Tier war mit neun Monaten für „de Provinciale Gezondheidsdienst voor- Dieren“ skizziert worden und zeigte damals keinerlei Fleckchen. Zwar konnten keine weiteren Vitiligo-Fälle in dieser Kuhfamilie beobachtet werden, doch bleibt der Verdacht auf Erblichkeit dieser Hautkrankheit bestehen. Differential-diagnostisch könnte man an Trichophytie denken; die Haare sind bei Vitiligo aber — abgesehen davon, daß sie weiß sind — immer gesund. Außerdem kom- men Vitiligo-Flecke auch vielfach auf dem Flotzmaul vor, was natürlich Trichophytie ausschließt. Literatur Dussst, J. K. (1931): Grundlagen der Rinderzucht; Berlin, Julius Springer. — KRANEVELD, F. C. (1938): Een onderzoek naar de hoedanigheid van de huid van z. g. bintang of toeltoel- runderen; Nederl.-Ind. Bl. Diergeneeskde, 50. — MEIJER, W. C. Ph. (1939): Vitiligo bij het rund; Nederl.-Ind. Bl. Diergeneeskde, 51. — MEIER, W. C. Ph. (1940): Vitiligo bij de Kar- bouw; Nederl.-Ind. Bl. Diergeneeskde, 52, p. 415-416, I Taf. — MEIJErR, W. C. Ph. (1960): Vitiligo; Tijdschr. v. Diergeneeskde Deel 85, Afl. 10, p. 592-609, 9 Abb. — PscHYREMBEL, W. (1944): Klinisches Wörterbuch; Berlin, W. de Gruyter. Anschrift des Verfassers: W.C.Ph. MEIJER, Juliana van Stolberglaan 90, Naarden (Holland) Elements d’une revision des Lievres europ£ens et asiatiques du sous-genre Lepus Par FE. PETTER Museum National d’Histoire Naturelle Paris Eingang des Ms. 22. 10. 1960 La plus recente tentative de revision d’ensemble des Leporides d’Europe, d’Asie et d’Afrique, realisee par J. R. ELLERMAN (1951, 1953), a conduit cet auteur A grouper plus de 150 formes du genre Lepus dans le cadre restreint de 15 especes. Dans la region pal&arctique, et dans la region indienne, 10 d’entre elles sont, selon ELLERMAN, referables au sous-genre Lepus, Linne 1758. L’objet de cette &tude est de donner une nouvelle interpretation de la systematique des especes de Lievres palearctiques du sous-genre Lepus, comme complement a ma recente revision des Lievres africains de ce sous-genre (1959): dans ce travail j’aı montre que la majorite des formes de Lievres reparties au sud du Sahara, referees par erreur, par ELLERMAN, A Lepus europaeus, se rapportaient en fait A une espece africaine bien identifiable par le dessin d’&mail des incisives superieures, Lepus crawshayi De Winton 1899. C’est principalement, la coexistence de cette espece et de L. capensis en certains points de leur aire de r&partition africaine, qui a conduit Ellerman a une | Elements d’une revision des Lievres Lepus 31 distinction sp£cifique de L. capensis de L. europaeus: “The Lepus europaeus group, as here understood, consists of species which occur extensively with capensis from the kape northwards, and which have a larger skull, at least on average, than members of the capensis group just mentioned“ (p. 421). Apres avoir ıdentifi& a L. crawshayi, en Afrıque, la majorite des formes attribu&es par ELLERMAN & L. europaeus, il ne reste, comme nous le verrons, plus aucun moyen de distinguer en Europe et en Asıe les formes de Lepus capensis decelles del. europaeus. On est ainsi amen@ a les considerer ensemble comme les repr&sentants d’une espece unique, L. capensis, bien adapte, par de nombreuses formes locales A la diversite des milieux qu’elle rencontre dans son immense aire de r&partition.! Lepus capensis Linne 1778 et Lepus europaeus Pallas 1758 Les seuls caracteres invoqu&s par ELLERMAN pour distinguer L.capensis de L. euro- paeus en Europe et en Asie, ont trait A la longueur du cräne: “The Palaearctic and Indian subspecies of europaeus and capensis both tend to be larger in average size of skull than their subspecies south of the Sahara; but the size difference between the species holds good, and europaeus is clearly the larger in any place where the two occur together. Lepus europaeus has the palate usually shorter than the mesopterygoid space immediately behind it (in this character it agrees with capensis), and as here understood it is considered to range from Western Siberia and Persia westwards to England and France, thence southwards to the Cape“ (p. 421). Si l’on extrait de la clef de determination donnee par ELLERMAN (pp. 424-429) les precisions relatives aux deux especes, la longueur occipito-nasale du cräne de ZL. europaeus dans les regions palearctique et indienne serait plus souvent superieure A 90 mm, alors que la lon- gueur occipito-nasale de /. capensis dans les regions pal&arctique et indienne serait en moyenne €gale ou inferieure A 87 mm. Aucun autre caractere anatomique n’est invoqu& par ELLERMAN pour distinguer les deux esp£ces, et il est r&ellement impossible d’en trouver lorsqu’on dispose d’une serie suffisante. En se referant A la liste des formes rapportees par ELLERMAN d’apres ce critere respectivement a L. europaeus et A L. capensis et en constant les divergences d’opinion des auteurs, on realise tout ce qu’il y a d’ arbitraire a vouloir distinguer L. capensis et L. europaeus comme deux especes. | En Espagne Lepus granatensis Rosenhauer, 1856, decrit de Grenade, L.lilfordi de Winton, 1898, decrit de Seville, L. gallaecius Miller, 1907, decrit de La Coruna, et L. iturissius Miller, 1907, decrit des Basses Pyrenees, pres de Biarritz (probablement du cöte espagnol de la frontiere) sont referes par ELLERMAN A L. capensis. L. pyrenaicus Hilzheimer, 1906, decrit des Pyrenees frangaise (Bagneres), est la seule forme rapportee A L. europaeus qui soit susceptible de se trouver en Espagne. Les Lievres espagnols sont rares dans les collections du British Museum et les cränes des specimens du Musee de Madrid ne m’ont pas te accessibles lors de mon passage dans ce Musee. Cependant, j’ai pu constater au Musee de Barcelone que tous les Lievres de Catalogne qui sont conserv&s dans ce Musee (cf. appendice III) sont r&ferables, tant ! Ce travail a ete effectu& d’apres l’etude des collections du British Museum de Londres, des [4 . . . . Musees de Barcelone et de Madrid, et du Museum d’Histoire naturelle de Paris. 32 F. Petter par la longueur du cräne que par le pelage a L. europaeus. D’autre part, si on constate . 1, y . .ı\ . er» une grande variabilite de la taille des Lievres espagnols dans les collections du British Museum, celle-ci ne s’accompagne pas automatiquement de variations du pelage du “type“ europaeus au “type“ capensis lorsque leur localisation geographique correspond ä une region de passage d’un clımat mediterraneen humide a un climat plus aride. Notament les peaux des types de L. gallaecius, iturissius et lılfordi, ont une “pattern“ comparable ä celle des Lievres mediterraneens rapportes par ELLERMAN A L. euro- paeus, comme par exemple le type de /. creticus, et sont au contraire tres differentes des peaux originaires des regions desertiques d’Afrique, peu ou pas tach&es de noir dans le pelage dorsal, et dont les poils de jarre ne sont pas ondules. En Afrique du Nord Un passage progressif de formes tres pigmentees de grande taille ou de taılle moyenne \ A . . A . a des formes päles et de petite taille, peut-Etre observe en Afrıque du Nord, et notam- ment depuis le Nord du Maroc, ou vit L. capensis schlumbergeri (forme comparable par le pelage et les dimensions aux formes mediterraneennes de L. europaeus) jusqu’au Sahara, otı vivent des Lievres de petite taille tres peu pigmentes et dont les oreilles peuvent £tre tres longues (Fig. 1). En U.R.SS. Ocnev (1940), dans un tableau de determination, donne pour caractere de L.europaeus une longueur du cräne sup£erieure a 90 mm, alors que cette lon- gueur serait inferieure A 90 mm chez L. tolai. Pour ELLERMAN: “L.tolai is... quite indistinguishable from the ZL. capensis“ (p. 421). OGnEv distinguait en outre une troisieme espece dans * la :»faunessee ’U.R.S.S.: L. tıbetanus essentiellement d’apres la plus grande longueur de son oreille. Mais les auteurs russes recents ont admis un point de vue du meme ordre que celui d’ELLER- MAN puisqu’ils considerent tıbetanus comme une Fig. 1. Lepus capensis Linn 1758. Forme du Sahara forme de tolai, alors 00 u; SR: ES 3 Elements d’une revision des Lievres Lepus 33 qu’ELLERMAN range avec raıson L.tibetanus et L.tolai au nombre des formes du L. capensıs. En Asie orientale ALLEN (1938) reprend a son compte, a propos des Lievres de Chine et de Mongolıe, une ancienne opinion d’OGNEV (1929) abandonn&e depuis par cet auteur, selon laquelle L.tolai serait reli€ par des sous-especes intermediaires au Lievre commun d’Europe. Selon les mensurations de 29 cränes de Lievres de Chine et de Mongolie donn&es par ALLEN, la longueur totale du cräne mesure 83 a 89 mm (moy. 85,6). Plus recemment TATE (1947) a exprım& la m&me opinion en r&unissant dans une m&me entite specifique Z. europaeus et L. tolai. ELLERMAN (1951) n’a cependant pas accepte les vues d’ALLEN, considerant que ”tolai may easily be separeted from europaeus by size of skull“, alors qu’il affırme plus loin ”L. tolai is however, quite indistinguishable from L. capensis“. Conclusion HEPTNER (1934) avait remarque la difficulte que l’on trouve a separer, d’apres des caracteres anatomiques les formes de Lievres de la region mediterran&enne et de ses prolongements asıatiques, en deux especes distinctes. Il proposait fort justement alors de rapporter A L. europaeus, comme un „Rassenkreis“, toutes les formes mediterra- neennes comme L. granatensis, L. mediterraneus, L. parnassius, L. creticus, L. judae, L. tibetanus, L. lehmani et L. tolai. Mais HEPTNER n’a pas Ete suivi, et OGNEv (1940), qui rapporte son opinion, en fait une critique malheureusement fondee d’apres les seules mensurations de formes europeennes publiees par MıLLEr (1912). Chacun des criteres invoques par les auteurs pour distinguer L. europaeus de L. capensis se montre en fait d’une grande fragilit€ lorsqu’on compare un grand nombre de specimens provenant des regions ou les deux especes sont r&putees se rencontrer, c’est-a-dire, ou les deux formes se remplacent progressivement. Il y aurait lieu de reprendre en detail les constantes &cologiques des habitats des formes les mieux carac- terisees. Dans les grandes lignes, on reconnait l’existence de Lievres de grande taille, mediolignes, A poils de jarre ondules, et de coloration fondamentale rousse dans l’habı- tat europeen typique; de Lievres de petite taille, longilignes, A poils de jarre peu pig- mentes et peu ondules, de coloration A dominante fauve dans les steppes et les deserts chauds; gris ardoise dans les steppes et les deserts froids; de coloration et de taille intermediaire dans les plaines tropicales et sub-tropicales. En definitive c’est une espece polymorphe, L. capensis, qui a, A elle seule, la tres vaste repartition qui est couverte A la fois par les formes de L. capensis et L. europaeus? reconnues par ELLERMAN. Comme je l’aı montre (PETTER, 1959), il faut en exclure pour l’Afrique L. zechi, L. victoriae et L. chadensis qu’on doit considerer comme nomina dubia, ainsı que L. canopus qui doit &tre refere A L. crawshayi. Il faut au con- traire y inclure Z/. atlanticus?. D) > R 3 a \ ” A l’exclusion des formes africaines rapportees par ELLERMAN A L. europaens. ” L.cyanotus Blanchard 1956, dont le type est depose au Museum de Paris, est referable A L. capensıs. 34 F. Petter Lepus nigricollis Cuvier 1823 ”There ıs a large group of hares ın India and Ceylon for which the prior name is L. nigricollis which are also members of the europaeus group. They have all the essen- tial characters of that group, including very large sıze of skull, and might almost re- present a further eastward extension of europaeus“ (p. 421). Malgre cette appreciation, ELLERMAN (1951) a heureusement retenu L. nigricollis comme une espece distincte de L. europaeus. Il est en effet impossible de rapporter L. nigricollis et une serie de formes voisines a L. europaeus lorsqu’on tient compte du dessin d’email des incisives superieures, dessin | qui est semblable ä celui de L. crawshayi. Forsyth-Major (1899) a mis en Evidence et figure cette particularite et en a montre& la variabilite. Tate (1947) a egalement tenu . compte de ce caractere dans sa revision: ”in a... group comprising most of the Hares of the Indian and Burmese lowlands, the groove is enlarged and deepened and its internal walls are fluted and channeled in a direction parallel with the main groove. The entire groove may be concealed by a filling of comparatively soft cement“. Il faut ranger avec L. nigricollis, comme l’a reconnu ELLERMAN, les formes dayanus, simcoxi, mahadeva, singhala et rajput. (Le type de L. cutchensis ne m’a pas EtE acces- sible.) Bien que ces for- „ mes soient tres nettement , parentes par leurs carac- | teres dentaires et cräniens, \ ß au point qu’il est impos- sible de les individualiser clairement, la robe et‘ les dimensions montrent quelques differences d’or- dre subspecifique. ajouter un groupe de formes dont la premiere les m&mes caracteristiques de l’Email incisif: le type n’a pas Ete acces- moi-m&me) est rapporte par ELLERMANN a [. ca-, pensis d’apres les carac- - teres du palais osseux (cf. la discussion de la valeur de ces caracteres, Appen- - dice II); mais; Tas SC / 5:( (1947) avait deja mis en \ evidence les caracteres . . skleıe PER . SnrF Fake ae Fig. 2. Coupe transversale de l’incisive superieur droite des incisives des speci- ' ET N Lt \ . ' des sp£cimens »types« des formes de lievres referables A mens qui sont referables Lepus nigricollis. -— De haut en bas: L[. nigricollis (Museum de Paris). — L. dayanus, L. simcoxi, L. mahadeva. - L. ä cette forme (p. 206). singhala, L. rajput. - L. hainanus, L. siamensis. L. vassalı — aux formes hainanus | A cet ensemble il faut , nommee est L. pegnensis, et qui presentent toutes, — L. peguensis (dont , sıble A ELLERMANN ni A \ 27 Tu = Elements d’une revision des Lievres Lepus 35 et vassali rapportees par ELLERMANN A L. peguensis ıl faut ajouter, en accord avec OscooD (1932) et TATE (1947), la forme L. siamensis, qu’ELLERMAN (1951) a, au contraire, placee a part 4 cause de la grande taille du cräne. Il faut noter que TATE (1947) refere & juste titre siamensis a hainanus, avec vassali; mais ıl distingue ä tort ces trois formes de ce qu’il appelle Indian Hares, parmi lesquels il range L. peguensis. D’apres cet auteur, les sillons des incisives seraient moins complexes que chez ses ”Indian Hares“ et ces Lievres seraient de petite taille. L’examen des »types« montre qu’il n’y a pas, en fait, de difference sıgnificative entre le dessin d’email incisif de hainanus et vassali et des formes de Lievres de l’Inde comme rajput ou dayanus par exemple. D’autre part le ”type“ de siamensis est de grande taille et montre pr&cisement un dessin d’Email incisif tres complique (fig. 2). En conclusion, il n’y a pas lieu, dans l’etat actuel de nos connaissances, de creer de discontinuite artificielle dans le groupe des formes citees ci-dessus. Il convient de les rapporter toutes A la plus anciennement nomme&e d’entre elles: L. nigricollis Cuvier 1823. Lievres africains et lievres asiatiques Lorsqu’on compare l’ensemble des specimens asiatiques referables a L. nigricollis et africains referables A L. crawshayi, qui figurent dans les collections, ıl est particuliere- ‚ment frappant de constater leur &tonnante ressemblance. La varıation du dessin de l’email incisif, comme celle des nuances du pelage et des proportions, de L. crawshayi dans son aire de repartition geographique, se retrouvent A un tel point chez L. nigri- collis qu’il est impossible dans beaucoup de cas, sans le secours de l’Etiquette, de preciser l’origine asiatique ou afrıicaine d’un specimen. Dans ces conditions, malgre la discon- tinuite de repartition actuelle (L. crawshayi ne depassant pas l’Afrique vers l’Est, et L. nigricollis ne depassant pas le Pakistan occıdental vers l’Ouest) rien ne s’oppose A ce que ces deux groupes de formes soient reunis dans une m&me espece. L. nigricollis etant la plus anciennement nomme&e de toutes ces formes africaines et asiatiques doit en Etre consideree comme la forme type. Lepus arabicus Ehrenberg 1833 ELLERMAN (1951) a distingue de L. capensis un groupe de formes dont la premiere nommee est L. arabicus et qui possedent toutes des bulles tympaniques hypertrophi£es, quoique a un degr& variable, et dont certaines montrent des dimensions generales re- duites. Les formes arabicus, omanensis et cheesmani toutes trois decrites d’Arabie, montrent a la foıs les bulles les plus volumineuses et les cränes les plus petits. Cepen- dant les formes craspedotis, whitakeri et barcaeus ont des dimensions generales qui permettent de les considerer sans difficult@ comme des representants de L. capensis dont les bulles seraient plus developpe&es. (J’ai moi-me&me capture en Irak [Ali Gharbi] un Lievre referable A L. capensis par tous ses caract£res morphologiques et dont les bulles tympaniques sont de m&me dimensions que celles du type de L. whitakeri.) Toutes ces formes presentent d’autre part un pelage fauve ou grisätre et de tres longues oreilles caracteristiques des formes desertiques de L. capensis. (cf. Appendice IV.) Ainsi, s’ıl faut provisoirement conserver A L. arabicus, avec les formes omanensıs et cheesmani, la valeur d’une esp£ce distincte de L. capensis, en l’absence de collections etablissant clairement qu’il existe des formes de passage, il n’est pas possible d’associer a cette espece les formes craspedotis, whitakeri et barcaeus: celles-ci ne doivent £tre 36 BeRenhter consider&es que comme des representants de la tendance extreme a l’hypertrophie des bulles tympaniques chez L. capensis, tendance qui est le fait de beaucoup d’especes de Mammiferes desertiques. Lepus timidus Linne 1758 et L. oiostölus Hodgson 1840 ELLERMAN a reunı dans un m&me groupe, les Lievres varıables referes a L. timidus et les Lievres laineux de l’Himalaya et de Chine referes A L. oiostolus. Toutefois ıl a con- serv& A chacune de ces deux especes son individualite, la queue de L. oiostolus Etant reputee plus longue que celle de L. timidus. C’est aussi a cause de la longueur de la queue que TATE (1947) rapporte au contraire L. oiostolus A L. europaeus, ce qui est difficilement soutenable lorsqu’on tient compte de la morphologie du cräne. N’ayant pas dispose pour cette etude d’un autre mat£riel que les collections du British Museum etudiees par ELLERMAN, il m’a Ete impossible d’apporter une modification a la con- ception de cet auteur. Lepus sinensis Gray 1832 En accord avec ELLERMAN (1951) et TATE (1947), L. sinensis doit &tre considere comme une espece bien distincte des autres Lepus. Son pelage rude et uniformement colore, sa queue et ses oreilles courtes, l’importance du retrecissement post-orbitaire (1 cm), et la simplicite du dessin de l’Email incisif (de type capensis) sont caracteristiques. L’en- semble de ces caracteres, auxquels s’ajoutent d’autres details de la morphologie crä- nienne, ne permettent pas d’accepter son groupement avec L. timidus propose par SIBALLE: Lepus ruficaudatus Geoflroy 1826 ELLERMAN (1951) a considere L. ruficaudatus comme une sous-espece de L. nigricollis \ et ıl luı donn& les m&mes synonymes que BLANFORD (1891) avait accordes a ce lievre: L. macrotus Hodgson 1840 L. aryabertensis Hodgson 1844 L. tytlerı Tytler 1854. Dans la description de L. ruficandatus, GEOFFROY SAINT-HILAIRE (1826) compare cette nouvelle espece du Bengale au »Lievre commun« auquel elle »ressemble beau- coup«. »Elle se distingue neanmoins tres facılement par sa queue plus longue, et rousse en dessus au lieu d’etre noire .. .«. Hopcson (1840) decrivant L. macrotus de la plaine du Gange, confirme les indi- cations donnees par GEOFFROY SAINT-HILAIRE A propos de la couleur de la queue de L. ruficandatus: »tail dorsally concolorous with the buttocks«, et precise que les oreilles sont longues: »ears longer than the head« (ce que GEOFFROY SAINT-HILAIRE n’avaıt pas pu observer sur le specimen-type, en mauvais £tat, de L. ruficaudatus). Hopscson (1844) decrivant sommairement L. aryabertensis du Nepal, precise seulement qu’il est »like ruficauda« (sic). TYTLer (1854) decrivant L. tytleri du Bengale oriental, cree une ambiguite en le distinguant de ZL. ruficandatus, et en le comparant A L. nigricollis: »The ... . hares found at the station are Lepus ruficandatus, which are common, and another hare closely allied to Lepus nigricollis but distinctly different... .« Elements d’une revision des Lievres Lepus 37 Le cräne du type’L. ruficaudatus est perdu*. La peau et le cräne du type de L. ma- crotus sont conserves au British Museum. La similitude que existe entre la coloration de la queue de ces deux specimens est telle qu’il convient d’accepter la synonymie pro- posee des deux formes. Alors que la face inferieure de la queue est blanche, le pelage de la face sup£rieure est uniformement constitue de poils pigmentes comme le pelage dorsal. Iln’y a aucune trace d’une tache noire ou brunätre. D’autre part le cräne de L. macrotus, incomplet dans sa partie posterieure, peut etre etudie dans sa partie anterieure; il pr&sente toutes les caract£ristiques d’un cräne de L. capensis et aucune d’un cräne de ZL. nigricollis. Les incisives montrent un sillon simple sans c&ment qui partage la face anterieure de la dent dans les proportions caracteristiques pour L. capensis?. Le cräne Etant vu de profil, l’extremite anterieure des os nasaux n’atteint pas vers l’avant le niveau des incisives sup£rieures. Enfin, l’espace mesopterygoide est particulierement large, caractere anatomique habituel ‚de L. capensis, exceptionnel chez L. nigricollis (Appendice II). En conclusion, il faut exclure ZL. ruficaudatus de.la liste des formes rapport&es A L. nigricollis. Cependant suivant TYTLER (1854), ıl faut probablement extraire L. titlery de la synonymie de L. ruficaudatus et le rapporter A L. nigricollis (Le type de L. tytlerı ne m’a pas £t& accessible). Bien que les caracteres du cräne et des incisives permettent de considerer Z[. rufıcaudatus comme une forme apparentee A L. capensis, le systeme de coloration original de la queue doit certainement &tre considere comme un caractere d’ordre specifique. Ainsi, L. ruficaudatus, espece distincte de L. capensis, remplacerait cette espece dans une aire geographique ou elle n’est pas representee. Resume Une revision des lievres d’Europe et d’Asie classes par ErLErman dans le sous-genre Lepus fait suite A une revision des lievres afrıcains de ce sous- genre. C’est l’etude morphologique du sillon d’&mail des incisives superieures qui a permis cette revision. Lepus europaeus ne peut pas Etre reconnu comme espece distincte de L. capensis dans la region palearctique. L’aire de repartition de /. capensis est ainsi considerablement agrandie. A la liste des formes rapportees par ELLERMAN a L. nigricollis ıl faut ajouter, an Asie, celles qui sont referees par cet auteur A L. peguensis et L. siamensis. D’autre part, aucun eritere ne permettant actuellement de distinguer les lievres afrıcains referables A L. craws- hayı des lievres asiatiques referables & Z. niericollis, toutes les formes rapportees A L. craws- hayi doivent &tre considerees comme les formes d’une unique espece afro-asiatique L. nigri- collis. L. ruficaudatus et L. arabicus doivent £&tre consideres comme des especes Parents de L. capensis qu’elles remplacent g&ographiquement. L. timidus et L. oiostolus sont consideres, en accord avec ELLERMAN comme deux especes voisines. Enfin L. sinensis est egalement considere, en accord avec ELLERMAN, comme une espece bien caracterisee. Ainsi le sous-genre Lepus, dans l’acception d’ELLERMAN, comprend sept especes reparties en Europe et en Asıe. Deux de celles-ci ont egalement une repartition africaine. | Summary After a revision of the african hares of the subgenus Lepus as classified by ELLERMAN, the author gives a revision of the european and asiatic hares of the same subgenus. This revision was made possible by the morphological study of the enamal folds of the upper incisors. * Ce cräne n’a peut-etre jamais existe en collection car il n’en est pas fait mention dans le texte de GEOFFROY ni dans les registres du Laboratoire. 5 Ce caractere des incisives est en contradiction avec l’opinon de TATE (1947) qui place A tort L. ruficandatus, parmi les formes A sillon compliqu£. 38 F. Petter In the palaearctic region the species Lepus europaeus can not be considered distinct from Lepus capensis. The dispersal area of Lepus capensis is therefore considerably enlarged. To the list of forms, attributed by ELLERMAN to Lepus nigricollis, we have to add the asiatic forms Lepus peguensis and Lepus siamensis. On the other hand there ist not any test at this moment to make a distinction between african hares referable to Lepus crawshayi and asiatic hares attributed to Lepus nigricollis; all the forms refered to Lepus crawshayi must be con- sidered forms of one single afrıcan-asiatic species, Lepus nigricollis. Lepus ruficaudatus and Lepus arabicus must be considered related species of Lepus capen- sis, which they replace geographically. In accordance with ELLERMAN, Lepus timidus and Lepus oiostolus are considered two clo- sely related species. Finally, in accordance with ELLERMAN, we consider Lepus sinensis a well characterized species. Consequently the subgenus Lepus, in the sense of ELLERMANn, includes seven species with a distribution in Europe and in Asia. Two of those species are equally distributed in Africa. Zusammenfassung Eine auf Grund eines morphologischen Studiums der Schmelzfurchen der oberen Incisiven vorgenommene Revision der von ELLERMAN zum Subgenus Lepus zusammengefaßten euro- päischen und asiatischen Hasen schließt sich einer Revision der afrikanischen Hasen des gleichen Subgenus an. Lepus europaeus kann im paläarktischen Raum nicht als von L[. capensis unterschiedene Species anerkannt werden. Das Verbreitungsgebiet von L.capensis wird damit erheblich ver- größert. In der Liste sind den von ELLERMAN zu L. nigricollis gestellten Formen in Asien noch die von diesem Autor als L. peguensis und L. siamensis bezeichneten hizuzufügen. Andererseits erlaubt zur Zeit kein Kriterium, die afrikanischen, zu L. crawshayi gerechneten Hasen von den asiatischen zu L. nigricollis gezählten zu unterscheiden; alle als L. crawshayi benannten Formen müssen daher als Formen einer einheitlichen afro-asiatischen Species L. nigricollis angesehen werden. L. ruficaudatus und L. arabicus sind als verwandte Arten von L. capensis anzusehen, mit dem sıe geographisch vikariieren. L.timidus und L.oiostolus werden in Übereinstimmung mit ELLERMAN als zwei benachbarte Arten aufgefaßt. Schließlich wird L. sinensis, in Übereinstimmung mit ELLERMan, ebenfalls als gut charak- terisierte Art angesehen. | So umfaßt die Untergattung Lepus ın der Abgrenzung von ELLERMAN sieben in Europa und Asien verbreitete Arten, von denen zwei auch ein afrikanisches Verbreitungsgebiet be- sitzen. Appendice I. Principaux caracteres distinctifs des sept especes Etudices Sillon d’&mail des incisives superieures simple. Dessus de la queue blanc nettement marque de noir ou de brun Bulles tympaniques tres hypertrophiees 7. ee SErarabsens Bulles' ‘non. /hypertrophiees E22 ee N a L. capensis Dessus de la queue jamais nettement marqu& de noir ou de brun Dessus de la queue blanc, ou lave de gris ou de brun Queue de longueur inferieure A la moitie du pied. . . 2.2. L. timidus Queue du longueur superieure A la moitie du ped . . . 20.2. .L. oiostolus Dessus de la queue de la couleur du dos Oreilles plus lonzuestque lanteren a L. ruficandatus Oreilles plus "courtes/que.larteter 2, ee ee L. sinensis Sillon d’email des incisives sup£erieures complique . . . 20.20.20. L. nigricollis Elements d’une revision des Lievres Lepus 39 ‚I. Largeur de l’espace me&so-pterygoide A l’occasion de l’etude de la collection de cränes de lievres du Congo (L. crawshayi) du Musee de Tervueren (1959) j’ai indiqu& l’ımportance de la variation du rapport: Plus grande largeur de l’espace m&sopterygoide X 100 plus petit longueur du pont palatin La largeur de l’espace mesopterygoide varıe de 77%/o a 163°/o de la longueur du pont palatin sur 81 lievres du Congo (Fig. 3). Des valeurs superieures A 100°/o sont habituellement consideres comme carac- teristiques du Genre Lepus. La variabilite de ce critere a l’inte- rieur d’un m&me peuplement permet de mettre en doute sa signification systema- 40 tique lorqu’il est utilise comme critere specifique (cf. L. siamensis et L. whytei, in ELLERMAN (1951). Fig. 3. En abcisse: Variation de la largeur de l’espace meso-pterygoide rapportee en pour- centage A la longueur du pont palatin chez 81 lievres du Congo belge. En ordonn&e: nombre de specimens 25 100 125 150 III. Longueur totale du cräne des Lievres du Musee de Barcelone et localites de capture n® 206a © : 97,5 mm Balaguer 20827 8.:98 Vıiladrau 19 9 : 95,7 ; 210 a0 8 .:79155 a 135.2. 2:93 x a 261 2°,9::975 Pla de Cabra 282a & : 102 ; 207022 20.:498 » 301727 .922:798 Montseny IV. Longueur totale des cränes des types de Lepus whitakeri, L. omanensis et L. cheesmani du British Museum BM.N® 2.11.4.78 d “L. Whitakeri“ : 81 mm 94, 3.9.36 “L. omanensis“ : 73 mm 21.6.2321 “L. cheesmani“ : 70 mm Literatur ALLEN, G. M. (1938): The Mammals of China and Mongolia; New-York p. 562 — BLan- FORD, W. T. (1891): The Fauna of British India. Mammalia; London, p. 450. — Cuvier F. (1823): Dictionnaire de Sciences Naturelles; Paris, 26 : 307. — ELLERMAN J. R. and T. C. S. Morrıson-ScoTT (1951): Checklist of Palaearctic and Indian Mammals, London. — For- SYTH-MAjJor C. 1. (1899): Trans. Lin. Soc. London, p. 465. — GEOFFROY SAINT-HiLAIRE E. (1826): Dictionnaire d’Histoire Naturelle, 9, p. 381. — HErTnerR W. G. (1934): Folia Zool. Hydrobiol. 6, 1, p. 21. — Hopcson, B. H. (1840): J. Asiat. Soc. Bengale, 9, 1183. — Hopc- son, B. H. (1844): Calcutta. J. N. H., 4, p. 293. — Mırter, G. $. (1912): Catalogue of the Mammals of Western Europe, London. — Ocnev, S. J. (1929): Zool. Anz., 84, p. 71. — 40 D. Janossy Ocnev, S. J. (1940): Mammiferes de /’U.R.S.S., Vol. 4. — Oscoop, W. H. (1932): Field Museum of Nat Hist., Chicago, Zoology, XVIII, 10, p. 327. — PETTER, F. (1959): Mammalıa. 23, pp. 41-67. — Tate, G. H. H. (1947): Mammals of Eastern Asia. MacMillan Co., New- York: — 'IYTLER, R. E. (1854): Ann. Mae. N. EI. 14792176. Anschrift des Verfassers: Dr. F. PETTER, 55. Rue de Bufon, Paris V - Die Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas im Pleistozän (Insectivora, Rodentia, Lagomorpha) Von D. JAnossy Eingang des Ms. 2. 12. 1961 Die wissenschaftlichen Kenntnisse über die pleistozänen Kleinsäuger Europas gehen in die ersten Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts zurück, in welcher Zeitspanne einige klassische Autoren, wie BuUcKkLAnD (1824), CuvIEr (1824) und SCHMERLING (1833) sich außer mit dem Groß-Säuger-Material gelegentlich auch mit Kleinsäugern beschäftigen. Etwa zur gleichen Zeit mit der ebenso bekannten Arbeit von Owen (1846) hatte J. S. Per£nvı (1799-1855), Kustos am Nationalmuseum zu Pest (Budapest) in den Jahren 1847-51 seine bahnbrechenden Untersuchungen über die altpleistozäne Kleinfauna des Villänyer Gebirges durchgeführt (PET£nvı, 1864). Indem die auch heute noch ganz modernen Beschreibungen der neuentdeckten Arten und andere damals bahnbrechende Feststellungen PETENYT’s in Vergessenheit gerieten, begann A. NEHRING in den siebziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts hauptsäch- lich die jungpleistozänen Mikrofaunen Mittel-Europas zu bearbeiten (zusammenfas- send: NEHRING, 1890). Die Tätigkeit von NEHRING war auf diesem Gebiete ebenso grundlegend, wie später die Monographien von MEHELY (1914) und Hınron (1926). Die zwei letztgenannten Autoren waren eigentlich Zoologen, die eben deswegen auf dem Gebiet der Paläontologie neue Gesichtspunkte entdeckten. Dabei waren sie be- strebt, auch die zeitliche Nacheinanderfolge der Kleinsäugerfauna klar zu legen. In Ungarn soll die diesbezügliche Tätigkeit von Gy. EHIK in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts erwähnt werden (EHık, 1913, 1915 usw.), die später — hauptsächlich durch die Hrnron’sche Arbeit angeregt — von TH. Kormos weitergeführt wurde. Kor- MOS bearbeitete systematisch die überaus reichen altpleistozänen Faunen des Villänyer Gebirges in Ungarn und legte dadurch den Grund zur Kenntnis der altpleistozänen Faunen nieder (zusammenfassend: Kormos 1937a, 1937b). Nicht alle, sich mit diesem Studium beschäftigende Autoren, können hier aufgezählt werden. Außer den, in einer früheren Arbeit (JAnossy 1960a) erwähnten Spezialisten dieses Forschungsgebietes (Fr. HELLER, G. BRUNNER, A. Pasa, A. J. ARGYRoPULO, I. GrRoMow), sollen jedoch noch einige Namen, aufgeführt werden, die über die europäischen Mikromammalien der Eiszeit in immer größerem geographischen Gebiete unsere diesbezüglichen Kennt- nisse erweitern. Diese sind G. PıporLitscHkA (1938, 1956 usw.) und B. A. Topat- SCHEWSKIJ (1957 usw.) ın Kiew, K. Kowarskı (1956, 1958 usw.) in Krakau ‚und O. FEjrarR (1956, 1959 usw.) in Prag. Endlich sollen die grundlegenden Arbeiten von Die Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas 41 M. Krerzoı (1938, 1941, 1954, 1956) hervorgehoben werden, die die zeitliche Eintei- lung der ältest- und altpleistozänen Kleinsäuger in ein völlig neues Licht brachten. Die Mehrzahl der Kleinsäuger lebt heute noch und lebte auch in der Vergangenheit gegenüber den Groß-Säugern in ziemlich großer Populationsdichte, und ihre Lebens- dauer ist auch kürzer, als diejenige der letzteren, also die Evolution vollzieht sich auch oft in rascherem Tempo als bei den Makromammaliern. Außerdem wurden sie seit Jahr- millionen an geeigneten Stellen durch Eulengewölle angehäuft. Die neueste Sammel- methode durch Anwendung von Schlämmen zeigt, daß die Kleinvertebraten — wenn auch in geringerer Zahl — überall vorzufinden sind, wo die Möglichkeit einer Fossili- sation von Knochen überhaupt gegeben ist. Ferner ist für die Bestimmung einer Art oft eine Mandibel mit den Backenzähnen oder auch ein charakteristischer Backenzahn völlig genügend, wogegen die Bruchstücke der Knochen der großen Säuger die feineren Umwandlungen der Arten in der Mehrzahl nicht wiederspiegeln. Ganze Skelette oder Schädelfunde der letzteren sind dabei große Raritäten. Alle diese Erfahrungen be- weisen, daß die Kenntnis der feineren Umwandlungen der Fauna nur durch die gleich- zeitige Berücksichtigung der Groß- und Kleinvertebraten erzielt werden kann. Wenn wir die eiszeitliche Mikromammalienfauna Europas in ihrer Gesamtheit be- trachten, kann zuerst behauptet werden, daß die große Umwandlung derselben am Ende des Ältest- bzw. Altpleistozäns eintrat. Die meisten, heute ausgestorbenen Gat- tungen erloschen oder wanderten am Ende dieser Zeitspanne aus diesem Gebiete ab. Es soll eine offene Frage bleiben, welche Umweltveränderungen diese große Umwand- lung bedingten (Mindel-Glazial? großes Interglazıal?). Nämlich die Synchronisierung der Faunenwellen mit der Einteilung des Pleistozäns der Glazialgeologen ist heutzutage noch so umstritten und nach verschiedenen Autoren so wechselnd, daß der Gebrauch der konventionellen Benennungen der Glazialen und Interglazialen irreführend sein könnte. Deswegen benütze ıch in den folgenden Tabellen die z. B. von W. ©. DIETRICH (1953), WoLdstept (1954) usw. mehrfach angewandten Benennungen Ältest-, Alt-, Mittel- und Jungpleistozän. Die erstere Benennung wird auf das Villanyıum KrETZor’s (1956) (auch unteres Cromerium, Prägünz, Prätiglium-Tiglium oder Donau-Günz usw. genannt) angewandt. Die zweite bezieht sich auf das Biharıum KrErzor's (oberes Cro- mer bzw. Cromerium [s. str.]), Günz-Mindel, Mindel usw. genannt). Zwischen diesen Phasen und dem Jungpleistozän (das würde in der Tabelle das Riss-Würm und Würm- Glazial umfassen) wurde noch die bisher am faunistisch wenigsten bekannte mittel- pleistozäne Epoche (Mosbachium z. T., Mindel-Riss bzw. Riss-Glazial) eingeschaltet. Bevor wir auf die Einzelheiten der Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas näher eingehen, soll noch einiges über die geographische Verteilung der Faunenelemente gesagt werden. Schon in den gemäßigten Teilen Europas (Mitteleuropa) konnte ein westliches und östliches zoogeographisches Gebiet — im Pleistozän vielleicht noch schärfer, als heute — voneinander getrennt werden. Diese nicht grundlegenden Verschiedenheiten werden im weiteren in den angegebenen Tabellen angedeutet. Viel schärfer erscheint aber jene zoogeographische Grenze, die östlich von den Karpathen gezogen werden kann. Schon im Altpleistozän erscheinen hier in der Kleinfauna z. B. mehrere Springmaus- und Pfeifhasen- (Allactaga-, Parallactaga- und Ochotona-)Arten, die in den westlichen Teilen Europas in dieser Zeit völlig fehlen. Im Jungpleistozän treten außer Allactaga und Scirtopoda wiederum Lagurus, Citellus, Cricetulus und Ellobius-Formen in den Vordergrund, die in gleichzeitigen europäischen Fundorten fehlen, oder eine ganz untergeordnete Rolle spielen. Infolge dieser Verschiedenheiten kann auf diese sehr interessanten Entwicklungsphasen im Rahmen dieser kurzen Zusammenfassung nicht näher eingegangen werden. Ähnlich verschieden sind die Verhältnisse in den in dieser Hinsicht bisher bekannten Teilen Südeuropas (Italien). Die im folgenden erörterten Tatsachen beziehen sich also nur auf Mitteleuropa (in weiterem Sinne). (Siehe dies- 42 D. Janossy bezüglich die zitierten Arbeiten von PıDoPLıTscHKA, TOPATSCHEWSKIJ), die sich ım Druck befindende Zusammenfassung von I. GROMow über die Kleinsäuger der Krimer Höhlen, sowie Pasa [1947]). In den beiliegenden Tabellen sind etwa 40 Gattungen zusammengestellt, deren Ver- teilung graphisch dargestellt wird. Nicht nur können im Rahmen dieser Zusammen- fassung nicht alle Arten aufgezählt werden, selbst die vorkommenden Gattungen kön- nen hier nicht alle behandelt werden, nur die Mehrzahl der in der angegebenen Zeit- _ spanne verschiedenen Umwandlungen unterworfenen Formen (Abb. 1 und 2). | R.:O.BD.E N Tee INSECTIVORA an are i SPALACIDAE- HYSTRICIDAE L S DAE Seiumnat MUSCARDINIDAE N SonıpaE | CASTORIDAE I Mine MITTEL- | l nn PLEISTOZÄN 13 21 m nn ALT- PLEISTOZÄN ÄLTEST- J 5 ||, PLEISTOZÄN NO 23 - JUNG - PLEISTOZÄN 1. Talpa 7. Beremendio 33. Glis 19. Sicista 24. Hystrix vinogrooovi 2. Desmana 8. Petenyia 14. Dryomys 20. Alloctogo 0= Ostliche Teile MilTel- nehring! Er 9 Soriculus 15. Ellomys 21. Costor urop0s 3. D moschofa er. 19 Cifeilusprimigenius 16. Muscordinus 22.Trogontherium W"WESLIIehe Teile 7 eile Mit | +. Crociduro 11. C. mojor-rufescens 17. Prospalax 23. HYSITIX EITUSCO yg=Nordast/ en x J ar, 7 @ofeusee 18 Spalax Gruppe en Abb. 1. Zeitliche und räumliche Verbreitung der Kleinsäugergattungen im Pleistozän Europas I.| —- Dicke Linie = Vorhandensein mit Funden bestätigt. — Strichellinie = keine Funde, Re | wahrscheinlich in der angegebenen Zeitspanne ım Gebiete Europas lebend — oder zeitliche Ver- breitung unsicher. - Kein "Buchstabenzeichen neben den Linien = in westlichen und östlichen Teilen Mitteleuropas (im weiteren Sinne) in der betreffenden Zeitspanne vorkommend. -— Gr. = Gruppe (bei Desmana nehringi-Gruppe die kleinwüchsigen Formen /kormosi-nehringi- thermalis} zu verstehen). Weitere Erläuterungen siehe im Text! K b In den Tabellen sind die Distanzen der einzelnen Zeitspannen aus technischen‘ Gründen gleichgroß dargestellt worden. Das bedeutet also nicht, daß diese gleich] Zeitdauer vertreten sollten. In systematischer Reihenfolge fortschreitend sollen zuerst die Wandlungen der In-" sektenfresser erörtert werden. Unter den Maulwürfen finden wir nur in der Zeit ver-I schiedene Größenvarianten; im Altpleistozän ist aber nur die Variationsbreite größer als im Jungpleistozän. Es wurden drei altpleistozäne Arten beschrieben, aber eine der heute noch lebenden Talpa europaea gleichgroße Form, morphologisch von dieser kaum abweichend, kann schon im Altpleistozän angetroffen werden (Talpa praeglacialis Kormos = T. fossilis Petenyi, Kormos 1930b, KrETZ01 1938, usw.). Die Desmanen, die, wie bekannt im Pleistozän in Europa, wenn auch immer als Raritäten, weitverbreitet waren, verändern sich während dieser Zeitspanne intensiver. Bis zum Ende des Alt-' Die Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas 43 RO2D EINST MURIDAE |CRICETIDAE LAGOMORPHA AEREVENCSOF FEED AFTE HOLOZAN PLEISTOZÄN DAITTEL- PLEISTOZÄN waArT- PLEISTOZÄN ÄLTEST- PLEISTOZÄN 1. Apodemus 6. Cricetulus 11. Arvıcold 16. Logurus 21. Phologus 2. MUS 7. DolomysS 12. Allophoromys 17 Lemmus 22. Hypo/ogus 3. Rattus 8.Mımomys 13. Piftymys 18. Dierosfonyx 23. LEDUS +. CICEFUS 9. Plomys 14. Microfus 19 Prologus 5 Alloerıcetus 10. Clethrionomys 15. Prologurus- 20. Ochofona LOgur000n 0= Östliche Terle Mitteleuropas NO -Noroöstlich (Tschechoslowakei) W= Westliche " 5 = SudIIch (Noroitalien) 50 = Suoostlich (Daimatien) Abb. 2. Zeitliche und räumliche Verbreitung der Kleinsäuger-Gattungen im Pleistozän Eu- ropas. II. Weitere Erläuterungen siehe bei Abb. 1. und im Text! pleistozäns lebten kleinwüchsige Formen (Desmana kormosi-nehringi-thermalis), welche vom Mittelpleistozän an von einer großen, dem heutigen osteuropäischen Des- man gleichkommenden Art abgelöst wurde (Desmana moschata mosbachensis, Schmidt- gen, 1925). Eine ähnlichgroße Form erscheint in der postglazialen Steppenphase am Ende des Jungpleistozäns (Kormos, 1913, 1930a, SCHREUDER, 1940, HELLER, 1954, usw.). Die Soriciden können auf zwei Gruppen verteilt werden: die heute noch lebenden mitteleuropäischen Gattungen Sorex, Crocidura und Neomys erscheinen im Alt- bzw. Ältestpleistozän mit ausgestorbenen Arten und leben mehr oder weniger ununter- brochen bis zu unseren Zeiten. Es ist interessant zu erwähnen, daß die Weißzähnigen Spitzmäuse in ausgesprochen glazialen Ablagerungen — hauptsächlich im Jungpleisto- zän — nicht vorzufinden sind (das Genus Crocidura lebt auch heute bis Südafrika), ‚wobei die Rotzähnigen alles überlebten. Unter den hier erwähnten Gattungen erschien Bi nach den neuesten Untersuchungen zuerst in den nordöstlichen Teilen Mittel- europas (Kowauskı, 1956). Die ausgestorbenen Genera Beremendia, Petenyia, Pete- Inyiella usw. erloschen ausnahmslos an der großen Faunenwellengrenze am Ende des ‚Altpleistozäns (KrETZo1, 1956). | | Es soll hier nur kurz erwähnt werden, daß die Fledermäuse während des Pleisto- zäns nicht so stabil zu sein scheinen, wie es früher angenommen wurde. Die Unter- suchungen an den neuen reichen mittelpleistozänen Fundorten in Ungarn von dem Zoologen Gy. TorAr werden in dieser Hinsicht sehr interessante neue Daten liefern. Die große Mannigfaltigkeit der Nager, in den gemäßigten und kalten Phasen un- 44 D. Janossy seres Pleistozäns, läßt sich nicht so leicht überblicken, wie die ärmlichere Gruppe der Insectivora. Hauptsächlich die Arvicoliden und Cricetiden erlebten in der Eiszeit ihre Blütezeit, so daß die Verschiedenheiten dieser Gruppen die feineren zeitlichen (und meist gleichzeitig klimatischen) Veränderungen am besten zum Ausdruck bringen. Unter den altertümlicheren Gruppen der Nager können wir von den Eichhörnchen (Sciıurus) und Murmeltieren (Marmota) wenig sagen. Die fossilen Funde des ersteren sind große Raritäten, die letzten erscheinen in Europa nur im Jungpleistozän, von den heutigen Formen kaum verschieden (MoTTr, 1958 usw.). Die Entwicklungsphasen der Ziesel (Genus Citellus) zeigen etwas größere Mannigfaltigkeit, indem im Ältest- bis Altpleistozän Mitteleuropas eine große ausgestorbene Form (Citellus primigenius Kor- mos, 1934) alleinherrschend ist. Die kleine europäische Art erscheint zuerst in den jüng- sten Altpleistozän-Faunen (z. B. Hundsheim, THENIUS, 1947), um sich später in den zweı Steppenphasen des Jungpleistozäns mit der rezenten asiatischen Citellus major- (früher rufescens genannten)Gruppe zu assoziieren. Betrachten wir danach die ebenfalls altertümliche Familie der Schläfer (Muscardi- nıdae). Der Siebenschläfer (Glis) und die Haselmaus (Muscardinus) erscheinen regel- mäßig in den interglazialen Phasen des Pleistozäns, wo eben die Bedingungen für die Entstehung des Waldes vorhanden sind — überall in Mitteleuropa. In ähnlichen Phasen erscheint auch der Baumschläfer (Dryomys), aber bis zum jüngsten Holozän nur in den östlichen Teilen des hier erörterten Gebietes. Die Einwanderung nach Westen ist nur ın der neuesten Zeit erfolgt (JAnossv, 1959). Ganz anders verhält es sich mıt dem Gartenschläfer (Eliomys), der vom ältesten Pleistozän an ein eher westliches (HELLER, 1958 usw.) und südliches Tier ist und anscheinend nur ım jüngeren Holozän nach Osten einwanderte. Ein glücklicher Fund im vergangenen Jahr beweist es, daß diese Art das Gebiet Ungarns nur auf eine kurze Zeit — etwa vor der Zeitspanne des Neolithikums — besuchte und seitdem sich hier nicht mehr einbürgerte. Bevor wir die mannigfaltige Gruppe der Hamster, Mäuse und Wühlmäuse erörtern, sollen noch einige altertümliche Gattungen ins Auge gefaßt werden. Unter den pleistozänen Kleinsäugern nehmen die Blindmäuse (Spalacidae) eine ganz alleinstehende Stellung ein. Eine primitivere, isolierte Form im ältesten Pleisto- zän (Prospalax, M£HELy, 1908) löst ein morphologisch von den heutigen Blindmaus- Arten wenig verschiedener Formenkreis (Spalax) vom Altpleistozän ab (KRrETZOI, 1956). Die Eigentümlichkeit der Spalaciden ist jene Tatsache, daß die Grenzen des fossilen und rezenten Verbreitungsgebietes in Osteuropa kaum einige Kilometer von- einander abweichen (westlich die Grenze Ungarns kaum überschreitend, THENIUS, 1949), die Blindmäuse also, als unterirdische Tiere stark ortgebunden zu sein scheinen. Von der sowohl im Pleistozän als auch heute in Asien sehr artenreichen Gruppe der Springmäuse — in weiterem Sinne (Dipodoidea) — erreichten während ıhrer Expansio- nen nur zwei Gattungen und Arten Mitteleuropa: die Streifenmaus (Sicista) und der Pferdespringer (Allactaga). Die Streifenmaus erscheint in der zweiten Hälfte des Alt- pleistozäns und war merkwürdigerweise hauptsächlich am Ende des Jungpleistozäns im Westen häufiger als im Osten, um heutzutage sich wiederum nach Osten zurückzu- ziehen (BRUNNER, 1936, JAnossy, 1953). Der an ganz spezielle klimatische Umstände und hauptsächlich Boden-Bedingungen der Halbwüste gebundene Pferdespringer (Allactaga jaculus L.) besuchte nur in geologischem Sinne während zweier ganz kurzer Phasen Mittel- bis Westeuropa, südlich bis zur Donau, westlich bis zum Rhein: zuerst in der das Jungpleistozän einleitenden Steppenphase und das zweite Mal in der eben- falls stark kontinentalen Zeitdauer des ausgehenden Jungpleistozäns. Die Biber (Castoriden) bieten uns in der Zeit keine große Variabilität. Die altplei- stozäne ausgestorbene Gattung Trogontherium lebte bis zur Schwelle des Mittelpleisto- zäns, und in allen wasserreichen, bewaldeten Phasen unserer Epoche taucht Castor als Einzelgänger immer wieder auf, ohne von der heutigen Art wesentlich verschieden zu Die Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas 45 sein (SCHREUDER, 1929 usw.). Die Untersuchungen der vergangenen Jahre in Ungarn und Jugoslawien brachten aber bezüglich der Stachelschweine (Hystricidae) einige Neuigkeiten (M. Marez, 1958 und noch nicht näher publizierte Daten des Autors). Auf Grund der reicheren Funde stellte es sich heraus, daß jene überaus kleinwüchsige Form, die immer als eine Rarität, jedoch in der ersten „Steppenphase“ des Jungpleistozäns in ganz Mitteleuropa regelmäßig erscheint, weder mit der jetzigen mittel-asiatischen Form Hystrix hirsutirostris Brandt, noch mit der südasıatischen 7. brachyura Sykes zu tun hat, wie früher angenommen wurde. Diese Art ist eine kleine Form der AHystrix cristata-Gruppe, wahrscheinlich identisch mit Aystrix vinogradovi Argyropulo, welche Form aus den mittelpleistozänen Ablagerungen von Binagady bei Baku un- längst näher beschrieben wurde (Gromow, 1952). Der valide Name ist A. vinogradovi Argyropulo (1941) und nicht A. schaubi Brunner (BRUNNER, 1954, nach ScHAUB). Der Vorläufer dieser Species im selben Gebiete ist eine beinahe zweimal so große Form, die ich unter der Bezeichnung Hystrix etrusca-Gruppe erwähne (zuerst von Bosco, 1898 - aus Italien beschrieben). Die zunächst zur Besprechung kommende Gruppe der eigentlichen Nagetiere und unter diesen hauptsächlich die Wühlmäuse (Arvicolidae) repräsentieren die artenreich- ste und die alle anderen überwiegende Gruppe. Nehmen wir zuerst die Mäuse in engerem Sinne (Muridae) in Betracht, die im Pleistozän noch eine untergeordnete Rolle spielen, aber im Holozän ın den Vorder- grund rücken. Apodemus ıst vom Ältestpleistozän bis zur Schwelle des Jungpleisto- zäns — wenn auch meist sporadisch — überall vorhanden. Die intensiven Kleinsäuger- Untersuchungen der letzten Jahre in Ungarn bewiesen es eindeutig, daß dieses Tier in der kalt-kontinentalen Phase des Jungpleistozäns im Gebiete des Karpathenbeckens völlig fehlte. Die neuesten Faunenbeschreibungen von HELLER (1955, 1956) sprechen allerdings dafür, daß in Deutschland eine, wenn auch kürzere, kontinentale Phase vor- handen war, in welcher Apodemus auch fehlte. Als dominantes Element tritt jedoch die Waldmaus nur im Holozän auf. — Bis zu den letzten Zeiten reichten unsere Kennt- nisse soweit, daß die Hausmaus (Mus) und hauptsächlich die Ratten (Genus Rattus) nur ın dem jüngeren Holozän (die Ratten in historischen Zeiten) in das Gebiet Mittel- europas eingebürgert wurden. Diese zwei Gattungen lebten im Altpleistozän Ost- asiens (Chou-kou-tien, Young, 1934, usw.) und im Jungpleistozän Mittelasiens (Te- schik-Tasch-Höhle, Süd-Usbekistan, GroMowA, W. 1949), welche Daten für einen allmählichen Vorstoß nach Westen sprechen. Ebendeswegen bereiteten die ersten sicher fossilen Funde von Mus in Europa, die in diesem Jahre aus dem Kalkschlamm des Travertins von Budapest durch Schlämmen zutage gefördert wurden, eine große Über- raschung. Die Begleitfauna spricht für ein früh-mittelpleistozänes Alter der Funde und beweist, daß die Mäuse im engeren Sinne in einem Interglazial schon wenigstens in den östlichen Teilen Mitteleuropas verbreitet waren und nur durch die späteren Kälte- wellen nach Süden verdrängt wurden. Die weitgehende Eintönigkeit der Bezahnung der Hamsterartigen macht die Be- hauptung der Beziehungen zwischen rezenten und fossilen Formen schwierig. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die im Ältest- und Altpleistozän Europas weit verbreiteten mittelgroßen Hamster-Formen (Gattung Allocricetus Schaub, 1930, genannt) wenig- stens generisch mit einer der asiatischen Gattungen zu identifizieren sind (Tscherskia?). Es ist allerdings interessant, daß die typisch altpleistozäne Art, A. bursae Schaub, die noch seinerzeit STEHLIN mit einem Fragezeichen von der Schwelle des Jungpleistozäns der Schweiz bekanntgegeben hatte (Cot&ncher-Höhle, SreHuLın, 1933), eben in diesem Jahre in einer Höhlenausfüllung gleichen Alters in Ungarn vorgefunden wurde. I. Wınocrapow und I. GROMow bestätigten in neuester Zeit (mündliche Mitteilung), daß jene Zwergform, die öfters während des Pleistozäns nach Mitteleuropa ein- wanderte, aber hauptsächlich am Ende des Jungpleistozäns verbreitet war, nicht mit 46 D. Janossy Phodopus sungorus Pallas zu identifizieren ist. SCHAUB bestimmte seinerzeit (1930) diese Art auf Grund eines fehlerhaft identifizierten rezenten Materiales. Diese Form gehört höchstwahrscheinlich zur Art Cricetulus migratorins Pallas — im Falle, daß die Cr. barabensis-Gruppe ausgeschlossen werden kann. Der große Cricetus (Cr. cri- cetus) kann vom Altpleistozän bis heute ununterbrochen . wahrgenommen werden, mit zwei Wellen von riesengroßen Formen ım älteren und jüngeren Pleistozän (zwei „major“-Gruppen, SCHAUB, 1930, MoTTL, 1951 usw.). Endlich betrachten wir die typischen Micromammalier des Pleistozäns, die Wühl- mäuse. Während wir die Ahnen der bisher besprochenen Kleinsäuger-Gruppen aus- nahmslos schon mehr oder weniger aus dem älteren Tertiär kennen, erscheinen die Arvi- coliden in Europa im ausgehenden Pliozän und erleben ihre Blütezeit mit den typi- schen Formen in großer Mannigfaltigkeit nur im Pleistozän. Die ersten Ansätze dieser Gruppe müssen anscheinend in Amerika und Asıen gesucht werden. Eine selbständige Familie (Arvicolidae Gray, 1821 statt Microtinae Miller, 1896) ist also, paläonto- logisch völlig berechtigt. Einige ganz altertümliche, eher zu den Cricetiden gehörende Formen sollen hier außer acht gelassen werden (Baranomys, Ungaromys, Germanomys etc.) — da diese eigentlich nur in z. T. heute für Pliozän gehaltenen Ablagerungen vorzufinden sind. Unter den ebenfalls wurzelzähnigen, erloschenenen Formen starb Dolomys noch im ersten Teil des Ältestpleistozäns und Mimomys ım Altpleistozän aus. Ein interessantes Relikt präsentiert jene rezente Art, die aus Dalmatien als Microtus (Chionomys) bogdanovi (Martino, 1921) beschrieben und später zur fossilen Gattung Dolomys (Hinton, 1926) gestellt wurde. Die ansehnlichen Differenzen im Zahnbau gegenüber dem ältestpleistozänen Dolomys scheinen dafür zu sprechen, daß die dalmatinische Art generisch von dieser verschieden sei (von KrETZoI, 1955 Dinaromys vorgeschla- gen). Aus diesen Tatsachen ist ersichtlich, daß die heute lebende Form nicht mit der im Ältestpleistozän ausgestorbenen Art Dolomys milleri Nehring identifiziert werden kann; u.a. hat VAN DEN BRInk, 1956, irrtümlich diese Benennung aufgenommen!). Unter den wurzelzähnigen Formen harrte die Rötelmaus (Clethrionomys) vom Ältest- pleistozän an bis heute aus, und gleichzeitig lebte ihre „Schwestergattung“, Pliomys, nur ım Altpleistozän bis zu den Anfängen des Mittelpleistozäns. Pliomys ist morpho- logisch und zeitlich von Dolomys völlig isoliert, kann also nicht mit dieser Gattung identifiziert werden (wie Hınton, 1926 und Sımpson, 1945 annehmen, siehe KrErzoı, 1956). Die ersten Wühlmäuse mit wurzellosen Zähnen gehören zur Gruppe der Grau- lemminge, oder Steppenlemminge (Lagurus-Gruppe von Kormos, 1930b, 1938, und KreETzoı, 1956, unter den Benennungen Prolagurus und Lagurodon beschrieben) im Altest- bzw. Altpleistozän. Die Ergebnisse der Untersuchungen in den letzten Jahren erwiesen es eindeutig, daß im Karpathenbecken im Mittelpleistozän (bis zum Ende Riß-Würm) eine von dem rezenten asiatischen Graulemming (Lagurus lagurus Pallas) kaum abweichende Art regelmäßig vorkommt (KrErzoı, 1956, JAnossy, 1960 b). Das Genus Allophaiomys Kormos (1932) — ebenfalls mit asiatischen Beziehungen — be- schränkt sich dagegen von Italien (PasAa, 1947) bis zur Ukraine (PınoPLITSCHKA, 1955) auf das ältere Altpleistozän. Die artenreichen Genera Pitymys und Microtus, sowie Arvicola sind die leitenden Formen der Kleinsäugerfauna von der zweiten Hälfte des Altpleistozäns. Pitymys fehlt nur im Jungpleistozän des östlichen Mitteleuropas — als atlantisches Element — und die Microtus-Formen sind die besten Indikatoren der klimatischen Schwankungen der Eiszeit. Schon vom Altpleistozän an erscheinen die auch heute nordischen Formen (Microtus ratticepoides-oeconomus — gregalis, nivalinus, nivaloides usw.) neben der auch hier virulenten M. arvalis-arvalinus-Form in kühleren Phasen, um in den inter- glazialen Zeiten den beinahe reinen M. arvalis-Faunen den Platz zu übergeben. Nur Die Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas 47 in bewaldeten Phasen des Interglazials tritt Clethrionomys ın den Vordergrund. Die intensiven Kleinsäuger-Untersuchungen in Ungarn bestätigen diese interessante Regel- mäßigkeit mit immer neuen Daten. Endlich betrachten wir die am meisten aberranten Formen der Arvicoliden, die Lemminge. In den 30er Jahren bereiteten die ersten Lemming-Reste (Lemmus lem- mus L.) aus den angeblich „mediterranen“ altpleistozänen westeuropäischen Fund- stellen eine Überraschung (HELLER, 1930, 1936 usw.). Seitdem sind in Deutschland (HELLER, 1958), in der Tschechoslowakei (FEJFAR, 1956) und in der Ukraine (Pıpor- LITSCHKA, 1955) weitere Funde aus derselben Zeitspanne zutage gekommen. Es mag hervorgehoben werden, daß die Reste der Berglemminge (Lemmus) sowohl im Alt- als auch im Jungpleistozän sich auf die westlichen und nördlichen Teile Mitteleuropas beschränkten und das heutige Gebiet Ungarns nie erreichten. Dagegen wanderten die Halsbandlemminge (Dicrostonyx), die im ganzen Jungpleistozän in Westeuropa lebten (STEHLIN, 1933), nur im letzten Abschnitt dieser Zeitspanne in das Karpathen- -becken (JAnossy, 1954). Die Funde der letzten Zeiten von Konieprusy bewiesen, daß in der Tschechoslowakei Dicrostonyx schon im Altpleistozän lebte (FEJFAR, 1959, die Funde konnte ich durch Liebenswürdigkeit des Autors besichtigen). Gegenüber den Arvicoliden sind die Lagomorpha die altertümlichste Gruppe der hier zur Besprechung kommenden Kleinsäuger. Wie bekannt, erscheint diese, heute im allgemeinen als selbständige Ordnung aufgefaßte Gruppe bereits an der Schwelle des Tertiärs (Paleozän). Im Ältestpleistozän lebten die Gattungen Hypolagus und Pliolagus in ganz Mitteleuropa (Kormos, 1934b). Es ist noch fraglich, in welcher Zeit- spanne des Pleistozäns sich die zwei Arten von Lepus (timidus und europaeus) von- einander trennten (HELLER, 1958 usw.). Im Jungpleistozän sind allerdings diese zwei Formen klimatisch scharf getrennt. Ochotona wanderte im älteren Pleistozän bloß in die östlichen Teile Mitteleuropas ein und erreichte dann nur im Jungpleistozän den Westen (Kormos, 1940, KRETZOT, 1941). Das Genus Prolagus ist ein interessantes Tertiär-Relikt, das früher nur vom Altestpleistozän Westeuropas zutage gekommen ist (HELLER, 1936b) und in Süd- europa bis zum Jungpleistozän lebte, neuerlich aber im AÄltestpleistozän auch in Ungarn vorgefunden wurde (KrETZo1, 1954). Endlich dürfte noch einiges über die Wanderungen der Kleinsäuger Europas gesagt werden. Ein Dauerendemismus kann kaum bei einigen europäischen Gruppen wahr- genommen werden (Desmaninae, Spalacidae, Eliomys, Glis usw.). Wir können ohne Zweifel im Pleistozän mit mehreren Wanderungswellen rechnen. In dieser Hinsicht sind unsere Kenntnisse noch ziemlich lückenhaft, einiges kann jedoch schon jetzt ge- sagt werden. Die stärkeren Faunenwellen kamen von Asien und die schwächeren — ın interglazialen Zeiten — von Süden (KrETzoı, 1953). Für die große Expansion vom Osten ist z. B. der Weg der so stark spezialisierten Allactaga ein gutes Beispiel; das Stachelschwein dagegen wanderte anscheinend vom Süden ein usw. Die Verschiedenheit der Expansionsrichtungen der Groß- und Klein- säuger illustriert dabei gut die Tatsache, daß in den zwei großen Steppenzeiten des Jungpleistozäns, die sich durch die Kleinfauna besonders gut ausprägen (das zwei- malige Erscheinen von Allactaga, Citellus major usw.), die Makrofauna viel weiter wanderte, als die Mikrofauna. Rangifer und Saiga erreichten z. B. im Spätpleistozän die Pyrenäen, aber Citellus nur Nord-Frankreich, Allactaga nur den Rhein und Cri- cetus die atlantische Region bei Belgien. Es könnten an dieser Stelle noch viele Beziehungen zwischen den Wandlungen der Kleinsäugergemeinschaften und den klimatischen Veränderungen, sowie auf zoo- geographische Tatsachen hingewiesen werden, jedoch würden solche Ausführungen den Rahmen dieses Referates weit überschreiten. Aus den hier aufgezählten reichen Daten ıst es jedoch klar ersichtlich, daß wir heute bereits — hauptsächlich auf Grund der 48 D. Janossy Untersuchungen der letzten drei Jahrzehnte — ein ziemlich klares Bild über die Wand- lungen der Kleinsäugerfauna Mitteleuropas gewinnen können. Die Durchforschung der angrenzenden südlichen und östlichen Gebiete, sowie die Neuuntersuchungen der klas- sischen westeuropäischen Fundstellen mit modernen Methoden, dürften wohl das Ar- beitsprogramm der näheren Zukunft umfassen. : Zusammenfassung Der Verfasser gibt eine Zusammenfassung über unsere derzeitigen Kenntnisse bezüglich der zeitlichen und räumlichen Verbreitung der Kleinsäugergattungen Mitteleuropas in der Eiszeit (Pleistozän). Die große Umwandlung der Fauna tritt an der Grenze des Unter- bzw. Mittel- pleistozäns — aus bisher noch unbekannten Gründen - ein. Aus den graphischen Darstellungen ist es klar ersichtlich, daß neben beinahe konstanten Formen einige Gruppen einer sehr mannig- faltigen Umwandlung unterworfen sind. Die Wühlmäuse (Arvicolidae) erlebten z. B. im Plei- stozän ihre Blütezeit. Es wird auf einstige Wanderungen, sowie auf die Zoogeographie der eiszeitlichen Kleinsäuger kurz hingewiesen. Summary The autor gives a summary of our present knowledge over the temporal and regional distribution of the genera of the small mammals of Middle-Europa in the Pleistocene. The great metamorphosis of the fauna developed at the boundary of the Lower — respectively - of the Middle Pleistocene Period. At present the causes of this great change are unknown. It might be evident by the graphical reproductions that, besides from nearly constant forms, some groups are subjected to a very multifarious change. For instance the voles had their thriving season in the Glacial Period. The autor shortly indicates to the former migrations as well as to the zoogeography of the small mammals of the Ice Ages. Resume L’auteur nous donne une synthese de notre presente connaissance a l’egard de la distribution ; temporelle et geographique des genres des petits mammiferes de l’Europe central dans lestemps _ . . . . . . f Pleistocenes. La grand metamorphose de la faune s’effectuait A la limite du Pleistocene infe- rieur, respectivement du Pleistocene moyen. Jusqu’ä present les causes de cette metamorphose sont inconnts. Il est evident par des reproductions graphiques que quelques groups sont soumis — A part des formes & peu pres constantes — aA un changement tres varie. Par example les Arvicolides ont leur prosperite dans l’Epoque quaternaire. L’auteur indique brevement aux migrations et a la zoogeographie des mammiferes du Pleistocene. Literatur ARGYROPULO, A. J. (1941): Tschetwertitschnaja fauna grysunow i nasekomjadnych Binaga- dow (Apscheronskij poluostow). — Priroda. 1941. N-3. pp. 88-91. Leningrad. — Bosco C. (1898): Aystrix etrusca n. sp. — Paleont. Italica, 4. pp. 141-153. Pisa-Sıiena. — BRINK, VAN DEN | F. H. (1956) — bearbeitet von TH. HALTENORTH: Die Säugetiere Europas. — P. Parey, Ham- ° burg-Berlin. — BRUNNER, G. (1936): Zur Diluvialfauna des Büttnerloches bei Thuisbrunn (Ober- franken). — Zentralbl. f. Miner. usw. 1936/B. pp. 242-255. — BRUNNER, G. (1954): Das Fuchs- loch bei Siegmannsbrunn (Oberfranken). -— Neues Jahrb. Geol. Paläont., Abh. 100. 1. pp. 83-118. — BuckLann, W. (1824): Reliquiae Diluvianae etc. 2e edition. London. — CuvIEr, G. (1824): Recherches sur les ossements fossiles etc. 3£me ed. Paris. — DIETRICH, W. O. (1953): Neue Funde des etruskischen Nashorns in Deutschland und die Frage der Villafranchium- Faunen. — Geologie. 2. 6. pp. 417-430. Berlin. — EHık, J. (1913): Die präglaziale Fauna von |' Brassö. — Földtani Közlöny. 43. pp. 136-150. Budapest. — EHık, J. (1951): Die pleistozäne Fauna der Pesköhöhle im Komitat Borsod. — Barlangkutatas. 1914 2. pp. 224-229. Budapest. Brassö. — Földtani Közlöny. 43. pp. 136-150. Budapest. — EHık, J. (1915): Die pleistozäne and their importance for the detailed stratigraphy. — Casopis pro Mineralogii a Geologii etc. ') 1. 2. pp. 93-101. Praha. — Frjrar, O. (1959): Die fossilen Vertreter des Genus Sicısta Gray, 1827, auf dem Gebiet der CSR. — Casopis pro. Min. a Geol. 4. 1. pp. 25-35. Praha. — Grar, J- E. (1821): On the natural arrangement of vertebrate animals. — London Med. Reposit. 15. pp- 296-310. — Gromow, I. M. (1952): Fauna grysunow (Rodentia) binagadinskogo pleisto- et Die Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas .49 zena i jewo priroda. - Trudy Estestwenno-Istoritscheskogo Museja I. M. Sardabi Akad. Nauk Aserbajdschanskoj SSR. 5. pp. 203-249. Baku. — GromowA, WERA (1949): Pleistozenowaja fauna mljekopitajuschtschich is grota Teschick-Tasch, Juschnij Usbekistan. — in: Teschick-Tasch- Paleolititscheskij Tschelowek (Ausgabe der Universität Moskau 1949). — HELLER Fl. (1930): Eine Forest-Bed-Fauna aus der Sackdillinger Höhle (Oberpfalz). -— Neues Jahrb. Min. Geol. Pal., Beil. Bd. 63/B. pp. 247- 298. — Herrrr, Fl. (1936a): Eine Forest-Bed-Fauna aus der Schwäbischen Alb. — S.-Ber. Heidelberger Akad. Wissensch., math.-naturwiss. Kl., 1936, Abh. 2. pp. 1-29. Heidelberg. — HELLER, Fl. (1936b): Eine oberpliocäne Wirbeltierfauna aus Rheinhes- sen. — Neues Jahrb. Mineral. usw. Beil. Bd. 76. Abt. B. pp. 99-160. Stuttgart. — HELLER, Fl (1954): Neue Fundstellen altdiluvialer Desmana-Reste in Südwestdeutschland. — Neues Jahrb. Geol. Paläont., Monatsh. 1954/10. pp. 465-475. Stuttgart. — HELLER, Fl. (1955): Die Fauna, in: Zotz, L.: Das Paläolithikum in den Weinberghöhlen bei Mauer. — Quartärbibliothek, 2. pp. 220-307. Bonn. — HELLER, Fl. (1956): Die Fauna der Breitenfurter Höhle im Landkreis Eichstätt. - Erlanger Geol. Abh. H. 19. 32 pp. Erlangen. — Heırer, Fl. (1958): Eine neue altquartäre Wirbeltierfauna von Erpfingen (Schwäbische Alb.). - Neues Jahrb. Geol. Paläont., Abh. 107. pp. 1-102. — Hınron, M. A. C. (1926): Monograph of the Voles and Lemmings (Microtinae) living and extinct. Vol. 1. London. — JAnossy, D. (1953): Neueres Vorkommen seltener Säugetiere (Sicista, Apodemus, Asinus) aus dem ungarländischen Spätpleistozän. — Földt. Közl. 83. pp. 430-436. Budapest. — JAnossy, D. (1954): Fossile Microtinen aus dem Karpathenbecken. I. Lemminge. -— Ann. Hist.- Natur. Mus. Nat. Hung., Ser. Nova 5, pp. 39-48. Budapest. — JAnossy, D. (1959): Kleinvertebratenfauna aus der holozänen Ausfül- lung der Felsnische von Istallöskö. — Vertebrata Hungarica Musei Hist. Natur. Hung. 1.1. pp. 113-120. — JAnossv, D. (1960a): Nacheiszeitliche Wandlungen der Kleinsäugerfauna Un- garns. — Zool. Anz. 164. pp. 114-121. Leipzig. — JAnossy, D. (1960): Wirbeltierkleinfauna aus den Mousterien-Schichten der Subalyuk-Höhle (Nordostungarn). (Im Druck in der Aus- gabe des Brünner Museums). — Kormos, Th. (1913): Trois nouvelles especes fossiles des des- mans en Hongrie. - Ann. Mus. Nat. Hung. 11. pp. 136-146. Budapest. — Kormos, Th. (1930a): Desmana thermalis n. sp., eine neue präglaziale Bisamspitzmaus aus Ungarn. — Ann. Mus. Nat. Hung. 27. pp. 1-19. Budapest. — Kormos, Th. (1930b): Diagnosen neuer Säugetiere aus der oberpliozänen Fauna des Somlyöberges bei Püspökfürdö. - Ann. Mus. Nat. Hung. 27. pp. 237-246. Budapest. — Kormos, Th. (1932): Neue Wühlmäuse aus dem Oberpliozän von Püspökfürdö. — Neues Jahrb. Mineral. Geol. Paläont., Beil. Bd. 69. Abt. B. pp. 323-346. Stuttgart. — Kormos, Th. (1934a): Neue Insektenfresser, Fledermäuse und Nager aus dem Oberpliozän der Villänyer Gegend. - Földt. Közl. 64. pp. 1-26. Budapest. — Kormos, Th. (1934b): Zur Frage der Abstammung eurasiatischer Hasen. — Ällattanı Közlemenyek. 31. pp- 65-78. Budapest. — Kormos, Th. (1937a): Zur Frage der Abstammung und Herkunft der quartären Säugetierfauna Europas. — Festschr. zum 60. Geburtstage von Prof. Dr. Emgrık STRAND. 3. pp. 28i-328. Rıga. — Kormos, Th. 1937b): Zur Geschichte und Geologie der ober- pliocänen Knochenbreccien des Villänyer Gebirges. - Math.-Naturwiss. Anzeiger Ung. Akad. Wiss. 54. pp. 1063-1100. Budapest. — Kormos, Th. (1938): Mimomys newtoni F. Major und Lagurus pannonicus Korm., zwei gleichzeitige verwandte Wühlmäuse von verschiedener phy- logenetischer Entwicklung. — Ebenda. 57. pp. 356-379. — Kormos, Th. (1940): Spuren der Gattung Ochotona im ungarischen Präglazial. - Ebenda. 59. pp. 937-942. — Kowauskı, K. (1956): Insectivores, bats and rodents from the early pleistocene bone breccia of Podlesice near Kroczyce (Poland). — Acta Paleont. Polonica. 1. 4. pp. 331-394. Warszawa. — Ko- WALSKI, K. (1958): An early pleistocene fauna of small mammals from the Kadzielna Hill in Kielce (Poland). Ebenda. 3. 1. pp. 1-47. — Krerzoı, M. (1938): Die Raubtiere von Gom- baszög, nebst einer Übersicht der Gesamtfauna. — Ann. Mus. Nat. Hung., Pars Mineral. Geol. Paläont., 31. 1937-38. pp. 88-157. Budapest. — Krerzor, M. (1941): Die unterpleistozäne Säugetierfauna von Betfia bei Nagyvärad. - Földt. Közl. 71. pp. 308-355. Budapest. — KRrET- zoı, M. (1953): Quaternary Gecology and the Vertebrate Fauna. — Acta Geol. Acad. Scı. Hung. 2. pp. 67-76. Budapest. — Krerzoı, M. (1954): Bericht über die calabrische (villa- frankische) Fauna von Kisläng, Kom. Fejer. - Jahresber. d. ung. Geol. Anst. für 1953. Teil I. pp. 239-264. — KreETzoı, M. (1955): Dolomys and Ondatra. - Acta Geol. Acad. Sci. Hung. 3. pp. 347-355. Budapest. — KreErzoı, M. (1956): Die Altpleistozänen Wirbeltierfaunen des Villänyer Gebirges. - Geol. Hung. Ser. Palaeont. Fasc. 27. pp. 1-264. Budapest. — Mauzz, M. (1958): Einige neue Resultate der paläontologischen Erforschung der Höhle Veternica. - Palaeont. Jugosl. 1. pp. 1-24. Zagreb. MARTINO, V. and E. (1921): Note on a new Snow- Vole from Montenegro (Mirocotus [Chionomys] bogdanovi sp. n.) - Ann Mag. Nat. Hist. 9 / 9. p. 413. London. — M£Hery, L. (1908): Prospalax priscus (Nhrg.), die zliozäne Stamm- form der heutigen Spalax-Arten. - Ann. Mus. Nat. Hung. 6. pp. 305-316. Budapest. — MEHELY, L. (1914): Fibrinae Hungariae. Die tertiären und quartären wurzelzähnigen Wühl- mäuse Ungarns. — Ann. Mus. Nat. Hung. 12. pp. 155-243. Budapest. — MıLLer, G. S. (1896): Genera and subgenera of Voles and Lemmings. - U.S. Department Agr., North American 50 E. Mohr Fauna. No. 12. pp. 1-85. Washington. — MorTLı, M. (1951): Die Repolusthöhle bei Peggau (Steiermark) und ihre eiszeitlichen Bewohner. — Archaeol. Austriaca. Heft. 8. pp. 1-78. — Morrtı, M. (1958): Die fossilen Murmeltierreste in Europa mit besonderer Berücksichtigung Österreichs. — Jahrb. d. Arbeitskr. f. Wildtierf. 1958. pp. 91-100. Graz. — NEHRING, A. (1890): Über Tundren und Steppen der Jetzt- und Vorzeit, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Faunen. 254 pp., Berlin. — Owen, R. (1846): A History. of British fossil Mammals and Birds. London. — Pasa, A. (1947): I mammiferi di alcune antiche brecce Veronesi. - Mem. del Mus. Civ. di Storia Nat. di Verona. 1. pp. 1-111. Verona. — Prr£nyı, S. J. (1864): Hatrahagyott munkäi. Pest. (Posthume Arbeit). — PıpopLiTscHkA, I. G. (1938): Materials for the Study of the fossil Fauna of the Ukrainian SSR. — Akad. Sci. Ukr. SSR, Inst. Zool. and Biol. 173 pp., Kiew. — PıDorLITscHka, I. G. (1955): Nowye dannye o faune poswo- notschnych anthropogenowych otloschenij Ternopolskoj oblasti. - Doklady Akad. Nauk. SSSR. 100. pp. 989-991, Moskwa-Leningrad. — PiDoPLITScHKA, I. G. (1956): Materiali do wiwtschenija minulich faun. — Vipusk 2. Akad. Nauk. U.SSR. 189 pp., Kiew. — ScHAus, S. (1930): Quartäre und jungtertiäre Hamster. — Abh. Schweiz. Pal. Ges. 49. pp. 1-39, Basel. — SCHMERLING, P. C. (1833): Recherches sur les ossementes fossiles etc. Liege. — SCHMIDTGENS, O. (1925): Myogale moschata Pall. aus dem Mosbacher Sand. — Notizbl. Ver. Erdkde. hess. Geol. Landesamt für 1924 / V /. 7. pp. 132-140. Darmstadt. — SCHREUDER, A. (1929): Conodontes (Trogontherium) and Castor from the Tegelian Clay compared with Castoridae from other Localities. -— Arch. Mus. Teyler. Ser. II. 6. pp. 99-321. Haarlem. — SCHREUDER, A. (1940): A Revision of the Fossil Water-Moles / Desmaninae /. — Arch. ne&erl. zool. 4. pp. 201-333. Leiden. — Sımrson, G. G. (1945): The Principles of Classification and a Classification of Mammals. — Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. 85. pp. VII-IX and 1-350, New York. — STEHLIN, H. G. & Dusoıs, A. (1933): La grotte de Cotencher, station mousterienne. — Mem. Soc. Paleont. Suisse. 25-53. pp. 1-292. Basel. — THEnıus, E. (1947): Ergebnisse neuer Ausgra- bungen im Altplistozän von Hundsheim bei Deutschaltenburg (Niederösterreich). — Anz. Österr. Akad. d. Wiss.-Math. Naturwiss. Kl. 84. Nr. 1-15. pp. 29-32. Wien. — THENnIUs, E. (1949): Der erste Nachweis einer fossilen Blindmaus (Spalax hungaricus Nehr.) in Öster- reich. — Sitzungsber. Österr. Akad. d. Wissensch. — Math. naturwiss. Kl. Abt. I. 158. H. 4. pp. 287-298. Wien. — TOPATSCHEWSKIJ, W. A. (1957): Poswonotschnije pliozenowjich i an- thropogenowjich otloschenij dolin nischnewo Dnjepra i reki molotschnoj. — Kandidat-Dis- sertation, Kiew, 1957. 23 pp. — WOLDSTEDT, P. (1954): Das Eiszeitalter. Grundlinien einer Geologie des Quartärs. Bd. I. Zweite Auflage. Enke-Stuttgart. — Young, C. C. (1934): On the Insectivora, Chiroptera, Rodentia and Primates other than Sinanthropus from Locality l at Choukoutien. — Palaeontologica Sinica. 8. Fasc. 4. Ser. C. pp. 1-139. Peking. Anschrifl des Verfassers: Dr. D. JAnossy, Budapest VIII, Muzeum Krt. 14-16 Der Zahnschluß im Gebiß der Wildraubtiere und der Haushunde Von Erna MoHR Eingang des Ms. 14.2.1961 Der Standard für die einzelnen Hunderassen stellt Forderungen auf für das Gebiß und den Zahnschluß, namentlich im Bereich der Schneidezähne, anscheinend ohne darüber klar zu sein, daß solche Forderungen unberechtigterweise den Aufbau des menschlichen Gebisses zugrunde legen, was dazu führt, daß für den Haushund ein ihm nicht gemäßer Schneidezahnschluß verlangt wird. Hält der Mensch den Mund fest geschlossen, so berührt die Vorderseite seiner un- teren Schneidezähne die Hinterseite der oberen; die beiden Schneidezahnreihen arbei- ten also hinter- bzw. nebeneinander wie die beiden Klingen einer Schere, und solches Gebiß wird als Scherengebiß bezeichnet. Treffen die Schneidezahnkanten beider Schneidezahnreihen genau aufeinander, so spricht der Zahnarzt von Kopfbiß oder Aufbiß, der Tierzüchter vom Zangenbiß. Der Zahnschluß im Gebiß der Wildraubtiere und der Haushunde 51 Berühren die unteren Schneidezähne nicht mehr die Rückseite der oberen, da der Unterkiefer verkürzt, „zurückgenommen“ ist, so hat man den Unterbiß, die Progna- thie. Ist der Unterkiefer länger als der obere und stehen deshalb die unteren Schneide- zähne vor den oberen, dann hat man den Vorbiß, die Progenie. Beim Säugetier sind Hirn- und Gesichtsschädel unbeweglich miteinander verwach- sen. Nur der Unterkiefer ist frei beweglich, durch das Kiefergelenk mit dem Ober- schädel verbunden. Da nun der Unterkiefer beim Beißen der einzige tätıge Teil ist, darf man auch die auf den Biß bezüglichen Bezeichnungen nur so gebrauchen, daß diese Tatsache richtig zum Ausdruck kommt. Beim „Vorbiß“ stehen die Schneidezähne des Unterkiefers vor den oberen, beim „Unterbiß“ hinter ihnen, bzw. unter dem Munddach. Der Mensch mit seinen niedrigen Eckzähnen und der meist vorhandenen Prognathie kann den Unterkiefer wie ein Wiederkäuer im Halbkreis führen. Beim normalen Raub- tiergebiß aber lassen die großen langen Eckzähne, von denen stets die unteren vor den oberen stehen, nur wenig seitliches Abweichen oder Vor- und Rückschieben des Unter- kiefers zu, sondern wie in einer Führung kann er fast nur senkrecht auf und ab arbeiten. Und damit sind auch Stellung, Zahnschluß und Funktion der Schneidezahnreihen bei den Raubtieren gegeben; normalerweise haben wilde Raubtiere eine von Il und I2 gebildete Zange. I 3 ist meistens abweichend, mehr eckzahnmäßig gestaltet. Der Haushund stammt von Wildcaniden ab, und soweit er nicht, wie Boxer und Bulldoggen wegen des verkürzten Oberkiefers den standardmäßig vorgeschriebenen Vorbiß hat, müßte für ihn die gleiche Zange verbindlich sein, die er von seinen Vor- fahren ererbt hat. Die Schere wäre beim Haushundgebiß bereits als abnorm anzusehen. Das ist keine neue Erkenntnis. Max WEBER (1927) führt über die Schneidezähne und die Kaubewegungen aus: „Ihre Gegenüberstellung kann so sein, daß sie nach Art von Meißeln aufeinanderschließen. Dies entspricht der Labiodontie von WELCKER und führt zum Zangengebiß. Es ist der vorherrschende Typus, der bei Carnivoren zum reinsten Ausdruck kommt im Zusammenhang mit der Scharnier-(ginglymischen)Kon- struktion des Kiefergelenks, wobei der Condylus durch eine Hohlrolle des Squamosum umfaßt wird und nur orthale Kaubewegung zuläßt. Im anderen Modus überragen die oberen I die unteren, wie bei der Mehrzahl der Menschen. Bei dieser Psalidodontie, die zum Scherenbiß führt, hat propinale Kaubewegung statt, sie fordert Gleitbewegung des Unterkiefers auf einer Facies praeglenoidalis, einem Tuberculum articulare (Mensch) oder rinnenförmige Verlängerung nach vorn der Cavitas glenoidea. „Neben diesen Erscheinungen verdient Beachtung die Richtung der I. Sie kann eine orthodonte sein, welche übergeht in eine mit Schrägstellung der Schneidezahnachsen. Diese bilden dementsprechend einen kleineren Winkel nach vorn als im ersteren Falle. Dies kann unabhängig von der Prognathie der Kiefer statthaben, da sich z. B. beim Orang, mit starker Ausbildung derselben Orthodontis verbindet. Es besteht also auch eine alveoläre Prognathie.“ Die hier gegebenen Abbildungen sollen zeigen, wie normale Raubtiergebisse in ihrem vorderen Teil aussehen und wie Form der Zähne und Zusammentreffen der: Schneidekanten zusammenspielen. Die Schädel gehören der Sammlung des Zoologischen Museums Hamburg und wurden aufgenommen von Hans ROSENBERG. Nur Abb. 2, Schädel vom Goldschakal, gehört dem Institut für Haustierkunde in Kiel, phot. BÄHRENS, und wurde von Prof. Dr. W. HERRE zur Verfügung gestellt. Dem Wolf wurden C und I 2 abgeschossen; die Abzüge sind seitenverkehrt copiert, um Vergleiche mit den übrigen Aufnahmen zu erleichtern. Während die unteren Schneidezähne relativ gerade, gestreckt sind, bilden die oberen einen deutlichen Haken und schaffen es auf diese Weise, daß die Schneidezahnkanten aufeinanderstehen. Nur bei dem alten Wolf stehen die Schneidekanten annähernd senk- recht aufeinander, weil die unteren recht steil aufgerichtet sind. Die Zähne wurden bereits soweit weggekaut, daß die Seitenlappen der oberen inneren I verschwunden E. Mohr un In sind. Beim Fuchs (Abb. 3) ist es dasselbe; hier aber kommen die Unterkieferzähne so schräg auf die Schneidekante der oberen zu, daß für einen flüchtigen Beobachter eine | Unterbißschere vorgetäuscht wird, obwohl es sich um eine einwandfreie Zange handelt. Unter den Haushunden findet man diese Form recht häufig bei Teckeln, namentlich bei Kurz- und Rauhhaar, bei denen dann oft leichtfertigerweise von Schere geredet wird. Aber schon ein Überstreichen der Zahnfront mit der Fingerspitze lehrt, daß die Schnei- den glatt aufeinander, nicht hintereinander stehen. Der noch junge Goldschakal (Abb. 2) hat noch die Seitenflügel an den I 1. Noch besteht eine schwache Unterbißschere, die aber in einigen Monaten zur Zange abge- schliffen sein dürfte. Ältere Schakale der Hamburger Sammlung haben einwandfrei die Zange. Bei Haushunden wird nicht selten beobachtet, daß sich der Zahnschluß nach dem Zahnwechsel geändert hat. Was als Welpe eine Vorbißschere oder eine Zange hatte, kann nach dem Zahnwechsel mit Unterbißschere dastehen, ohne daß massiert worden wäre. Es kann sich auch eine ursprüngliche Schere oder Zange in einen häßlichen Unter- biß verwandeln, oder anders herum: aus einem Unterbiß kann sich eine Zange oder 3 \ A ‘ RETURN Abb. 1. Wolf, Canis lupus L. Abb. 2. Goldschakal, Canıs aurens L. Abb. 3: Fuchs, Vulpes vulpes L. Der Zahnschluß im Gebiß der Wildraubtiere und der Haushunde 53 Schere bilden. Man muß dabei nur wieder beachten, ob die Unregelmäßigkeiten an Kieferform und -länge liegen oder an der Zahnstellung, mithin an der Lage der Alveolen. In bezug auf letzteres kann man beim Welpen und Junghund viel sündigen, wenn man mit ihnen „Tauziehen“ spielt; sie beißen sich in zum Spielen vorgehaltene Abb.4. Dachs, Meles meles L. Abb.6. Luchs, Lynx lynx L. Abb. 5. Otter, Lutra lutra L. Abb.7. Waschbär, Procyon lotor L. 54 E. Mohr Lappen so fest, daß man sie daran aufheben und herumschwenken kann. Tut man es oft genug, bekommen die Zähne beider Kiefer eine Neigung nach vorn, und dıe Zahn- reihen treffen in falschem Winkel oder an der falschen Seite aneinander. Die hier als Abb. 1-3 gezeigten Gebisse der 3 Wildhundarten haben alle die voli- ständige Prämolarenzahl: oben 4 einschließlich Reißzahn, unten 4 vor dem unteren Reißzahn, der hier zu den Molaren zählt. Auf Lücke stehen hier die Prämolaren bei allen, aber verschieden ist bei allen die Entfernung der Prämolarenreihen voneinander. Bei dem jungen Schakal schließen sie am dichtesten, bei dem alten Wolf am wenigsten. Ersteres wird für unsere Haushunde als wünschenswert empfohlen. Aber hätte das Tier irgendeinen Vorteil davon? Dazu müßten wir erst untersuchen, wie denn überhaupt „der“ Hund beißt und wozu er die einzelnen Zahngruppen benutzt. Wild- und Haushunde kommen selten frontal zum Beißen. Ehe sie sich im Anprall die Nase stoßen, wird der Kopf leicht seitlich gedreht und mit den „Fangzähnen“, den langen Eckzähnen, gefaßt. Die Erfahrung lehrt, daß die größten Schäden und Wunden beim Hundebiß nicht von den Schneidezähnen, sondern von den Eckzähnen verursacht - werden. Die Lefzen werden möglichst zurückgezogen, damit sie nıcht zwischen die eigenen Zähne geraten. Zähnefletschen ist also nicht nur eine Einschüchterungsgeste, sondern auch vorbeugende Maßnahme des Hundes im eigenen Interesse. Entscheidend für Größe und Schwere der Bißwunde ist aber zumeist, ob das Tier nur zwicken oder ob es regelrecht beißen will. Da er hauptsächlich mit den Eckzähnen arbeitet, nicht mit den Schneidezähnen, ist es hierfür völlig gleichgültig, ob ein Hund Schere oder Zange hat. Ein Boxer, bei dem die Zahnreihen vorn überhaupt keine Berührung mehr mit- einander haben, kann uns unter Umständen häßlicher zurichten und zusammenbeißen als ein gleichgroßer Angehöriger einer Rasse mit Normalgebiß. Raubtiere benutzen die Schneidezähne weitgehend bei der Fellpflege, sonst zum Abnagen von Knochen, zum Entrinden von Zweigen, auch beim Abnabeln. Auch hier- bei sind Schere und Zange biologisch gleichwertig. Es ist keineswegs so, wie der Stan- dard für die Dogge sagt: „Zangenbiß, das heißt, wenn die Kanten der Zähne genau aufeinanderpassen, ist unerwünscht; die Zähne nützen sich vorzeitig ab.“ Gesunde Schneidezähne sind im Zangengebiß genauso haltbar wie im Scherengebiß. Zwar nut- zen sich die kleinen Seitenflügel der jungen Schneidezähne beim Zangenbiß anfangs etwas schneller ab als bei der Schere — aber das hat seine Grenzen, weil das Maul ohne- hin nicht weiter geschlossen werden kann, als die Molaren erlauben. Wenn die hinteren Backenzähne aufeinander und ineinander passen und schleifen, können auch die Schnei- dezähne sich nicht mehr gegenseitig abschleifen, nicht eher wieder, als bis die Backen- zähne ihrerseits wieder niedriger gekaut sind. Bei all diesen Verrichtungen werden die Prämolaren am wenigsten betroffen. Der Hund schneidet seine Nahrungsbrocken nicht mit den Schneidezähnen ab, sondern mit der um die Reißzähne versammelten Zahngruppe, also mit den vorderen Molaren und den hinteren Prämolaren. Kauendes Schneiden und Reißen wirken gemeinsam im Mundwinkel. Die losgearbeiteten Brocken werden kaum gekaut, sondern in großen Fetzen hintergeschlungen. Die Prämolarenreihe vor dem Reifßzahn ist oft so niedrig, daß die Antagonisten weit voneinander entfernt bleiben, also auch wenig festhalten und beim Kauen nicht helfen könnten. Um wieder auf die Prämolarenreihen der Abb. 1-3 zurückzukommen: Wenn diese drei Tiere genötigt wären, ein Stück Fleisch zu tragen, wäre dieser Woif am besten dran, denn er könnte von ıhnen das Maul am weitesten schließen, während der Fuchs und namentlich der Schakal weiter aufsperren und damit Masseter und Gelenke weit mehr beanspruchen müßten als dieser Wolf. Dichter und lockerer Schluß der Prämo- larenreihen kommt bei Wildhunden ebenso häufig vor wie bei Haushunden. Auch Prämolaren-Verlust wird bei Wildhunden beobachtet, wenn auch verhältnismäßig sel- tener als beim Haushund. Der Zahnschluß im Gebiß der Wildraubtiere und der Haushunde 55 Für alle Angehörigen der Musteliden gilt das gleiche, was über die Canıden gesagt wurde. Die Hamburger Sammlung enthält keinen Dachs (Abb. 4), Otter (Abb. 5), Marder, Iltis, Nerz, kein Hermelin, Wiesel usw., der einen anderen Schneidezahnschluß zeigte als die Zange. Der Otter der Abb. 5 hat sogar Zangenschluß, obwohl die unteren I1undI2 aus Raummangel nicht nebeneinander, sondern kulissenartig hintereinander stehen. Ähnlichen unregelmäßigen Stand der Unterkiefer-Schneidezähne findet man wie bei anderen Raubtieren auch bei Haushunden, selbst bei nicht schmalköpfigen. Dabei kann der Unterkiefer verschmälert sein, es können aber auch die Zähne selbst derber und breiter als gewöhnlich sein und deshalb nicht genug Platz im normalen Kiefer finden. Von weiteren Vertretern wilder Carnıvoren seien hier noch die vorderen Zähne eines Luchses (Abb. 6) und eines Waschbären (Abb. 7) gezeigt. Auch sie haben ein aus- gesprochenes Zangengebiß, wie das praktisch für alle normalen Raubtiere, ob nun Löwe, Tiger, Bär, Kleinbären, Schleichkatzen, Hyänen oder selbst carnıvore Beuteltiere zutriftt. Die meisten Autoren, die sich mit Zahn- und Gebiß-Anomalien von Haushunden beschäftigten, achteten im wesentlichen auf abweichende Zahnzahl (Unter- und Über- zahl), Zahnform und Platzierung im Kiefer. AGDUHR (1921) ist einer der wenigen, die sich auch über Kiefer- und Alveolen-Abweichungen Gedanken machten: „Zu diesen Anomalıen können auch diejenigen gerechnet werden, welche durch einen zu kurzen (Brachygnathia) oder einen etwas zu langen (Prognathia) Kiefer bedingt sind. Ich sehe ın diesem Zusammenhange von den Tieren ab, deren Gebisse von dieser Art als eine Rasseeigenschaft zu betrachten sind, wie z. B. die Gebisse der Bullenbeißen und Dachs- hunde. Eine große Anzahl der Schädel (ca. 20°/0) der Rassehunde (von Dachshunden ab- gesehen) zeigen eine kleine (1,5-5 mm lange) Prognathia superior. Gewöhnlich ist es nur die Pars incisiva, die etwas verlängert ist, es kann aber auch eine dentale Progna- thia sup. vorhanden sein, welche dann durch eine abnorm weit nasal gehende Richtung der Schneidezähne des Oberkiefers bedingt ist. Dagegen habe ich nur wenige Beispiele (die Bullenbeißer ausgenommen) einer Prognathia inf. gefunden, und in dem einen Falle war ihre Entstehung nur von der labialen Richtung der Unterkieferschneidezähne abhängig. Auch unter den Wildhunden findet man — wenn auch selten — Beispiele dieser Anomalien.“ AGDUHR und WEBER waren keine Hundezüchter und konnten unbeschwert von Standardforderungen der Rasseverbände mit zoologischen und anatomischen Gesichts- punkten an ihre Untersuchungen und Feststellungen gehen. Sie sagen beide dasselbe, was man auch in jeder nicht zu kleinen Museumssammlung jederzeit selbst feststellen kann: für den Menschen ist zwar Scherengebiß, Unterbißschere, die Regel, für alle Raubtiere mit Einschluß des Haushundes dagegen die Zange. Eine größere Zahl von Rassehunden zeigt jedoch (als Abnormität) die Schere. Auch unter Wildhunden findet man — wenn auch selten — Beispiele dieser Abnormität, nämlich die Schere. Wenn der Hundezüchter und -Richter den an sich gegenüber der Wildform ver- kürzten Unterkiefer genehmigt und sogar fordert, dürfte er bei normalschädeligen Haushunden die vom Wildhund übernommene Zange nicht ablehnen und verbieten. Es ist völlig klar, daß sich bei dem größtenteils auf Schere durchgezüchteten heutigen Rassehunde-Material eine Umkehrung der bisherigen Anforderungen nicht durchführen läßt. Aber man sollte im Hinblick auf das Normalgebiß des Wildhundes duldsamer sein und neben der Schere die Zange als gleichberechtigt anerkennen. 56 E. Mohr Zusammenfassung Bei Wildraubtieren ist das Zangengebiß der normale Schneidezahnschluß. Für viele Rasse- hunde verlangt der Standard jedoch die Schere und verurteilt oder disqualifiziert den Zangen- biß. Nun wird die Forderung erhoben, das urtümliche, von den wilden Vorfahren ererbte Zangengebiß als dem Scherengebiß gleichwertig anzuerkennen. Summary In wild carnıvorous mammals the incisors are lewel yawed. Undershot and overshot are extremly rare. Most standards for domestic pure bred dogs ask the undershot-scissors bite and disqualify lewel yaws. Here the judge is asked to consider the original inherited lewel yaws as good as the undershot-scissors. Schrifttum AGDUHR, Erık (1921): Beitrag zur Kenntnis der kongenitalen Anomalien des Canidengebisses; Kgl. Svensk. Vetensk. Handl. 61, Nr. 17. — MoHR, ErnA (1956): Ungarische Hirtenhunde; Neue Brehm-Bücherei Nr. 176, Wittenberg. — WEBER, Max (1927): Die Säugetiere, Bd. 1; Jena. Anschrift der Verfasserin: Dr. ERna MoHR, Hamburg-Langenhorn I, Kraemerstieg 8 KEBRENE MTLEBEILUNGEN Willkürliche Betätigung der Rückendrüse beim Halsband-Pekari Am 25. Oktober 1960 besuchte ich gemeinsam mit Dr. med. vet. JOsEF SCHERBAUER, München, den Tierpark Hellabrunn. Wir standen längere Zeit vor dem Gehege der Halsband-Pekaris, das mit einem Keiler und zwei Bachen besetzt war. Die Tiere kümmerten sich weder um uns Zuschauer noch umeinander; sıe stiegen nur langsam im Gehege umher. Nach einiger Zeit blieb der Keiler stehen, legte die um die Rücken- drüse stehenden Borsten nach allen Seiten weg, die Drüse freilegend. Mit einer ganz geringen, aber plötzlichen Bewegung senkte er das Hinterteil um ein Weniges, wäh- rend ein 2 bis 3 cm langer weißer Pfropf, begleitet von einem Sprühregen milchig- weißer Tropfen im Winkel von etwa 60 Grad schräg nach hinten aus der Drüse her- vorschoß und etwa 40 cm weit weg flog. Der Keiler trat gleich darauf mit kurzen Schritten auf seinem Standort herum, während er die Rückenborsten wieder anlegte. Dabei trat er leider unabsichtlich Pfropf und weiße Tropfen in den Boden, so daß sie nicht zu bergen gewesen wären. Das Tier zeigte weder vorher noch nachher irgendwelche Zeichen von Erregung. Auch nahmen die beiden Bachen keinerlei Notiz von der Angelegenheit. Erna Monr, Hamburg Starkes Anwachsen der Luchsbestände in der Slowakei In der Slowakei, dem östlichen Teil der CSSR, ist der Luchs seit Urzeiten beheimatet. Im vorigen Jahrhundert war der Luchsbestand in der Slowakei recht groß, doch nach dem 1. Weltkriege ist er stark gesunken, was bestimmt mit der Verringerung der Nutz- wildbestände zusammenhängt. In diesen Nachkriegszeiten wurden jährlich nur 14 bis 20 Luchse erbeutet. Mit dem allmählichen Wiederanwachsen der Nutzwildbestände nach dem Jahre 1930 vermehrten sich auch die Luchse und besiedelten auch neue Gebiete. Namentlich nach dem 2. Weltkriege haben sich die Luchse in der Slowakei sehr stark vermehrt und sind auch in solche Gebiete eingedrungen, wo sie schon lange als ausgerottet galten. Nach dem Jahre1950 entstand eine Art von Übervermehrung des Luchses in der Slo- wakei, und der Bevölkesungsdruck zwang viele Tiere zum Auswandern. So hat das Vordringen des Luchses nach Westen begonnen, welches jetzt auch noch im Gange ist. Die Luchse haben sich in den letzten Jahren in der mittleren und westlichen Slowakei sehr stark vermehrt und dringen dort auch in die südlichen Gebiete vor. Sie haben sich ebenfalls in einigen Teilen von Mähren verbreitet, wo sie schon längst ausgerottet waren. Nach A. W. Bosack (Z. f.S., B. 22, 1957, S. 241—252) ist aus den mährischen Beskiden im Jahre 1956 ein Luchs sogar bis nach Sachsen ausgewechselt. In der Slowakei leben jetzt ungefähr 250 Luchse, 112 davon im östlichen und 138 im westlichen Teile des Landes. Von den 91 Kreisen der Slowakei ist der Luchs ın 36 Kreisen beheimatet, und vorübergehend kommt er noch in weiteren 15 bis 18 Kreisen als Wechselwild vor. 58 Kleine Mitteilungen In den Jahren 1955-1959 wurden in der Slowakei insgesamt 245 Luchse erbeutet, also im Durchschnitt 49 Stück jährlich. Die Hauptmenge der Luchse wurde zuerst in der östlichen, später aber in der west- lichen Slowakei erbeutet, wie das auch Zahl der erbeuteten Luchse | Jahre | Östliche | Westliche | _ i aus der Tabelle ersichtlich ist. 1 = esam . . . Slowakei | Slowakei I In den westlichen Teilen der Slowakei 1955 20 17 37 sind dıe Nutzwildbestände viel höher als 1956 23 22 45 ın den östlichen, und dadurch ist auch das 7 2° 24 >4 ständige Anwachsen der dortigen Luchs- 1958 25 31 56 > 2 & - populationen ganz verständlich. Die 1959 19 34 53 a hör beerächtlichen mar, D5 DE uchse machen beträchtlichen Schaden an Schafen, Rehwild, Rotwild und auch an Gemsen in der Hohen Tatra. Der Schaden am Niederwild kann überhaupt nicht festgestellt werden, und von dem gerissenen Schalenwild wird auch nur ein Teil aufgefunden. Es scheint, daß sich die Luchse ın der Slowakei in den letzten Jahren mehr an den Menschen gewöhnt haben, und daß sie einen Teil ihrer Scheu vor ihm verloren haben. Sıe dringen nämlıch sehr oft in Ortschaften und Siedlungen ein, passieren Bahnstrecken, Straßen und werden überhaupt sehr oft an frequentierten Stellen beobachtet oder auch erbeutet. Dazu hat bestimmt auch die große Vermehrung der Luchse und der daraus hervorgehende Bevölkerungsdruck beigetragen. Es ist aber auch die Ansicht verbreitet, daß sich zwischen den Luchsen irgendeine Krankheit ausgebreitet hat, infolge welcher sie die eingeborene Wachsamkeit und Furcht vor dem Menschen verlieren. Diese An- sicht wurde bisher aber wissenschaftlich noch nicht bestätigt. Es gıbt sehr viele Beispiele für dieses seltsame Verhalten der Luchse ın der Slo- wakei, und es ist angemessen, hier wenigstens einige anzuführen. Viele Luchse wurden in nörche: Nähe von Siedlungen oder ın Höfen erschlagen, oder von Zügen und Kraftwagen überfahren. Im Winter 1950 wurden 2 junge, anscheinlich kranke Luchse in Vysne Hagy (Hohe Tatra) bei dem Sanatorıum von Arbeitern mit Steinen beworfen. In Mlynica unter der Tatra drang ein Luchs in einen Hühnerstall ein, zerriß 70 Hühner und wurde in der Frühe erschlagen. Ein alter Luchs sonnte sich im Oktober 1949 regelmäßig beı der 9. Säule der Seilbahn auf die Lomnitzer Spitze, bis er durch einen Fehlschuß aus der Kabine der Seilbahn vergrämt wurde. In der östlichen Slowakei wurde ım Jahre 1957 bei RoZnava ein junger Luchs von Bergmännern erschlagen. 1958 wurde in Safarıkowo (mittlere Slowakei) ein junger Luchs beim Hühnerraub erschossen. In demselben Jahre ist in Tatranska Kotlina ein junger Luchs zu einem jungen Hund in die Bude eingedrungen und wurde von dem Förster erschossen. In der östlichen Slowakei wurde schon 1952 im Dorf Cabin ein junger Luchs erschossen. In Maluzina (nördliche Slowakei) hat ein Förster schon 9 Luchse im Eisen gefangen; eine 16 kg schwere junge Luchsin hat er 1958 sogar lebendig aus dem Eisen herausgenommen und einem Zoo übergeben. Im Dezember 1957 wurde in der nächsten Nähe des Kurortes SliaC (mittlere Slowakeı) ein Luchs durch Schrotschuß mit Vogelschrot getötet. Im Jahre 1960 erschlug ein Nachtwächter bei Poprad unter der Hohen Tatra mit seinem Stock einen jungen Luchs, der mit seinem Hund gekämpft hatte. In demselben Jahre sind junge Luchse in der westlichen Slowakei in die Ortschaften Belusa und Trencian- skä Teplä eingedrungen und wurden beim Gänseraub durch Stockhiebe erschlagen. Auch die ältesten Einwohner dieser Ortschaften können sich nicht erinnern, daß in ihrer Um- gebung, früher jemals ein Luchs gesichtet wäre. Einige Luchse wurden auch durch Kraft- wagen und Eisenbahnzüge getötet, wie z. B. in der Tatra, in den Gebieten Orawa und Kysuce und bei Banska Stiavnica. In Kysuce schnitt der Zug einem Luchs Kopf und Vorderpfoten ab. In seinem Magen wurden Mäuse und Hasenhaare vorgefunden. | | Kleine Mitteilungen 5, Der Luchs duldet in seinem Jagdgebiete keine anderen Raubtiere, die kleiner sind als er. Es wurde z. B. beobachtet, daß er die Füchse verfolgt. Die Jäger haben oft Zusammenrottungen von mehreren Luchsen beobachtet. Es handelt sich in diesen Fällen um Familien, die sich zusammenhielten. Es scheint, daß der Luchs in den Wäldern der Slowakeı noch lange seiner Beute nachgehen wird, und seine Bestände sind jetzt so groß, daß man vorläufig an keine Schutzmaßnahmen zu denken braucht — im Gegenteil —, es wäre nötig, ıhn intensiver zu bejagen, denn der Schaden, den die Luchse anrichten, ist ganz erheblich. Mit der Schußwaffe kann man seine Bestände nicht gefährden, da er sehr vorsichtig ist; der Fang im Eisen kann ihm aber verhängnisvoll werden und bedeutet zugleich auch für die Bären eine große Gefahr. Der Fang im Eisen ist darum verboten, doch ist es nötig, die Kontrolle darüber zu verschärfen. Ing. P. Herr, Nitra, Stürova 6, CSR Zur Variabilität der Färbung des Eichhörnchens in Bulgarien In einer größeren Arbeit über die Eichhörnchen Bulgariens (MAarkov, 1960) konnte ich zeigen, daß dort entgegen den Ansichten früherer Autoren nicht mehrere Unterarten, sondern nur eine vorkommt, nämlich Sc. vulgaris balcanicus Heinrich. Bevor ich auf die Polymorphie der Färbung von Sc. v. balcanıcus und auf die Beziehung zwischen Färbungsphasen und Außenfaktoren eingehe, sei eine kurze Literatur-Übersicht ge- geben. In allen früheren Arbeiten über bulgarische Eichhörnchen (v. BOETTICHER, 1925, Heinrich, 1936, WoLr, 1940, NIETHAMMER u. BOHMANN, 1956) ließen sich die Autoren auf die Kenntnis eines viel zu kleinen Materials hin verleiten, mehrere Unter- arten für Bulgarien anzunehmen. HEınRıcH (1936) hat sogar nach 26 Tieren 3 neue Unterarten beschrieben. Wie schon NIETHAMMER u. BOHMANN (1956) bemerkt haben, ist den Autoren v. BOETTICHER, HEINRICH und WoLr außerdem der Irrtum unter- laufen, das Fehlen oder Vorhandensein von Haarbüscheln auf den Ohren als geo- graphisch variierendes Merkmal zu bewerten, während Ohrbüschel bei allen Unter- arten von Sc. vulgaris saisonbedingt, nämlich nur im Winterhaar vorhanden sind. Somit fallen die beiden von Heinrich (1936) für Eichhörnchen aus den Rhodopen und aus dem Strandja-Balkan vergebenen Namen rhodopensis und istrandjae in die Synonomie der ersten für Bulgarien beschriebenen subspecies Sc. v. balcanicus Heinrich. In Ergänzung der HEınrıcH’schen Diagnose von balcanicus sei hervorgehoben, daß alle bulgarischen Eichhörnchen dunkel gefärbt sind; es gibt keine fuchsroten Färbungsphasen, nur folgende beiden Färbungen kommen vor: l. morpha nigricans. Bei dieser dunkleren Phase ist der Rücken im Winterhaar dunkel graubraun bis dunkel kastanienbraun, im Sommerhaar dunkel kastanien- braun bis schwarzbraun. 2. morpha pallidus. Der Rücken ist im Winterhaar graubraun oder ein Gemisch von kastanienbraun und graubraun, der Schwanz heller bis dunkler kastanienbraun. Im Sommerhaar sind Rücken und Schwanz kastanien- bis zimtbraun.. Wie die Tabelle zeigt, ist die relative Häufigkeit jeder der beiden Färbungsphasen in bulgarischen Populationen sehr verschieden. In der Dobrudscha fehlt die dunklere, im Witoscha-Gebirge die hellere Phase, in den Gebirgen Staraplanina, Sredna Gora, Rhodopen und Rila kommen beide en gemischt vor. In der Tabelle sind für diese Gebiete die mittlere Jahrestemperatur und die mittlere jährliche Regenmenge verzeich- net. Es ergibt sich eine deutliche Korrelation zwischen diesen klimatischen Faktoren und der Verteilung der Färbungsphasen. Bei höheren Temperaturen und geringerer Regenmenge tritt vermehrt die hellere Phase auf, bei niedrigerer Temperatur und 60 Kleine Mitteilungen Tabelle Rückenfärbung von Sciurus vulgaris L., Temperatur und Niederschläge in Bulgarien Klimatische Faktoren | | Phasen in °/o Gebiete Mittlere Jahres- Mittlere Jahres- n ee hell Temperatur in C |Regenmenge i. mm | Dobrudscha 10050 600 35 _ 100 Staraplanina und Sredna Gora 8.500 850 40 60 40 Rhodopen 7.5° 875 70 73 27 Rilagebirge 6° 900 70 80 20 Witoschagebirge 4° 1000 29 100 — srößerer Regenmenge dagegen die dunklere Phase. Welcher von beiden klimatischen Faktoren für die Verteilung der Färbungsphasen von größerem oder alleinigem Ein- fluß ist, kann nach diesen Befunden nicht entschieden werden, da für die untersuchten bulgarischen Gebiete Abnahme der Temperatur und Zunahme der Regenmenge gleich- sinnig verlaufen. Aber in Analogie zu den Untersuchungen für Deutschland (Lünrmg, 1928) und für Polen (Sivorowicz, 1958) kann mit großer Wahrscheinlichkeit ver- mutet werden, daß auch für Bulgarien nicht die Temperatur, sondern die von der Regenmenge abhängige Luftfeuchtigkeit entscheidend für die geographische Variabili- tät der Färbung ist. Außerdem ist ja bekannt, daß gerade im Norden des Gesamt- Areales von Sc. vulgaris die hellen Färbungen überwiegen und im Süden die dunk- leren. So kommen zum Beispiel in den feuchten Mischwäldern der Mandschurei mit ihren südlichen Florenelementen nur „schwarze“ Eichhörnchen vor. Von besonderem Interesse erscheint es, daß die gleiche Erscheinung des vermehrten Auftretens dunkler Färbung bei vermehrter Luftfeuchtigkeit in Mittel-Europa für die Alternative hellrot bis dunkelbraun gilt, in Bulgarien aber, und wahrscheinlich auf dem ganzen Balkan, für die Alternative kastanienbraun oder schwarzbraun. Daß die gesamte Variabilität der Färbung von Sc. vulgaris im wesentlichen gene- tisch bedingt ist, kann wohl als gesichert gelten. Wieweit aber außerdem eine modi- fikatorische Komponente beteiligt ist, darüber wissen wir wenig. Nur für Finnland liegt eine sorgfältige Untersuchung vor (Voıro, 1956) über das Zusammenwirken genetischer und modifikatorischer Faktoren. Literatur v. BOETTICHER, H. (1925): Einige Bemerkungen über die Säugetiere des Muss-Alla-Massivs (Rila-Gebirge) in Bulgarien. Pallasia, Bd. 2, Dresden. — Heinrich, G. (1936): Über die von | mir im Jahre 1935 in Bulgarien gesammelten Säugetiere. Mitt. Königl. Naturwiss. Inst. Sofia, IX. — Lünrıng, R. (1928): Das Haarkleid von Sciurus vulgaris L. und die Verteilung seiner Farbvarianten in Deutschland. Zeitschr. Morph. Oec. d. Tiere, 11. Bd.; 5. — Mar- | Kov, G. (1960): Das Eichhörnchen in Bulgarien. Sofia. — NIETHAMMER, G., & BOHMann, L. | (1950): Bemerkungen zu einigen Säugetieren Bulgariens. Neue Ergebnisse u. Probleme der . Zoologie, pg. 665-671. — SIDOROWICZ, J. (1958): Geografical variation of the squirrel Sciurus vulgaris L. in Poland. Acta Theriologica Vol. II, 7. — Voıro, P. (1957): Über die Poly- morphie von Sciurus vulgaris L. in Finnland. Ann. Zool. Soc. Vanamo, Tom 18., Nr. 7. — Worr, H. (1940): Zur Kenntnis der Säugetierfauna Bulgariens. Mitt. Königl. Naturwiss. Inst. Sofia. Bd. XIII. Dr. GEoRrGI MARKov, Sofa, Zoologisches Institut, Boulev. Ruski 1, Bulgarien } SCHRIETENSCHAU THENIUs, H., und H. Horer: Stammesgeschichte der Säugetiere, eine Übersicht über Tatsachen und Probleme der Evolution der Säugetiere. 322 S., 53 Abb., 2 Tab. Springer Verlag, Berlin - Göttingen - Heidelberg. Gln. 79,— DM. Die Evolution der Säugetiere, der Ursprung der Gruppe aus Reptilien und die Entfaltung der einzelnen Stämme ist von besonderem Interesse, denn einmal wurzelt in diesem Stamme der Mensch, so daß durch Aufklärung der Stammesgeschichte der Säuger auch Licht auf die Stellung des Menschen geworfen wird. Zum anderen erfolgt die Ausstrahlung der Stammeslinien spät, vorwiegend im Kainozoikum. Daher ist die Fossilüberlieferung sehr vollständig und erlaubt heute sehr exakte Aussagen. Außerdem hat sich die überragend hohe Bedeutung der Zähne für die Beurteilung stammesgeschichtlicher Fragen immer wieder bestätigt. Zähne sind häufig die einzigen, aber auch die wichtigsten Reste ausgestorbener Formen. Aus diesem Grunde ist eine Darstellung der Evolution der Säugetiere in einer Vollständigkeit wie bei keiner anderen Tier- gruppe möglich. Schließlich haben sich aus verschiedenen Evolutionsphasen primitive rezente Formen erhalten (Didelphis, Insectivora etc.), so daß die Befunde an Fossilresten durch Studium rezenter Primitivformen ergänzt und erhellt werden können. Das vorliegende Werk ist von einem palaeontologisch erfahrenen vergleichenden Anatomen in Zusammenarbeit mit einem morphologisch gebildeten Palaeontologen geschrieben worden. Die beiden Autoren ergänzen sich in glücklichster Weise und schufen ein Werk von schöner Ein- heitlichkeit, das ein Kernproblem der modernen Evolutionsforschung von hoher Warte zusam- menfassend schildert. Eine derartige Zusammenfassung fehlte bisher im deutschsprachigen Schrifttum vollständig. Es ist besonders hervorzuheben, daß die Darstellung knapp und in keiner Weise weitschweifig ist. Alle wesentlichen Befunde und Probleme werden trotzdem in streng wissenschaftlicher Weise, aber ın verständiger und klarer Sprache, dargeboten. In kurzen einleitenden Kapiteln werden grundsätzliche Fragen zur stammesgeschichtlichen Forschung, Fos- silisation und Biostratonomie, Lückenhaftigkeit der Fossilüberlieferung, Chronologie und Palaeo- geographie besprochen. Es folgt ein Abschnitt über das Problem des Aussterbens. Der zweite Hauptteil (morphologisch-anatomisch) behandelt die Grundzüge der Gebiß- morphologie, den Ursprung der Säugetiere (ausführliche Behandlung der Umbildung des Kiefer- gelenkes; die REICHERT-GAupPpsche Theorie ist heute auch palaeontologisch gesichert) und die Palaeoneurologie. Die Behandlung der Gebißmorphologie stützt sich im wesentlichen auf die Cope-Osgornsche Theorie, berücksichtigt aber deren Modifikation besonders im Hinblick auf die Homologie der Einzelhöcker und deren Entstehung (BUTLER, PATTERSON, Sımrson). Mit Recht wird bei der Besprechung des Ursprungs der Säugetiere hervorgehoben, daß Einzelmerk- male in verschiedenen Unterstämmen nicht synchron evoluierten (Mosaikmodus der Entwicklung). Der systematische Hauptteil (225 von 322 Seiten) behandelt die Fvolution der einzelnen Gruppen, beginnend mit einem Abschnitt über die mesozoischen Säugetiere. Die betonte Sonder- stellung der Pantotheria als gemeinsamer Stammgruppe der Marsupialia und Eutheria wird allerdings auf Grund neuester Untersuchungen zur Zahnmorphologie (VANDEBROEK) anzuzwei- feln sein. Die Darstellung der einzelnen Ordnungen berücksichtigt die neuesten Ergebnisse. Auf- fallend ist gegenüber älteren „Stammbaumdarstellungen“, daß heute die Zusammenhänge der Ordnungen durchweg sehr basal am Übergang von Kreide zu Tertiär anzusetzen sind. Sehr instruktive Evolutionsschemata mit Einzeichnung der wesentlichen Tierformen — Originale von THENIUS — erläutern den Text und werden sich bald als Unterrichts- und Anschauungsbilder durchsetzen. Einzelbilder von Schädeln und Zahntypen sind beigefügt. Für eine Neuauflage möchte Referent eine Erweiterung dieser „Befunddokumente“ wünschen. Auf den reichen Inhalt des speziellen Teiles kann nicht im einzelnen eingegangen werden. Hervorgehoben sei etwa, daß Oreopithecus als eigener Seitenstamm der Hominoidea (nicht der Hominidae) gedeutet wird. Besonders gut gelungen scheint dem Referenten der Abschnitt über die Rodentia, dem die neuen Deutungen von Woonp und PATTERson zugrundeliegen (Sonderstellung der südamerikanischen Caviamorpha). Die Lagomorpha haben nichts mit den Nagern zu tun, sondern sind selbständig von Insectivoren oder wahrscheinlicher von primitiven Condylarthra abzuleiten. Eine Über- ordnung „Glires“ (Sımpson) ist nicht mehr berechtigt. Das Buch schließt mit einer kurzen Über- sicht über die Abstammung der Haussäugetiere und über die Entwicklung der Säugetierfaunen 62 Schriftenschau der einzelnen Kontinente. Ein umfangreiches und zuverlässiges Schrifttumsverzeichnis (20 S.), Namens- und Sachregister sind beigefügt. Zusammenfassend muß gesagt werden, daß das Buch von THENIUS-HoFER eine überaus er- freuliche Neuerscheinung ist, die eine Lücke im Schrifttum schließt. Das Buch kann vorbehaltlos empfohlen werden. Es handelt sich um ein fachwissenschaftliches Buch, das trotzdem nicht in obskurer Sprache geschrieben ist und daher geeignet ist, auch als Einführung für Studierende und als Informationsquelle für Vertreter von Nachbarfächern nützliche Dienste zu leisten. Allerdings dürfte einer weiten Verbreitung des Werkes gerade in Kreisen von Studierenden, Assistenten und Biologielehrern, in deren Händen man gern ein derart gediegenes Buch sehen möchte, der selbst für heutige Zeiten unverständlich hohe Preis hinderlich sein. Bücher ähnlichen Umfanges und vergleichbarer Ausstattung können, wie die Erfahrung zeigt, zu einem Bruchteil dieses Preises herausgebracht werden. Es ist zu befürchten, daß diejenigen, für die das Buch be- stimmt ist, nicht erreicht werden. Für die Autoren bedeutet dies eine unverdiente Schädigung. D. STARcK, Frankfurt DELATTRE, A., et R. FENART: L’Hominisation du cräne, Etudiee par la methode vesti- bulaire. Centre National de la recherche scientifique, Paris 1960. 418 S., 179 Abb,, 40,— NE. Die Verfasser, insbesondere der erstgenannte, bemühen sich seit über 15 Jahren, die von GiRARD (1922) und PErEZ (1922) vorgeschlagene Methode der Orientierung des Schädels auf die Ebene des lateralen Bogenganges auszubauen und für craniologische Arbeiten nutzbar zu machen. DELATTRE hat diesem Problem bereits 56 Einzelpublikationen gewidmet und legt nunmehr ein umfassendes Werk vor, dem eine empfehlende Einleitung durch H. VarLoıs bei- gegeben ist. In diesem Buch wird die Methode begründet und erläutert. Es werden sodann zahl- reiche Einzelprobleme des Gestaltwandels des Säugtierschädels vor allem im Hinblick auf die Evolution des Craniums der Hominiden unter dem Blickwinkel der „vestibulaeren Methode“ besprochen. Zur Begründung der Methode werden ästhetische und wissenschaftliche Gesichts- punkte herangezogen. Es sei dem Referenten gestattet, nur auf die zweite Gruppe von Argu- menten einzugehen, zumal sie den wesentlichen Inhalt des Buches ausmachen. DELATTRE ist of- fensichtlich der Ansicht, daß der Haltung des Kopfes, bei der die Ebene des horizontalen Bogen- ganges einen rechten Winkel mit dem Lot der Schwerkraft bildet, eine bevorzugte physiologische Bedeutung zukommt und daß diese einer Art physiologischer Ruhehaltung oder Normalhaltung entspricht. Ist diese Annahme richtig, so würde die Ebene des horizontalen Bogenganges zu- gleich eine physiologische Horizontale darstellen und sich für Orientierung des Craniums bei anthropologischen und craniologischen Untersuchungen anbieten. Sie würde dann die lange und oft gesuchte fixierte Konstante sein, von der aus alle Formveränderungen am Cranıum am sınn- vollsten analysiert werden könnten. DELATTRE ist offenbar der Meinung, daß in der horizon- talen Bogengangsebene eine derartige biologische Konstante gegeben ist und führt nun konse- quent seine Untersuchung mit einer derartigen Orientierung durch. Diese Auffassung führt den Verfasser zu Formulierungen wie etwa: »Le cräne est une mächoire portee, suspendue aux labyrinthes«, oder zu der Behauptung einer »base physio- logique« und der »rapports constants« des »plan vestibulaire«. Bedauerlicherweise vermeidet Verfasser jede Auseinandersetzung mit Publikationen, die Kritik an der Orientierung auf die Ebene des horizontalen Bogenganges ausgeübt haben (DE BEER 1947, Kummer 1952, Horer 1953). Betrachten wir kurz die Behauptungen über den absoluten Wert der Methode. Verfasser gibt keine Erklärung für die Annahme, daß der laterale Bogengang bevorzugt horizontal getragen werden müsse. Für die Funktion ist die Orientierung der Bogengänge im Raum unwesentlich, wichtig ist ihre Orientierung zueinander. Es ist nicht einzusehen, warum der horizontale Bogengang gegenüber den beiden vertikalen Bogengängen eine bevorzugte Bedeutung haben sollte. Die Abbildung 108 „Orientierung des Schädels von Phoca und Delphinus auf die Ebene des lateralen Bogenganges“ spricht offensichtlich nicht zu- gunsten von DELATTREs Deutung, denn die starke Beugung des Kopfes nach ventral dürfte bei aquatilen Säugetieren kaum einer häufig eingenommenen oder biologisch besonders bedeutungs- vollen Normalhaltung entsprechen. Insbesondere DE BEER und Horer haben auf die Problema- tik des Begriffes „Normalhaltung des Kopfes“ hingewiesen und gezeigt, daß eine regelmäßige Beziehung zwischen Bogengangsebene, Basis und Kopfhaltung nicht zu erkennen ist. KUMMER (1952) hat besonders auch theoretisch begründet, daß ein absolutes Wachstumszentrum, d.h. also ein fixiertes Bezugssystem am Schädel nicht existiert: „Alle benutzten Punkte und Ebenen sind wenn sie nicht gerade im Bereich starker ontogenetischer Proportionsveränderungen liegen, untereinander gleichwertig, und alle auf sie bezogenen Aussagen sind nur relativ aufzufassen.“ Man kann daher Einwände gegen verschiedene Orientierungsmethoden mit gutem Grund er- heben. Es wurde mehrfach betont, daß die Methode nach Objekt und Problemstellung zu wäh- len ist, nicht umgekehrt (HorEr, STARCK). Schriftenschau 63 Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß trotz der Fülle des vorgelegten Materiales jede Angabe über den Umfang des Untersuchungsgutes und die individuelle Variabilität fehlt. Da- durch verlieren viele Angaben an Wert. Vom technisch praktischem Standpunkt erscheint die vestibuläre Methode höchst unzweckmäßig. Die Ebene des lateralen Bogenganges kann nur durch Freilegung, also durch partielle Zerstörung des Objektes oder durch das Röntgenverfahren, das durch die Projektion weitere Fehlerquellen in sich birgt, bestimmt werden. Wesentlich aber ist vor allem, daß von einer winzigen Ausgangsbasis aus eine relativ große Ebene bestimnit wer- den soll. Nun kann zwar grundsätzlich eine Ebene von drei Punkten aus bestimmt werden, doch wird der Meßfehler naturgemäß umso größer, je näher die Punkte einander liegen. Die vom Referenten geübte Kritik richtet sich gegen die Überbewertung der einen Methode und gegen die Annahme eines absoluten, fixen Bezugssystems. Abgesehen von dieser einseitigen Betrach- tungsweise enthält das Buch eine Reihe von wertvollen Einzelbeobachtungen, die allerdings auch mit anderer Methodik faßbar sind. Bedauerlich sind vielfach ungenaue Angaben über das Material. Immer wieder ist vom „Haushund“ die Rede. Für Beurteilung des Schädelbildes und des Gestaltwandels ist es aber schließlich nicht gleichgültig, welche Rasse oder Wuchsform ge- meint ist. Man braucht dabei keineswegs nur an extreme Typen wie Mops und Windhund zu denken. Auch unter normalwüchsigen Hunden finden sich sehr charakteristische Besonderheiten einzelner Rassen (starke Klinorhynchie bei Bedlingtons). Den einzelnen Kapiteln sind kurze Resumees in französischer, englischer und deutscher Sprache beigegeben. Letztere sind leider derart fehlerhaft, daß der Sinn oft nicht verständlich ist. Es emphielt sich daher, nur den fran- zösischen Text zu benutzen. D. Starck, Frankfurt KROTT, PETER: Tupu-Tupu. Das seltenste Raubwild Nordeuropas. Der Vielfraß. Er- lebnisse und Beobachtungen. Verlag Paul Parey, Hamburg u. Berlin, 1960. 18 Abb. auf Tafeln u. 2 Karten. Ln. 15,80 DM. Eine Besprechung des Inhaltes findet sich in dieser Zeitschrift Bd. 24. Auch für die deut- sche Ausgabe sind die vorzüglichen Fotos junger und alter Vielfraße im nordischen Lebens- raum hervorzuheben. K. ZIMMERMANN MEHL, SIGBERT: Kleine Säugetiere der Heimat in natürlicher Größe. 1. Lieferung. 15 Tafeln. Ehrenwirth Verlag München, 1960. 12,80 DM. Der Reiz dieser Gemeinschaftsarbeit liegt in den Schwarz/Weiß-Zeichnungen von F. MuRrRr. Die erste Lieferung zeigt 4 Fledermaus-Arten, alle einheimischen Insektenfresser außer Neomys milleri, ferner Mauswiesel, Hermelin, Iltis und Frettchen. Besonders gelungen sind die Spitzmäuse, Abbildungen von ähnlicher Akkuratesse und Lebendigkeit gab es bisher im deutschen Schrifttum nicht, vor allem nicht so viele typische Bewegungsstudien vom Fressen, Laufen, Wittern oder Schwimmen. Der Text gibt für die Ordnungen und für die einzelnen Arten Kennzeichnungen ihrer Morphologie, Verbreitung und Biologie. Nutzen und Schaden werden sehr ausführlich behandelt; wo — wie bei Sorex - eine Schädlichkeit der einheimischen nicht vorliegt, wird über Schaden durch amerikanische Vertreter berichtet. Zur Ausmerzung empfohlen seien die Angaben über den Igel als Maulwurfsfänger und Mäusejäger und über den Wald als Urheimat des Maulwurfs. K. ZIMMERMANN MisoNNE, XAvIER: Analyse zoogeographique des Mammiferes de l’Iran. Institut Royal des Sciences Naturelles de Belgique - M&emoires - deuxieme serie, Fasc. 59 avec 3 planches hors texte; 1959. N Das Werk enthält mehr als aus dem Titel hervorgeht: neben der zoogeographischen Analyse werden die klimatologischen, physikalischen und botanischen Verhältnisse geschildert, für jede Art zeigen Spezialkarten die persischen Fundorte. Eine Lokalfauna kurdischer Hoch- steppen, in denen 1947 Pest ausgebrochen war, wird mit Vertiefung in oekologische und popu- lationsdynamische Fragen gesondert behandelt. Natürlich kann die Arbeit kein abschließendes ‚ Bild der persischen Säugerfauna geben, die faunistische Erforschung des Landes steht im An- | fang, und manche Gruppen, wie Hasen, Wildschafe oder Springmäuse bedürfen noch einer ‚ taxonomischen Revision. Aber der Verf. bringt alles, auch für Nachbargebiete bisher Bekannte, \ stellt die Lücken unserer Kenntnis zusammen und gibt eine Fülle wissenswerter Befunde. Nach ı dem Urteil des Verf. droht der persischen Säugerfauna für die nächste Zeit keine grundsätz- | liche Verarmung: Leopard noch „commun“ in den Wäldern am Kaspischen Meer, Onager | „assez commun“ in Randgebieten der Zentralwüste, Wildschaf „extremement commun“. An- | passung an Steppenklima: Citellus fulvus (nur 3 bis 4 Frühlingsmonate aktiv, Sommerschlaf | und Winterschlaf) und der subterran lebende Ellobius Iutescens (kurze Sexualperiode; nur , März?), Sommerschlaf, kurze Herbstaktivität und Winterruhe (?). Wanderratte und Haus- 64 Schriftenschan ratte nicht auf den persischen Hochebenen. Meriones ıst mit 7 Arten die formenreichste und zugleich häufigste Nager-Gattung. Weder Citellus noch Rattus, sondern Meriones bilden Pest- Reservoire. Für 4 Meriones-Arten der kurdischen Hochsteppen bringt Verf. Bestimmungs- tabellen und eingehende Darstellungen ihrer Biologie. Zu jedem Kapitel dieser gründlichen Arbeit findet sich ein umfassendes Literatur-Verzeichnis. a MENZEL, R. u. R.: Pariahunde. Die Neue Brehm-Bücherei. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt, 1960. 84 S., 36 Abb. 3,75 DM. Das Ehepaar MEnZzEL, das bis zur Nazizeit erfolgreich im deutschen Diensthundewesen tätig war, hat sich in Israel der Pariahunde angenommen und damit ein bisher zu Unrecht vernachlässigtes Forschungsobjekt in den Blickpunkt der Kynologie, Domestikations- und Verhaltensforschung gestellt. Die Verfasser treten der verbreiteten Auffassung entgegen, Pariahunde seien Mischlinge ohne eigenen Typ. Es ist uns aber im Pariahund, ähnlich wie im Dingo, eine Gruppe von Hunden einer weitzurückliegenden Domestikationsstufe erhalten, ın der 4 Haupttypen erkennbar sind: Hirtenhund-, Dingo-, Collie- und Windhund-Typ. Das Bändchen bringt in konzentrierter Form eine Übersiche über Cescalt und Wen de hunde, über ihre Soziologie und ihr Verhalten zum Menschen im Wildzustand sowie über ihre Eienung zum Haushund. Wie auch erwachsene Pariahunde noch zum Haushund werden können, wird anschaulich geschildert, die leichte Domestizierbarkeit und Anhänglichkeit an den menschlichen Gefährten ist bemerkenswert. Die Verfasser haben für den Collie-ähnlichen Typ des israelischen Pariahundes mit dem Namen „Kanaan-Hund“ einen züchterischen Form- Standard aufgestellt, der vom Israel-Kennel-Club angenommen wurde, das Zuchtbuch um- faßt zur Zeit 240 Tiere. Nach Ansicht der Verfasser hat der Kanaan-Hund in Zukunft be- sondere Bedeutung als Herdenhund. Die Bildausstattung dieses Brehm-Heftes ist wie immer vorzüglich. K. ZIMMERMANN BEKANNTMACHUNGEN Die Mammal Society of the British Isles hält ihre diesjährige Jahresversammlung vom 14.—17. April 1961 ab im Department of Natural History der Universität Aber- deen. Auskünfte: Dr. T. J. Pıckvance, 116 Bunberry Road, Birmingham. Vom 25.—27. April 1961 wird in Kiel ein Internationales Symposium über Probleme der Domestikation und Frühgeschichte der Haustiere abgehalten, zu dem das Institut für Haustierkunde der Universität einlädt. — Nähere Auskünfte durch Prof. Dr. WOLF HERRE, Kiel, Neue Universität, und Dr. MAnrrED Röhrs, Hamburg 13, Bornplatz 5 Jahresversammlung der Vereeniging voor Zogdierenkunde en Zoogdierenbescher- ming (der Benelux-Länder) findet am 13. Mai 1961 in Rotterdam, Diergaarde Blij- dorp, statt. Vom 12.—16. Juni 1961 findet in Hamburg der VII. Internationale Tierzuchtkongreß statt. Anfragen sind zu richten an das Sekretariat des VIII. Internationalen Tierzucht- kongresses, Bonn a. Rh., Koblenzer Straße 176. Die 37. Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde findet vom 2. bis 6. Oktober 1961 im Zoologischen Staatsinstitut und Museum Hamburg statt. Vortragsanmeldungen werden bis zum 15. Juli 1961 erbeten an Herrn Priv.- Doz. Dr. M. Rönrs, Hamburg 13, Bornplatz 5, Zoologisches Museum. Die Einladun- gen werden zu gegebener Zeit versandt werden. DER VORSTAND ng kai Es erschienen die Bücher: Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere Von Prof. ALFRED SHERWOOD RoMER, Harvard University EEEETEENT EEE Aus dem Amerikanischen übersetzt und bearbeitet von Prof. Dr. Hans Frick, Frankfurt/M. Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. DiETRICH STARCK, Frankfurt/M. 1959 / 499 S. mit 390 Abb., davon 11 farbig / Kunstdruckpapier / In Ganzleinen 58,— DM „Bei diesem Werk handelt es sich um die deutsche Fassung des von dem amerikanischen ' "Palaeontologen und vergleichenden Anatomen A. Romer geschriebenen Werkes »The Verte- rate Body«. Unter den Kennzeichen des Buches steht die Lebendigkeit der Darstellung an , erster Stelle. Zugleich zeigt es die meisterliche Stoffbeherrschung, die das Weglassen und die ' Vereinfachung, manchmal zum primitivsten Schema, erlaubt. Die Auswahl verliert sich nie ins Detail. Jede Aussage steht unter der Doppelbeleuchtung der Fragen: Wie entsteht das? Wozu dient es? So hat das Buch nichts von einem trockenen Lehrbuch und vom Staub un- - ansehnlicher Skelette.“ Die Umschau in Wissenschafl und Technik „Das sehr gut ausgestattete Buch wird entschieden dazu beitragen, daß die in der letzten » Zeit im deutschen Hochschulunterricht recht vernachlässigte vergleichende Anatomie der ' "Wirbeltiere sich wiederum die Stellung erobert, die dieser Wissenszweig bei uns in der Zeit der ‚klassischen Zoologie‘ einnahm.“ Natur und Volk Die Entwicklung zum Menschen Evolution, Abstammung und Vererbung » Ein Abriß Von Prof. Dr. TuEoposıus DosBzHAnsky, Columbia University Aus dem Amerikanischen übersetzt von HAnNnA SCHWANITZ Herausgegeben und bearbeitet von Prof. Dr. Franz ScHhwanıtz, Hamburg 1958 / 407 Seiten mit 215 Abbildungen / In Ganzleinen 32,— DM ı „Der Verfasser, einer der führenden Genetiker, erweist sich nicht nur als ein überaus viel- ‚ seitiger Wissenschaftler, dem die speziellen Beispiele aus Botanik, Zoologie und Anthro- ‚pologie in gleicher Weise zur Verfügung stehen, sondern auch als meisterhafter Künstler der ‚ Darstellung. Es handelt sich nicht etwa um eine populäre Darstellung auf wissenschaftlicher Basis, sondern um ein Werk von hohem wissenschaftlichen Niveau, das klar und überlegen geschrieben ist, so daß selbst schwierige Gedankengänge für jeden, der überhaupt an dem Problem der Entstehung und Entfaltung des Lebens interessiert ist, lesbar und verständlich werden. So ist dieses Buch zugleich eine fesselnde und zuverlässige Einführung in die Grund- fragen der Biologie und vor allem auch in seiner Beschränkung auf Wesentliches und auf überzeugende Beispiele ein geradezu ideales Lehrbuch für Studierende der Medizin und der ‚ Biologie.“ Zeitschrifl für Anatomie und Entwicklungsgeschichte —— - „Dieses Buch stellt im Grundprinzip eine weit gespannte Gesamtsicht jeglicher Evolution ‚ und Abstammungsfolge — einschließlich der Domestikationsgeschichte — des irdischen pflanzlichen und tierischen Lebens großartigen Formats dar. Kein ernsthafter Forscher auf dem Gebiete der biologischen reinen oder angewandten Wissenschaften sollte glauben, dieses ‚ Standardwerk in Zukunft bei seinen Untersuchungen entbehren zu können, denn es er- scheint uns als Arbeitsfundament und Heuristikum unentbehrlich!“ Der Zoologische Garten IBEERLAG PAUL PAREY - HAMBURG UNDBERLIN Soeben erschien: Principia Genetica Grunderkenntnisse und Grundbegriffe der Vererbungswissenschaft Von Prof. Dr. ALrrep HEILBRONN, Münster/Westf. und Prof. Dr. Curt Kosswic, Hamburg 1960 / 40 Seiten / Broschiert 4,80 DM Hundert Jahre sind vergangen, seit Gregor Mendel seine klassischen Kreuzungsversuche aus- führte, die zum Fundament der Vererbungswissenschaft geworden sind. Während die experi- mentelle und zytologische Forschung seit dem Beginn dieses Jahrhunders ein gewaltiges Ma- terial an Beobachtungen und Fakten zutage förderte, festigte sich mit steigender Deutlichkeit das theoretische Gerüst der genetischen Wissenschaft, das ganz neue Vorstellungen und Begriffe: unserem Weltbild einfügte. “ Diese sich aus der Entwicklung ergebenden Begriffe werden in dieser Veröffentlichung im ihrem Aufbau und in ihren wechselseitigen Beziehungen denkbar knapp dargestellt. Die’ beiden Autoren geben mit ihrem System von prägnanten Sätzen den Biologen, vor allem den Genetikern, ein Hilfsmittel in die Hand, mit dem sie die Bedeutung der genetischen Begriffe und ihre Stellung im Rahmen der Gesamtwissenschaft übersehen und ihre geneti- schen Vorstellungen überprüfen können. | " Erlebnisse und Begegnungen Aus der großen Zeit der Zoologie in Deutschland Von RıcHArD B. GOLDSCHMIDT Übersetzung aus dem Amerikanischen von ELISABETH DE LATTIn, Hamburg Mit einem Vorwort von Prof. Dr. Curr Kosswıc, Hamburg _ 1959 / 166 Seiten mit 8 Bildtafeln / In Ganzleinen 14,80 DM „GOLDSCHMIDT, der als Genetiker besonders hervortrat und das Glück hatte, um die Jahr-'| hundertwende die große Entwicklung der Zoologie zu erleben, legte seine Begegnungen mit) den berühmten Persönlichkeiten dieser Zeit in dem vorliegenden Buch nieder. Sein Bestreben | war es, wie er selbst sagt, die Erinnerung an eine besondere Epoche der europäischen und vor allem der deutschen Zoologie wachzurufen, in der die hauptsächlichsten Grundlagen für die moderne Forschungsrichtung an den deutschen Universitäten gelegt wurden.“ Zentralblatt für Veterinärmedizin M; „Es ist ein großes Verdienst, GoLDscHMiDTs 1956 in den USA erschienenes Buch »Portraits from Memory« in einer deutschen Auflage herausgebracht zu haben, sind wir dies doch nicht nur dem Autor, der selbst zu den großen Zoologen Deutschlands gehört und am 24. 4. 1958 in Amerika verstorben ist, sondern auch allen jenen Klassikern aus der großen Zeit der Zoo- | logie schuldig, denen in diesem Buch ein bleibendes Denkmal gesetzt ist: HAECKEL, GEGEN- BAUER, BÜTSCHLI, Oscar und RıcHArD HERTWIG, BOVERI, SCHAUDINN und vielen anderen, | die maßgeblich an der Entwicklung der Biologie beteiligt sind und die deutschen Universität zu einem geistigen Zentrum in der Welt gemacht haben. Kaum einer hätte,ein wesentli Stück Geschichte der Biologie in seinen entscheidenden Etappen und Wendepunkten so tre sicher schildern können wie gerade GOLDSCHMIDT, der sein Urteil aus der Fülle persönlichen Erlebens und der souveränen Überschau des führenden Zoologen gebildet hat.“ Bengeh Zoolo- | gische Beiträge | Ri: } VERLAG PAUL PAREY- HAMBURG UND BERLIN ZEITSCHRIFT FÜR SAUGETIERKUNDE | OREGCATEDER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR SAUGETIERKUNDE Herausgegeben von P. J. H. van BrEE, Amsterdam - H. Darnue, Berlin - W. HERRE, Kiel - K. HERTER, Berlin - ]. Kärın, Frei- burg/Schweiz - B. Lanza, Florenz -— H. NacHTSsHEIM, Bern 7 @,SCMORRISON SCOTT, London - D. STARCK, Frankfurt a. M. - E. Tuenıus, Wien - W. VERHEYEN, Tervuren - K. ZIMMERMANN, Berlin Schriftleitung E. Mour, Hamburg - M. Rönrs, Hamburg 26.BAND- HEFT 2 Mai 1961 ee N N N \. LIBRÄRT _/7 VERLAG PAUL PAREY . HAMBURG UND BERLIN POSTVERLAGSORT HAMBURG r Inhalt Zur systematischen Untergliederung der Gattung Gorilla an Hand von Untersuchungen der Mandibel. Von €. Vocet. \.. "1. u We. w se ers a ER: 65 - £) Notes on the Black Bear, Ursus americanus Pallas, in Alaska, with particular Reference to Dentition an Growth. Von R. L. RauscH 2 18 #0, 38a Ulsee() var as 77 Zur Nomenklatur und Abstammung des Hausmeerschweinchens. Von F. HückıncHaus 108 Ahrenmaushügel in Osterreich. Von A. FESTETICS .. ve 2 een ee ee een ee 112 Zur Frage des „weißen Brustfleckes“ als eines der Kriterien des Subspezies-Charakters des „West-Hamsters“. Von H. PETZSCH N ln une Schriftenschau. 2. ro u Da N da ndln 2 na De re Eu Re Se 126 Bekanntmachung ı\ .. .. 2.0 len a a a en a a ee Dieses Heft enthält eine Beilage des Verlages Paul Parey | nn Te] Die „Zeitschrift für Säugetierkunde“ veröffentlicht Originalarbeıten auf dem Gesamtgebiet der Säugetierkunde, ferner Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der wichtigsten internationalen Literatur, kleine Mitteilungen und die Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“, deren alleiniges Organ sie gleichzeitig ist. Die Veröffentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung mit Zusammenfas- sung in allen drei Sprachen. Herausgeberschafl und Schriflleitung: Manuskriptsendungen sind zu richten an einen der Herren Herausgeber oder direkt an die Schriftleiter: Frau Dr. Erna Mohr, Hamburg-Langenhorn 1, Krämerstieg 8 (Tel. 5935 86), oder Dr. Manfred Röhrs, Zoologisches Staatsinstitut, Hamburg, Von-Melle-Park 10 (Tel. 44 1071). ? Manuskripte: Es wird gebeten, die Manuskripte möglichst mit Schreibmaschine und nur einseitig zu schreiben. Photographische Rbbilduagerorlasen müssen so beschaffen sein, daß sie eıne kontrastreiche Wiedergabe ermög- lichen. Von der Beigabe umfangreicher Tabellen soll abgesehen werden. Alle dem Manuskript beiliegenden Unterlagen, wie Photographien, Zeichnungen, Tabellen, sollen auf der Rückseite mit dem Namen des Ver- fassers und dem Titel des Beitrages versehen sein. Bei Abbildungen aus bereits erfolgten Veröffentlichungen . ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Jeder Originalarbeit ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in wenigen Zeilen anzufügen. Mit der Übergabe des Manuskriptes überträgt der Verfasser dem Verlag Paul Parey das Recht, die Herstellung von photomechanischen Vervielfältigungen in gewerblichen Un-. ternehmen zum innerbetrieblichen Gebrauch nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buch- handels an dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 zu genehmigen. Sonderdrucke: Anstelle einer Unkostenvergütung erhalten die Verfasser von Originalbeiträgen, Einzel- und Sam- melreferaten 50 unberechnete Sonderdrucke, Mehrbedarf steht gegen Berechnung zur Verfügung, jedoch muß die Bestellung spätestens mit der Rücksendung der Korrekturfahnen erfolgen. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, sind vorbehalten. Gewerblichen Unternehmen wird jedoch die Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Bei- trägen oder Beitragsteilen für den innerberrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleichen nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deut- schen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vorgesehenen Gebühr bis zu drei Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen haben eınen Vermerk über die Quelle und den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die Inkassostelle für Photokopiegebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgra- ben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkassostelle, so ist für jede: Photokopierblatt eine Marke im Betrag von 0,10 DM zu verwenden. Erscheinungsweise und Bezugspreis: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich; 4 Hefte bilden einen Band; jedes Heft umfaßt 4 Druckbogen. Der Abonnementspreis beträgt je Band 34,— DM zuzügl. amtl. Postgebühr. Das Abonnement verpflichtet zur Abnahme eines ganzen Bandes. Es verlängert sich stillschweigend, wenn nicht unmittelbar nach Erhalt des letzten Heftes eines Bandes Abbestellung erfolgt. Einzelbezugspreis der Hefte: 10,80 DM. Die Zeitschrift kann bei jeder Buchhandlung oder beim Verlag Paul Parey, Hamburg 1, Spitaler- straße 12, bestellt werden. Die Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Säugerierkunde“ erhalten die Zeit- schrift unberechnet im Rahmen des Mitgliedsbeitrages. © Paul Parey, Hamburg und Berlin 1961 — Printed in Germany by C. Beckers Buchdrucerei, Uelzen Z. Säugetierkde. 26 (1961), H. 2, S. 65—128 DIE ZEITSCHRIFT FÜR SAÄUGETIERKUNDE erscheint im Auftrage der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“ mit Beginn des laufenden Bandes (Band 26) im VErLAG Pauı Parey, Hamburg und Berlin. Sie bleibt dabei Eigentum der Gesellschaft. Gleichzeitig mit dieser Neuregelung findet ein Ausbau der Zeit- schrift zu einer internationalen Forschungszeitschrift statt. Dem trägt unter anderem eine Erweiterung des Herausgeberkreises Rechnung und die Einsetzung einer besonderen Schrift- leitung, die den Herren Herausgebern zur Hand geht. Die Herausgabe wird künftig aus- geübt von den Herren P. J. H. van BrEE, Amsterdam - H. DaATHE, Berlin -— W. HERRE, Kiel - K. HERTER, Berlin - J. Kärın, Freiburg/Schweiz — B. Lanza, Florenz — H. NAacHTSHEIM, Berlin -— T. C. S. Morrıson ScoTT, London - D. STArRcK, Frankfurt a. M. — E. Thenıus, Wien — V. VERHEYEN, Tervuren — K. ZIMMERMANN, Berlin Die Schriftleitung übernehmen Frau Dr. E.MonHr, Hamburg, und Dr.M.Rönrs, Hamburg. Die Zeitschrift wird wissenschaftliche Originalarbeiten auf dem Gesamtgebiet der Säuge- tierkunde, Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der international wichtigsten Buch- veröffentlichungen sowie kleine Mitteilungen und die Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“ enthalten. Die Veröffentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung mit jeweiligen dreisprachigen Zusammen- fassungen. Die Zeitschrift erscheint künftig — unter gleichzeitiger Veränderung auch in der Aus- stattung — vierteljährlich in Heften zu je 4 Druckbogen; je 4 Hefte bilden einen Band. Die Zeitschrift ist das alleinige Organ der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“ und geht allen ihren Mitgliedern auch weiterhin unberechnet und ohne besondere Bestellung im Rahmen des Mitgliedsbeitrages zu. Für Nichtmitglieder beträgt der Abonnementspreis eines Bandes 34,-— DM (bisher 40,- DM). Die Bestellung dieser Abonnements ist an jede Buch- handlung oder an den Verrac PauL Parey, Hamburg 1, Spitalerstraße 12, zu richten. Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e. V. erfüllt mit dieser Neuordnung und Modernisierung der Zeitschrift im besonderen den Auftrag der Mit- gliederversammlung in Gießen vom 5. 10. 1960. Er erhofft sich eine wesentliche Förderung des Zweckes der Zeitschrift dadurch, daß das regelmäßige Erscheinen in repräsentativer Form gesichert wird. Gleichzeitig erwarten die Gesellschaft und der Vorstand auch eine wesentliche Verbreiterung der Basis ihrer Arbeit durch Heranziehung eines Beraterkreises von Fachgenossen aus dem Ausland und Inland. Wir hoffen, daß auch das Interesse an der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde dadurch gestärkt wird und diese ihrem Ziel, der Durchführung wissenschaftlicher Aufgaben der Säugetierforschung und der Förderung der Säugetierkunde im allgemeinen, näherkommt. Durch die Neugestaltung der Zeitschrift mögen der heute so wichtigen und anerkannten Säugetierforschung ein würdiges und nützliches Publikationsorgan zur Verfügung gestellt und zugleich der Säugetierkunde neue Freunde gewonnen werden. Für den Vorstand und die Herausgeber D. STARCK Zur systematischen Untergliederung der Gattung Gorilla anhand von Untersuchungen der Mandibel Von@, VoGEr! Aus dem Zoologischen Institut der Universität Kiel Direktor: Prof. Dr. Adolf Remane Eingang des Ms. 2. 2. 1961 Im Rahmen einer umfassenden Bearbeitung der Mandibeln rezenter Hominoidea ergaben sich u. a. einige bemerkenswerte Unterschiede innerhalb der Gattung Gorilla, die, wie mir scheint, von systematischem Interesse sind. Selbstverständlich kann die Untersuchung eines Organ- bzw. Skeletteiles für sich nicht den Anspruch auf Voll- ständigkeit erheben, solange nicht zumindest die Möglichkeit besteht, von anderer Seite her Hinweise auf die Richtigkeit der Folgerungen heranzuziehen. Ich glaube, daß diese Forderung für unsere Ergebnisse erfüllt ist. Die Untersuchung basiert auf einem Material von 102 Gorillaschädeln, von denen uns in diesem Falle nur die Mandibeln der 84 adulten Exemplare interessieren sollen. Als „adult“ fassen wir hier alle Indi- viduen zusammen, deren Ma voll durchgebrochen ist und die Kronenhöhe der übri- gen Molaren erreicht hat. Am Schädel der Primaten muß man immer mit einer erstaunlich großen individu- ellen Variabilität rechnen, und so habe ich versucht, die entscheidenden Fakten statı- stisch exakt abzusichern. Das ist natürlich nur für metrische Befunde durchführbar, von den weiteren morphologischen Beobachtungen teile ich hier nur diejenigen mit, welche besonders augenfällig sind und mit Einschränkungen zur Diagnose der Formen herangezogen werden können. Innerhalb der Gattung Gorilla ist eine stattliche Reihe von Arten bzw. Rassen beschrieben worden, es sei nur an die Arbeiten und Mitteilungen von MATSCHIE (1903, 1904, 1905 und 1914), RorHscHuLp (1908), ErLior (1912), Schwarz (1927 und 1928), und CooLinge jr. (1929) erinnert. Die Aufstellung dieser Arten und Rassen erfolgte vorwiegend nach Merkmalen der Behaarung, Färbung oder vereinzelter Schädel, mei- stens ohne ausreichende Kenntnis der individuellen Variationsbreite. Sie wurden später zum großen Teile wieder eingezogen. Neuerdings scheint sich allgemein die Auffassung durchgesetzt zu haben, daß nur zwei Formen klar voneinander zu trennen seien: der westafrikanische „Tieflandgorilla“ („Coastgorilla“), besser „West-Gorilla“ und der ostafrikanische „Berggorilla“, richtiger „Ost-Gorilla“ (vgl. auch FIEDLERs Beitrag in „Primatologia“, 1956). Eine eindeutige Entscheidung, ob es sich dabei um Arten oder um geographische Rassen handelt, ist kaum möglich. Beide Gruppen leben räumlich getrennt. Ost- und West-Gorilla zeigen eine ganze Reihe unterschiedlicher Merkmale in Körperbau und Schädel (siehe hierzu Cooripge jr. 1929 und A. H. SCHULTZ 1934), zu welchen wir noch einige weitere am Unterkiefer hinzufügen können. 1 Mit Unterstützung durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft. 66 C. Vogel Der Ost-Gorilla besitzt allgemein etwas größere Unterkiefer als der West-Gorilla. Diese Größenverschiedenheit äußert sich — wie an der Mandibel die Regel — vor allem in den Längen- und Höhenmaßen, weniger aber in der Kieferbreite. Die Ta- belle I demonstriert diese Unterschiede an einigen wichtigen Maßen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, daß sich die Variationsbereiche aller Maße noch mehr oder weniger weit überschneiden. Dennoch werden die Unterschiede am Mittelwert und an der Häufigkeitsverteilung deutlich. Als Beispiel gebe ich die Häufigkeitsverteilung der Zahnbogenlängen von West- und Ost-Gorilla in graphischer Darstellung wieder (Abb. 1), welche wie Tabelle I außerdem den stark ausgeprägten Sexualdimorphismus demonstriert. Beide Formen zeigen eine zweigipfelige Kurve mit einer weiblichen und einer männlichen Spitze, wobei die Geschlechter beim Ostafrikaner schärfer getrennt sind als beim Westafrikaner. Die Gipfel 7 beider Gruppen stehen deutlich „auf u. Lücke“, die Ost-Gorillas gegenüber der westlichen Form jeweils nach rechts A0) verschoben. Der Unterschied in der SS Zahnbogenlänge zwischen Ost- und S Westafrikanern ıst bei den Männchen Ww I) größer als bei den Weibchen, was übri- gens für viele Maße zutrifft. Ein allgemeiner Vergleich der Pro- portionen der einzelnen Unterkiefer- abschnitte zwischen Ost- und West- Gorillas wird aus dem Grunde wenig ergiebig, weil es sich bei den Ostafri- 0 kanern nicht um eine einheitliche 80 90 00 _10 120 130mm Gruppe handelt, sondern, wie wir spä- S Prozentudle Haufi Länge des Zahnbogens ter zeigen werden, um zwei in ihren ge- Abb. 1. Häufigkeitskurve der Zahnbogenlänge. SNseitıgen Größenverhältnissen recht In yes GConla OxGo ln unterschiedliche Formtypen. Erwäh- nung verdient jedoch, daß die leichte Größensteigerung, welche den Schädel des Ost-Gorillas gegenüber dem West-Gorilla- auszeichnet, nicht unbedingt korreliert ist mit einer relativen Verlängerung des Kie- fers in Beziehung zur bikondylären Breite. Tabelle I Peer 7 Maßbezeichnung Mittel | Mittel -| Variationsbreite | | Variationsbreite 1. Kieferlänge in der West-Gorilla 152,0—185,0 1663 139577 300-508 Mediansagittalen OÖst-Gorilla 164,0— 199,0 184,5 151,5 137,5 — 166,0 2. Bikondyläre West-Gorilla 128,0— 156,0 141,5 122,0 115,0— 130,0 Breite ? Ost-Gorilla 134,5 — 166,5 147,0 128,5 116,0— 137,5 3. Senkr. hintere West-Gorilla 87,5—117,0 103,0 9255 82,0—101,0 Asthöhe Ost-Gorilla 102,5—141,0 1195 100,0 86,5— 116,0 4. Kleinste West-Gorilla 58,0— 74,0 67,0 5220 48,0— 58,0 Astbreite Ost-Gorilla 60,0— 83,0 74,0 58,5 56,0— 63,0 5. Alveolarbogen- West-Gorilla 52,0— 67,5 60,0 54,0 48,5— 56,5 breite bei Mı Ost-Gorilla 60,5— 71,0 65,5 59,5 55,0— 63,5 6. Zahnbogenlänge in der Median- West-Gorilla 89,0— 107,0 98,5 88,5 86,0— 91,0 sagittalen Ost-Gorilla 105,5—122,9 112,0 95,5 88,0—100,0 Zur systematischen Untergliederung der Gattung Gorilla 67 Einige morphologische Besonderheiten der Mandibeln von Ost- und West-Gorilla sollen noch angeführt werden. 1. Beim westafrikanischen Gorilla findet man häufig den Canin labial von der Pı-Vorderwurzel überschoben, so daß der vorderste Gebißanteil von vorne her ein wenig zwischen die 1. Praemolaren hineingeschoben wirkt. Beim Ost-Gorilla ist das nicht der Fall, die Zähne scheinen mehr Raum zur Verfügung zu haben, die Eckzähne und ihre Wurzeljuga sind noch kräftiger entwickelt als bei der westlichen Form. 2. Das Foramen mentale ist beim ostafri- kanischen Gorilla wesentlich häufiger geteilt 73% 927% als beim Westafrikaner. Das Blockdiagramm : (Abb. 2) macht diesen Unterschied in seinem starken Ausmaß deutlich. 69 %/o Ostafrikaner 69% 31% mit geteiltem Foramen stehen 7,3°/o der B Westafrikaner gegenüber. Der Ost-Gorilla ist damit übrigens der einzige Hominoide, de-- Abb. 2. Prozentuale Häufigkeit geteilter sen Foramen mentale häufiger vervielfacht ist oder I a mentalia . x schraffiert). als einfach (siehe Voceı, 1960). Beim West- a eco al) Gorilla handelt es sich zudem innerhalb mei- B = Ost-Gorilla (n = 42) nes Materiales höchstens um eine Verdop- pelung des Foramen, während ich beim ostafrikanischen Gorilla bis zu 5 Gefäßöffnun- gen auf jeder Seite fand. 3. Das Foramen mentale liegt an den Zähnen orientiert beim Westafrikaner weiter hinten als beim Ostafrikaner. Die graphische Darstellung (Abb. 3) zeigt die Verschie- denartigkeit der Lage. Der Kurvengipfel des Ostgorillas ist in der Richtebene des ersten Praemolaren situiert, derjenige des Westgorillas in der Richtebene des zweiten Praemolaren. Beim Ostafrikaner öflnet sich das Foramen bisweilen unmittelbar hinter der Transversalebene des Eckzahnes, beim Westafrikaner ist die Richtebene des Pı der vorderste Ort. Demgegen- Yo über kann das Foramen bei letz- terem bis eben vor den ersten Molaren zurück verlegt sein. Bei Vervielfachung des Foramen mentale ist entweder die größte Öffnung oder der Ort gewertet worden, um den sich die Fora- mina gruppieren. Bei dem abge- bildeten Diagramm darf der Sattel im Bereich des Zwischen- raumes zwischen Pı und P> beim westafrikanischen Gorilla nicht irritieren: die geringere prozen- tuale Häufigkeit in diesem Be- reich erklärt sich allein dadurch, daß die entsprechende Zone we- Abb. 3. Lage des Foramen mentale an den Zähnen sentlich schmaler ist als die orientiert Flächen unterhalb der Praemo- laren und damit die Wahr- scheinlichkeit einer Lagerung des Foramen mentale gerade in dieser Zone erheblich geringer ist. 4. Beim westafrikanischen Gorilla findet man fast regelmäßig eine deutliche lin- guale Symphysengrube (Fossa genioglossi ToLpT, 1915). Demgegenüber fehlt die Mul- gkeit (6,) O Prozentuale Haufi (9) U ß = 68 C. Vogel dung bei männlichen Ostafrikanern häufig vollkommen. Diese Erscheinung ist auf die Männchen beschränkt. Unter meinem Material waren 33,3 %/o der Ostafrikaner ohne eine linguale Symphysengrube, bei den Westafrikanern jedoch nur 5,9 %o. Selbst am isolierten Unterkiefer läßt sich also bei einiger Erfahrung ein westafri- kanischer von einem ostafrikanischen Gorilla unterscheiden. Unter den eingangs er- wähnten Vorbehalten behandle ich sie nomenklatorisch als Arten und trenne die west- afrikanische Form als Gorilla gorilla (SavaGE und WyMmaAn, 1847) von der ostafrikani- schen Gorilla beringei (MATSCHIE, 1903). Der West-Gorilla (Gorilla gorilla SavaGE und WyMman, 1847) Mein Material westafrikanischer Gorilla-Mandibeln (n = 41) ließ keine weitere Untergliederung zu. Auffallend ist die große individuelle Variabilität und weite Streuung der Merkmale, so daß man aus dem gleichen Verbreitungsgebiet die unter- schiedlichsten Kiefertypen nebeneinanderstellen kann. Leider befand sich unter meinem Material nur eine Mandibel aus dem Cross-River-Gebiet, also jener Form, die MartscHIE 1904 als Gorilla diehli beschrieb. CooLipce jr. (1929) glaubte immerhin einige signifikante Merkmale dieser Gruppe gefunden zu haben, die seiner Meinung nach jedoch nicht ausreichten, ihr den Rang einer Subspecies zu geben. Wir müssen uns wegen Materialmangels eines Urteiles enthalten. Es sei aber vermerkt, daß jenes unter- suchte Exemplar in keinem Maß oder Merkmal aus dem Variationsbereich der übrigen West-Gorillas herausfiel. Das weitgehend zusammenhängende Verbreitungsgebiet scheint eine Aufteilung in lokale Rassen verhindert zu haben, so daß wir es wohl nur mit einer Form, Gorilla gorilla gorilla zu tun haben. Der Ost-Gorilla (Gorilla beringei MarscHie, 1903) Im Gegensatz zum West-Gorilla zerfiel unser Material ostafrikanischer Gorillas von Beginn der Untersuchung an in zwei verschiedenartige Gruppen. Diese waren in der Regel schon auf den ersten Blick zu unterscheiden. Die eine umfaßt ein wenig längere Kiefer mit niedrigem Ramus ascendens — ich bezeichne sie als Gorilla beringei graueri. Die andere besitzt kürzer wirkende Mandibeln mit hohem Ast; diese Form nenne ich Gorilla beringei beringei. Die Abbildungen 4 und 5 zeigen jeweils typische, jedoch keineswegs extreme Exemplare, deren Vergleich sofort die Verschiedenartigkeit erkennen läßt. Es gibt eine ganze Reihe unterschiedlicher Merkmale an den Mandibeln beider Gruppen. In Tabelle II sind einige metrische Unterschiede zunächst nur durch Angabe des arithmetischen Mittels und der Variationsbreite zusammengestellt. Auffallend ist, daß sich in sehr vielen Maßen die Weibchen deutlicher unterscheiden als die Männchen (Spalten 2, 3, 4, 5 und 8 der Tabelle II). Nur in der Kieferlänge (Spalte 1 der Ta- belle II) verhalten sich die Männchen signifikanter (siehe unten). Für die entscheidenden Maße ist eine Signifikanzanalyse nach Stupent durch- geführt worden. Der angeführte Unterschied der Mittelwerte bei der Kieferlänge der Männchen von Gorilla beringei beringei und Gorilla beringei graneri ist mit 95 %o Wahrscheinlichkeit abgesichert (errechneter t-Wert = 2,43: t-Grenzwert bei 5% Signi- fikanzgrenze = 2,09). Demgegenüber konnte der angegebene Unterschied bei den Weibchen nur mit 50°/0 Wahrscheinlichkeit gesichert werden, was unseren Anforde- rungen natürlich nicht genügt. Die Asthöhe ist bei der graueri-Form absolut und relativ (siehe unten) kleiner als Zur systematischen Untergliederung der Gattung Gorilla 69 bei Gorilla beringei beringei. Dies wird besonders deutlich an der hin- teren Asthöhe (Kondylenhöhe), jedoch auch an der kleinsten Asthöhe, welche vom tiefsten Punkt der Incisura man- dibulae gemessen wird. Im Bereich der vorderen Asthöhe wird die genannte Differenz annähernd durch den höhe- ren, freien Kronfortsatz von Gorilla beringei graneri wieder ausgeglichen. Der aufgeführte Unterschied in der hinteren Asthöhe der Weibchen von Gorilla beringei beringei und Go- rilla beringei graueri ist mit mehr als Abb. 4. Unterkiefer eines männlichen Gorilla 99 %/» Wahrscheinlichkeit signifikant beringei beringei® (errechneter t-Wert = 4,08; t-Grenz- wert bei 1°/» Signifikanzgrenze = 2,98), derjenige der senkrechten hin- teren Asthöhe sogar mit weit über 93,9%5 (errechneterr t- Were — 7,36; t-Grenzwert bei 0,1%o Signifi- kanzgrenze —= 4,14)! Für die Männ- chen kann die Differenz im gleichen Maß mit mehr als 950%/u, Wahrschein- lichkeit abgesichert werden (errechne- ter t-Wert = 2,43; t-Grenzwert bei 5°/, Signifikanzgrenze — 2,09). Bei der vorderen Asthöhe ist der an- gegebene Mittelwert von Gorilla be- ringei beringei-Weibchen mit 95 %o Wahrscheinlichkeit signifikant verschieden vom Mittelwert der weiblichen Gorilla beringei graueri (errechneter t-Wert = 2,25; t-Grenzwert bei 5 %/o Signifikanz- grenze — 2,15). Die Männchen von Gorilla beringei graueri gleichen diesen Unterschied durch die Erhöhung ihres freien Kronfortsatzes fast ganz aus (zu den angeführten Maßen vgl. auch die Abbildungen 6 und 7). Weiterhin sind einige beachtliche Proportionsunterschiede beider Gruppen fest- zustellen. Wir prüfen die relativen Größenverhältnisse zunächst mit der gebräuch- lichen Methode der Indices. Folgende Indices wiesen Unterschiede auf: der Längen- bikondyläre Breite x 100 Kieferlänge senkrechte hintere Asthöhe x 100 Kiefernlänge kleinste Astbreite x 100 hintere Asthöhe vordere Asthöhe x 100 hintere Asthöhe Kieferbreite bei den Canini x 100 Symphysenlänge Abb. 5. Unterkiefer eines männlichen Gorilla beringei graueri? Breitenindex ( ), der Längen-Höhenindex ), der Höhen-Breitenindex des Ramus ascendens ), der Höhenindex des Ramus ascendens ) und der Höhen-Breitenindex des Corpus mandibulae “ Den Anthropologen dürfte beim Vergleich beider Kiefer im Hinblick auf die Hominidae interessieren, daß selbst im Bereich von Subspecies derartige Unterschiede in der Höhe des Ramus ascendens auftreten können. 70 C. Vogel Tabelle II Maßbezeichnung \ Gescl. Variationsbreite | Mittel 167,0 — 198,5 181,0 137,5 — 166,0 149,0 175,0 —199,0 187,5 140,0 —161,0 15152 1. Kieferlänge Gor. ber. ber. Gor. ber. graueri 2. Hintere Asthöhe Gor. ber. ber. 118,0 —148,5 139,0 117,0 — 127,0 127,0 Gor. ber. graueri 119,0 —134,5 127,0 100,0 — 116,0 107,0 109.0 — 1445. 3. Vordere Asthöhe Gor. ber. ber. : 101,0 — 125,0 110,0 117,0 —138,5 127,0 93,0 — 110,0 102,5 102,5 — 141,5 125,0 103,0 — 116,0 10235 106,0 — 125,0 114,5 86,5 — 101,0 9253 86,5 — 118,5 104,0 86,0 — 100,0 93,0 Gor. be — . graneri 4. Senkrechte hintere Asthöhe Gor. ber. ber. Gor. ber. graueri 5. Senkrechte kleinste Asthöhe Gor. ber. ber. Gor. ber. r. graneri 93,5 —105,5 95 75,0 — 86,0 80,5 6. Winkel zwischen hinterer Gor. ber. ber. 76,00°— 95,0° 85,00 Ramustangente und Kron- 74,00°— 89,5° 80,00 fortsatztangente Gor. ber. graueri 89,50—119,00 98,2 84,00—108,0° 94,0" 7. Kieferschenkelwinkel Gor. ber. ber. 46,00°— 53,00 49,0°. 47,00— 57,50 52,00 41,50— 49,00 44,50 43,50 51,00 4758 43,50 57,50 5208 52,00 59,50 57,00 44,00— 54,00 ° 49,00 45,00— 52,00 49,50 Gor. ber. graueri 8. Symphysenneigungswinkel Gor. ber. ber. (zur Alveolarebene) Gor. ber. graueri +00s+00s H00s+00s H00sH00s +00s+00s H008- F908 HO0s+003 HOOsSHOOs H0O0s100s Die aufgezählten Indices sind in Tabelle III zusammengestellt. Am deutlichsten unterscheiden sich die Variationsbreiten des Längen-Höhenindex. Beim Höhenindex des Ramus ascendens ist bemerkenswert, daß kein einziger Gorilla beringei beringei den Wert 100 erreicht, wohingegen dieser Wert von Gorilla beringei graueri häufig überschritten wird, vor allem von männlichen Exemplaren (36,4 °/o meines Materiales). Es muß die Frage gestellt werden, ob diese Unterschiede größenbedingt sind. Die Tabelle III Index-Bezeichnung | Variationsbreite 1. Längen-Breitenindex Gor. ber. beringei 78,2—101,5 85,9 Gor. ber. graueri 71,4— 89,5 79,6 2. Längen-Höhenindex Gor. ber. beringei 62,5— 84,1 71,4 Gor. ber. graueri 54,3— 66,1 60,7 3. Höhen-Breitenindex Gor. ber. beringei 44,9— 58,0 51,3 des Ramus ascendens Gor. ber. graneri 50,0— 62,2 56,7 4. Höhenindex des Gor. ber. beringei 85,3— 98,3 92,7 Ramus ascendens Gor. ber. graueri 88,3—107,6 98,1 5. Höhen-Breitenindex Gor. ber. beringei 74,5—100,7 89,2 des Corpus mandibulae Gor. ber. graneri 72,2— 94,2 Zur systematischen Untergliederung der Gattung Gorilla 71 Gesamtgröße der Schädel von Gorilla beringei beringei und Gorilla beringei graueri ist nicht wesentlich verschieden, jedenfalls nicht in dem Maße wıe die absoluten und relativen Größenverhältnisse einzelner Abschnitte der Kiefer. Gleich große Mandibeln beider Formen zeigen unterschiedliche Proportionen. Es bleibt noch zu prüfen, wieweit und in welcher Form überhaupt korrelative Bindungen einzelner Größen (Maße) aneinander vorhanden sind. Ein Index gibt hierüber keine Auskunft. Wir werden gleich sehen, daß sich auch in dieser Hinsicht beide Gruppen verschieden verhalten. Zur Beantwortung der angeschnittenen Frage habe ich für verdächtige Proportionen Kor- relationsanalysen durchgeführt. Es ließ sich an unserem Material keine feste korrelative Bindung von Unterkieferlänge und Asthöhe feststellen, der errechnete Korrelations- koeffizient lag nur bei 0,0307! Ebensowenig besteht eine brauchbare Korrelation zwischen Kieferlänge und Kieferbreite (Kondylenbreite). Für die zwei zur Unterschei- dung beider Gruppen wichtigsten Größenverhältnisse ließen sich dagegen (wenigstens für die Männchen) gut abgesicherte Regressionsgeraden konstruieren (s. Abb. 6 und 7). 140 Abb. 6 zeigt die Regressions- geraden der Männchen von Go- rılla beringei beringei und Go- rılla beringei graneri für das Verhältnis von vorderer und hinterer Asthöhe in die Punkte- scharen eingezeichnet. Beide sind mit 99,9 0/o Wahrscheinlichkeit hochgradig abgesichert (Gorilla beringei beringei: Korrelations- koeffizient = 0,8796, Zufalls- höchstwert für die Sicherheits- grenze 0,1°/o = 0,8720; Gorilla beringei graueri: Korrelations- koeffizient = 0,8242; Zufalls- höchstwert für Sicherheitsgrenze 0,10/o = 0,7797)! Der Verlauf beider Geraden lehrt, daß bei einer Größensteigerung des Ra- mus ascendens die vordere Ast- höhe etwas schneller gewinnt Be der weihden als die hintere. Die Differenz weitere Erläuterungen sowie statistische Daten im Text tritt bei Gorilla beringei graueri stärker in Erscheinung als bei Gorilla beringei beringei, was durch die beiden Regressionskoeffizienten — sie geben die Steigungen der Geraden an — demonstriert wird. Der Regressionskoeffizient für Gorilla beringei beringei beträgt 0,8397; derjenige für Gorilla beringei graueri 0,6137. Es ist schon mehrfach darauf hingewiesen worden, daß der freie Kronfortsatz von Gorilla beringei graueri relativ höher ist als derjenige von Gorilla beringei berin- gei (vgl. auch Tabelle II, Spalte 6). Die Geraden der Weibchen sind nur gestrichelt ein- gezeichnet worden, da diejenige von Gorilla beringei graueri nur mit 90% Wahr- scheinlichkeit, die von Gorilla beringei beringei nur mit etwas über 800%, Wahrschein- lichkeit abgesichert werden konnte. Immerhin scheint mir aus der wesentlich flacheren Steigung der weiblichen Geraden - selbst wenn sich der exakte Regressionskoeffizient bei größerem Material ein wenig verändern sollte - der Schluß erlaubt, daß die Gera- den der Weibchen nicht als Verlängerung der männlichen Geraden aufgefaßt werden dürfen. Der Sexualdimorphismus ist zumindest in diesem Merkmal kein einfaches Korrelat der Größenverschiedenheit beider Geschlechter. Auf den verschiedenen Grö- hintere Asthöhe 90 100 10 120 130 140 150mm vordere Asthöhe Abb. 6. Regressionsgeraden für die Korrelation von hinterer und vorderer Höhe des Ramus ascendens. x = männliche Gorilla beringei beringei weibliche Gorilla beringei beringei männliche Gorilla beringei graueri weibliche Gorilla beringei graueri Geraden der Männchen I ll Il 72 C. Vogel Renstufen scheinen andere funktionelle Voraussetzungen für die Größenverhältnisse des Ramus ascendens gegeben, vorwiegend wohl im Zusammenhang mit den Muskel- ansätzen. Bei der Unterscheidung beider Formtypen des ostafrikanischen Gorillas in- teressiert uns besonders, daß beide Gruppen nicht nur ım Steigungswinkel ihrer Re- gressionsgeraden signifikant differieren, sondern auch in der Lage der Geraden sehr verschieden sind. Das bedeutet, daß ein Gorilla beringei beringei mit gleich großer vorderer Asthöhe wie ein Exemplar von Gorilla beringei graneri immer eine größere Kondylenhöhe besitzt. Abb. 7 zeigt die Regressionsgeraden der männlichen Individuen für das Verhältnis von hinterer Asthöhe zu (kleinster) Astbreite. Beide Geraden sind mit weit über 95 0%/o Wahrscheinlichkeit abgesichert. Für Gorilla beringei beringei beträgt der Korrelations- koeffizient 0,7948, der Zufallshöchstwert für die Sicherheitsgrenze 5 %/o aber nur 0,6676; bei Gorilla beringei graneri heißt der Korrelationskoeffizient 0,6200, der Zufallshöchstwert für die Sicherheitsgrenze 50/u nur 0,5330. Die Geraden demonstrieren, daß Asthöhe und Astbreite annähernd im gleichen gegen- seitigen Verhältnis („isometrisch“) zuneh- men. Die beiden Regressionskoeffizienten liegen dicht am Wert 1, der einer Geraden- steigung von 45° entspricht (Gorilla beringei beringei: Regressionskoeffizient — 0,9985; Gorilla beringei graneri: Regressionskoeffi- zient = 0,9837). Ist die Steigung beider Ge- raden auch sehr ähnlich, so sind sie doch lagemäßig durch einen weiten „Sprung“ ge- trennt. Das bedeutet in unserem Falle, daß die hintere Asthöhe von Gorilla beringei be- ringei im Verhältnis zur Astbreite, welche bei beiden Formen nicht wesentlich diffe- riert, immer deutlich höher ist als bei Go- Abb. 7. Regressionsgeraden für die Kor- yilla beringei graueri. Für die Weibchen relation yon hinterer Asthohe-und klein konnten mit menenm Metern a ster Astbreite. - Zeichen wie in Abb. 6. — 5 ö Weitere Erläuterungen sowie statistische sicherten Geraden konstruiert werden, der Daren un ex: letztgenannte Unterschied ist jedoch aus der gut getrennten Lage der Punktescharen auch bei den Weibchen klar abzulesen, wir haben außerdem bereits weiter oben mit- hintere Asthöhe 50 60 70 80 90mm kleinste Astbreite geteilt, daß der Unterschied in der hinteren Asthöhe mit mehr als 990%/0 Wahrschein- lichkeit abgesichert ist. Auch im besprochenen Größenverhältnis des Ramus ascendens besitzen also Gorilla beringei beringei und Gorilla beringei graueri signifikant ver- schiedene Regressionsgeraden. Ich möchte mit Nachdruck betonen, daß die abgebildeten Regressionsgeraden nicht mit ontogenetischen Geraden verwechselt werden dürfen. Die ontogenetischen Geraden verlaufen anders. Unsere Konstruktionen enthalten nur insofern eine minimale onto- ' genetische Wachstumskomponente, als die Mandibel nach vollendeter Zahnung, also im Erwachsenenalter in einigen Maßen noch um ein sehr Geringes zunehmen kann. Dieser Faktor fällt aber gegenüber der immer gegebenen individuellen Größenvariabi- lität innerhalb des adulten Stadiums kaum ins Gewicht. Zum Abschluß der metrischen Untersuchung kann festgestellt werden, daß sich die Mandibeln der beiden ostafrikanischen Gorilla-Formen in einigen absoluten Maßen, ' relativen Größenverhältnissen und Korrelationen signifikant unterscheiden. Diese Unterschiede erstrecken sich vorwiegend auf den Ramus ascendens. Es ergeben sich '# Zur systematischen Untergliederung der Gattung Gorilla 73 weiterhin einige morphologische Besonderheiten der beiden Gorilla-Gruppen, welche sich der metrischen Ertassung entziehen. 1. Die Zahl der „Schaukelkiefer“ ist bei Gorilla beringei granueri wesentlich ge- ringer als bei Gorilla beringei beringei. Unter „Schaukelkiefer“ versteht man solche Kiefer, die bei ungestörter Gleichgewichtslage nur mit zwei Punkten (jederseits einem) die Unterlage berühren. Die genannten Punkte liegen in der Regel unterhalb des Molarenbereiches und bilden gemeinsam die „Drehachse“, um welche bei künstlicher Gewichtsverlagerung oder nach Anstoß das „Schaukeln“ ertolgt. In der Tabelle IV sind die prozentualen Häufigkeiten derartiger „Schaukelkiefer“ innerhalb meines daraufhin untersuchten Materials (n = 39 Ostafrikaner) zusammengestellt. Der Unterschied ist deutlich, es sei außerdem auf den Sexualdimorphismus hinge- wiesen. Übrigens verhalten sich in dieser Beziehung die Mandibeln des West-Gorillas sehr ähnlich wie die von Gorilla beringei beringei. Ich ermittelte für den Westafrikaner folgende Zahlen: insgesamt 47,6 P/o, Männchen 37,5 %/o, Weibchen 80,0 ®/o. Bei Gorilla beringei graneri sieht man dafür um so häufiger feststehende Mandibeln, welche mit der Symphysenregion und beiden Unterkieferwinkeln der Unterlage aufliegen. 2. Bei Gorilla beringei beringei wirkt der Zahnbogen etwas stärker zwischen die aufsteigenden Kieferäste hineingeschoben als bei Gorilla beringei graueri. Als Aus- druck für diese Erscheinung Tabelle IV kann man folgendes Kennzei- chen wählen: betrachtet man 7 9 eine Mandıibel von der Seite senkrecht zur Mediansagittalen, so ist der M» mehr oder weniger weit durch die vordere Kante des Ramus ascendens verdeckt. Tabelle V Man kann dann jene Fälle aus- zählen, bei denen die hintere Hälfte des 3. Molaren oder = EINER mehr dem Blick entzogen ist. sgesamt 6) 2? : ; 3 2 EHRE 1 NDR ES Be ne 8 REN A Auf diese Weise erhielt ich für Gorilla ber. beringei 55,6% 36,4% 85,7 Yo die beiden ostafrıkanischen For- Gorilla ber. graneri 14,3 %o OO 52723230 men die %/o-Zahlen der Tab. IV. Außer einem deutlichen Sexual- dimorphismus ist auch der Gruppenunterschied nicht zu übersehen. Bei Gorilla beringei graueri kommt eine stärkere Überdeckung nur bei Weibchen vor, bei den Männchen sieht man den 3. Molaren sogar häufig ganz. Entsprechend diesem Befund ist auch der Zahnbogen im Verhältnis zur Kieferlänge bei Gorilla beringei beringei durchschnitt- lich etwas länger als bei Gorilla beringei graueri (Index-Mittel bei Gorilla beringei beringei = 63,7, bei Gorilla beringei graneri = 61,1, bei Gorilla gorilla gorilla = 60,2). 3. Gorilla beringei graueri zeichnet sich gegenüber Gorilla beringei beringei durch eine verhältnismäßig ebene Außenfläche des Ramus ascendens ohne stark modellierte I leuten aus. Der Winkelrand ist weniger evertiert als bei Gorilla beringei eringei. Insgesamt Gorilla ber. beringei 50,0% 36,4% 71,4% Gorilla ber. graneri 14,3 0/o Oo 127.300 M3 zu !/» oder mehr vom Astvorderrand verdeckt 4. Eine Spina auf dem Torus transversus inferior der lingualen Symphysenseite, gebildet aus der Mittelleiste zwischen den paarigen Ursprungsmarken des M. genio- hyoideus tritt bei Gorilla beringei beringei verhältnismäßig selten (16,1 %/o), bei Gorilla beringei graneri dagegen durchaus häufig (76,2°/o) in Erscheinung. | 5. Nur bei Gorilla beringei beringei - hier allerdings auch nur bei 3 männlichen Exemplaren - fand ich eine vollkommen einheitliche Verschmelzung von Torus trans- versus superior und Torus transversus inferior an der lingualen Symphysenfläche. Vom 7A C. Vogel Bereich oberhalb der Gefäßöffnungen beginnt eine etwa gleichmäßige, nach hinten konvexe Krümmung der Profilkurve. In die große einheitliche Abwölbung sind die Regionen beider Tori transversi und diejenige der lingualen Symphysengrube einbe- zogen, die in diesen Fällen natürlich fehlte. Alle geschilderten Unterschiede und Eigenheiten legten aus morphologischen Grün- den eine Aufteilung des ostafrikanischen Gorilla-Materials in zwei Gruppen nahe. Da es sich weder um Alters- noch Geschlechtsunterschiede handelt, wird man zunächst die geographische Verbreitung beider Gruppen prüfen. Die von mir als Gorilla beringei beringei bezeichnete Gruppe umkalhe 17 erwach- sene Exemplare mit einigermaßen genauer Fundortangabe. Es handelt sich um Be- wohner der Birunga-Vulkane (auch Virunga- oder Kırunga-Vulkane), ım einzelnen vom Mt. Mikeno (10 Individuen), vom Karasımbi (auch Karisımbi) (3 Individuen) und vom Mt. Sabinio (2 Individuen). Weitere 2 Exemplare tragen die Ortsangaben „Rumangabo“ und „Alımbongo“, beides ebenfalls im Parc National Albert gelegen. Die genannte Vulkankette liegt nordöstlich des Kivu-Sees (vgl. Abb. 8). Ich bezeichne diese Gorillagruppe als „Vulkanform“. Die zweite Gruppe, welche ich im Vorangegangenen Gorilla beringei graueri ge- nannt habe, stammt aus dem Raume nordwestlich des Tanganjıka-Sees. Es handelt sich um 21 Individuen mit einigermaßen genauer Fundortangabe: Baraka (10 Exemplare), Fızi (2 Exemplare), Foret de Sıbatwa (1 Exemplar), Reg. de Lubongola (1 Exemplar) und Foret de Manıema (7 Exemplare). Nun befinden sich im untersuchten Material vier weitere Mandibeln männlicher Ostafrikaner, deren Heimat weiter nördlich gelegen ıst, nämlich westlich des Kivu- und westlich des Edward- Sees: Masisı (zwischen Walikale und Kivu-See), Lubutu und Kima. (Dist. Stanleyville). Diese Ex- emplare gehören zu je- ner Form, die SCHWARZ (1927) als Gorilla gorilla rex-pygmaeorum be- schrieben hat. Nach mei- nen Untersuchungen er- geben sich am Unterkie- fer keinerlei Unterschiede dieser Form gegenüber Gorilla beringei graueri. Es scheint auch bei Ein- tragung aller Fundorte l. auch Serwarz SABINIO_! NEN Biorvone ne | en ao MGÄAHING — 1928) auf einer Karte MIKENO VISHOKE er keine geographische Tren- NYIRAGONGOK ,7 Bulero-See uung zu bestehen. Coo- ‚ KARASIMBI LIDGE jr. (1929) schreibt, daß „no natural barriers RUANDA divide them.“ Da keine Kivu-See sind, fassen wir alle Go- rıllas, welche westlich der Abb. 8. one gebiet der „Vulkanform“ (Gorilla beringei berin- Seenkette die bewaldeten j gel) fh % R er er | ;‚eı) schrafhert eingezeichnet (nach BLower, 1956) Hügel des östlichen, ehe- Unterschiede festzustellen Zur systematischen Untergliederung der Gattung Gorilla 75 maligen Belgisch-Kongo bewohnen, unter dem Namen Gorilla beringei graueri MAT- SCHIE, 1914) zusammen und stellen sie der „Vulkanform“, Gorilla beringei beringei (MATSCHIE, 1903) gegenüber. Es erhebt sich nun die Frage, ob zwischen Gorilla beringei beringei und Gorilla beringei graneri eine Verbreitungsschranke besteht, welche die Verschiedenartigkeit durch Isolation verständlicher machen könnte. DERscHEID (1927) erörtert die auffal- lende Tatsache, daß die westlichen Vulkane, der Nyiamulagiıra und der Nyiragongo (vgl. Abb. 8), welche geeignet wären, eine Verbindung herzustellen, nicht von Gorillas bewohnt werden. Die Abwesenheit der Gorillas führt auf die Aktivität der beiden ge- nannten Vulkane zurück. CooLinge jr. (1929) ließ die Frage nach der Isolation offen. Ob die Vulkanbewohner von den übrigen ostafrikanischen Gorillas völlig isoliert sınd, schreibt der Autor „is doubtful and has not yet been established“. In einer neueren Un- tersuchunghat nun BLower (1956) die von DERSCHEID angenommene Isolation der Vul- kanform bestätigt. Auf einer Karte (siehe Abb. 8) zeichnete er das Wohngebiet eın. Die Birunga-Vulkane bilden ein in sich vollkommen abgeschlossenes Areal. Nach Westen existiert keine Verbindung zu den anderen Ost-Gorillas, die Vulkane Nyiragongo und Nyıamulagıra werden nicht bewohnt, da sie noch aktiv sind. BLowEr gibt übrı- gens als weiteres ganz isoliertes Areal den Kayonza-Wald an (siehe Abb. 8), von dem mir leider kein Material vorlag. SCHÄFER (1960) berichtete neuerdings ebenfalls, daß man innerhalb der Ostafrıkaner „zwischen zwei Gorillapopulationen unterscheiden muß, die auch in ihrer Lebensweise beträchtlich voneinander abweichen“. Er meint gleicherweise die Vulkanbewohner und die Ost-Gorillas der „flachwelligen Hügel- landschaft der Provinzen Kivu und Orientale“. Somit ist eine räumliche Trennung der beiden östlichen Gorilla-Formen gegeben, die wir morphologisch nach Untersuchungen an der Mandibel eindeutig unterscheiden können. Zusammenfassung Auch am Unterkiefer besteht die Möglichkeit, den Ost-Gorilla (Gorilla beringei) vom West- Gorilla (Gorilla gorilla) zu unterscheiden. Ersterer zeichnet sich vorwiegend durch größere absolute Dimensionen aus, die vielleicht mit der Verlängerung des Molarenbereiches im Zahn- bogen (vgl. auch Gaumenlänge von Ost- und West-Gorilla) in Zusammenhang gebracht werden können. Außer metrischen Unterschieden werden einige morphologische Besonderheiten ange- führt, so etwa die Lage und Tendenz zur Vervielfachung des Foramen mentale. Innerhalb des westafrikanischen Gorillas ist eine erstaunliche individuelle Variabilität deı Mandibel festzustellen, doch ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine weitere Unterglie- derung der Gruppe. Von Gorilla gorilla diehli (MatscHie, 1904) lag nur eine Mandibel vor, die nicht aus der Variationsbreite der übrigen Westafrikaner herausfiel. Auffallenderweise legten die untersuchten Ost-Gorillas von Anfang an eine Unterteilung des Materials in zwei unterschiedliche Gruppen nahe, die durch absolute Maße, relative Größenverhältnisse, einige signifikant verschiedenartige Korrelationen und durch weitere nicht meßbare morphologische Besonderheiten klar voneinander zu trennen sind. Die beiden Formen leben geographisch isoliert, die eine auf den Vulkanen der Birunga-Kette; wir be- zeichnen sie als Gorilla beringei beringei (MATscHIE, 1903), die andere im bewaldeten Hügel- land westlich der Seen (Tanganjıka-, Kivu- und Edward-See); wir nennen sie Gorilla beringei graueriı (MATscHıE 1914). Es bleibt natürlich abzuwarten, ob auch an anderen Körperteilen Unterschiede zwischen beiden Formen festgestellt werden können. Summary It proved possible to distinguish the eastgorilla (Gorilla beringei) from the westgorilla (Gorilla gorilla) by the mandible. Gorilla beringei mainly possesses larger absolute dimensions, which possibly are connected with the elongation of the molarregion in the dental arch (compare the lengthened palate). Besides metrical differences some morphological pecularities are given, for instance the position of the foramen mentale and the tendency of Gorilla beringei to multiply this aperture. 76 C. Vogel Within the western gorillas there is a remarkable individual variability of the jaw, but I did not find any reason to subdivide this group. The only mandible of the supposed sub- species Gorilla gorilla diehli MATscHIE 1904, I was able to study, did not’ deviate from the range of variation of the other west-gorillas. RS On the other hand my material of eastern gorillas suggested a subdivision into two diffe- rent groups. Both the groups deviate from each other by absolute measures, some propor- tions, some significant heterogeneous correlations and furthermore by some non-metrical morphological peculiarities. These two groups are living geographically isolated from each other. The form inhabitating the Birunga-volcanoes we call Gorilla beringei beringei MATscHıE 1903. The second group living in the wooded hills west of the lakes (Tanganjıka, Kivu and Edward) I name Gorilla beringei graueri MatscHie 1914. For further conclusions we have to wait for additional anatomical differences besides the noted ones of the mandible. Resume La structure differente des mandibules permet de distinguer nettement le Gorille de l’ouest (Gorilla gorilla) du Gorille de l’est (Gorilla beringei). La mandibule du premier est de preference -plus grande, fait qui &ventuellement est en relation avec la prolongation de la serie des molaires (voir egalement la longueur du palatin chez les deux formes de Gorille). Abstraction faite des differences metriques l’auteur decrit quelques particularites morpho- logiques, telle que la position et la tendance A la multiplication du foramen mentale. Dans le cadre du Gorille de l’ouest on constate une &tonnante variabilit@ individuelle de la mandibule sans donner des arguments en faveur d’une nouvelle division taxonomique dans le cadre de ce groupe. De Gorilla gorilla diehli Matschie 1904 une seule mandibule a £t£ examinee, mais elle tombe dans le cadre de la variabilite du Gorilla gorilla. Il est frappant que le materiell du Gorille de l’est mene a une division en deux groupes | sousordonnes, qui, par les mesures, les proportions relatives, les differentes correlations significatives et d’autres specialisations morphologiques non mesurables sont nettement A separer. Les deux formes vivent g&ographiequement isolees: l’une se trouve sur les vulcains de la Birunga-chaine: G. beringei beringei Matschie 1903; l’autre vit dans le district accidente et boise a l’ouest des lacs (Lac Tanganjıka, Lac Kivu et Lac Edward): G. beringei graueri Matschie 1914. Il reste a voire si l’on peut constater egalement sur d’autres regions du corps des differences physiques entre les deux formes du gorille de l’est. Literatur BLower, J. (1956): The mountain gorilla and its habitat in the Birunga volcanoes. Oryx, Bd. 3, Heft 6, 287-297. — Cootipge jr., H. J. (1929): A revision of the genus Gorilla. Mem. of the Mus. of Compar. Zoology at Harward College, 50, 4, 291-381. — DerschEip, J.-M. (1927): Notes sur les Gorilles des volcans du Kivu (Parc National Albert). Annales de la Societe Royale Zoologique de Belgique, 58, 149-159. — ErLioT, D. G. (1913): A review of the primates. Monograph Series, Am. Mus. of Nat. Hist., Vol. III, New York. — FIEDLER, W. (1956): Übersicht über das System der Primaten. In „Primatologia“, Handbuch der Primaten- kunde, Bd. I, 1-266, Basel. — Marschiz, P. (1903): Ein Gorilla aus Deutsch-Ostafrika. Sitz. Ber. Ges. naturf. Freunde Berlin Nr. 6, 253-259. — MartscHiE, P. (1904): Bemerkungen über die Gattung Gorilla. Sitz. Ber. Ges. naturf. Freunde, Berlin, Nr. 3, 45-53. — MAaTscHiE, P. (1905): Merkwürdige Gorillaschädel aus Kamerun. Sitz. Ber. Ges. naturf. Freunde, Berlin, Nr. 10, 279-283. — MATScHIE, P. (1914): Neue Affen aus Mittelafrika. Sitz. Ber. Ges. naturf. Freunde, Berlin, Nr. 7, 223-242. — RortuscHiLd, W. (1908): Note on Gorilla gorilla diehli MarscHiE. Novitates Zoologicae, 2, 391-392. — SCHÄFER, E. (1960): Über den Berggorilla (Gorilla gorilla beringei). Z. Tierpsychologie, 17, 3, 376-381. — ScHuLTz, A. H. (1934): Some distinguishing characters of the mountain gorilla. Jl. Mammal., 15, 1, 51-61. — Schwarz, E. (1927): Un gorille nouveau de la for&t de l’Ituri. Rev. de Zool. Africaine, 14, 3, 333-336. — SCHWARZ, E. (1928): Die Sammlung afrikanischer Affen im Congo-Museum. Rev. de Zool. et | de Bot. Africaines, 16, 2, 105-152. — Toıpr, C. (1915): Über den vorderen Abschnitt des menschlichen Unterkiefers mit Rücksicht auf dessen anthropologische Bedeutung. Mitt. Anthrop. Ges. Wien, 35, N.F. 15, 236-267. — Voceı, C. (1960): Variabilität und Formenentwicklung der Unterkiefer rezenter Anthropoiden. Diss., Kiel 1960. — WEBER, E. (1956): Grundriß der biologischen Statistik. 2. Aufl., Jena 1956. Anschrifl des Verfassers: Dr. C. Voceı, Kiel, Zoologisches Institut, Hegewischstraße 3 Notes on the Black Bear, Ursus americanus Pallas, in Alaska, with particular Reference to Dentition and Growth By RosBeErTt L. RAuscH Eingang des Ms. 28. 3. 1961 I. Introduction Incidental to other studies, I have been able to collect data and materials relating to the natural history and taxonomy of bears in Alaska since 1949. One purpose of this work has been to define criteria that would permit the determination of age in indivi- dual animals, or, at least, the delimitation of age classes. The black bear, Ursus amerı- canus Pallas, ıs the subject of thıs initial study. The annual cycle of the black bear is strongly influenced by climatıc factors, with the period of denning (fasting) attaining its maximum duration ın regions having comparatively long and severe winters. Even at lower latitudes, the Winterruhe of the black bear was regarded by EısentrauTt (1956) as being remarkably long, but in south-central Alaska these animals typically remain in the dens for about half of each 12-month period. It will be shown in the present paper that little growth takes place during the time spent in the den, and the age classes defined herein have been related largely to the pattern of intermittent growth characteristic of the black bear at this latitude. | In addıtion to findings relating to dentition and growth, some data on other aspects of the natural history of the black bear in Alaska are presented in this report. II. Materials and Methods The anımals utilized for this study originated within a relatively restricted area of Alaska (Fig. 1). Skulls, and sometimes other materials, were obtained from 219 ani- mals; of these, 183 were wild individuals, and 36 were captives of known age. Entire bears were weighed and measured. Whenever possible, the skull, a femur and a hume- tus, the genital organs, and sometimes other materials, were collected from each anımal. Bones were cleaned by means of dermestid beetles and bleached in hydrogen peroxide. After cleaning, the penile bones were dried thoroughly before being weighed and measured. The soft tissues were preserved in 10 per cent formalin. Sections of testes and ovaries were prepared by the paraffın method and stained in hematoxylin- eosin. Special techniques were applied in a few cases, as described below. Routinely, the right upper canine was removed from the skulls and stored in fluid. The teeth from older anımals were sawed longitudinally by passing the blade directly through the center of the pulp cavity, and the surfaces so exposed were polished to intensity detail. Thin sections were prepared in some cases. The canines from young 'anımals were usually studied uncut. 78 R. L. Rausch 152° 150° 148° 146° 144° 152 150° 148° 146° 144° Figure 1. Map of south-central Alaska, showing locations from which black bears were obtained In the following description of dentition, the deciduous and permanent teeth are represented by lower-case and capital letters, respectively. The deciduous post-canine teeth are designated premolars ın this report. All data on the eruption of teeth are based on cleaned skulls. The stated ages of bears are approximate, based on an assumed birth date of February 1. III. The Deciduous Dentition The formula for the deciduous dentition of the black bear is i?/s c'/ı p®/s. The first ıincisor, both above and below, ıs very small and weakly developed. The canines are well developed and persist longer than any of the other deciduous teeth. Both p! and pı are lacking; p? and p2 resemble their permanent successors in form. Although it has only two roots, p® is rather similar to P* in the form of its crown; p? has three roots, and its crown somewhat resembles that of M!. The ps is quite small, but possesses two roots and is rather similar to Pı in the shape of its crown; pa likewise has two Notes on the Black Bear in Alaska 79 are shown in Fig. 2. 15 mm. Figure 3. Retouched radiograph of the skull of a 3- week-old male bear, showing dentition | Figure 2. Complete deciduous dentition in a 4-month-old black bear (female, killed May 25). The crown of Pı is almost fully erupted, and the tip of P! ıs visible ı roots, and in form it most closely resembles Mı. The fully erupted deciduous teeth The deciduous dentition ıs complete by the time, usually in the last part of April, , the young bear leaves the den in which it was born. Because of the difficulty in loca- ting dens containing female bears with young, I have been unable to determine the sequence of eruption of the deciduous teeth. The youngest anımal available was a captive-born bear about 22 days old, a male, with a condylobasal length of 60 mm. The skull was removed and ra- diographed, after which it was staıned with alızarıne red S, dehydrated in ethanol, cleared ‚in terpineol, and dissected. None of the deciduous teeth had erupted ın this specimen, but the tip of ı! barely protru- ded through the gingival tissue. The tip of ı? lay just below the surface; ı? was incompletely de- veloped and still lay deep in the alveolus. The conical upper ca- nınes, 4 mm long, were likewise deeply situated. The permanent upper canınes were represented by minute cones at the proxi- mal end of their alveolı dorsal to the deciduous canınes. The crown of the tooth tentatively ıdentified as p? or p? was well developed but had not begun to erupt. Thecrown of pf, easily recognized, had not emerged above the level of the alveolar 80 R.L. Rausch margıns. Two small cones of M! were present posterodorsal to p*. The tips of both üı and i2 were quite near the gingival surface; is was comparatively undeveloped and deeply situated. In form, size, and position, the lower deciduous canines were much like the upper ones. The crown of Pı was well formed and situated medial to the deciduous canine; no trace of the permanent lower canine was found. Neither pa nor ps could be located, but the crown of pı was well developed though still below the level of the alveolar margins. A single cone of Mı was identified. The relationships of these teeth are shown in Fig. 3. All other anımals with deciduous dentition were obtained after they had emerged spontaneously from the dens. Assuming a birth date of February 1, the youngest of these, a male, was about 3 months old when killed on May 4; the complete deciduous dentition was present, and Pı was erupting. The crowns of Mı and M3, as well as that of Mı, were visible through their open alveoli. The permanent canines at this stage measured about 11 mm long. A female killed on May 25, when about 4 months old, possessed a dentition similar to that of the male. Some of the deciduous teeth, particularly p?2 and p2, may persist in adult anımals when their permanent successors are lacking. In such cases, they usually remain buried in the gingival tissue. The deci- duous canines often become worn before they are lost. IV. The Permanent Dentition The permanent dentition ıs represented by the formula I?/s C!/ı Pa M?/s. The sequence of eruption of the permanent teeth is approximately the same in the black may | uun| sur | aus | ser [ocr Figure 4. Eruption of the permanent teeth during the first summer of life. The heavy line indicates the period during which eruption is taking place; the solid bar indicates the period during which teeth may or may not be fully erupted; all are fully erupted thereafter, as indicated by open bar. (Based on 31 skulls.) Figure 5. Externally visible growth zones and the pattern of dentin layers in the canine of a black bear of age class VI; cementum is indicated by „c,“ and enamel by „e.“ Alaska is reflected in the den- ‚ tition. The teeth that develop Y | naeus). In the teeth of the bears, Notes on the Black Bear in Alaska 81 bear as has been described by PoHLE (1923) for the brown bear, U. arctos Linnaeus, and the polar bear, U. maritimus Phipps. The eruption of the permanent teeth begins late ın the third month of life, when the crown of Pı first appears, and usually all but I3, the canınes, and sometimes Ms are in place by the end of the 9th month (October); by this time the anımals have already entered the dens. The sequence of eruption of the permanent teeth during the first summer is shown in Fig. 4. Both I? and M3 may be in place by the time the animals emerge the following spring, although no observations were made prior to the first of June (17th month). The roots are usually closed in Pt, M!, I2, and sometimes in Ps, at the end of the 9th month (October). All of the permanent teeth but I? and the canınes have closed roots when the anımals emerge from the dens in the third spring (ca. 28th month). The apex of the root of I? ıs still open in the fall ur the third summer of life, but is closed in the 4th spring. The crowns of the upper and lower canines are fully formed within the alveolı by the end of the 9th month, but the growth of their roots proceeds slowly and it ıs not until the 4th summer that their dentino-enamel junctions emer- ge beyond the alveolar margiıns. Complete eruption of the cani- nes is attained ın the 5th sum- mer, and the apices of. their roots usually close in the 6th summer. An unusual combination of characteristics was observed in one specimen, a wild male kil- led on June 4. In dimensions (condylobasal length, 150 mm; zygomatic width, 89 mm) and conformation, the skull was typical of those from bears kil- led ın their first spring, at an age of about 4 months. The den- tition, however, was indistin- guishable from that of anımals a year older, at an age of about 16 months. There was no evi- dent explanation for this ano- malous development. air / The pattern of intermittent IA ee.cer growth characteristic of the black bear in south-central 50 mm slowly (i. e., I’ and the canınes) show annulations resembling those described by SCHEFFER (1950) in the canines of the fur seal, Callorhinus ursinus (Lin- 7-KEC 27-1 d UI-K dd ; Figure 6. Development of the right upper canine of the these annulations demarcate black bear, correlated with age classes I-VI 82 R.L. Rausch comparatively broad zones of dentin that represent successive seasons of growth. Since I? attains complete development prior to the beginning of the 4th summer, it exhibits only three growth zones. The canines grow through at least 6 summers and usually exhibit 6 externally visible growth zones (Fig. 5). The sequential pattern of the layers of dentin ıs best seen in longitudinal sections (Fig. 5). These annulations provide the simplest means by which the younger bears can be segregated into age classes (Fig. 6). Of the 10 classes distinguished, as mentioned earlier, numbers I through VI correspond respectively to the first 6 summers of life. The changes in canines are described below. The rate at which dentin is deposited changes inversely with age. At the end of the first summer, the crown of the canine is complete and a layer of dentin is present. The bulk of the root is produced during the second and third summers, after which the annual increment decreases progressively until the apex of the root closes. The following values, in terms of percentage of the greatest length of the complete upper canıne, are representative of the relative proportions of the annual increments: first summer (including the crown), 41 %o; second summer, 20°%o; third summer, 17 %s; fourth summer, 13/0; fifth summer, 6/0; sixth summer, 3/0. In general, the age of bears killed at any time during the first 6 years of life can be determined from the characteristics of the canınes, but it is sometimes difficult to differentiate the last one. or two growth zones. After the 6th or 7th year, the wall of the root gradually thickens, particularly at the apex, as cementum accumulates externally and dentin ıs deposited in the pulp cavity. The cementum appears as alternating dark and lıght layers which may be correlated with age. These layers are often very difficult to count, and no attempt was made to utilize them in the present work. The maximum diameter of the pulp canal ıs not less than 2--3 mm in the oldest anımals. Variation in the numbers of teeth The first three permanent premolars, above and below, are small in size and pro- bably have little functional value. On the basis of data published by Harr (1928), ErDBRINK (1953, p. 306) concluded that there is a tendency for the elimination of P? and P2 in the black bear. This hypothesis is supported by the findings in the Alaskan material; in addition, the same tendency is exhibited to a lesser degree in P3. The permanent premolars were counted in 159 skulls, excluding others which had been damaged, cubs with incomplete permanent dentition, and aged anımals in which secondary loss of teeth had occurred. Excepting P?! and Ps, the permanent premolars are quite variable in size and position, and poorly developed teeth can be confused with persistent deciduous premolars. The latter and anomalous teeth of questionable identity were not included in the counts. Disregarding sex and differences between right and left sides, 29 different combinations of premolars were recorded (Table 1). The most frequent combination (28°/o of the specimens) was 1-3-4; only 3:12 m | had all of the premolars present. 1-4 In reference to the long-muzzled species of bears, CoLyEr (1936, p. 367) stated ”» that certain of the permanent premolars .seldom persist through the whole life of the anımal, the second tooth in the upper and the second and third in the lower being usually lost at an early stage of life.“ In the Alaskan material, no differences | were noted in the frequency of missing premolars between first-year and older ani- mals when aged individuals were excluded. My observations do not substantiate | CoLyEr’s opinion that the permanent premolars are lost more frequently than any of the other teeth. Apart from the pre- molars, the incisors and Ms were the only teeth found to vary in number in the specimens studied. The left Is was lacking in one animal, in which the left Iz and the adja- cent canıne were in ap- position. The rigth Ms was absent in a female about 8 months old. Su- pernumerary third incis- ors were observed in two specimens. One, killed in August of the second summer, possessed an ex- tra right 13. The tip of the partially erupted right mandibular canıne occluded with the latter, which had rotated out- ward through about 90°. The long axis of this in- cısor had assumed a near- ly horizontal position. Although only partially erupted, the supernume- rary inciısor was normal in sıze and form, while both the crown and root of the adjacent I? were malformed. The second anımal, killed in Septem- ber of its third year, had a supernumerary left R3. In this case, the left mandibular canine occlu- ded with both the nor- mal and the supernume- rary incisors; as a result, the tooth in normal po- sition had rotated in- ward through about 45°, and the eruption of the supernumerary tooth was retarded. Again, the tooth regar- ded as supernumerary had developed normally, Notes on the Black Bear in Alaska Table 1 83 Combinations of permanent premolars and their frequencies in 159 skulls. The line separates upper and lower teeth. Whether left or right side is not considered Combination ‚Number! 0 Combination | Number 0/0 nn 2-3 —4 Ber 44 25 Pau] 3 2 294 en eaca en Den. en En 17 1 1-3 —4 , a en zart N FE NETT 13 8 TER, De oe 3 1 ad gE ee) wen 534 nn % 122 1—3—4 a 1—2—3—4 2 168) Ä 1224 173.04 8 5 04 nenn 2 193 190304 x ve 17 324 - 1 322 W259 4 ai eng = 2 13 5 3 1—3—4 1—3—4 124 1a ad 1—2—3—4 en Zune ae BEN! 0.6 ed | ae 1324 I 7 2 13 Es 70% Ve 134 Se 06 i 1292.0:6 1—3—4 4 1 0.6 l 0.6 192.99:6 tolle but both the crown and the root of the I3 in normal position were somewhat malfor- med. In both cases, however, the malformed teeth were clearly typical of third 84 R. L. Rausch incisors in size and form. The malocclusion resulting from the presence of such super- numerary teeth probably would later give rise to periodontal disease. CoLYER pointed out (1936, p. 368) that the mandibular incisors of bears are sub- ject to some variation in position. This was rather striking in the black bears con- sidered here, but there was no evidence that such variation had any functional significance. Almost no variation was noted in the position of the upper incisors or of the molars. | Wear of teeth The amount of wear exhibited by the teeth of bears increases with age, but there is considerable individual variation within any given age group. In the Alaskan material, sıgns of attrıtion were first noted in the teeth of animals killed during the third summer of life. Although there was no evidence of wear in most anımals, the tips of I!, or of I! and I?, were slightly worn in a few. Most of the bears killed during the 4th summer also had unworn teeth, but in some the amount of wear exceeded that observed in any of the third-year animals. There was considerable variation as to which incisors were involved; thus, only I! was worn in some, both I! and T? in others, and I!, Iı, and I2 in a few. In one case, small attrition facets were present on the paracone and metacone of M!, and in another on the cusps of Mı. In the 5th summer, about half the animals still had unworn teeth. Wear in others was still limited to the incisors, but in such cases the crowns of I! or of I! and I? were sometimes worn quite flat. Attrition of the incisors was unequal, with the superior teeth always showing more severe wear than their inferior counterparts. Attrition facets were bilaterally present on the paracone and metacone of M! in two anımals, and on the metaconid of Mı in another. A rather deep cavity was found ın the right M> in one instance. By the 6th summer, attrition facets were more regularly present on the cusps of M! and Mı, and in one case Ms» was slightly worn. In some individuals, however, the teeth were still unworn, and slıght wear was evident only on I! and I? in others. Since I was unable to determine the absolute age of black bears after the 6rh summer, the remaining specimens were segregated into four classes (VII-X) according to relative age. These age classes are considered here in connection with tooth wear, but will be characterized later in this report. In class VII, I! and I? always showed some wear, although it was slıght in some individuals. In one case, the tip of I? was worn. The lower incisors were either unworn or only slightly worn at the tips. Attrition facets were often present on the major cusps of Mı and M!, but the wear was superficial. In class VIII, Iı and I2 were usually worn, often only slightly. The tips of I and Is showed attrition facets in several cases. The major cusps of M! and Mı were usually worn, but in most examples the attrition facets were small. Wear was evident also on M? and Ms», and in one instance on M3. Both the protocone and tetracone of P* had attrition facets in one anımal. Class IX consisted of older animals, all of which showed considerable tooth wear. Severely worn incisors were common, and it was not unusual for I! and I? to be worn down to the gingival tissue at their posterior edges. The tips of I? were usually worn, sometimes down to the level of I! and I?. The lower incisors were less severely worn in most cases. In most of the specimens, attrition facets were present on the paracone and metacone of M!, and on the protoconid and hypoconid of Mı; a longitudinal groove, more or less obliterating the protocone and hypocone, was often present along the crown of M!. The amount of wear on M? and Me», and on M3 varied considerably, Notes on the Black Bear in Alaska 85 but generally was slight. The cusps of P* had atrtrition facets in a few cases. Broken teeth were occasionally noted in this age class. The anımals comprising class X regularly possessed badly worn and broken teeth, often with signs of periodontal disease. Incisors were commonly lacking or had been broken and worn down to the level of the gingiva. Premolars, including Pı, had been broken in several cases, although their roots, or fragments thereof, usually remained. Broken canines, usually worn quite smooth, were not uncommon; some barely pro- truded above the gingiva. The molars exhibited a variety of conditions, with a wide range in the degree of wear. Many possessed extensive cavities, sometimes extending into the pulp cavities of the roots, and often only the smoothly worn roots remained. Occlusal drift was evident, particularly in the canines. It is apparent that tooth wear is varıable within a given age class. Since the rate of wear must depend largely upon the amount of abrasive material that is chewed, it might be expected to differ from region to region. It is possible that such wear would vary less within a given age class among animals subject to uniform conditions. The order in which the teeth become worn in the black bear is approximately the same as that described by Kurt£n (1958) for the cave bear, U. spelaeus Rosenmüller and Heinroth. Sexual dimorphism In the series studied, the skulls of adult males averaged larger than those of adult females, and a corresponding sexual dimorphism was observed in the dentition. The mean values obtained for the crown lengths of the molars differed significantly, but the amount of overlap was so great as to preclude the use of these measurements to determine the sex of individuals. Greatest length and transverse diameter were deter- mined for the upper canines, one of which was removed from each skull. The transverse diameter was taken just proxımal to, and parallel with, the dentino-enamel junction. Only fully formed, unworn canınes from animals belonging to classes VII through IX were used; consequently, the available sample was small, consisting of only 42 teeth equally divided as to sex. In order to avoid excessive mutilation of the skulls, the lower canines were not removed. The measurements of the canines are summarized ın Table 2. It may be seen from the table that the observed ranges of the two dimensions from the upper canınes show no overlap between the sexes. Assuming a normal distribution, the limits of varıation expected in a sample of 1000 individuals can be determined by calculating the standard range.! Accordingly, the range of canıne length is 63.2 to 82.8 mm for males, and 50.7 to 70.6 mm for females; the overlap between the sexes is thus about 7.5 mm. The standard range for the transverse diameter is 10 to 14 mm for males, and 8.3 to 11.3 mm for females, with an overlap of only 1.3 mm. However, extreme varıants would be rare at best, and the majority of animals could be expected to have canıines with near-average dimensions. The reliability of the two measurements in determining the sex of individual black bears can better be appraised by calculating the coefficient of difference?, from which the percentage of joint overlap can be determined. For canine length, the coefficient of difference is 2.3, and the joint overlap is 1 °/o; thus, canine length would serve to distinguish 99 %/o of the males and 99 %/o of the females. In the case of the transverse diameter, the U SR=M + 3.24 o (Simpson, 1941). »cD— MS—M® Mayr er al, 1953) od +°Q9 % 86 R.L. Rausch Table 2 coefficient of difference is 2.0, and the percentage of joint overlap is about 3, ın- Er “dicating slightly less value Range for this dimension in distin- guishing sex. Sexual dimorphism in the BE: dentition of bears, particu- diameter 1908 1387 DoWee 2 larly in the canines, has 8.9—10.4 j ; previously been recognized. Kosry (1949) found that the mean transverse diameter of the canınes differed significantly between the sexes in samples of cave bears and of brown bears. More recently, Kurr£n (1955) studied the aforementioned species as well as the polar bear, and he found comparatively little joint overlap in the lower canines (9 %/o in Fennoscandian brown bears; about 2 %/o in polar bears from Green- land; less than 1 °/o in three series of cave bears). The upper canines in all showed a higher degree of joint overlap and therefore had less value in determining sex. Measurements of right upper canines (in mm) Length 68.2— 78.2 57.4—65.3 V. Growth Growth in wild bears has been studied mainly from the skull, although supplementary data were collected from the available long bones (humeri and femora) and from penile bones. Skull sıze could be correlated with age through the 6th summer, but thereafter, in the absence of recognized criteria that would permit grouping by year, the skulls were segregated according to relative age. Age classes VII through X are characterized as follows: Class VII. The roots of the canines are closed at the apex, but little cemen- tum has been deposited. The skulls of the males appear immature, and the sagittal crest is little developed. According to the numbers of dentin layers, these animals had been killed during the 7th or 8th summers of life. Class VIII. The canınes have a thicker layer of cementum around the apex of the root. The basioccipital-basısphenoid suture ıs tightly closed but readily perceptible. The suture between the zygomatic processes is open, and the skull is stıll growing in both length and width. These anımals probably had been killed during the 9th to 11th summers. | Class IX. The basioccipital-basisphenoid suture has been obliterated and the maximum length of the skull probably has been attained. The suture between the zygomatic processes is open or partially closed; the width of the skull ıs ı still increasing. The molars exhibit moderate wear in most cases. It is estimated that anımals in this class had been killed from the 12th to perhaps the 20th summers. Class X. These are aged animals approaching the time of death. The teeth are badly worn and broken, and periodontal disease is commonly evident. The cranial sutures are tightly closed, and, in the oldest individuals, many of the sutures may no longer be visible. Growth has ceased. Although the maxımum age attained by wild black bears is unknown, the available information on longevity in captives suggests a life span of about 30 years. Two dimensions, condylobasal length and zygomatic width, were used to indicate skull size. These measurements are summarized by age class ın Table 3. Notes on the Black Bear in Alaska 87 Sexual differences Adult maleblack bears average larger than females, although here is considerable overlap in skull size (Table 3). The number of female skulls available was too small to-permit a satisfactory comparison, but a significant difference ın skull size (condylobasal length) was not evident prior to the 5th summer (age class V). Using mean length of male skulls ın class IX as 100, females ın classes V through IX averaged 8 to 11 °/o smaller than the males in corresponding groups. A significant, but slight, difference may exist between males and females in the ratio of condylobasal length to zygomatic width (P = 0.06). Growth in the skull of male black bears ıs portrayed ın Fig. 7. The annual incre- ments in condylobasal length are comparatively large for each of the first three summers of life, but thereafter the rate of increase gradually decreases until final size is attained. (This trend ıs well confirmed when the data are plotted semi-logarith- mically.) If the mean skull length for age class IX ıs taken as 100, it is found that the skull has attained about 90 P/o of its final length by the end of the 4th summer. The annual percentage increase in zygomatic width remains more or less uniform after the 5th summer; the skull continues to increase in width after the final length has been attained. The pattern of growth in the skull of the female is similar to that of the male; there ıs a comparable increase in zygomatic width in the older animals, although it is not as strongly defined as in the male. Length and width of the comparatively small sample of female skulls are plotted in Fig. 8. Table 3 Skull measurements (in mm) of black bears summarized by age class | | | e | an I — zehn Fe I 6) 8 151176 157 Ol 90—103 992 4.8.09:0 Q 4 118—168 153 = _ Var—!0H; 88 = = I ) 5 190205 188 — = 89—121 109 — — Q 2 194—203 198 == — ZZ 117 —_ — II ö 11 2524202757725 700 390120191 a aloe 22 Q 3 206—215 al — —.. NL == = Iv 6) Dr RS Male _ — Er — — Q 3 222238 228 — — AD _ = v ) NO 775278 DATE EEE DIE 2 O2 Q DEE 7700225 VO 18128 778.4265 VI 6) 8 259262007755 DO 195 156144 73.082735 Q ZU N2 23227420225 = — elek) = = VII 6) BED SD Be 160 7772152777 5.6: 777376 Q 8 DIDI 7238 BROS 3230 05127142) 7251365 °,.5.02%73:6 vIm ö 11 249275 265 Sat 159-1707 72161 4.8000 3:0 Q 5 Do2 73 236 = 107 et — —— IX 6) 30.27233— 297, 269100760 NS 1627.10 2222609 Q 16 223—256 241 Bd 140153 8224003 X ) 10 299-289 269 A 3 169184 RE BER ren Q 3 237—252 245 = — 150—156 133 — Z— Growth in long bones Femora and humeri were obtained from only 12 wild bears, but enough age classes were represented to provide limited information on growth changes. 88 R.L. Rausch o o _ o o o o 170 o a —!50 P3 e3 es = je) > = 0 er 2 oO [O0] > N fe) 90 150 170 190 250 270 290 210 230 CONDYLOBASAL LENGTH (MM) Figure 7. Skull growth in the male black bear (110 wild individuals). The line connects the mean values of the age classes 160 B (©) D (®) ZYGOMATIC WIDTH (MM) 80 120 140 160 180 200 220 240 CONDYLOBASAL LENGTH (MM) Figure 8. Skull growth in the female black bear (55 wild individuals) ‘| pletely. Notes on the Black Bear in Alaska 89 The proximal end of the femur ossifies from two centers, of which one is for the caput femoris and the other for the trochanter major. The trochanter minor and the distal end of the femur each ossify from a single center. Femora were obtained from three female bears killed during the first summer (age class I). In the youngest, killed on June 6, the caput consisted of an easily separable, round disc. The trochanter major was less advanced in development and consisted of a nodule of bone measuring only 10 mm in greatest diameter. The distal end was more fully developed but widely separated from the shaft. The femur was longer and more massive ın an anımal killed on August 17; the trochanter major had advanced in development, although the trochanteric fossa was still perforate. The caput was larger, but still widely separated from the shaft. The femur of the third anımal, killed on October 31, was intermediate in size and development between the aforementioned. This anımal probably had lost its mother and had been under- nourished; this could account also for its not having denned. In the femur of a male killed on August 28 of the second summer (age class II), the elements of the proximal end were more fully developed, the shaft was longer and heavier, the trochanteric fossa was perforate, and the distal end was separated from the shaft by a space of about 2 mm. Class III was not represented. The femur of a male of class IV, killed on May 2, was available. The main body of the caput was fully formed but still widely separated from the shaft. The trochanter major was almost fully formed; the shaft had increased ın length and diameter, and the space separating the distal end was narrower than that in the class II specimen. Class V also was not represented. Femora were available from two males of class VI. In the first, from an animal killed on March 3, the caput appeared to be fully developed, although its margins were separated from the shaft by a well defined space. The trochanter major had largely fused with the shaft, particularly on the anterior face. The distal end was easily separable from the shaft, and the intervening space was well defined. The trochanter minor was still discrete. The second specimen, from an anımal killed later in the summer, was longer but otherwise was essentially the same. Material for class VII was lacking. Class VIII was represented by a single femur from a female bear killed in August. It differed little from those described for class VI in state of development, except that the spaces between the ends and the shaft had narrowed. The trochanter minor had not yet fused. This bone was relatively short and light, reflecting the smaller size of the females. Five femora were available for class IX; of these, two from females represented the younger component of this group. In one, the proximal end appeared to be completely fused with the shaft, but a narrow space persisted at the distal end. When the bone was sawed longitudinally, it was found that the trochanter major had fused completely, with growth continuing both in the caput and in the distal end; fusion had occurred between the trochanter minor and the shaft. The second anımal was somewhat older, and growth was con- tinuing in the caput. In the remaining femora, from males, both ends had fused com- The proximal end of the humerus ossifies from a single center. At the distal end ', is a center each for the median condyle, the median epicondyle, the lateral condyle, and the lateral epicondyle. By the 4th summer, the centers of ossification of the ‚) condyles become confluent and are no longer distinguishable, while those forming the epicondyles retain their identity for a longer time. In specimens representing 'ı class VI, the caput humeri had attained approximate adult size but was so poorly | attached as to be easily removable from the shaft. The distal end was more advanced ın development and, with the exception of the median epicondyle, the components had largely fused. The female specimen representing class VIII was similar, but the 90 R.L. Rausch space around the margins of the caput had narrowed considerably. With the exception of the median epicondyle, the distal end had fused with the shaft to such an extent that no seam was visible. In the younger female specimens in class IX, a space of about 1 mm in width persisted at the margins of the caput, and it was evident that growth was continuing. The distal ends were completely fused, however. Both ends had fused with the shaft in the case of the males in class IX. The age at which growth ceases in the long bones could not be accurately deter- mined, but this presumably does not occur prior to about the 12th year. Growth may continue somewhat longer in the humerus than in the femur. VI. Growth in Captive Bears Thirty-sıx bears, most of which had been captured during the 4th and 5th months of life, were maintained in outdoor enclosures for periods of time ranging from a few months to about 10 years. Of three of these anımals that denned regularly, two seemed comparable in this respect to wild bears. One other denned intermittently, but the majority remained active throughout the year. The latter exhibited a pattern of growth strikingly different from that of wild bears. In south-central Alaska, wild bears usually enter the dens before the middle of October. In fact, of the specimens included in the present study, the only represen- tatives of the younger age classes killed after September 30 were first-year animals that probably had lost their mothers and were incapable of denning alone. It appears that denning usually begins not later than the period between the middle of September and the first of October. The physiological changes that take place in the black bear during this time have been little investigated. KALABUKHov (1956) indicated that body temperature does not drop, and EiISENTRAUT (1956) mentioned only that den- ning ıs regulated by intrinsic factors and does not result from a lack of food. Hock 100! 90 PER CENT [60) (©) EXT (®) o- CAPTIVE @- WILD 60 SO 11 7. I N EREET ETEEN AGE CLASS Figure 9. A comparison of mean skull size in captive and wild black bears, by age class Notes on the Black Bear in Alaska 91 Table 4 Comparative growth of captive bears. Two animals indicated (*) denned regularly Age Fed State of development compared ' Equivalent age Class Number | Age! with wild bears class of wild bears I 6 males, 4t0 9 Skull averages somewhat larger than 185: | 8 females months in wild specimens of class 1. | II 3 males, 15 to 20 Mean condylobasal length of males III | 3 females months falls between class III and class IV; | root of upper canine equal in deve- | lopment to class III; development | of femur approaches class IV. III 2 males?, 27 to 33 Canines fully erupted; root of upper VI 1 female months canine equal in development to class V or VI; basioccipital-basisphenoid suture closed; development of fe- mur like that of elass VI. | IV 3 males 40 t0 43 Mean condylobasal length of males VII | months equal to that of class IX; develop- | ment of femur equal to that in class | VII—VIII; basioccipital-basisphe- | noid suture closed but well defined; root of upper canıne closed, similar to condition in class VII. | V 1 male 4 years, Basioccipital-basisphenoid suture VIII 1 month closed; still visible; development of femur comparable to that of class VIINI—IX; root of canine with 1 female 4 years, cementum layer comparable to that 21/2 months in class VII. VI None VII 1 male* 7 years, Basioccipital-basisphenoid suture IX 21/2 months obliterated; thick cementum layer over root of canine; ends of femur completely fused with shaft. VIII 1 male 8 years, Similar to foregoing. IX 2 months 1 female“ 10 years, 5 months 1 Assuming a birth date of February 1. - ?A male killed on January 14 not included. Also not included in this table are 4 anımals from 10 to 12 months old. (1951) measured the temperature of a denning black bear in captivity and recorded a range of 31° to 34° C. On February 17, 1959, I shot an adult male in a den, taking care to avoid any prior disturbance of the anımal; a rectal temperature of 33% C. was recorded immediately after death. Since the body temperature of active black bears is about 38° C. (Irvıns and Kroc, 1954, and unpublished data), these obser- vations indicate a decreased metabolic rate during the denning period. Young animals are particularly well suited for the study of comparative growth, because changes in size and in dentition can be more easily discerned. Through the first summer of life, up to the time the wild bears enter the dens, the two groups (wild and captive) differed little in size. For in males killed between August 1 and October 31, the mean condylobasal length of captives exceeded that of the wild specimens by 5 | per cent (6 skulls in each sample). No differences were noted in the development of | the dentition up to this time; thereafter the eruption of the permanent canines took | 92 R.L. Rausch Table 5 place rapidly in the cap- tıves. In a female killed on November 12, the upper canines already had emerged 9 mm bey- Skull dimensions (in mm) of captive bears according to age class; data on 5 specimens killed during the winter are not included N Dur 7 Sue | re ond the alveolar mar- gins?, and the same value 1 g 6 12-192 168 92-118 105 was obtained from a 0,88 07151 180 107. 2,..91 102 1097 male skull dated Novem- A. 31,023022384%933 7.152 198.0 435 ber 19. This dimension I 70,03 4010 055 8990. 109 129, 105 was 16 mm for a female In 9.2.7259 26477 2617001521747 7163 on December 28, and 19 en 262 = 164 > mm for a male on Fe- IV Ö 3. 260—283 269: :153—1647 59 bruary 3; in the latter, HE +3 SE = the extent to which the V | 264 07 — 23 u ine had er- Se = R: 147 = pper canine em Re 2 5 172 Er ged was equal to that Nil za 2% = 22 s% recorded for wild bears 3 ' 288 8% 192 = at the end of the second va EN 247 — 164 == summer, and the con- dylobasal length (221 mm) exceeded any re- corded for wild bears in class II. The condylobasal length of a captive male killed on May 14 (second summer) was greater than the mean for wild males in class III (232/227 mm). The disparity in size between the two groups increased thereafter, as suggested ın Fig. 9; additional data on relative growth in the captives are presented in Table 4. Growing steadily throughout the year, the captives would be expected to attain maximum size in about half the time required by animals living under natural con- ditions ıf both grew at the same rate. However, since differences in average size were already evident in first-year anımals, time was not the only variable involved. Not only did the captives grow at a more rapid rate, but there was an indication that they would become larger than wild bears. The skull dimensions of captive bears are summarized in Table 5. Comparative data on body weights are presented in Table 6. Two bears, captured when 3 to 4 months old, regularly denned for at least 6 months of the year and, in the pattern of their annual cycle, were the only captıves that might be considered comparable to wild anımals. These bears, a male and a female, were maintained for 7 and 10 years, respectively, and thus would be assiıgned to age classes VII and VIII. The layers of dentin in the upper canıne of the male corresponded with chronological age, but the most recently formed layers could not be interpreted in the tooth from the female. Irrespective of the findings in the teeth, the characteristics of the skull and long bones were in both cases typical of wild bears of class IX (see Table 4). These two anımals seemed to provide evidence that the captives grow at an accelerated rate, whether they den or not. Nurritional factors evidently were responsible for the aforementioned differences in growth rates. According to CHATELAIN (1950), and from my own observations, | the diet of black bears in south-central Alaska is much the same as has been reported | for these animals at lower latıtudes (BiGELow, 1922; MurIE, 1937; COTTAM ET AL. 2 Measured along the medial side of the canine from the point at which the ventral border of the premaxilla joins the maxilla. Notes on the Black Bear in Alaska Table 6 93 Weights of captive and wild bears according to age class Captive A Sex | Date | Age ne | Sex | I & 14 August 6%b2 months 24.0 & 28 June 5 months d 40et 8 months 38.6 d 28 June 5 months 12.5 & 13 Oct 812 months 41.0 & 8 August 6 months 11.4 8. 1. Oct 8 months 22.3 d 4Oct 8 months 12.7 & 28 Oct 9 months 13.6 © 12 Auguste 6% months 25.0 9 6 June 4 months 8.9 © 27 August 7 months 295 9 8 August 6 months 11.8 9 22 Oct 9 months 19.0 9 17 August 61% months 18.2 9 31 Oct 9 months 18.2 . Intermediate & 3 Feb 12 months 66.0 I/II Q 12 Nov 10%2 months 31.8 Q 28 Dec 11 months 35.4 II & 14May 1512 months 57.7 & 27 May 16 months 62.7 Q 25 May 16 months 63.6 2 27 August 19 months 54.5 BE nediase & 14 Jan 231% months104.5 III dö 9May 2 years, 88.6 3 months dö 3Nov 2 years, 126.0 9 months Q@ 3 Nov 2 years, 123.6 9 months IV dö 5 June 3 years, 80.4 4 months & 21 June Ioyıearsı 732 5 months & 27 August 3 years, 147.7 7 months V dö 1Marc 4 years, 102.3 1 months 9 9 April 4 years, 109.1 2%2 months VI d 6 August 5 years, 100.0 6 months VII & 13 April 7 years, 159.0 & 21 June — 732 2%2 months VIII &ö 7 April 8 years, 165.0 2 months © 28 June 10 years, 91.8 5 months & October 94 R.L. Rausch 1939; BENNETT ET AL., 1943). After emerging from the dens in early spring, the bears commonly tear open logs and dead trees in order to obtain carpenter ants, Campo- notus herculeanus (Linnaeus), which also are eaten throughout the summer. They feed upon new growth of grasses and sedges in the spring and early summer and, as the season progresses, an increasing proportion of their diet is comprised of berries; these include the fruits of Vaccinium spp., Empetrum nigrum L., Viburnum edule (Michx.), and Streptopus amplexifolius (Linnaeus). Carrion is consumed when avai- lable, as are any anımals that can be captured. The young bears are probably weaned when about 5 months old. I examined three cubs which, with their mother, had been struck by an auto on June 28. The stomachs of all four anımals contained adults, larvae, and pupae of the carpenter ant, along with a small amount of vegetation. No trace of milk was found in the stomachs of the cubs, although a small amount could be expressed from the mammary glands of the old female. Lactatıon had essentially stopped in another female, also with three cubs, that was killed on July 6; again, carpenter ants comprised the bulk of the stomach contents. Consequently, whatever fat the cubs accumulate prior to denning is deposited after they have been weaned. The diet of the captive bears was composed essentially of cereal (maize meal) cooked with meat and, from time to time, supplemented with uncooked meat or fish and leafy vegetation. A commercially prepared “dog food,“ consisting mainly of cereals and limited amounts of anımal tissues, was also fed occasıonally. Unweaned bears received milk and cereals. Water was available ad libitum. Although these data are of little value for detailed comparisons, ıt ıs evident that the diet of the captives had a much higher calorıc content than that of the wild bears. This may account for the more rapid growth in the former and for the greater size attained by them. Abnormal growth of bone, in the form of hyperostosis, was noted to varyıng degrees in some of the captive animals. Attention was drawn to such cases by the unusual weight of the skulls as compared with those of wild individuals. When such skulls were sawed longitudinally, it was found that certain bones, particularly the parietals, the basılar part of the occipital, and the body of the sphenoid, were much thickened. Further investigation also disclosed considerable thickening of the compact bone in the shaft of the femora in such anımals, but it was not determined whether the entire skeleton was so affected. This condition was perhaps related to the high phosphorus content of the artificial diet. It ıs of interest that an apparently identical condition has been described in captıve lions by Howeıı (1925). Although subject to some modification by local conditions, the denning period of black bears at lower latitudes is relatively short. In the State of Washington, for example, the anımals spend about 5!/g months in dens situated at higher altitudes, but only 21/2 to 3 months in dens in the lowlands (Dargauest, 1948). The denning period is about 4 months ın Pennsylvanıa (GERSTELL, 1939), and becomes increasingly short toward the south. HamıLton (1943) indicated that bears may fast briefly even | at the southern limits of their geographic range, but BAkER (1956) cited limited | evidence to the contrary. In any event, if diets are comparable, black bears in the, southern United States might be expected to attain full growth ın about half the tıme required in south-central Alaska; thus, they would closely resemble non-fasting | captives in pattern of growth. Although regional differences are to be expected, they may also resemble the captives ın the failure of the canine teeth to develop annulations correlated with extended periods of fasting; if so, segregation of younger animals by age class might be difficult. Whether longevity is affected by the duration of the annual fasting period remains to be determined; however, long-term studies of mar- ked wild bears will be necessary to clarıfy some of these questions. WEIGHT Notes on the Black Bear in Alaska 95 VII. Reproduction Although too little material was available to permit a detailed study, the general reproductive pattern of the black bear in south-central Alaska was determined. The little information previously published on reproduction in this species was acquired much farther south. - Males Penile bones were collected from 30 bears, of which 17 were captives. In the youngest anımals, this bone is slightly curved and more or less cylindrical, with the greatest diameter near the proxımal end; the dorsal ridge ıs already visible. The bone evidently grows at a rather uniform rate until it reaches a length of about 135 mm. At this stage, the development of the distal end is nearly complete, and most of the subsequent \ growth takes place ın the proximal half of the bone.-A curve representing the deve- lopment of the os penis is obtained when length is correlated with weight (Fig. 10). It may be seen from this curve that weight begins to increase at a more rapid rate , about at the time the aforementioned length has been attained. Since it occurs in wild ı bears in the 5th or 6th summers (3rd or 4th summers in captives), the change in rate o©- CAPTIVE ®- WILD (GM) IO 30 50 7o 0) 130 ISO 170 30 LENGTH (MM) Figure 10. Pattern of growth in the penile bone of the black bear 96 R.L. Rausch probably coincides with the onset of puberty. Since the longest and heaviest bone was taken from the oldest available animal, it seems possible that the os penis may con- tinue to grow throughout the life of the individual. In this connection, it has been found that the weight of the penile bone increases with age in the mink, Mustela vison Schreber (ELDER, 1951). The os penis of the black bear is relatively straight, but con- siderable individual variation in shape was noted. Penile bones from wild and captive bears are shown in Fig. 11. The relationship between age and the development of the os penis is best under- stood in certain species of small carnivores (mustelids) which, compared with the blak bear, mature rapidly A > (WRIGHT, 1947; FRryLeEy, 1949; Bu———— ELDER, . .1951;° "Weıchr Ge RauscH, 1955). Immature indivi- Ge er een a 3) duals can be distinguished from adults by the weight of the penile Des nr ee bone, and, in some cases, it has been found that the growth of Een mus this structure is much accelerated with the initiation of spermato- Fo en genesis. WRIGHT (1950) demon- strated experimentally that the G Gera development of the penile bone in the longtailed weasel, Mustela _ en frenata Lichtenstein, is controlled ; H by androgens, particularly testo- ' | sterone. As might be expected, the | an growth of this bone appears to be { {| sımilarly regulated in the black - 60 MM bear. A 10-month-old bear was ı Figure 11. Outlines of representative penile bones killedihl from black bears, by age class: A, October 28 (I), castrated by me and was killed wild; B, February 3 (VII), captive; C, May 27 (II), early in the 5th summer of like , captive; D, May 9, (III), captıve; E, August 27(IV), (March 1), at the age of about‘ captive; F, March 1 (V), castrated captive; G, 4 years. The penile bone of this ' August 6 Ve 5 Ben (IX), wild; I, anımal was strikingly slender, \ e : measuring 115 mm in length, with \ a weight of only 2.1 Gm (see Fig. 11, F). Compared with bones from captives killed | a Summer earlier (class IV), it was only 10 to 15°/o shorter, but weighed from 60 to |‘ 75°/o less. Increase in the length of the penile bone is evidently controlled only | partially by androgens, but its growth otherwise appears to be entirely dependent | upon these hormones. As far as could be determined from the available material, ı the growth of the penile bone in wild black bears is not influenced by androgens before the third summer. Findings in the reproductıve organs of 23 male bears are summarized in Table 7 Although the critical age classes are inadequately represented, these data tend to. support the earlier inference that puberty is attained by wild males in the 5th or 6th ı, summer. Spermatozoa were found in the epididymis of a wild bear killed in the 6th | summer, and in the testes of a captive killed early in the third summer; the latter is regarded as the physiological equivalent of a wild bear of class VI (see Table 4). The time of maximum sexual activity in the male could not be determined in my material. Spermatozoa were found in the testes and/or epididymides from about the middle of April until late August, but observations on captive animals indicate that ' Notes on the Black Bear in Alaska 97 breeding usually takes place in late June. There is no evidence that wild males differ from captives in the pattern of their reproductive cycle, nor did captive animals that denned appear to differ in this regard from those that remained active. Captive males sometimes attempted to copulate when the females were unreceptive; such behaviour was noted as early as April 13 and as late as early June. Females Excluding several first-year anımals, the genital organs from 14 female bears were studied. A well developed os clitoridis is present. This bone is largest at the proximal end, with a somewhat curved, laterally compressed shaft and a well defined knob at the distal end; in general form it is much like a small os penis. A fully ossified bone ' from a 3-year-old captive measured 39 mm in length and weighed 0.5 g. The deve- | lopment of this structure is perhaps controlled by the sex hormones in much the same way as is its homologue in the male. The occurrence of an os clitoridis in Ursus has | been reported previously (see LAyne, 1954). The bicornate uterus is relatively small and has a rather short, somewhat flattened body. In adults, the common lumen extends about 50 mm from the cervix to the bifurcation of the cornua; the latter measure up to 130 mm in length, with a maximum diameter of about 10 mm. Uteri | containing implanted embryos were not examined. | The ovaries varied in shape, but usually were more or less oval in outline and | somewhat flattened. They measured up to about 27 mm in greatest diameter in non- | pregnant females and had a maximum weight of about 2 Gm. Histologically, the ovaries of black bears are characterized by the abundance of luteinized theca cells that occur throughout the stroma as well as in corpora lutea and corpora atretica. In first-year females, killed when 9 or 10 months old, the ovaries contained large numbers of primary follicles measuring about 50 « in diameter; where some epithelial proliferation had occurred, follicles up to 180 # ın diameter were seen. Except for ‚ these first-year anımals, the younger age classes were poorly represented. A captive ‚ bear killed early in the second summer (May 25) had ovaries measuring about 18 mm ‚ in greatest diameter and weighing about 1 Gm each; many follicles, up to 1 mm in greatest diameter, were present, as were numerous atretic follicles (corpora atretica). A captive that was killed late in the third summer (Nov. 3), presumably the physio- logical equivalent of wild bears of age class VI, had not been kept with a male. The ovaries of this anımal weighed about 1.8 Gm and contained atretic follicles which differed in the degree to which they had been replaced by connective tissue; ovulation ı might have occurred during the previous spring. In a wild bear of class VII, killed | on August 6, the ovaries weighed about 2 Gm and contained numerous atretic follicles. | A captive female produced a single cub early in 1957, and the male was removed | the following April. When killed two years later, on June 28, 1959, at the age of | 101/2 years, one ovary was found to contain a mature follicle measuring 12 by 9 mm. Numerous corpora atretica were also present. The second ovary was lost. Two wild females of class IX were killed on June 28 and July 6, respectively, after each had produced 3 cubs a few months earlier. The ovaries of the former mea- ‚ sured about 23 mm in greatest length. Theca lutein cells were abundant and showed ‚ no signs of degeneration. In the one ovary that was sectioned serially, a single corpus \ albicans, measuring about 2 mm long, was identified; corpora atretica were numerous. | There were many developing follicles, measuring up to 2 mm in diameter. In the second animal, the ovaries showed little evidence of activity. They were smaller, | with a well defined cortex, and contained only a few follicles measuring less than | 1 mm in greatest diameter. Theca lutein cells were abundant. In the one ovary sectio- | | 98 R. L. Rausch Table 7 Summary of data on reproductive organs of male black bears Weight Weight of Weight of Age Class Date 2 ei (Cm) testis (Gm. en : Histological Ondings WILD I 28 June 0.25 13 0.3 Interstitial cells abundant I 28 June 0.25 13 1.0 in testes of younger ani- I 8 August 0.29 1.5 1.4 mals, becoming fewer in I 1 Oct 0.29 12 0.7 late summer and fall. I 25 Oct 0.50 1.4 0.5 Seminiferous tubules with mean diameter of 50 to 65 u. Cells undifferentia- ted, lumina lacking. IX 16 Feb 12.8 19.0 4.6 Seminiferous tubules com- paratively acellular, with only spermatogonia pre- sent; lumina large. Ducts of epididymis full of fluid. IX 27 April 10.0 17.9 5.3 Similar to next above. VI 21 June 4.8 35.2 7.0 _Spermatozoa few in semini- ferous tubules; numerous in ducts of epididymis; epithelium of latter degene- rating. IX 3 August 11.3 22.0 5.5 Spermatozoa present in ducts of epididymis, none in seminiferous tubules; testes becoming inactive. VI 6 August 6.6 17.5 4.7 Spermatozoa numerous in ducts of epididymis, none in seminiferous tubules. ned serially, a corpus albicans measuring about 1 mm in diameter was found; corpora atretica were numerous. Corpora lutea were found in the ovaries of only two bears. One, unaccompanied by cubs, was shot on September 27; the skull was not obtained, but the anımal was described as old by the hunter. The left ovary contained one corpus luteum, and the rıght ovary contained two; these bulged above the ovarıan surface, and measured 8, 8, and 7 mm in greatest diameter, respectively. These corpora lutea were about 3 months old if ovulation had occurred during latter June. They had well organized cores of connective tissue and exhibited little vascularity; theca lutein cells were scattered throughout the ovarian stroma. The cytoplasm of the granulosa lutein cells was quite granular. No blastocysts were found when the opened cornua were exa- mined under the dissecting microscope, but, since these would have collapsed in the preserved material, this was not unexpected. No effort was made to section the cornua serially. These corpora lutea did not closely resemble the inactive corpora observed in the ovarıes of the wolverine, Gulo gulo Linnaeus, prior to implantation of the blastocysts (WrıcHt and Rausch, 1955), nor those described from the ovaries of badgers, Meles meles Linnaeus, in which unimplanted blastocysts were found (NEAL and Harrıson, 1958). It is presumed that the uterus of this bear contained unimplan- ted blastocysts. | | The second animal with corpora lutea also was a solitary female (age class IX), killed during the week of September 7-13. The right ovary could not be found, pre- Notes on the Black Bear in Alaska 99 Fortsetzung Tabelle 7 | Weight | . Weight of | Weight of «9. ; ; h Age Class | Date oe a hi =) a Histological findings CAPTIVE a I 14 August 0.75 — — Similar to findings in class } I 1-Sept: 0.2 _ — (Wild) above. I 4 Oct 0.7 1.8 — I 3E@ert — 1.8 0.7 I 15 Oct 0.2 — — Vu 3 Feb 1.1 2 22038 > II 14 May 2.4 57 2.2 Primary spermatocytes present. II 27 May 227, 10.0 3.0 Seminiferous tubules with mean diameter of about 175 u. Interstitial cells few. Primary spermatocytes present. I/II 14 Jan 2.9 72. 2.2 Similar to next above. VII 13 April 10.7 36.8 5.5 Seminiferous tubules with mean diameter of about 250 u; many spermatids, few spermatozoa. No sper- matozoa in ducts of epi- didymis. 1081 9 May 4.7 37.0 5.8 _Few spermatozoa in semini- ferous tubules. None in ducts of epididymis. IV 27 August 6.3 7, 3.7 No spermatozoa in semini- ferous tubules, testes be- coming inactive. Ducts of epididymis filled with fluid; spermatozoa very few. III 3 Nov 37, 8.2 2.3 Seminiferous tubules ave- rage about 150 # in dia- meter, comparatively acel- lular; testes inactive. Inter- stitial cells numerous. sumably having been destroyed by one of two large tumors, described below, that involved the right cornu and accessory structures. The left ovary contained two corpora lutea which measured 8 and 6 mm in greatest diameter. Macroscopically, these structures appeared darker in color than those from the aforementioned animal; they also were more deeply situated and did not bulge above the ovarian surface. It was found in sections that both the corpora and the surrounding connective tissue were highly vascular. The granulosa cells were more deeply eosinophilic than those described above, and their cytoplasm was less granular. Essentially, however, the ovaries of the two anımals were the same histologically. Since it was desirable to retain the specimen intact, no search for blastocysts was made. The age at which females become sexually mature probably differs with latitude, ın accordance with expected differences in the rate of growth. Accurate information for wild bears in Alaska is lacking, and few observations have been made on captive anımals. Two young bears, a female and a male, born in 1949 and 1950, respectively, were placed together in a large enclosure at Anchorage, where they remained until | the male was killed in April, 1957. They excavated a deep den in which they spent 6-7 months annually. Successful breeding took place in the spring of 1956, when the 100 R.L. Rausch female was about 6 years and 4 months old (age class VII), and one cub was born late in the following winter. As mentioned earlier, these animals were regarded as approximately the same as wild bears in their pattern of development, but the female might have conceived earlier had a sexually mature male been present. In a second case, bears captured as cubs were maintained at Fairbanks by Dr. Raymono J. Hock, who provided the following observations. The female, born in 1955, denned little, if at all; the male, born in 1951, denned regularly. The two anımals were first put together in June, 1957, when the female was about 2 years and 4 months old; the male attempted copulation, but the female was unreceptive. A year later, however, breeding was successful, and young were produced about January 25, 1959, when the female was 4 years old. The latter was killed on. April 19, 1959; although actually of age class V, it was later concluded that this animal was physiologically equivalent to a wild bear of age class VIII. It is of interest that three captive females in Ohio all produced their first litters at the age of 4 years (BAKER, 1912). The time of year at which oestrus occurs ın the black bear seems not to differ from region to region, nor does there appear to be much difference between wild and captive animals in this regard. Three captıve females in Ohio produced 28 litters over a 21-year period, and their reproductive history was accurately documented (BAkER, 1912). The male, usually kept separately, was placed with the females each year about the first of June, but copulation was observed only during the last 10 days of June and the first week of July. Black bears were observed in coitu in Yosemite Valley, California, on June 25 (GRINNELL ET AL., 1937). The duration of oestrus in the black bear is not known, but the few available data suggest that it may be comparatively short. Mur1eE (1944) noted that a pair of brown bears copulated repeatedly over a period of about two weeks, and remained together for at least 23 days (south-central Alaska). PRELL (1930) reported the occurrence of pseudoestrus following true oestrus, and separated from it by an interval of variable length, in the brown bear and polar bear. Additional observations on this condition were reported by LINDEMANN (1954) and by STEINBACHER (1958). However, SCHNEI- DER (1953), from many observations on captive animals, concluded that pseudoestrus does not occur in the polar bear, but rather that true oestrus is of long duration. Long- term observations on both wild and captive black bears will be necessary to determine the length of the breeding time. The corpora lutea of pregnancy involute rapidly after parturition, but the fin- dings ın the ovaries of the aforementioned females killed in early summer with cubs of the year, indicated that postparturient ovulation had not taken place. This is in accord with the commonly held belief that black bears produce young only in alter- nate years. According to BAKER (1912), oestrus could be induced annually at the usual time in captive females if the cubs of the year were taken away in May. Post- parturient oestrus might therefore be expected to occur in wild bears if the young died soon after birth. It is possible a ovulation is inhibited during the period of lactation. Convincing evidence of delayed le in species of Ursus was furnished by Prerr (1930), as a result of observations on brown bears and polar bears. HAMLETT (1935) concluded that implantation is also delayed in the black bear, but it is apparent from the recent review by CanıvEnc (1960) that little information on this point has been acquired subsequently. Implantation of the blastocyst may occur in late Novem- ber according to Hamlett, who reported the finding of a 2-mm embryo in a bear killed on December 2 in Pennsylvanıa. However, GERSTELL (1939), also in Pennsyl- vania, found embryos about 20 mm long in animals killed in late November and early December. The black bear evidently has a gestation period of about 220 days, Notes on the Black Bear in Alaska 101 according to the data of Baker (1912), BRown (1936), and others. However, SCHNEI- DER (1953) found that the length of the gestation period varies to a remarkable degree in the polar bear, and a similar variation might be expected in other species of Ursus. Black bears in Alaska usually produce two or three cubs, according to observations made after emergence of the litters from the dens. The average number is probably just in excess of two, as was found to be the case for the large number of litters reported from captive anımals by BAker (1912). VIII. Parasites and Diseases Parasites All of the wild bears obtained with viscera were examined for parasitic helminths, of which 5 species were recorded. Since a detailed report on the parasites of bears is planned, they are considered only briefly here. Diphyllobothrium sp. was recorded once, from an adult bear killed on the lower Talachulitna River. Since only a portion of the cestodes could be preserved, the number comprising the infection was not determined. The fatal outcome of an experi- mentally induced Diphyllobothrium infection in a young black bear has been reported (Rausch, 1955). | Another cestode, Taenia hydatigena Pallas, 1776, was reared experimentally in a young bear. Two large strobilae were recovered when the animal was killed 47 days after ingesting the larvae. Although ostensibly normal in development, these were found to be sterile. This tapeworm occurs naturally in the wolf, Canis lupus Linnaeus. Nematodes representing 4 species were collected. The larvae of Trichinella spiralis (Owen, 1835) were found in 5 of 23 animals that were appropriately examined (RAauscH ET AL., 1956). Infections probably are acquired through eating: carrion. Dirofillaria ursi Yamaguti, 1941, was collected only once from this host, although it is a common parasite of the brown bear in Alaska. Ascarıids, Toxascarıs transfuga (RuporpHı, 1819), were found, particularly in late summer and early fall. Black bears seem often to become infected during their first summer. Hookworms, Uncinaria yukonensis (WOLFGANG, 1956), occur widely in bears in Alaska. The relationships between mammals that hibernate s. str. or, in the case of bears, that fast during the winter, and their intestinal helminths are complex and poorly understood. It has been observed that brown bears eliminate large numbers of cestodes (Diphyllobothrium) in late summer and fall, prior to denning; this may result from a change in diet (RauscH, 1954). Ascarids may be found in considerable numbers in bears during the fall, but they are evidently lost prior to denning (unpublished data). According to Dusının and LEsHKovIicH (1945), marmots, Marmota bobak sibirica Radde, which are true hibernators, lose their ascarıds before hibernation begins. The examination of a bear killed in the den on February 16, 1959, revealed 279 hook- worms in the small intestine. The fasting of the host presumably would have no effect on these nematodes, since they feed on blood.® 6 After completion of the study, I obtained an adult female black bear that had been killed at its den on February 26, 1961. The intestine contained 78 hookworms and 3 small specimens of Diphyllobothrium sp. Although the strobilae of the latter were little developed, they must have been acquired prior to the time of denning. This finding suggests that such tape- worms may survive by means of destrobilization. 102 R.L. Rausch No ectoparasites were found on the anımals examıned. JELLIıson and Konts (1939) reported a flea, Arctopsylla ursi (ROTHSCHILD, 1902), from black bears in south- central Alaska. I have collected this flea several times from brown bears. Diseases arts Excluding dental disorders, which are seen rather commonly in the older anımals, there was little evidence of disease in the available material. Findings in two bears were of unusual interest. Two large, more or less ovoid tumors involving the right horn of the uterus and the accessory structures were found in the old bear mentioned above. The right cornu appeared to be much elongated, with the tumors in tandem position; the distance from the point of bifurcation of the cornua to the anterior surface of the second tumor was 480 mm. The right ovary and its surrounding structures could not be identified and presumably had been destroyed. The first (posterior) tumor was situated about 130 mm from the point of bifurcation of the cornua; ıt measured 150 by 135 mm, and weighed 786 Gm. The latter was separated from the anterior mass by a tubular structure 120 mm long which was histologically compatible with somewhat abnormal fallopian tube. The second tumor measured 210 by 140 mm, and weighed 1500 Gm. When cut, the tumors were found to consist of soft, multicystic tissue surrounded by a loosely attached, fibrous covering. The cyst cavities contained a clear fluid that had solidified with fixation, but in some areas considerable blood was present. The diagnosis of liposarcoma was made by Dr. M. J. Wıcks, who undertook the histological study of the tissue sections. Since the entire anımal was not obtained, observations on other organs could not be made. The dying of an old male bear (age class IX) was observed and reported by hunters on April 27, 1957, a few miles west of Anchorage. Retrospectively, there was reason to believe that ie death of this anımal had been precipitated when it was pursued by the hunters in an airplane, but this was not confirmed. The anımal could not be recovered until two days later, by which time considerable post mortem degeneration had taken place. The bear weighed 93 Kg, and was moderately fat ;a thick layer of sub- cutaneous fat was present over the rump. Dissection revealed severe inflammation of the lungs and pleura. On the right side, the pleural surfaces were covered by a fibrinous exudate, but this was lacking in the left side of the thorax. Macroscopically, the cut surfaces of the lungs had a mottled appearance, with large areas of pale yellowish, amorphous tissue interspersed wıth ostensıbly normal areas. Both lungs were affected to about the same extent. Scattered, necrotic foci measuring 2-4 mm were present in the liver; the other organs were apparently normal. The histological findings, according to Dr. JamEs G. BRIDGENS, supported the conclusion that the changes ın the lungs had resulted from an inflammatory process, and the condition was diagnosed as bronchopneumonia. The probable origin of the pulmonary infection became evident after the skull of this anımal was cleaned. Chronic suppurative inflammation within the left tym- panic bulla had resulted in osteomyelitis with the formation of necrotic sinuses. The affected area was more or less circular, of about 40 mm in diameter (Fig. 12). The ventral wall of the tympanic bulla and the adjacent basilar portion of the occipital bone had been destroyed, leaving a sinus of about 20 mm in diameter. Exostoses were numerous on the surrounding surfaces, particularly on the paramastoid process. The stylo-mastoid foramen was involved, as were both the carotid foramen and the Eustachian opening. A sinus 25 mm in greatest diameter had perforated the medial | ® ’Y f f 7 I | \ Notes on the Black Bear in Alaska 103 surface of the pterygoid bone on the right sıde, opening from the natu- ral sinus cavities under- lying the parıetal and squamous temporal bo- nes. The bone surround- ing the foramen ovale was osteoporotic. A third necrotic sinus, about 10 mm in diameter, per- forated the palatine pro- cess of the maxilla on the left side, immediately posterior to the second molar but not involving its alveolus, from where it drained into the nasal cavity. The pulmonary infection evidently followed the aspiration of purulent exudate draining from the necrotic sinuses into the pharynx. The probability that this would occur was no doubt enhanced during denning time, when the capacity of the bear to evacute such material must have been significantly reduced. Black bears that survive to old age nearly always have badly worn molars, and often exhibit signs of periodontal disease. These disorders occur with greater frequency in brown bears and are largely a result of herbivorous habits. I have not observed any severely worn molars in a large series of skulls from polar bears, whose carnı- vorous propensities have been well documented. Fourteen skulls, of the series studied, represented aged animals (class X), of which 11 exhibited severely worn molars and signs of periodontal disease. The latter ranged from slight osteoporosis of the alveolar margins to extensive involvement of the alveolı and surrounding bone, with loss of teeth and the formation of necrotic sinuses. Diseased teeth had been lost from 3 skulls, and rather extensive absorption of alveolar bone was noted in several instances. In 8 skulls, attrıtion had been so severe that one or more teeth were represented only by their roots, which remained in the alveolı. Such excessive wear is not always accompanied by periodontal disease, but usually some signs of inflammation are visible. Signs of periodontal disease were noted ın 7 of 35 skulls representing age class IX, and, compared with the older anımals, the affected areas were much less extensive. In these specimens, injuries to single teeth had apparently given access to infection. There was no evidence of such disease in anımals of age classes I through VIII. Dental carıes does not occur in wild bears, according to CoLyEr (1936, p. 617). However, Ha (1940) reported having found carious teeth in 8 skulls among 360 that he examined, and he suggested that the condition was caused by a natural diet that he regarded as rich in sugar. ”Cup-like attrition,“ similar to that described by Cover, is seen rather commonly on the appositional surfaces of molars in both black bears and brown bears in Alaska. Some teeth in old black bears had remarkably deep cavities with dark-stained walls, which apparently had resulted purely from abrasion. How- ever, ıt was noted that organic matter, particularly plant fragments and small seeds, becomes impacted in deeply worn cavities that communicate with the pulp canals of the roots. The decomposition of such materials might lead to caries of the adjacent surfaces of the cavities, but histological study of properly prepared specimens will Figure 12. Diseased skull of a black bear. Two of the described areas are visible (arrows) 104 R.L. Rausch be necessary to evaluate these conditions. The canines of some of the aged animals had been broken off near the gingival surface, exposing the pulp cavity, and in such teeth infections were not observed. None of the captive bears showed any evidence of dental disease, although the canines in some were badly worn from their habitual biting of the metal rods of the cages. Few signs of injuries were observed in the skulls of the black bears compared with findings in skulls of either brown or polar bears in Alaska. Two old animals (class X) had sustained transverse fractures of one mandible. Healing had been complete in both, but there was residual periodontal disease in one, with involvement of the posterior root of the second molar; the extent of the affected area could no be defined because the observed thickening of the ramus had in part resulted from the healing of the fracture. Old fractures of one zygomatic arch had healed in three animals (class IX) with no significant deformity. The right mandible of another bear (class IX) exhibited osteoporosis over the anterior half of its lateral surface with no evident cause. An injury sustained by an adult bear (class VIII) involved the proximal end of the left nasal bone and the adjacent portions of the left frontal bone and the maxilla; after healing a shallow concavity about 60 mm in diameter remained. One case of unusual interest involved an old black bear (class X) shot during October, 1952, while raiding the provisions of a trapper near Skwentna. Local hunters noted the absence of tracks or other sıgns of actıvity while flying in the vicinity, but made no investigation until January, at which time the bear, shot through the head, was found outside the door of the cabin; the trapper’s stores were in a state of disorder, and the trapper himself was dead, presumably as a result of injuries inflicted by the bear. The animal was very thin, weighing only 73 Kg, and its stomach contained food items consumed in the cabin. After the skull was cleaned, signs of an old injury became apparent; bilateral perforations involved the lacrımal bones and the orbital portion of the temporal bones around the openings of the lacrımal canals. The injury was not recent, as evidenced by the proliferation of bone, but an irregular perforation persisted in the medial wall of each orbit. In view of the circumstances, the anımal might have been blinded by a bullet passing transversely through the head, which could explaın its poor condition and failure to den, as well as its having been attracted to the pro- visions in the cabin. Another bear (class IX) was found to have sustained a sımilar, though unilateral injury, resulting in the perforation of the medial wall of the left orbit near the opening of the lacrimal canal. A fragment of lead, possibly a bird-shot, was found embedded in the nasal bone of another adult anımal. Careless shooting is no doubt the primary cause of injury in bears, at least in populated areas. The causes of natural mortality in the black bear in Alaska are obscure, except for those indications discussed above. KurTEn (1958) has called attention to the high winter mortality in cave bears, as evidenced by skeletal remains in the caves in which they denned, but comparable information on black bears is difficult to obtain, for their dens are used only a few years at most, so that the accumulation of a significant quantity of remains cannot be expected. WrıcHT (1910, p. 67) remarked that he had found many carcasses of black bears „in dens and elsewhere,“ but he provided no further information. Winter at higher latitudes must be a rigorous time for individuals unable to build adequate reserves of fat. KURTEN stated, in reference to cave bears, that old animals with badly worn teeth enter the dens in poor condition and die during this period. Some old black bears have such badly worn teeth as to be, in effect, early edentulous, yet they are able to deposit what appears to be a normal amount of fat. However, the year to year fluctuations in abundance of food may be of critical importance to such individuals. Besides poor dental function, the aged animals are frequently afflicted with periodontal disease and, as noted by CoLYER Notes on the Black Bear in Alaska 105 (1936), aspiration of exudate may give rise to pulmonary infection. There is evidence that bears in poor physical condition do not attempt to den, instead remaining active into the late fall; such anımals must soon starve. Solitary cubs appear to be unable to den alone in northern regions and must also starve soon after the first autumnal snows. ERICKsoN (1959) found that two cubs released on islands in northern Michigan were able to survive the winter alone. In both cases at least a limited amount of food might have been available along the beaches. WEExKs (1888, cited in SıLvEr, 1957) expressed the opinion that many die during their first winter or soon after they emerge from the dens in the spring. The significance of interspecific and intraspecific strife among these animals is unknown. However, there is a widespread belief in Alaska that brown bears prey upon black bears at every opportunity. Acknowledgments x Many persons have contributed significantly to this study since its inception. Skulls and other materials from wild bears were provided especially by the following: Mr. and Mrs. PETER Banıng, Messrs. JERRY BRUNNER f, WEBSTER K. CLARK, RICHARD G. DrEw, WARD Gar, LEE Hancock, WILLIAM HERNANDEZ, FRENCHY LAMOUREUX, MAX SHELLABARGER f, JOHN Swıss, BRADLEY TEMPLE, L. H. Tempıe, MAarTın Vorys, and Mr. and Mrs. JoHn WHITE. Biologists of the United States Fish and Wildlife Service made available nearly all of the cubs that were kept in captivity, as well as other specimens. Mr. M. M. MoorE donated two captive bears that had been in his possession for several years. Dr. RayMmonD J. Hock gave me his observations and other data on captive anımals, and he provided the captive-born cub and skulls of adults. Dr. James G. BrıpceEns and Dr. M. ]J. Wıcks diagnosed the sections of diseased tissue, and Dr. MıcHAEL F. BEIRNE reviewed the histological findings in the ovaries. The radiographs were prepared by Miss HırL.pa Kvammen, R. N.; Dr. LAURENCE Irvıns and Dr. Epwarp M. ScoTT made suggestions regarding interpretation of some of the data. Some of the photographs were prepared by Mr. LEONARD J. PEyron. Dr. FrAncıs H. Fay and Mr. Francıs S. L. WıLLıamson have assisted with this work since 1955; I am indebted to them also for their critical review of the manuscript. The histological sections and illustrative material were prepared by Mrs. REGGIE V. Rausch, who has assisted with this study since 1951. | To these persons, as well as to others not individually named, I express my sincere thanks. Summary In Alaska, where the winters are relatively long and severe, the denning period of the black bear, Ursus americanus Pallas, lasts 6 to 7 months. During this time, a body temperature of 32-330 C. persists; this represents a decrease of about 5-6° from that of active animals. Growth in the black bear is correlated closely with the annual cycle and is limited largely to the period of activity. As a result of the interrupted growth, zones corresponding to the period of activity are laid down annually on the roots of the canines. The demarcation of the annual zones is visible as external, ring-like markings. The greatest amount of growth takes place during the first three summers of life, with the growth zones decreasing gradually in width thereafter until the roots of the canines are fully developed, usually in the 6th summer. These growth zones provide a means by which age in individual bears can usually be determined through the 6th summer of life. The first six age classes are designated I through VI in the present work. The remaining classes, designated VII through X, represent age groups that could be characterized only relatively by means of changes in the growing skull (closure of sutures; development of secondary sex characteristics), tooth wear, etc. Comparative growth was also investigated in the skulls of wild and captive black bears. It was determined that captives that did not den grew about twice as fast as wild bears within the same period of time. The lenght of the growing time is particulary significant in this connection, but the artificial diet received by the captives was presumably also important. In addition, some characteristics of dentition of the black bear have been described, including eruption times, sexual dimorphism, tooth wear, and variation. Reproductive biology has been discussed briefly, and findings on parasites and diseases have been presented. 106 R.L. Rausch Zusammenfassung In Alaska erreicht die Winterruhe des Schwarzbären, .Ursus americanus Pallas, eine Dauer von 6 bis 7 Monaten. Dies ist auf die Wirkung des strengen Winterklimas zurückzuführen. Während der ununterbrochenen Ruhezeit herrscht eine Körpertemperatur von 32 bis 330 C_, d. h. ein Temperaturabfall von etwa 5 bis 6°. Das Wachstum des Schwarzbären ist mit dem Jahreszeitenzyklus eng verknüpft und zu einem hohen Grad auf die Periode der Aktivität beschränkt. Als Folge des unterbrochenen Wachstumsprozesses lagern sich jährliche, in der Aktivitätsperiode auftretende Anwachszonen auf die Eckzahnwurzeln auf. In den ersten 3 Jahren ist das Wachstum am stärksten; danach wird der Zuwachs allmählich geringer, bis im 6. Sommer die Eckzahnwurzeln gewöhnlich voll- kommen entwickelt sind. Die Abgrenzung der Jahreszonen ist durch äußerliche, ringförmige Markungen ersichtlich. Durch diese Wachstumszonen wird jährlich bis zum 6. Sommer die Altersbestimmung ermöglicht. In der vorliegenden Arbeit werden die ersten 6 der 10 Alters- klassen römisch I bis VI bezeichnet. Die übrigen Altersklassen, römisch VII bis X, repräsen- tieren Altersgruppen, die nur relativ durch Veränderungen des wachsenden Schädels (Ver- wachsungsgrad der Nähte; Entwicklung der Geschlechtsmerkmale), Abnutzung der Zähne, usw., charakterisiert werden konnten. Schädelwachstum bei wilden und bei gefangen gehaltenen Schwarzbären wurde vergleichend untersucht. Es wurde festgestellt, daß die gefangenen Bären, ohne beträchtliche Aktivitäts- verminderung (keine Winterruhe), im gleichen Zeitraum ungefähr zweimal so viel wuchsen wie wilde Bären. In diesem Zusammenhang ist die Wachstumsdauer von besonderer Bedeu- tung,-und die Einwirkung des Kunstfutters war vermutlich wichtig. Neben den gemachten Beobachtungen wurden auch die Eigentümlichkeiten des Gebisses des Schwarzbären beschrieben, ash Zahnwechsel, Geschlechtsdimorphismus, Abnutzung, und Variabilität. Die Fortpflanzungsbiologie wurde ebenfalls kurz besprochen, desgleichen Feststellungen über Parasiten und Krankheiten. Resume En Alaska, ou les hivers sont relativement longs et rigoureux, la periode dans laquelle P’ours noir (Ursus americanus Pallas) reste dans sa tanıere hivernale dure de six ä sept mois. Pendant ce temps, la temperature corporelle des anımaux est 32-330 C.; c’est une diminution de 5-6° de celle des anımaux actifs. La croissance dans l’ours noir est en accord avec le cycle annuel et arrıve en grande partie dans l’epoque d’äctivite. A cause de la croissance intermittente, des zones correspondantes A cette Epoque annuelle se trouvent sur les racines des canınes. Les demarcations des zones annuelles sont visibles comme des marquages externes annulaires. La plupart de la croissance arrıve pendant les trois premiers etes de la vie, et en suite les zones de la croissance se sont reduites en largeur jusqu’ au moment ou les racines des canines sont developpees pleinement, usuellement dans le sixieme &ı£. Par ce moyen, on peut determiner l’äge des anımaux individus jusqu’au septieme &te. Les six premieres classes de l’äge sont nommees I— VI dans cette etude. Les autres, designees VII-X, representent des groupes que l’on ne peut que caracteriser relativement par moyen des changes du cräne croissant (fermeture des sutures; developpement des caracteres secondaires sexuels), l’usure des dents, etc. La croissance comparative des ours noirs captifs et sauvages a ere recherchee dans les cränes. On a trouve que les captifs qui ne sont pas entres dans leurs tanitres hivernales sont crüs ä peu pres deux’ fois plus vite que les sauvages, dans le m&me espace de temps. Bien que la longueur du temps de la croissance soit signihante icı, la diete artihicielle est aussi importante. En outre des caracteristiques de la dentition ont ete decrits, y comprenant l’eruption, la dimorphisme sexuelle, l’usure des dents, et la variation. On a discute brievement la biologie reproductive et des faits sur des parasites et des maladies. Literature BAKER, A. B. (1912): Further notes on the breeding of the American black bear in captivity. Smithson. Misc. Goll. 59, 1-4. — Baker, R. H. (1956): Mammals of Coahuila, Mexico. Univ. Kans. Pub., Mus. Nat. Hist. 9, 125-335. — BENNETT, L. ]J., EnGLisH, P. F., nn WATTs, R.L. (1943): The food habits of the black bear ın Pennsylvania. ]. Mammal. 24, 25-31. — BıGELow, N. K. (1922): Insect food of the black bear (Ursus americanus). Canad. Entomologist 54, 49-50. — Brown, C. E. (1936): Rearing wild anımals in captivity, and gestation periods. J- Mammal. 17, 10-13. — Caniıvenc, R. (1960): L‘ovo-implantation differee des anımaux sauvages; in: Les fonctions de nidation ut£rine et leurs trouble. Pp. 33-86. Masson, Paris. — CHATELAIN, E. F. (1950): Bear-moose relationships on the Kenai Peninsula. Trans. 15th No. Notes on the Black Bear in Alaska 107 Amer. Wildlife Conf. Pp. 224-233. — CoLyEr, F. (1936): Varıations and diseases of the teeth of anımals. John Bale, Sons & Danielsson, London. 750 pp. — Cortam, C., Nerson, A. L., and CLARKE, T. E. (1939): Notes on early winter food habits of the black bear in George Washington National Forest. J. Mammal. 20, 310-314. — DaLgauzst, W. W. (1948): Mammals of Washington. Univ. Kans. Pub., Mus. Nat. Hist. 2, 1-444. — Dusının, V. B., and LesHko- vıcH, L. I. (1945): Zhirovye rezervy tarbaganov ı ikh zarazhennost’ askarıdami pered vpadeniem v spiachku. Zool. Zhur. 24, 373-378. — EISENTRAUT, M. (1956): Der Winterschlaf mit seinen ökologischen und physiologischen Begleiterscheinungen. Gustav Fischer, Jena. 160 pp. — ErLper, W. H. (1951): The baculum as an age criterion ın mink. J. Mammal. 32, 43-50. — ERDBRINK, D. P. (1953): A review of fossil ‘and recent bears of the old world. Doct. Diss., de Lange, Deventer. 597 pp. — Erıckson, A. W. (1959): The age of self -sufficiency in the black bear. J. Wildl. Mgt. 23, 401-405. — FRriLEY, ]R., C. E. (1949): Age determination, by use of the baculum, in the river otter, Zutra c. canadensis Schreber. J. Mammal., 30, 102-110. — Gerste, R. (1939): The growth and size of Pennsylvania black bears. Pennsylv. Game News 10, 4-7. — GRINNELL, J., Dixon, ]J. S., and LinsDALE, J. M. (1937): Fur-bearing mammals of California. Their natural history, systematic status, and relations to man. Vol. 1. Univ. Calıf. Press, Berkeley. 375 pp. — Haut, E.R. (1928): Records of supernumerary teeth in bears. Univ. Calif. Pub. Zool. 30, 243-250. — Haut, E. R. (1940): Supernumerary and missing teeth in wild mammals of the orders Insectivora and Carnivora, with some notes on disease. J. Dental Res. 19, 103-143. — HAMILTON, JR., W. ]. (1943): The mammals of eastern United States. Comstock, Ithaca. 432 pp. — HAMLETT, G. _W.D. (1935): Delayed implantation and discontinuous development in the mammals. Quart. Rev. Biol. 10, 432-447. — Hock, R. J. (1951): Rectal temperatures of the black bear during its „hibernation.“ Proc. Second Alaska Sci. Conf. Pp. 310-312. — Howeıı, A. B. (1925): Pathologic skulls of captive lions. J. Mammal. 6, 163-168. — Irvıng, L., and Kroc, ]J. (1954): Body temperatures of arctic and sub-arctic birds and mammals. J. Applied Physiol. 6, 667-680. — JELLIson, W. L., and KoHurs, G. M. (1939): Siphonaptera: a lıst of Alaskan fleas. Public Health Repts. 54 (part 2), 2020-2023. — KALABukHov, N. I. (1956): Spiachka zhivotnykh. Khar’kovsk Univ., Khar’kov. 268 pp. — Kopy, F.-En. (1949): Le dimorphisme sexuel des canines d’Ursus arctos et d’U. spelaeus. Rev. Suisse de Zool. 56, 675-687. — Kurt£n, B. (1955): Sex dimorphism and size trends in the cave bear, Ursus spelaeus Rosen- müller and Heinroth. Acta zool. fenn. 90, 1-48. — Kurte£n, B. (1958): Life and death of the pleistocene cave bear. Acta zool. fenn. 95, 1-59. — LAYNne, J. N. (1954): The os clitoridis of some North American Sciuridae. ]. Mammal. 35, 357-366. — LINDEMANN, W. (1954): Zur Rassenfrage und Fortpflanzungsbiologie des karpatischen Braunbären, Ursus arctos arctos Linne, 1758. Säuget. Mitteil. 2, 1-8. — Mayr, E., Linstey, E. G., and UsınGer, R.L. (1953): Methods and principles of systematic zoology. McGraw-Hill, New York. 336 pp. — Muri£, A. (1937): Some food habits of the black bear. J. Mammal. 18, 238-240. — Muri, A. (1944): The wolves of Mt. McKinley. U. S. Dept. Int., Nat. Park Serv., Fauna Series 5. 238 pp. — Neau, E. G., and Harrıson, R. J. (1958): Reproduction in the European badger (Meles meles L.). Trans. Zool. Soc. London 29 (Part 2), 67-131. — PoHLr, H. (1923): Über den Zahnwechsel der Bären. Zool. Anzeiger 55, 266-277. — Preıı, H. (1930): Über doppelte Brunstzeit und verlängerte Tragzeit bei den europäischen Arten der Gattung Ursus Linne. Biol. Zentralbl. 50, 257-271. — RauschH, R. (1954): Studies on the helminth fauna of Alaska. XXI. Taxonomy, morphological varıation, and ecology of Diphyllobothrium ursi n. sp. provis. on Kodiak Island. ]J. Parasıt. 40, 540-563. — Rausch, R. (1955): Unusual patho- genicity of Diphyllobothrium sp. in a black bear. Proc. Helminth. Soc. Wash. 22, 95-97. — RauscH, R., BABERO, B. B., RauscH, R. V., and ScHILLER, E. L. (1956): Studies on the hel- minth fauna of Alaska. XXVII. The occurrence of larvae of Trichinella spiralis in Alaskan mammals. J. Parasit. 42, 259-271. — SCHEFFER, V. B. (1950): Growth layers on the teeth of Pinnipedia as an indication of age. Science 112, 309-311. — SCHNEIDER, K. M. (1953): Über die Tragzeit des Eisbären (Thalassarctus maritimus Erxl.). Zool. Anzeiger 151, 210-225. — SıLver, H. (1957): A history of New Hampshire game and furbearers. New Hamp. Fish and Game Dept. Survey Rept. 6. 466 pp. — Sımpson, G. G. (1941): Range as a zoological character. Amer. J. Sci. 239, 785-804. — STEINBACHER, G. (1958): Zur Fortpflanzungsbiologie des Braunbären (Ursus a. arctos). Säuget. Mitteil. 6, 27-28. — WRIGHT, P.L (1947): The sexual cycle of the male long-tailed weasel (Mustela frenata). J. Mammal. 28, 343-352. — WRIGHT, P. L. (1950): Development of the baculum of the long-tailed weasel. Proc. Soc. Exp. Biol. Med. 75, 820-822. — WRIGHT, P. L., and Rausch, R. (1955): Reproduction in the wolverine Gulo gulo. J. Mammal. 36, 346-355. — WrıcHT, W. H. (1910): The black bear. Charles Scribner’s Sons, New York. 127 pp. Anschrift des Verfassers: Dr. RoßBErT L. Rausch, Arctic Health Research Center, U. S. De- partment of Health, Education, and Welfare, Anchorage, Alaska Zur Nomenklatur und Abstammung des Hausmeerschweinchens Von Folkhart HÜCKINGHAUS Aus dem Institut für Haustierkunde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Direktor: Prof. Dr. Wolf Herre Eingang des Ms. 21. 3. 1961 Im Rahmen einer Bearbeitung der Unterfamilie Caviinae MurrRAY 1866 (Hückınc- Haus, 1961) ergab sich die Frage nach der Bezeichnung des domestizierten Meer- schweinchens. In der wissenschaftlichen Literatur ebenso wie auf den Namenstafeln in den Zoologischen Gärten findet man die verschiedensten wissenschaftlichen Benen- nungen für das Haus- meerschweinchen. Am häufigsten gebraucht wer- den Cavia cutleri Ben- nett 1836, Cavia cobaya Pallas 1766 und Cavia porcellus (Linnaeus) 1758. Der älteste Name ist Mus porcellus Linnaeus 1758. Alle anderen sind als Synonyme zu behan- Sarg deln. Wenn das Haus- ; SENT RES ==: ———— meerschweinchen eine mer ss selbständige Art wäre, N . . NZ e IEnNER hieße es demnach Cavia £ N N N . ee IN porcellus (Linnaeus) ma: NR 1758. Das Hausmeer- _. —— SEES schweinchen ist jedoch re N eine domestizierte Tier- Ve TEE form, die aus einer wil- Den 255 Gala den Stammart hervorge- EG 777. Microcavid „ungen ist. Da aber eine MO AT EIER NN Kerodon sang PETE Ze nomenklatorische Tren- I A4bb. 1. Verbreitung der Gattungen Galea, Microcavia, Kerodon und Cavia nung der Haustiere von ihren Stammarten, die im allgemeinen heute bekannt sind (HERRE, 1958), dem derzeitigen wissenschaftlichen Kennt- nisstand nicht entspräche, schlug BoHLKEN (1958, 1961) vor, die Hausform Zur Nomenklatur und Abstammung des Hausmeerschweinchens 109 den natürlichen Gegebenheiten entsprechend, nomenklatorisch wie eine polytope Un- terart der Wildform zu behandeln (vergl. HERRE, 1961). Gegen diese Auffassung sind Einwände erhoben worden (FELTENn, 1960), weil Nomenklaturgebräuche nicht hinreichend beachtet wor- 2 den seien. Als Stellung- Qi) de nahme zu solcher Kritik Gi) kann die Auffassung von ® Simpson (1961) ange- führt werden, welcher schreibt (p. 110): „No- menklature is completely an art and not a science at all, because it ıs solely ahhuman contrivance and ) corresponds with nothing 2 in (nonhuman) nature & even through applied to scientific interpretation of things existing in na- a ture“. Und weiter „A Ge) 2) basic principle of taxo- az nomic art is that its re- sults be useful“. Als Linn£ sein System zu- sammenstellte, waren die Beziehungen zwischen Haustieren und ihren Wildarten noch nicht durchsichtig. Für die An- sicht von BOHLKEN und die Berücksichtigung no- menklatorischer Regeln gelten daher die Worte VEN | von SIMPsoNn (p. 111): „lo maintain greatest Abb. 2. Verbreitung der Arten und Unterarten der Gattung usefulness, classification Cavıa = must be consistent not la Cavia aperea aperea 1g Cavia aperea tschudii 5 Hi ania aperea 1h Cavia aperea festina with knowledge of some € Cavia aperea hypoleuca li Cavia aperea guianae . . 1d era aperea pamparum 15 Cavia a anoalaimae fixed time in the iz le Cavia aperea sodalis 2 Cavia fulgida e 1f Cavia aperea osgoodi 3 Cavia stolida but as nearly N with the constantly changing knowledge of today“. Für die Nomenklatur des Hausmeerschweinchens ist daher die Kenntnis der wilden Stammform notwendig. Das domestizierte Meerschweinchen gehört eindeutig zur Unterfamilie Caviinae Murray 1866. Diese Unterfamilie wird in vier Gattungen gegliedert, das sind: Galea Meyen 1833, Microcavia Gervais & Ameghino 1880, Kerodon Cuvier 1825 und Cavia Pallas 1766. Ihre Verbreitung beschränkt sich allein auf Südamerika (Abb. 1). Diese Gattungen lassen sich an auffallenden Schädelmerkmalen leicht unterscheiden. Die Gattung Galea hat pigmentierte Incisiven. Das Lacrimale unterbricht den Pro- cessus zygomaticus des Maxillare vollständig. Seine orbitaseitige, fast dreieckige Platte ist gut ausgebildet. Dadurch ist ein Canalis lacrimo-ethmoidalis kaum zu erkennen. Microcavia-Schädel, die in der geringen Größe Galea-Schädeln fast ent- 110 F. Hückinghaus sprechen, haben keine pigmentierten Incisiven. Der Processus zygomaticus des Maxil- lare wird vom Lacrimale nicht vollständig unterbrochen. Die orbitaseitige Platte des Lacrimale ist nicht sehr stark ausgebildet. Zwischen der dorsomedialen Wand des Canalıs nasale und der pars lateralis des Siebbeines ist ein deutlicher Canalis lacrimo- ethmoidalis vorhanden. Die Gattung Kerodon fällt durch große, schlanke Schädel auf. Wie bei Microcavia sınd die Incisiven nicht pigmentiert. Desgleichen unterbricht das Lacrimale den Processus zygomaticus des Maxillare nicht vollständig. Ein Canalis lacrımo-ethmoidalis trıtt aber kaum in Erscheinung. Auch bei der Gattung Cavia sind die Incisiven unpigmentiert, und das Lacrimale unterbricht den Processus zygo- maticus des Maxillare nicht völlig. Charakteristisch ist aber auch hier seine orbita- seitige Ausbildung. Es ist eine kleine fast dreieckige Platte, die sich zum Corpus maxillare stark verschmälert und zwischen seiner dorsomedialen Wand und dem pars lateralis des Siebbeines einem großen Canalis lacrimo-ethmoidalis Raum gibt (HückıncHaus, 1961). Wichtig ist außerdem, daß allein bei der Gattung Cavia zwi- schen die Prismen der Backenzähne Zement eingelagert ist. In allen diesen Merkmalen stimmt das Hausmeerschweinchen mit der Gattung Cavia überein. Über die Zu- gehörigkeit des Haustieres zur Gattung Cavia kann also kein Zweitel bestehen. Das Verbreitungsgebiet der Gattung Cavia erstreckt sich von Kolumbien, Vene- zuela und Guiana im Norden bis in die argentinischen Provinzen Tucuman und Buenos Aires, mit Ausnahme der tropischen Wälder des Amazonasbeckens. Aus diesem großen Gebiet sind drei Arten und neun Unterarten bekannt (Abb. 2) (HückıncHaus, 1961). Das wesentlichste Artkennzeichen ist die Ausbildung des M3. So ist bei Cavia aperea Erxleben 1777 die aborale Verlängerung am zweiten Prisma des M3 nıe durch eine Falte vom Rest des Prismas getrennt (Abb. 3b). Bei Cavia fulgida Wagler 1831 trennt eine deutliche Falte die aborale Verlängerung vom Rest des zweiten Prismas (Abb. 3a). Bei Cavia stolida (Thomas) 1926 ist das zweite Prisma stark verlängert und nach innen hakenförmig umgebogen (THoMAs) 1926. Ein Vergleich dieser drei Arten mit dem Hausmeerschweinchen zeigt, daß es in diesem wichtigen Merkmal mit Cavia aperea übereinstimmt (Abb. 3c). Das Hausmeerschweinchen stammt also von Cavia aperea ab. Es muß daher im Sinne von BoHLkKEN (1958, 1961) Cavia aperea F. porcellus (Linnaeus) 1758 heißen. Alle anderen Schädelunterschiede zwischen Cavia aperea und der Hausform müssen, wie von mir nach- gewiesen, als Domestikationsfolgen angesehen werden (HückmGHaus, 1961). So entsprechen die Abnahme der a. Hirnschädelkapazität und die damit verbundenen Pro- portionsänderungen am Hirnschädel sowie die Verkür- zung der Schnauze den von allen anderen Haustieren (HERRE, 1955, 1958) bekannten Domestikationsmerk- malen. b. Nicht nur von zoologischem, sondern auch von kul- turhistorischem Interesse ist die Frage, wo die Domesti- kation von Cavia aperea vollzogen wurde. Naheliegend ist dabei an das Hochland der Anden, vor allem das Titicacabecken, zu denken, aus dem uns schon andere Stammformen autochthoner domestizierter Tiere, wie z.B. das Lama und das Alpaka (HERRE, 1958) oder die Nutzpflanzen Kartoffel und Tomate bekannt sind. Auch die hohe Kultur der vorkolumbianischen Einwohner die- 4b. 3. Ausbildung des m? ses Gebietes spricht für die Annahme eines Domesti- Cavi 2; Cauia JeRIeE 4 : 5 j avia aperea; c: Haus- kationszentrums in diesem Gebiet. Wesentlicher für meerschweinchen Zur Nomenklatur und Abstammung des Hausmeerschweinchens 1147 den Nachweis der Heimat von Cavia aperea porcellus sind aber die Funde der Meerschweinchenmumien aus dem Gräberfeld von Ancon, das aus der Zeit vor der Entdeckung Südamerikas stammt. Schon NEHRING (1889, 1891) untersuchte sie eingehend und stellte fest, daß sie in Fellfarbe und Anatomie teils dem rezenten Haustier, teils der Wildform aus den Anden, Cavia aperea tschudii (Fitzinger) 1867, gleichen. Nach HERRE und RÖHRs (mündlich) sind solche Gräberfunde im Aus- sehen von den rezenten Hausmeerschweinchen nicht zu unterscheiden. Ein von mir untersuchter Schädel zeigt aber noch eine auffallende Übereinstimmung mit dem Hochlandmeerschweinchen, obwohl eine Abnahme der Hirnschädelkapazität feststell- bar ist. Mit großer Sicherheit ist daher anzunehmen, daß das Meerschweinchen im Hochland von Peru domestiziert wurde und von der Unterart Cavia aperea tschudii abstammt. Zusammenfassung Das Hausmeerschweinchen stammt von Cavia aperea Erxleben 1777 ab. Es muß daher im Sinne von BOHLKEN Cavia aperea f. porcellus (Linnaeus) 1758 heißen. Die Untersuchungen von Hausmeerschweinchen-Mumien aus vorkolumbianischen Gräbern aus Peru machten wahrschein- lich, daß das Meerschweinchen im Gebiet des Titicacasees domestiziert wurde. Summary The domestic guiana pig descends from Cavia aperea Erxleben 1777. Therefore in the sense of BOHLKEN it must be called Cavia aperea f. porcellus (Linnaeus) 1758. The examination of domestic guiana pig-mummies from graves in Peru makes it possible, that the guiana pig became domesticated in the district of the Titicaca Lake. Literatur BoHLkEn, H. (1958): Zur Nomenklatur der Haustiere; Zool. Anz., 160; pp. 167-168. — BoHr- KEN, H. (1961): Haustiere und Zoologische Systematik; z. Tierz. u. Züchtungsbiol. (im Druck). — FELTEN, H. (1960): Besprechung von Erna MoRHR: Das Przewalskipferd; Natur und Volk, 90, 10. — HERRE, W. (1956): Fragen und Ergebnisse der Domestikationsforschung nach Studien an Hirnen; Zool. Anz., Ergbd., Verhandlg. d. Dtsch. Zool. Ges. Erlangen (1955); pp. 144 bis 214. — HERRE, W. (1958): Der derzeitige Stand des Domestikationsproblems; Naturw. Rund- schau (1959), pp. 87-94. — HERRE, W. (1958): Abstammung und Domestikation der Haustiere; In: Handbuch der Tierzüchtung, I; Parey-Verlag, Berlin-Hamburg, pp. 1-58. — HERrrE, W. (1958): Züchtungsbiologische Betrachtungsweisen an primitiven Tierzuchten; Zeitschrift f. Tier- züchtung und Züchtungsbiologie 71, pp. 252-272. — HERRE, W. (1961): Der Art- und Rasse- begriff; In: Handbuch der Tierzüchtung Bd. 3, 1. Halbband; Parey-Verlag, Berlin und Ham- burg. — HückınGHaus, F. (1961): Vergleichende Untersuchung über die Formenmannigfaltig- keit der Unterfamilie Caviinae MurrAY 1886; Ztschr. f. wiss. Zoologie 166, 1-2. — NEH- RING, A. (1899): Über die Herkunft des Meerschweinchens (Cavia cobaya); Sitz: Ber. Naturf. Freunde Berlin pp. 1-4. — Sımpson, G. (1961): Principles of Animal Taxonomy; Columbia University Press, XX; New York. — THomas, O. (1926): On Mammals from North Peru; Ann, Mag. Nat. Hist. 9, X VIII, pp. 166-167. Anschrift des Verfassers: Dr. Folkhart HückincHaus, Kiel, Institut für Haustierkunde, Neue Universität. Ahrenmaushügel in Österreich Von ANTAL FESTETICS Aus dem Zoologischen Institut der Universität Wien Eingang des Ms. 22. 3. 1961 Meinem Freunde, PauL WALpsorr (Halbturn) möchte ich an dieser Stelle danken, daß er meine Untersuchungen ermöglicht und mir dabei stets selbstlos geholfen hat. Die Grundlagen unseres modernen Bildes über die Verteilung der Subspecies des Mus musculus L. im mitteleuropäischen Raum legte ZIMMERMANN (1949) fest. Danach ist die phylogenetisch ursprünglichere Unterart Mus musculus spicilegus, in groben Zügen vom Wiener Becken bis zur Wolga verbreitet, und sie hat neben ihren äußeren anatomischen Charakteristika (Farbe, Farbgrenzen, Schwanzlänge, Körpergröße) eine wichtige ökologische, nämlich die ganzjährige Unabhängigkeit von menschlichen Bau- ten. Erdgeschichtlich relativ spät, wahrscheinlich im jüngeren Postglazial gelangte diese Stammform nordwestlich vordringend in den Raum von etwa Deutschland und Polen, ferner nach ganz Nordeuropa. Die hier entstandene Unterart Mus musculus musculus ist gegenwärtig ım Süden bis zwischen München und Wien, dann von der Elbe nah Osten zu und im Norden bis zur Eismeerküste verbreitet. Die Ostgrenze des Areals ist nicht sicher festgelegt. Neben den schon erwähnten äußeren anatomischen Unter- schieden ist der ökologische folgender: Die Unterart weist einen Übergang zum Kom- mensalismus auf, indem die meisten im Sommer als „Wildformen“ (auf den Feldern), im Winter aber kommensal (in menschlichen Gebäuden) leben. Da aber dieser Über- gang gleitend ist, gibt es auch ganzjährıg Wildlebende und auch ganzjährig Kommen- sale innerhalb der Subspecies. An diese Unterart schließt sich westlich Mus musculus domesticus an (wahrscheinlich auf ganz anderem phylogenetischen und geographischen Weg dorthin gelangt), der in früheren Zeiten als eigentliche „Hausmaus“ oft irrtümlich auch aus den musculus-spicilegus-Arealen gemeldet worden ist. (Vgl.: VASÄRHELYI, 1958.) Im Mediterranum innerhalb des westeuropäischen Raumes finden sich aber wieder (in Form und Farbe den osteuropäischen Wildformen etwas ähnliche) eigene Unterarten. In Südfrankreich fand ich eigene Populationen für die Salicornia-Step- pen und eigene für die Gutshöfe; so sind da parallel zu der musculus-spicilegus- Gruppe wahrscheinlich auch Wildlebende und Kommensalen vorhanden (BAUER und FestErics, 1958). Innerhalb des spicilegus-Areals lassen sich bei dieser ursprünglichen, kleinsten Steppenform wieder 2 Gruppen trennen: 1. mit ursprünglichem Wildtierverhalten, 2. mit abgeleitetem Verhalten; der Instinkt des Vorratsammelns ist schon verloren gegangen. Diese Differenzierung kann sich nur mit der Abspaltung der Halbkommensalen von " den Wildlebenden ausgebildet haben. Anscheinend sind sichere spicilegus-Merkmale \ nur die anatomischen, da das oben geäußerte ökologische Merkmal, ganzjährig wild- lebend, sowohl im ungarischen als auch im russischen Raum - infolge menschbedingter Zwangsanpassung — viele Ausnahmen mit sich bringt. Es handelt sich um eine ober- h I | Ährenmaushügel in Österreich 113 irdisch angelegte Wintervorratskammer, meist aus abgebissenen Ähren bestehend (da- her auch wahrscheinlich der Name: Ahrenmaus), die mit einer daraufgetragenen Erd- schicht zugedeckt wird und äußerlich an den Maulwurfshügel erinnert. Bevor ich aber mit der Beschreibung dieser Erdhügel beginne, muß ich ihre geographische Verbreitung einigermaßen klarmachen. 1. Die Verbreitung der ÄAhrenmaushügel Anläßlich einer Herbstjagd im Burgenland fand ich am 7. XI. 1959 an der Parndorfer Platte (im Nordosten des Neusiedlersees) auf Stoppelfeldern 5 Wintervorratskam- mern. Dies war der erste österreichische Fund. Eine weitere Untersuchung (29. XII. 1959) ergab um den Wittmannshof auf noch nicht geackerten Feldern je Hektar 10 bis 20 solcher Hügel, auf manchen Brachfeldern sogar mehr. Obwohl Bauer (1960) die Kleinsäuger des Neusiedlersee-Gebietes einer umfangreichen, langjährigen Untersu- chung unterzogen hat, ist er auf diese Ährenmaushügel nicht aufmerksam geworden; wahrscheinlich wurden sie mit Maulwurfshügeln verwechselt. ZIMMERMANnN (1949) vermutet das Fehlen dieses Wildtierverhaltens sogar für das ganze Pannonicum, wenn er schreibt: „Die südöstliche Form, M. m. spicilegus, zeigt ursprüngliches Wildtier- verhalten (Anlage von Winterbauten und Wintervorräten) nur im SW ihres Areals (Südukraine, Krim). Weiter nordwestlich (Ungarn) scheint sie sich im wesentlichen wie musculus in Deutschland zu verhalten.“ Diese Vermutung übernahmen auch MoHR (1950) und EısL-EiBEsreLDt (1950). Im Gegensatz dazu sind die Ährenmaushügel in Ungarn schon seit einem guten Jahrhundert bekannt. PETEnyt, der 1882 die Ähren- mäuse zuerst beschrieben hat, fand schon um die vierziger Jahre des vorigen Jahr- hunderts (EHık, 1929) die ersten als Hausmausvorratskammern erkannten Erdhügel. Eine gute Beschreibung gibt er über die Funde südöstlich von Budapest (vom 1. XI. 1852) bei CHYzeEr, (Vel.: PETEnyı) 1882. Die von Mojsısovics (1897) den Feldmäu- sen zugeschriebenen Nahrungsspeicher mit Setaria und Chenopodium sind auch sicher- lich Ahrenmaushügel. In seinem Werk über Ungarns Wirbeltiere gibt Lovassy (1927) eine detaillierte Beschreibung dieser Erdhügel. Interessanterweise hat aber VAsARHELYI (1958) nie solche Hügel gefunden: „Vermutlich hat die immer intensivere Wirtschaft diese Art von der Winterspeicherung abgeschreckt; wenn sie solche angelegt hat, hat der ständige Ackerbau ihre Speisekammern immer wieder vernichtet. Obwohl ich längere Zeit auch in solchen Gebieten gearbeitet habe, wo die extensive Wirtschafts- weise üblich war, habe auch ich die charakteristischen Ährenmaushügel dort nicht ge- funden. Während meiner Untersuchungen hat man mir zwar vielmals „Ahrenmaus- speicher“ gezeigt, dies waren aber meistens nur durch Pflug oder Egge zusammen- gestoppelte, mit Erde vermischte Unkrautanhäufungen, in denen sich Ähren- oder Waldmäuse angesiedelt hatten. Es kann sein, daß diese später auch ein Nest herein- gebaut und auch Nahrung in solchen gespeichert haben. Übrigens hat man mir als „Ahrenmausnest“ auch solche verlassenen Schermaus-, Blindmull- und Maulwurfsnester gezeigt, in denen ebenfalls irgendeine Maus oder Wühlmaus sich angesiedelt hat.“ Diese Bemerkung beschränkt sich natürlich nur auf die Lokalitäten, (z. B. Pusztapö, Komitat Szolnok, in der Großen Ungarischen Tiefebene) wo VASÄRHELYI gearbeitet hat, schließt aber nicht das Vorhandensein solcher Hügel schon in den Nachbarlokali- täten aus. KıTAißeL fand solche Hügel selbst in der transdanubischen Hügellandschaft, (HorvATH, 1918); an der Donau-Theiss-Platte kommt die Erscheinung regelmäßig vor und schließlich ebenfalls östlich der Theiss (Bekescsaba). Nach Marrıno (1930, bei ZIMMERMANn, 1949) kommen in Ostjugoslawien die Vorratshügel vor, dagegen überwintern die westjugoslawischen Mäuse in Gebäuden. Von Mirı@ erfuhr ich in 114 A. Festetics Belgrad, daß diese Grenze etwa in der Linie zwischen Kroatien und den ungarischen Gebieten (Baranya, Bäcska, Bänät) Jugoslawiens ist. PEus (bei ZIMMERMANN, 1949) beobachtete bei Salonıki (Griechenland) Hügel, bei denen er wegen der nicht aufge- tragenen, sondern aufgeworfenen Erde eine erhebliche Tiefe des Baues vermutete. Vergleiche ich dies mit der Entstehung der Ährenmaushügel (folgt weiter unten), so ist da eher an Maulwurfs- oder Blindmullhügel zu denken. Die zahllosen Erdhügel, die zwischen der türkisch-griechischen Grenze und Salonıkı von SCHWEIGER (mündl.) gefunden worden sind, hat nämlich der Finder alle als Blindmullhügel erkannt. Wie die Verhältnisse im siebenbürgischen Becken, der Wallachei und in Bulgarien sind, ist mir unbekannt. Für die Sowjetunion gibt TupıkovA (1947, bei ZIMMERMANN, 1949) etwa die Nordgrenze der Ukraine für die musculus-spicilegus-Grenze an, wesentlich nördlich davon aber (etwa in der Höhe von Mosyr, Woronesh, Borissoglebsk, Saratov, Kuibyschew, Kustanal und Barnaul) die Grenze zwischen Wildlebenden und Halb- kommensalen. In den Wolga-, Ural- und Kaspisteppen sollen die Ährenmäuse keinen Sammelinstinkt haben. BRAUNER (1925) stellte fest, daß ın der Südukraine (auch in der Stadt Odessa) die spicilegus-Populationen halbkommensal sind, also winterlich in Gebäuden leben. HErTNnErR (1956) beschreibt Wildlebende und Halbkommensalen der Schutzwaldzone der europäischen Sowjetunion. Schließlich nennt auch BERG (1959) für obige Zone die „Kurganmaus“ (dort „M. musculus hortulanus“) als häufig, welche die bekannten „Kurgantschiki“ (=Erdhügel) baut. Ob die Ährenmaushügel auch im Don-Wolga-Zwischengebiet eine normale Erscheinung sind, ist mir noch un- bekannt. Zu all diesen Beobachtungen sei bemerkt, daß ich mir keine wildlebende Population ohne Vorratsbau- bzw. Sammelinstinkt vorstellen kann. So müßten Beob- Ne N Abb. 1. Die Verbreitung der Ährenmäuse (Mus musculus spicilegus) mit ursprünglichem Wild- tierverhalten in Mittel- und Osteuropa. Die senkrechte gestrichelte Linie zeigt die Grenze zwischen den Verbreitungsgebieten des östlichen Mus musculus musculus und dem westlichen Mus musculus domesticus Ahrenmaushügel in Österreich 115 achtungen, wie etwa die von TurıkovA, ähnlich jenen von VASARHELYI sein, oder es handelt sich um Halbkommensale. Die Gebiete also, in denen die ursprüngliche Step- penform der Ährenmaus noch Wildtierverhalten, wie den Speicherinstinkt, behalten hat, sind hauptsächlich das Karpathenbecken und die Ukraine. (Abb. 1.) Interessant wäre es, das Grenzgebiet solchen Wildtierverhaltens zu studieren, etwa die Grenze der hügelbauenden Formen ım rund 50 km langen Gebiet zwischen Wien und Halb- turn. In den niederösterreichischen Voralpen lebt schon die (wahrscheinlich kommen- sale) Übergangsform zu M. m. spicilegus. 2. Lage und Beschreibung Als ich ein Jahr später (1960) intensiver die herbstliche Bauarbeit der Ährenmäuse beobachten konnte, habe ich die Hügel in großen Mengen gefunden. In überwiegender Zahl waren sie auf Feldern, die normalerweise weder im Sommer noch im Herbst ge- pflügt werden. Auf der Parndorfer Platte sind das Kleefelder, Robinien- oder Schwarzkieferbaumschulen etc., ferner die breiteren Stellen der grasigen Wegränder. So lagen die Hügel überwiegend — wenn wir den Großraum betrachten — entlang dieses Gitternetzes, das die weiten Felder der Kleinen Ungarischen Tiefebene in Form von Baumalleen oder Grasstreifen begrenzt. Deutlich ist dies eine zwangsbedingte Anpassung an die jährliche Bodenbearbeitung. Die Steppenform spicılegus hat ıhre ursprünglich mit Wildblumen- und Wildgrasähren gefüllten Winternahrungsspeicher wahllos mitten im jungfräulichen Steppengelände angelegt, wie die Hügel auf Stoppel- feldern zeigen. Immer wieder versuchen die Mäuse, ihre Hügel auf solchen zu bauen; so fand ich auf Maisstoppelfeldern, die am spätesten eingeackert werden, eine große Zahl von im Bau stehenden oder fertigen Hügeln. In den Ebenen der südlichen Ukraine (BRAUNER, 1925) und Ungarns (PETEnyı, 1882) sınd viele Hügel auch ın Weizen-, Gerste- und anderen Stoppelfeldern gefunden worden. Offensichtlich bevor- zugen also die Mäuse eine horizontale Verlagerung ihrer Speicher gegenüber einer vertikalen, das heißt, in Zwangslagen transportieren sie lieber über größere Strecken die Ahren zu ungestörten Standorten, anstatt eine pflugscharsichere, entsprechend tiefliegende, unterirdische Vorratskammer anzulegen, wie es etwa Microtus arvalıs tut, oder noch ausgesprochener Cricetus cricetus. In der frischen Herbstsaat, auf Zuk- kerrübenfeldern und Weideflächen fand ich bisher noch keinen einzigen Hügel. Auf einem Maisstoppelfeld standen die Hügel 30 bis 700 m voneinander entfernt in den Zwischengräben der ehemaligen Maisreihen. Auf den relativ schmalen Feldern mit jungen Obstbäumen standen sie viel dichter, — entsprechend der sekundären Lage - jedoch nie näher als 10 m voneinander. Mit Unkraut bewachsene Felder scheinen die Ahrenmäuse zu bevorzugen. Der Hügel hat einen runden oder ovalen Basalumriß a ist im frischen Zustand kegelförmig. Der Basaldurchmesser mit 60 bis 120 cm und die Kegelhöhe mit anfangs bis 50 cm vom Neusiedlersee entsprechen den Normalhügeln der Ukraine, wo aber auch größere Hügel in bestimmten Jahren zu finden sind. Bei Mißernten sammeln nämlich die nach Herrner (1956) im Russischen auch „Hügelmäuse“ genannten Formen von Rispenähren das 4-5fache der normalen Getreidemenge. Diese Hügel haben dann meist einen ovalen Basalumriß mit Durchmessern von 70 cm X 170 cm. Der Hügel besteht im wesentlichen aus einem zentralen Kern von reinen Samen oder Ähren und einer 4 bis 15 cm dicken, daraufgetragenen Erdschicht. Die meisten ober- irdischen Speicher werden um eine „feste Achse“ gebaut, wie etwa einen alten Mais- wurzelstock oder einen jungen Baumsproß, etc. (Abb. 2 und 4c). Oft, aber nicht immer, ist eine Art „Zeltgraben“ um den Hügel zu finden, vermutlich die Stelle, von wo die 116 A. Festetics Abb. 2. Die Entwicklung 4 des oberirdischen Winter- 2. speichers der Ährenmaus im Gelände. — 1: Die abgebis- senen Ähren werden an ei- nem relativ windgeschütz- ten Ort um eine feste „Ach- se“ gestapelt. — 2: Um die Ähren wird eine dicke Erd- schicht kranzförmig ange- legt und nach oben zu zen- tripetal verbreitert. — 3: Der frisch- fertige „Nahrungs- hügel“ ist kegelfornie 4: Nach dem intern Schnee und Regen wird der Hügel breit und flach Abb. 3. Verlorengehen des ursprünglichen Wildverhal- tens bei der Ährenmaus. — 1: Winteraufenthaltsort der wildlebenden Populationen, Burgenland, 1960. Nest in 25 cm Tiefe mit 15 cm Durchmesser, Nahrungs- speicher 180 cm breit, 30 cm hoch. — 2: Sommeraufent- haltsort der halbkommen- salen Populationen, (HE- RoLD, 1924), Beobachtung auf der Greifswalder Oie/ Ostsee, 1922; Nest in 20 cm Tiefe mit 10:25 cm Durch- messer und einem 40 cm langen, blindendenden Gang ın die Tiefe. — 3: Ganz- jähriger Aufenthaltsort der kommensalen Populationen, Wien, 1960; statt Nest nur Nische unter dem Fußboden in einem Raum Sr SS x aA NN \ \ N Mäuse ihre letzte Erdmenge zum Bedecken gewonnen haben. In der zentrifugalen Wandung dieser Gräben münden unterirdische Gänge zur Oberfläche. (Pfeil bei Abb. 3,ı und Abb. 6a.) Weitere Mäuselöcher finden sich meist rund um den Hügel, aus ver- schiedenen unterirdischen Richtungen kommend, seltener aber auch an der Hügel- oberfläche. Ihre Zahl beträgt 8 bis 40 Stück je Hügel, sie liegen in einem etwa 10 bis 20 cm breiten Streifen um ihn herum. Unter dem Hügel in einem horizontalen Be- reich von wahrscheinlich 2-3 m ist ein systemloses Labyrinth von Gängen (mit 2 cm Durchmesser) zu finden, 3 bis 5 davon münden zur Speicherkammer. 15 bis 30 cm unter dieser, meistens nicht zentral liegend, wurde meistens das Nest (bisher immer nur eines!) der Mäuse gefunden. Es war kugelförmig mit durchschnittlich 15 cm Durch- messer und 1 bis 3 Gangmündungen. In dem mit trockenem Gras und Robinienblättern ausgepolsterten Wohnkammern fand ich nie Nahrungsreste oder Exkremente. Im Untersuchungsgebiet befindet sich unter der ca. 0,50 bis 1 m tiefen, braunen Erdschicht eine gelbe, lehmige Erdmasse. Interessanterweise waren die etwa 10 cm unter der Erdoberfläche laufenden Mausgänge mit solchem Lehm innen ausgefüllt, was von der Tiefe zeugt, welche die Mäuse beim Ganggraben da erreichen. Es machte den Eindruck Ahrenmaushügel in Österreich 117 einer durch die Grabtätigkeit passiv mitgeschleppten Erde und nicht — wie bei Spalax leucodon nach FESTETICS (in Vorbereitung) — einer Bau- und Stampftätigkeit mit aktiv hintransportiertem Lehm. U7B 77 Hestattes Abb. 4. Vergleich der durch Säugetiere verursachten Erdhügel in Mitteleuropa. Links Photo, rechts schematische Querschnitte. — a: Maulwurfshügel, Talpa europaea. — b: Blindmull- Hügel, Spalax leucodon. — c: Nahrungsspeicher der Ährenmaus, Mus musculus spicilegus. — Aufn. A FESTETICS 3. Inhalt und zeitliche Entwicklung Die bisher von mir kontrollierten burgenländischen Winternahrungsspeicher hatten alle einen homogenen Inhalt, entsprechend dem Stoppelfeld, auf welchem sie angelegt waren. So beinhalteten jene an Maisfeldern ganz reine Maiskörner (Abb. 5, c und f), jene an Gerstenfeldern ausschließlich Gersteähren. (Abb. 5, b und e) Alle Hügel aber, welche an den Randstreifen, auf Brachfeldern oder Baumschulen gefunden worden sind, enthielten fast 100%/ovig Hirseähren (Setaria glanca). Wie Per£nyı (1882) und BRAUNER (1925) aus der Großen Ungarischen Tiefebene bzw. der Südukraine berich- ten, bevorzugen die Ährenmäuse auch dort primär diese Wildpflanze. Folgende Pflan- zen wurden in spicilegus-Speichern gefunden: 118 A. Festetics Abb. 5. Inhalt der ÄAhrenmaushügel. — a: Die Rispenähren (Setaria glauca) sind im Hügel ım Dezember noch in sauber-trockenem Zustand (im Bild rechts), im Januar aber schon feucht und keimen (im Bild links, Pfeil zeigt auf die Keime). — b: Die Gerstenähren (Hordeum disticham) im frisch-trockenen Zustand im Dezember (im Bild rechts) und im halbausgefressenen, keimenden Zustand im Januar (im Bild links, Pfeil zeigt auf die Keime). — c: Geöffneter Hügel von oben mit homogenem Maisinhalt. — d: Mitte des Winters sind die Rispenähren ein einziges verfilztes Keimwerk mit einer sehr zarten oberen Schicht- (Pfeil). — e: Als erster durchbricht die Gerste mit ihren hochvitalen Keimlingen die Oberfläche des Hügels. — f: Die Maiskörner keimen am spätesten. — Aufn. A. FESTETICS a. Kleine Ungarische Tiefebene 1. Setaria glauca: Ss N er ee VEBSERSTERWEE 2. Hordeum distichum : . FESTETICS 3. Zea mais . j ; j j ; i A . FESTETICS Ahrenmaushügel in Österreich b. Große Ungarische Tiefebene 1. Setaria glauca . PETENYI 2. Atriplex hortensis PETENYI 3. Atriplex tatarica PeEr£nvi 4. Panicum miliaceum PETENYI- 5. Eryngium campestre PETENYI 6. Chenopodium album PETENYI 7. Triticum vulgare PETENYI 8. Hordeum distichum PETENYI 9. Cannabis sativa PETENYI 10. Chenopodium glaucum .Mojsisovics 11. Chenopodium polyspermum . MojJsısovIcs c. Südukraine 1. Matricaria chamomilla BRAUNER 2. Setaria glauca . BRAUNER 3. Hordeum distichum BRAUNER 4. Triticum vulgare BRAUNER 5. Avena sativa BRAUNER 6. Secale cereale HEPTNER 7. „Unkraut“ HEPTNER 219 Um einen quantitativen Durchschnittswert zu gewinnen, hatte ich den Inhalt mittelgroßer ÄAhrenmaushügel am 4. I. 1961, zu einer Zeit also, wo vermutlich nichts mehr dazugetragen wird, gemessen. Alle 3 angeführten Winterspeicher hatten einen ganz homogenen Inhalt: 1. Maiskörner, trocken . i kg 3,60 2. Gersteähren mit langem Keim, Hemdh kg 4,00 3. Hirseähren mit langem Keim, feucht . kg 9,80 Gerste und Hirse waren in einem sauberen, zentralen Klumpen, die Maiskörner aber auch an der Peripherie, mit Erde vermischt. So nahm ich alles mit, schwemmte die Erde mit Wasser aus und trocknete schließlich die gesäuberten Maiskörner. Nach HiEPTNER (1956) speichert die „Hügelmaus“ 2,5 bis 16 kg, am häufigsten 5-7 kg ın der Sowjetunion. BRAUNER(1925) führt 1,5 bis 3,25 1 für die Südukraine an, bei Miß- ernten von Hirse das schon erwähnte 4-5fache Quantum aber. Wenn wir also als Durchschnittswert 5-6 kg pro Hügel nehmen, und die Tagesrate einer Maus (Haus- maus, gemessen von CONDE, 1944) in Gerste 3,2 g ausmacht, (bei anderen Objekten, wie Fleisch, Brot etc. bedeutend weniger) ist das ein großes Quantum, aus welchem 4-6 Individuen sicher ein halbes Jahr leben können. Daß bei den einzelnen Ähren die nichtverwertbaren Teile schätzungsweise 1/3 ausmachen, ist einkalkuliert. Bemerkt sei noch, daß nach Herorn (1924) Mus m. spicilegus gegenüber den Microtus-Arten ein sehr minimales Trinkbedürfnis hat. Im Burgenland beginnen die Ahrenmäuse relativ spät, Ende Oktober-Anfang November, mit dem Bau oberirdischer Winterspeicher. In der Ukraine sind die Hügel Mitte Oktober schon fertig, zur Zeit, wo im darunterbefindlichem Nest noch die Jun- gen der letzten Würfe sind. (Der Wurf von Ende August und ein ganz frischgeborener Wurf) (BRAUNER, 1925). Nach Hertner (1956) stehen die Hügel von Ende VIII bis Ende XI im Bau. Berc (1959) führt nur 3-4 Wochen (im VIII oder IX) für die Bau- 120 A. Festetics zeit an. PET£nyı (1882) beobachtete, daß die Ährenmäuse auch ım Winter bis zur Frostzeit ihre Hügel ständig reparieren. Die burgenländischen Hügel waren großen- teils Anfang Dezember fertig, zur gleichen Zeit fand ich aber ausnahmsweise noch offene Speicher. Die Entwicklung dieser Hügel geht folgendermaßen vor sich: es werden die Ähren möglichst — wie schon erwähnt — um ein festes Gebilde angehäuft, und gleichzeitig um sie herum ein Kranz von Erde angelegt. So wachsen beide Mengen parallel und die Erdschanze breitet sich nach innen und oben aus, und verdeckt schließlich auch am Gipfel des Kegels die noch frei sichtbaren Ähren. (Abb. 2) Im frischen Zustand ist also der Hügel meistens kegelförmig, wird aber durch Regen und Schneedecke später flach und breit. (Abb. 6 b und c) Nach dem ersten Schnee stopfen die Mäuse den Großteil der Löcher zu. Die im Hügel gespeicherte Ährenmasse ist Anfangs trocken (Abb. 5 a und b, jeweils die drei rechten Ähren!) einen Monat später aber schon eine feuchte, verfilzte, dampfende Masse, vom Keimwerk durch und durch geflochten, so daß es als eine feste Einheit (Abb. 5 a und b, jeweils die 4 resp. 3 linken Ähren, ferner Abb. 5 d und e) herauszunehmen ist. Als Folge des negativen Geotropismus bildet sich am obe- ren Teil der Ährenmasse ein dichter „Keimwald“, der aber wahrscheinlich nicht ange- fressen wird. Von Spalax leucodon, der im Sommernahrungsspeicher die einzelnen Samen „zielbewußt“ mit Keim nach oben einpflanzt, wird diese unterirdische Gärtne- rei für Nahrungszwecke verwendet. (FESTETICS, in Vorbereitung) Bei der Ähren- maus brechen dann die Keimlinge durch und erscheinen an der Oberfläche (Abb. 6 a). Nach BRAUNER (1925) treiben diese nach längerem Regen so aus, daß man in den wei- ten, gelblichgetönten, ukrainischen Steppen lauter frisch-grüne Hügelchen zur Sicht bekommt. > AN 2 % ®; ZZ Abb. 6. Ahrenmaushügel im fortgeschrittenen Stadium. a: An der Oberfläche des Hügels auskeimende Gerste. — b: Durch Gewitter schon abgeflachter Hügel auf Maisstoppelfeld. — c: Durch Gewitter abgeflachter Hügel auf Brachfeld. — d: Mauselöcher in dem den Hügel umkreisenden Graben, vom Zentrum des Hügel aus gesehen — vergl. Pfeil in Abb 3, 1! — Aufn. A. FEsTETIcs. Ahrenmaushügel in Österreich 121 Der Inhalt wird von den Mäusen erst nach dem ersten Schneefall angefressen. Ob bis zum Frühling der ganze Inhalt verzehrt wird, konnte ich bisher nicht feststellen; die meisten Hügel waren auf solchen Brachfeldern gebaut, die, wenn nicht im Herbst, so doch im Frühling eingeackert wurden. Auf diesen Stoppelfeldern war ein maximales Nahrungsangebot vorhanden. Den ganzen Winter hindurch lag eine Unmenge von ÄAhren bzw. Samen am Boden herum. Nach HEPTNER (1956) siedeln die Ährenmäuse Rußlands nach der Zerstörung ıhrer Hügel in Schobern und Mieten um. Schließlich seien noch die Feinde dieser oberirdischen Speicher erwähnt. Da es sich beim Inhalt um eine saubere Samenmenge von durchschnittlich 5-7 kg handelt, scheuen es die ukrai- nischen Bauern nicht, herbstlich mit den Wagen durch die Felder zu fahren, um den Inhalt dieser Hügel einzusammeln. Es ist ein leichtgewonnenes Futtermittel fürs Haus- vieh, und angeblich sollen die Mäuse, wenn man früh genug ihren Wintervorrat zer- stört, einen neuen anlegen. Damit ist sozusagen eine doppelte Säuberung der schon abgeernteten Getreidefelder erzielt. Im Burgenland fand ich Hügel, die durch den Fuchs seitlich geöffnet worden waren. Offenbar lockten ihn die vielen Mäuselöcher zum Hügel hin. Vermutlich tun ähnliches auch kleinere Raubtiere. (Steppeniltis, Mauswiesel.) 4. Einiges zum Verhalten und zur Biologie der Ahrenmäuse Wenn wir die Reihe von M. m. spicilegus mit ursprünglichem Wildtierverhalten, durch M. m. musculus als Übergangsform und M. m. domesticus als (zwar nicht von vorigen abgeleitete) kommensale Form betrachten, finden wir ein kontinuierliches Ver- lorengehen der Bauinstinkte. Die deutschen spicılegus-Populationen hielt man für ganz kommensal, bis HEROLD (1924) ein sommerliches Leben im Freien beschrieb. 1922 fand er auf der Ostseeinsel Greifswalder Oie als einzigen Vertreter der Muridae einen dichten Bestand von Ährenmäusen, die im erst seit 1700 waldlosen Biotop eine öko- logische „Übergangsform“ bildeten. Die nur im Sommer wildlebenden Mäuse bauten unterirdische Gangsysteme mit dem Nest, welches die ganzjährig Wildlebenden unter ihre Hügel zu bauen pflegen. Nach der Beschreibung HeroLps kann man es als ein Gebilde auffassen, das denen von spicilegus entspricht, bei dem aber der oberirdische Winterspeicher infolge des Halbkommensalismus unterbleibt. Als Endglied dieser Ver- einfachung könnte man die Hausmaus mit ihren wohlbekannten biologischen Verhält- nissen in Westeuropa ansehen, die kein Nest mehr auf Ackern anlegt. Wir müssen aber garnicht zu dieser — wahrscheinlich durch einen andern Weg hergelangten — Unterart greifen, da EısL-EiıgesreLor (1950) dasselbe Verhalten bei einer Wiener Ahrenmaus- Randpopulation auch beobachtete. Seine Beobachtungsobjekte um die österreichische Hauptstadt waren teils ganzjährig kommensal, teils sommerlich wildlebend in eigenen Erdröhren. Vorratsstellen hat aber EısL-EiBEsrELDT nie gefunden, die gefundenen Nahrungsobjekte erfüllten bei seinen freilebenden Beobachtungstieren immer nur den augenblicklichen Bedarf. So stellte er sogar das Nichthamstern als ethologische Dif- ferenzialdiagnose für Haus-Mäuse gegenüber Ratten auf. Ebenso hat er nur ein ein- zigesmal (allerdings auch in Menschennähe) ein für Hausmäuse im Käfig typisches, verflochtenes Kugelnest gefunden. Die Kinderstuben waren sonst alle in Nischen des Gebäudes (Abb. 3). Bei M. m. musculus kommt dieser „Übergangstyp“ vor, wie ZIMMERMANN (1949) in den Dünen der Kurischen Nehrung beobachtete. Die Reihe des Verlorengehens des Wildtierverhaltens finden wir jedenfalls vollständig innerhalb des Begriffes „Ahrenmaus“. Daß am Anfang dieser Reihe die Subspecies spicilegus, am Ende die Subspecies musculus steht, ist wahrscheinlich. Die bisher gemeldeten Beispiele für die verschiedenen Verhaltensweisen sollten allerdings alle noch taxonomisch präzise überprüft werden. 122 A. Festetics Schließlich ergeben sich noch die Fragen, auf welche Weise die Ährenmäuse ihre erstaunlich großen Speicherkammern bauen, und wie viele Tiere daran beteiligt sind. Leider sind unmittelbare Freiland-Beobachtungen schwierig. Den Umgang mit Erd- klumpen konnte ich bei extrem-subterranen Wühlern (Talpa, Spalax) durch ein Glas- plattengestell gut beobachten, bei der feingebauten Ährenmaus mit ihrer spitzen Schnauze und ihren feinen Extremitäten ist aber ein Verhalten, wie das vorgenannter Kleinsäuger schwer vorstellbar. Anläßlich einer Jagd bei der Uhuhütte konnte ich mehrere Ährenmäuse im Burgenland beobachten, die in unmittelbarer Nähe der leben- den Eule sorglos mit Nahrungssuche beschäftigt waren. Die Mäuse benutzten ihre Hände zum Herabbeugen der Grashalme, die Ähren wurden abgebissen, dann wird im aufrechten Sitz die Ähre mit den Vorderbeinen zum Mund gehoben, und die ein- zelnen Samen werden herausgebissen. Beim Sammeln von Nistmaterial nahmen die Mäuse während eines planmäßigen Absuchens der näheren Umgebung einen abgeris- senen Grashalm vom Boden mit dem Mund auf, und beim nächsten Grashalm legten sie ihn nieder, so daß sie dann beide Stücke zusammen fassen konnten. Dies Verhalten deutet vielleicht auf einen gleichfalls vorwiegend oralen Erdtransport hin. Näheres ist leider nicht bekannt. BRAUNER (1925) fand 10-20 offene oder halboffene Gänge bzw. Gräben, die unter dem Hügel oder kurz vor ihm endeten. Er deutete ihr Ent- stehen durch das Abtragen der Erde für den Hügel. Wieviele Exemplare zu einem Ahrenhügel gehören, ist noch nicht sicher festgestellt. van DEN Brink (1957) spricht von „einzelnen oder mehreren Familienrudeln“, die gemeinschaftlich leben. EısrL- EiBEsFELDT (1950) sagt, daß die Subspecies spicilegus innerhalb der Gesamt-Art am wenigsten zur Vergesellschaftung neigt. Innerhalb der Großfamilie hat jedes Indi- viduum einen eigenen Nestbezirk; zur kalten Jahreszeit aber bewohnen oft mehrere ein Gemeinschaftsnest. Diese Beobachtungen beziehen sich auf die kommensale Popu- lation der Umgebung Wiens. HEroLp’s (1924) halbkommensale Ahrenmäuse bewohn- ten auch zu 3 Adultexemplaren ein gemeinsames, unterirdisches Nest auf den Feldern. Die ursprünglich-wilden Populationen des Pannonicums und der Ukraine verhalten sich schließlich ähnlich. In den Nestern unter den burgenländischen Hügeln fand ich 3-mal deren Einwohner. Immer waren es 3 Exemplare. BRAuner (1925) behauptet, jeder Hügel und Nest sei Besitz eines einzigen Mäusepaares. Falls es 2 Paare sind, hätte das zweite Paar separat ein Nest unter dem gemeinsamen Hügel. Nach PETENYI (1882) hängt die Größe des Hügels von der darunter wohnenden Mäusemenge ab. Es muß also angenommen werden, das der Bau der beträchtlich großen Speisekammern, — wobei ja nicht das Ährenspeichern, sondern die Erdarbeit bewundernswert ist — von nicht mehr als 2 bis 6 Mäusen geleistet wird. Nach Lovassy (1927) baut ein Ähren- mauspaar nach der Erntezeit gemeinsam mit seinem letzten Wurf Winterquartier und Speicher. Ob ein Kontakt zwischen den Bewohnern benachbarter Hügel besteht, ob die Bindung eines Individuums zu seinem Rudel fest oder locker ist, das wären noch inter- essante Fragen. Zur allgemeinen Verhaltensweise sei abschließend erwähnt, daß die wildlebenden gegenüber kommensalen Ährenmäusen und den Hausmäusen, die durch EısL-EiBEs- FELDT (1950) beobachtet wurden, noch einige andere Unterschiede aufweisen. So die größere Fluchtbereitschaft als Folge des Freilebens, oder das angeborene Schema für eine bestimmte Nahrung, das bei den Kommensalen verlorengeht. Während nämlich die Wildlebenden phytophag sind, sind die Kommensalen omnivor. Meine in reicher Zahl ausgelegten mit Speck und Käse geköderten Fallen — wie dies auch bei HEROLD (1924) der Fall war — wurden auf Feldern mit Winterspeichern niemals angenommen. Allgemein sind die Ahrenmäuse auf Nußköder besser anzusprechen, und nur in nah- rungsmäßig relativ ungünstigen Biotopen (wie etwa dem Schilfgürtel des Neusiedler- sees, mit 30 cm Wasserhöhe) gelang es mir, mit speckgeköderten Fallen wildlebende Ahrenmaushügel in Österreich 123 Ahrenmäuse zu fangen. Gegen Heroıp’s (1924) Feststellung sei zu bemerken, daß spicilegus kein ausgesprochenes Nachttier ist; das beweisen meine schon erwähnten Beobachtungen bei der Uhuhütte. Lebendgehaltenen Ährenmäusen fehlt der für Haus- mäuse so typische „Mäusegeruch“. Naturgemäß habe sıch auch ım Laufe des fortschrei- tenden Kommensalismus manche biologischen Merkmale geändert. Nach HEPTNER (1956) haben die Wildlebenden jährlich 4-5 Würfe, (mit je 4-10 Jungen) die Kom- mensalen aber meist 10 Würfe mit derselben Embryonenzahl. Schließlich sei noch auf die psychologische Stellung der Species Mus musculus hingewiesen, die nach EıgL- EiBEsFELDT (1950) in einer engeren Spezialisation als bei der Wanderratte zum Aus- druck kommt. 5. Analoge Erdhügel anderer Kleinsäuger Oberirdische Nahrungsspeicher dieser Art werden von keinem anderen Kleinsäuger unseres Kontinentes angelegt. Ähren werden durch Microtus arvalis ın den unter- irdischen Gängen säuberlich aufgeschichtet. Solche geringen Vorräte fand ich auch in den wagerecht verlaufenden Ährenmausgängen, die an diesen Stellen etwas geräumiger waren. Es machte den Eindruck, als ob die Mäuse die Vorräte vom Hügel in die tiefer- liegende Wohnkammer transportieren wollten. Im mitteleuropäischen Raum (bezug- nehmend auf die falsche Ausdrucksweise vieler neuzeitlicher zoologischer Publikationen sei bemerkt, daß im geographischen Sinn die Grenze zwischen Mittel- und Osteuropa der Ostrand des Karpathenkranzes ist) befinden sich 3 Kleinsäugerarten, die Erdhügel errichten; so möchte ich kurz auf die Verschiedenheiten eingehen. (Abb. 4) Die extrem- unterirdischen Wühler, wie Blindmull (Spalax leucodon) und Maulwurf (Talpa euro- paea) werfen ihre Hügel auf, wobei es sich bei Talpa um die beim Gangbau überflüssig gewordene Erde handelt. Bei Spalax besteht der Hügel auch aus aufgestoßener Erde, da er aber wesentlich unregelmäßiger und seltener auftritt, neigen manche Beobachter dazu, ihn als Indikator einer Paarungskammer aufzufassen. Die ganzjährig streng- solitäre Art trıfft sich nämlich nur ganz kurze Zeit, während der Brunft im subterranen Bereich und unter den meisten geöffneten Spalaxhügeln fand man in diesem Kammer- typ wiederholt kopulierende Blindmulle. Bei spicilegus handelt es sich nicht um auf- gestoßene, sondern um aufgetragene Erde. Beim ersten Blick wird dies durch das Gras klar, welches bei den Blindmull- und Maulwurfshügeln meist zerstört, bei den Ähren- maushügeln aber nur mit Erde bestreut wird. Bei diesen stehen also die Gräser etc. aus dem Hügel heraus. Dementsprechend ist die Erde des Ährenmaushügels feinkörnig, die der beiden Wühler besteht aus groben Brocken, bei Spalax allerdings feiner als bei Talpa. Da die spicilegus-Erde immer von der Oberfläche gewonnen wird, ist sie mei- stens homogen, die von Spalax und Talpa oft heterogen (z. B. schwarzer Humus der oberen und gelber Lehm der tieferen Schichten). Schließlich ist auch die Form der drei Hügel verschieden: bei Talpa ist sie relativ klein und hoch-rundlich, bei Spalax größer und an der Basis ausgebreiteter. Die Hügel von spicilegus sind meistens die größten, aber flachesten. Anfangs kegelförmig, (Abb. 4c) werden sie im Laufe des Winters durch Schnee und Regen immer flacher und breiter. (Abb. 6b u e). Zusammenfassung Durch den Fund der oberirdischen Winterspeicher der Ährenmaus im Burgenland (Oster- reich) ist eine neue, westliche Arealgrenze der Mus musculus spicilegus-Populationen mit ur- sprünglichem Wildtierverhalten gegeben. Das Anlegen der Ährenmaushügel ist ein geographisch abgrenzbares Phänomen. Für die reine Form des M. m. spicilegus im Kerngebiet seines Ver- breitungsareals ist also neben zwei meist deutlichen Merkmalen, wie die kleineren Körper- 124 A. Festetics — Ährenmaushügel in Österreich maße und der relativ kürzere Schwanz noch ein drittes, verhaltensmäßiges typisch, nämlich der Speicherbauinstinkt. Dieser kann durch ackerbaubedingten Zwang (generelles Pflügen im Frühherbst) verdrängt werden, was dann Halbkommensalismus zur Folge hat. Die relativ großen Ährenmaushügel enthalten durchschnittlich 5 bis 7 kg Samen oder Ähren, wobei die Hirse (Setaria glauca) dominiert. Sie werden ım Spätherbst und wahrscheinlich in einer Zeitspanne von ca. einem Monat angelegt. Wahrscheinlich sind für den Bau eines Hügels nicht mehr als 2 bis 6 Mäuse verantwortlich. Durch den Kommensalismus verdoppelt sich die jährliche Wurfzahl, und die Ährenmäuse nehmen statt des phytophagen einen omnivoren Charakter an. Summary In Burgenland (Austria) a new Western distribution border of populations of Mus musculus spicilegus with original behaviour pattern was found by the discovery of winter storerooms above the earth level. The construction of hills by this subspecies is a geographical limited phenomenon. The instinct for building these storerooms is a third characteristic for the pure form of M. m. spicilegus in the centre of its distribution area. The other two main charac- teristics are the smaller body dimensions and the relatively thort tail. This instinct can be inhibited by a different way of cultivation (e. g. plowing in the beginning of the autumn) and may result in a semi-commensal behaviour. The relatively large hills of Mus musculus spicilegus contain in general 5-7 kg seeds or ears; mostly seeds of Setaria glauca. They are constructed in late autumn, probably in the course of one month. Not more than 2-6 mice may be responsible for the construction of a winter storeroom. By the commensal way of living, the yearly reproduction rate is doubled and the subspecies becomes omnivorous instead of phytophagous. Resume Dans le Burgenland (Autriche), une nouvelle limite occidentale de distribution de Mus mus- culus spicilegus avec un comportement original a et€ mise en Evidence par la decouverte de chambres de reserves hivernales au-dessus du niveau du sol. La construction de tumulus par cette sous-espece est un phenomene geographique limite. Pour la forme pure de M. m. spici- legus, au coeur de son aire de repartition, on note trois caracteristiques essentielles, deux d’entre elles etant les dimensions corporelles plus reduites et la queue relativement plus courte, et la troisieme etant l‘instinct d‘edification des chambres de reserve. Cet instinct peut etre inhibe par un changement des methodes de culture (labourage pr&coce d’automne, par exemple), ce qui peut avoir pour consequence un comportement de semi-commensalisme. Les tumulus relativements grands de Mus musculus spicilegus contiennent en general de 5 & 7 kilos de graines ou d‘epis parmi lesquels dominent ceux de Setaria glauca. Ils sont edifies A la fin de l‘automne, certainement en un delai voisin d‘un mois. Il est probable que les Souris responsables de la construction d‘un tumulus ne sont pas plus de 2& 6. Dans le mode de vie commensal, le taux annuel de reproduction est double et cette Souris devient omnivore au lieu de phytophage. Literatur Bauer, K. (1960): Die Säugetiere des Neusiedlersee-Gebietes (Österreich); 3, p. 42-43. (Bonner Zool. Beitr., J. 11, H. 2-4, pp. 141-344). — BAUER, K., und FestErics, A. (1958): Zur Kenntnis der Kleinsäugerfauna der Provence (Bonner Zool. Beitr., J. 9, H. 2-4, pp. 103-119). — Berg, L. S. (1959): Die geographischen Zonen der Sowjetunion, Bd. II, p. 54; Leipzig. — BRAUNER, A. (1925): Über die Steppenmaus, Mus musculus hortulanus Nordm; Pallasıa. — van DEN Brink, F. H. (1957): Die Säugetiere Europas. (p. 104-105, Berlin und Hamburg.) — Conpe, O. (1944): Die Hausmaus und ihre Bekämpfung; Merkbl. Nr. 19 d. Reichsanst. f. Wasser- und Luftgüte, Zool. Abt. Berlin-Dahlem. — Enık, Gy. (1929): Emlösök (Säugetiere), in der ungarischen Ausgabe von „Brehms Tierleben“. — EısL- EiBEsrELDT, I. (1950): Beiträge zur Biologie der Haus- und Ährenmaus, nebst einigen Be- obachtungen an anderen Nagern; Zeitschr. f. Tierpsych. Bd. 7, pp. 558-587, Berlin. — Festerics, A. (In Vorbereitung): Zur Anatomie und Biologie des Spalax leucodon. Diss. am I. Zool. Inst. d. Univ. Wien. — HEPTNER, W. G., MorozovA, L. G., und ZALkın, W. I. (1956): Die Säugetiere in der Schutzwaldzone, p. 208; Berlin. — Heron W. (1924): Über Vorkommen und Lebensweise von Mus spicilegus Pet. in Deutschland; Pallasia, 1, p. 169-174. H. Petzsch — Brustfleck beim Hamster 125 — HorväArs, I. (1918): Kitaibel Pal ällattani megfigyelesei. (= Pal Kırameıs zoologische Beobachtungen) Ann. Hist.-Nat. Mus. Nation. Hungar. Bd. XVI, p. 1-26, Budapest. — Lovassy, S. (1927): Magyarorszäg gerinces ällatai &s azok gazdasagi vonatkozäsaik (= Die Wirbeltiere Ungarns und ihre Beziehungen zur Wirtschaft), p. 118-119, Budapest. — Mon, E. (1950): Die freilebenden Nagetiere Deutschlands und der Nachbarländer; p. 28, Jena. — Mojsısovics, A. (1897): Das Thierleben der österreichisch-ungarischen Tiefebenen; p. 173, Wien. — Per£nyı, J. S., bei Cnvzer, K. (1882): Reliquiae Petenyianae. (Terme&szetrajzi Füzetek, Bd. 5, p. 125-134). — VAsÄrRHEYı, I. (1958): Hasznos €s käros vademlösök (= Die nützlichen und schädlichen, wildlebenden Säugetiere); Elet &s Tudomäny-Kiskönyvtar, Bd. 7, p. 118-119, Budapest. — ZIMMERMANN, K. (1949): Zur Kenntnis der mitteleuropäischen Hausmäuse; Zool. Jahrb. Abt. Syst., 78, p. 301-322, Jena. Anschrift des Verfassers: AntaL FEsTETIcs, I. Zool. Inst. der Universität Wien, Karl Luegerring 1 Zur Frage des „weißen Brustfleckes” als eines der Kriterien des Subspezies-Charakters des „West-Hamsters” (Cricetus cricetus canescens Nehring, 1899) Von Hans PETZSCH Eingang des Ms. 3. 3. 1961 Der wiederholt von verschiedenen Autoren — unter anderen — als augenfälliges Sub- spezies-Kennzeichen für Cricetus cricetus canescens Nehring ın Anspruch genom- mene, in seinem Umfang sehr variable, dort recht häufige „weiße Haarfleck“ auf der Mittelbrust, innerhalb des schwarzen Brustbauchfelles von Exemplaren dieser umstrit- tenen Unterart, ist — worauf ich bereits mehrfach hinwies — kein korrektes Unter- arten-Kennzeichen und als solches nicht berechtigt! Es ist nämlich durch- aus nicht ausschließlich diesem sogenannten „West-Hamster“ vorbehalten, sondern findet sich auch gelegentlich im Hamster-Verbreitungsgebiet östlich der Gebirgskette Thüringer Wald/Harz bei Individuen beider Geschlechter der als „Ost-Hamster“ be- zeichneten Stammform Cricetus cricetus cricetus Linne, 1758. In jüngster Zeit wid- mete nun (— auf das dortige, die diesbezügliche Literatur zusammenfassende Schrift- tums-Verzeichnis sei hier verwiesen! -) A. M. Husson, Leiden/Holland, diesem Problem erneut eine reich illustrierte größere Spezialabhandlung: „On the systematic position of the Western Hamster, Cricetus cricetus canescens Nehring (Mammalıa, Rodentia)“ in „Bijdragen tot de Dierkunde“, Aflevering 29, S. 187—201; Amsterdam 1959, die mir zu folgender Mitteilung Anlaß gibt: Im „Physiologischen Institut“ der Medizinischen Fakultät der Martin- Luther-Universität Halle-Wittenberg (Direktor: Prof. Dr. BERND LuEken) werden alljährlich beträchtliche Mengen lebender Hamster beider Geschlechter — als Wild- fänge aus der ländlichen Umgebung der Stadt Halle/S. — für die dort seit Jahren im Gange befindlichen Winterschlaf-Forschungen der Herren Dozent Dr. habil Pauı RATHs und Wiss. Assistent Dipl.-Biol. G. A. BıewaLn eingeliefert, überwintert und aufgebraucht. Herr BıewaLp hatte nun dankenswerterweise die Freundlichkeit, nach- dem er Hussons oben angeführte Abhandlung und meine bei Husson zitierten dies- bezüglichen Mitteilungen (in den Originalen) gelesen hatte, spontan sämtliche zu Ende Januar 1961 noch dort im Gewahrsam lebenden mitteldeutschen Hamster beider Ge- 126 H. Petzsch — Brustfleck beim Hamster schlechter auf diesen irregulären „weißen Brustfleck“ hin zu überprüfen und die po- sıtiven Stücke unter Ätherrausch zu fotografieren. Dabei fand er jenen umstrittenen Fleck in variabler Form und Größe bei nicht weniger als 8 Exemplaren von insgesamt 57 vorhandenen, also bei 14 ®/o! Er fand aber auch, daß Form und Größe des weißen Kehlfleckes aller seiner Kollektion angehörenden Individuen erwartungsgemäß stark differierten! So bestätigt also auch dieses Ergebnis erneut-meine Feststellung, daß jenes variable Merkmal „weißer Brustfleck“ keinesfalls mit zur Abtrennung eines „West- Hamsters“ von der Stammform, dem sogenannten „Ost-Hamster“, durch Taxonomen herangezogen werden darf. Abb. 1. Einer der 8 mit „weißem Brustfleck“ versehenen Hamster unter 57 aus der Umgebung der Stadt Halle a. S. Auf. Dipl.-Biol. G. A. BIEwALD Anschrift des Verfassers: Prot. Dr.rer. techn. habil. Hans PErzscH, Halle (S.), Fasanenstraße 5 SCHRIETLENSCHRAU MOoHR, Erna: Glossarium europae mammalium terrestrium. A. Ziemsen-Verlag, Wittenberg-Lutherstadt, 1961. 72 S. Geb. 7,50 DM. Dieses Verzeichnis stellt eine Zusammenstellung der gebräuchlichsten Vulgärnamen von 142 europäischen Landsäugetieren in 17 verschiedenen Sprachen nach dem Muster des be- währten Glossarium europae avium dar. Im ersten Teil des Buches wird unter jedem wissenschaftlichen Artnamen eine, in wenigen Fällen auch zwei oder drei volkstümliche Bezeichnungen des betreffenden Tieres in den folgenden Sprachen aufgeführt: Tschechisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Isländisch, Italienisch, Ungarisch, Nieder- ländisch, Norwegisch, Polnisch, Portugiesisch, Russisch, Finnisch, Schwedisch und Türkisch. Im zweiten Teil a: sich ein Register, in dem die Vulgärnamen nach den angeführten Sprachen getrennt mit Verweisen auf den wissenschafllichen Artnamen in alphabetischer Ordnung Zusammeneestellt sind. — Das Buch wird für alle diejenigen eine große Hilfe sein, welche für ihre Zwecke auch die manchmal wertvollen Mitteilungen im populären Schrifttum auswerten möchten. Auf Reisen wird es als Vokabular ebenfalls wertvolle Dienste tun können. Hierfür wäre es jedoch schön, wenn das Glossarium in einer hoffentlich bald not- wendig werdenden zweiten Auflage um die Vulgärnamen der Säugetiere weiterer Länder, wie z. B. Bulgarien, Griechenland, Rumänien und evtl. derjenigen einiger noch in Jugo- lawien lebenden Sprachen ergänzt würde. K. Becker, Berlin Schriftenschau 127. HEILBRONN, Alfred. u. Kosswig, Curt: Principia Genetica. Grunderkenntnisse und Grundbegriffe der Vererbungswissenschaft. Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin, 1961. 40 S. Brosch. 4,80 DM. Das dünne Heft birgt einen überraschend reichen Inhalt! Mit bewundernswerter Klarheit und Konzentration bringen 294 „Aussagen“ Definitionen von Erkenntnissen und Begriffen der Genetik in einer logischen Anordnung, die jedem Biologen eine schnelle Orientierung ermöglicht. Auch in unserem säugetierkundlichen Schrifttum sind etwas vage Formulierungen genetischer Befunde durch Nichtgenetiker noch verbreitet; eine Selbstkontrolle mit Hilfe der Principia Genetica kann sich in Zukunft vorteilhaft auswirken. Eine erfreuliche Anerkennung systematischer Arbeit liegt in der Formulierung von Aus- sage 45: „Wichtige mittelbare Methoden der Genetik sind Cyteologie, Variationsstatistik, alle Methoden der natürlichen Systematik einschließlich der Palaeontologie.“ Auf die im Vorwort ausgesprochene Aufforderung zur Kritik hin möchte Ref. um Über- prüfung von Aussage 90 („Penetranz“) bitten und um Aufnahme des „Robertsonschen cc . Effektes“. | K. ZIMMERMANN, Berlin ÖOVERZIER, C. (Herausgeb.): Die Intersexualität. Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 1961. XVI, 560 S., 193 Abb. in 447 Einzeldarst., 38 Tab. Lex. —8°. GzIn. 119,— DM. Die Entdeckung des „Geschlechtschromatins“ durch BArr und BERTRAM 1949 und die Entwicklung neuer cytologischer Untersuchungsmethoden haben der Erforschung der Ge- schlechtschromosomen wie der Chromosomen bei Mensch und Säugetieren überhaupt ge- waltigen Antrieb gegeben und eine Fülle von Arbeiten angeregt. Besonders die sexuellen Zwischenstufen wurden unter diesen Gesichtspunkten neu untersucht und haben eine völlig neue theoretische Beurteilung erfahren. Es ist ein großes Verdienst des Herausgebers C. OVERZIER, den heutigen Stand der Forschung auf diesem theoretisch und praktisch gleich wichtigen Gebiet in vorliegendem Handbuch durch zahlreiche Spezialisten zusammengefaßt und allgemein zugänglich gemacht zu haben. Das Werk bringt zunächst Beiträge allgemeinen Charakters (WATzka, Entwicklungs- geschichte der Geschlechtsorgane; WırscHı-OrITZ, Grundlagen der Intersexualität; W. Koch, Intersexualität bei Säugetieren; BArR, Geschlechtschromatin; Davıpson, Kerngeschlecht der Leukocyten; ForD, Zytogenese der Intersexualität des Menschen; ZANDER und HENNING, Hormone und Intersexualität). Der zweite Teil des Werkes bringt eine ausführliche Dar- stellung der verschiedenen Intersexualitätsformen des Menschen (Hermaphroditismus verus, Pseudohermaphroditismus, testikulaere Feminisierung, Klinefelder Syndrom, Gonaden- dysgenesie, adrenogenitales Syndrom Tumoren, Genitalmißbildungen ohne Intersexualität). Die Bearbeiter dieses Abschnittes (OVERZIER, HAUSER, BIERICH, HOFFMANN, LENNOX, GELBKE, HAsScHE-KLÜNDER, J. H. ScHurLTtz) berücksichtigen ebenfalls die zytogenetischen und theoretischen Grundlagen der Fehldifferenzierungen und behandeln das Thema auf breiter physiologischer, morphologischer und klinischer Basıs. Für den Leser dieser Zeit- schrift sind die allgemeinen Beiträge des Buches von besonderem Wert. Auf diese sei daher etwas genauer eingegangen. WATzkA beschreibt die Entstehung der Gonadenanlage in der Urnierenfalte unter dem induzierenden Einfluß der Urkeimzellen. Eine späte Phase der Eizellbildung aus Oberflächenepithel der Gonadenanlage ist bisher nie eindeutig bewiesen. Keimzellenstränge (Prrücersche Schläuche), Levpıssche Zwischenzellen und interstitielle Zellen entstehen aus Mesenchym (Blastem der Gonadenanlage). Bisexuelle Struktur der Gonade kann häufig nachgewiesen werden (Testoid des Maulwurfes). Das Schicksal der Ausführungswege wird eingehend besprochen. WırscHi sieht das Wesen des Geschlechts im Kernphasenwechsel. Die Differenzierung der Gameten und die somatischen Geschlechtsmerkmale sind sekundärer Natur. Die genetischen und postgenetischen Geschlechtsbestimmungs-Faktoren werden an ausgewählten Beispielen aus dem ganzen Organismenreich besprochen. Die verschiedenen Formen der genetischen Intersexualität und der postgenetischen Geschlechtsumkehr werden eingehend berücksichtigt. Beachtung verdienen die Ausführungen über den Einfluß der Keimzellzahl auf die Gonaden- entwicklung. Die Zahl der Keimzellen bestimmt das Verhältnis zwischen Medulla und Cortex und damit die geschlechtliche Bestimmung. Reduktion der Rinde durch Keimschädi- gung (Hitzebehandlung) verursacht Vermehrung des Markgewebes und Umwandlung zum Hoden, unabhängig von der genetischen Bestimmung. W. Koch bespricht die Intersexualität bei Säugetieren. Dabei stehen verständlicherweise die Haustiere (Rind, Schwein, Ziege) ganz im Vordergrund. Das Problem der „Zwicke“ ist noch nicht definitiv geklärt. Unter Wild- tieren kommt Intersexualität häufiger nur bei Capreolus vor. Barr, der Entdecker des »Geschlechtschromatins“ behandelt in klarer und übersichtlicher Weise den heutigen Stand unserer Kenntnisse von den cytologischen Geschlechtsunterschieden bei Mensch und Tier. 128 Schriftenschau Sex-Chromatin ist gut nachweisbar bei Primates, Carnivora, Chiroptera, Lagomorpha, Perissodactyla und Artiodactyla. Es fehlt oder ist schwer nachweisbar (grobe Struktur des Kernchromatins) bei Gürteltier, Rodentia und Marsupialia. Das Geschlechtschromatin tritt in Form eines besonderen gut entwickelten Chromocentrums im Kern des weiblichen oder homogametischen Geschlechts auf. Es ist sehr wahrscheinlich ein chromosomaler Abkömm- ling von positiv-heteropyknotischem Material des Interphasekernes. Die reale Natur der Zusammenhänge zwischen Sex-Chromatin und Geschlechtschromosomen wird noch disku- tiert. Der Geschlechtsdimorphismus des Interphasekerns ermöglicht eine zytologische Ge- schlechtsdiagnose in somatischen Zellen. Bei Vögeln wurde Geschlechtschromatin bisher nicht gefunden. Die Geschlechtsdiagnose aus den Leukocytenkernen (Davıpson und SMITH) bietet besondere Schwierigkeiten. Aus diesem Grunde sind die Ausführungen zur Methodik und zur Methodenkritik besonders begrüßenswert. Erwähnenswert ist, daß 6 Maulesel zytologisch untersucht wurden. Das Geschlechtschromatin stimmt stets mit dem anatomischen Geschlecht überein. Die erwarteten Chromosomenabweichungen konnten nicht gefunden werden. Sehr eingehend ist die Behandlung der Zytogenese der Intersexualität des Menschen durch Forp. Hierbei findet die normale Geschlechtsbestimmung eingehende Berücksichtigung. Der normale Mensch besitzt 46 Chromosomen. Folgende zytogische Kombinationen wurden bisher beobachtet: XXY, XXXY, XO, XXX. Die beiden Formen, die ein Y führen, sind phaenotypisch männlich und chromatinpositiv. Sie entsprechen dem KLINEFELDER-Syndrom in weitestem Sinne. Die XO-Fälle sind chromatinnegativ und bieten das TURNER-Syndrom. Drei XXX-Fälle wurden bisher beschrieben. Sie zeigen phaenotypisch wenig Besonderheiten gegenüber normalen Frauen, abgesehen von mangelhafter Ausbildung der sekundären Ge- schlechtsmerkmale. Fruchtbarkeit wurde je einmal bei einer XO- und einer XXX-Frau beobachtet. XO-Mäuse, die einzigen bisher bekannten zahlenmäßigen Chromosomen- aberrationen bei einem Säugetier, sind ebenfalls fertil. ForD entwickelt folgende vorläufige Hypothese. Der weibliche Phaenotyp entspricht einem neutralen Grundtyp. Y bewirkt männliche Determination. Fehlt Y oder ist das Y-Chromosom unwirksam (testikulaere Feminisierung), so differenziert sich der weibliche Grundtyp. Eine definitive Klärung des echten Hermaphroditismus ist derzeit noch nicht möglich. Folgende Möglichkeiten werden diskutiert. a) Es handelt sich um ein Mosaik mit einem Y. b) Abnormes Vorhandensein eines Y oder Übertragung maskulinisierender Gene auf X (ungleichmäßiges Crossing over). c) Autosom mit maskulinisierenden Genen, die normalerweise nicht zur Wirkung kommen. Das Werk bietet eine vollständige Übersicht über den heutigen Stand der Forschung auf diesem in rapider Entwicklung begriffenen Gebiet. Die Ausstattung ist hervorragend, die Bebilderung erstklassig und überaus reichlich. Einige Unebenheiten in den ins Deutsche über- setzten Kapiteln („Virginia opossum“ als Artname) können den Wert des Werkes nicht be- einträchtigen, sollten aber in einer Neuauflage vermieden werden. Alles in allem liegt ein sehr nützliches und brauchbares Werk vor, für das wir den Verfassern, dem Herausgeber und dem Verlag zu Dank verpflichtet sind. D. Starck, Frankfurt a.M. BEKANNTMACHUNG Die 37. Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde findet vom 2. bis 6. Oktober 1961 im Zoologischen Staatsinstitut und Museum Hamburg statt. Vortragsanmeldungen werden bis zum 15. Juli 1961 mit Angabe der Redezeit erbeten an Herrn Priv.-Doz. Dr. M. Röhrs, Hamburg 13, Von-Melle-Park 10, Zoolo- gisches Museum. Die Einladungen und Karten für Zimmerbestellungen werden zu gegebener Zeit versandt werden. DER VORSTAND. NEUE WILDMONOGRAPHIEN Kürzlich erschienen: Das Rehwild | | Naturgeschichte, Hege und Jagd Von FERDINAND v. RAESFELD | 5., neubearbeitete Auflage ‚ herausg. von G. v. LETTOwW-VorBEck, Hamburg und Dr. W. Rırck, Hann. Münden 1960 / 330 Seiten mit 186 Abbildungen und Zeichnungen von WILHELM BUDDENBERG und ' REINHOLD FEussner und 4 farbigen Tafeln / Ganz auf Kunstdruckpapier / Leinen 32,— DM „Das Rehwild‘ ist etwas ganz Neues geworden: Man muß es eben selbst gelesen haben - nicht nur gelesen, sondern durchgearbeitet. Denn es ist viel weniger als frühere Auflagen ein Buch ein- "fach zum Lesen für den Jäger, sondern ein wissenschaftliches Werk über das Rehwild. Alle die, ' die mit der Aufstellung oder gar Genehmigung von Abschußplänen zu tun haben, alle Leiter "größerer Reviere, alle Berufsjäger und alle, zu deren Studium auch Jagdkunde zählt, sollten sich in den neuen Raesfeld vertiefen: Sie finden dort alles zusammengestellt und verarbeitet, was man als Jäger vom Rehwild wissen muß oder gerne wissen möchte... . Behandelt werden das - Gehörn ebenso gründlich wie die Krankheiten, die Aufzucht mutterloser Kitze ebenso wie die " Wildschadenverhütung, das Präparieren des Gehörns wie die formelmäßige Trophäenbewertung, "kleine praktische Tricks, die das Aufbrechen erleichtern, so gut wie die theoretischen Unterlagen über die Vererbung und den jährlichen Zuwachs. Noch viel mehr als vor 30 Jahren von der - damals letzten Auflage des ‚Raesfeld‘ für seine Zeit kann man von dieser von v. Lettow-Vorbeck "und Dr. Rieck herausgegebenen sagen: Es ist unzweifelhaft das heutige Standardwerk über das _ Rehwild.“ Forstwissenschaflliches Centralblatt über die 4. Auflage Das Gamswild r Naturgeschichte, Krankheiten, Hege und Jagd Von Dr. WERNER Knaus 1960 / 188 Seiten mit 96 Abbildungen im Text und 12 ganzseitigen Bildtafeln Ganz auf Kunstdruckpapier / Leinen 28,— DM: „Der Reihe der neubearbeiteten klassischen Wildmonographien hat der Verlag eine Neuerschei- Imung angegliedert, die das Gamswild behandelt. Die Bearbeitung hat ein bewährter Fachmann |übernommen, bekannt auch dadurch, daß er seit Jahrzehnten die Belange der Kärntener Jäger- Schaft vertritt und an der Spitze ihrer Organisation steht. Für die Darstellung einiger Spezial- fragen hat der Verfasser die Mitarbeit bekannter Fachleute gewinnen können, so daß das Buch [alles Wissenswerte über unsere wichtigste Schalenwildart im alpinen Lebensraum bringt. Eigene !Gedanken über Fragen, die noch zu klären sind, regen zu weiteren Beobachtungen und Unter- | .. Zeitschrift für Jagdwissenschafl „Die Reihe der Monographien von Jagdtieren des Verlages wird durch das Buch über das Gams- wild erweitert. Die ausgezeichnete Darstellung ist nicht nur für den Jäger, sondern auch für den |Zoologen und Biologen, überhaupt für jeden, der Tiere liebt, wertvoll. Naturgeschichte, Krank- ‚heiten, Hege und Jagd werden nacheinander behandelt. Alle Abschnitte sind gleich gut.“ Monatshefle für Veterinärmedizin VERLAG AIR AREY HAMBURG UND BERLIN FÜR JAGER, TIERFREUNDE UND BIOLOGEN erschien kürzlich: Der Seehund Naturgeschichte und Jagd Von Dr. WALTHER HARCKEN 1961 / 79 Seiten mit 13 Abbildungen auf 7 Bildtafeln / Englisch broschiert 7,80 DM F Der Verfasser dieser Seehund-Monographie ist Arzt und passionierter Jäger, der das „Hochwild der Nordseeküste“ wie kaum ein zweiter kennt. Um dem Leser Leben und Verhalten der Seehunde | besser verständlich zu machen, kennzeichnet er als erstes ihre Umwelt, das dem ewigen Wechsel | von Ebbe und Flut unterworfene Wattenmeer. Anschließend schildert er, wie die Natur den Seehund ausgerüstet hat, damit er sich unter diesen rauhen und unwirtlichen Daseinsbedingungen | behaupten kann. Im Anschluß an das Kapitel „Fortpflanzung und Aufzucht der Jungen“ weist der Verfasser auf das erst in jüngster Zeit durch eine unsinnige Berichterstattung heraufbeschwo-" rene, ernste Problem der sogenannten „Heuler“ hin, befaßt sich mit der Regulierung der Seehund- | bestände auf Grund genauer Zählungen und gibt Hinweise auf die Abschußformalitäten. In die Praxis der Seehundsjagd, wie sie früher einmal war und - dargestellt im Rahmen zweier packender Erlebnisschilderungen — wie sie heute betrieben werden muß, führt der letzte Teil dieser Mono- graphie. Sie vermittelt auf knappem Raum alles Wissenswerte über die Naturgeschichte und Jagd des Seehundes und wird von Jägern, Biologen und Tierfreunden gleichermaßen begrüßt. Ferner empfehlen wir: Die Säugetiere Europas Westlich des 30. Längengrades Ein Taschenbuch für Zoologen und Naturfreunde Von FREDERIK HENDRIK VANDEN BRINK Übertragen und bearbeitet von Dr. TuEoDoR HALTENORTH, München Taschenformat / Leinen flexibel 19,80 DM Pi: „Ein Feldführer für die Säuger Westeuropas, der nach dem gleichen Plan aufgebaut ist, wie das. inzwischen schon vielfach bewährte Taschenbuch ‚Die Vögel Europas’ von Peterson Mountfort |! Hollom. Über 24 fast ausschließlich farbige Tafeln verteilt, sind jeweils verwandte, leichter zu verwechselnde Arten im richtigen Größenverhältnis dargestellt und die wichtigen äußerlich sicht- | baren Kennzeichen nach Petersons Methode durch Pfeile markiert. Der Text bringt in kurzen Abschnitten jeweils die wichtigsten Maße, Kennzeichen und Unterschiede gegenüber ähnlichen || Arten, Angaben zu Verbreitung, Lebensweise und Lebensraum. Am wertvollsten sind die hier | erstmalig gedruckten Verbreitungskarten. Eine nützliche Ergänzung bilden der Abschnitt über die Altersstufen der Stirnwaffen und eine Tabelle über Gebißformeln und Lebensdaten, die der Übersetzer hinzugefügt hat.“ Bonner Zoologische Beiträge | VERLAG PAUL PAREY : HAMBURG UND BERLIN EITSCHRIFT FÜR KUGETIERKUNDE ORGAN DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR SAUGETIERKUNDE Herausgegeben von P. J. H. van Brer, Amsterdam - H. Dartns, Berlin - ws W. HERRE, Kiel - K. HeErTER, Berlin - ]J. Kärın, Frei- .burg/Schweiz - B. Lanza, Florenz - H. NACcHTSHEIM, Berlin - T. C. S. Morrıson ScoTT, London —- D. STArck, Frankfurt a. M. - E. Tuenıus, Wien - W. VERHEYEN, Tervuren - K. ZIMMERMANN, Berlin chriftleitung E. Mour, Hamburg - M. Röurs, Hamburg 2..00..26.BAND-HEFT3 2 August 1961 ni 7 zZ Er r - n + u > > u B n. 14 c N VERLAG PAUL PAREY : HAMBURG UND BERLIN Inhalt Vorwort zur Beitragsfolge „Allometrie und Systematik“. Von D. STARCK .. .. .. Allometrie und Systematik. Von!M, Rörmss .. ... nase. ea Se Allometrische Untersuchungen an inneren Organen von Säugetieren als Beitrag zur - neuen Systematik. Von H. Frick .. .. .. 22 se Tan ne ne ne ne nn Die Bedeutung der Allometrie für die Systematik der Rodentia. Von F. HückıncHAus Allometrische Untersuchungen an den Schädeln asiatischer Wildrinder. Von H. BoHLKEn Zur Bedeutung allometrischer Untersuchungen für das Studium innerartlicher Varia- bilität des Schädels von Musteliden. Von D. BÄHRENS ... .. ..2 22 22. Abstammung und Rassebildung der vorkolumbianischen Haushunde in Südamerika. ; Von M. ÜEcrk N. N ne et N NR RER SR Se ee En Beobachtungen an Brandt’s Steppenwülmaus (Microtus brandti Radde) in der Mon- golischen Volksrepublik. Von N. DAwaa ... .. 2.0 2. 2 ee Zur Kleinsäuger-Fauna des Spreewaldes und seines südlichen Vorgeländes. Von D. V. KNORRE .. our our 0 eleei dan.) eg nn un Ieekiee Dee SE Kleine Bemerkung zu systematischen Fragen. Von W. HERRE .. .. .. ..2 .. Schriftenschau: was a 8 aa We an ea BEE UM N ER a ae Dieses Heft enthält 2 Beilagen des Verlages Paul Parey . Die „Zeitschrift für Säugetierkunde“ veröffentlicht Originalarbeiten auf dem Gesamtgebier der Säugetierkunde, ferner Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der wichtigsten internationalen Literatur, kleine Mitteilungen 7 und die Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“, deren alleiniges Organ sie gleichzeitig ist, Die Veröffentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung mit Zusammen! sung in allen drei Sprachen. f \ BR Bi. Herausgeberschafl und Schriflleitung: Manuskriptsendungen sind zu richten an einen der Herren Herausgeber oder |) direkt an die Schriftleiter; Frau Dr. Erna Mohr, Hamburg-Langenhorn 1, Krämerstieg 8 (Tel. 593586), oder Dr. Manfred Röhrs, Zoologisches Staatsinstitut, Hamburg, Von-Melle-Park 10 (Tel. 441071). Manuskripte: Es wird gebeten, die Manuskripte möglichst mit Schreibmaschine und nur einseitig zu schreiben. Photographische Abbildunssrbrlegen müssen so beschaffen sein, daß sie eine kontrastreiche rn lichen. Von der Beigabe umfangreicher Tabellen soll abgesehen werden. Alle dem Manuskript beiliegenden ‚Unterlagen, wie Photographien, Zeichnungen, Tabellen, sollen auf der Rückseite mit dem Namen des Ver- fassers und dem Titel des Beitrages versehen sein. Bei Abbildungen aus bereits erfolgten Veröffentlichunge ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Jeder Originalarbeit ist eine Zusammenfassung der wichtigste Ergebnisse in wenigen Zeilen anzufügen. Mit der Übergabe des Manuskriptes überträgt der Verfasser dem Verlag Paul Parey das Recht, die Herstellung von photomechanischen Vervielfältigungen in gewerblichen Un- ; ternehmen zum innerbetrieblichen Gebrauch nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buch- handels en dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 zu genehmigen. m | Sonderdrucke: Anstelle einer Unkostenvergütung erhalten die Verfasser von Originalbeiträgen, Einzel- und Sam DR. melreferaten 50 unberechnete Sonderdrucke. Mehrbedarf steht gegen Berechnung zur Verfügung, jedoh muß |; die Bestellung spätestens mit.der Rücksendung der Korrekturfahnen erfolgen. 0 Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, sind vorbehalten. | Gewerblichen Unternehmen wird jedoch die Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Bei- | trägen oder Beitragsteilen für den innerbetrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleichen | nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deu schen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vorgesehen: Gebühr bis zu drei Exemplaren ee Die Vervielfältigungen haben einen Vermerk über die Quelle u | den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die I assostelle für Photokopiegebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgra- A ben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkassostelle, so ist ür >| jedes Photokopierblatt eine Marke im Betrag von 0,10 DM zu verwenden. _ il Erscheinungsweise und Bezugspreis: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich; 4 Hefte bilden einen Band; jedes Heft _ umfaßt 4 Drucbogen. Der Abonnementspreis beträgt je Band 34,— DM zuzügl. amıl. Postgebühr. | Abonnement verpflichtet zur Abnahme eines ganzen Bandes. Es verlängert sich stillschweigend, wenn n unmittelbar nach Erhalt des letzten Heftes eines Bandes Abbestellung erfolgt. Einzelbezugspreis der Hefte: 10,80 DM. Die Zeitschrift kann bei jr Buchhandlung oder beim Verlag Paul Parey, Hamburg 1, Spitaler- straße 12, bestellt werden. Die Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“ erhalten die Z | schrift unberechnet im Rahmen des Mitgliedsbeitrages. | ol © Paul Parey, Hamburg und Berlin 1961 — Printed in Germany by C. Beckers Buchdruckerei, Uelzen Z. Säugetierkde. 26 (1961), H. 3, S. 129—192 Vorwort zur Beitragsfolge Allometrie und Systematik In den letzten Jahrzehnten hat sich immer mehr die Erkenntnis durchgesetzt, daß Systematik mehr ist als lediglich Klassifizierung und daß eine moderne wissenschaft- lich fundierte Systematik sich nicht mit einer Ordnung der Organismen auf Grund der Untersuchung von Einzelmerkmalen begnügen kann. Eine solche moderne Be- trachtungsweise in der Taxionomie hat ihrerseits erhebliche Rückwirkungen auf an- dere Wissensgebiete und z. B. wesentlich zu einem besseren Verständnis des Evolu- tionsgeschehens beitragen können. Es müssen in der „Neuen Systematik“ die Ergeb- nisse der verschiedensten Disziplinen berücksichtigt werden, und diese neue Systematik erhält dadurch einen ausgesprochen synthetischen Charakter, der sich als überaus fruchtbar für die gesamte Biologie erweist. Derartige Überlegungen waren dafür maßgebend, daß die Deutsche Forschungsgemeinschaft Zoologen, Botaniker und Pa- läontologen zu einem „Kolloquium über Fragen der Neuen Systematik“ vom 16. bis 18. Januar 1961 nach Tutzing gerufen hat. Bei der Diskussion allgemeiner Probleme der Säugetiersystematik stand vor allem die Frage im Vordergrund, inwieweit sıch allometrische Methoden als Hilfsmittel bei der Abgrenzung systematischer Einheiten heranziehen lassen. Da diese Vorträge in einem inneren Zusammenhang stehen und die Autoren ihre Ergebnisse in dauerndem Gedankenaustausch erarbeiteten, haben sich die Herausgeber entschlossen, diese für den Säugetierforscher bedeutungsvollen Vorträge hier zusammengefaßt zu veröffentlichen. Dans les dernieres dizaines d’anne£es ıl prevalait de plus en plus la connaissance que la systematique est plus que pure classification et qu’une syst@matique moderne et scientifigquement consolidee ne peut pas se contenter d’une classification des organis- mes se basante sur l’examen de caracteres isoles. Une telle moderne consideration dans la taxionomie a d’importantes influences sur d’autres sciences. Par exemple elle a pu contribuer d’une maniere importante a une meilleure comprehension du procede de l’evolution. Dans la «Nouvelle Systematique» doit Etre tenu compte des resultats de diverses disciplines, c’est pourquoi cette nouvelle syst@matique obtient un caractere nettement systematique qui se montre tres fecond pour la biologie entiere. Ce sont les reflexions determinantes pour la decision de la «Deutsche For- schungsgemeinschaft» de convoquer des zoologistes, botanistes et pal&ontologistes du 16 au 18-1-1961 & Tutzing. Dans la discussion des problemes generaux de la syste- matique des mammiferes prevalait la question, jusqu’a quel point les methodes allometriques peuvent servir comme moyen de delimitation d’unites systematiques. Comme ces conferences sont intimement liees entre elles par des rapports communs et que les auteurs ont obtenu leurs resultats par un @changement permanent de leurs idees, les editeurs se sont decides de publier en bloc ces rapports si importants pour le mammalogiste. During the last decades the realization became increasingly prevalent that syste- matics is more ıhan simply classification and that a modern approach to systematics cannot be content with merely arranging organısms on the basıs of investigations 130 M. Röhrs of single characters. These new developments in taxonomy have many significant consequences for other biological sciences, as for example, ıt can contribute impor- tantly to a better understanding of evolutionary phenomena. In the ”New Syste- matics“ the results of the different biological disciplines must be considered together, and thereby, the New Systematics is characterized by a definite synthetic approach which should prove fruitful for biology in general. With. these considerations ın mind, the „Deutsche Forschungsgemeinschaft“ gathered together zoologists, botanists and palaeontologists for a colloguium on problems in the New Systematics at Tutzing during 16-18 January 1961. In the discussion of general problems of mammalıan systematics, the usefulness of allometric methods in the delimitation of systematic categories was formost amongst the pertinent topics. Because these lectures have a central theme of importance for mammalian systematics and because the authors have formulated their results in a close exchange of ıdeas, the editor has considered it desirable to pulish them together as a symposium on allometry and systematics. D. STARcK Allometrie und Systematik Von MANFRED RöHrs! Aus dem Zoologischen Staatsinstitut und Museum der Universität Hamburg‘ Direktor: Prof. Dr. Curt Kosswig Eingang des Ms. 20. 3. 1961 Regelhafte Proportionsänderungen bei Größenänderungen von Tieren in ontogeneti- schen und phylogenetischen Reihen sowie Proportionsunterschiede von adulten Tieren unterschiedlicher Größe und naher Verwandtschaft sind in ihrer Bedeutung für Wachs- tumsprozesse und Evolutionsvorgänge in den letzten Jahren vielfach diskutiert worden. (Kıatt 1913, 1949, HuxLey 1932, KuRTEN 1954, REnsScH 1954, v. BERTALANFFY 1942, 1957, Frıck 1957, 1958, Röhrs 1959, 1961 u. a.) Auch die funktionellen Ursachen derartiger Proportionsänderungen und Proportionsunterschiede wurden in einigen Fällen analysiert. (DiNNENDAHL und Kramer 1957, KRAMER 1959, MEUNIER 1959 a,b). Proportionsunterschiede bei Größenunterschieden von Tieren lassen sich sehr häufig erfassen mit der Allometrieformel y=b-x 2. Diese Formel ist gültig, wenn sich bei Körpergrößenänderungen. die einzelnen Teile unproportional ändern und wenn dabei die Zunahme eines Teils y (z. B. Organgewicht) in einem konstanten Verhältnis steht zu der Zunahme eines Teils x (z. B. Körpergewicht). In einem solchen Fall liegt „ein- fache Allometrie“ vor. Die Logarithmierung der Allometrieformel ergibt die Gleichung einer Geraden: log y=log b+a:-log x. Diese Gerade wird bezeichnet als Allometriegerade. Im doppelt-logarithmischen Koordinatensystem bestimmt log b den Schnittpunkt der Allometriegeraden mit der yAchse. (log b ıst der Wert von log y bei logx = O; numerisch: b ist der Wert von y beix = 1. Die Integrationskonstante b beinhaltet die ! Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgesellschaft. Nach einem Vortrag auf dem Kol- loquium zwischen Zoologen und Paläontologen in Tutzing am 17. 1. 1961. Allometrie und Systematik 131 Faktoren, welche z. B. außer der Körpergröße die Größe eines Organs bestimmen (Vergl. Bei- trag FRICK in diesem Heft). Die Allometrie- konstante a (auch Allometrieexponent) be- stimmt den Steigungswinkel der Allometrie- geraden, a ist der tangens dieses Winkels. Die Allometriekonstante kennzeichnet z. B. die mit der Körpergrößenänderung korrelierte Organ- größenänderung, bzw. bei adulten Tieren die mit Körpergrößenunterschieden korrelierten Organgrößenunterschiede. Sind z. B. aus einer ontogenetischen Reihe die Logarıthmen von Hirngewichten und Körper- gewichten einer repräsentativen Anzahl unter- schiedlich großer Individuen ermittelt, dann kann a bestimmt werden mit Hilfe der Regres- sionsrechnung; ist a bekannt, dann läßt sich b einfach ermitteln. In der Biologie ist es aber oft Abb. i. Größenkorrelierte intraspe- zifische Proportionsunterschiede bei Haushundschädeln. Oben: Doggen- schädel, unten: Zwerghundschädel; gleich groß gezeichnet (Nach KLATT 1949) nicht möglich, y einfach als abhängige und x als unabhängige Veränderliche aufzufassen. Es ist in solchen Fällen angebrachter, die Diagonal- gerade organischer Korrelation zu bestimmen und als Allometriegerade zu bewerten. Bei die- ser Berechnungsmethode wird der tangens des Anstiegswinkels der Geraden a“ bezeichnet. Durch die Bestimmung des Korrelationskoefh- zienten r kann die Stärke des geradlinigen Zu- sammenhangs zwischen log x und log y ermit- telt werden. Je stärker dieser Zusammenhang, desto besser stimmen a und a* überein. (Die Ein- zelheiten über die Berechnungs- und Sicherungs- methoden bei Bropy 1945, KERMACK und Har- DANE 1950, LiNDER 1951, v. BERTALANFFY 1957, Frick 1957 b, Rönrs 1959, CLass 1961, WETTE 1959.) im folgenden soll gezeigt werden, daß die Kenntnis von Allometrien bei vielen systema- tischen Untersuchungen eine unbedingt notwen- dige Voraussetzung ist. Zur Kennzeichnung der verschiedenen systematischen Einheiten werden Abb. 2. Proportionsunterschiede von Schädeln nahe verwandter, unter- häufig Proportionsunterschiede verwendet; hier- schiedlich großer Arten. (Ver- bei spielt die Ermittlung von Indices, von Re- gleichspaare jeweils gleich groß ge- lativwerten eine bedeutende Rolle. Allgemein zeichnet). Oben: 1. Katze, r. Löwe; a el ß ee Te h Mitte: ]. Mauswicsel, r. Edelmarder; anne is ar unten: ]. Ziesel, r. Murmeltier (Aus Verwandtschaft, d. h. derselben Unterart, Art, RenscH 1954) 132 M. Röhrs 150 P mm Schnauzenlänge x loo 50 3Joomm Basilarlänge loo 200 Abb. 3. Intra- und interspezifische einfache Allometrie für 4 Felidenarten. Von |. nach r.: @ Felis Iybica, x Felıs Iynx, ® Panthera pardus, x Panthera leo. Allometrie- konstante : 1,3 Gattung und Familie usw. un- terschiedlich proportioniert. In vielen Fällen sind aber diese Proportionsunterschiede rein größenkorreliert. Solche Pro- portionsverschiedenheiten sind aber keinesfalls geeignet zur Kennzeichnung systematischer Einheiten. Kriatr. (199, 1949552 größenkorrelierte Proportions- unterschiede bei adulten normal- wüchsigen Hundeschädeln un- tersucht. In Abb. 1 sind — gleich groß gezeichnet — ein sehr gro- ßer und ein sehr kleiner Hunde- schädel einander gegenüberge- stellt. Der kleine Hundeschädel hat einen relativ größeren Hirn- schädel, relativ größere Orbitae, relativ größere Zähne, einen relativ kleineren Gesichtsschädel und auf dem Hirnschädel fehlen die Cristae. Bei Einbeziehung der zwischen beiden Größenstufen gelegenen Hundeschädel konnte KLATT nachweisen, daß die genannten intraspezifischen Proportionsunterschiede lediglich größenkorreliert sind und somit keinen Wert für systematische Einordnungen haben. Ähnliches konnte ich innerhalb verschiedener Feliden- und Canidenarten nachweisen. (RÖHrs 1959). KLATT hat da- ) 60 mm \Hirnschädelkapazität loo 200 3oo mm Basılarlänge Abb. 4. Artspezifische einfache intraspezifische Allometrien bei 4 Feliden- arten. Von I. nach r.: @ Felis caracal a = 0,27; b = 10,7. x Felis lynx a = 0,19; b = 18,2. @ Felis concolor a = 0,24; b = 15,0. x Panthera leo a = 0,19; b = 22,6 her gefordert, daß bei systematischen Untersuchungen vor Bewertung von Propor- tionsunterschieden zunächst immer „der Einfluß der Größe“ auf die Proportionen analysiert werden müsse. 80 Emm Zahnreihe 60 loo Abb. 5. Artspezifische Allometrien; Arten wie in Abb. 3 Allometrie und Systematik 133 Ähnliche Gedankengänge Be äußerte RenscH (1954). In Abb. 2 sind von RENSCH gegen- übergestellt die Schädel von drei Artenpaaren naher Verwandt- schaft und unterschiedlicher Größe. Bei den jeweils kleine- ren Schädeln fallen immer die relativ größeren Hirnschädel und die relativ kleineren Ge- sichtsschädel besonders auf; ReEnscH vertrat die Auffassung, daß diese interspezifischen Pro- portionsunterschiede wahr- scheinlich ebenfalls mit ein- fachen Allometrien zu kenn- zeichnen seien: „Da die Art- differenzen bzw. die Gattungs- differenzen meist hauptsächlich auf diesen allometrischen Ver- 200 Joomm Basilarlänge schiebungen basieren, so ist sogar zu prüfen, ob die Arten bzw. Gattungen immer zu Recht aufgestellt sind.“ Verschiedene Maße bei unterschiedlich großen Feliden- und Canidenarten habe ich geprüft. Für vier Felidenarten ist in Abb. 3 aufgetragen die Beziehung Basilarlänge : Schnauzenlänge; alle Werte scharen sich um eine Allometrie- gerade, deren Anstiegs- winkel bestimmt ist durch ein a von => 1,3. Intra- und interspezifische Allo- metrie stimmen überein. Unterschiede in der rela- tiven Schnauzenlänge ın- nerhalb der Arten und vor allem zwischen den vier Arten sind lediglich durch die Größe bedingt und können nicht zur Kennzeichnung von Un- terarten und der vier Arten gegeneinander ver- wendet werden. Die Ana- |yse der Allometrien ist also hier unbedingt not- wendig zur Verhinderung von falschen Schlußfolge- rungen auf Grund der Bewertung von Relativ- werten. Im _ intraspezifischen Bereich bei den Hunde- schädeln sind von KLATT geschlossene Größenreihen untersucht worden; eben- URSUS SPELAEUS « ODESSA = DACHSTEIN URSUS ARCTOS o RECENT FINLAND © —PYRENEES © —OTHER LOCS. a SUBFOSSIL „0 IX.1942 o FOSSIL PARACONE HEIGHT FIRST UPPER MOLAR 18 20 22 24 26 ZU 308. IBM CROWN LENGTH FIRST UPPER MOLAR Abb. 6. Artspezifische Allometrien bei Ursus spelaeus und Ursus arctos. (Aus KurTEn, 1955) 134 M. Röhrs falls im letzten Beispiel aus dem interspezifischen Bereich der Felidae. In Abb. 2 sind immer nur zwei Schädel von unterschiedlich großen Arten miteinander ver- glichen. Bei einem solchen Vergleich ist aber nicht erwiesen, daß die vorhandenen Proportionsunterschiede lediglich größenkorreliert sind. Bei einem Vergleich von nur zweı unterschiedlich großen Schädeln sind im doppelt-logarithmischen Koordinaten- system für die einzelnen Maße immer nur zwei Punkte gegeben, zwischen denen nur eine Gerade gezogen werden kann. Damit ist aber keineswes der Nachweis ein- I ——n 55 PB mm VHirnschädelkapazität loo 150 200 250 mm Basilarlänge Abb. 7. Artspezifische Allometrien für x Canis aureus, ® Canis lupus 3 42 Bmm \Hirnschädelkapazität = oo 120 140 160 mm Basilarlänge Abb. 8. Artspezifische Allometrien bei 2 ungefähr gleich großen Arten. © Canıs aureus, x Canis adustus facher Allometrie erbracht. Es ist nicht sicher, daß die in der Größe zwischen den bei- den verglichenen Schädeln liegenden ebenfalls eine Bindung an diese Gerade besitzen. Zur Entscheidung dieser Frage sind möglichst geschlossene Reihen zu untersuchen. Bei unterschiedlich großen Säugetieren fallen immer die Unterschiede in der rela- tiven Hirnschädelgröße auf. Sind diese Unterschiede innerhalb der Arten und auch zwischen den Arten rein größenkorreliert oder nicht? Von vier Felidenarten sind in n ©, Abb. 4 aufgetragen die Werte für die Beziehung Basilarlänge: Hirnschädelkapazität. Allometrie und Systematik 135 Die Gesamtheit der Werte schart sich nicht um eine Allometriegerade, nur innerhalb der einzelnen Arten sind einfache Allometrien vorhanden. Zwischen den Arten beste- hen „sprunghafte Unterschiede“ in der Größe der Hirnschädelkapazität, diese Unter- schiede sind geeignet, die vier Arten zu trennen. Anders ausgedrückt: Die Allometrien 3 für die Beziehung Basilarlänge : V Hirnschädelkapazität sind artspezifisch. An einigen weiteren Beispielen sei gezeigt, daß es auch für weitere Maße bei anderen Arten art- spezifische Allometrien gibt (Abb. 5, 6, 7). In der Abb. 8 ist gezeigt, daß auch zwei gleich große Arten verschiedene Allo- 120 } g Hirngewicht metrien haben können. er Ich habe hier beson- ders artspezifische Allo- metrien betont; es gibt aber auch bei verschiede- nen Maßen spezifische Al- lometrien für Geschlech- 1000 5000 10000 50000 g te Unterarten, Gattun- Körpergewicht gen, Familien usw. Es Abb. 9. Einfache Allometrien für @ Rotfuchs a = 0,22, Ye u prüfen, bei wel- b = 7,68. x Haushund a = 0,25; b = 7,63.O Wolfa = 0,18, &en Maßen sich spezi- b = 21,9 fische Allometrien erge- ben für die verschiedenen systematischen Einheiten. (HERRE 1952, 1960, Kurren 1954, 1955, Frick 1958 a, BoHLKEN 1958, HERRE und RönHrs 1958, BÄHRENS 1960, HückıncHaus 1960). An einem letzten Beispiel soll gezeigt werden, daß intraspezifische Proportions- unterschiede, die rein größenkorreliert sind, bei gleichen Größenunterschieden weit stärker sein können als interspezifische artkennzeichnende Proportionsbesonderheiten. In Abb. 9 ist aufgetragen die Beziehung Körpergewicht : Hirngewicht für den Wolf, Haushund und Rotfuchs. Die Allometriekonstanten a mit Werten von 0,22 (Rot- fuchs), 0,25 (Haushund), 0,18 (Wolf) sind sich zwar recht ähnlich, aber die Allometrie- geraden liegen im Koordinatensystem verschieden hoch. Der sprunghafte Unterschied der Hırngröße zwischen Wolf und Haushund ist domestikationsbedingt, er kennzeich- net die Hirngewichtsabnahme in der Domestikation. Die größenkorrelierte Abhängig- keit des Hirngewichts von der Körpergröße ist aber bei Wolf und Haushund ungefähr gleich. In Abb. 9 ist zusätzlich eingetragen die interspezifische Allometriegerade, deren Anstiegswinkel durch ein a von 0,56 bestimmt wird. Diese Gerade wurde einfach kon- struiert durch Verbindung der Mittelwerte von Rotfuchs und Wolf; sie ist nicht Aus- druck einer einfachen interspezifischen Allometrie. Die intraspezifische Allometrie- konstanten von a = 0,18 - 0,25 im Vergleich zur interspezifischen von a = 0,56 sagen aus, daß zwischen unterschiedlich großen Individuen derselben Art die Proportions- unterschiede in der Beziehung Körpergewicht : Hirngewicht viel stärker sind als zwi- schen entsprechend unterschiedlich großen Arten. Das gilt auch für die Beziehung 3 Basilarlänge : / Hirnschädelkapazität. Die sprunghaften Unterschiede in der Hirn- größe von den kleinen zu den großen Arten heben die sehr starke relative Verkleine- rung des Gehirns innerhalb der Arten bei Größenzunahme gewissermaßen zum Teil auf. Diesen Sachverhalt mag Abb. 10 noch einmal veranschaulichen; es sind hier ver- glichen ein Wolfs- und Hundeschädel gleicher Größe (oben) und ein Fennek- und Hundeschädel gleicher Größe (unten). Hundeschädel dürfen hier in den Vergleich 136 M. Röhrs Abb. 10. Vergleich eines Wolfsschädels (l. oben) mit einem Fen- nekschädel fr unten) sowie eines Doggenschädels (r. oben) mir einem Zwerghundschädel (r. unten). Alle Schädel gleich groß : gezeichnet. (Aus KrartT 1949) einbezogen werden, da die größenkorrelierten Proportionsunterschiede mit denen beim Wolf übereinstimmen; sie werden hier für den intraspezifischen Bereich besonders deutlich, da Haushunde eine so starke Größenvariation haben (Röhrs 1958). Die Proportionsunterschiede zwischen den beiden Hundeschädeln sınd viel stärker als die zwischen den Schädeln von Wolf und Fennek. Schädel unterschiedlich großer Arten (Gattungen) können also in ihren Proportionen viel ähnlicher sein als entsprechend unterschiedlich große Schädel von Individuen derselben Art. Das zeigt, daß aus einer mehr oder weniger starken Ähnlichkeit der Proportionen von verschiedenen Formen nicht ohne weiteres Schlüsse auf den Grad der natürlichen Verwandtschafl gezogen werden können. In Anlehnung an Gedankengänge von KrAaTT (1913, 1949) und Huxrey (1932) möchte ich zusammenfassen: 1. Wenn zwischen unterschiedlich großen Tieren Unterschiede in der absoluten Größe bestehen und außerdem Unterschiede in der relativen Größe von Teilen oder Or- ganen vorhanden sind, dann ist zu prüfen, ob die Unterschiede in den relativen Größen auf einfache Allometrien zurückzuführen sind oder nicht. 2. Sind die Unterschiede ın den relativen Größen durch einfache Allometrien zu kenn- zeichnen, dann sınd sie Folgen der absoluten Größe und haben keinen taxono- mischen Wert. 3. Lassen sich die Unterschiede nicht durch einfache Allometrie kennzeichnen, dann sind sie offensichtlich „eigenen“ Ursprungs und haben taxonomischen Wert. Die Möglichkeiten der Allometrieforschung für die Systematik sind in diesem Heft in den Arbeiten von Frıck, BOHLKEN, BÄHRENS und HÜCKINGHAUS aufgezeigt. Zusammenfassung Zwischen unterschiedlich großen Tieren naher Verwandtschaft (Unterarten, Arten, Gattungen, Familien) bestehen regelhafte Proportionsunterschiede. Diese Proportionsunterschiede können in vielen Fällen durch die Allometrieformel y = b - x2 erfaßt werden; bei solchen einfachen Allomerrien ist es nicht möglich, die Proporkionsunversdurede zur Kennzeichnung systematischer Einheiten zu verwenden. Allometrien können aber auch spezifisch sein für Ins Arten, Gattungen, Familien usw. In solchen Fällen sind sie geeignet, die systematischen Einheiten gegeneinande: abzugrenzen. Allometrie und Systematik 113.74 Literatur BÄHRENns, D. (1960): Über den Formenwandel des Mustelidenschädels; Gegenbauers Morphol. Jb. Bd. 101, H. 2. — BÄHrens, D. (1961): Zur Bedeutung allometrischer Untersuchungen für das Studium innerartlicher Variabilität des Schädels von Musteliden; Z. f. Säugetierkunde, Bd. XXVI, H. 3 — BERTALANFFY, L. v. (1942): Theoretische Biologie II; Berlin, Bornträger. — BERTALANFFY, L. v. (1957): Wachstum. — In: Helmcke-Lengerken-Starck: Handbuch der Zoo- logie 8, 4. Teil. — BoHLken, H. (1958): Vergleichende Untersuchungen an Wildrindern (Tribus Bovini Simpson 1945); Zool. Jb. Phys. Bd. 68, 1/2. — Bohrken, H. (1961): Allo- metrische Untersuchungen an den Schädeln asiatischer Wildrinder; Z. f. Säugetierkunde, Bd. XXVI, H. 3. — Bropy, S. (1945): Bioenergetics and Growth; New York. — Cıass, ]. (1961): Der Einfluß vermehrter körperlicher Tätigkeit auf die Organgewichte von Albino- mäusen; Z. f. Anat. und Entwgesch. 122, 251-265. — DINNENDAHL, L. und KRAMER, G. (1957): Über größenabhängige Änderungen von Körperproportionen bei Möwen; J. f. Ornith. 98, 3. — Frick, H. (1957) a: Quantitative Untersuchungen an äthiopischen Säugetieren. (I. Absolute und relative Gewichte von Herz, Leber, Milz und Nieren); Anat. Anz. 104. — Frıck, H. (1957) b: Betrachtungen über die Beziehungen zwischen Körpergewicht und Organgewicht; Z. f. Säugetierk. 22. — Frick, H. (1958) a: Betrachtungen zum allometrischen Wachstum einiger Nagetiere; Verhandl. D. Z. G. 1958. — Frick, H. (1958) b: Allometrische Untersuchun- gen an Schädeln von Pavianen; Anthropol. Anz. Jg. 233 1. — Frick, H. (1961): Allometrische Untersuchungen an inneren Organen v. Säugetieren als Beitrag zur „Neuen Systematik“; Z. f. Säugetierkunde Bd. XXVI, H. 3. — HErRE, W. (1952): Studien über die wilden und dome- stizierten Tylopoden Südamerikas; Zool. Garten, N. F. 19. — HERRE, W. (1960): Grundsätz- liches zur Systematik des Pferdes; Z. f. Tierzüchtung und Züchtungsbiologie, Bd. 75, H. 1. — HERRE, W. und RöHrs, M. (1958): Die Hethitischen Grabfunde von Osmankayası. Die Tier- reste aus den Gräbern von Osmankayası. 71. Wiss. Veröff. d. Dtsch.-Orient-Ges. — Hückınc- Haus, F. (1960): Vergleichende Untersuchungen über die Formenmannigfaltigkeit der Unter- familie Caviinae; Z. wissensch. Zoologie (im Druck). — HückınGcHaus, F. (1961): Die Bedeu- tung der Allometrie für die Systematik der Rodentia; Z. f. Säugetierkunde, Bd. XXVI, H. 3 — Huxıey, J. (1932): Problems of relative Growth; London. — KERMAcK, K. A. and HALDANE, J. B. S. (1950): Organic Correlation and Allometry; Biometrika, 37, 30-41. — KLATT, B. (1913): Über den Einfluß der Gesamtgröße auf das Schädelbild nebst Bemerkungen über die Vorgeschichte der Haustiere; Arch. Entw.-Mech. 36. — Kıart, B. (1949): Die theorethische Biologie und die Problematik der Schädelform; Biol. Gen. 19. — KRAMER, G. (1959): Die funktionelle Beurteilung von Vorgängen relativen Wachstums; Zool. Anz. Bd. 162, 7/8. — KurTt£n, B. (1954): Observations on Allometry in Mammalıan Dentitions; its Inter- pretation and Evolutionary Significance; Acta Zool. Fennica. 85. — Kurten, B. (1955): Contribution to the History of a Mutation during 1000000 Years; Evolution, Vol. IX, No. 2. Liner, A. (1951): Statistische Methoden; 2. Aufl. Basel. — MEuNIER, K. (1959) a: Die Allometrie des Vogelflügels; Z. w. Z. 161. — MEuNnIER, K. (1959) b: Die Größenabhängigkeit der Körperform bei Vögeln; Z. w. Z. 162, 3/4. — RenscH, B. (1954): Neuere Probleme der Abstammungslehre; Die transspezifische Evolution. Stuttgart. — Rönrs, M. (1958): Allo- metrische Untersuchungen an Canidengehirnen; Zool, Anz. Ergbd. Verhandl. Dtsch. Zool. Ges. Frankfurt. — RöHrs, M. (1959): Neue Ergebnisse und Probleme der Allometrieforschung; Z. w. Z. Bd. 162, 1/2. — Rönrs, M. (1961): Allometrie und biologische Formanalyse; Z. f. Morphologie und Anthropologie (i. Dr.). — WETTE, R. (1959): Regressions- und Kausal- analyse in der Biologie. Metrika 2, 131-137. Anschrift des Verfassers: Privatdozent Dr. MANFRED RöHrs, Hamburg 13, Zoologisches Staats- Institut und Museum, v. Melle-Park 10 Allometrische Untersuchungen an inneren Organen von Säuge- tieren als Beitrag zur „neuen Systematik” ' ° Von Hans FRICK Aus dem Senckenbergischen Anatomischen Institut der Universität FrankfurtM Direktor: Prof. Dr. D. Starck Eingang des Ms. 26. 1. 1961 In den letzten Jahren wurde verschiedentlich die Möglichkeit diskutiert, mit Hilfe der Allometriegleichung für Teilgrößen des Organismus artkennzeichnende Maß- zahlen, die Allometriekonstante (= Allometrieexponent) und die Integrationskon- stante (= Faktor b), zu berechnen (Röhrs 1958, 1959, Frıck 1959). Für die taxiono- mische Bewertung des einzelnen Individuums kommt diesen Maßzahlen kaum Be- deutung zu, doch sind sie als zahlenmäßiger Ausdruck von Arteigenheiten von großem theoretischen Interesse. Sie ergänzen die bisher üblichen Methoden der quan- titativen Formbeschreibung und ermöglichen — im Gegensatz zu den größenabhän- sigen Relativwerten und Indices — sinnvolle Aussagen über Proportionsunterschiede bei adulten Individuen ungleich großer Arten. Während andere Autoren vor allem die Beziehungen zwischen Linearmaßen des + I Schädels und Y Hirnschädelkapazität sowie verschiedener Schädelmaße untereinander analysierten (Röhnrs 1959, 1961, BÄHnrens 1960, HückıncHAus 1961), haben wir uns die Frage vorgelegt, inwieweit den Beziehungen zwischen Körpergewicht und. Organgewichten bei Säugetieren, insbesondere bei Muriden, ein artkennzeichnender Charakter zukomnit. Die Auswertung der von meinen Mitarbeitern und mir durch- geführten quantitativen Untersuchungen an individuenreichen Stichproben von Wald- maus, Albınomaus und Rötelmaus ergab enge Korrelationen zwischen Nettokörper- gewicht und Gewicht von Herz, Leber, Nieren und Gehirn. Die Voraussetzung zur Berechnung von Allometrie- und Integrationskonstanten ist damit erfüllt. Für das Herz adulter weiblicher Individuen von Apodemus sylvaticus beträgt z. B. der Allometrieexponent 0,64 (KLEmMT 1960). Bei einer Zunahme des Logarithmus des Körpergewichts um 1 vergrößert sich der logarıthmische Wert des Herzgewichts der Waldmaus um 0,64. Aus den von Hesse (1921) veröffentlichten Herzgewichten er- rechneten wir für die Weibchen von Apodemus sylvaticus ebenfalls einen Exponenten von 0,64. Die Übereinstimmung der beiden Werte ist jedoch nicht Ausdruck einer Art- oder Gattungsspezihtät; denn die für weibliche Albinomäuse und für männ- liche Individuen von Sciurus vulgaris errechneten Herzexponenten von 0,74 sind nicht signifikant von den für die Waldmaus ermittelten Exponentenwerten ver- schieden. Für eine Reihe wildlebender, unter Laborbedingungen oder im Hausstand gehaltener Säugetiere, so z. B. für Maulwurf, Rötelmaus, Albinoratte, Haushund, ' Durchgeführt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Nach einem Vortrag auf dem Kolloquium zwischen Zoologen und Paläontologen in Tutzing am 17. 1. 1961. > Allometrische Untersuchungen an inneren Organen 139 Rotfuchs und äthiopische Primaten, errechneten wir Herzexponenten von 0,82 bis 0,86. Bei allen diesen Formen steht für die untersuchten Stichproben die Zunahme des Herzgewichtes ın einem gleichen konstanten Verhältnis zur Zunahme des Netto- körpergewichtes; die Allometriekonstante für die Beziehungen Herzgewicht zu Or- gangewicht hat keinen artkennzeichnenden Charakter. Ähnliches gilt für den Allo- metrieexponenten der Leber und der Nieren. Der Leberexponent beträgt für Wald- mausweibchen 0,95 (KLEMMT), für äthiopische Primaten 0,92, beim Haushund 0,91 (Frick 1957) und für weibliche Albinomäuse 1,00 (SEELIGER). Alle diese Werte sind nicht statistisch gesichert verschieden. Der Nierenexponent hat bei Apodemus syl- vaticus einen Wert von 0,86 bei den Männchen und 0,91 bei den Weibchen. Er liegt bei einer Reihe von Säugetieren (u. a. Ratte, Haushund, Wolf, Rotfuchs, äthiopische Primaten, afrıkanische Ungulaten) zwischen 0,80 und 1,00 (Zusammenstellung siehe KLEmmT). Lediglich bei männlichen Albinomäusen fand SEELIGER mit einem Nieren- exponenten von 1,25 einen deutlich abweichenden Wert. Die Albinomäuse (erbreiner Stamm AGnEs BLUHM) bilden auch das einzige, an einer genügend großen Stichprobe nachgewiesene Beispiel für eine signifikante Geschlechtsdifferenz des Allometrie- exponenten eines der großen Stoflwechselorgane; denn der Nierenexponent der weiblichen Tiere beträgt nur 0,91. Für das Gehirn ergibt sich ein grundsätzlich gleichartiger Befund wie für Herz, Leber und Nieren. Der Hirnexponent kann bei unterschiedlich großen, verschiedenen systematischen Einheiten zugehörenden Arten einen ähnlichen Wert aufweisen. Er beträgt z. B. für Waldmaus, Albinomaus, Al- binoratte, Hauskaninchen, Wolf und Rotfuchs um 0,20 (Exponentenwerte nach CHomowskı 1958, Frıck 1958, RöHrs 1959, KLEmMT 1960, SEELIGER 1961). Auf- 9 Hirngewicht 750 100 Be 75 Hauskanınchen Se ron 20 ___- Albinoratte 9 ao eu neo 06 Waldmaus 9 u el me Albinomaus 9 04 70 25 50 700 250 500 7000 2500 5000.g Köroergewicht Abb. 1. Beziehungen zwischen Hirngewicht und Körpergewicht bei Waldmaus, Albinomaus, Albinoratte und Hauskaninchen nach den Daten von CHomowskı (1958), Frick (1958), KrLEmmT (1960), SEELIGER (1961). Eingezeichnet sind nur die Allometriegeraden (Regressions- geraden). Sie wurden für Waldmaus, Albinomaus und Albinoratte in den Körpergrößenbereich des Hauskaninchens verlängert (unterbrochene Linien), um den annähernd parallelen Verlaut der Geraden deutlicher darzustellen 140 H. Frick fällig ist, daß wir bei Wildkaninchen und wilder Wanderratte mit 0,26 bzw. 0,31 einen deutlich höheren Allometrieexponenten finden als bei ihren domestizierten Verwandten, beim Vergleih Wolf—Haushund dagegen das Haustier einen etwas höheren Hirnexponenten aufzuweisen scheint. Insgesamt können wir aus dem bisher Gesagten den Schluß ziehen, daß der Allomerrieexponent von Gehirn, Herz, Leber und Nieren, der den Anteil des Körpergewichts an dem jeweiligen Organgewicht ausdrückt, bei Säugetieren im allgemeinen kein artspezifisches, meist nıcht einmal ein ordnungsspezifisches Kriterium ist. Bei der graphischen Darstellung der Beziehungen zwischen Organ- und Körper- gewicht in einem doppellogarithmisch unterteilten Koordinatensystem verlaufen die Allometriegeraden (annähernd) parallel, wenn die Allometriekonstanten für das be- treffende Organ bei den verglichenen Arten statistisch nicht gesichert verschieden sind. Dies seı für die Ben Hirn-Körpergewicht Isrer (Abb. 1). Die Allo- metriegeraden wurden als een für die Regression von log Hirn- gew en nach log Körpergewicht berechnet und stellen die den Meßpunkten am besten angepaßßtten Linien dar. Sie verlaufen für Waldmaus, Albinomaus, Albinoratte und Hauskaninchen annähernd parallel, liegen jedoch in unterschiedlicher Höhe, da der Faktor b (= Integrationskonstante, der den vom Körpergewicht unabhängigen Teil der Hirngröße be- stimmt und deshalb auch als Organkoeffizient bezeich- net wurde, bei den verschiedenen Arten differiert. Wir haben somit ın dem Faktor b der Allomerriegleichung, dem Organkoeffizienten, eine vom Körpergewicht un- abhängige Maßßzahl berechnet, die — bei statistisch nicht gesichert verschiedenem Wert der Allometrie- konstante — eine artbedingte Eigenheit des Gehirn- gewichtes wiederzugeben scheint. Entsprechendes silt auch für die Integrationskonstanten (= Organkoefhi- zienten) anderer Organe (Herz, Leber, Nieren, usw.). Wie kennzeichnend der Organkoeffhzient für das Herz- gewicht einer Art sein kann, mag ein Vergleich bei äthiopischen Haushunden zeigen. Für die von KLaTT 1913 ın Erythräa gesammelten Tiere beträgt der Herz- koefhizient 346 - 10—. Den gleichen Wert, nämlich 347 - 10, errechneten wir für 7 äthiopishe Haus- hunde, die wir 1956 im Hochland von Schoa unter- suchen konnten (Frıck 1957). Was bedeutet nun der Faktor b der Allomerrie- gleichung? Nach KLaTT (1919) umfaßt er die Gesamt- heit aller inneren und äußeren Faktoren, die — mit Aus- Organgewicht nahme des Körpergewichts — das jeweilige Organ- eG me = - . - . = ie eye. gewicht bestimmen. Die Integrationskonstante wird Körpers sowohl durch die anatomische Konstruktion des Orga- 4,5, Beziehungen zwischen nısmus als auch durch den Einfluß der Umgebung, dem Ge von Herz, Leber durch Lebensraum und Lebensweise gestaltet, hängt und Nieren und dem Netto- von der Altersstufe und u. U. auch vom Geschlecht Sörpergewicht bei weiblichen Fr RE RER Albinomäusen, die 40h ge- d 7 r > > er untersuchten Individuen ab. Die Richtigkeit dieser „hwommen hatten („ag Vorstellungen können wir experimentell prüfen. Meine bei unter Laborbedingungen ge- Mitarbeiterin Crass (1961) ließ Albinomäuse (erb- haltenen weiblichen Albino- reiner Stamm AGNES BLUHM) vermehrt körperlihe Mäusen -—--—-- ) und bei weib- Arbeit leisten. Adulte Weibchen mußten unter defi lichen WdE ee ) ; BEE en UNbEr EU, Nadı' Grass; 2 Auau Wu ee nierten Bedingungen insgesamt 40% schwimmen. Damit 1961 Allometrische Untersuchungen an inneren Organen 141 wurde unter sonst. gleichen Verhältnissen eine Teilkomponente der Lebensweise ge- ändert. Wie auf Grund der theoretischen Überlegungen zu erwarten war, blieb der Allometrieexponent für die Stoffwechselorgane Herz, Nieren, und Leber - nicht aber für das Gehirn — annähernd unverändert. In der graphischen Darstellung (Abb. 2) verlau- fen die Allometriegeraden der genannten Arten für die Schwimmtiere und für die Kon- trolltiere nahezu parallel. Der Einfluß des Körpergewichts auf das Gewicht dieser Or- gane ist somit auch unter experimentell geänderten Bedingungen gleich geblieben. Für Herz und Nieren erhöhte sich jedoch der Wert der Integrationskonstanten (= Faktor b) in signifikanter Weise, die Allometriegeraden dieser beiden Organe liegen bei den Schwimmtieren höher. Als Folge der vermehrten körperlichen Tätigkeit sind bei den Schwimmtieren Herz und Nieren schwerer als bei den Kontrolltieren von gleichem Körpergewicht. Das Lebergewicht wurde dagegen durch die Schwimmtätigkeit nicht in statistisch gesichertem Ausmaß beeinflußt. Interessant ist ein Vergleich mit den Organ- gewichten eines wildlebenden Verwandten der Albinomaus, nämlich der Waldmaus, die ebenfalls der Unterfamilie der Murinae angehört. (Die Stammform der Albinomaus, die graue Hausmaus, konnte leider nicht zu dem Vergleich herangezogen werden, da wir noch nicht genügend adulte, nichtgravide Weibchen dieser Art untersuchen konnten). Die Allometriegeraden der drei Organe verlaufen für Waldmaus, Versuchs- und Kontrolltiere der Albinomaus annähernd parallel, da — wie bereits erwähnt — die Allometriekonstanten nicht signifikant verschieden sind. Die Integrationskonstante (= Faktor b = Organkoeffizient) ist dagegen bei der Waldmaus für alle drei Organe erheblich größer. Die experimentelle Prüfung bestätigt die theoretischen Vorstellungen über die Bedeutung des Organkoeffizienten. Daraus ergibt sich, daß der für die verschiedenen Organe der adulten Individuen einer Species errechnete Organkoeffizient streng- genommen lediglich eine für die Population typische Maßzahl ist, aus der die unter- suchte Stichprobe entnommen wurde. Die Bedeutung der Integrationskonstante als artkennzeichnende Maßzahl der Beziehungen Organgewicht zu Körpergewicht wird dadurch eingeschränkt. Wie unser Versuch mit den Schwimmtieren gezeigt hat, er- öffnet jedoch die Allometrierechnung die Möglichkeit, den Einfluß exogener Faktoren auf die Größe bestimmter Organe zu analysieren. Wir sind z. B. zur Zeit dabei, den Einfluß von Temperatur und Aufenthalt in größerer Höhe zu untersuchen. Damit leistet die Allometrieforschung einen Beitrag zum Verständnis der quantitativen Ver- schiedenheiten qualitativ gleichartiger Organe. Darin liegt u. E. eine wesentliche Bedeutung der Allometrieforschung für die „neue Systematik“, die nach Sımpson (1959) “brings together all aspects of science concerned with organic diversity“. Zusammenfassung Allometrische Untersuchungen an Säugetieren (insbesondere Muriden) zeigen, daß der Einfluß des Körpergewichts auf die Gewichte innerer Organe (u. a. Herz, Leber, Nieren und Gehirn) bei verwandten Formen und bei systematisch fernerstehenden Arten vielfach sehr ähnlich (d. h. statistisch nicht signifikant verschieden) ist. Den Allometrieexponenten dieser Organe kommt daher im allgemeinen kein artkennzeichnender Wert zu. Dagegen kann der Faktor b der Allometrieformel (= Organkoeffizient = Integrationskonstante) ein charakteristischer Ausdruck der Organgröße für Individuen der gleichen Altersgruppe einer Art sein. Sein Zahlenwert hängt jedoch nicht nur von inneren Faktoren ab, sondern wird auch von Umwelt- bedingungen (Lebensraum, Lebensweise, usw.) beeinflußt. Der für adulte Individuen einer Species errechnete Organkoeffizient ist somit strenggenommen nur eine für diejenige Popu- lation typische Maßzahl, aus der die untersuchte Stichprobe entnommen wurde. An einem Beispiel (Auswirkung vermehrter körperlicher Tätigkeit auf das Herzgewicht bei Albino- mäusen) wird gezeigt, daß sich mit Hilfe des Allometrieprinzips für bestimmte Organe der Einfluß von Umweltfaktoren auf das jeweilige Organgewicht bestimmen läßt. 142 F. Hückinghaus Literatur BÄHRENSs, D. (1960): Über den Formwandel des Mustelidenschädels. Morphol. Jb. 101, 279-369. — CHomowskı, H. (1958): Vergleichende Messungen an Gehirnen von Wild- er Haus- kaninchen. Zool. Anz. 161, 259- 271 Crässl. (1961): Der Einfluß vermehrter körperlicher Tätigkeit auf die Orsanzewichte von Albinomäusen. Z. Anat. 122, 251-265. — Frick, H. (1957): a Untersuchungen an äthiopischen Säugetieren. Anat. Anz. 104, 305-333. — FRIck, (1958): Betrachtungen zum allometrischen Wachstum einiger Nagetiere. Verh. re Zool. Ges. Erankfurs 1958, 308-314. — Frick, H. (1959): Alone rd Unter- suchungen an den Schädeln von Parianen. Anthrop. Anz. 23, 64-71. — Hesse, R. (1921): Das Herzgewicht der Wirbeltiere. Zool. Jb., Abt. allg. Zool. 38, 243-364. — HüÜCKINGHAUs, F. (1961): Allometrische Untersuchungen zur Systematik der Nagetiere. Z. f. Säugetierkunde 26. — Kıarr, B. (1919): Zur Methodik vergleichender merrischer Untersuchungen besonders des Herzgewichtes. Biol. Zbl. 39, 406-421. — KrLEmMT, L. (1960): Quantitative Untersuchungen an Apodemus sylvaticus (Linnaeus 1758). Zool. Anz. 165, 249-275. — Rönrs, M. (1958): Allo- metrische Studien in ihrer Bedeutung für Evolutionsforschung und Systematik. Zool. Anz. 160, 276-294. — Rönrs, M. (1959): Neue Ergebnisse und Probleme der Allometrieforschung. Z. wiss. Zool. 162, 1-95. — Rönrs, M. (1961): Allometrie und Systematik. Zf. Säugetierkd. 26. — SEELIGER, H. (1961): Quantitative Untersuchungen an Albinomäusen (Erbreiner a „AGNES-BLUHM“). Anat. Anz. (im Druck). — SımPson, G.G. (1959): Anatomy and morphology classification and evolution: 1859 and 1959. Proc. Amer. Phil. Soc. 103, 286-306. Anschrift des Verrasen: Prof. Dr. Hans Frick, Frankfurt a. M., Ludwig-Rehn-Straße 14, Anatomisches Institut Die Bedeutung der Allometrie für die Systematik der Rodentia Von FOLKHART HÜCKINGHAUS Aus dem Institut für Haustierkunde der Christian-Albrecht-Universität Kiel Direktor: Prof. Dr. Wolf Herre Eingang des Ms. 24. 2. 1961 Die Rodentia oder Simplicidentata stellen unter den Säugetieren eine Gruppe besonde- rer Formfülle dar. Diese Tatsache gewinnt dadurch an Interesse, daß aus den paläonto- logischen Daten der Hinweis zu entnehmen ist, daß es sich um eine Tiergruppe handelt, welche erst ın erdgeschichtlich weniger zurückliegenden Zeiten ihre wesentliche evolu- tive Entwicklung fand. Innerhalb er Rodentia bilden die südamerikanischen Meer- schweinchen eine wohlabge- grenzte Einheit, die seit dem Pliocän bekannt ist (Simpson 1945). Meine Untersuchung beschränkt sich auf die Un- : | terfamilie Caviinae MURRAY kn 285 1866, deren Gattungen und die noch niedrigeren syste- matischen Gruppen. Innerhalb dieser Unter- familie werden die Gattun- gen Microcavia GERVAIS & AMEGHINO 1880, Galea MEYEN 1831, Cavia PALLAS Ibb. 7. Schädel von Microcavia australis, Cavia aperea, 1766 und Kerodon CUVIER Galea musteloides und Kerodon rupestris 1825 unterschieden (Abb. 1). Die Bedeutung der Allometrie 143 Als Kennzeichen für Cavia gilt, daß zwischen die Prismen der Backenzähne Zement eingelagert ist; für die durchschnittlich kleineren Galea, daß die Incisiven pigmentiert sind; bei Microcavia, deren geringe Größe Galea fast entspricht, sind die Incisiven nicht pigmentiert. Kerodon zeichnet sich durch Größe und Schlankheit aus (ErLEr- MANN 1940/41). Schon aus diesen knappen Hinweisen wird deutlich, daß auch Größenunterschiede zwischen den Gattungen eine Rolle spielen. Das gleiche gilt für die Arten. Größen- unterschiede wirken sich auf Gestaltmerkmale aus (Kıatr 1913, 1949; HuxLey 1932). Daher haben systematische Erörterungen, die für stammesgeschichtliche Aussagen eine tragfähige Grundlage sein sollen, zunächst reine Größeneinflüsse zu beachten. Allo- metrische Methoden gestatten deren Feststellung klarer als die Berechnung von Relativ- werten (RÖHRS 1959). Der Schädel spielt in der Systematik der Säugetiere eine besondere Rolle; dem Hirnschädel kommt ein starker, gestaltbestimmender Einfluß zu. Allgemein bekannt ist, daß kleine aber ausgewachsene Schädel einer Art relativ große Hirnschädel haben. Daher gilt es zu prüfen, ob sich Besonderheiten zwischen den systematischen Gruppen 3 zeigen. Dazu sei die Y Hirnschädelkapazität zur Condyloincisivlänge in Beziehung gesetzt. Es ergeben sich gattungstypische Allometrieexponenten; und zwar für die Gattung Microcavia ist a = 0,36; für die Gattung Galea ist a = 0,61 und für die 3 m — 2 mm| YHirnschädelkapazıtät 20 R n oO 19 Q o °, 18 D 15 + et Condyloincisivlänge 40 45 50 33 60 65 mm Abb. 2. V Hirnschädelkapazität in Beziehung zur Condyloincisivlänge der Gattungen Micro- cavia +, Galea DO, Cavia @ und Kerodon ” Gattung Cavia ist a = 0,44. Von der Gattung Kerodon reichte das Material zu einer allometrischen Berechnung nicht aus. Die graphische Darstellung (Abb. 2) zeigt aber deutlich, daß sich auch diese Gattung von den anderen unterscheidet. Es gilt also nicht nur die generalisierende Aussage von einer Größenabhängigkeit des Hirnschädels, sondern es ergibt sich, daß das Ausmaß dieser Größenabhängigkeit gattungstypisch verschieden ist, sich also im Laufe der Stammesgeschichte wandelte und somit auch systematisch bedeutsam wurde. 144 F. Hückinghaus mm| Parietallänge . os [3 ... EZ 22 . [3 ... [3 © ... 2 .....o..: © ..o.»s 16 Condyloincisivlange 20 45 50 33 60 mm Abb. 3. Parietallänge zur Condyloincisivläinge der Gattungen Micro- cavia +, Galea O und Cavia @ Occipitalhöhe .. 16 14 13 Condyloincısıvlänge 40 45 50 55 60 mm Abb. 4. Occipitalhöhe zur Condyloincisivlänge der Gattungen Microcavia + und Cavia @ Die Bedeutung der Allometrie 145 Mit Hilfe der allometrischen Berechnung ließen sich aber nicht nur in der Größen- beziehung Hirnschädelkapazität zur Condyloincisivlänge Unterschiede zwischen den Gattungen nachweisen. Auch für die einzelnen untersuchten Schädelteile ergaben sich gattungstypische Werte. Dies sei an der graphischen Darstellung der Parietallänge zur Condyloincisivlänge belegt (Abb. 3). Die stufenweise Lage der Allometriegeraden sagt aus, daß das Parietale von Galea bei gleicher Schädelgröße absolut länger ist als bei Microcavia und daß das Parietale von Cavia verglichen mit entsprechend großen Galeaschädeln absolut länger als bei dieser Gattung ist. Wie ein Vergleich der Allo- metrieexponenten lehrt, ist außerdem aber auch hier das Ausmaß der Größenabhängig- keit verschieden; für Microcavia ist a = 0,42; für Galea ist a = 0,58 und für Cavia ist a —= 0,68. Diesen Werten ist zu entnehmen, daß innerhalb der Gattungen bei Grö- ßenzunahme die Parietallänge von Microcavia relativ am stärksten und bei Cavia relativ am wenigsten abnimmt. Noch aus einem anderen Grund sind die Darstellungen lehrreich. Vielfach werden systematische Aussagen auf der Grundlage gleichgroßer Schädel gemacht. Dies Ver- fahren ist jedoch unzureichend. Auch meine Studien zeigen, daß zur Kennzeichnung einer systematischen Einheit der Gesamtgrößenbereich herangezogen werden muß. Microcavia und Cavia überschneiden sıch in einem engen Größenbereich, in dem zum Beispiel die Occipitalhöhe der Schädel beider Gattungen gleiche Proportionen auf- weist. Insgesamt bestehen aber zwischen diesen beiden Gatungen in der Größenbezie- hung Occipitalhöhe zur Condyloincisivlänge auffallende Unterschiede. Dies zeigt die allometrische Berechnung und wird von der graphischen Darstellung veranschaulicht (Abb. 4). Der Allometrieexponent für die Gattung Microcavia ist gleich 0,2; bei Grö- ßenzunahme nimmt die Occipitalhöhe innerhalb dieser Gattung relativ sehr stark ab. In der graphischen Darstellung weist die Allometriegerade einen flachen Verlauf auf. Einen viel stärkeren Anstieg kennzeichnet die Allometriegerade der Gattung Cavia. Der Allometrieexponent ist hier gleich 0,8. Vom kleinen zum großen Schädel mm Lg.d.Nasalia 0 °o nimmt die Occipitalhöhe bei Cavia also viel geringer ab. Für die ganze Unterfamilie ein- heitliche Allometrieexponenten konn- ten bei meinen Untersuchungen, die 93 hun N 36 Maße erfaßten, nicht festgestellt werden (HückıncHAaus 1961). Die Schädel der Gattungen sind also in ihren Einzelteilen verschieden propor- tioniert. Dies zeigt, daß Werte von einer kleinen Gattung nicht einfach extrapoliert werden können, um zu den Unterschieden der größeren Gat- tung zu gelangen (RönHrs 1959). An- dere von der Größe unabhängige Fak- toren müssen ursächlich der Ausfor- mung einer systematischen Einheit RR zugrunde liegen. Benno mE S Zu entsprechenden Ergebnissen 50 55 80mm führte die Untersuchung der Arten. Abb. 5. Länge der Nasalia zur Condyloincisiv- Auch hier sind es von der Größe un- länge von Cavia aperea O und Cavia fulgida @; abhängige Merkmale, die die Art in der graphischen Darstellung wurde die gat- Me en Ber fungscharakteristische Allometriegerade angedeu- 2 Marakterısieren. fllerfur sei ein Dei tet spiel angeführt. Die doppeltlogarith- 146 F. Hückinghaus — Die Bedeutung der Allometrie mische Darstellung, in der die gat- Jugalbreite 2 v4 tungstypische Allometriegerade ange- deutet wurde, erlaubt die Feststellung, ob die beschriebenen Merkmale für die Art charakteristisch, also nicht durch die Größe bedingt sind. Entsprechen nämlich die Einzelwerte der Arten der gattungstypischen Allometriegeraden, ist es sehr wahrscheinlich, daß inter- und intraspezifische Allometrie über- einstimmen. Dann ist zwischen den Condyloineisivig. Arten kein artkennzeichnender, son- 50 55 TER dern nur ein größenbedingter Pro- portionsunterschied vorhanden. Abb. 6. Jugalbreite zur Condyloincisiv De Bei der Artbeschreibung von Cavia von Cavia aperea © und Cavia fulgida @; fulgıda (WAGLER 1831) zum Beispiel der graphischen Darstellung wurde die a a K SE +. Grö tungscharakteristische Allometriegerade ange- WUTdeN zur FLENNZeIchnung DHL Tzon a ßen- und Zahnunterschiede angege- ben (THomas 1917). An Hand der graphischen Darstellungen zeigte sich aber außerdem, daß die im Durchschnitt klei- neren fulgida-Schädel ee aperea-Schädel meist längere Nasalıa haben (Abb. 5). Fast alle Einzelwerte von Cavia fulgida liegen in der Größenbeziehung Nasalia- länge zur Condyloincisivlänge über der für die Gattung Cavia berechneten Allo- metriegeraden. Das gleiche trifit für die Einzelwerte der Jugalbreite zu (Abb. 6). Obwohl sich die Variationsbreiten überschneiden, zeigt die Streuung der Werte von Cavia fulgida gegenüber Cavia aperea eine unterschiedliche Verteilung. Es bestehen also außer den Zahnunterschieden, die im Zusammenhang mit dem Vorkommen beider Arten ım selben Gebiet schon eine Trennung rechtfertigen könnten, noch Propor- tionsunterschiede, die mit Hilfe der allometrischen Methode nachgewiesen werden konnten. 35 30 Zusammenfassung Insgesamt ereneheer meine Studien über die systematische Gliederung der Cavinae, daß durch allometrische Bearbeitung Umproportionierungen zwischen Einzelelementen deutheh werden, die auf jeweils gruppentypische Wachstumsabläufe hinweisen. Größenunterschiede haben wohl Proportionsverschiebungen zur Folge, die entscheidenden systematischen Unter- schiede, die echten phylogenetischen Schritte, liegen jedoch in Proportionsänderungen. Über deren Ursache vermag ich noch keine Aussagen zu machen. Literatur ELLERMAN, J. R. (1940-1941): The families and genera of living Rodents, 1; London — Huxıey, J. (1932): Problems of relative growth; London. — HückıncHaus, (1961): Ver- gleichende Untersuchungen über die Formenmannigfaltigkeit der Unterfamilie Caviinae Murray 1886; Z. w. Z. 166 — Kıatt; B. (1913): Über den Einfluß der Gesamtgröße auf das Schädelbild nebst Bemerkungen über die Vorgeschichte der Haustiere. Arch. Entw.-Mech 36 Kıarr, B. (1949): Die theoretische Biologie und die Problematik der Schädelform. Biol. Gen. 19. — Röns, M. (1959): Neue Ergebnisse und Probleme der Allometrieforschung; Z. w. Z. 162, 1/2. — Sımrson, G. G. (1945): The Principles of Classification and a Classification of Mammals. Bull. Americ. Mus. Nat. Hist. 85. — THomas, O. (1917): Notes on the Species of the Genus Cavia. Ann. Mag. Nat. Hist., London 18, 19-20. Anschrifl des Verfassers: Dr. FOoLKHART HückınGHaus, Kiel, Institut für Haustierkunde, Neue Universität Allometrische Untersuchungen an den Schädeln asiatischer Wildrinder ' Von HERWART BOHLKEN Aus dem Institut für Haustierkunde der Christian-Albrechts-Universität Kiel Direktor: Prof. Dr. W. Herre Eingang des Ms. 24. 2. 1961 Diese Studie hat die Aufgabe, die Anwendungsmöglichkeiten allometrischer Methoden bei vergleichenden Untersuchungen von Schädeln der Großsäugetiere aufzuzeigen. An einigen Beispielen soll die Bedeutung der Allometrie als Hilfsmittel für die Systematik erläutert werden. Es werden Schädelmaße des Banteng, Bibos javanicus (D‘ALTON), mit solchen des Gaur, Bibos gaurus (H. SMITH), verglichen. Die Schädel dieser beiden Arten unter- scheiden sich in der Längserstreckung der Knochen der Schädeloberseite und in der Schädelbreite (BoHLken, 1958), sie sind also unterschiedlich proportioniert (Abb. 1 bis 3). In einem solchen Fall ıst zu prüfen, ob die Proportionsunterschiede nur größen- bedingt sind, oder.ob es sich um echte taxonomische Merkmale handelt (RöHrs, 1961). Bei dem Vergleich von Banteng und Gaur kann die Möglichkeit, daß die bestehenden Proportionsverschiebungen größenbedingt sind, nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, denn die Schädel des Gaur sind im Durchschnitt etwas größer als die des Banteng: B. javanıcus B. gaurus Basallänge n = 37 n = 29 398 — 494 | | 446 — 500 449 mm 475 mm Zur Beurteilung der Frage, ob den Proportionsunterschieden zwischen Banteng und Gaur systematischer Wert zukommt, werden allometrische Methoden benutzt. In den folgenden Beispielen wurde der Allometrieexponent a nach der Formel \ > (log y; - log y)° a = = £ (log X, - log x)’ berechnet (Kurt£n, 1954; KLEMmMT, 1960), der Korrelationskoeffizient r nach & (log x; - log x) (log y; - log y) 2> (log x; - log x)* & (log y; - log y)” Die Zufallshöchstwerte des Korrelationskoeffizienten bei der Sicherheitsgrenze 1°/o wurden der Tabelle VI bei Fischer & Yartes (1953) entnommen. Die Berechnung der Integrations- konstanten b ergibt sich aus der Allometrieformel y = b - xa. Daraus folgt logb = logy -a° log x. Weiteres zur Methodik bei Rönrs (1959, 1961). Für 13 Gaur-Schädel wurden Werte den Tabellen der Arbeit von Schumann (1913) ent- nommen, soweit eine genaue Übereinstimmung mit meinen Maßen sicher war. 1 Mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft 148 H. Bohlken Abb. 1. Schädel von Gaur und Banteng in Aufsicht. Links: Bibos gaurus gaurus &. Zool. Mus. n n 2 25 3. Rijksmus. van Natuurlijke Historie Leiden, Nr.: 15396. Basallänge , des Schädels: 435 mm Abb. 2. Die gleichen Schädel wie in Abb. 1 in Seitenansicht. Links: Bibos gaurus gaurus &. — Rechts: Bıbos javanıcus javanıcus & Abb. 3. Die gleichen Schädel wie in Abb. 1 in Ansicht von hinten. Links: Bibos gaurus gaurus &. echts: Bibos javanicus javanıcus &. (Abb. 1-3 phot. Institut für Haustierkunde der Universität Kiel) In den Abbildungen 4-8 sind die Beziehungen zwischen der Schädelgröße und der Nasallänge, der Schnauzenbreite, der Stirnenge, der Biorbitalbreite und der Hinter- hauptsweite im doppelt logarithmischen Koordinatensystem (RöHrs, 1961) graphisch dargestellt. (Definition der Maße bei BoHLken, 1958). Als Maßstab für die Schädel- größe wurde in allen Fällen die Basallänge des Schädels gewählt. In der Tabelle 1 sind dıe Werte für b, a und r zusammengefaßt. Allometrische Untersuchungen an Schädeln asiatischer Wildrinder 149 Tabelle 1 NER Ok orreliem Bibos javanıcus Sg N :. Bibos gaurus Jg SE mit der Basallänge =5& - 1 °o n | b | a r Q DR n b Bea | T Nasallänge 352.0:0077212:15721:87:0,7012 9,452 297.0,090145.. 72,309 0,721 0,49 Schnauzenbreite 23 0,0132 1,431 0,724 0,54 10 0,0000242 2,479 0,833 0,76 Stirnenge 37 0,284 1.9692. 09,485, 0,42529729.00267 1,855 0,624 0,49 Biorbitalbreite 37 0,676 0,9495.07222 0427 2970,04 1,635 0,692 0,49 Hinterhauptsweite 37 0,288 1,0897 9,7353 ,.0542 16 0.090909726 23960/6729 0,62 Nasallänge Die Abb. 4 zeigt die Beziehung zwischen der Basallänge und der Nasallänge bei den beiden Arten. Von einzelnen Schädeln abgesehen, ergeben sich zwei klar voneinander abgesetzte Wertegruppen. Die Allo- Nasallänge metriegeraden für Banteng und Gaur sind gegeneinander versetzt, transponiert im Sinne von MEU- NIER (1959). Das bedeutet hier, daß die Nasenbeine beim Gaur absolut und relativ länger sınd als beim Banteng, und zwar in einem solchen Ausmaß, daß dieser Proportions- unterschied nicht als Folge der größeren Schädellänge gedeutet werden kann. Die zwischenartliche Allometrie deckt sich nicht mit den ermittelten innerartlichen Allo- ‘ metrien. Nur wenn das der Fall ist, sind die Proportionsunter- schiede zwischen Arten lediglich größenbedingt. Im Vergleich mit dem Banteng ist für den Gaur ein stärkeres Streckungswachstum der Nasalıa charakteristisch. Das Aus- maß der Größenabhängigkeit der Nasallänge wird durch den Allo- metrieexponenten a angegeben. Die- ser hat beim Banteng den Wert Abb. 4. Nasallänge in Beziehung zur Basallinge 1b7> beim Gaur dagegen 2,3. Mit bei B. javanicus (0) und B. gaurus (®). Doppelt zunehmender Schädelgröße werden logarithmische Auftragung also die Nasalia beim Gaur viel stärker gestreckt als beim Banteng. Das bestätigt voll die früher an kleinerem Material gemachten Feststellungen (BoHr- KEN, 1958). Die allometrische Methode gestattet jetzt jedoch auch das verschiedene Ausmaß der Größenabhängigkeit zu kennzeichnen. Basallange 150 H. Bohlken Schnauzenbreite Die Abb. 5 enthält die graphische Darstellung der Korrelation zwischen Basallänge und Schnauzenbreite. Wieder zeigen sich zwei voneinander abgesetzte Wertegruppen, und die dazugehörigen Allometriegeraden sind entsprechend gegeneinander versetzt. Sehr deutlich zeigt sich bei der Schnauzenbreite, daß die Gaur-Schädel nicht einfach breiter sind als die Banteng-Schädel, sondern daß beim Gaur das Ausmaß der Größen- abhängigkeit ein anderes ist als beim Banteng. Dazu eine Erläuterung: Aus der Literatur sind mehrere Fälle bekannt, in denen die Allometriegeraden nahe verwandter Arten sprunghaft gegeneinander versetzt sind. MEuNIER (1959) hat dafür den Ausdruck Transposition eingeführt (siehe dazu auc HERRE, 1956). Es ist möglich, daß in solchen Fällen die Allometrieexponenten der verglichenen Arten oder Gruppen gleich oder nahezu gleich sind, daß sich aber die Integrationskonstanten b unterscheiden. Die Allometriegeraden verlaufen dann mehr oder minder parallel zueinander. Einige Beispiele dafür finden sich bei Frıck (1960, 3 Abb. 7 und 8) und bei Rönrs (1958), der die / Hirnschädelkapazität in Abhängigkeit von der Basilarlänge des Schädels bei Caracal und Luchs untersuchte. „Die Werte für b der beiden Arten unterscheiden sich, die für a hingegen sind ungefähr gleich. Das heißt, die innerartliche Allometrie ist bei beiden Arten zwar ungefähr gleich, aber zwischen den Allometriegeraden der beiden Arten besteht ein »Sprung«.“ (RöHrs, 1958). Mit anderen Worten, das Ausmaß der Größenabhängigkeit ıst bei den verglichenen Arten in diesem Merkmal gleich, sie unterscheiden sıch jedoch ın Faktoren, die ihren Aus- druck in der Integrationskonstante b finden. Das können funktionelle, größenbedingte, evolutive oder andere Faktoren sein. BÄHRENS (1959, Abb. 1) konnte an einem Beispiel bei Farmnerzen eine geschlechtsbedingte parallele Versetzung der Allometriegeraden zeigen. Gleiches findet sıch bei KLEMMT (1960) für Organgewichte bei der Waldmaus, Apodemus syl- vatius L. Funktionsbedingte Trans- positionen für Maße des Vogel- flügels ergeben sich bei MEUNIER (1959). In der Beziehung zwischen Schnauzenbreite und Basallänge bei Banteng und Gaur sind die Allo- metriegeraden aber nıcht mehr oder minder parallel gegeneinander Schnauzenpreite 100 90 transponiert, sondern sie zeigen aM A einen erheblichen Unterschied ım Anstieg, das bedeutet ım Allo- 80 1 & metrieexponenten. Beim Banteng ° : / () hat a den Wert 1,4, beim Gaur da- ie) gegen nahezu 2,5. Wie bei der oro Nasallänge drückt sich darin eine viel stärkere Gröfßenabhängigkeit Basallänge dieses Merkmals beim Gaur aus. } £ ER. R Die Schnauzenbreite nımmt beim Abb. 5. Schnauzenbreite in Beziehung zur Basallänge G kle; Ren Schä bei B. javanicus (©) und B. gaurus (@). Doppelt Ur NO Der logarithmische Auftragung deln relativ viel stärker zu als 450 Allometrische Untersuchungen an Schädeln asiatischer Wildrinder 151 beim Banteng. Durch die Neigung der Allometriegeraden zueinander nähern sich die Geraden im unteren Größenbereich sehr schnell. Das bedeutet: kleine Gaur- Schädel können ım Variationsbereich gleich großer Banteng-Schädel liegen, während andererseits die großen Schädel sich in dieser Proportion stark unterscheiden. Ich schlage für diesen Spezialfall der Transposition — Überschneidung im unteren Größen- bereich, klare Trennung im oberen Größenbereich — den Ausdruck divergierende Transposition vor (Weitere Beispiele: Abb. 6 und 7 dieser Arbeit; Abb. 19 bei Rönrs, 1959). Beispiele für den gegenteiligen Fall eines Zusammenlaufens der Allometrie- geraden mit zunehmender Größe finden sich bei HERRE (1961, Abb. 9) und bei HückıncHaus (1961). Dies ıst dann als konvergierende Transposition zu bezeichnen. Eine solche Verschiedenheit im Verlauf von Allometriegeraden zeigt an, daß art- spezifische Wachstumsunterschiede vorliegen. Deren Kenntnis erleichtert die kausale Analyse der gegebenen strukturellen Unterschiede, welche eine Folge des verschiedenen Wachstums sind. Für die Korrelation zwischen Schnauzenbreite und Basallänge ist festzustellen, daß die zwischen Gaur und Banteng bestehenden Proportionsunterschiede nicht größen- bedingt sind, sondern artkennzeichnenden Wert haben. Darüber hinaus lehrt dieses Beispiel eindrucksvoll, daß man immer den gesamten Größenbereich einer Art erfassen muß, da ein Vergleich einzelner Stücke aus dem Annäherungsbereich der beiden Allo- metriegeraden zweifellos zu falschen Schlüssen führen muß. „Aus der graphischen Darstellung der Werte im doppeltlogarithmischen System wird höchst anschaulich, daß Ä zur Kennzeichnung von Arten Indizes Stirnenge eines engen Größenbereichs nicht genü- gen.“ (FIERRE, 1961). Stirnenge 250mm Ganz besonders deutlich prägt sich die größere Breite des Gaur-Schädels in der Stirnenge aus. Die Wertegruppen der bei- den Arten sind ganz klar voneinander getrennt (Abb. 6). Der Verlauf der Allo- metriegeraden belegt eindeutig, daß die relativ größere Stirnbreite des Gaur- Schädels nicht durch die größere Schädel- länge zu erklären ist. Wie bei den anderen verglichenen Merkmalen ist auch bei der Stirnenge beim Gaur das Ausmaß der Größenabhängigkeit größer als beim Banteng (a beim Banteng 1,07, beim aut E85): 200 450 Biorbitalbreite Basallänge Im wesentlichen gilt für die Biorbitalbreite Abb. 6. Stirnenge in Beziehung zur Basallänge das gleiche wie für die Stirnenge. Die bei B. javanicus (O) und B. gaurus (®). Dop- Allometrieexponenten von Banteng (0,95) pelt logarithmische Auftragung und Gaur (1,63) unterscheiden sich stark. H. Bohlken EN ws 155) Bei der graphischen Darstellung (Abb. 7) fällt auf, daß ein Gaur-Schädel mitten im Banteng-Bereich liegt. Bei der Deutung dieses Sachverhaltes zeigt sich erneut die große Bedeutung, welche dem Hilfsmittel Allometrie für den Systematiker zukommt. Beim Vergleich nur der Relativwerte würde man diesen Gaur-Schädel für völlig abweichend und extrem schlank halten. Bei der graphischen Darstellung und der Berechnung der Allometriegeraden zeigt sich aber, daß dieser Schädel durchaus in der um die Allo- metriegerade geordneten Variationsbreite der Gaur-Schädel liegt und keineswegs eine extreme Abweichung von der Norm der Gaur-Schädel darstellt. Seine Lage im Bereich der Banteng-Schädel beruht auf der divergierenden Transposition der Allometrie- geraden, die sich im unteren Größenbereich einander stark nähern. Biorbitalbreite Hinterhauptsweite 300mm 2.30 200 H £ 1 / / 400 450 ___500mm Basallänge Basallänge Abb.7. Biorbitalbreite in Beziehung zur Basal-_ Abb. 8. Hinterhauptsweite in Beziehung zur länge bei B. javanicus (O) und B. gaurus (@). Basallänge bei B. javanicus (O) und B. gau- Doppelt logarithmische Auftragung rus (®). Doppelt logarıthmische Auftragung. Zwischenartliche Allometriegerade als gestri- chelte Linie eingetragen Hinterhauptsweite Einen besonders extremen Fall der Kreuzung zweier Allometriegeraden zeigt Abb. 8, in der die Beziehung zwischen Basallänge nd ee el ist. Die Allometrieexponenten von Banteng (a = 1,08) und Gaur (a = 2,39) Si wieder stark verschieden, ebenso sind die Werte für b sehr unterschiedlich (Tab. 1). Während die Hinterhauptsweite beim Banteng nahezu isometrisch wächst — sie nimmt bei zuneh- mender Schädelgröße relativ nur wenig zu —, ändert sich diese Breite beim Gaur sehr Allometrische Untersuchungen an Schädeln asiatischer Wildrinder 153 stark mit wachsender Schädelgröße. Kleine Gaur-Schädel zeigen gleiche Proportionen wie Banteng-Schädel gleicher Größe, große Gaur-Schädel dagegen haben eine völlig andere Proportionierung in diesem Merkmal wie entsprechende Banteng-Schädel. Noch eindrucksvoller als bei der Schnauzenbreite erweist sich hier die Notwendigkeit, stets den gesamten Größenbereich der Art soweit wie möglich zu erfassen, weil sonst Fehl- schlüsse kaum zu vermeiden sind. Schon dadurch wird wieder die Bedeutung der allo- metrischen Methoden anschaulich. Eine andere Überlegung soll sie aber noch klarer hervorheben. Wenn man diese Merkmalskorrelation so wie in Abb. 8 graphisch darstellt, ohne jedoch die Allometriegeraden zu berechnen und einzuzeichnen, so erhält man einen mehr oder minder geschlossenen Punkteschwarm ohne klare Abgrenzung zwischen Gaur und Banteng. Es ist dann die Annahme naheliegend, daß die Größenabhängig- keit für beide Arten gleich ist, und daß die bestehenden Proportionsunterschiede nur größenbedingt sind. Mit anderen Worten: es würde die zwischenartliche Allometrie, die in Abb. 8 als gestrichelte Linie? eingetragen ist, mit den jeweiligen innerartlichen Allometriegeraden gleichgesetzt werden. Wie falsch und unberechtigt eine solche Deu- tung wäre, beweisen die eingetragenen innerartlichen Allometriegeraden für Banteng und Gaur. Die Erkenntnis dieser Sachverhalte aber wird uns nur durch die allometri- schen Methoden ermöglicht. Ihre Bedeutung liegt also weitgehend darin, daß sie den Systematiker vor Fehlbeurteilungen bewahren und den Einblick in die Zusammen- hänge der Korrelationen zwischen den verschiedenen Schädel- oder Körperteilen er- leichtern. Zusammenfassung Die allometrische Untersuchung der Schädel von Bibos javanicus und Bibos gaurus ergibt: Der Gaur-Schädel hat in allen untersuchten Maßen relativ zur Basallänge eine erheblich stärkere Wachstumstendenz als der Banteng-Schädel. Das führt zu tiefgreifenden Proportions- unterschieden, die sich sowohl in Längen- als auch in Breitenmaßen ausprägen. Diese Unter- schiede sind in keinem Fall durch die größere Schädellänge des Gaur bedingt, sondern sie haben in den hier untersuchten Merkmalen stets artkennzeichnenden Wert. Für die Erkenntnis dieser Zusammenhänge und Besonderheiten kommt den allometrischen Methoden eine hohe Bedeutung zu. Sie stellen für den Systematiker ein Hilfsmittel dar, das auch bei Großsäugern mit Erfolg anwendbar ist. Zur Kennzeichnung bestimmter Fälle der Transposition (MEuNIErR) werden die Ausdrücke divergierende bzw. konvergierende Transpositionen vorgeschlagen. Literatur BÄHRENS, D. (1959): Zur Methodik allometrischer Untersuchungen nach Studien an Musteliden; Zool. Anz., 162, 30-37. — BoHLkEnN, H. (1958): Vergleichende Untersuchungen an Wildrindern (Tribus Bovini Simpson 1945); Zool. Jb., Abt. Allg. Zool. Phys., 68, 113-202. — FisHEr, R.A.&F. Yartes (1953): Statistical Tables for Biological, Agricultural and Medical Research. 4. Edit., Edinburgh - London. — Frick, H. (1960): Kraniometrische Untersuchungen an Pavianen; Verh. Anat. Ges., Zürich, 1959, 141-153. — HERRE, W. (1956): Fragen und Ergeb- nisse der Domestikationsforschung nach Studien am Hirn; Verh. Deutsch. Zool. Ges., Erlan- gen, 1955, 144-214. — HERRE, W. (1961): Grundsätzliches zur Systematik des Pferdes; Z. Tierz. Züchtungsbiol., 75, 57-78. — HückıncHaus, F. (1961): Vergleichende Untersuchungen über die Formenmannigfaltigkeit in der Unterfamilie Caviinae Murray 1886; Diss. Kiel, Z. w. Z., im Druck. — KLEmMT, L. (1960): Quantitative Untersuchungen an Apodemus sylvaticus (Linnaeus 1758); Zool. Anz., 165, 249-275. — Kurrt£n, B. (1954): Observations on allometry in mammalian dentitions; its interpretation and evolutionary significance; Acta Zool. Fennica, 85, 1-13. — MEUNIER, K. (1959): Die Allometrie des Vogelflügels; Z. w. Z., 161, 444-482. — Rötrs, M. (1958): Allometrische Studien in ihrer Bedeutung für Evolu- tionsforschung und Systematik; Zool. Anz., 160, 277-294. — Rönrs, M. (1959): Neue Er- gebnisse und Probleme der Allometrieforschung; Z. w. Z., 162, 1-95. — Rönrs, M. (1961): 2 Die zwischenartliche Allometriegerade wurde durch die Verbindung der Mittelwerte von Banteng und Gaur gewonnen. 154 D. Bährens Allometrie und Systematik. Z. Säugetierkunde, 26. — ScHumann, H. (1913): Gayal und Gaur und ihre gegenseitigen Beziehungen; Diss. Halle. Anschrift des Verfassers: Dr. Herwarr BOHLkEN, Kiel, Institut für Haustierkunde, Neue Universität Zur Bedeutung allometrischer Untersuchungen für das Studium innerartlicher Variabilität des Schädels von Musteliden Von DIETER BÄHRENS Aus dem Institut für Haustierkunde der Christian-Albrechts-Universität Kiel Direktor: Professor Dr. Wolf Herre Eingang des Ms. 24. 2. 1961 Seit langem schon ist bekannt, daß zwischen kleinen und großen Tieren gleichen oder ähnlichen Typs wesentliche Proportionsunterschiede bestehen können. Sie sind größen- bedingt und werden innerhalb einer Art naturgemäß besonders deutlich, wenn eine starke Größenvariabilität vorliegt. Dies ist in besonderem Maße beim nordamerikaniı- schen Nerz (Mustela vison SCHREBER, 1777) der Fall. In Abb. 1 sind zwei Schädel von ausgewachsenen Mustela vison ingens (OÖsGooD 1900) -— 8 gegenübergestellt, die in der Schädellänge einen Unterschied von 13 mm aufweisen. Da es sich um Individuen einer Unterart handelt (BäHrens 1960), scheiden Unterartbesonderheiten bei dem Vergleich von vornherein aus. Umso mehr über- rascht die Formenwandlung. Besonders deutlich ıst die relative Abnahme des Hıirn- schädels im Verhältnis zum Gesichtsschädel vom kleinen zum großen Individuum. Betrachtet man eine Vielzahl von kleinen und großen Nerzschädeln, dann ist das Bild weniger eindeutig, da es durch eine in jeder Größenstufe vorhandene Variation über- lagert wird. Exakte Aussagen über größenbedingte Formveränderungen einzelner Schädelabschnitte und Merkmale, die nicht nur für Einzelindividuen gelten, sondern für die untersuchte Gruppe allgemeine Gültigkeit haben, sind daher auf Grund nur vergleichender Betrachtung kaum möglich. Genaue Aufschlüsse darüber können auch nicht mit Hilfe von Relativwerten gewonnen werden, sondern nur mittels Methoden der Allometrie. Diese ermöglichen es, die generellen Proportionswandlungen eindeutig zu erfassen, sie gegeneinander abzugrenzen und größen- bedingte Wandlungen von darüber hinaus be- stehenden Formunterschieden zu trennen. Dazu werden die einzelnen Meßwerte in ihrer Bezie- hung zur Gesamtgröße oder einem Teil davon graphisch dargestellt und die durch die Punkte- schar hindurchlaufende Allometriegerade in ihrer Steigung (a) berechnet. (Zur Methodik siehe u. a. RönHrs 1959, 1961). Als Beispiele einer Analyse von Proportions- wandlungen mögen 92 Schädel von dd des Abb. 1. Mustela vison ingens, Schatlel nordamerikanischen Nerzes dienen. adulter & & in gleichem Maßstab Zur Bedeutung allometrischer Untersuchungen 155 Ich nahm an ihnen eine Reihe von Maßen, die für die Formgestaltung des Schädels wesentlich erschienen (Abb. 2) und errechnete die Allometriekonstante (a) für die fol- genden Beziehungen': Hirnschädelkapazität : Schädellänge a=0,4438 r?—=0,687 zw=0,31 Hirnkapsellänge : Schädellänge a=0,7667 r =0,848 zw=0,31 Hirnkapselbreite : Schädelläinge a=0,6482 r =0,734 zw=0,31 Länge der Zahnreihe des Oberkiefers : Schädelläinge a=0,9871 r =0,896 zw=0,31 Breite der Zahnreihe des Oberkiefers : Schädellänge a=0,8632 r =0,741 zw=0,31 Die Werte für die Steigung der Allometriegeraden machen eindeutig, daß sich alle untersuchten Maße negativ allometrisch verhalten, und daß das Ausmaß der negativen Allometrien sehr verschieden ist. Die stärkste rela- tive Abnahme von kleinen zu großen Individuen zeigt das Gehirn. Wie auch von anderen Säugern bekannt ist, besitzen die großen ö & beim Nerz im Verhältnis zur Gesamtgröße ein kleineres Gehirn als die kleinen. Auch die Hirnkapsellänge und -breite bleiben im Verhältnis zur Schädellänge von kleinen zu großen Individuen zurück. Auf Grund der be- rechneten a-Werte sind aber nicht nur präzise Aus- sagen über die Größenänderung der einzelnen Maße im Verhältnis zur Gesamtgröße (Bezugsgröße) mög- lich, sondern es können auch Korrelationen von Teilabschnitten des Schädels beurteilt werden. Abb. 2. In dieser Arbeit untersuchte Die Allometriekonstante der Hirnkapselbreite a er oe ist kleiner als die der Hirnkapsellänge. Dies bedeu- pitale (Schädellänge) tet, daß die Breite des Hirnschädels von kleinen zu 2 - Hirnkapsellänge großen Nerz-ö 5 in geringerem Verhältnis zu- 3 — Hirnkapselbreite nımmt als die Länge. Mit steigender Gesamtgröße ae der Zehn ne des Ser erfolgt also eine Streckung des Hirnschädels. Die 5_ Breite der Zahnreihe des Ober- Hirnkapselhöhe konnte wegen meßtechnischer kiefers Schwierigkeiten nicht exakt bestimmt werden. Den- noch lassen die Allometriekonstanten der drei übri- Hirnmaße einen Schluß auf be allometrisches Verhalten zu: Berechnet man die Allometriekonstanten der Seitenlinien einer Reihe von unter- schiedlich großen Quadern und stimmen diese überein, dann folgert daraus grund- sätzlich ein gleicher Wert für die Allometriekonstante des Volumens dieser Quader. Diese Gesetzmäßigkeit auf die speziellen Verhältnisse am Hirnschädel des Nerzes übertragen, berechtigt zu der Folgerung: Da für die Länge und Breite der Hirnkapsel höhere Allometriekonstanten als für die Hirnschädelkapazität errechnet wurden, muß sich das auf die Allometriekonstante der 3. Dimension, der Höhe, auswirken. Große Schädel von Mustela vison-ö ö sind daher im Verhältnis zu kleinen im allgemeinen relativ erheblich flacher bzw. zeigen eine geringere Aufwölbung der Hirnkapsel. Die Kenntnis allometrischen Verhaltens des Hirnschädels gestattet auch eine Be- urteilung des Gesichtsschädels. Da sich die Hirnkapsellänge negativ allometrisch ver- ändert, ist zu erwarten, daß sich der Gesichtsteil entsprechend positiv allometrisch ver- (x, - Ma) (yi-My) (x; -Mx)? 2 ? Der Korrelationskoeffizient (r) drückt die Bindung der Einzel-Werte an die Allometrie- gerade aus. Diese ist als representativ für den Verlauf der Punkteschaar anzusehen, wenn der r-Wert bei einer Sicherheitswahrscheinlichkeit von 0,27 °/o die Höhe des sog. Zufallshöchst- wertes erreicht oder übertrifft. 1 nach der Formel a = 156 D. Bährens hält (Kıarr 1949). Sein Anteil am Schä- del steigert sich mit zunehmender Größe (s. a. Abb. 1). Ein wesentlicher Abschnitt des Gesichtsschädels wird von der Zahn- reihe eingenommen. Diese zeigt aber über- raschenderweise keine positive Allomerrie, sondern nur einen a-Wert von 0,9871. Es erhebt sich daher die Frage, wie diese Dis- krepanz zu deuten ist. Zur Klärung wurden einige sehr un- terschiedlich große Schädel aufgesägt und die Lage der Siebbeinplatte zum Gebiß untersucht. Dabei wurde augenscheinlich, DE: daß die Siebbeinplatte bei kleinen Schä- Abb. 3. Unterschiedlich große Schädel von Ee : Mustela vison — & Ö. Die Siebbeinplatte ver- deln rostral deutlich über den Hlinterrand a se zroßen der Molaren des Oberkiefers ragt, bei duum in ihrer Lage zum Hinterrand der großen ihn aber höchstens erreicht (Abb. Molaren 3). Daß es sich nicht um Sonderfälle handelte, ergab sich aus der rechnerischen Nachprüfung an zahlreichen Individuen. Bei kleinen Schädeln war die Summe der Hirnkapsellänge + Gebißlänge stets höher als die Länge Supraoccipitale — Incisiven (Schädellänge), bei großen Schädeln da- gegen gleichgroß bzw. niedriger. Es verändert sich also die Lage der Siebbeinplatte zum Hinterrand der Molaren. Die Siebbeinplatte wird mit der von kleinen zu großen Individuen erfolgenden relativen Verkürzung der Hirnkapsel weiter kaudal ver- lagert, während sich die Position des Hinterrandes der Molaren nicht oder kaum ver- ändert, da sich die Länge der Zahnreihe zur Schädellänge annähernd isometrisch ver- hält. Es erfährt also nur der Teil des Gesichtsschädels oberhalb des Zahnbereichs eine relative Vergrößerung. Der Nasenraum verlängert sich relativ bei Zunahme der Ge- samtgröße. Demgegenüber macht die Allometriekonstante der Gebißbreite deutlich, daß diese von kleinen zu großen Nerz-ö 6 relativ abnimmt. Da der a-Wert für die Gebißbreite jedoch höher ist als der für die Hirnkapselbreite, erfolgt bei steigender Gesamtgröße im Gesichtsschädel eine relative Verbreiterung gegenüber dem Hirnschädel. Alle diese nur kurz umrissenen Beziehungen geben einen Einblick in das Bild der mit unterschiedlicher Größe verknüpften umfangreichen Proportionswandlungen am Nerzschädel. Es verändert sich das Gesamtbild und damit auch viele Einzelmerkmale. Die Lage der Siebbeinplatte zum Hinterrand der Molaren z. B. läßt sich als charakte- rıstisch für jeweils nur eine bestimmte Schädelgröße kennzeichnen. Weder eine rund- lich aufgewölbte Hirnkapsel ohne Crista, noch eine gestreckte, flache Hirnkapsel mit kräftigen Cristae können als typisch für Schädel von Mustela vison oder für eine der Unterarten angesehen werden, sondern in diesen Formen findet nur die Gesamtgröße ihren entsprechenden Ausdruck. In solchen Fällen schwanken Relativwerte nicht nur wegen der üblichen Variation der Merkmale, sondern sie ändern sich mit jeder Größen- stufe. Eine Beurteilung wird sehr schwierig, und Relativwerte bilden keine sichere Grundlage für taxonomische Bewertungen. Die Berücksichtigung dieser Tatsachen ist für die Arbeit des Systematikers von grundlegender Bedeutung. Darauf haben bereits Krarr (1913) und Huxrey (1932) hingewiesen. Besondere Merkmale eines einzelnen oder einer Anzahl in der Größe nur wenig unterschiedlicher Individuen dürfen daher nicht als typisch bezeichnet werden, bevor nicht durch eine Analyse von in der Größe wesentlich differierender Schädel geklärt ist, in welchem Ausmaß sich die entsprechenden Merkmale größenabhängig verändern. Hierzu sind Methoden der Allometrie unerläßlich. Sie ermöglichen es uns Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika 157 zudem, die von RÜTIMEYER angeregte und von KLATT immer wieder geforderte anato- misch-physiologische Betrachtungsweise, die das Zusammenspiel der einzelnen Kopf- organe in den Mittelpunkt stellt, weiter zu verfeinern, hierfür den „morphologischen Blick“ zu schulen und den Aussagen, die sich auf Strukturen gründen, eine feste Basis zu geben. Zusammenfassung An 92 Schädeln nordamerikanischer Wildnerzmännchen (Mustela vison) werden die generellen Proportionswandlungen von kleinen zu großen Schädeln mit Hilfe von Methoden der Allo- metrie analysiert. Es zeigt sich, daß Hirnschädelkapazität, Hirnkapsellänge, -breite, Gebiß- länge und -breite von kleinen zu großen adulten Individuen relativ abnehmen. Das Ausmaß der negativen Allometrien ist dabei sehr verschieden. An mehreren Beispielen wird aufge- zeigt, daß die Berechnung von Allometriekonstanten (a) auch eine differenzierte Beurteilung von Korrelationen der Teilabschnitte des Schädels gestattet, welches auf andere Weise etwa durch Vergleiche von Relativwerten, nicht möglich ist. Die allgemeine Bedeutung der Allo- metrieforschung „zur Schulung des morphologischen Blicks“ wird damit erneut herausgestellt. Literatur BÄHRENS, D. (1960): Über den Formenwandel des Mustelidenschädels. Allometrische Unter- suchungen an Schädeln von Mustela vison, Mustela lutreola, Mustela nivalıs und Martes martes; Morphol. Jahrbuch 101, 2. — Huxre£y, J. (1932): Problems of relative growth; Lon- don. — KrartT, B. (1913): Über den Einfluß der Gesamtgröße auf das Schädelbild nebst Be- merkungen über die Vorgeschichte der Haustiere; Arch. f. Entwckl.-Mech. 36. — Rönrs, M. (1959): Neue Ergebnisse und Probleme der Allometrieforschung; Z. w. Z. 162, 1/2. — Rönsrs, M. (1961): Allometrie und Systematik; Ztschr. Säugetierkd. 26. — RÜTIMEYER, L.: Die Fauna der Pfahlbauten. Basel 1861. Anschrift des Verfassers: Dr. DiETER BÄHRENS, Institut für Haustierkunde, Kiel, Neue Uni- versität Abstammung und Rassebildung der vorkolumbianischen Haus- hunde in Südamerika’ Von Manfred UEck Aus dem Institut für Haustierkunde der Cristian-Albrechts-Universität Kiel Direktor: Prof. Dr. Wolf Herre Eingang des Ms. 27. 3. 1961 I. Zur Abstammung der vorkolumbianischen Haushunde Amerikas Das Vorkommen von Haushunden in Südamerika zu präkolumbianischer Zeit wird nicht bezweifelt; die Meinungen über ihre Abstammung und Rassebildung gehen jedoch ! Anlaß zu dieser Arbeit gab das Skelettmaterial vorkolumbianischer Haushunde, das Prof. Dr. W. HERRE und Dr. M. Rönrs 1956/57 von einer Südamerikaexpedition mitbrachten. Herrn Prof. Dr. W. HERRE danke ich für die Anregung zu dieser Arbeit sowie für mannig- fache wissenschaftliche Unterstützung. Der Deutschen Forschungsgesellschaft gilt der Dank für die Finanzierung der Arbeit. 158 M. Ueck noch heute weit auseinander. NEHRING (1884) nannte als Stammväter zwei Wild- caniden, den nordamerikanischen Wolf Canis lupus occidentalis RıicHArRDsoN 1829 und den Coyoten Canis latrans Say 1823. Auch Cours & PackArD (1885) hielten den Coyoten für die Ahnform, während Friperıcı (1899) auf diesen nur die kleinen Indianerhunde zurückführte. Die größeren leitete er vom nordamerikanischen Wolf Canis lupus variabılis Wied-Neuwied 1841 ab. Die Theorie-einer zweiartlichen Her- kunft der vorkolumbianischen Haushunde wurde auch von WOoLDrIcH (1882) ver- treten, nur setzte er an die Stelle des Coyoten südamerikanische „Füchse“ der Gattung Dusicyon H. SmiTH 1839. LATcHAam (1922) äußerte die Ansicht, ohne jedoch Unter- suchungen anzustellen, daß sich jede Hunderasse möglicherweise von einer anderen Dusicyonform ableiten ließe, z. B. der Nackthund von Dusicyon thous, der Fuegian Dog von Dusicyon culpeus usw. — Obwohl es heute keine Wölfe ın Südamerika gibt, läßt GıLmore (1950) die Möglichkeit offen, daß auch bei Annahme einer Wolfsabstam- mung die Hunde in Südamerika autochthon entstanden sein können. Er führt Canıs nehringi an, eine pleistocäne, wolfsähnliche Canıdenart, die die ersten Besiedler Süd- amerikas noch angetroffen und domestiziert haben könnten. ArzLen (1920) und FRIANT und REICHLEN (1950) weisen jedoch darauf hin, daß das Schädelbild und die Zahn- struktur präkolumbianischer Haushunde die eines echten Haushundes seien. Auch über den Ort der Domestikation der präkolumbianischen Haushunde sind die Meinungen geteilt. Neben einer Ableitung aus nord- oder südamerikanischen Canidenarten gewann die Ansicht an Wahrscheinlichkeit, daß Besiedler aus Asien Haushunde mitbrachten (MERcEL, 1897; WıssLer, 1917). Einige Völkerkundler, z.B. KrıckEBErG (1935), stützten diese Theorie durch Sprachstudien, durch Untersuchun- gen über die Stellung des Haushundes in der Religion, sowie durch den Hinweis auf gleiche Hundemythen in Asıen und Amerika. Trotzdem tauchen in jüngster Zeit wieder Zweifel an einer eurasiatischen Herkunft der vorkolumbianischen Haushunde Südamerikas auf. So schreibt TERMER (1957) ın einer völkerkundlichen Studie, daß ein neotropischer Ursprung der Hunde vielfach für wahrscheinlich gehalten wird. WAGNER (1960) spricht von einer ın vorkolum- bianischen Kulturen erfolgten Domestikation und sieht vorwiegend auf Grund von Verhaltensweisen den Ahnherrn eher im Coyoten als im Wolf. Aus diesem Grunde scheint es geboten, durch strukturelle Untersuchungen das Problem noch einmal zu bearbeiten. Mit Material heutiger Haushunde Südamerikas ist die Frage schlecht zu beantworten, da sich seit der spanischen Eroberung die südamerikanischen Hundepopulationen mit europäischen Haushunderassen ständig gemischt haben. Wieweit diese Vermischung jeweils geht, ist nicht geklärt. Reisende des 18. und 19. Jahrhunderts berichten vielfach, daß sie nur noch ein Haushunde- gemisch mit deutlich europäischem Einschlag in Südamerika angetroffen hätten. Gegenüber diesen Aussagen ist Vorsicht geboten. Stammen nämlich die Haushunde Südamerikas aus Asien, so sind die europäischen und die amerikanischen Haushunde von der gleichen Stammart abzuleiten, so daß eine Ähnlichkeit vorhanden sein kann, ohne daß Einkreuzungen in nachkolumbianischer Zeit vorgekommen sein müssen. Das Wort „Hundegemisch“ geht auf die falsche Vorstellung zurück, daß im prä- kolumbianischen Südamerika gut durchgezüchtete Rassen vorhanden gewesen seien, d. h. Hunde mit einheitlichem Aussehen, wie sie von europäischen Rassen bekannt sind. Solche durchgezüchteten Rassen sind aber für Südamerika nicht nachzuweisen, wie weiter unten gezeigt wird, sondern es hat sich stets um ein Typengemisch ge- handelt, ähnlich wie es heute noch in Asien an den Pariahunden beobachtet werden kann (R. u. R. MEnZEL, 1960). Exaktes Material zur Lösung der Frage der Abstammung früher Haushunde Süd- amerikas liegt aus den präkolumbianischen Gräbern vor, da es bei südameri- kanischen Völkern religiöser Brauch war, den Toten als Wegfinder ins Totenreich Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika 159 Haushunde mitzugeben. Aus diesen Gräberfunden geht hervor, daß die Größe der Tiere sehr unterschiedlich, die Fellfärbung sehr varıabel war und die Haarlänge von kurz bis zur Wollhaarbildung reichte. Der Schwanz krümmte sich über den Körper, die Ohren standen stets aufrecht. Das Gebiß war auffallend kräftig, Zahn- anomalien in ıhm sehr häufig. NEHRING (1884) kennzeichnete die „Inkahunde- schädel“ durch geringe Stirnbreite, ausgeprägtes Gaumendach und allgemein starke Verknöcherung. 5 Mir standen zur Untersuchung 5 Hundeschädel aus vorkolumbianischen Gräber- feldern Perus zur Verfügung. 2 Schädel stellte das Museo anthropologio in Lima zur Verfügung, 2 Schädel wurden von der Südamerikaexpedition HERRE/RÖHRs 1956/57 in einem Gräberfeld 40 km nördlich von Lima gesammelt, ein weiterer von VILL- wock, Hamburg, aus dem gleichen Gräberfeld 1960 geborgen. Leider waren die Bemühungen, das Material von NEHRING zu bekommen, vergeblich; wahrscheinlich sind diese Schädel im letzten Krieg vernichtet worden. Die beiden Schädel aus dem Museum Lima sind ın der Höhe der Incisiven abge- brochen, so daß sich die Totallängen nur schätzen lassen (150 und 180 mm). Beide Schädel zeigen die für die „Inkahundschädel“ als typisch angegebene starke Ver- knöcherung, sowie die verhältnismäßig schmale Stirn. Während dem größeren Schädel die Zähne bis auf M? fehlen, sind sie beim kleineren erhalten. Sie zeigen die gleiche starke Abnutzung der Kauflächen der Molaren, die auch andere Autoren anführen. — Die Prämolaren stehen im Oberkiefer und Unterkiefer etwas in Kulissenstellung; die Zähne sind für die Schädelgröße verhältnismäßig stark. Dies kann als Hinweis angesehen werden, daß sich in der Domestikation der Gesichtsschädel stärker ver- kleinerte als die Zähne (KLaTT, 1913). — Als Zahnanomalie ıst das Fehlen der Pı in beiden UK zu erwähnen, dazu hat der Pı des größeren Schädels nur eine Alveole. — Beiden Schädeln haften noch Fellreste an. Während der kleine Schädel kurze gelb- braune Haare trägt, hat der größere dunkelbraune Fellreste auf der Kopfoberseite, in denen eine hellgelbe Strähne vorhanden ist. Von den 3 anderen Schädeln hat einer 150 mm Totallänge. Außer den Incisiven sind im OK alle Zähne erhalten. Als Zahnanomalıe ist das Fehlen des Pı einseitig zu bemerken. Der P? steht im OK auffallend einwärts und in Kulissenstellung mit dem P?2, während im UK der Pı etwas zum Mı eine Kulissenstellung besitzt. Gut erhalten sind die Zahnstrukturen, auch der Molaren. Der Stirnabsatz ist stärker als bei den anderen beiden Schädeln. — Von diesem Hund sınd außerdem noch die Halswirbel, die dicht unter den UK gebogen waren, sowie eine Scapula und ein Beinknochen vorhanden. | Der 4. Schädel ist mit einer Totallänge von 202 mm und einer Basallänge von 177 mm wesentlich größer als die von NEHRING (1884) bearbeiteten Schädel. Die Verknöcherung ist ungewöhnlich stark, wodurch die Breitenmaße, besonders Schädel- enge und Stirnbreite, verfälscht sind. Von den Zähnen sind der P* und M? vor- handen. Der Reißzahn mißt 20 mm, ist also groß; doch fällt die Stärke bei dem großen Schädel nicht so auf wie bei den kleinen. Als Zahnanomalie besitzt er im OK einseitig eine Alveole zuviel, so daß der P! wahrscheinlich 2 Alveolen besaß. Der UK fehlt. Der 5. Schädel hat eine Totallänge von nur 143,5 mm. Seine Zahnstrukturen sind noch gut erhalten, da es sich um ein junges Tier von ca. %/a Jahr handelt, welches den Zahnwechsel gerade abgeschlossen hat. Nur neben einem der schon vorhandenen Caninı des Dauergebisses sitzt noch der Caninus aus dem Milchgebiß. Als Anomalie fehlt einseitig der P! im OK. Wenn NEHRING (1884) besondere Charakteristica für die „Inkahunde“ heraus- stellt, so soll hier davon abgesehen werden, solche anzugeben, da einmal die Schädel nicht sehr einheitlich sind (Abb. 1) und zum anderen sich die von NEHRING aufge- M. Ueck 160 apunyowıysq uspunyeyuj pun -OoWwımmSsT UOA agrewpapeıpg EIER STE ib ch Ch er Ob Ob et Or sopeıtqioeidns "901g ‘p a99uy "iq 985 -umy a3usfppewps 19 IL 69 69 ik DZ 29 12 89 sspowapadneyrumg sep 19I4 9355019 es r9 65 LS 89 &) #$ £9 SS SHeHeprPS 69 68 £6 98 6 L6 28 b6 06 urggais-"ugseut 107 ‘A “oduejuajyoyuapg g8 II an OL ION 81l col OIl OLI EVER FINE SINWUINS "MZ "UT ET 101 zol 86 ol eo 96 sol 96 desmJ-O Mmwummg 'n 'ugeu "104 pueI-"}j azZ'pu7 GL L6 66 col 91 801 <6 roI <6 odurjuswnen 95 All €L 1 (92) a 69 L 29 93ueT] 9235013 ‘eıfesen J9p our c9 8 98 #8 101 16 18 g8 €8 Fe] VSpRE! = A-IENAIO pueı -"A "3urjuszneuypg (EE col 66 L6 Orl col b6 66 S6 adurjpppeipssmpissHg 62 901 601 vol 9ıl ul rOoI Ol rol o3urjppeipsunmg r8 801 Zol 60l war Fa Ero F ee wa! asıpejermeyiseg S'6r 89 2 82 512.969 099 asıpejeruersiseg gel /ZEN 081 8/1 coz l6l 891 £8I el ] pueu-" A-"udeun "107 puesı-A “Suejjeseg € IST coz L6l S6l Ie7 clc 681 14074 S6l 27 9J09AJV PUEI-" A-9390 eIsıdg ‘oduejjeios '] YOOATUA '3]| | Ba es pe ö pe 2 pe: pe 2 peö pe 2 peö [Ppr&ıpsopuny | "pung a ul IOEE "N | O0EE'N | 66ZE'N | SezE'N | ZezEe'N | deze 'N | seze N ıswand] {peu Aopupadge "L 'z sIaoN peu SyeullsJOTNIIgO, 161 ee a —————————————————————————— 9 L iR) 9 8 Z Z ii) L Ze zW UoA oSurT '87 2 LI a; cl II el cl cl cl SI Er ıM UoA aSurT '/7 l Q 8 8 gg Ol 67 — 8 = Sunsdsıo\ U91SUuUI auyo ‘,d sap raıq '97 = ZU 07 81 61 [074 07 sl SE 81 Dr (uassaw -93 919suaynYy Op ut) 4 Sp a3urT 'c7 za Er ges Er 0S 85 0 Sr Sr 0 u ae NS = did »d’id dd did did ‚Id ‚dd »d’zd did -IejoweIg "P sur] 'F7 5 2 81 81 81 17 61 81 61 21 _ ayoa II -ı2[0W °P »8urT 'e7 3 79 Sg 89 89 9 LL 9 09 09 ° <'€9 —_ = (uassouı 2° ‚Nıd Nd ‚Nid :N.d :Nid Mid Mrd :NGd :NGd Wird 28. alu] J9peloo ul .S u9JoaA]y) Pylsıuyez S -uospeg A9p 9SurT "77 ES < c > S LE oe) IE Ir Gich Ir vr 9 Op ich 0), = uauyez En Sp VOPFIOgDESITSI TEE S LE G0E g'eE 0€ 6€ LE Ra. eis Ir SE Or 9E — uaurue) Au us9p J9Jury S1oI4gd 8 -uawnen) 9ISUm]S] "07 S Ss ss (09) 95 co co cc € £9 U c9 = (pugsue] S -O9A]JY me) SISIq I -uOWwneHd 9101) '6] S 08 78 zol 06 ZA ZI pIl Er zz zol —: 11. AZ-4Z Saıquadogqıpo[ "87 2 L7 0€ gE 67 Ser Ir gE rt er JE sh JE = serrqIO 'P S "MZ 9191 9Isura]sf "ZI = 6€ er IS er 29 79 65 £9 °> cs £9 95 24-24 SRJammS=ZgT NEUN EZ Eee a a pe ö Ban Pr pe 9 pe ö pe 2 pe ö EREDSPERET nun, | eur a a LOEEN | OOEE"N | 66IEN | SEZE'N | Zee N | H6zEN | Seren | Aswang | aswang (peu aapuräge SL "2 r9q ayeN SIION ıpreu ENLZURCIEISAEIT®) S9punyenuf 9punyowiysy S3unZzI9S210,] wapunyeyuj pun -oWwıMsy UOoA IYELIJSPEUDS E 227 ZL, 163 Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika Unterkiefermaße nach Nosıs z. I. abgeändert nach Durst l. Totallänge, v. Proc. angul. bis V.-rand Alveole Iı 2. Länge v. Incisur zw. Proc. artı ur aneul. bis H.-rand C.-Alv. 3. Höhe des vertik. Astes von Unterseite de Proc anesan 4. Höhe d. horizon- talen Astes hinter Mı 5. Höhe d. Horizon- talen Astes zwischen Pe und Ps 6. Länge der Backen- zahnreihe 7. Länge der Praemo- laren 8. Länge der Molar- reihe 9. Länge des Mı 10. Länge des Ma 11. Länge des Pı 12. Größte Dicke des Kiefers Tabelle 2 Unterkiefermaße von Eskimo- und Inkahunden Eskimohunde | Inkahunde Maße bei | l | | | | £ i Durrsr N. 3295 | N. 3296 | N. 3297 | N. 3298 | N.3299 | N.3300 | N. 3301 | ‚8, Hund | kl. Hund | Lima | Lima | Hundeschädel Q ad & ad DOrad. O ad | ? ad | dad | Q ad | en | Ba | ne an (8 VILLwocK goc-ıd 142 150 136 155 (165) 144 147 — 113 — — 108 120 125 112 130 137 120 122 — 92 115 93 90 gOV-Cr 60 65 58 69 (67) 63 64 — 52 (52) 45 44 27, 28 25 32 27. 27 30 — 20 25 19 195 21 22 a) 24 22 | 22 22 — 16 21 17 16 P:--M3> P2-Ms P-Ms Ps-Ms Pı-Ms Ps-Ms P>-M3 Pı-M3 P>-M3 P>-M3 P>-M3 Nr 15 75) 8) 70 66 86 69 72 _ 61 67 63 59 P>»-Pı P>»-Pı P>-P: P3-Pı Pı-Pı P>-Pı P>-P: Pı-Pı P2-Pı P>-Pı P>-P: 39 37 36 29 47 36 3) — 33 (29) 31 30 Mı-Ms Mı-Ms Mı-Ms Mı-Ms Mı-M: Mı-Ms Mı-M53 Mı-M3 Mı-Ms Mı-Ms Mı-M3 35 36 34 36 40 53 33 — 29 37 34 32 22 23 2] 22 24 22 22 — 19 21 21 20 9 9 2 25 11 8,5 5) — 7,5 — -- v5 12 102 1 13 14 12 12 — 10 — 11 10 12 13 11 13 13 12 12 — 9 9 der: 95 164 M. Ueck beim Dusicyon 92 %o bis 95 ®/o, während sie beim präkolumbianischen Haushund 83 0%/u -890/0, Wolf 87%0-89®/o, Eskimohund 85% —90°%/s,, europäischem Hund 85 0/a -90°®/o (Mops 73°/e) betrug (Tab. 3). Als 3. Besonderheit des Gebisses soll der Protoconus am P* erwähnt werden. Beim Coyoten hat er zur Innenseite des Zahnes eine tiefe Kerbe und seine Spitze reicht höher als es beim Wolf und Haushund der Fall ıst. Beim Wolf und Haushund ist die Kerbe nur flach oder fehlt ganz. Bei den 3 Schädeln aus dem Gräberfeld bei Lima, bei denen sich der P* untersuchen läßt, fehlt diese Kerbe ebenfalls. Aus den Zahnuntersuchungen geht somit hervor, daß es sıch bei den präkolumbia- nischen Haushunden um Nachfahren von Canis lupus handelt. Gegen einen neotropischen Ursprung spricht weiterhin die Feststellung von KRIEG (1929), daß bei allen südamerikanıschen Wildcaniden der Gattung D»sicyor (mit den »: | | ! Abb. 2 a-f. Zahnbilder von: a. präkolumbianischem Haushund, b. Wolf, c. Coyote, d. Dusicyon, e. Eskımohund, f. europäischem Hund. Zu beachten ist der beim Wolf und Hund nach innen versetzte M*, sowie der im Verhältnis zum M! große M? beim Coyoten. (Die Zahnbilder sind in verschiedenem Maßstab verkleinert) 165 Tabelle 3 Maße zur Bestimmung der Verhältniszahlen gr. Hund kl. Hund Hunde- ; 15T 7 Tierart Coyote | Coyote | Dusicyon | Dusicyon | Dusicyon | Dusicyon | Wolf S | Wolf Z | WolfQ | Ig. Herre/ | lg. Herre/ een ı schädel lg. RöHRrs RÖöHRs | VILLwocK BrM? in mm 12 10,9 8,8 So 1 145013 11,8 10 9,7 9,7 BrM! in mm Bo 117°, 12.12.1592 0 13542..93 20 18,5 16 14,3 16,3 BrM? . Verh BrMi na %/o 185D. 78 ZaR2. 78,5 708 74,6 63 65 63,8 62,5 68 332 Br (M? re-M? ]i) in mm 49,4 35 ou © a 46,5 Ba TEN nn 52,8 a a Be oe ps 56,2 Br (M’re-M’Iı) . ; Br(Mire-Mij) in lo Verh 93,5 93,5 94,8 92,4 92,9 88,6 87,7 82,6 Eskimohunde Schäfer- Riesen- cl schnau- | Spaniel | Großpudel |Chow-Chow Barsoi Tierform Nr. 3295 | Nr. 3296 | Nr. 3297 | Nr. 3298 | Mr. 3299 | Nr. 3300 zer BrM”? in mm 9,5 Da 10,3 10 10 9,3 10,2 10,8 8,2 10,9 10,2 10 BrM' in mm 15 16,5 15,5 16,2 17,5 16,4 16 172 12,9 1555 16 17 Bene Bm /o Br (M? re-M’ li) in mm 56,8 63,8 55 60,8 63 59 62 59 45,7 537 59 53 Br (M' re-M' li) in mm 65 70,7 63,2 712 7a 66,2 7722 67 53,6 SD) 67 62,3 Br(M’re-M’li), , | Br M're-M!ji) "” jo Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika Verh 63,4 58,8 67,3 61,8 972. 56,7 63,7 63,6 63,5 70,3 63,7 58,9 Verh 87,4 90,2 87 85,4 89,3 88 85,2 90,3 85,5 166 M. Ueck Untergattungen Dusicyon, Cerdocyon, Lycalopex) hochovale Pupillen vorhanden sınd, während Wölfe, europäische und südamerikanısche Hauskunde runde Pupillen haben. Obgleich diese Untersuchungen an rezenten südamerikanıschen Haushunden durchgeführt worden sind, ist doch nicht anzunehmen, daß das mögliche Erbteil süd- amerıkanıscher Wildcaniden, die hochovale Pupillenform, durch Einkreuzung euro- päischer Haushunde hätte so vollständig verdrängt werden können. Ein gelegent- liches Herausmendeln müßte festzustellen sein. Wie schwer es ıst, Verhaltensweisen zur Klärung von Abstammungsfragen bei Haushunden heranzuziehen, zeigen weitere Angaben von Krıee. Krıre beobachtete bei einigen südamerikanıschen Haushunden ım Anschleichen und im Deckungsuchen hinter Grasbüscheln „fuchsähnliches“ Verhalten. Er konnte jedoch nachweisen, daß dieses Verhalten umweltbedingt war und bei anderer Behandlung durch den Menschen schnell verlorenging. Die Möglichkeit, das Canıs nehringi aus dem Pleıstocän als Stammvater ın Br kommt, ıst sehr gering, da einmal nıdıt geklärt ıst, ob er zur Zeit der Erstbesiedlung noch lebte, zum anderen zeigen Untersuchungen an pleistocänen Caniden, die oft irre- ee als „Wölfe“ bezeichner werden, daß die Zahnstrukturen im Vergleich zu ölfen sehr verschieden sınd (Gmrer 1914). Die Ta tsache, daß einige Autoren für dıe südamerikanischen Haushunde bemerken, sıe seen Nichtbeller gewesen, hat dazu geführt, diese Tiere entweder als gezähmte Dusicyon thous, Waldhunde (Icizcyon veraticus) oder als Waschbären (Raceoon) an- zusprechen oder sıe für Ab} kömmlinge von Dusicyorformen zu halten. Diese An- nahmen lassen sich durch die ruktarelkn Besonderheiten des Haushundematerials aus den vorkolumbianıschen Gräbern leicht widerlegen. Zum Nichtbellen als Kriterium ist zu bemerken, daß Nichtbellen auch für die Eckmahunde angegeben wird. Eben- falls ıst es vom Basenjihund ın Afrıka bekannt. Da andere Autoren (Sarnacum 1905) schreiben, daß die südamerikanischen Haushunde heulen konnten, ist ın dieser Be- sonderheit kein Anlaß gegeben, an einer Wolisabstammung zu zweiteln. Da der Coyote und Dusicyontormen somit als Stammform ausscheiden, ist zu prü- fen, ob Canis lupss ın Nordamerika zum Haushund gemacht wurde. Eine Ableitung aus den nordamerikanischen Wolistormen wurde mit Übers in der Fell- farbe zu begründen versucht. Heute ist nicht nur bekannt, daß die Färbung der nord- amerikanischen Wölfe stark varııert, sondern auch erwiesen, daß sich Farbmerkmale im Hausstand rasch tiefgreifend ändern. Aus Farbbesonderheiten lassen sich kaum Ab- stammungszusammenhänge von Haustieren erschließen. Arren (1920) weist nacdı- drücklich darauf hin, daß von den primitiven Bevölkerungsgruppen Nordamerikas keine Züchtungsversuche bekannt seien. Er vertritt die Ansicht, daß eine Domestika- tion des nordamerikanischen Canis lupss auszuschließen sei und alles dafür spräche, daß die Haushunde aus Asien nach Amerika gekommen seien. Die völkerkundlichen Befunde — ähnliche Hundemythen, Hundeverehrung und Hundeopfer — bestätigen AızEen’s Annahme. Bei einer Abstammung des südamerikanischen Haushundes von asiatischen Wölfen erscheint es interessant, Haushunde aus dem Norden Amerikas zu untersuchen. Es standen 7 Eskimohundeschädel aus dem Zoologischen Museum Kopenhagen zur Ver- fügung, die A. Pepersen 1927-1932 am Scoresbysund gesammelt hat. Da diese Schä- del aus diesem Jahrhundert stammen, besteht die Möglichkeit, daß europäische Haus- hunde eingekreuzt wurden. Zwar werden nach Angaben von PohHrHausen (1960) durch die harte Umwelt, wie Kälte und Benutzung als Lasttier, die eingekreuzten Merkmale wieder ausgemerzt, dennoch bleibt die Möglichkeit, daß es sich nicht mehr um einen rein ursprünglichen Bestand handelt. Arzrn (1920) meint, daß die Polar- hunde früher etwas kleiner gewesen seien. Eine Größenzunahme ist jedoch durch be- & =) Er; ‘4 IR H S Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika 167 wußte Selektion in letzter Zeit denkbar. Die Maße der Eskimohunde sind Tab. 1 und ? zu entnehmen. Obwohl die Eskimohundeschädel durchweg von großen Tieren stammen, lassen sich einige gemeinsame Merkmale zu den präkolumbianischen Haushundeschädeln finden. Der größte präkolumbianische Haushundeschädel fällt mit in den Größen- bereich der Polarhunde und seine Maße sind ähnlich den Maßen des Eskimohundes Nr. 3301. Die Schädel sind stark verknöchert, das Gebiß ist kräftig. Auffallend ist die Gemeinsamkeit der Zahnanomalien bei präkolumbianischen Haushunden und Polar- hunden. Der P! fehlt bei vier Eskimohundeschädeln beidseitig, bei zweien auf der einen Seite und nur einer hat die volle Zahnzahl. Im UK fehlt 6 Hunden der Pı, einem dazu noch der P> und nur einer ist normal ausgebildet. Diese Zahnanomalien sind bei europäischen Hunden selten. Auch in der äußeren Gestalt der Hunde gibt es Ähnlich- keiten. Hier lassen sich der über den Körper gebogene Schwanz, die stehenden Ohren und das Nichtbellen nennen. So spricht bei einem Vergleich von Eskimohunden und präkolumbianischen Haushunden nichts gegen, wohl aber einiges für eine Zu- sammengehörigkeit dieser beiden Hundeformen. Bevor die Rassebildung diskutiert wird, seien einige Angaben über die Verwendung der Haushunde in Amerika gemacht. In Nordamerika diente er Indianerstämmen als Schlittenhund, wurde gegessen und geopfert. Im Süden, von Mexiko bis Südamerika, war seine Rolle als Schlachtvieh vorherrschend. Er diente weiterhin als Köder bei der Alligatorenjagd, wobei ıhm ein Stock längs durch den Körper gesteckt wurde, oder er machte sich als Straßenpolizeı nützlich. Seine Verwendung beı der Jagd ist umstritten. Falls Hunde zur Jagd mitgenommen wurden, dann nur zum Aufstöbern von Wild, von abgerichteten Jagdhunden ist nirgends die Rede. Einige Stämme, z. B. die Huan- cas, haben den Hund als Gottheit verehrt, wobei es falsch ist, mit unseren Vorstellun- gen diese Verehrung zu betrachten. Die Hunde wurden verehrt, weil ihr Fleisch gut schmeckte. Weiterhin wurden Hunde geopfert, sowie Toten als Wegfinder ins Toten- reich mit ins Grab gegeben. Eine Haushund-Mensch-Beziehung, wie wir sie kennen, hat in Südamerika kaum bestanden. I. Zur Rassebildung bei den vorkolumbianischen Haushunden Amerikas Da die zoologischen Daten dafür sprechen, daß die vorkolumbianischen Haushunde vom Wolf Canis lupus abstammen, muß nunmehr untersucht werden, inwieweit eine Aufteilung in Rassen mit dem bisherigen Material möglich ist. Es seien zunächst die bisher vertretenen Meinungen kurz aufgeführt. Als erster stellte TscHuupı (1844) zwei präkolumbianische Hunderassen auf, nämlich: 1. Canis ingae pecuarius: schäferhundähnlich, entspricht C. z. Tschudi. Totallänge des Schädels: täten, Schwanz 2/3 der Körperlänge. 2. Canıs caraibicus: An der Küste, nackt, stimmlos, große Ohren. Nach 17 Schädeln charakterisierte NEHRINnG (1884) drei Rassen, und zwar: 1. Canis ingae pecuarius: schäferhundähnlich, entspricht C. i. Tschudi. Totallänge des Schädels: 164-184 mm (n=13), Basallänge des Schädels: 145-159 mm (n= 13). 2. Canis ingae vertagus: dachshund-ähnlich. Totallänge des Schädels: 136+144 mm (n=2), Basallänge des Schädels: 1144127 mm (n=2). 3. Canis ingae molossoides: bulldoggähnlich. Totallänge des Schädels: 1314137 mm (n=2), Basallänge des Schädels: 112+115 mm (n=2). HIILZHEIMER (1937) bemängelt bei NEHRING, daß weder geographische noch zeit- liche Gesichtspunkte berücksichtigt worden seien und unterscheidet selbst: 168 M. Ueck 1; Saab IE Hochland; gedrungen, dolichocephal, Haare gelb mit schwarzen Flecken, Stehohren. 2. Chinchabulldogge = C. i. molossoides: Küstenform, brachycephal, Stehohren. FRIANT & REıcHLen (1950) fügen zu den 3 Rassen NEHRING’s eine vierte hinzu: 4. Canis ingae du desert d’Atacama: spanielähnlich. Totallänge des Schädels: 164,5 mm (n=1), Basallänge des Schädels: 142,5 mm (n=1). ge Aıren, der 1920 die ganze bis dahin erschienene Literatur über amerikanische Hunde zusammengefaßt hat, unterscheidet 17 „various breeds“, wovon 9 für Süd- amerika genannt werden. Diese breeds sind meist nach Körpergröße, Fellfarbe, Länge der Haare, Größe und Form der Ohren aufgestellt worden. Für Südamerika nennt er: 1. Inca Dog = C. i. pecuarius: mittlere Größe; Totallänge des Schädels: 155-178 mm (n=6). 2. Long-haired Inca Dog: mittlere Größe; Totallänge des Schädels ? 3. Patagonian Dog: mittlere Größe; Totallänge des Schädels: 190 mm (n=1). 4. Mexican Hairless Dog: mittlere Größe; Totallänge des. Schädels ? 5. Small Indian Dog = Techichi: klein, terrierähnlich; Totallänge des Schädels: 132-145 mm =7). a a Dog: klein, Techichi-Typ; Totallänge des Schädels ? Fuegian Dog: klein, terrierähnlich; Totallänge des Schädels: 141 mm (n=1). Short-nosed Indian Dog = C. :. vertagus: klein, terrierähnlich; Totallänge des Schädels: 132-141 mm (n=4). 9. Peruvian pug-nosed Dog = C. i. molossoides: klein, bulldoggähnlich; Totallänge des Schädels: 124-145 mm (n= 6). Um zu diesen verschiedenen Auffassungen kritisch Stellung nehmen zu können, müssen vorher zwei Fragen grundsätzlich geklärt werden: Welche Merkmale sind nur als Domestikationserscheinungen zu werten? Was ist eine Rasse? Die allgemeine Domestikationsforschung hat gezeigt (HERRE, 1958), daß Wild- tiere nach ihrer Überführung in den Hausstand eine erstaunliche Mehrung der Variabili- tät erfahren. Eine häufige Erscheinung ist dabei das starke Variieren in der Körper- größe, der Fellfarbe und der Länge der Haare. Unterschiede, die bei Wildformen zur Aufstellung von Gattungen, Arten und Unterarten berechtigen, haben bei domesti- zierten Tieren keinerlei systematische Bedeutung, sondern sind nur Zeichen starker innerartlicher Variation. So kann z. B. beim Pudel vom Zwergpudel bis zum Königs- pudel jede Größe auftreten (HERRE, 1961), die Farbe von weiß über grau und braun nach schwarz wechseln und beispielsweise beim Dackel die Haarlänge stark variieren. Daß auch schon früher diese große Variation innerhalb der Haushundpopulationen vorhanden war, zeigen die Untersuchungen von Van GIFFEN (1927) an den Hunden der Terpen, von HILZHEIMER (1932) an den Hunden der Römer und von Nosıs (1950) an den Hunden in Haithabu. Werden nun an einer Fundstelle Skelette von einem kleinen, braunen und einem großen, schwarzen Haushund gefunden, so kann über die Frage, ob es sich um ver- schiedene Rassen handelt oder um Individuen eines sehr variablen Bestandes gar nichts ausgesagt werden. Erst an Hand von Serien kann entschieden werden, ob Einzel- gruppen in sexueller Isolation gehalten wurden, so daß von einer Rasse gesprochen werden kann (HERRE, 1961). Serien, bei denen Häufungen vorliegen, die keinen glei- tenden Übergang zu anderen Formen erkennen lassen, sprechen für eine Unterscheidung von Rassen. Handelt es sich dagegen um eine Variation, bei der sich die Masse der Tiere um die Norm schart, so lassen sich Einzelindividuen nur als individuelle Typen, aber nicht als Rassevertreter herausheben. -- Im Hausstand erweitert sich die Variations- breite stark, womit überhaupt erst die Voraussetzung zur Züchtung von Rassen gegeben ist. Aber nur dann, wenn ein oder mehrere Typen aus der Variation isoliert, dann gemehrt und unter Kontrolle weiter gezüchtet werden, entsteht eine Rasse. Diese Iso- lierung wäre neben bewußter Isolierung durch den Menschen durch klimatische und geographische Bedingungen denkbar. Da aber Haustiere Wanderungen mitmachen, die von Menschen unternommen werden, so ist nach bisherigen Erfahrungen Rassebildung, ner Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika 169 speziell beim Hund, nur als vom Menschen gelenkte Züchtung bekannt. Eine bewußte Züchtung setzt aber eine gewisse Haltung des Menschen dem Tier gegenüber voraus. In Europa führten zwei Gründe zur Rassenbildung, die Freude an der Form und der Wunsch nach einer bestimmten Leistung. Da nach Ansicht von Krızc (1929) der India- ner dem Hund völlig gefühllos und beziehungslos gegenübersteht, kommt der erste Gesichtspunkt für Amerika kaum ın Betracht. Leistungen, die bewußt oder unbewußt einen Spezialhund hätten hervorbringen können, wurden von den Hunden nicht ver- langt. So gibt TERMER (1957) an, daß Hunde zum Hüten in vorkolumbianischer Zeit unbekannt waren. Hunde zur Jagd waren im Hochland verboten; ob an der Küste welche verwendet wurden, ist nicht sicher. Lediglich an einem guten Fleischhund be- stand Interesse. Da sich Hunde im allgemeinen leicht mästen lassen, lag für eine Züch- tung kein Grund vor. Wenn also Hauck (1950) schreibt, daß die vorkolumbianischen Hundeformen durch natürliche Abänderungen und, wie bei den brachymeren und den kurzgesichtigen Breitköpfen (Inkabulldoggen), endokrinen Einfluß und hierauf ein- setzender Zuchtwahl restlos erklärbar seien, so muß diese „einsetzende Zuchtwahl“ stark angezweifelt werden. KrıErg (1929) meint, daß die Indianer ihrer Mentalität wegen zu einer Züchtung nicht fähig gewesen seien. Werden die bisher aufgestellten Rassen betrachtet, so stellt sich zunächst heraus, daß TscHuDı, NEHRING und wahrscheinlich auch FRIANT & REICHLEN nicht das unter dem Begriff „Rasse“ verstanden, was heute definitionsgemäß darunter verstanden wird (HERRE, 1961). Sie geben Formextremen bzw. Formtypen innerhalb einer Varia- tion verschiedene Namen und nennen diese dann Rassen. Erst im Laufe der letzten Zeit ist der Begriff „Rasse“ scharf herausgearbeitet worden, wobei nun der Begriff in alten Arbeiten nicht mit den neuen Definitionen gleichgesetzt werden darf. Nach den bisherigen Skelettfunden ist es nicht zulässig, bei den vorkolumbianischen Haushunden von Rassen zu sprechen, da damit eine kulturelle Leistung der Indianer zum Ausdruck gebracht würde, die wahrscheinlich nicht vorhanden gewesen ist. HILZHEIMER (1937) scheidet die Chinchabulldogge = C. ı. molossoides vom C. ingae TscHupr’s aus zeitlichen, klimatischen, geographischen und kulturellen Gründen. Die zeitliche und geographische Trennung bezieht sich auf die geschichtlich älteren Funde an der Küste, wozu z. B. das Material von NEHRING gehört, und auf die zeitlich jüngeren Beschreibungen TscHunDr’s des Canıs ingae aus dem Hochland von Peru. HiLZHEIMER wirft nun NEHRING vor, daß er C. ingae (Hochland) = C. ingae pecnarius (Küste) gesetzt habe. Wird mit HiILzHEIMER die Trennung von Chinchabulldogge (Küste) und C. ingae (Hochland) vorgenommen, bleibt jedoch die Frage unbeant- wortet, wo die anderen 15 oder 17 Schädel von der Küste, die NEHRING dem C. ingae pecuarius und dem C. ingae vertagus zuteilt, eingeordnet werden sollen. Die Tat- sache, daß NEHRING bei seinen Untersuchungen Skelette aus derselben Zeit und vom selben Ort drei Rassen zusprach, beweist einerseits das Vorhandensein einer großen Variabilität in dem Material. Andererseits setzt NEHRING nach strukturellen Merk- malen Hunde dieser Variation mit Hunden gleich, die aus einer späteren Zeit und aus einem geographisch und klimatisch anderen Gebiet stammen, was deutlich zeigt, daß hier die gleichen Formtypen vorliegen, und daß die zeitlichen, geographischen und klimatischen Faktoren allein nicht imstande waren, neue Rassen hervorzubringen. Da also morphologische Ähnlichkeiten zwischen Hochland- und Küstenformen vorliegen, ist die Rassenaufteilung HILZHEIMER’s nicht gerechtfertigt. Zu untersuchen bleibt noch, ob durch die kulturellen Unterschiede zwischen Küsten- und Hochlandvölkern eine Beeinflussung der Hundepopulation stattgefunden hat. Die Huancas an der Küste kannten die Hundeverehrung, und es wäre denkbar, daß der C. i. molossoides, der bisher nur an der Küste nachgewiesen werden konnte, aus reli- giösen Vorstellungen heraus gezüchtet worden ist, ähnlich wie in China der Pekinese, der als heiliger Hund im Palast des Kaisers gehalten wurde und sich in 2000 Jahren 170 M. Ueck ; der Isolierung zu dieser Rasse entwickeln konnte. Dagegen spricht jedoch, daß die Bulldoggschädel zwischen gewöhnlichen Hundeschädeln gefunden wurden. Auch sind in der Literatur keinerlei Anhaltspunkte für eine solche Auffassung gegeben. Wäre der C. i. molossoides eine Bulldogge europäischer Prägung, so wäre es schwer, sie in die Variationsbreite mit einzubeziehen: Doch schreibt HırzHEIMER (1937) in seiner Studie über die Chinchabulldogge, daß sie, abgesehen von dem Gesichtsschädel, ein normaler Hundetyp sei. Die Bulldoggschädel aber zeigen untereinander kein ein- heitliches Bild, sondern es liegt jeder Grad der Verkürzung des Gesichtsschädels vor, so daß von einer gut durchgezüchteten Rasse keine Rede sein kann. Auch ist die Re- duktion des Oberkiefers nicht so groß wie bei unseren Bulldoggen oder dem Pekinesen. Nur bei zwei der sechs Schädel, die ALLEn untersuchen konnte, stand der P3 transver- sal und war der P? etwas einwärts gesetzt. ALLEN nimmt an, daß die Bulldoggform mutatıv als lokale Abnormität aufgetreten ist, im Erbgut Eingang fand und dann ver- hältnismäßig selten bei günstigem Zusammentreffen der Faktoren ausmendelte. Die Aufstellung als Rasse ist nach bisherigen Funden und Untersuchungen nicht haltbar. ALLEN, dessen Verdienst es ist, die gesamte Literatur über amerikanische Hunde zusammengefaßt zu haben, vermeidet zwar das Wort „Rasse“, spricht aber von „various breeds“, was inhaltsmäßig dem Rassebegrift entspricht, wenn breed=Züchtung=Rasse gesetzt wird. Statt die Ähnlichkeit und die Beziehung zu anderen Variationen zu sehen, ist ALLEN bemüht, Unterschiede und Besonderheiten zu betonen, so daß der Eindruck entstehen kann, als ob gegeneinander abgegrenzte Formtypen vorlägen. ALLEN unterscheidet seine breeds im wesentlichen nach Größenangaben wie klein, mitt- lere Größe, groß, Farbverschiedenheiten, Länge der Behaarung, nach Merkmalen also, von denen gezeigt werden konnte, daß sıe allgemeine Domestikationserscheinungen sind. Er gibt zwar Schädelmaße an, doch werden diese für Betrachtungen über Rassen wertlos, wenn aus einer Serie nur die Maße der sechs größten Schädel aufgeführt wer- den (S. 473). Da selbst diese Maße in der Totallänge zwischen 155 mm-178 mm schwanken, kann von einem einheitlichen Schädelbild keine Rede sein. ALLEN schreibt selbst (S. 474), daß z. B. die Hundeschädel aus Peru eine ganze Gradation an Größe aufweisen, deren kleinsten er als Techichi, den größten als Inca Dog bestimmt habe. Der Irrtum, den ALten begeht und der sich durch die ganze Arbeit hindurchzieht, ist der, daß er von der unbegründeten Annahme ausgeht, daß durch die ersten Einwande- rer eine kleine und eine große Hunderasse nach Amerika gelangt sei. Alle dazwischen- liegenden Größen seien Bastarde dieser Formen. Nach den Erfahrungen an anderen alten Kulturen erscheint es jedoch richtig zu sein, anzunehmen, daß ein Hund mit großer Variabilität nach Amerika gelangte oder aber, daß sich hier diese Variabilität entwickelte. ALten’s Aufteilung in breeds wäre zu rechtfertigen, wenn jede „Züch- tung“ für einen bestimmten geographischen oder kulturellen Raum gelten würde. Dies ist aber nicht der Fall. So gibt Arzen von den neun breeds in Südamerika sechs u. a. für Peru an, wobei von den übrigen drei die geographischen Grenzen nicht klar ab- gesteckt sind, so daß ihr Vorkommen in Peru nicht ausgeschlossen ist. Es gibt somit keine Kriterien, die ALten‘s Aufteilung in breeds rechtfertigen. Es soll nun andererseits nicht der Eindruck erweckt werden, als ob die Meinung vertreten würde, die Hundepopulationen von Alaska bis Feuerland müßten immer das gleiche Aussehen gehabt haben. Bei diesem riesigen geographischen Raum ist viel- mehr wahrscheinlich, daß sich die Variation lokal um Formtypen vergrößern konnte, z. B. durch eine Bulldoggform. Auch wird das Vorherrschen einer Farbe oder einer Größe innerhalb der Variation sich verschoben haben, ohne aber daß die anderen For- men ganz verschwanden. Zweifellos wird z. B. in Nordamerika durch das Klima und durch die Benutzung des Hundes als Lasttier eine Selektion in Hinsicht auf Größe, Stärke, Leistungsfähigkeit und Widerstandskraft getrieben worden sein. Die Frage ist nur, ob dann schon von einer Rasse gesprochen werden kann. Sowohl Friverıcı (1899) Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika 171 als auch ALıen sagen, daß der Eskımohund schwer vom großen Indianerhund zu unter- scheiden sei. ALLEN gibt weiterhin an (S. 443), daß auch der Eskimohund kein ein- heitlicher Hundetyp sei. Da lediglich Formextreme fehlen, die dem Klima nicht ge- wachsen sind, entspricht es mehr den Tatsachen, von einer eingeengten Variation als von einer Rasse zu sprechen, da die Kulturleistung des Menschen, das bewußte Aus- merzen schwacher Formen, fehlt. Drei für Südamerika genannte Haushundformen müssen besonders beachtet wer- den: der Nackthund und der Chihuahua, sowie der durch wenige alte Literaturangaben und eine Abbildung beschriebene Buckelhund. Eine besondere Züchtung des Nackthundes ist nicht wahrscheinlich. Aus bisherigen Vererbungsexperimenten geht hervor, daß die Haarlosıgkeit dominant vererbt wird. Es kann sich also Haarlosigkeit als Mutation lokal eingestellt und bei dominanter Vererbung relativ gut durchgesetzt haben. Über den Chihuahua ist wenig bekannt, und er wird von den meisten Autoren für die präkolumbianische Zeit gar nicht erwähnt. Nach Auen ist der Chihuahua mit dem Techichi identisch (S. 486). Für diesen gibt Arzen Totallängen des Schädels von 132-145 mm an, also Maße, die durchaus innerhalb der Vaziationsbreite der anderen Haushunde liegen. Schädelfunde, die beweisen würden, daß die Chihuahua zu jener Zeit schon in der heute bekannten Verzwergung vorhanden waren, liegen nicht vor. Es muß angenommen werden, daß die heute bestehende Kluft in der Körpergröße zwischen Chihuahua und anderen Hundeformen erst durch bewußte Züchtung in jüngster Zeit erreicht worden ist. Die Vermutung von H. ©. WAGner (1960), daß sich die Rasse selbst gezüchtet habe, indem ihre geringe Größe sie vor einer Vermischung bewahrte, ist nicht überzeugend, da damit nıcht geklärt wird, wie die geringe Größe entstanden sein könnte. Bei einer gleitenden Größenvariation ist eine Selbstisolierung nicht denkbar. Keine eindeutige Erklärung läßt sich für den Buckelhund (Abb. 3a) finden. Der Kopf ist im Verhältnis zum Körper ungewöhnlich klein und ähnelt eher dem eines Schafes als dem eines Hundes. Die Ohren werden hängend dargestellt, obwohl sonst für präkolumbianische Haushunde Stehohren angegeben werden. Der Schwanz ist unnatürlich kurz, das Profil des Kopfes und des Rückens bei keiner heute lebenden Hundeform auch nur annähernd ausgeprägt. Die ganze Proportionierung ist unglaub- würdig. Von zoologischer Seite kann in der Zeichnung kein wissenschaftlich exaktes Dokument gesehen werden. Es handelt sich vielleicht um eine Karikatur eines ge- CHRERRELLLLLLE I Abb. 3. Links: Der mexikanische Buckel- hund. (Nach Franzisco HERNANDEZ, Rom, 1651). Wie wenig wissenschaftlich exakt Darstellungen aus jener Zeit sein können, zeigt ım Vergleich die Abb. rechts: Giraffe (Seraffa) von E. Reuwich. (Nach B. v. BREYDENBACH’s „Peregrinationes in Terram Sanctam“ 1486) 172 M. Ueck mästeten Hundes, dessen Anblick für einen Europäer ungewöhnlich war und seine Phan- tasie anregte. Daß die wissenschaftliche Genauigkeit in der Wiedergabe von Tierbil- dern in der damaligen Zeit nicht die beste war, zeigt die mittelalterliche Abbildung einer Giraffe (Abb. 3b). Sowohl die Hörner als auch die Fellzeichnung sind völlig ver- kehrt wiedergegeben, die Körperproportion stimmt ebenfalls nicht. — Es gibt von dem Buckelhund weder Mumien, noch Skelettreste, die solche Mißbildungen andeuten wür- den, noch sind in der heutigen amerikanischen Hundepopulation Anzeichen für diese Gestalt zu bemerken. So stellt sich bei genauer Betrachtung heraus, daß über die Haushunde im prä- kolumbianischen Amerika nur ausgesagt werden kann, daß sie eine große Variations- breite zeigten. Eine Aufteilung in Rassen ist an Hand des bisherigen Materials nicht zu rechtfertigen. Da die Herkunft des präkolumbianischen Haushundes aus Asien angenommen werden darf, erscheint es lohnend zu untersuchen, welche Hundeformen dort vorhan- Abb. 4 a-d. Gegenüberstellung von südamerikanischen Haushunden und asiatischen Pariahunden. a. Nackthund von der Golfküste (aus H. ©. Wacner). b. Kopf eines Pariahundes (aus R. u. R. MENZEL). c. Ältere Zeichnung eines Fuegian-Dog (aus Arten); d. Pariahund Typ 3 aus (R. u. R. MEnZEL); e. Kurzbeiniger Nackthund Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika 173 den sind. Dabei treffen wir auf den Pariahund, einen Primitivhund, des- sen Verbreitung sich nach R.u.R. MEn- zEL (1960) von Marokko über die bei- den Küsten des Mittelmeeres bis Süd- asıen und von da über die Sunda- Inseln bis Japan und Australien er- streckt. Bei den Pariahunden läßt sich die große Varibilität noch heute fest- stellen?, wobei R u. R. MENZEL vier Typen herausstellen, gleichzeitig aber betonen, daß fließende Übergänge zwischen den Typen be- stehen. An eine Auftei- lung ın Rassen wird und kann nicht gedacht wer- den. Auch schreiben sie, daß in verschiedenen Ge- bieten bestimmte Typen vorherrschen, ohne daß nach ihrer Ansicht dieses Vorherrschen so weit geht, daß die anderen Typen verschwinden. Der Ein- druck, der bei den prä- kolumbianischen Hunden gewonnen wurde, findet Abb. 4 e und f. - e. Kurzbeiniger Nackthund (aus HERNANDEZ hier a heute noch nach- 1651); f. Pariahund Typ 4 (aus R. u. R. Menzeı) weisbare Bestätigung. Bei der Betrachtung von Pariahunden und südamerikanischen Hunden verstärkt sich der Eindruck, daß eine Be- ziehung zwischen beiden Hundepopulationen besteht. Obwohl nur wenig Bildmaterial zur Verfügung steht, sollen doch einige ähnliche Typen gegenübergestellt werden (Abb. 4a-h). Interessant ist die Bemerkung von R. u. R. Menzer, daß sie in Nord- amerika Eskimohunde antrafen, die sich von gewissen Pariahunden in nichts unter- schieden. Der endgültige Beweis, daß die Pariahunde und die präkolumbianischen Haushunde eine zusammenhängende Gruppe bilden, müßte mit Hilfe eines größeren Bild- und Skelettmaterials erbracht werden. Auf Grund der Fellfärbung einiger Tiere halten manche Autoren eine selbständige Einkreuzung von Coyote oder Fuchs für möglich. Nach Gray (1954) liegt hierfür kein erwiesener Fall aus freier Natur vor. Selbst in Gefangenschaft ist eine Hund-Fuchs- Kreuzung noch nicht gelungen, Hund-Coyotenbastarde sind nur zwischen öHund X PCoyote bekannt. Die Fı-Generation ist jedoch nach bisherigen Erfahrungen steril, so daß solche Bastarde wieder aussterben und fremdes Erbgut keinen Eingang in den Haushundbestand findet. Gegen eine Einkreuzung von Wildformen sprechen in erster Linie die zeitlich verschiedenen Hitzeperioden beim Hund, Coyoten und Fuchs. Zum anderen ziehen heiße Hündinnen, wie R. u. R. MEnzEr (1960) es von den Pariahun- 2 Prof. Dr. D. Starck (Frankfurt) wies mich darauf hin, daß auch der Dingo in Australien in der Farbe sehr variabel ist. Es wurden schwarze, schwarz-weiß gescheckte, rote und rot- weiße Tiere beobachtet. 174 M. Ueck den eindrucksvoll schildern, männliche Hunde aus nah und fern an, die der Hündin in Trupps folgen, bis die Hitze vorbei ist. Die Feindschaft zwischen Hund und frem- der Canidenart ist bekannt. — Krıes (1929) sieht einen Hinweis für Einkreuzung in dem friedlichen Nebeneinanderleben von gezähmtem Fuchs und Hund. Von Jugend an lassen sich jedoch auch Katzen: und Mäuse aneinander gewöhnen, so daß von einem friedlichen Nebeneinander nicht auf eine Fortpflanzungsgemeinschaft geschlossen wer-. den darf. Nach bisherigen Kenntnissen bleiben auch Canıdenarten bei freier Gatten- wahl ın sexueller Isolation. I 155) Abb. 4 g und h. - g. Eskimohund (aus ALten); h. Pariahund Typ 2 (aus R. u. R. MENZEL) Zusammenfassung An Hand von Schädeluntersuchungen läßt sich nachweisen, daß die praekolumbianischen Haushunde als „echte Hunde“, nämlich als Wolfsnachfahren, zu betrachten sind. Eine Ab- leitung von Coyoten und Dusicyon-„Füchse“ ist nicht richtig. . Da Wölfe in Südamerika nicht vorhanden sind, muß eine autochthone Domestikation ver- neint werden. Der Hund ist mit den Besiedlern aus Asien über Nordamerika nach Süd- amerika gelangt. Nach bisherigen Untersuchungen ist es nicht gerechtfertigt, die praekolumbianischen Hunde in Rassen aufzuteilen. Das vorhandene Material weist nur darauf hin, daß, ähnlich wie bei den Hunden der alten europäischen Siedlungen und heute noch bei den Pariahunden, eine grofse Variation innerhalb dieser primitiven Haushunde vorhanden war. Es spricht vieles dafür, daß die präkolumbianischen Haushunde Südamerikas mit dem Basenji-Hund (= Schensi-Hund), Pariahund und dem Dingo als eine zusammenhängende Gruppe primiti- ver Haushunde anzusehen sind. Summary . On the basis of studies on ‚skulls it was found that prae-columbian Dogs must be con- sidered being ”real Dogs“, viz. descendants of the Wolf. Coyotes and Dusicyon-”Foxes“ cannot be considered ancestors. As Wolves do not occur in South-America, local domestication cannot be considered. The Dog came with the inhabitants from Asia, by way of North-America to South-America. Up till now the studies showed that a splitting up of prae-columbian Dogs into breeds is not justified. The material at hand only shows a great variability within these primitive Dogs, just as in recent Pariah-Dogs and in Dogs, found in old european settlements. The prae-columbian Dogs of South- America. the Basenji Dog (Congo-Dog), the Pariah-Dog and the Dingo probably belong to one connected group of primitive Dogs. Vorkolumbianische Haushunde in Südamerika 175 Literatur Aızen, G. M. (1920): Dogs of the American Aborigines; Bull. Mus. Compar. Zoology Har- vard College, vol 63, No 9, Cambridge, Mass. S. 431-517. — Antonius, ©. (1922): Grund- züge einer Stammesgeschichte der Haustiere. Jena — Boman, E. (1908): Antiquites de la region andine de la Republique Argentine et du Desert d’Atacama; Mission scientifique G. de Crequi-Montfort et E. Senechai de la Grange; Paris, tome 2. — Brehms Tierleben (1915): Bd. 12 (HiLzHEIMER: Säugetiere Bd. 3), 4. Auflage; Leipzig-Wien, Bibliographisches Institut; S. 156-297. — Dank, E. (1937): Studien über Hunde aus primitiven Steinzeitkulturen in Nordeuropa; Lunds Universitets Ärsskr. N. F. (2) 32, Nr. 4. — DENLINGER, Mıro G. (1950): The complete Chihuahua; 2. Aufl. Silver Spring, Maryland. — Durrst, J. U. (1925): Ver- gleichende Untersuchungsmethoden am Skelett von Säugern; Hdb. d. biol. Arbeitsmeth. Ed. Abderhalden, Abt. 7. — FrIANT, M. & REICHLEN, H. (1950): Deux chiens pr&hispaniques du desert d’Atacama. Recherches anatomiques sur le chien des Incas; Travaux de l‘Institut Fran- cais d’etudes Andines; Paris-Lima, tome 2, S. 1-18. — Friperıcı, G. (1899): Der Indianer- hund von Nordamerika; Globus, Bd. 76, Nr. 23. Braunschweig 1899, S. 361-365. — GiDLEY, J- W. (1914): Preliminary report on a recently discovered Pleistocene cave deposit near Cum- berland. Maryland; Proc. U. S. N. M. Washington. S. 93-102. — GirFfEn, A. E. v. (1927): Het oudste huisdier en de paleonthologie; Koninklijke Akademie van Wetenschappen te Amsterdam. — GILMORE, R. M. (1950): Fauna and ethno-zoology of South America; Handb. South Amer. Indians, vol. 6, Washington, S. 345-464. — Gray, A. P. (1954): Mammalian Hybrids; Commonwealth Agrıc. Bureaux Farnham Royal, Bucks, England. — Har- TENORTH, T. (1958): Rassehunde-Wildhunde; C. Winter, Universitätsverlag, Heidelberg. — Hasse, G. (1951): Le chien Tarasque, le chien Chihuahua et le Culte solaire; les sacrifices des chiens au Mexique, en Chine, en Europe; Bull. Soc. Royale Belge d‘Anthropologie et de Pre- histoire, Tomes 50/51 (1949-1950); Bruxelles, S. 222--248. — Hauck, E. (1950): Abstammung, Ur- und Frühgeschichte des Haushundes; Prähistorische Forschungen, H. 1; Verlag F. Berger, Horn-Wien. — HErrz£, W. (1958a): Abstammung und Domestikation der Haustiere; Handb. d. Tierzüchtung, Bd. 1. — HERRE, W. (1958b): Domestikation und Stammesgeschichte; Aus „Die Evolution der Organismen“, 2. Aufl., S. 801-856. — Herr£E, W. (1959): Der heutige Stand der Domestikationsforschung; Naturw. Rundsch. S. 87-94. — HERRE, W. (1961): Der Art- und Rassebegriff; Handb. d. Tierzüchtung. Bd. 3. — HirLzHEIMER, M. (1932): Römische Hundeschädel aus Mainz; Biologia generalis, Bd. 8. Wien. — HiLZHEIMER, M. (1915): Raub- tiere; in Brehms Tierleben, Bd. 12. — HırzHEimEr, M. UND WEGENER, R. N. (1937): Die Chinchabulldogge. Eine ausgestorbene Hunderasse aus dem alten Peru; Zeitschr. f. Hunde- forschung, N. F. Bd. 7. — IHerıng, M. v. (1913): Le chien domestique des Calchaquis; Revistas del Museo de La Plata; La Plata, tome 20, S. 101-106. — KıaArt, B. (1912): Über die Ver- änderungen der Schädelkapazität in der Domestikation; Sitz. ber. Ges. naturf. Freunde, Berlin, 3. — KıarTt, B. (1913): Über den Einfluß der Gesamtgröße auf das Schädelbild nebst Bemerkungen über die Vorgeschichte der Haustiere; Arch. Entw.-Mech. 36. — KıArT, B. (1942): Kreuzungen an extremen Rassetypen des Hundes; Z. f. menschl. Vererb.- u. Konstitutions- lehre 25. — Kıart, B. (1950): Craniologisch-physiognomische Studien an Hunden; Mitt. Hamb. Zool. Mus. u. Inst. 50. — KrıckEBErG, W. (1935): Beiträge zur Frage der alten kultur- geschichtlichen Beziehungen zwischen Nord- und Südamerika; Z. f. E., 66. ]Jg., S. 287-373. — Krieg, H. (1929): Über südamerikanische Haustiere I.; Der Zoologische Garten N. F., Bd. 1, Leipzig, S. 273-284. — Lang, W. (1955): Der Hund als Haustier der Polynesier; Von frem- den Völkern und Kulturen. Düsseldorf, S. 227-236. — LATCHAMm, R. (1922): Los anımales domesticos de la Am£rica precolombina; Santiago de Chile. — Menzeı, R. u. R. (1960): Pariahunde. Die neue Brehm-Bücherei; Vg. Ziemsen, Wittenberg. — MıvarT, ST. G. (1890): Dogs, Jackals, Wolves and Foxes, a Monograph of the Canidae; R. H. Porter and Dulau, London. — NEHRING, A. (1884): Über Rassebildung bei den Incahunden aus den Gräbern von Ancon; Kosmos 2. Bd., S. 94-111. — Nenring, A. (1884 b): Über Schädel und Skelett der Inka-Hunde aus den Gräbern von Ancon, nebst Bemerkungen über die Abstammung der- selben; Tageblatt der Vers. deutscher Naturfr. u. Ärzte, Magdeburg, S. 169 f. — NenHring, A. (1885 a): Über Rassebildung bei den Inca-Hunden von den Totenfeldern bei Ancon in Peru; Sitzber. Gesellsch. naturf. Freunde, Berlin, S. 5-13. — NEHRInG, A. (1885 b): Über altperuani- sche Hundemumien und über Rassebildung bei den sogenannten Inca-Hunden; Verh. Berl. an- throp. Gesellsch. S. 518-521. — NEHrıng, A. (1886): Über eine neue Sendung mumifizierter In- ca-Hunde von Ancon in Peru; Sitzber. d. Ges. naturf. Fr. Berlin, S. 100. — NEnHrıng, A. 1887): Über die Mumie eines langhaarigen Inca-Hundes von Peru; Sitzber. Gesellsch. naturf. Fr. Berlin, S. 139-154. — NEHRınG, A. (1888): Über alt-peruanische Hausthiere; Comptes rendus du Congres International des Americanistes; 7. Session. Berlin, S. 1-15. — Noack, Th. (1915): Über den mumifizierten Kopf eines Inkahundes aus dem Totenfelde von Ancon in Peru; Zool. Anz. Bd. 46, S. 62-69. — Nosıs, G. (1950): Studien an frühgeschichtlichen Hunden; Neue Ergebnisse und Probleme der Zoologie (KLarr-Festschrift). — Nosıs, G. (1960): Der Haus- 176 N. Dawaa hund; In W. Herre: Die Haustiere von Haithabu; Vg. K. Wachholtz, Neumünster, S. 125-131. — Packarp, A. S. (1885): Origin of the American varieties of the dog; Amer. nat., 19, p. 896-901. — PLaATe, L. (1930): Über Nackthunde und Kreuzungen von Ceylon-Nackthund und Dackel; Jenaische Z. Naturwiss. 64, S. 227-280. — POHLHAusEn, (1960): Referat Vor- trag über Polarhunde im Ersten Rundbrief 1960 der Gesellschaft für Hundeforschung e. V. — Reıss, W., u. StüseL, A. (1844-87): Das Totenfeld von Ancon in Peru; Berlin. — SELER, E. (1890): Diskussion zu A. NEHRING, Über alt-peruanische Hausthiere; Comptes rendus Congres Intern. des Americanistes, 7. Session, Berlin. — STUDER, TR. (901): Die prähistorischen Hunde in ihrer Beziehung zu den gegenwärtig lebenden Hunderassen; Abh. schweizer. paläontol. Ges. Bd. 28. — TERMER, F. (1957): Der Hund bei den Kulturvölkern Altamerikas. Z. f. Ethnologie, Bd. 82, Heft 1, Braunschweig. — TERRA DE, P. (1911): Vergleichende Anatomie des mensch- lichen Gebisses und der Zähne der Vertebraten; G. Fischer, Jena. — TscHupı, J. J. (184446): Untersuchungen über die Fauna peruana; Scheitlin u. Zollikofer, St. Gallen. — WAGNER, H.O. (1960): Haustiere im vorkolumbischen Mexiko; Z. f. Tierpsychologie Bd. 17, H. 3, $. 364375. — WAGNER, K. (1930): Rezente Hunderassen; Skrifter udg. af. Vid.-Selsk. Nat. Kl. 1929-ITI-9. Oslo. — WERTH, E. (1944): Die primitiven Hunde und die Abstammungsfrage des Haus- hundes; Z. f. Tierzücht. u. Züchtungsbiologie, Berlin, 56, S. 213-260. — WOLDRICH, ]J. (1882): Die bisherigen Resultate der Forschung bezüglich des prähistorischen Hundes; Mitt. Anthrop. Ges. Wien, S. 27-31. Anschrift des Verfassers: MANFRED Ueck, Kiel, Institut für Haustierkunde, Neue Universität Beobachtungen an Brandt’s Steppenwühlmaus (Microtus brandti Radde) in der Mongolischen Volksrepublik VonN. DawaaA Aus der Staatlichen Tschoibalsan-Universität Ulan Bator, Zoologisches Institut Eingang des Ms. 22. 3. 1961 Zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen der Mongolischen Volksrepublik gehört die Viehzucht, deshalb ist jede Weidelandforschung von großer volkswirtschaftlicher Be- deutung. Unter den Schädlingen des Weidelandes spielt in den rauhen, hochkontinen- talen Steppen die Wühlmaus Microtus brandti eine besondere Rolle, die wiederholt ım Schrifttum Beachtung gefunden hat. Kasanskı (1930) kartierte 1928/29 das Vor- kommen von M. brandti im gesamten Gebiet der östlichen Mongolei. Nach Kasanskı war der Bestand 1926 noch gering, erreichte aber 1928 ein Maximum. In den Jahren 1928/1929 wurde die Viehweide in der östlichen Mongolei fast gänzlih durch M. brandti vernichtet. Das ist das erste protokollierte Massenauftreten der Art. Nacdı KUTSCHERUK und DunajEewaA (1948) erfolgte das nächste Massenauftreten in der öst- lichen Mongolei in den Jahren 1942 und 1943. 1941 war der Bestand noch gering, und ab 1944 ging er wiederum zurück. Ein erneutes Massenauftreten zeigte sich 1955/56. Für die Jahre 1956/57 gingen in Ulan-Bator folgende Berichte ein: Hohe Bestands- dichte in den Gebieten von Bayan-Munk, Delger-Han, Shargalt-Han, Gal-Schir, Bayan-Hurag, Hentey und im Ost-Gobi-Bezirk im Gebiet von Dalan-Shargalan. Ge- rıngere Dichte in anderen Gebieten des Ost-Gobi-Bezirkes sowie im Mittleren Gobi- Bezirk. Im Auftrage der Universität Ulan-Bator unternahm ich zum Studium von M. brandti in den Sommern 1958 und 1959 folgende Reisen: Von Ulan-Bator über Beobachtungen an Brandt’s Steppenwühlmanus 177. o Norowe Ulan Bator Onzentey, © Bayan Delger BAyaNı 0bo (6) 0 oTsenherMandal Nalaiha mn N YShargalt- Han Door ar y on Mo Bayan Ye Mars WS Bayan-Hutag YDelger-H eiger a Um 7 Bayan Monhö H Wlly oMandal N oGol-Schir la o Dalan-Shargalanı © Buyant o Yhe-Hid o Delger-Hid Ugumoro| ONilga Holsumber m o Hara A ad o Altan-Schir Hm ° Sayn Shanda #j} bewohnte Kolonien O Gebietszentren 50 100 150 200 250km Verbreitung von Microtus brandti in der Mongolei östlich von Ulan Bator Shargalt-Han, Delger-Han nach Undur-Han und von Ulan-Bator über Dar-Han, Undur-Han nach Sayn-Shanda. Der nördliche Teil des Gebietes ist gebirgig, der süd- liche eben oder wellig-hügelig (Karte 1, Tabelle 1). Im Zentrum von Shargalt-Han gibt es nur wenige Baue, bewohnte Kolonien sind selten, im gebirgigen Norden waren 1958 überhaupt keine Baue. In der Ebene dagegen fanden sich sehr viele. Ungefähr alle 10-15 m wurde eine alte, unbewohnte Kolonie angetroffen, doch konnte auf dem Ritt vom Pferde aus keine bewohnte Kolonie fest- gestellt werden. Die alten Kolonien sind mit Aneurolepidium bewachsen. Nach Mit- teilungen der Ortseinwohner erschien Microtus brandti 1954 und 1955 in der Ebene. Bis 1956 wurden sie so zahlreich, daß der Pflanzenwuchs von ihnen fast vollständig vernichtet wurde. Weiter westlich waren diese Wühlmäuse noch häufiger. Bewohnte Kolonien gab es am rechten und linken Ufer des Zenherin-Gol. Es gab auch viele alte unbewohnte Kolonien (auf 2 ha 60 Kolonien, darunter 16 bewohnte = 26°/o). An den Ufern sind alte selten, bewohnte aber allgemein. Im Gebiet von Shargalt-Han ist also der Süden und Südwesten dicht und das Zentrum mittelstark besiedelt. Ein Maxi- mum wurde 1956 erreicht, ab 1957 begann eine Verminderung, 1958 hielten sie sich nur noch an den Ufern des Zenherin-Gol und im Zentrum des Gebietes. Im Gebiet von Delger-Han verbreitete sich die Art in allen ebenen Abschnitten, während sie in den gebirgigen Teilen fehlte. Nach Aussagen der Araten (Viehzüchter) war 1956 diese Art auch hier sehr häufig. Es wimmelte an manchen Stellen förmlich von den Wühlmäusen. Aber 1958 gab es hier überhaupt keine mehr. Wühlmäuse die- 178 N. Dawaa Tabelle 1 ser Art wurden ım Zen- Kolonien von Microtus brandti im westlichen Teil der Og- um des Gebietes, nörd- Mongolei (lineare Zählung nach Marschroute der Expeditien lich in Richtung zum Zen- von 1958) herin-Gol und weiter öst- lich angetroffen (auf 2 ha Anzahl Bewohnte Unbewohnte 7. Kolonien, wovon 39 Ort der 7 —— SZ Kolonien alte neue alte neue bewohnt = 51 °/o). Im nn Vergleich zu den Verhält- ar nn - = - Nalga zu = : = = nissen ın Shargalt-Han Dar-Han 20 16 _ - — - - ei = E waren hier doppelt soviel Eren 20 12 zZ 6 =: a ee Ende 90 17 es 3 B2 Wühlmäuse, aber der Zu- Gal-Scir 20 13 6 1 — sammenbruch war ebenso : j: e 90 = = — TH . Bayan-Hurag == 15 =. ausgeprägt. In der Ebene Buyant 20 2 — 18 _ 2 ! En Sr Bayan-Han gab es weni- Altan-Schir 20 — 16 = 4 ee a or 90 9 4 7 ger Wühlmäuse, bewohnte Gow-Sumber 20 — — 20 — Kolonien fanden sıch in Schanti 20 En - 20 — Gruppen von 3 bıs 4 alle 4-5 km. Im Gebiet von Delger-Han erreichten also die Wühlmäuse 1956, ım ersten Jahr ihrer Zunahme ein Maximum, verschwanden 1957 in den südlichen Teilen, hielten sich aber noch 1958 in den zentralen und nördlichen Teilen. Nach Aussagen der Einwohner tauchten diese Wühlmäuse 1950 auf dem Terri- torıum von Bayan-Munk auf, wo sıe 1955 und 1956 ihre Höchstzahl erreichten; 1957 begannen sie zu verschwinden. Sie kamen aus der Richtung von Undur-Han. In den wenigen Jahren ihrer Vermehrung waren sie außer im Gebirge überall’ ım Gebiet von Bayan-Munk. In Bayan-Munk kamen 1958 auf 2 ha 74 Kolonien, davon waren 16 (22/0) bewohnt. Im Gebiete von Dar-Han war die Art fast über das gesamte Territorium verbreitet, sie fehlte nur im Süden und Südwesten (gebirgige Gegenden) und im Südosten (san- dıge Hügel). Nach Mitteilung der Ortseinwohner erschienen auch hier die Wühlmäuse Tabelle 2 Greifvogelzählung auf der Marschroute von 1958 O = keine M. brandti, — = wenig M. brandti, + = viele M. brandti Gezählte Auf 10 km Marschroute Gar kommen vögel Bussarde | Seppeu Adler Marschroute M. in km brandu Nalaiha / Njalga 110 Njalga / Dar-Han 00 Dar-Han / Bayan-Munk 40 Bayan-Munk / Eren 42 Eren / Undur-Han 50 Undur-Han / Bayan-Hutag Bayan-Hutag / Gal-Schir Gal-Schir / Buyant Buyant / Altan-Schir Altan-Schir / Sayn-Shanda Sayn-Shanda / Har-Airag Har-Airag / Dalan-Shargalan Dalan-Shargalan / Njalga Njalga / Mantı Mancti / Nalaiha 0,3 0,1 0,8 0,2 w w “ I “ E er “ “ KDD ER ER ee N ON ED ek Ve fin a DD NO ON 00 er NND ON e fen = 4 9 4 25 7 1 1 4 1 O 7 1 ODE EN [ers je} O Greifvögel insgesamt Beobachtungen an Brandt’s Steppenwühlmaus 179 Tabelle 3 Schwankungen in der Ausbeute von Korsak-(K) und Rotfuchs-(F)Pelzen im Henteiski-Bezirk 4 1952 1953 1954 | 1955 1956 1957 1958 insgesamt Ort KO PERLE KK SETEISIEK, BELLKS. RB Kae Delger-Han Aero 05289728r 220127796 Bayan-Munk Kerr E647 385 75072721557107 257477146 Hal-Schir DE 51165 290592528 .401033,5002247 5402071007 47 2706 155 bayan Elutae2 2 2962.375323519239272073082 135249718. -433.13 141... 5. 1942 96 Feuer Vylandalıı 85,21. 28 593269, 142723572532.28 13... 34:23, 19. 4 298 196 Norowlin 732022193240 2159544125 17782.468 11627607 171°:63 795 19° 966, 285 Bat-Schir 4 14 Ss le: Sa 21198158,9,9,932. 2 413102173 0.1.8, 7131132 Henti = — Selm 205492 38er 12 40423 21224134 1952 und erreichten 1956 ihr Maximum. 1958 waren hier die Wühlmäuse häufiger als in Bayan-Munk. Besonders dicht war ihre Verbreitung in den östlichen und zentralen Teilen. Weiter westlich kamen auf 2 ha 80 Kolonien, davon 42 (52/0) bewohnte. Nach Osten hin vermindert sich die Anzahl der Wühlmäuse. 1959 waren die Wühlmäuse ın Dar-Han ebenfalls noch zahlreich, aber der Anfang einer Depression ist zu spüren. In den letzten Augusttagen 1958 wurden die ersten bewohnten Baue südlich von Nalaicha gesehen. Im Zentrum des Bezirkes gab es in der Ebene viele unbewohnte, mit Artemisia pectinata und Salsola collina bewachsene Baue. Ein Viehzüchter sagte uns, hier seien vor drei Jahren (1955) viele Wühlmäuse gewesen. Bis zur südöstlichen Ebene (nahe bei Dar-Han) wurden keine bewohnten Kolonien mehr angetroffen. Wir fanden solche erst wieder im nördlichen Teil von Dar-Han und im Gebiete von Bayan- Munk (wie oben beschrieben). Am rechten Ufer des Kerulen haben wir Wühlmäuse gesehen, dann aber erst wieder in Undur-Han. Hier waren die Baue weit voneinander angelegt und meistens bewohnt. Im Süden von Undur-Han im nördlichen Teile von Bayan-Hutag waren von 20 Kolonien 13 bewohnt. Südlich und weiter bis Gal-Schir wurden keine Wühlmäuse angetroffen, sondern erst wieder 30 km südlich vom Gal- Schir-Gebiet. Weiter verringerte sich die Zahl wieder, und bei Buyant waren von 20 Kolonien nur 2 bewohnt. Tabelle 4 Baue von M. brandti Nr. des Baues il 2 3 4 5 6 7 Datum der Ausgrabung DR 20885 168. 19482 1718,88 24-2567 12,7. Gesamt-Durchmesser in m IB 840 8252 22 32 4,4 5 6 Gesamt-Fläche in qm DE 347. 597, 8,01 15 19,6 28,2 Gesamt-Tiefe incm von 11 8 9 8 10 10 8 bis 26 28 si 22 2 28 30 Zahl der Ausgänge 2 - 5 9 14 15 18 Zahl der Kotplätze —_—— _ 1 1 - 6 Zahl der Blindgänge - 7 Z 10 2 3 8 Zahl der Nester — —_ — 1 1 2 3 Durchmesser d. Nester incm — — — 12 10—13 11—22 10—20 Erdschicht über Nest incm — —_ —_ 16 5 12—17 10—18 Zahl der Vorratsräume — _ — 1 2 3 2 Durchmess. d. Vorratsräume — — —_ 20 15—53 30—84 22—63 Breite der Vorratsräume — —_ —_ 31 33 27—43 26—37 Länge der Vorratsräume —_— — _ 40 30—47 31—90 48—64 Erdschicht üb. Vorratsraum — _ —_ 17 14 12—15 : '8—12 180 N. Davas: Von Buyant bis Al- tan-Schir auf dem gesam- ten Territorium des Del- ger-Het-Gebietes fanden. wır keine Wühlmäuse, B nur hin und wieder sahen : a 1:50 wir alte, unbewohnte Ko- f 0,5m. lonıen. Weiter fanden wir Abb. 1. Bau im Anfangsstadium. A Aufsicht, B Querschnitt Wühlmäuse ca. 15 km südlich von Altan-Schir, also fast an der Grenze zwischen Steppen- und Halbsteppen- zone. Das war der südlichste Punkt, an dem diese Art angetroffen wurde, das Gebiet hat Wüsten- und Halbwüstencharakter. Weiter südlich bis Sayn-Shanda wurden weder Wühlmäuse noch Baue gesehen. Auf dem Rückwege von Sayn-Shanda wurden Wühl- mäuse und Baue erst wieder bei Ugomor gefunden. Nördlich von Ugomor waren keine Spuren dieser Art. Es bedarf weiterer Untersuchungen darüber, ob und wieweit am Zustandekommen von Massenauftreten Wanderungen der Tiere beteiligt sind, oder ob sich auch nach Abb. 2. Älterer Bau im Querschnitt A = Ausgang N = Nest B = Blindgang V = Vorratsraum K = Kotplatz Zusammenbrüchen überall kleinste, der Beobachtung entgangene Restpopulationen erhalten. M. brandti ist ein bevorzugtes Beutetier des Steppen-Bussards (Buteo h. hemila- sinus) und des Steppen-Adlers (Aguila rapax nipalensis). Auf der Marschroute 1958 wurden 105 Bussarde und 25 Adler N gezählt, ihre Verteilung stand deutlich A im Zusammenhang mit der Bestands- a dichte von M. brandti (Tab. 2). Besonders auffallend sind die gleichlaufenden Bestandsschwankungen v on; ! von Brandt’s Steppenwühlmaus und \ vom Steppenfuchs (Vxlpes corsac). In A Tabelle 3 sind für die Jahre 1952 bis 1958 die Ausbeute von Steppenfuchs- N \B (K K “ ® und Rotfuchsfellen in verschiedenen 6 Gebieten der Mongolei verzeichnet. Der Rotfuchs (V. vulpes) ist in der ; { ? Steppe viel seltener als der Steppen- fuchs, so daß bei ihm Dichte-Schwan- kungen kaum in Erscheinung treten. 0,5 m Dagegen zeigt der Steppenfuchs in den Abb.3, N varer Ba RR südlichen Gebieten bei einer Massen- Bezeichnungen wie bei Abb. 2 vermehrung von M. brandti (Delger- Beobachtungen an Brandt’s Steppenwühlmaus 181 Han, Bayan-Munk, Hal- 10cm u ee ee cm Schir, Bayan-Hutag) eine . 53 Zunahme auf das Dreifache 84cm cm des Bestandes von 1952. Die 90cm 2 höchste Zahl der gefangenen Steppenfüchse fällt in die 2 Jahre der höchsten Popula- tionsdichte von M. brandltı. In den nördlichen Gebieten, in denen M. brandti fehlt En I1cm oder nur vereinzelt auftritt, Slem ist keine Zunahme an Step- SL 4 penfüchsen zu verzeichnen. zn Eine Massenvermehrung von M. brandti vermögen die na- Abb. 4. Form und Maße von Vorratsräumen türlichen Feinde nicht zu ver- = hindern, denn ihre Zunahme erfolgt erst nach einem Anwachsen der Wühlmaus- Populationen. M. brandti lebt wie andere Steppennager (Ziesel, Präriehund) in Kolonien; mit dem Anwachsen einer Kolonie wird die unterirdische Bauanlage immer komplizierter. Im Bezirk Chenteisk wurden 7 Baue ausgegraben, deren Besonderheiten Tabelle 4 zeigt. Anfangs (Baue Nr. 1-3 der Tabelle) ist die Zahl der Ausgänge mit 2-5 noch gering, ebenso die vom Bau eingenommene Fläche (2,5-3,7 qm), später (Bau Nr. 6 und 7) steigt die Zahl der Ausgänge auf 18, die Gesamtfläche auf 28,2 qm. Bei anderen alten Bauanlagen fanden sich bis zu 85 Ausgänge! Im Anfangsstadium fehlen Nester, Kotplätze und Vorratskammern (Abb. 1). Die meisten Blindgänge führen bis dicht an die Erdoberfläche, sie sind noch nicht fertige weitere Ausgänge. Solche einfachen Baue können der Anfang zu komplizierten Bau-Anlagen sein; sie finden sich aber auch neben den Großbauten, um bei plötzlicher Gefahr als zeitweiliger Unterschlupf zu dienen. Abb. 2 und 3 geben Querschnitt und Aufsicht von Bauanlagen im Endstadium. Abb. 4 zeigt die Lage und Ausmaße von Vorratsräumen; sie liegen meist im Zentrum der Baue und können mit 90 cm Länge eine erstaunliche Größe erreichen. Als Inhalt fand sich vorwiegend Heu aus Federgras (Stipa). Da die Vorratsräume ziemlich flach (8-17 cm) unter der Oberfläche liegen, bilden sie eine Gefahr für Haustiere, denn noch bei einer Erddecke von 10 cm brechen Pferde, Rinder und Kamele ein. Die Nesträume, meist in 10-18 cm Tiefe, sind mit Heu ausgepolstert. Die Gänge = SR | IRRE | verlaufen zuerst einfach M nn 4 und verzweigen sich nach 40-60 cm Entfernung vom Einschlupfloch; im Zen- trum des Baues liegen die meisten Verzweigungen in 8-30 cm Tiefe. Bei hoher Siedlungs- dichte können sich Groß- baue alle 10-15 m finden. Da die Grabtätigkeit bis zu 90 cm unter die Ober- fläche führt, ist die Ver- änderung des Bodens durch M. brandti bedeu- Abb. 5. Bauten von Microtus brandti auf der mongolischen Steppe tend. Es findet eine Lok- 182 N. Dawaa - Beobachtungen an Brandt’s Steppenwühlmaus kerung und Zerkleinerung statt, in den Gängen reichern sich organische Substanzen an (Kot, Nahrungsreste, Tierleichen), und das Regenwasser sammelt sich in den Gängen. Die mechanischen Veränderungen haben chemische zur Folge und beeinflussen die Pflanzendecke. Im ersten Jahr unterscheidet sich der Bewuchs der Baue noch nicht von dem der Umgebung. Später überwiegen auf den Bauanlagen einige als Viehweide unerwünschte Pflanzen wie Atriplex sibirica, Salsola collina, Artemisia pectinata und Art. adamsi. Im Laufe der Jahre wird diese Vegetation durch wertvollere Futter- pflanzen ersetzt: Aneurolepidium pseudoagropyrum, Stipa capillata, Agropyrum cristatum u. a. Man kann nach der Pflanzendecke das ungefähre Alter eines Baues bestimmen, doch fehlt es noch an eingehenden Untersuchungen der pflanzlichen Succession. Von 124 daraufhin untersuchten Kolonien war etwa '/a mit der Vegetation des ersten Jahres bewachsen, etwa '/a mit der der späteren Jahre und etwa die Hälfte mit einer gemischten Pflanzendecke. Durch die Wühltätigkeit von M. brandti wird auf lange Zeit der Wert der Vieh- weide stark gemindert; nur langsam erholt sich die Pflanzendecke und kann auf alten Bauen ertragreicher werden als vor der Einwirkung durch die Wühlmäuse. Zusammenfassung Brandts Steppenwühlmaus (Microtus brandti Radde) gehört in den mongolischen Steppen zu den wichtigsten tierischen Schädlingen der Weidewirtschaft. Ihre Bestandsschwankungen haben einen etwa 12jährigen Zyklus; die letzten Massenvermehrungen erfolgten in den Jahren 1928/1929, 1942/1943 und 1956/1957. Bestandszählungen in den Jahren 1958 und 1959 zeigen, daß der Zusammenbruc nicht in allen Gebieten synchron verläuft. Gleichzeitig mit der Bestandsaufnahme von M. brandti vermehrt sich die Bestandsdichte der natürlichen Feinde. Steppenbussard (Buteo hemilasius) und Steppenadler (Aguila rapax) wurden in Gebieten mit zahlreichen Wühlmäusen am häufigsten angetroffen, dıe Ausbeute an Fellen des Steppenfuchses (Vulpes corsac) steigt bei Massenvermehrung der Wühlmäuse auf das Dreifache. M. brandti lebt in Kolonien; der von einer Kolonie bewohnte Bau ist umfangreich und kompliziert. Die zur Aufnahme von Heu bestimmten Vorratsräume erreichen bis 90 cm Länge; bei ihrer Lage flach unter der Oberfläche sind sie eine Einbruchsgefahr für Haustiere. Boden und Pflanzendecke erleiden durch die Grabtätigkeit von M. brandti bedeutende Ver- änderungen. Summary In the pastures in the mongolian steppes, Brandt‘s Vole, Microtus brandti Radde, ıs one of the most important animal pests. The cycle of increase and decrease in numbers of this species lasts about 12 years; the last peaks of abundance were in 1928/29, 1942/43 and in 1956/57. Censusses of the population densities in 1958 and in 1959 showed the crash was not simultanious in all regions. At the same time of the population increase of Microtus brandti, we note an increase of their predators. Tawny Eagles (Aquila rapax) and Tibetan Buzzards (Buteo hemilasius) are most com- mon in regions with high population densities of Brandt‘s Voles. The yield of skins of the Corsac Fox (Vulpes corsac) triples during periods of abundance of the Voles. Microtus brandti is a gregarious species; the burrows, in which the anımals are living, are large and complicate. The storerooms for hay can reach dimensions of 90 centimetres. Those storerooms, just under the surface of the earth, are dangerous for cattle. The burrowing Be & Microtus brandti cause considerable changes in the vegetation and in the structure of the soil. Resume Le Campagnol de Brandt, Microtus brandti Radde, est une des plus grandes pestes animales des päturages dans les steppes de Mongolie. Le cycle de er non des effectifs de cette espece s'etend sur pres de douze ans; les dernieres pullulations se sont produites en 1928/29, D. v. Knorre — Zur Kleinsäuger-Fauna des Spreewaldes 183 1942/43 et 1956/57.’ Des recensements des densites de population en 1958 et 1959 ont montre que leur effondrement n‘etait pas simultan& dans toutes les regions. Parallelement 4 l‘accroissement de la population de Microtus brandti, on note une aug- mentation du nombre de leurs predateurs. Les Aigles des steppes (Aguila rapax) et les Buses feroces (Buteo hemilasius) sont les plus frequents dans les regions A forte densit€ en Campag- nols de Brandt. La recolte des peaux de Renard corsac (Vulpes corsac) triple lors des periodes de pullulation des Campagnols. Microtus brandti vit en colonies; les terriers habites par ces animaux sont vastes et com- pliques. Les chambres de reserve pour le foin peuvent atteindre 90 cm de longueur. Situdes immediatement sous la surface du sol, ces chambres de reserve sont dangereuses pour le betail. L‘activite fouisseuse de Microtus brandti provoque des modifications considerables dans la vegetation et la structure du sol. Anschrift des Verfassers: N. DawaAa, Staatliche Tschoibalsan-Universität, Zoolog. Institut, Ulan Bator, Mongolei Zur Kleinsäuger-Fauna des Spreewaldes und seines südlichen Vorgeländes Von DIETRICH VoN KNORRE Eingang des Ms. 28. 3. 1961 Gewölle der Schleiereule (Tyto alba) aus dem Spreewald und aus dem südlich angren- zenden Gebiet ergaben einen auffallenden Unterschied im Anteil der Nordischen Wühlmaus (Microtus oeconomus [Pall.]). Die Südgrenze der Nordischen Wühlmaus verläuft nach ZIMMERMANN (1942) durch mein Untersuchungsgebiet (etwa von Bran- denburg a. d. Havel durch den Spreewald nach Cottbus); um einen detallierten Ein- blick in die Beschaffenheit der Arealgrenze zu erhalten, wurden in Ergänzung der Gewöll-Befunde bei Alt-Döbern, 25 km südlich des Spreewaldes, vornehmlich in oeconomus-Biotopen, Fallenfänge ausgeführt. Insgesamt konnte ein Material von fast 10700 Kleinsäugern analysiert werden, dessen Besonderheiten dargestellt seien. Untersuchungsgebiet ist der Oberspreewald (Lübben-Burg-Lübbenau) und der süd- lich sich anschließende Raum bis an die Endmoräne des Niederlausitzer Grenzwalles bis Altdöbern. Südlich Lübbenau steigt das Gelände an. Einen Teil dieses Areals bildet das bei Altdöbern beginnende Staubecken, das nördlich bis Vetschau reicht und hier ın den ım Baruther Urstromtal gelegenen Spreewald einmündet. Den Kern des Ober- spreewaldes stellt ein von zahlreichen Kanälen durchzogenes, eingedeichtes Wiesen- gelände dar, das während der Wintermonate regelmäßig überschwemmt wird. Die Moränen tragen meist Kiefernwald, in den Becken befinden sich feuchte Wiesen, Fisch- teiche und Erlenbruchwald. (Karte 1). Für Anregungen und Auskünfte danke ich den Herren Prof. Dr. W. Heroıp, H. KuLick£, R. MÄrz, Dr. H. ReıcHsTEein, Dr. G. Stein und Prof. Dr. K. ZImMER- MANN. Soricidae Der hohe Anteil an Waldspitzmäusen (Sorex araneus L.) — Burg 55,3 °/o, Lübbenau 50,7 %/o — entspricht dem für die Schleiereule Bekannten. (Tabelle 1). Die Zwergspitz- 184 D. v. Knorre maus (S. minutus) erscheint unter den Beutetieren der Eulen im Verhältnis 1 minutus auf 10 araneus; in den Fallenfängen ist ihr Anteil etwas geringer. (Tabelle 2). Von Crociduren wurde nur die Feldspitzmaus (C. lezcodon [Hermann]) gefunden. Die Nordgrenze dieser Art liegt in Brandenburg, wo sie überwiegend in der Nähe mensch- licher Siedlungen lebt. Ihre relative Häufigkeit in den Gewöllen von Reddern (45 Tiere = 50/, der Gesamtbeute) ist, nach anderen Beute- tieren wie Hausmaus und eSchlepzig Hausratte zu urteilen, ; > gleichfalls durch ein in Dorfnähe gelegenes Jagd- revier der Eulen bedingt. Zur Verbreitung von lex- codon in Brandenburg lie- gen bisher folgende An- gaben vor: Cahnsdorf / Kr. Luckau und Mahlow Lübbenau L NEE, b. Berlin (Stem 1937, e Cahnsdorf { 1940) Potsdam-Reh- r brücke (ZIMMERMANN in litt.: auf ca. 22000 Beute- tiere aus Gewöllen der Waldohreule 6 C. leu- codon). Das Berliner Mu- seum hat ferner Branden- burger leucodon von fol- senden Orten: Halbe und E Oderin / Niederlausitz, rs Postdam, Dubrow b. Ber- /Altdöbern lin und Berlin-Lichter- Hartmannsdorf Calau Kemmen ° + felde-West. Nach STEIN. 1:300000 (mdl.) fehlt lezcodon bei : N N Frankfurt/Oder und bei OUntersuchungsorte Fürstenwalde an der 14° @Orte frühererBeobachtung Spree; REICHSTEIN (mdl.) erbeutete bei ausgedehn- Kartenskizze des Untersuchungsgebietes ten Fallenfängen im Raume von Beerfelde und Hangelsberg / Kr. Fürstenwalde in den Jahren 1951-1959 keine leucodon. Ebenso konnte KuLicke (in litt.) trotz intensiver Fangtätigkeit in den Jahren 1952-1960 bei Eberswalde keine Feldspitzmaus nachweisen. Die Nordgrenze von leucodon liegt danach südlich von Berlin. Für Zentralpolen gibt BucHarczyk (1958) als nördlichsten Fundort Niegöw, 35 km n.-ö. von Warschau an; ein weiterer Fundort aus dem Zwischengebiet (8 lezcodon aus Tirschtiegel, frühere Provinz Posen im Museum Berlin) liegt etwa in Höhe von Niegow. Die Gartenspitzmaus (C. s#aveolens) kam im Untersuchungsgebiet noch nicht zur Beobachtung. Ihr Vorkommen ist vielleicht zu erwarten. Sie ist in Brandenburg weiter nach Norden verbreitet als die Feldspitzmaus, ihr bisher nördlichster Fundort ist Schiff- mühle b. Oderberg (KuLicke in litt.). Zur Kleinsäuger-Fauna des Spreewaldes Tabelle 1 Gewöllausbeuten (S = Schleiereule, W = Waldkauz) Gebiete südlich davon r, oO vannurw >N POOTRTOPFN Ya SESRERSEeN IE a» Se ne er oO: F& a»ze3FreoN Se en Ztowumnunnä&n a om — eunu apa Te = is: le No) Qi m NW m m 3. ee es alle. w ae a Dee N) So = Ser Fe) rennen Zell | ee | D ee) e Do | nn (u oO m 00 00 — ON Tl 8) ı vo No) Be nee Ro) rel: al Al RN ee m N Bra). SEE Bee ee. kolre Er (@) NEN 2 RN n D © - VODONNDW Spreewald u =” — oe 5% - 8 e: le er eRR) om 3 5 z > SE e — un m no < um | Dr EB | N wuın oO co — w oo N —o ON (89) oO 167 N - > oO a ni Qı » - 12) (5, [e*=) m [ee) Er (0%) vn 129) o [os - w oO [8 7 a = NS o oO | — ER m m 169) 1597 185) [ey —_ [89) D = — > Qi Vi 18) 185) [e <) (6, oO oo [ee © u No) ON No) 1557 me 155) - N mi N wı — oO un [87 0 210pun] Funddatum Talpa europaea Sorex araneus Sorex minutus Neomys fodiens Crocidura lencodon Chiroptera ! Rattus rattus Micromys minutus Apod. sylvaticus und flavicollis Apod. agrarius Apod. spec. Mus musculus Clethrionomys glareolus Arvicola terrestris Microtus arvalis Microtus agrestis Microtus oeconomus Microtus spec. Aves Anura Gesamtzahl 14 Eptesicus serotinus (Schreb.), 1 Plecotus auritus (L.), 2 Myotis myotis (Burkhausen), 3. Art => 185 Murinae Bemerkenswert ist das Überwiegen von Haus- ratte (R. rattus [L.]) ge- genüber Wanderratte (R. norvegicus |Berk.]) in den Siedlungen des Unter- suchungsgebietes. Nach BECKER (1952) trifft das gleiche für den westlich anschließenden Fläming zu. Von 11 Hausratten aus Lübbenau und Alt- döbern sind 5 grau mit weißem Bauch (Av), 4 ein- farbig grau (A) und 2 schwarz (a). Die Haus- mäuse gehören zur Unter- art M. m. musculus L., manche haben eine stark verdunkelte Unterseite, jedoch ohne die für dome- sticus typischen schwarz- spitzigen Grannenhaare. Die nächste Mischpopula- tion musculus/domesticus ist aus dem Dorf Teurow (ca. 75 km NNW von Altdöbern) bekannt (HE- ROLD und ZIMMERMANN, 1960). Microtinae Bei Rötelmäusen (Cle- thrionomys g. glareolus [Schreb.]) des Untersu- chungsgebietes überwiegt die dunkle Färbungsphase (Oberseite und Flanken etwa Mars-Brown, Rınc- way 1912) vor der heller rotbraunen. Außerdem tritt die Mutation „schwarzloh“ (at) in rela- tiv hoher Konzentration auf (unter 139 Tieren von Reddern und Altdöbern 186 D. v. Knorre Tabelle 2 Fallenfänge = > E Isle ls a S > I = S .S — = = Z S > | SISISTS 2 12 (ls BERBIRSEEIPERZEISESEI ESF EEE re 12 /=s/8/5|2]s/|S2/S/ejSsji 23j5s je Jejsıe SIE JE ISISISIE I >| = Teer S I ee SIE I 8 IS I 248 8131 Sei Ssı SS TR ei zig 3181-5172] 5 1 SE Sofas S4=Z IE = SIR I I PISIS I S ISIS IS | O1 182315 757 Sızı = IS ISIZIS IR IS I|NI 44. Altdöbern 1:32 = .2 =. 97 74:5 29 IDEE TIER ı - | 198 65 110 15 5 29.209.152 20004 11 schwarzloh-gefärbte; 7 Bälge im Mus. Berlin). Nach Zimmermann (1937 und 1957) waren schwarzloh-Rötelmäuse 1957 für 5 Populationen aus Brandenburg und eine aus Sachsen-Anhalt bekannt. Kuiıcke (mdl.) erbeutete 1961 ein schwarzloh-Tier beı Ebers- walde, so daß sich mit meinen Funden von Reddern und Altdöbern die Zahl der Fund- orte in Norddeutschland auf 9 erhöht. Auffallend erscheint die geographische Kon- zentration der schwarzloh-Mutation, die bisher im übrigen Areal der Art nıcht gefun- den wurde. Die 2449 Feldmäuse (M. arvalıs [Pall.]) ergaben mit 45 %/o einen etwas geringeren Anteil der simplex-Form von M3 als ihn Zimmermann (1935) mit 50 %, für den Spree- wald nennt. In den Lübbenauer Gewöllen zeigten sich jahreszeitlihe Schwankungen in den Anteilen von Feldmaus und Nordischer Wühlmaus: In 2 Januar-Aufsammlungen von 1958 und 1959 sind Feldmäuse mit 16,4 und 17,8 %/o vertreten, Nordische Wühlmäuse mit 16,1 und 16,7 °/o. In einer September-Aufsammlung von 1958 ist der Feldmaus- Anteil mit 27,3 %/o wesentlich höher, der der Nordischen Wühlmaus wesentlich nie- driger (4,2 %/o) als im Winter. Auch die Zwergmaus ist im Sommer unter den Beute- tieren der Eulen seltener als im Winter (1,6 0/o gegen 5,2 und 9,7 %/o). Andere Kleın- säuger der nassen Wiesen wie Wald-‚Zwerg-,Wasserspitzmaus und Brandmaus zeigen in den Sommer-Gewöllen nicht den gleichen Rückgang wie Nordishe Wühlmaus und Zwergmaus, deshalb können die erwähnten Schwankungen nicht, oder nicht nur, ın einem Wechsel des Jagdreviers der Eulen begründet sein. Vielleicht ziehen sich Zwerg- maus und Nordische Wühlmaus von den abgemähten Wiesen in Dickichte zurück, wo sıe den Eulen schwer erreichbar sind. Der Anteil an Erdmäusen (M. agrestis [L.]) ist sowohl in Gewöllen wie bei Fallen- fängen im Spreewald bedeutend niedriger als im Gebiet südlich davon: 0,7—2,3 % gegen 5,4-7,4 %/o (Tab. 1 und 2). Da der Spreewald reich an Erdmaus-Biotopen ist, kann das spärliche Erdmaus-Vorkommen hier nur durch die Konkurrenz mit der ın gleichen Lebensräumen häufigen Nordischen Wühlmaus erklärt werden. Umgekehrt fehlt die Nordische Wühlmaus im Gebiet südlich des Spreewaldes vollkommen (bei dem einzigen oeconomus-Schädel aus Gewöllen von Gahlen kann es sich um ein Stück aus dem Spreewald handeln, da die Entfernung nur 10 km beträgt). Jedenfalls wur- den mit Fallen in geeigneten Lebensräumen wie nasse Wiesen oder Erlenbrücher im Raum von Reddern und Altdöbern keine Nordischen Wühlmäuse erbeutet. Es scheinen hier ähnliche Verhältnisse vorzuliegen, wie sie PıporLıtzkA (1931/32) in einer mir Zur Kleinsäuger-Fauna des Spreewaldes 187 nicht zugänglicheri Arbeit für die Ukraine schildert („Über das Ersetztwerden der Nordischen Wühlmaus durch die Erdmaus“). Die hier gezeigten Befunde sind für Deutschland die ersten näheren Angaben über die Beschaffenheit der Arealgrenze der Nordischen Wühlmaus; es wäre von Interesse, zu erfahren, ob auch der sonstige Grenzverlauf so schroff und markant ist wie am Südrand des Spreewaldes. Zusammenfassung 1. Der Spreewald liegt noch im Verbreitungsgebiet von Crocidura leucodon. 2. Wie ım angrenzenden Fläming ist im Spreewald und seinem südlichen Vorgelände Rattus rattus häufiger als Rattus norvegicus. 3. Bei Clethrionomys glareolus des Gebietes überwiegt die dunkelbraune Färbungsphase. Die Mutation „schwarzloh(at)“ tritt in relativ hoher Konzentration auf. 4. Die Arealgrenze von Microtus oeconomus verläuft scharf am Südrande des Spreewaldes; im südlichen Vorgelände fehlt die Art. Summary 1. The Spreewald is situated just within the area of distribution of Crocidura leucodon. 2. Rattus rattus is more common than Rattus norvegicus in the Spreewald and its southern neighbouring regions, just as in the adjacent Fläming. 3. The dark colourphase of Clethrionomys glareolus dominates in the region studied. The mutation ”Schwarzloh(at)“ ıs found in relativ large numbers. 4. The border of the distribution area of Microtus oeconomus is very distinct at the southern limit of the Spreewald; in the southern neighbouring regions this species does not occour. Resume ERS . Le Spreewald se trouve encore dans l‘aire de r&partition de Crocidura leucodon. 2. Dans le Spreewald comme dans le Fläming limitrophe, Rattus rattus est plus commun que Rattus norvegicus. 3. Chez Clethrionomys glareolus, la phase de coloration sombre domine dans la region etudiee. La mutation «Schwarzloh (at)» se trouve en nombre relativement grand. 4. La limite de distribution de Microtus oeconomus passe nettement au Sud de la bordure du Spreewald; l‘espece est absente des regions meridionales avoisinantes. Literatur Bauer, K. (1960): Die Säugetiere des Neusiedlersee-Gebietes (Österreich). Bonn. Zool. Beitr. 11, 2-4. — Becker, K. (1952): Die Hausratte (Rattus rattus L.) ın Berlin und im Fläming. Zool. Anz. 148. — BuchHausczyk, T. (1958): Die Feldspitzmaus — Crocidura leucodon (Hermann) in den nördl. Gebieten Polens. Acta Theriologica II, 3. — HEROLD, W., und ZIMMERMANN, K. (1960): Molaren-Abbau bei der Hausmaus (Mus musculus L.). Ztschr. f. Säugetierk. 25. — PınorLıtska, J. G. (1931/32): Über das Ersetztwerden der Nordischen Wühlmaus (M. oeconomus) durch die Erdmaus (M. agrestis). Me&m. Ac. Sci. Kiew 14 (russisch). — Rıpcway, R. (1912): Color Standards and Color Nomenclature; Washington. — STEIN, G. (1937): Zur Verbreitung der weißzähnigen Spitzmäuse (Crocidura) in Ostdeutsch- land; Märk. Tierwelt 2. — Stein, G. (1940): Zur Verbreitung einiger Kleinsäuger in der Mark; Märk. Tierwelt 4. — ZIMMERMANN, K. (1935): Zur Rassenanalyse der mitteleurop. Feldmäuse. Arch. f. Naturgesch. NF 4. — ZIMMERMANN, K. (1937): Die märk. Rötelmaus, Analyse einer Population. Märk. Tierwelt 3. — ZIMMERMANN, K. (1942): Zur Kenntnis von Microtus oeconomus (Pallas) Arch. f. Naturgesch. NF 11, 2. — ZIMMERMANN, K. (1949): Zur Kenntnis mitteleurop. Hausmäuse. Zool. Jahrb. Syst. 78, 3. — ZIMMERMANN, K. (1957): Hermelin-Beute und überwinternde Gelbhalsmäuse in Nistkästen. Säugetierkdl. Mitt. V, 3. Anschrifl des Verfassers: Dietrich von KNoRRE, Altdöbern/Niederlausitz Kleine Bemerkung zu systematischen Fragen Von Wolf HERRE Eingang des Ms. 18.7. 1961 PETzsc# (1961) hat im letzten Heft dieser Zeitschrift zu Fragen von Subspezieskriterien in einer Weise Stellung gen mmen, die bezeugt, daß ihm die Grundbegriffe moderner 1g fig sind. Da sich in einer Polemik von PETzscH (1955) ein ähnlicher Sachverhalt abzeichnete, erschei- nen einige Bemerkungen geboten, um Mißdeutungen zu meiden und Fehlbeurteilungen durch Nichtzoologen verhindern zu helfen. gabe zoologischer Systematik ist eine Ordnung der Mannigfaltigkeit der Er- scheinungsform des Lebendigen in ein System, welches den bi been Gern möglichst weitgehend gerecht nn Dazu ist V oraussetzung, 1. saubere er - von Tatsachen, 2. eine klare begriffliche Grundlage. Grundsätzlich bietet Punkt 1 wenig chwierigkeiten. Punkt 2 wird Ee vom allgemeinen Wissensstand der Forschung J und ihrem Fortschritt nicht unwesentlich beeinflußt. Aber erst durch begriffliche Kor heit und Eindeutigkeit gelingt es, Tatsachen zu einem ee Gedanken- gebäude zusammenzuführen. Daraus ergeben sich mit dem Fortschritt in der allge- meinen Biologie auch Auswirkungen auf die Systematik. PerzscH (1961) zeigt, daß ein weißer Brustflek nicht nur bei Cricetus cricetus anescens Nehring 1899 vorkommt, sondern auch beı 14 %/o der Individuen einer Stich- | ' Cricetus cricetus cricetus Linne 1758 beobachtet wurde. Er meint er, daß es sich um „kein korrektes Unterartkennzeichen“ handele „und als solches nicht berechtigt sei“. In diesem Falle ist der Sachverhalt zweifellos richtig; auch Husson 1959) macht sd Gunz? der Ab tomısche Besc 4 Br r hervorgehoben. daß das 22. 1. Capra falconeri jerdoni &, Berliner - BE a Zoologisch es Museum Nr. 16 310. Beachte die > 8 > Horndrehung und die Drehung der Horn- aın nonymen Sınne dreht, basıs im Vergleich zu aegagrus Bemerkung zu systematischen Fragen 189 daß der Hornquerschnitt zwar dem der Bezoar- ziege gleicht, daß jedoch die scharfe Frontalkante des Hornes von aegagrus bei falconeri zur Dorsal- kante geworden ist, die Dorsalkante hingegen zur Frontalkante. Er sagt: „Im Vergleich zu aegagrus scheint also die Basis des Hornes von falconeri um 180° gedreht zu sein“. Das hat Auswirkungen auf die Schädelgestalt. Nicht nur die Girgenti- hausziege zeigt den für aegagrus typischen Bau von Horn und Schädel, ıch sah in Hausziegen- herden Südamerikas das gleiche und auch das Bild einer Hausziege mit geschraubtem Gehörn, welches ich Herrn Björn von RoosEn, Gnesta, von einer Hausziege der kanarischen Inseln ver- danke, stimmt mit aegagrus überein. PETZSCH be- rücksichtigt diese Tatsache nicht. Die von ıhm zur Stütze seiner Meinung herangezogenen Bilder aus vergangenen Kulturen lassen eine Stellungnahme zu den entscheidenden Fragen anatomischen Baues nicht zu. In diesem Falle sind also auch die Grund- Zeslossches Mıscum Nr, 37.22172 Freennzunden Austuhrungen von BeizseH nicht Beachte die scharfe vordere Horn- einwandfrei, außerdem kranken seine Aussagen kante an begriftlicher Unsauberkeit. Für die Erwägungen von PETzscH (1957, 1961) ist der zoologische Artbegriff und seine Untergliederung von entscheidender Bedeutung. Eigentlich ist es banal, wieder- holen zu müssen, daß sich die Auffassungen über die „Art“ in der Zoologie in den letzten zwei Jahrhunderten wandelten. Aber immer wieder werden Meinungen kund- getan, die praelinneisch anmuten. Zur Kennzeichnung des Wandels seien Gedanken- gänge wiederholt, die ich schon kürzlich (HERRE, 1960, 1961) ausführte. Ursprünglich mußte der Artbegriff statisch geprägt sein, die Merkmale eines Individuums galten als arttypisch. Schon mit LAMARcK trat das Individuum in den Vordergrund gegenüber der Art, was nach dem Durchbruch des Entwicklungsgedankens nach Darwın noch allgemeiner geschah. So wurde die Existenz der Art als natürliche Einheit überhaupt bestritten. Die Taxonomen bemühten sich nicht mehr um eine Erfassung natürlicher Arten, sondern sie „machten“ Arten (Mayr, 1957). Schließlich wurde aber doch klar, daß das Individuum in eine überindividuelle Einheit, in eine Population, eingeordnet ist. Populationen, die eine natürliche Fortpflanzungsgemeinschaft bilden, sind als Art zu definieren. In Deutschland liegt eine der entscheidenden Wurzeln dieses geistigen Umbruches in einer der Grundfragen der Zoologie bei ©. KLEINSCHMIDT (1900), dessen Gedanken durch B. RenscH (1929) Aufnahme und eine andere Ausdeutung fanden. Auch PLATE (1914) ist zu nennen, der betonte, daß die Glieder gleicher Art sich er- kennen und sich bei freier Gattenwahl nur untereinander fortpflanzen. Die Art ist also als eine natürliche Fortpflanzungsgemeinschaft eine biologische Realität und nicht nur eine gedankliche Vorstellung des Menschen. In England verhalf J. Huxrey (1940) den New Systematics zum Durchbruch, in Amerika ist E. Mayr (1942, 1957) ein entschei- dender Förderer moderner Systematik. Eine Fülle von Arbeiten faßt die modernen Auffassungen bereits zusammen; beispielhaft seien nur REnscH (1934), MAYR, LinsLE£y, UsınGer (1953), TERENTJEV (1958), Sımpson (1961) sowie HEILBRONN und KosswIG (1961) genannt. Durch die Einordnung des Individuums in die Population und die Zusammen- fassung von Populationen zu Unterarten verloren auch die individuellen Merkmale an Bedeutung als Kennzeichen überindividueller Gruppen. In genetischer Sicht wird Abb. 2. Capra aegagrus &. Berliner 190 W. Herre die Art als Gendurchmischungs- einheit (genepool) definiert, in der die Einzelwesen, die Popu- latıion oder die als Unterarten zusammengefaßten Populations- gruppen durchaus nicht alle Gene oder Genkombinationen des Art- ganzen besitzen müssen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, daß die individuelle Variabilität stets im Rahmen einer höheren Ein- heit betrachtet werden muß. Für die Gliederung innerhalb der Art ist die verschiedene Variations- breite oder die verschiedene Häufigkeitsverteilung von Ge- nen und Merkmalen von Bedeu- tung. Die Häufigkeiten werden von Umweltbedingungen beein- A flußt. Es sind also nicht absolute Abb. 3. Hausziege von den kanarischen Inseln. Museo Unterschiede, welche die Abgren- canareo, Las Palmas. Beachte Drehung, aber anderen zung von Einheiten innerhalb Drehungssinn als bei falconeri, und Hornkante vorn, der Art zulassen. sondern die wie bei aegagrus : Verschiebung der Variations- bereiche und Häufigkeitsverteilungen, welche mit statistischen Methoden zu kennzeich- nen sind. Zur Kritik von PETZscH ergibt sich aus diesen Hinweisen: 1. Auch PrrzscH gıbt viele Hinweise darauf, daß sich die als Unterarten bezeich- neten Capra-Formen in freier Wildbahn mischen, daß sie also eine Fortpflanzungs- gemeinschaft darstellen. Damit ist die Zusammenfassung zur gleichen Art geboten, wenn der heute anerkannte Artbegriff zugrunde gelegt wird. Das gilt auch, wenn die Hausziegen in den Kreis der Betrachtung einbezogen werden, denn es ist bislang der Nachweis nicht gelungen, daß in der Domestikation die sexuellen Schranken, welche in freier Wildbahn bestehen, durchbrochen werden, wenn die Möglichkeit zu freier Gattenwahl gegeben wird. Daß eine saubere Analyse der Strukturen der Wild- (und Haus)ziegen in ähnlichem Sinne spricht, hat KEspEr gezeigt. 2. Das systematische Kriterium für die Art ist die sexuelle Isolation der Popula- tionen, und nicht entscheidend ist die Fruchtbarkeit zwischen Einzelindividuen. Damit verlieren Gelegenheitsbeobachtungen über Bastardierungsmöglichkeiten in zoologischen Gärten viel von ihrer Bedeutung für systematische Erwägungen (übrigens hat Gray, 1954, eine größere Anzahl von Mähnenschaf-Hausziegenbastarden angegeben, als PETZScH nennt). 3. Auch dann, wenn ein Merkmal in verschiedenen Populationen auftritt, kann es Unterartkennzeichen sein. Dies ist der Fall, wenn sich die Häufigkeit in verschiedenen Populationen bemerkenswert unterscheidet. Es gilt, die 75 %/o-Regel, welche besagt, daßß ein Merkmal zur Unterscheidung von Subspezies dann anerkannt wird, wenn ohne Kenntnis der Herkunft des Materials 75 /o der Individuen danach bestimmt werden können. Damit ist der Einwand von PETZscH gegen Husson hinfällig. 4. Für alle systematischen Studien ist eine genaue Erfassung der Variabilität inner- halb der einzelnen Gruppen bis zu den Sippen hinab Voraussetzung. Es ist bekannt, daß geographische Bedingungen aus dem Gesamtgenbestand einer Art Auslesen bewir- ken. Dadurch entstehen Gefälle, clines, auch im Erscheinungsbild. Dann sind Über- Bemerkung zu systematischen Fragen 191 gangspopulationen. auffällig, welche die Abgrenzung von Unterarten oft fraglich machen. 5. Gegen solche gefällehaften Übergangspopulationen sind Mischpopulationen sau- ber abzugrenzen. Mischpopulationen entstehen, wenn ın Isolation sich Populationen auseinander entwickelten und danach wieder zusammentrafen. Dann stellt sich eine Variabilitätserhöhung ein, die über jene der Äusgangspopulation hinausgeht. Das bis- her untersuchte Material von Capra-Populationen ist gering. In den von PErzsch als Mischpopulationen bezeichneten Fällen steht sowohl eine Analyse der Variabilität der Ausgangspopulationen, als auch der als Mischpopulationen bezeichneten Bestände noch aus. Daß die Gehörnmerkmale der Caprini auch in den gleichen Populationen sehr variabel sein können, lehren die Studien von Kesper (1953) und Rönrs (1955). 6. Bislang ist es ungerechtfertigt, von einer Phylogenie der Haustiere zu sprechen. Es gilt im allgemeinen nur Abstammungsfragen klarzulegen. Nach allem ist bislang unerwiesen, daß die Hausziegen „polyphyletischer Herkunft“ im Sinne der Abstam- mung von verschiedenen Arten sind. Eine Entstehung an verschiedenen Stellen des Ver- breitungsgebietes der Wildart ıst hingegen nach den. Befunden über die Domestikation anderer Haustiere wahrscheinlich. Nach dem derzeitigen Stand der zoologischen Do- mestikationsforschung handelt es sich bei der Vermannigfaltigung der Haustiere nur um eine innerartliche Ausformung, nicht um eine zwischenartliche Umbildung (vergl. auch REMANE 1952). Zusammenfassung Meinungen von P£rzscH (1957, 1961) werden unter Hinweis auf moderne systematische Begriffe richtig gestellt. Summary Opinions of PerzscH (1957, 1961) are corrected with reference to the results of new syste- matics. Resume Opinions de PerzscH (1957, 1961) seront corrigees A l’indication d’une systematique moderne. Literatur Gray, A. P. (1954): Mammalian Hybrids; C. A. B., Bucks, England. — HEıLBronn, A. und C. Kosswıg (1961): Principia genetica. Paul Parey, Hamburg und Berlin. — HeErRE, W. (1960): Der Art- und Rassebegriff. In: Handbuch der Tierzüchtung, Bd. III, 1. Halbband, Paul Parey, Hamburg und Berlin, p. 1-24. — HERRE, W. (1961): Grundsätzliches zur Syste- matik des Pferdes. Z. Tierzüchtg. Züchtgsbiol. 75, pp. 57-78. — HERRE, W., und M. RÖHRS (1955): Über die Formenmannigfaltigkeit des Gehörns der Caprini Simpson 1945. Zool. Gar- ten (N. F.) 22, pp. 85-110. — Hur£y, J. S. (1940): The new systematics. Oxford. — Hus- son, A. M. (1959): On the systematic positions of the western Hamster Cricetus cricetus canescens Nehring; Bijdragen tot de Dierkunde 29, 187-201. — Kesrer, K.-D. (1953): Phylogenetische und entwicklungsgeschichtliche Studien an den Gattungen Ovis und Capra; Diss. Kiel. — KreEinscHamiDT, ©. (1900): Arten oder Formenkreise. Journ. f. Ornith. 48, 134 bis 139. — Mayr, E. (1942): Systematics and the origin of species. New York. — Mayr, E. (1957): The species problem. Washington. — Mayr, E., G. Linstev, R. L. UsinGer (1953): Methods and principles of systematic zoology. New York. — PLATE, L. (1914): Prinzipien der Systematik mit besonderer Berücksichtigung des Systems der Tiere. Kultur der Gegenwart III, 92-164. — PETZscH, H. (1957): Reflexionen zur Phylogenese der Capridae im allgemeinen und der Hausziege im besonderen. Wissenschaftl. Zeitschrift Martin-Luther-Universität Math.- Nat. Vi/6, p. 995-1020. — PErzschH, H. (1961): Zur Frage des „weißen Brustflecks“ als eines der Kriterien des Subspezies-Charakters des „West-Hamsters“. Z. Säugetierkde. 26, p. 125 bis 126. — REMANE, A. (1952): Die Grundlagen des natürlichen Systems, der vergleichenden Anatomie und der Phylogenetik. Leipzig. — ReEnscH, B. (1929): Das Prinzip geographischer Rassenkreise. Berlin. — RenscH, B. (1934): Kurze Anweisung für zoologisch-systematische Studien. Leipzig. — Rönrs, M. (1955): Zur Kenntnis von Ovis ammon anatolica; Zool. Anz. 154, p. 8-16. — Sımrson G. G. (1961): Principles of anımal taxonomy. — TERENTJEV, P. W. (1958): Die Anwendbarkeit des Subspeziesbegriffes bei der Erforschung der innerartlichen Variabilität. Sowjetwissenschaftl. Beiträge 933-945. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. WoLr HERRE, Kiel, Neue Universität SCHRIFTENSCHAU KroTT, P.: Der Vielfraß (Gxlo gulo L. 1758). Zur Kenntnis seiner Naturgeschichte und seiner Bedeutung für den Menschen. Monographien der Wildsäugetiere, XIII. Bd., VEB-Gustav Fischer Verlag, Jena, 1959. 162 S., 43 Abb., 7 Tab., 5 Karten. Vom Vielfraß, einem der interessantesten palaearktischen Raubtiere, fand Verf. inner- halb von 8 Jahren 33 Welpen im Alter von 3 bis 10 Wochen teils selbst auf, teils erhielt er sie durch Jäger. Einige dieser Welpen konnte er bis zu 4 Jahren halten und sowohl im Zwinger als auch in weitgehender Freiheit beobachten. Am wichtigsten sind wohl die mancherlei Beobachtungen über die Entwicklung vom noch blinden Welpen bis zum er- wachsenen geschlechtsreifen Tier. Es werden Datenreihen gegeben über die Zahn- und die Gewichtsentwicklung und — von ganz besonderem Wert — die Entwicklung des Haarkleides beschrieben vom Neugeborenen über zwei weitere Jugendkleider bis zum saisonmäßig ver- schiedenen Alterskleid. Von letzterem meint Verf., daß nur regelmäßiges Wälzen auf Moor- boden dem Pelz zu letztem Glanz verhilft. So schildert er denn auch den Lebensraum mit aller Liebe und ständigem Hinweis auf das Moorvorkommen, an das die Tiere gebunden seien. Es mag sein, daß ein Vielfraß in seinem energisch verteidigten, meist recht großem Territorium stets auch einen Moorplacken zur Verfügung hat; Ref. fand jedoch in Härjedalen auch dort Trittsiegel, wo kilometerweit kein Moor war. Aufzucht und Fütterungsweise werden genau angeführt; leider entging Verf. die Arbeit von Uır BEHm, Aufzucht von Vielfraßen, Zool. Gart. N.F. 20, 1953. Bewegungsweisen, Komforthandlungen, Sozialver- halten (letzteres besonders willkommen!) werden eingehend analysiert unter weitgehender Verwendung von HEINRoTHs und Lorenzs Terminologie und Anschauungen. Auch über Jagd und Fang wird einiges gesagt; man vermißt aber u.a. eine Betrachtung über die Volks- namen des Tieres in den verschiedenen Sprachen, zumal die „deutsche“ Bezeichnung Vielfraß nur eine Verballhornung ist, andererseits sich auch bei deutschen Mammalogen die skandi- navische Bezeichnung Järv schon weitgehend durchgesetzt hat. Von den einleitenden Kapiteln über Systematik, Stammesgeschichte und Verbreitung kann man wohl nur die Ausführungen über die heutige Verbreitung so hinnehmen. Schon bei der Stammesgeschichte ist die Beweisführung nicht unanfechtbar. Verf. lehnt zwar U. Leumanns Feststellung ab, daß dem rezenten Gxlo oft der P 1 fehlt, gibt nicht die Zahl der von ihm untersuchten und durchgezählten Schädel an, doch zeigen seine Abb. 4/5 — seine einzigen abgebildeten Schädel — gleich einen solchen mit 3 fehlenden P1. Gulo steht nach Ansicht des Verf. den echten Mardern näher als den Stinkmardern, und er konstruiert eine nahe Beziehung zu der südamerikanischen Tayra, für die er uns aber stichhaltige Begrün- dungen schuldig bleibt. Zugegebenermaßen haben Kopf und Vorderkörper einer lebenden Tayra und eines lebenden G»lo eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit miteinander — das ist aber auch so ziemlich alles. Das Buc ist ein sehr wertvoller fördernder Beitrag zur Kenntnis eines uns bislang mit am wenigsten bekannten palaearktischen Raubtieres. Es ist durch die Fülle der mit- geteilten Beobachtungen, die klare Darstellung und die gute Bebilderung eine sehr will- kommene Bereicherung des einschlägigen Schrifttums. Erna MouHr, Hamburg Husson, A. M.: De Zoogdieren van de Nederlandse Antillen. Natuurwetenschape- lijke Werkgroep Nederl. Antillen, Curacao 1960. 170 S., 43 Photos, 27 Zeichn. Preis NA f 8... Die Säugetierfauna der Niederländischen Antillen ist durch ungemeine Artenarmut ge- kennzeichnet, was einmal an der geringen Ausdehnung der Inseln liegt, deren größte, Curacao, nur 425 km? umfaßt, weiter aber an der dort herrschenden Trockenheit. Nur 20 freilebende Landsäugetiere finden sich gegenwärtig vor, 13 davon sind Fledermäuse. Carnivoren fehlen bis auf den um 1885 eingeführten Mungo, Herpestes a. auropunctatus, von Lagomorphen ist nur ein Vertreter vorhanden: Sylvilagus floridanus nigronuchalis, desgleichen von endemischen Nagetieren: Bayomys hummelinci (neben den kosmopolitischen Rattus norvegicus, R. rattus und Mus musculus). Übrig bleibt noch eine Huftierart: Odocoileus gymnotis curassaviens. Eine Erweiterung der Faunenliste dürfte allein für Fledermäuse zu erwarten sein. Die Darstellung, unterstützt durch vorzügliche Aufnahmen und instruktive Zeichnungen, ist gediegen, die Literatur dürfte erschöpfend benutzt sein. G.H. W. Stem, Berlin 7 Lehrbuch der Histologie und vergleichenden mikroskopischen Anatomie der Haustiere 10. Auflage, erweitert und vollständig neubearbeitet von Prof. Dr. O. KRröLLıNG und Prof. Dr. H. GrAU 1960 / 566 Seiten mit 620 Abbildungen, davon 52 farbig / In Ganzleinen 136,- DM Seit über 7 Jahrzehnten ist dieses Lehrbuch das Standardwerk der Histologie und bildet auch in anderssprachigen Ländern der Welt die Grundlage für das Studium. Das Schwer- gewicht des alle Kapitel betreffenden erweiterten Inhalts liegt auf der neuen Bearbeitung der Zytologie, der Protoplasmalehre, der einzelnen Gewebe, des Zirkulations- und Digestions- traktes sowie des Geschlechtsapparates und des Nervensystems. Die Illustrierung wurde bei der " durchgreifenden Umgestaltung auf den neuesten Stand gebracht. „Neue Forschungsergebnisse und neue Methoden der Histologie, elektronenmikroskopische Befunde, Anoptral-, Phasenkontrast- und polarisationsoptische Strukturanalysen fanden in diesem bestens renommierten Lehrbuch Aufnahme und Behandlung.“ Wiener Tierärztliche Monatsschrifl un der Entwicklungsgeschichte der Haustiere Von Prof. Dr. Dr. h. B ©. ZIETZSCHMANN und Prof. Dr. O, KröLLıng 2., neubearbeitete und erweiterte Auflage / 1955 / 494 Seiten mit 849 Teildarstellungen in 597 Textabbildungen / In Ganzleinen 88,-— DM - Dieses Standardwerk stellt eine zusammenfassende Bearbeitung der gesamten Probleme der Embryologie dar. Aus moderner Sicht bringt es alle Probleme der Morphogenie zur Dar- Bere BEE >a stellung. Besonders hervorzuheben ist die reichhaltige bildliche Erläuterung der embryonalen Entwicklungsstadien der größeren Haustiere. Episkopische Mikrophotographien unterstützen die textliche Darstellung. Auf eine gleichartige und einheitliche Nomenklatur und Einführung der synonymen Termini wurde Wert gelegt. „Dieses Werk imponiert durch seine knappe und klare Sprache. Meisterhaft ausgewählte Abbildungen erleichtern in hohem Maße das Verständnis. Es stellt in seiner die Entwicklung der Haustiere behandelnden Art das einzige in der Welt dar.“ Zentralblatt für Veterinärmedizin VERLAG PAUL PAREY- HAMBURG UND BERLIN Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere Von Prof. ALFRED SHERWOOD ROMER Aus dem Amerikanischen übertragen und bearbeitet von Prof. Dr. Hans Frick Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. med. DIETRICH STARcK 1959 / 511 Seiten mit 390 Abbildungen, davon 11 farbig / Ganz auf u In Ganzleinen 58,- DM „Übersetzung und Herausgabe dieses rasch bekannt und beliebt gewordenen amerikani- schen Lehrbuches der vergleichenden Wirbeltieranatomie von ROMER ist sehr verdienstvoll, da ein solches Buch im deutschsprachigen Unterricht schon lange gefehlt hat. Das Werk be- sticht durch seine prägnante Kürze und Klarheit sowie das pädagogische Geschick der Dar- stellung. Allgemeinere Probleme, wie Evolution, Frühentwicklung, Histologie und Systematik werden mit wenigen Worten wesentlich und ohne Oberflächlichkeit abgehandelt. Geschickt und anregend ist die übersichtartige Beschreibung der Tierformen am Anfang („Wer ist wer“ unter den Vertebraten), so daß der Leser für die nachfolgenden Kapitel der Systeme iebendigere Vor- stellungen mitbringt. Auch ein kurzes Kapitel über vergleichende Embryologie und allgemeine Gewebelehre, zum Teil mit farbigen Abbildungen, ist vorhanden. Der Text wird in glück- licher Weise ergänzt durch Anhangskapitel über die Termini technici, ihren praktischen Ge- brauch und ihre Ableitung sowie eine systematische Übersicht über die Chordaten und ein aus- führliches Literaturverzeichnis.“ Anatomischer Anzeiger „Das Werk ist ein wertvoller Arbeibchelt ovchlie den Anfänger wie. für den bereits mit morphologischen Problemen Befaßten, da das Gebotene so klar dargestellt und so reich- haltig ist, daß jeder nach dem Stand des eigenen Wissens daraus schöpfen kann.“ . Mitteil. d. Anthropologischen Gesellschaft Principia Genetica Grunderkenntnisse und Grundbegriffe der Vererbungswissenschafl Von Prof. Dr. ALrrep HEILBRONN und Prof. Dr. Curt Kosswis 1961 / 40 Seiten / Kartoniert 4,80 DM Hundert Jahre sind vergangen, seit "GREGOR MENDEL. seine klassischen Kreuzungsversuche ausführte, die zum Fundament der Vererbungswissenschaft geworden sind. Während die experi- mentelle und zytologische Forschung seit dem Beginn dieses Jahrhunderts ein gewaltiges Mate- rial an Beobachtungen und Fakten zu Tage förderte, festigte sich mit steigender Deutlichkeit das theoretische Gerüst der genetischen Wissenschaft, das ganz neue Vorstellungen und Begriffe B unserem Weltbild einfügte. Diese sich aus der Entwicklung ergebenden Begriffe werden in dieser Veröffentlichung in ihrem Aufbau und in ihren wechselseitigen Beziehungen denkbar knapp dargestellt. Die beiden Autoren geben mit ihrem System von prägnanten Sätzen dem Genetiker und dem Studieren- ’ ie den der Biologie, insbesondere der Genetik, ein Hilfsmittel in die Hand, mit dem sie die ° Bedeutung der genetischen Begriffe und Ki Stellung im Rahmen der Gesamtwissenschaft übersehen und ihre genetischen Vorstellungen überprüfen können. VERLAG PAUL PAREY-HAMBURG UND BERLIN: ODRCKNL DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR SÄAUGETIERKUNDE P. J. H. van Bree, Amsterdam - H. Darne, Berlin - W. Herge, Kiel - K. HERTER, Berlin - ]J. Kärın, Frei- burg/Schweiz - B. Lanza, Florenz - H. NacHTSHEIM, Berlin-T.C.S. Morrıson Scott, London -D. STArck, Frankfurt a. M. - E. Tnuenıus, Wien — W. VERHEYEN, Tervuren - K. ZIMMERMANN, Berlin E. Mour, Hamburg - M. Rönurs, Hamburg % 26.BAND - HEFTA4 4 Oktober 1961 X A ae te L. N N N bu Vd N Yo 4 Hi \ ’ 2 j u | F F ı\ i I UV 4 } jr 3 17} # ira 7. J: SIBRAr | Pr Sm Dial Ne | ” re un u RLAG PAUL PAREY : HAMBURG UND BERLIN TVERLAGSORT HAMBURG nn u ERE Pur ver Pa - ; e | Inhalt = Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937. Von H. BOHLKEN ; it DER Fi Prof. A. N. Formosow 60 Jahre alt. Von M. Kremm N ES mn Dieses Heft enthält 1 Beilage des Verlages Paul Parey BR s Die „Zeitschrift für Säugetierkunde“ veröffentlicht Originälarbeıten auf dem Gesamtgebier ferner Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der wichtigsten internationalen Literatur, und die Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“, deren alleiniges Organ ist. Die Veröffentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung | sung in allen drei Sprachen. . . ENH EAN va Herausgeberschafl und Schriflleitung: Manuskriptsendungen sind zu richten an einen der Herr er direkt an die Schriftleiter: Frau Dr. Erna Mohr, Hamburg-Langenhorn 1, Krämerstieg 8 (1 oder Dr. Manfred Röhrs, Zoologisches Staatsinstitut, Hamburg, Von-Melle-Park 1 ( x Manuskripte: Es wird gebeten, die Manuskripte möglichst mit Schreibmaschine und | Photographische Rbbilduapsverlaken wen so beschaffen sein, daß sie eine kontrası £ lichen. Von der Beigabe umfangreicher Tabellen soll abgesehen’ werden. Alle’ de Unterlagen, wie Photographien, "Zeichnungen, Tabellen, sollen auf der Rückseite -fassers und dem Titel ‘des Beitrages versehen sein. Bei Abbildungen aus bereits erfol ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Jeder Originalarbeit ist eine Zusamm Ergebnisse in wenigen. Zeilen anzufügen. Mit der Übergabe des Manuskriptes Verlag Paul Parey das Recht, die Herstellung von photomechanischen Vervielfälti ternehmen zum. innerberrieblichen Gebrauch nach Maßgabe des zwischen. dem Börse handels ‘und dem: Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmen: zu genehmigen. 2 SR N. Sonderdrucke: Anstelle einer Unkostenvergürung ‘erhalten die Verfasser von Original melreferaten 50 unberechnete Sonderdrucke, Mehrbedarf steht gegen Berechnung“ zur die Bestellung spätestens mit der Rücksendung der Korrekturfahnen erfolgen. ; Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen ° jede Gewerblichen ‘Unternehmen wird jedoch ‘die Anfertigung einer phoromechanischen Ver trägen oder Beitragsteilen für den innerbetrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikro nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem B schen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlun Gebühr bis zu drei Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen haben einen Verme den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr i für Photokopiegebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt ben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkassos jedes Photokopierblatt. eine Marke im Betrag von 0,10 DM zu verwenden. . LEN Erscheinungsweise und Bezugspreis: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich; 4 Hefte bilden einen Bz k umfaßt 4 Drucbogen. Der Abonnementspreis beträgt je Band 34,— DM zuzügl. amıtl. | Abonnement verpflichtet zur Abnahme eines ganzen Bandes, Es verlängert sich stillschweige unmittelbar nach Erhalt des letzten Heftes "eines Bandes Abbestellung erfolgt. Einzelbe 10,80 DM. Die Zeitschrift kann bei jeder Buchhandlung oder beim Verlag Paul Parey, Ha straße 12, bestellt werden. Die Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“ schrift unberechnet im Rahmen des Mitgliedsbeitrages. CN a ’ ..© Paul Parey, Hamburg und Berlin 1961 — Printed in Germany by C. Beckers B + uchdrus Z., Säugetierkde. 26 (1961), H. 4, S. 193—256 hr Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 Von HERWART BOHLKEN Aus dem Institut für Haustierkunde der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Direktor: Prof. Dr. Wolf Herre Eingang des Ms. 4. 6. 1961 I. Einleitung Seit etwa dreißig Jahren findet der Kouprey, das wilde Rind der offenen Waldland- schaften von Kambodscha, das besondere Interesse der Mammalogen in aller Welt. Trotzdem ist seine Stellung im System der Rinder, des Tribus Bovini Simpson 1945, sehr umstritten und unklar. Die vorliegende Arbeit versucht, zur Klärung dieses Problems einen Beitrag zu leisten. BE Abb. 1. Kouprey (Bibos sauveli Urbain). Altes männliches Tier. Sammlung des Museum of Comparative Zoölogy at Harvard College (M.C.Z.: 38108). Aus Coorıpse (1940) 194 H. Bohlken Die ersten Berichte über den Kouprey stammen wohl von Dwuvross£t (1930), R. Vırroz (1933) und J. Vırroz (1937). Sie haben aber noch keine wissenschaftlich- offizielle Beschreibung vorgelegt. Das geschah erst 1937 durch UrsAam, der dem Kouprey den Namen Bos (Bibos) sauveli gab. Der Typus der neuen Art war ein Stierkalb, welches im Juli 1936 bei Chep in Nord-Kambodscha gefangen wurde. Prof. Ursam brachte dieses Tier nach Paris, wo es im Zoo im Bois de Vincennes bis 1940 gelebt hat. Ursaın bezeichnete 1939 diesen Kouprey als vierjährig und adult. Die Ausbildung der Hörner war aber beim Tode des Tieres noch nicht abgeschlossen (Abb. 45). 1939 erlegte Fr. Enmond-BLanc in der Nähe von Samrong, Provinz Kratie, in Kambodscha einen ausgewachsenen männlichen Kouprey, von dem das Fell, der Schä- del und Teile des Skelettes dem Museum of Comparative Zoölogy at Harvard Col- lege, Cambridge USA, übergeben wurden. Dieses Material war die Grundlage für die große Monographie von CooLipce (1940), der den Kouprey-Bullen M.C.Z.: 38108 zum Hypotyp der Art bestimmte (Abb. 1). CooLIpgE kam in seiner Studie zu der Auffassung, der Kouprey unterscheide sich in einigen Merkmalen so deutlich von allen lebenden Wildrindern, daß es gerechtfertigt sei, eine neue Gattung für diese Art zu begründen. Er stellte die Gattung Novibos auf, deren einzige Art Novibos sauveli (Urbain), der Kouprey, ist. Unter diesem Namen führt Harper (1945) den Kouprey an. Seine Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf Ursam (1937, 1939) und CooLipGe (1940). EpmonD-BLanc (1947) war der erste, der die Vermutung aussprach, der Kouprey bilde keine neue Wildart, sondern sei ein Kreuzungsprodukt, dessen eine Elternart der Banteng sein sollte. Dagegen meint SauveEL (1949a, 1949b), daß der Kouprey eine eigene Art ist und macht Angaben zur Verbreitung, Biologie und Ökologie die- ser Form. LEkAGuL (1952) ergänzt die Angaben über die Verbreitung und gibt Horn- maße einiger Bullen und Kühe des Kouprey. SokoLov (1954) stellt den Kouprey als eigene Art in die Gattung Bibos, FRECHKOP (1955) handelt ıhn in seiner Bearbeitung der Huftiere ım „Traite de Zoologie“ in einer Fußnote ab. Er schreibt: „La valeur d’une espece particuliere du ‚Kou-Prey‘ ou ‚Kouproh‘ (Bibos sauveli Urbain) du Cam- bodge est mise en doute par Fr. Epmonn-BLanc (1947).“ Auch ELLERMAN und MORRISON-SCOTT (1951) sowie HALTENORTH und TRENSE (1956) weisen auf die von EpmonD-BLanc erörterte Möglichkeit hin, daß der Kouprey ein Kreuzungsprodukt sei. Eine ausführliche Untersuchung über die Okologie und Biologie des Kouprey legte dann WHARTOoN (1957) vor, der 1951/52 mehrere Monate in Kambodscha dieses Rind beobachtet hat. Mit der systematischen Stellung von Bos (Bibos) sauveli habe ich mich 1958 im Rahmen einer Untersuchung des Tribus Bovini auseinandergesetzt (BoHLken, 1958b). In Unkenntnis der Arbeiten von SauveL (1949b) und WHARTON (1957) kam ich zu der Schlußfolgerung, „daß das von Ursam 1937 beschriebene Tier ebenso wie das in Harvard befindliche nicht Vertreter einer neuen Wildart sind, son- dern aus einer Kreuzung von Banteng und Zebu hervorgegangen sind“. In einer kürzlich erschienenen Arbeit wendet sich BRAEsTRUP (1960) scharf gegen die Hy- bridentheorie. Er lehnt auch die von CooLiDGE aufgestellte Gattung Novibos ab, stellt aber den Kouprey nicht in die Verwandtschaft von Banteng und Gaur, sondern sieht in ıhm eine dem Ur eng verwandte, wenn auch primitivere Art der Gattung Bos. Nach mündlicher Mitteilung von BRAESTRUP meint er, daß ein progressiver „cline“ von sauveli über Bos namadicus zu Bos primigenius führt. HALTENORTH (1961) ordnet den Kouprey als Untergattung Novibos der Gattung Bos zu, der bei ıhm auch Bibos als Untergattung angehört. Der Kouprey wird also ın seiner systematischen Stellung sehr unterschiedlich be- urteilt. Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 195 . Als Art der Gattung Bibos (UÜRBAIN, SAUVEL, LEKAGUL, SOKOLOV) . Als einziger Vertreter einer neuen Gattung Novibos (CooLiDGE, HARPER) . Als Produkt einer Kreuzung (EpMmoNnD-BLANc, BOHLKEN) Als Bos primigenins nahe verwandte Art (BRAESTRUP) SEEN|s einzige Art der Untergattung Bos (Novibos) (HALTENORTH). Nachdem mir die Arbeiten von SauveEL (1949) und WHArToN (1957) bekannt- geworden sind, muß ich meine 1958 ausgesprochene Auffassung über die Steilung des Kouprey in einigen Punkten revidieren. Inzwischen konnte ich auch weiteres Schädel- material untersuchen, das die Grundlage dieser Arbeit bildet. DE II. Material und Methode Durch ein außerordentliches Entgegenkommen war es mir möglich, zwei Schädel von Kouprey-Bullen aus dem Museum of Comparative Zoölogy at Harvard auszuleihen und zur Untersuchung nach Kiel zu bekommen. Es handelt sich dabei um den Schä- del M.C.Z. 38108, der von CooLinpGe bereits ausführlich beschrieben wurde und den Schädel M.C.Z. 46589, den WHarrton 1952 in Kambodscha gesammelt hat. Für die leihweise Überlassung dieser Schädel bin ich dem Direktor des Museum of Com- parative Zoölogy, Herrn Prof. Dr. A. S. RoMER, und dem Curator der Säugetier- abteilung, Miß BARBARA LAWRENCE, zu großem Dank verpflichtet. Den Schädel des Typus von Bibos sauveli habe ich 1955 im Museum National d’Histoire Naturelle in Paris untersuchen können; ebenso drei weitere Schädel (Nr.: A 6727; A 10801 und 1871-350), die schon mehrere Jahrzehnte im Pariser Museum sınd und nach- träglih von Dr. Sauver als Bibos sauveli determiniert wurden. Hornmaße für 6 Bullen und 3 Kühe vom Kouprey wurden der Arbeit von LekAcuL (1952) ent- nommen. Zum Vergleich mit den Kouprey-Schädeln habe ich benutzt: 37 Schädel von Bibos javanicus (d’Alton) 1823; 29 Schädel von Bibos gaurus (H. Smith) 1827; 34 Schädel von Bos primigenius primigenius Bojanus 1827; 7 Schädel von Bos primigenins f. taurus L. 1758, Zebu. Alle diese Schädel stammen von ausgewachsenen männlichen Tieren. Zusätzlich habe ich in einigen Fällen weibliche Schädel dieser Arten sowie Schädel von Yak [Bos (Poephagus) mutus Przewalski 1883], Hausyak, Balirind und Europäischem Hausrind berücksichtigt. Diese Schädel wurden mir von folgenden Sammlungen zur Verfügung gestellt: British Museum (Natural History, London (B.M und B.M. pP. D. f. Palaeont. Department); Museum Alexander Koenig, Bonn (M. A.K.B.); Museum National d’Histoire Naturelle, Paris (M.N.H.N.); Rijksmuseum van Natuurlijke Historie, Leiden (R.N.H.L.); Staatliches Mu- seum für Naturkunde, Stuttgart (S.M.N.S.); Übersee- Museum, Bremen (U.M.B); Zoolo- gisches Museum der Humboldt-Universität, Berlin (B.Z.M.); Zoologisches Museum, Hamburg (Z.M.H.); Zoologische Staatssammlung, München (Z3ISEVE)); Institut für Haustierkunde, Kiel; Institut für Landwirtschaftliche Zoologie und Haustierkunde, Halle/Saale; Institut für Tier- zucht, Halle/Saale (T.Z.H.); Institut für Zoologie der Landwirtschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität, Berlin (I.f.L.Z.); Institut für Züchtungsbiologie und Tierproduktion, Wien (Z.T.W.). Für Maße von 17 Schädeln von Bos primigenius aus den Sammlungen in Lund und Kopen- hagen (U. Z.M.K.) bin ich Herrn Dr. Björn Kurt£n (Helsinki) zu großem Dank verpflichtet. Maße für andere Ur-Schädel wurden den Arbeiten von LEITHNER (1927), 8, und GROMOVA (1931), 4, entnommen, sowie für 13 Schädel von Bibos gaurus der Arbeit von SCHUMANN (1913). Den Leitern und Mitarbeitern der oben genannten Museen und Institute möchte ich auch an dieser Stelle für ihre Hilfe und Gastfreundschaft danken. Insbesondere schulde ich der Deutschen Forschungsgemeinschaft Dank für die finanzielle Unter- stützung meiner Arbeit. 196 H. Bohlken Methodik Im wesentlichen habe ich an den Schädeln und Hörnern folgende Maße genommen: a. Schädelmaße 1. Basallänge (b): Von der Spitze des Intermaxillare (Prosthion) bis zum oralen Punkt des For. mag. occ. (Basion). 2. Gaumenlänge: Prosthion bis zum aboralsten Punkt des harten Gau- mens auf der Sagittalnaht. 3. Profllänge: Aboraler Rand des For.mag.occ. (Opisthion) bis vordere innere Spitze des Nasale entlang der Sagittalnaht gemessen. 4. Nasallänge: Nasion bis vordere mittlere Spitze des Nasale. 5. Hirnlänge: Opisthion bis zur Siebbeingrube (Fossa ethmoidales). 6. Länge der gesamten Molarenreihe; 7. Länge der Praemolarenreihe; 8. Länge der Molarenreihe; 9. Große Hinterhauptshöhe: Basion bis zum höchsten Punkt des Stirnbein- kammes. 10. Kleine Hinterhauptshöhe: Opisthion bis zum höchsten Punkt des Stirnbein- kammes. 11. Schnauzenbreite: An der Naht von Intermaxillare und Maxillare. 72. Breite zwischen den Wangenhöckern (Tuber malare); 13. Jugalbreite: Größte Breite zwischen den Proc. zygomatici des Temporale. 14. Aborale Nasalbreite: Zwischen den Treffpunkten von Frontale, Nasale und Lacrimale. 15. Infraorbitalbreite: Breite zwischen den inneren Rändern der Orbitae an der Naht von Frontale und Lacrimale. 76. Biorbitalbreite: Größte Breite zwi- schen den Außenrändern der Orbitae. 17. Stirnenge: Kleinste Breite der Stirn zwischen Orbitae und Hornansatz. 18. Hinterhauptsenge: Kleinste Breite des Hinterhauptes zwischen den Schlä- feneinschnitten. 19. Hinterhauptsweite: Größte Breite zwischen den Pori acustici externi. 20. Occipitalbreite: Größte Breite zwischen den Proc. jugulares. b. Hornmaße 1. Größte Hornlänge: Von der Basis entlang der Krümmung, 2. Hornbasenabstand: Ge- ringster Abstand der Hornbasen voneinander. 3. Basisumfang des Hornes; 4. Basisumfang des Hornzapfens; 5. Größte Hornauslage: Größte Entfernung zwischen den Außenrändern der Hörner. 6. Spitzenabstand der Hörner; 7. Winkel zwischen den Hornbasen: Aboraler Winkel, den die Basisteile der Hörner bei Verlängerung bis zur Sagittalnaht der Stirnfläche mit- einander bilden. Alle Maße werden in mm angegeben. Für vergleichende Schädeluntersuchungen ist es unerläßlich, den Einfluß der Größe auf das Schädelbild zu analysieren (KLATT, 1913). Das muß für jede Art gesondert ertolgen, es müssen also die innerartlichen größenbedingten Proportionsänderungen festgestellt werden, bevor ein Vergleich von zwei Arten möglich ist. Soweit mein Material es erlaubte, habe ich dazu allometrische Methoden angewandt. Über diese Methodik liegt eine Reihe von Arbeiten vor. Ich verweise nur auf v. BERTALANFFY (1957), BOHLKEN (1961a), Frick (1960), KurTEn (1954), MEUNIER (1959a; 1959b), Rönrs (1958, 1959, 1961), WETTE (1959). In diesen Arbeiten finden sich Erörterun- gen über grundsätzliche Fragen der allometrischen Methode. Die Allometrieformel y = b - x? erlaubt eine Berechnung des Ausmaßes der Größenabhängigkeit eines Merkmals. In dieser Formel bedeuten y und x die ver- glichenen Merkmale (etwa x = Basallänge; y = Nasallänge); b ist die Integrations- konstante, das ist die Gesamtheit aller Faktoren, welche außer dem Bezugsmaß (hier Basallänge — Schädelgröße) das Merkmal beeinflussen; a ist der Allometrieexponent, der die Steigung der Allometriegeraden bestimmt und damit das Ausmaß der Größen- abhängigkeit angibt. Um eine lineare Abhängigkeit oder Korrelation zu erhalten, werden für x und y jeweils die Logarithmen eingesetzt. So erhalten wir: logy = logb + a: log x. Daraus ergibt sich für die Berechnung der Integrations- konstante b: log b = log y — a : log x. Der Allometrieexponent a wurde nach der re berechnet (KurTt£n, 1954, WETTE, 1959). Zur S (logx — log x)? Prüfung des Bestehens einer linearen Korrelation wurde der Korrelationskoeffizient r berechnet: Se —— or Formel a = > > (log 2 —log Dee Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 197 IH. Vergleichende Betrachtung A. Äußere Erscheinung der verglichenen Arten Die Beschreibung der einzelnen Arten erfolgt nach JERDON (1867), LYDERkER (1913), SCHUMANN (1913), Gans (1915), HIILzHEIMER (1916), AnTonıus (1922), Urgaın (1937, 1939), CHAsEN (1940), CooLIDGE (1940), CARTER, HırL und TATE (1945), HARPER (1945), SAuUvEL (1949), LeKkAcuL (1952), REQUATE (1957), WHARTON (1957). 1. Gaur, Bibos gaurus (H. Smith) 1827 Außerordentlich kräftig gebaute, große Tiere. Die Bullen erreichen eine Schulterhöhe von 1,80 m bis nahezu 2 m. Gesamtlänge 3,80 m, davon ca. 85 cm Schwanzlänge. Die Kühe werden 1,70 m bis 1,90 m hoch. Die stark bemuskelten Beine sind relativ kurz, vorn länger als hinten. Der Buckel ist stark entwickelt, er endet plötzlich etwa in der Mitte zwischen Schultern und Schwanzansatz. Die Ohren sind recht groß. Der Schwanz reicht etwa bis zum Sprunggelenk. Die Wamme ist gewöhnlich klein. Die Haare sind kurz, nur an Hals, Brust und zwischen den Hörnern etwas verlängert. Die Hörner sind mächtig, an der Basıs abgeflacht. Sie senken sich an der Basis etwas nach unten, dann richten sie sich in einem Bogen nach hinten und oben, wobei die Hornspitzen einwärts gerichtet sind. Sie sind von grünlich-gelber Farbe, die Spitzen sind schwarz. Zwischen den Hörnern ist ein Stirnkamm mehr oder weniger stark ausgebildet. Die Bullen sind dunkel oliv-braun bis schwarz gefärbt, Körperunterseite heller. Der obere Teil der Stirn zum Genick hin ist aschfarben grau, manchmal weißlich braun oder schmutzig weiß. Die Beine sind unterhalb von Carpus und Sprunggelenk weiß oder weißlich. Augen blau. Kühe und junge Bullen sind heller, mehr rötlich gefärbt. Die Kälber sind rötlichbraun, mit schwarzem Aalstreifen, Stirn und Beine bleigrau. 2. Banteng, Bibos javanicus (d’Alton) 1823 Der Banteng ist kleiner und leichter als der Gaur. Der Leib ist kräftig, aber nicht massig. Schulterhöhe bei Bullen 1,60 bis 1,80 m. Gesamtlänge 2,90 m, davon 0,85 m Schwanz (HILZHEIMER, 1916). Der Rückenkamm ist schwächer als beim Gaur und bildet keinen ausgesprochenen Buckel; die Beine sind länger und zierlicher. Der Kopf ist schlanker und wirkt mehr antılopenähnlich. Die Ohren sind groß und länglich-rund. Hals kurz. Der Schwanz hat eine Endquaste und reicht bis etwas unterhalb des Sprunggelenkes. Die Wamme ist am Kinn klein, am Hals etwas größer, insgesamt aber schwach entwickelt. Die Haarlänge ist überall gleichmäßig. Bei alten Bullen verhornt die Stirnhaut zwischen den Hörnern. Die Hörner sind schlanker als beim Gaur, an der Basıs ab- geflacht und verdickt. Sie senken sich von der Basis etwas nach unten, wobei sie zu- nächst schräg nach hinten bzw. seitlich gerichtet sind. Dann biegen sie sich auf, so daß die Spitzen einwärts bzw. rückwärts weisen. Alte Bullen sind kastanıenbraun bis schwarz; Kühe und junge Bullen rötlich bis kastanienbraun, Unterseite heller. Die Beine sind von den Hufen bis etwas über Sprunggelenk und Carpus weiß oder weißlich, ebenso die Lippen und die langen Haare des inneren und oberen Ohrrandes. Auf den Hinterschenkeln ist ein großer weißer Spiegel, der bei der typischen Form von Java am größten ist. Die Kälber sind ähnlich wie die Kühe gefärbt mit schwarzem Rückenstreifen. 3. Kouprey, Bibos sauveli (Urbain) 1937 Der Kouprey steht in bezug auf seine Körpergröße zwischen Gaur und Banteng. Bul- 198 H. Bohlken len erreichen eine Widerristhöhe von 1,90 m. CooLipceE (1940) gibt für den von Epmonp-BLanc erlegten Bullen eine Schulterhöhe von 1,71 m an. Als Gesamtlänge dieses Tieres wird 2,35 m genannt, wobei aber offensichtlich der 102,5 cm lange Schwanz nicht mitgerechnet wurde. Der Buckel ist deutlich. Die Beine sind schlank und noch länger als beim Banteng. Die Hufe sind im Vergleich zu Banteng und Gaur zierlich. Der Kopf ist schlank. Der Schwanz mit Endquaste ist sehr lang und reicht deutlich bis unterhalb des Sprung- gelenkes. Außerordentlich stark entwickelt ist die Wamme. Sie hängt wie eın Pendel herab und schleift bei alten Bullen durch das Gras (WHARTON). CooLiDce (1940) gibt 44 cm als pendelnde Länge der Wamme an. Bei Kühen soll sie 10 cm Länge = überschreiten. Die Haare sind kurz und glatt. Die sehr langen, aber schlanken Hörner stehen mit ihren Basen dicht beieinander. Sie verlaufen schräg nach hinten, dann nach oben und vorne, schließlich einwärts und etwas nach rückwärts. Bei älteren Bullen sind die Hörner dicht unterhalb der Spitzen aufgesplittert. Das Aufsplittern soll bei Ajährigen Tieren beginnen und mit 7 bis 8 Jahren abgeschlossen sein. Alte Bullen sind matt schwarz gefärbt. Die Unterteile der Beine sınd wie bei Gaur und Banteng weiß. Bei jüngeren Bullen sind die Flanken grau. Kopf und Wamme sind schwarz. CooLiDGE (1940) beschreibt die Färbung des Kouprey-Bullen in Har- vard ausführlich. Die Haare auf Kopf und Schulter sind dunkelbraun bis schwarz. Das Maul ist schieferschwarz mit einer dunkel-kastanienbraunen Zone jederseits. Die Haare der Oberlippe sind weiß, die der Unterlippe sepiafarben. — In den Ohren sind weiße Haare, von denen einige ziemlich lang sind. Die Rumpfseiten und der Buckel sind tief olivgrau. Ein weißlicher Rückenstrich ist angedeutet. Der Bauch ist hell- braun. Die Oberteile der Extremitäten sind schwärzlichbraun, die unteren Hälften weiß. Die Hufe sind schwarz. Die Kouprey-Kühe erscheinen etwas langbeiniger als Banteng-Kühe. Sie sind ge- wöhnlich silber- oder mausgrau, oder schwach bräunlich. Lekacur (1952) gibt eine Beschreibung einer Kuh: Der ganze Körper war gräulich-weiß, heller am Bauch, aber dunkler vor den Vor- derextremitäten, im Nacken und im Gesicht unterhalb der Augen. Das Weiß der Füße hob sich nicht scharf von dem Grau des Körpers ab. Die Wamme war gut entwickelt, wenn auch nicht so lang wie bei Bullen. In den Ohren waren lange, weiße Haare. Der- Bucel war nicht so hoch wie beim Gaur. Keine weißen Schenkelflecken. Der Schwanz war länger und buschiger als bei Banteng oder Gaur. WHARTON (1957) berichtet von einer Kuh mit breitem, braunem Rückenstreifen. Die Kälber sind grau bis grau-weiß ohne braune Farbtöne wie beim jungen Gaur. Alle Autoren, die Koupreys beobachten konnten, betonen die Anmut dieses Tieres; besonders die Kühe sollen von antilopenhafter Zierlichkeit sein. 4. Ur, Bos primigenius Bojanus 1827 Der Ur ist bereits im 17. Jahrhundert ausgestorben. Die letzte Ur-Kuh wurde 1627 in Polen erlegt. So sind wir für eine Beschreibung der äußeren Erscheinung des Ures auf die Skelettfunde und auf alte Quellen angewiesen. Hier folge ich ım wesentlichen REQUATE (1957). Der Ur war sehr groß. Widerristhöhe nach REQUATE für den alluvialen Ur bei Kühen 1,50 bis 1,70 m, bei Bullen 1,75 m bis annähernd 2 m. Dornfortsätze der Brust- wirbel verlängert, aber keine ausgesprochene Buckelbildung. REQUATE schreibt über die Gestalt der Ure: „Der große Kopf mit den dicken, langen Hörnern, relativ klei- nen Ohren und großen Augen wurde von einem sehr kräftigen, muskulösen Hals ge- tragen.“ „Der Rücken war zwar mehr gerade, nicht so stark zum Widerrist hin ge- 7 Tr RT Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 199 wölbt wie beim Wisent, aber doch deutlich dahin ansteigend, wie aus der Linie der Proc. spinosi der gefundenen Skelette hervorgeht.“ „Der Rumpf des Ures verjüngte sich nach hinten und hatte stark aufgezogene Weichen. Die Kruppe war gerade oder jedenfalls nur ganz unmerklich abfallend; die Beine schlank und verhältnismäßig hoch. Der relativ kurze Schwanz reichte nur wenig über das Sprunggelenk.“ „Das Haar war wesentlich kürzer und glatter als beim Wisent, aber doch länger und dicker als beim Hausrind.“ „Die alten Stiere waren schwarzbraun bis schwarz mit weißlich-grauem bis gelblichem, einige Finger breitem Aalstrich der ganzen Rückenlinie entlang. Das Maul hatte wahrscheinlich eine ebenso gefärbte, helle Einfassung. Die Kühe trugen dagegen ein braunrotes Fell und wurden selten dunkler braun. Die Kälber waren röt- lich.“ „Die Farbe der Hornscheide des europäischen Ures war weißlich-grau, nur zur Spitze hin wahrscheinlich dunkler oder vielleicht sogar schwärzlich werdend. Die Hör- ner der ägyptischen Ure scheinen dagegen ganz schwarz gewesen zu sein.“ Die Hörner von Bos primigenius waren sehr groß und mächtig. Die Hornzapfen verlaufen zunächst seitwärts, dann nach oben und vorn; die Spitzen weisen einwärts. Von den bisher besprochenen Arten sind Gaur und Banteng neben dem Kouprey in Kambodscha anzutreffen. Vom Gaur ist es die Unterart B. gaurus readei (Lyd.), vom Banteng B. javanicus birmanicus (Lyd.). Dieser kontinentale Banteng ist relativ klein, Widerristhöhe bis 1,66 m bei Bullen, und die Bullen werden nicht ganz so schwarz wie die des Java-Banteng. Neben diesen Wildarten, zu denen noch der Arni-Büffel, Bubalus arnee (Kerr) 1792 tritt, gibt es eine Anzahl verschiedener Hausrinder in diesen Gebieten Asiens. Das sind neben Hausbüffel, Bubalus arnee f. bubalis L.t und Balirind, Bibos javanicus f. domestica Gans, vor allem Rassen des Zebu. 5. Zebu, Bos primigenius f. taurus L. 1758 Der Zebu wurde früher als domestizierter Abkömmling des Banteng angesehen (Ker- LER, 1905), doch hat schon Gans (1915) diese Ansicht überzeugend widerlegt. Die Mehrzahl aller späteren Autoren stellen denn auch den Zebu mit zu den taurinen Hausrindern (z. B. Antonius, 1922; STEGMANN VON PRITZWALD, 1924; HILZHEIMER, 1926; KrLatt, 1927; Duerst, 1931; HERRE, 1958c) und leiten ihn wie diese vom Ur, Bos primigenius, oder dessen domestizierten Formen ab. Über Ursprung und Geschichte des Zebus, besonders der afrikanischen Rassen, hat jüngst ErstEin (1956) berichtet. Innerhalb der Zebugruppe ist es zu einer ähnlichen Rassenmannigfaltigkeit ge- kommen wie bei den Europäischen Hausrindern. Größe, Färbung, Horngrößen und -stellung sind dabei in den verschiedenen Rassen sehr unterschiedlich. Leider fehlt im Schrifttum eine ausführliche Bearbeitung dieser großen Gruppe und ihrer Besonder- heiten. Für indische Zebus finden sich einige Angaben bei Gans (1915). „Die Größe des Zebus ist eine sehr wechselnde. Es kommen Tiere vor, die 1,70 bis 1,80 m, und andere, die nur 1m Widerristhöhe haben. Der Zebu ist am häufigsten eisengrau gefärbt. In der Schulter-, Keulen- und Hals- gegend beinahe schwarz schattiert, jedoch kommen Variationen vor. Der Mysore- Zebubulle soll fast ganz schwarz sein.“ „Weiter kann man sagen, daß die Kühe durchgehend heller als die Bullen gefärbt sind.“ „Der Verlauf des Gehörns beim Gujrati-Zebubullen ist sehr eigentümlich. Charak- teristisch ist die ‚doppelte Curvatur‘ der Hörner.“ „Die Hörner verlaufen zunächst seitwärts, wenden sich dann aufwärts, ein wenig nach vorn und nach innen und bie- gen schließlich wieder nach außen und hinten.“ 1 Für die Nomenklatur der Haustiere und ihrer wilden Stammformen sei auf BOHLkENn (1958a, 1961b) verwiesen. I00 H. Bohlken Bei anderen Zeburassen sind die Hörner seitwärts, nach hinten oder unten gerichtet. Der Fetrbuckel ist bei den verschiedenen Zeburassen ın unterschiedlicher Weise ausgebildet. Es gibt Rassen, denen er völlig fehlt. In bezug auf seine Lage unterschei- det Ersten (1956) zwischen hals- und brustbuckeligen Zeburindern. Im allgemeinen ist die Wamme bei Zebus sehr gut entwickelt und hängt weit herab. Der Schwanz ist sehr lang mit einer Endquaste. es Auf den malayischen Inseln und dem hinterindischen Festland sollen Zebu- und Balirinder vielfach miteinander gekreuzt werden (Antontus, 1922; DueErst, 1905, 1931). Die Fruchtbarkeit der Bastarde ist oft angezweifelt worden, doch ist nach MEr- KENS (1929) sicher, daß fruchtbare Nachkommen erzielt werden können. B. Geographische Verbreitung und Biologie des Kouprey Über die Biologie und Verbreitung des Kouprey hat besonders WHARToN (1957) aus- führlich berichtet. Da seine Arbeit nur sehr schwer zugänglich ist, sollen ihre wesent- lichen Befunde hier wiedergegeben werden. Daneben haben Sauver (19492, 19495) und in geringem Umfang LekacuL (1952) Angaben über die Biologie und geographi- sche Verbreitung des Kouprey gemacht. Geographische Verbreitung und Bestandesgröße Nach Sauver (1949a und b) soll der Kouprey nur in zwei voneinander getrennten Gebieten Kambodschas vorkommen. Diese beiden Bezirke liegen 250 km voneinander entfernt und sind durch den Mekong sowie einen dichten Waldgürtel getrennt. Das größere Gebiet, rechtsseitig des Mekong gelegen, umfaßt 12000 km? und soll nach SauveL 500 bis 600 Kou- Laos Trsilane preys enthalten. In dem an- ee deren Bezirk von 6000 km}, Ä = 1 linksseitig des Mekong, soll- | " Kosker ten 200 Koupreys leben. Nach Lerasur (1952) und WHARTON (1957) ist das Verbreitungsgebiet des Kou- prey größer und nict in zweı getrennte Vorkommen geteilt (Abb. 2). Danach ist der Kouprey in den offenen Pa { } nen Siem Reap m \ \ j x \ / / Mekong Pin Peak { Wäldern des nördlichen und Be östlichen Kambodscha ver- breitet und darüber hinaus 2 ım südlichen Laos und ım westlichen Vietnam anzu- Abb. 2. Verbreitung des Kouprey in Kambodscha. Nah treffen. WHARTON führt aus, WHARTON (1957). Grenze des Verbreitungsgebietes: ........ : daß in vielen Gebieten in 4 > : = n 7 .. : = - Kouprey-Fundorte: Beobachtungen von WHARTON: 8; Kambodscha der dichte, ge- Angaben von Jägern und anderen Quellen: O schlosene Wald Er vermutet, daß ın früheren Zeiten die Bedeckung des Landes mit dichtem Wald noch stärker war, daß aber seit der Khmer-Kultur, vor über tausend Jahren, durch die Entwicklung der Landwirtschaft dieser Waldtyp zurückgedrängt wurde. Der Kou- prey ist möglicherweise erst in die neugeschaffene, offenere Landschaft eingedrungen, so daß sein Verbreitungsgebiet in Kambodscha in vergangenen Zeiten noch kleiner war als heute. Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 201 Nach WHArTon ist es möglich, daß 650 bis 850 Koupreys in Kambodscha existie- ren. Vielleicht ist ihre Zahl noch höher, selbst bei vorsichtiger Schätzung sind es jedoch mindestens 500 Individuen. Dagegen schätzt WHARTON den Bantengbestand in Kam- bodscha auf 5000 Tiere. Biotop Der Kouprey liebt wie der Banteng die relativ offene Landschaft. Der Gaur ist da- gegen ein ausgesprochener Bewohner des dichteren Waldes. Nach WHarTon sind fünf Faktoren für einen Kouprey-Biotop wichtig: 1. Offene Bezirke wie Savannen und offenes Parkland 2. Salzlecken 3. Wasserlöcher in genügender Anzahl 4. Rückzugsmöglichkeiten bei Störungen. Der ganze Bezirk muß so groß sein, daß an verschiedenen Stellen Nahrung, Wasser und Salz zu finden ist, damit eine aufge- störte Herde leicht an anderer Stelle zusagende Bedingungen vorfindet. 5. In der Nähe müssen dichtere Wälder vorhanden sein, die den Tieren in den heißen Perioden tagsüber Zuflucht bieten. Es scheint eine gewisse Abstufung in den ökologischen Ansprüchen von Kouprey, Banteng und Gaur zu bestehen. Der Kouprey bevorzugt offene Parklandschaft mit sandıgem Boden, der Banteng lichte Wälder und schließlich der Gaur dichte Wälder. Zwischen Banteng und Kouprey sind aber wohl in dieser Hinsicht keine tiefgreifenden Unterschiede vorhanden, wie die vielen gemischten Herden beweisen, welche WHARTON beobachtet hat. Herdenzusammensetzung Nach SauveL (1949b) umfaßt ein Kouprey-Rudel im Durchschnitt 8 bis 10 9,1 und einige Jungtiere. Der größte von SauveL beobachtete Trupp wurde von einem Bullen, 27 Kühen und zahlreichen Jungtieren gebildet. Nach WHArTon (1957) sind häufig Kouprey- und Bantengherden vergesellschaftet, besonders im Anschluß an die Paarungszeit. Verschiedene Male wurde ein einzelner Kouprey-Bulle in einer Banteng- gruppe beobachtet. Die größte gemischte Gruppe bestand aus 30 Koupreys und 24 Bantengs. Unter den Koupreys waren 4 alte und 4 jüngere Bullen, 17 Kühe und 5 Jungtiere. Koupreys und Bantengs weiden und wandern zwar zusammen, aber nor- malerweise halten sich die Koupreys in einer eigenen Gruppe beieinander und wer- den nur selten verstreut zwischen den Bantengs gesehen. Bei zwei Gelegenheiten be- obachtete WHARTON Koupreys und Wasserbüffel /Bubalus arnee (Kerr)] zusammen. Nach SauveLr (1949b) werden die Kouprey-Trupps von einer alten Kuh geführt, welche die Richtung und Geschwindigkeit bei Wanderungen angibt. Die Bullen sollen oft am Schluß der Herde folgen. WHArTon berichtet, daß die Herden sich oft teilen und dann später wieder zusammenschließen. Auch er erwähnt, daß oft eine Kuh die Gruppe führt. Anfang Juni sollen sich die Herden teilen in Gruppen von Kühen und solche von Bullen. Bantengherden verhalten sich wahrscheinlich ebenso. Alte Bullen beider Arten können zu Einzelgängern werden. Nahrung Kouprey und Banteng scheinen die gleichen Futteransprüche zu stellen. Gräser und Riedgräser sind die Hauptnahrung. Daneben werden gelegentlich Blätter und Früchte gefressen. Der Gaur dagegen soll mehr Blattfresser sein. WHArToNn gibt Listen der wichtigsten Gräser und Riedgräser, welche von Kouprey und Banteng gefressen werden. 202 H. Bohlken Fortpflanzung Die Paarungszeit hat ihren Höhepunkt im April. Die Kälber werden ım Dezember und Januar geboren, manche noch im Februar. Die Mütter und Kälber bleiben unge- fähr einen Monat allein, bevor sie sich einer Herde anschließen. Das Kalb soll sich die ersten drei bis vier Tage nach der Geburt nicht vom Ort der Geburt entfernen. Alte Kühe sollen ihre Kälber im Alter von zwei bis drei Monaten verlassen, ım allge- meinen bleiben Mutter und Kalb wenigstens sechs Monate zusammen. Junge Kälber sind von deutlich rötlicher Farbe, jungen Bantengs nicht unähnlich. Im Alter von vier bis fünf Monaten werden sie grau. Bei Banteng und Gaur in Kambodscha werden die Kälber ungefähr zur gleichen Zeit wie die Kouprey-Kälber geboren. — Nach Sauver (1949b) soll die Fruchtbarkeit der Kouprey-Kühe geringer als die der Banteng-Kühe sein. Er nennt aus dem Jahre 1932 folgende Zahlen: Kouprey: 87 Kühe 21 Kälber Banteng: 103 Kühe 37 Kälber Nach Zahlen von WHArToN (1957) ist jedoch von geringerer Fruchtbarkeit des Kouprey nicht zu reden: über 8 | gg unter 8 29 | Kälber Kouprey 39 48 145 47 Banteng 126 316 ER Adulte | Kälber unter 5 Monaten Gaur 86 N Wasserbüftfel 64 19 Nach diesen Angaben führten 32,40/o der Kühe des Kouprey Kälber, beim Banteng dagegen nur 24,4 %/o. Auffallend ist das verschiedene Geschlechtsverhältnis bei Banteng und Kouprey. Beim Kouprey machen die Bullen 37,5 0/0 der erwachsenen Tiere aus, beim Banteng nur 28,5°/o. Zum Vergleich mit Gaur und Wasserbüffel habe ich die. Zahl der Kälber auf die Anzahl aller Tiere der jeweiligen Arten (ad. + juv.) be- zogen. Von der Gesamtzahl sind beim Gaur 8,5% Kälber, beim Banteng 14,8 ®/o, beim Kouprey 16,8°/o und schließlich beim Wasserbüffel 22,90%/0. Diese Werte wider- sprechen der Aussage von SAUVEL. C. Vergleichende Schädeluntersuchung Die systematische Gliederung der Säugetiere beruht hauptsächlich auf Besonderheiten ım Schädelbau. Das trıft auch für die Bovini zu. So muß also untersucht werden, ob der Kouprey auf Grund von Schädeleigentümlichkeiten in seiner systematischen Stellung beurteilt werden kann. Solche vergleichenden Schädeluntersuchungen wurden für den Kouprey bereits von CooLIDGE (1940) und BoHLkEn (1958b) durchgeführt. CooLIDGE hatte aber nur einen Kouprey-Schädel zur Verfügung, den er mit Schädeln anderer Rinder vergleichen konnte. Dieser Mangel an Material führte dann auch an einigen Stellen zu falschen Schlüssen. Auf der anderen Seite ist meine Auffassung von 1958 bei dem heutigen Stand der Kenntnisse vom Kouprey schon deshalb nicht mehr haltbar, da nicht anzunehmen ist, daß 500 bis 800 Tiere heute durch Artkreuzung in freier Wild- bahn entstanden sind. Da ich in den letzten Jahren Gelegenheit hatte, das mir zur Verfügung stehende Schädelmaterial zu erweitern, soll erneut versucht werden, durch eine vergleichende Betrachtung die Besonderheiten des Kouprey-Schädels zu erfassen. Durch die Arbeiten von KrATT (1913) und anderen wissen wir, daß die absolute Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 203 dr Abb. 3 (oben links). Schädel von Bibos sauveli & (M. C. Z. 38108). - Abb. 4 (oben rechts). Schädel von Bibos sauveli 5 (M.C.Z.: 46589) — Abb. 5 (unten links). Schädel von Bos primigenius 8 (Z. S. M. 1943/28) — Abb. 6 (unten rechts). Schädel von Bos primigenius f. taurus, Zebu & (M.N.H.N.: 1870-243). (Bei sämtlichen Schädelabbildungen ist zu beachten, daß sie nicht alle im gleichen. Maßstab verkleinert sind. Die Werte für die Basallänge der Schädel sind Tab. 11 zu entnehmen) Abb. 7 (oben). Schädel von Bibos javanicus & (R. N. H. L.: 15396) — Abb. 8 (unten). Schädel von Bibos gaurus & (Z. M. H.: [300]) Größe eines Tieres einen Einfluß ‚auf die Gestalt des Schädels hat. Als Maßstab der Größe muß nun bei Schädeluntersuchungen zwangs- läufig ein am Schädel zu nehmen- des Maß dienen. Im allgemeinen wird dazu die Schädellänge ge- wählt, so benutze auch ich die Basallänge als Ausdruck für die Schädelgröße. In den letzten Jah- ren wird immer häufiger die allo- metrische Methode mit Erfolg bei Schädeluntersuchungen verwendet. Sie ıst ein nützliches Hilfsmittel zur Beurteilung des Größeneinflus- ses und anderer Korrelationen am Schädel. Soweit mein Material das erlaubte, habe ich mich daher um eine allometrische Auswertung be- müht. Dabei habe ich in allen Fäl- 204 H. Bohlken len die doppelt-logarıthmische Auftragung der Werte gewählt, da sie eine bessere Über- sicht und damit eine sichere Beurteilung ermöglicht. Im allgemeinen habe ich die Kou- preyschädel (Abb. 3 und 4) mit denen von Ur, Bos primigenius Boj. (Abb. 5), Zebu, Bos primigenius f. taurus (Abb. 6), Banteng, Bibos javanicus (d’Alton) (Abb. 7) und Gaur, Bibos gaurus (H. Smith) (Abb. 8) verglichen. In einigen Fällen wurde zur Ergänzung Material vom Yak, Bos (Poephagus) mutus Przewalski, und vom Europäischen Haus- rind, Bos primigenius f. taurus L., herangezogen. Die Werte der Allometriekonstan- ten für die in den Abbildungen 9 bis 17 dargestellten Korrelationen sind in Tab. 1 zusammengefaßt. Die Meßßwerte für alle Maße sind am Schluß der Arbeit in Tabellen angeführt. 1. Allometrische Untersuchung Gaumenlänge: In der Abb. 9 ist die Korrelation zwischen Basallänge und Gaumen- länge dargestellt. Die Kouprey-Schädel haben die relativ größte Gaumenlänge, sie unterscheiden sich aber in diesem Merkmal nur wenig von Gaur und Banteng. Die Formen der Gattung Bos, Ur und Zebu haben einen relativ kürzeren Gaumen. Eine zusätzliche Prüfung ergab, daß die Europäischen Haus- oo "® rinder ebenfalls relativ kurze Gau- men haben. Die für sie ermittelte Gerade ergibt ungefähr eine Ver- 5 4 : längerung der für die Ur-Schädel 7 eingetragenen Geraden. Das macht 0, ; wahrscheinlich, daß der starke An- LH - | stieg der Allometriegeraden für die = RE, Zebu-Schädel in diesem Fall nicht 2 die wahre Abhängigkeit angibt, FR I ; sondern daß hier ein Fehler vor- er - liegt, der durch zu geringes Mate- ; rıal verursacht ist. Insgesamt hebt 250 ne sich also die Gattung Bibos in die- sem Merkmal etwas von der Gat- tung Bos ab, und zwar besitzen die Bibos-Formen relativ zur Basal- länge einen längeren Gaumen. Die Kouprey-Schädel fallen hier ın den Abb. 9. Gaumenlänge in Beziehung zur Basallänge. Bereich der Gattung Bibos. Doppelt logarıthmische Auftragung. Bedeutung der Symbole: B. sauveli X; B. javanicus V; B. gaurus |]; B. primigenius ©; B. primigenius f. taurus, Zebu @ Hirnlänge: Die Korrelation zwi- schen der Basallänge des Schädels und der Hirnlänge ist in Abb. 10 dargestellt. In diesem Merkmal unterscheiden sich die Gattungen Bibos und Bos sehr deutlich. Leider ist dieses Maß bei anderen Autoren nicht üblich, so daß mir nur die Werte für die von mir selbst vermessenen Schädel zur Verfügung stehen. Dieser Mangel trifft vor allem beim Ur zu. Daher wurde diese Korrelation auch für die Bullen des Europäischen Hausrindes berechnet und graphisch dargestellt (n = 18; a = 0,729; b = 1,809; r = 0,929; zw = 0,5897). Bei einer Extrapolation der Allo- metriegeraden für die Hausrinder in den Größenbereich der Ure zeigt sich, daß die wenigen zur Verfügung stehenden Wertepaare für den Ur ebenfalls im Bereich dieser N Basallänge 205 UIWWOUUI (EG6L) SILVA 'N MIHSLJ UOA IA "gEL Jap uapınMm 1 uoA (MZ) J19MAISWPOUYST[eMZ uap any 31a IQ | (x) 9duejjeseg I9p nur 219191104 8 — ] 6I8r‘O I91°0 EITE DLSOE TE 093720 IIEO er7‘o ri 67 (21 'ggv) (A) a3uasıdneyssaurmg — (X) pueisgeussequiofy '6 /8tr‘0 087‘0 SEI000°0 PIOG BE == — _ = === (91 'gqy) ayoysıdneyasaurg °8 g9ES‘O 0550 6+600°0 CeITE 0 9ECHO 6/9°0 9/60000°0 I6€E 7 9] (ST 'gqy) arsmsıdneyqsaaumg °/ /8rr‘o 08r‘0 zoEo‘o Zlvl ve 86980 r79‘0 /ITOO‘O Sosal 67 (FT 'qqv) »Suauıng "9 x 6980 T6h‘o 80500'0 GBeıT Ze 9920 ge8‘o TrZOOOOO 6/r°7 ol (EI 'gqV) 9raıquazneupg < N — — — - — $8HE270 1170 z120°0 668+°1 IT (z1 'qqv) Sduejjyorg ‘+ R ISZg°0 9620 ZT2000'0 sIoT 61 698H0 1720 SFTOOO‘O 60€ 7 67 (IT 'qqv) aduejjesen € R — — — — — 29920 zss‘o IGT‘O est“ [op1 (O7 'qqy) a3uegungg '7 5 L8r5°0 TE8‘0 rr8°0 7s60 IT 698r'0 sz8‘o ZLr0 rso'I 67 (6 'qqy) >dugguownen) "7 & smuadıunıd nn = m : ; RES sogig "9 S S /8rr‘0 cog‘o 2061 66/0 #+E s Fs1’o 7660 gE60 9 (z1 'qqy) (4) »dussadneyrsaurmg DS — (X) pueissgeussequiof] '6 >= /8+rr‘0 zr9°0 OTSO‘O Era 0 x 1r6°0 zero 8860 9 (91 'gqy) ayoysadneyssauipg 'g S zsIr‘o (2) 7ale) GRONTE Ze 2 66/0 8Er00 0 Or/1 9 (ST 'gqgv) Aarsmsıdneyqsaaumg 7 = z8Ir‘o gFr‘o r8T’o 690 I Ze - 188°0 EIS‘ 6686 0 9 (ri qqv) »duauımg '9 a Serie) rz20 zelo‘o I 5; 06€°0 IGF00'O 619° 9 (ET qgqv) araaquazneuupg 'G Ä 8IES‘O 2220 62/00 GOHT GC “ £I60 69€E°0 g6l'I 9 (ZI 'qqv) duegjpyorg "+ S /8rr‘0 1020 1/r00°0 BIZTER GE 2 6r9°0 99100 gES“T 9 (11 ‘qgqV) aduepesen € Rd 89ES‘o [loyAle) zes0‘0 Re. = £68°0 rz7o 1601 9 (Ol 49V) aduejung 7 R Z8rr‘0 gI60 6871 638.06 908 2160 g/6°0 289°0 2660 9 (6 'qqV) »Suejusummen "I 0), 1 Az 3 e 7 Lg 1 'y3o4 q e auauodxa u r “ MA az "PAIO‘M J03Y4%9 -LIJ9 WO] YV snaupavl sogig *q 7a@nps sogig ANJ USIUEISUOYIINSWOILY "E U9JULISUOYOLIJSWOILV EAN UEE — 90 | H. Bohlken Tabelle 1 Allometriekonstanten (Fortsetzung) e. Allomerriekonstanten für Bos primigenius f. taurus, Zebu Allomerrie- Faktor =» Korrel. ZW vr - exponent a b koeii. r b. 1°%e 1. Gaumenlänge (Abb. 9) 7 1,316 0,0915 0,943 0,8745 2. Hırnlänge (Abb. 10 7 1,147 0,146 0,967 = 3. Nasallänge (Abb. 11) 7 1,426 0,0298 0,960 ar 4, Profillänge Abb. 12) 7% 1375 0,1198 0,969 n 5. Schnauzenbreite (Abb. 13 Z 1,098 0,112 0,967 kr 6. Stirnenge (Abb. 14) 7 1,312 0,0595 0,689 > 7. Hinterhauptsweite (Abb. 15) 7 0,865 0,932 0,832 2x 8. Hinterhauptshöhe (Abb. 16 7 1,313 0,0494 0,819 ee 9. Hornbasenabstand (x) — Hinterhauptsenge (y) (Abb. 17) 7 0,909 1,845 0,939 > Geraden liegen. Das bedeutet, daß in diesem Merkmal zwischen Ur und Hausrind nur ein größenbedingter Unterschied besteht. So kann mit Vorsicht die Gerade für die Hausrinder als Ersatz für die Ur-Gerade angesehen werden. Auch vom wilden Yak reicht das Material (n= 2) bei diesem Merkmal nicht zu einer Berechnung aus. Auch hier wurde die Gerade für die Haustiere Bos (Po&ph.) mutus f. grunniens, berechnet Hirniänge / = / Sn fe) —- 220mm | | Basallänge Basallänge Abb. 10 (links). Hirnlänge in Beziehung zur Basallänge. Doppelt logarithmische Auftragung. B. sauveli X; B. javanicus V; B. gaurus T); B. primigenius O; B. primigenius f. taurus, Zebu @; Europ. Hausrind ©; B. (Poephagus) mutus () ; f. grunniens @ - Rechts: Hirnlänge in Beziehung zur Basallänge bei Bibos javanicus (V) und B. javanicus f. domestica (/\). Doppelt logarithmische Auftragung und gezeichnet (n = 11;a = 1,406; b = 0,0289; r = 0,8649; zw = 0,7348). Insge- samt zeigt sich bei der Hirnlänge eine deutliche Trennung der Gattungen Bibos und Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 207 Bos (einschließlich Poephagus). Die Arten der Gattung Bibos haben eine relativ zur Basallänge längere Hirnkapsel. Auch in absoluten Werten erreichen nur die großen Ure die Hirnlänge von Banteng oder Gaur. Die Kouprey-Schädel liegen auch bei die- sem Merkmal im Bereich der Gattung Bibos. Anders als bei der Gaumenlänge sind sie aber „Bos-ähnlicher“ als Banteng und Gaur. In bezug auf die Korrelation der Hirnlänge mit der Basallänge muß ich meine Ausführungen von 1958 (BoHLKEn 1958b) berichtigen. Bei dem Vergleich des Typus- Schädel von 2. sauveli mit den drei anderen Schädeln aus dem Pariser Museum ergab sich, daß der Typus die relativ größte Hirnlänge hat, bei der größten Schädellänge. Die Annahme, daß bei Rindern ebenso wie bei anderen Säugern die Hirnlänge inner- halb einer Art mit wachsender Schädelgröße relativ abnimmt, führte zu dem Schluß, daß hier ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Typus-Schädel und den drei ande- ren Schädeln vorläge. Ausgehend von der Meinung, daß es sich bei dem Kouprey um einen Bastard von Banteng und Zebu handele, wurde dieser Unterschied in der Hirn- länge dadurch erklärt, „daß in einem Fall der domestizierte, im anderen Fall der wilde Banteng ein Elternteil ist.“ Der Vergleich mit den beiden Kouprey-Schädeln aus Har- vard lehrt aber, daß die Hirnlänge der Pariser Schädel durchaus im normalen Bereich der Variation beim Kouprey liegt, und daß die Hırnlänge mit wachsender Schädel- größe beim Kouprey nicht relativ abnimmt, sondern eher relativ zunimmt (a = 1,091), wie es jetzt auch für die anderen Rinderarten ermittelt wurde (z. B. Banteng a — 1,264). Darüber hinaus ergibt ein Vergleich von wilden und domestizierten Ban- tengs (Abb. 10b), daß in diesem Merkmal kein domestikationsbedingter Unterschied festzustellen ist (Balirind n = 11; a = 1,219; b = 0,111; r = 0,835; zw = 0,7348). Die geringe Abweichung in der Lage der Allometriegeraden für Banteng und Balirind ist wohl mit hoher Wahrscheinlichkeit als zufällig (zu geringes Material) anzusprechen. So stimmen die drei Schädel aus Parıs also auch in diesem Merkmal mit den übri- gen Kouprey-Schädeln überein, wie es schon 1958 für die übrigen Schädelmerkmale festgestellt wurde. Nasallänge: Die Länge der Nasalia nimmt bei allen verglichenen Arten mit wachsen- der Schädelgröße sehr stark zu (Abb. 11). Beim Gaur ist diese Zunahme am stärksten (a = 2,309). Diese Art hat auch die relatıv zur Basallänge längsten Nasenbeine, wäh- rend sie beim Banteng relativ am kürzesten sind. Allerdings sind die zwischen Banteng und Ur bestehenden Unterschiede in der Nasallänge nicht von systematischem Wert, denn wie aus der graphischen Darstellung hervorgeht, sind diese Differenzen mehr oder minder nur durch die unterschiedliche Schädelgröße bedingt. Die Kouprey- Schädel fallen in diesem Merkmal in die Variationsbreite des Gaur, sie haben also ebenfalls sehr lange Nasalia. Es scheint allerdings ein anderes Ausmaß der Größen- abhängigkeit als beim Gaur zu bestehen, doch reicht ın diesem Fall das Material vom Kouprey zu einer eingehenden Analyse nicht aus. Pırcrım (1939) führt aus, daß sich die Gattungen Bos und Bibos auch in der Nasal- länge unterscheiden sollen. Bos soll lange, Bibos kurze Nasalia haben. Die Unter- suchung eines größeren Materials zeigt nun deutlich, daß dies nicht der Fall ist. Von diesen Formen hat zwar absolut der Ur die längsten Nasalia, doch überschneiden sich auch dabei die Variationsbreiten von Gaur und Ur. Relativ zur Basallänge des Schä- dels hat zweifellos Bibos gaurus die längsten Nasenbeine. Daß der Banteng, Bibos javanicus, sich nicht wesentlich von Bos primigenius in der Nasallänge unterscheidet, wurde bereits ausgeführt. Aus der Abb. 11 wird klar ersichtlich, daß eine Trennung der beiden Gattungen nach diesem Merkmal also nicht möglich ist. Profillänge: In der Merkmalskorrelation Profillänge-Basallänge (Abb. 12) stimmt der Kouprey am ehesten mit dem Zebu überein. Banteng, Gaur und auch wohl der Ur 208 H. Bohlken haben eine relativ größere Profillänge. Eine Nachprüfung ergab, daß die Allometrie- gerade für die Europäischen Hausrinder nahezu mit der für die Zebus ermittelten zusammenfällt. Die vom Ur verfügbaren Angaben reichen für eine Berechnung der Größenabhängigkeit nicht aus. Profillänge 900 mm - Nasallänge 300 mm javonıcus v taurus (Zebu) javanicus taurus(Zebu) sauveli Basallänge Basallänge Abb. 11 (links). Nasallänge in Beziehung zur Basallänge. Doppelt logarithmische Auftra- gung. (Symbole wie in Abb. 9) — Abb. 12 (rechts). Profllange ı in Beziehung zur Basallänge. Doppelt logarithmische Auftragung. (Symbole wie ın Abb. 9) Schnauzenbreite: Eine große Variabilität zeigt der Kouprey in der Schnauzenbreite (Abb. 13). Wenn überhaupt von einer Übereinstimmung gesprochen werden kann, so ist sie zwischen Kouprey und Zebu am größten, am geringsten zwischen Kouprey und Banteng. Hier sei auf ein methodisches Problem hingewiesen. Noch stärker als bei der Nasal- länge fällt bei der Korrelation der Schnauzenbreite mit der Basallänge eine gewisse Übereinstimmung der Allometriegeraden für Ur und Banteng auf, d. h. man hat den Eindruck, daß beide Formen um eine einheitliche Allometriegerade herum angeord- net sind. Zwar sind auch hier die Allometrieexponenten etwas verschieden (Ur a—= 1,585; Banteng a = 1,431), doch es erscheint fraglich, ob diese Differenz tatsäch- lich signifikant ist. Wir können also mit Recht sagen, daß die zwischen Ur und Ban- teng bestehenden Unterschiede in der Schnauzenbreite keinerlei taxonomischen Wert haben, sondern nur größenbedingt sind. Damit ist aber auch schon die Grenze der Aussagemöglichkeit auf Grund der allometrischen Untersuchung erreicht. Keinesfalls ist es nun statthaft, aus der Anordnung um eine Allometriegerade auf Artgleichheit der verglichenen Formen zu schließen. Dazu müssen natürlich auch alle anderen Merkmale berücksichtigt werden. In diesem Fall wird kein Systematiker auf den Gedanken verfallen, Ur und Banteng in einer Art zusammenzufassen, da eine Fülle anderer Tatbestände dagegen spricht. Es zeigt diese Betrachtung daher deutlich, wie gering der systematische Wert von Einzelmerkmalen ist, und daß nur die Kombination Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 209 Schnauzenbreite - n B e 140mm : h 24 nn ° n o 0/0 \ a & 5 07% ° . n n nn 550 600mm Basallänge Basallänge Abb. 13 (links). Schnauzenbreite in Beziehung zur Basallänge. Doppelt logarıthmische Auf- tragung. (Symbole wie in Abb. 9) — Abb. 14 (rechts). Stirnenge in Beziehung zur Basallänge. Doppelt logarıthmische Auftragung. (Symbole wie in Abb. 9) vieler Merkmale dem Systematiker eine Entscheidung ermöglicht. Dies Problem wird uns später noch beschäftigen müssen. Stirnenge: Bei einer Betrachtung des Kouprey-Schädels fällt auf, daß er im Vergleich zum Banteng-Schädel schlank und gestreckt wirkt. Dieser Eindruck wird durch die graphische Darstellung der Werte für die Stirnenge (Abb. 14) bestätigt. Vor allen anderen verglichenen Arten zeichnet sich der Gaur durch eine relativ zur Basallänge besonders breite Stirn aus; bei ihm ist auch die größenabhängige Veränderung am stärksten. Der Banteng-Schädel ist wesentlich schlanker als der des Gaur, jedoch immer noch breiter als die Zebu-Schädel. Die Werte für die Stirnenge beim Ur sind absolut mit denen des Gaur gleich, relativ zur Basallänge jedoch viel geringer. Die graphische Darstellung zeigt, daß auch die Allometriegerade für die Bantengschädel noch über jener der Urschädel liegt. Die Geraden sind gegeneinander transponiert (MEUNIER, 1959). Die Kouprey-Schädel liegen im Bereich der Variation der Zebu-Schädel, sind aber im Mittel noch etwas schlanker als diese. Somit hat der Kouprey von den be- sprochenen Formen den schlankesten Schädel. Hinterhauptsweite: Die Schlankheit der Kouprey-Schädel prägt sich auch am Hinter- haupt aus. Die in Abb. 15 dargestellte Korrelation zwischen Hinterhauptsweite und Basallänge läßt das klar erkennen. Wieder sind die Gaur-Schädel relativ am breitesten, wenn auch in diesem Maß die Ur-Schädel absolut größere Werte erreichen. Die Hinter- hauptsweite kleiner Gaur-Schädel fällt in die Variationsbreite der Bantengschädel glei- cher Größe, hier liegt ein deutlicher Fall von divergierender Transposition (BOHLKEN 1961a) vor. Klar abgesetzt von gleich großen Gaur- und Banteng-Schädeln bilden die Werte für die Kouprey-Schädel mit jenen für die Zebus eine Gruppe. Dem geringen Material nach zu urteilen, ist aber das Ausmaß der Größenabhängigkeit bei Kouprey und Zebu verschieden, was sich in dem unterschiedlichen Anstieg der Geraden aus- drückt. Die geringe Zahl der Schädel erlaubt aber keine statistische Absicherung dieser Geraden. So kann nur ausgesagt werden, daß Kouprey und Zebu eine Wertegruppe bilden, die sich insgesamt von den anderen Arten abhebt. 210 H. Bohlken GroßBz Hinterhauptsnöhe Ta } 280mm r =. kurus - = - = | Huınterhauptswaute a rmizenius - 220mm / = E h 2 / rn o/ in a j © /primigenius | 4 ea of Sr ° JE zn Nor o/ N o / oo | w a ‚> ‚aurus o/% © >» oo rn / - „Jeraninus (e) - - w / zw EAN EER oJ] 30 fer Br — 220 , 5 7 o - o /®e o oe $» = - 260 n a. 2 f | In J ‚® | / / m / 'B 2 munus 7 | er a | 5 ı v Lo - /; RE taurus / / a - | + BD = 220 | r us [Zepu | sauveli ® tourus [Zebu) U ss app “50 sn = Sbmm Basallänge Sazsa länge Abb. 15 (links). Hinterhauptsweite in Beziehung zur Basallänge. Doppelt logarithmische Auf- tragung. (Symbole wie in Abb. 9) — Abb. 16 (rechts). Große Hinterhauptshöhe in Beziehung zur Basallänge. Doppelt logarırhmische Auftragung. (Symbole wıe in Abb. 10) Große Hinterhauptshöhe: Ein wesentliches Merkmal bei allen systematischen Aufglie- derungen der Rinder ıst die Ausbildung der Hinterhauptsregion am Schädel. Die Größe und Ausdehnung der Parietalia und Interparietalia ist in den verschiedenen Gattungen sehr unterschiedlih (Durrst, 1905). Diesen Unterschieden in der Ausbildung der Parietalregion bei den Rindern liegen zwei voneinander unabhängige Entwiclungs- tendenzen zugrunde. „Einmal ist eine fortschreitende Vergrößerung der Interparietalia bei gleichzeitiger Reduktion der Parietalia zu beobachten, die bei Bubalus beginnt und bei Bison ihren Höhepunkt erreicht. Zum anderen wird eine Neigung zur Verkürzung der gesamten Parietalregion deutlich, die am stärksten bei Bos ausgeprägt ıst.“ (BoHL- KEN, 1958b). Bei Bibos und Bos ist das Verhältnis der Parietalia zu den Interparietalıa annähernd gleich. Die Parietalregion insgesamt aber ist bei der Gattung Bibos noch sehr hoch, während sie bei den Formen der Gattung Bos zu einem schmalen Streifen reduziert ist. Diese unterschiedliche Ausdehnung der Parietalregion ist nur an Schädeln von Foeten dırekt zu beobachten, sie prägt sich aber bei allen Altersstufen ın der Höhe des Hinterhauptes aus. So ermöglicht die in Abb. 16 dargestellte Beziehung zwischen Hinterhauptshöhe und Basallänge eine Trennung der Gattungen Bibos und Bos von- einander. Die Allometriegerade für den Banteng ist gegen diejenigen für die Bos- Formen transponiert und verläuft über ihnen. Das bedeutet, die Hinterhauptshöhe ist beim Banteng relativ zur Basallänge größer als bei gleich großen Schädeln der Gattung Bos. In noch stärkerer Ausprägung ist dies beim Gaur der Fall. Hier läßt sich allerdings keine Korrelation zwischen Hinterhauptshöhe und Basallänge ermitteln, da beim Gaur die Höhe des Stirnkammes und damit die Hinterhauptshöhe, stark von der Horn- stellung beeinflußt wird (BoHLKEn, 1958b). Für diese Korrelation wurden auch die Werte für die Schädel vom Europäischen Hausrind eingezeichnet und berechnet (n = 18; Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 2441 a = 1,403; b = 0,0302; r = 0,803; zw — 0,5897), ebenso die für die Schädel vom Wildyak (n = 6, a = 1,426; b = 0,0271; r = 0,2735; zw = 0,9172). Die Werte für Ur, Yak, Eur. Hausrind und Zebu bilden mehr oder minder einen Punkteschwarm, der deutlich von den Bibos-Arten abgesetzt ist. Die Werte für den Kouprey liegen zwischen denen von Banteng und den Bos-Formen. Die Allometriegerade für die Kouprey-Schädel kennzeichnet etwa die Grenze zwischen Bibos einerseits und Bos andererseits. So ıst also festzustellen, daß die Kouprey-Schädel in diesem Merkmal eine Zwischenstellung zwischen Bibos und Bos einnehmen. Hinterhauptsenge: Beim Vergleich der Kouprey-Schädel mit Schädeln von Arten der Gattungen Bibos und Bos fällt die starke Einschnürung des Hinterhauptes durch die Schläfeneinschnitte beim Kouprey auf. Durch dieses Merkmal unterscheidet sich der Kouprey klar von allen anderen verglichenen Formen. Nur beim indischen Büffel, Bubalus arnee (Kerr), sınd die Werte für die Hinterhauptsenge ähnlich klein. Ich konnte bereits 1958 nachweisen, daß bei Bibos javanıcus dıe Hinterhauptsenge umso kleiner wird, je mehr die Hornbasen einander genähert sind. Diese Korrelation zwischen Hornbasenabstand und Hinterhauptsenge wurde jetzt erneut an einem größeren Ma- terial überprüft. In der Abb. 17 ist diese Beziehung bei Ur, Zebu, Europ. Hausrind, Yak, Banteng, Balirind, Gaur und Kouprey graphisch dargestellt. Aus dieser Auf- tragung geht zunächst hervor, daß die Werte für die Kouprey-Schädel annähernd in der Verlängerung der Allometriegeraden für dıe Banteng-Schädel liegen. Das bestätigt meine Feststellung von 1958, daß die Kouprey-Schädel in diesem Merk- mal der Korrelation folgen, die innerartlich beim Banteng gilt. Hinterhauptsenge ln ae Das bedeutet anders ausge- 0 0 o. drückt: Ein Banteng-Schädel, bei = 2 2 Sa 2. dem die Hörner so dicht wie 5 ie, beim Kouprey gestellt wären, 200 > = : primigenius würde auch eine so kleine Hin- terhauptsenge wie der Kouprey haben. Das bestätigen auch die eingetragenen Werte für den PER domestizierten Banteng (n = 10; a = 0,4925; b = 7,516; r = Dr o 0,294; zw — 0,7646). Dadurch 4.“ wird ersichtlich, daß die starke Einschnürung des Hinterhaup- tes beim Kouprey durchaus im Bereich der Ausprägung dieses Merkmals in der Gattung Bibos liegt. Die Formen der Unter- gattung Bos (Bos) heben sich ın dieser Korrelation wieder von der Gattung Bibos ab; selbst Zwergrinder mit sehr DA enggestellten Hörnern erreichen En. nicht die niedrigen Werte für die Hinterhauptsenge, welche Hornbasenabstand für die Masse der Bibos-Schädel Abb. 17. Hinterhauptsenge in Beziehung zum Horn- charakteristisch ist. Die Allome- basenabstand. Doppelt logarithmische Auftragung. triekonstanten für das Europäi- (Symbole wie in Abb. 10) sche Hausrind sind: n = 14; a = jav. domest. A 212 H. Bohlken 1,124; b = 0,489; r = 0,706; zw = 0,6614. Bei den Werten für die Ure ist zu bedenken, daß der Hornbasenabstand nicht zu messen ist, sondern nur der Abstand zwischen den Basen der Hornzapfen. Die wirklichen Werte für den Hornbasenabstand werden also etwas kleiner sein. Das würde sich in der graphischen Darstellung aber nur so auswir- ken, daß die Allometriegerade für die Ure bei gleichbleibender Lage zur y-Achse (Hin- terhauptsenge) in bezug auf die x-Achse (Hornbasenabstand) etwas in Richtung auf den Nullpunkt verschoben würde. Diese Lage würde aber die Unterschiede zu Bibos noch deutlicher hervorheben. Die Werte für die Schädel des wilden Yak [ Untergattung Bos (Poephagus)] variieren bei dieser Korrelation sehr und greifen auf den Bibos-Be- reich über. Für das Problem der systematischen Zuordnung des Kouprey ergibt sich also, daß die Kouprey-Schädel in dieser Korrelation ein Bibos-typisches Merkmal zei- gen. Zusammengefaßt läßt sich auf Grund der allometrischen Untersuchung der Schädel aussagen: Die Schädel des Kouprey stimmen in einigen Merkmalen (Gaumenlänge, Hirnlänge, Hinterhauptsenge) mit denen von Bibos überein, in anderen mit den Schä- deln des Zebu (Profillänge, Stirnenge, Hinterhauptsweite). Die Gattungen Bibos und Bos lassen sich mit allometrischen Methoden nur in wenigen Korrelationen trennen. Das trifft zu für die Hirnlänge, die bei den Bibos-Arten relativ größer ist als bei Bos. Die Kouprey-Schädel liegen hier im Bereich der Gattung Bibos. Weiter ermöglicht die Größe der Hinterhauptshöhe eine Trennung der Gattungen, sie ist bei Bibos relativ zur Basallänge des Schädels größer als bei Bos, was auf der weitgehenden Reduktion der Parietalzone in dieser Gattung beruht. In diesem Merkmal nehmen die Kouprey- Schädel eine Zwischenstellung zwischen Bibos und Bos ein. Schließlich zeigte sich bei der Korrelation der Hinterhauptsenge mit dem Abstand der Hornbasen voneinander im wesentlichen eine Trennung der Gattungen, wobei die Kouprey-Schädel eindeutig die für Bibos charakteristische Merkmalsausformung haben. 2. Metrische Angaben In der Literatur finden sich einige Angaben über Unterschiede im Schädelbau zwischen Bos und Bibos. In jüngerer Zeit haben besonders Pırcrım (1939) und SokoLov (1954) darüber Aussagen gemacht. Bei der Besprechung der Korrelation zwischen Nasallänge und Basallänge wurde bereits darauf hingewiesen, daß dieses Merkmal keine klare Trennung der beiden Gattungen erlaubt, wie PıLcrım (1939) es angibt. Es sollen nun einige andere Merkmale überprüft werden. SoKoLov (1954) führt aus, daß bei Bibos die Breite race den Wangenhöckern (Tuber malare) größer sei als die Breite zwischen den Orbitae (Infraorbitalbreite), während bei Bos und Bison das Verhältnis umgekehrt sein soll. Die Werte für die Wangenhöckerbreite und die Infraorbitalbreite bei den verglichenen Arten sind in Tab. 2 zusammengestellt. Aus dieser Tabelle geht eindeutig hervor, daß die Aussage von SoKoLov über das Verhältnis dieser Breitenmaße für die Gattung Bibos nicht zutreffend ist. Allerdings gibt es bei Wildtieren nur bei den Arten dieser Gattung Schädel, bei denen die Wangen- höckerbreite größer ist als die Infraorbitalbreite. Berücksichtigt man bei Bos nur die Wildformen Ur und Yak, so ist in den Mittelwerten für den Index ein Unterschied zwischen Bos und Bibos deutlich, allerdings überschneiden sich die Variationsbreiten. Immerhin läßt sich für die Wildformen aussagen, daß die Arten der Gattung Bibos relativ zur Infraorbitalbreite eine größere Wangenhöckerbreite des Schädels haben. Das trifft aber nicht mehr zu, wenn man auch die Haustiere der Gattung Bos berück- sichtigt; so liegt der Indexmittelwert für das Europäische Hausrind über dem des Gaur. Die Kouprey-Schädel nun haben einen noch höheren Indexwert als der Banteng. Bei Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 213 ihnen sind die beiden Breitenmaße im Mittel ungefähr gleich groß. In dieser Beziehung stehen sie also Bibos viel näher als Bos. Tabelle 2 Wangenhöckerbreite und Infraorbitalbreite - Wangenhöcker- Infraorbital- Wangenhöckerbreite i. °/o ° breite mm breite mm d. Infraorbitalbreite Bos primigenius 185 — 209 220 - 279 69,8 — 84,1 N 8 195 263 74,3 °/o Bos primigenius f. taurus, Eur. Hausrind 118 -— 194 134 — 215 80,9 —- 107,0 n=17 164 179 IEIE0O Bos primigenins f. taurus, Zebu 133 — 166 150 — 211 84,1- 98,2 n=7 155 75 89,0 %/o Bos (Poeph.) mutus 156 - 183 187 — 237 77,2— 86,0 n=J9 175 214 51,6 %/o Bibos gaurus 165 — 204 164 — 229 76,4 — 106,7 n = 24 181 200 90,6 %/o Bibos javanicus 135 - 174 Bar 192 81,5 - 110,3 n = 24 157 164 96,3 %/o Bibos sauveli 137 — 158 130 - 157 93,2 —- 110,0 n=6 148 147 100,9 %/o Abb. 18 (oben links). Schädel von Bibos sauveli & (M.C.Z.: 38108) — Abb. 19 (oben rechts). Schädel von Bibos sauveli & (M.C.Z.: 46589) — Abb. 20 (unten links). Schädel von Bos pri- migenius & (Z.S.M.: 1943/28) — Abb. 21 (unten rechts). Schädel von Bos primigenius f. tan- rus, Zebu d (M.N.H.N.: 1870 - 243) 214 H. Bohlken Sowohl Pırcrım (1939) als auch SoroLov (1954) weisen auf die unterschiedliche Gestaltung des Hinterhauptes bei Bos und Bibos hin und zwar in bezug auf die Ein- schnürung durch die Schläfeneinschnitte (Hinterhauptsenge). Nach Pırcrım soll bei Bos die Hinterhauptsenge oft doppelt so breit wie die Breite der Condyli occipitales sein, bei Bibos dagegen wesentlich kleiner. SokoLov gibt für Bos an, daß die Hinter- hauptsenge größer ist als die Condylenbreite, bei Bibos-soll es umgekehrt sein. Die Werte für die Hinterhauptsenge und die Condylenbreite sind der Tab. 3 zu entnehmen. Abb. 22 (links). Schädel von Bibos javanıcus & (R.N.H.L.: 15396) — Abb. 23 (rechts). Schädel von Bibos gaurus & (Z.M.H.: [300]) Es zeigt sich, daß hier tatsächlich ein Unterschied zwischen Bibos und Bos besteht, wenn er auch nicht so groß ist, wie man nach den erwähnten Angaben von PıLcrım und SoKoLov erwarten könnte (Abb. 18—23). Tabelle 3 Hinterhauptsenge und Condylenbreite Condylenbreite 1. an Hinterhauptsenge Breite d. Condyli A ir mm occipitales mm a Bos primigenius 197 — 222 131 — 134 59,0- 68,0 1% 210 133 63,5 %o Bos primigenins f. taurus, Eur. Hausrind 108 — 204 90-137 61,6 —- 83,3 n=5 162 117 73,9 %/o Bos primigenins f. taurus, Zebu 114-145 95-115 79,4—- 87,9 n=3 127 106 83,6 %/o Bos (Poeph.) mutus 110-158 115 - 131 80,4 - 112,0 n=8 130 123 95,0 0/0 Bibos gaurus 81-148 101 - 135 86,5 - 149,4 n=17 118 122 105,2 %/o Bıbos javanicus 83 — 142 96-119 81,0— 117,0 n = 23 109 108 100,2 0/0 Bibos sauveli 55- 78 89 - 107 127,1 - 167,2 n 6 70 99 141,9 %/o Die Indexmittelwerte von Ur, Hausrind und Zebu sind wesentlich niedriger als jene von Banteng und Gaur. Dagegen nımmt der Yak eine gewisse Zwischenstellung eın. Ganz klar hebt sich der Kouprey von den anderen Arten ab. Aus den Werten ist ersicht- Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 215 lich, daß bei den Kouprey-Schädeln die Breite der Condylen immer größer ist als die Hinterhauptsenge. Diese Besonderheit am Schädel des Kouprey ist bereits bei der allo- metrischen Analyse erörtert worden und es wurde gezeigt, daß hier trotzdem eine für Bibos typische Merkmalsausprägung vorliegt. Ein anderes Merkmal, das Pırcrım (1939) anführt, ist die Länge der Frontalia im Verhältnis zu ihrer Breite. PıLGrım gibt an, daß bei Bos die Frontalia länger-als breit sein sollen, bei Bzbos dagegen breiter als lang. PıLcrım erwähnt nicht, wo er die Breite der Stirn gemessen hat. Ich habe daher in Tab. 4 drei verschiedene Breitenmaße an der Stirn den Werten für die Frontallänge gegenüber gestellt. Tabelle 4 Längen und Breiten der Stirn . gg | Frontallänge Infraorbitalbreite Biorbitalbreite | Stirnenge mm | mm mm | mm | ea B x Bos primigenius 283 — 323 265 - 279 —_ ni 309 DIID: n = 21! Bos primigenius 283 — 380 —_ 281 - 329 216 — 260 n = 34 327, 307 240 Bos primigenins f. taurus, Eur. Hausrind 187 — 248 134 - 178 184 — 255 157 — 223 n=4 DD. 137 224 189 Bos primigenins f. taurus, Zebu 196 — 210 161 - 169 199 — 217 163 - 176 = 203 165 208 170 Bos (Poeph.) mutus 166 — 230 187 — 237 245 — 295 213 — 240 N 7 200 213 274 228 Bibos ganrus 191 — 245 171 - 232 256 — 289 222 — 277 Dee 222 198 275 250 Bibos javanicus 180 — 265 129199 202 — 243 172 — 219 = 17 214 157% DE) 198 Bibos sauveli 159 — 198 130 — 157 186 — 212 167 - 188 106 175 147% 204 178 1 Die Variationsbreite und der Mittelwert der Frontallänge bei n = 21 entsprechen absolut den Werten bei n = 34. Beim Ur ist tatsächlich wie angegeben die Länge der Frontalia größer als ihre Breite. Beim Europäischen Hausrind und beim Zebu ist die Biorbitalbreite geringfügig größer als die Länge der Stirnbeine, was aber vielleicht bei größerem Material ausgeglichen wird. Dagegen ist beim Yak die Stirn sicher kürzer als breit, und zwar ist selbst die Infraorbitalbreite größer als die Frontallänge. Für den Yak trifft also die Angabe von PırGrRim nicht zu. Nun die Bibos-Arten: Beim Gaur ist sowohl die Biorbitalbreite als auch die Stirnenge merklich größer als die Frontallänge, die Schädel sind sehr breit. Beim Banteng aber ist nur die Biorbitalbreite unwesentlich größer als die Stirn- länge. Hier trifft also die Aussage, daß die Frontalia breiter als lang sind, nicht zu. Beim Kouprey schließlich ist die Frontallänge absolut am kürzesten von allen ver- glichenen Formen. Die Stirnenge ist kaum, die Biorbitalbreite aber deutlich größer als die Länge der Frontalia. Damit steht der Kouprey auch in diesem Merkmal Bibos näher als Bos, wenn man von Bos (Poephagus) absieht. 216 H. Bohlken Nach Coouipce (1940) soll sich der Kouprey durch eine besonders kurze Zahnreihe von den anderen Rindern unterscheiden. Es wurde schon früher ausgeführt (BoHLKEN, 1958b), daß Coouipge zufällig einen Schädel mit sehr kurzer Zahnreihe vorliegen Tabelle 5 E Absolute Zahnmaße Ig. d. Zahn- Ig d.Praemo- | Ig. d. Mo- SS 2 Basallänge reihe ges. larenreihe larenreihe Bos primigenius 17 525 — 605 143 - 182 53 - 69 88-114 566 164 63 102 Bos pr. f. taurus 17 355 -510 122 - 145 48 -56 76- 91 Eur. Hausrind 451 136 53 83 Bos pr. f. taurus 7 371-485 108 - 135 40-51 73—- 88 Zebu 450 126 48 81 Bos (Poeph.) 9 465 -512 133 — 151 53-61 85—- 94 mutus 490 142 5% 89 Bibos sauveli 6 420-475 121 - 150 50-58 74- 9% 456 139 54 87 Bibos gaurus 29 446 - 500 132 — 161 53-70 77- 9 475 145 59 83 Bıbos javanicus 37 398 — 494 129 - 149 51-63 76- 90 | 449 139 58 82 | hatte. Die in den Tabellen 5 und 6 zusammengestellten Maße belegen eindeutig, daß der Kouprey keinesfalls eine besonders kurze Zahnreihe hat; im Mittel der absoluten Werte stimmt er mit dem Banteng genau überein. Bei den relativen Werten der Zahnmaße (Tab. 6) fällt auf, daß die Bibos-Arten Tabelle 6 Relative Zahnmaße Zahnreihe ges. i. %0 En): Basallänge Praemolarenr. i. %/o Molaren Bos primigenius 53,9 — 66,3 61,2 Bos pr. f. taurus, Eur. Hausrind 27,1 - 36,1 57,1-72,4 Bos pr. f. taurus Zebu 25,8- 2971 53,0 - 66,7 58,6 Bos (Poeph.) mutus 27,2 — 31,8 60,9 - 71,8 29,0 64,7 Bibos sauveli 27,4 — 31,9 57,3 - 69,0 63,1 Bibos gaurus 2 27,6 — 34,8 60,9 - 73,0 Bibos javanicus 28,1 — 34,8 62,0 - 77,0 30,9 70,9 Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 217 eine relativ etwas längere Zahnreihe besitzen, als die Bos-Formen. Innerartlich verhält sich die Länge der Zahnreihe zur Basallänge des Schädels negativ allometrisch, d. h. die kleinen Tiere haben relativ längere Zahnreihen als die großen. Zwischenartlich scheint hier eine Isometrie vorzuliegen, d. h. die Zahnreihe ist bei großen und kleinen Arten relativ gleich lang. So hat der Ur eine relative Zahnreihenlänge von 28,9 %/o, der wesentlich kleinere Yak von 29,0 /o. Auch zwischen Gaur und Banteng bestehen weder in den Veriartonebusn noch in den Mittelwerten der relativen Zahnreihenlänge nennenswerte Unterschiede. Erstaun- lich ist die kurze Zahnreihe des Zebu, während die verhältnismäßig lange Zahnreihe der Europäischen Hausrinder gegenüber dem Ur ihre Erklärung in der innerartlichen, negativen Allometrie findet. (Ur: n = 8; b = 565-605; M = 588; ZR %o b = 26,7 Bol 7 = 9285, n — 925 = 525560; M = 547; ZR nb = 25,7 31,4; M = 29,3). Es ist für die relative Länge der Zahnreihe festzustellen, daß sich die beiden wilden Arten der Gattung Bos, Ur und Yak, gegen Banteng und Gaur durch eine relativ kurze Zahnreihe abheben. Der Kouprey unterscheidet sich in diesem Merk- mal nicht von den Bibos-Arten. Betrachtet man das Verhältnis der Längen der Pr en olarenreiheuund. der Molaren- serie zueinander, so ergibt sich ein etwas anderes Bild. Dieses Verhältnis ist zwischen- artlich offenbar weder von der Schädellänge, noch von der Länge der gesamten Zahn- reihe abhängig. Bei Banteng und Gaur sind die Relativwerte am höchsten, d. h. diese Formen haben eine relativ lange Praemolarenserie und entsprechend eine relativ kurze Molarenserie im Vergleich mit den Bos-Formen. Der Zebu dagegen hat die kürzeste Praemolarenserie, was zur Folge hat, daß die Zahnreihe insgesamt sehr kurz ist. Der Vergleich der absoluten Werte für Eur. Hausrind und Zebu belegt eindeutig diesen Sachverhalt. Der Yak steht zwischen Bos und Bibos ın der Länge der Praemolaren- serie, er stimmt am ehesten mit dem Eur. Hausrind überein. Nun der Kouprey: Wäh- rend der Kouprey in der Länge der Zahnreihe völlig mit den Bibos-Arten überein- stimmt, ist das Verhältnis von Praemolaren- zu Molarenserie bei ihm ein anderes als bei diesen Formen. Der Kouprey hat, verglichen mit Banteng und Gaur, eine relativ kurze Praemolarenserie. Hier finden sich Verhältnisse, die ungefähr denen beim Eur. Hausrind entsprechen, also stark an die für Bos charakteristische Merkmalsausfor- mung anklingen. 3. Ethmoidallücke CooLiDge hebt ein weiteres Merkmal des Kouprey-Schädels stark hervor, und zwar das Auftreten der Ethmoidallücke. Er hält das für einen primitiven Charakter und schreibt dazu (p. 486): „Ihe presence of a prominent ethmoid vacuity in the kouprey is I believe the first recorded case among the living wild Bovinae. The fact that it is present in certain fossil bovids (notably Leptobos and Proleptobos) and that so many of the characteristics of the kouprey are primitive makes it less surprising ın this form than it would be in a more progressive bovid.“ Die Ethmoidallücke ist bei fünf der sechs von mir untersuchten Kouprey-Schädel vorhanden (Abb. 24). Bei dem Schädel Nr. 1871-350 aus dem Museum in Paris fehlt sie oder ist zumindest sehr klein. Immer- hin ist somit wohl die Aussage berechtigt, daß beim männlichen Kouprey in der Regel eine Ethmoidallücke vorhanden ist. Da ich keine Schädel von Kühen zur Verfügung hatte, kann ich über das Auftreten der Ethmoidallücke bei Kühen des Kouprey keine Aussage machen. Die Ethmoidallücke ist aber keineswegs ein Merkmal, das den Kou- prey von allen anderen lebenden Bovini trennt. SCHUMANN (1913) schreibt über den Gayal-Schädel (p. 20): „An der Vereinigung von Stirn-, Tränen- und Nasenbein sind gewöhnlich Knochenlücken vorhanden.“ Und über den Gaur (p. 43): „An der Ver- dig eine ziemlich große Kno- thmoidallüke beim Balırınd ädel der Ur-Kuh: a gi Hei = I re EL. : Tarf:: , „Bei dem einzigen Schädel, der mit erhaltenem Nasenbein mir zur Verfügung stand, finden wir beim Zusammenstoß des Tränen-, Stirn- und Nasenbeines eine große Te h bei In können wir aus dem Verlauf des 4 , Artersn ea ne areh Hei den Ahesen ra IANOTKHENnIuUcke und au Del den upDrıgen KWlarlic — Stirn- und Tränenbeines auf eine Knochenlüke dort schließen.“ Beim Ur-Stuer Aindet I } Fthmoidallücke am Schädel von Bibos javanıcus birmanıcus 3 (IM.N. N 40-341) — 97 chts). Durch angelagerte Knochensubstanz fast völlig geschlossene Ethmoıdallücke am Schädel von Bıbos javanıc wwanicus 5 (R.N.H.L.: 15395 ” ww; \ . . e ln c einem Material kann ich diese Angaben noch ergänzen. Zunächst für den pr E; ni ni = 5 untersuchten männlichen Gaurschädeln haben 11 eine deutliche Ethmoı- = 7 = 7 .— 1 lücke seltener; N “ - nn: es 1 5 ru yo u Lo a u —= | = x Bu Zus DE anchmal eıne kleıne Lücke, aber auch beı Bullen-Schädeln ıst sıe zu oO uf (Abb. 26). An dem Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 219 Schädel eines Bullen des Javabanteng, Bibos javanicus javanicus (Rijksmuseum Leiden Nr. 15395), ist eine deutliche Ethmoidallücke zu beobachten, die aber teilweise durch angelagerte Knochensubstanz wieder geschlossen ist (Abb. 27). Aus alldem ergibt sich, daß eine Ethmoidallücke am Schädel sowohl in der Gat- tung Bos als auch in der Gattung Bibos auftreten kann. Sie ist damit nicht als ein ausgesprochen primitives Merkmal zu werten, wie CooLIDGE (1940) meint. Weiter ist das anscheinend regelmäßige Vorkommen einer Ethmoidallücke beim Kouprey keine Besonderheit, die den Kouprey von den anderen Arten der echten Rinder grundlegend unterscheidet. 4. Profillinie Ein Merkmal, dem bei der Einteilung der Rinder eine gewisse Bedeutung zukommt, ist die Art des Überganges vom Hinterhaupt zur Stirnfläche. Dieser Übergang ist um so gleitender, je mehr die Parietalfläche gegen die Occipitalfläche nach vorn abgewinkelt ist. Bei Bibos ist die Parietalfläche mehr oder minder senkrecht zur Occipitalfläche ge- stellt, bei Bos primigenius ist sie nach hinten gegen die Occipitalfläche abgewinkelt. Beim Kouprey ist die Parietalregion ziemlich stark nach vorn geneigt und geht all- mählich in die Stirn über. In der Abb. 28 sind die Profillinien der sechs Kouprey- Schädel aufgezeichnet. (Die Profillinien wurden mit Hilfe einen Bleibandes gezeichnet.) Diese Darstellung zeigt deutlich die Winkelung zwischen Occipital- und Parietal- fläche und den gleitenden Übergang in die Stirnfläche. Zum anderen ist ersichtlich, daß die drei Schädel aus dem Pariser Museum (6727; 10801; 1871-350) auch in diesem Merkmal mit dem Typus und den beiden Schädeln aus Harvard völlig übereinstim- men, die Variabilität ist gering. 1940-51 A 10801 1873-350 Abb. 28. Profillinien der Schädel von Bibos sauveli & &. - Nr. 38108 und Nr. 46589 aus Mus. Comp. Zool., Harvard. Die anderen aus Mus. Nat. Hist. Nat., Paris 220 Nun der Vergleich mit den anderen Arten. Der Gaur hebt sich durch den hohen Stirnkamm sehr deutlich von den anderen Formen ab (Abb. 29); die Parıe- talfläche ist bei ihm sehr steil ge- stellt, wie es in ähnlicher Weise auch bei dem abgebildeten Ban- teng-Schädel der Fall ıst. Beim Yak ist die Parietal-Zone stär- ker geneigt als bei dem Ban- teng, doch nicht so stark wie beim Kouprey. Parietalregion und Stirn bilden beim Yak einen Winkel miteinander, der in der Regel nur wenig größer als 90% ist. Beim Kouprey ist dieser Winkel erheblich größer. Die Gegenüberstellung der Pro- fillinien von Kouprey und Ur ist in Abb. 30 durchgeführt. Bei dem Ur ist die Neigung der Pa- rietalfläche nach hinten und der spitze Winkel zwischen Stirn und Hinterhaupt auffällig. Es H.Bohlken | Ins N ae Abb. 29. Profillinien von Bibos sauveli & (M.N. H.N.: A 10801); Bibos gaurus & (B.Z.M.: 47176); Bibos javanicus & (M.N.H.N. 1885 — 382) und Bos (Poephagus) mutus (M.N.H.N.: 1896 — 2016) bestehen keinerlei Ähnlichkeiten der Profillinien bei diesen Arten. Die Stellung der Parietalzone bei Europ. Hausrind und beim Zebu (Abb. 31) stimmt schon eher mit den Gegebenheiten beim Kouprey überein. In der Regel ist die Parietalfläche bei Europ. Hausrind und Zebu viel steiler gestellt und oft nach hinten geneigt, wie beim Ur. Die hier abgebildeten Schädel belegen jedoch, daß auch bei diesen Formen eine starke Neigung der Parietalregion nach vorn, verbunden mit einem relativ großen. Winkel zwischen Stirn und Hinterhaupt (beachte Zebu), vorkommen kann. Gleich- zeitig macht die Abb. 31 den Unterschied in der Höhe des Hinterhauptes bei Bibos und Bos anschaulich, was in Abb. 32 ebenfalls deutlich zum Aus- druck kommt. Diese Darstel- lung zeigt eine starke Ähnlich- keit der Profillinien von Kou- prey und Balırind auf, besonders ım Hinblick auf die Stellung der Parietalregion. Die hier ab- gebildete Profillinie eines Eur. Hausrindes erinnert an die Ver- hältnisse beim Ur. Die Profil- linie des Hausyak-Schädels läßt gut erkennen, daß die Sagiıttal- naht im Stirnteil hinter den Or- bitae wulstig und die Stirnfläche zwischen den Orbitae eingedellt ist, wie es für Bos (Poephagus) allgemein typisch ıst. Es erhebt sich die Frage, 1940-51 —_ m Abb. 30. Profillinien von Bibos sauveli & (M.N.H.N.: 1940-51 und M.C.Z.: 38108) und Bos primigenius & (Z.S.M.: 1943/28) Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 welchen taxonomischen Wert die aufgezeigten Unterschiede im Verlauf der Profillinie ha- ben. Ganz sicher sind einige Merkmale von Bedeutung für die Systematik, wie der hohe Stirnkamm des Gaur oder der nach hinten gerichtete Stirnwulst 1940-51 ee -- een _ -_ -.o -- Fe Fa u .- ..- ze 8078 221 des Ures. Aus der Neigung der Parietalregion Schlüsse auf ver- wandtschafllichke Zusammen- hänge zu ziehen, erscheint je- doch nicht gerechtfertigt. Es konnte schon früher nachgewie- sen werden, daß die Stellung der Parietalfläche abhängig ist von der Hornstellung (BoHL- KEN, 1958b), und zwar in dem Sinne, daß die Parietalregion sich um so stärker aufrichtet, je EN mehr die Hörner nach den Sei- ten gerichtet sind. Das konnte bei Bubalus und bei Syncerus nachgewiesen werden, ebenso beim Banteng. Für Bibos java- nicus soll hier noch an einem Beispiel dieser Zusammenhang ...... aufgezeigt werden (Abb. 33). Bei der Unterart B. jav. lowi von Borneo sind die Hörner am stärksten nach hinten gerichtet und die Parietalregion ist we- sentlich mehr als bei 2. . javanı- cus oder B. j. birmanicus nach vorn geneigt. Bei der in Abb. 33 wiedergegebenen Profillinie des Schädels B.Z.M. 46197 von B. ]. lowi ist diese Neigung nach vorn mindestens ebenso stark wie beim Kouprey. Die Hornbasen der Kouprey-Schädel sind stärker nach hinten gerichtet als beim Banteng, der Winkel zwischen den Hornbasen ist bei ihnen un- gefähr so groß wie beı B. jav. lowı. Der Vergleich der Profil- linien lehrt also, daß die starke Neigung der Parietalregion nach vorn beim Kouprey nicht als eine abweichende Besonderheit bewertet werden darf. ÄAhn- Abb. 31. Profillinien von Bibos sauveli & H.N.: 1940-51); Bibos javanıcus & (R.N. 15 389); Bos Be taurus, Zebu g, BON: 8078) Abb. 32. Profillinien von Bibos sauveli & (M.N.H.N.: 1871-350), Bibos javanicus f. domestica & (B.Z.M.: 6078), Bos (Poephagus) mutus f. grunniens 5 (B.Z.M.: 199) und Bos primigenius f. taurus 5 (Hornloses Haus- Rind) ZEI 2 727)) Abb. 33. Profillinien von Bibos javanicus &; B. j. bir- manicus (B.M.: 33. 7. 7. 1), Hornbasenwinkel: 155°; B. j. lowi (B.Z.M.: 46 197), Hornbasenwinkel 80° 222 H. Bohlken liche Verhältnisse finden sich beim Banteng, beim Balırınd und auch beim Zebu. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, daß sich auch beim Kouprey ein Einfluß der Hornstellung auf diese Schädelgestaltung auswirkt. 5. Vergleich der Hörner . a. Kouprey: Der Hornverlauf bei Kouprey, Gaur und Banteng ist bereits bei der all- gemeinen Kennzeichnung der Arten besprochen worden. Es sollen jetzt im wesentlichen noch metrische Angaben folgen. Tabelle 7 Hornmaße von Bibos sauveli B.sauvel Gg' dd A 6727, A 10801, n—=9 1871 — 350,;n —=3 2onZ—3 Hornlänge 615 - 1010; 817 880 — 1240; 1058 540-711; 616 Umf. d. Hornes a. d. Basıs 303-381; 343 285 935:,.312 191-216; 199 Basısumfang ın ®%o der Hornlänge 36,4-49,3; 42,4 27,0- 32,4; 29,8 26,9 - 36,2; 32,8 n =6 Hornbasenabstand zZ All 2294 85-105; 95 89-95; 93 Gr. Auslage n 6 der Hörner 720-965; 850 760-980; 890 483 - 603; 533 Abst. d. Hornspitzen n=5 voneinander 343 - 630; 480 305-605; 413 356-559; 451 Winkel n=4 (1v. CooLıDge, 1940) zw. d. Hornbasen 10542532113 95 —100; 98 — Für Kouprey-Hörner hat Lekacur (1952) eine Reihe von Maßen veröffentlicht, die ın der Tab. 7 mit enthalten sind. In dieser Tabelle sınd die Werte für die Schädel M.N.H.N.: A 6727, A 10 801 und 1871-350 gesondert aufgeführt, da sich nun an Hornbasısumfang 400mm Hornlänge Abb. 34. Hornbasisumfang in Beziehung zur Hornlänge bei Bibos sau- veli & (X). Doppelt logarithmische Auftragung. M.N.H.N.: A 6727; A 10801 und 1871 - 350: (®&) Zi Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 223 dem größeren Material meine Feststellung von 1958 bestätigt, daß diese Schädel eine andere Proportionierung der Hörner aufweisen, wie die in den letzten Jahren ge- sammelten Koupreys. Die Hörner der drei Pariser Schädel sind sehr viel schlanker als jene der anderen Koupreys. Dieser Sachverhalt wird bei der graphischen Darstellung der Korrelation zwischen Hornlänge und Hornbasisumfang sehr anschaulich (Abb. 34). Die für die 3 Pariser Schädel ermittelte Allometriegerade (a = 0,476; b = 11,37; r = 0,9981; zw = 0,9998) ist stark gegen jene für die anderen Kouprey-Hörner ver- setzt (n = 9; a = 0,612; b = 5,69; r = 0,8102; zw = 0,7977). Wie die Werte für den Allometrieexponenten a zeigen, besteht hier eine negative Allometrie, d. h., die Hörner werden mit zunehmender Länge relativ schlanker. Die absolut längeren Hörner der drei Pariser Schädel sind aber nıcht nur relativ, sondern auch absolut von geringerer Dicke. Die graphische Darstellung läßt erkennen, daß sie nicht im Bereich der für die Kouprey-Hörner berechneten Allometriegeraden liegen, sondern deutlich davon ab- gesondert sind. Das bedeutet also, daß in diesem Merkmal die drei Pariser Schädel von den anderen Schädeln in einem Ausmaß abweichen, das nicht durch größenbedingte Änderungen erklärt werden kann, sondern dem andere Faktoren zugrunde liegen müssen. Dieser Unterschied ın der Horn- proportionierung, bei der vorher festge- stellten Übereinstimmung der Schädel- merkmale, macht die drei Pariser Schädel wichtig bei allen Erörterungen um die Her- kunft und systematische Stellung des Kou- prey. Auf diesen Umstand soll später ein- gegangen werden. Im Hornverlauf stimmen die drei Pari- ser Schädel mit den Kouprey-Schädeln überein. Durch die Länge der Hörner kommt es bei ihnen jedoch zu einer Spiral- bildung. Auch ım Hornbasenabstand und in der Richtung der Hornbasen (Winkel zwischen den Hornbasen) bestehen keine Unterschiede, die nicht durch natürliche Variation gedeutet werden können (Abb. 35). Eine Besonderheit der Hörner des männlichen Kouprey ist das Aufsplittern der Hornscheide dicht unterhalb der Spitze. Das abgesplitterte Horn bleibt als ein Kranz von Fransen stehen, der dem Kou- prey-Horn ein eigentümliches Aussehen gibt. Diese Erscheinung soll nach Sauver (1949b) und WHARTOoN (1957) bei Bullen im Alter von 4 Jahren beginnen und bei sıeben- bis achtjährigen Tieren abgeschlossen sein. CooLiDGE (1940) hält es für wahrschein- lich, daß die Hörner beim Graben im Bo- den aufsplittern. Er meint, daß so starkes Aufsplittern des Hornes bei keinem ande- ren lebenden Boviden vorkommt. Auch Abb. 35. Schädel von Bibos sauveli 4. Oben: M.N.H.N.: — Mitte: M.N. ELN. MD AR N Epmonnd-Branc (1947) glaubt, daß das 1871 - 350 Wühlen und Graben im Boden die Ursache 224 H. Bohlken für das Aufsplittern der Hörner sei. Er schreibt: „It appears possible, therefore, that they turn up the soil in this way in order to sharpen their horns and that in the process the horns are shredded. They continue to do this in order to keep the ex- posed point sharp.“ Demgegenüber legte MoHr (1949) dar, daß bei allen Rindern in einem bestimmten Lebensalter neues Horn an der Spitze der alten Hornscheide durch- bricht. Dadurch splittert die alte Hornscheide auf, und es entsteht ein solcher Kranz von Fransen, wie er das Kouprey-Horn auszeichnet. MoHr gibt Abbildungen vom Horn eines vierjährigen Wisentbullen, bei dem ın ähnlicher Weise wie beim Kouprey dicht unterhalb der Hornspitze ein Fransenkranz zu beobachten ist. Beim Wisent und anderen Rinderarten verschwinden aber die Splitter der alten Hornscheide über kurz oder lang, und das Horn wird wieder glatt. Die Hornfransen werden nach MoHr beim Wühlen im Erdboden abgerissen. Dazu schreibt MoHr, daß die erwachsenen Bullen aller Rinder- artigen mit den Hörnern ım Boden graben — „it appears they need to work off their surplus energies“. — Der Meinung von EpMmonD-BLaAnc, daß dieses Wühlen im Boden geschieht, um die Hornspitzen zu schärfen, widerspricht MoRR. Sie führt überzeugend aus, daß im Gegenteil die Hörner dabei zwar glatter, aber immer stumpfer werden. SauvEL (1949b) glaubt nicht, daß die Kouprey-Bullen mit den Hörnern im Boden graben. Er deutet das Aufsplittern der Hörner als Folge eines physiologischen Pro- zesses;, der mit dem Fortpflanzungsgeschehen im Zusammenhang stehen soll. SAuvEL nimmt an, daß das Aufsplittern irgendwie hormonal bedingt und durch die im Alter nachlassende Produktion von Geschlechtshormonen hervorgerufen sei. Zur Unterstüt- zung seiner These führt er an, daß die Bullen mit Fransenkranz an den Hörnern Einzelgänger ohne Kontakt zu weiblichen Tieren seien, woraus er folgert, daß sie nicht mehr an der Fortpflanzung teilnehmen. Gegen diese Ansichten haben sich bereits WHARToN (1957) und BRAESTRUP (1960) ausgesprochen. WHARTON weist darauf hin (p. 55), „that the only living part of a bovine’s horn is the central bony core. It would therefore be somewhat difficult to explain how the tip of a kouprey’s horn could be influenced by any changes within the hormonal balance of the body.“ Auch sonst kommt WHARToN zu anderen Schlüssen als Sauver. Über das Wühlen mit den Hörnern schreibt er (p. 53) „Evidence from the present study confirms the fact that kouprey bulls have a habit of plunging their horns into the ground. Moreover, it appears that they also use them in mineral licks and possible ın other moist areas, such as near water- holes.“ WHarrton glaubt, daß die Bullen sich mit den Hörnern Schlamm auf den Kopf und Körper werfen. Besonders für die alten Bullen soll das charakteristisch sein. Weiter führt WHARTON aus (p. 54) „We noticed no particular indication of the shredded- horned bulls to be solitary anımals ”living in seclusion“. Generally, one could expect a greater proportion of solitary bulls to exhibit shredding, since it is generally conce- ded that in the bovines, older bulls are likely to become lone anımals.“ Auf diesen letzterwähnten Sachverhalt weist auch BRAEsSTRUP (1960) hin, der betont, daß gerade die Bullen in dem fraglichen Alter (Beginn des Aufsplitterns mit 4, Abschluß mit 7, spätestens 8 Jahren) die kräftigsten Zuchtstiere sind. WHARTON gibt nun eine andere Ansicht über das Aufsplittern der Hörner. Er schreibt (p. 54): „These constant mud- baths may soften and hasten the breakdown of the outer sheath of the kouprey’s horn, and the act of digging in the soil, in banks, termite mounds, and plant roots certainly gives sufficient resistance to peel back the horn fibers. The inner portion or hard black tip of the horn may be of a different structure or density, from that of the horn sheat that splits away from it.“ Und weiter (p. 55): „Subject to constant mud-baths and earth-gougings, this outer layer could conceivably break down and form the remarkable tassel so characteristic of the older bulls. Differences in structure, such as hardness (as shown by CooLipge’s test), the repeated moisture baths, and the greater earth-gouging habit of the kouprey may account for the superior tassel of the kouprey compared to its more modest development in the banting, Gaur, bison and Brahman Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 225 cattle.“ WHArTon bestätigt, daß auch bei Banteng, Gaur, Bison und Brahmanen-Zebu die Hornscheide aufsplittert. An vielen Banteng-Hörnern sind „Stufen“ als Reste da- von sichtbar. In jüngster Zeit hat BRAESTRUP (1960) eine neue Deutung des Fransenkranzes am Kouprey-Horn gegeben. Er vergleicht dieses Gebilde mit den Sprossen des Hirsch- geweihes und ist der Meinung, daß dadurch die imponierende Wirkung des Horns er- höht wird. Darüber hinaus soll der Kranz als Artkennzeichen den Kouprey von den anderen Rindern des Gebietes (Banteng und Gaur) stärker abheben und so in der Fort- pflanzungsperiode ein Hemmnis für Bastardierungen bilden. Hier wird wohl dieser Erscheinung beim Kouprey eine zu große Bedeutung beigemessen. Die Entstehung des Fransenkranzes ist mit den von MoHRr (1949) gemachten Feststellungen zu erklären, wobei vielleicht die von WHARTON hervorgehobenen Verhaltenseigenarten des Kou- prey eine zusätzliche Rolle spielen. Es erhebt sich dann die Frage, warum die abge- splitterten Hornteile beim Kouprey nicht wie bei den anderen Rindern relativ rasch ganz abgestoßen werden. Dafür gibt es m. E. eine einfache Erklärung. Nach MoRRr reiben die anderen Arten die Hornsplitter beim Wühlen oder Boh- ren im Boden ab. Nun, der Kouprey soll nach WHARTON sogar beson- ders häufig mit den Hör- nern ım Boden arbeiten; er kann aber dabei wohl nicht die Hornsplitter abschaben, da er — be- dingt durch Stellung und Verlauf der Hörner - nicht weit genug mit den Spitzen in den Boden sto- ßen kann. Diese Deutung drängt sich bei Betrach- tung der Schädel mit den Hörnern auf, sie müßte an lebenden Tieren über- prüft werden (Abb. 36). Auffallend ist jedenfalls, daß bei dem Schädel M. C. Z. 38 108, der einzige, die den Eransen- Abb. 36. Bibos sauveli 5 (M.C.Z.: 38108). Beachte die Horn- stellung. Nach einer Photographie bei CooLipceE (1940; pl. 2, kranz beobachten konnte, Fig. 4), umgezeichnet von B. NETELER die Hornsplitter an der Außenseite der Hörner weit stärker abgerieben sind, als an der Innenseite (Abb. 18). Das ist erklärlich, da das Tier das Horn mit seiner Außenseite sicher auf dem Boden oder sonstwo reiben kann, während die dem Schädel zugewandte Seite des Hornes schwerlich in dieser Weise abgerieben werden kann. So ist wohl der Fransenkranz am Kouprey-Horn keine Besonderheit, die irgendwie eine biologische Funktion oder einen systematischen Wert besitzt. CooLipGE (1940) hebt nachdrücklich hervor, daß der Hornzapfen des Kouprey einen primären Kiel hat, was nach Pırcrım (1939) als primitives Merkmal zu deuten 226 H. Bohlken ist. Der Kiel ist auf Abb. 18 am Schädel M.C.Z. 38 108 deutlich sichtbar. Dagegen ist am Hornzapfen des Schädels M.C.Z. 46589 kein solcher Kıel vorhanden, eben- falls nicht an dem Hornzapfen einer Stirnplatte (A.M.N.H. 89 003), die CooLipGe vergleichsweise heranzog. Der Schädel M.C.Z. 46 589 und die Stirnplatte A.M.N.H. 89 003 stammen von jüngeren Tieren als der Schädel M.C.Z 38 108, was möglicher- weise die Ausbildung dieses Merkmals beeinflußt. Jedenfalls müßte an einer größeren Serie von Hornzapfen von Kouprey-Bullen die Häufigkeit des Auftretens des Kiels überprüft werden. Bevor keine genaueren Angaben darüber vorliegen, darf diesem Merkmal wohl kein zu großer Wert beigemessen werden. b. Vergleich der Gehörne von Kouprey und anderen Rindern: Von allen besprochenen Arten hat der Kouprey das schlankeste Horn. Das ergibt sich aus einem Vergleich der Werte für Hornlänge und Hornbasisumfang in Tabelle 8. Der Kouprey hat im Mittel die größte Hornlänge, allerdings nur wenig mehr als der Yak. Banteng und Gaur haben erheblich kürzere Hörner. Tabelle 8 Hornmaße = Ben | Bos (Poepb.) Bibos sauveli = Bibos B Bibos gaurus B taurus, Zebu mutus | 3. JAVanıcus > n=6 n=7 | Eee | Bear =. Hornlänge 340 - 725 723 - 1015 615 - 1010 441 - 760 545 - 79% 488 805 817 608 662 Hornbasisumfang 225 — 340 350 - 460 303 — 381 288 — 461 325 - 49% 276 383 343 359 435 Umfang in %/o 42,1 -73,5 41,4 -52,6 36,4 - 49,3 477-822 53,6-78,3 der Länge 59,7 47,8 42,4 397 66,0 n=6 Hornbasen- 92 - 202 174 —- 230 75-11l1l 117 —- 242 183 — 285 abstand 132 200 94 159 234 n=6 Größte Auslage 380 — 940 739-1030 ° 720-965 557-1065 65-1110 658 819 850 765 834 nee Spitzenabstand 210-925 317 - 490 343 - 630 311-720 255 - 870 545 400 492 455 Dagegen ist bei Yak, Banteng und Gaur der Hornbasisumfang absolut größer als beim Kouprey, am größten beim Gaur, der die kräftigsten Hörner hat. Die Gaur- Hörner sınd auch im Vergleich mit Banteng-Hörnern plumper, diese aber noch wesent- lich dicker als die des Kouprey. Das belegen auch die Werte für den Hornformindex Hornbasisumfang x 100, — - obwohl diese Indexwerte nur bei Hörnern gleicher Länge Hornlänge wirklich vergleichbar sind. Wie gezeigt wurde, besteht zwischen Hornbasısumfang und Hornlänge innerartlich eine negative Allometrie; die Hörner werden also mit zuneh- mender Länge relativ schlanker. Insofern ist beim Kouprey der geringste Indexwert zu erwarten, da er die längsten Hörner hat. Beim Vergleich mit Banteng, Gaur und Yak geht aber aus den absoluten Werten eindeutig hervor, daß die Schlankheit der Kouprey-Hörner nicht nur eine Folge ihrer größeren Länge ist, sondern daß hier ein Formunterschied vorliegt. Der Vergleich der Kouprey-Hörner mit jenen der Zebus ist nicht so einfach, da die Werte für Hornlänge und Hornbasisumfang des Zebu wesent- lich von denen des Kouprey abweichen. So ist nicht ohne weiteres zu entscheiden, ob der höhere Indexwert der Zebus nur durch die geringere Hornlänge bedingt ist oder WE Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 227 ob auch hier Formunterschiede bestehen. Wenn man aber die Allometriegerade für die Kouprey-Hörner über den realisierten Bereich hinaus gegen den Nullpunkt zu ver- längert, so zeigt sich, daß die Zebu-Werte über dieser Geraden liegen, d. h., auch die Zebu-Hörner sind plumper als die Kouprey-Hörner. Das Horn des Kouprey zeichnet sich also vor den Hörnern der anderen Arten durch große Länge und außerordentlich schlanke Form aus. Auffallend ist bei den in Tab. 8 zusammengestellten Maßen weiter der geringe Tabelle 9 Hornmaße bei Kühen 22 ee S Bibos De Bibos gaurus ne 37 n=1 ee n— 5 alt Hornlänge 115 — 280 540-711 215 - 475 350 - 685 Jay 455 616 324 502 Hornbasisumfang 95-185 191 - 216 180 — 202 276 - 335 140 180 199 190 306 Umfang X 100 57,5 — 82,6 26,9 — 36,2 37,9 — 88,3 44,5 — 80,0 Länge 67,3 39,6 32,8 63,2 62,3 Hornbasen- 75-140 89 - 95 98 — 186 141 — 251 abstand 103 189 93 127 197 Größte Auslage 180 — 680 483 — 603 240 — 475 485 — 845 381 510 SR) 315 596 Spitzenabstand 165 — 680 356 - 559 58-143 130 - 587 361 293 451 107 299 Wert für den Hornbasenabstand beim Kouprey. Ähnlich niedrige Werte finden sich nur noch beim Zebu und beim Bali- rind (n = 10, 95-161; M = 122). Am weitesten sind die Hörner des Gaur von- einander entfernt. Bei dieser Art erhebt sich zwischen den Hörnern der hohe Stirn- kamm, beim Banteng dagegen ist bei alten Bullen die Haut zwischen den Hornbasen haarlos und völlig verhornt. Beim Kou- prey findet sich diese Stirnhautverhornung nicht. Auf den Zusammenhang zwischen Hornbasenabstand und Hinterhauptsenge des Schädels habe ich bereits hingewiesen. Die größte Auslage der Hörner ist bei Kouprey, Gaur und Yak annähernd gleich, während sie beim Banteng im Mit- tel etwas kleiner ist. Die Aussage, daß das Kouprey-Horn durch große Länge und schlanke Form ausgezeichnet ist, gilt auch für die Kühe (Tab. 9). Die Hörner der Kouprey-Kuh N | sind länger und schlanker als jene von Ey. Banteng- und Gaur-Kühen. Der Vergleich Hl mit der Yak-Kuh ist schwierig, aber es EEE Echsen Ser siebenjährigen Kou- scheint, als ob die Kouprey-Kühe auch ge- prey-Kuh. Aus Sauver (19495) 228 H. Bohlken genüber der Yak-Kuh relativ schlankere Hörner haben. Der Hornbasenabstand ist beim Kouprey bei Bullen und Kühen annähernd gleich, während bei den anderen Arten die Hörner der Kühe enger gestellt sind als die der Bullen. Die Hörner der Kouprey-Kuh sind lyraförmig geschwungen (Abb. 37), die Spitzen sind nach hinten und außen gerich- tet. Dadurch ergibt sich ein großer Abstand zwischen den Spitzen der beiden Hörner. Leider standen mir keine Schädel von Kouprey-Kühen zur Verfügung, so daß ich über Sexualdimorphismus am Schädel keine Aussage machen kann. Im Gehörn besteht ein recht auffälliger Geschlechtsunterschied, der aber nicht so groß ist, wie beim Yak oder beim Banteng. Besonders der Java-Banteng (Bibos jav. javanicus) ist durch einen sehr starken Sexualdimorphismus ausgezeichnet, worauf kürzlich Hooıjer (1958) wieder aufmerksam gemacht hat. Auch beim wilden Yak ist der Sexualdimorphismus außer- ordentlich ausgeprägt. Einen ungefähren Ausdruck für den Geschlechtsunterschied in der Stärke der Behornung erhält man, wenn man die Mittelwerte für die Kühe in Pro- zenten der Mittelwerte für dıe Bullen ausdrückt (Tab. 10). Es kann sich in Anbetracht des geringen Materials und der unterschiedlichen Anzahl von Bullen- und Kuhschädeln dabei aber nur um eine grobe Annäherung handeln. Tabelle 10 Sexualdifferenz in der Behornung | | | | | |: Bospr.f. \Bos (Poöph)| Bibs | Bibos | | | Bibos | taurus Zebu | mutus | sauvei | javancus | _gaurus | | | | | M-Hornlänge O9 z 100 43,3 56,5 75,4 53,3 75,9 M-Hornlänge & Ö M- . : + Hornbasisumf. Q92 X 100 50,7 47,0 58,0 53,0 70,3 M-Hornbasisumfang dd Immerhin belegt diese Aufstellung, daß Yak und Banteng eine größere Sexual- differenz in der Hornstärke zeigen als der Kouprey. Am geringsten sind die Unter- schiede beim Gaur. Den größten Geschlechtsunterschied im Hornverlauf, der Krüm- mung der Hörner also, weist der Java-Banteng auf. Der Hornverlauf beim männlichen Kouprey erinnert stark an den wilden Yak (Abb. 38). Besonders die Neigung der Hörner nach vorn ist beim Kouprey auffällig und ist nach SokorLov (1954) der wesentlichste Unterschied zu Banteng und Gaur. Eine solche Richtung der Hörner nach vorn gilt als ein typisches Merkmal der Gattung Bos, bei Bibos sind die Hörner nach hinten geneigt (besonders stark beim Gaur). Auch sonst ist die Krümmung der Hörner beim Kouprey yakähnlic, allerdings sind die Hörner beim Yak nicht an der Basis abgesenkt wie beim Kouprey, der hier eine Überein- stimmung mit dem Banteng zeigt. Außerdem ist der Abstand der Hornbasen von- einander beim Yak größer, ebenso der Winkel zwischen den Hornbasen, d. h. die Horn- basen sind weit stärker seitlich gestellt als beim Kouprey. Abgesehen von diesen Unter- schieden besteht jedoch eine auffällige Ähnlichkeit im Hornverlauf zwischen Yak und Kouprey. Das gilt auch für die Hörner der Kühe (Abb. 39). Es wurde bereits früher darauf hingewiesen (BOHLKEN, 1958b), daß im Pariser Museum ein Zebu-Schädel vor- handen ist, bei dem der Hornverlauf deutliche Anklänge an die Verhältnisse beim Kou- prey zeigt (M.N.H.N. 1870-243) (Abb. 6, 21, 42). Dieser Schädel stammt von einem Tıer aus Kambodscha, es handelt sich also dabei um eine der vielen Lokalrassen des Zebu aus Hinterindien. | Das Horn des Kouprey ist im Querschnitt deutlich oval und stimmt darin mit Gaur und Banteng überein, während bei Bos der Hornquerschnitt mehr rundlich ist. Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 229 Abb. 38. Schädel von Bos (Poephagus) mu- tus & (B.M.: 3958) Abb. 39 (rechts). Schädel von Bos (Poephagus) mutus @ (B. M. 29. 5. 31) 6. Zusammenfassung der Ergebnisse des Schädel- und Hornvergleiches Neben der Frage, ob der Kouprey auf Grund von Schädel- und Hornbesonderheiten in seiner systematischen Stellung beurteilt werden kann, ergeben sich aus der ver- gleichenden Untersuchung der Schädel zwei andere Probleme. Das erste ist die Tren- nung der Gattungen Bos und Bibos und das zweite Problem ist die Berechtigung der von CooLIDGE (1940) aufgestellten Gattung Novibos. Die Bedeutung der vorgetra- genen Befunde für diese drei Fragestellungen ist zu überprüfen. H. Bohlken 230 Abb. 40 (links). Schädel von Bibos sauveli & (MC.Z.: 38108) — Abb. 41 (rechts). Schädel von Bibos sauveli & (M.C.Z.: 46589) Abb. 42 (links). Schädel von Bos primigenins f. taurus, Zebu & (M.N.H.N.: 1870 - 243) — Abb. 43 (mitte). Schädel von Bibos javanicus & (R.N.H.L.: 15396) — Abb. 44 (rechts). Schädel von Bibos gaurus & (Z.M.H.: [300]) a. Unterschiede zwischen den Gattungen Bos und Bibos Die vergleichende Betrachtung der Schädelserien von Bos primigenius und seinen domestizierten Abkömmlingen, Bos (Poephagus) mutus, Bibos gaurus und Bibos java- nicus hat gezeigt, daß es sehr schwierig ist, auf Grund von Einzelmerkmalen die Gat- tungen Bos und Bibos zu unterscheiden. In den meisten Fällen überschneiden sich die Varıationsbreiten oder die Differenzen verwischen, wenn auch die domestizierten For- men berücksichtigt werden. Erst die Kombination mehrerer Merkmale ermöglicht eine Unterscheidung. Gattungsunterschiede ergeben sich bei folgenden Merkmalen: a. Hirnlänge: Bei den Bibos-Arten ist die Hirnlänge relativ zur Basallänge größer als bei den Arten der Gattung Bos, wobei die Beachtung der größenbedingten Propor- tionsveränderungen wichtig ist. b. Hinterhauptshöhe: Das Hinterhaupt ist bei Bibos relativ zur Basallänge höher als bei Bos. Hier prägen sich Unterschiede in der Ausdehnung der Parietalregion aus, die bei Bos weit stärker reduziert ist als bei Bibos. c. Stirnbreite: Bibos hat relativ zur Basallänge eine breitere Stirn als Bos (Stirnenge). d. Hinterhauptsenge: Bei Bibos ıst die Einschnürung des Hinterhauptes durch die Schläfeneinschnitte weit stärker als bei Bos, die Hinterhauptsenge ist also kleiner. Dies zeigt sich sowohl bei der Korrelation zwischen Hornbasenabstand und Hinter- hauptsenge als auch bei dem Index Condylenbreite x 100 Hinterhauptsenge. €. Wangenhöckerbreite: Die Wangenhöckerbreite ist relativ zur Infraorbitalbreite bei Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 231 Bibos größer als. bei Bos (Index Wangenhöckerbreite x 100 Infraorbitalbreite). f. Länge der gesamten Zahnreihe: Bibos hat im Mittel eine relativ zur Basallänge längere Zahnreihe als Bos. Abb. 46. Schädel von Bibos sauveli & (M.N.H.N.: A 6727) Abb. 45. Schädel von Bibos sauveli & (M. N.H.N.: 1940 - 51) Typus von Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 Abb. 47. Schädel von Bibos sauveli & (M.N.H.N.: A 10801) g. Länge der Praemolaren: Bei Bibos ist der Anteil der Praemolarenserie an der ge- samten Zahnreihe im Mittel größer als bei Bos (Index Länge der Praemolarenserie x 100 Länge der Molarenserie). h. Hornrichtung: Die Hörner sind in der Regel bei Bibos nach hinten, bei Bos nach vorne gerichtet. 232 H. Bohlken i. Hornquerschnitt: Der Querschnitt der Hörner ist bei Bibos oval, beı Bos mehr rundlich. Die Kombination dieser neun Merkmale am Schädel und Horn er- möglicht eine Trennung der Gattungen Bos und Bibos. Nach einem einzelnen dieser Merkmale ist eine sichere Ent- scheidung nicht möglich. b. Die Stellung des Kouprey nach den Befunden der vergl. Schädelbetrachtung Der Kouprey stimmt in einigen Schädelmerkmalen mit Bos, in anderen mit Bibos überein. Bos-ähnlich ist am Schädel des Kouprey die Stirnenge, das Verhältnis der Längen von Prae- molaren und Molaren zueinander und der Hornverlauf, besonders die Nei- gung der Hörner nach vorn. Darüber hinaus besteht Übereinstimmung mit dem Zebu in der Profillänge und in der Hinterhauptsweite. Zwischen Bos und Bibos steht der Kouprey in der Höhe des Hinterhauptes. — Mit Bibos stimmt der Kouprey in folgenden Schädelmerkmalen überein: Hirnlänge, Hin- terhauptsenge, Gaumenlänge, dem Verhältnis von Wangenhöcker- und Infraorbital- breite, der Länge der Zahnreihe relativ zur Basallänge und dem Hornquerschnitt. Nach diesen Ergebnissen ist der Kouprey also weder der Gattung B:bos noch der Gattung Bos eindeutig zuzuordnen. Daraus folgt, daß die Zuordnung zu Bos, wie \ BRAESTRUP (1960) sie vornimmt, sicher nicht richtig ist. Besonders die Gestaltung des Hinterhauptes beim Kouprey spricht eindeutig dagegen, ıhn als eine Bos primigenins eng verwandte, wenn auch primitivere Form anzusehen. Die Kombination dieser Be- sonderheit mit den anderen Bibos-ähnlichen Merkmalen des Kouprey ist doch so. schwerwiegend, daß man m. E. den Schlußfolgerungen von BRAESTRUP nicht zustim- men kann. Es erhebt sich damit die Frage nach der Validität der Gattung Novzbos Coolidge 1940. c. Die Validität von Novibos Coolidge 1940 Es wurde bereits aufgezeigt, wie unterschiedlich die Ansichten über die Berechtigung der Gattung Novibos sind. Bislang hat aber noch kein Autor sich im einzelnen mit der Gattungsdiagnose von COOLIDGE auseinandergesetzt. Das soll hier an Hand der Er- gebnisse des Schädelvergleichs versucht werden. Dazu zunächst die Originaldiagnose (CooLiDGeE, 1940, p. 425): „Novibos, genus novum. Diagnosis. Bovinae; sıze and external markings like Bibos; tail long; lower foreleg long black longitudinal stripe; horns large with yak-like curve, — near tips heavily frayed around entire circum- ference; skull narrow; palatal branch of premaxilla long; projection of premaxilla beyond nasals short; frontal short; tooth row short; orbit close to horn-core; bases of horn-cores approximated posteriorly; angle of horn divergence narrow; no inter- cornual ridge; horn-core section at base a flattened oval with prominent primary posterior keel; parietal sloping gradually toward occiput as in Bubalus; infracristal occıiput high and subtriangular with prominent crests; space between occipital Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 233 openings of temporal fossae narrow; upper pm* antero-posteriorly compressed; upper molars quadrate; a marked triangular ethmoid vacuity.“ Es gilt, unter den von CooLipGE genannten Schädelmerkmalen von Novibos die- jenigen zu finden, die Novibos sowohl von Bos als auch von Bibos abheben. Die er- wähnten äußeren Körpermerkmale, wie Färbungseigentümlichkeiten, berechtigen wohl kaum zu einer generischen Abtrennung. L CoOLIDGE nennt zuerst die Größe der Hörner und ihren Verlauf. Der Kouprey hat, wie gezeigt, lange und schlanke Hörner, aber das ist kein Gattungsmerkmal. Der Banteng hat wesentlich schlankere Hörner als der Gaur, trotzdem würde kein Syste- matiker ihn deshalb in eine andere Gattung stellen. Der Hornverlauf beim Kouprey ist anders als bei Bibos, stimmt aber, wie CooLIDGe selbst erwähnt, mit dem des Yak überein. Der Fransenkranz am Horn ist sicher keine Besonderheit, die eine generische Son- derstellung begründen könnte, zumal gleiche Erscheinungen bei allen anderen Rindern auftreten. Ebenso ist die schlanke Schädelform nicht geeignet, den Kouprey eindeutig zu charakterisieren, da ähnliche Proportionen in der Gattung Bos vorkommen. Die Form und Größe der Intermaxillaria ist noch nicht besprochen worden, doch besteht auch hier keine spezielle Gestaltung beim Kouprey. Außerdem ist dies ein Merkmal, das innerhalb einer Gattung erheblich variieren kann. Die Kürze des Frontale beim Kouprey ist auffallend. Dabei ist aber zu beachten, daß das Frontale beim Yak ebenfalls sehr kurz ist und relativ zur Basallänge nur um weniges länger ist als beim Kouprey. So besteht also in der Gattung Bos ın einem Fall eine ähnliche Merkmalsausprägung, wie beim Kouprey, dagegen ist bei der zweiten Wildart von Bos, dem Ur, eine starke Längsstreckung der Frontalia charakteristisch. Ich würde daher auch die Kürze des Frontale nicht als wesentliche Eigenart des Kou- prey betrachten. Die Angabe über die Kürze der Zahnreihe wurde bereits widerlegt. Der Kouprey stimmt ın diesem Merkmal durchaus mit B:bos überein. Die Lage der Hornzapfen dicht hinter den Orbitae ist bedingt durch die Kürze des Frontale. Sie ist deshalb ebenso beim Yak zu finden. Da dieses Merkmal also eine Folge der kurzen Stirnbeine ist, gilt hier das gleiche wie bei der Besprechung der Frontallänge. Der geringe Abstand zwischen den Hornbasen findet sich in ähnlicher Weise beim Zebu und auch beim Balırind. Der vergleichsweise kleine Winkel zwischen den Horn- basen ist ebenfalls kein ausschließlich auf den Kouprey beschränktes Merkmal. Bei Bibos javanicus lowi sınd die Hörner teilweise noch stärker nach hinten gerichtet, ähnliches ist auch bei manchen Zebus zu beobachten. Bei dem bereits erwähnten Zebu- Schädel (M.N.H.N. 1870-243) bilden die Hornbasen einen Winkel von nur 100° miteinander, gegen 105°-125° beim Kouprey. Die beiden letztgenannten Merkmale sind ın gleicher Ausprägung wie beim Kouprey also auch in den Gattungen Bos und Bibos zu beobachten. Eine Folge der Hornstellung, nämlich des kleinen Winkels zwischen den Horn- basen, ist das Fehlen eines Zwischenhornkammes. Das gilt auch für den später er- wähnten Übergang zwischen Parietale und Hinterhaupt. An den Profillinien konnte gezeigt werden, daß eine ähnliche Ausbildung der hinteren Schädelregion auch beim Banteng, beim Balirind und auch beim Zebu vorkommen kann. Dabei wurde bereits erörtert, daß hier Einflüsse der Hornstellung eine Rolle spielen. So sind also auch diese beiden Merkmale nicht von taxonomischem Wert. Der ovale Hornquerschnitt ist für die Bibos-Arten typisch, kann also daher nicht als Besonderheit des Kouprey angesehen werden. Anders ist es mit dem primären Kiel am Hornzapfen. Dies wäre ein abweichendes Merkmal, wenn sich an größerem Material die Regelmäßigkeit seiner Ausbildung beweisen läßt. Es wurde erwähnt, daß an den Hornzapfen von zwei Kouprey-Schädeln dieser Kiel fehlt. 234 H. Bohlken Die Occipitalregion ist beim Kouprey keinesfalls höher als bei Bibos, das geht schon aus den abgebildeten Prohllinien hervor. Es bleibt die eigenartige dreieckige Form der Occipitalregion beim Kouprey. Dabei ist allerdings die Frage, wieweit die Form der Occipitalregion von der Hornstellung und von der Einschnürung durch die Schläfeneinschnitte bestimmt wird. Diese Einschnürung des Hinterhauptes ist beim Kouprey sehr stark. Es konnte aber gezeigt werden, daß dieses im Zusammenhang steht mit dem geringen Abstand der Hornbasen voneinander. Der Kouprey folgt ın diesem Merkmal der innerartlich beim Banteng geltenden Korrelation, so ist die kleine Hinterhauptsenge bei ihm durchaus im Bereich der für Bibos typischen Merkmalsaus- prägung. Die Angaben über die Zahnbesonderheiten habe ich nicht speziell überprüft. Die Zähne sind einerseits bei allen Rindern recht einheitlich, andererseits zeigen sie bei allen Arten und Gattungen eine Variation in Größe und Form. So ist m. E. der syste- matische Wert solcher Aussagen über einzelne Zähne recht gering, zumal die Zahnform auch von der Abkauung abhängig ist. Das letzte von CooLipce in der Diagnose genannte Merkmal ist die Ethmoidallücke. Es konnte gezeigt werden, daß CooLipce im Irrtum war, als er meinte, unter rezenten Bovini sei das Auftreten der Ethmoidallücke beim Kouprey ein Einzelfall. Eine Erh- moidallücke kann sowohl bei Schädeln der Gattung Bos als auch der Gattung Bibos auftreten. Daher ist auch das Vorhandensein der Ethmoidallücke beim Kouprey kein Grund, eine generische Abtrennung vorzunehmen. Von all den in der Diagnose genannten Schädelmerkmalen sind also nur der pri- märe Kiel am Hornzapfen und die dreieckige Form der Occipitalfläche unter Vorbe- halten vielleicht als Besonderheiten des Kouprey gegenüber den Arten der Gattungen Bos und Bibos anzusehen. Um hier eine Entscheidung zu fällen, bedarf es eines viel größeren Materials vom Kouprey. Unter Berücksichtigung des mir zur Verfügung ste- henden Materials halte ich diese Merkmale nicht für ausreichend, eine neue Gattung zu begründen. Die Ergebnisse der vergleichenden Schädelbetrachtung sprechen also insgesamt gegen die Valıdıtät der Gattung Novi:bos Coolidge. Es bleibt dann die Frage nach der systematischen Stellung des Kouprey bestehen. Dieses Problem wird später erörtert. D. Vergleich einiger Körpermerkmale Im Anschluß an die Untersuchung der Schädel sollen kurz noch einige Körpermerkmale des Kouprey mit den anderen Arten verglichen werden. Aalstrich Eines der Merkmale, auf die BRAEsTRUP (1960) seine Auffassung stützt, daß der Kou- prey eine Art der Gattung Bos s. str. sei, ist das Auftreten eines Aalstriches beim Kou- prey. HALTENORTH (1961) weist das zurück, „da der Aalstrich nicht hell und beim 6, sondern dunkel und beim ? zuweilen auftritt“. Bislang sind die Angaben über diese Besonderheit beim Kouprey zu spärlich, um begründete Aussagen machen zu können. Immerhin scheint aber ein weißlicher Rückenstrich bei alten Kouprey-Bullen vorzu- kommen, denn CooLipce (1940) erwähnt einen solchen ausdrücklich in seiner Beschrei- bung des Kouprey-Bullen. Er schreibt (p. 428): „Along the very center of the back there are traces of a whitish stripe extending from the back of the dorsal ridge for 700 mm. to a point within 200 mm. of the base of the tail. This stripe where it is most marked is made up of completely cream colored hairs and is 12 mm. wide. On either sıde of it there ıs a mottled area about 100 mm. wide with blackish mummy- ai Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 235 brown hairs spotted with patches of olive-gray skin and fine gray hairs.“ Einen Aal- strich bei einer Kouprey-Kuh beschreibt WHARTON (1957) (p. 50): „In the possession of a storekeeper at Kompong Sralao I found the skin of a three-year-old kouprey- female. The general color was tan, darkening considerably on the legs. The most re- markable thing was a brown dorsal streak about a foot wide which began at the tail and ran toward, fading out near the head and tapering ın width as it passed anteriorly. There were evidences of a dark spot on either side of the flanks and about ten inches below the edge of the dorsal streak.“ WHARTON erwähnt den Aalstrich bei dieser Kuh als Besonderheit, er macht keine Angaben über einen Rückenstreifen bei Bullen. LekAGur (1952), der ausführlich die Färbung einer Kouprey-Kuh beschreibt, sagt dabei nichts über einen Aalstrich. Es scheint also dieses Merkmal beim Kouprey nur gelegent- lich aufzutreten und zwar sowohl bei Bullen als auch bei Kühen. Die Farbe des Aal- striches ist in den genannten Fällen bei den Geschlechtern unterschiedlich. Ein weißlicher Rückenstrich, wie ihn andeutungsweise der Kouprey-Bulle in Har- vard zeigt, wird als Kennzeichen des Ures angegeben. Er ist ebenfalls bei vielen Haus- rindern zu beobachten (vgl. z. B. Bonaponna, 1959: Abb. 61, 181, 183, 194, 212). Da ein solcher Rückenstrich den Bullen von Gaur und Banteng fehlt, wertet BRAESTRUP (1960) ıhn als Bos-Merkmal des Kouprey. Bei den Bibos-Arten sollen die Kälber einen schwarzen Rückenstrich aufweisen. Bevor dieses Merkmal beim Kouprey aber über- haupt bewertet werden kann, müssen genauere Angaben über ein größeres Material vorliegen. Färbung In der Färbung der Unterteile der Extremitäten stimmt der Kouprey mit den Bibos- Arten überein. Ein weißer Spiegel, wie er beim Banteng vorhanden ist, fehlt ıhm. WHARTON erwähnt eine Arbeit von DouARrcHE (1906) über die Hausrinder Indochinas, der die Rasse von Thanh-hoa abbildet, bei welcher „indication of lighter ‚stockings‘ on the lower legs“ erkennbar sein sollen. Trotzdem ist aber wohl die weiße Färbung der unteren Beinteile ein deutliches Bibos-Merkmal. Wamme Eine der auffallendsten Eigentümlichkeiten des Kouprey ist die stark entwickelte Wamme. Auch bei Banteng und Gaur findet sich eine mehr oder minder gut ausgebil- dete Wamme, aber sie erreicht nie die Ausmaße dieser Bildung beim Kouprey. Unter den Hausrindern sind besonders die Zebus durch enorme Wammenbildung ausge- zeichnet. Sie allein erreichen eine dem Kouprey vergleichbare Wammengröße. Schwanz Gegenüber Banteng und Gaur hebt der Kouprey sich durch die Länge seines Schwanzes und dessen besonders buschige Endquaste ab. Auch dieses ist ein Merkmal, das beim Zebu in ähnlicher Ausbildung zu beobachten ist (z. B. Abb. 5 und 6 bei Vırroz, 1937). In diesem Fall hat der Kouprey also wieder eine Bos-ähnliche Merkmalsausprägung, worauf BRAESTRUP (1960) bereits hingewiesen hat. Hufe CoouipGe (1940), LEKAGUL (1952) und WHARTON (1957) erwähnen Unterschiede in der Hufgröße bei Banteng, Gaur und Kouprey. Nach CoouLipGeE und LEkAGur sind die Hufe des Kouprey schlanker und zierlicher als jene der Bibos-Arten, nach WHARTON zwar kaum schlanker aber kleiner. WrHArToN schreibt (p. 7): „It might be mentioned here that the track of the kouprey is similar to that of the domestic ox, the tracks 236 H. Bohlken of both beeing readily distinguishable from those of the other wild cattle, as one gains familiarity thereof by practice.“ Derselbe Autor führt in einer Abbildungs- unterschrift aus (Fig. 16, p. 74): „Banting tracks are pointed and markedly longer than wide. With running and subsequent spreading of hooves, tracks of old bantıng bulls may be confused with those of kouprey.“ Allgemein kann wohl gesagt werden, daß die Hufe des Kouprey kleiner sind als jene von Gaur und Banteng und am ehesten den Hausrindhufen ähneln. IV. Theoretische Erörterungen Am Schluß der vergleichenden Untersuchung der Schädel und Hörner blieb die Frage nach der systematischen Stellung des Kouprey offen. Es wurde dargelegt, daß der Kouprey weder der Gattung Bos noch der Gattung Bibos eindeutig zuzuordnen ist, daß aber andererseits die Gattung Novibos Coolidge nicht valide ist. Welches ist nun also der systematische Status des Kouprey? Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es einiger Überlegungen über die mögliche Herkunft dieses Tieres. Es wurde bereits betont, daß die Theorie, der Kouprey sei die erste oder eine der ersten Generationen einer Kreuzung zwischen Banteng und Zebu oder einer anderen Rinderart, angesichts der heute bekannten Populationsgröße des Kouprey nicht aufrechtzuerhalten ist. Außerdem wäre dann die Einheitlichkeit der Population überraschend. WHARTOoN (1957) stellt Erwägungen über den Ursprung des Namen „Kouprey“ an, der nichts weiter als „Waldrind“ bedeutet,? und somit gegenüber den Namen für Gaur, Banteng und Wasserbüffel sehr unspezifisch ist. Diese Überlegungen führen WHARTON zu drei Theorien (p. 5): | 1. „that the ancient Cambodians could have recognized the similarıty between the kouprey and their domestic oxen, and therefore did not apply a more specific name to ıt as they did to the other wild forms, but merely called it ‚forest ox‘.“ 2. „that the kouprey may not have been known to the Khmers and early Cambodians.“ 3. „that the kouprey ıs a feral form of a once domesticated ox.“ In der Zusammenfassung seiner Ergebnisse formuliert WHARTON etwas anders (p. 86): 1. „It is a feral domestic ox.“ 2. „Originally wild, ıt has survived because of ıts having been domesticated between 800 and 400 years ago, re-escaping into isolated habıtat.“ 3. „Ihe Kouprey extended its range into northern and eastern Cambodia from some now-destroyed population center, following the fall of the Khmer civili- zatıon and the creation of the open forest areas.“ Nach WHARTOoN gibt es also im Grunde zwei Möglichkeiten: 1. Der Kouprey ist ein echtes Wildrind. 2. Der Kouprey ist ein verwildertes Haustier. Auf Grund der bisher vorliegenden Beobachtungen und Untersuchungen läßt sich eine Entscheidung zwischen diesen beiden Möglichkeiten nur dann fällen, wenn man ausschließen kann, daß der Kouprey ein verwildertes Hausrind ist. Diesem Problem muß also besondere Beachtung gewidmet werden. Es ist unmöglich zu beweisen, daß der Kouprey kein echtes Wildrind ist, dazu ist das verfügbare Material viel zu gering. Diese Möglichkeit bleibt also bestehen, auch wenn man einige Einwände gegen sie erheben kann. Diese Einwände sollen zunächst erörtert werden. 2 Nach Sauver (1949b) ist die Bedeutung des Wortes Kouprey etwas anders. Kou ist die in Kambodscha gebräuchliche Bezeichnung für Hausrind; Prey heißt zwar Wald, erhält aber in zusammengesetzten Ausdrücken die Bedeutung von wild, bzw. Wildheit. So heißt nach SauveL Kouprey „Wildrind“. Der manchmal gebrauchte Name Kouproh besagt das gleiche, proh ist ein Dialektausdruck für prey. Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 237 Der erste Punkt, der einige Bedenken gegen die Wildnatur des Kouprey aufkom- men lassen kann, ist die späte Entdeckung dieses Tieres. In dem Vorwort zu WHARTON (1957) führt CooLipgE (1957) aus, daß die Entdeckung einer neuen Art bei Groß- säugern im zwanzigsten Jahrhundert selten ist. Solch eine Entdeckung mag noch in unerforschten Urwaldgebieten möglich sein, wofür das Okapı ein Beispiel ist. In den Wäldern Südost-Asıens dagegen ist sie unerwartet. Dort besteht seit langen Zeiten eine hohe Kultur, seit über tausend Jahren gibt es Hausrinder in diesen Gebieten und die dort lebenden Wildarten sind alle schon lange bekannt. Diese Überlegungen von COoOLIDGE, welche auf die Bedeutung und Sensation einer solchen Entdeckung weisen sollen, mahnen zugleich zur Vorsicht bei der Bewertung einer neuen Form. Die Wahrscheinlichkeit, daß ein Tier von der Größe des Kouprey den Naturforschern und Jägern des vergangenen Jahrhunderts unbekannt geblieben wäre, ist äußerst gering. Dies um so mehr, als die anderen Wildrinder des Gebietes schon lange gut bekannt sind und, wie die Sammlungen der Museen zeigen, im vorigen Jahrhundert vielfach gejagt wurden. Material vom Kouprey aus dieser Zeit findet sich nur im Pariser Museum. Es sind die drei bereits mehrfach erwähnten Schädel, Auch diese Schädel wurden nicht als Grundlage einer neuen Art beschrieben. Das legt den Verdacht nahe, daß sie nicht als Wildtiere angesehen wurden. Darüber wird noch mehr zu sagen sein. Ein zweiter Sachverhalt sollte ebenfalls bei der Bewertung des Kouprey berück- sichtigt werden. Es ist die enorme Größe der Wamme. Es wurde bereits erörtert, daß Wammenbildung bei Wildrindern durchaus nichts Ungewöhnliches ist, aber die Größe der Wamme des Kouprey ist zweifellos für ein Wildrind außerordentlich. Auch in der verwandten Antilopengruppe treten Wammenbildungen in Erscheinung, besonders bei der Elenantilope, Taurotragus Wagner. All das bleibt jedoch stark zurück ım Vergleich mit dem Kouprey. Unter Hausrindern findet sich in der Zebugruppe eine besonders mächtige Ausbildung der Wamme. Hier ist wohl ein Domestikationseinfluß wirksam. Unter diesem Blickwinkel ist die große Wamme des Kouprey ein Merkmal, das „schlecht zu einem Wildtier paßt“. Dies sind zwei Gesichtspunkte, die vielleicht dagegen sprechen, daß der Kouprey ein echtes Wildtier ist; weitere werden sıch bei der Erörterung der Möglichkeit, daß der Kouprey ein verwildertes Hausrind ist, ergeben. Alles zusammen kann aber immer noch nicht beweisen, daß sauveli keine Wildart ist. So erhebt sich also die Frage: Wenn der Kouprey eine Wildart ist, wie ıst dann seine Stellung im System der Rinder? Zur Beantwortung dieser Frage sind einige grundsätzliche Erörterungen notwendig über die systematische Kategorie Gattung. Über allgemeine Fragen zoologischer Systematik gibt es eine Reihe von ausge- zeichneten Werken, von denen hier nur auf HuxL£x (1940), Mayr, LINSLEY u. ÜSINGER (1953) und Sımpson (1961) verwiesen sei. Allgemein besteht Übereinstimmung, daß im Gegensatz zur Art die Gattung, wie alle anderen höheren Kategorien, eine künst- liche Einheit ist. Die Begrenzung einer solchen Einheit ist schwer und daher ist eine allgemeingültige Definition nicht möglich. THORPE (1940) schreibt (p. 357): „It seems impossible at present to formulate any definition of a genus which would stand any chance of beeing acceptable to workers in all groups. For practical reasons the genus, to be a convenient category in taxonomy, must in general be neither too large nor too small.“ — „It seems far better to admit frankly that the category is purely artifical and leave it at that. This beeing so, there is, from the practical point of view, much to be said for the use of subgenera or other equivalent subdivision. Such intermediate groupings obviate the inconvenience of unduly large genera and on the other hand help to do away that reductio ad absurdum the monotypic genus.“ Auch Marr, LinsLey u. UsinGeEr (1953) betonen, daß keine objektiven Kriterien für die Kategorie Gattung verfügbar sind, die etwa dem Kriterium der Fortpflanzungsgemeinschaft für die Art gleichwertig sind. Sie definieren die Gattung wie folgt (p. 48): „A genus is 238 H. Bohlken a systematic category including one species or a group of species of presumably common phylogenetic origin, which is separated from other similar units by a decided gap.“ Wichtig für unsere Betrachtung ist die Forderung (p. 48): „that the size of the gap be in inverse ratio to the size of the unit. The latter qualification will prevent the recognition of unjustified monotypic genera.“ Wie eine Gattung von anderen Gattungen abgegrenzt wird und wie viele Arten in einer Gattung vereinigt werden, bleibt le den einzelnen Systematiker überlassen. Es gibt keine Merkmale, welche als Maßstab für generische Einheit oder Verschiedenheit llocnen verwendet werden können. Dazu öben Mayr, LinsLey und UsinGer (p. 49): „Taxonomic literature could have been spared many unnecessary generic names if taxonomists had kept in mind LinnaEcus’s (1737) warning: ‚Ihe characters do not make the genus, rather it is the genus that gives the characters.‘ “ Dagegen ist jedoch eine Gattung ohne dia- gnostische Merkmale, die sie klar von verwandten- Gattungen trennen, von zweifel- hafter Validität. Von diesen theoretischen Erwägungen sınd folgende Feststellungen von besonderer Wichtigkeit für das Problem der Zuordnung des Kouprey: 1. Die Gattungen sind subjektive Einheiten, d. h. ihre Begrenzung bleibt dem Syste- matiker überlassen. . Eine Gattung soll sich aber von verwandten Gattungen deutlich abheben, um so mehr, je geringer die Anzahl der in ihr vereinten Arten ist. Es kann ie allgemeingültigen Gattungskennzeichen geben, diese sind von Fall zu Fall verschieden. Sie al ale innerhalb einer engeren Verwandtschaftsgruppe, etwa Tribus, die gleichen Merkmale betreffen. Der zweite Punkt ist bei der Beurteilung von Novibos Coolidge hervorzuheben, da gezeigt wurde, daß diese Gattung sich nach ihrer Diagnose nicht klar von Bos und Bibos trennen läßt. Sie kann somit nicht als valide anerkannt werden. Wenn man nun von der Annahme ausgeht, daß der Kouprey eine echte Wildart ist, so muß die Aus- wirkung auf die Bewertung der Gattungen Bos und Bibos überprüft werden. Es hatte sich ergeben, daß der Kouprey sowohl Merkmale von Bos als auch von Bibos hat und daß a Merkmale eine intermediäre Ausprägung zeigen. Unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes wird es schwer, die Gattungen Bos nd Bibos eindeutig vonein- ander zu trennen; der Kouprey stellt eine Üben dar. Die Gattungen sind aber sehr klein, beide enthalten nur zwei Arten. Die Unterschiede zwischen ihnen müßten also sehr deutlich sein, um eine Trennung zu rechtfertigen. Durch die Zwischen- stellung des Kouprey verwischen aber die bestehenden Unterschiede, so daß eine Ver- einigung der beiden Gattungen naheliegt. Die Ansicht, daß Bos und Bibos generisch nicht zu trennen sınd, ist schon öfter vertreten worden, z. B. von LYDEkkER (1913), WEBER (1928) und ELLERMAN & MOoRRISON-SCOTT (1951). Diese Autoren betrachten Bibos als Untergattung von Bos. Eine solche Trennung als Untergattung ist wohl auch unter Einbeziehung des Kouprey möglich. HALTENORTH (1961) läßt dabei allerdings auch Novibos als Untergattung bestehen, was nach den oben vorgetragenen Befunden und Erörterungen nicht gerechtfertigt erscheint. Der Kouprey stimmt im Schädelbau nicht, wie HALTENORTH (1961) meint, mehr mit Bos überein, sondern eher mit Bibos. Die mit Bibos gemeinsamen Merkmale wären dann als Kennzeichen der Untergattung Bibos gegenüber den Untergattungen Bos und Poephagus anzusehen. Dabei sollten diejenigen Merkmale unberücksichtigt bleiben, bei denen sich die Variationsbreiten stark überschneiden (z. B. die Zahnmerkmale). Als wesentliche gemeinsame Kenn- zeichen der Untergattung Bibos (einschließlich sauveli) sind dann zu nennen: die relativ zur Basallänge größere Hirnlänge, das hohe Hinterhaupt, die starke Einschnürung des Hinterhauptes durch die Schläfeneinschnitte, der ovale Hornquerschnitt und die weiße Färbung der Unterteile der Extremitäten. Die Besonderheiten der Untergattung Poephagus Gray sind bereits früher herausgestellt worden (BoHLkEn 1958b). 169) \w Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 239 Unter der Voraussetzung, daß der Kouprey ein echtes Wildrind ist, ergibt sich dann also folgende Gliederung: Gattung BosL. a. Untergattung Bos L. (mit primigenins) b. Untergattung Poephagus Gray (mit mutus) c. Untergattung Bibos Hodgson (mit gaurus, javanıcus, sauveli). Der wissenschaftliche Name für den Kouprey wäre dann Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937. — So ist der Kouprey in der Originalbeschreibung von UrBAINn benannt worden. Die Gattung Bos in ihrer Gesamtheit ist eindeutig gegen die übrigen Gattungen der Bovini abzusetzen. Dabei kommt Besonderheiten der Parietalregion und der Be- hornung besondere Bedeutung zu in Verbindung mit palaeontologischen Befunden. Es wurde ausgeführt, daß die Frage, ob der Kouprey ein echtes Wildrind ist, nur dann mit Sicherheit bejaht werden kann, wenn sich erweisen läßt, daß er kein ver- wildertes Hausrind ist. Es ıst also diese Möglichkeit zu prüfen. Zunächst sind es die Argumente, welche oben schon genannt wurden, die zur Unter- suchung dieser Frage zwingen: die späte Entdeckung des Kouprey und die mächtige Ausbildung der Wamme. Dazu kommt dann, daß sowohl Coouipce (1940) als auch WHARTOoN (1957) gewisse Übereinstimmungen zwischen dem Kouprey und Hausrin- dern festgestellt haben. CooLipce schreibt über die Amritmahal- und die Kilları-Rasse des Mysorezebu (p. 511-512): „Probably in these two breeds we have the closest resemblance to the kouprey among the living races of Bos indicus. The large dewlap, small ears, slender limbs, elongated body, moderate length of tail, gray-colored skin varying from a light shade to almost black, the fine limb bones, fine skin close to the body and the long narrow skull with horns emerging from the poll; all suggest characteristics shared by the kouprey. The development of the hump is in all pro- bability a product of domestication. I do not wish to suggest a relationship of these cattle with the kouprey, but only to draw attention to the fact that they have certain external resemblances that may be of interest in a further investigation of this sub- ject.“ WHARTON (1957) führt aus, daß von den Hausrindern in Indochina die Thanh- hoa-Rasse sehr Kouprey-ähnlich erscheint, besonders im Hornverlauf. Diese Rasse ist größer als die anderen Hausrinder, hat einen kleinen Buckel und ist vornehmlich grau gefärbt. Die Khmer, deren Reich sich schon vor tausend Jahren im Gebiet des heu- tigen Kambodscha erstreckte, sollen ein kräftiges Hausrind, den „Ko-Khmer“ gehabt haben, der von manchen Einheimischen für eine Kreuzung zwischen Kouprey und Haus- rind gehalten wird. Finige besondere Hausrindrassen sind heute noch in kleiner Zahl erhalten, wie Outeem und Kamball. Nach WHARTOoN ist möglicherweise der Stieng mit einer dieser Rassen identisch. Der Stieng wiederum soll nach anderen Angaben eine Kreuzung zwischen Zebu und Gayal sein, nach Durst (1931) eine Kreuzung zwischen Zebu und Balirind. Alle diese Rassen, die WHARTON nur von Beschreibungen und Bildern bekannt waren, haben gewisse Ähnlichkeiten mit dem Kouprey. Diese Über- einstimmungen werden von CoouipGe (1957) sehr hoch bewertet. Er schreibt (p. VII): „Ihis report is the first scientific account of the ecology of this recently discovered primitive forest ox, which ın a number of ways qualifies more closely as a contem- porary ancestor of Bos indicus than any living or fossil wild cattle that have hitherto been described.“ Ein anderer Sachverhalt, welcher bei der Überlegung, ob der Kouprey ein verwil- dertes Hausrind sein kann, berücksichtigt werden muß, ist der Unterschied in der Horn- form zwischen den wilden Koupreys und den drei Pariser Schädeln. Es wurde gezeigt, daß in diesem Merkmal eine erhebliche Differenz besteht, während die drei Schädel aus dem Pariser Museum sonst mit den Kouprey-Schädeln völlig übereinstimmen. Es kann möglich sein, daß sich in der Hornform ein Unterschied zwischen wilden, bzw. verwilderten, und domestizierten Koupreys ausprägt. Die Pariser Schädel haben sehr 240 H. Bohlken viel schlankere Hörner als die jetzt gesammelten Kouprey-Schädel (Abb. 34). Man könnte daraus schließen, daß diese drei Schädel von Haustieren stammen und daß bei einer Verwilderung dieser Hausrindrasse die Hörner an Umfang zugenommen haben. Es wäre natürlich auch der umgekehrte Schluß möglich, nämlich daß damals (etwa 1870) der wilde Kouprey domestiziert war, und diese Schädel somit von zahmen Koupreys stammen. Gegen diesen letzten Schluß ist aber einzuwenden, daß dann wahr- scheinlich auch das Wildtier bekannt gewesen und beschrieben worden wäre. Durch diese Überlegungen werden nun diese drei Schädel aus dem Pariser Museum für die Problematik um den Kouprey sehr wichtig. Ich bin Herrn Dr. Fr. PETTER (Paris) zu Dank verpflichtet, daß er mir alle verfügbaren Daten über diese Schädel übermittelte. Die Kataloge der Pariser Sammlungen enthalten folgende Angaben: A 10801: Boeuf de l’Inde. Bos macroceros? Kouprey, Bibos sauveli, determine par Mr Sauvel A 6727: Bos macroceros (DuErsT) (?) Kouprey, Bibos sauveli. Determine par Mr Sauvel (T&te de boeuf donnee par le Pere Larnaudie au nom des Rois de Siam. A. C. cat. G. 1864-95. Dazu Ancien catalogue 1864-95: Boeuf - Espece nouvelle envoy&e par le Pere Larnaudie au nom des Rois de Siam. Remise par !’Administration le 7 Septembre 1864 et portant sur le livre d’Entree le no 531. Cette tete, sur sa demande, a ere remise A Mr le Pr de Mammalosie le 19.Septembre 1864. Rendus. Cette tete pr&paree a Et@ au Cabinet d’Anatomie Sr- paree le 1-3-1865. 1871-350: Boeuf du Cambodge. Kouprey. Bibos sauveli, determine par Mr Sauvel. Recu ä la M£nagerie le 9-7-1871, envoy& de Shang-Hai, ramene par le navire l’Aveyron, mort & la Menagerie le 15 Novembre 1871. Cräne place a la Galerie d’Anatomie Comparee le 23 Septembre 1872. Squelette. Leider ist diesen Angaben für die Kouprey-Problematik nicht sehr viel zu entneh- men. Die Bezeichnung Bos macroceros ist nur eine bei DuERST und anderen Autoren gebräuchliche Typenbezeichnung für langhörnige Hausrinder (z. B. Durst, 1905). Durst hat mehrfach diese Schädel aus dem Pariser Museum in seinen Schriften er- wähnt. So schreibt er 1905 in Zusammenhang mit der Ausbildung der Parietalzone beim Banteng (p. 240): „Daß aber in dieser eigenartigen Bildung des Hinterhauptes kein nachträglich aus der ursprünglichen Taurusform entstandenes Merkmal, sondern ein uralter Charakter vorliegt, scheint dadurch hervorzugehen, daß bei Kreuzungs- produkten zwischen Banteng und Hausrind, diese Formation des Hinterhauptes fast konstant auftritt und erst durch mehrfache Anpaarung verschwindet, die schöne Kol- lektion der ‚Boeufs des Stiengs du Cambodge‘ des Pariser Museums, zeigt Übergänge aller Art von bubalinem Bantenghinterhaupt bis zu dem echt taurinen.“ 1931 schreibt Duerst über das Balırınd (p. 34): „In Cochinchina wird dieses Tier auch mit dem taurinen Hausrinde gekreuzt. Bantengstiere mit Yaks oder Zeburindern gepaart geben aber ein ganz besonders interessantes Produkt, mit Riesenhörnern bei Kastraten der Bastarde mit langhörnigen Rassen. Die entstehende, fast büffelartige Schädelkapsel dieser Tiere ist eigenartig. HuET (1891) hat diese Typen fälschlich als Bastarde von Gayal mıt Langhornzebus bezeichnet. Bei den Bastarden mit kurzhörnigen Rassen sind dıe Hörner kürzer und je nach der Anpaarung mit mehr taurinem Blut wird das Hin- terhaupt tauriner. Die Färbung entspricht mit Ausnahme der leuzistischen Schenkel- flecken dem Banteng. Durch weitere Anpaarungen an Hausrinder können auch andere Färbungen erzeugt werden.“ Dazu bildet Durrsr den Schädel A 6727 aus dem Mu- seum ın Paris ab, den er ın der Bildunterschrift als „Boeuf des Stiengs“ von Kambodscha, ein „Bantengbastard des Hausrindes“ bezeichnet. Diesen Schädel hat Duvzrst auch 1926 mit ähnlicher Unterschrift abgebildet. Leider gibt Durrst weder 1905 noch später an, woher er die Berechtigung nimmt, diese Tiere als Banteng-Zebu-Bastarde zu bezeichnen. Immerhin war Duerst ein Forscher mit großen Kenntnissen über wilde und domesti- zierte Rinder, und es verdient Beachtung, daß er diese Schädel ohne weiteres Haus- rindern zuordnete. SauvEL (1949) versucht die späte Entdeckung des Kouprey mit dem Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 241 allgemeinen Desinteresse der französischen Kolonialisten an der Tierwelt ihrer Ko- lonien zu erklären. Das scheint mir nicht ganz zutreffend zu sein, da das Vorkommen der anderen Großsäuger in Kambodscha ja durchaus bekannt war, wie auch das Groß- wild aus den anderen französischen Kolonialgebieten. Überdies stammt der Schädel 1871-350 von einem Tier, das einige Zeit in der Pariser Menagerie gelebt hat. Zu- mindest dort hätte es den französischen Zoologen als etwas Besonderes auffallen müs- sen, wenn sie es nicht, wie DUERST, einfach als Hausrind angesehen haben. Wenn die Schädel in Paris tatsächlich von Hausrindern stammen sollten, so würde das wohl die Passivität der französischen Zoologen erklären. Diese Erwägungen zwingen dazu, die Möglichkeit, daß der Kouprey ein verwil- dertes Hausrind ist, weiter im Auge zu behalten und zu prüfen. Dabei stellen sich einige Fragen: 1. Waren oder sind überhaupt in Kambodscha die Voraussetzungen für die Verwil- derung eines Hausrindes gegeben? 2. Ist es möglich, daß eine verwilderte Haustierpopulation eine solche Einheitlichkeit in äußerer Erscheinung und a ul a erreichen kann, wie der Kouprey sie aufweist? 3. Hat der Kouprey irgendwelche Merkmale, die auf seine Herkunft von einem Haus- tier schließen lassen? 4. Gibt es im Verbreitungsgebiet des Kouprey ein Hausrind, als dessen verwilderte Form man den Kouprey ansehen kann? Die beiden ersten Fragen sind mehr oder minder theoretischer Natur. Ihre Beant- wortung soll zunächst versucht werden. Die erste Frage muß eindeutig bejaht werden. In diesen Gebieten wurden und werden die Hausrinder unter recht primitiven Bedin- gungen gehalten. Stallhaltung hat zumindest im vorigen Jahrhundert keine Rolle gespielt. Die Rinderherden wurden mehr oder minder in Freiheit gehalten, so daß die Tiere selber ihr Futter suchen konnten. So wird also die Möglichkeit, daß Rinder ver- wildern konnten, recht groß gewesen sein. Es ıst allgemein bekannt, daß in Indien vielerorts Herden wieder verwilderter Wasserbüffel vorkommen. Auch vom Gayal wird angegeben, daß er stellenweise verwildert ist, so daß er früher oft für ein echtes Wildrind neben Gaur und Banteng angesehen wurde (z. B. SCHUMANN, 1913). Heute ist allgemein anerkannt, daß der Gayal die Haustierform des Gaur ist. Verwilderung von Haustieren ist aus anderen Gebieten und von anderen Arten vielfach bekannt, es würde zu weit führen, hier in Einzelheiten zu gehen. Wichtig ist nur, daß die Gegeben- heiten der Haustierhaltung in Kambodscha ein Verwildern von Hausrindern leicht zulassen. | Die zweite Frage ist wesentlich schwieriger zu beantworten. Das liegt im wesent- lichen daran, daß über das Problem der Verwilderung von Haustieren bislang wenig gearbeitet worden ist. So sind nur einige Beispiele verfügbar, und es muß versucht werden, mit theoretischen Erwägungen zu einer Antwort auf die Frage 2 zu kommen. Ein Beispiel für dieses Problem bietet der Dingo, der verwilderte Hund Australiens. Die australische Dingo-Population ist zweifellos recht einheitlich in Größe, Schädel- und Skelettmerkmalen. Nicht ganz so einheitlich sind die Dingos in Zoologischen Gär- ten, doch darf hier die Möglichkeit von Einkreuzungen nicht außer acht gelassen wer- den. Der australische Dingo wurde lange Zeit für eine eigene wilde Art angesehen, was zeigt, daß die Variabilität bei dieser Form nicht über das für Wildarten normale Maß hinausgeht. Der Dingo beweist also, daß eine große Population verwilderter Haus- tiere sehr einheitlich werden kann. Allerdings ist an diesem Fall nicht abzusehen, wel- cher Zeitraum für die Vereinheitlichung nötig ist, denn der Dingo ist ja schon sehr lange verwildert. Von den verwilderten Wasserbüffeln weiß man, daß sie nicht von den Wildtieren zu unterscheiden sind. Eine Entscheidung, ob eine Population von Wasserbüffeln wild 242 H. Bohlken oder verwildert ist, ist oft nicht möglich. Auch das belegt die Möglichkeit, daß ver- wilderte Haustiere die domestikationsbedingte Variabilität verlieren können, sagt aber ebenfalls über die Zeit, in welcher das geschieht, nıchts aus. Auch theoretisch ist anzunehmen, daß Haustiere in freier Wildbahn wieder eine einheitliche Population bilden. Wir wissen, daß bei fast allen Haustieren der Domesti- kationsbeginn begleitet und gekennzeichnet ist von einer Zunahme der Variabilität gegenüber der Wildart. Dies gilt auch für primitive Haustierhaltung, wie etwa beim Ren (HERRE, 1954), oder bei Lama und Alpaka (HERRE, 1958a). Der relativ begrenzten Variabilität des Wildtieres steht die stark erweiterte Variabilität beim Haustier gegen- über. Zu den Ursachen dieser Erscheinung selbst bei primitiver Haustierhaltung schreibt HERRE (1958a, p. 255): „Domestikationsmerkmale werden beim Ren nicht durch phy- sıologisch wirkmögliche Bedingungen des Hausstandes ausgelöst, sondern die Bedin- gungen des Hausstandes lassen die Mehrung sonst seltener Merkmale in einem Aus- maß zu, daß sie als den Hausstand kennzeichnend angesehen werden können. Die ‚Domestikationsbedingtheit‘ vieler Haustiereigenarten ist also im Selektionswandel zu suchen.“ Mit anderen Worten: Wenn das Wildtier der natürlichen Selektion entzogen wird, tritt die Erhöhung der Variabilität ein. Man kann nun wohl den umgekehrten Schluß ziehen: Wenn ein Haustier verwildert und wieder der natürlichen Selektion ausgesetzt ist, wird sıch die Variabilität vermindern. Bei Verwilderung kann auch in bezug auf bestimmte Merkmale ein den domestikationsbedingten Veränderungen ge- genläufiger Prozeß beobachtet werden. So zeigen die von HERRE und RÖHrs während ihrer Südamerika-Expedition 1956/57 erlegten verwilderten Hausesel gegenüber den Eseln in Hausstand wieder eine Zunahme des Gehirngewichtes um ca. 15/0 (HERRE 1958).? Es könnte also der Zunahme der Gehörnstärke von den drei Pariser Schädeln zu den anderen Kouprey-Schädeln ein solcher rückläufiger Prozeß zu Grunde liegen. Der Zeitraum, ın welchem die Minderung der Variabilität bei einer Verwilderung vor sich geht, wird wesentlich davon abhängen, wie die genetische Zusammensetzung der Ausgangspopulation ıst. Wenn eine Haustierrasse über längere Zeit hinweg auf einen bestimmten Erscheinungstyp hin gezüchtet wurde und genetisch relativ einheit- lich ist, so wird aller Wahrscheinlichkeit nach dieser Zeitraum kürzer sein, als bei einer Population mit großer Variabilität. In Kambodscha gibt oder gab es einige Lokal- rassen von Hausrindern, deren Individuenzahl gering ist, von denen z. B. WHARTON (1957) einige anführt. Es ist anzunehmen, daß diese Rassen relativ einheitlich sind und nur geringe Variabilität aufweisen. Zunächst ıst aber ganz allgemein nur zu sagen, daß nach unseren heutigen Kenntnissen es nicht nur möglich, sondern sogar wahrschein- lich ist, daß eine verwilderte Haustierpopulation, eine große Einheitlichkeit in äußerer Erscheinung und Schädeleigentümlichkeiten erreichen kann. Die dritte Frage, ob der Kouprey irgendwelche Merkmale besitzt, die auf eine Haustierabstammung schließen lassen, ist bereits oben zum Teil beantwortet worden. Hier wäre zu nennen die Größe der Wamme, die Ähnlichkeiten mit bestimmten Haus- rindern und die Angabe von WHarTon (1957), daß der Hufabdruck des Kouprey jenem der Hausrinder sehr ähnlich ist. Dazu kommt, daß Sauver (1949) und WHARTON (1957) beide das Auftreten von Fleckungen beim Kouprey erwähnen. SauveEL (1949) führt aus, daß manchmal bei Kouprey-Bullen weiße Flecken auf den Schultern, der Kruppe und den Flanken zu beobachten sind. Bei Tieren im Norden des Verbreitungs- gebietes sollen die Flecken noch heller sein, als bei solchen im Süden. Zu diesen An- gaben von SauveL schreibt WHARToN (1957, p. 49): „In only one bull did we find any evidence of patches and this was a shoulder streak reported by Albert Bartoli.“ Bei sieben Kühen beobachtete WHARTON im Februar 1952 nördlich von Chep unregel- mäßige schwarze Fleckungen an Flanken und Seiten. Ende Mai zeigten nur wenige ” Im Fall dieser verwilderten Hausesel ist die Zeitdauer der Verwilderung ungefähr bekannt; die Tiere sind seit etwa 50 Jahren in Freiheit. Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 243 Kühe Flecken. Im Bezirk um Kosker. hat WHARToN von Mitte April bis Mitte Mai keine Kühe mit Fleckungen gesehen. Er deutet die Erscheinung der Flecken als saison- bedingt. Nun sind Fleckungen und Scheckungen als Domestikationsmerkmal durchaus bekannt (HERRE, 1955). Ihr Auftreten beim Kouprey könnte also vielleicht auf eine Abstammung dieser Form von Hausrindern zurückgehen. Demnach wäre die dritte Frage dahingehend zu beantworten, daß es beim Kouprey bestimmte Merkmale gibt, die möglicherweise auf eine Herkunft von Hausrindern schließen lassen. Nun die vierte Frage: ob es im Verbreitungsgebiet des Kouprey ein Hausrind gibt, als dessen verwilderte Form der Kouprey anzusehen ist. In Kambodscha und allgemein in Hinterindien werden verschiedene domestizierte Rinder gehalten. Weit verbreitet sind Zeburassen, Bos primigenius f. taurus L., daneben Hausbüffel, Bubalus arnee f. bubalis L. und nach Angaben verschiedener Autoren (z.B. Antonius, 1922, u. Duerst, 1932) auch das Balirind, Bibos javanicus f. domestica Gans. Kann eine dieser Hausrindarten als Stammvater des Kouprey angenommen werden? = Der Wasserbüffel ist von vornherein auszuschließen, da die Kennzeichen der Gat- tung Bubalus beim Kouprey nicht vorhanden sind. Bubalus ist u. a. durch dreieckigen Hornquerschnitt und wichtiger noch durch die große Ausdehnung des Vomer gekenn- zeichnet. Die Choanenöffnung wird bei Bubalus durch den großen Vomer vollständig geteilt, und dieser ist mit dem Palatinum verwachsen. Diese Merkmale sind auch bei allen domestizierten Wasserbüffeln zu beobachten. Der Kouprey dagegen zeigt sie nicht. Das allein genügt sicher, um eine Ableitung des Kouprey von Bubalus arnee f. bubalis abzulehnen. Die Ergebnisse der vergleichenden Schädelbetrachtung lehren, daß der Kouprey auch nicht als verwilderte Zebuform aufzufassen ist. Viele Merkmale am Schädel des Kouprey trennen ihn eindeutig vom Zebu, hier sei nur an die Hinterhauptsenge und die Hirnlänge erinnert. In anderen Merkmalen bestehen zwar auffallende Überein- stimmungen zwischen Zebu und Kouprey, aber die Differenzen zwischen den beiden Formen bei der Korrelation der Hinterhauptsenge mit dem Hornbasenabstand (Abb.17) reichen allein schon aus, um einer These, daß der Kouprey ein verwilderter Zebu sei, zu widersprechen. Bei dieser Korrelation zeigt sich nämlich, daß die Hinterhauptsenge bei den domestizierten Formen noch kleiner ist als bei den zugehörigen Wildformen. (Baliırind-Banteng; Europ. Hausrind und Zebu-Ur.) Der Zebu hat aber eine wesentlich größere Hinterhauptsenge als der Kouprey. Das würde bedeuten, daß die Hinter- hauptsenge bei der Verwilderung des Zebu noch kleiner, statt wieder größer geworden wäre. Das ist jedoch im höchsten Grade unwahrscheinlich. In der Korrelation der Hinterhauptsenge mit dem Hornbasenabstand stimmt der Kouprey eher mit dem Balirind überein. Das Balirind unterscheidet sich aber in ande- ren Merkmalen vom Kouprey, etwa in der Hirnlänge. Es wurde gezeigt, daß Balırind und wilder Banteng sich in diesem Merkmal nicht unterscheiden (Abb. 10b). Es müßten daher auch die Werte für verwilderte Balirinder um die gleiche Allometriegerade herum angeordnet sein. Der Kouprey hat aber eine kürzere Hirnlänge (Abb. 10a). Das spricht also dagegen, daß er ein verwildertes Balirind ist. Außerdem sind andere seiner Merk- male dann unerklärlich, wie z. B. der Hornverlauf mit der Neigung nach vorn, das Fehlen der weißen Schenkelflecken und die Länge des Schwanzes, um nur einige zu nen- nen. So scheidet auch das Balirind als domestizierte Stammform des Kouprey aus. Damit ist festgestellt, daß keines der in Kambodscha bzw. in Hinterindien leben- den Hausrinder als domestizierte Vorform des Kouprey in Frage kommt. 4 Diese Ausführungen widerlegen zugleich die Ansicht von CooLipce (1957), daß der Kouprey möglicherweise die wilde Stammart des Zebu sein könne. Die Herkunft des Zebu vom Ur bzw. von dessen domestizierten Abkömmlingen wurde bereits erwähnt. 244 H. Bohlken Es gibt aber noch zwei weitere Möglichkeiten. Die erste ist die von WHARTON (1957) aufgestellte Theorie, daß der Kouprey ursprünglich wild war, dann dome- stiziert wurde (vielleicht durch die Khmer) und in seiner domestizierten Form überlebt hat, während die Wildform ausgestorben ist. Die Verwilderung des domestizierten Kouprey hätte dann zu der heute bestehenden Wildpopulation geführt. Vielleicht wären die Ko-Khmer-, Outeem- oder Kamball-Rinder als Rassen des domestizierten Kouprey anzusehen. Diese Theorie würde immerhin die „Haustiermerkmale“ des Kouprey und seine späte Entdeckung erklären, ebenso die abweichende Hornform der drei Schädel in Paris, die dann als domestizierte Koupreys zu bewerten wären. Gegen diese Auffassung spricht jedoch, daß keinerlei fossile oder subfossile Reste des Kouprey bekannt sind. Sollte diese Theorie von WHARTON trotzdem zutreffend sein, so ist die systema- tische Stellung des Kouprey nicht anders, als wenn er ein echtes Wildrind ist. Zwar wäre der Kouprey uns nur als verwilderte Form erhalten geblieben, aber er wäre so oder so eine eigene Art. Es würden also die Folgerungen für die Bewertung von Bos, Bibos und Novibos die gleichen sein. Die zweite noch verbleibende Möglichkeit, ein Hausrind als Vorfahren des Kou- prey zu betrachten, geht auf die Angaben von Duzrst (1905, 1932) und anderen zurück, daß ın Hinterindien vielfach Kreuzungen zwischen Balırınd und Zebu vor- genommen wurden. Nach Duzrst (1905, 1932) stammen auch die drei Schädel aus dem Museum in Paris von solchen Mischlingen. Es ist nun zunächst zu prüfen, ob Zebu und Banteng fruchtbare Nachkommen erzeugen können. Auf die Ausführungen von MERKkENnNS (1929) über die Fruchtbarkeit der Bastarde habe ich bereits verwiesen. GRAY (1954) gibt an, daß reziproke Kreuzungen möglich sind. Weibliche Bastarde sind fertil; nach einigen Autoren sollen männliche Bastarde steril, nach anderen dagegen ebenfalls fertil sein. Immerhin genügen diese Angaben, um die Möglichkeit von Mischpopulatio- nen dieser Hausrinder zu belegen. Bei der Form der Haustierhaltung in Hinterindien erscheint es auch leicht möglich, daß Hausrindkühe von wilden Bantengstieren gedeckt werden. Auch auf diese Weise können die von Antonius (1922), Duerst (1905, 1932) und anderen erwähnten Mischpopulationen zustande gekommen sein. Keiner der Auto- ren führt näher aus, wie hoch der Anteil der beiden Ausgangsarten an diesen Bastarden sein soll. Es ist kaum anzunehmen, daß beide Arten gleichmäßig beteiligt sind. In die- sem Zusammenhang sind einige Bemerkungen bei Gray (1954) interessant, die über Mischlinge von Zebus und Europäischen Hausrinderrassen schreibt (p. 67): „The zebu skeleton, sloping hindquarters, dewlap, and musculature seem to be dominant; the hump is usually lost.“ Über Zebu-Kreuzungen schreibt HErRE (1937) (p.537), „daß die Körperverhältnisse im allgemeinen intermediär vererbt werden, wenngleich sich Einzel- merkmale dominant verhalten können und so eigenartige Mischtypen entstehen.“ Vor- wıiegend dominant sollen sein: Kopfbildung, Schulterstellung, Bemuskelung, die leichte Erregbarkeit und die langsame Entwicklung der Zebus. Auffallend ist auf den Abbil- dungen bei HERRE (1937) die Entwicklung der Wamme und die Länge des Schwanzes bei den Zebu-Mischlingen (besonders Abb. 6). Damit ist bereits einiges über die durch- schnittliche Gestalt der Bastarde des Zebu gesagt. Die Frage ist nun weiter, ob der Kouprey ın Gestalt und Schädelmerkmalen Besonderheiten zeigt, die auf eine Hybridi- sation deuten. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, daß es schwer, wenn nicht sogar un- möglich ist, an Hand solcher Merkmale das Vorliegen einer Kreuzung zu beweisen. Obendrein ist unbekannt, welche der beiden Arten in den Mischpopulationen stärker vertreten ist. Es hat sich aber ergeben, daß der Kouprey sowohl in äußerer Erscheinung als auch in Schädelbesonderheiten eine Mischung von Merkmalen von Bibos (vornehm- lich Banteng) und Bos (vornehmlich Zebu) zeigt. Das ist zunächst der objektive Sach- verhalt, der unabhängig ist von einer subjektiven Bewertung. Man kann ihn so deuten, daß der Kouprey als echtes Wildrind eine Stellung zwischen Bos und Bibos innehat, Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 245 andererseits ist es möglich, diesen Sachverhalt als Bastardierungsfolge anzusehen. In diesem Sinne wären dann folgende Merkmale des Kouprey als „Zebumerkmale“ zu deuten: 1. Die schlanke Schädelform (Schnauzenbreite, Stirnenge, Hinterhauptsweite) — 2.Die Neigung der Hörner nach vorn — 3. Vielleicht der Aalstrich — 4. Die starke Ausbildung der Wamme — 5. Der lange Schwanz — 6. Form und Größe der Hufe — 7. Die schlanke und grazile Körperform. ; Intermediär zwischen Banteng und Zebu sind: 1. Die Hirnlänge — 2. Die Hinter- hauptshöhe. „Bantengmerkmale“ sind: 1. Das Verhältnis von Hinterhauptsenge zu Hornbasen- abstand — 2. Die kleine Hinterhauptsenge — 3. Die relative Länge der Zahnreihe — 4. Der ovale Hornquerschnitt — 5. Die weiße Färbung der Unterteile der Extremi- täten. Diese Gegenüberstellung macht deutlich, daß es gewisse Anzeichen gibt, die man im Sinne einer Bastardierung deuten könnte. Zudem stimmt der hier aufgezeigte Sach- verhalt auffällig überein mit den Feststellungen von Gray (1954) und HERRE (1937). Man kann also darin vielleicht einen Hinweis darauf sehen, daß der Kouprey die ver- wilderte Form einer Hausrindpopulation ist, die vor vielen Generationen aus der Ver- mischung von Zebu und Banteng (Balirind) entstanden ist. In diesem Zusammenhang sind einige Angaben von LÜHMAnN (1950) von Interesse. Dieser Autor berichtet über Bastarde von altmärkischen Landgänsen (Hausform der Graugans — Anser anser) und japanıschen Höckergänsen (Hausform der Schwanengans — Cygnopsis cygnoides) (p. 538-539): Auffällig war nun, daß die Bastarde aus einigen Paarungen — bei Ver- wendung kleinerer, leicht beweglicher Landgänse — offensichtlich stärkere Wildgans- eigenschaften erkennen ließen als ihre Eltern: sie zeigten stärkere Neigung zur Eiablage und Brut im Freien und neigten auch leichter zum Fliegen. Auf Außenstationen wurden frisch dorthin verfrachtete Bastard-Zuchtgänse in zwei Fällen als Wildgänse abgeschos- sen. Die benutzten Landgänse und besonders Höckergänse zeigten derartige Eigen- schaften kaum noch. Es können also gelegentlich - nicht immer — bei Bastarden FEigen- arten der wilden Stammformen der Elternarten „atavistisch“ wieder stärker ın Erschei- nung treten.“ Auf den Kouprey angewendet, erklären diese Ausführungen vielleicht manche morphologische und manche Verhaltens-Besonderheiten, die bei der Annahme der Verwilderung einer Bastardpopulation zunächst schwer verständlich wären. Ganz allgemein könnte als Argument gegen die Möglichkeit, daß der Kouprey ein verwilder- tes Hausrind ist, sein besonders scheues Verhalten vorgebracht werden. Besonders SauveL (1949) gibt an, daß der Kouprey sehr viel scheuer als Banteng oder Gaur sein soll. Dieses Argument wird widerlegt durch Beobachtungen von HERRE und RÖHRS an den verwilderten Hauseseln ın Südamerika. HERRE (1958b) schreibt dazu (p. 12): „In diesen verwilderten Beständen schließen sich Gruppen unter der Führung eines Leit- tieres zusammen. Sie bewegen sich scheu, geschickt, absolut wildtierähnlich. Kaum eine andere Jagd war für uns so schwierig, wie jene nach diesen in unseren Fällen seit unge- fähr 50 Jahren in Freiheit befindlichen, verwilderten Hauseseln.“ Alle diese Erwägungen sollen nur darlegen, daß man bei den Erörterungen um den Kouprey die Möglichkeit -— mehr ist und kann es bei dem heute vorliegenden Material nicht sein —, daß der Kouprey ein verwildertes Hausrind ist, nicht außer acht lassen darf. Die Wahrscheinlichkeit dieser Möglichkeit wird jedoch dadurch eingeschränkt, daß man, wie gezeigt wurde, als Stammform eine Bastardpopulation annehmen muß. Gegen eine solche Annahme gibt es nämlich schwerwiegende Argumente. De facto ıst heute eine Wildart Kouprey vorhanden, die offensichtlich eine eigene Fortpflanzungs- gemeinschaft bildet. Das ist jedenfalls nach WHArToNn (1957) anzunehmen, der schreibt (p. 3): „Our brief field study, however, brought out no evidence of crossbreeding with banting or any other bovine. It is known that both banting and gayal (Bos frontalis Lambert) breed readily with domestic cattle. I was not presented with any evidence, 246 H. Bohlken photographic or otherwise, that kouprey cross-breed with any other cattle.“ Die Be- deutung dieses Sachverhaltes wird durch Beobachtungen von LüHmann (1950) noch erhöht, denen zufolge die Bastardgänse bei freier Gattenwahl Gänse der Ausgangs- arten bei der Paarung bevorzugten und die anderen Bastarde vernachlässigten. „Die gegenseitige geschlechtliche Abneigung bei Gänsebastarden kann so als zusätzliche Sicherung gegen die Entstehung und Ausbreitung ausgesprechener Bastardpopulationen wirken.“ (p. 542). Andererseits ist aber die Minderung der sexuellen Affinität zu den Ausgangsarten eine Grundvoraussetzung für die Ableitung des Kouprey von einer domestizierten Bastardpopulation. Wichtig ist in diesem Fall, daß der Mensch bei der Entstehung der Bastarde maßgeblich beteiligt ıst, denn es handelt sich ja um Haustiere. Es erscheint möglich, daß in einer lange Zeit bestehenden, möglicherweise ingezüchte- ten Bastardpopulation, langsam eine geschlechtliche Abneigung den Ausgangsarten gegenüber entsteht, die bei der späteren Verwilderung von Tieren dieser Gruppe, als Barriere gegen Rückkreuzungen wirksam ist. Dadurch würde das Aufgehen der Bastard- population in einer der Ausgangsarten verhindert. Ganz allgemein aber ergibt sich dabei die Frage, ob eine Artbildung durch Hybridi- sation möglich ist. Früher wurde das häufiger angenommen; noch vor relativ kurzer Zeit hat Lotsy (1916) eine ganze Evolutionstheorie darauf aufgebaut. Noch heute wird die große Bedeutung der Hybridisation für die Evolution der Pflanzen anerkannt (alloploide Bastarde) (REMANE, 1952; GRANT, 1957; Zızın, 1960). Dabei ıst aber wohl der Artbegriff in der Botanik und in der Zoologie nicht völlig identisch (vgl. z. B. SCHWARZ, 1960). Für die Evolution der Tiere kommt der Bastardierung jedoch nach allgemeiner Ansicht nur sehr geringe Bedeutung zu (z. B. HERRE, 1937; REMANE, 1952; u. v. a.). Alle Überlegungen zu diesem Problem gehen aber fast nur von Bastardierun- gen ın freier Wildbahn aus, wie auch die Einteilung der Hybriden bei Mayr, LInsLEy, und UsınGer (1953) zeigt. Der hier betrachtete Fall weicht jedoch erheblich davon ab, da es sıch um Haustiere handelt, welche durch den Menschen zusammengebracht und gekreuzt wurden. Trotzdem wäre es ein sehr seltener Fall von Artentstehung durch Hybridisation, wenn der Kouprey tatsächlich von einer Haustierbastardpopulation abstammen sollte. Falls sich diese Theorie dennoch einmal als richtig erweisen sollte, wirft sie für die taxonomische Behandlung des Kouprey schwierige Probleme auf. MAYR, LinsLEy und UsinGer (1953) haben sich mit der taxonomischen Einstufung von Hybriden befaßt. Es wurde jedoch bereits erwähnt, daß der hier vorliegende Fall nicht in das dort entwickelte Schema einzugliedern ist. Einmal könnte man den Kouprey nicht einfach als Bastard von Zebu und Banteng bezeichnen, da der jeweilige Anteil der Ausgangsarten an der Bastardpopulation wohl kaum zu klären ist. Zum anderen bildet der Kouprey heute eine wilde Population, die deutlich von den anderen Rindern unterschieden ist und eine eigene Fortpflanzungsgemeinschaft darstellt. Man müßte also wohl den Kouprey als neue, durch Hybridisation entstandene Art anerkennen und taxonomisch entsprechend behandeln. Das stößt aber auf gewisse Schwierigkeiten, denn eine Bastardform kann nicht einer der beiden Ausgangsarten zugeordnet werden, son- dern sıe steht zwischen ihnen, besonders dann, wenn man diese Form als neue Art an- erkennt. Der Kouprey könnte also weder zu Bos noch zu Bibos gestellt werden, falls er wirklich einer Bastardpopulation entstammt. Wir wären also auch dann gezwungen, die Gattungen Bos und Bibos zu vereinigen, zumal die Möglichkeit einer erfolgreichen Hybridisation anzeigt, daß diese Gattungen doch sehr eng miteinander verwandt sind. Selbst die Gliederung der Gattung Bos in Untergattungen würde dann fragwürdig sein, denn das Problem der Einordnung des Kouprey besteht ja auch auf dieser Ebene. Hier gibt es zwei Möglichkeiten: Erstens kann man den Kouprey als eigene Untergattung Novibos neben Bos und Bibos ansehen. Das erscheint aber nicht ratsam, da die Ab- grenzung der Untergattungen gegeneinander dann sehr schwierig wird und diese außer- dem sehr geringen Umfang haben würden. Man sollte dann die zweite Möglichkeit Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 247 vorziehen und auf.eine Gliederung der Gattung Bos in Untergattungen verzichten. Diese Gattung umfaßt ja nur vier rezente Arten, sie würde also durchaus überschaubar bleiben. Der Kouprey wäre dann als Bos sauveli Urbain zu bezeichnen. V. Schlußbetrachtung Die Ergebnisse der theoretischen Erörterung sind folgendermaßen zu formulieren: Bei dem heutigen Stand unseres Wissens um den Kouprey ist nicht zu entscheiden, ob er ein echtes Wildrind oder ein verwildertes Hausrind ist. Im zweiten Fall wäre der Kouprey aus einer Hausrind-Mischpopulation von Zebu und Banteng hervorgegangen. Es können keine Aussagen darüber gemacht werden, seit wann es solche Bastard-Haus- rinder gibt und zu welcher Zeit die Verwilderung stattgefunden haben kann. Solange aber die Herkunft des Kouprey von einer Bastardpopulation nicht bewiesen ist, sollte man ihn als echte Wildart betrachten, wobei man sich aber der Vorbehalte bewußt sein muß. Die Gattungen Bos und Bibos sınd bei Berücksichtigung des Kouprey nicht so ein- deutig gegeneinander abzugrenzen, daß ihre generische Trennung gerechtfertigt wäre. Bibos wird daher als Untergattung zu Bos gestellt. Der Kouprey ist nach seinen wesent- lichen Merkmalen eine Art der Untergattung Bibos. Für die Systematik ergibt sich also folgendes Bild: Gattung Bos Linnaeus 1758 Synonymie: Taurus Rafınesque 1814; Urus H. Smith 1827; Bibos Hodgson 1837; Poe- pagus Gray 1843; Gavenus Hodgson 1847; Gauribos Heude 1901; Uribos Heude 1901; Bubalibos Heude 1901; Novibos Coolidge 1940. a. Untergattung: Bos Linnaeus 1758 Keine rezente Wildart, zwei fossile Arten: Bos (Bos) planifrons Lydekker 1878 Bos (Bos) primigenius Bojanus 1827 b. Untergattung: Poephagus Gray 1843 Bos (Poephagus) mutus Przewalskı 1883 c. Untergattung Bibos Hodgson 1837 Bos (Bibos) javanicus d’Alton 1823 Bos (Bibos) gaurus H. Smith 1827 Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937. In ihrer Liste der palaearktischen und indischen Säugetiere führen ELLERMAN und MOoRRI- son-ScoTT (1951) im Anschluß an Bos banteng auf Seite 381/382 die von Hrupe (1901) für indochinesische Rinder gegebenen Namen an mit der Bemerkung: „One of them may be valid if an Indo-Chinese race proves separable, and there is always the chance that one of them may prove to antedate B. sauveli, below.“ Eine Überprüfung hat ergeben, daß Hrupe (1901) sicher nicht den Kouprey beschrieben hat. Soweit es nach den Abbildungen von HEUDE zu beurteilen ist, sind Gauribos laosiensis, Gauribos brachyrhinus, Gauribos mekongensis und Uribos platyceros Synonyme von Bos (Bibos) gaurus. Das gleiche scheint zuzutreffen für: Gauribos sylvanus, Bubalibos annamiticus, Bos (?) leptoceros und Bibos (?) fusicornis. Dagegen sind Bibos discolor und Bibos longicornis Banteng- formen, also Synonyme von Bibos javanicus birmanicus Lydekker 1898. Wie ELLERMAN und MORRISON-SCOTT ausführen, ist es möglich, daß der eine oder der andere dieser Namen als Unterartname für Gaur oder Banteng valide ist. Zur Beurteilung dieser Frage bedarf es aber eines viel größeren Materials von diesen Arten aus Indochina. Auf keinen Fall ist es jedoch möglich, einen dieser Namen von HEuDpe (1901) auf den Kouprey zu beziehen. WHARTON (1957) schließt seine Arbeit mit einem Hinweis auf die Aufgaben zu- künftiger Studien über den Kouprey (p. 91): „Future studies should include: 1. Migra- tions of kouprey — 2. The location of other concentration areas — 3. The importation of young kouprey for zoos and for improving the blood lines of tropical and sub- tropical cattle.“ 248 H. Bohlken Für weitere Einsichten in die in der vorliegenden Arbeit behandelten Probleme wäre es wünschenswert: 1. Das Schädel- und Skelettmaterial von Bos sauveli zu vermehren — 2. Material von den Hausrindern Kambodschas zu sammeln — 3. Lebende Koupreys in Zoologische Gärten zu bekommen, um in Kreuzungsversuchen die Verwandtschaft zu Banteng und zu Zebu weiter zu prüfen. Die Hauptaufgabe ist aber, gerade unter den heute ın Hinterindien herrschenden Verhältnissen, alles zu versuchen, dieses merkwürdige Rind zu schützen und zu er- halten. Auch im Hinblick auf dieses Anliegen sollte versucht werden, Koupreys zu fangen und in Zoologische Gärten zu bringen. Zusammenfassung Die vorliegende Studie versucht, einen Beitrag zu dem Problem der systematischen Stellung des Kouprey zu liefern. Die ersten Berichte über den Kouprey wurden 1930 gegeben. 1937 erfolgte die Beschrei- bung als neue Art Bos (Bibos) sauveli Urbain. CooLIDGE (1940) begründete für diese Art die Gattung Novibos. Der Kouprey wird in dieser Arbeit im wesentlichen mit Gaur /Bıbos gaurus (H. Smith)], Banteng /Bibos javanicus (d’Alton)], Ur (Bos primigenius Bo;j.) und Zebu (Bos primigenius f. taurus L.) verglichen. Diese Arten werden zunächst in ihrer äußeren Erscheinung charakteri- siert. Dazu werden für den Kouprey Angaben über Verbreitung und Biologie gemacht. Diese Art ist in den’ offenen Wäldern des nördlichen und östlichen Kambodscha beheimatet. In die- sem Gebiet leben nach vorsichtigen Schätzungen etwa 500 Koupreys. Sie leben ın Herden bıs zu 30 Tieren, oft gemischt mit Bantengherden. Die Paarung erfolgt im April, die Geburt der Kälber im Dezember und Januar. Die Schädel des Kouprey werden mit denen der anderen Arten verglichen. Bos und Bibos unterscheiden sich in einer Reihe von Merkmalen. Der Kouprey stimmt in einigen Merk- malen mit Bos, in anderen mit Bibos überein. Eine genaue Prüfung der von CoouipGE (1940) gegebenen Diagnose für die Gattung Novibos ergibt, daß eine klare Abgrenzung gegen Bos einerseits und Bibos andererseits nicht möglich ist. Die Ergebnisse des Schädelvergleiches und theoretische Erwägungen lehren, daß Novibos Coolidge 1940 nicht valide ist. Nach WHARTON (1957) gibt es für die Herkunft des Kouprey im wesentlichen zwei Mösg- lichkeiten: 1. Der Kouprey ist eine echte Wildart. 2. Der Kouprey ist ein verwildertes Haus- tier. Diese Möglichkeiten werden erörtert und geprüft Es zeigt sich, daß bei dem heutigen Wissensstand um den Kouprey und mit dem geringen verfügbaren Material keine Entscheidung für eine dieser Möglichkeiten gefällt werden kann. Es muß also auch bei zukünftigen Untersuchungen über den Kouprey erwogen werden, daß er ein verwildertes Hausrind sein könnte. Als domestizierte Stammform kommt nach den Er- gebnissen dieser Untersuchung eine Bastardpopulation (Zebu und Banteng) in Frage. Für die Systematik folgert aus den vorgebrachten Erörterungen, daß die Erbe des Kouprey eine eindeutige und tiefgreifende” Grenzziehung zwischen Bos und Bibos unmöglich macht. Die Gattung Bibos Hodgson 1837 wird daher als selbständige Gattung eingezogen "und als Untergattung zu Bos L. 1758 gestellt. Der Kouprey wird auf Grund von Schädel- und Färbungsbesonderheiten der Untergattung Bibos zugeordnet. Sein wissenschaftlicher Name wäre demnach Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937. Summary The origin and the systematic position of the kouprey, Bibos sasveli (Urbain) 1937 are discussed. It ıs not yet possible to decide whether the kouprey is an originally wild anımal or whether it is a feral domestic ox. It is shown that Novidos Coolidge 1940 ıs not a valid genus and that Bibos Hodgson 1837 only should have subgeneric rank within the genus Bos L. 1758. The kouprey should be listed as a species of the subgenus Bibos, its scientific name is there- fore: Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937. Resume L’origin et la position systematique du Kouprey, Bibos sauveli (Urbain) 1937 est discutee. Maintenant il est impossible A decider que les Koupreys sont des animaux sauvages ou un animal domestique devenu sauvage. Le genus Novıbos Coolidge 1940 n’est pas valide; le genus Bibos Hodgson 1837 est seulement un subgenus du genus Bos L. 1758. Le Kouprey doit etre determine comme un espece du genus Bos, "subgenus "Bibos. De cette raison le nom doit etre Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937. 249 Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 0/2 SIE 06% 095 0%9 065 Ore SOS SES OLE 087 005 S6S5 SPElOLE SO9 SOE 09% ITIr 0€£9 puessgeuszudsuiog '9 082 089 OIZ 098 0783 S6Z/ OrZ 00/2 SOZ S89 Or8 S98 088 078 1092 086 ODE6 Or8 SES 0ZZ dejsneuloH 'G HC SC 0007 SEC SIT TSCT SZ EI EHI SEC SOSE IZEZOZEZEI IE EC 0ET EOS IEETZEE UI Zuejuinstsequsjdezu1og 'p drne GER O0ELOELZOSE ZOLESOTNZESSSEEZRELOSEZOIEF SET ET CHE OT 082 TI TE SS OH EOS 9E Zuejuunsisequiof '€ ZSSIROZTZSZEESST OITZOET FOTO ST EZ PEY EEE SIT 2937 5872 08 E95 70 Te BEEISQEU SEI OT 102 15927880 555..95022. 9592 SCH 0220957720792 002072259 I0IZ E03 SSOF IH 7018207329719 9durjuioH '] Sal 021 VOTE EZT EZ EZ OT CI 081 697 59 rs 2787 790091. IR SH OH ZI O2 OT] SINIqjerdissQ ‘07 OK ZITZOZ ST IE 02 Tea SIE SCcE 6IC. 1272914 507 870, Tyc 18 SV 2931631. .761, 85672561 rasydneynaumg "61 Valor sro ZEV COR ZSOEZERTL 76977521967 .96 E01 6CE SE 76.115 OA IE STE NEESO duasıdneyragumg 'g] Col 8 78178617661. 087796721022. 0022 587 77377661. 9022702 TE ZI 26772381, 02085 9duauımg "ZI KG IE LE NEE EEE IE Ke Vrae Tee Ike Nee Eee re ze re 0 ie ee IE ISIS N CHE ZEITEESIT ZEIT CI 652357 65T OT Er) 6812651, 09 KOSTET ZZ Zu sy) IE EHI EI SIEEZLETSIIT IE 109292 OLE SE IZESZNEN ZU E22 SCH 09 IE ET SNEIGIEENSTT BIGZSOTZESOTTI TTV SIE SC 144910 I9 77097 IT ee ca 70a 6216612100 561..061..06] raagpeänf 'E] DAS OSTESHI ET IT SET IST Er IT rn 9512557 8972 097 697. | EHE SSE SS are Ze] 91 NIITIPOyuSdur A "TI 0 08502277627 18,260852.683730..982 7162 582 769° 2895. 62. 16.1982 236.2.55,00.256.0406..298 EN AN Be ES SSTE ZU VZO ESST OL ES9 FELL EI 081 ZT BET 867 [OR EIST EFOT r ST e/S ri syoysıdneyssaumg aurayy ‘OT ZA STE E 037 707 na 0 982192902 861 ale SOZrIG 22a 020 78ER es hör syaysıdneyrsaurg 3019 '6 Zu 0822020119927 2u82,087..08 7137622 622289295 7.98 03. 1987298 7296 VA Se 6 ua1eJoW 12p Our 'g DS LEE OS O9 LE 653 559,065, 20 756 29817 69..692 1 SE HRS us1ejoWweeıg 19Pp 3SurT '/ BEI ZEISET OH TEL HI SEI SET SEI Ze Heel 9 CH Zu 6El He Zei 6HL Tel zer os »dugpuayrauyez '9 ZEI ZI 98T E6T 637 Vol 261 007 661 005 93 Zeil 86 30T OO SIT TEL ZZ TV 6 Col adugjundg 'S al ANTEDE 122 DI 2 BL al Bl ee A Ei A ee re Eier Aal Die Ag! dugjjeseN "+ 295 595.055 895 165 6/25 009 90977109 Tess UI SI 8597679007 0257 SLIT SEE SL 7595 dueiyorg "€ — 087 287 160 860 L6C +67 060 660 60€ 90€ 80€ 80€ STE HIEe|IsT ZOE ZIE TZOE OTE OzE durjuaunneg, '7 DEP Ser Zer Isp 9sp Lsh 65h 196 19% 69% OLr S/r H8r O6 H6r Och S9H OL Zub €9r Sr odurpjeseg "I + uU ul - —_ m [e) - - m „m „m „m m [e) m W | »r m 2 le a ee ee = SH Se “m ur ur SH -2 SH SH SE or “ Se Do “ 33 Se oN| SN u 2 [e) 2 Dr se ) sog PL panvs (sogig) sog ae >3njosqy EEESNSAZL H. Bohlken 2, snauravl (soqig) sog 250 ir BBe ee —- — 065 799 SES 065 purssgeuszudsu1opf '9 OPAMOCINELCINE a 0/8 098 $88 068 93ejsneu1opg 'G TA 2 7A A A KA ZT SIT 067 SST Oz Suezwnsisequajdezuo 'r vee Te Ice — Ihe 09€ OLE 06€ SSE Zuejumsisequiopg ‘€ Gelee Zu Ic > 9Ll 081 SSL 86l pueisgeussequopg "7 379 6ls HE — So 0€9 SEI SLI 599 dupjuiod '] ZST #ST H9L Tl SST 65T TIL SST|OZT SZT H8L SSL EZL 92T Z8L 981 061 ara1gjendi>>Q '07 Be 002 voe /0e ala Sız Zya vco oc Voa voo soo old. eier yeo Zeolce ramsıdneyraurg '67 Vo eomoo es 8/07 co DIL SOp Kal arıe Depe copeze 2007 1e1 077 aussıdneynsaug 8] 961 I6L 16T ZZI 007 681 107 OIT|69I F07 Soz SSI Z6l Tel 807 907 907 9öuauıng '/] le ol Kol Slard ie Od Ser Reed see ae le See Bus re ac diye ra1qjergiorg °9] GH Shl 6hl 6Zl 6LL E9T IST YZL|SST 98T ZT Z9T IST 981 SIT Zei 697 ONS1qjergqrorijuf 'G] ao) oo cn oe ee ee raAgjeseN ‘pl 10 E00. 002 202 900 600 era realvoe 2a vao so vıo 020. 020 600,07 ansıqjeänf 'E] - zUT — |6rT OST #sT — 19L SIT HL 65T 9st ArS1q1Poyusdue\ "ZI ss -|s - ss - 8 9% I6 88 06 aaıquozneuupg "TI 991 99T OLL SIT O8T #LI — #ZL|99T 8/1 681 081 TEL ZZI 86L FZI Z6I >yaysıdneyasung sury 'ol Tel E6I 007 Tel TOT E0T — TOTISSI SOZ IIT E07 LOT 107 91T SOz Erz >yaysıdneyrsumg 2019 '6 oe la oo nn ze on 06 se . uo1ejop Jap adur] 'g 965 K%09 9 I ml zZ 9 © E69 09 SS 09 €9 WaTejowsrig op adur] ‘7 TEL ZPl SEI ZEIL SEI Shl TEIL TnL|ZEL 67T 6ET SPI vol ZEL SEI Er 6rl 3urjuoyriugez, '9 -— —-.— — SEI 821 861 — S6TL Tl ZIT 661 007 durjung 'G oo ee Ta oa sol Kr oo Bol = Ga Wan ea war ae Won durjjesen 't - 20-5 —- [055 — 95 — EIG 095 G89 S6G 019 3uejjlyoig € IST 8LT 98T TST #67 967 167 EOE|EHT SOE S6T 667 Z6T O0E ZIE 00€ 60€ adurjuaumen) ‘7 ech bob Her GEH Seh Shr 7SH SCH|orr zur GHr Zur Zur Sr 89% ZLr S8r odujjeseg *] | | | | | ee en BI EIER ER 0») I mug => oO, ° 122 | 8 OLE SIESIESESPHIESEIEN BAR EJESE se EEE: Re = a za 2 |&z ss ER 5 wel 1m07] 'apl '9 snauprwag "rl 'q PP snauraol (sogig) sog Asjen >Injosqy (3unz70s740,7) II 2Jogr.L 251 Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 — N = See SL 2 moIE STEREO CHE Sch NIE RGEc De 3095 pueisgeuszudsu1opg '9 — en SUIMOrZE ZZ 0918..006 022.008: 0032 GB 7 en ra crscgs 9ejsneulod] 'G 0SE OLE SIE 8SE SSE 804 |L6T 087 ShE DEE LTE HBE 08E 00€ ObE 09€ BEE EHE TEE STE OrE STE Sduezunsisequajdezurorf ‘+ - ee CE ESEN SEE SCHE LEE OZNELEbe Cr Och Sch = car 06 langer, SuezummsisequIor] ‘€ (OST) (ZIT)KOTE) (SIT) (Zr I) (ZH) EST Zrz HrZ 081 Orc 6le 107 ccc SHC E02 —- Ic - Oz 8/C 99, puessgeussequiog '7 (OEL) (SIS) (089) OIIYLOTDEOSD| SH 055 — 099 69 E97 = SIz 9Q "07 020 BL 692 160 C6R 63902 870 6°C SEA ISa IA 1CC VIE 890 090 350 190 696 090 09. 6CE 9ramsıdneyrarumgg '6] BE OH IEEIEC ICE ya | 58 7872971 S6 SIT SIE 97 SIT 72 See con Srı var ırı ve ze 93uasıdneyssumgg 'g] ISC LEO TEST IST ISE EHE |ZOTTESC ISE CEO YEe Sye vHe 680 210 Syo Ere Ira 37C CIE ya SIT Sduaummg '/] a Ar a Ele Be u re ee TE EIER re Re ie Ser Vre NE Se NE OL SraIgjerrgqloig '9] 797 BON OS Col Ile TZV LG 681. 531 702. Sale 72.000800: CC 099 SNIIGTEIIqIORIHUT "GL gg - CIE ER OLE EL A LEBE GN 99 29 SOC Ne Ce SS 07 rloigjeseN "pl LITE ESCH SH 665C IScıvic 90u 05a Tee Orc Oce Ove Spa Io Eco vea 090. 9°0 0gc Ina 0cz syaıgjeönf 'E] VO RIZ1EE6 6600 HET SZ ZONE CI ZIE Oo Tor ea VEN 061. 01.007 SNSIgIOPOyuaSur X, "ZI SO FE ZCEI ZIEL LET Fee) 176: 60, = 66 66 2,000, — 000 2 3njosqy (3unz19s140,7) II oljaqv.L H. Bohlken 0/5 S1I9 069 ST6 097 09€ OIZ purisgeuszudsunop] '9 065 $59 SrZ Or6 O8E SZE 079 odejsneuiof] ’G Eis.“ G6T OrT SOT OST IOTE BEE LIE ZrE OrE OBE 0TE OrE OLE OrE SSE Ser SBE SIE SZE SZE ABurzunssequsjdezuion 'p Gere STT DIE OrE 087 EEZ SO duejiumsisequiop] '£ 76 SIT ZOZ ZII 811 SIT 001 KEST)(ZIT) (091) (BOT) (ZEZ) (BP I) (PET) (SZI) (OO) (SZI) (P6l) (OT) (ZI) (SET) (OZ1) purssgeuosequiop] '7 0GE SBE Orr 069 OrE S61 STZ KOL9) (Sr9) (P0Z) (068) (S19) (OZS) (OZS) (OSS) (002) (OTS) (EOZS) (O8 8) (099) (OE9) (OT S) (00) odurpuiorg "| eEI 951 F8I P81 E91 HSI 79] ZI 6LT 07 LET MAqLUIADMO "07 O9T ZBT 68L 961 O8T ZI 102 I 197 TE 08T PLZ E87 Coc LST 997 962 HLll 887 6o68T BLT 887 Samsidneiiaugg Gl ZIT EeT 602 EOZ Sr P#SsT PIlıvOz old Zeil SOz IST Erc 10T 002 ZrZ vd OrZ GrZ Ipy7T 9r7 adussıcdneyaaugg ’g] 6r1l E91 861 807 061 621 ILL |ZIE SrZ ZZZ PrZT 662 6€2 OPZ EIT Ird 977 67 89T EST TrZ Erz 957 Sduauıng +/] D6L 66l Sa ZurT SEE EIC ZIE I IBEE 00€ SOE Loc: SOE BOE Z6T E87 91€ 00€ STE ZEE TE 00€ Z6T EIE SNSAgferrqaorg "97 OST 191 Z8BI IIZ S8T OZI 691 lE7 OTT 657 p/T Sadgqjeirqdorijuf G] 86.09 9 92292159 9 88 001 SDAGjESeN 'p] 9LI 881 SOZ ZOZT 807 Z61l OIZ|OEZ ent 1I5E ESC Lre 9857 HEZ €E9IZ 92 99% BIT 85T €87 Smageänf '€] EEI rl EST 091 S9T #91 99T I TZ1 661 621 961 Zel SBI SBI S6l Z6l 661 60T 681 SEI B6l T6l DAL POyUDdur N "ZI Baruulense SoNnZe 86 I 801 Tech SSL -SOL .STT 901 Zl (era la SLTEE Te] HOIQUSZNEULDS ']J BO cEel £ol Cor sel STIL EST BOT ZI SZ B9L S9T OCT SET ToL Tel ZII SZ TIe £6l 16T 87 Syoyssdneqmaug Duropsy 'O] Del cell ODELSZIT BEL SZ EIS LIE 022 TEZ SOG BEZ OEz SEE Ze Zee DIE OS SZ ehe BZ yoysadneiaugg 2049 "6 Be OBEN ESS ERBEORT IE ZU AR 98° Col TOOL ZT 80T LOL S6 EOT S6 £01 rOl warow A2p dur 'g Or O6 Is vr 67 6 05 109 #599 9 59 19° eG en 269 19 9 59 w9r[oumer] ap »dur "2 BOT DET 6ZI LEI TEL SET SET |O9I ErT 09T 991 691 FZI 851 PrI ZII Il O2 OZE ZI el odurjuaymauuez '9 LEI SST EIT 09T SZI 691 SZ1 81 Ben Sdurjunp] 'G OFT II ET Z6L O6l 681 EOE I 6IZ OT (fee 65T rl BZ ENWLG odurjjusen 'p Olr SIS BES SZ/S ErS ZZS 0/8 G4L G88 Sdurjljorg '£ sec D6C 89T ZOC 68C FoC SLE I IE CeCE IVE ESE EHE re 6rE SpE See E9E 09€ 09€ BD odurjuawnen) 7 It 9rP SS 09% S9Pr 29V SEP |SCS DES SES 95 0655 SSH SSS 095 095 095 SIG ELS 085 785 P8G S8S Sdurjeseg "7 „nIl=zlonien|ieon)v4|\rm2Ilvr| tmea| - BeolRm|ı mem |ı mea| ot) M| "ea | vg ac Mmea| mir 32 8282 331 3852] FE "S 82 "SI REIFE TS SEISE FE | SSR RE SS "SEE i N 62 | | = | N = RAin Ei | oo Im 7 | YO SH IS ni RA/l» 5 > | | | . (no) Y DD snmodnund (So so DD san °j smmodnund (sog) sog] PP smmdnd (sog) sog Ssyep PInjosqy (dunzıosi4o,]) 7 PPqPL Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 253 Literatur Antonius, ©. (1922): Grundzüge einer Stammesgeschichte der Haustiere. Jena. — BERTA- LANFFY, L. v. (1957): Wachstum. In: Handbuch der Zoologie, Bd. 8, 10. Liefg. Berlin. — BoHLken, H. (1958a): Zur Nomenklatur der Haustiere. Zool. Anz., 160, 167-168. — BoHL- KEN, H. (1958b): Vergeichende Untersuchungen an Wildrindern Tribus Bovini Simpson 1945). Zool. Jahrb., Abt. Allg. Zool. Phys., 68, 113-202. — BoHLkEn, H. (1961a): Allometri- sche Untersuchungen m dem Schideln a aescher Wildeinder 7. Säugetierkde., 26. — BoHL- KEN, H. (1961b): Haustiere und Zoologische Systematik. Z. Tierzüchtg. Züchtgsbiol., 76, — BONADONNA, T. (1959): Le Razze Bovine. Bufali — Cattali — Zebu. Milano. — BRAESTRUP, F. W. (1960): Kouprey — Oksen, opdaget 1933-37 — er det en slags urokse? Naturens Verden, 37-44. — CARTER, T. D., Hıır ]J. E., u. TATE, G. H. (1945): Mammals of the Pacific World. New York. — CHasen, F. N. (1940): A Handlist of Malaysiıan Mammals. Bull. Raffles Mus., Singapore, 15. — CooLipge, H. J. (1940): The Indo-Chinese Forest Ox or Kouprey. Mem. Mus. Comp. Zooi., Harvard, 54, no 6, 417-531. — CooLipGeE, H. J. (1957): Foreword zu WHARTOoN, Ch. H.: An Ecological study of the Kouprey, Novibos sauveli (Urbain). Manila. — DouArcHE, M. E. (1906): Les bovides du Tonkin. Bull. Econ., 8, 1-101, 247-316. — Durst, J. U. (1905): Neubearbeitung von WILckeEns: Grundzüge der Naturgeschichte der Haustiere. Leipzig. — DUuERST, ]J. U. (1926): Da Hoc der Cavicornıa Denkschr, Schweiz. Naturf. Ges., LXIIIL, Abh. 1, a Durxst, J. U. (1931): Grundlagen der Rinderzucht. Berlin. — Durosst (1930): Chasse et Touren Cambodge et dans ie Sralinelsehse Societe des Editions d’ Extr&me-Asie, Saigon. — EDMOND- BLANc, Fr. (1947): A contribution to the knowledge of the cambodian wild ox or kouproh. ]. Mammalog gy, 28, 245-248. ELLERMAN, J. R., u. MORRISON-SCOTT, T. C. S. (1951): Checklist of Tolasrse Fand Indian Mammals. London. — Erstein, H. (1956): The Origin of the Africander Cattle, with Com- ments on the Classification and Evolution of Zebu Cattle in general. — Z. Tierzüchtg. Züchtgsbiol., 66, 97-148. — FISHER, R. A. u. YATEs, F. (1953): Statistical Tables for Biolo- gical, Agrıcultural and Medical Research. 4. Edit., Edinburgh-London. — FRECHKoT, $. (1955): Sous-Ordre des Ruminants ou Selenodontes. In: Grass£, P. P.: Traite de Zoologie, Bd. XVII, 1, Paris. — Frick, H. (1960): Kraniometrische Untersuchungen an Pavianen. Verhdl. Anat. Ges., Zürich, 1959, 141-153. — Gans, H. (1915): Banteng, Zebu und ihr gegenseitiges Ver- hältnis. Kühn-Archiv, 6, 93-152. — GRANT, V. (1957): The plant species in theory and prac- tice. In: Mayr, E.: The Species Problem. Washington. — Gray, A. P. (1954): Mammalian Hybrids. Farnham Royal Bucks. — GroMmova, V. (1931): Contribution ä la connaissance de l’Ure de l’Europe orientale et de l’Asie septentrionale. Ann. Mus. Zool. Acad., Leningrad, 32 (russisch). — HALTENORTH, Th. (1961): Klassifikation der Säugetiere: Artiodactyla. In: Hand: buch der Zoologie, Bd. VIII, Berlin (im Druck). — HALTENORTH, Th., u. TRENSE, W. (1956): Das Großwild der Erde und seine Trophäen. München. — HaRrPER, Fr. (1945): Extinct and vanishing mammals of the Old World. Baltimore. — HERRE, W. (1937): Artkreuzungen bei Säugetieren. Biologia Generalis, XII, 526-545. — HERRE, W. (1954): Das Ren als Haustier. Leipzig. — HERRE, W. (1955): Domestikation und Stammesgeschichte. In: HEBERER: Evo- lution der Organismen. 2. Aufl., Stuttgart (801-856). — HERRE, W. (1958a): Züchtungsbiolo- gische Betrachtungen an primitiven Tierzuchten. Z. Tierzüchtg. u. Züchtgsbiol., 71, 252-272. — HERRE, W. (1958b): Einflüsse der Umwelt auf das Säugetiergehirn. Dtsch. Med. Wochen- schrift, 83, 36, 1568-1574. — HERRE, W. (1958c): Abstammung und Domestikation der Haus- tiere. In: Handbuch der Tierzüchtung, Band I, Paur Parey, Hamburg und Berlin. — HERRE, W. (1961): Der Art- und Rassebegriff. In: Handbuch der Tierzüchtung, Bd. III, PAaur Parey, Hamburg und Berlin. — Heupe, P. M. (1901): Essai sur les Bovides sauvages de I’Indo-Chine Francaise. Mem. Hist. Nat. Emp. Chin., 5, 2-11. — HirzHEiMER, M. (1916): Paarhufer (Artiodactyla). In: Brehms Tierleben. 4. Aufl., 13. Bd., Leipzig und Wien. — HirLZHEIMER, M. (1926): Natürliche Rassengeschichte der Haussäugetiere. Berlin und Leipzig. — Hoo1jJEr, D. A. (1958): Sexual differences in the skull of fossil and recent bantengs. Mam- malia, 22, 73-75. — Huxte£y, J. (1940): The New Systematics. London. — JERDON, T. C. (1867): re ammals oh TndasRocrke KELLer, C. (1905): Naturgeschichte der Haus- tiere, Berlim. — Kıart, B. (1913): Über den Einfluß der Gesamtgröße auf das Schädelbild nebst Bemerkungen über die Vorgeschichte der Haustiere. Arch. Entw.-Mechan., 36, 387-471. — Kıart, B. (1927): Entstehung der Haustiere. Handbuch der Vererbungswissenschaft, Bd. III, Berlin. — Kurte£n, B. (1954): Observations on Allometry in mammalian dentitions, its interpretation and evolutionary significance. Acta Zool. Fennica, 85, 1-13. — LerrH- NER, OÖ. v (1927): Der Ur. Ber. d. Inter. Ges. zur Erhaltung des Wisents 2, 1-140. — LExAGuL, B. (1952): On the trail of the Kouprey, or Indo-Chinese Forest Ox (Bibos sauveli). ik Bombay Nat. Hist. Soc., 50, 623-628. — Lortsy, J. P. (1916): Evolution by means of hybri- dization. Den Haag. — LÜHMaANnNn, M. (1950): Über Unfruchtbarkeit und gegenseitige Ab- Heinz bei Gänsebastarden. Klattfestschr., Erg Bd. zu Zool. Anz., 145, 538-542. — Lypek- KER, (1913): Catalogue of the Ungulate Mammals in the British Museum (Natural 254 H. Bohlken History). Vol. I, London. — Mayr, E., Linstey, E. G., u. UsinGeEr, R. L. (1953): Methods and principles of systematic zoology. New York, Toronto, London. — MERKENS, J. (1929): Die Abstammung des Java-Madurarindes. Z. Tierz. Züchtungsbiol., 16, 361-400. — MEu- NIER, K. (19593): Die Allometrie des Vogelflügels. Z. w. Z., 161, 444482. — MEUuNIER, K. (1959b): Die Größenabhängigkeit der Körperform bei Vögeln. 2.2W272,1862,328 a MoHRr, E. (1949): Shredded Horns of Oxen. J. Mammal., =, 393-395. — PıL6rım, G. E. (1939): The fossil Bovidae of India. Mem. Geol. Surv. India, Palaeontologica India, Nasaa Vol. XXVI, Mem.No. 1. — REMANE, A. (1952): Die Grundlagen des natürlichen Systems, der vergleichenden Anatome undlder Phylogenetik. Leipzig. — REQUATE, H.. (1957): Zug Naturgeschichte des Ures (Bos primigenius Bojanus 1827), nach Schädel- und Skelettfunden in Schleswig-Holstein. Z. Tierzüchtg. Züchtgsbiol., 70, 297-338. — RöHRs, M. (1958): Allo- metrische Studien in ihrer Bedeutung für Ey ‚olutionsforschung und Systematik. Zool. Anz., 160, 227-294. — RÖHRs, M. (1959): Neue Ergebnisse und Probleme der Allomerrieforschune. Z. w. Z., 162, 1-95. — Rönrs, M. (1961): Allometrie und Systematik. Z. Säugetierkde., 26. — SauveL, R. (1949a): Distribution geographique du Kou-Prey (Bibos sauveli Urb.). Mamma- lia, 13, 144-148. — Sauver, R. (1949b): Le Kou-Prey ou Boeuf gris du Cambodge. La Terre et la Vie, 96, 89-109. — ScHUMAnN, H. (1913): Gayal und Gaur und ihre gegenseitigen Beziehungen. Diss. Halle. — ScHwarz, O. (1960): Das Verhältnis der Systematik zur Phylo- genetik In: Arbeitstagung zu Fragen der Evolution, 1959 in Jena. 83-95, Jena. — Sımrson, G. G. (1945): The principles of classification and a classification of mammals. Bull. Amer. Mus. Nat. Hist., 85, 1-XVI; 1-350. — Sımpson, G. G. (1961): Principles of Anımal Taxo- nomy. New York. — SokoLov, I. I. (1954): Versuch einer natürlichen Klassifikation der Horntiere (Bovidae). Trav. Inst. Zool, Acad. Sei. URSS, 14 (russisch). — STEGMANN v. PRITZ- WALD, F. P. (1942): Die Rassengeschichte der Wirtschaftstiere, Jena. — THoRrPE, W. H. (1940): Ecology and the future of Systematics. In; Hwuxrey, ].: The New Systematics. London. — URBAIN, Ach. (1937): Le Kou-Prey ou Boeuf Gris Cambodgien. Bull. Soc. Zool. France; 62, 305-307. — UrBarn, Ach. (1939a): Note compl&mentaire sur le Boeuf sauvage du Cambodge (Bos [Bibos] sauveli Urbain). Bull du Museum, 11, 6, 519-520. — UrBaın, Ach. (1939b): Une nouvelle espece de bovide asıatique. C. R. Seanc. Acad. Sci., 209, 1006-1007. — URBAIN, Ach,, RHOoDE, P., und PAsQuiEr, M. A. (1939): La collection des bovines asiatiques du parc zoologi- que du Bois de Vincennes. Mammalia, III, 122-125. — VıTToz, J. (1937): Caracteres ethni- ques et morphologiques particuliers a certains anımaux du Sud-Indochinois. These pour le Doktorat veterinaire; Ecole Nationale Veterinaire d’Alfort. Paris, 1-56. — VırToz,R. (1933): Etude Zootechnique de Elevage et de l’exploitation des bovins du Sud Indochinoisen Cochin- chine. Bull. &cono. Indochine. — WEBER, M. (1928): Die Säugetiere, Band II, Jena. — WETTE,R. (1959): Regressions- und Kausalanalyse in der Biologie. Metrika, 2, 131-137. — WHARTON, Ch. H. (1957): An ecological study of the Kouprey, Novibos sauveli (Urbain). Monogr. 5, Monographs of the Institute of Science and Technology, Manila. — Zızın, N. W. (1960): Darwin und einige Fragen der Biologie. In: Arbeitstagung zu Fragen der Evolution, 1959 ın Jena. 73-84, Jena. Anschrift des Verfassers: Dr. H. Bohlken, Kiel, Institut für Haustierkunde, Neue Universität, Olshausenstraße 40-60. Prof. A. N. Formosow 60 Jahre alt : Eingang des Ms. 29. 4. 1961 Der Name Prof. A. N. Formosows, des verdienten Zoogeographen und Ökologen, ist bis jetzt, trotz seiner 37jährigen Forschungen und seiner z. T. zahlreichen grund- legenden wissenschaftlichen Arbeiten sowie allgemeinverständlichen Bücher und Zeit- schriftenartikel auf dem Gebiete der Biologie und Okologie der wildlebenden Wirbel- tiere, den westeuropäischen Fachkollegen noch wenig bekannt. Mit diesem Namen ist jedoch die Entwicklung der neuen Arbeitsrichtung in der sowjetischen Okologie und Tiergeographie eng verbunden. Eine große Reihe faunistischer und ökologischer Untersuchungen, vor allem auf dem Gebiete des Schutzes und der Förderung der wertvollen und der Unterdrückung der schädlichen Tierarten, hat man ihm und seinen bekannten Schülern zu verdanken. Formosow wurde am 14. Februar 1899 im ehem. Nischnij-Nowgorod (Gorjkij) als Sohn eines Angestellten geboren, studierte zuerst am Polytechnischen Institut, dann an der Universität seiner Vaterstadt und hat sein Studium an der Uni- versität Moskau abgeschlossen. Er widmete auch der Tiermalerei viel Zeit und war als Kunstmaler im Darwin-Museum tätig. Zu seinen Lehrern gehörten weltbekannte Zoologen wie SSEWERZOW, MENZBIER, SHITKOW, OGNEW u. a. Ab 1930 las FORMosow an der Universität Moskau einen neuen, von ıhm eingeführten Lehrgang über die Biologie der Säugetiere und Vögel und leitete gleichzeitig einen Lehrstuhl für Biologie der Wildarten. Ab 1935 be- kleidete Formosow das Amt eines Professors und Doktors der biolo- gischen Wissenschaften mit dem Lehr- fach der Biologie der Wirbeltiere. Seit 1944 leitet er die von ihm gegründete Abteilung für Biogeographie im Geo- graphischen Institut der Akademie der Wissenschaften UdSSR in Moskau. Schon als Siebenjähriger begleitete FORMosow seinen Vater, einen leiden- schaftlichen Jäger und Naturliebhaber, auf seinen Jagdausflügen und beobach- tete dabei neugierig Wild- und Vogel- arten. Mit 10 Jahren führte er sorg- fältig ein ausführliches Tagebuch über seine Beobachtungen im Freien, das er später für seine wissenschaftlichen Ar- beiten mit auswertete. Einige Erleb- nisse auf seinen Jagdausflügen während Prof. A. N. Formosow seiner Schulzeit hat FORMOSOWw sehr an- 256 M. Klemm — Prof. Formosow schaulich und meisterhaft naturgetreu in einem Büchlein („Sechs Tage in den Wäldern“, 111 S., 1924) geschildert. Seit 1923 ist Formosow Teilnehmer an zahlreichen, oft strapaziösen Expeditionen und Forschungsreisen an die Eismeerküste, in die Tundra und Taiga, in den Fernen Osten, nach Mittelrußland, ins Wolgagebiet, in die Steppen der Moldau und Ukraine, in den Kaukasus, nach Mittelasien, in die Mongolei und viele andere Gebiete der UdSSR und außerhalb ihrer Grenzen. Selbst im vorigen Jahr übernachtete FoRMosow noch bei — 40° C in der Taiga im Schnee während einer Jagdwanderung, ohne gesundheitliche Schäden zu erleiden. Die reichen Erlebnisse seiner Forschungsreisen hat FORMosow in zahlreichen Ar- beiten und größeren Werken zusammengefaßt, wie z. B.: „Säugetiere Dagestans“ (zus. mit Prof. HEPTNER), „Tierwelt Kasachstans«, „Tierwelt Mittelasiens“ usw. Viele dieser Arbeiten sind Muster für eine tiefe ökologisch-geographische Analyse der Gesetzmäßigkeiten in der Verbreitung der einzelnen Arten und faunistischen Grup- pen verschiedener Gebiete. Es ist nicht möglich, die ganze Breite seiner Forschungen in einer kurzen Über- sicht aufzuführen. Seine z. Z. laufenden Arbeiten berühren die wichtigsten Fragen der Jagd-, Land- und Forstwirtschaft, Volksgesundheit, Schädlingsbekämpfung, des Natur- und Vogelschutzes. Eines der größten dieser Forschungsgebiete umfaßt die Populationsdynamik und ihre Untersuchungsmethoden bei Landwirbeltieren. Seine reichen Beobachtungsergebnisse wurden erst in der Arbeit „Schwankungen in der Zahl der Wildarten“ (108 S., 1935) zusammengefaßt. Der Prognose der Populations- dynamik der Wildarten, Tierwanderungen, Bedeutung der Schneedecke, Okologie der Kleinnager und der agrotechnischen Bekämpfungsmethoden wurden zahlreiche Ver- öffentlichungen gewidmet. Prof. Formosow hat der Ausbildung der jungen Naturforscher viel Aufmerk- samkeit gewidmet. Seine ausgezeichnete „Anleitung für Fahrtenforscher“ mit natur- setreuen Zeichnungen des Verf. (208 S.) hat seit 1926 bereits 10 Auflagen erlebt und wurde ins Französische (Manuel du Trappeur, Paris, 1953) und Tschechische über- setzt. Leider ist diese umfassende Anleitung bis heute noch nicht in deutscher Sprache erschienen, obwohl uns ein solches Handbuch fehlt. Prof. ForRMosow gehört zum Redaktionskollegium des bekannten „Bulletin der Moskauer Naturforschergesellschaft“ (erscheint seit 130 Jahren). Unter seiner Leitung erscheint auch die Schriftenreihe „Fauna und Ökologie der Nagetiere“ (6 Hefte). Aus- führliche geographische Karten über die Verbreitung der Wildarten in der UdSSR haben wir auch Prof. FORMOsow zu verdanken. In den letzten Jahren hat sich Prof. Formosow als Vertreter der sowjetischen Wissenschaften an Tagungen in Rio de Janeiro (1956) und in Helsinki (1958) be- teiligt und hielt sich auch einige Tage in Berlin auf. In dieser Zeit hat der Unter- zeichnete Gelegenheit gehabt, Prof. FoRMosow auch persönlich kennenzulernen. Prof. Formosow hat bisher etwa 120 wissenschaftliche und über 20 allgemein- verständliche Werke (ein Verzeichnis der Arbeiten ist im „Bulletin der Naturforscher- gesellschaft“, Moskau, Bd. 64, H. 5, 1959, S. 155—160, erschienen) veröffentlicht, deren Wert auch für den Fachkollegen außerhalb der UdSSR nicht hoch genug ein- geschätzt werden kann. M. Kıemm, Berlin INHALT I. Wissenschaftliche Originalarbeiten, Abhandlungen BÄHRENSs, D.: Zur Bedeutung allometrischer Untersuchungen für das Studium innerart- licher Variabilität des Schädels von Musteliden . BOHLKEN, H.: Allometrische Untersuchungen an den Schädeln asiatischer Wildrinder . BoHLkEn, H.: Der Kouprey, Bos (Bibos) sauveli Urbain 1937 .. Dawaa, N.: Beobachtungen an Brandt’s Steppenwühlmaus (Microtus brandti Radde) in der mongolischen Volksrepublik .. DIETERLEN, F.: Beiträge zur Biologie der Stachelmaus, Acomys cahirinus dimidiatus Cretzschmar Frick, H.: Allometrische Untersuchungen an inneren Organen von Säugetieren als Bei- trag zur „neuen Systematik“ .. FEstETics, A.: Ährenmaushügel in Österreich Herr, P.: Starkes Anwachsen der Luchsbestände in der Slowakei .. HERRE, W.: Kleine Bemerkung zu systematischen Fragen .. HückıncHaus, F.: Zur Nomenklatur und Abstammung des Hausmeerschweinchens .. HückıncHaus, F.: Die Bedeutung der Allometrie für die Systematik der Rodentia .... Janossy, D.: Die Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas im Pleistozän (Insectivora, Rodentia, Lagomorpha) Kremm, M.: Prof. A. N. Formosow 60 Jahre alt .. v. KNORRE, D.: Zur Kleinsäugerfauna des Spreewaldes und es alsı Vorgeländes MARKov, G.: Zur Variabilität der Färbung des Eichhörnchens in Bulgarien MEIJER, W. C. Ph.: Vitiligo bei Rindern in Asien und Europa .. .. £ MoHRr, E.: Der Zahnschluß im Gebiß der Wildraubtiere und- der Haushunde ...... Mon, E.: Willkürliche Betätigung der Rückendrüse beim Halsband-Pekari .. PETTER, F.: Elements d’une revision des Lievres europ6ens et asiatiques du sons-genre Lepus PETZscH, H.: Zur Frage des „weißen Brustfleckes“ als eines der Kriterien des Subspezies- b) oO Charakters des „West-Hamsters“ — (Cricetus cricetus canescens Nehring, 1899) .. RauscH, R.L.: Notes on the Black Bear, Ursus americanus Pallas, in Alaska, with partı- cular Reference to Dentition and Growth .. Rönrs, M.: Allometrie und Systematik .. STARCK, D.: Vorwort zur Beitragsfolge Allometrie und Systematik .. 176 130 129 STEIN, H. W.: Beziehungen zwischen Bestandsdichte und Vermehrung bei der Waldspitzmaus, Sorex araneus, und weiteren Rotzahnspitzmäusen . 13 Üeck, M.: Abstammung und Rassebildung der vorkolumbianischen Haushunde in Süd- amerika an aan ann ee en er ee Br el VoceL, C.: Zur systematischen Untergliederung der Gattung Gorilla an Hand von Untersuchungen‘ der’ Mandibel °:. ... -.. -- = E22 So ee II. Bekanntmachungen Seiten a an N en Ja Er ee III. Schriftenschau DELATTRE, A. ET FEnaRT, R.: L’Hominisation du cräne, Etudiee par la methode vesti- bulaire: .. 22 „222 22 0: 2 a ee er Flensronn, A. und Kosswig, C.: Principıa Genetica .. .. 2 2 2. 2. m ee Husson, A. M.: De Zoogdieren van de Nederlandse Antillen... .. -. .. -- -. .. ... 19 Kxortt, P.: Tupu — Tupu.x..--- -= =. 2220 08 Des en ee Kro1Tt, P.: Der Vielfraß u, „ran se EI Se ee ae Menı, S.: Kleine Säugetiere der Heimat in natürlicher Größe .. .. -.. .. .. .. .....6 MENZEL,R: u. R:: Pariahunde - 2222: 2.02, 22 meer ee MIsoNNE, X.: Analyse zoog&ographique des Mammiferes de PIran .. .. .. .. ..... 6 Mohr, E.: Glossarium europae mammalıum terrestrium .. .. ».2 ..2 22 22 20 20 en 126 OVERZIER, C. (Herausgeber): Die Intersexualität ..“.. = .. .. 2 SE ee ThHenIus, H. und Horer, H.: Stammesgeschichte der Säugetiere .. -.. -. -- -. .. .. 61 | ‚Das Handbuch nunmehr komplett! "Soeben erschien der 2. Halbband des dritten Bandes: HANDBUCH DER TIERZÜCHTUNG drei Bänden unter Mitwirkung von zahlreichen Mitarbeitern herausgegeben von HN HAMMOND, Cambridge; Ivar JoHAnsson, Uppsala; Frırz Harıng, Göttingen i Dritter Band RASSENKUNDE er Mitwirkung von G. Ararıcıo, Cördoba — V. S. Asmunnson, Davis- H. BÖRGER, Wies- en — F. N. Bonsma, Pretoria - H. B. Carter, Edinburgh — G. CHARLET, Paris - H.R. vıpson, Harpenden — H. DOEHNER, Stuttgart-Hohenheim - L. A. Downey, Melbourne — . ENGELER, Zug - M. E. Ensminger, Washington - R. Grursant, Florenz — Sır J. Hammonp, ambridge — F. Harınc, Göttingen - H. Havermann, Bonn - W. HERRE, Kiel - H. O. ZER, Beltsville/Maryland - F. Hormann, Jena - D.M. JousBErT, Pretoria - W. Kırsch, tgart-Hohenheim — N. Korkman, Uppsala — L. Krücer, Gießen - J. F. Lancer, Kiel — M. Leroy, Paris - K. LInnenkoHL, Kassel - H. Löwz, Hannover - A. Lunp, Kopenhagen - . Mautz, Edinburgh — B. MAymone, Rom - A. MEnner, Celle-H. MESSERSCHMIDT, Bonn WM. C. Mıtter, Newmarket — M. PEase, Cambridge - O. K. Pepersen, Kopenhagen - A. O. I0OAD, Kingsville - ©. SaenGEr, Hannover -H. SCHÄFER, Haribes — K. Sıesırrz, München - SMALCELJ, Zagreb — J. Trossen, Luxemburg — W. UprEnsorn, Frankfurt/Main - R. Wın- Re . NIGSTEDT, Bonn - M. Wırr, Mariensee - J. H. ZELLER, Beltsville herausgegeben von Prof. Dr. FRITZ HARING, Göttingen 2. Halbband: weinerassen - Schafrassen - Ziegenrassen - Geflügelrassen - Pelztiere - Kaninchen Eh 497 Seiten mit 443 Abbildungen / Ganz auf Kunstdruckpapier / In Ganzleinen 98,— DM albband: Allgem. Einführung in die Rassenkunde - Pferderassen - Rinderrassen / 524 Seiten mit 350 Abbildungen / Ganz auf Kunstdruckpapier / In Ganzleinen 98,— DM e vorangehenden beiden Bände, die die „Biologischen Grundlagen der tierischen Leistungen“ d die „Haustiergenetik“ behandeln, vermitteln das wissenschaftliche Rüstzeug für das Ver- ndnis der Rassenvielfalt in der Welt. Ihnen schließt sich nunmehr der dritte Band, die ‚assenkunde“, an. Nach seinen einleitenden Kapiteln über den Rassebegriff sowie die Ent- ung und Einteilung der Rassen behandelt er im Schwergewicht die in Mitteleuropa vor- menden Rassen aller wesentlichen Haustierarten. Er dehnt die Betrachtung gleichzeitig f die in der ganzen Welt vorkommenden Rassen aus, soweit diese von wirtschaflicher Be. ıtung sind. Bei der engen Verflechtung der heutigen Weltwirtschaft kann der Züchter auf sen umfassenden Überblick nicht mehr verzichten: er muß Ansprüche und Leistungseigen- aften fremder Nutztierrassen kennen, um sie beurteilen und vergleichen zu können. Eine chtige Hilfe leistet die besonders umfangreiche, hervorragende Bebilderung, die als Ergän- zung des Textes die einzelnen Rassenmerkmale deutlich hervortreten läßt. Die Herausgabe des dritten Bandes erfolgte im übrigen wieder nach dem Grundsatz, nicht nur n heutigen Stand der tierzüchterischen Forschung in der Welt wiederzugeben, sondern auch zeitig deren Nutzanwendung für die Praxis zu vermitteln. Damit dient das Handbuch maßen dem Spezialisten in den einzelnen Zweigen der biologischen Forschung, wie auch Studierenden der Tierzüchtung und Veterinärmedizin, dem hochschulgebildeten Tierzucht- beamten und dem biologisch interessierten Tierzüchter in aller Welt. } I: Biologische Grundlagen der tierischen Leistungen. 1958 / 547 Seiten mit 160 Abbil- Ban | dungen / In Ganzleinen 98,— DM Ara | nd II: Haustiergenetik. 1959 / 615 Seiten mit 200 Abbildungen / In Ganzleinen 112,— DM Bei Abnahme des Gesamtwerkes wird ein Vorzugspreis von 383,— DM eingeräumt Go | (statt 406,— DM) | I RLAG PAUL PAREY. HAMBURG UND BERLIN a ER IR berähnte BRAUN.) eher) 3 ‚für Wissenschaft und Praxis: Re zug: “ Aal 5; ‚ÜPETER SCORE MR Be, .g 7 ", Das Wassergeflügel ae Welt Be, | Ein Tarbiger Bestimmungsschlüssel “ u 15 u. 4 As dem Englischen übertragen und bearbeitet von Dr. Heınz-Georc F Kı 1961./ 119 Seiten:mit.56 Textabbildungen und 427 farbigen Abbildungen auf 2 Leinen flexibel 16,50DM EL. Auf 23 besundees nn Farbtafeln werden sämtliche Wassergeflüg abgebildet — Enten, Gänse, Schwäne und Säger - davon die meisten in ide Die Farbtafeln werden textlich ergänzt durch Angaben über anatomische N äußerungen und Verhaltensweisen sowie durch eine systematische Liste alles: der Welt mit deutschen und lateinischen Namen und stichwortartigen / Fe und Überwinterungsgebiete, über auffällige Eigenschaften bestimmter Tiera und über die Häufigkeit ihres Vorkommens. PETERSON / MOUNIFORT/HOLLOM Die Vögel Europas \ Ein Taschenbuch für Ornithologen und ee N) über al lebenden Vögel Ar: Übertragen und bearbeitet von Prof. Dr. GünTHER Niet 3., neubearbeitete Auflage / 1959 / 376 Seiten mit 1580 Abbildungen, dav Taschenformat. / In Ganzleinen flexibel 22,40 DM A „In glücklicher Ergänzung ihrer Fähigkeiten haben die drei. Autoren den Europas etwas beschert, worauf sie schon lange begierig waren: einen illust: der sie überall, sei es unterm ‚Polarkreis, sei es daheim oder am Mittelmeer, Art zuverlässig unterrichtet.“ r "WILFRED B. ALEXANDER Die Vögeldr Mere - Ein Taschenbuch für Ornithologen und Naturfreunde über sämtliche Seevögel der Welt Karl N Aus dem Englischen übertragen und bearbeitet von Prof. Dr. ‚Gür 1959 / 221 Seiten mit 174 Abbildungen im Text und auf 100 Bildtafeln. Taschenformat.] In Caneleis! flexibel Se 40 DM u I) 33 „Das Buch ermöglicht auch dem Nichtfachkundigen, sämtliche Vogeları zu erkennen, wobei der Text durch viele Abbildungen, Se eine treffliche EmzmE erfährt.“ Ä FREDERIK HENDRIK. VAN DEN N BRINK 2, _ Die Säugetiere Europas . Rs; | Westlich des 30. Längengrades . . 8. A Eın Taschenbuch für Zoologen und Naturfreunde IE Übertragen und bearbeitet von Dr. THEODOR. Haurenortn, M 1956 / 225 Seiten mit 470 Abb., davon 163 farbigen nach Vorlagen. von P Taschenformat / In Ganzleinen flexibel m ‚so ua raum und -weise der en en SE ai Ri gew. Z N an AIR, 23° . N ee VERLAG PAUL PAREY- Pu. UND Dann Da Pr N hi, W ZEITSCHRIFT FÜR SAUGETIERKUNDE Herausgegeben von Schriftleitung G ORTEN DIERSDIEUTSCHEN GESELLSCHAFT EÜR SAUGETIERKUNDE Pa) ER yANKBrRErN Amisterdam - H. DATHE, Berlin = W. HERrRE, Kiel - K. HeErTeER, Berlin - J. Käuın, Frei- burg/Schweiz -B. LanzaA, Florenz - H. NAcHTsHEıM, Berlin - T.C.S:; MORRISOoN ScoTT, London -D. STArck, Frankfurt a. M. - E. THEnıus, Wien - W. VERHEYEN, Tervuren-K. ZIMMERMANN, Berlin E. Mour, Hamburg - M. Rönrs, Hamburg 27”. BAND -» 1962 Mit 119 Abbildungen BEER EIN UT ESPFBERTEIY ZREENM BURGUND BERTLIN VERLAG FÜR LANDWIRTSCHAFT - VETERINAÄRMEDIZIN : GARTENBAU - FORST- UND JAGDWESEN HAMBURG 1 - SPITALERSTRASSE 12 Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, sind vor- behalten. Gewerblichen Unternehmen wird jedoch die Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Beiträgen oder Beitragsteilen für den innerbetrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleichen nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vor- gesehenen Gebühr bis zu drei Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen Een einen Vermerk über die Quelle und den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die Inkassostelle für Photokopiergebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgraben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkasso- stelle, so ist für jedes Photokopierblatt eine Marke im Betrag von DM 0,30 zu verwenden. © Paul Parey, Hamburg und Berlın, 1962 - Printed in Germany by C. Beckers Buchdruckerei, Uelzen. INHALT I. Wissenschaftliche Originalarbeiten, Abhandlungen DosBRORUkA, L. J.: Ein Beitrag zur Systematik und Verbreitung von Panthera pardus er. Velen a ee ee ee er 10) EHLers, K.: Ein abnormer Seehund (Phoca vitulina L.) in den „Tiergrotten“ Bremerhaven 184 Essapıan, FRANK S.: Courtship in captive saddle-backed porpoises, IDelphinassdelpghiss 17 SS ern 2 FRANK, F.: Mutation „hairless“ bei der Feldmaus, Microtus arvalıs (Pallas) .. ..... 61 EIEPENER, WG: Zum Gedenken an Prof. Dr..S. 1. ©cNew .. -.°....2..2.22 2.0120 HERrRE, W.: Dem Gedenken an Professor Dr. phil. Otto Antonius .. .. 2.2 22 ..2...6 KAHMmAnn, H., & Haıssewachs, J.: Natürliche Feinde und Parasiten der Schneemaus Micnotisinivahıs (Martins) 1842 ee nalen HZ Kıös, U. & H.-G.: Haltung eines Brüllaffen im Berliner Zoologischen Garten .. .. .. 234 Kurzer Er ledermäauseraus Tansanyıkatr. 2... Seen. Jene 164 Laws, R. M.: Age determination of pinnipeds with special reference to growth layers im De. MEREN Lee a N or Ale Re er 72, NAAKTGEBOREN, C., & VANDENDRIESSCHE, W.: Beiträge zur vergleichenden Geburts- Ikamaleı I. 7% Were see Re EEE NIETHAMMER, G.: Die (bisher unbekannte) Schwanzdrüse der Hausspitzmaus, Crocidura nass an BlermannS lo) ee N ae N 7228 PERS EN|Dinotischer Beldhase nv an ar ee een 2 PEDERSEN, A.: Ein Unterscheidungsmerkmal zwischen dem pazifischen Walroß Odobaenus obesus Illiger und dem grönländischen Walroß O. rosmarus L. .. .. .. .. ..... 237 PELT, F. L., & Brer, P. J. H. van: Notizen über die Waldmaus, Apodemus sylvaticus Keinnaeuss 1758) vonlder niederländischen Insel Terschellmg .. .. .. 2... .. 22 POGLAYEN-NEUWALL, I.: Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären (Potos flavus Senmeen) go wel We ee ee Be CE EEE i REICHSTEIN, H.: Beiträge zur Biologie eines Steppennagers, Microtus (Phaeomys) brandti ÜRaskle, ROT) are see ee oe a Wer ee ai: SAINT GIRoNs, M.-CH.: Notes sur les dates de Reproduction en captivite du Fennec, Menneenszerda Zimmermann, 1780) et el SCHMITT, J., SPIELMANN, W., & WEBER, M.: Serologische Untersuchungen zur Frage der verwandtschaftlichen Beziehungen von Pan paniscus Schwarz 1929 zu anderen Ilsmnanelem a Ro Be oe ee a RE T = SCHNEIDER, R.: Beobachtungen an der postcaninen Gingivalschwiele und der Wangen- haut der Kudu-Antilope, Tragelaphus strepsiceros (Pallas 1766) .. .. .. .. .. 110 STUBBE, M.: Eine seltene Farbanomalie beim Feldhasen, Lepus europaeus Pall. 1778 .. 239 Tnenıus, E.: Die Großsäugetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa .. .. .. .. .. ... 65 UTRECHT, W._L. van & SPoEL, $. VAN DER: Observations on a Minke Whale (Mammalıa, Ferzrege)) ahaeın ale Ayniertaite ae ee FEN RE E72 £ SMITHSONISN _ mstrumon 00T 25 MER Voce, CH.: Einige Gefangenschaftsbeobachtungen am weiblichen Fenek, Fennecus zerda (Zimm. 1780) WALTHER, F.: Über ein Spiel bei Okapia johnstoni.. ZIMMERMANN, K.: Nachruf auf W. E. Marrıno .. II. Bekanntmachungen Seiten II. Schriftenschau ADAMSson, J.: Born Free — A Lioness of two Worlds; Frei geboren .. BAUMGÄRTEL, -W.: König im Gorillaland .. BiRuUKow, G.: Statischer Sinn .. CHALES DE BEAULIEU, F.: Vollblut CurRRY-LINDAHL, K.: Sarek, Sveriges Nationalparker .. FıEetz, H.: Hestar — Pferde auf Island .. FLUG DER TIERE FreYE, H. A. & H.: Die Hausmaus . GODFREY, G., & CROWCROFT, P.: The life of the mole .. HAGEMANN, E., & SCHMIDT, G.: Ratte und Maus .. HANDBUCH DER ZOOLOGIE .. HARrcKEnN, W.: Der Seehund IMmieLA, H.-J.: Otto Dill 128, Kanıke, H. D.: Die Cervidenreste aus den altpleistozänen Sanden von Mosbach (Bieb- rich-Wiesbaden) Kıuc, H.: Hormone Knaus, W.: Das Gamswild Krauı, P.: Der gesunde und der kranke Hund .. KrızEsg, H.: Begegnungen mit Tieren und Menschen .. NATUSCHKE, G.: Heimische Fledermäuse .. ORTMANN, R.: Die Analregion der Säugetiere Das PELZGEWERBE RiDINGER, J. E.: Wild und Waidwerk SLIJPER, E. J.: Die Geburt der Säugetiere VIETINGHOFF-RIESCH, A. v.: Der Siebenschläfer WINKELSTRÄTER, K. H.: Das Betteln der Zootiere 193 245 251 256 \mmals ZEITSCHRIFT FÜR SAUGETIERKUNDE ORGAN DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR SÄUGETIERKUNDE Herausgegeben von P. J. H. van BrEE, Amsterdam - H. Darue, Berlin - Er W. HERRE, Kiel - K. HERTER, Berlin - J. Kärın, Frei- burg/Schweiz - B. Lanza, Florenz - H. NacHTSsHEIM, Berlin -T.C.S$S. Morrıson Scott, London - D. STArck, Frankfurt a. M. - E. Tuenıus, Wien - W. VERHEYEN, Tervuren - K. ZIMMERMANN, Berlin Schriftleitung E. Mour, Hamburg - M. Rönrs, Hamburg 27.BAND-HEFTI “ Januar 1962 rnst YA AI Ne ’ 3 f® 5 | FEB 2019 ‘ ii ’E De 3 FR Ar ö I. 4 ef Sg Fr Ei VERLAG PAUL PAREY :- HAMBURG UND BERLIN POSTVERLAGSORT HAMBURG A Inhalt Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären (Potos flavus SCHREBER). Von I. Poc- LAYEN-NEUWALL! u. 00 ua Valle rn N Male Re a Re HE UL ae A Serologische Untersuchungen zur Frage der verwandtschaftlichen Beziehungen von Pan paniscus ScHwarz 1929 zu anderen Hominoiden. Von J. SCHMITT, W. SPIELMANN und M. WEBER N... Na ieh ee es ae ee Er E Mutation ”hairless“ bei der Feldmaus, Microtus arvalis (PaLLas). Von F. FRANK Se Dem Gedenken an Professor Dr. phil. Orro Antonius. Von W. HERRE.. .. .. .. 63 Dieses Heft enthält 2 Beilagen des Verlages Paul Parey Die „Zeitschrift für Säugetierkunde“ veröffentlicht Originalarbeiten auf dem Gesamtgebiet der Säugerierkunde, ferner Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der wichtigsten internationalen Literatur, kleine Mitteilungen und die Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“, deren alleiniges Organ sie gleichzeitig ist. Die Veröffentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung mit Zusammenfas- sung in allen drei Sprachen. / Herausgeberschafl und Schriflleitung: Manuskriptsendungen sind zu richten an einen der Herren Herausgeber oder direkt an die Schriftleiter: Frau Dr. Erna Mohr, Hamburg-Langenhorn 1, Krämerstieg 8 (Tel. 593586), oder Dr. Manfred Röhrs, Zoologisches Staatsinstitut, Hamburg, Von-Melle-Park 10 (Tel. 441971). Manuskripte: Es wird gebeten, die Manuskripte möglichst mit Schreibmaschine und nur einseitig zu schreiben. Photographische Ab donserorkeen müssen so beschaffen sein, daß sie eine kontrastreiche ermög- lichen. Von der Beigabe umfangreicher Tabellen soll abgesehen werden. Alle dem Manuskript beiliegenden Unterlagen, wie Photographien, Zeichnungen, Tabellen, sollen auf der Rückseite mit dem Namen des Ver- fassers und dem Titel des Beitrages verzeheh sein. Bei Abbildungen aus bereits erfolgten Veröffentlichungen ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Jeder Originalarbeit ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in wenigen Zeilen anzufügen. Mit der Übergabe des Manuskriptes überträgt der Verfasser dem Verlag Paul Parey das Recht, die Herstellung von photomechanischen Vervielfältigungen in gewerblichen Un- ternehmen zum innerbetrieblichen Gebraudı nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buch- handels und dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 - 7 zu genehmigen. Sonderdrucke: Anstelle einer Unkostenvergütung erhalten die Verfasser von Originalbeiträgen, Einzel- und Sam-_ melreferaten 50 unberechnete Sonderdrucke, Mehrbedarf steht gegen Berechnung zur Verfügung, jedoch muß die Bestellung spätestens mit der Rücsendung der Korrekturfahnen erfolgen. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, sind vorbehalten. Gewerblichen Unternehmen wird jedoch die Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Bei- trägen oder Beitragsteilen für den innerberrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleichen nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels nd) dem Bundesverband der Deut- schen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vorgesehenen Gebühr bis zu drei Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen haben einen Vermerk über die zZ und den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die Inkassostelle für Photokopiegebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgra- ben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkassostelle, so ist für jedes Photokopierblatt eine Marke im Betrag von 0,10 DM zu verwenden. Erscheinungsweise und Bezugspreis: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich; 4 Hefte bilden einen Band; jedes Heft umfaßt 4 Drucbogen. Der Abonnementspreis beträgt je Band 34,— DM zuzügl. amıl. Ponzebüne Das Abonnement verpflichtet zur Abnahme eines ganzen Bandes, Es verlängert sich stillschweigend, wenn nicht unmittelbar nach Erhalt des letzten Heftes eines Bandes Abbestellung erfolgt. Einzelbezugspreis der Hefte: 10,80 DM. Die Zeitschrift kann bei jeder Buchhandlung oder beim Verlag Paul Parey, Hamburg 1, Spitaler- straße 12, bestellt werden. | Die Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde* erhalten die Zeitschrift unberechnet im Rah- men des Mitgliedsbeitrages. © Paul Parey, Hamburg und Berlin 1962 — Printed in Germany by C. Beckers Buchdruckerei, Uelzen ee = Pi en en a Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären (Potos flavus SCHREBER) Von Ivo PoOGLAYEN-NEUWALL Aus dem Rio Grande Zoo, Albuquerque, USA Eingang des Ms. 7. 4. 1961 1. Einleitung Gelegentlich unserer ersten Expedition nach Chiapas (Mexico), im Frühjahr 1956, gelangen uns einige Freilandbeobachtungen von Wickelbären; auch konnten wir ein Paar dieser possierlichen Tiere lebend für den Zoo zurückbringen. So begann unser Versuch einer Analyse des Verhaltens, mit der Absicht, ein wenig zur besseren Kennt- nis der Biologie dieser Art beizutragen. Über das Freileben von Potos ist im Schrifttum nur wenig enthalten. Eingehende Nachfragen in anderen Zoos ergaben, daß diese Tiere auch in Gefangenschaft nur einen Teil ihrer Gesamtverhaltensweisen zeigen. An dieser Stelle sei Herrn Prof. MıiGUEL ALVAREZ DEL TORO, Direktor des Nat. Hist. Mu- seums und Zoos von Tuxtla Gutierrez (Chiapas) herzlichst für seine nimmermüde Unterstützung und Planung bei unseren Exkursionen in Chiapas gedankt. Dr. RICHARD VAN GELDER, Chair- man Dept. of Mammals, American Mus. of Nat. History (New York) schulde ich Dank für An- regungen und wertvolle Mitteilungen eigener Beobachtungen. Den Herren M. Tsarıkıs, Leticia (Colombia) und JosEerH A. Davıs, Curator of Mammals, New York Zoological Park, gilt mein aufrichtiger Dank, ersterem für Mitteilungen aus seinen reichen Erfahrungen, die er als Tierfänger im kolumbisch-brasilianisch-peruanischen Grenzgebiet sammeln konnte, letz- terem für Angaben über die Zoohaltung von Wickelbären und anderen Procyoniden. AnTHonY (1916) beschreibt kurz ein Zusammentreffen mit Wickelbären in Pa- nama. GOLDMAN (1920) berichtet nur wenig über Nahrung und Lebensweise der zwei panamaschen Rassen P. f. isthmicus GOLDMAN und P. f. chiriquensis ALLEN. In BREHm’s Tierleben (1930) wird zusammenfassend alles bis dahin Bekannte über Wickelbären gebracht. Die erste und m. W. einzige genauere Veröffentlichung über einen Wurf in Gefangenschaft verdanken wir E. HELLER (1932), doch läßt auch dieser Bericht viele Fragen offen. Eine weitere Publikation über das Tierleben von Panama liegt von Enders (1935) vor. Dieser Autor zitiert ebenfalls AntHony und bringt selbst eine Liste verschiedener Nahrungsbestandteile, die im Magen erlegter Tiere gefunden wurden. In dem bekannten Werk über die südamerikanischen Säugetiere von CABRERA (1940) finden sich kurze Angaben über Nahrung, Anzahl der Jungen und einige Lebensgewohnheiten der Art. Auch Berichte aus den letzten Jahren sind recht spärlich. So lesen wir in Mammals of Costa Rica (Goopwın 1946) nur all- gemeine Angaben bereits bekannter Einzelheiten biologischer und morphologischer Natur. Harz und Kerson (1959) behandeln taxonomische und anatomische Gesichts- punkte und erwähnen nur flüchtig die Biologie von Potos. SKUTCH (1960) gelang eine aufschlußreiche Feldbeobachtung eines Wickelbären mit Jungem, von der er im Jour- nal des New Yorker Zoologischen Gartens eingehend berichtet. > I. Poglayen-Neuwall 2. Arbeitsmethode A. Material Sechs Wickelbären wurden im Zoologischen Garten von Albuquerque gehalten, wo sie auch zur Zeit dieser Niederschrift noch leben. Ein ö& „Mico“ ging, etwa 6 bis 7 Wochen alt, im April 1956 in Tuxtla Gutierrez, in unseren Besitz über. Fin ? „Lola“ ist ein Geschenk des Chapultepec Zoos in Mexico City (Mai 1956) und war zu jener Zeit angeblich 21/2 Jahre alt. Diese beiden Tiere zeugten fünf Junge. Fin ? wurde überraschend in der Nacht vom 28. zum 29. Oktober 1957 geboren. Es wurde am Morgen tot und ohne Embryonalhüllen gefunden. Ein zweiter Wurf, ebenfalls ein Einzeltier, wurde von einem oder beiden Eltertieren zum größten Teil aufge- fressen (3. IV. 1958). Von nun an wurde das $ bei Verdacht von Trächtigkeit stets isoliert gehalten. Die weiteren drei Würfe, ein ö „Pepe“ (24. VIII. 1958), ein wei- teres Ö „Mono“ (13. II. 1959) und noch ein 8 „Chico“ (10. III. 1960) blieben am Leben. Pepe wurde 37 Tage bei der Mutter gelassen und dann von meiner Frau auf- gezogen. Mono wurde etwa 21/2 Stunden nach der Geburt dem Muttertier wegge- nommen und isoliert aufgezogen. Chico verblieb bei der Mutter für 3 Monate; seither lebt er in unserer Wohnung. Schließlich muß noch „Kinka“, ein 2 Tier südameri- kanischen Ursprungs, erwähnt werden, das dem Zoo am 12. X. 1958 überlassen wurde. B. Haltung Alle Tiere wurden während der warmen Jahreszeit (10. Mai bis 15. September) in einem Außengehege von den Dimensionen 61/2X5X3 m und im Winter im geheizten „Iropenhaus“, in einem Käfig von 4X1,50X 1,80 m gehalten. Beide Käfige waren mit je einer allseits bis aut ein Einschlupfloch geschlossenen Schlafkiste, Kletterästen und einem größeren Trinkgefäß ausgestattet. Ein weiterer Käfig (1,40X0,80X1,00m) befand sich in unserer Wohnung und diente abwechselnd einem oder mehreren Tieren als zeitweise Behausung. Gefüttert wurde einmal, Jungtiere unter 10 Monaten zweimal täglich. Nestling siehe $. 36. Pro Tier wurden folgende Futtermittel geboten: 2 Bananen, !/2z Apfel, 100g eines Breies von gleichen Teilen Pferdefleisch und getrocknetem Hundefutter mit etwas Futterkalk, eine dünne Scheibe Roggenbrot, ein Stückchen Karotte und ein wenig Salat. Jeden zweiten Tag wurde ein Kaftee- löffel eines Vitaminpräparates (A, D, Bı, B2, Be, Bı2, C, Nikotinamid) der Firma Abbot Laboratories, North Chicago, geboten und die nach Citrus schmeckende Flüs- sigkeit gleich vom Löffel geleckt. Zweimal wöchentlich wurde zusätzlich !/a Orange, 10 Trauben, 1 Eidotter, 30 g Fisch und etwas Milch gefüttert. C. Beobachtung Beobachtung von Wickelbären in freier Wildbahn stößt wegen der nächtlichen Le- ' Nach Abschluß dieser Arbeit wurde am 16. VI. 1961 ein @ „Nina“ geboren und dieses beim Muttertier gelassen. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 3 bensweise der Tiere, die sich überdies meist hoch in den Baumkronen aufhalten?, auf verständliche Schwierigkeiten. So sind auch unsere Beobachtungen nicht metho- disch durchführbar gewesen und leider recht lückenhaft geblieben. Unser Lager befand sich in einem durch Rodung isolierten Waldstück (Feucht- wald, 1200 m Seehöhe) von etwa 6 qkm, 30 km nordwestlich von Tuxtla Gutierrez. Beobachtungsdauer: April 1956 (3 Wochen) und Februar 1959 (3 Wochen). Durch das Entgegenkommen der Leitung des Tierparks von Mexico City war es uns möglich, durch 5 Nächte eine gekäfigte Gruppe von 8dÖ und 10 PP Wickel- bären zu beobachten. Im Rio Grande Zoo standen uns, beginnend im Mai 1956, zwei Tiere, bis 1961 sechs Tiere (4 6 d, 227) zum Studium zur Verfügung. Die Tiere wurden einzeln, paarweise und als Gruppe, ihr Verhalten zum Menschen und zu Tieren anderer Arten untersucht. Dazu wurden Beobachtungen bei Tag und Nacht, entsprechend der Jahreszeit im Außengehege oder Innenkäfig, durchgeführt; oder die Tiere wurden für kürzere oder längere Zeit ın den Käfig in unserer Wohnung gebracht, bzw. in der Wohnung freigelassen. Kontrollierte Versuche wurden auch im Zoo-Park durchge- führt. Junge wurden im Innenkäfig, Außengehege, sowie im Käfig in unserer Woh- nung geboren. Zur Beobachtung von Mutter und Kind wurde die trächtige Lola in den Käfig in der Wohnung gebracht. Dem Käfig wurde oben eine Nestkiste (Abb. 1) von 70x52xX25 cm aufgesetzt. Diese be- saß ein Einschlupf-Abstiegloch (& 19 cm), das nach unten zeigte und mit einem 8 cm nach innen (oben) erhöhten Rand versehen war, der ein zufälliges Herausfallen des Nestlings verhindern sollte. An einer Seite der Sperrholz- kiste befand sich eine Metallschiebetür, an zwei Seiten und dem Dach waren einige Beobachtungslöcher (@ 21/2 cm). In zwei diagonal gegenüberliegenden Ecken war durch entsprechende Löcher je ein kleines Lämpchen (15 ‚W) ein Abb. 1. Nest- und Wohnkiste. E Ein- und Ab- geführt, dessen schwaches Licht erst stiegsöffnung, S perforierte Metallschiebetür, eine Beobachtung ermöglichte. Es wur- B Beobachtungslöcher, L elektrische Leitung den zuerst blaue, später rote Lämp- chen mit gleich gutem Erfolg verwendet. Weißes Licht wurde vom Muttertier als sehr störend empfunden. Gewöhnlich mußte eine Beobachtungsperiode nach einigen Minu- ten wegen zu großer Beunruhigung der Tiere für etwa eine Viertelstunde unterbrochen und konnte erst dann wieder für eine kurze Zeit aufgenommen werden. Die Photographien wurden mit einer Exakta mit 135 mm Tele- bzw. 3,5 cm Weitwinkelobjektiv gemacht, der größte Teil der Aufnahmen mit Elektronenblitz (1/z50 Sek. Belichtungszeit). 2 BEEBE, HarTLeY, Howes (1917) stellen für eine vertikale Verteilung der Säugetiere der Waldgebiete Guayanas folgende Gliederung auf: Niederdschungel (0-20 Fuß), Mitteldschungel (20-70 Fuß), Baumwipfelregion (70-200 Fuß). Die Wickelbären werden von diesen Autoren dem Mitteldschungel zugeteilt, 4 I. Poglayen-Neuwall 3. Sinnesorgane a. Geruch Geruchsproben werden von jedem „interessanten“ Objekt genommen; beim „Ein- anderkennenlernen“, „Einanderbegrüßen“, im Verkehr mit dem Pfleger, beim Vor- setzen von Nahrung. Meist wird hörbar „geschnüffelt“. Da keine Analdrüsen vor- handen’sind, unterbleibt die von Caniden bekannte „Analkontrolle“ praktisch ganz. „Genitalkontrollen“ kommen mitunter vor. Mono, Pepe und Chico unterscheiden Fremde vom Pfleger (geruchlich?) aus geringer Entfernung gut und reagieren manch- mal bösartig auf jene. Penetrante Gerüche (Benzin, starkes Parfum) erzeugen Wider- willen. Lieblingsfutter (Würstchen, Banane, Fisch) wird erst in einer Entfernung von 2 bis 3 m wahrgenommen, in der Hauptsache aber optisch lokalisiert. b. Gesicht Dunkle, vorgewölbte Augen kennzeichnen das Nachttier. Beim Wickelbären sind die Augen, im Vergleich zu vielen anderen Arten mit nächtlicher Lebensweise (Lemuren, viele Nager), verhältnismäßig klein. Gegen grelles Sonnenlicht sind Wickelbären überaus empfindlich. Fast stets arbeiten optischer und olfaktorischer Sinn, oft im Verein mit dem Getast oder Gehör, eng zusammen. Vor dem Absprung kann bei Heben und Senken des Kopfes genau die Entfernung geschätzt werden. Wenn beim Spaziergang mit dem Pfleger eine gewisse Entfernung zwischen beiden — etwa 10 m — überschritten wird, wird das Tier unsicher und folgt erst wieder auf Anruf. c. Gehör Der Gehörsinn dürfte, neben dem Geruch, maßgebend beim Erkennen des Pflegers beteiligt sein. Die große Beweglichkeit der kleinen, rundlichen Ohren hilft bei der schnellen Lokalisation von Geräuschen. Im Tiefschlaf führen leise Geräusche oft zum - augenblicklichen Erwachen; Lärm bleibt dagegen meist unbeachtet. Im Wachzustand beobachten wir das genaue Gegenteil. Knallen, Händeklatschen, Schreie bewirken ein erschrecktes Zusammenzucken und eine kurze Fluchtreaktion. d. Geschmack Ähnlich wie der Mensch scheinen auch die Wickelbären die meisten Geschmacksquali- täten zu werten. Zusammen mit geruchlicher Kontrolle werden schon vom Jungtier neue Gegenstände genießbarer und ungenießbarer Art auch mit der Zunge unter- sucht. Rasch lernt das Tier eine Vielfalt von Nahrungsstoffen kennen und auch nahe- zu jede für den Menschen zubereitete Nahrung schätzen. Süße und gesalzene Speisen werden bevorzugt. Individuelle Geschmacksvorlieben sind selten und beziehen sich bei unseren Tieren fast ausschließlich auf die Annahme oder Ablehnung von Insekten und Vögeln. e. Tastsınn Schnurrhaare sind spärlich entwickelt, doch besitzt Potos Tasthaare auf Tasthügeln im Gesicht, am Kinn und Unterarm. Im Gegensatz zu vielen anderen Tieren (Na- gern) machen Wickelbären keinen sichtbaren Gebrauch ihrer Tasthaare, dafür aber Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 5 gebrauchen sie um so häufiger ihre empfindlichen, nackten Handflächen und zusätz- lich Zähne und Zunge. Mit den Zähnen wird, besonders vom Jungtier, alles kurz geprüft (Tischbein, Polster, Bleistift, Schuhe, Finger, Futtermittel u. a.). Sobald die Ungenießbarkeit eines Gegenstandes feststeht, wird er nicht weiter beachtet. Nur beim Spiel mit einem Gegenstand und beim „Beißspiel“ mit dem Pfleger wird hart- näckig gekaut. Abschließend kann gesagt werden, daß es nicht möglich ist, Potos als Augen-, Nasen- etc. -Tier zu bezeichnen. Alle Sinne sind nahezu gleich gut entwickelt und arbeiten, meist in verschiedener Kombination, der Situation angepaßt, zusammen. 4. Fortbewegungsweisen Mit Hilfe ihrer spezialisierten Gliedmaßen bewegen sich Wickelbären rasch und sicher im Geäst fort. Größere Entfernungen von Ast zu Ast werden oft im Sprunge bewältigt. Die langen, nadelscharfen Krallen sowie die gelenkigen Beine und beson- ders der Besitz eines Wickelschwanzes machen Po:os den in mancher Hinsicht ähnlichen (konvergenten) Lorisiden im Klettern überlegen. Der Wickelschwanz wird viel zur zusätzlichen Sicherung, oft als einzige Verankerung und nebenbei zur Erhaltung des Gleichgewichts benutzt. Der Eindruck der Tollpatschigkeit, den Potos bei langsamer Fortbewegung am Boden macht, täuscht. Tatsächlich kann er sehr rasch laufen und, wenn gejagt, an plötzlich auftauchenden Hindernissen hochspringen (kein Übersprin- gen!) bzw. ihnen ausweichen; dazu erweist er sich auch als ausgezeichneter „Schlüpfer“, der, wenn von einem unserer anderen vierfüßigen Hausgenossen im Spiel verfolgt, noch im letzten Moment abduckt und unter einem Lehnsessel oder Diwan verschwindet. Beim Laufen werden die Hände stark nach innen gedreht; eine typische Schwanzhal- tung gibt es bei Potos nicht. Schiebekriechen des Nestlings Die Vorderextremitäten greifen alternıerend vor und ziehen den Körper unter Eıin- satz der Krallen nach. Diese Fortbewegung wird durch Abstemmen mit der stark weg- gespreizten Hinterextremität unterstützt. In diesem Stadium kann der Körper noch nicht, oder nur für kurze Zeit, von der Unterlage abgehoben werden. Hoppeln Diese Fortbewegungsweise löst das Kriechen des Säuglings ab und ist in den folgenden Wochen die Hauptfortbewegungsart am Boden. In diesem Stadium kann man auch die ersten erfolgreichen Kletterversuche beobachten. Unter Hoppeln versteht man eine sprungartige Fortbewegung, bei der beide Vorderextremitäten gemeinsam und beide Hinterextremitäten gemeinsam, abwechselnd nach vorne bewegt werden. Diese Be- wegungsweise wird auf Lebenszeit beibehalten. Laufen Auf ebenem Boden läuft Potos im Kreuzgang. Dies ist eine Bewegungsweise, die lang- samer reift als das Hoppeln und relativ spät auftritt. Sie bleibt die bevorzugte Fort- bewegungsweise auf dem Boden. I. Poglayen-Neuwall Os Springen Der Sprung, wohl in erster Linie bei der Fortbewegung ım Geäst wichtig, wird von unseren Tieren auch angewendet, um auf ein Hindernis zu gelangen, oder von einem festen Punkt (Diwan, Sessel, Tisch) einen anderen (Möbel, Pfleger) zu erreichen. Gerne wird er auch im Spiel ausgeübt. Der weiteste Sprung, aus dem-Stand ausgeführt, maß 1,30 m. Schwimmen Normalerweise überaus wasserscheu, kann Potos doch ausgezeichnet schwimmen, wenn er in eine Notlage gerät. Die Beine werden wie beim Laufen bewegt, aber weiter an- gehoben und kräftiger nach unten gedrückt. Bewegungsstereotypien Lola, Mono und Chico, die besonders häufig oder lange im kleinen Wohnzimmer- kähg gehalten wurden, entwickelten bald eine Neigung zu stereotypen Bewegungs- formen, die bei Lola in einem Auf- und Ablaufen entlang einer Käfigseite mit Wen- dung zum Gitter bestanden. Mono bevorzugte einen seitlichen Überschlag nach rück- wärts, der bis zu 30mal ausgeführt wurde, und Chico zeigte gelegentlich Saltos nach rückwärts. 5. Ernährung A. Nahrungszusammensetzung Über die Art der Ernährung in freier Wildbahn sind sich die Autoren im wesentlichen einig. Zweifellos sind Wickelbären überwiegend Pflanzenfresser und da in erster Linie Fruchtiresser. Nur TATe (1931) ist der Ansicht, daß Poios streng frugivor ist. Magen- inhaltuntersuchungen und Feldbeobachtungen ergaben hauptsächlich folgende pflanz- liche Bestandteile: Wilde Feigen, Guavas, apfelähnliche Früchte der Gattung Chrysophyllum, Mangos, Avocados und die fleischig-saftigen Früchte der Gattung Terminalia (T. catiapa in Mexıco). Die Mehrzahl der Forscher ist gleichfalls überzeugt, daß auch animalische Kost eine, wenn auch bedeutend geringere, Rolle spielt. AntHony (1916) fand im Magen eines Tieres hauptsächlich Fragmente größerer Insekten und einige kleine Käfer, die un- gekaut verschluckt waren. HELLER (1932) nımmt an, daß Wickelbären gelegentlich auch Vögel von der Größe eines Sperlings oder einer Taube erbeuten. Nah Goopwın (1946) sowie Haıı und Keıson (1959) machen Insekten einen Teil der Nahrung des Wickel- bären aus. EnDERS (1935) meint, daß Insektenlarven nur zufällig mit dem Obst auf- genommen würden; weiter unten schreibt er jedoch, daß Insekten zielbewußt mit der langen Zunge in den Blüten der Balsabäume (Ochroma) erbeutet würden. CABRERA (1940) faßte kurz zusammen: ”Su alimento se compone casi exclusivamente de frutas dulces, aunque de no hallarlas come tambien insectos y avecillas.“ Eine lange Liste von Nahrungsstoffen finden wir im BREHM (1930) und bei GAuMmEr (1917), in der auch Vogeleier und Honig als natürliche Nahrung hervorgehoben werden. Unsere eigenen Feldbeobachtungen bestätigen, daß wilde Feigen in Chiapas die Hauptnahrung dar- te die un Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 7 stellen dürften; wo immer Bananenplantagen an den Dschungel grenzen, werden auch diese geplündert. Da wir niemals ein Tier abtöteten, waren Mageninhaltuntersuchun- gen undurchführbar; folglich waren wir nur in der Lage, im Versuch an gehaltenen Tieren die vermutliche Zusammensetzung ihrer Nahrung zu ergründen. Alle unsere Tiere nehmen neben Vegetabilien und Honig gerne Vogeleier; von diesen wird oft die Schale mitgefressen. Vögel (Sperlinge) werden nur von Lola ge- rissen. Lola allein verzehrt Käfer von der Größe eines Junikäfers. Größere Käfer, sowie Heuschrecken, Schaben, Grillen und Mehlwürmer werden verschmäht; Lola und Mico nehmen Engerlinge an. Nur im BREHM (loc. cit.) werden kleine Säugetiere als Beuteobjekte angegeben. Wir selbst können nur bemerken, daß keines unserer Tiere tote oder lebende Mäuse, Goldhamster, Erdhörnchen usw. jedes Alters beachtete. Eidechsen werden von Mico und Lola totgebissen, von allen Tieren intensiv berochen, aber nicht verzehrt. Über Kannibalismus siehe S. 2! Was ungewöhnliche, bzw. künstlich veränderte Nahrung bertriftt, soll hier folgendes aufgezählt werden: Alle sechs Tiere fressen gierig frische Makrelen und Weißfische, ge- kochtes Fleisch (Rind, Schwein, Geflügel) und Käse. Gekochte Würstchen werden von unseren Tieren jedem anderen Futter vorgezogen. Gekochte Kartoffeln, Teigwaren, gesalzene Kekse und Backwerk jeder Art werden jederzeit gerne gefressen. Es werden auch Pilze, grüne Bohnen, frischer Mais vom Kolben (roh und gekocht), ausgelöste Nüsse, grüner Paprika, Spargel (eigene Versuche) sowie Zitronen (mündl. Mitteilung von Dr. VAN GELDER und Frau DELALOYLE, Motel Tropic, Seattle) angenommen. Beide vorerwähnten Personen berichten auch, daß sich ihre Tiere vor dem Genuß einer Zi- trone bzw. Orange ausgiebig über dieser Frucht wälzen. Unsere Tiere schenken Zi- tronen keinerlei Beachtung. Flüssigkeit wird vornehmlich am Morgen und am Abend, zusammen etwa !/s |, aufgenommen. B. Nahrungserwerb Nahrung wird fast stets an Ort und Stelle verzehrt, nur selten dürfte sie im Mund zum Nest transportiert werden. Der Nest- oder Schlafplatz kann in freier Wildbahn oft erheblich vom Futterplatz entfernt sein. Ein Wickelbär wurde von uns in einer Baumhöhlung, ungefähr 7 m über dem Boden, aufgestöbert. Eine Untersuchung der Schlafhöhle zeigte ein unordentlich mit Laub ausgepolstertes Nest ohne jegliche Futter- reste und Exkremente. Im verhältnismäßig kleinen Käfig und im ständigen Wettbe- werb mit den anderen Käfıginsassen kommt es jedoch häufig vor, daß ein Tier sich mit einem Nahrungsbrocken in die nahe Schlafkiste, den Ort größerer Sicherheit, zu- rückzieht. Eine morphologische Eigentümlichkeit von Potos ist dessen lange, schmale Zunge. Goopwin (1946) bemerkt dazu: ”The exceptionally long tongue of the Kinkajou is an adaptation to a frugivorous diet.“ Im BREHM (1930) lesen wir: „Zur Ausbeutung der Bienstöcke dürfte er seine merkwürdig lange und vorstreckbare Zunge benützen, mit der er in die schmalste Ritze, in das kleinste Loch greifen und die dort befindlichen Gegenstände herausholen kann. EnDers (1935) vertritt die Ansicht, daß Potos mit der Zunge Insekten aus den Balsablüten „fischt“. Wir glauben eher, daß er den Nektar, den diese Blüten reichlich produzieren, aufleckt. Die Art, wie Lola Vögel verspeist, deckt sich weitgehend mit der trefflichen Schilderung Karper‘s (cit. in BREHM's Tierleben, 1930). Protokoll 22. April 1959: Als Lola ein lebender Sperling in den Käfig gesetzt wird, ergreift sie diesen ohne Hast, zerbeißt erst den Kopf, darauf rupft sie die Federn der Bauchseite, spuckt die Federn aus, öffnet den Bauch und frißt zuerst die Eingeweide und dann das Muskel- fleisch von innen her. Es ist keine „Totschüttelbewegung“ vorhanden. g I. Poglayen-Neuwall C. Nahrungsaufnahme Nahrung wird vor und auch während des Fressens eingehend olfaktorisch untersucht. Höchst augenfällig ist die Mannigfaltigkeit der Kö ea sn. die beim Verzehren Kleine Nahrungsbrocen, vornehmlich runde Früchte (z. B. Trauben) werden fast stets mit verdrehtem Kopf gefressen. Dabei wird der Kopf, oft der ganze Vorder- körper, stark zurückgebeugt oder Ser verdreht. Im Extremfall kann . Kehlregion ' beim Fressen findet in allen erdenklichen Stel- em) r [® De ot [®) ” an 6} Ka A 2 [av Ya “N od NL De] @) ef {ge} [727 [q') ex (®) hen +) nu Ian | [4 =E q Abb. 2. Freßweisen des Wickelbären. A Lola in Seitenlage, Trauben verzehrend. Man beachte die starke Drehung von Kopf und Vorderkörper. B Pepe beim Essen von Trauben aufrecht sitzend. Bemerkenswert ist die Rücklage des Kopfes. C Pepe 13 Monate) frißt bei seitlicher Kopfdrehung und Anheben einer Vorderextremität. D Pepe in aufrechter Stellung, beid- händig ein Keks haltend und davon abbeißend. E Mono (6'% Diana e) frißt im Kopfabwärts- hang. Man beachte die Befestigung mit 27 ickelschwanz und Hinterextremitäten Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 9 lungen statt: Am Rücken oder auf der Seite liegend (Abb. 2a), auf den Hinterbeinen sitzend, wobei der basale Teil des Schwanzes als Stütze dienen mag (Abb. 2b), auf allen Vieren stehend, wobei gewöhnlich eine Vorderextremität von der Unterlage ab- gehoben wird (Abb. 2c). NoLTE (1958) berichtet von Kapuzineraffen, daß diese den Kopf beim Aussaugen von saftigen Früchten (Trauben, Orangen) zurücklegen. An- deutungsweise dürfte diese Stellung auch vom Plumplori (N yeticebus coucang) (KoLAR 1960), nicht jedoch vom Potto (Periodicticus potto), eingenommen werden. Diese In- stinktbewegung dürfte primär mit dem großen Saftgehalt mancher Früchte zusammen- hängen, wird aber, nach unseren Beobachtungen, bei allen eßbaren Dingen einer ge- wissen Größe, rundlichen Form und glatten Oberfläche (z. B. Datteln, Bonbons) aus- geführt. Alle übrigen genießbaren Dinge, sofern nicht zu schwer und unhandlich, können aufrecht sitzend, auch am Rücken liegend, mit einer Hand oder beidhändig, zum Mund geführt werden (z. B. Keks, Abb. 2d). In Rückenlage können auch die Füße beim Hal- ten der Nahrung beteiligt sein. Größere und schwerere Nahrung wird am Boden belassen und stehend verzehrt (z. B. Apfel, Banane). Oft werden Stückchen abgebissen und auf oben erwähnte Weise gefressen. Apfelschalen werden meist ausgespuckt. Sehr oft wird im Kopfabwärtshang von einem Ast oder dem Käfiggitter gefressen. Hierbei hält sich das Tier allein mit dem Wickelschwanz oder zusätzlich mit beiden Hinterextremitäten fest (Abb. 2e). Flüssige Nahrung (Wasser, Milch, Honig) wird mit der Zunge „lappend“ aufge- nommen. 6. Schlafen und Ruhestellungen Wickelbären sind im Wachstadium überaus aktive Tiere. Ruheperioden werden fast immer schlafend verbracht. „Dösen“ oder „Ruhen“ kommt nur bei extremer Hitze vor. In einem solchen Fall liegen sie meist auf dem Rücken, manchmal auf dem Bauch, alle Extremitäten weggestreckt; gelegentlich keuchen sie mit leicht geöffnetem Mund. Dabei verbleibt die Zunge zur Gänze ım Mund. Der Häufigkeit nach unterscheiden wir die folgenden Schlafstellungen: a. Laterale Einrollstellung (Abb. 3a) Der Kopf mit leicht nach vorne geklappten (nicht anliegenden) Ohren ist gegen den Bauch gedrückt, die Fußsohlen sind dem Kopf genähert. Die Hände werden seitlich um den Kopf gelegt, so daß sie die Augen abschatten, oder, knapp rostral dieser, ein- ander an der Vorderseite des Kopfes berühren. Der Schwanz wird so nach vorne um- geschlagen, daß er dem Kopf als „Ruhekissen“ dient. b. Rückenlage (Abb. 3b, c) Diese Stellung wird recht häufig. eingenommen, besonders oft bei höheren Temperatu- ren. Arme und Beine werden gewöhnlich vom Körper weggestreckt. c. Vertikale Einrollung (Abb. 3d) Eine recht ungewöhnliche Stellung bei unseren Tieren, dürfte aber bei manchen Tieren, 10 I. Poglayen-N euwall ASP NET Ar ie BEE 5 Abb. 3. Schlafweisen des Wickelbären. A Laterale Einrollstellung (Mono 10 Monate). B Rük- kenlage. C Pepe (12 Monate) in Rückenlage. Auch hier ist die Einrolltendenz ersichtlich. D Vertikale Einrollung die wir in anderen Zoos sahen, an Häufigkeit nach der seitlichen Einrollung kommen. In dieser Stellung ist das Tier meist gegen eine Wand gelehnt. d. Bauchlage Eine Stellung, die oft vom Nestling eingenommen wird; beim älteren Tier sahen wir sie nur bei hohen Temperaturen, wobei das Tier nicht immer schläft. Auch ın dieser Position werden die Extremitäten mehr oder weniger weggestreckt. Die Bauchlage wird gewöhnlich auch beim Schlaf auf einem Ast eingenommen. Der Schlaf der Wickelbären ist im allgemeinen sehr tief. Die Lage wird nur bei Störung oder Ansteigen der Temperatur geändert. Nicht selten kann man ein unter- drücktes Kläffen hören, das an ein traumähnliches Erlebnis erinnert, ähnlich wie dies von Hunden bekannt ist. Ein echtes Schnarchen kommt ebenfalls vor. Auch in der Nacht, der Zeit der höchsten Aktivität, werden 1-2 Schlafpausen von durchschnittlich je etwa einer Stunde eingeschoben. Ein plötzliches Erwecken erschreckt das Tier meist sehr und auch das zahmste Individuum läßt sogleich sein Drohfauchen hören und mag sogar in die unvorsichtig vorgestreckte Hand beißen. Daher ist es immer angezeigt, das Tier durch Zureden in unterdrücktem Ton aufzuwecken. In freier Wildbahn kommt es kaum je vor, daß ein Wickelbär seinen Schlafplatz bei Tageslicht ohne Zwang ver- läßt?. Erst mit Einbruch der Dunkelheit verlassen die Tiere ihre Versteckplätze, meist ° Uns sind nur Berichte von LEoroLp (1959) und SKUTCH (1960) bekannt, die an einem späten April- bzw. Augustmorgen einem Tier begegnet waren. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 11 hohle Baumstämme oder gut geschützte Astgabelungen. Nach Mitteilungen der Herren Tsarıkıs und Prof. ALVAREZ DEL TORO erstreckt sich die Zeit ihrer Aktivität im allge- meinen nicht weit über ein Uhr morgens. Auch wir konnten feststellen, daß die von den Tieren beim Klettern durch das Geäst erzeugten Geräusche sowie ihre häufigen Rufe nach Mitternacht rasch abnahmen und noch vor der Morgendämmerung auch die letz- ten Tiere verstummt waren. i In Gefangenschaft mag eine gewisse Verschiebung der Aktivitätszeiten durch Ge- wöhnung (Selbstdressur) eintreten, doch wird im wesentlichen der Rhythmus des Frei- lebens beibehalten. Unsere Jungtiere lernten rasch, daß am frühen Morgen Fütterungszeit war und wachten bald um die bestimmte Zeit auf, um nach Futter zu rufen. Auch die älteren Tiere, die zeitweise in der Wohnung gehalten wurden, wachten auf, wenn meine Frau und ich uns zum Frühstückstisch setzten, da sie dann stets einen Extrahappen ab- bekamen. Die Wickelbären im Freigehege erwachten, außer durch die Störung bei der mor- gendlichen Käfigreinigung, gegen 17 h, also noch ber Helligkeit. Im Innenkäfig wird die Nestkiste nicht vor Einfall der Dämmerung verlassen. Bei elektrischer Beleuchtung (im Winter) wird ım allgemeinen eine Stunde später aufgewacht. Futter lockt die Tiere nicht unbedingt vorzeitig aus ihrer Schlafkiste. So dies der Fall ist, wird nur wenig gefressen und bald der unterbrochene Schlaf fortgesetzt. Versuche, die 24-Stunden-Periodik von Wickelbären durch künstlichen Belichtungs- wechsel zu verändern waren im Zoologischen Garten von New York (Bronx) erfolg- reich. Dazu wurde im 12-Stunden-Zyklus ein über dem Käfig befindliches weißes Fluoreszenzlicht (20 W) für Tag (Ruhe), bzw. ein rotes Fluoreszenzlicht (20 W) für Nacht (Aktivität) eingeschaltet. Die Umgewöhnungszeit betrug 1 bis 2 Wochen. 7. Körperpflege A. Soziale Körperpflege Eine solche ist bei Wickelbären fast ausschließlich auf die Mutter-Kind-Beziehung be- schränkt. Dies mutet um so erstaunlicher an, als diese Tiere in Tiergärten als überaus gesellig und „verspielt“ bekannt sind. Auch bei anderen Kleinbären (Nasua, Procyon) vermissen wir eine soziale Hautpflege. B. Sichkratzen Dies ist eine angeborene Verhaltensweise, die beim Säugling bereits am fünften Lebens- tag im Leerlauf beobachtet wurde. Die Tätigkeit des Kratzens wird sehr häufig aus- geübt, besonders beim Erwachen, nach oder gleichzeitig mit dem Gähnen, seltener im Übersprung (TinBERGEN 1940) in Erwartung von Futter. Es wird in verschiedenen Stellungen, mit einer oder beiden Händen oder dem Bein gekratzt. Der unbeholfene Nestling kratzt sich in den ersten Wochen stets im Liegen auf Kopf und Körperseiten und am Bauch mit dem Fuß; erst nach der sechsten Woche werden die Hände zu Hilfe genommen. Beim erwachsenen Tier kratzt die Hinterextremität: Kopfseiten, wobei der Kopf seitlich dem Kratzbein zugewandt ist . ... Sitzposition (Abb. 4a). Hinterseite und I. Poglayen-N euwall Abb. 4. Sich-Kratzen des Wickelbären. A Kratzen der Kopfseite, sitzend mit der Hinterextremität, bei gleichzeitigem Gähnen (Mono 9 Monate). B Kratzen der Vorder- mit der Hinterextremität in stehender Position. @ D, E Mono kratzt in Sitzstellung mit dem Fuß Hals- und Brustbeingegend. Man beachte An- heben der Vorderextremität der Kratzseite, "bzw. Hochhalten des Kopfes. F Kratzen der Körperseite mit dem Fuß im Stehen, bei gleichzeitigem Gähnen. G, H, I N von Ohr, Nacken und Vorder- rücken nach Hundeart. K, L, M Rasches, Aleernierendes kratzen mit den Flandern son Schwanzrücken,, Oberschenkel und Bauch. A | Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 18 Seite der Vorderextremität..... sıtzend oder stehend (Abb. 4b). Hals und Brustbeinge- gend bei steil hochgehaltenem Kopf, meist bei gleichzeitigem Hochheben der Vorderex- tremität derselben Seite... Sitzstellung (Abb. 4c, d, e). Die Körperseiten ..... stehend (Abb. 4f). Die Ohr- Nacken- und Vorderrückenpartien nach Hundeart sitzend oder liegend (Abb. 4g, h, ı). Es kratzt die Vorderextremität: Schwanzunterseite: Beide Beine werden nach vorn gestreckt und leicht angehoben. Sehr rasches Kratzen, alternierend mit beiden Händen (etwa 6 Kratzzüge/Sek.)... Sitzen, Rückenlage. Schwanzoberseite nahe der Basıs: Der Vorderkörper wird hierbei nach rückwärts gedreht . ... Sitzposition (Abb. 4k). Bauch, Innenseite der Ober- und Unterschenkel: Mit einer, meist beiden Händen, in sitzender, leicht nach vorn gebeugter Haltung. Das zu kratzende Bein wird steif weg- gestreckt (Abb. 4l, m). Die Brustregion kratzt das Tier aufrecht sitzend, mit dorso- ventralen Bewegungen. Hinter dem Ohr wird in caudo-rostraler Richtung gekratzt. Eine Hand kann den Rücken der anderen kratzen. Kratzen von Rücken, Seiten, Bauch und Genitalregion am vertikalen Käfiggitter und des Rückens am Holz- oder Gitterboden kann gelegentlich beobachtet werden. Bei starker Verschmutzung des Kopfes mit Milch, wird nicht nach Katzen- und Nager- art mit dem Arm über den Kopf gestreift, sondern es wird gekratzt; dazu kann der Kopf kurz geschüttelt werden. Das von Hunden und Mardern so bekannte Körper- schütteln sahen wir nie. C. Sichbelecken Diese bei Feliden, Caniden, Rodentiern etc. so bedeutsame Tätigkeit der individuellen und sozialen Körperpflege spielt bei Potos eine weit geringere Rolle. Selbst in der Mutter-Kind-Beziehung ist das Belecken des Jungen als Massage zum leichteren Lösen oder als „Zärtlichkeitsverhalten“ von relativ untergeordneter Bedeu- tung. Lola wurde nur sechsmal in drei Monaten beim Lecken des Jungen (Chico) be- obachtet. Bei diesen Gelegenheiten wurde diffus über Gesicht, Kopf, Hals, Nacken, Schulter, Rücken, Anus und Penis gefahren. SkurcH (1960) sah ein Tier in freier Wildbahn sich intensiv das Fell belecken. Neuankömmlinge oder Tiere, die für einige Zeit aus dem Gemeinschaftskäfig entfernt worden waren, werden bei Wiedereinsetzen stets aufgeregt berochen, manchmal auch diffus beleckt. Analkontrollen durch Berie- chen oder Belecken sind überaus selten, was wohl mit dem Fehlen von Analdrüsen in "Zusammenhang steht. Protokoll 8. Juni 1960: Als Lola nach längerer, isolierter Haltung wieder zu den anderen Tieren gesetzt wird, beriechen sie alle Tiere und belecken sie auch kurz am Rücken und Kopf. Als sie sich löst, beriecht Mico den Urin und beleckt die Fäzes. Mono leckt Lolas Scheide. 25. Mai 1960: Mico wird zu den anderen Tieren (Pepe, Mono, Kinka) gesperrt, die ihn sofort umringen und ihn, vornehmlich in der Kopf- und Nackenregion, beschnüffeln und be- lecken. Nach dem Verzehren von besonders schmackhafter Nahrung werden die nackten Handflächen, Zehen und Krallen, seltener die behaarten Handrücken, eifrig abgeleckt. Ein Belecken der Genitalregion des einen durch ein anderes Tier wurde nur ein einziges Mal gesehen (Vgl. weiter oben). Belecken der eigenen Genitalregion — mög- licherweise im Übersprung (Triebkonflikt) — kommt bei beiden Geschlechtern während des „Liebesspiels“ (noch vor einer immissio penis) vor. Im Verkehr mit dem Pfleger wird oft und rasch abwechselnd in dessen Gesicht geleckt und geschnüffelt. Besonders häufig wird mit der langen Zunge in dessen Nase und Gehörgang gefahren (Vgl. Breum’s Tierleben 1930). Gegenseitiges „Ohrenwaschen“ wurde einige Male zwischen Mico und Lola beobachtet (Abb. 5). Ob es sich hier um ein „Zärtlichkeitsverhalten“, oder um die soziale Körperpflege einer für das Einzel- 14 I. Poglayen-Neuwall Abb. 5 (links). „Ohrenwäsche“ Mico‘s an Lola. Abb. 6 (rechts). Mono (11 Monate) beim „Fellkauen“ Abb. 7 (oben). Mono (10 Monate) beim Gähnen und Durch- strecken des Körpers. Abb. 8 (Mitte). Chico (58 Tage) der starken Sonne ausgesetzt, zwitschert schrill (Unlust). Abb. 9 (unten). Mono (11% Monate) markiert mit der Kehldrüse am Hinterkopf des befreundeten Menschen individuum unerreichba- ren Stelle handelt, konnte nicht mit Sicherheit ent- schieden werden. Eigen- artigerweise leckt Lola meist über ihren Hand- rücken, nachdem dieser vom Pfleger gestreichelt wurde. D. Fellkauen Ein typisches Durchkäm- men mit den Zähnen, wie es bei Caniden, Roden- tiern und Musteliden so oft gesehen werden kann, ist uns bei Wickelbären nicht aufgefallen. Wir be- obachteten nur einmal beim 8 Wochen alten. Chico und wenige Male bei Lola ein kurzes Fell- kauen an einer Stelle (Abb. 6). E. Sichstrecken u. Gähnen Nach jedem Erwachen wird ausgiebig gegähnt, fast stets begleitet vom Strecken einzelner Kör- perteile oder des ganzen Körpers. Beide Arme wer- den gleichzeitig oder nach- - einander vorgestreckt, wo- bei auch die Finger ge- spreizt und gestreckt wer- den; der Rücken wird kreuzhohl durchgestreckt, das Maul weit zu einem Gähnen aufgerissen, bei dem die lange, schmale Zunge extrem herausge- streckt wird (Abb. 7). Die Hinterextremität wird nicht durchgestreckt, noch wird ein Streckbuckel wie bei Katzen gemacht. Das Sichstrecken kann im Sit- zen, Liegen, oder halb aufgerichtet, an eine Wand gestützt, stattfinden. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 15 F. Sichtrocknen Fällt ein Wickelbär zufällig ins Wasser, so trocknet er sich nachher durch seitliches und ventrales, kräftiges Abstreifen des Kopfes und darauf des übrigen Körpers, an der Unterlage. Ein für viele Säuger typisches Schütteln des Körpers wurde nie beob- achtet. Nur Lola schüttelte einmal ihren stark mit Milch verschmutzten Kopf. 8. Harnen und Koten Als echtes Baumtier löst sich Potos bevorzugt von einem erhöhten Standpunkt. Im Urwald oder im Gehege wird er stets auf einen Ast hinausklettern; im Wohnzimmer erklimmt er Sofa, Stuhllehne oder Tisch und schiebt sein Hinterteil über den Rand hinaus. Nur im Notfall exkrementiert er auf dem Boden; manchmal läuft er dann bis zu 1 m rückwärts und defäkiert. Die Schlafkiste wird niemals verunreinigt. Die Konsistenz der Fäzes ist dick-breiig bis würstchenförmig. Sehr oft ist der Kot dünnflüssig, was auf Erkältung oder starke, plötzliche Aufregung hinweist. Durch- schnittlich wird zweimal täglich gekotet und geharnt. Die Verdauung geht rasch vor sich; Karotten, die den Kot deutlich färben, werden bereits 3 Stunden nach der Fütterung abgegeben. 9. Lautäußerungen a. Zwitschern Ist ein häufig vernommener Laut, der situationsgemäß als „Unlust“- oder „Bettellaut“ gedeutet werden kann. Das Zwitschern kann ein „Weinen des Verlassenseins“ sein, den Ausdruck eines Begehrens (Hunger) und, mit starker Intensität schrill und in einen Pfeifton ausgehend, Furchttönung haben. Man hört diesen Laut vornehmlich bei jugendlichen Tieren. Im Alter von ungefähr 11/sz Jahren wird er nur noch in starker Erregung, schrill mit Pfeifton vernommen. Protokoll 23. April 1960: Chico (43 Tage alt) fällt (schreck- )zwitschernd vom Ruhebett. 24. April 1960: er (45 Tage) hängt am Käfıggitter und „getraut“ sich weder hinauf noch hinunter... er (furcht-)zwitschert. 2. Oktober 1958: Pepe (39 Tage) zum Fotografieren der grellen Sonne ausgesetzt, gerät in heftigste Erregung... sein Zwitschern ist schrill und geht in einen Pfeifton über (Unlust- zwitschern [Abb. 8]). 18. März 1959: Mono (33 Tage) zwitschert nun seit 14 Tagen am frühen Morgen, in Er- wartung der ersten Milchfütterung (Hunger). 30. März 1960: Mono (13 Monate) zwitschert nach dem Aufwachen am Abend viertel- stundenlang, seit er nicht mehr regelmäßig zum Herumtollen aus dem Käfig gelassen wird (Bettelzwitschern). 24. März 1960: Chico (14 Tage) wird zum Wiegen aus der Nestkiste genommen: Schrilles Zwitschern und Pfeifton des Nestlings (Furcht). Beim Zwitschern wird der Mund wenig bis weit geöffnet, ohne daß Begleitbewe- sungen am Bauche sichtbar sind. Es ist bemerkenswert, daß dieser Laut meist vom sich bewegenden Tier (Ausnahme Säugling) ausgestoßen wird. b. Kläffen Als wir diesen merkwürdigen Laut das erste Mal in freier Wildbahn hörten, fiel es uns a 16 I. Poglayen-Neuwall schwer, ihn zu lokalisieren. Er klang wie das Bellen eines weit entfernten Hundes. Schlechte Sichtverhältnisse trugen weiter dazu bei, daß wir die Entfernung der rufen- den Tiere anfänglich bedeutend überschätzten. Die Bedeutung des „Kläffens“ kann noch nicht mit Sicherheit festgelegt werden. Im Wald kläfften viele Tiere dauernd auf dem Wege vom Schlai- zum Futterplatz. Es könnte sich um einen „Stimmfühlungslaut“ handeln. Beim Säugling hörten wir das Kläffen bereits am 1. Lebenstag, wo es ohne ersichtlichen Anlaß ausgestoßen wird. Der Nestling kläfft auch bei starker Störung (In-die-Hand-nehmen), abwechselnd mit dem früher beschriebenen Zwitschern. Es er- weckt den Anschein, als ob die verschiedenen Laute vom Nestling noch unspezifisch und ungeordnet eenden würden. Protokoll 12. August 1960: Als wir um 23 Uhr nach Hause kommen, beginnt Chico (155 Tage) zu kläffen. 13. Oktober 1960 (17 Uhr): Kinka und Pepe werden für % Stunde in einen Käfig auf der Veranda gebracht. Chico kläfft anhaltend (keine visuelle Verbindung; Chico befindet sich in einem Nebenraum mit offener Verbindungstür zur Veranda). 11. März 1960 (15 h): Chico (1!2 Tage) kläftt, als Lola die Nestkiste für kurze Zeit zum Fressen verläßt. 16 Uhr: Beim Hantieren in der Nähe der Nestkiste wird Lola unruhig... Chico kläft. 18. Oktober (20 h): Lola befindet sich in der Nestkiste und kläfft anhaltend. Alle anderen Tiere (Mico, Pepe, Mono, Kinka) befinden sich außerhalb derselben im Käfig, turnen herum oder fressen; es ist keinerlei Reaktion bei ihnen auf das Kläffen Lolas zu bemerken. 20. November 1960 (21 h): Lola kläfft außerhalb der Nestkiste: Wieder keine sichtbare Reaktion der anderen Tiere. 13. Oktober 1960: Pepe und Kinka wurden zum Zwecke einer Röntgenaufnahme narko- tisiert.* Als die Wirkung der Einspritzung nachzulassen begann — die Tiere waren noch in einem Zustand weitestgehender Apathie und unfähig die Extremitäten zu gebrauchen — fingen sie an zu kläffen. Die ersten 10.15 Kläfftöne wurden jeweils von einem Schnaufton einge- leitet; in der Folge wurde noch 10 Minuten in kurzen Abständen (2 Min. Kläffen - 1 Min. Pause) gekläftt. Erst als sich die Tiere mit den Vorderextremitäten, die hinteren noch nach- schleppend, vom Platze bewegen konnten, wurde mit dem Kläffen aufgehört. Gekläftt wird mit ganz wenig geöffnetem Mund, unter starken Atembewegungen des Bauches. Es waren etwa 3 Kläfftöne pro Sekunde ausgestoßen. Es kann sehr aus- dauernd gekläftt werden. Eine ununterbrochene Kläffstrophe von 90 Kläfftönen wurde von Mono (10. April 1960) und von 190 Kläfftönen von Chico (25. Dezember 1960) gezählt. Mit unregelmäßigen Unterbrechungen (1-5 Minuten) kann bis zu 15 Minuten (vielleicht auch länger?) gekläft werden (viele kurze Kläffstrophen). Fast in jedem Falle wird die Kläffstrophe durch einen, oft zwei Schnauftöne eingeleitet (Ausnahme Säugling). Während des Kläffens macht der Wickelbär den Eindruck, als befände er sich in einem Trancezustand. Dennoch stellt er bei unvorsichtigem Nähertreten des Beobachters das Kläffen meist abrupt ein. Im Unterschied zum Zwitschern wird immer ın Rubhestellung und nicht in Bewe- gung gekläfl. c. Schnaufen Dieser nasale Ton wird selten allein vernommen; er ist vielmehr ein Einleitungston zur nachfolgenden Kläffstrophe. Wenn diese unterbrochen wird, gehen jedem neuer- lichen Beginn wieder 1-2 Schnauflaute voraus. d. Zirpen Ein eigenartiger Zirpton, der sich wahrscheinlich vom oben erwähnten Zwitschern ableitet, ist höchst bedeutungsvoll in der Mutter-Kind-Beziehung. Es kann als erwiesen gelten, daß das Eltertier diesen Zirpton regelmäßig zur Beschwichtigung des erregten ! Pentobarbital-Sodiumlösung, 0,065 g ın 1 cc, intravenös. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären #7 Nestlings gebraucht. Er wird auch dann stets ertönen, wenn der Nestling nach einer kurzen Untersuchüng durch den Pfleger wieder zur Mutter zurückgebracht wird. Der Zirpton dürfte ferner eine Art „Begrüßungsbedeutung“ haben und auch „Demuts- tönung“ besitzen. Jedesmal wenn Lola aus dem Gemeinschaftskäfig entfernt worden war, läßt sie diesen Ton beim Wiedereinsetzen, kurz vor Eintreten des körperlichen Kontaktes mit einem anderen Käfıginsassen, hören. d & gebrauchen den Zirpton äußserst selten; nur Mono Zirpt stets, wenn er vom „Despoten“ Mico verjagt wird. Protokoll 28. März 1960: Mono wird an den Käfig Lolas herangebracht. Lola „begrüßt“ ihn zirpend. 24. April 1960: Lola und Chico (45 Tage) ruhen in der Nestkiste. Als Chico plötzlich erschrickt und zischt, „beruhigt“ ihn Lola zirpend. 10. Mai 1960: Chico (2 Monate) verläßt allein die Nestkiste; er droht dabei in den Käfig hinunterzufallen und zwitschert ängstlich. Lola klettert ihm zirpend entgegen, packt ihn und trägt ıhn auf den Käfigboden in Sicherheit. 20. März 1960: Als Chico (10 Tage) nach dem Wiegen wieder zu Lola zurückgebracht wird, empfängt diese ihn zirpend. 14. September 1959: Pepe wird in den Gemeinschaftskäfig versetzt. Er und Lola bezirpen einander. ‚10. Juni 1960: Als Lola wieder in den Gemeinschaftskäfig gebracht wird, zirpt sie alle sich „neugierig“ nähernden Tiere (d & und 9), offensichtlich „unterwürfig“, an. e. Fauchen Eine Schreckreaktion, die man beliebig provozieren kann, indem man das fest schla- fende Tier plötzlich berührt. Vermutlich hat das Fauchen auch Drohbedeutung, da es sehr oft vor der eigentlichen Abwehrreaktion zu hören ist. Protokoll 12. April 1960: Chico (33 Tage) liegt in der Nestkiste. Berührt, faucht er zuerst, dann zischt er. 4. November 1960: Mono, im Schlaf gestört, faucht heftig; sobald die Hand zurückgezogen wird, beruhigt er sich und rollt sich wieder zum Schlaf ein. 5. August 1959: Pepe richtet sich beim Anblick eines Iltisfrettchens auf und droht fauchend. f. Zischen und Kreischen Zischen ıst ein Ausdruck starker Erregung („Wut“) und leitet, meist von Kreischen gefolgt, zur Abwehrreaktion (Angriff, Biß) über. Gekreischt wird nur in höchster Erregung und direkt vor dem Biß, bzw. während des Angriffs. Auf das Kreischen muß nicht unbedingt der Biß folgen, da z. B. eine sehr wirksame „Beißhemmung“ gegen artgleiche Tiere besteht (Vgl. S. 20). Die Reaktions- kette Fauchen — Zischen — Kreischen — Biß muß keineswegs vollständig ablaufen. Ein- zelne Glieder (Fauchen, Zischen, seltener das Kreischen) können ausfallen. Protokoll 10. Dezember 1959: Wie meist bei meinem Erscheinen, besonders oft wenn ich Futter bringe, verjagt der „Despot“ Mico alle anderen Tiere. Er zischt — kreischt gegen das nächste Tier. Oft verfolgt er ein oder mehrere Tiere eine kurze Strecke. Mono zirpt, einige antworten schrill (furcht-)zwitschernd und fliehen. | 17. März 1960: Chico (8 Tage) aus der Nestkiste genommen, kreischt. Das Kreischen geht sogleich in ein Kläffen über, und das Junge, inzwischen woanders abgelegt, schläft sofort wieder ein; bei neuerlicher Störung (Rücktransport) kreischt es wieder. 4. April 1960: Chico (25 Tage) aus dem Tiefschlaf geweckt (durch Eltertier, Erschütterung, Hand des Pflegers), kreischt „zornig“ auf. 24. April 1960: Chico (45 Tage) wird vom Pfleger an der Nase berührt. Er (wut-)zischt gegen die Hand, die rasch zurückgezogen wird. Darauf zischt er Lola in „objektübertragener Handlung“ (GrzımEk 1948) an. Unter den Berichten über Feld- und Gefangenschaftsbeobachtungen an Wickelbären, finden wir eine ganze Menge über die Stimme der Tiere; doch sind die Deutungs- versuche, da es sich um unmethodische, kurze Beobachtungen handelt, unvollständig und ungenau. 18 I. Poglayen-Neuwall ANTHONY (1916): ”A nasal grunting sound was the only call heared.“ GOLDMANN (1920): ”On approaching trees in which they were working a squeaking noise was commonly heared, coupled more rarely with short peculiar barks... When approached a short, rather hoarse barking sound is sometimes given...“ Derselbe Autor, von ENDERS (1935) zitiert, berichtet ferner: "When separated by even a short distance, they called back and forth frequently, the call being a distinctive, plaintive whistle, ’quit, quit‘, which changes in pitch, volume and frequency when Be anımals are Aloimed or exeited.” In BREHM’s Tierleben (1930) lesen wir über ein gekäfigtes $, dem ein e zugesetzt wird. „Der Neuankömmling schien noch unerfahren zu sein und bekundete anfänglich mehr Furcht als Entgegenkommen, kreischte auch heiser auf, sooft sich das Weibchen liebkosend ihm näherte.“ Von einem anderen zahmen Tier wird berichtet: „... springt, klettert, treibt Possen, spielt mit seinem Herrn, läßt das sanfte Pfeifen ertönen, aus dem seine Stimme besteht, oder knurrt kläffend wie ein junger Hund, wenn er erzürnt wird.“ Bei TarE (1931) finden wir folgende Bemerkung: ”...utter a peculiar chirping sound as they go through the branches and when angry a series of shrill screams.“ HELLER (1932) schreibt: ””The Kinkajou is almost voiceless. The usual alarm note is a low hiss or snarl. Occasionally a short bark is uttered when feeding in parties or in the tree tops.“ Aus CABRERA’s Werk (1940) entnehmen wir: . haciendo bastante ruido y lan- zando una especie de grunido que alterna con un ladrido breve y tenue... los gorjeos y los chillidos, juntamente con el ruido de fruta que caia... si se interrumpe su sueno lanzan un debil silbido que quejumbroso, como protestando de que molesten.“ SKUTCH (1960) berichtet von einem Jungtier, das durch Händeklatschen aufgestört, aus einer Baumhöhlung (ehem. Spechtloch) heraussah und ”little peeping, bird-like noises“ hören ließ. Eigene Beobachtungen in freier Wildbahn zeigten, daß die Tiere häufig kläffen. Auch das schrille Zwitschern und Kreischen beim Streit um die besten Futterplätze war manchmal weithin hörbar. 3) 10. Verhalten der Tiere untereinander A. Verhalten in freier Wildbahn Wie aus dem Schrifttum und eigenen Beobachtungen hervorgeht, besteht innerhalb der Individuen der Population eines bestimmten Gebietes (Territorium) wenn überhaupt, so nur eine lose soziale Bindung. Manche Tropenreisende berichten, daß Wickelbären ın Gruppen von 7-15 Individuen auf der Suche geeigneter Futterbäume durch das Geäst streifen. Nach AntHonY (1916) sollen sie meist paarweise, oft auch einzeln auf Futtersuche gehen. Fast alle Autoren stimmen überein, daß sich meistens eine ganze Anzahl von Individuen am gleichen Freßort versammeln. Wir beobachteten mal ein Paar (in verschiedener Gegend), einmal eine Mutter mit halbwüchsigem Kind, an Fruchtbäumen Ansammlungen von 3-4 Tieren; im übrigen aber sahen wir nie mehr als I Tier pro Baum. Es soll allerdings nicht ausgeschlossen werden, daß doch ein gewisser Zusammenhang (akustisch, siehe unter „Kläffen“ $. 15) innerhalb einer Anzahl von Individuen bestehen könnte. Wir haben auf relativ engem Raum (etwa 100 qm) schätzungsweise acht Tiere recht geräuschvoll, in Richtung einer kleinen Bananenpflanzung, durch das Geäst brechen hören. Soweit wir mit Hilfe eines Handscheinwerfers und des schwachen Mondlichts festzustellen glaubten, kamen die Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 19 Tiere aus verschiedenen Richtungen. Es dürfte sich nicht um einen geschlossenen Ver- band gehandelt haben. SKUTCH (1960), Tsarıkıs (mündl. Mittlg.) bestätigen eigene Beobachtungen, wonach nur eine Mutterfamilie zu existieren scheint. Es begleitet stets nur ein Eltertier das Junge. Jungtiere und erwachsene Paare (ohne Junge) können zu jeder Jahreszeit ge- sehen werden. Die Schlafplätze werden einzeln bezogen (Ausnahme: Mutter — Kind, vielleicht auch ö und ® zur Zeit der Hitze des 9) Soweit es unsere noch mangelhafte Kenntnis der sozialen Struktur der Wickelbären erlaubt, müßte man sagen, sie seien teilsozial (L. Koenıs, 1960). Sie passen weder unter den Begriff „solitär“, da sie zumindest „Freßgesellschaften“ formen, noch bilden sie „Großfamilien“ (EısL-EigesreLpt 1950 b) oder „Rudel“ wie die Wanderratten (STEINIGER 1950), oder ähnlich gut organisierte Verbände, wie wir sie bei manchen Primaten (z. B. Paviane, Kapuzineraffen) finden. B. Gefangenschaftsbeobachtungen Es ist allgemein bekannt, daß Wickelbären in Gefangenschaft sehr zahm werden; ihre Geselligkeit ist beinahe sprichwörtlich. Von Kämpfen, die zu ernsthaften Verletzungen führen, ist uns nichts bekannt. Nicht anders verhalten sich die Tiere des Rio Grande Zoos. Von Anfang bildete sich eine Rangordnung unter den Tieren heraus. Sie kam zeit- lich so zustande, daß das alte d Mico und das $ Lola die ersten Käfiginsassen waren. Alle anderen Tiere fügten sich als nachfolgende Glieder — entsprechend dem Einsetz- datum — der Hierarchie ein. Fine Ausnahme macht nur Kinka, die körperlich den anderen Tieren unterlegen ist. Sie wurde als 4. Tier eingesetzt und besetzte stets den letzten Rang. Diese Hierarchie dürfte hauptsächlich eine Futterrangordnung und nicht eine sexuell beeinflußte sein. Mico ist das dominante Tier, der anerkannte Despot. Es folgen der Reihe nach Lola, Pepe, Mono, Kinka (Chico wurde noch nicht zur Gruppe gesperrt). Wurde die Gruppe zeitweise auseinandergerissen, so blieb das Zu- sammenleben stets harmonisch. Bei Wiedereinsetzen ın das Gehege war wohl in jedem Falle eine Inferiorität des zurückgesetzten Tieres erkennbar, in ein bis drei Tagen aber hatte das Tier seinen alten „Rang“ ohne Kämpfe wieder inne. Protokoll 8. Mai 1960: Pepe, Mono und Kinka werden aus dem Tropenhaus in den Frei- landkäfig transferiert. ; 15. Mai 1960: Die Rangordnung ist folgende: Pepe -— Mono -— Kinka. Pepe ist allerdings nicht aggressiv wie der Despot Mico. Manchmal zischt er gegen Mono, wenn dieser zu nahe- kommt, ohne ihn jedoch zu verfolgen. Mono zirpt, ergreift aber nicht die Flucht. Kinka hält sich im Hintergrund. 25. Mai 1960: Mico wird nun auch in das Freigehege gesetzt. Alle drei Tiere stürzen sich auf ihn, beriechen und belecken ihn vornehmlich in der Kopf- und Nackengegend. Mono zirpt zweimal. Es beginnt eine freundliche Balgerei. Mico verhält sich dabei mehr passiv. Beide & & versuchen auf Mico aufzureiten. Als wenig später Futter gereicht wird, zieht sich Mico mit seiner Banane sogleich zurück. Auch als er später weiter nach Nahrung sucht, läßt er sich von den anderen Tieren verdrängen. Als 30 Minuten später die Beobachtung abgebrochen wird, ist die Phase des „Wiederkennenlernens“ noch nicht abgeschlossen. Mico ist „sanftmütig“ und „streitet“ mit keinem Mitinsassen. 25. Mai 1960: An diesem Abend ist die alte Rangordnung wieder hergestellt, doch droht Mico noch schwach im Vergleich zu früher. 11. Juni 1960: Lola wird, nach mehr als viermonatiger Haltung in unserer Wohnung, zu den anderen Tieren ins Freigehege gebracht. Lola zirpt erregt alle Tiere an. 5 Aus Zeitmangel konnte nicht festgestellt werden, ob eine gewisse Rangordnung innerhalb der großen Gruppe des Chapultepec Zoos existiert. Streitigkeiten zwischen den Tieren sind häufig, Beschädigungskämpfe wurden nicht bekannt. 20 I. Poglayen-Neuwall 12./13. Juni 1960: Lola ist nun die Letzte in der Rangordnung. Wenn sich ihr ein anderes Tier nähert, zirpt sie „demütig“. Solange ein anderes Tier in ihrer unmittelbaren Nähe ist, nimmt sie nicht einmal Futter von mır. 17. Juni 1960: Lola hat bereits wieder Rang 2 inne. Die Rangordnung bei Wickelbären ist jedoch keine sozial wohl organisierte und biologisch wertvoll, wie z. B. die der Dohlen (Lorenz 1935) oder Wölfe, was nicht verwunderlich ist, da sie bei Potos nur eine haltungsmäßig bedingte sein dürfte. Es ist auch ein für alle Tiere gleichartiges Demutverhalten bei Verfolgung und Kampf mit einem Artgenossen nicht nachweisbar. Beschädigungskämpfe werden we- niger durch Flucht des schwächeren Tieres, als durch eine soziale Beißhemmung ver- mieden. In den räumlich beschränkten Käfigen kann sich eine Flucht in die entfernteste Ecke oder in die Schlafkiste nur sehr begrenzt als Schutz vor einem Artgenossen be- währen. Allein der Ranghöchste (Mico) drangsaliert alle anderen Tiere, besonders bei Erscheinen eines Wärters (in Erwartung von Futter, möglicherweise auch aus „Eifer- sucht“). Es besteht keine ausgeprägte „Pickordnung“ wie bei Hühnern. Wenn Mico entfernt wird, nimmt der Rangnächste seinen Platz ein u. s. f. Kein Tier ist allerdings so aggressiv wıe Mico. Obwohl die Tiere in freier Wildbahn individuelle Schlafplätze besitzen, benützen sie im Zoo ohne weiteres auch gemeinsam eine Schlafkiste. Tritt eine befreundete Person an das Gehege, so drängen sich gewöhnlich alle Tiere an das ihr zugewandte Käfiggitter. Mico zischt und kreischt alle anderen Käfiginsassen an, die darauf, schrill angstzwitschernd und pfeifend, von ihm wegstreben. Sobald Mico von ihnen abläßt, versuchen sie sofort wieder zum Pfleger zu gelangen. Oft verfolgt Mico einen Futterrivalen, balgt heftig kreischend mit ihm am Käfigboden, ohne aber jemals ernstlich zuzubeißen. Manchmal genügt es, wenn das inferiore Tier von ihm abrückt und den Kopf wegwendet. Nur Mono wird bei Verfolgung stets ein Zirpen hören lassen, welches Mico aber offensichtlich nicht „beeindruckt“. C. Spielverhalten 1. Soziale Spiele Beiß- und Balgespiel (Kampfspiel): Bereits beim 6 Wochen alten Nestling, der loko- motorisch noch sehr behindert ist, tritt diese Spielweise mit der Mutter oder dem Pfleger deutlich in Erscheinung. Da noch keine Beißhemmung ausgereift ist, führt dieses un- kontrollierte Beifßen in die ungeschützte Hand des Pflegers oft zu blutenden Perfo- rierungen. _ Nachlaufen (Fluchtspiel): Sobald die Tiere im Alter von 2 Monaten hoppeln kön- nen, widmen sie sich eifrigst einem Fangenspiel. Ein Tier ist meist das aktivere, die Rollen können jedoch zeitweise vertauscht werden. Sobald das Springen ausgereift ist (nach dem 3. Monat), tritt zum Balge- und Fluchtspiel der Ansprung von einem erhöhten Platz (z. B. Sofalehne) auf den Art- genossen (Pfleger) hinzu. Beutespiel: Als solches möchten wir Teile eines Drohgehabens bezeichnen, welches Chico einmal gegen die Mutter und der jugendliche Mono mehrmals gegen den mensch- lichen Spielgefährten zeigte. Dabei richtet sich das Tier, auf den Hinterbeinen sitzend, mit leicht angehobenen Händen halb auf. Nun läßt es sich, ohne vorhergehendes Intimidationsgeräusch (Fauchen, Zischen), in Richtung „Gegner“ vorfallen. (Über vollständiges Drohverhalten vgl. S. 27). Sexuelle Elemente dürften in Form eines Begattungsspieles auftreten. Die häufigen Kopulationsversuche des Jungtieres sind vielleicht nicht allein „Pubertätserscheinun- gen“. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 2 2. Solhitäres Spiel Ein Spielverhalten des Einzeltieres konnte oftmals beobachtet werden. In solchen Fällen wird mit leblosen Gegenständen (Stofftier, Futterschale) gerauft und diese mit den Pfoten und der Schnauze vorwärtsbewegt. Chico stieß seine Wasserschale, nach anfäng- lichem Beißen in deren Rand, mit 7 Wochen durch den ganzen Käfig. Wenn vorübergehend einzeln gehaltene Tiere keine Gelegenheit zum sozialen Spiel haben, widmen sie sich sehr häufig diesem Spiel mit dem Schälchen. In hochgradigem Erregungszustand („Wut“) reagiert Lola den Angriffstrieb manchmal durch energisches Herumstoßen der Futter- oder Wasserschale ab. D. Über die Funktion der Hautdrüsenorgane Wickelbären besitzen drei ungewöhnliche Drüsenregionen. 1. Stark ausgeprägte, paarige Mandibulardrüsen, meist in beiden Geschlechtern gleich ‚entwickelt. Nur bei einigen südamerikanischen Rassen dürften sie bei den 22 etwas schwächer ausgebildet sein. Bei Druck mit den Fingern erscheinen kleine, wasserklare Sekrettröpfchen. Das Sekret ist nicht klebrig und besitzt keinen auffallenden Geruch. Pocock (1921) erwähnt diese nackten Hautstellen am Unterkiefer, mißt ihnen aber keine Bedeutung als drüsiges Gewebe zu. ”Probably the absence of the hair serves to keep the lips and chin clean from such sticky substances as honey...“ SCHAFFER (1940), der sich auf Pocock (loc. cit.) bezieht, schreibt nichts über diese Drüsen. 2. Eine kleine Kehldrüse, knapp rostral des Vorderendes des Brustbeins gelegen, die schwarz-braun gefärbtes Sekret sezerniert. Dieses ist von leicht öliger Konsistenz und für die menschliche Nase ebenfalls geruchlos. 3. Ein schmales Drüsenfeld — Bauchorgan — welches sich zwischen Hinterende des Sternums und dem Genitale befindet. Dieses ist im & Geschlecht ein wenig stärker ausgebildet. Es sezerniert in beiden Geschlechtern mehr oder weniger dauernd, deutlich sichtbar von Eintritt der Geschlechtsreife an. Das Sekret ist dunkelbraun, schmierig und leicht an den das Bauchorgan begrenzenden, oft stark verklebten Haaren zu bemerken. Das Tier strömt einen moschusartigen Geruch aus, der so durchdringend sein kann, daß er bei einem erst 6 Monate alten Tier, das in einen geschlossenen Raum gebracht wurde, aus 4 m Entfernung wahrgenommen werden konnte. Über gesicherte Beobachtungen eines Markierungsverhaltens von Wickelbären ist bisher nichts bekanntgeworden. Es liegt nur ein kurzer Bericht FiEprer’s (1957) vor, der an 3 Tie- ren (5,99) des Züricher Zoos bei Erscheinen des Wärters ein Hochklettern der Tiere am Käfiggitter, verbunden mit Hin- und Herrutschen mit dem Bauch an demselben, beobachtete. Wir sind geneigt, dieses Verhalten, wie FIEDLER, als aufgeregte Reaktion auf das Heran- kommen des Pflegers zu deuten; möglicherweise handelt es sich um ein Bauchkratzen im Übersprung. Pocock (1921) schreibt über die Funktion der Drüsen: ”These glands are conveniently placed for rubbing the secretion along branches of trees to enable Kinkajous to track each other by scent. Although I have never noticed these anımals behaving in a way to suggest that that is the function of the glands, I do not doubt that it is so.“ Ein Markierungsverhalten wurde von keinem unserer Tiere im Gemeinschaftskäfig offenbar. Nur diejenigen Wickelbären, die von früher Jugend an von uns im Hause aufgezogen wurden (Ausnahme Mico) zeigten klar ein solches Verhalten. Protokoll 18. Dezember 1958: Pepe (4 Monate) reibt beide Mandibulardrüsen am runden Tischbein. | 7. Januar 1959: Pepe (4% Monate) wischt mit den Mandibulardrüsen über den runden Türknopf. 14. Januar 1959: Pepe reibt mit der Mandibulardrüse an der runden Muschel des Telephon- hörers. 22 I. Poglayen-Neuwall 14. Dezember 1959: Als meine Frau nach dreiwöchiger Abwesenheit nach Hause zurückkehrt, „begrüßt“ Mono (10 Monate) sie erregt: Er zwitschert, klettert an ihr empor, beschnüffelt sie, fährt ihr mit der Zunge in Nase und Gehörgang und klettert nicht mehr freiwillig von ihrem Nacken herunter. Bevor er an ihr hochkletterte, sprang er auf das Sofa, stellte sich auf die Hinterbeine, lehnte mit den Vorderextremitäten gegen ihren Oberschenkel und rieb mit seinem Bauchdrüsenfeld mehrmals an ihrem Schenkel auf und ab. 19. Januar 1960: Mono (1172 Monate) markiert zuerst an meinem (1 x), darauf am Hinter- kopf meiner Frau (2 x). 21. Januar 1960: Aus dem Käfig herausgelassen, tollt Mono zuerst einige Minuten im Raum herum, erklettert schließlich den Lehnstuhl, in dem meine Frau sitzt, umschlingt ihren Hals von rückwärts mit beiden Armen und sch unter erheblichem Den mit der Kehl- drüse ihren Hinterkopf abwärts (die Bewegung erfolgt von etwas rostral des Sternums bis zur Kehle).® 25. Januar 1960: An diesem Abend markiert Mono mit der Kehldrüse zweimal einen be- stimmten Polster, zweimal den Telephonhörer, dreimal den Kopf meiner Frau, mit den Mandibulardrüsen zweimal das Telephon. 12. Juni 1960: Chico (92 Tage) markiert bereits mit der Mandibulardrüse am Türknopf, den er vom Sofa leicht erreichen kann. 5. Januar 1960: Chico (10 Monate) markiert mit der Mandibulardrüse meinen Schuh. Seit dem 15. Dezember markiert Chico bei seinen abendlichen Spaziergängen durch die Wohnung, gleich nach Verlassen seines Käfigs, einen Polster mit der Kehldrüse. Nach Auswechseln des Polsters durch einen anderen, wird der neue markiert. Wichtig erscheint nur, daß der Polster an dem best. Platz am Sofa liegt. Als am Abend des 8. Januar versuchsweise Pepe gleichzeitig freigelassen wird, setzt sofort eine freundliche Balgerei ein, die von Chicos Seite einen sexuellen Einschlag zeigt. An diesem Abend markiert keines der beiden Tiere .... ganz unterschiedlich zu dem Verhalten von Hunden, wo das eingewöhnte 5 („Hausherr“) sofort die alte Duftmarke erneuert, oder das hinzukommende (dominante) 5 das alte Siegel durch eine eigene Markie- rung (Harnstrahl) auslöscht. Vorsicht bei der Deutung des Markierungsverhaltens unter Gefangenschaftsbedin- gungen ist geboten. Besonders hohe Markierungsintensität kann eine Markierungs- hypertrophie anzeigen (Vgl. Beobachtungen an Nasenbären, FIEDLER 1957). Bei Hal- tung unter unnatürlichen Bedingungen (Erregungsstauung mit erniedrigtem Schwell- wert) könnte auch übersprungsweise am falschen Objekt markiert werden. Es ist interessant, daß Potos bereits lange vor Eintritt der geschlechtlichen Reife (früheste Beobachtung am 92 Tage alten es zu markieren beginnt. Duftmarkieren wurde ausschließlich N Tieren beobachtet, die im frühesten Alter und über eine längere Zeitspanne sich viel in der Wohnung frei bewegen durften. So entwickeln sie unter gün- stigeren Bedingungen als ältere Tiere (plastische Phase des Jungtieres) natürlichere Be- ziehungen zu ihrer Umwelt als dies in den räumlich beengten Käfigen der Fall ist, und werden besser in ein Raum-Zeit-System (HEDIGER 1948) eingepaßt. Daß die Schlafkiste als Ort größter Geborgenheit nie aktiv markiert wurde, dürfte so zu erklären sein, daß diese durch den starken Eigengeruch des Tieres und die leichte Sezernierung vom Bauchorgan ohnedies stark mit Duftstoff versehen ist. Von allen Tieren wurden meist dieselben markanten Fixpunkte markiert. Die Mar- kierung unserer Köpfe (Abb. 9), wahrscheinlich auch meines Schuhs, hat besitzanzei- gende Bedeutung und ist zweifellos „emotionell“ beeinflußt”. Markierung kann vielerlei Funktionen haben, nicht unbedingt die einer Revier- abgrenzung. Es ist wesentlich, die Reaktion von Artgenossen zu kennen, wenn sie auf einen markierten Punkt eines anderen Individuums stoßen. Daß es sich in unserem Fall vielleicht um ein „Übermarkieren“, wie dies z. B. von Hunden bekannt ist, handeln könnte, ist doch recht zweifelhaft, schon allein, da oft längere Zeitspannen zwischen dem Markieren durch verschiedene Tiere verstreichen und die meisten mar- kierten Gegenstände von uns zu stark abgegriffen werden, als daß sich eine Duftmarke lange halten könnte. 6 Die Bewegung kann auch in umgekehrter Richtung verlaufen. ” Im Kopfhaar von Fremden wird auch gerne gewühlt und geschnüffelt aber nie markiert- WERTEN RE Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 23 Soweit es unsere Kenntnisse über das Freileben der Wickelbären erlauben, müßte man zu einem Deutungsversuch ihres Markierungsverhaltens folgende Möglichkeiten in Betracht ziehen: 1. Alle Tiere einer territorialen Sozietät markieren und machen damit das Territorium als kollektives Eigentum kenntlich. Dies schließt nicht aus, daß paar ungs- willige Tiere sich für kürzere, das trächtige @ zur Geburt und Bucht des a für längere Zeit von der Gruppe absondern. 2. Könnte es sich um die Markierung eines (oder mehrerer) Wechsel vom n Schlaf- platz zum Futterplatz handeln. Ein Markieren von Fixpunkten würde den Tieren eine Orientierung sehr erleichtern. Damit diese Theorie an Wahr- scheinlichkeit gewinnt, müßte allerdings noch bewiesen werden, daß auch die 2% von ihrer Drüsenausstattung Ge- brauch machen; eine Möglichkeit, auf die HEDIGER (1954) hin- weist: „Die Markie- rung durch beide Ge- schlechter scheint mir besonders bei solchen Tieren vorzukommen, die keinen auffallen- den Geschlechtsdimor- phismus aufweisen.“ EiBL-EIBESFELDT (1953) schreibt über einen von ihm gehal- Abb. 10 (oben). Mico beim Belecken der Kehldrüse von Lola. : (Unten). Nach Ausdrücken von Sekrettröpfchen aus der Mandi- tenen Riesengalago bulardrüse von Lola, werden diese von Mico aufgeleckt (Galago crassicauda- tus Q): „Die auf diese Weise mit Harn imprägnierten Hand- und Fußflächen hinter- lassen beim Klettern an den Trittstellen deutliche Spuren, die im Freien dem nächt- « lich im Gezweig kletternden Tier vermutlich als Wegmarke dienen ... 3. Schließlich wäre noch eine weitere (Teil-)Funktion des Markierungsverhaltens denk- bar, nämlich ein Markieren im Dienste des Zusammenfindens der Geschlechter. In einem solchen Falle erscheint es nicht unbedingt notwendig, daß b ei d e Geschlechter aktıv Duftmarken setzen. Wie wiederholte Beobachtungen zeigten, spielen beim Paarungsverhalten die Mandibulardrüsen und die Kehldrüse, offenbar als sexuelle Reizorgane, speziell für das Ö, eine wichtige Rolle. Protokoll 8. April 1959: Mico versucht mit Lola zu kopulieren; dann preßt er zart mit den Zähnen Lola‘s Kehldrüse aus und leckt mehrmals darüber (Abb. 10a). 4. Mai 1959: Mico wird zur isoliert gehaltenen Lola gebracht; er leckt zuerst mehrmals über ihre Kehldrüse, worauf die übliche Balgerei folgt. Schließlich versucht Mico aufzureiten, was das @ dadurch verhindert, daß es sich Mai den Rücken wirft oder einfach auf die Seite rollt. 11. Mai 1959: Mico beleckt ausgiebig Mandibulardrüsen und Kehldrüse Lola‘s, die keinerlei Widerstand entgegensetzt (Abb. 10b). Allein bei dieser Gelegenheit wurde auch ganz flüchtig das Bauchorgan Lola‘s beleckt. Mico reitet auf und führt typische Friktionsbewegungen aus. (immissio penis?). 12. Mai 1959: Lola ist diesmal weniger gefügig. Es kommt zu einleitendem Auspressen und Lecken von Mandibular- und Kehldrüsensekret, Kopulationsversuche mißlingen jedoch. . 24 I. Poglayen-N euwall 11. Juni 1960: Lola wird nach viermonatiger, isolierter Haltung in das Freigehege trans- feriert. Mico und Pepe drängen sich an sie heran. Lola zirpt beide an. Mico verdrängt Pepe, der kopulieren will, versucht selbst aufzureiten und verschwindet bald mit Lola in der Nest- kiste. Als kurz darauf beide wieder herauskommen, belecken Pepe und Mico Kehldrüse und Mandibulardrüsen von Lola, was diese erwidert. Beide & & beriechen Lola (und umgekehrt) eifrigst, besonders in der Kopf- und Nackengegend. 23. Mai 1960: Lola beißt Chico (212 Monate) vorsichtig in die schwach entwickelten Mandi- bulardrüsen und Kehldrüse und leckt darauf emsig darüber. Chico zwitschert, kreischt auf und wird von Lola zirpend wieder „beschwichtigt“. Dieser Vorgang wiederholt sich 12 Stunde später. 11. Verhalten der Tiere zum Menschen Derjenige, der Gelegenheit hat, viele Arten von Wildtieren mit der Flasche aufzuzie- hen, wird die Feststellung machen, daß solche Tiere meist bedingungslos zahm werden. Diese Art von Zahmheit ist verschieden von der „Zahmheit“ eines Zootieres, das oft in einem späteren Lebensabschnitt gefangen oder im Zoo vom Muttertier aufgezogen wurde und sich später nur mehr an den Menschen gewöhnt. Seit Lorenz (1935) den Begriff der „Prägung“ bei bestimmten Vögeln aufgestellt hatte, wurde verschiedentlich versucht, auch bei Säugern einen ähnlichen Vorgang nach- zuweisen. Diesbezügliche Berichte von HEepıGEr (1939, 1954), GraBowskı (1941), Seıtz (1950) decken sich im wesentlichen mit meinen eigenen Beobachtungen. Im Rahmen dieser Arbeit soll nur kurz auf nesthockende Säugetiere Bezug genom- men werden. Bei diesen dürften wir es, trotz Fehlens zweier wichtiger Voraussetzun- gen, der extrem kurzen sensiblen Periode, in der der Lernvorgang einer Prägung statt- findet und der Irreversibilität einer solchen Prägung, mit einem sehr ähnlichen Phäno- men zu tun haben. Bei Hundeartigen, Katzenartigen, Kleinbären u. a. erkennen wir zwei Abschnitte in der Jugendentwicklung. Der erste von der Geburt bis etwa zur Zeit der ersten Aus- flüge aus dem Nest reichend („kritische Zeitspanne“, nach Serrz 1950), in dem der Nestling auf den Eiterkumpan (Artgenossen), im besonderen Falle auf den Menschen geprägt wird und den zweiten Abschnitt, in dem der Folgetrieb auf ein bestimmtes Tier (Elter, Rudel, Mensch) fixiert wird und in dem der Pfleger persönlich kennenge- lernt wird. Vielen Säugern dürfte nur ein sehr merkmalarmes Schema des Artgenossen angebo- ren sein und daher im frühesten Jugendstadium nur wenige Schlüsselreize für „Elter“ zuständig sein: Beim Nestflüchter Bewegung und Milchgeruch, beim Nesthocker Milch- geruch und Wärme; erst in einer späteren Entwicklungsphase und von geringerer Be- deutung als beim Nestflüchter, spielt bei jenem die Bewegung eine Rolle. Während der kritischen Zeitspanne, die Sertz (loc. cit.) für seine Fuchswelpen mit 36 Tagen festgelegt, und die bei Wickelbären, wie bei EısL-EißEsrELpT’s (1950) Jung- dachs, noch wesentlich länger sein dürfte (etwa 10-12 Wochen), ist die individuelle Plastizität so groß, daß „Umlernen“ auf einen anderen Menschen, oder eine andere „Amme“ jederzeit, wenn auch gegen Ende dieses Stadiums mit steigender Schwierigkeit, möglich ist. Pepe wurde im Alter von rund vier Wochen, Mono am ersten Tag und Chico mit drei Monaten vom Muttertier entfernt und von uns aufgezogen. Alle drei Wickel- bären sind auch heute so bedingungslos zahm wie als Jungtiere; Mico, Mono und Chico unterscheiden gewiß zwischen uns und Fremden. Die enge Bindung zum Ersatzelter, ım Alter von zehn Wochen bis zu etwa zehn Monaten mit einem strikten Folgetrieb gekoppelt, lockert sich gegen Ende des ersten Jahres und der Folgetrieb erlöscht all- mählıch fast ganz. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 25 Lola ist das einzige Tier, das bissig in den Besitz des Zoos kam und unverändert „wutzahm“ blieb. Die Wärter müssen bei Betreten des Geheges größte Vorsicht walten lassen, denn dieses Tier greift meist unvermutet an und verbeißt sich so fest im Hosen- bein, daß es mit Gewalt losgerissen werden muß. In Ausnahmefällen läßt Lola sich durch das Käfiggitter hindurch kraulen, und ein bestimmter Zoobesucher darf es sich manchmal sogar erlauben, sie auf den Arm zu nehmen, wurde aber auch schon böse gebissen. Sonst machen sich Wickelbären nichts aus Gestreicheltwerden und halten dabei nicht ruhig wie viele andere Säuger. : Mico, der mich selbst „respektiert“, ist manchmal gegen die Wärter aggressiv. Bei Tag gestört und der Sonne ausgesetzt, beißt er zuweilen auch mich. Das Jungtier erobert seine Umwelt schrittweise. Zuerst die Nestkiste, darauf den Käfig und schließlich das Wohnzimmer. Die Erweiterung seines Aktionsraumes geht im Tempo seiner körperlichen Entwicklung, angetrieben vom überaus großen Erkun- dungsbedürfnis®, vor sich. Im Alter von ungefähr zehn Wochen wird der Wickelbär erstmals aus der ebenerdigen Wohnung ins Freie gelassen. Bei seinen täglichen, halb- stündigen Spaziergängen? (ohne Begleitung) entfernt sich das Tier nicht weiter als 1-2 m vom Haus, es sei, daß meine Frau oder ich das Haus verlassen, worauf uns das Jungtier meist folgt. Nach einer Woche wird die nähere Umgebung des Hauses erkun- det, aber immer bald wieder zum Haus zurückgekehrt. In dieser Phase können auch dunkle Verstecke am Haus selbst zum Schlafen aufgesucht werden. Das 3-3”2monatige Tier beginnt nun, sich immer weiter in den Park hinauszuwagen, versucht Bäume zu erklettern und kann nicht mehr ohne Aufsicht gelassen werden, da wir befürchten, daß es nicht mehr zum Hause zurückfinden könnte. Für eine Reihe von Monaten folgt mir der Wickelbär nun bedingungslos durch den ganzen Park, sobald ich ihn aus der näheren, gut bekannten Umgebung des Hauses (etwa 8 m) wegtrage!®. Tatsächlich folgt er beinahe in körperlichem Kontakt, indem er meist knapp hinter meinem Absatz, oft zwischen meinen Füßen läuft. Lasse ich mich irgendwo im Park nieder, erforscht er zuerst die nähere Umgebung des Lagerplatzes, und dann unternimmt er — entsprechend seinem Alter — nähere oder weitere „Ausflüge“. Setze ich mich wieder in Bewegung, so folgt der Wickelbär willig. Bis auf eine Entfernung von 10 m werde ich optisch gut wahrgenommen. Auf grö- ßere Entfernungen richtet sich das Tier akustisch. Zu Zeiten *° lebhaften Besuches im Park wird der Wickelbär recht unsicher, läuft Fremden nach und auch meine Zurufe bleiben dann oft unbeachtet. Wie mit Artgenossen und Tieren anderer Arten, treibt der Wickelbär auch mit dem befreun- deten Menschen seine „Beiß- Spiele“ (Abb. 11). Gleich jungen Katzen und Welpen „probiert“ der Wickelbär sein Gebiß am 435. 11. Mono (91% Monate) beim Beiß-Spiel mit dem menschlichen Arm etc. aus. Wäh- befreundeten Menschen 8 Eine „Neugierphase“ des Jungtieres, wie sie L. Kornıc (1960) von ihren Siebenschläfern beschreibt, ist bei Wickelbären nicht auf einen besonderen Entwicklungsabschnitt beschränkt. Der Wickelbär ist unverändert, lebenslang ein „Neugiertier“. 9% Diese finden am Morgen, Spätnachmittag oder Abend statt. 10 Vgl. EiBEL-EiBEsreLDT’s (loc. cit.) Erfahrungen mit einem Jungdachs. 26 I. Poglayen-N euwall rend andere Säuger noch im Jugendalter (nach dem Zahnen) damit aufhören, legt Potos diese Gewohnheit auch in fortgeschrittenem Alter nicht ab. Zärtlichkeitsverhalten gegenüber dem Menschen besteht aus sanftem Beißen, diffu- sem Lecken über das Gesicht des Pflegers und „Waschen“ seines Nasen- und Gehör- ganges. Ein charakteristischer Zug im Verhalten des Wickelbären ist sein nımmermüder Erkundungstrieb. Nach ArLvarez DEL Toro (mündlich) sollen sich Wickelbären oft — vielleicht vom Lagerfeuer angelockt — auf die Bäume unmittelbar am Lagerplatz begeben, wovon auch am Morgen die zahlreichen Kotstellen zeugen. Im Laufe der Jahre gelang einigen Tieren die Flucht aus dem Freigehege des Rio Grande Zoos. Alle konnten innerhalb kurzer Zeit wieder eingefangen werden. Fall 1: Kinka entkam am 15. August 1959 und wurde in der Nacht vom 16. zum 17. August auf einer alten Pappel, 90 m westlich vom Käfig, ergriffen. Fall 2: Lola, allein in einem Käfig gehalten, flüchtete in der Nacht vom 1. zum 2. Sep- tember 1960 und wurde am Abend des 3. September auf einer Pappel, 7 m oberhalb ihres Käfigs, gefunden. Wiederholtes Rufen beantwortete sie mit Kläffen. Fall 3: Alle Tiere, mit Ausnahme Lolas und Chicos, die sich in unserem Hause befanden, wurden durch einen Lausbubenstreich am Abend des 12. September 1960 in Freiheit gesetzt. Kinka wurde in derselben Nacht am nächststehenden Baum entdeckt. Alle anderen Tiere er- reichten die Zooumgrenzung 200 m östlich des Geheges, überkletterten den 2,30 m hohen Zaun, überquerten eine 50 m breite Straße, die 200 m östlich des Zaunes läuft und wurden unter folgenden Umständen eingefangen: Ein kleiner Stadtbezirk östlich des Zoogeländes besteht hauptsächlich aus ebenerdigen Ein- familienhäusern mit kleinen Gärten mit nur wenigen, kleineren, verstreut stehenden Bäumen. Südlich und westlich des Zoos breitet sich über eine Fläche von 2 bzw. 30 ha ein Park mit starkem, altem Pappelbestand aus. Pepe begegnete am Abend des 13. einem kleinen Mädchen auf einer Straße etwa 350 m östlich des Zoos, folgte dem erschrockenen Kind 40 m zu dessen Haustür, und schlüpfte an diesem vorbei in das Haus. Er durchstreifte die ebenerdige Wohnung und wurde, bis zum Ein- treffen eines Wärters, vom Wohnungseigentümer gefüttert. Mico sprang in der Nacht des 14. von einem Baum durch das offene Fenster in ein Zimmer des 1. Stockes eines Hauses 400 m nordöstlich vom Zoo; er kletterte auf das Bett eines schla- fenden Mannes und drängte sich unter die Bettdecke. Mit Mühe wurde das gereizte Tier von den Leuten überwältigt. Mono wurde in der Nacht vom 15. zum 16. 650 m nordöstlich vom Zoo, im Vorgarten eines Hauses aufgegriffen. Was für Erkenntnisse gewinnen wir aus dem Verhalten der entkommenen Tiere? In der fremden und unnatürlichen Umgebung (Siedlungsgebiet) brach ein vielleicht ur- sprünglich vorhanden gewesener, lockerer Zusammenhalt zwischen den Tieren ausein- ander. Die „Reisegeschwindigkeit“ war nur mäßig. Hunger und das Bestreben nach Deckung (Unterschlupf), sowie die an und für sich stark anthropophile Einstellung der Tiere veranlaßte sie, in menschliche Behausungen einzudringen. Das Gefühl der Ge- borgenheit im Gehege ist nicht stark entwickelt. Fin Heimfindevermögen ist unter den Umweltverhältnissen, in welche die Tiere plötzlich versetzt waren, kaum möglich. Diesem unbeabsichtigten und dementsprechend ungelenkten Experiment darf natür- lich nicht zu große Bedeutung beigemessen werden; immerhin erschien es uns ange- bracht, darüber hier zu berichten. 12. Verhalten der Tiere zu artfremden Tieren Soviel man den Berichten von Naturforschern entnehmen kann, dulden Wickelbären manche artverschiedenen Säugetiere (biologische Konkurrenten) am gemeinsamen Freß- platz. Joun KaurmAnn!! (mündlich) sah einmal einen Wickelbären und einen Olingo 1! Mr. Jomn H. Kaurmann weilte von 1958-60 als Zoologe auf der U. S. Biolog. Station in Panama und hatte Gelegenheit, ausgedehnte Feldbeobachtungen und Studien an Procyoniden durchzuführen. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 97 (Bassaricyon sp.) am selben fruchttragenden Baum, nur etwa 1% m voneinander ent- fernt. Harz & Kerson (1960) berichten: ”Where olingos and kinkajous occur, the 2 species may feed in the same tree.“ Enpers (1935) fand auf einem Mangobaum auf Barro Colorado (Panama) zwei Wickelbären und ein Braunes Opossum (Metachirus nudicaudatus dentaneus). Wie uns der Curator of Mammals (New York Zoologi- cal Park) Joseert A. Davıs freundlichst mitteilte, wurden im dortigen Kleinsäuger- haus ein Paar Wickelbären und ein Olingo (Geschlecht unbekannt) einige Zeit zusam- men gehalten. Die Wickelbären schenkten dem anderen Tier wenig Beachtung, waren aber die dominanten Tiere. Der Olingo erschien im Verkehr mit den Wickelbären stets etwas furchtsam und zurückhaltend. Wir möchten Potos als die &-Art und den ver- wandten und in der Lebensweise recht ähnlichen Bassaricyon als $-Art der biologi- schen Hierarchie (HEDIiGErR 1948) bezeichnen. Vielleicht nimmt das Opossum in jenem Areal den biologischen Rang einer y-Art ein. Über Freßfeinde von Potos fanden wir im Schrifttum keine Angaben. Gelegentlich mag eine große Raubkatze, vornehmlich der Jaguar (Panthera onca), vielleicht auch der Ozelot (Felis pardalis) ein Tier reißen; Hyrare (Tayra barbara) und Yaguarundi (Felis jaguarundi) stellen gewiß eine Gefahr für Jungtiere dar. Ausgewachsene Boas (Constrictor constrictor) wären auch in der Lage, einen Wickelbären zu bewältigen. Seltsamerweise stellen die Eingeborenen dem Wickelbären nicht methodisch nach. Obwohl sein Fleisch schmackhaft sein soll (AntHony 1916), wird er im tropischen Mexico kaum gejagt. Nur durch Verdrängung und Verkleinerung seines Lebensraumes durch Schlägerungen wird der Art Schaden zugefügt. Jeder der Wickelbären, mit Ausnahme von Lola, wurde öfter mit Jungtieren von anderen Arten in unserem Haus zusammengebracht. Diese Tiere waren Jungluchse (Lynx rufus), Junglöwen (Panthera leo), Jungpumas (Felis concolor), Iltisfrettchen (Putorius furo), Graufüchse (Urocyon cinereoargenteus) und Wüstenfüchse (Vulpes velox). In jedem Falle folgt einer einleitenden, allgemeinen Geruchskontrolle, besonders von seiten des Wickelbären, eine heftige, meist ausdauernde Balgerei. Scheu oder gar Furcht sind den Wickelbären unbekannt; wo sie am Spielgenossen Halt fassen können, wird dieser mit Extremitäten und Schwanz umschlungen, erklettert und tüchtig in dessen Fell gebissen ohne ihn aber zu verletzen. Dann wird gewöhnlich eine „Ohren- wäsche“ vorgenommen, und schließlich rollen beide schnaufend und keuchend über den Boden. Abwechselnd läuft ein Tier dem anderen nach, und in Kürze ist wieder eine Rauferei im Gange. Wird derWickelbär endlich müde, oder der Spielgefährte zu grob, so bringt sich jener für eine Weile an einem für diesen unzugänglichen Ort in Sicherheit. Nur dem Frettchen wurde feindselig begegnet. Als wir dieses erstmals Pepe (später Mona) an den Käfıg brachten, reagierte er mit Drohfauchen und Zischen, wobei er sich, auf den Hinterextremitäten sitzend, zu halber Höhe aufrichtete. Bei andauernder Bedrohung läßt sich das Tier -— wenn es nicht die Flucht ergreift — in Richtung Gegner nach vorne fallen, um diesen mit den Krallen zu fassen oder zu kratzen und zugleich zuzubeißen. Nach mehrmaligem „Bekanntmachen“ wurde auch das Frettchen akzeptiert, wenn sich auch nie ein so intensives Spielverhältnis entwickelte wie mit den übrigen, oben erwähnten Tieren. Die Abneigung gegen das Frettchen dürfte nicht geruchlich bedingt gewesen sein; zur Kontrolle imprägnierten wir unsere Hände mit Frettchen- duft, die darauf anstandslos von den Wickelbären als „befreundet“ betrachtet wurden. Auch eine größere Schlange (Pituophis sayı), die in den Käfig eines Wickelbären gesetzt wurde, rief bei diesem heftigstes Erschrecken hervor. Die ersten Male wurde stets in die entfernteste Ecke geflüchtet. Auch hier trat, nach mehrmaligem Versuch und längerem Verweilen der Schlange im Wickelbärkäfig, eine Gewöhnung an die Schlange ein, und schließlich suchte der Wickelbär nach kurzer Untersuchung des Ein- dringlings jedesmal gleich wieder sein Schlafkistchen auf. 28 I. Poglayen-N euwall Das träge Gilatier (Heloderma suspectum) wurde kurz geruchlich inspiziert und weiter nicht beachtet. Die ungewöhnliche Form und die Art der Bewegung, nicht Geruch oder angebore- nes Feindschema dürften die Triebfeder des Verhaltens der Wickelbären gegenüber Schlangen und Frettchen sein. Das Tier lernt seine Feinde durch individuelle Erfahrung, vielleicht auch durch das Warnverhalten des Elters kennen. An den Jaguarkäfig herangebracht, zeigen die Wickelbären keine Schreckreaktion, eher ein Neugierverhalten oder Gleichgültigkeit. Die beiden Wickelbären von Herrn Davıs (mündlich) beachteten einen ausgestopf- ten Artgenossen nicht, reagierten aber aufgeregt bei Vorhalten eines Waschbärenfelles (Procyon). 13. Fortpflanzung A. Sexuelles Verhalten An unserem Zuchtpaar konnten wir keine bestimmten Brunstperioden feststellen. Das ö dürfte stets paarungsbereit sein, und das @ kann zu jeder Jahreszeit in Hitze kom- men. Auch in freier Wildbahn kann man Jungtiere zu jeder Zeit des Jahres sehen, was obige Aussage erhärtet. Die Oestrusperiode des ? verläuft ohne äußerlich erkennbare Erscheinungen. Kopulationsversuche konnten durch zeitweise Trennung und späteres Zusammenbringen der Zuchttiere (Mico, Lola) jederzeit provoziert werden. Die meisten dieser Deckversuche führten jedoch, wegen Sprödigkeit des $ nicht zu einer immissio penis, bzw. vollendeten Kopula. Aus diesen Gründen war es uns nicht möglich, die ge- naue Tragzeit zu errechnen; diese liegt zwi- schen 98 und 115 Tagen. Auch Trächtigkeit des 2 ist (bei Einzeljungen) bis zum Tag des Werfens äußerlich nur schwer feststellbar!?. AspeLL (1946) gibt als Brunstperiode für Wickelbären den Monat April an. ANTHONY (1916) beobachtete in einer Aprilnacht, wäh- rend drei Stunden, in freier Wildbahn ein Paar Wickelbären, die auch zur Paarung schritten. Uns sind folgende Geburtsmonate von in Gefangenschaft geworfenen Tieren Abb. 12. Röntgenaufnahmen der linken Hand eines männlichen und eines weib- bekannt: Januar, Februar, März, April, Mai, Jichen Wickelbären. Links: &, Rechts: 9. Juni, August, September, Oktober. Bemerkenswert ist die unterschiedliche RE Ausbildung des proximalen Carpalsesam- Als Einleitung zur Paarung kommt kein beines bei &: und ©, ebenso ee typisches Werbungszeremoniell vor. Das deutlich sichtbare Überlagerung dieses Sprödigkeitsverhalten des ? kann den Akt Knochens mit Bindegewebe der Begattung mehr oder weniger lang hin- halten; das 5 versucht entweder sofort aufzureiten, oder es scheint sich noch sexuell zu stimulieren, indem es aktıv Sekret aus den Hautdrüsen des P preßt und aufleckt. Beim 5 ist am Carpus das proximale Sesambein besonders lang und endet in einer Spitze (Abb. 12). Diese, durch umlagertes Bindegewebe und Sehnen versteift, kann man schon beim männlichen Jungtier gut ertasten. Sie ist ein untrügliches Mittel zur = Ein Schwangerschaftstest (Kaninchentest), acht Tage vor der Geburt eines Jungen, verlief negativ. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 29 Geschlechtsbestimmung®®. Wir kennen, besonders bei niederen Wirbeltieren, die verschiedensten Bil- dungen an der Vorder- extremität, die in direk- tem Zusammenhang mit dem Paarungsverhalten stehen. In erster Linie die- nen diese zum besseren Anhalten des 6 am $ Abb. 13. Kopulationsstellung bei Wickelbären. Man beachte während der Kopula. Bei die eigentümliche Haltung der Hand des &, mit der Stimula- tionsbewegungen ausgeführt werden Potos haben die im männ- lichen Geschlecht beson- ders differenzierten, carpalen Sesambeine die Funktion eines sexuellen Stimu- ans turdasp. Das & besteigt das ? von hinten und umklammert es mit den Vorderextremitäten an den Seiten (zwischen Ansatz der Vorder- und Hinterextremitäten des $). Dabei werden die Hände des ö so abgewinkelt, daß die Handflächen nach außen und hinten weisen (Abb. 13). Schon vor der immissio penis beginnt a ö kräftig, rhythmisch mit den proximalen Seiten (Sesambeinen) der Handrücken dem $ in die Flanken zu stoßen. Diese Stimu- lationsbewegungen (etwa 272 pro Sek.) können ungefähr 5-20 Sekunden (Durchschnitt) dauern und nach kurzen Unterbrechungen wieder aufgenommen werden. Bei Sprödig- keit des @ wird oft - noch vor dem Aufreiten — auch mit einer Hand gestoßen, offen- sichtlich um das $ in sexuelle „Stimmung“ zu bringen. Stimulations- und Friktionsbe- wegungen laufen auch gleichzeitig ab, letztere in etwas schnellerer Folge. Zweimal wurde am in Paarungsstimmung befindlichen Mico beobachtet, wie dieser vom spröden ® kurz abließ, sich, den Körper wenig vom Boden abgehoben, nieder- kauerte und mit dem steif gehaltenen Schwanz drei- bis viermal in horizontaler Rich- tung ausschlug. Der bei verschiedenen Säugern verbreitete Nackenbiß kommt bei Wickelbären nicht vor. Sexuelle Manifestationen können auch bei starker Erregung, sozusagen auf fal- schem Geleise ablaufen; so z. B. bei Wiedereinsetzen eines Tieres in den Gemeinschafts- käfıg (5 versucht auf & aufzureiten,alle & & versuchen mit 2 zu kopulieren). In der „Pubertätsperiode“ machten der 772 Monate alte Mono und der 1Omonatige Chico an meinem und dem Arm meiner Frau Kopulationsversuche; Pepe versuchte im Alter von neun Monaten Mono aufzureiten. Mit zehn Monaten versuchte Chico an meinen frisch abgelegten Kleidungsstücken zu kopulieren. Die früheste sexuell gefärbte Handlung beobachteten wir am 44 Tage alten Chico, der seine Mutter von der Seite her erkletterte und, die rechte Hand erstmals zur Ko- pulationshaltung abgewinkelt, dreimal in ihre Flanke stieß. B. Brutpflege Nachzucht von Wickelbären, einer Art, die kaum in einem Zoologischen Garten fehlt und in den USA bereits als ein populärer Hausgenosse bei vielen Liebhabern Einzug ge- halten hat, ist immer noch ein seltenes Ereignis. Im Zoo von Milwaukee (USA) züchtete ein Paar nach elfjähriger Haltung im Jahre 1931. Das ? warf zwei Junge. Alle weiteren 13 Auch Dr. R. van GELDER (schriftl.) machte die gleiche Feststellung. 30 I. Poglayen-N euwali Male wurde m. W. nur ein Junges geworfen (1938 in Breslau, 1957, 1958, 1959 in West-Berlin, 1959, 1960 ın Frankfurt, 1959 ın Caracas [Venezuela], und Memphis [USA], 1957, 1958, 1958, 1959, 1960, 1961 in Albuquerque [USA]). Auch in freier Wildban wurde meist nur ein einzelnes Junges beobachtet bzw. ein Embryo im er- legten Tier gefunden. Es wird einmal pro Jahr geworfen. Zwei Würfe sind eine aus- gesprochene Seltenheit und wahrscheinlich auf den Verlust eines Jungen zurückzu- führen. en Wir glauben mit Recht annehmen zu dürfen, daß das hochträchtige Tier in freier Wildbahn die Verbindung zum &, zumindest für die Dauer von Geburt und Aufzucht des Jungen, abbricht. Wir haben es hier mit einer ausgeprägten Mutterfamilie zu tun. In keinem einzigen Falle wurde die bevorstehende Geburt durch ein ungewöhn- liches Verhalten Lola’s angezeigt. Wir wurden jedesmal vollständig überrascht. Fünf Geburten fanden bei Nacht, diejenige Mono’s um 11.30 h und die Chico’s zwischen O und 6 h statt. Als etwa 21/2 Stunden nach der Geburt Mono’s dieser von der Mutter entfernt wurde, war er bereits trocken, Embryonalhüllen und Nachgeburt waren von Lola verzehrt und die Nestkiste — wie nach jeder Geburt — makellos sauber. Im Folgenden soll hauptsächlich auf die Aufzucht Chico’s bezug genommen werden, dem Tier, das fast bis zu seiner Entwöhnung bei der Mutter gelassen wurde. Als Chico um 7 h zum Wiegen und Messen aus der Nestkiste genommen wird, zwitschert er schrill, dann kläft er in meiner Hand etwa eine Minute lang. Seine Augen sınd fest verschlossen, die Ohrmuscheln nur leicht abstehend und nach vorne gerichtet; der äußere Gehörgang ist offen (Abb. 14a, b, c). Abb. 14. Aufnahmen des neugeborenen Wickelbären. A Totes @ Tier. Typisch sind der stark eingerollte Schwanz und die gürtelförmige Grenzzone des von vorn caudad und von hinten rostrad verlaufenden Haarstrichs. B Chico, wenige Stunden alt; die Augen sind verschlossen, die Ohren wenig abstehend und leicht nach vorne weisend. Finger und Krallen sind wohl ent- wickelt. C Am tagalten Chico ist der Rest der Nabelschnur gut sichtbar Lola entfernt sich vom Jungen in den ersten 24 Stunden auch nicht zur Futterauf- nahme. Bei Hantieren in der Nähe der Nestkiste wird Lola sehr erregt, Chico kläft. Auf jede Aufregung Lolas reagiert Chico mit schrillem Zwitschern. Auch leichte Er- schütterungen, hervorgerufen durch eine Person, die sich im Zimmer bewegt, werden von Chico registriert. Als das Junge am 4. Tag wieder ergriffen wird, schreit es schrill, zwitschert, uriniert, versucht auch zu beißen und kläftt schließlich für 1-1!/2 Minuten; darauf folgt Stille, die bei neuerlicher Berührung durch lautes Zwitschern unterbrochen wird. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 31 Abb. 15 (links). Chico (1 Tag alt) zeigt deutlich die reflektorische Wirkung des Wickelschwan- zes. Abb. 16 (Mitte). Beim 24 Tage alten Chico sind die Augen teilweise geöffnet. Abb. 17 (rechts). Mono (18 Tage) beginnt die Augen von proximal zu öffnen Die Mutter verläßt das Kind nur in der Nacht zum Fressen und Sichlösen, die übrige Zeit verbringt sie, meist (auf der Seite liegend) um das Junge gerollt, schlafend. In der Ruhe liegt der Nestling seitlich unvollständig eingerollt; der in seiner distalen Hälft stark eingerollte Schwanz kommt unter die Beine zu liegen, die Hände umgreifen noch nicht den Kopf. Bis zum Tag des Werfens war keine auffallende Entwicklung der Milchdrüsen zu bemerken. Milch begann erst nach der Geburt einzuschießen und erreichte gegen Ende des 5. Tages ein Maximum, indem die ganze Zitzenregion beutelartig herabhing. Lola säugt das Junge seitlich eingerollt, den Schwanz um dieses herumgeschlagen; oder sie liegt ausgestreckt, halb auf der Seite. Der Nestling trinkt, am Bauch oder auf der Seite liegend, zieht manchmal energisch an der Zitze, stemmt sich wohl auch ge- legentlich mit den Vorderbeinen von der Mutter ab, besitzt aber in seinem Verhaltens- inventar nicht den für so viele Säugernestlinge (auch Nasua) typischen „Milchtritt“. Ebenso fehlt die von Nagern bekannte „Spaltenappetenz“. Saugbewegungen im „Leer- lauf“ (leicht geöffneter Mund, Ausstrecken und Wiedereinziehen der Zunge in rascher Folge) kommen vor. Erst in der 2. Woche verläßt Lola die Nestkiste auch manchmal bei Tag für einige Minuten um „Bewegung“ zu machen. Lautäußerungen des Nestlings 1. Zwitschern, erfolgt scheinbar ohne besonderen Anlaß, viele Male täglıch. Schrilles („zorniges“) Zwitschern, wird meist dann vernommen, wenn der Säugling durch die sich bewegende Mutter oder den Pfleger gestört (erschreckt) wird. 3. Zischen ist eine seltenere Schreck- oder „Wutreaktion“ des Nestlings. 4. Kläffen ertönt, wenn sich die Mutter entfernt (hier auch Zwitschern). Bei Heraus- nehmen durch den Pfleger: schrilles Zwitschern, das ın Kläffen übergeht. Beim Jungtier ist der Bettellaut (Zwitschern) anscheinend noch nicht vom Stimmfühlungs- laut (Kläffen) differenziert; beide Laute werden oft in ganz gleichartigen Sıtua- tionen, oft auch ohne ersichtlichen Anlaß verwendet. 32 I. Poglayen-N euwall Beim tagalten Säugling funktioniert der Greifschwanz rein reflektorisch (Abb. 15). Der Schwanz verliert um den 10. Tag auch seine reflektorische Wirkung. Erst Wochen später, mit den ersten Ausflügen des Jungen in die Umgebung des Nestes reift allmäh- lich die Greiffähigkeit des Schwanzes und dieser wird zu dem wichtigen „Wickel- schwanz“, der „zielbewußt“ und situationsgerecht benützt wird. Jedesmal, wenn Chico aus der Nestkiste entfernt wird und in der Hand des Pflegers schreit, zirpt Lola in höchster Erregung; ebenso, wenn der Nestling zurück- gesetzt wird. Am 8. Lebenstag sind seine Bewegungen noch vollkommen unkoordi- niert. Er kriecht nur wenige cm (10 cm Aktionsradius), rollt um seine Längsachse und zeigt die Tendenz im Kreise zu kriechen. Die Fortbewegung im Kreis hat sicherlich ihre biologische Bedeutung, indem sie den Säugling an das Nest und die mütterliche Nahrungsquelle fesselt und dadurch Unterkühlung und Absturz verhindert. Beim Kriechen schleift der Bauch noch auf der Unterlage, die Extremitäten werden stark auswärts gesetzt. Das blinde Junge kriecht, wie auch ganz junge Eich- hörnchen, nicht über Tisch- kanten hinaus; ganz ım Gegensatz zu Hamster- säuglingen, die keine Scheu zeigen darüber hin- auszulaufen (EıIBL-EiBEs- Ban NDS. Im sloneen! unterirdischen Höhlen be- steht ja für die Hamster- jungen keine Absturz- gefahr. Nach einer längeren Störung packt die auf’s höchste erregte Lola das ER u lokomotorisch noch it d Zäh stark behinderten Nestlings (Chico 33 Tage). Die Extremitäten IM a: in a sind noch stark abgespreizt. Abb. 19 (unten). Der 23 Tage alte ee En BraSt Nestling (Chico), dessen Augen sich gerade zu öffnen beginnen, es ın den Käfig hin- kriecht noch ausschließlich mit auf dem Boden schleifendem unter!*. Ruhelos sucht sie Abdomen nach einem besseren Nest- platz, dauernd mit dem Jungen ım Maul, und kehrt schließlich nach 5 Minuten in die alte Nestkiste zurück. 15 Minuten später wird Chico auf dieselbe Weise wieder hin- untertransportiert und diesmal für eine ganze Stunde herumgetragen. Der Nestling strampelt manchmal mit den Beinchen ganz energisch und zwitschert auch hie und da. Wir können also gewiß von einer Tragstarre und kaum von einer Tragrz»he (L. Koenig 1960) sprechen. Am 15. Tag hat der Aktionskreis Chico’s bereits einen Durchmesser von über 30 cm. Vom 18. Tag an nimmt Chico die typische Schlafstellung ein, seitlich eng gerollt, mit dem Kopf zwischen den Händen und dem Schwanz nach vorn zum Kopf umgeschlagen. Am 19. Tag!? beginnen sich die Augen von proximal zu öffnen (Abb. 16). Beim 25 Tage alten Tier sind sie zur Hälfte in Längsrichtung und kaum !/s3 in vertikaler Richtung offen. Im Alter von 1 Monat kriecht Chico schon emsig in der Schlafkiste herum; seine Lokomotion ist noch immer sehr unsicher; er schleift den Bauch auf der 14 SkurcH (1960) beschreibt eine Begegnung mit einem Wickelbärelter, das sein Junges mit dem Mund „am Hals“ durch das Gezweig trägt (“she held her baby with its neck in her mouth“). 15 Herrer (1932) gibt den 10. Tag als Beginn des Augenöffnens an. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 33 Unterlage, und versucht er einmal, sich beim „Gehen“ mit den Beinen abzustemmen, so fällt er unweigerlich um (Abb. 18). Mit dem Öffnen der Augen nımmt das Jungtier auch mehr Anal an der Umwelt; am 33. Tag erhebt es sich auf seine Beinchen, stemmt sich mit den Händen gegen die perforierte Schiebetür der Nestkiste und blickt lange Zeit durch eines der Löcher auf den Beobachter. Als das Jungtier 6 Wochen alt ist, beginnt die Mutter es allabendlich für wenige Minuten aus der Nestkiste in den Käfig zu tragen. Mit der Zeit werden diese Bl sionen auf einen Zeitraum von durchschnittlich einer halben Stunde ausgedehnt. Es können zwischen 20.30 h und 24 h mehrere „Ausflüge“ von Mutter und Kind statt- haben. Lola trägt Chico aus der Nestkiste herunter, setzt ihn am Käfigboden ab und pflegt ihn, spielt mit ihm oder läßt ıhn allein und begibt sich auf ein 25 cm über dem Boden befindliches Ruhebrett zu einem kurzen Schläfchen. Mit dem raschen Heran- wachsen des Jungen und seinem zunehmenden Widerstand gegen das Getragenwerden, ändert die Mutter die Tragart so ab, daß neben dem Mund noch ein Arm mithilft, der das Junge umschlingt und gegen ihren Bauch preßt; oft schlingt auch das Kind beim Transport seine Arme um Abdomen oder Hals der Mutter. Die Pflegehandlungen der Mutter umfassen diffuses Lecken über alle Körperteile des Kindes und dessen Entleerung; dazu wird für 1-2 Minuten am Penis gesaugt, die Fäzes werden direkt vom Anus „saugpumpend“ entnommen und verzehrt. Mit 43 Tagen geht Chico bereits mit von der Unterlage abgehobenem Körper; er wird dabei aber rasch müde und kriecht dann auf dem Bauch weiter. Mit den Zähnen untersucht er das Käfiggitter und die Wasserschale. Letztere stößt er spielend mit Kopf und Pfoten durch den Käfig. Ansonsten wird gerne über die ruhende Mutter geklettert, ihr das Fell gezaust und in dieses hineingebissen. Lola säugt nun auch häufig im Käfig, ohne sich vom Beobachter stören zu lassen. So sehr er sich auch bemüht, kann Chico doch noch nicht am Gitter hochklettern. Geschälte Bananen, die in die Nestkiste gelegt werden, werden vom Jungen, trotz dem Beispiel der Mutter, die sich sofort über diese hermacht, noch nicht beachtet. Um diese Zeit ist Lola nicht mehr stark erregt, wenn wir uns mit dem Jungen beschäftigen; auch wenn dieses ruft, antwortet sie nur mehr beschwichtigend zirpend, ohne gleich dem Jungen zu Hilfe zu eilen. Am 46. Tag gelingt es Chico endlich, etwa 30 cm am Gitter hochzuklettern und das Ruhebrett zu erreichen. Ein Sturz vom Brett wird anfangs durch den sich ins Gitter einschlagenden Greifschwanz verhindert, dieser allein ist jedoch noch nicht wirksam genug um ein Abgleiten vom Brett zu verhindern. Tags darauf versucht Chico erstmals allein die Nestkiste zu verlassen. Seine Versuche durch die Öffnung den Abstieg in den Käfıg zu meistern, bleiben erfolglos. Auf diesen Tag fallen auch seine ersten Hoppelversuche. Es wird auch schon vorwiegend mit abgehobenem Körper gegangen! In fremder Umgebung (Unsicherheit) flacht sich das Tier ganz ab und liegt mit weg- gespreizten Extremitäten auf dem Bauch. Am 50. Tag klettert Chico etwa 50 cm am Gitter hoch, „getraut“ sich weder hinauf noch hinunter, angstzwitschert und wird von der zirpenden Mutter geholt und wieder auf dem Käfıgboden abgesetzt. Zwei Tage darauf erklettert er den Käfig in seiner ganzen Höhe (1 m) und klettert auch alleın in die Nestkiste. Der Wickelschwanz wird nun schon — in Zusammenarbeit mit den Beinen — zur Befestigung benützt. Von der 7. Woche an verbringt Lola immer längere Zeiträume im Käfig schlafend, vermutlich um nicht ständig von ihrem Kind bedrängt zu werden. Nahrung wurde von Lola niemals in das Nest eingebracht. Wir legen nun Chico jeden Abend Bananen- und Apfelstückchen vor, die aber noch durchwegs unbeachtet bleiben. Als wir am 54. Tag wieder eine Banane in die Nestkiste legen, beriecht Chico 16 Auch junge Marder beginnen um diese Zeit mit abgehobenem Bauch zu laufen (HERrTER 1954). I. Poglayen-N euwall Tabelle 1 Futterliste der Jungtiere (100 Tage) Mit der Aufnahme größerer Mengen fester Nahrung wurden die Milchrationen gekürzt. Milch in cc Feste Nahrung in Gramm Mono | Pepe | Chico Mono | Pepe 70 = > 58 = = 96 = = 96 — == SO 32 == Te 75,64 _ _ = 78 80 = = — 82 48 2 = — N = = — 80 722 5 u = = 83 128 == Er = ee = = = 127 70 = Banane (3) — Banane (4) lö, 73 > Banane (4) — Banane (40) 120 80 ge Banane (8) Banane (10) Banane (35) 120 88 5 Banane (15) 2 Traubenbeeren, Banane (21.3) Banane (40) DZ, Banane (36) 4 Traubenbeeren, Banane (42.6) Banane (36) 110 48 Banane (35) Apfel (7), Banane (71) Banane (45) 128 78 Banane (57) Apfel (7.1), geschabte Karotte (7) Banane (42) Banane (56.8) 1 70 . Banane (46) 2 Traubenbeeren, Banane (60) Banane (48), Apfel (7) 105 71 !/g Scheibe Brot, Apfel (14) Apfel (10), 4 Traubenbeeren Banane (60), !/2 Scheibe Brot Banane (77.2) Banane (70) Apfel (25), 1 Kirsche DD OR 70% Geschabte Karotte (8), 3 Traubenbeeren, Banane (242) 6 Traubenbeeren, Apfel (10) 3 Traubenbeeren, Apfel (30), Banane (90) Banane (35) 64* 70% 70* 1 Ei, Apfel (40), Banane (80) Apfel (20), Banane (260) Geschabte Karotte (10), 1/9 Scheibe Brot, 2 Traubenbeeren, Banane (110) 96. Tag Wasser 104. Tag 82. Tag — Fleisch IDaslae LS), layer Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 35 diese intensiv, stößt sie mıt der Nase, beißt hinein... nun leckt er immer öfter darüber und bekommt auch kleinste Partikel in seinen Mund. Zusehens bekommt die Banane Futtertönung und ist nicht mehr bloßes „Spielzeug“. Am folgenden Tag wird Banane sofort als Futter angesprochen, und von da an wird in steigendem Grade feste Nah rung der Muttermilch vorgezogen. 57 Tage alt, probiert Chico erstmals aus der Schale Milch zu trinken; dabei muß er öfter nießen, weil ihm die Flüssigkeit in die Nase dringt. Mit 2 Monaten klettert Chico das erstemal aus der Nestkiste. Das Junge wird nun rasch selbständiger, und Lola hat Mühe es in der Nestkiste zu halten, oder aus dem Käfig in diese zurückzubringen. Innert 21/2 Stunden zerrt es die Mutter achtmal in den Käfig hinunter und achtmal klettert es wieder in die Nestkiste hinauf. Einen Tag darauf wiederholt sich der Vorgang in umgekehrter Folge: Lola schleppt den sich heftig sträubenden Chico zweimal ın die Nestkiste, bis er beim drittenmal endlich, aufgeregt zwitschernd, oben bleibt. Der Aktivitätszyklus Chico’s gleicht sich allmählich immer mehr dem der Mutter an. Es wird nicht mehr der ganze Tag und der größte Teil der Nacht durchschlafen, sondern am Morgen eine Stunde und am Abend von 20 h bis 1 h (unterbrochen durch kurze Schlafpausen) im Käfig herumgeklettert. Chico nimmt nun regelmäßig an den abendlichen Obstmahlzeiten teil. Lola säugt ihr Kind noch mehrmals täglich, abends oft frei im Käfig. Häufig liegt sie auf dem Bauch, Chico über ihr, nahe ihrem Hinterende, mit seiner Körperachse in annähernd rechtem Winkel zu der der Mutter. Den Kopf hält er beim Saugen unter dem Abdomen der Mutter. Manchmal liegt Lola auch auf dem Rücken und frißt, während Chico an ihr saugt. Mit 11 Wochen ist das Junge noch immer nicht im Stande, aus einer Schale zu trinken. Das Junge klettert nun schon bedeutend sicherer, doch bezweifeln wir, daß es in freier Wildbahn der Mutter schon auf weitere Entfernung zum Futterbaum folgen würde. Das Alter der Jungtiere, die von Herrn Tsarırıs (mündlich) und uns gesehen wurden, schätzen wir auf mindestens 31/2 Monate. Am Ende des 3. Monats wird Lola in das Außengehege zu den anderen Wickel- bären gesetzt, und wir beginnen uns nun intensiver mit dem Jungtier zu beschäftigen. Chico schaltet sofort ganz auf feste Nahrung um und trinkt zusätzlich nur wenig Milch aus dem Schälchen. Täglich wird Chico am Morgen und am Abend für eine Stunde aus dem Käfig herausgelassen. Die ersten Male drohfaucht er, aber dann zeigt er bald keine Scheu mehr und spielt mit uns und oft auch mit 2 jungen Grau- füchsen, die wir im Haus halten. Innerhalb weniger Tage beobachten wir die Ent- faltung seines Markierungsverhaltens; er setzt bevorzugt am Türknopf und Telephon- hörer seine Duftmarken. Chico hoppelt bereits vorzüglich und zeigt gelegentlich An- sätze zum Springen. Der Schwanz hat schon weitgehend seine Greiffähigkeit erlangt. Als Chico eine Woche nach der Trennung von der Mutter an das Wickelbärgehege gebracht wird, erkennt ihn Lola bereits aus 4 m Entfernung und drängt sich, aufgeregt zirpend, an das Käfiggitter. Nach weiteren 3 Wochen ist ihr Begrüßungszirpen recht intensitätsschwach. C. Jugendentwicklung Es wurde zwangsläufig im vorhergehenden Kapitel einiges über die Jugendentwicklung vorweggenommen; in der Folge soll, vergleichend zwischen einem isoliert aufgezogenen Wickelbären (Kaspar Hauser) und den anderen Tieren, die körperliche Entwicklung und das Reifen des Instinktverhaltens besprochen werden. „Mono“ wurde am 13. Februar 1959 um 11.30 Uhr geboren und 2!/s Stunden später seiner Mutter (Lola) fortgenommen und, in völliger Isolation von Artgenossen, aufgezogen. 36 I. Poglayen-N euwall Das Junge wurde in eine Pappschachtel mit den Maßen 32 cm X 20 cm X 18 cm gelegt. Der Schachtelboden war mit einer 3 cm dicken Watteschicht ausgelegt, über der sich ein Flanell- deckchen befand. Neben dem Nestling wurde ein Stück eines alten Pelzmuffs gebreitet. Unter der Schachtel war ein elektrisches Heizkissen (mit schwacher Einstellung) angebracht. Eine 75- Watt-Lampe hing 40 cm über der Schachtel und brannte die ersten 10 Tage 24 Stunden, die folgenden 10 Tage nur während der Nacht. Die Raumtemperatur betrug 22-24° C; neben dem Nestling wurden 28-300 gemessen. Am 7. Tag wurde das Tier in eine fast doppelt so große Schachtel umgesetzt und im Alter von 4 Wochen in ein offenes, gepolstertes Nestkistchen, am Fußboden (in der Nähe der Zentralheizung) untergebracht. Die Temperatur im Kästchen be- trug um 220 C. Gewichte der Neugeborenen (in Gramm) Chico: 191,4 g Mono: 184,3 g totes 9: 168,5 g Nina: 148,7 g Maße der Neugeborenen (in Millimeter) Chico Mono totes Q Nina Kopflänge: 53 mm 54 mm 58 mm 51,5 mm Kopfhöhe: 48 mm 38 mm 27 mm 32 mm Ohr: 14 mm 14 mm 15 mm 14 mm Körperlänge: _ 124 mm 114 mm 150 mm 118 mm Schwanz: 130 mm 139 mm 139 mm 127 mm Das Haar des Säuglings ist silbergrau mıt dunkelgrau gefärbten Spitzen. Die Ven- tralseite erscheint wegen der spärlichen und kurzen, hellgrauen Behaarung nahezu nackt. Zähne Ehico:- = 2 Mono: I ?/a tores Det ee Nina: ee Canıinen und Inzisiven des Milchgebisses sind ungefurcht. Die Caninen des Dauer- gebisses sind labial tief gefurcht; die Inzisiven besitzen frontal zwei seichte Rinnen. Die Augen sind bei Geburt geschlossen und beginnen sich bei Mono am 18. Tag und bei Chico am 19. Tag zu öffnen (Abb. 17). Die Ohren sind leicht nach vorn geklappt und wenig, bei Nina stark abstehend. Der äußere Gehörgang ist bei Mono und dem toten Jungen geschlossen; er öffnet sich am 16. Tag. Finger und Krallen sind gut entwickelt. Der Schwanz ist in seiner distalen Hälfte stark (reflektorisch) eingerollt. Dem Nestling wurde aus einem 30 cc Flüssigkeit fassenden Puppensaugfläschchen folgende Mischung gefüttert: 60 cc abgekochtes Leitungswasser, 60 cc ungesüßte, kondensierte Milch, zwei Tropfen Lebertran, t/2 Eidotter, !/2 Kaffeelöffel Rübensyrup!”. 11/a Stunden nach der Geburt vernehmen wir die ersten Lautäußerungen Mono’s. Er zwitschert unterdrückt, dann laut und anhaltend. Das Kläffen als Kontaktruf (?) wird vom 3. Tag an (Chico: 1. Tag) gehört und verstummt sobald das Junge ergriffen wird. Besonders im frühen Säuglingsalter scheint der Nestling Erschütterungen sehr fein wahrzunehmen; solche Störungen beantwortet er mit Zischen oder Zwitschern. Mit 32 Tagen drohfaucht Chico erstmals gegen den Pfleger. 41 Tage alt reagiert Chico visuell recht gut; er folgt meiner bewegten Hand mit Kopfdrehung. Beim fünftägigen Mono sind Kratzbewegungen des Hinterbeines im Leerlauf an- gedeutet (Chico: 9. Tag). Am 10. Tag kratzt er schon „gezielt“ die Kopfseiten (Chico 17 Gefüttert wurde in den ersten 10 Tagen alle drei Stunden, vom 10.-30. Tag alle drei Stun- den (von 6-21 h), vom 30.-60. Tage alle vier Stunden (von 7-19 h), vom 60.-90. Tag dreimal täglich. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 37 Tabelle 2 kratzt am 14. Tag zuerst in’s Leere, dann Kseidhte einige Male gezielt Kopfseiten und Bauch). 1 Monat alt, kratzt Mono mit dem Fuß alle erreichbaren Körperpartien im Liegen ve | a | Zr | Fe (Chico: 33. Tag). Im Alter von 39 Tagen 1. ° 1843g. 19148. ? kratzt Mono mit dem Fuß sitzend, Arm und A ? Seite, wobei er sich noch mit der Hand am 2; er a S Käfiggitter anhält. Im Laufe der folgenden B 378.8 3615 > Woche wird mit dem Fuß, in sitzender Posi- tion, mit zunehmender Sicherheit gekratzt. 190 a0 A536 ? Am 45. Tag (Chico: 43. Tag) wird erstmals 26. 425.3 567.0 ? versucht, mit den Händen zu kratzen; dies 33. 496.1 a 5 es geschieht in der Rückenlage. Mono kratzt in er En 3 mit einer Hand, dann mit beiden, unkoordi- sn Pen 280 GO niert die Bauchregion; dabei wird oft in’s O1008001957.963.9. 276804 Leere gekratzt. Darauf versucht er mit dem Fuß die Sternalregion zu kratzen, was aber 795658 1111938 878.9 im Liegen nicht gelingt. Wenig später ver- 8950221063.17 15514 886.0 or en ae om sucht Mono, zuerst auf der Seite, dann auf osslo 1566 3..1155 53 dem Rücken liegend, mit den Händen den ee 147428 2 1153726,....1289:9 Oberschenkel zu kratzen. Dies findet unbe- 145. 17152 1601.8 1424.6 holfen, mit beiden Händen gleichzeitig statt. 27 Br a a | Zwischen dem 50. und 60. Tag ist das Krat- 187. 1918.4 20129 17577 zen mit Hilfe des Fußes bei Mono und Chico 219703 22113) 2118002 voll gereifl. Am 50. Tag (Chico: 53. Tag) kratzt Mono bereits geschickt, mit den Hän- 231. 2062.5 2326.2 1998.7 den alternierend, im Liegen. Mit 70 Tagen a 072 (Chico: 80. Tag) kratzt Mono mit den Hän- 217023247 724098272310.5 d "Ss 1] en ale 321. 2579 9 2416.9 2485.9 en, ın »1tZste NS, en nterschnenke es 351. 2551.5 2459.2 26791 weggestreckten Beines. Am 75. Tag beob- 580 005515772499.3: 7 2728°7. achten wir, wie Mono das Fell der Hand 11022.664.9. 256055, 7°2777.8.3 durchkaut“. 5 Wale et Schon am 1. Tag wird ein Ansatz zum 650. 3161.0 2863 4 Gähnen beobachtet (Chico: 11. Tag). Das Mäulchen wird weit aufgerissen, aber die Wägungen von elf Zootieren (über 1!/» Zunge noch nicht herausgestreckt. Erst am Jahre) beider Geschlechter ergaben 26. Tag wird mit gleichzeitigem Heraus- Extreme von 2254 bis 3549 Gramm strecken der Zunge gegähnt. Die Lokomotion des zwei Tage alten Mono besteht aus Kriechen in einem Kreis von ungefähr 20 cm Durchmesser (Chico: 10 cm am 8. Tag, 30 cm am 15. Tag). 5 Tage alt, versucht Mono über den niedrigen Rand der Schachtel zu klettern. Anı 14. Tag kriecht Mono bis zu 80 cm weit, wobei er allerdings noch mit dem Bauch auf der Unterlage schleift (Pepe: 38. Tag). Mit 28 Tagen geht Mono bereits für kurze Strecken mit abgehobenem Bauch (Chico: 41. Tag, Pepe: 47. Tag). Der 47tägıge Mono klettert mit Einsatz der Krallen auf die Sofalehne (Chico klettert am 43. Tag 30 cm, am 47. Tag 50 cm, am 54. Tag 1 m am Käfiggitter hoch, kann jedoch noch nicht alleın wieder herunterklettern). 51 Tage alt, bewegen sich Mono und Chico bereits über- wiegend, wenn auch noch unsicher, mit vom Boden abgehobenem Abdomen (Pepe: 59. Tag). Im Alter von 63 Tagen hoppelt Mono noch recht tollpatschig (Chico macht erste Hoppelversuche am 52. Tag). Mit 70 Tagen klettern alle Tiere sicher das Kähg- gitter hinauf und hinunter. Am 70. Tag hoppelt Mono behende (Pepe: 65. Tag, Chico: 38 I. Poglayen-Neuwall Tabelle 3 Zahnentwicklung erse O = O5 E IB =09 S E er Au = BR: oo = 8 44H) ee 2» »2& 02 09 09 mean N Do om m non NS) nl nl oo vı [8,1 (©) NS) NS) DD DR U BERENE® oI =N & > o u no ‚ou | au mu | | DoN NS Sy | NO ro NO en) SS = "I ww Be) NSO | = | Neo ON = Os ed | | | 20809 88 IR Sr ige) (@) | (8) S reNDOo > OO T, oX®) I 8 DON DO» | oo 3 OON I va u. | Sa ON No oe | | — m u | 2.7 2 0 ls NW = | ER Se | = =) 3 DON DO» ONMND N In u | | | | | | 3 SON 2 Dosen], > 3, B rm z Mm [= ren mean Dw- ne N NO = [0 0 09) m oO oO NI F ro -; ro = ee ee a je nun In ae WWO ‚de N — ID Qı 01 IV ze Se Ro x . . . ww 2 N NS rear ao oO u a ON ON ON = ID) BD) NO = 6) = om Be Se Sr m S s : SEHE = DON NSE SS) wa 0a DW m [@) N AN OU @) ON“ m u R u a DON NDNDV SUSK®) DrOoO | (55) | DW NONO EIN®Oo Ir @) | el. oOo> Q | SW) a SU Ss | oo - VSIOIOSEIES [E wa ONDO IS NIS) | oO Q, [eWe) O | | DD — m | | oo- 3 won | 7 Van a ONW 2 HB SI00 | NO = no * ID | Br Ren ı| DO — N oo u S | | | 3 | | | 3 m — im EN Ze) | 2 = | DM DM | SS ale le) DD WON > ON [9 3 103. Tag). Mit 85 Tagen be- ginnt Mono zu laufen (Pepe mit 65, Chico mit 90 Tagen). die ersten Peilbewegungen zum Sprung beobachten wir bei Mono am 75. Tag (Chico: 103. Tag), den ersten Sprung am 81. Tag (Pepe: 94. Tag). Einen Tag alt kann Mono den Wickelschwanz, bis auf das distale Viertel, aktiv ausstrecken. Am 34. Tag be- ginnt Mono den Schwanz zur Befestigung zu benützen (Chico benützt diesen nicht vor dem 45. Tag). Mit 14 Tagen kann Mono bereits mit dem Schwanz, unter Mit- hilfe der Füße, von einem Ast hängen (Chico: 72. Tag; Pepe hängt mit 72 Tagen mit dem Schwanz allein von meinem Arm). Als Mono 14 Tage alt ist, fällt uns erstmals auf, wie dieser an seinem Penis lutscht. Diese Gewohnheit behält das Tier für die näch- sten 1!/2 Jahre bei. K. M. SCHNEIDER (1950) berichtet ausführlich über das trieb- hafte Saugen am falschen Gegenstand, gewissermaßen als „Leerlauf“. Das Lutschen kann an den eigenen Hän- den, gegenseitig an Nasen und Ohren, beim Männchen oft an seinem Geschlechtsteil stattfinden. Nach SCHNEIDER (loc. cıt.) kann sich diese An- gewohnheit während mehre- rer Jahre erhalten, und tritt meist bei zu früh abgesetzten Tieren auf. Wir haben solche Verhal- tensweisen bei Gabelantilopen (Antilocapra americana) im Säuglingsalter gesehen, die, mit der Flasche aufgezogen und in einem engen Raum gehalten, gegenseitig an ihren Ohren saugten, bis diese eitrig wurden und schließlich die Spitzen ab- trockneten. Ein weibliches Jung- Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 39 Tabelle 4 Übersicht des Reifens des Verhaltens m 2 Ta TR 1 PER FREE NER 7 | Erste Beobachtung Erste Beobachtung Verhaltensweisen oe Verhaltensweisen Ken, unvoll- unvoll- | ständig ausgereift | ständig | ausgereift Fortbewegung Körperpflege Gehen 2 50 Sichkratzen Hoppeln 52 65 mit Fuß 5 50—60 Klettern 5 70 mit Hand 43 60—70 Laufen 65 705 Sichbelecken — ? Springen 75 81—100 Fellkauen — 57 Wickelschwanz 34 90—105 Niesen — 14 None Sichstrecken 57 65 ; Gähnen 1 26 Trinken 57 82 Fressen fester Kost 54 70 Harnen und Koten Festhalten des Futters ausgelöst durch Saug- mit den Pfoten — 90—120 pumpen v. d. Mutter — 1 en : ; — 60 selbständig 2 91 Schieflegen d. Kopfes beim Fressen — 70—80 a t Duflmarkieren = 92 Be I e Lautäußerungen Paarungsverhalten £ Zwitschern — 1 Aufreiten Klaren sa 1 Stimulations- 450900 Schrilles Zwitschern u. bewegungen Pfeifen 1 Drüsensekretlecken wird nur von ge- Banıchen ar 32 schlechtsreifen en oh N Tieren ausgeführt | R el Feindverhalten rutpflege nstıinkthandlun- Rauchen Ku 32 gen der Brutpflege Zischen (Säugen, Putzen, er ! spät beobachtet Saugpumpen, Kreischen | wegen Fehlens Jungentransport, Drohstellung Aa ater Aus- Brutverteidigung) Flüchten J ee a lösesituationen. treten nur beim säugenden Q auf. * Kaspar-Hauser (Mono): Harnen und Koten des Säuglings wurde durch Genitalmas- sage ausgelöst. Pepe (mit 37 Tagen von der Mutter entfernt) löste sich ohne Hilfe von uns. tier Jutschte am Penis eines bestimmten männlichen Jungtieres!®. Gleichfalls beobachteten wir an einem kaum entwöhnten Seelöwen &, das dem Zoo übergeben worden war, wie dieses sechs Wochen später, als ein halb erwachsenes 5 zugesetzt wurde, an dessen Penis zu saugen begann und diese Gewohnheit während nahezu eines Jahres beibehielt. Löwenbabys, die bei uns ım Haus aufgezogen wurden, Jutschten gegenseitig an ihren Ohren, bis diese nahezu kahl waren. Zwei Tage alte Nasenbären (Nasua) mußten getrennt aufgezogen werden, da der eine dauernd am Bein des anderen saugte. Unser zahmer, 5Y2 Monate alter, der Flasche entwöhnter Puma schnurrt „zufrieden“, wenn er an meinem Finger saugen darf. Die Folgebindung zum Pfleger erlosch bei Mico und Mono mit 11, bei Pepe mit 10 und bei Chico mit 12 Monaten. Eine soziale Beißhemmung (kontrolliertes Beißspiel) reifte bei Mono im Alter von 8, bei Chico zwischen 6 und 7 und bei Mico zwischen 7 und 8 Monaten. 183 Eine Gruppe von neun ungefähr gleichaltrigen Jungtieren (drei & Ö, sechs PP) wurde zu jener Zeit frei im Gehege gehalten. 40 I. Poglayen-Neuwall Im Alter von 10-12 Wochen beginnt das Tier sich von grau zu rötlich-braun, ven- tral von weißlich-grau zu kremfarben bis orange umzufärben. Mit 12-14 Monaten ist die Umfärbung vollendet. Das Scrotum wächst erst in einer späten Phase der körperlichen Entwicklung rasch heran; die Hoden sind beim 15-16 Monate alten Tier voll entwickelt. Mit etwa 16 Monaten sind die männlichen Tiere geschlechtsreif. Die Mandibulardrüsen sind bereits beim Nestling angedeutet; sie erreichen ihre maximale Ausbildung erst beim 16-18 Monate alten Individuum. Die Kehldrüse wird erst beim halbjährigen Tier sichtbar, und ihre Entwicklung ist etwa zur selben Zeit wie die der Mandibulardrüsen abgeschlossen. Das Bauchdrüsenfeld ist noch beim einjährigen Tier nicht erkennbar und beginnt erst nach 1!/g Jahren deutlich zu sezernieren. Inter- essant ist die Tatsache, daß das Jungtier bereits lange vor einer erkennbaren Sezer- nierung der Drüsenorgane markiert. Dies weist entweder auf ein schnelleres Reifen des Instinktverhaltens, als das der morphologischen Struktur, oder aber auf eine sehr früh beginnende Funktionstüchtigkeit der Organe hın. Zusammenfassung Ziel dieser Arbeit war es, ein möglichst vollständiges Ethogramm dieser Art zu bringen; be- sonders sollte auch über die wenig bekannte Jugendentwicklung berichtet werden. Vom Jahre 1956 an wurden bis zu sechs Wickelbären (4 dd, 2 22) im Rio Grande Zoo beobachtet. Ergänzend zu diesen Untersuchungen wurden Beobachtungen aus dem Freileben der Tiere ver- wertet. Im Rio Grande Zoo wurden von 1957 bis 1960 ein weibliches, ein Junges unbestimmten Ge- schlechtes und drei männliche Einzeljunge geboren. Die beiden ersterwähnten Würfe gingen zugrunde. Ein Junges wurde bis zum Alter von fünf Wochen, eines bis fast zur Entwöhnung (drei Monate) von der Mutter und eines isoliert mit der Flasche aufgezogen. Das Junge kommt wohlentwickelt, aber mit geschlossenen Augen auf die Welt. Der Gehör- gang kann offen oder geschlossen sein. Es besitzt weder den für so viele Säugerjunge charakte- ristischen „Milchtritt“, noch eine, speziell von Nagern bekannte, „Spaltenappetenz“. Der an- fänglich stark eingerollte Wickelschwanz wirkt in den ersten Tagen reflektorisch als Greiforgan, gewinnt aber die volle, kontrollierte Greiffähigkeit erst in einem langsamen Reifungsprozeß gegen Mitte des vierten Monats. Die Orientierung des Nestlings geschieht durch Wahrnehmung von Wärmereizen, Erschütte- rungen und olfaktorisch; erst mit 16 Tagen werden akustische, mit einem Monat optische Reize erkennbar beachtet. Die Lokomotion des Jungtieres vollzieht sich in den ersten Wochen sehr unkoordiniert, kriechend wobei das Abdomen noch nicht oder nur für kurze Zeit von der Unterlage abgehoben wird. Erst im Alter von zwei Monaten reift das Hoppeln, mit zehn Wochen das Laufen und Klettern und mit dreieinhalb Monaten das Springen. Nach der sechsten Woche beginnt das Muttertier das Junge allabendlich für immer längere Zeiträume aus der Nestkiste in den Käfig zu transportieren. Das Junge wird von der Mutter behutsam mit den Zähnen an der Kehle gepackt und immer auf diese Art getragen. Später wird das schwere, sich sträubende Jungtier zusätzlich mit einem Arm von der Mutter um- schlungen und an deren Ventralseite gedrückt. Gegen Ende des dritten Monats wird das Jungtier immer unabhängiger, folgt in freier Wildbahn der Mutter aber erst nach dem dritten Monat zum Futterbaum. Wann die Mutter endgültig mit dem Stillen aufhört, konnte nicht festgestellt werden, doch dürfte dies um den vierten Monat der Fall sein. Eine gewisse Mutter-Kind-Bindung besteht noch zumindest bis zum Alter von sechs Monaten. Mit etwa acht Wochen wird feste Beikost versucht und mit zehn bis zwölf Wochen jede be- kömmliche Nahrung verzehrt. Diese setzt sich in erster Linie aus Früchten und anderen Vege- tabilien, sowie aus Vogeleiern zusammen. Je nach der individuellen Geschmacksrichtung können auch Vögel und Käfer als Zukost genommen werden. Gehaltene Tiere sind durchwegs stark an Fisch, etwas weniger an Fleisch interessiert. Kleinsäuger und Reptilien werden verschmäht. Wir unterscheiden sieben verschiedene Lautäußerungen 1. Zwitschern Infantiler Unlust- und Bettellaut; mit starker Intensität schrill, in Pfeifton ausklingend, zeigt es auch beim adulten Tier „Unlust“ an. Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 41 2. Kläffen Bettellaut und Kontaktruf. 3. Schnaufton Meist als Einleitung der Kläffstrophe gebraucht. 4. Zirpen Beschwichtigungslaut in der Mutter-Kind-Beziehung. Begrüßungslaut; vielleicht auch Laut mit Demutstönung. 5. Fauchen Schreckreaktion und Drohbedeutung. 6. Zischen Ausdruck starker Erregung („Wut“). 7. Kreischen Zeichen höchster Erregung, gekoppelt mit Angriff, oft dem Biß unmittelbar vorhergehend. Der Wickelbär schläft seitlich oder vertikal eingerollt, bei hohen Temperaturen ausge- streckt. Nach dem Erwachen gähnt er, streckt den Rücken kreuzhohl (kein Katzenbuckeln) und kratzt die verschiedenen Körperareale geschickt mit dem Fuß, oder mit den Händen rasch und alternierend. Eine soziale Körperpflege beschränkt sich allein auf das Mutter-Kind-Verhältnis. In freier Wildbahn leben Wickelbären solitär oder in kleinen Verbänden, innerhalb derer nur ein lockerer Zusammenhang besteht. Zur Zeit der Hitze des Q finden die Geschlechter (vielleicht auch mit Hilfe der Hautdrüsenorgane) zusammen und sondern sich vom Verband ab. Das trächtige @ verläßt oder verjagt noch vor dem Wurf das 3 und zieht das Junge allein auf. Die Drüsenausstatung (Mandibulardrüsen, Kehldrüse, Bauchorgan) wird bereits beim halbwüchsigen, männlichen Tier zur Markierung (Orientierung, Kollektivterritorium), bei geschlechtsreifen Tieren auch zur sexuellen Stimulation des d benützt (dieses leckt, einleitend zur Paarung, Sekret, das es aus den Drüsen des @ herausgepreßt hat, auf). Leider konnte kein weibliches Jungtier aufgezogen werden, so daß die Frage einer möglichen Markierung durch das 9, ähnlich der beim & beobachteten, nicht geklärt werden konnte. Einleitend zum, bzw. während des Deckaktes, macht das & mit einem besonders differen- zierten, proximalen Carpalsesambein Stimulationsbewegungen an den Flanken des 9. Wickelbären besitzen einen individuellen Wohnbereich (jedes Tier hat seinen eigenen Schlafplatz, meist in einem hohlen Baum) und einen sozialen Futterbereich (mehrere Tiere können auf dem selben fruchttragenden Baum zusammentreffen). Die Tiere sind nachtaktiv und dürften sich an gewohnte Wege halten. Besonders aktıv sind die Wickelbären von Einbruch der Dunkelheit bis kurz nach Mitternacht; danach werden ein oder mehrere Schlafpausen eingelegt. In Gefangenschaft kann am frühen Morgen eine letzte, kurze Aktivitätsperiode einsetzen. Weitere Beiträge, besonders über das Freileben von Wickelbären, sind dringend notwendig, um die noch bestehenden Lücken in unserem Wissen über diese Art zu füllen. Summary The purpose of this work is to establish as complete an ethogram as possible with special consideration to the development of the young about which little is known. Since 1956, sıx Kinkajous (4 & &, 2 22) have been under observation at the Rio Grande Zoo. In addition, observations made in the wild were used in this investigation. Between 1957 and 1960 one female, one young of undetermined sex and three males were born at this Zoo. The first two mentioned perished. One young was removed from the mother at five weeks, another (at 3 months) when it was nearly weaned, and the third was isolated shortly after birth and bottle-raised. At birth the young is well developed, but with the eyes closed. The external ear canals may be closed or open. It does not exhibit either the ”Milchtritt“ (treading of the udder), so characteristic of many mammals, or the ”Spaltenappetenz“ (attemps to burrow under the mother), known from rodents. The tail, which is strongly curled it birth, grasps reflexly within the first few days, but is not fully capable of purposive grasping until the end of a slow maturation process of 31/2 months. | | The orientation of the newborn takes place through its perception of thermal, vibratory, and olfactory stimuli; acoustical stimuli are noticed at 16 days and optical ones at I month. The locomotion of the nestling during the first weeks is accomplished by uncoordinated crawling in which the abdomen is dragged on the ground or elevated for only brief periods. At 2 months hopping is matured, followed at 10 weeks by running and climbing and at 31/2 months by j#mping. Each night after the sixth week, the mother transports the infant on increasingly longer 42 I. Poglayen-Neuwall excursions from the nestbox into the cage. Using her teeth the mother carefully grasps the young by the throat and always carries it in this manner; as the baby grows older and heavier the mother also circles it with one arm and presses the struggling youngster to her ventral side. Toward the end of the 3 rd month the infant is becoming more and more capable of indepen- dent locomotion, but before the age of 3 months it will not follow the mother to the forage tree. It could not be ascertained exactly when the mother weans her young, but it is thought to occur at about 4 months. A certain mother-child relationship persists at least until the age of 6 months. R At 8 wecks solid food is tried, and at 10-12 weeks anything palatable is consumed. Food is composed primarily of fruits and vegetables, and of bird eggs as well. According to the individual preferences, birds or beetles may be accepted. Captive specimens are much interested in fish and to a lesser degree in meat. Small mammals and reptiles are not eaten. We distinguish 7 different vocal expressions: 1. Twitter, Infantile sound of displeasure and for begging; at high intensity the sound being shrill and ending in a whistle, indicates displeasure and fear at the adult as well. 2. Barking, Begging and contact call. . Puffing, Mainly used as an introduction to the barking sound. 4. Chirping, Soothing sound in the maternal behaviour. Greeting sound; perhaps with sub- missive meaning. . Spitting, Fright and warning sound. Hissing, Expression of strong excitement (”rage“). 7. Screaming, Sign of highest excitation, associated with attack; often used immediately prior to biting. The Kinkajou sleeps curled laterally or vertically, or at high environmental temperatures, stretched out. After awakening it yawns, stretches the back by depression (not arching as in the felines), and skillfully scretches the various parts of its body, using either a single foot or both hands rapidly and alternately. Social body grooming is restricted to the mother-young relation. In the wild Kinkajous live alone or in small loosely associated groups. At the time of the oestrus, & and Q meet (aided perhaps by means of glandular secretion) and leave the group. The pregnant @ abandons or drives the & away before she litters and rears the young alone. The glandular apparatus (mandibular glands, throat gland, abdominal gland) is used by the half grown and adult & to mark objects in his environment (orientation, establishing a collective territory) and by the mature animals also as a means of sexual stimulation of the & who licks the secretion which he has squeezed from the Q glands. Unfortunately, because no @ young could be raised, it could not be ascertained whether or not the Q uses her glands for marking as does the d. Preliminary to and during the act of copulation, the & uses the proximal, carpal sesamoid structures that are peculiar to his sex to make stimulatory movements on the flanks of the 9. Kinkajous possess individual living areas (each animal has its own sleeping quarter, usually in a hollow tree) and a social feeding ground (several animals may gather at the same fruit- bearing tree). The animals are nocturnal and presumably travel along habitual routes. They are especially active from dusk until shortly past midnight, after which they pause for one or more naps. In captivity, these anımals may exhibit a last, brief period of activity in the early morning. Additional information about the animal’s behaviour in its natural habitat is needed to fill remaining gaps in our knowledge of this species. (99) N Resume Le but de cet ouvrage est d’etablir d’une facon aussi complete que possible un &thogramme sur le Kinkajou en insistant surtout sur le developpement des petits dont on connäit tres peu de choses. Depuis 1956 on a eu l’occasion d’en observer six (4 & 8, 2 22) au Zoo Rio Grande. En plus, dans cet article on se servira de faits observ&s chez les Kinkajous A l’etat sauvage. Entre 1957 et 1960 une femelle, un petit de sexe indeterming, et trois mäles sont nes dans ce zoo. Les deux premiers sont morts. Un des petits a et@ ot@ A sa mere A l’äge de cing semaines, un autre (A l’äge de trois mois) quand il &rait presque sevr&, et le troisieme a Et& isole tout de suite apres sa naissance et &lev& au biberon. A la naissance les petits sont bien developpes, ayant seulement les yeux fermes. Les canaux de Poreille externe sont ferm&s ou ouvertes. Ils ne s’exercent ni A fouler la mamelle ni a essayer de se fourrer sous la mere comme font les rongeurs. La queue, qui est en forme de rond & la naissance devient prenante instinctivement dans les premiers jours, mais elle ne saisit pas volon- Beiträge zu einem Ethogramm des Wickelbären 43 tairement avant la fin de la longue p£riode de maturation, periode qui dure presque quatre mois. : L’orientation du nouveau-n@ se produit par sa perception des incitations motrices de chaleur, de vibration, et de l’odorat. Les incitations de l’ouie se remarquent & l’äge de seize jours, et celles de la vision se remarquent vers l’äge d’un mois. La locomotion du petit pendant les premieres semaines consiste d’un mouvement trainant non coördine. Dans ce mouvement le ventre traine par terre ou se souleve pendant quelques instantes seulement. A deux mois le petit sait sautiller; a dix semaines, il court et il grimpe; et A trois mois et demi, il saute. E Chaque nuit apres la sixieme semaine la me£re transporte le petit et l’emmene ainsi faire des promendes qui deviennent de plus en plus longues, depuis le lit jusqu’ä la cage. En se servant de ses dents, la mere prend le petit par la gorge avec pr&caution. Elle le transporte toujours de cette facon. Quand le petit devient plus lourd, la mere l’entoure de sa patte et serre son petit qui se debat contre son ventre. Vers la fin du troisieme mois, le petit devient de plus en plus capable de se promener tout seul mais avant l‘äge de trois mois il ne suivra pas sa mere jusqu’a l’arbre de fourrage. On n’a pas pu determiner le moment exacte du sevrage, mais l’on pense que ce doit Etre vers l’äge de quatre mois. Un certain rapport maternel existe entre la mere et le petit jusqu’a l’äge de six moıis. A huit semaines les petits essayent une nourriture solide, et A dix ä douze semaines, ils mangent tout ce qui est mangeable. La nourriture consiste surtout de fruit, de legumes, et d’oeufs d’oiseaux. Selon des individus, certains des Kinkajous mangent des oiseaux ou m&me des coleopteres. Ceux qui vivent en captivite s’ıinteressent beaucoup au poisson et A un moindre degre, a la viande. Ils ne mangeront ni des petites mammiferes ni des reptiles. On a distingu& sept expressions vocaliques: 1. Gazouillement. Son entantin de mecontentement, employe& pour supplier. Son aigu qui se termine par un siftlement. Ce son indique, aussi bien chez les betes adultes le me&contente- ment et la peur. 2. Aboiement. Pour la supplication et pour l’accouplement. Soufflement. Surtout employ& comme introduction au son d‘aboiement. 4. Gresillement. Son caressant associe aux actes maternels. Son des salutation avec un sens peut-etre de sousmission. . Crachement. Signe de peur ou d’alerte. . Sıfflement. Epression de grande colere. 7. Hurlement. Signe du pius grand &nervement, associC A l’attaque. Souvent employe& juste avant de mordre. (02) N u Le Kinkajou dort enroul& ou horizontalement ou verticalement, ou, quand il fait tres chaud, Etendu. En se reveillant il baille, s’&tire le dos par une d&pression (non en se cambrant comme le font les felins) et se gratte d‘une facon tres adroite, toutes les parties du corps, en se servant d’une seule patte de derriere ou des deux pattes de devant, l’une apres l’autre avec des gestes tres rapides. Le panage social s’observe uniquement dans la relation entre la mere et le petit. A l’etat sauvage, les Kinkajous vivent seuls ou en groupes assez peu unis. A l’epoque de l’oestre, le mäle et la femelle se rencontrent (aides peut-Etre par les secr&tions glandulaires) et quittent le groupe. La femelle enceinte abandonne ou chasse le mäle avant de mettre bas, et elle Eleve ses petits seule. L’appareil glandulaire (les glandes mandibulaires, la glande de la gorge, la glande du ventre) est employ& par le mäle adolescent et l’adulte pour marquer des objets do son environnement (orientation, etablissement d‘un territoire collectif) et par les adultes comme moyen d’excitation sexuel pour le mäle qui leche la secretion qu’il fait sortir des glandes de la femelle. Malheureusement, parce qu’on n’a pas pu @lever une femelle, on n’a pas pu savoir si la femelle se sert de ses glandes pour s’orienter, comme le fait le mäle. Avant et pendant l’acte de copulation, le mäle se sert de structures proches carpiennes sesamoides qui sont particulieres A son sexe pour produire des mouvements stimulants sur les flancs de la femelle. Le Kinkajou possede un habitat individuel (chaque animal a son coin pour dormir, d’habitude un arbre creux) et un endroit ou il mange en groupe (plusieurs animaux se rassem- blent pres du m&me arbre fruitier). | Ces animaux sont nocturnes et l’on croit qu’ils se deplacent suivant des pistes habituelles. Ils sont tr&s actifs particulierement pendant la periode qui s‘&tend du coucher du soleil jusqu‘a passe un peu minuit, apres quoi ils s'arr&tent pour faire un ou plusieurs sommes. Quand ls sont tenus captifs, ces animaux peuvent ayoir une courte periode d’activite au petit matın. Nous avons encore besoin d‘un suppl&ment dinformation au sujet du comportement de ces animaux dans leur habitat naturel afın de boucher les lacunes qui existent encore dans notre connaissance de cette espece. -- I. Poglayen-Neuwall Literatur ANTHonY, H. E. (1916): Panama Mammals Collected in 1914-1915; Bull Amer. Mus. Nat. Hist. Vol. 87. — Aspeıı, S. A. (1946): Patterns of Mammalıan Reproduction: Ithaca, New York, Comstock Publishing Co. — BEEBE, HarTıEy, Howss (1917): Tropical Wildlife in Bach Cini 1, New York, Zool. Soc. — BOFTTICHER, H. v. (1958): Die Halbaffen und Koboldmakis; Neue Brehm-Bücherei, Heft 211, Ziemsen-Verlag, Wittenberg. — BREHM’s Tierleben (1930): Ausgabe von Hec&k-Hilzheimer; Leipzig. — Casrera, A. (1940): Historia Natural Ediar Mamiferos Sud-Americanos; Companıa Argentina de Editores. — EısL- EiBEsFELDT, I. (1950 a): Über die Jugendentwicklung des Verhaltens eines männlichen Dachses (Meles meles L.) unter besonderer Berücksichtigung des Spieles; Z. f. Tierpsychol. 7, 327355 — EıBL-EiBEsFELDT, I. (1950 b): Beiträge zur Biologie der Haus- und Ährenmaus, nebst einigen Beobachtungen an anderen Nagern. Fe Tierpsychol. 7, 558-587. — Esı- EineseeLor, I. (1953 a): Zur Ethologie des Hamsters (Cricetus cricetus L.); Z. f. Tierpsychologie 10, 204-254. — Eısı-EIBESFELDT, AR (1953 b): Eine besondere Form des Duftmarkierens beim Riesengalaso, Galago crassicaudatus E. GEOFFROY 1812; Säugetierkundl. Mitteilg. 1, 171-173. — ENDERS, R.K. (1935): Mammalian Life Histories from Barro Colorado Island, Panama; Bull Mus. of Comp. Zoology at Harvard College, Vol. LXXVIII. No. 4. — FIEDLER, W. (1957): Beob- achtungen zum Markierungsverhalten einiger Säugetiere; Z. f. Säugetierkunde, Bd. 22, 5776. — GAUMER, G. F. (1917): Mamiferos de Yucatan. Dept. Talleres Graficos; -Secretaria de Fo- mento, Mexico. — GOLDMAN, E. A. (1920): Mammals of Panama; Smith. Misc. Coll. Vol. 69, Washington D. C. — Goopwin, G. G. (1946): Mammals of Costa Rica; Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. Vol. 87. — GRrzMER, B. (1948): Die Radfahrreaktion; Z. f. Tierpsychol. 6, 41-44. — Haıı, E.R. & Keıson, K.R. (1959): The Mammals of Nortn America. Vol. II. The Ronald Press Co. New York. — HEDIGer, H. (1948): Kleine Tropenzoologie; Basel, Verlag f. Recht u. Gesellschaft A. G. — HEDIGER, H. (1949): Säugetierterritorien und ihre Markierung. Bijdragen tot de Dierkunde. Vol. 28; Leiden, E. J. Brill. — HEDIGER, H. (1954): Skizzen zu einer Tier- psychologie im Zoo und im Zirkus; Zürich. — HELLER, E. (1932): The Kınkajou, with Notes on the First Record of Breeding and Rearing in Captivity; Bull. Zool. Soc. Milwaukee. — HERTER, K. u. OHm-KertTner, 1.-D. (1954): Über die Aufzucht und das Verhalten zweier Baummarder (Martes martes L.); Z. f. Tierpsychol. 11, 113-137. — Hoızarrer, M. (1939): Über Bewegungsstereotypien bei gehaltenen Säugern; Z. f. Tierpsychol. 2, 4672. — Koenıg, L. (1960): Das Aktionssystem des Siebenschläfers (Glis glis L.); Z. f. Tierpsychol. Bd. 17, 4, 427-505. — Korar, K. (1960): Beobachtungen am Plumplori; „Die Pyramide“. Innsbruck. Nr. 4/8. Jahrg. — Leoroıv, S. A. (1959): Wildlife of Mexico. Univ. of Calıf. Press. Ber- keley and Los Angeles. — Lorenz, K. (1935): Der Kumpan in der Umwelt des Vogels; J. f. Orn. 83. — NoLTE, A. (1958): Beobachtungen über das Instinktverhalten von Kapu- zineraffen (Cebus apella L.) in Gefangenschaft; Behavior 12, 183-207”. — Pocock, R. I. (1921): The External Characters and Classification of the Procyonidae. Proc. Zool. Soc. London. Pt. 1. 389-422. — SCHAFFER, J. (1940): Die Hautdrüsenorgane der Säugetiere; _ Berlin und Wien. — SCHNEIDER, K. M. (1950): Aus der Jugendentwicklung einer künst- lich aufgezogenen Schimpansin; Z. f. Tierpsycol. 7, 485-558. — Serrz, A. (1950): Unter- suchungen über angeborene Verhaltensweisen bei Caniden. I. Z. f. Tierpsychol. 7, 146. — SKUTCH, A. F. (1960): A Forest View of Kinkajous. Anımal Kingdom. Vol. LXTII. No. 1, Bull. New York Zool. Soc. — STEINIGER, F. (1950): Beiträge zur Soziologie und son- stigen Biologie der Wanderratte; Z. f. Tierpsychol. 7, 356-379. — Tate, G. H.H. (1931): Random Observations on Habits of South American Mammals; J. of Mammalogy, Vol. 12, No. 3. — TINBERGEN, N. (1940): Die Übersprungbewegung; Z. f. Tierpsycol. 4, 37-60. — TINBERGEN, N. (1953): Social Behaviour in Anımals; with Spezial Reference to Vertebrates; London, Methuen & Co. u. John Wiley and Sons, New York. — TINBERGEN, N. (1959): Einige Gedanken über „Beschwichtigungsgebärden“; Z. f. Tierpsychol. 16, 651-665. Anschrift des Verfassers: Zoodirektor Dr. Ivo PocLayen, 903 Tenth Streeth SW, Albuquerque, New Mexico, USA Serologische Untersuchungen zur Frage der verwandtschaftlichen Beziehungen von Pan paniscus SCHWARZ 1929 zu anderen Hominoiden ' Von J. SCHMITT, W. SPIELMANN und M. WEBER? Aus dem Zoologischen Garten Frankfurt/Main Direktor: Prof. Dr. Dr. B. Grzimek und dem Blutspendedienst der Universitätskliniken Frankfurt/Main Direktor: Prof. Dr. W. Spielmann Eingang des Ms. 29. 4. 1961 Die von SCHwarz (36) als Unterart beschriebene, in der Eingeborenensprache als “ Bonobo bezeichnete Zwergform des Schimpansen wird im bisher vorliegenden Schrift- tum recht unterschiedlich beurteilt. Einige Autoren (33, 35, 36, 37) betrachten ihn als Unterart, andere als Art (9, 15, 16, 24, 34), wieder andere sogar als selbständige Gattung (41). Sie stützen ihre Auffassungen auf morphologische Untersuchungen, teil- weise auch auf Studien des Verhaltens. Der Zwergschimpanse Bonobo, der in den Wäldern unmittelbar südlich des Kongo- bogens beheimatet ist, wird von SCHWARZ (36) erstmals als Pan satyrus paniscus (= Unterart) beschrieben. CooLipce (9) erhebt ihn zu einer eigenen Art. SCHWARZ (37) entgegnet ıhm mit dem Hinweis: „dwarfing does not only occur in the chım- panzee of the Equateur province“ und verweist auf ähnliche Fälle. Rope (33), der sich eingehend mit dem Bonobo beschäftigt hat, führt ihn wie SCHwARZ nur als Unterart. SCHOUTEDEN (34), MILLER (24) und FRECHKOP (16) betrachten ihn als eigene Art. TRrATZ und Heck (41) schlagen vor, den Zwergschimpansen zu einer eigenen Gattung „Bonobo“ zu erheben. Sie führen eine Reihe morphologischer und psychologischer Merkmale an, in denen sich die beiden Genera unterscheiden. Die beschriebenen Unter- schiede werden von VAN DEN BERGH (2) (laut persönlicher Mitteilung an Fieprer [15]) teilweise bestätigt. TRATZ und Heck vertreten die Ansicht, daß die Notwendigkeit zu gattungsmäßiger Abtrennung „noch durch die Angaben des Importeurs der Hella- brunner Bonobos, daß Bonobos neben Schimpansen im gleichen Gebiet leben, be- kräftigt“ wird. Schurtz (35) antwortet den beiden Autoren mit dem Hinweis, daß bei größeren Reihenuntersuchungen die scheinbare morphologische Unterscheidbarkeit erheblich geringer wird. Eine Reihe der beobachteten Unterschiede führt er haupt- sächlich auf die geographische Isolation zurück. Er vertritt die Ansicht, daß eine unterartliche Abtrennung genügt, daß eventuell weitere Untersuchungen eine artliche, niemals aber eine gattungsmäßige Abtrennung erforderlich machen. Gegen die hohe Bewertung der Unterschiede zwischen Schimpanse und „Bonobo“ durch TRATZ und Heck führt FiepLer (15) noch folgende Argumente an: „Bedeutende Größenschwan- 1 Die Untersuchungen wurden mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft durchgeführt, wofür an dieser Stelle gedankt seı. 2 Herrn Prof. Dr. G. Scnoor zum 60. Geburtstag. 46 J. Schmitt, W. Spielmann u. M. Weber kungen innerhalb gesicherter Gattungen kennen wie verschiedentlich. In solchen Fällen lassen sich z. B. am Schädel auf Grund längst bekannter Allometriegesetzlich- keiten immer Unterschiede feststellen, wie die von TrATz und Heck als Gattungs- merkmale angeführten. Sollte der Bonobo tatsächlich neben anderen Schimpansen vorkommen, so müßte er nach den geltenden systematischen Anschauungen auch dann nur als eigene Art gewertet werden. Vikariieren wird bekanntlich nur für verschiedene Rassen gefordert.“ Seines Erachtens ließe sich am ehesten .eime — allerdings auch nur artliche - Abtrennung noch auf Grund der Verhaltensmerkmale rechtfertigen. Serologische Untersuchungen zur Frage der verwandtschaftlichen Beziehungen von Pan paniscus ScHwarz 1929 zu anderen Hominoiden liegen unseres Wissens bisher nicht vor. Wir haben deshalb den Versuch unternommen, diese Frage sero- logisch zu bearbeiten. Dabei bedienten wir uns folgender Tests: 1. Präzipitationstests Seit der Einführung der Präzipitationsreaktion in die Serologie um die Jahrhundert- wende hat man diese häufig zur Prüfung verwandtschaftlicher Beziehungen heran- gezogen. So haben bereits UHLENHUTH (42, 43), WASSERMANN und SCHÜTZE (44) und STERN (40) erkannt, daß ein Anti-Mensch-Serum nicht nur mit Menschenblut, sondern auch mit Affenbluten eine mehr oder weniger positive Reaktion liefert. Die Untersuchungen von NUTTALL (31, 32) konnten in eindrucksvoller Weise die auf ' morphologischem Wege gewonnenen Anschauungen über die phylogenetische Ver- wandtschaft der Primaten bekräftigen. Eine weitere wesentliche Erweiterung unserer Kenntnisse bezüglich der „Anthropomorphenverwandtschaft“ des Menschen haben wir den umfangreichen serodiagnostischen Untersuchungen MoLLisons (25, 26, 27, 28) und seines Schülers von KrocH (19, 20) zu verdanken. In neuerer Zeit hat Kramp (17) die bisher bei den Primaten vorliegenden Ergebnisse der biologischen Eiweiß- differenzierung erschöpfend dargestellt und kritisch gesichtet. 2. Anti-Globulin-Tests Im Jahre 1908 machte MorzscHı (29) die Beobachtung, daß das Serum einer Ziege, die wiederholt mit Kaninchenerythrozyten immunisiert wurde, einen Anti- körper enthielt, der Kaninchenerythrozyten zunächst nicht agglutinierte; erst als er dem Gemisch von Ziegenserum und Kaninchenerythrozyten das Serum eines Kanın- chens, das mit normalem Ziegenserum immunisiert war, zusetzte, trat eine Aggluti- nation ein. Die Kaninchenerythrozyten waren zweifellos durch einen inkompletten, im Ziegenserum enthaltenen Antikörper sensibilisiert und wurden durch das Kanin- chen-Anti-Ziegenglobulin-Serum agglutiniert. MorEscHI hatte damit erstmals einen Anti-Globulin-Test durchgeführt. Coomgs, MOURANT und Race (10, 11, 12) haben diesen Test in die menschliche Blutgruppenserologie zum Nachweis inkompletter Anti- körper — namentlich Rh-Antikörper — eingeführt und die große praktische Bedeutung dieser Technik zur Lösung verschiedenster serologischer Probleme herausgestellt. Er wird in der serologischen Praxis häufig als Coomss-Test bezeichnet. Es war nahe- liegend, sich der Coomss-Technik auch in einer entsprechenden Weise bei der Prüfung auf verwandtschaftliche Beziehungen zu bedienen. Verwandtschaftl. Beziehungen von Pan paniscus zu anderen Hominoiden 47 3. Anti-Globulin-Konsumptionstests Außer dem einfachen CoomBs-Test haben wir den Anti-Globulin-Konsumptionstest angewendet, der seit den ersten Veröffentlichungen von STEFFEN (39) wegen seiner großen Empfindlichkeit in zunehmendem Maße Eingang in die praktische Serologie gefunden hat. 4. Agglutinationstests in Form von Kreuzproben Es ist seit langem bekannt (Lanpoıs [21]), daß beim Vermischen von Menschen- und Tierblut oder von Tierbluten verschiedener Arten häufig kräftige serologische Re- aktionen auftreten, die wir heute als „Heteroagglutination“ und „Heterolyse“ bezeich- nen. So enthalten menschliche Seren im Regelfall Heteroagglutinine, die Menschen- affenerythrozyten gegenüber agglutinatorisch oder Iytisch wirksam sein können, ein Umstand, auf den bereits LANDSTEINER und MILLER (22, 23), denen wir die ersten grundlegenden serologischen Arbeiten bei Primaten verdanken, aufmerksam gemacht haben. Im Gegensatz hierzu soll nach DaHr (13) in Menschenaffenseren „nennenswertes Heteroagglutinin nicht enthalten“ sein, das gegen menschliche Erythrozyten gerichtet wäre. — Zur Prüfung der Frage, ob artspezifische Erythrozyten-Antikörper im Serum aller oder eines Teils der untersuchten Hominoiden vorkommen, haben wir Kreuz- proben durchgeführt. Dabei wurden die Seren mit Erythrozyten-Aufschwemmungen in schachbrettartiger Anordnung zusammengebracht. Nach beendeter Inkubationszeit wurde auf Agglutination bzw. Haemolyse untersucht. _ 5. Tests zur Ermittlung von Erythrozyten-Antigenen Endlich haben wir versucht, die Antigen-Struktur der Erythrozyten bei den uns zur Verfügung stehenden Hominoiden möglichst genau zu bestimmen. Die bisher vorlie- senden Ergebnisse sind nämlich höchst lückenhaft, zum Teil beziehen sie sich ausschließ- lich auf die ABO-Gruppen, zum Teil sind sie aus methodischen Gründen unverwertbar. Auch hierüber hat KramPp (18) in einem ausführlichen Referat kürzlich berichtet. Methodik 1. Präzipitationstests Die Präzipitationsreaktion, die häufig als Methode der biologischen Eiweißdifferen- zierung bezeichnet wird, beruht bekanntlich darauf, daß leicht immunisierbare Ver- suchstiere, denen wiederholt artfremdes Eiweiß (Plasma, Serum) injiziert wird, in ihrem Organismus Antikörper (= Präzipitine) produzieren, die in vitro ein Präzipi- tat mit dem homologen Antigen hervorrufen. Die Plasma-Proteine sind spezifische Antigene, und ihre Antigen-Struktur ist um so ähnlicher, je näher einander die zu prüfenden Individuen in der biologischen Klassifizierung stehen. Nachdem sich in den letzten Jahren herausgestellt hat, daß Ziegen besonders gute Antikörper-Bildner sind, wählten wir für die Immunisierung Kamerun-Zwergziegen des Zoologischen Gartens Frankfurt. Die Bildung der präzipitierenden Antikörper wurde durch eine siebenmalige intravenöse Injektion (Vena jugularis) von je 1,5 ml Plasma in zweitägigem Intervall induziert. Die erstmalige Gewinnung der Immun- seren erfolgte 10 Tage nach der letzten Injektion. Obgleich sämtliche Versuchstiere 48 J: Schmitt, W. Spielmann u. M. Weber schon auf die erste Injektionsserie recht gut angesprochen hatten, wurde die Immuni- sierung zu einem späteren Zeitpunkt nach vorangegangener Desensibilisierung (sub- kutane Injektion von 1,0 ml Plasma) nach dem gleichen Modus fortgesetzt, um mög- lichst hohe Antikörper-Titer zu erzielen. Die Präzipitationstests wurden in Form der Ringpräzipitation durchgeführt. Mit Plasma von Menschen und von Menschenaffen wurden mit dem Verdünnungsgrad 1:10 beginnende Verdünnungsreihen angesetzt. Die einzelnen Proben wurden mit je einem Tropfen präzipitierenden Serums unterschichtet. Die Ablesung erfolgte jeweils nach 24stündiger Aufbewahrung bei + 4°C. Die Präzipitationstests wurden teilweise mit absorbierten Immunseren durchge- führt. Bezüglich der Absorptionen mußten wir zu einem speziellen Verfahren greifen, da bei Versuchen, eine Absorption unmittelbar mit Serum oder Plasma durchzufüh- ren, Präzipitationen in Form einer starken Opaleszenz auftraten, die sich durch Zen- trifugieren nicht beseitigen ließen und eine Verwendung der so absorbierten Immun- seren zu weiteren Präzipitationstests unmöglich machten. Es wurde also notwendig, die Absorption an der Oberfläche von Korpuskeln ablaufen zu lassen. Wie Vorver- suche ergaben, eignen sich dazu am besten Erythrozyten-Stromata, auf deren Ursprung es nicht ankommt. Wir verwandten daher die am leichtesten zugänglichen mensch- lichen Erythrozyten-Stromata, die vor der Absorption der Immunseren mit dem ent- sprechenden Serum behandelt worden waren. Erythrozyten-Stromata allein zeigten ebenfalls einen gewissen Absorptionseffekt, der sich als unspezifisch und relativ ge- ringfügig erwies. 2. Anti-Globulin-Tests Das Prinzip des ursprünglichen Anti-Globulin-Tests besteht darin, daß menschliche Rh-positive Erythrozyten mit einem Serum, das inkomplette Rh-Antikörper ent- hält, sensibilisiert werden und nach Entfernung der nicht gebundenen Eiweißkörper durch wiederholtes Auswaschen beim Zusatz von Anti-Humanglobulin-Serum agglu- tiniert werden. In den Anti-Globulin-Tests konnten wir die gleichen Seren verwen- den, die von den Kamerun-Zwergziegen im Hinblick auf die Präzipitationsreaktion gewonnen wurden. Da bei der Immunisierung mit Plasma oder Vollserum vorwie- gend Antikörper gebildet werden, die gegen die entsprechenden Globulinfraktionen gerichtet sind, können die präzipitierenden Seren ohne weiteres als Anti-Globulin- Seren benutzt werden. Die Anti-Globulin-Seren wurden unverdünnt und in der Verdünnung 1:10 und 1:50 mit einer 20 P/oigen Aufschwemmung menschlicher Rh-positiver Erythrozyten, die optimal mit inkompletten Rh-Antikörpern beladen waren, auf einfachen Mikro- skop-Objektträgern vermischt und nach zwei Minuten langer Inkubation auf der Diamond-Box auf Agglutination geprüft. 3. Anti-Globulin-Konsumptionstests Bei den Anti-Globulin-Konsumptionstests wurden zunächst die Anti-Globulin-Seren mit Seren der verschiedenen Hominoiden absorbiert, nachdem in Vorversuchen die- jenige Serum-Konzentration ermittelt worden war, die gerade ausreichte, um bei der homologen Absorption eine vollständige oder nahezu vollständige Entfernung der Antikörper zu erzielen. In diesem Falle durfte also nach Zusatz von menschlichen Rh-sensibilisierten Erythrozyten keine Reaktion auftreten. Diese Kontrolle lief in den Hauptversuchen mit. Verwandtschafll. Beziehungen von Pan paniscus zu anderen Hominoiden 49 4. Agglutinationstests in Form von Kreuzproben Bei diesen Agglutinationstests bedienten wir uns der Röhrchentechnik, wobei in üb- licher Weise je ein Tropfen Serum mit je einem Tropfen einer 2-3 Onigen Erythro- zyten-Aufschwemmung in physiologischer NaCl-Lösung vermischt wurde und nach 90 Minuten langer Inkubation im Wasserbad bei 37°C die erste Ablesung erfolgte. Anschließend wurde zentrifugiert, das überstehende NaCl-Serum-Gemisch und durch ein etwa gleiches Volumen 20 "/oiges Rinderalbumin ersetzt. Die zweite, endgültige Ablesung erfolgte nach einem weiteren 30 Minuten langen Aufenthalt im 37° C-Wasserbad. Außer diesem Albumin-Austausch haben wir den noch empfindliche- ren Irypsin-Iest (30) durchgeführt. Dazu wurden die Erythrozyten zunächst mit einer 1:10 verdünnten frisch hergestellten Trypsin-Stammlösung unter Berücksichti- gung eines optimalen pH-Wertes von 7,7 30 Minuten lang bei 37°C inkubiert. Nach zweimaligem Waschen der Erythrozyten mit physiologischer NaCl-Lösung zur rest- losen Entfernung des noch freien Trypsins wurde eine 2-3 P/oige Suspension in phy- siologischer NaCl-Lösung hergestellt und damit der Agglutinationstest mit den ent- sprechenden Seren angesetzt. Die Ablesung erfolgte nach 30 Minuten langer Inkuba- tion im 37% C-Wasserbad. 5. Tests zur Ermittlung von Erythrozyten-Antigenen Da zur Bestimmung der Erythrozyten-Antigene bei Menschenaffen menschliche Test- seren wegen der stets darın enthaltenen Anti-Aft-Antikörper nicht verwendet werden können, mußten die Agglutinationstests grundsätzlich mit Eluaten aus menschlichen Testseren angesetzt werden. Bei der Herstellung dieser Eluate kommt es darauf an, daß Stärke und Titer der Antikörper denen verwendbarer Testseren gleichkommt. Im ABO-System waren daher 5-6 Titerstufen zu verlangen, während bei den M-, N- und Rh(D)-Eluaten 4 Stufen wie bei den entsprechenden Testseren als ausreichend anzusehen sind. Bei den Eluaten von Rh-Untergruppenseren legten wir Wert darauf, entsprechend den Minimalforderungen an Testseren mindestens dreistufige Eluate zu verwenden. Bei der Herstellung von Eluaten gingen wir normalerweise von 1 ml Ery- throzyten-Sediment aus, welches mit dem gleichen Volumen des entsprechenden Antı- serums 1 Stunde lang bei der jeweiligen optimalen Temperatur inkubiert wurde. Da- nach wurde das überstehende Antiserum abgegossen, die Erythrozyten 4-5mal mit eisgekühlter physiologischer NaCl-Lösung ausgewaschen und nach sorgfältigem Ab- pipettieren der letzten Waschflüssigkeit, die zur Untersuchung auf Freiheit von Antı- körpern jeweils aufgehoben wurde, mit !/s Volumen physiologischer NaCl-Lösung versetzt. Unter mehrfachem Aufschütteln wurde dieses Gemisch im Wasserbad auf 56°C erhitzt und in auf 600C vorgewärmten Zentrifugenbechern kurz (1-2 Minuten) bei 2-3000 rpm zentrifugiert. Unmittelbar danach mußte die überstehende Lösung abpipettiert werden und mit den so gewonnenen Eluaten innerhalb 12 Stunden der entsprechende Agglutinationstest angesetzt werden. Die Agglutinationsversuche wur- den in den üblichen Tests angesetzt: bei kompletten en mit NaCl-Auf- schwemmungen der Erythrozyten nach 30 Minuten langer Inkubation bei Zimmer- temperatur, bei inkompletten Antikörpern nach dem Albumin-Austausch-Test in der von Dunsrorv und Bowr£y (14) angegebenen Technik. Zur Prüfung auf ausreichende Empfindlichkeit der Eluate wurden als Kontrollen homologe menschliche Erythrozy- ten mitgeführt; die Abwesenheit von nichtantikörpergeprägten menschlichen Serum- eiweißkörpern ergab sich aus dem negativen Ausfall der Untersuchung der letzten Waschflüssigkeit. Den Nachweis von Blutgruppensubstanz im Serum, Speichel und Urin haben wir jeweils in Inhibitionstests geführt. Während das Serum ohne jede 50 J. Schmitt, W. Spielmann u. M. Weber Vorbehandlung in diesen Tests Verwendung finden konnte, wurde der Speichel vor- her 1:5 verdünnt, 10 Minuten lang gekocht und filtriert und der Urin durch Kochen auf '/2o des ursprünglichen Volumens eingeengt und mindestens 12 Stunden lang gegen fließendes Wasser dialysiert. Von diesem Material wurden gleiche Volumina mit den entsprechenden Anti-A-, Anti-B- und Anti-H-Seren vermischt und nach 5-10 Minuten langer Inkubation bei Zimmertemperatur gegen die entsprechenden menschlichen Erythrozyten ausgetestet. Als positiver Reaktionsausfall wurde eine über 2 Stufen reichende Differenz im Vergleich zur NaCl-Kontrolle angesehen; dies bedeutet, daß Gruppensubstanz vorher einen beträchtlichen Teil der Antikörper neu- tralisiert (= inhibiert) hatte. Bei der Bestimmung der Isoagglutinine wurden grund- sätzlich die Menschenaffenseren in Verdünnungsreihen mit menschlichen A-, B- und O-Erythrozyten untersucht. Ergebnisse 1. Präzipitationstests Die Präzipitationsreaktionen der Tabelle 1 lassen erkennen, daß zwar mit Anti- Schimpansen-Serum (= AS-Serum) — wie zu erwarten — das homologe Schimpansen- plasma am kräftigsten reagierte, daß aber das Bonoboplasma fast gleich stark und mit genau gleich hohem Titer präzipitiert wurde. Dagegen waren die Reaktionen des gleichen AS-Serums mit menschlichem Plasma und mit Orangplasma wesentlich schwächer. Weitgehend die gleichen Ergebnisse, wie sie die Tabelle 1 für das AS-Serum zeigt, erhielten wir bei der Verwendung von Anti-Bonobo-Serum in der gleichen Ver- suchsanordnung. Mit Anti-Human-Serum ergab erwartungsgemäß menschliches Plasma als homologes Antigen die höchsten, Bonobo- und Schimpansenplasma schwächere, etwa gleich hohe Titer, während Orangplasma am schwächsten reagierte. Mit Anti- Orang-Serum zeigte Orangplasma die kräftigsten Reaktionen, Bonobo- und Schim- pansenplasma reagierten schwächer, menschliches Plasma am schwächsten. Wichtigere Hinweise zur serologischen Verwandtschaft der untersuchten Homi- noiden waren mit Hilfe der absorbierten präzipitierenden Seren zu erwarten. Da die antigenen Eigenschaften des Plasmas jeder Spezies aus einem Mosaik vieler Partial-_ antıgene besteht, wie man auf Grund der serologischen Reaktionen annehmen muß, und eine gewisse Anzahl dieser Partialantigene bei verwandten Arten gemeinsam vorkommen kann, beabsichtigten wir, durch Absorption der Anti-Seren mit heterolo- Tabelle 1 Präzipitationsreaktion Anti-Schimpansen-Serum 1:10 | 1:20 | 1:40 1:80 | 1:160| 1:320| 1:640 | 1:1280 | 1:2560 | 1:5120 | 1:10240 Menschl. Plasma ee = a a 1 r + e RR er er Bonoboplasma SEE ER IERTENR A R Er + + B Schimp.-Plasma HH HH HH - - - a 26 — Orangplasma 4 + + + + (De = 2 E>, NaClI-Kontrolle a Eee E Een m er Verwandtschafll. Beziehungen von Pan paniscus zu anderen Hominoiden 51 Tabelle 2 Präzipitationsreaktion Anti-Schimpansen-Serum absorbiert mit menschlichem Serum 1:10 | 1:20 | 1:40 |. 1:80 | 1:160 | 1:320 | 1:640 | 1.1280 Menschl. Plasma == ie en re zuE 2 ; Bonoboplasma HH HH + = Schimpansenplasma ee .r + eb: _ — — Orangplasma H4H+ + + a — - — + NaCl-Kontrolle _ - — en au er er u Tabelle 3 Präzipitationsreaktion 1:10 | 1:26 | 1:40 | 1:80 | 1.160 | 1:320.:| 1:640 | 1.1280 a. Anti-Schimpansen-Serum absorbiert mit Bonoboserum Menschl. Plasma (+) ai ai — — — —- — Bonoboplasma ++ +4 + + + ai: — 2 Schimpansenplasma ++ ++ 4 + (+) mie — — Orangplasma (+) Sr ur San Re et Se 3a NaCl-Kontrolle SR aa ar ha. Ai Ei RN b. Anti-Schimpansen-Serum absorbiert mit Schimpansenserum Menschl. Plasma - r IE iNa en s e £ Bonoboplasma ++ .- ++ ++ 4 ai a u Schimpansenplasma +4 ++ + At " ale ae — Orangplasma af par al ir a NaCl-Kontrolle eur Im 2 ar ee | | gen, aber verwandten Plasmen die Spezifität der Reaktionen einzuengen. Wie bereits erwähnt, bedienten wir uns eines besonderen Absorptionsverfahrens unter Verwen- dung menschlicher Erythrozyten-Stromata, die mit Plasma-Eiweißkörpern beladen waren. Bei dieser Versuchsserie gelang es am ehesten, die Anti-Mensch-Quote aus den Anti-Menschenaffen-Seren mit menschlichem Plasma, das an Stromata menschlicher Erythrozyten angelagert war, zu absorbieren (Tabelle 2). Dagegen vermochten die mit Menschenaffenplasma inkurbieten Erythrozyten-Stromata anscheinend nicht, die korrespondierenden Anti-Menschenaffen-Antikörper elektiv zu absorbieren; die Ab- sorptionen führten lediglich zu einer Abschwächung sämtlicher Titer (Tabelle 3), so daß Wiederholungsabsorptionen wenig sinnvoll erschienen. Diese unterschiedlichen Ergebnisse erhellen nur die bekannte Tatsache, daß die Distanz des Menschen zu den Menschenaffen größer ist, als die Distanz der einzelnen Menschenaffen-Arten unter- einander. Auch die Ergebnisse mit absorbierten Anti-Seren lassen in jedem Fall er- kennen, daß sogar quantitativ keine Unterschiede im antigenen Verhalten der Plasma- eiweißkörper zwischen Bonobo und Schimpansen in Erscheinung treten. Die Präzipi- tationsreaktionen — auch mit absorbierten Anti-Seren — sind offenbar zur feineren serologischen Differenzierung der Partialantigene nicht empfindlich genug. J: Schmitt, W. Spielmann u. M. Weber un 15) 2. Anti-Globulin-Tests Als wir die Anti-Globulin-Tests in der oben beschriebenen Versuchsanordnung an- setzten, gingen wir von der Überlegung aus, daß die Anti-Menschenaffenglobulin- Seren vielleicht „stellvertretend“ für das Anti-Humanglobulin-Serum in diese Reak- tion eintreten könnten und daß diese Fähigkeit graduell verencn und vom Grad der Globulin-Verwandtschaft abhängig sei. Die Ergebnisse der Tabelle 4 zeigen, daß die Fahlekae an Stelle des Anti-Human- globulin-Serums wirksam zu sein, beim Anti-Bonoboglobulin-Serum am größten und deutlich stärker als beim Anti-Schimpansenglobulin-Serum ist; die Kapazität des Anti-Orangglobulin-Serums ist am geringsten. Diese Ergebnisse lassen darauf schlie- ßen, daß die Globulin-Verwandtschaft bezogen auf den Menschen beim Bonobo am größten ist. Im Gegensatz zu den Präzipitationstests waren hier Unterschiede zwi- schen Bonobo und Schimpansen festzustellen. Tabelle 4 Anti-Globulin-Tests! ABG-Serum ASG-Serum | AOG-Serum AHG-Serum Verdünnung 1. Anti-Globulin-Seren absorbiert mit Schimpansen-Erythrozyten 1 +44++ 44++ 444+ +4 1:10 HH 444+ 44+ + 1:50 ++ —+ Zr en 2. Anti-Globulin-Seren absorbiert mit Bonobo-Erythrozyten 121 +444+ +4+4++ 444+ +H4H4+ 1:10 +44++ +444++ 44+ ++ 1:50 +rt 444+ + — 3. Anti-Globulin-Seren, unabsorbiert 1:50 +44++ 4H44+ on + 1 Als Indikator dienten Rh-sensibilisierte menschliche Erythrozyten. 3. Anti-Globulin-Konsumptionstests Wir gingen noch einen Schritt weiter und führten den Anti-Globulin-Test mit ab- sorbierten Anti-Globulin-Seren durch, wobei Rh-sensibilisierte menschliche Erythro- zyten als „Indikator“ dienten. Dabei wurde die Frage geprüft, inwieweit mensch- liches Serum und Menschenaffenseren in der Lage sind, Antikörper aus den Anti- Globulin-Seren zu „konsumieren“. Es zeigte sich, daß mit Bonoboserum die größte Abschwächung der im Anti-Humanglobulin-Serum enthaltenen Antikörper erzielt werden konnte, während Schimpansenserum und vor allem Orangserum weit weniger Antikörper zu binden vermochten (Tabelle 5, I). Die Konsumptionstests mit den Anti-Menschenaftenglobulin-Seren brachten eine Bestätigung der im Anti-Human- globulin-Konsumptionstest ermittelten Ergebnisse: Im Anti-Bonoboglobulin-Kon- sumptionstest blieben bei den gewählten Verdünnungen nach der Absorption mit menschlichem Serum und Bonoboserum die Agglutinationen aus, nicht so nach der Absorption mit Schimpansenserum (+ +) und Orangserum (++ +). Im Anti-Schim- pansenglobulin-Konsumptionstest vermochte das homologe Schimpansenserum bei der Verwandtschafll. Beziehungen von Pan paniscus zu anderen Hominoiden 53 Tabelle 5 Anti-Globulin-Konsumptionstests 1. Anti-Humanglobulin-Konsumptionstest AHG-Serum + Menschl. Serum Rh = AHG-Serum + Bonoboserum sensibilisierte AHG-Serum + Schimpansenserum menschliche AHG-Serum + Orangserum | Erythrozyten 2. Antı DOOR ODER -Konsumptionstest ABG-Serum Menschl. Serum Rh = ABG-Serum Bonoboserum | sensibilisierte ABG-Serum Schimpansenserum | menschliche ABG-Serum Orangserum Erythrozyten 3. Anti-Schimpansenglobulin-Konsumptionstest ASG-Serum Menschl. Serum ER ASG-Serum Bonoboserum sensibilisierte ASG-Serum Schimpansenserum | menschliche ASG-Serum Orangserum Erythrozyten 4. Anti-Orangglobulin-Konsumptionstest AOG-Serum + Menschl. Serum | Rh — AOG-Serum + Bonoboserum sensibilisierte AOG-Serum + Schimpansenserum menschliche AOG-Serum + ÖOrangserum Erythrozyten gewählten Versuchsanordnung sämtliche Antikörper zu binden, nach der Absorption mit den heterologen Seren kam es zu deutlichen Agglutinationen. Im Anti-Orang- globulin-Konsumptionstest war der Antikörper-Verbrauch durch das homologe Orangserum am stärksten, etwas geringer durch das Schimpansenserum, am schwäch- sten durch das Bonobo- und Menschenserum. Diese Ergebnisse zeigen somit deutliche Unterschiede in der Fähigkeit der Menschen- und Menschenaffenseren, Antikörper aus den verschiedenen Anti-Globulin-Seren zu „konsumieren“. Sıe lassen auf eine im Vergleich zum Schimpansen nähere Globulin- Verwandtschaft des Bonobos mit dem Menschen schließen. 4. Agglutinationstests in Form von Kreuzproben Im NaCl-Milieu haben wir keine durch Anti-Art-Antikörper bedingte Reaktionen beobachten können. Dagegen ließen sich mit der empfindlicheren Albumin- und Tryp- sintechnik solche nachweisen. In den Tabellen 6 und 7 werden einige Ergebnisse der Kreuzproben wiedergegeben. Beim Vergleich der Tabellen sieht man, daß zwar die im Albumintest erhaltenen Resultate im Prinzip gut mit denen des Trypsintests über- einstimmen, daß aber der letztere, gemessen an der Stärke der Reaktionen, deutlich überlegen ist. Dieser Besprechung sollen daher die Ergebnisse des Trypsintests zu- grunde gelegt werden. Bei dem Schimpansen „Yindi“, dem Bonobo „Camillo“ und dem Orang „Rui“ handelte es sich, wie wir mit gereinigten Agglutininen (Eluaten) feststellen konnten, um Individuen der serologischen Gruppe A. Infolgedessen muß angenommen werden, daß die Agglutinationen der menschlichen Aı-Erythrozyten im 54 J: Schmitt, W. Spielmann u. M. Weber Tabelle 6 Kreuzversuch Menschenaffen-Erythrozyten — Menschenaffen-Seren | Serum von Erythrozyten von Gorilla | Schimpanse Bonobo Orang I Flughafen” „Yındi” - „Camillo” | „Rui” 1. Albumin-Test Schimpanse „Yindi“ — Schimpanse „Popeye“ h Bir Ber: Er Schimpanse „Alice“ h _ —_ (+) Bonobo „Camillo“ En = = Pe Bonobo „Eicha“ h Oramn 2, Ru“ Human-Erythrozyten Aı + + — + Aa | —_ + — + B | — 444 ++ h O -_ — — + 2. Trypsin-Test Schimpanse „Yindi“ (+) — — ph Schimpanse „Popeye“ h — — + Bonobo „Camillo“ h — — ph Schimpanse „Alice” +ph — — ph Bonobo „Eicha“ h — -_ h OftLanes „Rus h " h — Human-Erythrozyten Aı 4 + — + Aa — h h h B (0) Serum des Schimpansen „Yindi“ und des Orangs „Rui“ durch Anti-Menschenerythro- zyten-Antikörper bedingt wurden. Die kräftigen Agglutinationen menschlicher As- und O-Erythrozyten im Serum dieser beiden Menschenaffen könnten durch ein Anti- H-Agglutinin? hervorgerufen worden sein, möglicherweise waren auch hier Anti-Art- Antikörper beteiligt. Inwieweit die eine oder andere Komponente wirksam war, hätte nur in Absorptionsversuchen geklärt werden können. Die komplette Hämolyse der menschlichen B-Erythrozyten dürfte teilweise oder ganz durch in den Menschenaften- seren enthaltenes Isoagglutinin vom Typ Anti-B verursacht worden sein. Im Serum des Bonobos „Camillo“ waren keine artspezifischen Antikörper enthalten. In diese Untersuchungen konnte das Serum eines etwa einjährigen Gorilla-Kindes einbezogen werden. Es handelte sich, wie wir im Serum-Inhibitionstest nachweisen konnten, um 3 Bekanntlich wurden als Anti-H-Antikörper ursprünglich solche Heteroantikörper bezeichnet, die menschliche O-Erythrozyten stark, A2- und AaB-Erythrozyten etwas schwächer und die Erythrozyten der übrigen sehr schwach agglutinieren. Verwandtschaftl. Beziehungen von Pan paniscus zu anderen Hominoiden 5 un ein Individuum der serologischen Gruppe B. Das gestattete Isoagglutinin Anti-A war jedoch im Serum nicht vorhanden, was im Kindesalter durchaus möglich ist; auch Anti-Menschenerythrozyten-Antikörper ließen sich nicht feststellen. Die Befunde der Tabelle 6 zeigen, daß in den Menschenaffenseren nicht nur Anti-Art-Antikörper vorkommen können, die gegen menschliche Erythrozyten gerichtet sind, sondern daß wir gleichzeitig starke artspezifische Antikörper in den Menschenaftenseren in allen Reaktionsansätzen nachweisen konnten, die den Erythro- zyten anderer Menschenaffengattungen gegenüber agglutinatorisch oder Iytisch wirk- sam waren. So fanden wir im Orangserum artspezifische Antikörper gegen Schim- pansen- und Bonoboerythrozyten, im Gorillaserum solche gegen Schimpansen-, Bonobo- und Orangerythrozyten und im Schimpansen- und Bonoboserum Anti- Orangerythrozyten-Antikörper. Wir fanden aber keine Anti-Art-Antikörper im Schimpansen und Bonoboserum, die wechselseitig gegen ihre Erythrozyten gerichtet gewesen wären. (Leider standen bei diesen Untersuchungen keine Gorillaerythro- zyten zur Verfügung, so daß über das etwaige Vorkommen von Anti-Gorillaerythro- zyten-Antikörpern im Schimpansen-, Bonobo- und Orangserum nichts ausgesagt wer- den kann.) 5. Tests zur Ermittlung von Erythrozyten-Antigenen Es konnten insgesamt 23 Menschenaffen des Zoologischen Gartens Frankfurt hinsicht- lich ihrer Erythrozyten-Antigene untersucht werden. Von 15 Individuen stand Blut als Untersuchungsmaterial zur Verfügung, während wir uns bei den übrigen 8 auf den Tabelle 7 Antigen-Nachweis an Menschenaften-Erythrozyten : 5 ; ; Elaat \ ; i N | Antigen- in Aa | San An a Sa Ban a a | Seekeir Schimpanse | Nundı, + — 04 _— {+ — 0 _ 2... AM. (DI) „Butas + — + —_— — — —- —- | AM (D-) „Irumu“ + A EN U, LE ae RL N N (ee) „Popeye“ + _— + ar en „Alice“ a er ee mom ee „Andrea“ NN LE pe abe res Er Be | ON em „Dakwa“ en nr). OM.C-D-) Bonobo | „Camillo“ 2 — 4 — — 0.04 — AM (cD-,) „Margrit“ + —_— + _-—- -.-.-... — AM (———) „Eichar De Zu — a a = ie AaMN CD) Orang | „Rui- 18: —_— + —_— {+ —_—ı--.— AM (—D-) „Saran“ + + + —_—-o- + — + — |ABM (ceD-,) -Salız + — + — + a — |ABM (cD-,) Beim Schimpansen „Yindi“ und Bonobo „Camillo“ ließ sich zusätzlich das Antigen 5 nachweisen. Im Serum und Speichel konnte in allen Versuchsansätzen die entsprechende Gruppen-Substanz nachgewiesen werden. Das gestattete Isoagglutinin war im Serum regelmäßig vorhanden. 56 J- Schmitt, W. Spielmann u. M. Weber Nachweis der Gruppensubstanz im Speichel oder Urin beschränken mußten. Die Er- gebnisse des Antigen-Nachweises an den Erythrozyten sind in der Tabelle 7 zusam- mengestellt. | Die Befunde der Tabelle 7 können durch folgende Ergebnisse erweitert werden: Bei einem Schimpansen konnte im Serum-Inhibitionstest weder A- noch B-Substanz nachgewiesen werden; dagegen gelang im Titrationsversuch der Nachweis kräftiger Isoagglutinine vom Typ Anti-A und Anti-B, so daß mit .Sicherheit die serologische Gruppe O diagnostiziert werden darf. Bei 3 weiteren Schimpansen konnte der Nach- weis der Zugehörigkeit zur serologischen Gruppe A im Speichel-Inhibitionstest, bei einem weiteren im Urin-Inhibitionstest geführt werden. — Bei einem Orang konnte auf Grund der Ergebnisse des Urin-Inhibitionstests die Gruppendiagnose AB, bei einem zweiten die Gruppendiagnose A gestellt werden. — Bei drei Gorillas wurde übereinstimmend in Inhibitionstests (1 X Serum, 2 X Urin) die serologische Gruppe B diagnostiziert. Diskussion Unsere Versuche zielten darauf ab, durch Untersuchungen der Plasma-Eiweißkörper, der artspezifischen und gruppenspezifischen Antikörper im Plasma sowie der anti- genen Erythrozyten-Eigenschaften die verwandtschaftlichen Beziehungen von Men- schenaffen untereinander und zum Menschen zu analysieren. Nach der klassischen Ringpräzipitation ergab sich eine weitgehende Übereinstimmung in Stärke und Titer der Präzipitine zwischen Bonobo und Schimpansen, und zwar gleichgültig, ob die Tests mit Anti-Schimpansen-, Anti-Bonobo-, Anti-Orang- oder Anti-Mensch-Serum durchgeführt wurden, während menschliches Plasma und Orangplasma immer mehr oder weniger differierende Ergebnisse zeigten. Menschliches Plasma nahm insofern eine Sonderstellung ein, als dieses allein in der Lage war, die Anti-Mensch-Präzipitine aus den Anti-Menschenaffen-Seren zu eliminieren, während mit Menschenaffen-Seren nur eine partielle Absorption möglich war, die unter Umständen sogar als unspezifi- sche Abschwächung gedeutet werden kann, da in vielen Fällen die Reaktionen mit sämtlichen Plasmen gleichmäßig abgeschwächt wurden. Das letztere Ergebnis würde besagen, daß die Trennungslinie zwischen Mensch und Menschenaffen schärfer zu ziehen wäre als die zwischen den Menschenaffen untereinander. Weitergehende detail- _ lierte Schlußfolgerungen oder Hypothesen möchten wir aus den klassischen Präzipi- tationstests deshalb nicht ableiten, weil Titervergleiche nur sehr bedingt möglich sind, da bei diesen Untersuchungen „Schwanzphänomene“, d.h. langsam sich abschwächende Reaktionen über viele Verdünnungsstufen hinweg, regelmäßig auftreten. Als signi- fikant können nur solche Titerdifferenzen aufgefaßt werden, die mehr als vier Stufen betragen. Ergebnisse, die auch in quantitativen Versuchsanordnungen exakt ablesbar sind, liefern die Anti-Globulin- und Anti-Globulin-Konsumptionstests. Es sei jedoch von vornherein bemerkt, daß nicht ohne weiteres die Ergebnisse der Präzipitationstests mit jenen der beiden letztgenannten Tests verglichen werden können, da verschiedene Eiweißfraktionen in den einzelnen Tests erfaßt werden. Zwar werden die relativ hochmolekularen Gamma-Globuline als die stärkeren Antigene in allen Tests das Er- gebnis vorwiegend beeinflussen, inwieweit die übrigen Fraktionen sich auf die Reak- tionen im einzelnen auswirken, läßt sich auf Grund der vorliegenden Versuche nicht mit Sicherheit ermitteln. Während bei den Präzipitationstests alle Eiweißkörper ein- schließlich des Albumins sich zu einem gewissen Grade auf das Ergebnis auswirken können, dürfte bei den Anti-Globulin- und Anti-Globulin-Konsumptionstests auf jeden Fall nur die Globuline - und hier wieder vorwiegend die Gamma-Globuline - Verwandtschafll. Beziehungen von Pan paniscus zu anderen Hominoiden 57 auf die Reaktionen einen entscheidenden Einfluß ausüben, da bekanntlich die Rhesus- Antikörper beim Menschen immer Gamma-Globuline sind. Wenn auch somit die unterschiedlichen Ergebnisse in den einzelnen Testgruppen erklärbar sind, so haben wir dennoch vorläufig keine Möglichkeit, die Ursachen des unterschiedlichen Verhal- tens näher zu belegen. Beim Anti-Human-Globulin-Test war es in allen Versuchsansätzen auffallend, daß weniger eine enge Beziehung zwischen Schimpansen und Bonobo zutage trat, sondern daß speziell das Bonoboserum am ehesten in der Lage war, „stellvertretend“ für das menschliche Coombs-Serum bei der Agglutination Rh-sensibilisierter menschlicher Erythrozyten einzutreten. Auch hier wieder zeigte das Anti-Orangglobulin-Serum die geringste Affınität zu menschlichen Globulinen. Da, wie schon erwähnt, die Rhesus- Antikörper des Menschen immer Gamma-Globuline sind, kann man auf eine im Ver- gleich zum Schimpansen nähere Antigenverwandtschaft zwischen Mensch und Bonobo speziell in den Gamma-Globulinen schließen. Die Befunde in den Anti-Globulin-Tests werden bestätigt und erweitert durch die Anti-Globulin-Konsumptionstests, bei denen wir nicht nur die Absorption des Anti- Humanglobulin-Serums mit verschiedenen Hominoidenseren, sondern auch die drei verschiedenen Anti-Menschenaffenglobulin-Seren testeten. Da als Indikator wieder Rh-sensibilisierte menschliche Erythrozyten verwendet wurden, beziehen sich die nachgewiesenen Absorptionen vorwiegend, wenn nicht ausschließlich, auf das Gamma- Globulin. Wie ein entsprechender Versuch mit einem anderen Indikator-System aus- fallen würde, bei dem die Erythrozyten mit solchen Antikörpern beladen werden, die keine Gamma-Globuline darstellen - z. B. Anti-A, Anti-Le2 usw. — müssen spätere Untersuchungen zeigen. Die bei den Kreuzproben erfaßten Anti-Art-Erythrozytenantikörper kommen an- scheinend nur zwischen verschiedenen Gattungen der Hominoiden vor. Wenn nun zwischen Schimpansen und Bonobo, wie unsere Ergebnisse zeigen, wechselseitig solche Antikörper nicht vorkommen, so läßt diese Tatsache wiederum auf eine engere sero- logische Verwandtschaft schließen. In diesem Zusammenhang scheint der Hinweis an- gebracht, daß die Anti-Art-Antikörper, die häufig inkompletter Natur sind, nur in empfindlichen Tests, teilweise im Albumin-, besser aber im Trypsin-Test mit aus- reichender Sicherheit nachgewiesen werden können, nicht dagegen in der üblichen Ver- suchsanordnung im NaClI-Milieu, die früheren Arbeiten (13, u. a.) zugrunde gelegt wurden. Weiterhin ist es von Bedeutung, zu wissen, daß sich Anti-Art-Antikörper bei Verwendung aktiver Seren häufig in Form einer Hämolyse zu erkennen geben; man würde also bei alleinigem Suchen nach Agglutinationen zu falschen Ergebnissen kommen. Ein weiteres Kriterium für die Antwort auf unsere Frage könnten blutgruppen- serologische Untersuchungen liefern, wenn die gleiche Antigenverteilung bei einer größeren Individuenzahl der einzelnen Spezies festzustellen wäre. Die bisher vor- liegenden Ergebnisse reichen jedoch keinesfalls aus, zumal speziell beim Bonobo bisher nur insgesamt vier Individuen untersucht wurden. BurTrs (3) konnte bei einem Bonobo die Gruppe A M Rbo (cD-) ermitteln. Die gleiche Gruppe besaß einer der von uns untersuchten drei Bonobos, bei dem zusätzlich noch das Antigen S festgestellt werden konnte. Bei den beiden anderen geprüften Individuen konnten ebenfalls die Antigene A und M nachgewiesen werden; im Rh-System gelang bei einem Individuum der Nachweis eines schwachen D, das zweite zeigte negativ an. Beim Schimpansen liegen nach Kramp (18) bisher 143 Untersuchungsbefunde hinsichtlich der ABO-Zugehörig- keit vor; davon sind 132 verwertbar. In seiner Zusammenstellung sind 9 von BEREZ- NAY (1) geprüfte Individuen noch nicht enthalten. Allerdings hat Berrznay bei einem Schimpansen die Gruppendiagnose AB gestellt. Da der Rezeptor B bisher bei dieser Spezies noch nie nachgewiesen werden konnte, liegt die Vermutung nahe, daß mög- 58 J: Schmitt, W. Spielmann u. M. Weber licherweise ein Teil der Agglutinationen durch artspezifische Antikörper bedingt waren, zumal er keine Hinweise über die angewandte Technik gibt. Wir glauben deshalb, seine Befunde nicht berücksichtigen zu können. Klammern wir weiterhin den ın der Zusammenstellung von KraMP unter den Schimpansen geführten, von BUTTsS geprüf- ten Bonobo aus, so verbleiben insgesamt 131 statistisch verwertbare Fälle, welchen 12 eigene Untersuchungsbefunde beim Schimpansen hinzugerechnet werden können, so daß die Gesamtzahl der Befunde 143 beträgt. Bei 123 Individuen (= 86°/o) lag die serologische Gruppe A, bei 20 (= 14°/o) die Gruppe O vor. Beim Orang liegen nach der Zusammenstellung von KramPp bisher 22 Untersuchungen auf ABO-Zugehörigkeit vor, denen 5 eigene Untersuchungsergebnisse hinzugerechnet werden können. Davon sind 10 Individuen (= 37 %o) der serologischen Gruppe A, 10 (= 37/0) der Gruppe B und 7 (= 26°/o) der Gruppe AB zuzurechnen. Die Gruppe O ist beim Orang bisher nicht festgestellt worden. Sollte tatsächlich beim Orang die Gruppe O überhaupt nicht vorkommen, so wäre bei Untersuchung eines größeren Kollektivs die Gruppe AB häufiger zu erwarten (ca. 50/0), vorausgesetzt, daß auch hier A und B allele Gene dar- stellen. Die große B- und AB-Häufigkeit und das Fehlen der Gruppe O unterscheidet die Antigenverteilung des Orangs deutlich von der des Schimpansen. Sie rücken ihn nach der Ansicht von KramP in die Nähe des Gibbons (Hylobates). Beim Gorilla liegen bisher nur wenige zuverlässige Befunde vor (4, 5, 6, 7, 8, 38, 45). Es scheint bei dieser Menschenaffengattung, wie auch eigene Befunde an drei Individuen zeigen, ein B-ähnliches Antigen außerordentlich häufig vorzukommen. Die Tatsache, daß bei den vier bisher untersuchten Bonobos die Gruppe A gefunden wurde, läßt zwar — wegen der kleinen Zahl - nicht auf eine gleichartige Antigenver- teilung beim Schimpansen und Bonobo schließen, sie spricht jedoch keineswegs gegen eine solche Annahme. Hätte man z. B. auch nur bei einem Bonobo die Gruppe B oder AB gefunden, so würde dies wegen des völligen Fehlens des B-Antigens bei den bisher untersuchten 143 Schimpansen einen nahezu sicheren Beweis für eine unterschiedliche Antigen-Verteilung zwischen den beiden Spezies liefern. Da das M-Merkmal nicht nur beim Schimpansen, sondern auch beim Orang recht häufig vorzukommen scheint, kann der bisher regelmäßig beim Bonobo erhobene Gruppenbefund M nicht im Sinne einer verwandtschaftlichen Beziehung gedeutet wer- den. Auch die bisher vorliegenden Frgebnisse im Rhesus-System liefern dafür keinen Hinweis. Da bisher nur in seltenen Fällen ein c-Antigen nachgewiesen werden konnte und das D-Antigen, wenn überhaupt vorhanden, im Verhältnis zum menschlihen D wesentlich schwächer ausgeprägt war, könnte man erbbiologisch völlig unterschiedliche Gen-Anordnungen bei den Menschenaffen im Vergleich zu der heute als ziemlich sicher geltenden Anordnung der einzelnen Rhesus-Gene auf den Chromosomen-loci beim Menschen vermuten. Insbesondere ist es nicht zulässig, aus den immer negativen Be- funden sowohl mit Anti-E- als auch mit Anti-e-Eluaten und den häufig negativen Befunden mit Anti-C- und Anti-c-Reagentien, in Analogie zu den seltenen beim Men- schen erhobenen Befunden, von einer Auslöschung der Gene (Deletion) zu sprechen. In diesem Fall müßte nämlich das D-Antigen besonders stark ausgeprägt sein und selbst mit inkompletten Anti-D-Antikörpern im NaCl-Medium eine Agglutination auftreten. Genau das Gegenteil ist aber bei den Menschenaffen der Fall, bei denen das D-Antigen immer deutlich schwächer ausgeprägt ist als beim Menschen, wenn auch graduelle Unterschiede bestehen. Im Regelfall dürfte die Ausprägung etwa einem high grade Du des Menschen entsprechen. Ob bei den negativen Reaktionsausfällen dennoch ein low grade Du vorliegt, müssen spätere Versuche zeigen, bei denen ent- sprechende Anti-Globulin- und Enzym-Techniken Anwendung finden. Ebenso ist bei den Untergruppen-Antigenen C, c, E, e noch nicht das letzte Wort gesprochen. Auch hier werden in Zukunft auszuführende Tests mit empfindlicheren Methoden und kräf- tigeren Eluaten möglicherweise neue Aspekte eröffnen. Dabei muß insbesondere vom Verwandtschafll. Beziehungen von Pan paniscus zu anderen Hominoiden 59 erbbiologischen Standpunkt die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, daß sich beim Menschenaffen Supressor-Gene im Rhesus-System mit großer Regelmäßigkeit mani- festieren, die beim Menschen bekanntlich im Rhesus-System keine Rolle spielen. Insgesamt gesehen lassen die Ergebnisse der serologischen Reaktion erkennen, daß enge verwandtschaftliche Beziehungen zwischen Bonobo und Schimpanse bestehen. Das gleichmäßige Verhalten der beiden Spezies in den klassischen Präzipitationstests und das wechselseitige Fehlen von Anti-Art-Antikörpern schließen aus, daß es sich hier um verschiedene Gattungen handelt. Die serologischen Ergebnisse machen nicht einmal eine artliche Abtrennung unbedingt erforderlich. Wenn die Reaktionen in den Anti- Globulin-Tests und Anti-Globulin-Konsumptionstests mehr mit dem Menschen als mit dem Schimpansen parallel gingen, so dürfen diese Befunde schon deshalb nicht über- bewertet werden, weil hier wahrscheinlich nur eine Eiweißfraktion, nämlich das Gamma-Globulin, erfaßt wurde. Ob eine engere Verwandtschaft zum Menschen als beim Schimpansen auch hinsichtlich anderer Antigene vorliegt, müßten spätere Untersuchun- gen zeigen. Zusammenfassung Es wird über serologische Untersuchungen zur Frage der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Bonobo (Pan paniscus ScHwarz 1929) und anderen Hominoiden berichtet. In der klassischen Ringpräzipitation konnte eine weitreichende Ähnlichkeit im antigenen Verhalten der Plasma-Eiweißkörper des Bonobos im Vergleich zum Schimpansen festgestellt werden. Dagegen ließen sich in den Anti-Globulin-Tests und Anti-Globulin-Konsumptionstests Unterschiede zwischen Bonobo und Schimpanse nachweisen. Hier zeigte der Bonobo eine im Vergleich zum Menschen engere Globulin-Verwandtschaft, die wahrscheinlich speziell in den Gamma-Globulinen besteht. In den Agglutinationstests zum Nachweis artspezifischer Anti-Erythrozyten-Antikörper wurden solche Antikörper zwischen allen Hominoiden-Gattungen festgestellt, nicht aber zwischen Bonobo und Schimpanse. Die beim Bonobo bisher vorliegenden Blutgruppenbefunde stehen im Einklang zu den Befunden beim Schimpansen. Die Versuchsergebnisse schließen eine gattungsmäßige Abtrennung des Bonobos aus; sie machen eine artliche nicht unbedingt erforderlich. Summary A serological study is reported on the question of relationship between the Lesser Chimpanzee (Pan paniscus Schwarz 1929) and other hominoidea. By classical ring precipitation a wide similarity in the reactions of plasma proteins of Pan paniscus and Pan troglodytes has been found. In anti-globulin tests and anti-globulin consumption tests differences between Pan paniscus and Pan troglodytes could be established. The globulins of Pan paniscus were found to be nearer related to human globulins than those of Pan troglodytes. It is assumed that the nearer relationship is especially caused by the gamma globulins. In agglutination tests anti-species erythrocyte antibodies have been found among homi- noidea genera, but not between Pan paniscus and Pan troglodytes. The blood group reactions of Pan paniscus observed so far are corresponding to those of Pan troglodytes. The results of these serological investigations support the conception of those authors, who reject a seperation of Pan paniscus and Pan troglodytes in different genera. It seems not even to be necessary to seperate ın different species. Resume L’auteur rapporte sur des examens serologiques qui ont pour but d’eclaircir les relations genetiques entre le Bonobo (Pan paniscus ScHwarz 1929) et d’autres Hominoides. Au moyen de la precipitation classique, l’auteur constate une ressemblance consid£rable entre le comportment antigene des proteines du plasma du Bonobo et ceux du Chimpanse. 60 J: Schmitt, W. Spielmann u .M. Weber — Pan paniscus L’epreuve antiglobuline et l’&preuve de consomption antiglobuline par contre, mettent en evidence des differences entre le Bonobo et le Chimpanse. A cet @gard le Bonobo montre une affınit@ des globulines A ceux de l’homme, qui concerne probablement en particulier les gamma- globulines. Dans les &preuves d’agglutination pour la mise en Evidence des anticorps anti-erythrocytes, significants pour l’espece, l’auteur pouvait demontrer de tels anticorps entre tous les genera des Hominoides, tandis qu’ils n’existent pas entre le Bonobe et le Chimpanse. Selon nos connaissances recentes, le status des groupes sanguins du Bonobo est en accord avec celui du Chimpanse. Ces resultats s’opposent ä une seperation du Bonobo comme un propre genus; ils n’existent pas une seperation comme propre espece. Literatur 1. BEREZNAY, Y. (1959): Composition du sang des singes anthropoides par rapport au sang humain; Bull. Soc. Roy. Zool., Anvers, 10. — 2. BERGH, W. VAN DEN: Zit. nach FIEDLER, W. (1956). — 3. Burts, D. C. A. (1953): Hemagglutinogens of the chimpanzee; Amer. ]J. Phys. Anthrop. 11, 215-224. — 4. CANDELA, P. B. (1940): New data on the serology of the anthro- poid apes; Amer. J. Phys. Anthrop. 27, 209-221. — 5. CanDELA, P. B. (1940): Serology of the anthropoid apes; Ibid. 27, 479-480. — 6. CANDELA, P. B. (1940): The blood-grouping of the Gorilla gargantua; Ibid. 27, Suppl. 7-8. — 7. CanDeELA, P. B. (1942): New data on the blood groups of apes and monkeys; Ibid. 29, 318-319. — 8. CANDELA, P. B., WIENER, A. S. and Goss, L. :J. (1940): New observations on the blood group factors in Simiidi and Cer- copithecidae; Zoologica 25, 513-521. — 9. CooLiDGE, H. (1933): Pan paniscus, pygmy Chim- panzee from south of the Congo river; Amer. J. Phys. Anthrop. 18, 1-57. — 10. Coomss, R. R. A., MourAnT, A. E. and Race, R. R. (1945): Detection of weak and „incomplete“ Rh agglutinins: a new test; Lancet, II, 15. — 11. Coomss, R. R. A., MourANT, A. E., and Race, R. R. (1945): A new test for the detection of weak and „incomplete“ Rh agglutinins; Brit. J. exp. Path. 26, 255-266. — 12. Coomgs, R. R. A., MoURANT, A. E. and Race, RR. (1946): In vivo isosensitization of red rells in babies with haemolytic disease; Lancet, I, 264-266. — 13. Danr, P. (1939): Über Blutgruppen bei Anthropoiden; Z. Morph. Anthrop. 38, 38-45. — 14. DunsrorD, I. and BowLeEy, C. C. (1955): Techniques in Blood Grouping; Oliver & Boyd, Edinburgh. — 15. FIEDLER, W. (1956): Übersicht über das System der Primates; In: Primatologia, I, 1-266, Karger, Basel/New York. — 16. FRECHKoP, $. (1953): Anımaux proteges du Congo Belge et dans le territoire sous mandat du Ruanda-Urundi; Bruxelles. — 17. Kramp, P. (1956): Serologische Stammbaumforschung; In: Primatologia, I, 1015-1034, Karger, Basel/New York. — 18. Kramr, P. (1960): Blutgruppen und Blutfaktoren; Ibid., III, 2, 88-162. — 19. KrocH, CHR. v. (1937): Serologische Untersuchungen über die stammes- geschichtliche Stellung einiger Primaten; Anthropol. Anz. 13, 240-247. — 20. KroGH, CHR. v. (1938): Serologische Verwandtschaft oder stammesgeschichtliche Verwandtschaft? Zool. Anz. 123, 206-213. — 21. Lanpoıs, (1875): Die Transfusion des Blutes; Leipzig. — 22. LANDSTEI- NER, K. and MıLLER, C. P. (1925): Serological observations on the relationship of the bloods of man and the anthropoid apes; Science 61, 492-493. — 23. LANDSTEINER, K. and MILLER, C. P. (1925): Serological studies on the blood of the primates. I. The differentiation of human and anthropoid bloods. II. The blood groups in anthropoid apes. III. Distribution of sero- logical factors related to human isoagglutinogens in the blood of lower monkeys; ]J. exp. Med. 42, 841-852, 853-862, 863-872. — 24. MiLLER, R. A. (1952): The musculature of Pan paniscus; Amer. J. Anat. 91, 183-232. — 25. Morıson, IH. (1912): Die Präzipitinreaktion als Zeugnis für die Anthropomorphenverwandtschaft des Menschen; KorrespBl. Dtsch. Ges. Anthropol. 43, 132-135. — 26. Morrison, TH. (1926): Serologische Verwandtschaftsfor- schung am Menschen und an anderen Primaten; Tag.-Ber. Dtsch. Anthropol. Ges., 88-92. — 27. Morrison, IH. (1936): Die serologischen Beweise für eine chemische Epigenese in der Stammesgeschichte des Menschen; Arch. Rassenbiol. 30, 457-468. — 28. Morııson, TH. (1937): Serologische Untersuchungen am Arteiweiß des Menschen und anderer Primaten; Verh. Ges. phys. Anthropol. 8, 16-26. — 29. MoreschHi, C. (1908): Neue Tatsachen über die Blutkörper- chenagglutination; Zbl. Bakt. 46, 49-51. — 30. MorTon, J. A. and Pıckres, M. M. (1951): The proteolytic enzyme test for detecting incomplete antibodies; J. clin Path. 4, 189-199. — 31. Nurrauı, H. F. G. (1901): The new biological test for blood in relation to zoological classification; Proc. Roy Soc. London 69, 150--153. — 32. NuTTauı, H. F. G. (1904): Blood immunity and blood relationship. A demonstration of certain blood-relationships amongst anımals by means of the precipitin test for blood; University Press, Cambridge. — 33. RoDE,P. (1937): Les races geographiques du Chimpanze& (Pan satyrus L.); Mammalia, Paris, 1, 165- 177. — 34. SCHOUTEDEN, H. (1944): De zoogdieren van Belgisch-Kongo en van Ruanda- Urundi. 1. Primates, Chiroptera, Insectivora, Pholidota; Ann. Mus. Congo (C, II) 3, 1 bis F. Frank: Mutation „hairless“ bei der Feldmaus El 168. — 35. SchuLTz, A. H. (1954): Bemerkungen zur Variabilität und Systematik der Schim- pansen; Säugetierkdl. Mitt. 2, 159-163. — 36. SCHWARZ, E. (1929): Das Vorkommen des Schimpansen auf dem linken Kongoufer; Rev. Zool. Bot. Afr. 16, 425-426. — 37. SCHWARZ, E. (1934): On the local races of the Chimpanzee; Ann. Mag. nat. Hist. (10) 13, 576-583. — 38. SPIELMANN, W. (1958): Serologische Untersuchungen bei einem Gorilla des Frankfurter Zoologischen Gartens; Anthrop. Anz. 22, 156-164. — 39. STEFFEN, C. und SCHINDLER, H. (1955): Bericht über die Verwendung des Antihumanglobulin-Ablenkungsversuches für den Nachweis eines Antileukozyten-Antikörpers bei Agranulozytosen;, Münch. med. Wschr. 97, 469. — 40. STERN, R. (1901): Über den Nachweis menschlichen Blutes durch ein „Antiserum“; Dtsch. med. Wschr. 27, 135. — 41. TRATZ, E. P. und Heck, H. (1954): Der afrikanische Anthro- poide „Bonobo“, eine neue Menschenaffengattung; Säugetierkdl. Mitt. 2, 97-101. — 42. UHLENHUTH, P. (1901): Eine Methode zur Unterscheidung der verschiedenen Blutarten, im besonderen zum differentialdiagnostischen Nachweise des Menschenblutes; Dtsch. med. Wschr. 27, 82-83. — 43. UHLENHUTH, P. (1904): Ein neuer biologischer Beweis für die Blutsver- wandtschaft zwischen Menschen- und Affengeschlecht; KorrespBl. Dtsch. Ges. Anthropol. 35, 114-118. — 44. WASSERMANN, A. und SCHÜTZE, A. (1901): Über eine neue forensische Me- thode zur Unterscheidung von Menschen- und Tierblut; Berl. klin. Wschr. 38, 187-190. — 45. WIENER, A. S., CANDELA, P. B. and Goss, L. J. (1942): Blood group factors in the blood, organs and secretions of primates; J. Immunol. 45, 229-235. Anschrift der Verfasser: Dr. med. vet. J. SCHMITT, Zoologischer Garten Frankfurt a. M., Prof. Dr. med. W. SpıELMmAnN und Frl. M. WEBER, Blutspendedienst der Universitätskliniken Frankfurt a. M. Mutation „hairless” bei der Feldmaus, Microtus arvalis (PALLAS) Von FRITZ FRANK Aus dem Institut für Grünlandschädlinge der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft, Oldenburg ı. O. Eingang des Ms. 15. 5. 1961 Die intensivere Bearbeitung der Feldmaus hat zunächst erklärlicherweise Färbungs- Mutationen (FRANK und ZIMMERMANN 1957, REICHSTEIN 1957), aber auch erbliche Wachstums-Anomalien (Hydrocephalus — Stein 1957, geheftete Zehen — Frank 1959) zutage gebracht. Nunmehr trat in einem Inzucht-Stamm der von FRANK und ZIMMER- MANN beschriebenen „silver“-Mutation auch eine erbliche Haarbildungs-Anomalie auf, die inder Hausmaus-Genetik schon seit dem Jahre 1926 bekannt ist (GRÜNEBERG 1952). Es handelt sich um die Hypotrichosis cystica (Davıp 1932), die von den Genetikern als „hairless“ (Symbol hr) bezeichnet wird und sich rezessiv vererbt. Genau wie bei Mus musculus bekommen die nackt geborenen Homozygoten zunächst ein normales Nestlingskleid, das zwischen dem 10. und 14. Lebenstage zuerst am Kopf und an den Extremitäten auszufallen beginnt. Ungefähr 10 Tage später ist das Jungtier mit Aus- nahme der Vibrissen (Schnurrhare) völlig nackt und behält diesen Zustand zeitlebens bei. Nach Davıp kommt dieser Haarausfall dadurch zustande, daß kein normaler Haarbalg gebildet wird und das entstandene Haar ohne Befestigung bleibt. Die spä- teren Haarwechsel werden zwar histologisch eingeleitet, doch kommen die sich bilden- den Haare nicht mehr zum Durchbruch oder allenfalls zu anomalem Durchbruch, so daß sie schnell wieder ausfallen. Mit zunehmendem Alter hört die Haarbildung mehr und mehr auf. 62 F. Frank Der Haarverlust bringt eine erhebliche Habitus- Veränderung mit sich, so daß der unbefangene Be- trachter wegen der in gan- zer Länge sichtbar gewor- denen Ohren, Schwänze und Extremitäten im er- sten Moment irritiert wird und eher Mus als Micro- tus vor sich zu haben glaubt. Die zunächst per- Microtus arvalis, Mutation „hairless“, altes Männchen gamentartig glatte Haut wird ım Laufe des Kör- perwachstums immer runzliger und bekommt eine stärkere Hornschicht als bei nor- malen Tieren, so daß sie äußerlich etwas an die des Elefanten erinnert. Entsprechend verblaßt die zunächst rosige Farbe der Haut infolge Überlagerung der peripheren Blutgefäße mehr und mehr zu einem unansehnlichen Fleisch-Grau. Typisch ist eine mit dem Lebensalter zunehmende Buckel-Bildung auf der Haut. Diese flüssigkeits- gefüllten Gebilde bedecken schließlich den ganzen Körper und können bisweilen den Umfang 1 cm großer „Warzen“ annehmen. Besonders stark pflegt der Schwanz be- troffen zu sein (s. Abb.). Nach Davıp entstehen diese subkutanen Cysten aus hyper- trophierten Haarfollikeln und Talgdrüsen. Die Vergrößerung der MEıBomschen Drüsen führt durchweg zu einer starken Schwellung der Augenlider. Ebenso wie hairless-Hausmäuse haben auch hairless-Feldmäuse ein höheres (un- teres) Limit der Körper-Temperatur (bei Mus musculus 34% gegenüber 28,50 beim nor- mal behaarten Tier — BEnEDICT und Fox 1933) und fühlen sich regelrecht heiß an. Ent- sprechend sind die Homozygoten außerordentlich empfindlich gegen niedrige Umwelt- Temperaturen. Im geheizten Raum gingen sie im Winter schon ein, wenn ihre Terra- rien am Fenster standen und ständig von der an den Scheiben abfließenden Kaltluft berieselt wurden. Unter Freiland-Bedingungen dürften die Homozygoten also auf keinen Fall lebensfähig sein. Auch die Zucht war nur bei Raum-Temperaturen von über 20° möglich. Darauf sind zweifellos die früheren Angaben zurückzuführen, daß die Weibchen der hairless-Hausmäuse steril seien. Die Homozygoten zeigen ein verlangsamtes Wachstum gegenüber heterozygoten Geschwistern, erreichen aber (bei Haltung in warmen Räumen) mit der Zeit vielfach dieselbe Endgröße und (bisher) ein Alter von 2 Jahren. Sie sind in beiden Geschlech- tern voll fertil. Auch die Wurfstärke ist nicht geringer als bei normalen Feldmäusen, doch leiden die Weibchen unter deutlichen Laktations-Schwierigkeiten, die eine hohe Säuglings-Sterblichkeit zur Folge haben. Bei der homologen Hausmaus-Mutation fan- den Crew und Mirskara (1932) unvollkommen bis rudimentär entwickelte Milchdrüsen. Die gleichen Autoren konnten normal behaarte Männchen nicht zur Kopula mit brün- eine wesentlich geringere Anziehungskraft ausüben als behaarte Weibchen. Von meinen Mauswieseln wurden die hairless-Feldmäuse nicht oder nur zögernd geschlagen. Summary Hypotrichosis cystica = „hairless“ (symbol hr) appeared in an inbred line of Microtus arvalis, completely equaling the already known mutation in Mus musculus: recessive mode of inheri- tance — loss of the suckling hair — skin thickened and covered with wrinkles and humps (eystically enlarged hair follicles and sebacious glands) — higher limit of body temperature than normals — high sensitiveness to low temperature — decelerated growth - fertility in both sexes, but insufficient lactation causing high suckling mortality. W. Herre: Dem Gedenken an Professor Dr. phil. Otto Antonius 63 Literatur BENEDICT, F. G. und Fox, E. L. (1933): Der Energieumsatz normaler und haarloser Mäuse bei verschiedener Umgebungstemperatur; Pflüg. Arch. 231, 455-482. — Crew, F. A. E. und MirskArA, L. (1932): The character “hairless“ in the mouse; Journ. Genet. 25, 17-24. — Davıp, L. T. (1932): The external expression and comparative dermal histology of hereditary hairlessness in mammals; Z. Zellforsch. 14, 616-719. — Frank, F. (1959): „Geheftete Zehen“ — eine neue Mutation bei der Feldmaus (Microtus arvalis PALLAS); Z. Säugetierkde. 24, 89-91. — FRANK, F. und ZIMMERMANN,K. (1957): Färbungs-Mutationen der Feldmaus (Micro- tus arvalis PALLAS); Z. Säugetierkde. 22, 87-100. — GRÜNEBERG, H. (1952): The Genetics of the Mouse; Den Haag. — REICHSTEIN, H. (1957): „Schwarz“, eine neue Mutation bei Microtus arvallis PALL.; Z. Säugetierkde. 22, 102-103. — STEIN, G. H. W. (1957): Hydro- cephalus bei der Feldmaus, Microtus arvalis; Säugetierkdl. Mitt. 5, 75. Anschrift des Verfassers: Dr. F. Frank, Oldenburg (Oldb.), Philosophenweg 16 x Dem Gedenken an Professor Dr. phil. Otto Antonius Von WOLF HERRE Eingang des Ms. 20. 6. 1961 In den letzten Tagen des großen Völkerringens, in einer Zeit, in welcher die Nach- richtenübermittlungen schlecht waren, in welcher jeder einzelne um seine nackte Exi- stenz zu kämpfen hatte, wurde der Säugetierkunde ein Mann entrissen, der sich viel- fältige Verdienste erworben hat. Am 9. April 1945 schied der Direktor des Schön- brunner Tiergartens, Universitätspro- fessor Dr. Orro AnToniIus, aus dem Leben, mitten in der Sorge und im Einsatz für seine geliebten Pfleglinge. Viele hat die Nachricht von seinem Ende tief und schmerzlich betroffen, aber die wirren Zeitläufe brachten es mit'sich, daß sein Leben und sein Wir- ken noch keine öffentliche Würdigung fand. Daher sei hier diese Pflicht der deutschen Säugetierforscher erfüllt. OTTo Antonius wurde am 21. Maı 1885 geboren, er besuchte ein huma- nistisches Gymnasium in Wien und studierte dann an der Wiener Univer- sıtät Naturwissenschaften, insbesondere Zoologie und Palaeontologie. Im Juli 1910 wurde er zum Dr. phil. promo- viert. Nach diesem Studienabschluß |. 4 3 a hospitierte ANTONIUS an verschiedenen X E Et, en a wissenschaftlichen Anstalten. Da ihn 8 ZB EG EEE WE, ME die Probleme der Lebensentwicklung Ä und der Formenveränderung besonders ha. u Aulsscius fesselten, blieb nicht aus, daß er zu- 64 W. Herre: Dem Gedenken an Professor Dr. phil. Otto Antonius nächst in die Einflußsphäre von Professor Dr. L. ADAMETZ geriet, der in Wien als Tier- züchter eine Fülle allgemeiner Anregungen ausstrahlte. So kam ANTONIUS mit „experi- menteller“ Säugetierkunde in Kontakt; aber er wandte sich trotzdem der historischen Seite der Zoologie stärker zu und wurde 1912 Mitarbeiter und Assistent von Professor Dr. ©. Ageı an der Lehrkanzel für Palaeobiologie. Diese wissenschaftliche Entwicklung unterbrach der 1. Weltkrieg. Im November 1918 kam er als Oberleutnant zurück, wurde wieder Assistent und habilitierte sich 1919 an der Universität Wien, 1920 auch an der Hochschule für Bodenkultur. Seine damals einzigartige Überschau über Probleme der Zoologie, Palaeontologie und Tierzucht führte 1920 zu einer Einladung des holländi- schen Kultusministeriums zur Bearbeitung der Haustierfunde aus den Terpen. Als wichtiger Ertrag dieser Tätigkeit erschien 1922 die „Stammesgeschichte der Haustiere“, die noch heute einen festen Platz zu halten weiß. Im Handbuch der Zoologie erschien später ein weiterer Beitrag über dieses Gebiet. Seit dem 1. Dezember 1923 war OTrTo AnTtonıus ım Schönbrunner Tiergarten tätig. Er wurde am 1. Dezember 1924 zum wissenschaftlichen und ein Jahr später zum alleinigen Leiter ernannt. Zu Beginn seiner Tätigkeit half sein Einsatz, den von der Auflösung unmittelbar bedrohten Tiergarten über die Krisenjahre hinwegzuretten, aufzubauen und später zu vergrößern. Sein Bestreben war es jedoch auch späterhin, trotz neuer 'Tieranlagen den historischen Rahmen des „Ältesten Tiergartens“ zu wah- ren. Dieses Kulturinstitut erlangte so unter seiner Leitung ein hohes wissenschaftliches Niveau und wurde durch sein Spezialwissen auf dem Gebiete der Pferdekunde zu einem internationalen Mittelpunkt in der Equidenforschung. Neben seiner berühmten Equidensammlung, die „einmalige Arten“, und vor allem ım Tiergarten gezüchtete Bastarde enthielt, waren die Sammlungen der Kleinkatzen, der Gebirgswiederkäuer und Vögel über alle Grenzen bekannt. Eine große Anzahl auserlesener Seltenheiten und zum Teil einmalig in Gefangenschaft gehaltener Tiere verschafften dem Tiergarten — der ehemaligen „K. u. K. Hofmenagerie“ — Weltruf. OrTo ANTONIUS erwies sich nun als scharfer Beobachter lebendiger Tiere, dem das umfassende Wissen von den Formen und ihrem Werden als feste Grundlage diente. An die 200 wissenschaftliche Arbeiten stammen aus seiner Feder; es ist schwer zu sagen, ob den größeren Werken wie „Gefangene Tiere“ (1933), „Afrikanische Großtierwelt“ in BERNATZIKS „Zwischen Weißem Nil und Belgisch-Kongo“, dem posthum (1951) erschienenen „Die Tigerpferde“ oder den zahlreichen lebensvollen kleinen Skizzen der Vorzug zu geben ist, welche die Verhaltensforschung mit begründen halfen. Ehrungen blieben nicht aus. OTTO ANTONIUS wurde ernannt zum a.o. Universitäts- professor, zum Honorarprofessor an der Hochschule für Bodenkultur zu Wien, zum Oberbaurat, zum Präsidenten des Internationalen Verbandes der Direktoren Zoolo- gischer Gärten, zum Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Wien, zum korre- spondierenden Mitglied der Zoological Society of London sowie weiterer gelehrter Ge- sellschaften. Otto Antonius war Mitherausgeber der Zeitschrift für Tierpsychologie und ständiger Mitarbeiter des „Zoologischen Garten“ und anderer Fachzeitschriften. Viel zu früh schied OTro ANTONIUS aus unserem Kreis, aber er wirkt weiter durch seinen Geist und seine Werke. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. W. HERRE, Kiel, Neue Universität Neuerscheinungen: CARRINGTON BONSOR WILLIAMS Die Wanderflüge der Insekten Eyanrung i in das Problem des Zugverhaltens der Insekten unter Be Berücksichtigung der Schmetterlinge Übersetzt und bearbeitet von Dr, HuserT RoER Zoolvgisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Kane Bonn 1961 / 232 Seiten mit 79 Abbildungen im Text und auf 16 Tafeln Ed mit 2 Karten In Ganzleinen 22,— DM Seitdem wir wissen, daß nicht nur Vögel zu bestimmten Jahreszeiten ausgedehnte Wan- derungen vornehmen, sondern auch Insekten zu erstaunlichen Flugleistungen befähigt sind, hat es nicht an Versuchen gefehlt, diesem Phänomen nachzüspüren. In dem vor- | liegenden Buch hat der Begründer dieses Zweiges der entomologischen Forschung, C. B. _ WiLLıams, seine Untersuchungsergebnisse über alle mit der Erscheinung der Migrationen zusammenhängende Fragen in allgemeinverständlicherer Form niedergelegt. Wenn _ auch auf manche Fragen noch keine erschöpfende Antwort gegeben werden kann, so vermittelt sein Werk doch einen wertvollen Überblick über das Flugverhalten dieser - Tiergruppe. Dr. Roer hat bei der Übersetzung die seit dem Erscheinen der englischen Ausgabe im Jahre 1958 hinzugekommenen Forschungsergebnisse in den Text einge- _ arbeitet, so daß der gegenwärtige Stand des Wissens wiedergegeben wird. NIKO TINBERGEN Wo die Bienenwölfe jagen ... Nengierige Korsiher in freier Natur Mit einem ı Geleitwort von a LORENZ Aus > Englischen und Holländischen übersetzt und bearbeitet von Am£LIE KOEHLER 1961 / 228 Seiten mit 80 Abbildungen im Text und auf 32 Tafeln / In Ganzleinen 18,60 DM Der als Freilandzoologe berühmt gewordene Verfasser und Herausgeber der Bücher „Instinktlehre“ und „Tiere untereinander“ berichtet in dem vorliegenden Werk im Plauderton von seinen Entdeckungen und Erlebnissen mit kleineren und größeren Tieren — von Bienenwölfen und Sandwespen, Robben und Polarhunden, Baumfalken, Lachmöwen, Nachtfaltern und manch anderen Tieren der weiten Welt. Sein Buch ist wiederum eine Fundgrube an neuen Einsichten und Ergebnissen für die Verhaltens- lehre der Tiere. BVERLAG PAUL PAREY - HAMBURG UND BERLIN Neuerscheinungen: Die Unterwasserfauna der Mittelmeerküsten Ein Taschenbuch für Biologen und Naturfreunde | Von Prof. Dr. WoLFGAnG LUTHER und Dr. Kurt FIEDLER aM Direktor des Zoologischen Instituts der Wissenschaftl. Assistent am Zoolog. Inst. ) Technischen Hochschule Darmstadt der Technischen Hochschule Darmstadt ' | 1961 / 253 Seiten mit 500 Abbildungen, davon 260 farbig von GERTRAUD HOFMANN und 40 farbige Darstellungen der wichtigsten Meeresalgen, sowie zwei doppelseitige Unter- wassertafeln / Taschenformat / In Ganzleinen flexibel 283,— DM | Die Erschließung des „letzten noch unerforschten Erdteils“, der Welt unter Wasser, hat seit etwa zwei Jahrzehnten einen stürmischen Aufschwung genommen. Die Unterwasserbiologie beginnt, wie ihre schon 200 Jahre ältere Schwester, die Ornithologie, zu einem Forschungs-| gebiet zu werden, auf dem Fachwissenschaftler, Naturfreunde und Künstler in erfolgreicher Weise zusammenarbeiten. In diesem Sinne dient auch das „Taschenbuch der Unterwasserfauna der Mittelmeerküsten“, | ähnlich den seit Jahren in Gebrauch befindlichen Bestimmungsbüchern der „PETERSON-Reihe“, | dem wissenschaftlich arbeitenden Fachmann wie dem Naturfreund als wissenschaftlich zuver. lässiger und zugleich praktischer Bestimmungsschlüssel. Von den Fischarten werden über 200, | von den Nacktschnecken und Borstenwürmern die 40 häufigsten Arten behandelt. Von beson-| derer Bedeutung für die Bestimmung sind die künstlerisch wie fachlich gleich hervorragenden Farbtafeln, die weit über dem Niveau gewohnter Abbildungen stehen. Ein neuartiges Hilfs-' mittel bilden ferner die beigefügten seewasserfesten Plastiktafeln. \ Im Text wird bei jeder Tiergruppe eine kurze Einführung über die wichtigsten Baumerkmale| und ihre biologischen Eigentümlichkeiten vorausgeschickt. Die Einzeltexte bringen außer den äußeren Kennzeichen des Tieres und Hinweisen auf seine Verbreitung soweit als möglich auch Angaben über Verhalten, Fortpflanzung und Ernährungsweise. PETER SCOTT | | ‚| Das Wassergeflügel der Welt Ein farbiger Bestimmungsschlüssel — - BT a u er Übersetzt und bearbeitet von Dr. HEınz-GeorG KLös Direktor des Zoologischen Gartens Berlin 1961 / 88 Seiten mit 487 Abbildungen, davon 427 farbig, und zwei Karten Leinen flexibel 16,850 DM ’ Der berühmte englische farbige Bestimmungsschlüssel “A Coloured Key of the Wildfowl the World“ liegt nun auch in deutscher Ausgabe vor. Auf 23 Farbtafeln werden sämtli Wassergeflügelarten der Welt — Enten, Gänse, Schwäne und Säger — abgebildet, davon d meisten in beiden Geschlechtern. Jede Tafel zeigt eine Gruppe .von Arten, die besonders eng miteinander verwandt sind. So findet man im allgemeinen die Vögel, die leicht miteinandeı verwechselt werden können, auf der gleichen Seite. Die Tafeln werden jeweils textlich ergänzt durch stichwortartige Angaben über die Brut- und Überwinterungsgebiete, über auffällige | Eigenschaften bestimmter Tierarten oder -gruppen und die Häufigkeit ihres Vorkommens. Ein vorangestellter Bestimmungsschlüssel, nach anatomischen Merkmalen, Lautäußerungen un Verhaltensweisen geordnet, erleichtert das rasche Auffinden der von Fall zu Fall gesuchtei Farbtafel. Eine systematische Liste alles Wassergeflügels der Erde mit deutschen und lateinisch Namen und eine übersichtliche Zusammenfassung der Regeln und Gesetze der zoologischen Nomenklatur vervollständigen den Bestimmungsschlüssel. ä VERLAG PAUL PAREY : HAMBURG UND BERTIEZE Herausgegeben von Ehriftleitung } ZEITSCHRIFT FÜR SAUGETIERKUNDE ORGAN DER DEUTSCHEN GESELESCHAFT FÜR SÄAUGETIERKUNDE P.\J. H. van Bree, Amsterdam — H. Darth, Berlin — W. HERRE, Kiel — K. HErTER, Berlin — J. Kärın, Frei- burg/Schweiz — B. Lanza, Florenz — H. NacHTsHEIM, Berlin - T.CS. MoRRISoNn SCOTT, London — D. STArck, Frankfurt a. M. —E. Tuenıus, Wien — W. VERHEYEN, Tervuren — K. ZIMMERMANN, Berlin E. MoHur, Hamburg — M. Rönrs, Hamburg 27.BAND - HEFT 2 April 1962 iR VERLAG PAUL PAREY . HAMBURG UND BERLIN gg POSTVERLAGSORT HAMBURG Inhalt Die Großsäugetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa. Von E. THENIUS .. .. .. .. 65 Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I. Von C. NAAKTGEBOREN und W.- VANDEN- DRIESSCHE el au la er a a ea wi ie u he lee A Be Pa Beobachtungen an der postcaninen Gingivalschwiele und der Wangenhaut der Kudu- Antilope, Tragelaphus strepsiceros (Parzas 1766). Von R. SCHNEIDER .. ... .. .. 110 | Natürliche Feinde und Parasiten der Schneemaus Microtus nivalis (Martins), 1942. Von H. KAHmann und.]J. HaLssEwachs .. ... 2.000 en Zum Gedenken an Prof. Dr. S. I. Ocnew. Von W.G. HIEPTNER .. 7... 12. 2 Scirikenshau | EP mr u u re A a I a Bekanintmachungen "..ı ... as lee we ab N ER ne Dieses Heft enthält 4 Beilagen des Verlages Paul Parey Die „Zeitschrift für Säugetierkunde“ veröffentlicht Origınalarbeıten auf dem Gesamtgebiet der Säugetierkunde, ferner Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der wichtigsten internationalen Literatur, kleine Mitteilungen und dıe Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde*, deren alleiniges Organ sıe gleichzeitig ist, Die Veröftentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung mit Zusammenfas- sung in allen drei Sprachen. Herausgeberschafl und Schriflleitung: Manuskriptsendungen sind zu richten an einen der Herren Herausgeber oder dırekt an die Schriftleiter: Frau Dr. Erna Mohr, Hamburg-Langenhorn 1, Krämerstieg 8 (Tel. 598586), oder Dr. Manfred Röhrs, Zoologisches Staatsinstitut, Hamburg, Von-Melle-Park 10 (Tel. 441971). Manuskripte: Es wird gebeten, die Manuskripte möglichst mit Schreibmaschıne und nur einseitig zu schreiben. Photographische Abbikdon vorlagen müssen so beschaffen sein, daß sie eıne kontrastreiche Vie ermög- lichen.: Von der Beıgabe umfangreicher Tabellen soll abgesehen werden. Alle dem Manuskript Unterlagen, wie Photographien, Zeichnungen, Tabellen, sollen auf der Rückseite mit dem Namen des Ver- fassers und dem Titel des Beitrages versehen seın. Bei Abbildungen aus bereits erfolgten: Veröffentlichungen ist eine genaue Quellenangabe erforderlih. Jeder Orıginalarbeit ıst eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in wenıgen Zeilen anzufügen. Mit der Übergabe des Manuskriptes überträgt der Verfasser dem Verlag Paul Parey das Recht, dıe Herstellung von photomechanıschen Vervielfältigungen in gewerblichen Un- ternehmen zum innerbetrieblichen Gebrauch nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Bucdh- handels und dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 zu genehmigen. Sonderdrucke: Anstelle einer Unkostenvergütung erhalten die Verfasser von Originalbeiträgen, Einzel- und Sam- melreferaten 50 unberechnete Sonderdrucke. Mehrbedarf steht gegen Berechnung zur Verfügung, jedoch muß die Bestellung spätestens mit der Rücksendung der Korrekturfahnen erfolgen. i Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, sind vorbehalten. Gewerblichen Unternehmen wird jedoch dıe Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Bei- trägen oder Beitragsteilen für den innerbetrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleihen { na Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deut- schen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vorgesehenen Gebühr bıs zu drei Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen haben eınen Vermerk über die er und den Vervielfältiger zu tragen, und dıe in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die Inkassostelle für Photokopiegebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgra- ben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkassostelle, so ist für jedes Photokopierblatt eine Marke im Betrag von 0,10 DM zu verwenden. Erscheinungsweise und Bezugspreis: Die Zeitschrift erscheint vierteliährlich; 4 Hefte bilden einen Band; jedes Heft umfaßt 4 Drucbogen. Der Abonnementspreis beträgt je Band 34,— DM zuzügl. amtl. Postgebühr. Das Abonnement verpflichtet zur Abnahme eınes ganzen Bandes. Es verlängert sıch stillschweigend, wenn nıcht unmittelbar nach Erhalt des letzten Heftes eines Bandes Abbestellung erfolgt. Einzelbezugspreis der Hefte: 10,80 DM. Die Zeitschrift kann bei jeder Buchhandlung oder beim Verlag Paul Parey, Hamburg 1, Spitaler- straße 12, bestellt werden. Die Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde* erhalten die Zeitschrift unberechner im Rah- men des Mitgliedsbeitrages. © Paul Parey, Hamburg und Berlin 1962 — Printed in Germany by C. Beckers Buchdrucerei, Uelzen Z. Säugetierkde. 27 (1962), H. 2, 65—128 eıliegenden Die Großsäugetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa Eine Übersicht! Von ErıcH THENIUS Eingang des Ms. 29. 4. 1961 Einleitung Die Kenntnis der Tierwelt des Pleistozäns ist nicht nur für den Paläontologen inter- essant und wichtig, sondern auch für den Zoologen, da die Eiszeit die der geologischen Gegenwart unmittelbar vorausgehende Epoche ist. Im folgenden wird eine Übersicht über die Großsäugetiere des mitteleuropäischen Pleistozäns gegeben?, wobei weniger stratigraphische Fragen diskutiert seien, als vielmehr eine zusammenfassende Dar- stellung unserer Kenntnis in faunistisch-phylogenetischer Hinsicht gegeben sei. Die Kenntnis der pleistozänen Säugetierfaunen Europas reicht bis in das Altertum zurück, doch begann die wissenschaftliche Erfassung und Erforschung erst mit dem Ende des 18. Jahrhunderts. Seither haben zahlreiche Autoren zur Mehrung unserer Kenntnisse beigetragen, die auch gegenwärtig durch neue Funde und Detailunter- suchungen ständig erweitert werden, so daß auch heute noch kein endgültig abgeschlos- senes Bild von den eiszeitlichen Großsäugetierfaunen gegeben werden kann. Dennoch kann gegenwärtig die Kenntnis der eiszeitlichen Großsäugetierfaunen als ın den Grund- zügen gesichert gelten. Die im folgenden gegebene Übersicht erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, berücksichtigt jedoch sämtliche wichtigen Arten. Die Abgrenzung und Gliederung des Pleistozäns erfolgt nicht einheitlich. Es wird daher im folgenden Abschnitt auf die wichtigsten Auffassungen hingewiesen. Als mitteleuropäischer Raum sind im wesentlichen Deutschland, Polen, die CSR und die Schweiz, Österreich und Ungarn verstanden, doch sind auch die westlichen Nachbargebiete Deutschlands berücksichtigt (Holland, Ostfrankreich). Es sind nicht so sehr die politischen Grenzen wichtig, als vielmehr die tiergeographisch bedeutsamen, die zu den faunistischen Verschiedenheiten des mittel- und west- bzw. südeuropäischen Raumes führten (vergl. auch D. Janossy 1961). Abgrenzung und Gliederung des Pleistozäns Das Pleistozän (= Diluvium oder Eiszeit) ist der ältere Abschnitt des Quartärs. Wie der durch K. ScHiMmPER ım Jahre 1837 erstmalig verwendete Begriff Eiszeit ver- muten läßt, waren während des Pleistozäns weite Gebiete vereist. Nach den Ver- 1 Vortrag, gehalten vor der Jahresversammlung der deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde in Gießen am 4. Oktober 1960. ?2 Über die Kleinsäuger s. D. Janossy (1961). Eine Auswahl der wichtigsten Großsäuger ist bei H. D. Kauıke (1955) in Wort und Bild behandelt. saalT Telalıif | SMIIHSUNAN ante Tifiang 66 E. Thenins eisungsspuren auf dem Festland (Moränen, Gletscherschliffe etc. im vereisten Gebiet; Flußterrassen, Lösse, Kryoturbationserscheinungen und dgl. im periglazialen Gebiet) lassen sich mehrere Eishochstände (= Kaltzeiten), die mit Warmzeiten wechselten, unterscheiden. Diesem mehrfachen Wechsel von Warm- und Kaltzeiten entsprache: isostatisch bedingte Meeresspiegelschwankungen?, die gegenwärtig als Meeresterrassen (= thalassostatische Terrassen im Gegensatz zu den Flußterrassen) an den Küsten der Kontinente feststellbar sind. „Eiszeiten sind Zeiten der Regressionen, Zwischeneiszeiten solche der Transgressionen“ (A. PEnck 1936). | Die Gliederung der eiszeitlichen Ablagerungen nahm von den vereisten Gebieten (z. B. Alpen) ihren Ausgang (vgl. A. PEnck und E. BRÜCKNER 1909), indem im Alpen- vorland Gletscherwälle von mindestens vier getrennten Eisvorstößen unterschieden wurden (Günz, Mindel, Riss und Würm; benannt nach Flüssen im bayerischen Alpen- vorland). Eine derartige, nur auf anorganischen Kriterien beruhende Gliederung läßt sich nur lokal verwenden. Es ist daher verständlich, daß im außeralpinen Gebiet weitere Gliederungsversuche durchgeführt wurden, die mangels einer Verknüpfungs- möglichkeit mit den alpinen Eisvorstößen zu einer eigenen Nomenklatur führten. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aus der nur stellenweise möglichen Verbindung derartiger eiszeitlicher Ablagerungen mit rein marinen (Terrassen-) Bildungen, so daß auch hier eigene Namen Eingang in das Schrifttum fanden (z. B. Elster-, Saale- [+ Warthe-], Weichsel-Eiszeit in Norddeutschland; Praetiglien, Eburonien, Menapien, Drenthien und Tubantien für die Kaltzeiten bzw. Tiglien, Waalien, Cromerien, Hoxnien und Eemien für Warmzeiten ın den Niederlanden; Aktschagyl-, Apscheron-, Dnjepr-, Moskau-, Kalinin- und Östaschkov-Kaltzeit für die UdSSR; Villanyium, Biharium, Mosbachium etc. für wirbeltierführende Ablagerungen in Mitteleuropa usf., vgl. M. KreTzoı 1956, VAN DER VLERK 1959, P. WoLDsTEDT 1958, W. Zacwıjn 1959). Um dieser Fülle von Lokalnamen auszuweichen, wird verschiedentlich die Be- zeichnung letzte, vorletzte, vorvorletzte und früheste Eiszeit (Last Glaciation etc.) verwendet (s. F. E. ZEUNER 1959). Diese grundsätzlichen Schwierigkeiten in der Parallelisierung eiszeitlicher Ablage- rungen räumlich entfernter Gebiete sind vorwiegend methodisch bedingt, indem zur- Gliederung nur anorganische, wiederholbare Vorgänge an Stelle organischer nicht um- kehrbarer Entwicklungsvorgänge — also nicht etwa durch bloße Wanderungen ver- ursachte Faunenverschiedenheiten — herangezogen wurden. Von diesem Gesichtspunkt aus wird die mangelnde Parallelisierung eiszeitlicher Ablagerungen und da besonders der einzelnen Kaltzeiten verständlich, wie überhaupt die Unterscheidung eines rich- tigen „Glazials“ von einer Kälteschwankung bzw. eines „Interglazials“ von einem „Interstadial“ sehr problematisch ist. In Zusammenhang damit wird auch die Paralleli- sierung wichtiger Wirbeltierfundstellen nicht einheitlich vorgenommen. Teilweise sind diese Differenzen in der Auffassung materialbedingt, indem von manchen Fundplätzen nur Makro- von manchen jedoch nur Mikromammalia vorliegen (vgl. Faunen des jüngeren Villafranchium und des älteren Cromerium; s. dazu etwa W. ©. DIETRICH 1953 und M. Krerzoı 1956). Abgesehen davon, erfolgt jedoch auch die Großgliederung des Pleistozäns durch- aus nicht einheitlich, indem einerseits ein Ältest-, Alt-, Mittel- und Jung-Pleistozän bzw. ein Ältest-, Alt- und Jungpleistozän oder ein Lower, Middle und Upper Plei- stocene unterschieden wird, wobei die Grenzen nur teilweise zusammenfallen (s. Ta- belle I). Im weiteren Text seien diese Bezeichnungen auch hier benützt, da infolge der wechselnden und umstrittenen Synchronisierung der Kalt- und Warmzeiten die Ver- 3 Durch Bindung von Wasser in Form von Eiskappen an den Polen bzw. Gletschermassen auf den vereisten Kontinentalgebieten. Die Großsäugetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa 67 Tabelle I Übersicht über die wechselnde Großgliederung des Pleistozäns im Schrifttum | | Deutsche N Warm- INQUA -Kongreß > P. WoLDSTEDT B. KurTen : : ) Quartärgeologen ae 5 St und Kaltzeiten Leningrad 1932 Gel J Eos 1250) 1958 1960 W Jung- Jung- Jung- Upper R/W Pleistozän Pleistozän Pleistozän Pleistocene R Mittel- Mittel- M/R Pleistozän Pleistozän SEES | Mittel- M Alt- Alt- Pleistozän Middle G/M Pleistozän Pleistozän Pleistocene G Warm- Pliozän Altest- Alt- Lower und Pleistozän Pleistozän Pleistocene Kalt- zeiten vor Günz wendung von konventionellen Namen wie Günz, Mindel, Riss und Würm nur irre- führend wäre. Es sei daher nur von Ältest-, Alt-, Mittel- und Jungpleistozän ge- sprochen, obzwar vom faunistischen Standpunkt aus eher die Dreiteilung (Ältest-, Alt- und Jungpleistozän) gerechtfertigt wäre. Die zeitliche Einstufung der wichtigsten Wirbeltierfundstellen geht aus Tabelle II hervor. Weitere Schwierigkeiten für die Chronologie des Pleistozäns ergaben sich jedoch aus der Feststellung, daß die Säugetierfaunen keinen deutlichen mehrfachen Wechsel' von Warm- und Kaltzeiten® erkennen lassen. Dies führte verschiedentlich zur An- nahme des Mono- bzw. auch Biglazialismus (s. TH. Kormos, V. GROMOVA etc.), dem heute nur mehr historische Bedeutung zukommt. Wichtig ist, daß das sogenannte Präglazial (im Sinne von TH. Kormos) praktisch das gesamte Prä-Würm umfaßt. Dazu kommt ferner, daß die untere Grenze des Pleistozäns, also die Tertiär-Quartär- oder Plio-Pleistozängrenze im Schrifttum auch nicht ganz einheitlich gezogen wird. Seit dem Jahre 1948 (Internationaler Geologen-Kongreß in London) wird jedoch allgemein das sog. Villafranchium (= Oberpliozän der älteren Literatur) als basale Stufe (= Altestpleistozän = Early Pleistocene) dem Pleistozän zugerechnet (s. P. Woıpstept 1948, F. E. ZEunER 1950). Diese neuerdings gehandhabte Grenzziehung ist jedenfalls durch die Feststellung notwendig geworden, daß die ersten arktischen Elemente in der Molluskenfauna im Mittelmeergebiet bereits mit dem Beginn des Villafranchiano auftreten, d. h. sich Anzeichen einer Klimaverschlechterung deutlich bemerkbar machen, die jedoch nicht mit der Günz-Kaltzeit parallelisiert werden kann, sondern älter ist. Wie allerdings weitere vergleichende Untersuchungen an nichtmarinen und marinen Ablagerungen gezeigt haben, deckt sich die nach Pollen (kontinentale Ablagerungen) gezogene Plio-Pleistozängrenze nicht mit der nach Foraminiferen * Vergl. jedoch dazu B. Kurrt£n 1960 a, der Klimaschwankungen im älteren Pleistozän an Hand von Hamster- und Hermelin-Populationen nachweist. 5 An Stelle von Eis- (= Glazial) und Zwischeneiszeit (= Interglazial) seien hier die treften deren Bezeichnungen Kalt- und Warmzeiten verwendet. 68 E. Thenius (marine Ablagerungen) gelegten, obwohl beide unabhängig voneinander mit einer Temperaturverschlechterung und ihren Folgen arbeiten. Dasselbe gilt auch für das erste Auftreten von nordischen Elementen unter den Säugetieren (Ovibos, Rangifer), das zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt (z. B. Suessenborn vgl. Tabelle II) erfolgt als jenes arktischer Mollusken bzw. Foraminiferen im Nordsee- und Mittelmeergebiet. Durch die Einbeziehung des Villafranchiano zum Pleistozän läßt sich jedoch die Plio-Pleistozängrenze mit dem ersten Auftreten einiger charakteristischer Säugetiergat- tungen (Archidiskodon, Leptobos und „Equus“; s. Tu. Fuchs 1879, E. Hauc 1911, Tabelle II Wichtige pleistozäne Wirbeltierfundstellen Mitteleuropas! er Deutschland, Holland, Frankreich en Jung- | Teufelslucke b. Eggenburg, Plesstor: Keßlerloch b. Thayingen en Schweizersbild, Balcarova Skala Lindenthaler Hyänen-Höhle Pilisszantö, Puskaporos Westeregeln Merkensteiner H., Pavlov (Pollau) Roter Berg b. Saalfeld Istallöskö Rixdorf Slouper- und Vypustek-Höhle Willendorf, Predmöst Hermann- und Szeleta-Höhle Sipka-Höhle Cotencher, Subalyuk Salzgitter-Lebenstedt St. Brais Repolust-Höhle Taubach-Ehringsdorf Bohunice bei Brünn Mittel- Achenheim (p. p.) - Pletorin Steinheim a. d. Murr Heppenloch Alt- Achenheim (p. p.) Wien-Laaerberg Plestossn Mosbach (Haupt-F.) Hundsheim Voigtstedt, Erpfingen (Steinbruch) Höhle C 718 bei Koneprusy Mauer, Frankenbach Stranska Skala Jockgrim, Mosbach (ält. F.) Süssenborn, Eberbach Gombasek (=Gombaszög) Goldshöfener Sande Villany, Csarnota ki Sy Beremend Altest- Erpfingen (Höhle) Podlesice bei Kroczyce Pleistozän Tegelen Rippersroda Senning bei Stockerau Ilm Sülzfeld, Jüchsen Budapest-Köbanya EN EN ans ne Jung- Wölfersheim Weze, Hajnacka Pliozän Ivanovce ! Fundorte mit ausgesprochenen Kleinsäugerfaunen nicht berücksichtigt. Zusam- mengestellt unter Verwendung von Publikationen von K. D. Apam, W. ©. DIET- RICH, ©. FEJFAR, F. HELLER, K. HEscHELER und E. Kuhn, H. D. Kauıke, K. Ro- WALSKI, M. KRETZOI, U. LEHMANN, M. MoTTL, R. Musır, H. G. STEHLIN. Die Großsäungetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa 69 W. D. Matthew 1929, E. H. CoLserr 1935, H. L. Movıus 1949, A. Parp und E. THEnıus 1949) fassen, die im Villafranchiano (= terrestrisches Äquivalent des marinen Calabriano) vorkommen. Damit ist zugleich eine fast weltweite Parallelisierung der Untergrenze des Pleistozäns auf faunistischer Basis gegeben. Das Auftreten der drei genannten Gattungen erfolgt allerdings nicht völlig gleichzeitig in Eurasien, indem Leptobos und „Equus“ in den Siwalikablagerungen erst in der Pinjor-Zone und damit etwas später als Archidiskodon, der bereits aus der Tatrot-Zone nachgewiesen ist, er- scheinen (s. D. A. Hoo1jEr und E. H. CoLßerT 1951). Dadurch ist die Untergrenze des Pleistozäns nicht nur als klimatische Grenze faß- bar, sondern faunistisch. Freilich läßt sich diese Grenze nur in landsäugetierführen- den, d.h. praktisch nur in kontinentalen Ablagerungen verfolgen. Für eine Gliederung des Pleistozäns sind marine Organismen (Foraminiferen etc.) infolge der kurzen Zeitdauer nicht verwendbar (vgl. van DER VLERK 1959). Einzig die Säugetiere — als geologisch junge Gruppe — lassen eine Gliederung auf evolu- tionistischer Basis und damit eine echte Biostratigraphie zu. Sie ist einerseits durch die Evolution autochthoner Elemente (z. B. Elephantiden, Rhinocerotiden, Ursiden, Cer- viden), andererseits durch den Zeitpunkt des ersten Auftretens von (in Europa) einge- wanderten Arten (z. B. Gattungen Bubalus, Bos, Coelodonta) gegeben, deren Evo- lution außerhalb Europas stattgefunden hatte. Dadurch ist jedoch nur eine Groß- gliederung (Ältest-, Alt-, Mittel- und Jung-Pleistozän) durchführbar. Eine feinere Stratifizierung pleistozäner Ablagerungen ist durch Großsäugetiere praktisch nicht möglich. Daher herrscht auch besonders über die feinere Gliederung (z. B. Würm- Kaltzeit mit zwei oder (?) drei Eisvorstößen und entsprechenden Interstadialen) auch gegenwärtig noch keine Einhelligkeit. Absolute Chronologie des Pleistozäns Angaben über die Gesamtdauer des Pleistozäns basieren fast ausschließlich auf der Strahlungskurve des serbischen Physikers M. MiLankovITcH (1920), der Klimaschwan- kungen aus Schwankungen im Empfang von Wärmeenergie von der Sonne ableitet, die von ihm auf Veränderungen der Erdbahn und der Umdrehungsachse zurückgeführt werden. Demnach wären seit Beginn der Günz-Kaltzeit 600000 Jahre vergangen. Wohl schienen die neuen Ergebnisse über die ozeanischen Temperaturschwankungen (Auswertung von Tiefseebohrkernen mit planktonischen Foraminiferen als Tempe- raturindikatoren; s. C. Emırıant 1955, 1958) die Ergebnisse von MILANKOVITCH zu bestätigen, doch gelangt C. EmıLiant (1956) für die seit dem Günz verflossene Zeit- spanne zu einer Dauer von nur 300000 Jahren. Aber selbst bei Anerkennung der von MILANKOVITCH gegebenen absoluten Werte wären diese für die Gesamtdauer des Plei- stozäns nicht verwendbar, da seither das Villafranchium dem Pleistozän angegliedert wurde. Die Anwendung von „radioaktiven Methoden“ (z. B. Kalium-Argon-Methode) ist für das Pleistozän nur schwer möglich, weil einerseits die Mengen radioaktiver Elemente zum Anteil an Verunreinigungen in keinem Verhältnis steht, andererseits nur wenig Eruptiva bekannt sind, deren Entstehen mit dem Vorrücken des Eises und damit mit einer bestimmten Kaltzeit in Zusammenhang zu bringen ist. Immerhin ha- ben die bisherigen Ergebnisse der Kalium-Argon-Datierungsmethode gezeigt, daß ® Die stets eine gewisse Übergangszeit voraussetzt, da der klimatische Umschwung und damit der Übergang in das Eiszeitalter nicht plötzlich, sondern nur allmählich erfolgte; ganz abge- sehen davon, daß eine rein auf klimatischen Faktoren begründete Grenzziehung für eine weltweite Parallelisierung kaum anwendbar ist. 70 E. Thenius sie Daten für den Bereich 50000 — 1000000 Jahre verschaffen kann. Nach EvERNDEN, Curtis und KıstLer (1958) ist durch die Kalıium-Argon-Methode zumindest eine größere Vergletscherung im Bereich der Rocky Mountains-und damit ein Eisvorstoß (Kaltzeit) vor wenigstens 900 000 Jahren nachgewiesen, so daß mit einer Mindest- dauer von 1000000 Jahren für das gesamte Pleistozän zu rechnen ist. B. KuRT£EN (1960) setzt die Plio-Pleistozängrenze auf Grund von vorläufigen absoluten Daten, kombiniert mit solchen, die aus der Evolutionsgeschwindigkeit bei Säugetieren und Mollusken berechnet wurden, mit 1300000 Jahren fest und dürfte damit der Wirk- lichkeit näher kommen, dürfte doch der Beginn des Pleistozäns, also des Villafran- chiano, noch früher anzusetzen sein. Die der letzten Phase der Elster-Kaltzeit gleichzusetzende Vergletscherung hätte vor 350000—400000 Jahren stattgefunden (s. EVERNDEN, CURTIS und KısTLer 1958; die richtige Parallelisierung der Terrassenschotter mit vulkanischen Tuffen mit der jüngsten Elsterphase vorausgesetzt). Mit der Radio-Karbon-Methode (C14-Methode) läßt sich nun die letzte Kaltzeit (Würm) erfassen, indem nur Proben untersucht werden können, die maximal nicht über 50000 Jahre zurückliegen (vgl. H. Gross 1958, K. J. Narr 1959). Ähnliches gilt für die Warven-Chronologie (Bändertonmethode), die nicht über 20000 Jahre und damit nicht über das Spätglazial hinausreicht (Abschmelzung der Eiskappe Nord- europas). Die genaue Kenntnis der Dauer des Pleistozäns wäre schon deshalb wesentlich, um exakte Angaben über die Evolutionsgeschwindigkeit (bei eiszeitlichen Säugetieren) machen zu können. Verglichen mit den jungtertiären Säugern ist jedenfalls die Evo- lutionsgeschwindigkeit außerordentlich gesteigert (vgl. B. Kurr£n 1960). Zur Großgliederung der Lebensräume in Mitteleuropa während des Pleistozäns Durch den Wechsel von Warm- und Kaltzeiten, der zur zeitweisen Vergletscherung weiter Gebiete führte und damit auch zu starken Meeresspiegelschwankungen, war der Landschaftscharakter während des Pleistozäns ebenfalls außerordentlich wechselnd. Zu Kaltzeiten beherrschten im periglazialen Gebiet Frostschuttundra, Waldsteppen, trockene und feuchte Lößtundra, Fjälltundra, borealer Nadelwald (Taiga), Kalt- und Warmsteppen sowie Halbwüsten und Mischwälder das Landschaftsbild Europas. Die Waldgrenze war dementsprechend um mehr als 1200 m abgesenkt bzw. weit nach Süden verschoben. In den Warmzeiten ermöglichten die günstigen Klimabedingungen die Existenz einer warmgemäßigten Flora mit wärmeliebenden Elementen, und die Waldgrenze war weit nach Norden verschoben (vgl. B. FRENZEL und C. Troır 1952). Der — vom geologischen Gesichtspunkt aus gesehen — in verhältnismäßig kurzen Zeitspannen vor sich gehende Wechsel von Warm- zu Kaltzeiten und umgekehrt, führte zu Faunenverschiebungen, die einerseits durch Arealerweiterungen bzw. -ver- engerungen (sog. „Wanderungen“), andererseits jedoch durch den phyletischen Art- wandel bzw. echtes Aussterben bedingt waren. Derartige Arealverschiebungen lassen sich besonders für die jungpleistozänen Steppenphasen feststellen, die zur Ausbreitung verschiedener Steppentiere (Saiga, Steppeniltis, Pferdespringer, Hamster, Blindmaus etc.) bis nach Mittel- und Westeuropa geführt haben. Ähnliche Arealverschiebungen führten im mittleren Pleistozän nicht nur zum Vorkommen von Wasserbüfteln in Mitteleuropa, sondern auch zum Einwandern von Ur (Bos primigenius) und Fellnas- horn (Coelodonta antiquitatis) aus Asien. Wie ein Vergleich mit den jungtertiären Säugetierfaunen zeigt, erfolgte im Plei- Die Großsängetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa Al stozän ein wesentlich rascherer Wechsel innerhalb der Großsäugetierfaunen und damit eine wesentlich raschere Evolution (vgl. S. 80). Es sei dies hier ausdrücklich betont, da auf Grund irriger Voraussetzungen über den phyletischen Artwandel während des Pleistozäns in zoologischen Kreisen darüber falsche Vorstellungen herrschen. Die Großsäugetiere des mitteleuropäischen Pleistozäns Als Großsäugetiere werden allgemein sämtliche Säuger mit Ausnahme der Insectivoren, Chiropteren, Rodentier und Lagomorphen bezeichnet. Es entspricht diese Fassung der Mikromammalia zwar nicht ganz den Gegebenheiten (vgl. Castoriden mit Trogon- therium; Hystriciden mit Hystrix unter den Nagern bzw. Mauswiesel und andere Kleinformen unter den Raubtieren), doch ist sie im Schrifttum gebräuchlich (vgl. D. Janossy 1961). Aus dem mitteleuropäischen Pleistozän konnten bisher Vertreter fol- gender Säugetierordnungen nachgewiesen werden’: Proboscidea, Perissodactyla, Ar- tiodactyla, Carnivora und Primates. Unter den Proboscidea waren Mastodonten und Elephantiden im Pleistozän Mitteleuropas vertreten. Die Dinotherien starben in Eu- ropa im ausgehenden Tertiär (Jungpliozän) aus, lebten jedoch in Afrika noch im Pleistozän (s. C. ArRAMBOURG 1947). Während die Mastodonten mit Anancus arver- nensis und Zygolophodon borsoni als Superstiten des Tertiärs im Ältestpleistozän (Villafranchium) ausstarben, waren die Elefanten durch Archidiskodon meridionalis® im Ältestpleistozän, Palaeoloxodon antiguus und Mammonteus trogontheri ım Alt- und Mittelpleistozän und Mammonteus primigenius im Mittel- und Jungpleistozän verbreitet. Palaeoloxodon antiguus und Mammonteus trogontheriü, beide Nachkom- men von Archidiskodon meridionalis, unterscheiden sich auch ökologisch weitgehend (P. antigquus vorwiegend Waldbewohner, M. trogontherii hauptsächlich Steppenbe- wohner). Mammonteus primigenius, der aus M. trogontherii hervorging, starb mit der Unterart M. primigenius sibiricus zur Allerödschwankung (ca. 10000 vor der Zeit- wende) aus (vgl. N. PoLurtorr 1955). Palaeoloxodon antiguus verschwindet aus Mit- teleuropa mit der letzten Warmzeit (Riss/Würm-Interglazial), lebte jedoch in Süd- europa noch während der Würmzeit (vgl. M. Crusaront 1960). Von den artenreich vertretenen Perissodactylen waren im Pleistozän die Rhino- cerotiden, Equiden und Tapiriden vertreten. Chalicotheriidae konnten bisher aus dem europäischen Quartär nicht nachgewiesen werden, existierten jedoch noch im afri- kanischen Pleistozän (s. W. ©. Dietrich 1942). Während die Tapiriden mit dem Altestpleistozän (Sülzfeld, Jüchsen) ausstarben, existierten die Rhinocerotiden bis zum Ende des Jungpleistozäns. Von den im Tertiär in Europa nachgewiesenen Stämmen ist nur der Dicerorhinus-Stamm vorhanden, der durch Dicerorhinus megarhinus über D. etruscus des Ältest- und Altpleistozäns zu D. kirchbergensis bzw. D. hemitoechus des Mittel- und Jungpleistozäns führt. D. kirchbergensis(= D. „mercki“ = Merck’sches Nashorn) und D. hemitoechus verhalten sich in ökologischer Hinsicht ähnlich Palaeo- loxodon antiguus und Mammonteus trogontheri, indem ersteres die Wald-, letzteres die Steppenform darstellt. Während D. hemitoechus im Mittelpleistozän ausstirbt, hält sich D. kirchbergensis in Mitteleuropa bis ins Riss/Würm-Interglazial, in Südeuropa bis in die beginnende Würm-Zeit. Coelodonta antiquitatis als „Zuwanderer“ aus Asien ? Die Cetaceen sind in diesem Rahmen nicht berücksichtigt, wie auch auf die Pinnipedia hier nicht eingegangen sei; Pholidota (Manidae) konnten entgegen der Angabe von TH. Kor- Mos (1937) bisher aus dem mitteleuropäischen Pleistozän nicht nachgewiesen werden (s. M. Krerzoı 1956, B. Kurt£n 1960) 8 A. planifrons ist bisher nur aus Indien nachgewiesen (s. S. Scmaus 1948). 72 E. Thenius Nyctereufes megamasloides Kann => nl, 7 SR I ra Dannonictis pliocaenica Ursus efruscus Camelus bessarabienss Fucladoceros dieranius Gazellospira forticornis Procamptoceras brivatense Allohippus stenonis wa Euctenoceros senezensis Dolichopithecus er arvernensis Anancus arvernensis Archidiskodon Tapirus arvernensis meridionalis Abb. 1. Wichtige Großsäugetiere des Ältestpleistozäns von Mitteleuropa. Sämtliche Rekon- struktionen im gleichen Größenverhältnis. Von den 22 dargestellten Arten gehört die Hälite ausgestorbenen Gattungen (Anancus, Archidiskodon, Allohippus, Eucladoceros, Euctenoceros, Libralces, Gazellospira, Procamptoceras, Leptobos, Pannonictis und Dolichopithecus) an. Keine rezente Art vorhanden (Original) im Mittelpleistozän erstmalig in Europa auftretend, stirbt am Ende des Jungpleisto- zäns aus. Einzelne Funde belegen die Existenz des Elasmotherium-Stammes im älteren Pleistozän. Unter den Equiden lassen sich zebrine, asinide, hemionide und caballine Einhufer unterscheiden. Die geologisch ältesten Equiden gehören dem Equus (Allohippus) ste- nonis-Formenkreis an, deren Vertreter zahlreiche zebrine Merkmale besitzen. Der ud ER N Ei ua a Ab medit er- Acinonyx intermedius Ada raneus Hl Gn 7 AM, unse, z A 7 Gulo en OT Ei a mos- bachensis / AB Soergelia elisabelhae Megaceros\\j giganleus anlecedens ) nn RS 5 mm >) ihn, ED a) er mr In N \ ; be iv Hemitragus stehlinı Alces latifrons Orthogonoceros verlicornis yfı Y BL Dolichodoryceros suessen- x Mammonteus trogontherii bornensis Palaeoloxoden antiquus Abb. 2. Wichtige Großsäugetiere des Alt- und Mittelpleistozäns von Mitteleuropa. Sämtliche Arten im gleichen Größenverhältnis. Von den 27 Arten gehören 7 ausgestorbenen Gattungen (Palaeoloxodon, Mammonteus, Orthogonoceros, Dolichodoryceros, Megaceros, Soergelia und Homotherium) an. Sieben rezente Arten, die jedoch subspezifisch von den lebenden Formen verschieden sind. Die restlichen Arten gehören sämtlich ausgestorbenen Spezies an (Original) 74 E. Thenius zebrine Stamm, zu dem auch Eguus sanmeniensis. und E. sivalensis aus dem asiatischen Pleistozän gehören, verschwindet mit E. süssenbornensis im Altpleistozän aus Europa. Daneben traten bereits im Ältestpleistozän (nach H. G. STEHLIN) auch asinide Equiden auf. Primitive caballine Einhufer sind durch Eguus bressanus (= „Macrohippus ro- bustus“ = Equus stenonis major BouLE) ebenfalls schon im Villafranchium nachge- wiesen (vgl. dazu J. VırEer 1954, M. Kretzor 1954). Equus mosbachensis des Alt- pleistozäns ist ein ausgesprochen caballines, schweres Pferd. Ähnlich schwere Pferde sind auch aus dem Jungpleistozän bekanntgeworden (Equus abeli; s. ©. ANTONIUS 1914, M. MoTTL 1940). Neben diesen schweren Pferden existierten mittelschwere Pferde im mittleren und jüngeren Pleistozän, die unter zahlreichen Artnamen (E. stein- heimensis, E. taubachensis, E. „germanicus“ = E. remagenensis etc.) beschrieben wur- den. Aus dem jüngeren Pleistozän ist auch Equus przewalskii nachgewiesen (vgl. U. LEHMANN 1954). Vom älteren Pleistozän bis zum Neolithikum waren Wildesel in Europa zeitweise heimisch (Eguus [Asinus] hydruntinus; s. H. G. STEHLIN und P. Grazıosı 1935, S. Bököny 1954), und auch Pferdeesel (Hemionus) sind aus dem Jung- diluvium bekannt geworden (s. W. ©. DIETRICH 1959). Von den gleichfalls artenreich vertretenen Artiodactylen konnten bisher Suiden, Hippopotamiden, Cameliden, Cerviden und Boviden nachgewiesen werden®. Die Suiden sind durch Ss strozzi im Ältestpleistozän und durch Ss scrofa seit dem Alt- pleistozän (S. scrofa priscus) vertreten. Reste von Sus scrofa finden sich nur in warm- zeitlichen Ablagerungen. Ähnliches gilt für die Hippopotamiden, die mit Hippopo- tamus antiguus aus warmzeitlichen Sedimenten des Ältest- und Altquartärs bekannt geworden sind!P. Besonders häufig sind Flußpferdreste im Rheintal (z. B. Jockgrim, Mosbach; s. S. E. Kuss 1957). Aus dem Altpleistozän Ungarns liegen neuerdings gleichfalls Flußpferdreste vor (Mitt. von D. Janossy). Cameliden sind aus Mittel- europa bisher nur aus dem Ältestpleistozän von Ungarn (Kisläng und Ercsi; s. M. KrRET- zoı 1954) bekannt geworden, waren jedoch in Südosteuropa verbreitet. Dafür waren die Cerviden außerordentlich artenreich vertreten!!. Außer den auch gegenwärtig noch in Europa lebenden Stämmen existierten im Pleistozän etliche, heute ausgestor- bene Gruppen. Es sind dies die als Eucladoceros und Euctenoceros aus dem Villa- franchium, Orthogonoceros und Dolichodoryceros aus dem älteren Pleistozän be- schriebenen Gattungen sowie Megaloceros des älteren bis jüngeren Diluviums. Außer diesen Gattungen sind aus dem Villafranchium noch kleine geweihtragende Cerviden bekannt geworden, die seinerzeit mit Axis bzw. Rusa in Verbindung gebracht wurden, jedoch einem eigenen ausgestorbenen Seitenzweig angehörten (z. B. „Cervus“ philisi; s. S. ScHaug 1941, U. LEHMANN 1957). Möglicherweise gehört „Cervus“ elaphoides (KAHLke 1960) aus dem Altquartär von Mosbach zu diesem Formenkreis. Orthogonoceros und Dolichodoryceros sind für das ältere Pleistozän kennzeich- nend. Ursprünglich als echte Riesenhirsche (Gattung Megaloceros) angesehen, konnte H. D. Kanıke (1956) zeigen, daß es sich um große Hirsche mit Schaufel- (O. verti- cornis) bzw. Stangengeweih (D. süssenbornensis) handelt, die im mittleren Pleistozän verschwunden sind bzw. von Megaloceros abgelöst werden. Die echten Riesenhirsche sind durch Megaloceros giganteus antecedens im mittleren (Steinheim a. d. Murr) und M. gig. gigantens im jüngeren Pleistozän nachgewiesen (s. F. BERCKHEMER 1941). 9 Giraffidae (z. B. Sivatherium) sind bisher aus dem mitteleuropäischen Pleistozän nicht be- kannt geworden, wurden jedoch aus Südosteuropa beschrieben (s. ©. Ageı 1904). 10 Der von der Arsenalterrasse in Wien beschriebene Zahn von Hippopotamus pentlandi ist sicher verschleppt und stammt aus dem Mittelmeergebiet (s. E. THenıus, F. Horer und A. PrEIsınGER 1959). Hingegen liegt nach R. Derm (mündl. Mitt.) von Dürnkrut (NO.) ein Hippopotamus-Zahn vor. 11 Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, daß zahlreiche „Arten“ einzuziehen sind, wie erst kürzlich H. D. KAHıke (1956) gezeigt hat. 107 A 7 N N u us arclos Cuon alpinus europaeus Lufra lufra N) rast SPAREG Felis silvestris ut De SR: 3 Fon RER Mh Mn x N Br \ Se s Sus scrofa Capreolus capreolus Sell, PS AM DE 1% ’ h = A Rangifer tarandus ; ur A SUOLET 8 - is ; Ent; ae . ‚| EIS ZEN en = / " A“ en, nn / e Ä Zero,“ A LTE wi \ Mammonteus Cervus elaphus ssp. Saiga tafarica Coelodonta antiquitafis primigenius Abb. 3. Wichtige Großsäugetiere des Jungpleistozäns von Mitteleuropa. Sämtliche Arten im gleichen Größenverhältnis. Von den 32 Arten gehören nur 3 ausgestorbenen Gattungen (Mam- monteus, Coelodonta und Megaceros) an. 9 "ausgestorbenen Arten stehen 23 rezente Arten gegenüber (Original) 76 E. Thenius M. gig. giganteus starb als Bewohner der offenen Landschaft mit der Allerödschwan- kung aus. Rangıfer tritt erstmalig im älteren Pleistozän (z. B. Süssenborn) auf (s. W. SoERGEL 1941). Es handelt sich um Reste von Tundrarenern. Im Jungpleistozän ist R. tarandus häufig und verschwindet im Mesolıthikum aus Mitteleuropa. Dam- hirsche werden im Schrifttum bereits aus dem Villafranchium („Dama“nestii) sıgnali- siert, doch sind nach TH. HALTENORTH (1959) sicher auf Dama zu beziehende Reste erst aus dem Mittelpleistozän bekannt geworden. Dama dama verschwindet mit der letzten großen Warmzeit (Riss/Würm-Interglazial) aus Mitteleuropa. HALTENORTH (1959) sieht in Cervus nestii des Ältestpleistozäns einen Vertreter der Sika-Hirsche. Rothirsche sind durch kronenlose Arten (Cervas acoronatus) ım Altpleistozän nach- gewiesen. Sie können nach W. O. Dietrich (1938) auf Cervus (Metacervocerus) sp. des Villafranchıum zurückgeführt werden. Echte Kronenhirsche erscheinen erstmalig im jüngsten Altquartär (Cervus elaphus angulatus von Hundsheim). Im Jungpleistozän war eine große Rothirschform (Cervus elaphus primigenü; vgl. F. HELLER, 1956) verbreitet. Rehe sind im älteren Pleistozän durch die großwüchsige Form Capreolas süssenbornensis (= C. priscus SOERGEL) vertreten, das seinerzeit mit Capreolus pygar- gus in Verbindung gebracht wurde. Aus dem Jungpleistozän ist C. capreolas nachge- wiesen. Die „Capreolus“-Formen des Jungpleistozäns und Ältestquartärs Südeuropas sind keine Rehe, sondern Muntjakhirsche. Elche waren das ganze Pleistozän hindurch in Mitteleuropa heimisch. Ursprünglich waren es Steppenformen mit weit ausladendem Schaufelgeweih (Libralces gallicus im AÄltestpleistozän; Alces latifrons im Alt- und Mittelpleistozän; Alces alces im Jungpleistozän). Von den Boviden sind aus dem Pleistozän Mitteleuropas verschiedene Gruppen beschrieben worden: Antilopen, Gemsenartige, Moschusochsen, Schafe, Ziegen und Wildrinder. Gazellen sind bisher nur aus dem Villafranchıum des südlicheren Europa bekannt geworden. Die ebenfalls auf das Villafranchium beschränkte Gazellospira torticornis aus der Verwandtschaft der Hirschziegenantilope konnte dagegen auch aus Mitteleuropa nachgewiesen werden (s. G. E. PıLcrım & ScHausg, 1939, U. LeH- MANN 1957). Demgegenüber tritt dıe Saigaantılope (Saiga tatarıca) nur ım Jung- pleistozän auf und war damals bis nach Südfrankreich verbreitet. Formenreich war die Gruppe der Gemsenartigen entwickelt, die in verschiedenen Arten aus dem euro- päischen Pleistozän beschrieben wurden. Aus Mitteleuropa sind jedoch nur Pro- camptoceros brivatense im Villafranchium und Rupicapra rupicapra ım Jungpleisto- zän zu erwähnen. Nemorhedus und die ausgestorbene Gattung Myotragus sınd bisher nur aus dem Mittelmeergebiet beschrieben worden. Deperetia ardea des Ältestpleisto- zäns ıst ein Bovide, dessen systematische Stellung noch nicht geklärt ist. Moschus- ochsen sind durch Praeovibos priscus bzw. P. schmidtgeni und Ovibos moschatus erst- malıg im älteren Pleistozän vertreten. Im Jungpleistozän ist Ovibos moschatus in Mit- teleuropa verbreitet gewesen (s. W. SOERGEL 1942, K. HESCHELER und E. KuHnn 1949). Schafe sind durch Megalovis latıfrons ım Ältestauartär belegt (s. U. LEHMANN 1957). Aus dem (?Jung-) Pleistozän wurden gelegentlich Reste von Ovis signalisiert (vgl. F. Herzer 1956 etc.; nach freundlicher Mitteilung von D. Janossy liegen Ovis ammon-ähnliche Funde aus dem Pleistozän Ungarns vor). Mit Soergelia elisabethae ist ein weiterer ausgestorbener Bovide des Ältestpleistozäns aus der Verwandtschaft der Caprovinen angeführt (s. S. ScHaug 1951). Wildziegen sind durch dıe Gattungen Capra (Capra camburgensis im Mittel- und C. ibex ım Jung-Pleistozän) und Hemi- tragus (H. cf. bonali im ältesten und A. stehlini im älteren Pleistozän) in Mitteleuropa vertreten. Die durch ©. SIckENBERG (1930) aus Schleinbach (NO.) beschriebene Capra „prisca“ stammt nicht aus dem Pleistozän, sondern beruht auf einem prähistorischen Hausziegenrest (s. E. THENIUs 1961 a). Unter den Wildrindern ıst die Gattung Lep- tobos (und ? Parabos) für das Villafranchium charakteristisch (Z. etruscus von Kis- lang). Bisonten sind seit dem ältesten Pleistozän in Mitteleuropa belegt. (B. schoeten- Die Großsäugetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa TUT. sacki im älteren, B. priscus vom älteren bis zum jüngeren Pleistozän). Demgegenüber konnten Wasserbüffel nur aus der großen Warmzeit (Mindel/Riss-Interglazial) nach- gewiesen werden (Bubalus murrensis von Steinheim etc.). Auch Bos ist mit B. primi- genius als Zuwanderer im mittleren Pleistozän anzusehen; B. primigenius war im Jungpleistozän verbreitet. Die durch die Caniden, Ursiden, Ailuriden, Musteliden, Viverriden, Hyaenıden, Feliden und Machairodontiden nachgewiesenen Carnivoren sind — ähnlich den Paar- hufern — ebenfalls in zahlreichen Arten aus dem Pleistozän bekannt geworden. Unter den Caniden sind echte Wölfe, Rotwölfe, (?) Hyänenhunde, Schakale, Marderhunde und Füchse vertreten. Von den Wölfen ist Canis etruscus (einschließlich C. olivolanus und C. majori) aus dem Villafranchium, C. lupus mosbachensis aus dem älteren und (?) jüngeren Pleistozän und C. lzpus aus dem Jungpleistozän zu erwähnen. Die Rot- wölfe sind aus Mitteleuropa durch Cuon alpinus priscus im älteren, C. a. fossilis im mittleren und C. a. europaeus im jüngeren Pleistozän nachgewiesen (s. E. THENIUS 1954, K. D. Anam 1959). Mit Cuon alpinus enropaeus verschwinden die Rotwölfe aus Europa. Das Vorkommen von Hyänenhunden ist nicht gesichert (? Lycaon lycaonoides aus dem Altquartär von Gombasek!?). Schakale sind aus dem mitteleuropäischen Jung- pleistozän beschrieben worden (vgl. M. Morrr 1940). Marderhunde kennt man bisher nur aus dem Villafranchium bzw. älteren Cromerium Europas (Nyctereutes mega- mastoides = Cerdocyon petenyii; vgl. J. VırET 1954). Vulpes alopecoides des Villa- franchium, der als Vorfahr von V. vulpes betrachtet wird, ist bisher aus Mitteleuropa noch nicht nachgewiesen worden. Mit Vulpes praecorsac und Alopex praeglacialis sind Vorläufer des V. corsac und A. lagopus aus dem älteren Pleistozän belegt, die im Jung- pleistozän Mitteleuropas neben V. v. vulpes vorkamen. V. vulpes läßt sich bis ın das Altquartär zurückverfolgen. Vulpes „meridionalis“ und V. „moravicus“ WOLDRICH aus dem tschechoslowakischen Jungpleistozän gehören nach H. G. SYEHLIN (1933) vermutlich zu Alopex lagopus. Die Ursiden sind durch den Braunbärenstamm, mit Ursus etruscus (Villafranchium), U. deningeri (Altpleistozän) und U. spelaeus sowie U. arctos (Mittel- und Jungpleistozän) und durch Schwarzbären (Ursus [Euarctos] thibetanus mediterranus-„Plionarctos stehlini“) im älteren und mittleren Pleistozän vertreten. Der Höhlenbär (Ursus spelaeus) stirbt mit dem ausgehenden Jungpleistozän aus. Die gleichzeitig lebenden Braunbären waren unterartlich (Ursus arctos priscus) von den heutigen mitteleuropäischen Braunbären verschieden. Katzenbären (Parailurus anglicus = hungaricus) sind nur aus dem Villafranchium bekannt geworden. Formen- reich entwickelt sind die Musteliden, von denen Dachse, echte Marder, Wiesel und Iltisse, Vielfraß und Fischottern vorliegen. Der Meles-Stamm ist durch Meles meles atavus ım älteren und M. m. meles im jüngeren Pleistozän vertretent3. Echte Marder sind seit dem Altpleistozän mit Martes martes (jedoch nur sehr selten) nachgewiesen. Mustela ist durch M. palerminea und M. praenivalis aus dem ältesten bzw. dem älteren Pleistozän, durch M. vulgaris (= M. nivalis) aus dem Alt- und Jungpleistozän sowie durch M. erminea aus dem Jungpleistozän beschrieben worden. Auch Putorius ist mit P. stromeri im älteren und P. putorius im jüngeren Pleistozän bekannt. Das Vorkommen von Nerzen („Gattung“ Lutreola) ist fraglich (vgl. M. Mor 1940). Außer diesen rezenten Gattungen sind aus dem Villafranchium und dem Altpleistozän auch ausgestorbene Genera beschrieben worden (Pannonictis mit P. pliocaenica und Enhy- drictis mit E. ardea (= Pannonictis [„Xenictis“] pilgrimi = Proputorius olivolanus), die Beziehung zu den südamerikanischen Grisoninae aufweisen sowie Bandiltisse 1? „Lycaon anglicus“ von der Breitenfurter Höhle (s. F. HrıLer 1956) ist ein aberranter Canis lupus. N Meles thorali des Villafranchium konnte bisher nicht aus Mitteleuropa nachgewiesen wer- en. 78 E. Thenius ee = 2 N Bar 0 u PP 37 ) ‚au a (0 Ef MMeles meles a Felis silvestris ao > i Lutra lutra zes Lynx lynx EI I arctos FD I | MMartes martes Capreolus capreolus ur Sus scrofa Cervus elaphus Bison bonasus Alces alces Abb. 4. Die wichtigsten Großsäugetiere des Holozäns von Mitteleuropa. Sämtliche Arten im gleichen Größenverhältnis. Durch den Menschen eingebürgerte Säugetiere nicht berücksichtigt. Kleinmarder aus technischen Gründen vernachlässigt. Von den 16 Arten ist nur eine (Bos Drimigenius) ausgestorben. Gegenüber dem Jungpleistozän stark verarmte Fauna Baranogale mit B. helbingi (= „Zorilla fossilis“ und Pliovormela mit P. beremendensis aus der Verwandtschaft von Vormela peregusna), die jedoch bereits im mittleren Plei- stozän ausgestorben waren. Von den Bandiltissen ist Vormela petenyi aus dem jüngeren Villafranchium zu erwähnen. Der Gulo-Stamm, der sich bis ins Pliozän zurückverfol- gen läßt, ıst durch Gulo schlosseri aus dem ältesten und älteren Pleistozän, durch G. gulo aus dem Jungpleistozän belegt. Fischottern sind durch Zutra cfr. bravardi, L. euxena ım ältesten bzw. älteren, durch /. /ztra seit dem Altpleistozän nachgewiesen. Außerdem wird noch Cyrnaonyx antigua aus dem jüngeren Quartär angeführt (s. H Heısıng 1935; z. B. Roter Berg bei Saalfeld in Thüringen). Viverriden sind bisher aus dem mitteleuropäischen Pleistozän nicht beschrieben worden. Dafür sind mehrere Arten von Hyänen aus verschiedenen Stämmen belegt. Außer der ausgestorbenen Seitenlinie mit Euryboas lunensis (= Lycyaena lunensis = Euryboas bielawsky von Kıslang und Erpfingen) ist aus dem Villafranchium noch der Crocuta-Stamm (mit Crocuta [Plesiocrocuta] perrieri = Hyaena arvernensis = H. robusta = H. topariensis) nachgewiesen, der im jüngeren Pleistozän durch Crocuta spelaea vertreten wird. Aus dem älteren Pleistozän Mitteleuropas sind Strei- fenhyänen (Hyaena brevirostris) bekannt geworden (s. H. D. KAaHıkeE 1960). Unter den Feliden waren Geparde, Luchse, Groß- und Kleinkatzen vertreten. Geparde sind nur aus dem älteren Pleistozän bekannt (Acinonyx intermedins'*). Luchse sind durch Lynx issiodorensis aus dem Villafranchium und dem Altpleistozän sowie durch Z. !ynx und Z/. pardina aus dem Jungpleistozän vertreten (vgl. H. STEHLIN und A. Dusoıs 1933). Von den Großkatzen sind Panthera toscana aus dem Villafranchium, P. leo und P. pardus aus dem Alt- und Mittelquartär und ?. spelaea und P. pardus aus dem 14 Acinonyx pardinensis (= Felis elata = Cynaelurus etruscus = Schaubia vireti) des Villa- franchiums ist bisher aus Mitteleuropa nicht beschrieben worden. Die Großsäugetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa 79 Jungpleistozän zu erwähnen. Mit dem Höhlenlöwen und dem Höhlenpanther ver- schwinden die Großkatzen aus Mitteleuropa’. Von den Kleinkatzen seien Felis sp. aus dem Altquartär, ferner F. silvestris und F. (Catolynx) chaus aus dem Jungplei- stozän angeführt (s. H. Heısıng 1934). Die Machairodontiden starben in Mitteleuropa im Laufe des Mittelpleistozäns mit dem Homotherinm-Stamm aus. Homotherium (= „Epimachairodus“) latidens, einschließlich 7. moravicus, ist aus dem älteren und mittleren Pleistozän, H. crenatidens aus dem Villafranchium (von Kislang) be- kannt geworden. Die Gattung Megantereon konnte bisher nur aus dem südlicheren Europa bzw. dem Jungpliozän (z. B. Hajnacka; s. ©. FEjrar 1961) nachgewiesen werden. Von den Primaten sind bisher nur zwei Cercopithecidengattungen aus dem mittel- europäischen Pleistozän beschrieben worden. Das ausgestorbene Genus Dolichopi- thecus (mit D. arvernensis von Budapest-Köbanya; ferner aus der Slowakei) aus dem Villafranchium und Macaca mit mehreren Arten vom ältesten bis zum mittleren Plei- stozän (zZ. B. Macaca sylvana suevica vom Heppenloc; s. K. D. Anam 1959). Seit dem Mittelpleistozän sind Primaten aus Mitteleuropa verschwunden. Schlußfoigerungen Wie aus dem vorhergehenden Kapitel hervorgeht, war für das mitteleuropäische Plei- stozän eine Abfolge von recht artenreichen (Groß-) Säugetierfaunen charakteristisch. Auch noch im Jungpleistozän war eine Säugerfauna vorhanden, dergegenüber jene des Holozäns nur als stark verarmt bezeichnet werden kann. Selbst wenn man von der vom Menschen verursachten Verarmung der gegenwärtigen Säugetierfauna absıeht, sowie die durch den Wechsel der Lebensräume hervorgerufenen Arealverschiebungen, die zum Auftreten alpiner, arktischer, pannonischer und mediterraner Elemente im mitteleuropäischen Jungpleistozän führten, außer Betracht läßt, so ist die jungeiszeit- liche Fauna doch wesentlich artenreicher gewesen als die der geologischen Gegenwart. Dies hängt nicht zuletzt mit dem Aussterben zahlreicher Säugetiere zusammen, über deren Ursache die Meinungen geteilt sind. Wesentlich ist, daß nicht nur gegen Ende der Eiszeit verschiedene Arten ausstarben (z. B. Mammonteus primigenius, Ceo- lodonta antiquitatis, Equus abeli, Asinus hydruntinus, Bison priscus, Megaloceros gi- ganteus, Ursus spelaeus, Panthera spelaea, Crocuta spelaea), sondern auch im Laufe der Eiszeit selber. Dieses Aussterben kann bis zu einem gewissen Grad mit der Klima- verschlechterung in Zusammenhang gebracht werden, die im Villafranchium zum Ver- schwinden der Mastodonten, Tapire, Hipparionen, Gazellen (zumindest im südlicheren Europa), Katzenbären und verschiedener anderer Arten führte (z. B. Dolichopithecus, Megantereon, Sika-Hirsche, Eucladoceros). Es sind die sog. Superstiten (Überhälter) der Tertiärzeit, die sich in analoger Weise auch in der Flora beobachten lassen (z. B. Azolla, Tsuga, Pterocarya, Carya, Encommia, Magnolia und Brasenia im Villafran- chium, z. B. Tegelen). Im Alt- bzw. Mittelpleistozän verschwinden die Flußpferde, Affen (Makaken), Zebras (Equus süssenbornensis), Steppenhirsche (Orthogonoceros und Dolichodory- ceros), Geparde, Säbelzahnkatzen (Homotherium), Schwarzbären (Euarctos) und auch die nur vorübergehend vorhanden gewesenen Wasserbüffel, während im Laufe des Jungpleistozäns Palaeoloxodon antiquus, Dicerorhinus kirchbergensis, Dama dama, Rotwolf und andere Arten zum letztenmal auftreten. 15 Irbis- bzw. irbisähnliche Formen sind bisher nicht aus dem mitteleuropäischen Pleistozän nachgewiesen worden (Leopardus irbisoides WoLprıch von Willendorf = Lynx Ilynx; s.E. THEnıus 1957). 80 E. Thenius Die erwähnte Artenfülle der pleistozänen Faunen ist hauptsächlich durch die Evo- lution (Speziation und Transformation) bedingt und nur zum Teil (hauptsächlich im mittleren und jüngeren Pleistozän) durch „Zuwanderer“ (in Form von Arealverscie- bungen bzw. -erweiterungen; s. 0.) zu erklären. Wie bereits angedeutet, lassen sich innerhalb verschiedener Stämme Ahnenreihen verfolgen (z. B. Elefanten, Nashörner, Bären, Hyänen, Säbelzahnkatzen, Dachse, Vielfraß, Füchse, Luchse, Hirsche z. T.), die auch exakte Aussagen über die Evolutions- geschwindigkeit zulassen. Wie ein Vergleich mit der Phylogenie der Groß-Säugetier- stämme im Jungtertiär zeigt, war die Evolutionsgeschwindigkeit im Pleistozän erheb- lich größer als im Neogen (vgl. B. Kurt£n 1960). Diese Feststellung ist für die Beur- teilung der Ursache dieser rascheren Evolutionsgeschwindigkeit wesentlich. Wenn an dieser Stelle auch nicht näher auf dieses Problem eingegangen sein kann, so kann diese jedenfalls mit dem Lebensraum — selbstverständlich nicht in Form einer direkten Be- wirkung, sondern etwa durch das Freiwerden von Lebensräumen durch das Aussterben und dgl. — und dem geologischen Alter der Säugetiere an sich in Zusammenhang ge- bracht werden. Der in diesem Zusammenhang oft herangezogene Vergleich mit Vögeln und Insekten und deren Evolutionsgeschwindigkeit während des Pleistozäns ist unzu- lässig, da es sich bei den herangezogenen Formen um Angehörige geologisch alter Gattungen handelt. Ein weiterer Fragenkreis, auf de gleichfalls hier nur hingewiesen sei, ist die Her- kunft und Entstehung der borealen alpınen Elemente unter den Säugetieren. Wie bereits an anderer Stelle (s. E. THenıus 1961) ausgeführt, lassen sich nicht nur für Mammut (Mammonteus primigenius) und Fellnashorn (Coelodonta antiquitatis) die erst während des Pleistozäns erworbene Kälteanpassung belegen, sondern auch für Vielfraß (Gulo gulo) und Elch (Alces alces), Eisfuchs (Alopex lagopus und Eisbär (Thalarctos maritimus), Schneehase (Lepus timidus) und Lemminge (Lemmus lemmus) nachweisen. Die von A. PEnck (1938) angenommene große Euryökie für verschiedene Vorläufer boreo-alpiner Arten wurde bereits durch W. SoERGEL (1943) widerlegt. Für Rentier und Moschusochse fehlen allerdings noch entsprechende Fossilfunde, doch han- delt es sich bei beiden Gattungen um geologisch junge Genera, die bestenfalls im aus- gehenden Tertiär entstanden sind. Zusammenfassung Der Verfasser gibt eine Übersicht über die pleistozänen Groß-Säuger (Proboscidea, Peris- sodactyla, Artiodactyla, Carnivora und Primates) von Mitteleuropa. Die stammesgeschicht- lichen Zusammenhänge und die stratigraphische Verbreitung werden kurz erörtert. Einige allgemeine Bemerkungen über Abgrenzung, Gliederung und absolute Chronologie des Pleistozäns sowie über die damaligen Lebensräume in Mitteleuropa werden vorausge- schickt. Im Schlußkapitel wird der Zusammenhang zwischen Eiszeit und Aussterben bzw. Evolu- tionsgeschwindigkeit kurz diskutiert. Summary The autor brings a review of our present knowledge about the great-mammals of the Pleistocene Period (Proboscidea, Perissodactyla, Artiodactyla, Carnivora and Primates) of Middle-Europe. The phylogenetic connections and the stratigraphical distribution are briefly mentioned. Some observations of universal character about the boundaries, stratigraphy and absolute chronology of the Pleistocene Period, and at the same time about the ancient biotops in Middle-Europe, are given in advance. In the final chapter, the connection between the Pleistocene and extinction, and quickness of evolution of the mammals are briefly discussed. Die Großsäugetiere des Pleistozäns von Mitteleuropa 81 Resume L’auteur donne une synthese de notre connaissance presente sur les grandes-mammiferes du Pleistocene (Proboscidea, Perissodactyla, Artiodactyla, Carnivora et Primates) de -J’Europe centrale. Les connections phylogenetiques et la distribution stratigraphique sont mentionn&es brievement. Quelques observations de charactere universel sur limitation, stratigraphie et chronologie absolute du Pleistocene, et en m&me temps sur les anciens biotopes dans l’Europe centrale ont et€ souvenu plus haut. Dans le chapitre final, la connection entre le Pleistocene et extinction et rapidite de evolution ont &te discute brievement. Literatur Aseı, ©. (1904): Über einen Fund von Sivatherium giganteum bei Adrianopel. Sitz.-Ber. k. Akad. Wiss., math.- naturw. Kl. I., 113, 629-653, 1 Taf., Wien. — Apıam, K. D. (1953): Elephas meridionalis Nesti aus den altpleistozänen Goldshöfer Sanden bei Aalen (Württem- berg). Eiszeitalter u. Gegenwart 3, 84-95, Öhringen. — Apam, K.D. (1959): Mittelpleistozäne Caniden aus dem Heppenloch bei Gutenberg (Württemberg). Stuttgarter Beitr. z. Naturkde. 27, 46 S., Stuttgart. — Anronıus, ©. (1914): Equus abeli nov. spec., ein Beitrag zur genaue- ren Kenntnis unserer Quartärpferde. Beitr. Geol. Paläont. Österr.-Ung. 26, 241-301, 6 Taf., Wien. — ARAMBOURG, C. (1947): Contribution A l’etude geologique et pal&ontologique du bassin du Lac Rodolphe et de la basse vallee de ’Omo II. Pal&ontologie. Mus. Nation. Hist. natur., 75-403, 40 Taf., Paris. — BERCKHEMER, F. (1941): Über die Riesenhirschfunde von Steinheim an der Murr. Jh. Ver. vaterld. Naturk. 96, 63-88, Stuttgart. — Bökönyı, S. (1954): Eine Pleistozän-Eselsart im Neolithikum der ungarischen Tiefebene. Acta Archaeol. Hungar. 4, 9-21, Budapest. — CoLsBErT, E. H. (1935): Siwalik mammals in the American Museum of Natural History. Transact. Amer. Phil. Soc., n. s. 26, X + 401 S., Philadelphia. — CrusA- FONT-PAIRÖ, M. (1960): Le Quaternaire espagnol et sa faune de mammiferes — essai et syn- these. Mammalia pleistocaenica 1, 55-64, Brünn. — DiETrıcH, W. ©. (1938): Zur Kenntnis der oberpliozänen echten Hirsche. Z. dtsch. geol. Ges. 90, 261-266, Berlin. — DIETRICH, W.O. (1942): Altestquartäre Säugetiere aus der südlichen Serengeti, Deutsch-Ostafrika. Palaeonto- graphica A, 94, 43-133, 21 Taf., Stuttgart. — DiETrıcH, W. ©. (1953): Neue Funde des etruskischen Nashorns in Deutschland und die Frage der Villafranchium-Faunen. Geologie 2, 417-430, Berlin. — DiEtrıcH, W. ©. (1959): Hemionus Pallas im Pleistozän von Berlin. — Vertebrata Palasiatica 3, 13-22, Peking. — EMmıusanı, C. (1955): Pleistocene Temperatures. J- of Geology 63, 538-578, Chicago. — EmiıLıanı, C. (1956): Note on absolute chronology of human evolution. Science 123, No. 3204, 924-926, London. — EMILIANI, C. (1958): An- cient temperatures. Sci. Amer., February 1958, 2-11. — EVERNDEN, J. F., Currıs, H. G. und KisTLer, R. (1958): Potassium-Argon dating of Pleistocene Volcanics. Quaternaria 4, 13-17, Rom. — FEJFAR, ©. (1956): List of fossil mammals from the cave C 718 on the Zlaty Kun near Koneprusy. Vestnik UUG 31, 274-276, Prag. — Fejrar, ©. (1961): Die plio-pleisto- zänen Wirbeltierfaunen von Hajnäcka und Ivanovce (Slowakei), CSR. I. Die Fundumstände und Stratigraphie. N. Jb. Geol. Paläont., Abh. 111, 257-273, Stuttgart. — FRENZEL, B. und Troır, C. (1952): Die Vegetationszonen des nördlichen Eurasiens während der letzten Eis- zeit. Eiszeitalter u. Gegenwart 2, 154-167, Ohringen. — Fuchs, Tu. (1879): Über neue Vor- kommnisse fossiler Säugethiere von Jeni Saghra in Rumänien und von Ajnacskö in Ungarn. Verh. geol. Reichs-Anst., 49-59, Wien. — Gross, H. (1958): Die bisherigen Ergebnisse von C1#-Messungen und paläontologischen Untersuchungen für die Chronologie des Jungpleisto- zäns in Mitteleuropa und den Nachbargebieten. — Eiszeitalter u. Gegenwart 9, 155-137, Öhringen. — HALTENORTH, TH. (1959): Beitrag zur Kenntnis des Mesopotamischen Dam- hirsches — Cervus (Dama) mesopotamicus Brooke 1875 - und zur Stammes- und Verbreitungs- geschichte der Damhirsche allgemein. Säugetierkundl. Mitt. 7, 1-89, Stuttgart. — Haug, E. (1911): Traite de Geölogie Il/3, S. 1397-2021, Librairie A. Colin, Paris. — Heısınc, H. (1934): Felis (Catolynx) chaus Güld. aus dem Travertin von Untertürckheim bei Stuttgart. Eclogae geol. Helv. 27, 443-457, Basel. — Heısıng, H. (1935): Cyrnaonyx antiqua (Blainv.), eın Lutrine aus dem europäischen Pleistozän. Eclogae geol. Helv. 28, 563-577, Basel. — Herıer, F. (1956): Die Fauna der Breitenfurter Höhle im Landkreis Eichstätt. Erlanger geol. Abh. 19, 32 S., 2 Taf., Erlangen. — Heııer, F. (1958): Eine neue altquartäre Wirbel- tierfauna von Erpfingen (Schwäbische Alb). N. Jb. Geol. Paläont., Abh. 107, 1-102, Stutt- gart. — Herre, W. (1951): Tierwelt und Eiszeit. Biol. generalis 19, 464-489, Wien. — FEscHerer, K. und Kunn, E. (1949): Die Tierwelt der prachistorischen Siedelungen der Schweiz. In: Tschumı, O.: Urgeschichte der Schweiz I., 121-368, Frauenfeld. — Hoorer, D. A. und Corserr, E. H. (1951): A note on the Plio-Pleistocene Boundary in the Siwalik series of India and in Java. Amer. J. Sci. 249, 533-538, New Haven. Janossy, D. (1961): Die 82 E. Thenius Entwicklung der Kleinsäugerfauna Europas im Pleistozän (Insectivora, Rodentia, Lago- morpha). Zr Säugetierkunde 26, 40-50, Hamburg-Berlin. — KAHIkE, H. D. (1955): Ge säugetiere im Eiszeitalter. Lebensbilder nach mitteleuropäischen Funden mit Farbtafeln von K. Hübner nadı Angaben des Verf. Urania-Verlag, 88 S., 2 Tab. u. 40 Taf., Leipzig. — KAHLke, H.D. (1956): Die Cervidenreste aus den altpleistozänen Ilmkiesen von Süssenborn bei Weimar I Die Geweihe ımd Gehörne. 62 S., 39 Abb. u. 31 Taf., Akademie-Verlag, Ber- lin. — Kanıke, H. D. (1960): The Early Middle Pleistocene mammalian fauna of Suessen- born. Mammalia pleistoc. 1, 77-99, Brünn. — Kosy, F. E. (1941): Contribution & P’&tude de Felis spelaea Goldf. Verh. naturf. Ges. 52, 168-188, Basel — Kormos, TH. (1932): Die Füchse des ungarischen Oberpliozäns. Folia ost et hydrobiol. 4, 167-188, 1 Taf., Riga. — Kormos, TH. (1937): Zur Frage der Abstammung und Herkunft der quartären Säugetier- fauna Europas. Festschr. Prof. E. Strand 3, 2837-328, Riga. — Kowarskı, K. (1959): Barano- gale helbingi Kormos and other mustehdae Home Dorn Baslles ss 1255 Kroczyce (Poland). Acta Palaeont. Polon. 4, 61-69, 1 Taf., Warschau. — Krerzoı, M. (1938): Die Raubtiere von Gombaszög, nebst einer Übersicht der Gesamtfauna. Annal. Mus. Nation. Hungar., pars miner., geol. et palaeont. 31, 88-157, Budapest. — Krerzor, M. (1954): Ostrich and camel remains from the Central Danube basın. Acta geol. 2, 231-242, Budapest. — Krerzoı, M. (1955): Bericht über die calabrische (villafranchische) Fauna von Kislang, Kom. Fejer. -Jber. ungar. geol. Anst. f. 1953, I, 239-264, Budapest. — KrErzoı, M. (1956): Die altpleistozänen Wirbeltierfaunen des Villanyer Gebirges. Geol. Hungar., ser. palaeont., Fasc. 27, 1-264, Budapest. — KurTtEn, B. (1960): Faunal turnover dates for the Pleistocene and Late Pliocene. Soc. Scient. Fennica, Comment. Biol. 22, No. 5, 14 S., Helsingfors. — Kur- ten, B. (1960): Chronology and faunal evolution of the earlier European glacıations. Soc. Scient. Fennica, Comment. Biol. 21, No. 5, 62 S., Helsingfors (1960a). — Kuss, S. E. (1957): Altpleistozäne Reste des Hippopotamus antiquus Desm. vom Oberrhein. Jh. geol. L.-Anst. Baden-Württemberg 2, 299-331, Freiburg/Br. — LEHMANN, U. (1957): Weitere Fossilfunde aus dem ältesten Pleistozän der Erpfinger Höhle (Schwäbische Alb). Mitt. geol. Staatsinst. 26, 60-99, Hamburg. — MATTHEw, W. D. (1929): Critical observations upon Siwalik mammals. Bull. Amer. Mus. Natur. Hist. 56, 437-560, New York. — Mortı, M. (1940): Die Fauna der Mussolinihöhle. Geol. Hungar., ser. palaeont., Fasc. 14, 119 S., 2 Taf., Budapest. — Mortı, M. (1951): Die Repolusthöhle bei Peggau (Steiermark) und ihre eiszeitlichen Be- wohner. Archaeol. Austriaca 8, 1-78, Wien. — Movıus, H. L. (1949): Villafranchıan strati- graphy in Southern and Southwestern Europe. J. of Geol. 57, 380-412, Chicago. — Musır, R. (1956): Mährische Fundstellen pleistozäner Wirbeltiere. Geologie 5, 319-326. Berlin. — Narr, K. J. (1959): C!*-Daten und die Gliederung des Jungpleistozäns. Forsch. u. Fortschr. 33, 147-151, Berlin. — Parr, A. und Taenıus, E. (1949): Über die Grundlagen der Gliederung des Jungtertiärs und Quartärs in Niederösterreich. Sitz.-Ber. österr. Akad. Wiss., math.-naturw. RI. I, 158, 763-787, Wien. — PEnck, A. (1937): Eiszeitliche Krusten- bewegungen. Frankfurter geogr. H. 11, 23-47, Frankfurt/Main. — PEnck, A. (1938): Säuge- tierfauna und Paläolithıkum des jüngeren Pleistozäns in Mitteleuropa. Abh. Preuß. Akad. Wiss., phys.-math. Kl. No. 5, 72 $S., Berlin. — Pırcrım, G. E. und ScHaus, S. (1939): Die schraubenhörnige Antilope des europäischen Oberpliocäns und ihre systematische Stellung. Abh. Schweizer Paläont. Ges. 62, 1-30, 3 Taf., Basel. — PoLuTorr, N. (1955): Das Mammut von Taimyr. (Neue Erkenntnisse zur Ökologie des sibirischen Mammuts). Eiszeitalter u. Gegenwart 6, 153-158, Öhringen. — ScHaus, $. (1941): Die kleine Hirschart aus dem Ober- pliozän von Seneze (Haute-Loire). Eclogae geol. Helv. 34, 264-271, 1 Taf., Basel — ScHAaus, S. (1948): Das Gebiß der Elefanten. Verh. naturf. Ges. 59, 89-112, Basel — ScHaus, S. (1951): Soergelia n. g., ein Caprine aus dem thüringischen Altpleistozän. Eclogae geol. Helv. 44, 375-381, 2 Taf., Basel. — SICKENBERG, O. (1930): Eine Wildziege der Capra prisca-Gruppe aus dem Plistozän Niederösterreichs. Palaeobiologica 3, 92-102, Wien. — SOERGEL, W. (1941): Rentiere des deutschen Alt- und Mitteldiluviums. Paläont. Z. 22, 387- 420, Berlin. — SoERGEL, W. (1942): Die Verbreitung des diluvialen Moschusochsen in Mittel- europa. Beitr. Geol. Thüringen 7, 75-95, Jena. — SOERGEL, W. (1943): Der Klimacharakter der als nordisch geltenden Säugetiere des Eiszeitalters. Sitz.-Ber. Heidelbg. Akad. Wiss., math.-naturw. Kl., Jg. 1941, 4. Abh., 36 S., Heidelberg. — STEHLIn, H. G. und Dusoıs, A. (1933): La grotte de Cotencher, station mousterienne. Mem. Soc. pal&ont, Suisse 52/53, 1-292, 15 Taf., Basel. — SteHLiın, H. G. und Grazıosı, P. (1935): Ricerchi sugli Asinidi fossili d’Europa. Abh. Schweizer Paläont. Ges. 56, 1-73, 10 Taf., Basel. — Thenıus, E. (1954): Die Caniden (Mammalia) aus dem Altquartär von Hundsheim (NO.) nebst Bemerkungen zur Stammesgeschichte der Gattung Cuon. N. Jb. Geol. Paläont., Abh. 99, 230-286, Stutt- gart. — THenıus, E. (1957): Zur Kenntnis jungpleistozäner Feliden Mitteleuropas. Säuge- tierkdl. Mitt. 5, 1-4, Stuttgart. — THeEnıus, E. (1961): Über die Bedeutung der Palökologie für die Anthropologie und Urgeschichte. 2. Sympos. Burg Wartenstein, 80-103, Horn. — THenıus, E., HOFER, F. und PREISINGER, A. (1959): Hippopotamus pentlandi und die Alters- einstufung der Arsenalterrasse von Wien. Verh. geol. B.-Anst., 129-132, Wien. — THENIUSs,E. Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 83 unter Mitw. v. HorEr, F. und PRrEISInGER, A. (1961): Capra „prisca“ Sıckenberg und ihre Bedeutung für die Abstammung der Hausziegen. Z. Tierzüchtg. u. Züchtgsbiol. (Sympos. Kiel), Hamburg (1961a), im Druck. — VIRET, J. (1954): Le loess a bancs durcis de Saint Vallier (Dröme) et sa faune de mammiferes villafranchiens. Nouv. Arch. Mus. Hist. natur. 4, 200 S., 33 Taf., Lyon. — VLERK, J. M. van DER (1959): Problems and principles of Tertiary and Quaternary stratigraphy. Quart. J. geol. Sci. 115, No. 457, 49-63, London. — WOLDSTEDT,P. (1948): Geologorum Conventus XVIII: Plio-Pleistozängrenze. Geolog. Rundschau 36, S. 4, Stuttgart. — ZAaGwıjn, W. (1959): Zur stratigraphischen und pollenanalytischen Gliederung der pliozänen Ablagerungen im Roertalgraben und Venloer Graben der Niederlande. Fort- schr. Geol. Rheinland u. Westfalen, 4, 5-26, 3 Taf., Krefeld. — ZEUNER, F. E. (1950): The Lower boundary of the Pleistocene. Internat. geol. Congr., Rept. XVII. sess., Pt. IX, Proc. Sect. H, 126-130, London. — ZEUNER, F. E. (1959): The Pleistocene Period. Its climate, chronology and faunal successions. Hutchinson & Co. Ltd. 447 S., London. Anschrifl des Verfassers: Prof. Dr. Erıcu Turnıvs, Wien I, Dr. Karl Luegerring 1, Paläonto- logisches Institut der Universität. Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I Von C. NAAKTGEBOREN und WILHELMINE VANDENDRIESSCHE Aus dem Zoologischen Laboratorium der Universität Amsterdam, Direktor Prof. Dr. E. J. Slijper Eingang des Ms. 24. 7. 1961 Einleitung Die Geburt des Menschen und der Haustiere mit wirtschaftlicher Bedeutung ist von Medizinern und Tierärzten schon öfters untersucht und beschrieben worden. Über die Geburt der Haustiere, wie Hunde, Katzen, Kaninchen usw., liegen nur spärliche An- gaben in der Literatur vor, und über die Geburt der nicht domestizierten Tiere wissen wir nur außerordentlich wenig. Unsere bisherige Kenntnis wurde von SLIJPER (1960) zusammengefaßt. Wir sehen davon ab, eine große Literaturübersicht zu geben und be- gnügen uns damit, an den betreffenden Stellen nur die wichtigsten Arbeiten und An- sichten anderer Autoren zu nennen. Der Übersichtlichkeit wegen werden wir meistens nur SLIJPER (1960) zitieren oder später erschienene Arbeiten. Wir werden versuchen, die Geburt der domestizierten Säuger und ihrer undome- stizierten Verwandten möglichst vollständig zu beschreiben und zu vergleichen. Bei der Beschreibung geben wir immer ein oder mehrere Protokolle vom beobachteten Ge- burtsvorgang, weil die Protokolle sehr häufig dem Leser das klarste Bild des Geburts- verlaufes vor Augen führen. Weiter haben wir an Hand von mehreren beobachteten Geburten Schlußfolgerungen gezogen sowie Mittelwerte der Geburtsdauer usw. berech- net. Es ist also möglich, diese Ergebnisse, die sich auf ein reichliches Material beziehen, von verschiedenen Arten zu vergleichen. Es ist von größter Bedeutung, ein reichliches Material zu untersuchen, da manchmal bedeutende individuelle Abweichungen von den Mittelwerten vorkommen. Dies kann z. B. der Fall sein bei der Geburtsdauer; aber auch das Verhalten des Muttertieres kann große individuelle Verschiedenheiten aufweisen. Leider ist es nicht immer möglich, viele Geburten von einer Art zu beobach- 84 C. Naaktgeboren und W. Vandendhriessche ten, zZ. B. bei Igel, Springhase, Wasserbüffel usw. Jeder einzelne Fall hat aber doch seinen Wert. | Wir unterscheiden bei Säugern unipare und multipare Arten. Die ersteren bringen nur ein Junges, die letzten mehrere Junge in einem Wurf zur Welt. Unter primi- paren Tieren verstehen wir Weibchen, die zum ersten Male gebären, und pluripare Tiere sind Tiere, die schon früher Junge zur Welt gebracht haben. Die Geburt umfaßt drei Perioden, nämlich die Eröffnungsphase, die Austreibungs- phase und die Nachgeburtsphase. Der Anfang der Eröffnungsphase ist meistens nicht oder nur sehr schwierig festzustellen. Die Nachgeburt erscheint oft zugleich mit dem Jungen, häufig auch später. Das Feststellen der gesamten Geburtsdauer ist daher schwierig, wenn nicht gar unmöglich, und man bekommt keine vergleichbaren Werte für die verschiedenen Arten. Unter Geburtsdauer verstehen wir daher die Zeit zwischen dem Augenblick, in dem die Fruchtblase des ersten Jungen in der Vulva erscheint und dem Augenblick der voll- endeten Geburt des letzten Jungen. Das ist die gesamte Austreibezeit. Unter der, Aus- treibung pro Frucht verstehen wir die Zeit zwischen dem Eintreten der Fruchtblase in die Vulva und der vollendeten Austreibung des dazu gehörenden Jungen. Die Zeit zwischen den Geburten von zwei Jungen ist gerechnet von der vollende- ten Geburt eines Jungen bis zur Erscheinung der Fruchtblase des nächsten Jungen in der Vulva. Nach SrıjJper (1960) soll die Geburt meistens stattfinden zu der Zeit, in der die Tiere gewöhnlich ruhen. Wir haben dies nachgeprüft, indem wir den Tag in dreistün- dige Perioden einteilten und dann feststellten, in welcher Periode die größte Zahl (Pro- zentsatz) der Geburten stattfand. Dies ist nur möglich, wenn man über mehrere Be- obachtungen verfügen kann. Wenn eine Geburt zum Teil in die eine und zum Teil in die andere Periode fällt, so ist sie gerechnet zu derjenigen Periode, in welcher das erste Junge ausgetrieben wurde. Es wäre interessant zu wissen, in welcher Periode die Er- öffnungsphase anfängt, aber das ist leider noch nicht möglich. Beschreibung der Geburt der einzelnen Arten A. Unipare Arten a. Kamel, Camelus bactrianus Die Geburt des Kameles ist schon wiederholt beobachtet und beschrieben worden (SLIJPER, 1960). Merkwürdig ist, daß die Mütter ihre Kinder niemals leckten. Dies dürfte vielleicht zusammenhängen mit dem Umstand, daß das Kamelfohlen ein sehr gut entwickeltes Epitrichium (Abb. 3) besitzt, so daß die Haare bei der Geburt nicht schmutzig werden können. Dies liegt der Haut mehr oder weniger eng an, was zweimal festgestellt wurde, nämlich bei der Sektion eines trächtigen Uterus, der einen Fetus von 97 cm Scheitel-Steiß-Länge in Steißendlage enthielt und bei einer normalen Geburt im Zoologischen Garten zu Amsterdam. Die Höcker am Rücken des Fetus und des Jungen waren umgeklappt und lagen der Flanke an, genau wie SLıJpErR (1956) dies von der Rückenflosse der Wale beschrieben hat. Die Geburt wird also durch die Höcker nicht erschwert. Die Austreibung nahm ziemlich viel Zeit in Anspruch, weshalb man sich zuletzt entschloß, der Mutter durch Ziehen bei der Geburt zu helfen. Am 31. 3. 1961 wurde im Amsterdamer Zoo wieder ein Kamelfohlen geboren. Bis 9.45 Uhr wurden Wehen beobachtet. Man glaubte jedoch, daß es noch einige Zeit dauern würde bis zum Eintritt Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 85 Abb. 1. Das Kamelfohlen ist mit dem Kopf und Abb. 2. Die Kamelmutter geht hin und den Vorderbeinen aus der Vulva hervorgetreten. her mit dem zum Teil aus der Vulva hän- Neben dem Jungen wölbt sich die Allantois genden Jungen. — Aufn. J. BOKMA-ARTIS nach außen. — Aufn. J. BOKMA-ARTIS = der Geburt, denn der Blasensprung hatte noch nicht stattgefunden. Um 10.30 Uhr fand man das Kalb im Stroh. Die Geburt hatte also höchstens drei Viertelstunden gedauert, war also sehr geschwind verlaufen. Die Nachgeburt wurde einige Stunden später aus- getrieben und nicht gefressen. Bei der erstgenannten Geburt waren das Amion und das Chorion schon bald geplatzt, aber die Allantois blieb längere Zeit intakt nach dem Platzen des Amnions und wölbte sich neben dem Kopf und den Vorderbeinen aus der Vulva (Abb. 1). Dies kommt bei den Huftieren nur selten vor. Auffällig ist, daß die Mutter sehr gut imstande war zu gehen, trotz des zum Teil aus der Vulva hängenden Jungen (Abb. 2). Der Geburtsverlauf geht aus dem folgenden Protokoll hervor. Zeit Kamel-Geburt 30-III-1960 15.45: Anfang der Geburt. Das Tier wird von der Wiese in einen geschlossenen Raum getrieben. 16.00: Ankunft des Beobachters. Das Muttertier liest auf der linken Seite. Amnion und Chorion sind schon geplatzt. Der Kopf und die Vorderbeine des Jungen ragen aus der Vulva (Kopfendlage). Das Junge atmet. Ein deutliches Epitrichium ist vorhan- den. Die Mutter rollt auf die rechte Seite. 16.02: Das Muttertier liegt still auf der rechten Seite mit dem Kopf am Boden. Schaum am Maul des Jungen. 16.07: Das Muttertier preßt intensiv und rollt wiederholt von einer Seite auf die andere. 16.08: Allantois platzt. Das Junge bewegt sich lebhaft. 16.18: Die Mutter steht auf und geht hin und her, mit dem aus der Vulva hängenden Jungen (Abb. 2). 16.25: Das Tier legt sich wieder und preßt. 16.31: Pressen und rollen. 16.35: Das Muttertier zittert und zeigt starke Bewegungen in der rechten Flanke. 16.40: Pressen. Das Junge kommt weiter und befindet sich jetzt mit den Schultern in der Vulva. 16.42: Das Junge wird jetzt weiter nach außen gezogen. Die Höcker liegen umgeklappt. Die Nabelschnurumkleidung wurde zuerst zerrissen, während die Gefäße zerrissen, als die Mutter aufstand. Das Epitrichium war fast vollständig unverletzt geblieben. 16.50: Das Junge versucht aufzustehen. Die Mutter leckt das Junge nicht. Die Scheitel- Steiß-Länge des Jungen betrug 129 cm. Der Nabelschnurrest war 4 cm lang und enthielt keine Gefäßstümpfe. 86 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche Am nächsten Morgen wurde die Nachgeburt ge- “funden. Diese war nicht umgestülpt, und die Mut- ter hatte nichts davon gefressen. Die Länge des Fruchtsackes betrug 283 cm, die Länge des Nabelschnurrestes 46 cm. Die Länge der ganzen Nabelschnur war also 50 cm, d. h. 38,7 %/o der Scheitel-Steiß-Länge des Neugeborenen. In der Al- lantois wurde ein dunkel- brauner Hippomaneskör- per gefunden. Am Am- nion und an der Nabel- Abb. 3. Das neugeborene Kamelfohlen. Das Epitrichium ist h hlich teilweise noch intakt. — Aufn. J. BokmA-ARTIıs ee en Amnionperlen vorhan- den. Diese sind von NAAKTGEBOREN und ZWILLENBERG (1961) eingehend beschrieben. b. Dromedar, Camelus dromedarius Am 7. Februar 1961 wurde im Amsterdamer Zoo ein junges Dromedar geboren. Die Geburt fing an, als die Mutter sich im Außenkäfig befand. Bald ragten die Schnauze und die Vorderhufe des Jungen aus der Vulva. Das Tier wurde ın den Nachtkäfig getrieben. Man beobachtete um 15.10 Uhr, daß die Geburt schon angefangen hatte. Wir kamen um 15.20 Uhr. Die Mutter lag ausgestreckt am Boden, und das Junge war bis zu den Schultern geboren. Auch GAUTHIER-PıLTERs (1959) beobachtete eine Kopf- endlage mit dem Kopf auf den gestreckten Vorderbeinen. Die Mutter preßte in lie- gender Haltung mit dem Kopf am Boden. Während des Pressens gleitet das Junge allmählich nach außen. MorTon (1960) teilt mit, daß die Geburt eines Dromedares in etwa einer halben Stunde stattfand. Die Mutter legte sich und stand wieder auf. Dies wiederholte sich oftmals. Die eigentliche Geburt fand in stehender Haltung der Mutter statt. Die Nachgeburt wurde 11/2 Stunde später ausgetrieben. Die Nabelschnur wurde spontan zerrissen bevor die Mutter auf- stand; denn in dem von uns beobachteten Fall lag die Mutter während der ganzen Austreibung. Am Bauch des Jungen blieb ein etwa 8 bis 10 cm langer Rest des Nabel- stranges übrig. Das Junge besitzt ein deutliches Epitrichium, obwohl es dünner ist als beim Kamel. Das Epitrichium ging schon während der Geburt zugrunde an der Flanke, auf der das Junge lag. An der anderen Seite blieb es intakt, bis das Junge aufzustehen versuchte, denn dann rollte es von einer Seite auf die andere. Sobald das Junge voll- ständig ausgetrieben war, richtete sich die Mutter auf und roch an dem Jungen. Sie leckte das Junge nicht. Auch GAUTHIER-PILTERS (1959) teilt mit, daß die Dromedar- mutter das Junge nicht leckte und die Nachgeburt nicht auffraß. Die Mutter blieb in der unmittelbaren Gegend des Jungen, lagerte sich dann neben dem Jungen und hielt ihren Kopf über das Neugeborene. Die gesamte Austreibung nahm höchstens eine halbe Stunde in Anspruch. Die un- verletzte Nachgeburt wurde am nächsten Morgen gefunden. Die Mutter hatte gar nichts davon gefressen, obwohl sie in der Lage war, dies zu tun. Der Nabelschnurrest an der Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 87 Nachgeburt war 52 cm lang. Die Länge der Nabelschnur war also + 60 cm, d.h. weniger als 50 °/o der Scheitel-Steiß-Länge des Neugeborenen, die auf etwa 125 cm zu schätzen ist. Es waren reichlich Amnionperlen vorhanden. Diese stimmen völlig mit denjenigen des Kamels überein. Zeit Dromedar-Geburt ZA 15.10: Kopf und Vorderbeine stecken aus der Vulva, also Kopfendlage bei gestreckter Haltung. 15.23: Mutter liegt auf der rechten Seite. Das Junge ist schon bis an die Schultern aus- getrieben. Pressen. Das Junge gleitet weiter. Die Mutter rollt sich nicht. 15.26: Das Junge wird geboren. Die Nabelschnur reißt spontan. Die Mutter steht auf und riecht am Jungen und lagert sich dann neben ihrem Kind mit dem Kopf über das Junge. ie 15.35: Das Junge versucht aufzustehen, rollt aber nur auf die andere Seite. 15.45: Das Junge liegt auf dem Bauch, den Kopf reckt es hoch. c. Wisent, Bos bonasus Die Geburt eines Wisentkalbes hat im Amsterdamer Zoo schon öfters stattgefunden. Leider ist man nur selten in der Lage, die Geburt zu beobachten, denn die Vorzeichen, wie Erschlaffung der Beckenbänder, lassen sich der Gefährlichkeit wegen an diesen Tieren nicht manuell feststellen. Die dichte Behaarung macht es äußerst schwierig, das Einfallen am Kreuzbein zu sehen, und die Schleimausscheidung aus der Vulva sieht man ebenfalls nur ausnahmsweise. Daher kommt es regelmäßig vor, daß ein Kalb bei der Mutter steht, wenn der Wärter morgens zu den Tieren kommt. Dasselbe geschah auch einmal mit einer Yakkuh, von der man gar nicht wußte, daß sie trächtig war! Das Einzige, was regelmäßig festgestellt wurde, ist, daß die Wisentkuh die Nachgeburt fast immer auffrißt. Dies berichtet auch Jaczewskı (1958). SLiJpEr (1960) hat die Geburt beim Wisent beobachtet. Die Mutter stand während der Austreibung in typi- scher Defaecationshaltung. Dies ist nach StLıJper für manche Huftiere beobachtet, auch bei Arten, die in der Regel in liegender Haltung ihr Junges gebären. Er sagt aber weiter, daß es Arten gibt, wozu er auch den Wisent rechnet, die vielleicht in der Regel im Stehen gebären. JaczEwskı (1958) berichtet ebenfalls über eine Geburt im Stehen. Die Geburt, die am 3. Februar 1961 im Amsterdamer Zoo stattfand, erfolgte aber zum größten Teil beim liegenden Muttertier. Ob dies die Regel oder eine Ausnahme ist, wissen wir nicht, denn dazu brauchen wir mehr Beobachtungen. Die Geburt fand statt zwischen 8.00 und 8.30 Uhr. Das Junge wurde in Kopflage und gestreckter Haltung geboren. Die Mutter lag auf der Seite, und das Junge wurde allmählich weiter nach außen gepreßt. Als das Junge reichlich einen halben Meter aus der Vulva heraus war, stand die Mutter auf, und das Junge fiel zugleich aus der Vulva. Die Nabelschnur war wahrscheinlich schon gerissen, bevor die Mutter aufstand. Unmittelbar nachdem das Junge zu Boden gefallen war, drehte die Mutter sich um und fing an, ihr Kalb zu lecken und die Reste der Fruchthüllen zu fressen. Schon bald versuchte das Kalb zu stehen. Die Nachgeburt wurde erst um 15.45 Uhr ausgetrieben, wobei die Mutter lag. Die Mutter fraß von der Nachgeburt, ließ aber etwa die Hälfte liegen, was vielleicht damit zusammenhängen dürfte, daß die Nachgeburt in den Sand gefallen war. Der Nabelschnurrest am Kalb war etwa 5 cm lang und der an der Nachgeburt 29 cm. Amnionperlen waren nur äußerst spärlich vorhanden. Dies ist in Übereinstimmung mit den Befunden von NAAKTGEBOREN und ZWILLENBERG (1961) beim Hausrind. 88 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche d. Watussirind, Bos taurus dom. Die Geburt des Watussikalbes fand ebenfalls statt im Amsterdamer Zoo, am 3. Mai 1960. Die Mutter hatte schon zweimal ein Kalb zur Welt gebracht. Es ist interessant, daß die Austreibung des Kalbes nur etwa 7 bis 8 Minuten in Anspruch nahm. Dies ist unter den Wiederkäuern eine extrem geschwinde Austreibung, was vielleicht damit zusammenhängt, daß das Kalb sehr schlank war. Das Kalb hatte eine Scheitel-Steiß- Länge von 87 cm und einen Kopfumfang von nur 47 cm, während der Kopfumfang des Wasserbüffelkalbes (siehe e) von 87 cm Scheitel-Steiß-Länge 52 cm betrug, also 10,6°/o mehr! Die Unterschiede der Steißumfänge waren viel größer, aber leider ver- fügen wir nicht über deren exakte Abmessungen. Man soll aber nicht vergessen, daß auch die Watussikühe schlanke Tiere sind, und daß die Austreibung beim Nashorn, das nicht schlank ist, ebenfalls sehr geschwind sein kann, nämlich 10 Minuten (Van BEMMEL, persönliche Mitteilung an SLiJPER) oder 12 Minuten (Lang, persönliche Mit- teilung an SLıjpEr). Die Mutter stand auf, als das Kalb bis an die Schultern ausge- trieben war. Die eigentliche Geburt fand also wieder im Liegen statt, denn nachdem die Mutter aufgestanden war, preßte sie nıcht mehr, um das Junge aus ihrem Körper zu entfernen, obwohl das Junge mit der Hinterhand in der Vagina steckenblieb, wie aus dem Protokoll hervorgeht. Zeit Watussirind-Geburt 3-V-1961 11.00: Beobachter wird gerufen. Die Flanken sind stark eingefallen und die Beckenbänder sind völlig erschlafft. Unruhe beim Tier. Die Kuh frißt dann und wann ein wenig Heu. Die Flanken zittern. Das Euter ist vergrößert und hart. Die Kuh hat dünne Losung, gelegentlich keucht das Tier und schütttelt sich zugleich, zittert in den Flanken und krümmt den Rücken. 11.30: Nichts Besonderes. 12.00: Allantochorion geplatzt. Die Kuh liegt auf der rechten Seite, und das Amnion kommt aus der Vulva zum Vorschein. Die Hufe des Kalbes lassen sich im Amnion erkennen. 12.02: Pressen. Die Mutter liegt jetzt mit ihrem Kopf am Boden. Die Schnauze des Kalbes wird in der Vulva sichtbar. 12.05: Pressen. Scheitel in der Vulva. Kopjendlage. Pressen. Das Kalb bewegt sich innerhalb des noch immer intakten Amnions. Das Kalb gleitet weiter, und jetzt stellt es sich heraus, daß das Amnion hinter dem Scheitel des Kalbes gerissen ist. Eine ziemlich große Menge brauner Amnionflüssigkeit fließt ab. Obere Stellung des Kalbes. 12.07: Pressen. Die Schultern befinden sich in der Vulva. Jetzt steht die Kuh auf und das Kalb gleitet weiter, bleibt aber mit der Hinterhand in der Vagina hängen. Die Kuh drehe sich um und trinkt die Amnionflüssigkeit. 12.09: Das Kalb fällt zu Boden und sofort fängt die Mutter an, es zu lecken. Der Nabel- schnurrest am Kalb ist etwa 25 cm lang. 12.12: Das Junge bewegt sich lebhaft. Auf dem Scheitel sind die Anlagen der Hörner zu fühlen als harte Scheiben von etwa 4 mm Durchmesser. Sie sind überdeckt von einer weichen, eponychiumähnlichen Masse. 12.28: Das Kalb versucht aufzustehen, fällt aber um. 14.37: Die Kuh legt sich. Die Nachgeburt fließt aus der Vulva. Die Kuh preßt. Der Allan- tochorionteil aus dem nicht Trächtisen Uterushorn kam zuerst und war nicht um- gestülpt, im Gegensatz zu dem Teil aus dem trächtigen Horn. 14.57: Die Kuh steht auf. 15.06: Die Kuh knabbert an der Nachgeburt und frißt ein wenig davon. 15.45: Die Nachgeburt wird entfernt. Das Kalb steht noch nicht. Durch Stoßen versucht die Mutter das Kalb zum Aufstehen zu zwingen. Später stellte es sich heraus, daß das Tier nicht imstande war zu stehen. Das Epony- chium ist noch anwesend, obwohl es eingetrocknet ist. Auch am nächsten Morgen waren noch deutliche Eponychiumreste vorhanden. An der Nachgeburt befand sich ein vier cm langer Nabelschnurrest. Die totale Nabelschnurlänge war also 29 cm, d. h. 33,3 %/0 der Scheitel-Steiß-Länge des Kalbes. Es waren nur wenig Amnionperlen vorhanden (NAAKTGEBOREN und ZWILLENBERG, 1961). Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 89 e. Wasserbüffel, Bubalus bubalis Die Geburt des Wasserbüffelkalbes fand am 8. April 1960 im Amsterdamer Zoo statt. Die Mutter war eine pluripare Kuh. Schon etwa zehn Tage vor der Geburt waren Erschlaffung der Beckenbänder, Schleimausscheidung aus der Vulva und härter werden des Euters festzustellen. Die Bänder waren bald straffer, bald wieder schlaffer. Von hinten betrachtet, war die hochträchtige Kuh deutlich asymmetrisch und rechtstragend. Auch diese Kuh trieb ihr Kalb im Liegen aus, obwohl SııJper (1960) die Wasserbüftel zu den Arten rechnet, die vielleicht in der Regel im Stehen gebären. Einige Abbildun- gen dieser Geburt und des Eponychiums des Kalbes sind veröffentlicht in einer Farb- diaserie (NAAKTGEBOREN, 1960c). Die Austreibedauer war etwa 20 Minuten. Der Geburtsverlauf geht aus dem Protokoll am klarsten hervor. Zeit Wasserbüffel-Geburt 8-IV-1960 11.35: Beobachter gerufen. Allantochorion und Amnion sind geplatzt. Die Reste der Frucht- hüllen hängen aus der Vulva. Die Kuh steht. 11.40: Die Kuh prefßt mit hohem Rücken, und ein wenig Fruchtwasser fließt ab. Das Tier legt sich, steht wieder auf und geht unruhig hin und her. 11.42: Die Kuh legt sich auf die rechte Seite. Pressen, wobei ein bißchen sehr dünner Faeces aus dem Anus tritt. In der Vulva ist ein Huf mit einem großen hartgelben Eponychium sichtbar. Aufstehen — Liegen — Aufstehen — Liegen. Das Vorderbein des Kalbes kommt bis an den Kronenrand nach außen. 11.46: Die Kuh liegt auf der linken Seite. Sie schnaubt intensiv. 11.48: Liegen — Aufstehen. Der Huf bleibt sichtbar. Liegen - zitternde Flanke — Aufstehen — Liegen. 11.50: Jetzt stecken beide Vorderbeine des Kalbes aus der Vulva. Die Mutter steht auf. Beide Hufe bleiben sichtbar. 11.52: Pressen. Die Nase wird sichtbar über dem Mittelfuß. 11.53: Aufstehen und Gehen. Nur das Eponychium ist noch sichtbar. 11.58: Die Kuh liegt auf der rechten Seite, mit gestrecktem Hals und Kopf am Boden. Die linken Beine ragen in die Luft. Die Schnauze des Kalbes ist sichtbar. Die Zunge hängt aus dem Maul. Als die Mutter aufsteht, sinkt das Junge zurück. Sogar das Eponychium ist nicht mehr zu sehen. 12.01: Die Kuh liegt auf der linken Seite mit dem Kopf am Boden. Dann und wann rollt sie. Die Flanken bewegen sich intensiv. Pressen. Die größte Höhe des Kopfes be- findet sich jetzt in der Vulva. Das Perinaeum ist stark gespannt. 12.02: Aufstehen. Das Kalb sinkt nicht zurück. Unmittelbar darauf legt die Mutter sich wieder und preßt. 12.03: Das Kalb wird weiter ausgetrieben in Kopfendlage, oberer Stellung und gestreckter Haltung. Schultern und Hinterhand passieren die Vulva ohne Schwierigkeiten. Sobald das Kalb geboren war, stand die Mutter auf, wodurch die lange Nabelschnur riß. Der Rest am Bauch des Kalbes war etwa 30 cm lang. Sofort begann die Kuh, das Kalb intensiv zu lecken und die an dem Jungen haftenden Reste der Fruchthüllen zu fressen. Sie fraß sogar ein Stück des Nabelschnurrestes auf, so daß nur ein 7 cm langer Stumpf am Nabel übrig blieb. 12.30: Das Junge versucht aufzustehen. 12.32: Nachgeburtswehen. Die Mutter liegt und preßt. Sie steht auf und leckt das Junge. 14.15: Das Eponychium ist schon deutlich eingetrocknet. 17.00: Das Eponychium ist schon von einigen Hufen verschwunden. Das Kalb hatte schon reichlich getrunken. Die Mutter hatte ein abgerissenes Stück der Nachgeburt gefressen. Am nächsten Morgen wurden keine Nachgeburtsreste gefunden. Die Nachgeburt wurde also von der Mutter aufgefressen. Die Beckenbänder waren wieder straff ge- worden. Das Eponychium war vollständig verschwunden, mit Ausnahme einiger ein- getrockneter Reste an den kleinen Beihufen. Es stellte sich jetzt heraus, daß das Kalb schon im Besitz deutlicher Hörneranlagen war, mit einer Höhe von 2 cm und einem Durchmesser von 4 cm. 90 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche f. Hausrind, Bos taurus dom. Die Geburt des Hausrindes ist schon wiederholt eingehend -beschrieben worden (u. A. SCHMALTZ, 1921; Stoss, 1944, NAAKTGEBOREN, 1960c, mit Farblichtbildern). Wir glauben, daß es trotzdem wichtig ist, in dieser Arbeit nochmals darauf einzugehen. Wir haben im Kamel und Dromedar sehr alte Haustierarten gesehen, beschäftigten uns dann mit Boviden, die nicht domestiziert (Wisent), wenig domestiziert (Wasserbüftel) und mehr domestiziert (Watussi) waren. Die Klimax soll selbstverständlich das inten- sıv gezüchtete Hausrind sein. Fast immer wird das Kalb im Stall geboren, und die Mutter ist festgebunden. Das natürliche Benehmen kann also das Tier nicht zum Ausdruck bringen. Wir haben daher versucht, die Geburt des Hausrindes in einem Raum von 5X4 m stattfinden zu lassen; die Kuh war vollständig frei, und die Ergebnisse sind daher denjenigen vom Wisent, Watussirind und Wasserbüffel vergleichbar. Der Geburtsverlauf geht aus dem Protokoll hervor. Hausrind-(Färse)-Geburt Schon ein paar Tage vor der Geburt war die Erschlaffung der Beckenbänder festzu- stellen. Das Euter wurde härter. Zeit 25-I-1961 7.00: Eine Schleimschnur hängt aus der Vulva. 11.43: Das Tier steht mit gekrümmtem Rücken und emporgehobenem Schwanz. 11.47: Das Tier geht unruhig hin und her, stampft, guckt nach hinten und legt sich. Es kaut ein wenig und legt sich dann langausgestreckt auf die rechte Seite. 11.52: Das Tier steht und preßt mit hohem gekrümmtem Rücken, wobei es heftig schnaubt. Dann geht das Tier wieder hin und her und frißt Heu. 11.59: Das Tier legt sich und rollt von einer Seite auf die andere und wieder zurück. Dann steht es auf. Aus der Vulva fließt ein wenig Flüssigkeit und Blur. 12.09: Das Tier legt sich, steht wieder auf und preßt mit hohem Rücken. In der Vulva wird das Allantochorion sichtbar. Plötzlich legt sich das Tier und preßt intensiv. Jetzt findet der’ Blasensprung statt, und die Flüssigkeit aus dem Allantochorion fließt ab. 12.11: Das Tier liegt ruhig. 12.31: Das Tier steht und preßt mit gekrümmtem Rücken. Das Amnion ist schon geplatzt. Die Reste der Fruchthüllen hängen als lange Fäden aus der Vulva. 12.38: Das Tier legt sich und steht wieder auf. 12.44: Das Tier liegt völlig auf der rechten Flanke mit dem Kopf am Boden. die linken Beine sind vom Boden abgehoben. Intensives Pressen. Die Hufe des Kalbes sind jetzt vollständig aus der Vulva getreten. 12.49: Die Mutter hebt den Kopf empor und preßt noch immer im Liegen. Die Schnauze des Kalbes ist sichtbar geworden. Dann springt die Mutter auf und das Kalb sinkt wieder ein wenig zurück. 12.54: Das Tier preßt im Stehen mit gekrümmtem Rücken, während es ein wenig durch die Hinterbeine sinkt. Der Kopf des Kalbes tritt jetzt nach außen. Das Tier legt sich wieder auf die rechte Seite. Die Flanken schlagen intensiv. Die Wände der Geschlechtsorgane sind gespannt. 12.58: Die Mutter liegt wieder langausgestreckt auf der Seite und preßt intensiv. Sie hebt den Kopf und das Kalb gleitet bis zu den Hüften aus der Vulva. 13.01: Das Muttertier springt auf, sinkt durch die Hinterbeine und das Kalb fällt zu Boden. Die Nabelschnur riß spontan während der Austreibung. 13.03: Das Muttertier legt sich wieder. 13.04: Das Kalb nießt und schnaubt. 13.07: Die Mutter steht und leckt den Schleim und die Reste der Hülle vom Jungen ab. Insbesondere der Kopf und die Schnauze werden geleckt. Das Kalb wiederstrebt dieser Mutterpflege und versucht, den Kopf emporzuheben. Die Mutter leckt den Nabel- schnurrest, aber frißt nicht davon. 13.16: Das Muttertier legt sich wieder auf die rechte Seite und prefßtt. Nachgeburtswehen. Flüssigkeit und Blut fließen aus der Vulva. Das Tier steht auf und stößt das Junge mit dem Kopf an, um es zum Aufstehen anzuregen. Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 91 13.28: Das Tier steht mit gekrümmtem Rücken. Die Nachgeburt hängt zum Teil aus der N: De Mutter leckt sich, reißt Stücke von der Nachgeburt ab und frißt sie 1333: Das Tier legt sich wieder. Das Kalb liegt mit gehobenem Kopf. Die Nachgeburt wird vollständig ausgetrieben. Die Mutter steht und riecht am Kalb. Das Junge versucht aufzustehen. Die Mutter riecht an der Nachgeburt und leckt diese. Sie frißt die weichsten Teile der Nachgeburt und die beschmutzten Strohhalme auf, läßt aber den Rest der Nachgeburt liegen. 13.42: Das Kalb steht, und die Mutter stellt sich neben das Junge. Das Kalb versucht zu gehen und sucht das Euter. 13.50: Das Kalb säugt während 8 Minuten. 14.30: Die Mutter liegt und ruht. Kalb und Mutter liegen aneinander geschmiegt. Während der Geburt lag die Mutter oftmals. Regelmäßig stand sie auf und ging umher. Die Austreibung erfolgt häufig, nämlich in 55 der 82 von uns beobachteten Fälle, d. h. 67 %/o, im Liegen. Die Austreibung kann aber auch sehr gut im Stehen vor sich gehen. Die Austreibung nahm nur 17 Minuten in Anspruch. Sehr häufig ist die Austreibezeit länger, besonders bei erstgebärenden Tieren. Von den 35 von uns be- obachteten Geburten primiparer Mütter war der Mittelwert der Eröffnungsdauer 3 Stunden 56 Minuten und der Austreibedauer 108 Minuten, mit einem Minimum von 45 Minuten und einem Maximum von 210 Minuten. Von den 46 von uns beobachte- ten Geburten pluriparer Mütter war der Mittelwert der Eröffnungsdauer 3,23 Stun- den und der Austreibedauer 95 Minuten, mit einem Minimum von 15 Minuten und einem Maximum von fast 5 Stunden. Menschliche Mithilfe war nicht nötig. Sehr häu- fig hilft der Mensch bei der Geburt des Kalbes. Die festgebundene Mutter kann nicht aufstehen und lagern, so oft sie nur wünscht; Umhergehen sowie Rollen ist unmöglich. Die Freigeburt ist daher besonders zu empfehlen, weil das Tier selbst die bequemste Lagerung suchen kann. Auch bei Rindergeburten, die auf der Wiese stattfinden, braucht der Mensch fast nie einzugreifen, wie mancher Bauer uns mitteilte. Die Nachgeburt wird in diesen Fällen häufig gänzlich oder zum Teil aufgefressen. Die Mutter leckt ihr Kind. Das Benehmen zeigt also in keiner Hinsicht Verschiedenheiten gegenüber dem Wisent, Watussirind und Wasserbüffel. Zum Schluß noch einige Bemerkungen über das Eponychium. Das Eponychium der Vorderhufe war 2 cm, der Hinterhufe 1 cm groß. Am nächsten Morgen war es voll- ständig verschwunden, mit Ausnahme einiger eingetrockneter Reste an den Beihufen. Sehr häufig ist das Eponychium schon in drei bis fünf Stunden verschwunden. Das Eponychium ist ein Schutz gegen Verletzungen der Eihäute und der Uteruswand infolge pränataler Bewegungen des Kalbes. Dies ist möglich, weil das Eponychium sehr viel Wasser enthält. Nach der Geburt trocknet es daher bald ein. Dies ist ebenfalls wichtig, denn das Kalb kann nur sehr schwer gehen mit dem schlüpfrigen Eponychium unter den Hufen. Nachdem das Eponychium eingetrocknet ist, wird es abgestoßen infolge des Stehens und Gehens. Bei einem Kalb, das nicht zum Stehen imstande ist, sind die eingetrockneten Reste viel längere Zeit nachweisbar als bei einem normalen Kalb (vergleiche Watussirind!). g. „Hartebeest“, Alcelaphus caama Am 18. Juli 1960 wurde ein Junges von Alcelaphus caama in Amsterdamer Zoo ge- boren. Die Freude war sehr groß, weil diese Tierart in Europa nur im Amsterdamer Zoo vorhanden war. Die Mutter war primipar. Um 13.40 Uhr wurde das Tier in den Stall gebracht. Die bevorstehende Geburt wurde angedeutet durch den gehobenen Schwanz und eine ziemlich reichliche Schleim- ausscheidung aus der Vulva. Das Tier legte sich, und dann waren deutliche Wehen zu beobachten. Regelmäßig preßte das Tier. Um 14.05 Uhr waren die Hufe des Jungen 92 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche mit gelbem Eponychium und die Nase in der Vulva zu sehen. Die Fruchthüllen waren geplatzt. Die Mutter legt sich und steht dann wieder auf. Dies wiederholt sich sehr oft und durch lange Zeit. Sie preßt aber nur im Liegen. Zwischen den Preßwehen ist immer eine Wehenpause zu beobachten. Merkwürdig ist allerdings der Umstand, daß das Junge während des Pressens nicht weiter aus der Vulva tritt. Zudem ist es auf- fällıg, daß die Nase sich zur Höhe der Hufe findet, denn fast immer finder sich bei Huftiergeburten die Nase des Kalbes in Höhe des Mittelfußes (NAAKTGEBOREN, 1960a). Erst um 15.11 Uhr wird der Kopf gänzlich geboren, also mehr als eine Stunde, nachdem die Nase in die Vulva trat. Das Junge atmet und bewegt das Ohr und die Augenlider. Die Preßwehen lassen nach. Die Mutter steht auf und legt sich usw. Um 15.42 Uhr fangen die Wehen wieder an. Die Wehen sind schwach und nicht häufig. Das Junge kommt kaum weiter. Jetzt ist sehr klar, daß die Mutter sehr ermüdet ist und hier Gefahr droht. Das eine Vorderbein steckt weiter aus der Vulva als das andere. Es handelt sich also um eine einseitige Schulterellbogenbeugehaltung (vergl. Stoss, 1944, Abb. 38). Die senkrechte Stellung des Oberarmes vermehrt nach SrToss sowohl den Höhen- als den Querdurchmesser der Frucht und wird dadurch zum Geburtshindernis. Schließ- lich war es möglich, das gebogene Bein zu greifen und es zu strecken, und sofort wurde das Junge geboren (17.15 Uhr). Die Nabelschnur wurde spontan zerrissen. Am Kalb blieb ein etwa 12 cm langer Rest zurück. Die Nachgeburt wurde unmittelbar nach dem Jungen ausgetrieben. Die Mutter leckt das Kalb häufig und intensiv und frißt von der Nachgeburt. Um 18.30 Uhr steht das Junge nicht nur, sondern es läuft und springt schon sehr geschickt. Die Mutter hat die Nachgeburt schon vollständig aufgefressen. h. Orang-Utan, Pongo pygmaeus Die Geburt vom Orang-Utan wurde schon von SLıJpEr (1960) beschrieben, der auch die Arbeiten von Van Doorn, Fox und SCHMIDT zitiert. Die Dauer der Geburt ist etwa zwei Stunden, und die Austreibung erfolgt in einer halben Stunde. Das Junge hat ein Gewicht von etwa 21/2 kg. Die Nabelschnur hat eine Länge von 200 oder 2300/o der Länge des Jungen. Am 11. Juli 1959 wurde im Rotterdamer Zoo ein Orang- Utan geboren. Van Doorn (persönliche Mitteilung an SLıJpEr) berichtet davon, daß die Mutter auf dem Rücken lag während der Austreibung des Jungen und daß die Geburt sehr rasch (in einigen Minuten) stattfand. Die Plazenta wurde zum größten Teil aufgefressen, zum Teil zerfasert, aber die etwa 55 cm lange Nabelschnur wurde nicht durchgebissen. Lang (1958) teilt ebenfalls mit, daß die Nabelschnur nicht durch- bissen wurde. Die Plazenta wurde nicht aufgefressen. Die Angaben, die wir erhielten von der Orang-Utan-Geburt im Amsterdamer Zoo sind spärlich, aber doch des Erwähnens wert. Die Mutter war jung und primipar. Es handelt sich um ein Junges, das vielleicht nicht ausgetragen war, denn es starb nach einer Woche und hatte ein Gewicht von etwa 1 kg. Das Junge wurde in Kopfendlage (Hinterhauptslage) geboren. Nachdem der Kopf ausgetrieben war, folgte der Rest des Jungen sehr schnell. Die Nabelschnur blieb intakt und hatte eine Länge von etwa 80 cm. Die Plazenta kam bald nach dem Jungen nach außen. Sie war in zwei Stücke geteilt. Die Mutter nahm ein Teil in den Mund, aber fraß es nicht auf. Die Nabel- schnur wurde nicht durchgebissen, sondern nach zwei Tagen durchgeschnitten, weil die Schnur eingetrocknet war. Während der Geburt lag die Mutter auf dem Rücken mit dem Kopf an der Wand, und mit den gekrümmten Hinterbeinen am Gitterwerk, um möglichst kräftig pressen zu können. Diese Haltung stimmt sehr gut mit der der ge- bärenden Frau überein. Auch die Lage und Haltung des Jungen ist die gleiche, wie man es beim Menschen im allgemeinen beobachtet. Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 93 B. Multipare Arten a. Igel, Erinaceus europaeus Nur ausnahmsweise ist ein Forscher in der Lage, eine Tiergeburt im Feld zu beobach- ten. Freilandbeobachtungen von Geburten wildlebender Tiere sind nur von sehr weni- gen Arten bekannt: u. a. Seehunde (SLiJPER, 1960) und Rangıfer arcticus (DE Vos, 1960). Die kleineren wildlebenden Tiere fängt man meistens und beobachtet die Geburt in Gefangenschaft. Obwohl man annehmen darf, daß das Tier sein natürliches und artspezifisches Verhalten nicht in kurzer Zeit verloren hat, spricht es jedoch für sich, das Freilandbeobachtungen immer von größter Bedeutung sind für das Kontrollieren der Gefangenschaftsbeobachtungen, eine Regel, die nicht nur für die Geburtskunde gilt. Das Glück ist uns sehr nah gewesen, als einer der Verfasser eines Julinachmittags einen Spaziergang durch Wald und Heide machte. Plötzlich wurde die Aufmerksam- keit erregt durch merkwürdige Laute. Der Lärm machte den Eindruck, als spielte sich ein Gefecht zwischen zwei Tieren ab. Es war bald klar, daß die Laute ihren Ursprung unter einem toten Baum hatten. Hier fand sich eine Anhäufung von Gräsern und Heidesträuchern. Nachdem diese Pflanzenmasse vorsichtig ein wenig zurückgeschoben worden war, und es so möglich war zu sehen, was sich im Dunkeln abspielte, stelite es sich heraus, daß es bestimmt kein Gefecht war, denn nur ein Igel war im Nest. Das Nest war ein runder Raum, dessen Wände mit Gras und toten Blättern gepolstert wa- ren. Der Igel knurrte und drehte sich. Das plötzliche Herannahen des Beobachters ließ das Tier völlig unberührt, und ungeängstigt fuhr es fort, denselben Lärm zu machen wie zuvor. Kurz nachdem der Beobachter sich beim Nest gelagert hatte, stellte sich heraus, daß das Tier ein gerade vor dem Geburtsakt stehendes Weibchen war, das kräftig preßte, wobei es piepte. Der Verlauf der Geburt geht aus dem Protokoll hervor. Zeit Igel-Geburt 9-VII-1960 13.40: Das Tier knurrt und dreht sich im Nest. 13.44: Pressen, wobei die Mutter teilweise auf der ‚rechten Seite liegt, die Hinterbeine drückt sie kräftig gegen den Boden. 13.47: Lecken der Genitalia. Das Tier liegt ai Plötzlich wird das erste Junge in der vollständigen Fruchtblase mit der Plazenta geboren, in Kopfendlage und leichter Beugehaltung. 13.49: Das Muttertier leckt die Vulva und dann das Junge und frißt die Nachgeburt. 13.52: Das Tier knurrt, dreht sich im Nest und liegt in eingerollter Haltung. Die Mutter leckt dann die Genitalia, nimmt das Junge in das Maul, und legt es ein, wenig weiter vor sich. 13.54: Vulva lecken. Das zweite Junge wird ın Steißendlage geboren. Die Hinterbeine waren nicht gestreckt. Die Plazenta folgte dem Jungen unmittelbar. 13.56: Die Mutter frißt die Fruchthüllen, leckt das Junge und frißt die Plazenta auf. Vulva lecken. 13.597 Pressen. 14.02: Das dritte Junge wird in Kopfendlage und Bengehaltung geboren. Der Scheitel er- schien also zuerst in der Vulva. Die Mutter frißt die Fruchthüllen und beißt die Nabelschnur durch. Am Bauch des Jungen bleibt ein etwa 3 mm langer Rest übrig. Dieser Nabelstrangstumpf ist von fleischiger Beschaffenheit. Eine Blutung trat nicht auf. Dann leckt die Mutter das Junge wieder, und nachher leckt sie die Genitala. 14.09: Das Tier preßt in eingerollter Haltung. 14.10: Das vierte Junge wird in Kopfendlage und Beugehaltung geboren. Die Mutter zer- beißt die Fruchthüllen und leckt das Junge. Sie beißt die Nabelschnur durch und frißt die Plazenta und Fruchthüllen. 14.13: Lecken der Jungen. Vulva lecken und pressen. 14.17: Das fünfte Junge wird in Steißendlage und Beugehaltung geboren. Die Plazenta kommt zugleich aus der Vulva. 14.19: Die Mutter leckt das Junge, beißt den Nabelstrang durch und frißt die Plazenta auf. 94 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche 14.21: Die Mutter leckt ihre Jungen und nimmt eines nach dem anderen mit dem Maul auf und legt sie an ihren Bauch. 14.25: Die Jungen saugen. “ - Sehr auffällig ist das Benehmen des Muttertieres nach der Geburt eines Jungen. Sıe befreit das Junge aus der Fruchtblase, die während der Austreibung intakt bleibt, beißt die Nabelschnur durch, frißt sehr fleißig die Plazenta auf und legt dann das Junge ein wenig weiter von sich ab. Dies findet man nur selten, denn die meisten multiparen Säuger sitzen auf oder über den schon geborenen Jungen. Der Igel schafft aber Raum für die Geburt jedes Jungen. Nachdem alle Jungen geboren sind, holt die Mutter sıe wieder herbei und krümmt sich um die Jungen herum, indem sie ihre Kin- der mit dem Kopf und den vier Beinen umschließt. Die gesamte Austreibungsdauer betrug nur 30 Minuten, und die Austreibung der einzelnen Jungen fand in etwa 10 Sekunden statt. KRUMBIEGEL (zit. nach SLIJPER, 1960) teilt mit, daß die Austreibung sehr schnell vor sich geht. Die Jungen wurden in Beugehaltung geboren, ganz gleich, ob es sich um eine Kopf- oder Steißendlage handelte. Die Geburt fand am Tage (13 Uhr) statt, was für ein so ausgesprochenes Nachttier wıe den Igel nicht verwunderlich ist. Schließlich ist noch zu bemerken, daß drei Junge in Kopfendlage und zwei in Steißendlage geboren wurden und die Zeiten zwischen den Geburten zweier Jungen 7—8— 8 und 7 Min. betrugen. b. Hauskatze, Felis catus Über die Geburt der Hauskatze liegen bisher nur sehr wenige Angaben vor. Nur die Arbeit Coopers (1944) müssen wir an dieser Stelle erwähnen. Sehr häufig gebären die Katzen ihre Jungen an einer für den Menschen unzugänglichen Stelle. Wir haben fünf Geburten beobachtet und von fünf anderen Geburten den Zeitpunkt feststellen können. Die Vorzeichen der Geburt sind schon ein bis zwei Tage vor der Geburt zu beob- achten, nämlich eine starke Schwellung der Milchdrüsen und Ausfluß von Blut und Schleim aus der Vulva. Kurz vor der Geburt beobachtet man eine immer größer werdende Unruhe beim Muttertier. Auch dem vertrauten Pfleger geht das Tier aus dem Wege. Unmittelbar vor der Geburt leckt das Tier die Hinterbeine, die Zitzen, den Bauch und die Vulva und oftmals auch den Schwanz. Der Körper wird von rhyth- mischen, zuckenden Bewegungen durchzogen. Das Tier preßt mit den Hinterbeinen und der Hinterhand dicht zu Boden gedrückt und mit gekrümmtem Rücken. Zwischen den Preßwehen liegt das Tier lang ausgestreckt oder leckt wieder die Vulva, die Zitzen, den Bauch oder den Schwanz. Dann kommt nach wiederholten Preßwehen die Frucht- blase in der Vulva zum Vorschein. Häufig bleibt die Fruchtblase bei der Austreibung, die schnell vor sich geht, intakt. Die Austreibungszeit pro Frucht nımmt im Mittel 83 Sekunden in Anspruch. Das Minimum war 55, das Maximum 120 Sekunden. Die Austreibung in Steißendlage geht genau so geschwind wie in Kopfendlage, im Gegen- satz zum Frettchen, bei dem die Steißendgeburt viel rascher vor sich geht als die Ge- burt in Kopfendlage (NAAKTGEBOREN, 1961a). Nach SLıper (1960) ist die Austreibe- zeit pro Frucht 10 bis 30 Minuten. Wir glauben nicht, daß diese sehr langen Austreibe- zeiten normal sind. NAAKTGEBOREN (1961a) hat beim Frettchen ebenfalls viel kürzere Zeiten festgestellt. Obwohl die Austreibung pro Frucht beim Frettchen mehr Zeit be- ansprucht als bei der Katze, war das Maximum doch nur 10 Minuten. Die Zeit zwi- schen den Geburten von zwei aufeinander folgenden Jungen beträgt 26 bis 67 Minu- ten. Der Mittelwert ist 45 Minuten. Unterschiede zwischen primi- und pluriparen Tieren haben wir nicht feststellen können, denn wir hatten nur eine prımipare Mutter mit zwei Jungen. Das Intervall zwischen dem ersten und zweiten, zweiten und dritten, dritten und vierten Jungen ist etwa gleich groß. Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 95 Nachdem ein Junges geboren ist, zerreißt die Mutter die Fruchthüllen, beißt die Nabelschnur in einer Entfernung von 2 bis 6 cm vom Bauch des Jungen durch und frißt die Hüllen auf. Sie leckt das Junge. Die Nachgeburt wird immer fleißig gefressen. Eine Mutter zog die Nachgeburt an der Nabelschnur aus der Vulva, aber meistens wurde die Nachgeburt etwa 10 bis 15 Minuten nach der Geburt des Jungen ausgetrie- ben und dann gefressen. Fast immer werden die Hüllen von der Mutter zerrissen, aber wir haben in einem Fall beobachtet, daß die Geburt sehr rasch stattfand, wobei die - Hüllen spontan rissen und die Nachgeburt dem Jungen unmittelbar folgte, wobei die Nabelschnur intakt blieb. Nachdem das Junge sehr viel Lärm gemacht hatte, bıß die Mutter die Nabelschnur durch und fraß nachher die Nachgeburt auf. In der Zeit zwischen den Geburten von zwei Jungen leckt die Mutter das Junge, wird die Nachgeburt ausgetrieben und aufgefressen und leckt die Mutter die Vulva und andere beblutete Körperteile. Dann setzen die Preßwehen wieder ein und ein nächstes Junges wird geboren. Gelegentlich rollt die Mutter bei der Austreibung des Jungen. Die Austreibung geht nicht auf einmal, sondern in Phasen, d. h. das Junge tritt aus der Vulva und kommt nicht weiter. Nach einiger Zeit kommt es weiter und wartet wieder. Schließlich wird die Austreibung vollendet. Die Zahl dieser Phasen ist mei- stens nur zwei oder drei und stimmt mit der Anzahl der Austreibungswehen überein. Nach HAGEMANN UND SCHMIDT (1960) sind vier bis fünf Uteruskontraktionen not- wendig für die Geburt einer jungen Maus. Dies stimmt gut überein, denn vor dem Einschneiden des Kopf- oder Steißendes in der Vulva beobachtet man bei der Katze meistens ebenfalls zwei bis drei Preßwehen. Für die gesamte Geburt eines Jungen sind also vier bis sechs Preßwehen notwendig. Die Geburtsdauer war bei einer primiparen Mutter mit zwei Jungen 58 Minuten. Die Geburt der pluriparen Tiere nahm bei zwei Jungen 41 und 67 Minuten, bei drei Jungen 104 Minuten und bei vier Jungen 92 Minuten in Anspruch. SLıJPER (1960) macht Angaben von zwei bis sechs Stunden. Die Geburt kann in Kopfendlage oder Steißendlage stattfinden. Wir beobachteten neun Kopfendlagen und vier Steißendlagen. Die Vorderbeine können in Kopfendlage entweder etwas gestreckt oder nach hinten geschlagen sein. In Steißendlage sind die Hinterbeine gebogen. Von zehn Geburten haben wir den Zeitpunkt festgestellt. Zwischen O und 9 Uhr fand keine Geburt statt, zwischen 12 und 15 Uhr vier Geburten, zwischen 15 und 18 Uhr keine Geburt, zwischen 18 und 21 Uhr drei Geburten und zwischen 21 und 24 Uhr eine Geburt. Alle Geburten haben also am Tage und Abend stattgefunden, hauptsächlich, 70/0, zwischen 12 und 21 Uhr. Dies ist in Übereinstimmung mit der Ansicht SLıJpEers (1960), daß die Geburt stattfindet zu dem Zeitpunkt, in dem die Tiere zu ruhen pflegen. Der Nabelschnurstumpf fällt nach fünf bis acht Tagen ab, beim Frettchen nach etwa fünf Tagen (NAAKTGEBOREN, 1961a). Schließlich geben wir noch ein Protokoll des Geburtsvorganges bei der Katze. Zeit Katzen-Geburt 16.45: Unruhe. 17.58: Das Tier schläft. 18.08: Lecken und waschen von Hinterbeinen, Schwanz und Vulva. 18.12: Das Tier reckt und rollt sich. 18.15: Lecken der Vulva und der Zitzen. 18.18: Das Tier liegt ruhig. 18.27: Der ganze Körper ist in rhythmischer Bewegung. 18.35: Vulva lecken. Das Tier liegt auf der rechten Seite. 18.41: Pressen im Liegen. 18.46: Vulva lecken. Hin und her rollen. 9 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche 18.58: Vulva lecken. Das Tier liegt auf der linken Seite und prefßt mit auf den Boden ge- stemmten Hinterbeinen. 19.06: Vulva lecken. Die Fruchtblase tritt in der Vulva zum Vorscein. 19.07: Das erste Junge wird in Kopfendlage geboren. Es wird ın zwei Phasen ausgetrieben innerhalb 55 Sekunden. 19.11: Die Mutter zerreißt die Hüllen, leckt das Junge, beißt die Nabelschnur durdı und leckt die Vulva. ] 19.15: Lecken des Jungen und der Vulva. Pressen. Die Nachgeburt wird ausgetrieben und sofort aufgeiressen. 19.19: Lecken des Jungen. Waschen von Schwanz und Hinterbeinen. 19.27: Das Tier liegt ruhig. 19.36: Pressen mit gekrümmtem Rücken. 19.42: Lecken der Vulva und der Zitzen. Rollen. 19.47: Pressen. Vulva lecken. Die Fructblase mit dem zweiten Jungen erscheint ın der Vulva. Pressen, wıeder Vulva lecken. Dann rollt das Tier einige Male hin und her. Das zweite Junge wird in Sieißendlage geboren. Die Austreibung fand statt in drei Phasen innerhalb 90 Sekunden. 19.51: Die Mutter zerreißt die Fruchthüllen, lekt das Junge, beißt die Nabelschnur durdı und leckt dann wieder die Vulva und das Junge. 19.59: Waschen der Zitzen und Hinterbeine und lecken des Jungen. Ein wenig pressen. Die Nachgeburt wird ausgerrieben und aufgeiressen. 20.05: Das Tier wäscht sich und leckt die beiden Jungen. 20.20: Die Mutter und die Kinder schlafen. 20.50: Die Jungen saugen. 23.40: Die Mutter frıßt. Nacı Abschluß des Manuskriptes wurde noch eine Geburt bei der Katze beobachtet. Die fünf Jungen wurden ausnahmslos in Kopfendlage geboren. Die Geburt nahm 110 Minuten in Anspruch. Die Zeiten zwischen den Geburten der einzelnen Jungen waren 35, 9, 44 und 17 Minuten. Die Geburt fand um 10.30 Uhr statt. Die Mutter war prımipar. c. Meerschweinchen, Cavia aperea f. porcellus Die Geburt des Meerschweinchens wurde beschrieben von Granzow (1930). GRANZOW berücksichtigt vor allem die Verhältnisse im mütterlichen Becken, obwohl seine ein- leitende Beschreibung einen sehr guten allgemeinen Überblik vom Geburtsvorgang gıbt. Wir haben seine Ergebnisse vollständig bestätigen können. Die Geburt des Meer- schweinchens ist veranschaulicht in einem Farbfilm unter wissenschaftlicher Leitung von NAAKTGEBOREN (1961b). Weitere Angaben über die Geburt bei Cavia fehlen in der Literatur. Wir haben 56 Geburten zum Teil oder vollständig beobachtet. Vorzeichen Die Vorzeichen der Geburt sind außerordentlich schwierig festzustellen. Ein sicheres Vorzeichen ist die Erschlaffung der Symphysis pelvis. Man kann kurz (d. h. ein bıs zwei Tage) vor der Geburt einen Finger zwischen die Schambeine bringen. Diese Er- schlaffung beginnt aber oft schon eine Woche oder früher vor der Geburt. Eine fast maximale Erweiterung der Symphysis pelvis kann schon mehrere Tage vor der Geburt bestehen, kann aber auch kurz vor der Geburt zustande kommen. Das Muttertier steht und geht schwerfällig, was mit der eröffneten Symphysis pelvis zusammenhängt. Abb. 4 zeigt das Becken einer nicht trächtigen weiblichen Cavia und eines hochträchti- gen Tieres. Die Raumvergrößerung im Becken kommt nicht nur zustande durch die Symphysen-Erweiterung, sondern auch, indem die Beweglichkeit des Iliosacralgelenkes zunimmt. Der Winkel zwischen Ilium und Sakrum kann stark varıieren. Zudem kön- nen sich die Schambeine in medio-lateraler Richtung drehen. Die Erweiterung ım Symphysis pelvis, die größere Beweglichkeit im Iliosakralgelenk und die Schambein- drehung sind drei Faktoren, die kurz vor der Geburt eine beträchtliche Raumvergrö- Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 97 ßerung im mütterlichen Becken hervorrufen. Man kann diese Tatsachen ım Röntgenbild eines hochträchtigenMeerschweinchens beobachten. Die Symphysen-Er- weiterung ist auch von SZUM- vocHY (1953) beschrieben für Spalax hungaricus Nhrg. Die Jungen von Spalax sind genau wie bei Cavia groß und breit- köpfig. Ausgetragene Cavia- früchte können das mütterliche Becken nur passieren, wenn der Raum sehr stark vergrößert ist. Dies geht auch klar aus dem oben erwähnten Film hervor. Die Symphysen-Erweiterung ist nicht geeignet, den genauen Zeitpunkt der Geburt im vor- aus zu bestimmen. Sehr häufig liegt das Muttertier am Tag vor Abb. 4. Meerschweinchen. Das knöcherne Becken eines nes sehr ruhi erwachsenen, nicht trächtigen Weibchens (links) und ” 5 UNI eines vor der Geburt stehenden Tieres (rechts), um die und verläßt seine Lagerstatt Erweiterung der Symphysis pelvis zu zeigen. — Aufn. nicht. Die Hinterbeine sind oft C. NAAKTGEBOREN nach hinten gestreckt. DieHaare können weit auseinander stehen, statt eine der Haut eng anliegende glatte Haardecke zu bilden. Häufig ist die Freßlust gering. Das Tier macht den Eindruck, krank zu sein. Nicht immer ist dies aber der Fall. Es kann vorkommen, daß ein Tier munter und gesund aussieht und den ganzen Tag gefressen hat. Plötzlich legt es sich, und innerhalb einer Stunde erfolgt die ganze Geburt! Aber es kann auch vorkommen, daß ein Tier zwei oder drei Tage den Eindruck macht, sofort die Jungen zu werfen. Das häufig vorkommende intensive und langwährende (bis zu drei Stunden) Waschen des Bauches, der Leistengegend, der Beine usw. unmittelbar vor der Geburt kann ein wichtiges Zeichen dafür sein, daß der Geburtsanfang nahe ist. Vielen Tieren fehlt dieses Benehmen aber. Auch dieses Vorzeichen ist also nicht völlig zuverlässig. Es ıst nicht möglich, ein sicheres Vorzeichen zu finden, wenn man nur das Benehmen des Muttertieres beobachtet. Wir haben versucht, die Körpertemperatur zu messen. Aus der Tabellen geht hervor, daß es tatsächlich einen Temperaturfall gıbt, wie dies ebenfalls beim Rind und beim Hund gefunden ist (SLIJPER, 1960). Nur am Tage vor der Geburt liegt die Temperatur also unter 39% C. Diese An- gaben beziehen sich nur auf ein Tier, Tabelle nämlich das Tier der Protokolle. In abelle 1 : ß einem anderen Fall wurde einen Tag vor der Geburt 38° C gemessen, und Temperatur . . - DOES Ir. | SIR in 14 Fällen wurde etwa drei Stunden oder Geburt 39,70 C vor der Geburt eine Temperatur von a DER % 39,60 C etwa 38,2 0 C festgestellt. Die normale De BR: 3 39,4° C Körpertemperatur ist 39,7° C, wie 0 : : = ° be 125 Bu » le wir wiederholt gefunden haben. Diese 2 ag » ” ” = Mede 3g90C Untersuchungen brauchen noch eine 2 Tage nach ee ehunt 39,50 C weitere Bestätigung. Doch liegt die Annahme nahe, daß der Temperatur- 98 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche fall vor der Geburt das sicherste Vorzeichen der bevorstehenden Geburt beim Meer- schweinchen ist. Die Geburt | Der Geburtsanfang macht sich bemerkbar durch regelmäßiges _—- der Vulva (Abb. 5) und Pressen mit gekrümmtem Rücken (Abb. 7). Schon bald tritt die erste Fruchtblase in der Vulva zum Vorschein (Abb. 7). Die Mutter krümmt sich tiefer und zerreißt mit den Zähnen die Fruchtblase (Abb. 8). Gelegentlich krümmt die Mutter sich so tief, daß sie über den Kopf und Rücken rollt. Wenn sie wieder gerade auf ihren Beinen steht, ist das Junge geboren. Dieses merk- würdige Benehmen kommt nur ausnahmsweise vor, wurde aber mehrere Male beob- achtet. Das Junge wird fast immer in Kopfendlage geboren bei gestreckter Haltung. Nachdem die Hüllen zerrissen sind, ist das Junge also in der Lage zu atmen, und tat- sächlich setzt der erste Atemzug sehr bald ein. Steißendlagen sınd also gefährlich. Von den 106 Jungen, deren Geburt wir beobachteten, wurden 95, also 89,6°/o in Kopf- endlage und 11, also 10,4°/o, in Steißendlage geboren. GRAnzow (1930) sagt sogar, Abb. 5. Meerschweinchen. Lecken der Vulva Abb.6. Meerschweinchen. Die Mutter leckt das vor der Austreibung des ersten Jungen. noch nasse Junge. —- Aufn. C. NAAKTGEBOREN Aufn. C. NAAKTGEBOREN Abb. 7. Meerschweinchen. Die Mutter preßtin Abb. 8. Meerschweinchen. Die Fruchtblase ist gekrümmter Haltung. Man beachte den Wulst fast völlig aus der Vulva getrieben. Die Mutter in der Flanke. Die Fruchtblase (Pfeil) tritt aus zerreißt die Fruchthüllen beim Kopf des Jun- der Vulva. - Aufn. C. NAAKTGEBOREN gen. Das Junge war zum größten Teil schwarz und dunkelbraun. — Aufn. C. NAAKTGEBOREN Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 99 daß die Meerschweinchen immer in Kopfendlage geboren werden. Das Junge wird in Steißendlage meistens mit gestreckten Hinterbeinen geboren. Nur einmal wurde ein Junges in unterer Stellung geboren. Normal werden die Jungen in oberer Stellung, also mit dem Rücken nach dem Rücken der Mutter gerichtet, ausgetrieben. Die Lage, Haltung und Stellung des Jungen während der Geburt stimmt größtenteils mit den uniparen Säugern überein. Die Meerschweinchen gebären genau wie diese gut aus- gebildete Junge. Die Wurfgröße hängt vom Alter des Tieres und von der Rasse ab. Würfe mit mehr als fünf bis sechs Jungen gehören zu den Ausnahmen. Aber viele Rassen gebären nur selten mehr als drei Junge in einem Wurf, während primipare Mütter oft nur ein Junges zur Welt bringen. Das Meerschweinchen gehört also weder zu den uniparen, noch zu den multiparen Säugern, sondern nimmt eigentlich eine Sonderstellung ein. Die große Jungenzahl mancher Rasse ist wahrscheinlich während der Domestikation entstanden und gehört nicht zur ursprünglichen Erbanlage dieser ESEL. Nach vollendeter Austreibung leckt die Mutter die Reste der Fruchthüllen vom Jungen und frißt sie auf. Sie beißt die Nabelschnur durch und leckt das Junge (Abb. 6). Gelegentlich wird die Nabelschnur spontan zerrissen. Die Rißstelle findet sich dann meistens in der Nähe der Plazenta, und daher ist der Rest der Nabelschnur am Jungen lang. Die Mutter frißt einen Teil des Nabelschnurrestes auf, bis ein normaler Rest am Jungen übrig ist. Die Länge des Nabelschnurrestes am Jungen liegt meistens zwi- schen vier und sieben mm. Die Austreibedauer einer einzelnen Frucht ist im normalen Falle kurz, nämlich einhalb bis zwei Minuten. Die Austreibung geht oft in zwei Phasen vor sich. Nachdem der Kopf geboren ist, kann man eine „Pause“ feststellen, in der die Mutter die Hüllen zerreißst. Nachher wird der Rest des Körpers geboren. Die Mutter leckt das Junge und frißt oftmals ein wenig, bevor das nächste Junge geboren wird. Die Jungen sind sofort aktıv und versuchen zu gehen. Die Geburt des nächsten Jungen geht genau so wie diejenige des ersten Jungen vonstatten. Der Zeitverlauf in Minuten zwischen den Geburten von zwei aufeinander folgen- den Jungen geht aus Tabelle 2 hervor. Tabelle 2 Primipare Mütter ee Pluripare Mütter Minimal Maximal | Mittelwert BR | Mittelwert | Minimal Maximal 20 Si SUR. 1 und 2 Ale) ?. 34 18 42 30,0 2 und 3 24,7 7£ 45 23 36 2) 3 und 4 173 3 30 4 und 5 8,5 3 14 Tabelle 3 Geburtsdauer in Minuten Primipare Mütter Zahl Pluripare Mütter | Einzelwerte | Mittelwert ne | Mittelwert Einzelwerte 3.3 23 1 a 02.424099, 991.30 B9W231 27.29, 33, 34, 36, 45, 51 331 2 26,8 15033, 542 oa 65 65 3 46,2 14, 48, 70, 76, 90 72 72 4 59,6 60, 67 5 100 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche Aus dieser Tabelle geht hervor, daß zwei Junge innerhalb von zwei Minuten, aber auch innerhalb von 51 Minuten aufeinander folgen können. Die Mittelwerte der pluri- paren Mütter sind bedeutend kleiner als bei den primiparen Tieren. Die Zeit zwischen den Geburten von zwei Jungen ist mehr oder weniger konstant, besonders bei den primiparen Tieren. Dies dürfte vielleicht darauf hinweisen, daß die Annahme von Stoss (1944), daß die späteren Jungen einen viel längeren Weg zurückzulegen hätten, nicht richtig ist. NAAKTGEBOREN (noch nicht veröffentlicht) hat für die Ratte gezeigt, daß die entleerten Uterusteile sich direkt sehr stark verkürzen, so daß die späteren Jungen also fast keinen längeren Weg zurückzulegen haben. Nimmt man an, daß dies bei Cavia genauso geschieht, kann man verstehen, daß Tabelle 4 die Zeit zwischen den Geburten von zwei Jungen etwa konstant ist. Diese Zeit ist, wie gesagt, für pluripare Zeit zwischen | Zahl der Mütter kürzer als für primipare Tiere. Es versteht sich, daß die Geburtsdauer der pluriparen Tiere also auch klei- Ound 3Uhr 4 ner sein wird als bei den erstgebärenden Meerschweinchen. Irina 0 > Dies geht einwandfrei aus Tabelle 3 hervor. > 2 5 ; Ä Aus dieser Tabelle geht ebenfalls hervor, daß die Ge- DE eo burtsdauer zunimmt mit der Anzahl der Jungen. Von 9 einem Mittelwert der Geburtsdauer ohne weiteres kann 18 „ 21 „ 9 also nicht die Rede sein. ee E Die Geburt kann zu jeder Tageszeit stattfinden (Ta- Dazu 6 Geburten in der belle 4). Die meisten Geburten, nämlich 50%, finden ae A u statt zwischen 12 und 21 Uhr. Dies ist eine Zeit während welcher die Tiere meistens sehr ruhig sind. Von einem deutlichen Aktivitätsrhythmus ist aber beim domestizier- ten Meerschweinchen kaum die Rede. Vielleicht hängt damit zusammen, daß die Ge- burten mehr oder weniger gleichmäßig über den Tag verteilt sind. Es ist auffällig, das zwischen 21 und 3 Uhr nur sehr wenig Geburten stattfinden, obwohl die genaue Zahl nicht bekannt ist, denn von den 6 Geburten zwischen 18 und 9 Uhr, dürften einige, oder vielleicht alle, in dieser Zeit stattgefunden haben! Nachgeburt Im Röntgenbild haben wir die Austreibung der Nachgeburt gesehen. Die Plazenta wird nicht doppelt geklappt oder gefaltet, sondern liegt wie eine platte Scheibe in der Vagina und gleitet langsam zur Vulva (NAAKTGEBOREN, 1961b). Die Nachgeburt wird meistens ausgetrieben nach der Geburt des Jungen, dem die Plazenta zugehört hat. In 102 Fällen haben wir versucht, dies festzustellen. 78 mal folgte eine Nachgeburt auf die Geburt eines Jungen, d. h. in 76,5 %0 aller Fälle. In den übrigen Fällen (23,5 %/0) wurden mehrere oder alle Nachgeburten ausge- trieben nach der Geburt von mehreren oder sogar allen Jungen. Daß alle Nachgeburten nach der Geburt aller Jungen ausgetrieben werden, haben wir bei 56 Geburten nur zweimal genau feststellen können. Die Zeit zwischen der Geburt eines Jungen und der Austreibung der Plazenta, im Falle letztere direkt auf ein Junges folgt, nimmt 1 bis 32 Minuten in Anspruch. Meistens ist diese Zeit etwa 10 Minuten bis eine Viertel- stunde, also etwa die Hälfte der Zeit zwischen den Geburten zweier Jungen. Die Mutter durchbeißt die Nabelschnur und frißt die dem Jungen anklebenden Reste der Fruchthüllen auf, wie oben schon mitgeteilt wurde. Sehr häufig frißt sie auch von der Nachgeburt und oft frißt sie eine Plazenta gänzlich auf. Gelegentlich frißt sie alle Plazenten auf. Dies gehört jedoch zu den Ausnahmen, insbesondere bei einer größeren Jungenzahl. Wenn drei oder mehr Junge geworfen werden, kommt es nur ausnahmsweise vor, daß die Mutter alle Nachgeburten vollständig auffrißt. Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 101 Dies dürfte vielleicht damit zusammenhängen, daß das domestizierte Meerschwein- chen, nach den Angaben von FLowEr und LYDEkkeEr (1891, zitiert nach LEITCH c. s., 1959), vom südamerikanischen Cavia porcellus abstammt, das meistens nur ein ein- ziges Junges zur Welt bringt oder höchstens zwei Junge gebärt. Wir haben aus anderem Grunde auch schon erwähnt, daß das Meerschweinchen eine Sonderstellung zwischen primiparen und multiparen Säugern einnimmt. Daß die Mutter alle Nachgeburten unangerührt liegen läßt, ıst ebenfalls eine Aus- nahme. Doch haben wir beide Ausnahmen mehrere Male festgestellt. In der Regel ist die Symphysis pelvis schon einen Tag oder höchstens zwei Tage nach der Geburt geschlossen. Die Mütter gehen wieder leicht und ohne Schwierigkeiten. Von einer Jungenpflege kann man nicht sprechen. Die Mütter lassen die Jungen saugen und haben weiter mit ihren Kindern nichts zu tun. Die Jungen fressen oftmals Gräser oder Gemüse innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt. Dazu saugen sie auch während zwei bis drei Wochen Muttermilch, manchmal länger. Nach der Geburt ist man auch in der Lage, das Gesamtgewicht der Jungen und das Gewicht der Mutter festzustellen. Da die Jungen so groß sind, ist es interessant, hier die Zahlen zu geben, sowie das Gesamtgewicht der Jungen in Prozent des mütterlichen Gewichtes (Tabelle 5). Tabelle 5 | Gesamtgewicht Mittelgewicht Gewicht | Gew. J. in Zahl der Jungen der Jungen der Jungen der Mutter | 0/o Gew. M. 4 302g 73,38 625 8 46,7 5 Sll9re OR) 1205 g 42,7 5 540g 108 g 710g 76 7 620 8 88,5 8 985 8 61,8 Das gefundene maximale Gewicht eines einzelnen Jungen betrug 115 g. LEiTcH, HyTTEn und BırLLewicz (1959) geben als maximales Gewicht eines neu- geborenen Meerschweinchens 95 g an, und als maximales Gewicht des ganzen Wurfes 352g, d. h. 63/0, da die Mutter 560 g wog. Weiter geben sie 59°/o, 45,7 %/o, 52,5 %/o und 48,0°/o an. Dies stimmt gut mit unseren Befunden überein. Wie oben erwähnt, befindet sich kurz nach der Geburt ein 4 bis 7 mm langer Nabel- schnurrest am Bauch des Jungen. Wir untersuchten 32 Junge und konnten feststellen, daß dieser Rest nach neun bis elf Tagen abfällt (27 der 32 Jungen, also 84,3 %/o). Die vier Tiere, deren Nabelschnurrest zu früh abfiel, starben bald. Dies dürften also patho- logische Fälle gewesen sein. Bei einem Tier fiel der Rest nach 15 Tagen ab. Dies war ein drei Tage zu früh geborenes Junges. Schließlich folgen hier zwei Protokolle über dasselbe Muttertier. I. Cavia-Geburt Zeit Primipare Mutter 21.0002.1460 20. 10.1960 Körpertemperatur 38,8% C. Nichts besonderes. 21. 10. 1960 15.06: Das Tier leckt und wäscht sich. 15.35: Das Tier erzeugt Töne, als hätte es Schmerzen. Unruhe. 15.44: Lecken der Flanken und der Vulva. 15.47: Das Tier liegt auf der rechten Seite. 15.49: Pressen. Vulva lecken. 15.52: Das Tier liegt langausgestreckt und preßt. 15.56: Vulva, Zitzen und Hinterbeine lecken. 102 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche 15.59: Waschen der Schnauze und Vorderbeine. 16.03: Das Tier sitzt in gebogener Haltung und preßt. 16.05: Vulva lecken. Das Tier geht mit der Schnauze in die Vagina ein, um möglichst tief lecken zu können. 16.08: Das erste Junge wird in Kopfendlage geboren, mit gestreckten Vorderbeinen und geöffneten Augen. 16.11: Die Mutter zerreißt die Hüllen, leckt die Vulva, beißt die Nabelschnur durch und leckt das Junge. 16.14: Vulva und Hinterbeine lecken. 16.18: Das Tier liegt langausgestreckt. 16.21: Pressen. Vulva lecken. 16.24: Die Plazenta wird ausgetrieben. Vulva lecken. 16.27: Die Mutter frißt die Plazenta. 16.31: Das Tier liegt auf der rechten Seite und preßt. 16.34: Vulva lecken. Dann ist das Tier einige Zeit ruhig. 16.42: Das Tier sitzt mit gekrümmtem Rücken und preft. 16.46: Das zweite Junge wird in den intakten Fruchthüllen in Kopfendlage geboren. 16.48: Die Mutter zerreißt die Fruchtblase, leckt das Junge und die Vulva, beißt dann die Nabelschnur durch. 16.50: Lecken des Jungen. 16.53: Das Tier liegt langausgestreckt. 16.59: Vulva lecken. Pressen. 17.02: Die Plazenta wird ausgetrieben. Die Mutter knabbert ein wenig an der Plazenta. 17.07: Vulva lecken. 17.12: Das Tier liegt auf der linken Seite und preßt. 16.16: Vulva und Hinterbeine lecken. 17.19: Das dritte Junge wird in Kopfendlage geboren. 17.22: Die Mutter frißt die Fruchthüllen, leckt die Vulva, beißt die Nabelschnur durch und leckt das Junge. 17.25: Lecken des dritten Jungen. Die Mutter stößt das Junge mit der Schnauze in die Flanken. 17.31: Pressen, während die Mutter ausgestreckt liegt. 17.37: Die Plazenta wird ausgetrieben. 17.40: Die Mutter frißt von der Plazenta. Vulva lecken. 17.44: Lecken der Jungen. 17.47: Das Tier leckt und wäscht sich. 17.52: Die Mutter ruht. 17.58: Lecken der Jungen. Dann schläft die Mutter ein. 20.20: Die Jungen saugen. Die Mutter frißt. II. Cavia-Geburt Pluripare Mutter Für die Beobachtungen der Körpertemperatur, siehe Tabelle 1 Zeit 12. I. 1961 18.17: Lecken und waschen der Schnauze und Vorderbeine. 18.19: Lecken der Flanken und der Vulva. 18.21: Das Tier liegt auf der rechten Seite und preßt. 18.25: Das Tier preßt mit gekrümmtem Rücken. 18.28: Das erste Junge wird in Kopfendlage geboren. 18.30: Die Mutter frißt die Fruchthüllen, leckt die Vulva, beißt die Nabelschnur durch und leckt das Junge. 18.35: Vulva lecken, Jungen lecken. 18.41: Das Tier liegt langausgestreckt. 18.47: Pressen. 18.52: Vulva lecken. Die Plazenta wird ausgetrieben. 18.57: Vulva lecken. Plazenta fressen. 19.03: Pressen. Vulva lecken. 19.07: Das Tier liegt in gebogener Haltung, preßt und leckt die Vulva. 19.10: Das zweite Junge wird in Kopfendlage geboren. 19.12: Die Mutter zerreißt die Hüllen, leckt die Vulva, beißt die Nabelschnur durch und leckt das Junge. 19.16: Hinterbeine, Vulva und Flanken lecken. 19.18: Das Tier liegt auf der rechten Seite und ruht. Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 103 19.21: Vulva lecken. Pressen. 19.26: Das dritte Junge wird in Steißendlage geboren. Die Hinterbeine waren gebogen. Trotz der kurzen Austreibezeit (50 Sekunden) war das Junge tot. 19.29: Die Mutter frißt die Fruchthüllen, leckt die Vulva. Die Plazenta kommt zum Vor- schein und wird aufgefressen. Die Mutter leckt das Junge nur sehr kurz. 19.33: Vulva und Junges lecken. 19.37: Das Tier liegt auf der linken Seite und preßt. 19.41: Die Mutter liegt i in Beugehaltung und preßt. Vulva lecken. Das vierte Junge wird in Kopfendlage mit gestreckten Vorderbeinen geboren. Die Augen sind geöffnet. 19.44: Die Mutter zerreißt die Hüllen, leckt das Junge, dann die Vulva, beißt die Nabel- schnur durch und leckt wieder das Junge. 19.48: Vulva lecken. Pressen. 19.51: Das Tier liegt ausgestreckt. 19.53: Vulva lecken. Die Plazenta wird ausgetrieben und wird zum Teil aufgefressen. 19.59: Das Tier liegt auf der rechten Seite und preßt. 20.02: Pressen in Beugehaltung. 20.04: Vulva lecken. Das fünfte Junge wird in Kopiere geboren. 20.06: Die Mutter zerreißt die Fruchthüllen, leckt die yalaı beißt die Nabelschnur durch und leckt das Junge. 20.10: Vulva, Hinterbeine und Flanke lecken. 20.13: Lecken der Jungen. 20.15: Vulva lecken. Es wird wieder eine Plazenta ausgetrieben. Die Mutter frißt nichts davon! 20.19: Die Mutter ruht. 22.40: Die Jungen saugen. d. Springhase, Pedetes cafer Die hier zu beschreibende Geburt wurde im Kopenhagener Zoo beobachtet. Wir kön- nen nur die Ergebnisse einer einzigen Geburt mitteilen. Vor allem fällt eine sehr große Übereinstimmung mit dem Meerschweinchen auf. Auch der Springhase sitzt in Beuge- haltung bei der Austreibung eines Junges. Das Lecken der Vulva wurde auch hier be- obachtet. Die Jungen sind ebenfalls relativ groß, gut ausgebildet und bald aktiv. Es ist also nicht verwunderlich, daß es Ähnlichkeiten gibt zwischen Cavia und Pedetes. Die Dauer der Geburt war 50 Minuten für 3 Junge, was sehr gut mit dem Mittelwert der Geburtsdauer für 3 Junge bei pluriparen Caviamüttern, nämlich 46,2 Minuten, Ta- belle 3, übereinstimmt. Die drei Nachgeburten wurden nach der Geburt des deieeen Jungen ausgetrieben, die letzte Plazenta erst 27 Minuten nach dem dritten Jungen. Die Zeit zwischen erstem und zweitem Jungen betrug 27 Minuten und zwischen zweitem und drittem Jungen 23 Minuten. Die beiden lebendigen Jungen wurden in Kopfendlage geboren. Von dem anderen Jungen war es nicht möglich, die Geburtslage festzustellen. Der Geburtsverlauf geht aus dem Protokoll hervor. Meit Springhasen-Geburt 18. 1X. 1960 14.15: Das Muttertier sitzt aufrecht. Deutliche Wehen. 14.18: Das Tier legt sich auf den Bauch und preßt. 14.23: Die Mutter richtet sich wieder auf und leckt die Genitalia. 14.25: In dieser Beugesitzhaltung gebärt die Mutter das erste Junge, das in Kopfendlage und gestreckter Haltung zur Welt kommt. Die Fruchtblase riß während der Aus- treibung nicht von selbst. Die Augen des Jungen waren schon geöffnet. 14.29: Die Mutter frißt die Fruchthüllen und leckt das Junge, bis es trocken und sauber ist. 14.33: Das Junge versucht schon zu gehen, was ihm wackelnd gelingt. 14.37: Das Muttertier liegt ausgestreckt am Boden. 14.40: Das Tier liegt auf der linken Seite und preßt. 14.46: Die Mutter richtet sich wieder auf, leckt die Vulva und bleibt sitzen. 14.52: In sitzender Haltung preßt die Mutter, leckt die Vulva und zieht dann mit den Zähnen die Fruchtblase des zweiten Jungen aus der Vulva. Sie stöhnt leise. Das Junge wird zugleich mit der Plazenta ausgetrieben. Es handelt sich um ein Junges, das schon längere Zeit tot war. Die Mutter leckt es nicht, sondern legt es zur Seite. 104 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche 14.59: Die Mutter leckt die Vulva, holt das erste Junge zurück in die, als Nest dienende, vertiefte Stelle des Bodens. Sie leckt ihre Vorderbeine und wäscht ihre Schnauze. Dann leckt sie das erste Junge. 15.05: Die Mutter legt sich wieder platt zu Boden und preßt Sana —— Rücken. Nachher richter sie sich wieder auf und sitzt ruhig. 15.11: Das Tier leckt die Vulva und prefßt ın Sitzhaltung. 15.15: Das Muttertier beugt sich ein wenig zur linken Seite, guckt nach der Vulva, in der die Fruchtblase des dritten Jungen erscheint. Nach 15 Sekunden ist das dritte Junge fast bis zur Hälfte ausgetrieben, und noch 20 Sekunden später war es vollständig geboren in Kopfendlage und gestreckter Haltung. Die Mutter zerreißt die Fruchthüllen und leckt das Junge. Sie frißt vom Nabelschnurrest, bis nur ein etwa 3 m langer Stumpf am Bauche des Jungen zurückbleibt. 15.29: Die Mutter leckt die Vulva, preßt leicht, und die Nachgeburt des ersten Jungen erscheint. Sie leckt wieder die Vulva, aus welcher Flüssıgkei und Blut kommen. Die Vulva war deutlich geöffnet. Die Mutter leckt die Nachgeburt und knabbert ein wenig an der Plazenta, aber frißt sie nicht auf, sondern wirft die Nachgeburt aus dem Nest. 15.40: Die Mutter liegt gekrümmt bei den Jungen. 15.43: Das Tier richtet sich wieder auf, preßt ein wenig und leckt die Vulva. Die Nach- geburt des dritten Jungen wird ausgetrieben. Sie verfährt mit dieser Nachgeburt genauso, wie mit derjenigen des ersten Jungen. 15.47: Vulva und Zitzen lecken, dann Junge lecken. 15.50: Die Mutter ruht. 17.10: Die Jungen sitzen unter der Mutter und saugen. e. Hausmaus, Mus musculus dom. Über die Geburt der Maus ist wenig bekannt in der Literatur. Eine gute Beschreibung findet man nur bei BEntest-No1RoT (1958) an Hand von 20 beobachteten Geburten. Sogar die Angaben in dem neuen Buch von HAGEMmann und SCHMIDT (1960) sind sehr spärlich. Wir haben 64 Geburten von Albinomäusen und schwarzen Mäusen gänzlich oder zum Teil beobachtet. Die Ergebnisse haben wir zusammengefaßt, da zwischen diesen beiden Rassen keine Unterschiede bestehen. Es handelt sich hier also um domesti- zierte Laboratorıumsmäuse. In einer späteren Arbeit hoffen wir die Geburt der wild- lebenden Hausmaus zu besprechen. Vorzeichen Die Zeichen der bevorstehenden Geburt machen sich schon etwa eine Woche vor der Geburt bemerkbar. Das Tier fängt an, ein Nest zu bauen von dem vorhandenen Ma- terial, wie Stroh, Papier, Heu, usw. Dies wird deutlicher je nachdem die Geburt näher kommt. Ein sicheres Zeichen ist am Muttertier zu beobachten. Einen Tag vor der Ge- burt stehen die Haare am Kopf weit auseinander, wodurch man den Eindruck be- kommt, daß der Kopf dicker wird (Abb. 9, linkes Tier). Einen halben Tag vor der Geburt ist dies noch deutlicher (Abb. 9, in der Mitte). Die Ohren des Tieres sind nach hinten gerichtet (Abb. 9, das linke und mittlere Tier). Zum Vergleich ist in Abb. 9 (rechtes Tier) eine Skizze einer nicht trächtigen erwachsenen Maus gezeichnet. In den 64 Fällen, bei welchen wir dieses Zeichen beobachteten, erfolgte die Geburt fast immer innerhalb von 24 Stunden, und ein paar Mal innerhalb von 48 Stunden. Dieses Vor- zeichen ist also sehr zuverlässig. Die Körpertemperatur wird niedriger. Wir fanden bei einem jungen Tier 38,90 C, bei einem erwachsenen Weibchen 38,50 C und bei einem Weibchen, daß einen Tag vor der Geburt stand, 37,80 C. Bei einem anderen Tier wur- den die folgenden Temperaturen abgelesen: 7 Tage vor der Geburt 38.32 Be Sa -- 38,00 C Ie=S u 5 3,8 1 Tag R ® 5 37,8° C 1:Stunde 2.94 % 37,6° C Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 105 Abb. 9. Maus. Vorzeichen der bevorstehenden Geburt. Links 11/a Tag vor der Geburt. In der Mitte 1/2 Tag vor der Geburt. Rechts nicht trächtiges Weibchen. Man beachte den Ohrenstand und die geschwollen aussehenden Köpfe der trächtigen Tiere. (S. Text) Die Tiere waren gewöhnt an die Temperaturablesung, denn sonst wäre es sehr gut möglich, daß die Temperatur steigt infolge der Aufregung des Tieres. Einige Stunden vor der Geburt ist die Vulva oftmals geschwollen. BEntEsT-No1ıRoT (1958) sagt, daß die Atmung oberflächlicher und rascher wird. Dies können wir bestätigen. Die Austreibung Vor der Austreibung des Jungen leckt die Mutter die Vulva. Sie sitzt in gekrümmter Haltung, die Schnauze zur Vulva gerichtet. Die Fruchtblase reißt nur ausnahmsweise spontan, und gelegentlich werden die Hüllen durch die Mutter zerrissen, bevor das Junge vollständig ausgetrieben ist. Am häufigsten beobachtet man, daß das Junge in den vollständigen Fruchthüllen ausgetrieben wird, und dann frißt die Mutter sofort die Hüllen auf. Dasselbe teilt auch BENIEsST-No1RoOT (1958) mit. NAAKTGEBOREN (1960b) fand für die Ratte, daß die Mutter die Hüllen meistens zerreißt, sobald die Fruchtblase aus der Vulva zum Vorschein kommt, und daß das Junge nur ausnahmsweise in der intakten Fruchtblase ausgetrieben wird. Die Maus leckt das Junge intensiv. Die Mut- ter nımmt das Junge in die Vorderpfoten und dreht es, so daß sie den ganzen Körper lecken kann. Die Mutter sitzt inzwischen aufrecht. Die Nachgeburt folgt fast immer bald, d. h. ein bis drei Minuten nach der Austreibung des Jungen. Dies wird auch von HAGEMANN und SCHMIDT (1960) mitgeteilt. Wenn dies der Fall ist, wird die Nabel- schnur meistens nicht durchgebissen. Die Mutter frißt die Plazenta auf, nachdem sie das Junge gesäubert hat und frißt dann weiter die Nabelschnur bis an den Bauch des Jungen auf. Das Interesse der Maus ist vor allem auf das Junge gerichtet. Die Ratte interessiert sich erst für das Junge, nachdem die Nachgeburt gefressen ist (NAAKT- GEBOREN, 1960b). Es ist von Interesse, daß die Maus die Nabelschnur nicht auf einmal auffrißt. Wenn noch ein Rest von etwa 5 mm am Bauch des Jungen übrig ist, zieht die Mutter einige Male mit den Zähnen daran. Es stellte sich heraus, daß die Gefäße nach dieser Behandlung blutleer waren. Dann frißt sie weiter bis an den Bauch des Jungen. Es bleiben einige Bluttröpfchen am Nabel zurück. Die Mutter leckt den Nabel. Der Nabelring schließt sich unmittelbar. Wenn die Nachgeburt nicht bald kommt, beißt die Mutter die Nabelschnur durch. Dies ist in Übereinstimmung mit der Ratte, bei der NAAKTGEBOREN (1960b) auch diese zwei Möglichkeiten für die Trennung von Pla- zenta und Jungem beschrieben hat, nämlich: 1. zuerst Plazenta fressen oder 2. zuerst Nabelschnur durchbeißen. 106 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche Tabelle 6 Mus musculus dom. Zeit zwischen den Geburten von zwei Jungen (in Minuten) Primipare Mütter | ee Pluripare Mütter Minimal | Maximal Mittelwert | are Mittelwert | Minimal | Maximal 8 18 1199,22 1und2 1112 4 15 7 25 13,5 2 und 3 11,6 6 21 6 92 1538 3 und 4 19, 5 24 8 22 112,0) 4und5 10,8 8 14 11 24 14,3 5 und 6 10,6 6 17 6 25 14,5 6 und 7 10,8 5 115) 15 15 7 und 8 8,4 3 1) 118) 13 8 und 9 8,8 5 15 — 9 und 10 5 5 Tabelle 7 Geburtsdauer in Minuten bei Mus musculus dom. Primipare Mütter nn Pluripare Mütter Mittel Tadeeh Mittel 26, 27, 28 277, 3 20 20 90035,90197,54 434799 41 4 32,6 PD SA 545151,165 303 5 39,3 51, 68 St, ae7/0), 72 66,6 6 43,6 33, 49, 49 68, +82, 82, 84, +88 80,8 7 68,2 60, 64, 64, 66, 87 +90 90 8 83 2275481993 9 108,5 a2 oje), 1117 10 82 5751.07. Zwischen den Geburten von zwei Jungen ordnet die Mutter das Nest und wirft schmutziges Material hinaus. Sie liegt auf dem Bauch mit hohlem oder gekrümmtem Rücken, bis sie sich wieder aufrichtet, die Vulva leckt und das nächste Junge gebiert, wobei sich alles wiederholt. Die Austreibung eines Jungen nimmt meistens weniger als eine halbe Minute in Anspruch. Nach der vollendeten Geburt bleibt die Mutter bei den Jungen, die oft schon saugen, bevor sie ganz trocken sind; die ersten Jungen saugen meistens schon, bevor die letzten zur Welt kommen. Die Mutter verläßt das Nest einige Stunden nach der Geburt. Sie deckt die Jungen zu mit Nestmaterial und benutzt davon um so mehr, je kälter es ist. Dies teilen auch HAGEMAnN und SCHMIDT (1960) mit. Wenn die Mutter zurückkehrt, leckt sie alle Jungen und verlegt sie. TRENIENR Die Jungen werden nicht zu 50% in Steißend- lage und zu 50°%o in Kopfendlage geboren, wie Zar zen). man für die multiparen Tiere allgeemem aneibrabel : - 205 Jungen fanden wir 146 Geburten in Kopfend- 0— 3 1 1,78 0/0 lage, also 71,2%, und nur 59 Geburten in Steiß- AR s m en endlage, also 28,8 %o. In 9 Fällen wurde das erste on 2 51420), Junge des Wurfes in Steißendlage geboren. Die 12—15 14 24,99%), herrschende, obwohl nie bewiesene Meinung, daß 15—18 10 17,83 0/o die multiparen Säuger das erste Junge immer in 18—21 9 16,05 %/0 Kopfendlage zur Welt bringen, ist als irrig von der 21—24 4 7,16 °/o Hand zu weisen. Die Zeit zwischen den Geburten von zwei auf- Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde I 1107 einanderfolgenden Jungen kann liegen zwischen3 15 und 32 Minuten. Tabelle 6 zeigt die Befunde für primipare und pluripare Mütter. Der Mittelwert ist nahezu konstant, unabhängig, ob es sich um das Intervall zwischen dem ersten und zweiten oder zwischen dem sechsten und siebenten Jun- gen usw. handelt. Für die pluriparen Mütter ıst die Zeitspanne zwischen den Geburten von zwei 10 Jungen immer einige Minuten kürzer als für primipare Tiere. BENTEsST-NoRoT (1958) teilt mit, daß die Zeit zwischen zwei Geburten oft- mals eine Stunde in Anspruch nehmen kann und daß diese Zeit gegen das Ende des Wurfes klei- ner wırd. Am Ende beträgt das Intervall zwi- schen den Geburten zweier Jungen nur noch fünf bis zehn Minuten. Dies stimmt sehr gut mit un- seren Befunden bei den pluriparen Müttern überein. Die Geburtsdauer hängt in erster Linie ab von der Zahl der Jungen und liegt zwischen etwa 20 Minuten (3 Junge) bis beinahe zwei Stunden (9 Junge). BEnIEsT-NorroT (1958) gibt drei ee ae un a a an. Unsere Befunde gehen lb, lo. ne Die ee ervor aus Tabelle 7. Es ist klar, daß die Ge- burten zu den verschiedenen Tages- burtsdauer bei pluriparen Tieren meistens klei- zeiten (vergleiche Tabelle 8). Vertikal: ner ist als bei primiparen. Anzahl der Geburten. Horizontal: Die Geburt kann zu jeder Tageszeit stattfin- Uhrzeit. den, aber aus Tabelle 8 und Abb. 10 geht hervor, daß die meisten Geburten zwischen 9 und 21 Uhr stattfinden. Ein Maximum findet man zwischen 9 und 15 Uhr. KrumBiIEceL (1955) gibt für die Hausmaus an, daß die größte Ruhezeit zwischen 12 und 18 Uhr liegt. SvorAaD und SacHovA (1959) haben gefunden, daß die Hauptmenge der Geburten zwölf Stunden zu verschieben ist durch einem invertierten Lichtrhythmus. Beim nor- malen Lichtrhythmus fanden die meisten Geburten zwischen O0 und 6 Uhr statt. Nach Cyran (1950, zit. nach SvorRAD und SacHova) soll der Erdmagetismus auch die Ge- burtszeit beeinflussen. Dies dürfte vielleicht erklären, daß wir die meisten Geburten am Tage feststellten, SYORAD und SacHovA dagegen in der Nacht. Der Geburtsverlauf geht aus dem Protokoll hervor. Hausmaus — Mus musculus dom. — Geburt Zeit Pluripare Mutter 25. VII. 1960 15.57: Lecken und Waschen von Schnauze und Vorderpfoten. 16.02: Das Nest ist geordnet. 16.07: Pressen, mit den Hinterbeinen an den Boden gedrückt. 16.11: Lecken der Genitalia. Das erste Junge wird in Kopfendlage geboren. 16.13: Die Mutter frißt die Fruchthüllen und leckt das Junge. 16.15: Die Mutter frißt die Plazenta und die Nabelschnur. 16.18: Genitalia lecken. Intensive Bewegung der Flanke. 16.23: Das zweite Junge wird in Kopfendlage geboren. 16.24: Die Mutter leckt das Junge und frißt die Fruchthüllen. 16.26: Das Tier frißt die Plazenta und die Nabelschnur auf und leckt das Junge. 16.29: Die Mutter ordnet das Nest und leckt die Vulva. 16.33: Jungen lecken. Pressen. 108 C. Naaktgeboren und W. Vandendriessche 16.37: Genitalia lecken. Pressen mit gekrümmtem Rücken. 16.40: Das dritte Junge wird in Kopfendlage geboren. 16.46: Plazenta fressen. 16.50: Vulva lecken. Ordnen des Nestes. 16.55: Das Tier ist ruhig. 16.57: Das Tier preßt. Es liegt auf der rechten Seite mit gestreckten Hinterbeinen. 17.04: Das vierte Junge wird in Steißendlage geboren. 17.06: Die Mutter leckt das Junge und frißt die Plazenta und die Nabelschnur. 17.11: Lecken der Jungen und der Vulva. Pressen. 17.16: Das fünfte Junge wird in Kopfendlage geboren. 17.18: Die Mutter leckt das Junge sauber. 17.20: Plazenta fressen. 17.24: Vulva lecken und pressen mit zusammengedrückten Flanken. 17.28: Das Tier krümmt den Rücken. 17.30: Das sechste Junge wird in Steißendlage geboren. 17.32: Die Mutter leckt das Junge, frißt die Hüllen, die Plazenta und die Nabelschnur auf. 17.34: Vulva lecken. 17.35: Pressen mit hohlem Rücken. 17.38: Das siebente Junge wird in Kopfendlage geboren. 17.39: Das Tier frıßt die Hüllen, die Plazenta und die Nabelschnur. 17.43: Das siebente Junge wird geleckt. Dann leckt die Mutter alle Jungen und dann die Vulva. 17.40: Die Jungen saugen, und die Mutter ordnet das Nest. 18.02: Die Jungen saugen. Die Mutter ist ruhig. 19.50: Die Mutter zeigt Interesse am Futter. Schlußbemerkungen In der vorliegenden Arbeit haben wir die Geburt verschiedener Säuger beschrieben. Im Augenblick ist die Zahl der Beobachtungen noch ungenügend, um Schlußfolgerungen und Bemerkungen vergleichender Art zu gestatten. Das Geburtsverhalten ist nur eine Funktion des lebendigen Tieres und ist daher eingepaßt ins Lebensganze und angepaßt an seine Umwelt. Wir hoffen in einer späteren Arbeit, an Hand von viel mehr beob- achteten Geburten, bei manchen Arten hierauf eingehen zu können. Wir arbeiten jetzt u. a. mit vielen Arten von hauptsächlich wild gefangenen Nagern und Raubtieren. Zum Schluß danken wir der Verwaltung der Tiergärten zu Kopenhagen und Amsterdam herzlichst für die erwiesene Mithilfe bei der Beobachtung der Geburten von Tieren, die wir nicht im Laboratorium züchten können. Zusammenfassung Beschreibung der Geburt der im Inhalt erwähnten Säugetiere. Igel in freier Wildbahn. Die Wiederkäuer gebären am häufigsten ım Liegen. Es empfiehlt sich, domestizierte Rinder vor der Geburt nicht festzubinden, sondern den Tieren einen mindestens 4 X 4 m großen Raum mit viel Stroh zur Verfügung zu stellen. 4. Das mütterliche Verhalten bei der Geburt hat sich beim Hausrind durch die Domestikation kaum oder nicht geändert. 5. Beim Kamel und Dromedar kommt ein gut ausgebildetes Epitrichium vor. Hiermit dürfte zusammenhängen, daf die Mutter das Junge nicht leckt. 6. An einem umfassenden Material konnte nachgewiesen werden, daß die größte Zahl der Geburten stattfindet in der Ruhezeit der Tiere. 7. Die Geburten der uniparen Säuger fanden alle in Kopfendlage statt. Für die multiparen Arten wurden regelmäßig auch Steißendlagen beobachtet. Beim Meerschweinchen wurden fast 90 %/o und bei der Maus reichlich 70°/o Kopfendlagen gefunden. 8. Bei der Maus und beim Meerschweinchen geht die Geburt bei pluriparen Müttern schneller vor sich als bei primiparen. 9. Das Intervall zwischen den Geburten zweier Jungen ist konstant. Die späteren Jungen haben kaum einen längeren Weg zur Vulva zurückzulegen als die vorhergehenden. 10. Das sicherste Vorzeichen der herannahenden Geburt des Meerschweinchens ist die Ab- nahme der Körpertemperatur um etwa 1,50 C. 11. Das domestizierte Meerschweinchen frifßt nur selten alle Nachgeburten auf. [a5 Eu NS Eu Beiträge zur vergleichenden Geburtskunde 1 109 Summary 1. Description of the birth of mammalia as mentioned in the contents. The such of the hedgehog has been observed in natural surroundings. The ruminants mostly bear when lying down. It is recommended not to bind domestic cows when giving birth but to place a space of at least 4 X 4 meters with much straw at the disposal of the animals. 4. The maternel behaviour of the domestic cow when bearing has not or hardly changed by domestication. 5. The camel and the dromedary have a well developed epitrichium. Perhaps herewith is connected that the mother never licks her young. 6. From many data it could be proved that the greatest number of births take place during the resting time of the animals. 7. The births of the uniparous mammals all occurred in cephalic presentation. Breech presentations were regularly ascertained too with the multiparous species. Cephalic presentations were found for almost 90°%o with the cavias and for over 70°/o with the mice. 8. The birth of mice and cavias goes quicker from pluriparous mothers than from primiparous animals. 9. The interval between the birth of two young animals is constant. The later young ones have to cover a hardly longer way to the vulva. 10. The decrease of the temperature by about 1,5° C is the surest precursory symptom of the coming birth with the Cavia. 11. The domesticated cavia only seldom consumes all placentas. u N Resume Description de la naissance de la dite espece d’anımaux. Le h£risson A l’etat sauvage. Le velage chez les ruminants s’effectue le plus souvent en position couch&e. Les betes bovines domestiques, devant mettre bas, il est a conseiller de ne pas les attacher, mais de leur donner un espace d’au moins 4 X 4 m, ainsi que de la paille en abondance. 4. La domestication n’ a presque pas change la conduite maternelle chez les b£tes bovines domestiques, au moment de la parturition. 5. Le chameau et le dromadaire ont l’Epitrichium bien de&velopp&, ce qui fait supposer que la mere ne leche pas son petit. 6. Apres plusieurs recherches, il nous est permis de Brouperäciue la plupart des naissances ont lieu le temps ou les b£tes se reposent. 7. Les naissances des mammiferes unipares se font souvent en presentation cephalique, quelquefois en presentation posterieure. Pour les multipares nous avons regulierement constate des presentations posterieures. Chez le cobaye, 90°%/o de presentation anterieure et certainement 70°/o de presentation ant£rieure chez la souris. 8. Chez les femelles pluripare du cobaye et de la souris, la naissance se fait plus vite ou plus facile que chez les femelles primipare. 9. L’interval entre les naissances de deux petits est constant. Ceux qui viennent apres, ont un chemin a couyrir a peine plus long. 10. Chez le cobaye, le signe precurseur le plus positif a l’approche de la naissance est la baisse de la temperature corporelle avec 1,50 C environ. 11. Le cobaye domestique mange rarement tous les delivres. Sb ae Literatur BENIEST-No1ROT, E. (1958): Analyse du comportement dit maternel chez la souris. Mon. Franc. de Psych. 1. — CooPEr, J. B. (1944): A Description of Parturition in the Domestic Cat. Journ. Comp. Psychol., 37, p. 81. — GAUTHIER-PILTERS, H. (1959): Einige Beobach- tungen zum Drohangrifft und Kampfverhalten des Dromedarhengstes, sowie über Geburt usw. Zeitschr. Tierpsych., 16, p. 593. — GrAnzow, J. (1930): Zur vergleichenden Physiologie der Geburtsvorgänge. Archiv Gynaekol., 139, p. 317. — Hagemann, E., und G. SCHMIDT (1960): Ratte und Maus. Berlin. — Jaczewskı, Z. (1958): Reproduction of ee Bison in Reserves. Acta Theriologica, 1, No. 9, p. 333. — Krumsizceı, I. (1955): Biologie der Säugetiere. Agis-Verlag Krefeld. — Lang, E. M. (1958): Ein Orang-Utan kam zur Welt. Zolli, 1. — LertcH, I., F.E. HyTTten, and W. Z. BıLrewıcz (1959): The Maternel and Neonatal 110 R. Schneider Weights of some Mammalia. Proc. Zool. Soc. London, 133, p. 11. — Morton, W.R. (1960): Mating and Birth of a Camel. Anat. Rec., 136, p. 358. — NAAKTGEBOREN, C. (1960a): Das embryonale Wachstum des Rindes mit besonderer Berücksichtigung der für die Geburt wich- tigen Körperteile. Z. Morph. Okol. Tiere, 48, p. 447. — NAAKTGEBOREN, C. (1960b): Enkele waarnemingen over de geboorte van de laboratoriumrat, Rattus norvegicus (Berkenhout). Lutra, 2, p. 23. — NAAKTGEBOREN, C. (1960c): Die Entwicklungsgeschichte und die Geburt des Rindes I, II. — Farblichtbildserie. Polygoon, Hilversum. — NAAKTGEBOREN, C. (1961a): Einige Beobachtungen der Geburt des Frettchens. Bijdr. Dierk. im Druck, 1961a. — NAAKT- GEBOREN, C. (1961b): The Parturition of the Guinea Pig (Cavia aperea porcellus L.). SFW- UNFI-Film, Utrecht. — NAAKTGEBOREN, C., und H. H. L. ZwiıLLengerG (1961): Unter suchungen über die Auswüchse am Amnion und an der Nabelschnur bei Walen und Huf- tieren, mit besonderer Berücksichtigung des europäischen Hausrindes. Acta Morph. Neerl- Scand., 4 (1), p. 31. — SCHMALTZ, R. (1921): Das Geschlechtsleben der Haussäugetiere. Berlin. — SLIJPER, E. J. (1956): Some Remarks on Gestation and Birth in Cetacea and other Aquatic Mammals. Hvalrädets Skrifter, 41. SLıJper, E. J. (1960): Die Geburt der Säugetiere. Kükenthals Handbuch. Zool., 8 (25), Berlin. — Snoo, K. de (1947): Het probleem der menschwording in het licht van de vergelijkende verloskunde. 2. Aufl. Haarlem. — SToss, A. ©. (1944): Tierärztliche Geburtskunde und Gynäkologie. Stuttgart. — SvoRAD, D., and V. SacHovA (1959): Periodicity of the Commencement of Birth in Mice and the Influence of Light. Physiol. Bohemosl., 8 (5), p. 439. — SzumvochHY, J. (1953): Eine geburtenerleichternde Veränderung am Becken von Spalax hungaricus. Ann. Hist. Nat. Mus. Hung. N. S., 4, p- 227. — Vos, A. de (1960): Behavoir of Barren Ground Caribou. Journ. Wildlife Manage- ment, 24,P2250. Anschrift der Verfasser: Drs. C. NAAKTGEBOREN und WILHELMINE VONDENDRIESSCHE, Zoölo- gisch Laboratorıum, Plantage Doklaan 44, Amsterdam Beobachtungen an der postcaninen Gingivalschwiele und der Wan- genhaut der Kudu-Antilope, Tragelaphus strepsiceros(PALLAS 1766) Von RoLF SCHNEIDER Aus dem Dr. Senckenbergischen Anatomischen Institut der Universität Frankfurt am Main Direktor: Prof. Dr. med. D. Starck Eingang des Ms. 4. 5. 1961 Postcanine Gingivalschwiele Anläßlich der Tagung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde in Gießen (1960) beschrieb Herr Dr. E. von LEHMANN, Bonn, eine höckerartige Bildung am Unterkiefer der Tragelaphinae, die er als „Knorpelzahn“ bezeichnete. Dieses Gebilde liegt jederseits dicht hinter dem Caninus im vorderen Teil des Diastems und erreicht etwa die halbe Höhe des Caninus. Kurz nach der Tagung gelangte ein 2 Jahre alter Kudubulle (Tragelaphus strepsiceros) ın den Besitz des Anatomischen Instituts zu Frankfurt am Maint. Hierdurch wurde eine mikro- skopische Untersuchung des vorher nur makroskopisch beschriebenen Gebildes möglich. (Abb. 1) — Die beiden fraglichen Gebilde wurden im Zusammenhang mit den sie umgebenden Schleimhautbezirken sorgfältig vom knöchernen Unterkiefer abgelöst, in Formol-Alkohol- ! Für die Überlassung des Kudubullen danken wir Herrn Dr. GEorc von Oper und Herrn Dipl.-Psych. WALTHER vom Opel-Freigehege in Kronberg im Taunus recht herzlich. Beobachtungen an der Kudu-Antilope all Eisessig fixiert und in Celloidin bzw. Paraffin eingebettet. Die Färbung der Schnitte erfolgte mit H.-E., Htx.-van Gieson, Azan, Resorcinfuchsin-Kernechtrot, Toluidinblau-Goldorange. Außerdem wurden einige Schnitte zur Darstellung der argyrophilen Fasern des Bindegewebes nach GöMmöR1 versilbert und nach der Bopıan-Methode zur Imprägnation von Nervenfasern behandelt. Vor der Schilderung des mikroskopischen Befundes sei betont, daß der Knochen des Unterkiefers im Gebiet der fraglichen Bildungen keinerlei Besonderheiten zeigt. Insbesondere fehlt diesem jede Andeutung einer Al- veole oder eines Knochenfortsatzes. Vielmehr stellte sich bei der mikroskopischen Untersuchung heraus, daß der „Knorpelzahn“, der von erstaunlich fester Kon- sistenz ist, ausschließlich aus derbem kollagenem Binde- gewebe besteht, das von einem mehrschichtigen Plat- tenepithel überkleidet wird. Knorpel- oder Knochen- einlagerungen fehlen vollständig. Auch Anlagen eines Zahnkeimes waren nicht nachweisbar. (Abb. 2) Es han- delt sich also um eine Schwiele der Gingiva. Wir emp- fehlen daher, den Terminus „Knorpelzahn“ durch die Bezeichnung „postcanine Gingivalschwiele“ zu erset- zen. Das diese Bildung überkleidende mehrschichtige Plattenepithel ist wesentlich höher als das Epithel der Gingiva auf der Außenseite des Unterkiefers. Auch Abb. 1. Unterkiefer von Tra- das höhere Epithel der Schleimhaut lingual der Schwiele gelaphus strepsiceros Ö, in der auf der Innenseite des Unterkiefers bleibt an Höhe rel noch deutlich hinter ihm zurück (Abb. 3) | Weiterhin besitzt das Epithel im Bereich der Schwiele auffallend hohe und sehr schmale Bindegewebspapil- len, die relativ eng nebeneinander stehen und durchweg gestreckt ver- laufen. Die Ausbildung der Binde- gewebspapillen findet sich in dieser Form weder in der Gingiva noch in der Gaumenschleimhaut, die zum Vergleich ebenfalls untersucht wurde. Etwas enger stehende Bindegewebs- papillen konnten nur in der Schleim- haut medial der Gingivalschwiele und in der Gaumenschleimhaut be- obachtet werden. Sie erreichten jedoch bei weitem nicht die Höhe der Papil- len im Gebiet der Schwiele (Abb. 3). Das Epithel zeigt in seinen oberen Schichten zwar deutlich Verhornungs- zeichen, jedoch sind die Zellkerne auch hier größtenteils noch zu erken- nen. Die Horncuticula ist im Gebiet Abb. 2. Längsschnitt durch die postcanine Gin- der Schwiele noch etwas stärker als givalschwiele von Tragelaphus strepsiceros &, an den Gaumenleisten (Abb. 3). Fbg.: Azan, etwa 17fach vergrößert. 1 = Florn- Das Epithel der Gingivalschwiele schicht; 2 = mehrschichtiges Plattenepithel; 3 = EN Be ee Te Bindegewebe; 4 = zentrale kollagene Längsbün- MIT VON FEINEN "bine del; 5 = Bindegewebspapillen; 6 = Basisplatte Zapfen unterlagert, der vorwiegend 142 R. Schneider Abb. 3. Schnitte durch das Epithel der Gingiva des Unterkiefers (a), der Gaumenschleimhaut (b) und der postcaninen Gingivalschwiele (c) von Tragelaphus strepsiceros 3. Alle drei Schnitte sind bei gleicher Ver- srößerung (etwa 30fach vergr.) wiedergegeben. Beachte die ungleiche Höhe des Epithels. Fbg.: H.-E. 1 = Bin- degewebspapillen; 2 = mehrschichtiges Plattenepithel; 3 — Hornschicht aus derben, kollagenen Faserbündeln besteht, zwischen die nur spärlich elastische Fa- sern eingelagert sind. Die kollagenen Fasern sind in den verschiedensten Richtungen miteinander verflochten. Im Zentrum der Schwiele fallen jedoch besonders kräftige in der Längsachse des Bindegewebszapfens orientierte Kollagenbündel auf, die gegen die Spitze der Gingivalschwiele fä- cherförmig ausstrahlen. Diese Längsfasern sınd vorwiegend im Bindegewebe der‘ Basis der Schwiele verankert. Diese besteht hauptsächlich aus rechtwinklig zur 3 Längsachse des Schwielenzapfens angeordneten kollagenen Bün- deln, die so eine aus einem zwei- dimensionalen Geflecht aufgebaute Basısplatte bilden (Abb. 2). Die Faserbündel in den sube- 5 pithelialen, zellreicheren Bezirken des Bindegewebes sind etwas fei- ner als im Zentrum der Schwiele. 5 In dieser Zone finden sich dicht unter dem Epithel die Blutgefäße, die besonders das Epithel ernäh- ren. Drüsen konnten an keiner 7 Stelle der Gingivalschwiele ge- funden werden. An mehreren 8 Schnitten erfolgte eine Darstel- lung der Nervenfasern, deren Qualität jedoch durch die längere Abb. 4. Schnitt durch die Wange von Tragela- Fixation des Materials - Formol- phus strepsiceros &, Fbg.: H.-E., etwa 3,8fach Alkohol-Eisessig beeinträchtigt vergrößert. 1 = äußere Haut; 2 = oberflächliche wurde, so daß wir nichts Sicheres Facialismuskulatur; 3 = Gl. buccales maxil- über das Vorhandensein oder Feh- lares; 4 = Schleimhaut des Vestibulum oris; 5 = 1 ER UST n der Gl. buccales mediae; 6 = M. masseter; 7= Gl. ED VOR INEINEBLSERIDAN EZ buccales mandibulares; 8 = Schleimhautzotten givalschwiele sagen können. Beobachtungen an der Kudu-Antilope 115 Nach unseren Untersuchungen erweist sich die Gingivalschwiele als ausschließlich aus Bindegewebe und Epithel aufgebaut. Sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit einfachen Warzen, bei denen jedoch eine derart regelmäßige Anordnung und starke Ausbildung der Bindegewebspapillen nur selten beobachtet wird. Über die Funktion und die Bedeutung der mechanisch sicher erheblich beanspruch- ten Gingivalschwiele ist auf Grund unserer Untersuchung nichts auszusagen. E. von LEHMANN, auf dessen Veröffentlichung hier ausdrücklich hingewiesen wird, bringt die Ausbildung der postcaninen Gingivalschwiele mit der Verlängerung der Schneide- zahnreihe in Zusammenhang. Wangenhaut Der Anlaß für die Untersuchung der Wange von Tragelaphus strepsiceros war eine Beobachtung von Herrn Dipl. Psych. WALTHER vom Opel-Freigehege, Kronberg im Taunus. Herr WALTHER sah, daß während der Brunftperiode ein älterer Bulle des öfteren von hinten an die Kuh herantrat, seine Wange fest an ihre Flanke preßte und mit dem Kopf nach vorn entlang der Kuh strich. Gelegentlich rieb auch der Bulle seine Wange an der Haut der Analgegend der Kuh. In diesem Verhalten, das nur während der Brunftperiode zu sehen war, vermutete Herr WALTHER einen Markierungsvorgang, der beim Kudu offenbar nur noch während der Brunftzeit bei der Markierung des Weibchens eine Rolle spielt, während außerhalb der Brunftzeit bei Kudu-Antilopen noch keinerlei Markierungsverhalten beobachtet wurde. Da bei Tragelaphus strepsiceros aber ein besonderes Antorbitalorgan fehlt, tauchte die Frage nach der Bildungsstätte eines Markierungsstoffes auf, so daß es notwendig schien, die Wange der Kudu-Antilope näher zu untersuchen. Ein Schnitt durch die Wange zeigte neben den Drüsen in der Haut mäch- tig entfaltete Speicheldrü- sen (Gl. buccales = Wan- gendrüsen). Beide Drü- senarten sollen nachfol- gend besprochen werden (Abb. 4). Hautdrüsen In der Wangenhaut der Kudu-Antilope fanden sich zwei Arten von Drü- sen: polyptyche, holokrine Talgdrüsen (Haarbalg- drüsen) und kurze apo- krine Schlauchdrüsen (Abb. 5). Abb. 5. Schnitt durch die äußere Haut der Wange von Trage- Die Talgdrüsen, deren laphus strepsiceros 5, Fbg.: H.-E., etwa 42fach vergrößert. Bd era 1 = Epidermis; 2 = Haarkanal; 3=M. artector pili; 4 = usbildung ım "ebiet der Talodrüse; 5 = Ausführgang einer a-Drüse; 6 = secernierender Wange ausschließlich an elreinera-Drüse F Po; “ % Ff: ran EU ER 114 R. Schneider das Auftreten von Haaren gebunden ist, sind verhältnismäßig klein und nur wenig ge- lappt. Gelegentlich können auch mehrere Talgdrüsen einem Haar zugeordnet sein. Je- doch münden diese dann immer getrennt in den Haarkanal ein. Da alle Talgdrüsen etwa gleich tief in der Cutis liegen, erscheinen sie auf dem Schnitt wie in Reihen geord- net (Abb. 5). Die Schlauchdrüsen sind tiefer als die Talgdrüsen in das Bindegewebe der Haut eingelagert. Sie finden sich zwar überall in der Wangenhaut, treten aber bevor- zugt in unmittelbarer Nachbarschaft der großen, tief wurzelnden Sinushaare auf (Abb. 5 und 6a). Der sezernierde Teil der Schlauchdrüsen ist verhältnismäßig weit und lose ge- wunden. Das diese monoptychen Drüsen aufbauende einschichtige Prismenepithel zeigt stellenweise deutlich apokrine Sekretion (a-Drüsen) und Myoepithelzellen (Abb. 6b und c). Jedoch scheinen die a-Drüsen noch nicht voll entfaltet und aktiv zu sein, denn nur vereinzelt konnte etwas Sekret in einigen Drüsenschläuchen beobachtet werden. Die schwache Ausbildung der apokrinen Schlauchdrüsen hängt wohl in erster Linie mit dem jugendlichen Alter des von uns untersuchten Tieres zusammen, denn der von SCHAFFER (1940) an der Haut aus der Umgebung des Antorbitalorganes eines jugend- lichen Damhirsches erhobene Befund, entspricht völlig unseren Beobachtungen. — Die das Sekret abführenden Teile der Schlauchdrüsen sind auffallend eng und kaum ge- wunden. Sie steigen gegen die Hautoberiläche an und münden etwa in gleicher Höhe wie die Talgdrüsen in die Haarkanäle. Echte ekkrine Schweißdrüsen (e-Drüsen) konn- ten in der Wangenhaut der Kudu-Antilope nicht gefunden werden. Abb. 6. Ausschnitte aus der Wangenhaut von Tragelaphus strepsicerus &. Abb. 6a. Fbg.: Azan, etwa 80fach vergrößert, zeigt die Anhäufung von a-Drüsen in Nähe eines Sinushaares. Abb. 6b und 6c. Fbg.: Azan, etwa 225fach vergrößert, zeigen Schnitte durch sezernierende a-Drüsen. Beachte die apokrinen Sekrettropfen und die Myoepithelzellen. 1 = Epidermis; 2 = Talgdrüsen; 3 = Haarkanal; 4 = a-Drüsen; 5 = Sinushaar; 6 = apokriner Sekrettrop- || fen; 7 = Epithel der a-Drüsen; 8 = Myoepithelzellen Beobachtungen an der Kudu-Antilope 115 Da der Kudu-Antilope eine besondere Antorbitaldrüse fehlt, können möglicher- weise die a-Drüsen der Wangenhaut deren Aufgabe übernehmen, so daß das beob- achtete Anstreichen der Wange wahrscheinlich als Markierungsversuch gedeutet werden muß. Wangendrüsen In der gesamten Wange kommen Speicheldrüsen (Gl. buccales) vor. Ihre Einlage- rung in die Wange zeigt jedoch regionale Unterschiede. In Nähe des Mundwinkels bilden die Gl. buccales ein zusammenhängendes Feld, das kontinuierlich vom mandibularen Teil der Wange bis in den maxillaren Abschnitt reicht. Die Drüsenläppchen des mandibularen Wangenteiles sind jedoch von der Schleimhaut durch den M. buccalis getrennt, während sie zur Haut hin von der ober- flächlichen Facialismuskulatur bedeckt werden. Die Drüsen im maxillaren Teil der Wange liegen dagegen dicht unter der Schleimhaut. Weiter aboral schieben sich dann die Drüsen des mandibularen Wangenabschnittes zwischen die Muskulatur und nähern sich der Schleimhaut. — Etwa in der Mitte der Wange ist weiter pharyngeal das einheitliche Drüsenfeld unterbrochen. Hier liegen nur kleinere Drüsenpakete dicht unter der Schleimhaut. Sie entsprechen wohl den in diesem Gebiet isolierten Gl. buccales mediae (Abb. 4). Von einigen Autoren wird angenommen, daß in dieser Region der obere und untere Wangenabschnitt miteinander verwachsen, wobei gelegentlich Hautdrüsen mit in die Tiefe verlagert werden sollen (SCHUMACHER, 1924). Irgendwelche im Verschmel- zungsgebiet beider Wangenteile erhalten gebliebene Hautdrüsen konnten von uns nicht beobachtet werden. Im hintersten Abschnitt der Wange sind dann wieder Speichel- drüsen in ganzer Höhe der Wange ausgebildet. Bei den Wangendrüsen handelt es sich um tubulo-alveoläre Drüsen, die mit zahl- reichen Ausführgängen in das Vestibulum oris münden. Die Ausmündungsstellen der Drüsen des mandıbularen Wangenteiles liegen dabei immer zwischen den in diesem Gebiet ausgebildeten kräftigen Schleimhautzotten. Die Ausführgänge sind mit einem mehrschichtigen, 4 bis 6 Zellagen umfassenden Plattenepithel ausgekleidet. Die häufig stark verzweigten Endstücke sind rein mukös. Seröse Endstücke konnten nirgendwo gefunden werden. Ä Ein Vergleich mit anderen Artiodactylen zeigt, daß bei den Suidae die Wangen- drüsen ebenfalls stark entfaltet sind. Sie reichen vom Mundwinkel bis an oder über den M. masseter und sind in eine mandibulare und eine maxillare Gruppe unterteilt (Harrıc, 1907; GABRIEL, 1934). Bei den Ruminantıa tritt zu den Gl. buccales mandı- bulares und maxillares noch eine mittlere Drüsengruppe, die Gl. buccales mediae, hinzu. In ihnen vermutet SCHUMACHER (1924) möglicherweise umgewandelte Hautdrüsen, die beim Verwachsungsprozeß beider Wangenabschnitte nach innen verlagert wurden, während die Gl. buccales maxillares und mandibulares von den Drüsen der Ober- und Unterlippe abstammen. Hierfür spricht besonders die Übereinstimmung im Feinbau zwischen Lippen- und Wangendrüsen (SCHUMACHER 1924 und 1927). So finden sich beim Schwein in den Lippen wie in den Wangen gemischte Drüsen (HArTIG, 1907). Bei Ziege, Schaf und Rind sind dagegen nur die Gl. buccales maxillares, Gl. buccales mediae und die dorsale Hälfte der Gl. buccales mandibulares gemischt, während die ventrale Hälfte der Gl. buccales mandibulares rein serös sein soll (BAERNER, 1893; Harrıc, 1907 und FAHRENHOLZ, 1937). Der an der Kudu-Antilope erhobene Befund stimmt demnach mit den Verhält- nissen der Wangendrüsen der Wiederkäuer insofern überein, als bei beiden neben Gl. buccales maxillares und mandibulares Gl. buccales mediae ausgebildet sind. Im Hinblick auf die Feinstruktur weichen jedoch die rein mukösen Wangendrüsen von 116 R. Schneider Tragelaphus strepsiceros von den gemischten bzw. rein serösen Gl. buccales von Schaf, Ziege und Rind ab. Zusammenfassung Die jederseits im Unterkiefer im vorderen Teil des Diastems gelegene postcanine Gingival- schwiele eines 2 Jahre alten Kudubullen (Tragelaphus strepsiceros) wurde mikroskopisch untersucht. Dabei zeigte sich, daß die Gingivalschwiele frei von Knochen- oder Knorpelein- lagerungen ist. Auch Anlagen eines Zahnkeimes konnten nicht nachgewiesen werden. Die er- staunlich feste Gingivalschwiele ist ausschließlich aus derbem kollagenem Bindegewebe auf- gebaut, das von einem dicken mehrschichtigen Plattenepithel überkleidet wird. Im Epithel sind auffallend hohe, eng nebeneinander stehende und durchweg gestreckt verlaufende Binde- gewebspapillen ausgebildet. Die Horncuticula des Epithels ist dicker als im Gebiet der Gau- menleisten. In der Wangenhaut der Kudu-Antilope fanden sich neben holokrinen, polyptychen Talg- drüsen kurze apokrine Schlauchdrüsen. Die bei dem jugendlichen Tier noch nicht voll entfalteten a-Drüsen bilden wahrscheinlich ein Sekret, das während der Brunftzeit zur Markierung des Weibchens verwendet wird (Beobachtung von Herrn Dipl.-Psych. WALTHER, Kronberg). Der Befund entspricht weitgehend den Verhältnissen beim Damhirsch. Im Schleimhautteil der Wange werden rein muköse, tubulo-alveoläre Speicheldrüsen (Gl. buccales) beschrieben. Summary The postcanine gingival callous which lies on both sides of the lower jaw in the anterior part of the diastema was studied histologically in a two year old Kudu bull (Tragelaphus strepsiceros). It was shown that this callous on the gums does not contain bone or cartilage. Nor could the presence of a tooth anlage be found. The surprisingly strong callous is con- structed exclusively of collagenous fibers and is covered by a thick stratified squamous epithelium. Throughout the epithelium are found strikingly high, narrow and straight papillae lying next to one another. The horny cuticle of the epithelium is thicker than that in the region of the ridge of the palate. Short apocrine tubular glands are found next to the holocrine sebaceous glands in the skin of the cheek. These glands were not fully developed in the investigated young animal, but they probably form a secretion during the rutting season which is used by the male to mark the females (observations of Dipl.-Psych. WALTHER, Kronberg). This finding corre- sponds closely to the situation in the fallow deer. Purely mucous tubular-alveolar Salivary glands (Gl. buccales) are found in the mucous membrane of the cheek. Resume Examen microscopique du durillon gingival postcanin d’un Koudou (Tragelaphus strepsiceros) mäle de 2 ans, sıtue des deux cotes de la mächoire inferieure dans la partie anterieure du diasteme. Il en resultait, que dans le durillon gingival manquaient des inclusions d’os ou de cartilage. De m&me, l’Ebauche d’un germe dentaire n’etait pas a demontrer. Le durillon gingi- val, d’une solidite etonnante, se composa exclusivement d’un robuste tissu conjonctif collagene, couvert d’un Epais epithelium pavimenteux stratifi& avec de tres Eleve&es papilles de tissu con- jonctif, Etroitement serrees et partout £tirees. L’epidermicule k£eratinisee de l’epithelium est plus Epaisse que dans la region des cr£tes palatines. Dans la peau de la joue du Koudou se truovaient hors de glandes sebacees holocrines aussi de courtes glandes tubuleuses apocrines. Les glandes apocrines, ne pas encore entierement deploye&es chez l’anımal juvenil, produisent probablement un secret destine a marquer la femelle pendant le rut (observation de Monsieur Dipl.-Psych. WALTHER, Kronberg). Cette observation correspond en grande partie A la situation chez le Daim. Il est donne une description de glandes salivaires tuboalv&olaires et purement muqueuses (Gl. buccales), situ&es dans la partie muqueuse de la joue. Literatur BRINKMANN, A. (1911): Die Hautdrüsen der Säugetiere; Erg. Anat. Entw. 20. 1173-1231. — BAERNER, M. (1893): Über die Backendrüsen der Haussäugetiere; Diss. Berlin. — FAHRENHOLZ, C. (1937): Drüsen der Mundhöhle; in BoLk, GÖPPERT, KarLıus, LugoscH: Hdb. vergl. Anat. d. Wirbeltiere 3. 115-210; Urban & Schwarzenberg, Berlin-Wien. — GAßRriEL, P. (1934): Feinde und Parasiten der Schneemans 11177 Kopfdarm und Schlund des Wildschweines (excl. Mundboden); Zschr. Anat. Entw. 102. 521-571. — Harrıc, R. (1907): Vergleichende Untersuchungen über die Lippen- und Backen- drüsen der Haussäugetiere und des Aften; Diss. Zürich. — Hoepke, H. (1927): Die Haut; in VoN MÖLLENDORFF: Hdb. mikr. Anat. d. Menschen. 3. 11-116; Springer, Berlin. — LEHMANN, E. von: Adaptive Verlängerung der Schneidezahnreihe bei einigen Antilopen. Vortrag ge- halten auf der 34. Hauptvers. d. Deutschen Ges. f. Säugetierkunde in Gießen, 3.-7. Oktober 1960 (bisher nicht im Druck erschienen, lag mir im Manuskript vor). — SCHAFFER, J. (1940): Die Hautdrüsenorgane der Säugetiere: Urban & Schwarzenberg, Berlin-Wien. — SCHUMACHER, S. (1924): Der Bau der Wangen (insbesondere deren Innenbekleidung), verglichen mit dem der Lippen; Zschr. Anat. Entw. 73. 247-267. — SCHUMACHER, S. (1927): Die Mundhöhle; ın VON MÖLLENDORFE: Hdb. mikr. Anat. d. Menschen, 5. 1 1-34; Springer, Berlin. — WALTHER, F. (1958): Zum Kampf- und Paarungsverhalten einiger Antilopen; Zschr. Tierpsych. 15. 340-380. Anschrift des Verfassers: Priv. Doz. Dr. med. RoLF SCHNEIDER, Dr. Senkenbergische Anatomie, Frankfurt/M., Ludwig-Rehn-Straße 14 Natürliche Feinde und Parasiten der Schneemaus Microtus nivalis (Martins), 1842 Von HERMAN KAHMANN und JAKOB HALBGEWACHS Eingang des Ms. 17. 6. 1961 Der Lebensraum der Schneemaus erscheint dem oberflächlichen oder nur kurz verwei- lenden Beobachter feindarm. Bei längerem Aufenthalt stellt sich aber heraus, daß die Anzahl natürlicher Feinde nicht gar so klein ist. Was in dieser Hinsicht in einem Untersuchungsgebiet in den Bayrischen Alpen, südöstlich der Marktgemeinde Schlier- see, zwischen 1630 m und 1880 m seit 1952 beobachtet worden ist, findet im folgen- den Erwähnung. | Unter den Vögeln dürfte die Bergdohle (Pyrrhocorax graculus Vieillard) wegen ihrer Häufigkeit ein wichtiger Schneemausfeind sein. Anscheinend fallen ihr vorwie- gend junge Individuen zum Opfer (Rotwandgebiet). Da die Bergdohle auch Aas nicht verschmäht, wundert es nicht weiter, daß sie sich auch an belaufene Fallen macht und sie verschleppt (Lempersberg). Auch an den großen, für den Fang lebendiger Schnee- mäuse bestimmten Fallen macht sie sich gelegentlich zu schaffen um der darin befind- lichen Maus habhaft zu werden (Hochmiesing). Wüst-München (mündl.) hält es durchaus für möglich, daß auch erwachsene Schneemäuse erbeutet werden. Von dem scheueren Kolkraben (Corvus corax Linnaeus), welcher im Untersu- chungsgebiet ebenfalls zu den Brutvögeln gehört, ist auch erweisbar, daß er Schnee- mäuse verzehrt. Reste finden sich am Horst und in den leider nicht leicht und regel- mäßig zu sammelnden Gewöllen (Rotwand). Wenigstens in den Morgen- und Nach- mittagsstunden ist der Kolkrabe regelmäßiger Besucher an den Lebensstätten der Schneemaus (Hochmiesing, Rauhkopf). Nach Wüst-München (mündl.) ist Erbeutung von Schneemäusen überall außer Zweifel. Der Rauhfußkauz (Aegolius funerens Linnaeus) ist schon länger als Feind der Schneemaus erkannt worden (UTTENDÖRFER 1939). Reste finden sich am Horst und in Gewöllen. In einer Gewölleaufsammlung aus dem Lötschental (Schweiz) fanden sich Überbleibsel von 54 Individuen. Gewölle des Vogels aus den Bayrischen Alpen enthielten 4 (Herzogstand-Heimgarten) und 11 (Rauhkopf) Schneemäuse. 118 H. Kahmann und ]. Halbgewachs Nach den Angaben von UTTENDÖRFER (1939) sind auch andere Vögel gelegentlich oder immer in den Kreis der Schneemausfeinde zu stellen. Es fanden sich in den Gewöllen von Waldohreule (Asio otus Linnaeus), Waldkauz‘(Strix aluco Linnaeus) und Uhu (Bubo bubo Linnaeus) — hier besonders häufig —, Schneemausreste. Von diesen 3 Eulen ist nur der Waldkauz gelegentlich im Untersuchungsgebiet beobachtet worden. Der Sperber (Accipiter nisus Linnaeus), in dem Landschaftsdreieck zwischen Hochmiesing, Rauhkopf und Taubenstein immer wieder wahrgenommen, ist sicherlich nur ein gelegentlicher Schneemausjäger. Aktuelle Beobachtungen fehlen. UTTENDÖRFER (1939) kennt die Schneemaus aus Sperbergewöllen (Tirol). Unter den Säugetieren ist vom Fuchs (Vulpes vulpes Linnaeus) der Verzehr von Schneemäusen erwiesen. Im Plangebiet überall streunend, wurden Nachweise aus Mageninhalt geführt (Hochmiesing, Schnittlauchmoosalm). Das ist gewiß nicht verein- zelt. An den Wohnstätten der Schneemaus spürende Füchse kann man nicht selten sehen (Schnittlauchmoosalm, Aiplspitze). Ein regelmäßiger „Bewohner“ der Siedlungsgebiete der Schneemaus sind Hermelin (Mustela erminea Linnaeus) und Mauswiesel (Mustela nivalis Linnaeus). Winters sieht man im Neuschnee beständig ihre Fährten. Beide Säugetiere vermögen der Schnee- maus an ihren Lebensstätten unter Umständen bis zum Nest zu folgen, auch winter- tags. Sie können das bewohnte Steinspaltengefüge durchschlüpfen und auch Nestlinge ausnehmen. Erwachsene Schneemäuse sind sicher Opfer des Hermelins (Hochmiesing, Rotwand). Andere Marderähnliche wurden im Untersuchungsgebiet nicht wahrge- nommen. Nach Aussagen des Forstpersonals sollen sie nicht fehlen. Nicht ungewöhnlich ist die Beobachtung der Hauskatze. Wenn sie auch nicht ganz- jährig in diesen Höhen vorkommt, so ist doch Tatsache, daß auf vielen Sennhütten sommers Katzen gehalten werden, und in den bewirtschafteten Hütten gehören sie fast immer zu den Haustieren. Wildernde oder verwilderte Individuen sind nicht eben selten. Ihnen fällt auch die Schneemaus zu (Schnittlauchmoosalm, Wallenburgalm). Hauskatzen streunen in einem großen Bereich, in einem Fall betrug der nächtliche Wanderweg 11 km! An einem außerhalb des Untersuchungsgebietes gelegenen Platz (Heimgarten-Kaseralm) wurde die Hüttenkatze täglich geduldig vor den Schnee- mauslöchern lauernd gesehen. Auch in der Kreuzotter (Vipera berus Linnaeus) hat die Schneemaus einen wirk- lichen Feind, der ihr bis in den Unterschlupf zu folgen vermag. Sie ist besonders am Gipfel des Hochmiesing sehr häufig, lebt inmitten der individuenreichen Schneemaus- population. Natürlich wird niemand annehmen, daß die Kreuzotter erwachsene Schnee- mäuse fresse. Aber Nestlinge und junge Exemplare fallen ihr gewiß zum Opfer. Wäh- rend des Sommers besteht der Mageninhalt der Ottern häufig aus Mausnestlingen und Heuschrecken. Da diese Schlange auch tagsüber — im Hochgebirge wohl immer — jagt, so ist das Zusammentreffen mit jungen Schneemäusen nicht unmöglich, die besonders zwischen 10 Uhr und 16 Uhr eine nicht geringe Tagesaktivität haben. Aktuelle Beob- achtungen stammen aus dem Gebiet des Hochmiesing. Der Lebensraum der Schneemaus ist also durchaus nicht arm an natürlichen Fein- den. Die Bemerkung von Frank (1954), daß „die artspezifische ‚Zahmheit‘ und das geringe Fluchtbedürfnis dem Menschen gegenüber zu ihrem feindarmen Lebensraum“ passe, bedarf der Einschränkung. Schreibt doch schon MoHr (1938), daß ım Hoch- gebirge die jahresbeständige Schneedecke die Schneemaus „vor einer großen Zahl von Feinden“ schützt. Schneemäuse zeigen einen mehr oder weniger starken Parasitenbefall. Besonders das Ohrinnere ist fast immer mit einer orangefarbigen Schicht von Milben bedeckt. Läuse und Flöhe stecken überall im Haarkleid, während sich Zecken vor allen Dingen in der Ohrgegend oder im Bereich der Schwanzwurzel festsaugen. Die Bestimmung der Paräsiten von Schneemäusen des Beobachtungsgebietes wurde dankenswerter Weise Feinde und Parasiten der Schneemaus 119 durchgeführt von Prof. Dr. PEeus, Berlin (Flöhe), Dr. v. K£rer, Berlin (Läuse), Dr. WILLMANN, Bremen (Milben), Dr. Rosıcky, Prag (Zecken). Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Flöhe. Tabelle 1 Art | Hochmiesing | Jägerkamp | „Aiplspitz” Ctenophthalmus orphilus Jordan und Rothschild Ar ar a Ctenophthalmus agyrtes smitianus Peus str Peromyscopsylla bidentata : Kolenati ale Palaeopsylla soricis Dale C. orphilus wurde bisher nur noch auf der Rötelmaus gefunden, als Bewohner der subalpinen und teilweise alpinen Stufe. P. bidentata lebt vorzugsweise bei Wühl- mäusen; die Art ist aber im allgemeinen nicht häufig. Endlich ist P. soricis zwar ver- breitet, bei Wühlmäusen aber als Irrgast zu bezeichnen (Peus, Berlin, briefl.). Von Läusen wurde die Art Hoplopleura acanthopus Burmeister häufiger gefunden. Auch Monr (1954) führt für die Schneemaus nur diese Art an. Über die Milben der Schneemaus gibt die Tabelle 2 Auskunft. Tabelle 2 Art | 'Hochmiesing | Jägerkamp | „Aiplspitz” Laelaps hilaris Koch + AL Haemogamasus ambulans Thorell Trombicula willmanni Wharton Trombicula autumnalis Shaw Listrophorus leuckarti Pagenstecher Eulaelaps stabularis Koch Dermacarus hypudaei Koch ae En 2 + en + u Die Art T. willmannı war am zahlreichsten vertreten. Hinsichtlich T. autumnalis schreibt WILLMANn, Bremen, (briefl.): „Bei T. autumnalis könnte man im Zweifel sein, ob es sich wirklich um diese Species handelt. Die Tiere bilden eine Art Zwischenstufe zwischen T. autumnalis und T. toldti Winkler, die in Tirol im Frühling auftritt...., aber mit keiner besteht genaue Übereinstimmung“. Die aus anderen Gegenden der Alpen auf der Schneemaus gesammelte Art Laelaps muris Ljungh wurde nicht beobachtet. Die kleine Aufsammlung von Zecken beschränkt sich auf die Arten /xodes triangu- liceps Birula und /xodes ricinus Linnaeus, welche am Hochmiesing, Jägerkamp und Aiplspitze (trianguliceps) und am Gipfel der Aiplspitze (ricinus) gefunden wurden. 120 W.G. Hepitner Anscheinend wurde /. trianguliceps erstmals auf der Schneemaus beobachtet (Rosıcky, Prag, briefl.). Gewöhnlich lebt sie auf Rötelmaus, Feldmaus, Erdmaus, Gelbhalsmaus u. a. Das Auffinden von /. ricinus in 1758 m Höhe scheint bemerkenswert zu sein. Als Endoparasiten fanden sich zwei Bandwurmarten. Eine Bestimmung wurde bisher nicht vorgenommen. Doch teilt MENDHEIM, München mit, daß es sich wahr- scheinlich um die von der Schneemaus schon bekannten Arten Paranoplocephala omphalodes Hermann und Hymenolepis asymmetrica Jan handelt. Literatur FRANK, F. (1954): Beiträge zur Biologie, insbesondere Jugendentwicklung der Schneemaus (Microtus nıvalis Martins). Z. Tierpsychol., 11, 1-9. — Mor, E. (1954): Die freilebenden Nagetiere Deutschlands und der Nachbarländer. 3. Aufl., Jena. — NEVvEU-LEMAIRE, M. (1936): Trait@ d’Helminthologie medicale et veterinaire. Paris. — NEVEU-LEMAIRE, M. (1938): Traite d’Entomologie medicale et veterinaire. Paris. — UTTENDÖRFER, O©. (1939): Die Er- nährung der deutschen Raubvögel und Eulen und ihre Bedeutung in der heimischen Natur. Neudamm. — UTTENDÖRFER, O. (1957): Neue Ergebnisse über die Ernährung der Greif- vögel und Eulen. Stuttgart. Anschrifl der Verfasser: Prof. Dr. H. Kammann, München 59, Waldschulstraße 42 — Jacos HaLsGEwAcHs, Hausham’Obb., Holz 72 Zum Gedenken an Prof. Dr. S. I. Ognew Von W. G. HEPTNER Eingang des Ms. 24.7. 1961 In diesem Jahre jährt sich zum zehnten Male der Todestag von Prof. Dr. Ocnew. Er war einer der hervorragendsten russischen Zoologen, der Begründer und Leiter der „Moskauer Schule“ für Theriologie.. SERGEI IWANOWITSCH OGnEw wurde am 5. November 1886 in Moskau geboren. Er entstammte einer alten Moskauer Familie. Sein Vater, I. F. OGnew, war leitender Professor des Lehrstuhles für Histologie der Medizinischen Fakultät der Universität Moskau. Seine Mutter entstammte der Familie KırEJEwsky, die im vorigen Jahrhun- dert im Moskauer öffentlichen Leben eine Rolle spielte. OGnew‘s Mutter war geistig außerordentlich rege, vielseitig gebildet, literarisch tätig — schrieb interessante Er- innerungen — und übte auf die Entwicklung der Kinder einen großen Einfluß aus. Der ältere Bruder von OGnew war Dozent an der Universität. Neben seinem Spezial- gebiet der Philosophie, interessierte er sich für die Biologie. Nicht nur die Familie OGnew selbst war mit der Universität, dem Zentrum der Moskauer Intelligenz um die Jahrhundertwende eng verbunden, sondern auch deren Verwandte, Freunde und Bekannte. Dies alles übte auf S. I. Ocn£ew mit einen großen Einfluß aus und bestimmte recht früh seine Interessen und seinen Lebensweg. Im Jahre 1910 beendete S. I. Ocnew das Studium an der Physikalischen-Mathema- tischen Fakultät der Moskauer Universität und wurde Assistent bei Prof. G. A. Ko- SCHEWNIKOW am Lehrstuhl für Zoologie, der zu dieser Zeit eng mit dem Zoologischen Museum verbunden war. Im Jahre 1928 erhielt S. I. Ocnew den Titel eines Professors. Nach der Einführung der neuen wissenschaftlichen Grade in der Sowjetunion im Jahre 1935, erkannte man ihm den Dr. h. c. der Biologischen Wissenschaften zu. Seine wis- Zum Gedenken an Prof. Dr. S. I. Ognew 1241 senschaftlichen Arbeiten wurden von verschiedenen Institutionen und Ge- sellschaften mehrmals prämiiert. Des weiteren bekam er zweimal den Sta- linpreis und den Ehrentitel „Verdien- ter Wissenschaftler“ verliehen. Infolge einer schweren Erkrankung entschlief am 20. Dezember 1951 S. I. OcneEw noch im Besitze seiner Arbeitskraft und voller Pläne für weitere wissenschaft- liche Forschungen. Sein ganzes Leben als Pädagoge und als Forscher war mit der Moskauer Universität, mit seinem Lehrstuhl für Zoologie der Wirbeltiere und mit dem Zoologischen Museum eng verbunden. Er opferte viel Zeit für den Unterricht, doch nicht nur allein für die Vorlesun- gen, sondern auch besonders für die Arbeit mit seinen Schülern, die er stets gewissenhaft betreute. Wenn es galt, einen Rat zu geben, ein Manuskript durchzulesen oder Arbeitspläne zu be- sprechen und Material durchzusehen, war er zu jeder Zeit bereit, seine per- sönliche Arbeit zu unterbrechen. Den Schülern war auch stets seine umfang- reiche Bibliothek zugänglich. Sie wurde von BRANDT noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts eingerichtet, ging später in die Hände BÜCHNERS über und wurde dann schließlich von | S. I. Ocnew übernommen, der sie wesentlich erweiterte und laufend vervollständigte. Schüler von Prof. Ocnew, oder Gelehrte, die sich unter seinem Einfluß entwickelten, waren: L. A. PORTENKO, B. A. Kusnezow, A. N. ForRMmosow, N. A. Bogrinsk1, K.K. FLEROw, N. P. und S. P. Naumow, S. U. STROGANoWw, A. G. TomıLin, $S. D. PERE- LESCHIN, N. M. DUKELSKAJA, N. W. SCHIBANOWw, S. S. Turow, W. G. HEPTNER U. v.a. Prof. Ocnew verfaßte eine Reihe Lehrbücher für verschiedene Ansprüche, angefangen vom Lehrbuch der Zoologie für die Mittelschule, aus dem Jahre 1917, bis zum bekann- ten Lehrbuch der Zoologie der Wirbeltiere für die Universität, das in fünf Auflagen erschienen ist. Sein Hauptinteresse galt jedoch der Forschung, der er sich gänzlich widmete. Schon als Gymnasiast beschäftigte er sich eingehend mit naturwissenschaftlichen Fragen. Seine ersten selbständigen Arbeiten erschienen bereits während seiner Studienzeit. S. 1. OGnEw begann seine wissenschaftliche Laufbahn als Ornithologe. Auch später, als er sich anderen Fragen zugewandt hatte, blieb sein Interesse für die Ornithologie wach. Die letzte Arbeit, in der er der Vogelkunde besonders viel Aufmerksamkeit widmete, erschien 1923 unter dem Titel: „Die Wirbeltiere des Woronesch-Gouvernements“. Seinen weiten Ruf erwarb sich Prof. OGnew jedoch als Theriologe. Bereits 1910 erschien seine erste theriologische Abhandlung. Das Studium der Säugetiere wurde zu dieser Zeit schon recht eingehend und zielstrebig betrieben. Als erstes größeres Ergebnis seiner Forschungen erschien 1913 der I. Band der Monographie: „Die Säugetiere des 122 W.G. Hepiner Moskauer-Gouvernements“ (Fauna Mosquensis. Mammalıa). Dieses Buch spielte in jener Periode eine wichtige Rolle beim Antrieb und in der Entwicklung der Säugetierkunde in Rußland. Es zog auch sofort die Aufmerksamkeit breiter wissenschaftlicher Kreise auf den jungen Zoologen. Die Russische Akademie der Wissenschaften, die zu dieser Zeit die Herausgabe der „Fauna Rußlands“ (jetzt „Fauna der UdSSR“) unternahm, beauftragte S. I. Ocnew mit der Bearbeitung der Familie der Soricidae. Die Kom- pliziertheit der Aufgabe konnte sich damals weder das Zoologische Museum der Aka- demie der Wissenschaften, noch der junge Autor recht vorstellen. S. I. Ocnew begann die Untersuchungen mit der ihm eigenen Energie und Beständigkeit. Bereits nach we- nigen Jahren war ein umfangreiches Manuskript mit vielen Zeichnungen fertig. Diese Arbeit konnte jedoch nicht abgedruckt werden. Die Jahre gegen Ende des Weltkrieges und des Bürgerkrieges waren für die Veröffentlichungen großer, spezieller Mono- graphien höchst ungünstig. Erst im Jahre 1921 konnten einige kurze Diagnosen zahl- reicher neuer Formen erscheinen. Der- Gedanke, eine große und vollständige Monographie der Säugetiere der So- wjetunion zu schreiben, entstand beı $. I. OGnew zu Beginn der zwanziger Jahre, er bestimmte während seines ganzen Lebens seine Hauptarbeitsrichtung. S. I. Ocnew kürzte den Text der Beschreibungen der Soricidae und schickte sich an, die übrigen Insektenfresser — Maulwürfe, Igel und Desmane — sowie die Fledermäuse zu bear- beiten. Jene Beschäftigung begeisterte ıhn so sehr, daß er es unterließ, den II. Band der „Fauna Mosquensis“, über den er in den Jahren von 1918 bis 1920 gearbeitet hatte, fortzuführen. S. I. OGnEw kürzte auch den Umfang der Bearbeitung der „Wirbeltiere des Woronesch-Gouvernements“. Dieses war der Beginn jenes großen Werkes, das die Epoche in der Erforschung unserer Theriofauna einleitete. Das Manuskript zum I. Band, der die Insectivora und Chiroptera umfaßt, war bereits 1922 fertiggestellt. Die Aussicht seiner Drucklegung war hingegen fragwürdig. S. I. Ocnew ließ sich dadurch nicht entmutigen, sondern setzte seine Arbeit energisch fort, indem er sogleich das Studium der Carnivora in Angriff nahm. Schon im folgen- - den Jahr, also 1923, war das gesamte Material über die Bären aufgearbeitet. Erst im Jahre 1928 wurde der I. Band veröffentlicht. Er trägt den Titel: „Säugetiere Ost- europas und Nordasıens“. In dieser Zeit waren auch schon die Manuskripte für den II. Band, die Carnivora, fertig. Er wurde aber erst 1931 veröffentlicht. Des Umfanges der Manuskripte wegen mußten die Katzen und ein Teil der Marder in den nächsten Band übernommen werden. Mit den Pinnipedia bilden sie den III. Band des Werkes, der 1935 erschienen ist. Mit dem IV. Band fangen die Nagetiere an. Er enthält die Beschreibungen der Pfeifhasen, Hasen, Eichhörnchen, Flughörnchen, dünnfingrigen Ziesel (Spermophilopsis) und des Streifenhörnchens. Nach der Veröffentlichung dieses Bandes im Jahre 1940, erfolgte wegen des zweiten Weltkrieges in der Publikationstätigkeit wiederum eine größere Pause. Für Prof. Ocnew bedeuteten die Kriegsjahre jedoch keinen Stillstand in seinem Schaffen. Er betrachtete die Arbeit nun erst recht als seine Bürgerpflicht und setzte unablässig und sehr intensiv die Bearbeitung der „Säugetiere der UdSSR“ fort. Gegen Ende des Krieges war das Manuskript des V. Bandes (der Abschluß der Sciuridae und die Beschreibungen der Biber, der Siebenschläfer und der Spalacidae) abgeschlossen. Nach Beendigung des Krieges ging das Manuskript sofort in Druck und erschien bereits 1947. 1948 wurde der VI. Band (Springmäuse und ein Teil der Wühl- mäuse) veröffentlicht. Ihm folgte im Jahre 1950 der VII. Band mit der Beschreibung des größten Teiles der Wühlmäuse. Am VII. Band, der einer sehr komplizierten Gruppe gewidmet war, arbeitete S. I. Ocnew mit besonders großer Begeisterung und Interesse, aber auch schon mit gewisser Besorgnis. Es brach schon das siebente Jahrzehnt seines Lebens an, und infolge vieljährigen, angestrengten Schaffens zeigten sich schon gewisse Ermüdungserscheinun- Zum Gedenken an Prof. Dr. S. I. Ognew 123 gen. Das Ende des Werkes war aber noch sehr weit. Es blieben noch ein Teil der Nager, ferner die Wale und die Huftiere — mindestens also drei weitere Bände. Außerdem war ein Band für die Literatur über die Theriofauna der UdSSR vorgesehen. Unwill- kürlich meldete sich bei S. I. Ocnew der Gedanke, daß sein Leben für die Vollendung des Werkes nicht ausreichen würde, und die Furcht, „nicht zurechtzukommen“. Es war ıhm zugleich auch klar, daß die ersten Bände schon „veraltet“ waren und eine vollständige Überarbeitung erforderten, und zwar nicht nur hinsichtlich des spe- ziellen Materials, sondern auch in ihrer Basis, im Artbegriff. Die ersten 4 bis 5 Bände waren vom rein morphologischen Standpunkt aus, von einem scharf ausgeprägten „Artensplitterer“ geschrieben. Unter diesen Umständen beschloß S. I. Ocnew den VIII. Band (Abschluß der Glires) gemeinsam mit W. G. HEPTNER zu schreiben (OGnEw die Murinae und Crice- tinae, HEPTNER die Gerbillinae) und dann sich nur noch mit der Überarbeitung der ersten Bände (I bis III, Insectivora, Chiroptera, Carnıvora, Pinnipedia), und mit Nachträgen zu den Bänden IV bis VII zu befassen. Was die geplanten letzten Bände (IX und X, Wale und Huftiere) anbetrifft, so wollte er andere Autoren in seine Arbeit einbeziehen. Den IX. Band (Cetacea) hat sein Schüler A. G. TomıLin noch zu Leb- zeiten S. I. OGnzws geschrieben. Es war jedoch Prof. OGnew nicht mehr vergönnt, diesen Band herauszugeben. Er erschien 1957 unter der Redaktion von W. G. HEPTNER. Unter den Murinae konnte S$. I. OGnEw selbst nur noch die Gattung Rattus bearbeiten. Die Bedeutung der „Säugetiere der UdSSR“ für die sowjetische Wissenschaft kann nicht hoch genug bewertet werden. Wenn die Theriologie in der SU gegenwärtig in gewissem Sinne sich im Zustand der Blüte befindet und imstande ist, die großen und vielfältigen Aufgaben, die das praktische Leben an sie stellt, zu lösen, so ist dies ın erheblichem Maße, mittelbar oder unmittelbar auf das Wirken S. I. OGnEws zurück- zuführen. Bis zum Beginn seiner Studien gab es in Rußland zwar schon gute Arbeiten über einzelne Arten und wertvolle systematische, morphologische und faunistische Un- tersuchungen, jedoch waren jene Publikationen weit davon entfernt, Anspruch zu er- heben auf eine gewisse Geschlossenheit. S. I. Ocntw begann also seine Tätigkeit im wesentlichen auf völligem „Neuland“. Die Geschichte des Studiums der Säugetierfauna der SU kann man somit in zwei Epochen einteilen, nämlich in die weitaus längere Zeit bis zum Erscheinen der „Säugetiere der UdSSR“, und in jene danach. Die „Säugetiere der UdSSR“, selbst unvollendet, bleiben auf lange Sicht ein vortreffliches Beispiel hin- sichtlich zielbewußten Schaffens und außerordentlicher Arbeitsamkeit. Die ersten sieben von S. I. Ocnew allein verfaßten Bände enthalten rund 4900 Textseiten, 56 Farb- tafeln und fast 2000 schwarze Zeichnungen und Photos. Die Abfassung eines solch großen Werkes könnte ein ganzes Forscherleben allein ausfüllen. S. I. Ocnew leistete hingegen noch sehr viel auf anderen Gebieten. Abge- sehen von einer Anzahl kleinerer Artikel über die Systematik einzelner Tiergruppen und Tierformen, sind die faunistischen Arbeiten zu erwähnen, wie z. B. die schon an- geführten „Säugetiere des Moskauer-Gouvernements“ und die „Wirbeltiere des Woro- nesch-Gouvernements“, ferner die Abhandlungen über die Orel-, Woronesch- und Smolensk-Gouvernements, das Ussuri-Gebiet, die Krim, den Nord-Osten Sibiriens, den Nordkaukasus, über das Samara- und Uralgebiet, über Turkmenien, die Schantar- Inseln und über einige andere Regionen. Einige dieser Arbeiten sind nach persönlichen Expeditionen und Freilandbeobachtungen entstanden. Die Ergebnisse einiger seiner Reisen, z. B. einer interessanten Expedition zum Südhang des Großen Kaukasus (Süd- Ösetien) mit dem Verfasser dieser Zeilen, sind nicht gesondert publiziert, sondern in seinen großen Werken mit verarbeitet worden. Die Expeditionen waren für S. 1. OGnew zugleich die liebsten Erholungen von seiner angespannten Tätigkeit im Winter. Erholungsaufenthalte in Kurorten oder Sommerfrischlerheimen wurden von ihm nie bevorzugt. 124 W.G. Hepiner Einen besonderen Platz unter den Publikationen S. I. OGnews nımmt das Buch „die Okologie der Säugetiere“ ein. Es ging aus den Vorlesungen zu diesem Thema hervor, die er zuerst in den zwanzigerJahren, später am Ende des vierten Jahrzehntes an der Moskauer Universität hielt. Dieses Buch, der erste in der Sowjetunion unter- nommene Versuch eines Grundrisses der Biologie der Säugetiere, ist eines seiner letzten Werke. Es war ihm jedoch nicht mehr vergönnt, seine Veröffentlichung zu erleben. Neben der Beschäftigung mit umfangreichem systematischem Tatsachenmaterial, interessierte sich S. I. OGnEw auch für die allgemeinen Probleme der Biologie. Das Interesse an diesen Fragen verstärkte sich in seinen letzten Lebensjahren. In diesem Zusammenhang entstanden unter seiner Feder einige Aufsätze zum Artproblem, die in bedeutendem Maße die theoretischen Ergebnisse seiner mehrjährigen Untersuchungen zur Systematik untermauerten, Abhandlungen zum Problem der „Nichtumkehrbarkeit der Entwicklung“, über die Evolution der Insectivoren und einige andere. Der im Milieu einer reichen Familientradition aufgewachsene und von Kindheit an mit den besten Traditionen der Universitätsintelligenz umgebene S. I. OGnew hatte eine große Neigung zur Geschichte, vornehmlich zur Geschichte der Wissenschaften und der einzelnen Gelehrten. So schrieb er einige recht aufschlußreiche Rückschauen zur Entwicklung der Theriologie und der Zoologie der Wirbeltiere in den einzelnen Pe- rioden und interessante Lebensbeschreibungen einiger Wissenschaftler. Dieser Arbeit widmete sich S. I. OGnew mit viel Freude und empfand in ihr große Befriedigung. Er hielt es für seine moralische Pflicht, in gerechter Weise die Verdienste seiner wissen- schaftlichen Freunde, Vorgänger und Lehrer zu würdigen und deren Lebenswerke und Charakterzüge der Zukunft zu erhalten. In lebendiger Form, großer Aufrichtigkeit und mit warmherzigem Gefühl sind seine Lebensbeschreibungen über G. A. KoscHEWNIKOW, B. M. Suitkow, M. A. MENSBIER, A. P. SEMENOW-TJAN-SCHANSKY, die er sehr gut kannte, und über N. A. SEWERZOow verfaßt, womit er diesen Männern ein bleibendes Denkmal gesetzt hat. In dem Porträt über seinen Vater beschreibt er u. a. in vortrefi- licher Weise die gesellschaftliche Atmosphäre, wie sie in- und außerhalb der Universität in den Jahren vor der Revolution bestand. Diese Abhandlungen sind sehr nützlih, sowohl für die Geschichte der Wissenschaft, als auch für die Erziehung der Jugend. Einen besonderen Platz im Schaffen $. I. Ocnews nimmt die Popularisierung bio- logischer Kenntnisse ein. Er verfaßte mehrere Artikel für verschiedene Enzyklopädien und schrieb zahreiche Rezensionen und Referate theriologischen, ökologischen und zoo- geographischen Inhalts. Häufig veröffentlichte er auch Artikel in den Zeitschriften für Jagdkunde. Seine große Begabung als Popularisator zeigt sich in seinen Büchern „Das Leben unserer Steppen“ (2 Auflagen), „Küstenbewohner“ und in erster Linie in seinem Lieblingswerk „Leben des Waldes“. Das zuletzt genannte Buch, 1914 das erstemal verlegt, eroberte sich sorort die Herzen der Leser, besonders die der Jugend. In der Folgezeit erfolgten vier weitere Auflagen mit neuen Photographien und Zeichnungen. S. I. OGnew war auc ein ausgezeichneter Photograph und Kenner der photographi- schen Technik. Er war in Rußland der erste, der die Tiere in ihrem natürlichen Milieu photographierte. Sein Buch, „Die Photographie der lebenden Natur“, das in drei Auf- lagen erschien, war bei uns die erste Originalarbeit auf diesem Gebiet. Von Prof. Ocnew wurden mehr als 150 Arbeiten, inklusive der Bücher, publiziert. Schließlich dürfen die großen wissenschaftlich-organisatorischen und wissenschaft- lich-gesellschaftlichen Tätigkeiten Prof. OGnews nicht unerwähnt bleiben. Er leitete einen Lehrstuhl und Laboratorien, war Mitglied von wissenschaftlichen Räten einer Reihe von Organisationen und redigierte mehrere Jahre die Berichte der Moskauer Gesellschaft für Naturforscher („Bulletin de la Societe des Naturalistes de Moscou“). Vizepräsident dieser ältesten russischen Gesellschaft war er bis zum letzten Jahre seines Lebens. Im Jahre 1924 wurde er Mitglied der American Society of Mammalogists und 1928 Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde. } N = u Aa alien Kir Schriftenschan 125 Prof. Ocnews Leistungsvermögen und die Fähigkeit, seine Arbeit zu organisieren, waren erstaunlich. Jeder Tag seines Lebens war, hinsichtlich seines Ablaufes, genau durchdacht. In Perioden besonders fruchtbaren Schaffens lebte er sogar oft monatelang im Museum und nächtigte auf dem Diwan in seinem Arbeitszimmer. Es muß aber, vor- nehmlich in diesem Zusammenhang, mit Nachdruck betont werden, daß S. I. OcnEw weder ein Figenbrötler, noch ein Pedant war, sondern ein den Vorgängen seiner Zeit sehr aufgeschlossen gegenüberstehender, vielseitiger und sehr mitteilsamer Mensch. Er liebte die Natur, vor allem jene Mittelrußlands über alles. Ich bin bislang nur wenigen Menschen begegnet, die sie so tief zu empfinden vermochten wie er. In den Tagen be- sonders intensiver gedanklicher Konzentration oder vor ungewöhnlichen Ereignissen seines Lebens, fuhr er in der Regel, entweder allein, oder mit einem seiner ihm am nächsten stehenden Freunde, in die Umgebung von Moskau, wanderte dann oft stun- denlang durch die Fluren und Wälder, um danach frisch das ihm Bevorstehende in Angriff zu nehmen. Seine Landschaftsaufnahmen waren nachdenklich und Iyrisch. Sie vermitteln sehr ausdrucksvoll die besondere Schönheit der Natur Mittelrußlands. Mei- sterhaft machte er auch Porträts. S. I. OGnEw begeisterte sich auch stets für die Jagd. Er war ein vorzüglicher Schütze und besaß erstklassige Jagdflinten. Hinsichtlich seines Interesses für die Kunst liebte er vornehmlich die Opern- und Vokalmusik. Zeit seines Lebens behielt S. I. OGnew seine große Bescheidenheit und Geselligkeit. Er verkehrte gern im Kreise seiner Freunde, liebte und schätzte den Humor und war geistreich im Gespräch. Er war ein Optimist mit offenem, zutraulichem Charakter und tadelloser Ehrenhaftigkeit. Seinen Mitmenschen gegenüber war er immer liebenswürdig, rücksichtsvoll und stets wohlwollend gesonnen. Nie verlor er seine Selbstbeherrschung und Ausgeglichenheit. Wenn sich hingegen eine Sache als unkorrekt und unehrenhaft erwies, trat er ihr mit der ganzen Kraft seiner Autorität hart und heftig entgegen. S. I. Ocnew war in der Tat nicht nur ein großer Gelehrter, sondern auch, fürwahr, ein hervorragender Mensch. Anschrift des Verfassers: Prof. Dr. W. G. HEPTNER, Moskau K-9, ul. Gerzena 6, Zoologisches Museum der Universität SIEFIRTESENSCHAU ImMıELA, H.-J.: Otto Dill. Verlag G. Braun, Karlsruhe, 1960. 154 S., 73 Abb. darunter 56 farbige. 30,— DM. Der am 4. 6. 1884 ın Neustadt/Pfalz geborene und am 6. 7. 1957 gestorbene Maler OrTTo Dirr ist den Säugetierleuten ganz wesentlich bekannt als der „Löwendill“, als der Schöpfer von Großkatzen- und Pferdebildern. Bei einem Besuch der Tierschau eines Zirkus in Pirma- sens zog es den Sechsjährigen schon unwiderstehlich zu einem in seinem Käfig liegenden Löwen. Als Schüler des haustierfreudigen HEINRICH von ZÜGEL gewinnt er enge Beziehungen zum Pferd, das er in immer neuen Kompositionen darbietet. Auf nicht weniger als 25 der dem vorliegenden Bande beigegebenen Reproduktionen Dirrscher Werke sind Pferde dar- gestellt, zumeist in starker Bewegung. Turnier- und Rennsport gaben nicht wenigen seiner Pferdebilder den äußeren Rahmen. Von besonderem Reiz sind die vielen Darstellungen von Pferden vor dem Wagen, bei denen sehr oft die Tiere genau auf den Beschauer zukommen. Von anderer Art sind seine vielen Großkatzenbilder, die fast alle die Tiere in kräftiger Bewegung zeigen. Das Buch bringt 10 seiner Löwen-, Tiger- und Leopardenbilder, daneben Kamele auf dem Rastplatz und der Straße, Stierkämpfe. - Neben den 39 Tierbildern, die jeden Tierfreund entzücken, bringt das schöne Buch auch 33 reine Landschaften sowie ein Selbstporträt des Künstlers. Erna Motur, Hamburg 126 Schriftenschau Handbuch der Zoologie - Eine Naturgeschichte der Stämme des Tierreichs. Heraus- gegeben von J.-H. HELMCKE, H. von LENGERKEN und D. Starck — Verlag Walter de Gruyter, Berlin. - Bd. 8, Quart. SE 23. Lieferung (1960), 40 S., 34 Abb. Bırukow, G.: Statischer Sinn. Zum statischen Sinn ordnet man die Leistungen aller Regulationsmechanismen der Haltung und Bewegung, die im Dienste der Gleichgewichtshaltung stehen. In einer kurzen Übersicht wird der Bau der labyrinthären Rezeptoren geschildert. Der größte Teil des Heftes ist der Darstellung der Funktion der labyrinthären Rezeptoren gewidmet. Im letzten Abschnitt wird die Funktion der Zentren besprochen. Die Lieferung ist für den Nichtphysiologen bestens geeignet, um über den statischen Sinn eine klare Übersicht zu gewinnen. M. Rönrs, Hamburg 25. Lieferung (1960), Tl. 9, Beitr. 9, 108 S., 102 Abb. E. J. SLıpper: Die Geburt der Säugetiere. Nach einem Hinweis auf die Fortpflanzungsverhältnisse der Monotremata werden die Geburt der Marsupialia und der Weg des Jungen in den Beutel kurz geschildert. Der Haupt- teil der Arbeit ist jedoch den Geburtsvorgängen bei den Plazentalia gewidmet. Geburtstermin, Ort und nähere Umstände der Geburt werden nur kurz gestreift, dagegen den Eigenschaften der Frucht vor und zu Beginn der Geburt sowie den Geburtswegen größere Ausführlichkeit gewidmet. Über die auslösende Ursache für die Geburt ist man sich auch heute noch nicht völlig klar. Der Geburtsablauf ist familien- und artweise verschieden, schon deshalb, weil Einlings- und Mehrlingsträchtigkeiten sich verschieden auswirken. Eine lange Tabelle gibt eine Übersicht über die Geburtsdauer bei Säugetieren, geordnet nach Jungenzahl, gesamter Geburts- dauer, Dauer der Austreibungsperiode je Frucht. Weitere Kapitel behandeln die Körper- haltung der Mutter während der Geburt, Uteruskontraktionen und Uterusmuskulatur, Lage der Frucht in den verschiedenen Phasen. Von besonderer Wichtigkeit sind die Ausführungen über die Nabelschnur, die ebenfalls in einer umfangreichen Tabelle zusammengefaßt sind. Über den Umfang von Blutungen beim Ausstoßen der Frucht und der Nachgeburt ist noch wenig bekannt. Das Verhalten von Mutter und Jungen unmittelbar nach der Geburt und die Rolle der Nachgeburt werden eingehend erörtert. Ein Schriftenverzeichnis von mehr als einem halben Tausend Titeln rundet die Arbeit ab. Es wurde ein sehr reichhaltiges Material zur Geburt der plazentalen Säugetiere verarbeitet und in klarer Form dargestellt, unterstützt durch 102 Abbildungen. Das Aufzeigen von Lücken in unserer heutigen Kenntnis von den Zusammen- hängen des Geburtsgeschehens soll zu weiteren gewissenhaften Beobachtungen anregen. E. MonHr, Hamburg 26. Lieferung (1960), 68 S., 74 Abb., 34,— DM. ORTMAnN, R.: Die Analregion der Säugetiere. Mit dieser Lieferung legt Ortmann eine außerordentlich klare zusammenfassende Darstel- lung über die Analregion der Säugetiere vor. Die bisherigen Kenntnisse sind geordnet und durch umfangreiches neues Untersuchungsmaterial erweitert worden; die untersuchten For- men und deren wesentliche Merkmale sind in einer übersichtlichen Tabelle zusammengestellt. Die einzelnen Bauelemente und ihre Besonderheiten werden eingehend beschrieben und er- örtert. (Muskulatur, Auskleidung des Analkanals, Drüsenapparat, Iymphatischer Apparat, Gefäßsystem, Sensibilität). In einem weiteren Abschnitt sind die Besonderheiten der einzel- nen systematischen Gruppen besprochen. Diese Übersicht macht wahrscheinlich, daß das Vor- handensein von Analbeuteln und Proctodaealdrüsen als ursprünglich angesehen werden kann, beide Strukturen können aber hochspezialisiert ausdifferenziert sein; die völlige Abwesenheit von Talg- oder a-Drüsen entspricht dagegen eher einem abgeleiteten Zustand. Schon bei Mono- tremen und Marsupialiern sind praktisch alle Grundbausteine der Analregion und deren Kombinationsmöglichkeiten vorhanden; der Gesamtbautyp bleibt offenbar im gesamten Säugetierbereich wenig verändert. Es wird auf die starke Variabilität im Bau der Analregion verwiesen, die sich vor allem durch feingewebliche Untersuchungen zeigte. Diese Vielfalt wird aber erreicht durch nur eine kleine Anzahl von Bausteinen, die wechselnd kombiniert und quantitativ verschieden ausge- prägt sind und unterschiedlich weit getriebene Differenzierungen aufweisen. Ortmann nimmt an, daß entsprechend der Vielfalt des morphologischen Baus eine Vielfalt von Funktions- komplexen zu erwarten ist; er hält eine Ordnung der Analregion nach Funktionskomplexen noch nicht für möglich. Es werden funktionelle Deutungen versucht, die als Beispiel dafür dienen können, wie weitgehend derartige Deutungen versucht werden dürfen, ohne unbe- wiesene Hypothesen aufzustellen. Bemerkenswert ist, daß die Kombinationen von Drüsen- Schriftenschan 127, apparaten mit bestimmten erigierbaren und optisch wirksamen Strukturen sowie Verhaltens- weisen im System offensichtlich unabhängig mehrfach entstanden sind. Die durch anschauliche Schemata und mit sehr guten Abbildungen ausgestattete Arbeit ist von großem Wert für Zoologen, Anatomen, Physiologen und Verhaltensforscher. M. Röhrs, Hamburg HAGEMANN, EBERHARD, und SCHMIDT, GÜNTHER: Ratteund Maus. Versuchstiere in der Forschung. Verlag Walter de Gruyter und Co., Berlin, 1960. 318 S., 75 Abb. und 198 Tab. 48,— DM. Die beiden Autoren wenden sich mit ihrer Monographie, in welcher der Ratte 190 Seiten, der Maus 110 Seiten gewidmet sind, „in erster Linie an jene Kreise, die routinemäßig mit Ratten und Mäusen in Wissenschaft und Industrie umgehen“. Der weitgespannte Rahmen des Buches umschließt u. a. Abstammung der Albinoratte und Albinomaus, Haltung, Zucht, Fortpflanzungsphysiologie, Ernährung, Genetik, Anatomie und Physiologie, Embryologie, Parasitologie und Krankheiten, sowie verschiedene Testverfahren mit Mangelernährung. Besonders ausführlich gehalten sind die Kapitel über Haltung, Zucht und Ernährung. Hier schöpfen die Verfasser anscheinend aus reicher eigener Erfahrung und geben viele wertvolle Hinweise, die dem Anfänger manchen Mißerfolg ersparen dürften. Zu einer schnellen Orientie- rung über Organgrößen und -gewichte, über Wachstum und Entwicklung, über Hormon- wirkungen, über die chemische Zusammensetzung des Organismus von Ratte und Maus und über die Bestandteile bestimmter Diätformen usw. dienen insgesamt 189 Tabellen, die aus den verschiedensten Veröffentlichungen zusammengestellt wurden. Von den 75 Abbildungen wurden 33 Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die alle die Morphologie und Embryologie betreffen, von anderen Autoren umgezeichnet, übernommen. Leider lassen sich nicht alle Angaben des Buches ungeprüft übernehmen. Z. B. zeigt sich in den Kapiteln über die Anatomie und Embryo- logie, die über ein Drittel des Buches ausmachen, vielfach eine mangelnde Vertrautheit mit dem Stoffgebiet, die zu einer Reihe ungenügender oder falscher Aussagen führt. Mag man an der z. T. ungebräuchlichen Terminologie (z.B. Ganglion coeliaticum, vertebraarte- rieller Kanal, S. 77), die großenteils aus einer ungenügenden, zu wörtlichen Übersetzung aus dem englischsprachigen Schrifttum resultiert, noch keinen Anstoß nehmen, so wird man doch bedauern, daß manche Organsysteme nur ungenügend berücksichtigt wurden, weniger wichtige morphologische Einzelheiten dagegen über Gebühr hervorgehoben werden. Bei der Maus (S. 239) sind dem „Stützsystem“ nur 3 Zeilen gewidmet, dem Nervensystem (das als „Reizleitungssystem“, bei der Ratte, S. 74 ff.., als „Reizleistungssystem“ bezeichnet wird) nur 31/sZeilen. Dagegen wird für die Wirbelsäule der Ratte (4 Zeilen) als Besonderheit der „Chassaignac- oder Karotidtuberkel“ herausgestellt. Schwerwiegender sind offensichtlich falsche, nur halbrichtige, veraltete oder in höchstem Maße mißverständliche Angaben. So er- fährt der überraschte Leser u. a.: „Die Bindegewebsform der Knochen und Knorpel ist das Skelettgewebe“ (S. 65). „Das Becken bilden Ilium, Ischium und Pubis“ (S. 68, dafür wird in Abb. 16 der proximale Abschnitt des Darmbeins als Os sacrum bezeichnet). „Das Vorder- hirn besteht aus zwei blasenförmigen Vorstülpungen am Vorderrand des Zwischenhirns“ (S. 75). Der Zentralkanal des Rückenmarks ist von einer „Epidermisschicht“ (!) ausgekleidet (S. 77). „Die Umwandlung des venösen in arterielles Blut findet in den Lungenbronchiolen statt“ (S. 78). „Mund- und Zungenschleimhaut bestehen aus einem typischen Plattenepithel“ (S. 90); (die Lamina propria mucosae gehört anscheinend nicht zur Schleimhaut). Die Erek- tion des Penis „erfolgt durch den Eintritt venösen Blutes in die Schwellkörper“ (S. 115) und „die proximalen Teile der Corpora c. penis sind gleichfalls von der Tunica albuginea ausge- kleidet“ (S. 254). Materne Riesenzellen der Plazenta erscheinen am 17. Tag des Fetallebens in der Leber (!) und halten sich in der Milz (!) bis zum Ende des 1. Monats (S. 134). „Nach GERSH produzieren die parenchymatösen Glandularelemente der Neurohypophyse die anti- diuretische Substanz, die von der Hypophyse sezerniert wird“ (S. 248); für die Ratte ist da- gegen die Bildung des Oxytozins in den Hypothalamuskernen korrekt angegeben, die Be- griffe „Neurosekretion“ und „hypothalamohypophysäres System“ werden allerdings nicht er- wähnt. „Zwischen Epimyocardium und dem unten liegenden Entoderm befindet sich eine Reihe unregelmäßiger Zwischenräume, die später verschmelzen, um den Herzbeutel zu bil- den“ (S. 265). - Derartige Unrichtigkeiten, wie sie hier wahllos und ohne Anspruch auf Voll- zähligkeit herausgegriffen sind, schränken leider die Brauchbarkeit des Buches ein. Sicherlich wollten die Autoren kein Lehrbuch der Anatomie von Ratte und Maus schreiben, sie wenden sich auch nicht in erster Linie an Studenten der Veterinär- oder der Humanmedizin; gerade aber die auf diesem Gebiet nicht besonders geschulten Leser dürfen erwarten, daf auch in einer vornehmlich der Zucht, Haltung und Ernährung der beiden Laboratoriumstiere gewid- meten Darstellung die morphologischen Angaben korrekt sind und dem heutigen Wissens- stand entsprechen. Es kann daher nicht verwundern, daß der Referent das Buch mit gemisch- ten Gefühlen aus der Hand gelegt hat. H. Frick, Frankfurt BEKANNTMACHUNGEN Auszug aus dem Protokoll der Geschäftssitzung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e. V. anläßlich der 35. Hauptversammlung in Hamburg am 5.X. 1961 Die Geschäftssitzung wurde um 16.10 Uhr vom 1. Vorsitzenden, Herrn STARCK, er- öffnet. Anwesend waren 61 Mitglieder. Aus dem Bericht des Geschäftsführers: Die Gesellschaft hat zur Zeit 425 Mitglieder (Zugang 60, ausgeschieden 17, Erhöhung des Mitgliederstandes gegenüber 1960 also um 43). Herr POHLE erstattet Bericht über die Kassenprüfung. Der Schatzmeister wird auf Antrag von Herrn POoHLE entlastet. Eine eingehende Diskussion über die satzungsgemäße und vereinsrechtliche Situa- tion der Zeitschrift nach der Beauftragung des Verlages PauL PArEY mit der Heraus- gabe, beginnend mit Band 26, 1961, wird durchgeführt. Nachdem Herr HALTENORTH sich mit dem Antrag auf Billigung der Maßnahmen des Vorstandes in dieser Frage einverstanden erklärt hat, formulieren die Herren FRank, HOFER und MÜLLER-USING folgenden Antrag: „Nach eingehender Debatte über den vom Vorstand mit dem Ver- lag Paur PArEY geschlossenen Vertrag hinsichtlich der Zeitschrift für Säugetierkunde billigt die Mitgliederversammlung das Verhalten des Vorstandes sowie den geschlosse- nen Vertrag. Sie dankt dem Vorstand für die dabei bewiesene Initiative und die damit verbundene kräftige Förderung der Ziele der Gesellschaft“. Dieser Antrag wird mit 56 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen. Herr PoHLE beantragt die Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 1960. Diese wird einstimmig erteilt. | Prof. Dr. K. ZimMERMANnN, Berlin N 4, wird zum Ehrenmitglied ernannt. Als Tagungsort für 1962 werden Tübingen (Einladung Prof. MÖHRESs) und Berlin (Vorschlag Prof. POHLE) in Erwägung gezogen. Die Neuwahl des Vorstandes für die Amtsperiode 1962/1966 hat folgendes Be gebnis: 1. Vors. HERRE, Kiel; 2. Vors. DATHE, Berlin-Friedrichsfelde; 3. Vors. VAN BEMMEL, Rotterdam; Beisitzer Frick, Frankfurt a. M.; Geschäftsführer Krös, Berlin; Schriftführer BoHLken, Kiel; Schatzmeister Leısıng, Berlin. Die Versammlung beschließt, durch eine Kommission, bestehend aus den Herren FRANK, HALTENORTH, HERRE, POHLE, STARCK Anträge und Vorschläge auf Änderung der Satzung überprüfen, sammeln und der Hauptversammlung 1962 vorlegen zu lassen. D. STARcK, 1. Vorsitzender Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde. Die 36. Hauptversammlung wird vor- aussichtlich vom 28. bis 31. Oktober in Tübingen stattfinden. Anfragen an Prof. Dr. P. Möhres, Tübingen, Zoologisches Institut, Hölderlinstraße 12. Mammal Society of the British Isles. Jahresversammlung 13. — 16. IV. 1962 ın Leicester. Anfragen an Mr. K. M. Backhouse, Conference Secretary, Anatomical Department, Charing Cross Hospital Medical School, 62—65 Chandos Place, Lon- don WC 2. Vereniging voor Zoogdierkunde en Zoogdierenbescherming (der Benelux-Länder). Hauptversammlung (zugleich Feier zum zehnjährigen Bestehen der Vereinigung) 5.—6. V. 1962 im Zoo Antwerpen. Anfragen an Dr. A. Scheygrond, Van Iterson- laan 7, Gouda, Niederlande. Naturwissenschaftliche Literatur aus dem Verlag Dr. Paul Schöps, Frankfurt a.M. Vom Vogelzug Grundriß der Vogelzugskunde “ Von Pror, Dr. E: Schüz, Stuttgart 1952 / 232 Seiten mit-55 Abbildungen / Kartoniert 18,50 DM „Prof. Schüz hat es vortrefflich verstanden, in geschickter Auswahl wichtiger Einzelbeispiele, ‚ mit vorzüglichen übersichtlichen Abbildungen illustriert, einen Überblick über die Vogelzugs- forschung zu geben.“ Die Vogelwarte Sammlung zoologischer Feldführer Herausgegeben von Prof. Dr. H. Dark, Berlin Band I: Der Vogel im Fluge Ein Feldführer durch die Großvögel Miteleropas Von Dr. H. KırcHner, Bad Oldesloe Bisher sind folgende Lieferungen erschienen: 1. Schwäne und Gänse ‚1951 / 16 Seiten und 5 mehrfarbige Bildtafeln und 1 a / Kartoniert 7,50 DM 2. Gründelenten R.. / 12 Seiten und 5 mehrfarbige Bildtafeln und 2 Abbildungen / Kartoniert 6,— DM # 3. Tauchenten und Säger 1952 / 18 Seiten und 5 mehrfarbige Bildtafeln und 2 Abbildungen / Kartoniert 6,— DM 4. Seeschwalben 1952 / 18 Seiten und 4 mehrfarbige Bildtafeln und 7 Abbildungen / Kartoniert 6,— DM Diese Sammlung vereinigt wissenschaftliche Gründlichkeit mit künstlerischem Ausdruck. Die Vögel werden in einer Darstellung gezeigt, die man sonst kaum zu sehen bekommt, nämlich im Bee: Durch die Wiedergabe in naturgetreuen Farben wird der Gebrauchswert der Schriften wesentlich erhöht. En Beiträge zur Tierkunde und Tierzucht Herausgegeben von Dr. E. MoHr, Hamburg Be; Band II: | Zur Biologie und Okologie des Wildschweines Die biologischen und ökologischen Ursachen der Schwarzwildmassenvermehrung und die sich hieraus ergebenden Forderungen für die jagdliche Bewirtschaflung e des Schwarzwildes Von Dr. H.-B. OLorr, Göttingen 1951 / 96 Seiten mit 10 graphischen Darstellungen / Kartoniert 10,— DM Die Auslieferung dieser Bücher erfolgt durch: D - r ERLAG FERN SS HAMBURGUNDBERLIN Naturwissenschaftliche Terre ; © aus dem Verlag Dr. Paul Schöps, Frankfurt. ä. M. Zeitschrifl für Hundeforschung Neue Folge, Band XIX: “Der BERERLU un Von Dr. H. Brürı, Hamburg. 1951 / 64 Seiten mit 16 Abbildungen / Kartoniert 7; ‚50 DM Neue Folge, Band xx: Monographien der Wildsängetiere wir : Herausgegeben von Dr. D. MÜLLER-Using, Hann. Münd RR. Band XI: | ‚Die Tigerpferde Die Zebras Von Dr. ©. Antonius, Wien. Vorwort und Eee: von Dr. E. Mc 1951 / 148 Seiten mit 46 Abbildungen auf 24 Tafeln und 4 Tabellen / Karıo Diese Monographie enthält .die zusammengefaßten Ergebnisse einer zwan: tischen und weit über dreißigjährigen wissenschaftlichen Beschäftigung A, hume Werk des zweifellos besten Zebrakenners seiner Zeit ist ein gleicherm: und un NaSeleiter durch die,Zebrasammlungen der as Band XII: Die Robben der europäischen Gewässer Von Dr. E. Mon, Hamburg BER; Alle Fra a der Anatomie, Stammesgeschichte, Physiologie und Genetik ae en schöpfend behandelt, dafs dieser Band den Anforderungen, die an eine monogra] arbeitung gestellt werden müssen, vollauf a «Year Die Auslieferung erjoi BIN ’ 4 ZEITSCHRIFT FÜR ÄUGETIERKUNDE ORGAN DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR SAÄUGETIERKUNDE v Herausgegeben von P.]J.H. van Bree, Amsterdam — H. Darus, Berlin — W. Herre, Kiel — K. Herter, Berlin — J. Kärın, Frei- burg/Schweiz — B. Lanza, Florenz — H. NAacHTsHeım, Berlin— T.C.S. Morrıson ScoTT, London — D.STARrck, Frankfurt a. M. — E. Tuenıus, Wien — W. VERHEYEN, u: | Tervuren — K. ZIMMERMANN, Berlin | chriftleitung E. MoHur, Hamburg — M. Röurs, Hamburg 3 27. BAND - HEFT 3 Juli 1962 | VERLAG PAUL PAREY : HAMBURG UND BERLIN POSTVERLAGSORT HAMBURG Inhalt Age determination of pinnipeds with special reference to growth layers in the teeth ByR.M.Laws .. 0... en. 00.02 ea wellinse ne) ma a ee Er FE Beiträge zur Biologie eines Steppennagers, Microtus (Phaeomys) brandti (Radde, 1861) Von Hans REICHSTEIN tee am tn Nenn.) Helen = ee Me Fledermäuse aus Tanganyika. Von ERWIN KULZER .. .. 22 22 22 Kenne. 164 Notes sur les dates de Reproduction en captivit€ du Fennec, Fennecus zerda (Zimmer- mann 1780). Par MARIE-CHARLOTTE SAINT CIRONS .. .. 20 mu un. De Ein abnormer Seehund (Phoca vitulina L.) in den „Tiergrotten“ Bremerhaven. Von Kurr EHLERS .. aan an ee ee Scrriftenschau. :... 1... 2. >. ee ee el ee ee Dieses Heft enthält 3 Beilagen des Verlages Paul Parey Die „Zeitschrift für Säugetierkunde“ veröffentlicht Originalarbeiten auf dem Gesamtgebiet der Säugetierkunde, ferner Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der wichtigsten internationalen Literatur, kleine Mitteilungen und die Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“, deren alleiniges Organ sie gleichzeitig ist. Die Veröffentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung mit Zusammenfas- sung in allen drei Sprachen. Herausgeberschafl und Schriflleitung: Manuskriptsendungen sind zu richten an einen der Herren Herausgeber oder dırekt an die Schriftleiter: Frau Dr. Erna Mohr, Hamburg-Langenhorn 1, Krämerstieg 8 (Tel. 5935 86), oder Dr. Manfred Röhrs, Zoologisches Staatsinstitut, Hamburg, Von-Melle-Park 10 (Tel. 441971). Manuskripte: Es wird gebeten, die Manuskripte möglichst mit Schreibmaschine und nur einseitig zu schreiben. Photographische Abbildungsvorlasen müssen so beschaffen sein, daß sie eıne kontrastreiche Wiedereage ermög- lichen. Von der Beıgabe umfangreicher Tabellen soll abgesehen werden. Alle dem Manuskript beiliegenden Unterlagen, wie Photographien, Zeichnungen, Tabellen, sollen auf der Rückseite mit dem Namen des Ver- fassers und dem Titel des Beitrages versehen sein. Bei Abbildungen aus bereits erfolgten Veröffentlichungen ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Jeder Originalarbeit ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in wenıgen Zeilen anzufügen. Mit der Übergabe des Manuskriptes überträgt der Verfasser dem Verlag Paul Parey das Recht, die Herstellung von photomechanischen Vervielfältigungen in gewerblichen Un- ternehmen zum innerbetrieblichen Gebraudı nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buch- - handels und dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 zu genehmigen. Sonderdrucke: Anstelle einer Unkostenvergütung erhalten die Verfasser von Originalbeiträgen, Einzel- und Sam- melreferaten 50 unberechnete Sonderdrucke. Mehrbedarf steht gegen Berechnung zur Verfügung, jedoch muß die Bestellung spätestens mit der Rücksendung der Korrekturfahnen erfolgen. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der photomechanischen Wiedergabe, sind vorbehalten. Gewerblichen Unternehmen wird jedoch dıe Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Bei- trägen oder Beitragsteilen für den innerbetrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleichen nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deut- schen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vorgesehenen Gebühr bıs zu. dreı Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen haben eınen Vermerk über die Quelle und den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die Inkassostelle für Photokopiegebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgra- ben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkassostelle, so ist für jedes Photokopierblatt eine Marke im Betrag von 0,10 DM zu verwenden. Erscheinungsweise und Bezugspreis: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich; 4 Hefte bilden einen Band; jedes Heft umfaßt 4 Druckbogen. Der Abonnementspreis beträgt je Band 34,— DM zuzügl. amtl. Postgebühr. Das Abonnement verpflichtet zur Abnahme eines ganzen Bandes. Es verlängert sich stillschweigend, wenn nicht unmittelbar nach Erhalt des letzten Heftes eines Bandes Abbestellung erfolgt. Einzelbezugspreis der Hefte: 10,80 DM. Die Zeitschrift kann bei jeder Buchhandlung oder beim Verlag Paul Parey, Hamburg 1, Spitaler- straße 12, bestellt werden. Die Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde* erhalten die Zeitschrift unberechnet im Rah- men des Mitgliedsbeitrages. © Paul Parey, Hamburg und Berlin 1962 — Printed in Germany by C. Beckers Buchdrucerei, Uelzen Z. Säugetierkde. 27 (1962), H. 3, 129—192 Age determination of pinnipeds with special reference to growth layers in the teeth By R.M. Laws Eingang des Ms. 14. 8. 1961 Introduction Age determination is an important technique in mammalian ecological studies, and in general more precise methods are now in use for marine than for terrestrial mam- mals. It will be apparent that before one can investigate growth rates, longevity and population structure some reliable method of determining the age of individual seals should be available. This can either depend on a reservoir of known-age anımals (branded or otherwise marked as pups), or upon a reasonably precise and accurate method of estimating age, the latter preferably checked against known-age individuals. Marking or branding must be long-term for, as we shall learn below, seals are long- lived anımals, some species reaching ages in excess of thirty years. Although permanent - marking schemes have been initiated for a number of species the only one which has yet been marked in adequate numbers and over a long enough period of years ıs the northern fur seal Callorhinus ursinus, nearly half a million individuals having been branded or tagged up to 1960. Complete data on other species will take many years to accumulate, though already branding of southern elephant seals is yielding some very interesting results. Reliable material of this kind for other species will take many years to accumulate, and indeed it is difficult to see how some of the more inaccessible species such as those that breed in the Antarctic pack-ice could be marked in this way, with present facilities. For the study of such species a reliable method of age determination is desirable, if not essential, as it is indeed for any studies which require results within a relatively short period of time. In view of these considerations one of the most important developments from the point of view of investigations in the field of general biology, growth, life histories, and population dynamics was the discovery and practical application of a method of ageing most species of seals by examination of their teeth, which was made independently and contemporaneously by SCHEFFER (1950) and Laws (1952), 1953a). I shall describe this in some detail but first it seems appropriate to deal briefly with attempts to determine the age of seals from their other physical characteristics. Colour and appearance The coat can help to fix the age of very young seals of most species fairly precisely. In the grey seal, Halichoerus grypus, for example, pups less than about three days old can be identified by the persistent yellowgreen stain of the white coat (from amniotic fluid) and older pups can be aged approximately from the onset and progress of the moult (Hewer, 1957). The black coat of the cape fur seal, Arctocephalus pusillus, identifies them up to four months after birth (Ran, 1956). SMITHSONIAN nn JUL.S0 TOBZ c R.M. Laws N rw In some species, particularly the harp seal, Pagophilus groenlandicus, the pelage helps to distinguish the younger age groups, or immature and mature seals (SIVERTSEN, 1941; FısHER, 1954), but for the most part this is not a helpful character since the changes are usually gradual and progressive. Ages of ringed seals, Phoca hispida, assessed by eskimos are not particularly accurate after the first year or two (McLaren, 1958). Relative ages may be assessed by considering other aspects of external appea- rance such as the degree of scarring (which is particularly useful in some polygynous species), tooth size (notably in walruses) colour, growth or wear of vibrissae, or general bodily proportions. In the southern elephant seal, Mirounga leonina, I found that with experience the general appearance was quite a useful criterion (Laws, 1953b) though by no means as precise as other means. In the northern fur seal the kill is selected on the basıs of size and general appearance and is virtually confined to two year groups the 3 and 4 year old males. Body length Body size is one of the more obvious indications of relative age, and has been used for want of a more precise method in many biological studies. For a short-lived animal or for one that grows steadily over a number of years (such as some fish) it can be very useful, but for most seals it can give oniy an approximate indication of age and in most cases where it has been possible to check conclusions based on a study of length frequencies, by a more reliable ageing technique, rather large discre- pancies have been found. See for example Laws, 1953b p. 22 and 1958. The seal is rather a flexible and elastic anımal and the body length probably cannot be measured with greater accuracy than about 2% — 3°/o. In a long-lived anımal that grows at a progressively decelerating rate, the length frequencies of most age groups except the first one or two show an extensive overlap and cannot be used to determine age after the first year or so. Body length is often useful for studying puberty and the attainment of sexual maturity which appears to depend both on growth rate (i. e. physiological age) and chronological age (Laws, 1956, 1959). | Skull development Skulls are easy to preserve and are widely used in systematic work; they are used for distinguishing genera and species of seals, but much of the earlier confusion in the systematics has been brought about by age and sex differences in the skulls com- pared. Comparisons should always be made between skulls of like sex and deve- lopmental stage. In current systematic work these sources of variation are taken into account and methods have been developed which make it possible to arrange a series of skulls in order of their relative age, though not usually to assign absolute ages (except in the case of very young animals). Hamırron (1934, 1939) distinguished six stages of male skulls and ten groups of female skulls of the southern sea-lion, Otaria byronia. In arranging the skulls he considered their lengths, the proportions of skull length to body length, the propor- tions of various skull measurements to skull length, the osteological development (including closure of sutures) and the dental development. He called these groups year classes, but recent examination of teeth rings in this species indicates that this is incorrect and that later groups include several year classes (Laws, unpublished). SIVERTSEN (1954) examined the same skulls and compared the suture ages he obtained with HamıLTon’s year classes; the relative age distribution was in close agreement. Age determination of pinnipeds 131 HamıLton (1939) similarly created four skull groups of each sex of the leopard seal, Hydrurga leptonyx, the first three assumed to be year groups. PauLsan (1955) and Laws (1957) showed that tooth ring ageing did not agree with this assumption. Linpsey (1937, 1938) and BERTRAM (1940) studied skulls of Weddell, Zeptonychotes weddelli, and crabeater seals, Lobodon carcinophagus, by similar methods, but the latter concluded that the osteology was of less value than a broad correlation of body and skull characters and that age could not be estimated beyond 25 months. Laws (1958) showed that there was a discrepancy between the growth curve of the crabeater seal estimated from tooth rings and those given by BERTRAM. This serves to emphasize the point that in general skull characters and body size cannot be used to define year groups with precision. Dourtr (1942) in his review of the genus Phoca attempted to eliminate variation in skull characters due to age. He found suture closure was the most reliable criterion and most later workers have employed his method or a modification of it. DouTT selected eight skull sutures and as closure is a gradual process he assiıgned values (1—4) according to the degree of closure; 1-open, 2-less than half closed, 3-more than half closed, 4-completely closed. The‘suture age‘is the sum of these values for the eight selected sutures. It is low for young anımals and high for old anımals. DouTT also mentions possible sources of subjective error. The sutures selected by him were 1. occi- pito-parietal, 2. squamoso — parietal, 3. interparietal, 4. interfrontal, 5. coronal, 6. basioccipital — basishpenoid, 7% intermaxillary, 8. basisphenoid = presphenoid. This is the order of closure in Phoca vitulina; it varies from species to species but within a given species the order of closure is erh, constant. SIVERTSEN (1954) found that these eight sutures were suitable for studies on Arctocephalus though he had a little difficulty with other Otariid genera. He added another suture, the premaxillary-maxillary, but otherwise followed DourTr’s pro- cedure. For systematic comparison of skulls he used three ‘age’ groups, namely adult (suture age 19-36), young (suture age 10-18) and cubs (suture age 9-10). Kıng (1956) in her work on the genus Monachus also used this method. Although there was no size discontinuity in her series of skulls, she found a marked discon- tinuity of suture ages, groups 19-25 being absent ın her small series. She concluded that in Monachus suture age is not a recti-linear age index, but that at a certain stage in skull development there is a rapid closure of certain sutures and growth of the braincase ceases. After this stage other skull components, particularly the snout, continue to grow. She allowed for this discontinuity and derived a relative age scale which permitted her to compare the growth rates and growth patterns of different elements of the skull. In this paper the order of epiphyseal fusion in other parts of the skeleton (which is relatively late compared with the skull) is also given. Ran (1956) used ten sutures of Arctocephalus pusillus to separate groups of progressively greater age, but instead of calculating ‘suture ages’ he was able to use the closure of particular sutures to delimit the groups. There are some differences between the sexes owing to the continued growth of the male. The validity of this method was checked for younger age groups by means of branded animals, but this has not yet been possible for older anımals. In the northern fur seal (SCHEFFER & WILKE, 1953) the time of closure of three selected sutures has been checked with known age (branded) anımals. The rate of suture closure is very variable; the basi-occipitai closes in the male between ages 2-6 and in the female from 2-3 years; the parietal — supraoccipital closes in both sexes between 2-6 years. In this species suture closure is an indication of age within wide limits only, and this probably applies to most, if not all, other species. Although methods employing suture closure and suture age are valuable in syste- matic studies, it is clear that we must look elsewhere for a technique giving the 137 R.M. Laws precision necessary for studies of growth, population dynamics and management problems. Ovaries In mammals, the graafian follicle is transtormed after ovulation into a remarkable transient endocrine organ, the corpus luteum or yellow body. This persısts for a variable length of time depending on whether or not pregnancy follows ovulauon. Then either one or two weeks later, or at the end of the pregnancy it regresses to form a hard fibrous body, the corpus albicans, sometimes as ın the cow brighily pigmented, bur usually whitish or brownish in colour. It usually continues to shrink ın sıze and eventually becomes indistinguishable from the other tissues of the ovary except per- haps on microscopic examination. MACKINTOSH and WEEELER (1929) stwdying the large ovaries of baleen whales found considerable numbers of these scars (up wo 50 or so) and found that the number present bore a relation to the length of a whale and hence to its age. If this were so and the rate of accumulation could be calculated, then here was a useful method of age determination. An obvious disadvantage 1s that it can only be used for ageing mature females. Various estimates of the rate of accu- mulation of these scars were made and it was assumed that they persisted throughout the life of the whale, although it was not until recently that this was definitely established (Laws, 1958, 1961; a historical review will be found in the second of these papers). It now appears that their macroscopic persistence is a Tunction of the imımal large size of the whale corpus luteum. The method was used by BERTRAM (1940) in his study of Weddell and crabeater seals. He made an analysis of the frequency distribution of ovarıan corpora and con- cluded that they persist throughout the life of the individual and permanently record all ovulations in the life of each female. Bertram remarked that as ıt ıs probable that each seal ovulates only once a year, “the number of corpora lutea persisting in each pair of ovaries is a direct measure of the number of pregnancies undergone. The individual age is therefore this number plus the two pre-adult years”. Attempts to use ovarıan scars for some other seal species have not met with success. HAMILTON (1939) and Laws (1953b) found that the corpora albicantia are only visible ın the ovaries for a short time after their formation. Fısuer (1954) found that althoush they persist for a longer period in the harp seal a balance ıs reached berween pro- duction of corpora albicantia and their resorption in females older than ten years of age. McLaren (1958) and MansrIeLD (1958) reached similar conclusions for the ringed seal and walrus, Odobenus r. rosmarus, respectively. Claw markings PLEeHAanov (1933) drew attention to the presence of growth ridges on the claws of the harp seal and claimed to be able to estimate ages up to thirteen years by this method. DouTT (1942) described and figured “annulations or growth rings” on the claws of the foreflipper of the ringed seal, ribbon seal (Histriophoca fascıata) and harp seal and their absence on harbour seal (Phoca vitulina) claws. CHarskıy (1952) discussed in some detail the use of the claws of the harp seal and Laws (1953b) drew attention to the presence of light and dark bands on the claws of the elephant seal, though the number present is limited by attrition to 4 or 5. In the walrus no more than three bands are present on the claws owing to wear at the tip (MansrIELD, 1958). Recently McLaren (1958a) re-examined the claws of the ringed seal and was able to correlate bands on the claws with ages determined from the teerh. The claws | | y Age determination of pinnipeds 133 show alternating dark and light bands, the latter usually marked in the middle by a narrow ridge. Claws with few bands have a tip section of more or less translucent material which is formed in the foetus; it is separated from the rest by a constriction representing the neonatal period. One light band is formed in spring and summer and one dark band represents autumn and winter; the slight ridges appear to be laid down in spring. Comparison with tooth rings suggests that the claws are invalid for estimating age of ringed seals beyond about 8-10 years. In the bearded seal, Erignathus barbatus, (McLaren, 1958b) wear at the tip eliminates the first formed band at about 9—16 years. The pattern is generally very regular and clear and is very useful for preliminary ageing in the field. It is invaluable for the study of bearded seal growth because the teeth are degenerate in this species and cannot be used for age determination. This method may be compared with the ageing of baleen whales from growth ridges on the baleen plates (Ruup, 1945). Laminated bones In 1953 I described and figured the appearance of cross sections of the dense bone of the tympanıc bullae of some elephant seals (Laws, 1953b). The bulla undergoes a great increase in size during life and examination of sections of the bone shows it to have a layered appearance. The number of layers appeared to be correlated with the number of growth layers in the teeth. This is a rather unusual method of bone growth and appeared to have potentialities for age determination, but was not further pursued because a better method was available. I was then unaware of an interesting paper by CHapskıy (1952) in which he described and figures such layers in the mandibles of Pagophilus groenlandicus and Odobenus. He was able to show that the number of layers is correlated in a general way with estimates of ages based on other characters, and suggested that the layers are annual formations. Ihe greatest number present in his relatively small sample of harp seals was 25. Later I drew attention to the occurrence of similar layers in sperm whale (Physeter catodon) jaws and in the seal Phoca vitulina and two del- phinids Phocaena and Delphinus (Laws, 1960). This is a method which might be exploited as an alternative to tooth layers, when the latter cannot be used, as for example. in the bearded seal. As with other methods of age determination its validity and application must be established for each species before it can be used. Teeth There can be no doubt that the best methods of determining the age of seals and some other mammals are those based on the structure of the teeth. These were dis- covered independently and contemporaneously by SCHEFFER (1950) and myself (Laws, 1952, 1953a). They are based on variations in the rate of deposition of tooth material which are visible as external annuli on the root (SCHEFFER) and/or as distinct growth layers seen in sections of the dentine and cementum (Laws). A statement by ToMEs (1904, p.191) about walrus teeth shows that nearly sixty years ago he was aware that the external ridges on the tusk root might be annual formations. MoHR (1943) described the hypercementosis of hooded seal teeth and mentioned the presence of internal growth rings. Neither SCHEFFER nor myself were aware of these suggestions, before we found that the teeth could be used for ageing. DourTr (1942) investigated by means of radiography the gross deposition of dentine as a measure of age, but he was working on a species (Phoca vitulina) which distinct growth rıngs ın the dentine and he does not mention them. The gross deposition of dentine does not appear to give a suihiciently precise measure of age, ıd he relied on the calculatıon of suture age. E - - re BE ee f e any thousands oi bDranded or tagged KNnown-age NOrinern Tur seals ale al large. iylally L1QVUSalllls SCHEFFER (1950) while examining the skull of one of these anımals noticed faint ridges around the roots of the teeth which corresponded ın number to the age of the seal in years. He found that these ridges were accurate up to four years, occasıonally to seven or eight, but tended to give a false age above four years. The clarıty of the ridges varies and they are less pronounced in females than in males. SCHEFFER tried varıous methods to facilitate the reading of age and concluded that thin sections were of little value. The growth layers in fur seal teeth appear to be much less distinct and therefore more difficult to read than those present in other species. SCHEFFER observed similar external rings on teeth of Eumetopias and Arctocephalus, and dubious so SI > um Dun rem en Ara +} - +l - = al = ca, nor on Cystophora or Monachus. Hle noted that they were present on walrus - - . oI canıne tooth oT male southern ele- 1 = - c* + u nn; Pa — m months; reilected lısht (bar = 1 cm S | on ER 1 ee - : - ER m DOM ea En Bra ea a re TEE re a f on Zalophus. They were present on.Phoca vıtulına but not on other species ot z is (Odobenus) and were especially prominent on elephant seal teeth (Miroun ga Srurrrr a ari thıc mer A nf reacdıno +ha F ee Ss 1 h : SCHEFFER developed thıs method of readıng the external rıdges ior tne nortinern fur seal, ın which the internal layers are not very obvious, and later managed to estimate age ın thıs way up to ten years (CHaPMan et al., 1954). Recently WILKE, NIGGOL and Fıscus (1958) have been able to age this species up to 22 years by means of longitudinal sections. ee a + > a enn uni > = \ < = ı I was fortunate enough to be workine on the southern elephant seal in which external ridges (fıg. 1) and also internal layers in both dentine (fig. 2) and cementum ıre exceptionally clear, although there were no known-age anımals to indicate their correlatıon with age. The yearly cycle of the elephant seal is remarkable compared wıth most other pinnipeds ın that there are two periods of complete or partial fasting, ıt the breeding season in spring and during the moult in summer. It is likely that xamıned To See whether tney retaın Traces Oi cyclıical varıatıon ın the rate a Age determination of pinnipeds 1135 of calcification. They were found to show in section a regular paired pattern of rings in the dentine. The validity of these layers had therefore to be demonstrated indirectly by analysing the seasons at which they were laid down and showing that they cor- respond to the two fasting periods. In fact, it was not until 1960 that I was able through the kindness of Dr. R. G. CARRICK, to examine photomicrographs of sections of the teeth of known-age branded elephant seals and to confirm the age determina- tions directly (Laws, 1960). In these first papers (Laws, 1952, 1953a) I showed that internal growth rings occur in the dentine or cementum of the following species of pinnipeds: Phoca vitulina, Pagophilus groenlandicus, Halichoerus grypus, Lobodon carcinophagus, Leptonychotes weddelli, Hydrurga leptonyx, Ommatophoca rossi, and Cystophora cristata, as well as Mirounga leonina. It was suggested that such growth layers would be found in the teeth of all pinnipeds, and in other mammals, some of which were listed. It is clear now that the internal layers are of more value than the external ridges because the latter are masked sooner or later by increasing cementum deposition. Dentine layers may cease to be deposited after a number of years, but give a valid indication of age for a longer period than the external ridges; in the older individuals cementum layers can be used. By means of these layers McLaren (1958a) was able to determine the age of an old ringed seal as 43 years. Dentine layers It will be as well briefly to describe the process of tooth growth in seals. The milk dentition is poorly developed in pinnipeds. In the walrus and eared seals the deci- duous teeth persist for several months after birth, but in most of the phocids the deciduous teeth are reduced and are re-absorbed in the foetus (BERTRAM, 1940; Laws, 1953b; Ran, 1956; Brown, 1957). In all species studied the permanent incisors, canınes and post-canines are present at birth though they may not erupt until some time later. The crowns of the teeth are covered with enamel caps, laid down in the gum by the enamel organ. Once a tooth erupts the enamel ceases to grow and begins to wear, so that it becomes smaller. In the walrus tusk for instance the enamel cap is completely lost. | Dentine is laid down inside the tooth by the odontoblasts lining the pulp cavity; first the tissue matrix, in which calcium deposition then occurs as calcospherites which enlarge and form the so-called “marbled” dentine. If calcification proceeds further they fuse to form a dense, more or less homogeneous layer. In the growth of seal dentine the type of dentine laid down varies seasonally; reticulated or vacuo- lated dentine is very poorly calcified; in “marbled” dentine calcification has proceeded further and dense dentine is fully calcified. The alternation of these different types of dentine produces a macroscopic pattern, superimposed on a microscopic pattern (Laws, 1935a) which may represent a daily pattern as in the rat, or a two, three or more day pattern. The microscopic strati- fication need not concern us here for age determination is based on the macroscopic layering, but it has a bearing on age determination in Otaria (see below). The layers can be distinguished by variations in colour on examination of a cut and polished surface by reflected light, or by transmitted light in thin sections or in cut and stained sections of decalcified teeth. Dentine once laid down provides a permanent record, though in disease there may be some resorption of dentine. Canine teeth are usually most suitable for age determination, because they are larger than the other teeth and the root remains open for a longer period. 136 R.M. Laws 1MM Fig. 3. Left, thin ground section of canine tooth of a 1-year-old male crabeater seal. Right, section of canine of 9-year-old female; transmitted light. (E — enamel, F — foetal dentine, NNL — neonatal line, W — weaning, P — position of inner border of dentine in 6-month-old pups, 1-9 = annual rings) At birth foetal dentine is present and a discontinuity in growth makes it possible to detect a neonatal line (fig. 3). This is the reference point from which age deter- minations begin. The tooth grows in length as well as thickness, at least in the early years, and in some species growth in length continues throughout life. Each annual increment of dentine approximates in shape to a hollow cone successively decreasing in size until death or until the pulp cavity is filled. In species such as the walrus and elephant seal the pulp cavity of the continuously growing canine remains open for many years if not throughout life. A number of such cones superimposed result in the formation of ridges corresponding to the number of annual increments. The ridges are formed only because there is a discontinuity in the rate of growth in length but deposition of cementum, discussed below, tends to mask these ridges so that they disappear at an early age ın most seal species. The validity of the layers as indicators of age can be checked easily enough if known-age animals are available for study, but in most species known-age animals are not yet available. It is then necessary to resort to less direct checks such as a demonstration that particular layers are laid down at a particular time of year or attempts to correlate the number of layers with other measures of age, such as modes in length frequencies, claw bands, skull characters, etc. A recent study of the teeth of the crabeater seal, Lobodon carcinophagus may serve as an example (Laws, 1958). The structure of the dentine in the canine teeth of this species is perhaps more typical of other seals than elephant seal and sea lion (Otaria) dentine, which will be described below. Age determination of pinnipeds 137 In the crabeater seal the permanent dentition makes its appearance in the fourth month of pregnancy and the teeth are functional at birth, the milk teeth being shed in utero. The prenatal dentine and neonatal line are easily identified in examination both by reflected light and, in thin sections, by transmitted light (fig. 3). The pupping season in this species is known to be short. This means that, by examination of dated specimens, the sequence of dentine deposition in the first and subsequent years can be elucidated. Interpretation is made easier by the presence of annual layers of vacuolated dentine; on examination of the polished cut face by reflected light these vacuolated layers, owing to the spaces, show up as shining foamy-white rings. The teeth which lack vacuolated layers show well-marked greyish layers (by reflected light) of poorly calcified dentine, alternating with light-coloured layers of well-calcified dense dentine. The basic annual pattern is remarkably con- stant. The typical sequence of dentine deposition in the tooth of an anımal which died when about twelve months old is ıillustrated by a thin section viewed by trans- mitted light in figure 3. On the outside of the tooth at the level of the section is a layer of enamel (175 u), then a thick zone (765 u) of homogeneous dense dentine laid down in the foetus. Then comes a conspicuous neonatal line representing the discontinuity at birth. This was confirmed by examination of teeth from near-term foetuses and young animals. After the neonatal line there is a second zone (315 u) of fairly homogeneous, well calcified dentine, bounded centrally by a second conspicuous darker line. This probably represents the dentine laid down during the suckling period and the line terminating it represents a discontinuity at weaning. This was established by reference to the teeth of young, recently weaned pups (fig. 3). A dark line within this suckling dentine may represent the beginning of the pup moult and the attainment of full homoio- thermy. After weaning the remainder of the dentine (575 u thick) shows a series of fine lines (micro-laminations) representing small variations in the rate and manner of dentine formation. A layer of vacuolated dentine marks the end of the first year and the full thickness of the annual layer is 885 u. In figure 3, a section of the canine tooth of an adult female is shown for comparison. The dentine pattern of the first annual layer in the two teeth is almost identical, but perhaps because the adult tooth has been sectioned at a lower level the foetal dentine is thinner. This interpretation of the dentine formation in the first year is supported by examination of the teeth of young anımals killed at different times and fuller details are given in the original paper. It was possible to establish the time of formation of the poorly calcified or vacuo- lated layers as September to October, probably at the pupping season in September. Thus, anımals which died or were killed in September or October were currently laying down a layer of poorly calcified dentine (86°/o) or had recently laid down such a layer (14/0). On the other hand anımals killed between November and April were laying down dense well-calcified dentine at the time of death and had earlier deposited a layer of poorly-calcified dentine. No material was available from the remaining months of the year (May to August) but the dentine layers become pro- gressively thinner (Laws 1958, fig. 1) and consideration of the thickness of the last- formed layer indicates that only one vacuolated or poorly-calcified layer is deposited annually. In the crabeater seal the first few annual vacuolated layers are thin and irre- gular, but later-formed layers in the female are thick and conspicuous. It is suggested that the thicker rings in the female are related to the effect of parturition and lac- tation on dentine deposition. The teeth of ringed seals and harp seals show a closely similar pattern of alternating dense dentine and thin or vacuolated dentine (Fisher, 1954; McLaren, 1958). MCcLAREN showed that in the ringed seal dense dentine is mainly deposited from 138 R.M. Laws mid-July to the end of March and thin dentine in other months, maınly ın spring (mid-April to the end of June) as in the crabeater seal. Fısuer (1954) showed that a layer of well-calcified dentine was being laid down ın the teeth of migrating harp seals in January and also during the pupping season (April). In this period the anımals are feeding actively. The vacuolated layer is formed towards the end of the pupping appears to be correlated with the moult, when the animals fast. Similar, but not identical patterns are found in the dentine structure of other seals. The leopard seal, Ross seal, Ommatophoca rossi, and Weddell seal appear to be similar but they and some other species examined lack the vacuolated layer found in the species described above, and the elephant seal and sea lion (Otaria) have patterns of dentine formation which appear to be unique, at least among the species so far studied. For this reason although the value of elephant seal teeth was established earlier (Laws, 1953a) I have thought it desirable here to describe the more typical structure of the crabeater seal teeth first. The sequence of dentine deposition in the elephant seal was worked out in a similar way and the pattern in the first year is very similar to that described for the crabeater seal. The neonatal line is clear in both polished, bisected teeth and in thin sections, and the suckling dentine is delimited by a line indicating weaning. 'There- after two types of dentine are laid down, dense well-calcified columnar dentine, and “marbled”, poorly calcified dentine containing more organic matter. Optically the former is more translucent because there ıs less refracted light; these differ in their transmission of light in a manner analagous to clear and frosted glass (hg. 4). Ar first the alternating pattern is variable (in immature anımals) but thereafter a fairly regular annual pattern of two dense layers (broad and narrow) alternating with two marbled layers (also broad and narrow) is laıd down. These are correlated with the haul-outs and presumably reflect the physiological changes associated with the two Fıg. 4. Thin ground transverse section of Fig. 5. Thin cut longitudinal section of canine tooth of 8-year-old male southern canine tooth of 17-year-old male southern elephant seal; transmitted light (bar = sea lion; transmitted light (bar = 1 mm.) 1 mm.) Age determination of pinnipeds 139 annual periods of complete or partial fasting at the breeding season in spring and during the moult in summer. The great majority of breeding and moulting animals examined were laying down dense dentine. MansrFIELD (1958) has described tusk growth in the walrus in some detail. These teeth are unerupted at birth but appear 2-3 months later. Enamel, dentine, and a layer of cement 2 mm thick are present at birth. A neonatal line is visible after birth, and initial growth is rapıd to a length of 9-10 cm at the end of the first year. Regular incremental layers of dentine corresponding to external rıdges of the root are laid down in older tusks in the form of truncated cones, and as the tusk elongates the more distal part of the pulp cavity is filled with secondary dentine, so that in old anımals the pulp cavity may be obliterated. This layering gives rise to a macroscopic pattern of light and dark dentine in adults, but in immatures this macroscopic dentine pattern and also the external ridges are absent because growth is rapid and fairly continuous. MANSFIELD (1958) concluded that the ridges correspond to a discontinuity of growth in spring and are annual formations. Because the root ridges and dentinal layers are formed only during part of the life history they cannot in fact be used for accurate age determination and layers in the cementum must be utilized instead (see below). Several canine teeth of Otaria byronia collected by me in the Falkland Islands were available for study. They show external ridges on the root which become ob- scured with increasing age. In thin longitudinal sections (c. 100 u) of undecalcified teeth conspicuous growth layers are seen, which correspond to the external ridges and to growth layers in the cementum. By comparison with other species I am confident that these layers represent annual increments, although ıt has not yet been possible to confirm this hypothesis directly. Fıscus (1961) concludes that similar layers in the related species Eumetopias jubata are annual. He does not however describe the microscopic appearance of the layers and the Otaria teeth are mentioned here be- cause the structural pattern of the dentine appears to be quite different from that of the other pinnipeds described above. In adults the dentine layers are very regular in appearance and the microscopic pattern within successive layers ıs remarkably constant. Within each layer there are a number of regularly arranged micro-laminations presenting, in thin sections viewed by transmitted light, an alter- nating pattern of dark and light striations (fig. 5). In each ma- croscopic layer there are 21-23 narrow light micro-laminations separated by dark laminations and one broad light micro-la- mination which corresponds ın thickness to 3-4 of the narrow layer, making about 24-27 light micro-laminations to one assumed annual layer. This suggests the possibility 5 of a lunar periodicity in thefeed- ing regime, although it must be admitted thatthere isnosupport- ER 8 ing evidence. Whatever the re- TR gulatory factor may be, we may 20 UNITS u ARBITRARY reasonably conclude that prob- Fig. 6. Seasonal variation in deposition of dentine in the canine of an adult male southern sea lion. Vertical ably about two microlaminat- lines represent range in 4 successive annual layers, curve 10onsare equivalent to one month. represents mean values (see text) 140 R.M. Laws The teeth were collected in February and in each of them one of the broad micro- laminations was being laid down. The arrangement of micro-laminations within each annual layer (Ag. 5) suggests a regular seasonal growth cycle of the teeth. Assuming that two dark and two light micro-laminations together represent a month’s growth, a hypothetical seasonal cycle of tooth growth can be drawn up by plotting the thick- ness of the micro-laminations and assuming that the broad micro-laminations are laid down in February/March. Measurements were made from enlarged photomicrographs of longitudinal canine tooth sections of a male sea lıion (fig. 5) and the results are presented in fıgure 6. If the hypothesis is correct the narrowest layers are deposited in September-December and correspond to the breeding season (HAMILTON 1934). It is at about this time that the layer of vacuolated dentine is deposited in crabeater seal teeth (see above). If these indications should be confirmed by further study, there may be possibilities for rather detailed studies of individual growth histories. The dentine layers, when they can be used are preferable to other methods, and in some species can be read on the polished face of bisected teeth (e. g. elephant seal, Table 1 Pinniped teeth in which growth layers have been found Species | Er ae \Dentine layers | en | Aurthoriuies | E | | 2 | Otaria byronia - - - Laws (present paper) Eumetopias jubata = - - SCHEFFER (1950), Fıscus (1961) Zalophus californianus - SCHEFFER (1950) Arctocephalus pusillus - Ran (1956) Arctocephalus tropicalıs + - Laws (unpublished) Arctocephalus australis - Laws (unpublished) Callorhinus ursinus - + SCHEFFER (1950), WILKE, NiıccoL & Fıscus (1958) Odobenus rosmarus - - - Brooks (1954), MansrIELD (1958) Phoca vitulina - - + SCHEFFER (1950), Mans- 2 FIELD & FisHER (1960) Phoca hispida + - McLaren (1958) Pagophilus groenlandicus + FısHer (1954) Halichoerus grypus = + Laws (1953a), HEWER (1960) Lobodon carcinophagus + + Laws (1953a, 1958) Hydrurga leptonyx - - - Laws (1953a, 1957) Leptonychotes weddell: + MansrıeLd (1957) Ommatophoca rossı + Laws (1953a) Cystophora cristata - - Laws (1953a), Rasmussen (1957) Mirounga leonina Laws (1953a, 1960) crabeater seal). Indeed in the elephant seal this is preferable to thin sections because the eye is not distracted by microscopic detail and can pick out the general pattern more easily. In species with small teeth, such as ringed and harp seals, thin sections are necessary. Age determination of pinnipeds 141 Care must in any case be taken to make a cross section at the right level, so that no layers are missed, and in some cases longitudinal sections may be preferable. In somes species in which the teeth are difficult to read, longitudinal (saggital) sections are easier to read than cross sections, and this is the method now adopted for northern fur seals in preference to external ridges (WILKE et al. 1958). Cementum layers When the dentine layers are not readable, or when by closure of the pulp cavity they would give a false estimate of age, similar growth layers in cementum may be used. For example McLArEn (1958) counted 43 layers in the cement of a ringed seal tooth, whereas few could be aged from the dentine above 20 years. Laws (1953a) figured the layers in the cementum of elephant seal and hooded seal teeth and they have subsequently been used by several workers. These layers are much thinner than the dentine layers and consequently must be studied in thin sections. MansrIELD (1958) describes and figures the layers in the cement of Atlantic walrus teeth. There is usually a darker inner layer of hypercalcified material merging gradually to a lighter translucent zone formed towards the end of spring, then there is an abrupt transition to the next dark layer, which marks the rapid summer growth after breeding. The distinction between the layers is most pronounced in old males, and the layers are more sharply defined on molariform teeth than on the tusk roots. There is an exponential decrease in thickness of the layers as more are formed, but no indication that deposition ceases during life. The layers in female teeth are similar but narrower, and their interpretation ıs more difficult. MANSFIELD suggests that the long pregnancy and very long lactation period of the walrus may complicate the pattern of cement deposition. Brooks (1954) found sımilar layers in Pacific walrus teeth and concludes that they “offer a useful, if approximate, key to the age of walrus”. He analysed tusk and body length frequencies and interpreted certain groupings as age classes, but without giving good reasons for doing so. On the basis of these age groups he decided that dark cementum layers are laıd down biannually in summer and winter and light layers in spring and autumn. Similar cemental layers are present in a number of seals (table 1). They are very conspicuous and regular ın hooded seal teeth, for the teeth of this species undergo hypercementosis and the cement layer in older anımals may be much thicker than the dentine layer (fig. 7). Of relevance to the validity of this method is the fact that MaAnsrIELD and FIsHER (1960) were able to count 18-20 growth layers in a tooth from a captive harbour seal 191/2 years old. Similarly HEwER (1960) was able to count at least 25—26 cement layers in a tooth from a grey seal which died in captivity at the age of at least 261/2 years; a tooth from another grey seal female exactly 6 years old showed 6 layers. These results confirm the annual nature of the layers and indicate the degree of error to be expected in counts. As HEwER observes, the primary cause of uncertainty in counting is that the earlier rings are broad without sharply defined edges, and difficulty may be experienced in assessing the last-formed ring. In the grey seal cementum is first deposited on the root about 3—4 months after birth. A further point that should be made concerns the deposition of cement in relation to growth in length of the tooth. These layers usually vary in thickness and a particular layer may not be so easily distinguished in one part of the tooth as in another. For this reason they are usually best counted in longitudinal sections. Figure 8 shows their appearance in a large sperm whale (Physter catodon) tooth. 142 R.M. Laws a iitdEE EEE AA nD Fig. 7. Thin ground transverse section of Fig. 8. Thin ground longitudinal section canine tooth of a 20-year-old malehooded of mandibular tooth of a sperm whale. seal, showing incremental layers in cemen- There are 36 incremental layers in dentine tum; transmitted light (bar = 1 mm.) andcementum, not all of which are shown. Cementum to left of picture; transmitted light (bar = 1 mm.) Methods of age determination based on the structure of the teeth have been described in some detail because of their fundamental importance. It is clear that the structure of the teeth provides a very useful research tool which is not restricted to seal studies. The teeth have also been used to age whales (Nıshrwarı and Yacı 1953; NısHiwarı et al., 1958; SERGEANT, 1959), and certain terrestrial mammals (CHRISTIAN, 1956; SERGEANT and PımLoTT, 1960). There can be little doubt that age determination from the teeth will come to have much wider application among terrestrial mammals, and it is hoped that this paper will stimulate further work. Causative factors The probable causative factors of discontinuous tooth growth have been discussed by Laws (1953a), FısHEr (1954) and MCLAREN (1958). It seems likely that the rate and manner of dentine deposition is related to several factors, which may vary in im- portance according to the species and the type of annual cycle, and which probably include among others the feeding regime, moulting physiology and vitamin D levels. Vitamin D is necessary for full calcification of dentine and in the teeth of experi- mental anımals receiving sub-optimal amounts calcification does not proceed beyond the ‘marbled’ condition. In dolphins, Stenella caerulo-albus, which feed on squid the normal dentine appears to be “marbled’ (Nıshrwakı and Yacı, 1953) and this appears also to be the condition in the elephant seal. In this seal the dense well- calcified dentine appears to be laid down in the fasting periods. This led me to speculate that possibly vitamin D is in sub-optimal amounts in the diet, and that more vitamin D is produced by solar irradiation when the animals are on land. Age determination of pinnipeds 143 In the ringed seal, harp seal and crabeater seal however, the periods of complete or partial fasting are correlated with the deposition of thin, reticulated or vacuolated dentine (fig. 3), and the denser material is deposited when feeding intensity is greater. The very few teeth of Otaria byronia from the Falkland Islands that have been examined indicate that in this species the formation of dense and thin dentine may be associated with cyclical variation in feeding, possibly connected in some way with a lunar periodicity in the behaviour of the main food organisms. It is clear that there is considerable varıation in the pattern of dentine deposition in seals, although the species that I have been able to examine conform in general to these three basic types of pattern. More detailed studies of dentine formation and its correlation with the feeding regime and annual cycle of physiological pro- cesses and behaviour are required. Techniques of intra-vitam staining with Alizarin red or lead acetate might be employed. The cyclical deposition of cementum results in relatively little varıation in its appearance in different species. This may be due partly to the smaller scale of cement deposition compared with dentine, in most species, which may mask variations in pattern. In addition it has not been so closely studied. A note on methods of preparing thin sections Laws (1953a p. 2) prepared thin ground sections of undecalcified material by stan- dard petrological methods for preparing rock sections. This involves bisecting a tooth, polishing the cut surface, and cutting a thick section. This section is then cemented with Canada balsam or dental wax to a glass slide, polished face down, and ground down to the required thickness. This is time consuming and FIsHER and MACKENZIE (1954) describe an improved method for the rapid preparation of tooth sections. A thick section is cut on a circular saw, and ground down to the required thickness on a specially made grinding machine. I have used a circular saw mounted ın a lathe with a milling attachment to cut thin longitudinal sections of large seal teeth. If the rate of feed of the tooth through the saw is carefully controlled large sections down to 100-150 u in thickness can be prepared directly, without grinding or polishing. Reading of these sections is not complicated by saw marks and a photomicrograph from a section prepared in this way is shown in fig. 5. The teeth are held firmly in the machine by attaching them to a piece of angle iron. A flat is filed on one surface of the tooth and two holes, corresponding to holes in the angle iron, are drilled and tapped; the tooth is then screwed onto the angle iron which can then be clamped in position. Summary 1. In studies of mammalian ecology there is a need for reliable and precise age determination, other than by permanent marking. 2. A variety of methods of ageing seals are discussed. These include, colour and appearance, body length, skull development, and ovarıan scars, but none of them is sufficiently precise. 3. Claw markings and the laminations in certain bones are also discussed and may be valuable if teeth are not available. . Ihe structure of the teeth affords the best means of ageing seals and some other mammals. . Dentine layers are described and their validity as an indication of age discussed. There appear to be three main cyclical patterns in the dentine of the seals in which the structure has been investigated. In a number of species dentine deposition ceases at a relatively early age owing to closure of the pulp cavity. 6. For some species, and/or for older individuals it is necessary to rely on the growth layers wa ee I» de 1 \» 4 R:M. Laws in the cementum, which being deposited on the outside of the tooth are not affected by closure of the pulp cavity. . Possible causative factors for the cyclical patterns found ın dentine and cementum are briefly discussed. There is need for further detailed study before these can be established, and they may vary according to the species. . Thin sections are necessary for reading dentine layers ın small teeth and for reading cementum layers even in large teerh. A brief note on the’preparation of thin sections is therefore included. Zusammenfassung . Für Studien auf dem Gebiet der Säugetier-Okologie besteht ein Bedürfnis nach verläßlicher und genauer Altersbestimmung auf anderem Wege als durch Dauer-Markierunsg. Es werden verschiedene Methoden zur Altersbestimmung bei Robben besprochen. Diese umfassen Berücksichtigung von Färbung und Habitus, Körperlänge, Schädelentwicklung, Uterusnarben; aber keine dieser Methoden ist ausreichend genau. Krallen-Marken und die Ringbildung an gewissen Knochen werden ebenfalls erörtert. Sie können wertvoll sein, wenn Zähne nicht verfügbar sind. Die Zahnstrukturen liefern die besten Hilfsmittel für die Altersbestimmung bei Robben und einigen anderen Säugern. Dentin-Ablagerungen werden beschrieben und ihre Verwendbarkeit als Altersringe bespro- chen. Es scheinen hauptsächlich drei verschiedene Muster cyclischer Ringbildung ım Dentin der bisher untersuchten Robben vorzukommen. Bei einer Anzahl Robben-Arten hört die Dentin-Ablagerung in relativ geringem Alter auf, und zwar je nach Verschluß der Pulpa- höhle. . Bei einigen Arten und/oder älteren Individuen ist es nötıg, auf die Zuwachszonen des Cements zurückzugreifen, die — an der Außenseite des Zahnes angelegt — nicht durdı den Verschluß der Pulpa beeinträchtigt werden. . Mögliche Ursachen für die cyclischen Ablagerungsmuster ın Dentin und Cement werden kurz erörtert. Weitere Untersuchungen sind nötıg, bevor man die bisher erkannten als all- gemeingültig hinstellt, zumal sie möglicherweise artweise verschieden sind. . Dünnscdhliffe sind nötig, um in kleinen Zähnen die Dentinringe, in großen auch die Cement- lagen abzulesen und zu zählen. Deshalb ist ein kurzer Hinweis auf die Herstellung dieser Dünnschliffe angefügt. Resume . Dans les etudes d’Ecologie relatives aux Mammiferes, une methode autre que le marquage permanent est necessaire pour une determination certaine et precıse de P’äge des indiviıdus. . Un certain nombre de methodes d’evaluation de Päge des Phoques sont discutees. Elles se fondent sur: la couleur et ’aspect general, la longueur du corps, le developpement du cräne, les cıcatrices de la ponte ovulaire, mais aucune d’entre elles n’est suffisamment precise. L’urilisation des marques des ongles et des lamelles de certains os est egalement discutee. Ces merhodes peuvent £Etre valables sı les dents ne sont pas utilisables. . La structure des dents fournit le meilleur crıtere de determination de Päge des Phoques et de quelaues autres Mammiferes. Les couches de dentine sont decrites et leur valeur comme indicauon de P’äge discutee. Il semble qu’il existe trois schemas cycliques principaux dans la dentine des Phoques chez lesquels la structure a Ere etudiee. Chez un certain nombre d’esp£ces, le depöt de dentine cesse a un äge relativement precoce gräce & la fermeture de la cavite de la pulpe. . Chez quelques especes et/ou chez des individus äges, il est necessaire d’utiliser les couches de croissance dans le c&ment; celles-ci etant deposees A l’exterieur de la dent ne sont pas affect&es par la fermeture de la cavite de la pulpe. . Des facteurs Eventuels determinant les schömas cycliques observes dans la dentine et le cement sont brievement discutes. Des Etudes detaillees seront necessaires avant que ces facteurs soient Etablis, et ıls peuvent varier suivant les especes. . Des coupes minces sont necessaires 4 l’etude des couches de dentine dans les petites dents et des couches de c&ment m&me dans les grandes dents; pour cette raison une breve note relative 2° la confection des coupes minces est jointe au texte. References BERTRAM, G. C. L. (1940): The biology of the weddell and crabeater seals. Brit. Graham Land Exped., 1934-37, Sci. Rep. 1, 1-139. — Brooxs, J. W. (1954): A contribution to the life history and ecology of the Pacific walrus. Alaska Cooperative Wildlife Res. Inst., Spec. a EI Age determination of pinnipeds 145 Rep. 1, ı-vur + 1-103. — Brown, K. G. (1957): The leopard seal Heard Island, 1951-54. Australian Nat. Antarctic Res. Exp., Int. Rep. no. 16, 1-34. — CHarskıy, K. K. (1952a): [Determination of the age of some mammals from the microstructure of the bones]. Izv. Eistestv. — Nauchn. in-ta im. P. F. Lesgafta. 25: 47-66. — ChHarskıy, K. K. (1952b): [Towards a method of age determination for mammals. The structure of the nail as indi- cation of the age of the Greenland seal]. Izv. Estestv. -— Nauchn. in-ta im. P. F. Lesgafta. 25: 67-77. — Dourtt, J. K. (1942): A review of the genus Phoca. Ann. Carnegie _Mus. 29, (4) 61-125. — Fıscus, C. H. (1961): Growth in the Steller sea lion. J. Mammal., 42, (2), 218-23. — FISHER, H. D. (1954): Studies on reproduction in the harp seal, Phoca groen- landica Erxleben, in the northwest Atlantic. Fish. Res. Bd. Canada. MS. Rept. no. 588: pp. 109. — FisHEr, H. D. & B. A. MacKenzıe (1954): Rapid preparation of tooth sections for age determination. J. Wildlife Mgt., 18, (4), 535-6. — HamiıLTon, J. E. (1934): The Southern Sea Lion. Discovery Reports 8: 269-318. — HamırTton, J. E. (1939a): The Leo- pard Seal, Hydrurga leptonyx (De Blainville). Discovery Reports, 18: 239-264. — HamiL- Ton, J. E. (1939b): A Second Report on the Southern Sea Lion (Otaria byronia). Discovery Reports, 19: 121-164. — HEwER, H. R. (1957): A Hebridean breeding colony of grey seals, Halichoerus grypus (Fab.) with comparative notes on the grey seals of Ramsey Island, Pembrokeshire. Proc. Zool. Soc. Lond., 128: 23-66. — HEweEr, H. R. (1960): Age deter- mination of seals. Nature, Lond., 187, 959-60. — Kınc, J. E. (1956): The monk seals (Genus Monachus). Bull. Brit. Mus. (Nat. Hist.) Zool., 3, no. 5, 204--56. — Laws, R. M. (1952): A new method of age determination for Mammals. Nature, Lond., 169, 972. — Laws, R.M. (1953a): A new method of age determination for mammals with special reference to the elephant seal, Mirounga leonina Linn. Sci. Rep. Falkland Is. Dep. Surv. No. 2, 1-11. — Laws, R. M. (1953b): The Elephant seal (Mirounga leonına Linn.) I. Growth and age. Scı. Rep. Falkland Is. Dep. Surv., No. 8, 1-62. — Laws, R. M. (1956): Growth and sexual maturity ın aquatic mammals. Nature, Lond., 178, 193-194. — Laws, R. M. (1957): On the growth rates of the leopard seal, Hydrurga leptonyx (De Blainville, 1820). Säugetierk. Mitt. Bd. V, h. 2: 49-55. — Laws, R. M. (1958): Growth rates and ages of Crabeater seals Lobodon carcıno- phagus, Jacquinot & Pucheran. Proc. zool. Soc. Lond., 130, (2), 275-88. — Laws, R. M. (1959a): Age determination of whales by means of the corpora albicantia. XVth Internat. Congr. Zool. Proceedings, pp. 303-305. — Laws, R. M. (1959b): Accelerated growth in seals with special reference to the Phocidae. Hvalfangst-tidende, 48. Ärg., (9), 425-452. — Laws R. M. (1960a): Laminated structure of bones from some marine mammals. Nature, Lond., 187, 338-9. — Laws, R. M. (1960b): The Southern elephant seal (Mirounga leonina Linn.) at South Georgia. Hvalfangst-tidende, 49. Ärg., (10), 466-76; (11) 520-42. — Laws, R.M. (1962): Reproduction, growth and age of southern fin whales. ‘Discovery’ Reports 31, 327-485. — LinDsey, A. A. (1937): The Weddell seal in the Bay of Whales. J. Mammal., 18, (2), 127 to 44. — Linpsey, A. A. (1938): Notes on the Crabeater Seal. J. Mammal., 19, (4), 456-461. — MACKINTOSCH, N. A. & J. F. G. WHEELER (1929): Southern blue and fin whales. Discovery Reports 1: 257-540. — McLaren, I. A. (1958a): The biology of the ringed seal (Phoca hispida Schreber) in the eastern Canadian arctic. Bull. Fish. Res. Bd. Canada. no. 118, vıı + 97pp. — McLAREn, I. A. (1958b): Some aspects of growth and reproduction of the bearded seal, Erignathus barbatus (Erxleben). J. Fish. Res. Bd. Canada. 15, (2), 219-27. — MAnsFIELD, A. W. (1957): The breeding behaviour and reproductive cycle of the weddell seal (Leptonychotes weddelli Lesson). Falkland Is. Dep. Surv., Sci. Rep., no. 18, 1-41. — MANSsFIELD, A. W. (1958): The biology of the Atlantic walrus, Odobenus rosmarus rosmarus (Linnaeus) in the eastern Canadian Arctic. Fish. Res. Bd. Canada. MS. Rep. 653: 1-146. — MANSFIELD, A. W.& H.D. FisHER (1960): Age determination in the harbour seal, Phoca vitulina L. Nature, Lond., 186, 92-3. — MoHR, E. (1943): Sekundäres Wachstum der Robbenzähne. S. B. Ges. Naturforsch. Freunde Berlin III, Oct.-Dec. 1941: 258-260. — NısHiwakı, M. & T. Yacı (1953): On the age and the growth of teeth in a dolphin (Prodelphinus caerulo-albus). Sci. Rep. Whales Res. Inst., Tokyo, no. 8: 133-145. — Pauuian, P. (1955): Sur l’age et la croissance du leopard de mer, AHydrurga leptonyx (de Blainville). Mammalia, 19, (2), 347-356. — PLEHanov, P. (1933): [The determination of age in seals]. Sovetskii Sever, 4, (1), 111-4. — Ranp, R. W. (1956): The Cape fur seal, Arctocephalus pusillus (Schreber). Its general characteristics and moult. Union S. Africa. Dept. Commerce & Industry. Div. Fish. Invest. Rept. 21: 5-52. — Rasmussen, B. (1957): Exploitation and protection of the East Greenland seal herds. Hvalfangst-tidende 46. Ärg. (2), 45-59. — Ruup, J. T. (1945): Further studies on the structure of the baleen plates and their application to age determination. Hvalradets Skr. nr. 29: 1-69. — SCHEFFER, V. B. (1950): Growth layers on the teeth of Pinnipedia as an indication of age. Science 112, No. 2907, 309-11. — SCHEFFER, V. B. & ForD WıLke (1953): Relative growth in the northern fur seal. Growth, 17 (3), 129-45. — SIVERTSEn, E. (1941): On the biology of the Harp Seal, Phoca groenlandica Erxl. Hvalradets Skr. nr. 26, 1-166. — SıvErtsen, E. (1954): A Survey of the eared seals (Family Otariidae) with remarks on the Antarctic Seals collected by M/K “Norwegia” in 1928-1929. Sci Res. Norwegian Antarctic Exped. 1927-1928 et seq., no. 36, 146 H. Reichstein 1-76. — Toms, C. $. (1904): A manual of dental anatomy. London. — WILkE, F., K. Nıecor & C. H. Fıscus. (1958): Pelagic fur seal investigations. California, Oregon, Washington and Alaska 1958. U. S. Fish & Wildlife Service, Unpubl. Rep., 96 pp. Address of the author: Dr. R. M. Laws, Queen Elizabeth National Park, Uganda, East Africa. Beiträge zur Biologie eines Steppennagers, Microtus (Phaeomys) brandti (Radde, 1861) Freigehege-Versuch Von Hans REICHSTEIN Eingang des Ms. 15. 11. 1961 I. Einleitung 1956 nahm Prof. Dr. K. ZImMERMAnNN an einer vielmonatigen Forschungsreise nach China teil, die von der Academia Sinica in Peking und der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin gemeinsam getragen wurde. Von hier gelangten außer einem umfangreichen Balgmaterial auch Kleinsäuger lebend nach Deutschland, unter ihnen ein in vieler Hinsicht bemerkenswerter Steppennager, Microtus (Phaeomys) brandtı. Es stellten sich im Zoologischen Museum Berlin bald Zuchterfolge ein. Von der rasch anwachsenden Nachkommenschaft wurden mir einige Tiere für eigene Untersuchungen an der Biologischen Zentralanstalt Berlin in Kleinmachnow überlassen, wofür ich Prof. ZIMMERMANN großen Dank schulde. Wir züchteten M. brandti zunächst im Labora- torıum weiter, brachten dann jedoch einige Tiere in einen Freilandzwinger, um sie unter verhältnismäßig natürlichen Bedingungen beobachten zu können. Über Ergeb- nisse dieser Untersuchungen wird im folgenden berichtet. Für Überlassung von An- gaben aus seinen Laboratoriumszuchten habe ich Prof. ZIMMERMANN zu danken. Zu Dank verbunden bin ich auch Prof. Hey und Dr. Noıı, die mir die Durchführung solcher Versuche im oben genannten Institut gestatteten. II. Verbreitung, Vorkommen, Aussehen Microtus brandti ist Bewohner der hochkontinentalen, zentralasiatischen Steppen- gebiete. Er bevorzugt die zusammenhängende Grassteppe und ist vor allem auf den in den Senken der Steppenseen-Gebiete gelegenen Wiesen anzutreffen. Sein Verbrei- tungsgebiet wird begrenzt durch die Transbaikalische Bahnlinie im Norden, durch den etwa 45. nördl. Breitengrad im Süden. Im Osten geht er bis zum Großen Chingan, im Westen bis zum Changai-Gebirge (Ocnew 1950). Die Versuchstiere stammen aus der Umgegend von Manschuli (Innere Mongolei). Microtus brandti neigt zu zyklischen Übervermehrungen und spielt daher in der Weide- und Viehwirtschaft der Mongolei eine tragende Rolle. Der Massenwechselrhythmus hat hier allerdings ein ungewöhnlich langes Intervall: die Übervermehrungsgipfel liegen 11—12 Jahre auseinander (DawAA 1961). Die Steppenwühlmaus (wie Microtus brandti im folgenden bezeichnet wird, Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 147 OGNEwW spricht nur von Brandts Wühlmaus) ist von gedrungener Gestalt. Die Ohren ragen kaum aus dem Fell. Die KR- Länge Erwachsener schwankt zwischen 118 und 148 mm, der Schwanz macht mit etwa 19-30 mm nur den fünften bis sech- sten Teil der Körperlänge aus (OGNEW). Körperge- wichte wurden bis zu 84g registriert (OÖGNEW und Angaben von ZIMMER- Abb. 1. Microtus brandti im Freigehege vor einem Schlupfloch sitzend. Beachte Scheitelverlauf und Stellung der Augen! MANN). Männchen werden schwerer als Weibchen. Das Sommerhaar unserer Tiere ist auf dem Rücken sandfarben gelblichbraun (zwischen Avellaneous und Wood Brown, pl. XL der RıngErwayschen Farbtafeln, nach Ocnew zwischen Pinkish Buff und Cinnamon Buff, pl. XXIX), auf der Bauchseite gelblichweiß bis -grau. Das Winterkleid ist in der Farbe einheitlicher, deutlich heller als das Som- merhaar, mehr aschfarben grau und von seidiger Beschaffenheit. Auffallendes morphologisches Kennzeichen ist die Schädelform (deutlicher Knick der Scheitellinie) mit den relativ hochgestellten großen Augen (Abb. 1). Microtus brandti erinnert hierin an Cynomys, die nordamerikanischen Präriehunde, an Marmota und Citellus. Die Übereinstimmungen betreffen indessen nicht nur Gestalt und Aus- sehen; es gemahnt unsere Wühlmaus auch ım Verhalten an die eben genannten Step- penbewohner: Sie ist tagaktiv, gesellig lebend und zeigt alle damit zusammenhängen- den sozialen Verhaltensweisen (Warnruf, Bedürfnis nach Körperkontakt u. a.). Es liegt hier zweifellos ein klassisches Beispiel dafür vor, wie „gleiche Anforderungen der Lebensräume oder der Funktion unabhängig von jeder phylogenetischen Verwandt- schaft“ (REMmANnE 1952) zur Ausbildung gleicher „Lebensformtypen“ führen können. III. Material und Methode Die Untersuchungen wurden an einer unter ständiger Kontrolle stehenden Freigehege- Population durchgeführt. Der Versuchszeitraum betrug 22 Monate (Mai 1959 bis März 1961). An auswertbarem Material liegen neben den sechs am 15. Mai 1959 ein- gesetzten Tieren (2 8 ö, 4 2?) 65 hier geborene (35 &, 30 22) vor. Hinzu kommen zweı aus den Laborzuchten nachträglich eingebrachte Männchen. Die Steppenwühl- mäuse wurden während der Vermehrungsperiode wöchentlich zweimal, sonst in 8—-14- tägigen Abständen mit Lebendfallen gefangen, gewogen (Tafelneigungswaage mit 0,5 g Intervallen) und die Weibchen auf ihren Fortpflanzungszustand hin untersucht (geöffnete Vagina, Gravidität, gesetzter Wurf). Jungtiere verlassen mit 4-6 g (2-3 Wochen alt) erstmalig den Bau. Sie lösen in diesem Alter die Fallen nur gelegentlich aus. Wir bemühten uns, sie mit der Hand zu greifen, was sich unschwer bewerkstelligen läßt. Alle Tiere erhielten eine individuelle Markierung durch Zehenamputation, die Männchen während der Vermehrungsperiode eine zusätzliche, einheitliche und mit bloßem Auge wahrnehmbare Kennzeichnung durch Felleinschnitte auf dem Rücken. Die Geschlechtsbestimmung erfolgte beim ersten Gefangenwerden nach sorgfältiger Prüfung der äußeren Genitalien. Spätere Korrekturen erwiesen sich als notwendig. H. Reichstein ih h [00] Das Freigehege war begrenzt durch ein 1,5 m hohes, innen verputztes Mauerwerk, das ebenso tief in den Boden reichte. Es wurde nach oben zum Schutze gegen Mäuse- jäger (Katzen, Greifvögel) durch Maschendraht abgedeckt. Trotzdem wußte sich eine Katze an einer brüchigen Stelle im Draht Zugang zu verschafien. Ihr fielen zwischen dem 2. und 9. 9. 1960 neun Wühlmäuse zum Opfer. Den stark sandigen Boden des 9 X 12 m großen Zwingers deckte zu Versuchsbeginn eine Grasnarbe, die noch im Verlaufe des ersten Versuchsjahres von den Wühlmäusen völlig abgeweidet wurde. Zugefüttert wurden Kartoffeln, Möhren, Rüben, Äpfel, Eicheln (mit Vorliebe im Herbst eingetragen), Raps, Hafer und Weizen, gelegentlich auch gekeimtes Getreide, Gras und Klee. Im Gehege befanden sich Wildlinge von Birne, Pflaume und Süß- kirsche. Die Grundfläche des Freilandzwingers war zum Zwecke besserer Lokalisie- rung der gefangenen und beobachteten Tiere in Quadratmeter eingeteilt. IV. Ergebnisse A. Lebensweise und Verhalten Microtus brandti lebt in sozialen Verbänden und weicht damit von für Microtinen bisher Bekanntem völlig ab. Er hat Verhaltensweisen entwickelt, die ıhn als ausge- sprochen soziales Lebewesen kennzeichnen (z. B. Warnruf, Bedürfnis nach Körper- kontakt). Vergleichbares finden wir nur noch bei den Marmotini (Marmota, Cynomys, Citellus) unter den Sciuromorpha, bei den Chinchillidae (Lagostomus, Lagidıum) unter den Hystricomorpha, bei Rattus und vielleicht auch Cienodactylus, den sog. Kamm- fingern. Die Übereinstimmungen im Verhalten zwischen der Steppenwühlmaus und dem nordamerikanischen Präriehund, über den Kmc (1955) in einer ausführlichen Arbeit berichtet, sind z. T. so weitreichend, daß man beı der Lektüre dieser Arbeit unwillkürlich an die Steppenwühlmaus erinnert wird. Der Text könnte über weite Strecken für Microtus brandti stehen! 1. Bananlage und Wechselsystem: Steppenwühlmäuse legen unterirdische Baue an, über deren Entstehung wir durch Ocnew (1950) und Dawaa (1961) gut unterrichtet sind. Von den einfachen, blind endenden Unterschlupfröhren bis zu den Großbauten gibt es alle Übergänge. Die großen Bauanlagen übertreffen an Kompliziertheit die der einheimischen kleinen Wühlmäuse bei weitem. Man findet in ihnen neben den Nest- kammern der Nahrungsspeicherung dienende Hohlräume, die mit max. 18 cm Durch- messer und 120 cm Länge erstaunliche Ausmaße erreichen (Ocnew 1950). Bei nach Versuchsende durchgeführten Grabungen im Freigehege wurde ein großer Kessel von fast kugelförmiger Gestalt mit einem Durchmesser von rund 50 cm freigelegt.’ Seine Sohle lag 65 cm unter der Oberfläche. Er war mit zerschlissenen Blättern und Gräsern, mit Eicheln und Getreide angefüllt, hatte also Vorratskammerfunktion. Daß diese Bauanlage gleichzeitig als Überwinterungsbau diente, erschlossen vielwöchige, un- mittelbare Beobachtungen während der kalten Jahreszeit. Auch die Fallenfänge und Laufspuren im Schnee ließen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß die Gehege- population gemeinsam in einem Bau überwinterte. Schon Ausgang des Sommers wurde durch folgende bemerkenswerte Veränderung im Verhalten der Tiere eine solche Mög- lichkeit angedeutet. Während im Sommerhalbjahr im ganzen Gehege gegraben wurde, richtete sich von September an die Wühltätigkeit aller Tiere in immer stärkerem Maße auf nur einen Bau — eben den später freigelegten. Daß hier unterirdische Hohlräume größeren Ausmaßes und damit auch besonderer Funktion entstanden, ließen die aus- geworfenen Sandhaufen erkennen, die täglich an Umfang zunahmen und bald zu einem großen verschmolzen, der von den „normalen“ Wühlhaufen merklich abstach. Mit dem Beginn geschlechtlicher Tätigkeit im Frühjahr verlor der Zentralbau dann Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 149 seine Bedeutung. Die Wühlmäuse verteilten sich wieder über die ganze Fläche, richteten alte Baue erneut her oder waren mit der Herstellung neuer beschäftigt. Die Baue der Steppenwühlmäuse standen durch Laufpfade miteinander in Ver- bindung; ihre Zahl nahm mit der der Schlupflöcher und dem Alter der Kolonie zu. Mit der Vernichtung des niederen Pflanzenwuchses durch die Gehegebewohner ging zwar ein Verschwinden der augenfälligen Laufstege einher; es hielten indessen die Tiere auch in dem jeder grünen Vegetation baren Gehege bestimmte Laufrichtungen ein — unübersehbar vor allem beim Eintragen von Wintervorräten — die sıch selbst auf dem bloßen Sandboden bald als Wechsel manifestierten und besonders in Bau- nähe nicht zu übersehen waren. Es war den Wühlmäusen aber auch jede andere Stelle des Zwingers bekannt, bewegten sie sich doch überall mit großer Vertrautheit. 2. Aktivität: Microtus brandti ist reines Tagtier. Er erscheint bald nach Sonnen- aufgang und verschwindet erst wieder in der Dämmerung. Dieser 24-Stunden-Periodik scheint eine zweite, kurzfristigere untergeordnet mit einem Aktivitätsmaximum am Vormittag und einem zweiten am späten Nachmittag. Eine entsprechende Aktivitäts- verteilung zeigen nach POPPENHAGER (n. CALHOUN aus EiIBL-EIBESFELD 1955) auch nordamerikanische Ziesel (Citellus tridecemlineatus). Nach Ocnew (1950) ist die Steppenwühlmaus „fast den ganzen Tag tätig, mit Ausnahme der heißesten Mittags- stunden ... . Gegen Abend sind sie am lebhaftesten, . . .“, was unserer Beobachtung etwa entspricht. Für den ebenfalls ausschließlich tagaktiven Cynomys ludovicianus hat Kınc (1955) eine sekundäre Rhythmik nicht nachweisen können, vermerkt jedoch, daß er „more concentrated feeding efiorts just after sunset“ glaubt wahrgenommen zu haben. Die „tägliche Aktivitätsmenge“ (OSTERMANN 1956) von Microtus brandtı ändert sich im Jahresablauf entsprechend der Tagesläingen-Abnahme vom Sommer zum Win- ter und umgekehrt. Sie beträgt in den Wintermonaten nur einen Bruchteil der ım Sommer registrierten; man sieht dann lediglich um die Mittags- bis Nachmittagszeit Tiere außerhalb des Baues. Zu den saisonbedingten Schwankungen der täglichen Aktivitätsmenge treten solche, die vom täglichen Wettergeschehen bestimmt werden. An warmen, sonnenscheinreichen Tagen ist die ganze Population „auf den Beinen“, an trüben und kalten Tagen lediglich einige Tiere immer nur für kurze Zeit. Regenwetter vertreibt alle von der Oberfläche. Der aktivitätshemmende Charakter niederer Temperaturen kam überzeugend zum Ausdruck, als mit dem plötzlichen Kälteeinbruch im Winter 1959 (6. Dezember 1959) die Bewegungsaktivität unvermittelt reduziert wurde. Das Wärmebedürfnis der Steppenwühlmäuse ist außerordentlich hoch. Dafür spre- chen die folgenden Befunde. Jungtiere und Halberwachsene vor allem sitzen an schö- nen Tagen oft minutenlang vor einem Schlupfloch, den Rücken oder eine Körperseite den wärmenden Sonnenstrahlen zugewandt. Und ferner: An kalten aber sonnigen Herbst- und Wintertagen fingen wir M. brandti vorwiegend in den Fallen, die nicht im Schatten der Gehegemauer standen. 3. Fortbewegung: Microtus brandti vermag sich auf den relativ kurzen Beinen sehr schnell fortzubewegen. Er steht in dieser Hinsicht der Feldmaus nicht nach. Er ist weniger plump, als sein Habitus vermuten läßt. Ich hatte wiederholt Gelegenheit zu beobachten, wie sich Tiere in einer Gehegeecke hochzustemmen versuchten. Über 30 cm kamen sie jedoch nicht hinaus. Auch die unteren schrägstehenden Partien der Obstbäume wurden erklommen. Im Terrarium gehaltene Tiere erkletterten häufig die aus Draht bestehende Seite des Käfigs und schnellten sich dann mit einem rück- wärtigen Salto wieder zu Boden (n. Beobachtungen an ZImMmERMAnNschen Zuchttieren). Während der Nahrungssuche kriechen sie langsam schreitend vorwärts, „mit dem Bäuchlein auf der Erde schleifend“ (Ocnew), den breiten Körper oft lang ausgestreckt. Bei Gefahr verschwinden sie blitzschnell im Bau. Sich jagende Tiere fallen leicht in v H. Reichstein un 1 den Galopp und brechen dann aus den Wechseln aus. Diese Wechsel verlieren — wie bereits betont — auch dann nicht an Bedeutung, wenn sie mit dem Verschwinden der niederen Vegetation an Augenfälligkeit einbüßen. Durch Gefahr zum Aufsuchen des Baues veranlaßte Tiere kommen schon Sekunden später wieder zum Vorschein. Sie erwecken dadurch den Eindruck von außerordentlich neugierigen Geschöpfen und gleichen hierin den Murmeltieren. Das Verlassen des Baues erfolgt in Etappen, erst wird die obere Schädelpartie sichtbar mit den Augen, dann erscheint der Kopf und ruckweise schließlich der ganze Körper. Bevor sie ihrer Tätigkeit erneut nachgehen, verharren sie noch eine Weile halbaufgerichtet im Bau- ausgang sitzend. | Steppenwühlmäuse halten im Laufen oft inne, um sitzend oder mit halberhobenem Körper zu sichern (Abb. 2). Sie vermögen sich auch völlig senkrecht aufzurichten, frei auf den Hinterpfoten stehend, wobei der kurze Schwanz wohl Stützfunk- tion hat. Der Kopf wird in der Waagerechten ge- halten. In eine besondere, ste- reotyp erscheinende Fort- bewegungsweise fallen die Tiere beim Eintragen der Wintervorräte. Es wird hierüber ım folgenden Abschnitt berichtet. 4. Ernährung: Über die Ernährung der Step- penwühlmäuse sind wir Abb. 2. Microtus brandti sichernd, halbaufgerichtet auf den durch Arzen (1940) und Hinterpfoten stehend Ocnew (1950) gut unter- richtet. Während der Ve- getationsperiode werden in erster Linie grüne Pflanzenteile aufgenommen. In den Wintermonaten leben die Tiere von eingetragenen Vorräten, die sich aus Wurzeln, frischen Kräutern und Gräsern zusammensetzen. Im Freilandzwinger fiel die grüne Vegetation den Wühlmäusen bereits im ersten Versuchsjahr zum Opfer. Kahlstellen entstanden zunächst um die Schlupflöcher, wei- teten sich immer mehr aus und gaben am Jahresende der Gehegefläche das Gepräge. Im Frühjahr des zweiten Versuchsjahres trieben die Gräser zwar wieder aus, wurden aber sofort abgefressen. Ebenso erging es den Unkräutern. Verschont blieb lediglich die Nachtkerze (Oenothera biennis), deren Blattrosetten neben vereinzelt entstehenden Moospolstern das einzige Grün ausmachten. Das Verschwinden der niederen Vege- tation geht zweifellos auch zu Lasten der regen Wühltätigkeit, sah man doch die Gräser und Kräuter unter den ausgeworfenen Sandhaufen förmlich verschwinden. Die Nahrungseinverleibung erfolgt bei den Steppenwühlmäusen in der für die meisten Microtinen typischen Weise: Grüne Pflanzenteile werden abgebissen und dann „aus der Hand“ verzehrt; andere kleine Nahrungsbrocken (auch noch Eicheln) werden zwischen die Hände genommen und Stück für Stück abgenagt. Das Anlegen von Futtervorräten ist unter Nagetieren weit verbreitet (Arvicola, Cricetus u. a.). Wie wenig indessen im einzelnen hierüber bekannt ist (Umfang und Intensität der Nahrungshortung, umwelt- und erbbedingte Abhängigkeit dieses Ver- haltens) geht aus Angaben von STE (1958) für die Feldmaus hervor. Microtus brandti gehört nun — soweit unsere Beobachtungen an der Gehegepopulation gezeigt haben — | | | Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 151 zu denjenigen Nagern, die regelmäßig Vorratswirtschaft betreiben. Hierbei ist bemer- kenswert, daß die Intensität des Sammeltriebes gegen Mitte bis Ende September beider Versuchsjahre eine außerordentliche Steigerung erfuhr. Jeweils kurze Zeit nach dem Einbringen zusätzlicher Nahrung in Form von Eicheln, Möhrenstücken, Hafer oder Weizen bot sich uns stets das folgende Bild. Zwischen dem Zentralbau und dem Futter- platz entspann sich ein reger Verkehr. Anfangs waren immer nur einige Tiere mit dem Eintragen der Nahrung beschäftigt, bald aber richtete sich darauf die Tätigkeit der ganzen Population. Die Wühlmäuse liefen ungestüm hin und her, sie stürzten förmlich aus dem Bau, hasteten zum Futter, ergriffen ein Stück oder auch mehrere und eilten, wiederum ohne innezuhalten und zu sichern, zum Bau zurück, dabei oft in den Galopp fallend. Schnellere überholten die Langsameren, Entgegenkommende stießen zusammen, weil sich das alles nur auf zwei oder drei Wechseln zutrug. Die Fortbewegung erschien stereotyp. Die Wühlmäuse pendelten hin und her, bis das letzte Nahrungsstück ver- schwunden war. Wurde das Futter in den vier Gehegeecken geboten, dann liefen die Mäuse sternförmig auseinander. Die Tiere konnten auch dann zum Eintragen von Vorräten — also zu verstärkter Aktivität — veranlaßt werden, wenn die normale ober- irdische Aktivität bereits im Abklingen begriffen war (bei Einbruch der Dunkelheit). 5. Innerartliche Beziehungen: Im Verlaufe der Freigehege-Untersuchungen über das Wachstum und die Fortpflanzung von Microtus brandti bot sich reichlich Gelegen- heit zum Studium der intraspezifischen Beziehungen. Zwar wurden Beobachtungen hierüber mehr gelegentlich als systematisch angestellt, es lassen indessen die vorliegen- den Befunde schon jetzt erkennen, daß sich die Steppenwühlmaus in ihrer sozialen Struktur von der aller anderen daraufhin untersuchten Microtinen unterscheidet. Microtus brandti lebt in sozialen Verbänden, die weit über das hinausgehen, was bei Microtus arvalis als Nestgemeinschaft bekannt geworden ist (FRANK 1953). Zweifellos erfolgt hier wie dort der Zusammenschluß zu einem Verband auf der Grundlage der Mutterfamilie. Während aber die Nestgemeinschaften der Feldmaus nur „kleine Sozial- gebilde auf Zeit“ sind (REMANE), die nicht viel mehr als die elementarste Form sozialer Beziehungen darstellen (Mutter-Nachkommenschaft bis zur 2. Generation), bilden die Steppenwühlmäuse umfangreiche soziale Verbände, vergleichbar nur den „coteries“ (Kıng 1955) nordamerikanischer Präriehunde (Cynomys ludovicianus) oder den Ko- lonien der Alpenmurmeltiere (Marmota marmota), deren Mitglieder sich persönlich kennen (individuell gebundener Verband, Gegensatz: anonym gebundener, KRAMER 1950), jedoch nicht ee verbunden sein müssen. Werfen wir im folgenden einen Blick vor allem auf die Verhaltensweisen, die Microtus brandti als ausgesprochen soziales Tier kennzeichnen. Als eines der bemerkenswertesten Merkmale der Steppenwühlmaus verdient ihre große Verträglichkeit hervorgehoben zu werden. Die Mitglieder der Population tole- rieren einander in hohem Maße. Eine Ausnahme machen lediglich erwachsene Männchen, die sich während der Sexualperiode befehden. Auseinandersetzungen zwischen adulten Weibchen sind dagegen nie beobachtet worden. Ihre uneingeschränkte Beweglichkeit im ganzen Gehege und die völlige Vertrautheit bei Begegnung mit Gleichgeschlecht- lichen auch während der Paarungszeit legte frühzeitig die Vermutung nahe, daß Microtus brandti zu den ausgesprochen gesellig lebenden Formen zu stellen ist. In dieser Auffassung sind wir im Verlaufe der weiteren Beobachtungen dann auch immer wieder bestärkt worden. Unsere Steppennager gleichen hierin völlig den nordamerika- nischen Präriehunden, die in sozialer Gemeinschaft leben und von denen Kıng (1955) sagt, sie seien „highly tolerable“, ausgenommen auch hier die geschlechtsreifen Männ- chen während der Paarungszeit! Ob das Aufgehen im sozialen Verband bei Microtus brandti zum völligen Verluste des Individualreviers bei Weibchen mit vielleicht gemeinsamer Jungenaufzucht ge- führt hat oder ob nicht vielmehr adulte Weibchen doch einen eigenen Bereich bean- 152 H. Reichstein spruchen, der allerdings ganz auf den Nestraum beschränkt sein müßte, hat sich nicht nachweisen lassen. Für die erste Auffassung spricht, daß sich die Tiere nach gemein- samer Überwinterung wieder über die ganze Gehegefläche verteilen und überall Baue anlegten, ohne daß allerdings von den einzelnen ganz bestimmte Bezirke innegehalten wurden. Andererseits war nicht zu übersehen, daß die Nestjungen, soweit sie in noch unbeholfenem Zustand an die Oberfläche kamen, stets aus Schlupflöchern ım mittleren Gehegedrittel auftauchten. Die Verletzungen, die bei drei adulten Weibchen am Schwanz und Hinterrücken auftraten, dürften andere als Revierstreitigkeiten zur Ur- sache haben (Auseinandersetzungen mit Männchen während der Sexualperiode). Daß geschlechtlich aktive Männchen in heftigen Streit geraten, ist dagegen vielfach beobachtet worden. Im Verlaufe solcher Auseinandersetzungen kommt es zu anhal- tenden Verfolgungen, zu Beißereien bei Begegnung und erregtem Absuchen des ganzen Zwingers beim Verschwinden des Rivalen. Zu prüfen bleibt, ob hierbei bestimmte Rangordnungsverhältnisse eingehalten werden, in der Form etwa, daß ein Männchen über alle anderen dominiert oder nur eines den Angriffen aller oder lediglich eines ganz bestimmten ausgesetzt ist. Die soziale Veranlagung kommt überzeugend bereits im Verhalten der eben dem Nest entwachsenen Jungtiere zum Ausdruck. Den anfänglich nur schüchternen Aus- fligen an die Oberfläche folgen bald solche in die weitere Umgebung des Baues, und schon nach wenigen Tagen sind die jungen Wühlmäuse im ganzen Gehege „zu Hause“ (vergl. hierzu die Gehegeversuche an Feldmäusen, FRAnk 1954, REICHSTEIN 1960). Sie werden von allen Erwachsenen erkannt und toleriert und genießen völlige Gleich- berechtigung. Das deckt sich völlig mit Angaben von Kınc (1955) für die Präriehunde, wonach auch diese Art eine Hierarchie zwischen den Altersklassen vermissen läßt. Die frühe Gleichstellung der Jungtiere hat ihre eigentliche Ursache zweitellos darın, daß ihr Verhalten bald nach dem Selbständigwerden dem der Erwachsenen gleicht: Sie vermögen Männchen zu machen, Warnrufe auszustoßen und tragen auch Futter ein. rwähnung verdient, daß auch die Jungen der ebenfalls gesellig lebenden Alpen- murmeltiere schon frühzeitig, „nach dem erstmaligen Verlassen des Baues ... . meist das gleiche Verhalten wie Erwachsene zeigen, soweit dies nicht etwa sexueller Natur ist.“ (PsENNER 1960). Das Zusammenleben in einer Gruppe setzt zwar Aufgabe des individuellen Re- viers voraus, bedingt jedoch nicht eine Reduktion des Revierverhaltens schlechthin. Den Trieb zur Arealverteidigung zeigen die sozialen Formen in gleichem Maße wie die solitär lebenden, er ist bei jenen aber auf das gesamte von der Kolonie (Sippe, Rudel) bewohnte Territorium bezogen. STEINIGER (1950) hat den Nachweis für die Wanderratte erbracht, Kınc (1955) für nordamerikanische Präriehunde. Nach Beobachtungen im Freilandzwinger verhalten sich auch Steppenwühlmäuse gegenüber Kolonie-(Revier-)Fremden aggressiv. Von zwei am 7. Juli 1959 nachträglich ins Gehege ausgesetzten Männchen (41 und 44 g Körpergewicht) wurde das eine 10 Tage später tot aufgefunden. Das zweite konnte sich zwar behaupten; blutige Stellen am Schwanz und Hinterrücken und schließlich Schwanzverlust waren jedoch untrügliche Zeichen heftiger Auseinandersetzungen mit Eingesessenen. Das gegenseitige Erkennen der Koloniemitglieder erfolgt zweifellos auf olfakto- rischer Grundlage. Bei Begegnung werden häufig (aber nicht immer) die Nasen- und Mundpartien kurz zusammengebracht (Abb. 3). Diese Art der Kontaktnahme ist unter Nagetieren weit verbreitet, eine besondere Bedeutung dürfte ihr bei sozial lebenden Arten zukommen. MüÜLLEr-Usıng (1954) hat Murmeltiere oft beim „Schnäuzeln“ beobachtet, Kıns (1955) teilt Entsprechendes für Präriehunde mit. Er bezeichnet die- ses Verhalten sehr treffend mit „identihcation kiss“. Es läßt die Existenz eines kolonie- eigenen Geruches notwendig erscheinen. Als ein ganz wesentliches Kennzeichen sozialer Kommunikation haben Warn- | | | Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 153 laute zu gelten. Sie spie- len im Leben sozialer Tiere eine hervorragende Rolle. Weiten Kreisen ge- läufig ist der Schrei des Murmeltieres, ein hoher kurzer, pfiffartiger Laut, dessen Bedeutung als Warnruf trotz gegentei- liger Auffassung (BorPr 1955) nicht in Zweifel zu stellen ist (ZIMMERMANN 1955, MÜLLER-UsInG Abb. 3. Orale Kontaktaufnahme, „identifikation kiss“ 1956). Bekannt ist ferner das Pfeifen des Ziesels, das bei Gefahr ertönt und „von allen Tieren der Kolonie ver- standen wird“. Zur Ausbildung recht differenzierter Warnlaute ist es nach FITcH (aus BourLIERE 1954) bei den Kalifornischen Erdhörnchen gekommen, nach Kınc (1955) auch bei den Präriehunden. Über eine Lautgebung mit eindeutiger Warnfunktion verfügen nun auch unsere Step- penwühlmäuse. Bedeutung als Warnlaut hat hier ein ganz hoher, metallisch klingender, einmal kurz ausgestoßener Schrei, der alle Koloniemitglieder zu blitzschnellem Ver- schwinden in die Schlupflöcher veranlaßt. Er wird u. a. ausgelöst durch plötzliches Erscheinen eines Beobachters am Freilandzwinger; schon das rasche Vorzeigen des Kopfes genügt. Warnen können alle Tiere der Kolonie, selbst die noch kleinen mit entsprechend hoher Stimme. Diesem Warnruf folgt oft eine längere Rufreihe, bestehend aus einem hohen kurzen Laut, der in ganz schneller Reihenfolge ausgestoßen wird. Das lautgebende Tier gerät dabei in ein regelrechtes Zittern. Es handelt sich hier zweifellos um einen Erregungslaut, der in modifizierter Form später Warnfunktion erlangt hat. Daß immer nur ein Tier der Kolonie warnt, ist naturgemäß, aber auch die Erregungs- laute läßt nur eines hören, nach unseren Beobachtungen stets das warnende. Eine Lautäußerung nestjunger Steppenwühlmäuse verdient noch mitgeteilt zu wer- den. Ein Wurf der ZIMMERMANNschen Zuchten reagierte auf Telefonläuten mit einem deutlich wahrnehmbaren Gezwitschere, das an Girlitzgesang erinnerte. In jüngster Zeit haben Kock und SCHOMBER (1961) Freilandbeobachtungen an Ctenodactylus gundi, einem ebenfalls gesellig lebenden Nagetier felsiger Gebiete afrikanischer Trockensteppen, mitgeteilt, woraus zu entnehmen ist, daß auch diese Art bei Gefahr warnt. Warnfunktion hat vor allem wohl ein kurzer, dem blitzschnel- len Verschwinden vorausgehender Pfiff, während das als Warnlaut bezeichnete „schla- gende, zirpende Pfeifen, welches mit dem Mißtrauen an Lautstärke zunimmt“, eher als Erregungslaut zu deuten ist. Über ein für Microtinen ungewöhnliches Verhalten, das unter gesellig lebenden Na- gern jedoch nicht ohne Parallele ist und als weiteres Merkmal hoher sozialer Veranla- gung Beachtung verdient, sei im folgenden berichtet. Steppenwühlmäuse halten sich ım Ruhezustand nicht nur vereinzelt, sondern auch in engem Körperkontakt auf der Oberfläche auf. Wir haben solche Anhäufungen zahlreicher Tiere auf kleinstem Raume erstmalig am 24. September 1959 um die Mittagszeit beobachtet, wiederholt dann in der Folgezeit. Ich hatte Gelegenheit, am 16. Oktober 1959 fotografische Aufnahmen von mindestens 10 an der nördlichen Gehegewand zu einer regelrechten Kugel auf- getürmten Tieren zu machen. Die dicht beisammensitzenden Tiere verschwanden zwar bei meinem Einstieg ins Gehege nach kurzem Warnpfiff blitzartig in den Bauen, tauch- ten jedoch bald wieder auf (die ersten schon nach 30 Sekunden) und krochen unmittel- bar vor meinen Augen (Entfernung etwa 5 m) an der gleichen Stelle, die sie kurz vor- 154 H. Reichstein her verlassen hatten, erneut zu einem dichten Knäuel zusammen, wobei die später erscheinenden auf die bereits dasitzenden hinaufzukriechen trachteten (Abb. 4). Ent- sprechende Angaben liegen auch für Präriehunde und Murmeltiere vor. Bei Kıns (1955) lesen wir über Cynomys Iudovicianus: „The anımals frequently rest outside the burrows while they are in physical contact with each other.“ Und von Marmota marmota weiß MÜLLER-UsınG (1954) zu berichten, „... daß die Tiere... stunden- lang in engstem Kontakt beieinander liegen; auch adulte Stücke tun das“. Diese taktile Kommunikation ist zweifellos Ausdruck einer starken „attraction mutuelle“ (Grasst: aus TEMBROcK 1956), die sekundär ökologische Bedeutung erlangt hat (Wärmehaushalt). | In den Kreis sozialer Verhaltensweisen ist schließlich auch das gemeinsame Anlegen des Überwinterungsbaues zu stellen. Es richtet sich — wie weiter oben bereits mitgeteilt — von einem bestimmten Zeitpunkte an (etwa nach dem Heranwachsen des letzten Wurfes) die Wühl- tätigkeit aller Tiere auf nur einen Bau, der da- durch bald erhebliche Di- mensionen erreichtund im folgenden der Nahrungs- speicherung ebenso dient wie dem gemeinsamen Aufenthalte während der Wintermonate. Was die Wühlmäuse veranlaßt, an Abb. 4. Mikrotus brandti in engem Körperkontakt auf der Erd- nur einer Stelle zu gra- oberfläche an der Gehegemauer (Okt. 1959) ben, lohnte eine Nach- prüfung in eingehenderen Versuchen. Wir können vorläufig mit TINBERGEN (n. TEMBROCK 1956) nur annehmen, daß ein Trieb vorhanden ist, der die Angehörigen einer Art veranlaßt, „einige oder alle Instinkthandlungen .... in nahem Beisammensein zu vollziehen“. Das Thema Innerartliche Beziehungen ist mit einer Darstellung der Beziehungen zwischen Individuen einer Sozietät nicht erschöpft. Es hätten Ausführungen zu folgen über Beziehungen, die zwischen den Angehörigen verschiedener sozialer Verbände gegeben sind. Wir vermögen hierüber nichts auszusagen, da es im Freilandzwinger zur Bildung nur einer Kolonie gekommen ist. Immerhin besteht Grund zur Annahme, daß zwischen den sozialen Verbänden von Microtus brandti Verhältnisse entwickelt sind, die denen von Kıng (1955) für die „coteries“ einer „prairiedog-town“ beschriebenen zumindest in großen Zügen gleichen (deutliche Revierbegrenzung, Überwechseln von geschlechtsreifen Männchen u. a.). B. Fortpflanzungsleistung Werfen wir im folgenden einen Blick auf die Reproduktionsleistung. Im Schrifttum finden sich nur spärliche Angaben (Arten 1940, OGnew 1950). Die maximale Wurf- größe wird mit 12 beziffert. Mitte Mai tauchen die ersten Jungtiere auf (was auf einen Fortpflanzungsbeginn Ende März schließen läßt), die letzten werden im Juli gefangen. Mindestens 2—3 Würfe pro Weibchen und Jahr werden für möglich gehalten (OGNEW), nach ALLen „appear to be two broods of young“. OGNEw spricht von zwei Vermeh- rungszyklen (im Frühjahr und Herbst). Sehen wir uns dazu die Ergebnisse der Gehege- versuche an. Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 155 1. Fortpflanzungsdauer: Als Fortpflanzungsperiode wird der Zeitraum zwischen dem ersten Auftreten von Weibchen mit perforierter Vagina und dem letzten Wurfe definiert. Die Geschlechtsaktivität setzte in beiden Versuchsjahren früh ein, 1960 zwischen dem 12. und 19. Februar (am 12. Februar noch kein Weibchen mit Vaginal- perforation, am 19. Februar drei; am 18. Februar erste Paarungen beobachtet), 1961 ebenfalls in der zweiten Februardekade, zwischen dem 13. und 22. Februar. Ent- sprechend fielen die ersten Würfe: im ersten Jahr zwischen dem 11. und 15. März, im zweiten noch vor Mitte des gleichen Monats. Unterschiedlich war dagegen der Termin der Fortpflanzungseinstellung. 1959 ge- baren von fünf adulten Weibchen noch vier in der ersten Augustwoche, 1960 noch zwei von sieben adulten bereits in der letzten Julidekade, genauer zwischen dem 23. und 26. Juli. Ob hier ein Zusammenhang zwischen dem Vermehrungsabschluß und der Populationsdichte besteht, wie er für eine Reihe von Microtinen nachgewiesen werden konnte (CLArke 1955, KaLeLa 1957, PELIKAN 1959, REICHSTEIN 1960), läßt sich wegen zu geringen Materialumfanges nicht entscheiden. Erwähnt sei immerhin, daß ım Jahre früher Einstellung der Fortpflanzung im Juni (Juli) 24 (22) subadulte bis adulte Wühlmäuse das Gehege bewohnten, im Jahre davor (1959) mit der längeren Sexual- periode dagegen nur 4 (5)! Die Fortpflanzungsperiode von Microtus brandti umfaßt unter unseren Breiten also einen Zeitraum von 4 bis 5 Monaten. Das entspricht sicher den natürlichen Verhält- nissen, werden doch in der Mongolei schon im August keine Jungtiere mehr gefangen. 2. Wurfgröße: Für Wurfgrößenangaben stehen lediglich Ergebnisse der ZIMMER- MANNSchen Zuchten zur Verfügung. Aus 22 Würfen ergibt sich ein mittlerer Wert von 5,0. Er liegt damit über dem bei Microtus arvalıs gefundenen. Auf der Grundlage repräsentativen Materials errechnet sich hier ein Mittel von 4,2 (REICHSTEIN 1960). Wurfgrößenermittlungen an Gehegematerial stoßen auf Schwierigkeiten; um die Nester freizulegen, sind Grabungen erforderlich, die aus verschiedenen Gründen unterblieben. Nun kommen zwar die Jungtiere bereits mit knapp 3 Wochen an die Oberfläche, ıhre Zahl repräsentiert jedoch nicht die der Geborenen, da ein Teil der Nestjungen der Säuglingssterblichkeit zum Opfer fällt. Es kann dafür ein unmittelbarer Beweis nicht erbracht werden. Daß jedoch mit z. T. erheblichen Verlusten unter den Säuglingen auch hier gerechnet werden muß, steht nach Untersuchungen an zahlreichen anderen kleinen Nagern außer Zweifel (PArkes 1923, Ranson 1941, WIJNGAARDEN 1954 u. a.). Wir sind geneigt, die folgenden Befunde ebenfalls nach dieser Richtung hin zu deuten. Im Verlaufe zweier Vermehrungsperioden wurden im Freilandzwinger mindestens 20 Würfe gesetzt. Bei Annahme einer durchschnittlichen Wurfgröße von 5 (s. oben)! sind das einhundert Nachkommen. Von uns markiert wurden aber nur 65. 35 der angenommenen 100 Nestjungen sind also vor dem erstmaligen Verlassen des Baues gestorben. Diese Zahl ist nicht als ausnehmend hoch anzusehen (35/0), wie ein Ver- gleich mit den Daten aus Feldmauszuchten lehrt: Von 2709 Geborenen sınd bis zum Alter von 4 Wochen 29,5 %/o gestorben (REICHSTEIN 1960). In den Microtus brandti-Zuchten im Berliner Museum wurden maximal 8 Junge gesetzt. Eine obere Grenze stellt dieser Wert sicher nicht dar; es sind — wie bei anderen Microtinen — ım Extremfalle 11 bis 12 Nachkommen in einem Wurfe zu erwarten. 3. Wurfzahl und Wurfintervall: Über die Zahl der je Weibchen im Verlaufe einer Fortpflanzungsperiode gesetzten Würfe sind wir bei allen Wühlmäusen noch immer ungenügend unterrichtet. Dieser Mangel wird verständlich, wenn man bedenkt, daß solche Daten nur auf dem Wege über das Markierungsverfahren zu erlangen sind (mark-and-release-trapping). Für unter Freigehegebedingungen lebende Feldmäuse haben sich bisher maximal 4 (5?) Würfe, für Freilandtiere 3 nachweisen lassen. Wie 1 Wir sind befugt, für Freilandtiere eine gleich hohe Wurfgröße wie für Laboratoriumstiere anzunehmen (REICHSTEIN 1960). 156 H. Reichstein sich die Verhältnisse bei den Steppenwühlmäusen gestalten, kann nur am Beispiel einer Vermehrungsperiode, der des Jahres 1960, dargestellt werden. Höchstleistungen hinsichtlich Wurfzahl sind — ganz allgemein gesprochen — nur von den überwinterten Weibchen zu erwarten, da allein sie wegen frühestmöglichem Fort- pflanzungsbeginn eine maximale Ausschöpfung dieser Seite des Reproduktionspoten- tials gewährleisten, vorausgesetzt immer ein Überleben der Sexualperiode. Nur 5 der 30 Weibchen unserer Gehegepopulation erfüllen diese Voraussetzung, sie haben den Winter 1959/60 überstanden und auch das Ende der Fortpflanzungsperiode 1960 er- reicht. Von dreien dieser fünf Tiere (?? Nr. 7, 20, 21) sind nun je 4 Würfe gesetzt worden, ein fünfter mit großer Wahrscheinlichkeit von Weibchen 20. Es handelt sich hier zweifellos um eine Höchstleistung, die der bei Microtus arvalis gefundenen ent- spricht. Höhere Werte sind wegen der Kürze der Vermehrungsperiode auch im Frei- lande nicht zu erwarten. Zwei der überwinterten 5 Tiere (22 29, 32) haben nur je einmal geworfen (am Anfang der Sexualperiode), obwohl beide bis zum Ende dieser Periode lebten. Aus diesen sehr bescheidenen Daten (1 x 5 Würfe, 2 x 4 Würfe, 2 x 1 Wurf), denen kaum mehr als orientierender Charakter zukommt, errechnet sich eine mittlere Wurfzahl von drei je Weibchen und Fortpflanzungsperiode. Nun sind Höchstleistun- gen zwar von theoretischem Interesse, das populationsdynamische Geschehen wird jedoch durch die Leistungen aller an der Vermehrung beteiligten Weibchen bestimmt, also auch derjenigen, die im Verlaufe der Fortpflanzungsperiode geboren werden oder noch vor ihrem Ablaufe sterben. So sind z. B. von den März-Geborenen noch höchstens 3 Würfe im gleichen Jahre, von den April-Geborenen noch zwei zu erwarten usw. Tatsächlich haben die im März/April gesetzten Weibchen unserer Population maximal nur noch 2 Würfe zur Welt gebracht, die im Mai gesetzten zum Teil noch einen. Die im Juni geborenen Tiere sind im gleichen Jahre nicht mehr zur Fortpflanzung gelangt. Bei Berücksichtigung aller während der Vermehrungsperiode 1960 lebender adulter Weibchen (Körpergewicht über 30 g) ergibt sich nun das folgende Bild. 1 Weibchen = keinmal geworfen, 5 Weibchen = einmal geworfen, 3 Weibchen = zweimal geworfen, 2 Weibchen = viermal geworfen und 1 Weibchen = fünfmal geworfen. Insgesamt wurden von 12 Weibchen also 24 Würfe gesetzt, was einer mittleren Wurfzahl von zwei je Weibchen entspricht. Maßgeblichen Einfluß auf die Zahl der Würfe im Verlaufe einer Sexualperiode hat das Wurfintervall, d. h. der Abstand zwischen jeweils zwei aufeinander folgenden Würfen. Te kürzer dieses Intervall, um so höher die mögliche Wurfzahl. Da Steppen- wühlmäuse drei Wochen trächtig gehen, können die Würfe in diesen Abständen ein- ander folgen, vorausgesetzt immer eine Paarungsbereitschaft unmittelbar nach dem Werfen (post-partum-copula). Daß eine solche Bereitschaft bei Microtus brandti tat- sächlich vorliegt, lassen die Ergebnisse der Gehegeversuche klar erkennen. In Abb. 5 sind die Gewichtskurven von 6 Weibchen der Vermehrungsperiode 1960 dargestellt, die mindestens zweimal geworfen haben. Die Kurvenmaxima zeigen jeweils eine Gra- vidıtät an. Man erkennt, daß von den 12 hier aufgezeichneten Wurfintervallen 9 (= 75°/o) eine Zeitspanne von nur ca. 3 Wochen umfassen. Lediglich zwischen drei Würfen liegt ein längeres Intervall. Sieht man das mittlere kleine Maximum bei Weib- chen 20 als Graviditätsgipfel an, dann verringert sich die Zahl der längeren Wurf- abstände auf sogar nur zwei. Und Weibchen 20 hätte in sog. pausenloser Folge fünf Würfen das Leben geschenkt. Kontinuierliche Wurffolge, also Konzeption im Verlaufe des dem Wurfe folgen- den Östruszyklus, ist nun für eine ganze Reihe von Microtinen nachgewiesen (Lit. s. AspELL 1946 u. REICHSTEIN 1960), in jüngster Zeit durch DIETERLEN (1961) auch für die Stachelmaus (Acomys). Ein Weibchen seiner Laborzucht hat in ununterbrochener Folge 12mal geworfen! Als Höchstleistung bei Microtus arvalis verdient ein Weib- Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 115374 g Körpergewicht | ca3wo | ca 3 Wo | 220 l ' 2 sol % ı ı I ı 70 40 30 60 ca3Wo ca 3Wo 921 1 Re 950 l | j j l j j N j I | 50 l PLN SS N 30 60 ıca3Wo:ı ca3Wo U } I 50 AS A IN IN IV vi vil V 7 Vil vill Abb. 5. Wurfintervalle (gemessen am Graviditätsgipfel) bei 6 Weibchen von Microtus brandti chen der Zucht FrAnks genannt zu werden, das in Abständen von durchschnittlich 22 Tagen 33 Würfe zur Welt brachte (Frank 1956). Zur Wurffolge bei Clethriono- mys glareolus bemerken BRAMBELL und RowLanns (1936): ”It is probable that the majority of anımals become pregnant again at the post-partum-oestrus.“ Daß auch Microtus brandti hierzu befähigt ist, kann nach obigen Ausführungen als erwiesen gelten. 4. Geschlechtsreifebeginn. a. Weibchen: Für die Feldmaus gelang Frank (1956) der Nachweis der Fortpflanzungsreife schon im Säuglingsalter. Extrem frühe Paarungs- bereitschaft ist unter Microtinen nun weiter verbreitet, als bisher angenommen wurde. Nach Decourser (1957) ist M. pennsylvanicus bereits im Alter von 2 Wochen ge- schlechtlich aktiv. GREENwALD (1956) fand im Uterus eines erst 14 Tage alten Weib- chens von M. californicus Spermien, woraus auf Paarungsbereitschaft auf seiten des Weibchens geschlossen werden muß. Für M. agrestis kann der Nachweis einer Frühreife ebenfalls als erbracht gelten (Ste 1950, REICHSTEIN 1959). Weitere Beispiele ließen sich anführen (s. AspeLı 1946). Zu den Nagern mit ausgesprochen früher Paarungs- fähigkeit ist nun auch die Steppenwühlmaus zu stellen. Zwei Weibchen wurden bereits im Alter von nur reichlich drei Wochen mit geöffneter Vagina angetroffen, ein drittes im Alter von etwa 4 Wochen. Den jeweils ersten Wurf brachten die Weibchen 7 und 12 (Wurfgeschwister) mit rund 8 Wochen zur Welt (geb. ca. 4. 6. 1959, geworfen ca. 1. 8. 1959). Weibchen 43 hat einen ersten Wurf im Alter von 11 bis 12 Wochen gesetzt. Im übrigen gilt für den Eintritt der Geschlechtsreife unter Freilandverhältnissen bei Microtus brandti das bereits für eine Reihe von Microtinen Nachgewiesene: Frühe Sexualreife im weiblichen Geschlecht ist nur bei den Individuen zu erwarten, die in der ersten Hälfte einer Vermehrungsperiode geboren werden. Die Mitte Juni und später gesetzten bleiben dagegen ausnahmslos bis zum Beginn der nächsten Fort- pflanzungsperiode (am Anfang des folgenden Jahres) geschlechtlich inaktiv. Folgende Zahlen mögen das unterstreichen. 158 H. Reichstein Von den zwischen März und Anfang Juni gesetzten 12 Weibchen unserer Popu- lation wurden noch sechs im Jahre der Geburt gravid. Von den Anfang Juni und später geborenen 19 Weibchen gelangte dagegen keines mehr zur Vermehrung! Diese Tiere stehen beim Eintritt in die Fortpflanzungsreife am Anfang des folgenden Jahres bereits in einem Alter von mindestens 6 Monaten. | b. Männchen: Der Nachweis der Fortpflanzungsreife am lebenden Tier stößt hier, wegen unerläßlicher histologischer Untersuchungen, auf erhebliche Schwierigkeiten. Als Kriterium für Sexualreife gilt die Anwesenheit reifer Spermien in der Cauda epididymis. Darüber läßt sich aber nur am toten Tiere befinden. Nun haben Untersuchungen vor allem an Clethrionomys rufocanus (KALELA 1957) und Microtus arvalis (REICHSTEIN 1960) gezeigt, daß auf den Fortpflanzungs- zustand im männlichen Geschlecht bedingt aus dem Körpergewicht geschlossen werden kann. Bleiben die Körpergewichte der Männchen ım Jahre der Geburt unter der 22- bis 24-g-Grenze, dann liegt keine Sexualreife vor. Das trifft nach bisherigen Feststellungen für alle in der zweiten Hälfte einer Vermehrungsperiode geborenen Rötel- und Feld- mäuse zu. Lediglich die aus der ersten Hälfte stammenden Tiere erreichen noch im gleichen Jahre höhere Gewichte, wahrscheinlich als Folge einer mit dem Geschlechts- reifeeintritt verbundenen Wachstumsstimulation. Eine entsprechende Gliederung in zwei Gewichtsklassen lassen nun auch — wie ein Blick auf Abb. 6 lehrt — die Männchen der Steppenwühlmaus erkennen. Die im April geborenen erreichen schon im 4. Lebensmonat (Juli) ein Durchschnittsgewicht von mehr als 40 g (max. 48 g), alle später gesetzten überschreiten dagegen im Jahre der Geburt die 30-g-Grenze nicht oder nur gelegentlich und geringfügig. Wir haben allen Grund, die zuletzt genannten (analog den Rötel- und Feldmäusen) als nicht fortpflanzungsfähig anzusehen. Der exakte Nachweis bleibt natürlich histologischen Untersuchungen vorbehalten. Für die am Anfang der Vermehrungsperiode geborenen Männchen darf dagegen als erwiesen gelten, daß sie schon im frühen Alter — also noch im Geburtsjahre -- paarungsfähig sind. Dafür spricht der folgende Befund. Das letzte der überwinterten geschlechtsreifen Männchen (1959/60) starb Mitte April 1960. Ende Juni/Anfang Juli haben jedoch mindestens zwei Weibchen geboren, was die Gegenwart zeugungsfähiger Männchen voraussetzt; diese können ausschließlich den Frühjahrswürfen entstammen. Für den Beginn der Fortpflanzungsreife im männlichen Geschlecht ergibt sich damit das bereits für die Weibchen gezeichnete Bild: Frühe Vermehrungsfähigkeit nur bei am Anfang der Sexualperiode geborenen Individuen; schon die dem Anfang Juni ent- stammenden bleiben bis zum folgenden Jahre geschlechtlich inaktiv. Abschließend sei auf einen zwischen den Geschlechtern bestehenden Unterschied hinsichtlich des Beginns der Paarungsfähigkeit hingewiesen. Während die Weibchen der Ende Mai/Anfang Juni-Würfe noch im gleichen Jahre zur Fortpflanzung kamen, verharrten die Männchen aus den gleichen Würfen bis zum Beginn der nächsten Sexual- periode im Zustand geschlechtlicher Inaktivität. Solche Unterschiede zwischen den Ge- schlechtern sind auch bei einer Reihe anderer Microtinen die Regel (KareLA 1957, STEIN 1958 u. a.) C. Körperwachstum Unsere Vorstellungen vom Körperwachstum (gemessen immer an der Gewichtszu- nahme) wildlebender Kleinsäuger als einem mehr oder weniger gleichförmig verlau- fenden Prozeß mit anfänglich rascher, allmählich jedoch immer geringer werdenden Gewichtsvermehrung bedurften in jüngster Zeit insofern einer Korrektur, als mehr- fach nachgewiesen worden ist, daß die Wachstumskurve unter bestimmten Umständen diskontinuierlich verläuft. Einer raschen nachgeburtlichen Gewichtszunahme, die bis Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 159 zu einer ganz bestimmten, artlich jedoch unterschiedlichen Körpergröße führt, folgt eine Periode relativer Wachstumsruhe (Wachstumsstagnation), der sich im Spätwinter bis Frühjahr des folgenden Jahres eine zweite Wachstumsphase anschließt (Wachstums- schub der Adoleszenz), in deren Verlauf erst die Körperendgewichte erreicht werden. Einen ersten Hinweis in dieser Richtung verdanken wir BRAMBELL und ROWLANDS (1936), die von sprunghafter Gewichtserhöhung im Frühjahr bei Cl. glareolus berich- ten. WRANGEL (1939) hat diesen Befund an deutschen Rötelmäusen bestätigt. Die Untersuchungen vor allem des letzten Jahrzehnts an einer Reihe weiterer Microtinen (CHirty 1952, Brown 1952, ReicHstEeiın 1959 an M. agrestis, WasıLrwskı 1956, Karasewa et al. 1957 an M. oeconomus, BASCHENINA 1953, FRANK 1954, FRANK U. ZIMMERMANN 1957, BECKER 1958, WIJNGAARDEN 1960 und REıcHsTEIN 1960 an M. arvalis, Manning 1956 an Cl. glareolus und Karzera 1957 an Cl. rufocanus) haben immer wieder zu übereinstimmenden Ergebnissen geführt: Einer Periode raschen Jugendwachstums folgt eine solche relativer Wachstumsruhe, der sich im Frühjahr des nächsten Jahres eine zweite Wachstumsphase anschließt. Auch die Steppenwühlmäuse fügen sich in dieses Schema. Sehen wir uns kurz ihre Wachstumsverhältnisse an. 1. Das Körperwachstum der Steppenwühlmaus verläuft diskontinuierlich. 2. Es sind zwei Wachstumsphasen gegeben, die durch eine Periode relativer Wachstumsruhe getrennt sind. Die erste Phase fällt in die Zeit unmittelbar nach der Geburt, die zweite liegt am Anfang des darauffolgenden Jahres. 3. Die ım Frühjahr gesetzten Tiere erreichen im Geburtsjahre höhere Körpergewichte als die später geborenen. 4. Der Wachstumsschub am Anfang des zweiten Kalenderjahres liegt bei den Männchen ım Januar, bei den Weibchen im Februar. Es eilen die Männchen den Weibchen im Wachs- tum also voraus. Eine grafische Darstellung dieser Befunde bringt Abb. 6. Eine Deutung der Wachs- tumszyklen ist im Rahmen einer Darstellung des Körperwachstums bei der Feldmaus bereits erfolgt (Reıichsrein 1960). Danach gilt es, von vornherein jeden Versuch zu verwerfen, die Schwankungen im Körperwachstum bei den Microtinen mit Nahrungs- mangel im üblichen Sinne in Verbindung zu bringen (z. B. BAscHENInA 1953), fällt doch der Beginn der Wachstumsruhe in eine Periode ausreichenden Nahrungsangebots (August/September). Auch die rasche Gewichtszunahme am Jahresanfang läßt sich schwerlich mit verbessertem Nahrungsangebot in Verbindung bringen, da der Beginn erneuten Körperwachstums mitten im Winter liegt. Mehr Wahrscheinlichkeit bean- spruchen Erwägungen, die Änderungen im Wuchstempo saisonal bedingten Anderun- gen der Nahrungsgualität zur Last zu legen. Tatsächlich konnten jahreszeitlich be- dingte Schwankungen in der Zusammensetzung pflanzlicher Eiweißkörper nachgewie- sen werden (Bonner 1950, HorrMmAnn 1958). Eingehende Darstellungen im Zusam- menhange mit dem Körperwachstum kleiner Nager stehen jedoch noch aus. Wir glauben uns im Anschluß an Ergebnisse hormonphysiologischer Untersuchun- gen vor allem an Laborratten (Rattus norvegicus) zu der Auffassung berechtigt, daß die Wachstumszyklen bei Microtus brandti und den anderen Microtinen der unmittel- baren Steuerung durch endokrine Drüsen unterliegt. Eine Zentralstellung kommt dabei dem Hypophysenvorderlappen zu. Er ist Bildungsstätte für das somatotrope Hormon, ein spezifisches Wachstumshormon, dessen charakteristische Wirkung in einer Steigerung des Eiweißsansatzes und damit einer Vermehrung der Körpersubstanz be- steht. Unter seinem Einfluß vollzieht sich das Säuglings- und Jugendwachstum (1. Wachstumsphase). Daß die von ihm ausgehende Wachstumsstimulation als zeitlich begrenzt aufzufassen ist, bekundet der nach Erreichen eines bestimmten Körperge- wichtes einsetzende Wachstumsstillstand (Männchen bei etwa 25-31 g, Weibchen bei etwa 20-25 g). Erst am Anfang des zweiten Kalenderjahres setzt das Körperwachs- tum erneut ein. Diese zweite Wachstumsphase steht nun offenbar in engem Zusam- menhange mit dem Eintritt der Geschlechtsreife. Der Wirkungsmechanismus kann 160 H. Reichstein q Körpergewicht IV V VI vi vı IX X xl All | Il 111 Abb. 6. Das Gewichtswachstum von Microtus brandti; oben: Männchen, Durchschnittswerte von 30 Tieren; unten: Weibchen, Einzeltiere, Kurvenmaxima = Gravidität. heute — zumindest in großen Zügen und für das männliche Geschlecht — ım wesent- lichen wohl als geklärt gelten. Wir folgen Angaben von LEUTHARDT (1955). Im Hypophysenvorderlappen werden neben dem Wachstumshormon auch gonado- trope Hormone gebildet, Hormone also, die ihrerseits die Gonaden zur Hormon- produktion anregen. In den Testes entstehen auf diese Weise u. a. die sog. androgenen Hormone. Diese Hormone sind verantwortlich zu machen für die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale, sie bewirken aber gleichzeitig erhöhte Stickstoff- retention und damit verstärktes Wachstum. So findet auch der zweite, mit dem Sexual- reifebeginn parallel laufende Wachstumsschub seine Erklärung auf hormonaler Grund- lage. Diese Beziehung zwischen Geschlechtsreife und Wachstumsstimulation rückt nun auch die intensivere Gewichtszunahme der am Jahresanfang gesetzten Tiere in ein klareres Licht. Während die im Juni und später geborenen Männchen (Weibchen ab Juli) nach Abklingen der vom somatotropen Hormon ausgehenden Wachstumsanre- Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 161 gung die Gewichtszunahme bei dem oben genannten Niveau einstellen, führt das Körperwachstum der im Frühjahr Geborenen über diesen Bereich hinaus, unzweifel- haft deshalb, weil hier infolge frühen Eintritts der Sexualreife auch der Wachstums- schub der Adoleszenz früh wirksam wird. 1. und 2. Wachstumsphase folgen hier einander unmittelbar. Erst bei Verzögerung der Fortpflanzungsreife (bei den im Som- mer geborenen Tieren) treten beide Phasen deutlich in Erscheinung. Einen unerwarteten Verlauf nımmt nun das Körperwachstum der am Jahresanfang geborenen Männchen zu Beginn des zweiten Kalenderjahres. Obwohl diese Tiere noch im Geburtsjahre geschlechtsreif werden und im Zusammenhange damit auch höhere Körpergewichte erreichen, setzt bei ihnen — im gleichen Maße wie bei den später geborenen, noch nicht fertilen Tieren — am Anfang des folgenden Jahres die Gewichtszunahme erneut ein. Entsprechende Beobachtungen an anderen freilebenden Kleinsäugern liegen nicht vor. Eine Nachprüfung dieses Befundes erscheint um so mehr geboten, als sich aus den Ergebnissen solcher Untersuchungen Grundsätzliches zum Wachstumsverlauf und Wachstumsabschluß bei Säugetieren, speziell bei Klein- säugern, wird aussagen lassen. Bei aller gebotenen Zurückhaltung in der Bewertung des obigen Befundes ist also die Auffassung vertretbar, daß an eine Vollendung der Sexual- reife ein Wachstumsabschluß nicht geknüpft ist. Das Körperwachstum kann — wie im Falle der Steppenwühlmaus — zu einem späteren Zeitpunkte wieder aufgenommen werden, oder aber es setzt sich — wie RauscH (1961) jüngst für Ursus americanus hat zeigen können — über das Pubertätsstadium hinaus weiter fort. Zusammenfassung 1. Untersucht wurden zwischen Mai 1959 und März 1961 an 73 Steppenwühlmäusen, Microtus (Phaeomys) brandti, einer Freigehegepopulation, Lebensweise, Verhalten, Fortpflanzungs- leistung und Körperwachstum. Das Ausgangsmaterial stammt aus der Inneren Mongolei. 2. Microtus brandti lebt in echten sozialen Verbänden. Er hat in Verbindung damit eine Reihe kennzeichnender Verhaltensweisen entwickelt (Warnruf, Kontaktbedürfnis, „identification kiss“, gemeinsames Anlegen des Winterbaus). 3. Microtus brandti repräsentiert den Typ eines Steppennagers (Tages-Aktivität, sozialer Ver- band, Männchenmachen, Augenstellung, Augentier, Haarkleidfärbung u. a.). Er gleicht in Lebensweise, Verhalten und z. T. im Aussehen weitgehend anderen Steppenformen wie Cynomys, Marmota, Citellus, Ctenodactylus, Lagostomus. Es liegt hier ein Beispiel dafür vor, wie „gleiche Anforderungen der Lebensräume oder der Funktion unabhängig von jeder phylogenetischen Verwandtschaft“ (REmAne 1952) zur Ausbildung gleicher „Lebensform- typen“ führen können. 4. Hinsichtlich Fortpflanzungsleistung und Wachstum und natürlich auch der Molarenstruktur erweist sich die Steppenwühlmaus als echter Microtine. 5. Die Fortpflanzungsperiode liegt zwischen Mitte Februar und Anfang August. Die durch- schnittliche Wurfgröße wird (nach Labormaterial) mit fünf (n = 22) angegeben. Die maxi- male Wurfleistung pro Weibchen und Fortpflanzungsperiode beträgt 4 (5?). Als mittlere Wurfleistung errechnet sich ein Wert von zwei (n = 12). In 75/0 aller Fälle folgen die Würfe in einem ca. 3-Wochen-Abstand (post-partum-copula). Der Eintritt der Geschlechts- reife ist abhängig vom Geburtstermin. Im Frühjahr geborene Tiere erlangen schon im Alter von 3—4 Wochen die Fortpflanzungsreife (Weibchen). Die ab Juli gesetzten werden erst im folgenden Jahre paarungsfähig. Für Männchen gilt entsprechendes. 6. Das Körperwachstum der Steppenwühlmaus verläuft diskontinuierlich. Es sind zwei Wachs- tumsphasen gegeben, die vermutlich der unmittelbaren Steuerung endokriner Drüsen unter- liegen. Für das Säuglings- und Jugendwachstum wird das somatotrope Hormon verantwort- lich gemacht (1. Wachstumsphase). Die zweite Wachstumsphase wird zum Sexualreifebeginn in Beziehung gesetzt (Wachstumsschub der Adoleszenz). Unterbleibt im Jahre der Geburt die Ausbildung der Geschlechtsreife, dann kommt es zu einer Wachstumsstagnation bei relativ niedrigem Körpergewicht (Männchen: 25—31 g, Weibchen: 20—25 g). Erst am An- fang des zweiten Kalenderjahres setzt das Wachstum erneut ein, offenbar unter dem Einfluß von in den Testes gebildeten wachstumsstimulierenden Hormonen. Dem Wachstumsschub zu Beginn des zweiten Kalenderjahres unterliegen auch die bereits geschlechtsreifen Tiere. Es wird die Auffassung vertreten, daß die Vollendung der Sexualreife mit keinem Wachs- tumsabschluß verbunden zu sein braucht. 162 H. Reichstein Summary 1. Habits, social behaviour, reproduction rate and body growth were investigated in a confined, out-door caged population of Microtus (Phaeomys) brandti. The study was carried out from May 1959 to March 1961. The material was derived from specimens from Inner Mongolıa. . Microtus brandti lives in social communities. Corresponding to'this, it has developed some characteristic habits: acoustic warning-signal, desire of physical contact with each other, identification kiss and the joint re of a winter burrow. 3. Microtus brandti represents he type of a prairie-rodent (Steppennager): diurnal activity, social community, „Männchenmachen“, position of eyes, colour of coat, etc. In this respect it resembles Cynomys, Marmota, Gitellus, Ctenodactylus, Lagostomus. Microtus brandtı may be quoted as an example, how „gleiche Anforderungen der Lebensräume oder der Funktion unabhängig von jeder phylogenetischen Verwandtschaft“ (REMANE 1952), may lead to the formation of the same „Lebensformtypen“. 4. In respect to reproduction rate, body growth and pattern of molars M. brandti proves to be a true microtine. 5. Reproduction takes place between mid-March and the beginning of August. The average litter size (n = 22) is five (based on laboratory material). The maximum number of litters per female and per reproduction period amounts to 4 (5?). The average number of litters per female is two (n = 12). A three-week-intervall between parturitions (post-partum- copula) is confirmed in 75 per cent of all cases. The beginning of sexual activity depends upon the time of birth: Spring born anımals become fertil at 3—4 weeks of age (female). Those born after June do not become fertil until the following year. For males the same is ascertained. 6. Body growth of M. brandti is found to occur discontinuously. Two growth phases are to be distinguished. In the course of the first, a maximum body weight of 31 g in males, and of 25 g in females is reached. (i. growth phase). During autumn the animals stop growing (Wachstumsstagnation). In the early spring of the following year, a sudden weight increase takes place again (Wachstumsschub der Adoleszenz). Within a short time fully adult weights are reached. We are inclined to think it probable, that this mode of growth is due to hormones, produced in the endocrine glands (pituitary system and gonads). Those animals not reaching fertility in the year of birth (the summer born), stop growing at an early stage (max. 31 g). Spring born animals reach heavier weights in the year of birth, but conclude growing too. In the following spring, however, all animals begin the "growth cycle again. 155) Resume La maniere de vivre, la reproduction et la croissance du corps de Microtus brandti seront recherches dans une population, qui Etait separee dans la nature. M. brandti vive dans des communions sociales (colonies) et en relation avec ca, il a developpe& quelques particularitees characteristiques. — M. brandti represente le typ d’un rongeur des steppes (la position des yqux, „Männchenmachen“, l’activite diurne, Ja formation des colonies). Avec tout ca, il semble Cynomys, Marmota et des autres formes des steppes entre les rongeurs. A l’egard de la capacite de la reproduction et la croissance du corps M. brandti se montre comme un vrai Microtine. Literatur Auen, G. M. (1940): Natural History of Central Asia, Vol. XI: The Mammals of China and Mongolıia, Part 2, The Americ. Mus. Nat. Hist., New York. — AspELı, S. A. (1946): Patterns of Mammalian Reproduction. Comst. Publishing Co, Ine. Ithaca, New York. — BASCHENINA, N. W. (1953): Zur der Altersbestimmung der Feldmaus (Microtus arvalıs Pall.); Zool. J. 32, 730-743 (russ., i. Übers. vorgelegen). —. BECKER, K. (1958): Die Popu- lationsentwicklung von Feldmäusen a arvalıs) im Spiegel der Nahrung von Schleier- eulen (7 yto alba): Z. f. angew. Zool. 45, 403-431. — BONNER, J. (1950): Plant biochemistry; Acad. Press, N. Y. — Borr, P. (1955): Der Schrei des Murmeltieres als akustische Terri- torıumsmarkierung; Säugetierkdl. Mitt. 3, 28. — BOURLIERE, F. (1954): The natural history of mammals; Alfred A. Knopf Verlag, N. Y. — BrAmBELL, F. W. R. u. RowrLanps, J. W. (1936): Reproduction of the bank vole (Evotomys glareolus) I. The oestrus cycle of the female; Phil. Trans. Roy. Soc. London B, 226, 71-97. — Brown, L. E. (1954): Small mammal populations at Silwood park Field centre, Berkshire, England, J. Mammal. 35, 161-176. — CHitty, D. (1952): Mortality among voles (Microtus agrestis) at lake Vyrnwy, Montgomery- shire, in 1936-39; Phil. Trans. Roy. Soc. London B, 236, 505-552. — CLARKE, J. R. (1955): Beiträge zur Biologie eines Steppennagers 163 Influence of numbers on the reproduction and survival in two experimental vole populations; Proc. Roy. Soc. B, 114, 68-85. — Dawaa, A. A. (1961): Beobachtungen an Brandt’s Steppen- wühlmaus (Microtus brandti Radde) in der Mongolischen Volksrepublik; Z. Säugetierkde. 26, 176-183. — Decoursey, G. E. (1957): Identification, ecology and reproduction of Microtus in Ohio; J. Mammal. 38, 44-52. — DIETERLEN, F. (1961): Beiträge zur Biologie der Stachel- maus, Acomys cahirinus dimidiatus Cretzschmar; Z. Säugetierkde. 26, 1-13. — Eısr-Eiges- FELD, I. (1958): Das Verhalten der Nagetiere; Handb. d. Zoologie 8, 12. Liefrg. — FRANK, F. (1953): Untersuchungen über den Zusammenbruch von Feldmausplagen (Microtus arvalıs Pal- las); Zool. Jb. (Syst.) 82, 95-136. — FRANK, F. (1954): Beiträge zur Biologie der Feldmaus, Microtus arvalıs (Pallas), Teil 1: Gehegeversuche; Zool. Jb. (Syst.) 82, 354-404. — FRANK, F. (1956): Das Fortpflanzungspotential der Feldmaus — eine Spitzenleistung unter den Säuge- tieren; Z. Säugetierkde. 21, 176-181. — FRANK, F. u. ZIMMERMANN, K. (1957): Über die Be- ziehungen zwischen Lebensalter und morphologischen Merkmalen bei der Feldmaus, Microtus arvalıs (Pallas); Zool. Jb. (Syst.) 85, 283-300. — GREENWALD, G. S. (1956): The reproduction cycle of the field mouse, Microtus californicus; J. Mammal. 37, 213-222. — Horrmann, R. S. (1958): The role of reproduction and mortality in population fluctuations of the vole (Micro- tus); Ecol. Monogr. 28, 79-109. — KarzraA, O. (1957): Regulation of reproduction rate in subarctic populations of the vole Clethrionomys rufocanus (Sund.); Ann. Acad. Scient. Fen- nicae, Ser. A, IV, Biologica 34, 1-60. — KarasewA, E.V. et al. (1957): The Microtus oecono- mus inhabiting the neichbourhood 6£ the lake Nero in Yaroslaw; Ber. Mosk. Ges. Naturf., Abt. Biol. 62, 5-18 (russ. me enelZ7us)e UNE] 955): Social behaviour, social organi- zation, and population Alrakım es in a black-tailed prairiedog town in the black hills of South Dakota; Contr. Lab. Vert. Biol. 67, 1-123. — Kock, D. u. SCHOMBER, H.-W. (1961): Beitrag zur Kenntnis der Lebens- und Verhaltensweise des Gundi, Ctenodactylus gundi (Rothmann, 1776); Säugetierkdl. Mitt. 9, 165-166. — KRAMER, G. (1950): Über individuell und anonym gebundene Gemeinschaften der Tiere und Menschen; Studium Generale 3. — LEUTHARDT, F. (1955): Lehrbuch der Physiologischen Chemie; W. d. Gruyter u. Co., Berlin, 12. Aufl. — Mannıng, T. H. (1956): The northern red backed mouse, Clethrionomys rutilus (Pallas) in Canada; Nat. Mus. of Canada, Bull. 144, 1-60. — MÜLLER-Usrng, D. (1954): Beiträge zur Okologie der Marmota m. marmota (L.); Z. Säugetierkde. 19, 166-177. — MÜLLER-Usıng, D. (1956): Zum Verhalten des Murmeltieres (Marmota marmota [L.]); Z. f. Tierpsychol. 13, 135 bis 142. — Ocnew, S. I. (1950): Die Säugetiere der UdSSR und der Nachbarländer, Bd. 7; Moskau-Leningrad (russ., in Übers. vorgelegen). — ÖSTERMANN, K. (1956): Zur Aktivität heimischer Muriden und Gliriden; Zool. Jb. (Phys.) 66, 355-388. — Parkes, A. S. (1923): Studies on the sex ratio and related phenomena, I. Foetal retrogression in mice; Proc. Roy. Soc. B, 95, 551-558. — Perikan, J. (1959): Fortpflanzung, Populationsdynamik und Grada- tionen der Feldmaus. In: KrATocHviL: Hrabos polni, Microtus arvalıs; Verl. d. Tsch. Akad. d. Wiss., VED Prag (tsch. m. deutsch. Zus.). — PsENnNEr, H. (1960): Das Verhalten der Murmeltiere (Marmota m. marmota), insbesondere von Mutter und Jungen im Bau; Säuge- tierkdl. Mitt. 8. 144-148. — Ranson, R. M. (1941): Prenatal and infant mortality in an laboratory population of voles (Microtus agrestis); Proc. Zool. Soc. London A, 111, 45-57. — RauscH, R. L. (1961): Notes on the Black Bear, Ursus americanus Pallas, in Alaska, with particular Reference to Dentition and Growth; Z. Säugetierkde. 26, 75-107. — REICHSTEIN, H. (1959): Populationsstudien an Erdmäusen, Microtus agrestis L. (Markierungsversuche); Zool. Jb. (Syst.) 86, 367-382. — ReEıcHstzin, H. (1960): Untersuchungen zum Wachstum und zum Fortpflanzungspotential der Feldmaus, Microtus arvalis (Pallas, 1778); Diss. Humboldt- Univ. Berlin, 153 S. — REıcHsTEin, H. (1960a): Untersuchungen zum Aktionsraum und zum Revierverhalten der Feldmaus, Microtus arvalıs (Pall.) (Markierungsversuche); Z. Säugetier- kde. 25, 150-169. — REMANE, A. (1952): Grundlagen eines natürlichen Systems, der verglei- chenden Anatomie und der Systematik; Leipzig. — STEIN, G. H. W. (1950): Über Fortpflan- zungszyklus, Wurfgröße und Lebensdauer bei einigen kleinen Nagetieren; Zt. Schädlings- bek. 42, 1-10. — Stein, G. H. W. (1958): Die Feldmaus; Die Neue Brehm Bücherei, Heft 225. — STEINIGER, F. (1950): Beiträge zur Soziologie und sonstigen Biologie der Wanderratte; Zt. f. Tierpsychol. 7, 356-379. — TEMBROcK, G. (1956): Tierpsychologie; A. Ziemsen Verlag, Witten- berg (Lutherstadt). — WasıLewskı, W. (1956): Untersuchungen über die Veränderlichkeit des Microtus oeconomus Pall. im Bialowieza Nationalpark; Ann. Univ. M. Curie.-Sklod. G, 355-386. — WIJNGAARDEN, A. v. (1954): Biologie en bestrijding van de woelrat, Arvicola terrestris terrestris (L.) in Nederland; Terrors Rijksuniv. te Leiden. — WIJNGAARDEN, A. v. (1960): The population dynamics of four confined populations of the continental vole Microtus arvalıs (Pallas); Versl. Landbouwk. Onderz. No. 66. 22, 1-28. — WRANGEL, H. v. (1939): Bei- träge zur Biologie der Rötelmaus, Clethrionomys glareolus (Schreb.); Z. Säugetierkde. 14 52-93. — ZIMMERMANN, K. (1955): Zum Murmeltierschrei bei Annäherung eines Menschen; Säugetierkdl. Mitt. 3, 125. Anschrift des Verfassers: Dr. H. Reıcastein, Kiel, Neue Universität, Institut f. Haustierkunde Fledermäuse aus Tanganyika' Von ErwIN KULZER Aus dem Zoophysiologischen Institut der Universität Tübingen und dem Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart? Eingang des Ms. 23. 4. 1961 A. Einleitung Während eines Forschungsaufenthaltes in Kenia und Tanganyıka, der dem Studium der Orientierungsleistungen tropischer Fledermäuse diente (MÖHREs und KULzEr, 1957), erwies sich die Tatsache, daß es keine rechte Vorstellung von den verschieden- artigen Lebensräumen bestimmter Arten gab, als besonders nachteilig. Trotz einer großen Zahl von aus der Literatur bekannten Fundorten war eine systematische Suche deshalb noch unmöglich. Es gelang jedoch in relativ kurzer Zeit 18 verschiedene Arten in ihren Tagesquartieren zu beobachten und auch in Gefangenschaft zu halten. Für eine genauere ökologische Gliederung der Arten nach ihren Biotopen war dieses Ma- terial und die Zahl der Fundorte noch zu gering (KuLzZEr, 1957). TH. ANDERSEN hat für das Staatliche Museum für Naturkunde in Stuttgart 1957/58 eine weitere Samm- lung von Chiropteren in Tanganyika unter Berücksichtigung der verschiedenen Tages- quartiere durchgeführt, so daß jetzt für 28 verschiedene Formen ein Vergleich unter ökologischen Gesichtspunkten möglich ist. Hiervon sind 17 verschiedene Arten in dieser Arbeit angeführt. VERSCHUREN (1957) hat in dem Nationalpark von Garamba in dem ehemaligen Belgisch Kongo bereits eine genaue Analyse der ökologischen Verhältnisse der zen- tralafrikanischen Chiropteren unter Berücksichtigung der geographischen, botanischen und klimatischen Bedingungen durchgeführt, so daß nun auch ein Vergleich zwischen den zentral- und ostafrikanıschen Formen möglich ist. B. Systematische Einteilung der gesammelten Arten, ihr Verbreitungsgebiet in Tanganyika und Freilandbeobachtungen Alle Maße in Millimeter; bei Geschlechtsunterschieden sind die Werte für dd und 9 ge- trennt angeführt. Die Kopf-Rumpf-Länge, die Länge der Ohren und des Hinterfußes wurden von ANDERSEN an noch frischem Material gemessen. Alle Angaben über die Verbreitung be- na sich auf den Raum Tanganyika. Die Schädelmaße sind in Tab. 1 und 2 zusammen- gefaßt. 1 Alle in dieser Arbeit beschriebenen Fledermäuse wurden von Herrn TH. ANDERSEN, Kisan- gara bei Lembeni in Tanganyıka gesammelt. 2 Herrn Prof. Dr. E. Schüz, dem Direktor des Staatlichen Museums für Naturkunde in Stuttgart, und Herrn Dr. A. KLeinschmipT danke ich dafür, daß sie mir diese Sammlung zur Bearbeitung überließen. Für die Nachbestimmung einiger Arten danke ich Dr. D. L. HARRISON, ne Kent, für Vergleichsmaterial Herrn Dr. H. FELTEN vom Senckenberg-Museum in Frankfurt. Fledermäuse aus Tanganyıka 165 I. Megachiroptera (DoBson) Epomophorus labiatus minor (DoBson) Epomophorus minor Dosson, Proc. Zool. Soc. London 1879, S. 715, Apl. 1880 Material: 3 22 (1 Jungtier) und 1 ö von Kidugallo (Morogoro-Distrikt), ca. 65 km östl. von Morogoro (7. 12., 12. 12., 23. 12. 57). Kat.-Nr.? 5980-5983. Färbung: Dunkel bis zimtbraun; ventral bräunlich mit weißem Fleck auf der Bauchseite; & mit langen weißen Haarbüscheln an den Schultern, kurze weiße Haarbüschel bei allen Tieren an der vorderen und hinteren Ohrbasis; Flughäute dunkelbraun. Verbreitungsgebiet: Von der Küste bei Dar es Salaam nach Westen bis zum Tanganyika- See; in der östlichen Provinz und im Südwesten zwischen Nyasa- und Tanganyika-See; im Nordwesten bis zum Nord-Pare-Gebirge. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 3 adulten Tieren; das & ist etwas größer als die beiden PP); Kopf-Rumpf 106, (102-115); Fuß 13, (12-14); Ohr 23,6 (22-26); Unterarm 63,7, (62-66,3). Freilandbeobachtungen: Alle Tiere wurden tagsüber an Zweigen von niedrigen Bäumen hängend beobachtet. Umgebung: Buschland; Höhenlage ca. 300 m. Epomophorus wahlbergi haldemani (HALOWELL) Pteropus haldemanı HaLoweıı, Proc. Acad. nat. Sci. Philad. 3, 52, 1846 Material: 4 adulte PP, 2 junge PP, 1 junges & und 1 Junges mit unbekanntem Geschlecht von Lembeni (Same-Distrikt) ca. 60 km südöstl. von Moshi (11. 6., 23. 8., 4. 9., 4. 11., 17. 12. 57). Kat.-Nr. 5973-5979, 6043, 6044. Färbung: Rücken und Bauchseite zimtbraun; in den Achseln und an den Armen heller. Die Jungtiere sind dunkler; Oberarme, Oberschenkel und die Halsregion sind mit weißlichen Haaren besetzt. Alle Tiere haben an der vorderen und hinteren Ohr- basıs weiße Haarbüschel; Flughäute dunkelbraun. Verbreitungsgebiet: Im Hochland des Kilimanjaro, im Nord-Pare-Gebirge, bei Dar es Salaam und auf Sansibar. Maße:* (Mittel- und Extremwerte von 4 adulten 29); Kopf-Rumpf 130, (125- 138); Fuß 19, (17-21); Ohr 23, (22-24); Unterarm 77,2, (76,3-78,3). Freilandbeobachtungen: Die Tiere hingen mit ihren Jungen zusammen tagsüber in den Zweigen von Bäumen. Umgebung: Savanne; Höhenlage ca. 900 m. II. Microchiroptera (DoBson) Coleura afra (PETERS) Emballonura afra PETERS, Reise Mosamb., Säugeth. S. 51, 1852. Material: 4 58 und 6 ?? von Tanga (Tanga-Distrikt); (24. 9. 57, 25. 1. 58). Kat.-Nr. 5994-6001, 6058, 6059. Färbung: Dorsal dunkelbraun, ventral graubraun; Flughäute weißlich bis bräunlich und durchscheinend. 3 Kat.-Nr. = Katalog-Nummer. * Die Tiere sind verhältnismäßig klein. Gegenüber Epomophorus anurus unterscheiden sie sich jedoch klar durch die einzige postdentale Gaumenleiste und durch einen wesentlich kürze- ren postdentalen Gaumen. D. L. Harrıson ist im Besitz von derartig kleinen Exemplaren von E. wahlbergi haldemani aus Kenia. 166 E. Kulzer Verbreitungsgebiet: An der ostafrikanischen Küste, im Serengeti-Park und am Viktoria- See. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 10 Tieren); Kopf-Rumpf 56, (53-60); Fuß 10,5, (10-11); Ohr 16,3, (16-18); Unterarm 48,5, (47-49,5). Freilandbeobachtungen: Zahlreiche Tiere dieser Art wurden an der Decke einer unterirdischen Höhle bei Tanga (Meeresniveau) beobachtet. Taphozous mauritianus (E. GEOFFROY) Taphozous mauritianus E. GEOFFROY, Descr. Egypte, 2, 127, 1818. Material: 4 & & (Jungtiere), 2 2? (1 junges und 1 adultes Tier) von Kidugallo (Morogoro-Distrikt) ca. 65 km östlich von Morogoro (8. 12., 11. 12., 19. 12. 57). Kat.-Nr. 6032-6036. Färbung: Das adulte $ ist am Rücken graubraun und weiß gesprenkelt; die Haare sind an ihrer Basıs hellbraun, in ihrem zweiten Drittel dunkelbraun und an der Spitze weiß. Die Bauchseite ist fast reinweiß. Bei drei Jungtieren sind die Rückenhaare noch wollig und fast schwarz; ihre Bauchseite ist dunkelgrau. Die Flughäute der Jungen sind bräunlich, die des adulten Tieres weißlich. Verbreitungsgebiet: An der ganzen ostafrikanischen Küste, auf Sansibar, in den Usam- barabergen, in der östlichen Provinz; nach Westen bis an den Tanganyıka-See, nach Süd- westen bis Rungwe. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 6 Tieren); Kopf-Rumpf 71,8, (65-80); Fuß 9,8, (9-11); Ohr 18,6, (18-19); Unterarm 56,6, (54-61). Freilandbeobachtungen: Die Tiere wurden bei Kidugallo unter den Dächern von Afrikaner-Behausungen und in einem Fall ın den Zweigen eines Busches gefangen; Höhenlage ca. 300 m. Nycteris macrotıs oriana (KERSHAW) Nycteris orıana KERSHAw, Ann. Mag. Nat. Hist. 10, 179, 1922 Material: 7 8 8,6 ?2 und ein ? mit einem Jungen von Lembeni (Same-Distrikt); (13.5, 3. 6., 31. 8., 29: 9., 18. 10,28. 105,23. 11: 572). Kar INC 5995 Sypree 5933-5940, 6048, 6049. 6 56 und 6 ? von Kidugallo (Morogoro-Distrikt); (7. 8., 28. 12. 57). Kat.-Nr. 5942-5953. Färbung: Die Tiere der Lembeni-Serie sind dorsal hellbraun, an der Basis der Ohr- muschel sitzen kurze weißliche Haare. Die Rückenhaare sind an der Basıs weißlich und an den Spitzen hellbraun; Flughäute dunkelbraun. Die Tiere der Kidugallo-Serie sind am Rücken dunkler und ihre Bauchseite ist einheitlicher grau; drei Tiere dieser Serie gleichen in ihrem Haarkleid den Lembeni- Tieren, so daß hier wahrscheinlich ein altersbedingter Farbunterschied besteht. Verbreitungsgebiet: Die Nycteris macrotis-aethiopica-Gruppe ist auf Sansibar, an der südlichen Küste von Ostafrika, in der östlichen Provinz, im Serengeti-Park und im Nord- westen bis zum Viktoria-See verbreitet. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 25 Tieren); Kopf-Rumpf 61,8, (56-69); Fuß 11,2, (9-12); Ohr 32,2, (31-34); Unterarm 48,7, (45,1-51,5)>; ° Nach D. L. Harrıson scheint Nycteris macrotis Dosson und Nycteris aethiopica DoBson die gleiche Art zu sein. Die Maße des vorliegenden Materials stimmen auch mit beiden gut überein. Die besonders langen Ohren erlauben noch eine Zuordnung zu der Unterart Nycteris macrotis oriana KERSHAw. Auch gegenüber Nycteris Iuteola ist der Unterschied so gering, daß man hier mit Übergangsformen rechnen muß. Fledermäuse aus Tanganyıka 167 Freilandbeobachtungen: 9 Tiere wurden in einem Erdferkelbau im Same-Park ge- fangen; diese Höhle diente den Tieren als Tagesquartier. Höhenlage ca. 1000 m. 6 wei- tere Tiere stammen aus einer unterirdischen Höhle bei Lembeni, die ebenfalls als Tages- quartier benützt wurde. 9 Fledermäuse der gleichen Art wurden unter dem Dach eines Abzuges in Kidugallo gefangen; drei weitere unter dem Dach einer Afrikanerbehau- sung; Höhenlage ca. 300 m. Nycteris hispida (SCHREBER) Vespetilio hispidus SCHREBER, Säugethiere, 1, 169, 1774 Material: 2 && und 2 ?P von Lembeni (Same-Distrikt); (28. 6., 3. 7., 6. 9., 19257 Kat. Nr. 592975932, 594156950. Färbung: Am Rücken dunkelbraun; Haarbasıs schwärzlich, Mittelabschnitt weiß und Spitzen braun. Bauchseite etwas heller als der Rücken; Flughäute und Ohrmuschel dunkelbraun. Verbreitungsgebiet: Die Nycteris hispida-Gruppe (hispida-aurita) ist von der ostafri- kanischen Küste, Sansibar, dem Rufiji Delta, der östlichen Provinz, vom Viktoria-See, Seren- geti-Park und von den Usambara-Bergen bekannt. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 4 Tieren); Kopf-Rumpf 52,6 (52-53); Fuß 9; Ohr 25,3 (25-26); Unterarm 41,3 (39,3-43,7).° Freilandbeobachtungen: Alle Tiere wurden auf einer Sisalpflanzung in den Zwei- gen von Bäumen gefangen; Umgebung Buschland, Höhenlage ca. 1000 m. Nycteris thebaica (E. GEOFFROY) Nycteris thebaicus E. GEOFFROY, Descr. Egypte, 2, 119, 1818 Material: 1 2 von Lembeni (Same-Distrikt); (10. 7. 1957). Kat.-Nr. 5930. Färbung: Rücken einheitlich dunkelbraun; an der Ohrbasiıs und am Kopf in röt- lichbraun übergehend; Bauchseite heller als der Rücken. Haarbasıs dunkelbraun, Spitzen hellbraun; Flughäute und Ohrmuscheln braun. Verbreitungsgebiet: Die Nycteris thebaica-Gruppe (-aurantiaca DE BEAUX, -capensıis, -revolii) ist an der ganzen ostafrikanischen Küste, auf Sansibar, in den Usambara- und Ulu- gurubergen, in der östlichen Provinz, im Hochland des Kilimanjaro, am Viktoria-See und im Südwesten bis zum Nyasa-See verbreitet. Maße: (Schädel defekt); Kopf-Rumpf 52; Fuß 10-2 Ohr 31. Unterarm #1; Schwanz 50. Freilandbeobachtungen: Das Tier wurde bei Nacht während des Fluges in einer Afrikaner-Behausung gefangen; Höhenlage ca. 1000 m. Megaderma cor (PETERS) Megaderma cor PETERS, Mber. preuß. Akad. Wiss. Berlin, S. 194, 1872 Material: 3 8 & und 13 22 von Lembeni (Same-Distrikt); (29. 9., 9. 11., 23. 11. 0937,03. 1., 351. 1958592 1..1959), Kae Nr. 59085921) 6046, 6047. 5 &ö und 3 ?P? vom Same-Park (Same-Distrikt); (20. 5., 1. 6. 1957). Kat.-Ntr. 5897-5904. 3 5& vom Ruvu-River (Same-Distrikt); (8. 8. 1957). Kat.-Nr. 5905-5907. 6 Ein Vergleich mit den von D. L. Harrıson in Ostafrika gesammelten Tieren ergab, daß das vorliegende Material biometrisch zwischen den Arten Nycteris hispida und N. aurita liegt. Harrıson (1957) konnte nachweisen, daß in Tanganyıka ein Übergang zwischen den beiden Formen erfolgt. 168 E. Kulzer Färbung: Rückenhaare blaugrau bis braungrau; Haare auf der Bauchseite an der Basis grau, Haarspitzen weißlich bis gelblich. Verbreitungsgebiet: An der ostafrikanischen Küste, im Hochland und in der östlichen Provinz. | Maße: (Mittel- und Extremwerte von 27 Tieren); Kopf-Rumpf 72,9 (66-79); Fuß 17,5 (16-19); Ohr 38,1 (35-41); Unterarm 53,3 (50,5-56,5). Freilandbeobachtungen: Die Tiere wurden tagsüber in einer Höhle, ferner in einem Erdferkelbau, in einem hohlen Baobab-Baum und unter dem Dach eines Afri- kaner-Hauses gefangen; Höhenlage ca. 900 m. In dem Erdferkelbau hatten 6 Tiere mit einem Jungen ihr Tagesquartier. Am Ruvu-River bewohnten die Tiere ebenfalls eine Höhle (Höhenlage ca. 670 m). Ferner wurden in einer unterirdischen Höhle im Samepark zahlreiche Tiere dieser Art beobachtet. Lavia frons rex (MILLER)? Lavia rex MiLLER, Proc. Biol. Soc. Wash., 18, 227, 1905 Material:2 && und 1Q von augallo (Morogoro-Distrikt); (8.12,, 20.12.1957). Kat.-Nr. 5922-5924. Färbung: Das lange dichte Haar ist am Rücken blaugrau bis olivfarben; 5 & ven- tral dunkelgrau; 2 blaugrau mit gelbbraunen Haarspitzen. Verbreitungsgebiet: An der ostafrikanischen Küste, in den Hochländern, in der Seen- provinz und in der östlichen Provinz. Maße: (Mittelwerte von 2 && und Werte des 2); Kopf-Rumpf 66 61; 9 72; Fuß 58 16; 2 17;Ohr 568 40; 2 41; Unterarm dd 56; 258. Freilandbeobachtungen: Die beiden 5 ö wurden in einer Kokospalme (Höhen- lage ca. 300 m), das $ in den Zweigen eines Mandelbäumchens beobachtet. Hipposideros caffer caffer (SUNDEVALL) Rhinolophus caffer SunpevaLı, Ofvers. Vetensk. Akad. Förh. Stockholm 3, 118, 1846 Material: 7 86 und 5 ?2 von Same-Park (Same-Distrikt) und von Lembeni (Same-Distrikt); (12. 5., 2. 6., 30. 6. 1957). Kat.-Nr. 6002-6011, 6056, 6057. Färbung: Dorsal dunkelbraun, ventral graubraun, heller als der Rücken. Ein Tier ist auf der Rückenseite rotbraun. Verbreitungsgebiet: An der ostafrikanischen Küste, in den Hochländern und in der öst- lichen Provinz von Tanganyıka. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 12 Tieren); Kopf-Rumpf 49,7 (47-51); Fuß 7,8 (7-8); Ohr 14,4 (13-15); Unterarm 46,3 (43,8-48,0). Freilandbeobachtungen: Die Tiere wurden in einer unterirdischen Höhle bei Lem- beni, ferner in einer Höhle im Same-Park gefangen. In beiden Höhlen wurden größere Populationen dieser Art beobachtet; Höhenlage 700-900 m. Zwei Tiere wurden im Same-Park in den Zweigen eines Baumes erlegt; Höhenlage 300 m. ? Die Maße der drei untersuchten Tiere liegen an der unteren Grenze für die ostafrikanische Rasse. L. frons rex MıLLEr; sie nähern sich der in Nordost-Afrika verbreiteten Form L. frons affınis ANDERSEN und WROUGHTOn. Es ist anzunehmen, daß auch hier Übergänge vorhanden sind. FRECHKOP (1944) und VERSCHUREN (1957) lehnen auf Grund ihrer Untersuchungen in der ehemaligen Kolonie Belgisch Kongo die Aufgliederung der Art in eine west- und nord- ostafrikanische Rasse (L, frons frons und L. frons affınis) ganz ab und führen die Größen- unterschiede auf die Geschlechter zurück. Nur die Art Z. Frons E. GEoFFROY soll aufrecht erhalten werden. Fledermäuse aus Tanganyıka 169 Abb. 1. Schädel von Hipposideros commersoni gigas (WAGNER); Nr. 5960 3,5970 9, 5972 2. Auch in der Gestalt des Schädels unterscheiden sich die beiden Geschlechter. Die Crista sagit- talis externa ist bei den adulten & 5 kammartig erhöht und besonders kräftig; sie teilt sich am vorderen Abfall des Hirnschädels und zieht als Crista frontalis beiderseits bis zum Rand des Jochbogens Hipposideros commersoni gigas (WAGNER) Rhinolophus gigas WAGNER, Arch. Naturgesch. 11, (1):148, 1845 Material: 8 8 ö und 12 PP von Tanga (Tanga-Distrikt); (24. 9.1957, 25. 1.1958). Kat.-Nr. 5954-5972, 6045. Färbung: Dorsal dunkelbraun; Nacken und Kopfregion heller; weiße Längsbinde ventral vom Ansatz des Propatagiums. Auch die Flanken sind heller und deutlich gegen den Rücken abgesetzt. Ventral gelblich grau; Flughäute schwarzbraun. 170 E. Kulzer Verbreitungsgebiet: An der ostafrikanischen Küste bei Tanga Maße: und Extremwerte von 19 Tieren); Kopf-Rumpf ö& 125, (118 bis 130); @9 114 (108-123); Fuß && 23,7 (23-25); 29 22,6 (22-24); Ohr &d 35 (34-36); 22 32,8 (32-35); Unterarm $ dä 107 (100-112); PP? 104 (99-111). Freilandheoba Die Tiere wurden in großer Zahl an der Decke einer unterirdischen Höhle beobachtet. Tabelle 1 Schädelmaße von Hipposideros commersoni gigas Sc Micttel- | Mittel- | werte | Extremwerte werte | Extremwerte Größte Länge von Ct} 40,5 38,3—42,7 37,4 36,0—39,0 Jochbogenweite 22,9 ..21,1—23,38 20,7. 1952793 Obere Zahnreihe von C 13,9 13,6—14,4 13,5 13,0—14,0 Untere Zahnreihe von C 15,8 15,2—16,4 15,1 15,0—15,9 Äußerer Abstand der letzten oberen Molaren 14,5 14,0—15,1 13,9 12,9—14,4 Äußerer Abstand der oberen Caniıni 11,0 10,2—11,7 9,9 9,5—10,3 1 C= Caninus Pipistrellus nanus nanus (PETERS) Vespertilio nanus PETERS, Reise Mosamb., Säugeth. S. 63, 1852 Material: 6 8 Ö& und 7 2? von Lembeni (Same-Distrikt); (17. 6., 21. 6., 27. 11. 1957). Kat.-Nr. 5984-5993, 6051-6053. Färbung: Dorsal det bis schwarzbraun; ventral graubraun. Haare an der Basis schwarz, an den Spitzen dunkel- bis rötlichbraun; Flughäute dunkelbraun. Verbreitungsgebiet: In allen Teilen Tanganyikas, besonders an der Küste des Indischen Ozeans und in den Hochländern. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 13 Tieren); Kopf-Rumpf 41,7 (40-44); Fuß 5; Ohr 10; Unterarm 31,6 (30,5-32,7). Freilandbeobachtungen: Alle Tiere wurden einzeln in den noch eingerollten jun- gen Blättern von Bananenstauden gefangen. Nach diesem eigenartigen Tagesquartier werden sie auch als „Bananenfledermäuse“ bezeichnet. Sie sind typische Kulturfolger und sind über das ganze tropische Afrika verbreitet. Scotophilus nigrita colias (THoMAs) Scotophilus nigrita colias TuoMmas, Ann. Mag. Nat. Hist. (7) 13, 207, 1904 Material: 2 2? von Lembeni (Same-Distrikt); (10. 10. 1957). Kat.-Nr. 6038-6039. Färbung: Dorsal olivfarben bis bräunlich; ventral rötlichgelb, nach den Flanken hin goldgelb. Verbreitungsgebiet: An der Küste und im Hochland (Nord-Paregebirge). Maße: (Mittelwerte von 2 Tieren); Kopf-Rumpf 72, Fuß 10,5; Ohr 15,5; Unter- arm 51,8. Freilandbeobachtungen: Die beiden Tiere wurden in den Zweigen eines Kapok- Baumes auf einer Sisalpflanzung gefangen; Höhenlage ca. 900 m. Fledermäuse aus Tanganyika za Glauconycteris argentatus (DoBson) Chalinolobus argentatus Dogson, Proc. Zool. Soc. London 1875, S. 385 Material: 2 PP? und 1 & (Jungtier) von Kidugallo (Morogoro-Distrikt), ca. 65 km östlich von Morogoro; (12. 12., 23. 12. 1957); Kat.-Nr. 6040-6042. Färbung: Der Rücken der beiden adulten ?? ist graubraun bis rötlichbraun. Die Haare sind an der Basis fast schwarz, in der Mitte weiß und an der Spitze rötlich- braun. Bauchseite ähnlich gefärbt; die Haare auf den angrenzenden Flughäuten sind rötlich. Das 5 (Jungtier) ist wesentlich dunkler gefärbt. An den Flughautansätzen befindet sich je ein Längsstreifen mit weißen Haaren. Verbreitungsgebiet: In der östlichen Provinz (Morogoro, Kilosa); in Südwest-Tanganyika bis Rungwe. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 3 Tieren); Kopf-Rumpf 53 (50-56); Fuß 6,3 (6-7); Ohr 12,8 (12-13); Unterarm 41,2, (40,7-41,5). Freilandbeobachtungen: Ein Tier wurde an einer Kokospalme und zwei in den Zweigen eines Mandelbäumchens gefangen; Höhenlage ca. 300 m. Tadarida (Mops) condylura (A. SMITH) Nyctinomus condylurus A. SMITH, South Afr. quart. J. 2, 54, 1833 Material: 1 8 von Lembeni (Same-Distrikt); (11. 7. 1957). Kat.-Nr. 6028. Färbung: Dorsal schwarzbraun, mit weißlichen Haaren gesprenkelt; ventral median weiß, gegen die Flanken zu in grau übergehend. Flughaut bräunlich und durchscheinend; Ränder gegen den Unterarm zu weıßlich. Verbreitungsgebiet: Südost-Tanganyıka, Zentral-Provinz und im Same-Distrikt. Maße: Kopf-Rumpf 67; Fuß 12; Ohr 17; Unterarm 46,5; Schwanz 46. Freilandbeobachtungen: Das Tier wurde bei Lembeni unter dem Dach einer Hütte gefangen; Höhenlage ca. 900 m. Tadarida (Chaerephon) limbata (PETERS) Dysopes limbatus PETERS, Reise Mosamb., Säugeth. S. 56, 1852 Material: 4 8 ö& und 8 2% von Kidugallo (Morogoro-Distrikt) und von Lembeni Bame Disteiko); (172 10. 41, 125 192590723712719572), Rat. Nr. 60126022,.6030.3 Färbung: Dorsal dunkel- bis schwarzbraun; ventral graubraun mit mehr oder weniger ausgeprägtem weißen Mittelstreifen und helleren Flanken. Am Flughautrand zwischen Achsel und Oberschenkel ein bis zu 5 mm breiter Streifen mit weißen Haa- ren. Die Flughaut ist mit Ausnahme der Schwanzregion bei allen Tieren weißlich und durchscheinend. Verbreitungsgebiet: An der Nordostküste, in der westlichen und in der östlichen Provinz und westlich des Viktoria-Sees. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 11 adulten Tieren); Kopf-Rumpf 57,7 (55-62); Fuß 6,6 (5-8); Ohr 18,1 (17-19); Unterarm 37,3 (36,5-38,2); Schwanz 34,6 52536), Freilandbeobachtungen: 6 Tiere wurden unter dem Dach von Afrikaner-Behau- sungen, 4 Tiere ın einer Bananenstaude und 2 unter den Zweigen eines Busches ge- fangen. 8 Tier Nr. 6012 ist ein Jungtier; es blieb bei den Maßen unberücksichtigt. E. Kulzer Epomophorus labiatus minor Epomophorus wahlbergi pomophorı 8 haldemani Coleura afra Taphozous mauritianus Nycteris macrotis oriana Nycteris hispida Megaderma cor Lavia frons rex Hipposideros cafler cafler” Pipistrellus nanus nanus Scotophilus nigrita colias Glauconycteris argentatus Tadarida (Mops) condylura Tadarida (Chaerephon) limbata Tadarida (Chaerephon) pumila naivashae * Die Zahl der untersuchten Sch: Größte Länge von © 37,7 (37,4—38,0) 45,2 (44,0—46,7) Vz 710 179) 20,4 (19,7—21,0) aa (20.5 2067) 18,2 (18,1—18,4) 26,1 (24,0—27,3) 23,9 (22,5—24,6) 1 (Ayo sozgh) 12 (al ıb)lo)) DE Ro 2166) 10,72 (ao Ilehjo)) 20,9 _ 17,5 (16,8—18,0) 17,4 (17,0—17,6) Tabelle 2 Schädelmaße! Jochbogenweite 2013. (20.0-=21,6) 24,7 = 10,1 ( 9,9—10,4) 11,0 ( 9,9—12,6) 12,4 (41,92 13,1) 10,5 (10,4—10,6) 15,4 (12,8—16,3) 15,3 = 9,0 ( 8,9— 9,2) 7,0 = 13,8 = 9,4 = 13,5 = Moty2 (alle) sr ill.) 10,6 (10,5—10,7) Obere Zahnreihe von © 13,3 (12,8—13,8) 16,0 IK 8,4 ( EL l 63 ( 10,0 ( 8,6 ( 5,7 ( 3,8 ( TE 4,0 ( 7,3 6,3 ( 6,3 ( (15,5—16,3) 6,9— 7,4) ee) No) 6,2— 6,4) 9,7—10,5 ) 8,5— 8,8) 5,5— 5,8) a ) ed) A) 6,0— 6,4) 6,1— 6,5) idel entspricht der im Text vermerkten Zahl der untersuchten T Die Schädelmaße von Hipposideros commersoni gigas sind in Tab. I für die beiden Geschlechter getrennt angeführt. Untere Zahnreihe von C 14,3 17,6 7,3 9,4 7,9 (14,0—14,6) (17,0—18,3) ( ( ( ( (el a) ( ( ( ( ( iere. ol 9,2— 9,8) 7,6— 8,5) 6,6— 6,7) 9,1— 9,6) Außerer Abstand der letzten oberen Molaren 10,3 (10,0—10,9) 13,5 8,1 8,0 8,3 6,8 9,4 5,8— 6,0), 3,7 Al) 7,9— 8,3) 4,3— 4,5) | 6,5— 7.0) | | 037.0) RT (13,3— 13,8) 7,8— 8,4) 7.4 947) 8,0— 8,9) 6,8— 2 Ep 4,5— ( ( ( ( .( 8,9—-10,1) ( ( ( ( ( 6,9) 8,9) 6,2) Außerer Abstand der oberen Caninı 7,0 8,9 (6,0— 7,4) (8,9—9,0) an (3,2—4,0 (4,5—5,7 (4,2—5,7 (4,3—5,3 ) ) ) (4,0—4,4) ) ) (3,4-—3,7) ) (3,2—3,6 (3,8—4,0) (3,9—4,8) Fledermäuse aus Tanganyika 1 Tadarida (Chaerephon) pumila naivashae (HoLLISTER) Chaerephon pumilus naivashae HoLLISTER, Smithonian Misc. Coll. 66, No. 1, S. 4, 1916 Material: 3 & & und 6 2? von Lembeni (Same-Distrikt); (12. 6., 17. 6., 25. 6., 907702272 17: 1021952). Rat.-Nr. 60236027, 6029,.6031, 6054, 6055.2 Färbung: Dorsal dunkel- bis schwarzbraun, ventral graubraun und Flanken weiß- lich. Flughautansatz zwischen Achsel und Oberschenkel mit einem Streifen weißer Haare. Flughäute bei allen Tieren bräunlich. Verbreitungsgebiet: An der ostafrikanischen Küste, im Pare-Gebirge, am Kilimanjaro und am Viktoria-See. Maße: (Mittel- und Extremwerte von 8 adulten Tieren); Kopf-Rumpf 58,1 (55-64); Fuß 8,7 (8-9); Ohr 18,7 (18-20); Unterarm 37,7 (36-40); Schwanz 31,7 (21--35).10 Freilandbeobachtungen: 7 Tiere wurden bei Lembeni (Höhenlage ca. 900 m) unter dem Dach einer alten Hütte und 2 unter den Ästen eines Baumes gefangen. x C. Zur Ökologie ostafrikanischer Fledermäuse Der Versuch, die afrıkanischen Fledermäuse nach ökologischen Gesichtspunkten zu er- fassen, wurde mehrfach unternommen (Lang und Chain, 1917; EISENTRAUT, 1941, VERSCHUREN, 1957, KuLzer, 1959). LAnG und CHaPpin hatten während ihrer Kongo- Expedition nach den Bezie- hungen zwischen den ver- schiedenen Lebensräumen und den dort lebenden Fleder- mäusen gesucht, jedoch mit Ausnahme der Megadermati- den und Rhinopomiden eine annähernd gleichmäßige Ver- teilung der Arten in den ver- schiedenen Landschaftstypen angetroffen. Im tropischen Regenwald sind die Lebens- bedingungen für die frugi- voren und für die insekti- voren Fledermäuse besonders günstig. Gleichmäßige Tem- peratur und Luftfeuchtigkeit, reichliches Nahrungsangebot und gute Versteckmöglich- keiten schaffen den Tieren v hier einen nahezu idealen ver en. Lebensraum. Ähnlich liegen Abb. 2. Epomophorus wahlbergi haldemanı (HALoWELL); die Verhältnisse auch noch in links Q, rechts & 9 Ein Jungtier hat eine Unterarmlänge von 33 mm; es besitzt noch vier stark nach rück- wärts gekrümmte obere Incisivi des Milchgebisses. Die definitiven Zähne liegen unter der Schleimhaut; im Oberkiefer sind deutlich zwei Praemolaren und drei Molaren zu erkennen. 10 Die beschriebenen Tiere nehmen biometrisch eine Mittelstellung zwischen den von Horrr- STER (1918) im Sudan und in Eritrea gefangenen Fledermäusen der Rasse 7. pumila pumila und den in Kenia lebenden Tieren der Rasse 7. pumila naivashae ein. Ihr Unterarm ist im Mittel kürzer (37,7) als bei den von Horuister in Kenia gefangenen Tieren (40,2); ihr Schädel ist dagegen größer (16 mm Condylobasallänge) als der von T. pumila pumila (14,9 mm). 174 E. Kulzer den Galeriewäldern, die weit in die offenen Landschaften hineingreifen. Savannen und Steppen besitzen dagegen für Fledermäuse wesentlich ungünstigere Lebensbedingungen. Die a: sicheren Tagesquartiere sınd hier alte hohle rs oder kleine Erdhöhlen und das Nahrungsangebot ist meist nur ın der Nähe von Wasserstellen günstig. Da das Buschland in Afrika fast überall regelmäßig abgebrannt wird, verarmt ne die In- sektenfauna und damit das Nahrungsangebot vorübergehend so stark, daß die Fleder- mäuse in günstigere Biotope abwandern. Unter diesen Umständen kann es sogar zu größeren Ansammlungen an Flußläufen oder ın der Nähe menschlicher Behausungen kommen. Als entscheidender Faktor bei der Besiedelung eines Raumes durch Fleder- mäuse erweistsichnach LanG und CHapm (1917) TE das Vorhandensein geeigneter Tagesquartiere, 77 z. B. Höhlen, Felsspalten, verlassene Behausun- gen, hohle Bäume oder schattige, nicht dem direkten Sonnenlicht ausgesetzte Orte. Hier ent- r, stehen in den Tropen Kolonien aus Hunderten, 7 Ya oft sogar aus Tausenden von Fledermäusen. mu Gute Tagesquartiere werden von den Tieren 7 über Jahrzehnte beibehalten; schlechte werden dagegen häufig gewechselt. Unter dem günstigen Klıma des tropischen ıd Regenwaldes reifen Früchte zu allen Jahreszei- ten; wır finden deshalb hier mehr Flughunde (Megachiroptera) als in den anderen Gebieten mit klımatischem Jahreszeitenwechsel. Die Flug- hunde haben aber auch im Regenwald keine für längere Zeiträume festgelegten Tagesquartiere, da ihr Bedarf an Früchten sehr groß ist, sobald sie ın größeren Schwärmen auftreten. Ihre vaga- bundierende Lebensweise wird wohl in erster Abb. 3. Epomophorus-Flughunde ver- x o 7 sen den Ts uf Bine char Linie durch die Nahrungssuche verursacht. Nur sen ın Schlafstellune einzeln oder in ın Obstpflanzungen halten sıe sich tage- oder kleinen Schwärmen gar wochenlang auf. Einen Überblick über die Okologie der zen- tralafrıkanischen Chiropteren gibt VERSCHUREN (1957). Seine Untersuchungen er- strecken sich auf das Gebiet des National-Parkes von Garamba in der ehemaligen Kolonie Belgisch-Kongo. VERSCHUREN führt eine Klassıfıkation der Fledermäuse in bezug auf die einzelnen ökologischen Faktoren, des Mikroklimas der Tagesquartiere sowie der geographischen und botanischen Gegebenheiten des Lebensraumes, durch. Der Begriff des Mikrobiotopes wird hier auf die Tagesquartiere beschränkt, da die nächtliche Aktivität der Tiere in ihrer Umgebung nicht ohne weiteres beobachtet wer- den kann. VERSCHUREN unterscheidet zwei Typen von Tagesquartieren: 1. Tagesquartiere, die keinen direkten Kontakt mit der Außenwelt haben und auch klimatisch nach aufsen hin isoliert sind und 2. Tagesquartiere, die keinerlei Abschluß gegenüber ihrer Umgebung besitzen. Dazwischen gibt es eine Reihe von an rc Nach der Beschaffenheit des Mikrobiotopes werden unter den Fledermäusen „phytophile, lithophile und u Arten unterschieden. Nach lem Verhalten teilt VERSCHUREN die Chiropteren ein: 1. In „Kontaktarten“, die mit we Rü icken oder der Bauchseite mit ihrem Des nne in Pr Kontakt sind und 2. freihängende, meist solitäre Arten, die sich nur mit den Fußkrallen an der Decke ihres Tas quartier es festhalten. Eine entsprechende Gliederung der Chiropteren Ostafrikas war bisher noch nicht möglich, da die in der Literatur zitierten Fundorte nur in wenigen Fällen auf den Mikrobiotop der Tiere hinweisen. Für die von ANDERSEN und von mir in Kenia und Rhinolophidae Hipposideridae Fledermäuse aus Tanganyıka S { Y Tr l 11 nt IT N AR, Taphozous Rousetlus hildegardeae aeg.leachi Coleura afra Ba Megaderma cor Abb. 4. Schema einer Höhle an der Küste des Indischen Ozeans (Meeresniveau), ca. 60 m tief mit mehreren Eingängen. Die Flughunde (Rousettus aegyptiacus leachı) und die Fleder- mäuse der Art Megaderma cor hängen noch in Eingangsnähe; Taphozous hildegardeae und Coleura afra („Kontakt“-Arten) bevölkern den ersten dunkleren Abschnitt der Höhle; ver- schiedene Rhinolophiden und Hipposideriden hängen in den tiefsten völlig dunklen Gängen der Höhle Tanganyıka gefangenen Fledermäuse sowie für einige Arten, deren Tagesquartiere ın der Literatur genau beschrieben sind, soll dies hier erfolgen. Die Tagesquartiere der ostafrikanischen Fledermäuse: a. Große unterirdische Höhlen (Wasser- und Trockenhöhlen) im Gebirge und an der ostafrikanischen Küste. Megachiroptera: Microchiroptera: Rousettus aegyptiacus leachi Rousettus kempi Rousettus angolensis Colenra afra Taphozous hildegardeae Nycteris macrotıs oriana Megaderma cor Rhinolophus hildebrandtii ld den Rhinolophus lobatus Rhinolophus fumigatus exsul Rhinolophus deckenti Hipposideros caffer caffer Hipposideros caffer centralis Hıpposideros commersoni gigas Triaenops afer Miniopterns minor b. Kleine unterirdische Höhlen (biotischen oder abiotischen Ursprungs) Microchiroptera: Nycteris macrotis orıana Nycteris thebaica capensis Megaderma cor Rhinolophus hildebrandtii hildebrandtii FHipposideros caffer caffer Mıiniopterus minor 176 E. Kulzer c. In mensclichen Behausungen Microchiroptera: Nycteris macrotis oriana Nycteris thebaica capensıs Megaderma cor Scotophilus nigrita colias B Tadarida (Mops) condylura Tadarida (Chaerephon) limbata Tadarida (Chaerephon) hindei Tadarida (Chaerephon) pumila naivashae d. In den Zweigen oder an den Stämmen von Büschen und Bäumen Megachiroptera: Epomophorus labiatus minor Epomophorus wahlbergi haldemani Epomophorus wahlbergi wahlbergi Epomophorus anurus Microchiroptera: Taphozous maurıtianus Nycteris hispida Lavia frons rex Megaderma cor Hipposideros caffer caffer (selten) Pipistrellus nanus nanus Scotophilus nigrita colias (selten) Glauconycteris argentatus VERSCHUREN (1957) beschreibt die große Variabilität der Mikrobiotope der zen- tralafrikanischen Arten, vor allem der Familie der Nycteridae. Er folgert daraus, daß es im strengen Sinn keinen Zusammenhang zwischen der systematischen Stellung der Tiere und ihren Lebensräumen gibt. Ähnliche Verhältnisse ergaben sich auch für die ostafrikanischen Formen, von denen nur wenige Gattungen eine offenkundige Bezie- hung zu bestimmten Tagesquartieren aufweisen. Unter den Megachiroptera zeigen die kleinen Flughunde der Gattung Rousettus eine Vorliebe für höhlenartige Tagesquartiere (Kurzer 1958, Linpner 1954), während z. B. die Flughunde der Gattung Epomophorus den Tag stets in den Zweigen von Büschen und Bäumen verbringen und noch niemals in einer Höhle gefunden wurden. Rousettus-Flughunde sind auch in Gefangenschaft während ihrer Ruhephase am Tag ausgesprochen negativ phototaktisch und suchen sıch stets einen dunklen Aufenthaltsort. Im Freien vermeiden sie jedoch die völlig dunklen Abschnitte von Höhlen und besie- deln vorwiegend die Eingänge. Die klimatische Isolierung dieser Tagesquartiere ist noch gering, jedoch werden die Extreme der Außentemperatur gemildert. Die Flug- hunde der Gattung Epomopbhorus müssen die täglichen Temperaturschwankungen im vollen Maße ertragen; ihr einziger Schutz ist das Blätterdach der Bäume. Sie zeigen auch in Gefangenschaft keine Neigung, tagsüber dunkle Orte in ihren Käfigen aufzu- suchen. Unter den Microchiroptera sind deutliche Beziehungen zu höhlenartigen Tages- quartieren nur bei den Familien Rhinolophidae, Hipposideridae und einem Teil der Nycteridae festzustellen. Während die Rhinolophiden und Hipposideriden fast immer die tiefsten Abschnitte der Höhlen bevölkern, die klimatisch gegen die Außenwelt völlig isoliert sind, sind die Nycteriden nicht in so strengem Maße an diese Bedingun- gen gebunden. Sie ziehen verhältnismäßig oft auch in verlassene menschliche Behau- sungen ein z. B. wenig besuchte Lagerschuppen und Hütten. Die Art Nycteris hispida verbringt den Tag sogar in den Zweigen von dicht belaubten Büschen und Bäumen der Galleriewälder oder in Pflanzungen. Zu den „freihängenden“ Höhlenfledermäusen Fledermäuse aus Tanganyıka 1927. Abb. 5. Rhinolophus hildebrandtıi Abb. 6. Megaderma cor (PETERS) hildebrandtii (PETERS) gehören ferner die Gattungen Triaenops und Megaderma. Von den typischen „Kon- takt“-Arten leben in den ostafrikanischen Höhlen große Schwärme von Coleura afra, Taphozous hildegardeae und vereinzelt Miniopterus minor. Mit Ausnahme der Art Megaderma cor bevölkern alle die tieferen Abschnitte der Höhlen, die klimatisch nach außen isoliert und völlig dunkel sind. Megaderma cor konnte ich dagegen noch in den vom Tageslicht erhellten äußeren Abschnitten einer Höhle wiederholt beobachten. Aufgescheucht flogen diese Tiere sofort in die tieferen, völlig dunklen Gänge der Höhle, kamen aber nach einigen Minuten wieder an ihre alten Schlafplätze am Ein- gang zurück. Gelegentlich findet man diese Art aber auch in menschlichen Behausungen und in der Savanne in Erdferkelhöhlen oder in alten hohlen Bäumen. Der Lichtfaktor scheint für die Wahl der Tagesquartiere hier nicht entscheidend zu sein; die Tiere zeigten auch in Gefangenschaft keine besondere Neigung, dunkle Orte in ihrem Käfig aufzusuchen. Zu den primären Höh- len-Fledermäusen gehört auch Nycteris thebaica, eine in ganz Afrika weit verbreitete Art. In der Wahl der Tagesquartiere zeigt diese Art ein beson- ders großes Anpassungs- vermögen. Wir haben sie a b in kleinen unterirdischen Höhlen, an Orten mit Abb. 7. Verschiedene Tagesquartiere von Nycteris thebaica (E. GEOFFROY) in Ostafrika. a. Unter dem Strohdach einer vollkommener Klimaiso- Fun verlassenen Afrikaner-Behausung; b. in einem Lagerschuppen; lation, ferner in leerste- c. in einer unterirdischen Höhle (ca. 5 m tief) in der Massai- henden dunklen Afrika- Steppe © 178 E. Kulzer ner-Behausungen und unter den Dächern von wenig besuchten Lagerschuppen gefan- gen. Die Art Nycteris macrotis oriana wurde von ANDERSEN ebenfalls in kleineren unterirdischen Höhlen, unter einem Dach und in größerer Zahl (mit Jungen) in der Höhle eines Erdferkels gefangen. Nach den Untersuchungen von VERSCHUREN ist ein Erdferkelbau gegenüber der Außen- welt klimatisch völlig isoliert und bietet den Fledermäusen tagsüber auch Schutz vor anderen Tieren. Die Höhle besteht in der Regel aus einer mehrere Meter langen unterirdischen Röhre von etwa 50 cm Durchmesser mit nur einem Eingang. Auch das Erdferkel ist ein nachtaktives Tier, was sicherlich mit die Ursache dieser eigenartigen Wohngemeinschaft ist. VERSCHUREN (1957) gibt als Tagesquartier für die nahe verwandte Art Nycteris luteola ebenfalls die Erd- ferkelbauten im Nationalpark von Garamba an. Zu den Kulturfolgern unter den ostafrikanischen Fledermäusen gehören vor allem die verschiedenen Arten der Gattung Tadarıda, z. B. T. (Mops) condylura, T. (Chae- rephon) limbata, T. (Chaerephon) hindei, T. (Chaerephon) pumila naivashae. Diese Tiere leben ın Kolonien bis zu mehreren hundert Individuen in den Mauer- spalten und in den Ritzen zwischen Dachgebälk und Dachziegeln oder unter Wellblechdächern von menschlichen Behausun- gen. Ich habe sie verschie- dentlich unter Dächern beobachtet, die tagsüber der vollen Sonnenein- strahlung ausgesetzt sind. Bei all diesen Arten han- Abb. 8. Tadarida (Mops) condylura (A. SMITH) delt es sich um typische „Kontakt“ - Fledermäuse, die ständig mit den Wänden ihres Tagesquartieres in Berührung sind und sich bei Gefahr sofort in schmale Mauerspalten zurückziehen. Zu den Kontakt-Fledermäusen, die ebenfalls menschliche Behausungen als Tagesquartiere wählen, gehört ferner die Art Scotophilus nigrita colias. ANDERSEN konnte zwei Tiere dieser Art auch in den Zwei- gen eines Baumes fangen. Ein weiterer Kulturfolger ist schließlich die Art Pipistrellus nanus nanus. Ihr Name „Bananenfledermaus“ nımmt Bezug auf ihr eigenartiges Tagesquartier in den einge- rollten jungen Blättern von Bananenstauden. Zu den Charakter-Fledermäusen der offenen Landschaften gehört vor allem die Art Lavia frons (Megadermatidae). Man beobachtet sie in den Zweigen von niedrigen Akazienbäumen, in Dornbüschen entlang von Flußläufen oder an Wasserstellen. HorwLiıster (1918) berichtet, daß diese Tiere schon am hellen Tag Jagd auf Insekten machen. Lavia frons gehört „ somit zu den Fledermäusen, die mit Ausnahme des Baumschattens den Tem- peraturschwankungen und der Sonnen- einstrahlung in vollem Maße ausge- setzt sind. Das Tagesquartier von Lavia frons hat große Ähnlichkeit mit den Schlafplätzen verschiedener Flug- hunde (Megachiroptera) und stellt öko- Abb.9. Tagesquartier von Tadarida (Chaerephon) logisch einen Parallelfall unter den limbata und Tadarida (Mops) condylura Fledermänse aus Tanganyıka 179 Mikrochiropteren dar. Diese eigenartige Lebens- weise von Lavia frons ist in ihrem ganzen Ver- breitungsgebiet, von der afrıkanischen Westküste bis nach Äthiopien und vom Sudan bis nach Nord- rhodesien, bekannt. Ähn- lich sind die Verhältnisse bei der Art Nycteris his- pida, die an niedrigen ._ DET OL, _ H Abb. 11. Lebensraum von Lavia frons (E. GEoFFroy). Die Tiere hängen tagsüber einzeln. in den Zweigen von Schirmakazien oder dicht belaubten Dornbüschen vor allem in der Nähe von Wasservorkommen 180 E. Kulzer Zweigen im Buschland und in der Savanne den Tag verbringt; sie bevorzugt dabei das dichte, noch schattenspendende Gebüsch. Von den „Kontakt“-Fledermäusen fanden wır an Baumstämmen und an Zweigen die Art Taphozons mauritianus, die aber auch Afrikaner-Behausungen als Tagesquar- tier wählt. ANDERSEN fand ferner die Art Glauconycteris argentatus an einer Kokos- palme und in den Zweigen eines Mandelbäumchens. Die verschiedenartigen Tagesquartiere der ostafrikanischen Fledermäuse zeigen bis heute keinen einheitlichen ökologischen Faktor, der für die Wahl der Tagesquartiere ausschlaggebend ist. Die einzelnen Gattungen und Arten stellen teilweise ganz unter- schiedliche Ansprüche; wir finden sie in Höhlen mit vollkommener Klimaisolation und Dunkelheit, unter Hausdächern, in Strohhütten und Lagerschuppen und in Büschen und Bäumen, dem direkten Sonnenlicht und den täglichen starken Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen ausgesetzt. Es ist deshalb anzunehmen, daß hier bereits eine weitgehende Spezialisierung und Anpassung an bestimmte Lebensräume erfolgt ist. Ein genaueres Studium der ökologischen Verhältnisse ist notwendig, um die Be- ziehungen zwischen den verschiedenen Familien und ihren Biotopen zu klären. Zusammenfassung 1. Die von TH. ANDERSEN in Tanganyıka gesammelten 17 verschiedenen Formen von Chi- ropteren, ihre Verbreitung in Tanganyika und Freilandbeobachtungen werden beschrieben. 2. Ein Vergleich der Fundorte und der Tagesquartiere der von ANDERSEN und mir gesammelten Arten zeigt, daß nur in wenigen Fällen deutliche Beziehungen zwischen der systematischen Stellung der Tiere und ihrem Lebensraum bestehen. Die einzelnen Gattungen und Arten stellen oft ganz unterschiedliche Ansprüche an ihre Tagesquartiere. Unter den Megachirop- tera sind die Flughunde der Gattung Rousettus Höhlenbewohner; Flughunde der Gattung Epomophorus verbringen den Tag dagegen auf Bäumen. Von den Mikrochiroptera sind die Gattungen Rhinolophus, Hıpposideros, Triaenops und Coleura zu den primären Höhlen- fledermäusen zu rechnen. Nur selten findet man sie in anderen Lebensräumen. Die Tages- quartiere der Gattungen Megaderma, Nycteris, Taphozous und Scotophilus sind unter- schiedlich. Erdhöhlen, Baumhöhlen und Dächer menschlicher Behausungen werden bevor- zugt. Als Kulturfolger zeigen sich verschiedene Arten der Gattung Tadarida, ferner die Bananenfledermaus Pipistrellus n. nanus. Als Parallele zu den in Bäumen lebenden Mega- chiroptera treten unter den Mikrochiroptera die Arten Lavia frons und Nycteris hispida auf. Literatur ArLen, G.M. (1939): A checklist of African Mammals; Bull. Mus. Comp. Zool. Harv. 83, 1. — ALLen, G. M. (1911): Bats from British East Afrika. Bull. Mus. Comp. Zool. Harv. 54, 321. — AıLen, G. M. and Lovzrıpgez, A. (1927): Mammals from the Uluguru and Usambara Moun- tains, Tanganyika Territory. Proc. Boston Soc. Nat. Hist. 38, 413. — Aıren, G. M. and LovEripGe, A. (1933): Reports and scientific results of an expedition to the southwestern highlands of Tanganyika Territory, 2. Mammals; Bull. Mus. Comp. Zool. Harv. 75, 47. — Arten, G. M. and Loveriıpge, A. (1942): Scientific results of a fourth expedition to the forested areas in East and Central-Africa, 1. Mammals, Bull. Mus. Comp. Zool. Harv. 89, 147. — Arten, G. M. and LAwrENcE, B. (1936): Scientific results of an expedition to the rain forest regions of eastern Africa, 3, Mammals; Bull. Mus. Comp. Zool. Harv. 79, 31. — ALLEN, J. A., Lang, H. and J. P. CHarın (1917): The American Museum Congo Expedition collection of bats; Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. 37, 405. — ANDERSEN, RK. (1912): Catalogue of the Chiroptera in the Collection in the British Museum, I Megachiroptera; London. — Correy, H. (1950): Small Mammals ot Kenya; Nairobi. — EISENTRAUT, M. (1941): Beitrag zur Ökologie Kameruner Chiropteren; Mitt. Zool. Mus. Berlin 25, (2), 245. — EisENTRAUT, M. (1958): Beitrag zur Chiropterenfauna Ostafrikas; Veröffentl. Überseemus. Bremen (A) 3, 17. — ELLERMANN, J. R., MORRISON-SCOTT, T. C. S. and R. W. Haymann (1953): Southern African Mammals, 1758-1951, a reclassification; Brit. Mus. (Nat. Hist.). — FRECHKor, $. (1944): Exploration du Parc National de la Kagera, Mammiferes; Inst. Parcs Nat. Congo Belge, Mission G. F. De Witte, fasc. 1. — Granvik, H. (1925): On Mammals of the eastern slopes of Mt. Elgon, Kenya Colony. Mammals collected by the Swedish Mt. Elgon Expedition, 1920; Lunds Univ. Ärsskr. N. F. Avd. 2, 21:1. — Harrıson, D.L. (1957): Some observations on the relationship between the afrıcan slit-faced bats Nycteris hispida Schreber and Nycteris Notes sur les dates de Reproduction en captivite du Fennec 181 aurita K. ANDERSEN; Durban Mus. Novit. 5, 17. — HorwLtister, N. (1918): East African Mammals in the United States National Museum. I. /nsectivora, Chiroptera and Carnivora. Bull. U. S. Nat. Mus. 99, 1. — Kurızer, E. (1957): Fledermäuse aus Ostafrika; Über eine Sammlung von Chiropteren aus Kenia und Tanganyıka mit ethologischen und ökologischen Beobachtungen; Zool. Jb. 87, 13. — Kurzer, E. (1958): Untersuchungen über die Biologie von Flughunden der Gattung Rousettus Gray; Z. Morph. Okol. Tiere, Berlin 47, 374. — LinDner, E. (1954): Zoo-Safarı, Bericht der Deutschen zoologischen Ostafrika-Expedition 1951—1952 (Gruppe Stuttgart). — LOVERIDGE, A. (1937): Scientific results of an expedition to the rain forest region on Eastern Afrika. I. Introduction and Zoogeography; Bull. Mus. Comp. Zool. Harv. 79, 481. — MARSHALL, A. J. and P. S. CorgEr (1959): The breeding biology of equatorial vertebrates: reproduction of the bat Chaerephon hindei Tomas at latitude 0° 26° N. Proc. Zool. Soc. London 132, 607. — MATscHIE, P. (1895): Die Tierwelt Ostafrikas, Säugetiere Ostafrikas; Berlin. — MöHRes, F. P. und E. Kurzer (1957): Megaderma, ein kon- vergenter Zwischentyp der Ultraschallpeilung bei Fledermäusen; Naturwiss. 44, 21.— MOREAU, R. E. and PAkenHam, R. H. W. (1941): The landvertebrates of Pemba, Sansibar and Mafıa, a Zoogeographical Study; Proc. Zool. Soc. London 110 A, 97. — SWYNNERTON, G. H. and Hayman, R. W. (1951): A checklist of the Land Mammals of the Tanganyıka Territory and the Zanzibar Protectorate; J. East African Nat. Hist. Soc. 20, 274. — SWYNNERTON, G. H. (1958): Fauna of the Serengeti National Park, Mammalia XXII, 435. — VERSCHUREN, ]. (1957): Ecologie, Biologie et Systematique des Chiropteres; Exploration du Parc Nationaux du Congo Belge; Mission H. DE SAEGER (7), 1-473. (Alle Aufnahmen vom Verfasser) Anschrift des Verfassers: Dr. Erwın Kurzer, Zoophysiologisches Institut der Universität Tü- bingen, Hölderlinstraße 12 Notes sur les dates de Reproduction en captivite du Fennec, Fennecus zerda (ZIMMERMANN 1780) Par Marie-Charlotte SAıNT GIRONS Eingang des Ms. 9. 9. 1961 Depuis l’ete 1956, nous Elevons en captivite un couple de Fennecs, Fennecus zerda. Ces deux individus provenant de la m&me portee ont &te captures au nid dans la region de Beni Abbes (Sahara septentrional) en mai 1956. On sait que, dans la nature, la mise bas a lieu au mois de mars ou au debut d’avril. BREHM, citant une lettre de L.Buvry, Ecrit: «Au dire des indigenes, la femelle met bas, au mois de mars, trois ou quatre petits. Ils naissent aveugles, sont tres gracieux et couverts de poils jauna- tres. La femelle montre pour sa prog£@niture autant de tendresse que le Renard». RenscH (1950) signale que 3 jeunes Fennecs äges d’envi- ron 14 jours ont &t@ trouve&s au) Sahara le 15 ayrıl 1932. Les deux jeunes ont £t£ abondamment nourris: vi- Photo I. Fennec äge d’un mois (Photo Saint Girons) St. Girons en rd, ande crue hachee, insectes (larves de Tenebrio, Orthopteres), fruits. Ils ont ete laisses en lıberte dans une grande piece bien Eclairee ou ıls dısposaient d’un abrı sombre qu’ils gagnaient par un tuyau coude et d’un emplacement garnı de sciure de bois surmont& d’une lampe chauffante. Ils le frequentaient regulierement plusieurs heures par jour!. La temperature dans la piece etaıt maintenue de facon reguliere 2 C (= 2). Les anımaux Etaient su au samment habıtues 2 la presence des observateurs pour ne manıfester aucune crainte mais se laissaient dif- fıcılement manipuler. Au prıntemps 1957, nous n’avons observ& aucune activite sexuelle. Les ındıvidus pourtant semblaient avoir termine leur croissance et se trou- vaıent en bonne sante. Au debut d’avril 1958, les deux indıvidus manifesterent pendant plu- sieurs jours une nette actıvıte sexuelle: poursuite de la femelle par le mäle, vrıl au matin eut lieu unique accouple- la femelle quı s’etaıt brise une patte dut ul maıs ıl est possible que le choc qui en ut pas de parturition. es anımaux s’accouplerent le 7 avrıl, cette fut ers plus precoce. Les anımaux bas le 4 mai un jeune normalement cons- a parturition s’eifectua non dans l’abrı mais sur le plancher nu de la salle d’elevage. Elle fur suivie au bout de quelqaues jours par une seconde periode d’activite sexuelle au cours de laquelle la femelle semblait plus excitee que le mäle qu’elle sollicitait. Cependant, aucun accouplement n’a Ete observe. n 1961, les preliminaires d’accouplement debuterent le 15 fevrier. L’excitation sexuelle Etait plus grande que les ann&es precedentes. Les sons emis par les deux ıindı- vidus en particulier Etaient nettement diiferents de ceux qu’ils emettaient d’ordinaıre. Le 17 fevrier, les anımaux s’accouplent et toute activite sexuelle cesse. Vers le 20 mars, la femelle commence 3 manifester une certaine excitation, grattant derriere les armoi- res et les portes. Le 28 mars, les mammelles pointent & travers la fourrure, la femelle commence & faire preuve vis & vis du mäle d’une faible agressivite. Dans la nuit du 6 au 7 avrıl, la femelle met bas a l’ınterieur du nıd prepare. Pour ne pas risquer de l’affoler, le nıd ne fut ouvert que le 26 avrıl. Il contenait 3 jeunes (1 femelle, 2 mäles) > 7 11 rt . n 2 L > i 1a ues qui ne furent ni peses nı mesur&s pour Eviter toute excitation ine de jours apres ı 7 > - - =. e nette, non suivie d’accouplement. Nous n’avons jamais observe mise bas, les adultes manifesterent une Notes sur les dates de Reproduction en captivite du Fennec 183 Photo III. Fennec adulte (Photo Saint Girons) Nous pouvons resumer ces observations dans le tableau suivant. Nous y avons ajoute les donnees recentes fournies par deux auteurs et concernant egalement des individus en captivite. Nos donne&es confirment celles des autres auteurs, sauf en ce qui concerne les dates de la periode de reproduction en captivite. D’apres les observations de PETTER (1957), de Vorr (1957) ainsi que les nötres en 1958, 1959 et, & un moindre degre& 1960, l’accouplement en captivite est plus tardıf que dans la nature oü, sı l’on admet une duree de gestation de 50 jours, l’accouplement se produit en fevrier puisque les jeunes naissent en mars-avril. Par contre en 1961, la date d’accouplement est sensiblement la m&me en captivite que celle observe&e dans la region de Beni Abbes. Ce fait ne semble pas en rapport avec une variation Eventuelle des conditions d’elevage qui sont restes semblables. Il ne semble pas non plus Etre dü a l’äge de la femelle puisque l’individu observe par Vor (1957) bien qu’äge de 7 ans au moins ne s’est accouple qu’en avril. Il est possible que la femelle etudiee par nous, s’habituant aux conditions de la capti- vite, ait, au bout de quelques ann&es, retrouve un cycle sexuel voisin de celcui observ& normalement dans la nature. Resume Notes sur les dates de reproduction en captivite du Fennec, Fennecus zerda (Zimmermann, 1780). | date de date de ınombre de jeunes äge de la femelle duree de la l’accouplement la parturition gestation | 2 ans 7—IV 3 ans 7— IV 4 ans 15 — III 4—V 52 jours 1 5 ans 17 —II 7— IV 50 jours 3 2 ans (PETTER, 1957) 26 — IV 15 — VI 51 jours | 7 ans au moins (Vor, 1957) 12 — IV 1— VI 50 jours 2 K. Ehlers h je e) „ja Summary Data are given on the sexual activity, the duration of pregnancy, the time of birth and the number of pups of a couple of Fennec Foxes, kept in captıvity. Zusammenfassung = Es werden Daten gegeben über Sexual-Akrivität, Tragdauer, Zeit der Geburt und Zahl der Welpen eines Fennek-Pärchens in Gefangenschaft. Literature Breum, A. (1912): Les Mammiferes; edition francaise revue par Gerbe. Paris. — PETTER, F. (1957): La reproduction du Fennec; Mammalıa, 21, 307-309. — Rensch, B. (1950): Beobach- tungen an einem Fennek, Megalotis zerda Zımm. Der Zoologische Garten. N. F. 17, 3040. — Vor, J. (1957): A propos de la reproduction du Fennec; Mammalıa, 21, 454-455. L’adresse de P_Auteur: MARIE-CHARLOTTE Saınt GiIRoNs, Laboratoire d’Ecologie, Brunoy (Seine er Oise), France Ein abnormer Seehund (Phoca vitulina L.) in den „Tiergrotten“ Bremerhaven Von Kurt EHLERS Aus den „Tiergroiten“ Bremerhaven, Direktor: Dr. Kurt Ehlers Eingang des Ms. 17. 6. 1961. Seit 1954 befaßt man sich in den „Tiergrotten“ Bremerhaven ernsthaft mit der Auf-. zuct der sogenannten „Heuler“, junger verwaister Seehunde (Phoca vitulina L.). Bis dahin war diese Aufzucht ein Problem, da neben den physiologischen Schwierig- keiten — Seehundsmilc hat ca. 43%o Fertgehalt — sıch einer Aufzucht noch weitere unbekannte Faktoren entgegenstellten. Das Schrifttum konnte nur über einzelne Teil- erfolge berichten. Innerhalb von fünf Jahren war es durch planvolle Versuche und Beobachtungen in unserer „Heuler-Aufzucht-Station“ endlich möglich, eindeutige An- weisungen zur Aufzucht dieser Robbenkinder zu geben. Sie wurden unter dem Titel „Lebendiges Strandgut“ im „Orion“ 1960, S. 357-364 veröftentlicht. Als wir ım Juli 1958 schon wieder eine 20 Köpfe starke „Heuler“-Herde hatten, überbrachte uns Herr Kreisjägermeister Dr. HorFMEYER, Bremerhaven, zwei weitere, die schon etwa zwei Wochen alt und daher bereits kräftiger, aber wie die anderen 20 noch nicht in der Lage waren, selbständig Nahrung aufzunehmen. Sie mußten also zwangsgefüttert werden. Von geringen Farbabweichungen im Grundton des seidig schımmernden Pelzes und der Fleckungsweise abgesehen, gleichen die kleinen „Heuler“ sich äußerlich weit- gehend. Selbstverständlich spielen Alter und Gesundheitszustand in einem solchen „Seehunds-Säuglingsheim“ eine besondere Rolle für das Erscheinungsbild. Daher war unser Erstaunen darüber groß, daß einer der beiden letzten Ankömmlinge nahezu einfarbig schwarz war. Seine Haut war im ganzen dunkel-schiefer-grau-bräunlich, faltig-schrundig und ohne Pelz. Nur am Halse, hinter den Schultern und dem Kopf- Ein abnormer Seehund 185 Abb. 1. Der „Schwarze“ inmitten normaler Heuler, 1958 (Aufn. Tiergrottenarchiv) ende fanden sich kleine Haarinseln, die aber bis auf die Unterhalspartie sehr dürftig, hellbräunlich waren und keine Ähnlichkeit mit dem üblichen Seehundshaar hatten. Der sonst kugelige Kopf, der bei den Seehunden durch die dunklen großen runden Augen und den Schnauzbart sein typisch treuherzig-liebenswertes Gesicht erhält, ist bei unserem „Schwarzen“ ganz anders. Sein Kopf ist flacher. Seine Augen sind zwar noch dunkler als sonst bei Seehunden, aber nicht so rund, sondern mehr mandelförmig, dabei glanzvoll feucht und reaktionstüchtig. Dadurch fehlt ihm aber das typische, ein wenig neugierig blik- kende, treuherzige See- hundsgesicht.. Das des „Schwarzen“ wirkt eher unfreundlich, fast lau- ernd und unwillig starr, stumpf-muffelig — noch heute ist es so. Seine Gliedmaßen sınd funktionstüchtig; er ıst auf dem Trockenen ge- schickt und kann auch gut schwimmen und tauchen. Sein Hörvermögen muß gut sein, denn selbst wenn er mich nicht kom- men sieht, reagiert er auf meinen Anruf „Schwar- zer“ sofort. Er ist sehr anhänglich, und wenn ich Heringe bei mir habe, geht er mir nicht von Abb. 2. Der „Schwarze“ ıst fast völlig haarlos und ohne Zeich- nung; er zieht die Augen zu Schlitzen zusammen (Aufn. Dr. ERrNA MoHRr, 13. 4. 1961) 186 K. Ehlers Abb. 3. Oben: Der „Schwarze“ kurz nach seiner Einlieferung in die Tiergrotten; nur handtellergroße schwachbehaarte Inseln zeigen sich an Kopf, Hals und Vorderrumpf; er hat noch den stumpfen Kinderkopf (Aufn. WERNER SIERTS). — Unten: Der dreijährige „Schwarze“ hat rechts nur noch an der Kehle eine Haarinsel; an der linken Körperseite blieben einige mehr be- stehen. Er kneift nach wie vor die Augen zusammen (Aufn. Dr. Erna Mohr, 13. IV. 1961) der Seite und würde mich überallhin begleiten. Das sei erwähnt, da man sich wegen seines ungewöhn- lichen Aussehens natür- lich viele Gedanken über seinen physischen und psychischen Gesundheits- zustand machte. So dachte man an „Mongolismus“, was den Gesichtsaus- druck des „Schwarzen“ recht treffend kennzeich- net. Über die ev. Ur- sachen kann man heute noch gar nichts aussagen. Nun ıst über den physiologisch bedeutsa- men Hauptpunkt zu be- richten: Nahrungsaufnah- me, Verdauung und Nah- rungsverwertung. Nun, der „Schwarze“ kam im Alter von ca. zwei Wo- chen als „Heuler“ in die „Tiergrotten“. Wie allen anderen kleinen Artgenossen wurden ihm Tag für Tag, Monat für Monat durch Tierpfleger die Heringe mit der Hand eingegeben, bis sie alle die zugeworfenen Heringe im Wasser selbständig auf- nahmen. Nur 21 der 22 „Heuler“ verletzten beim Füttern die Hände der Tierpfleger mit den Zähnen. Nur der 22., unser „Schwarzer“, war den Pflegern angenehm, da ihm die Heringe ohne schmerzhafte Handverletzungen eingegeben werden konnten. Seine Zähne waren nicht gekommen, kamen auch nicht im weiteren 1., nicht im 2. und ebensowenig im 3. Lebensjahr. Dabei hatte er längst gelernt, im Wasser Nahrung zu fangen. Er entwickelte sich ausgezeichnet und fiel ın keiner Weise gegenüber den anderen „Heulern“ ab. Wesen, Aussehen, Gesicht sind unverändert wie am ersten Tage. Noch jetzt, mit drei Jah- ren, lebt er bei uns, ohne Zähne — wie das Röntgenbild zeigt — die Zahnanlagen fehlen völlig, er bekommt also auch nie Zähne. Der „Schwarze“ hat keine Zähne, keinen Pelz, keinen „Seehundsblick“ und sieht so gar nicht nach einem Seehund aus. Solange er lebt, soll er in den „Tiergrotten“ bleiben, und wenn wir die Fragen nach den Ursachen seiner Abwei- chungen nicht am lebenden Tier lösen können, hoffen wir auf ein klärendes Ergebnis bei einer späteren Sektion. Zusammenfassung Die „Tiergrotten“ Bremerhaven bekamen im Juli 1958 einen etwa zwei Wochen alten „Heuler“ Abb. 4. Die Röntgenaufnahme lehrt, daß Zahnanlagen völlig fehlen (Aufn. Dr. Kurt VoıGT) Schriftenschau 1977 von Phoca vitulina L., der jetzt 3 Jahre alt und schwarzbraun ist, und der sich gut entwickelte, obwohl er weder Zähne noch Pelz hat. Auch der Gesichtsausdruck weicht von dem normaler Seehunde ab. Summary In July 1958 the „Tiergrotten“ at Bremerhaven recieved an about 2 weeks old Phoca vitulina. Now this harbour seal is three years old and well developed in spite of the fact that it has no teeth and no fur. Too the expression of the face is not that of a normal harbour seal. Anschrift des Verfassers: Dr. Kurt EHLERS, Bremerhaven, Tiergrotten SCHRIEBEN SETTANU WINKELSTRÄTER, KARL H.: Das Betteln der Zootiere. Verlag Hans Huber, Bern und Stuttgart. 92 S., 16 Abb., 14,80 DM. Bei jedem Besuch eines Zoologischen Gartens hat man Gelegenheit, Tiere zu beobachten, wie sie betteln. Das gilt besonders für solche Zoos, die noch kein generelles Fütterungsverbot eingeführt haben. Die Beziehungen, die sich durch das Betteln der Zootiere zwischen Mensch und Tier ergeben, hat der Verfasser, ein Schüler Prof. HEDIGEr’s, eingehend untersucht. Es wurden dabei aber nicht nur Bettelverhaltensweisen berücksichtigt, die „anthropogen“ sind. Rein instinktive Bettelbewegungen (etwa das Futterbetteln von Jungvögeln) werden nicht aufgeführt. „Die Bettelweisen der Tiere im Zoo sind, obschon aus dem angeborenen artspezi- fischen Verhaltensinventar aufgebaut, dennoch stark mit Erlerntem vermischt und unter Ein- wirkung des Menschen entstanden. Sie stellen sich dar als Ausdruck enger Tier-Mensch- Beziehungen, in der Wechselwirkung von Geben und Nehmen oder von Locken und An- streben.“ Unter den Zootieren sind die Säugetiere ausgesprochene Bettler, vor allem die typischen Dauerfresser (Affen, Bären). Dabei wird nicht nur um Futter gebettelt, denn im allgemeinen steht den Zootieren genügend Nahrung zur Verfügung, sondern es gibt noch zahlreiche andere Motive, die Bettelreaktionen auslösen können. Wesentlich wichtiger als der Hunger ist bei den Zootieren der „Appetit“, unter dem der Autor einen „Spezialhunger“ nach verschiedenen Substanzen, die in der Nahrung fehlen, versteht. Außerdem kommen als Bettelmotive noch Ruhe und Schutzbedürfnis, ein soziales Bedürfnis, Kontakt- und Körperpflegebedürfnis, so- wie der Sexualtrieb, Bewegungs- und Betätigungsbedürfnis und der Spieltrieb hinzu. Als Bettelorgan können alle Körperteile „von der Nasenspitze, ja von der Zungenspitze, bis zur Schwanzspitze“ beteiligt sein. Dabei wird unter Organ ein Körperteil verstanden, „der eine bestimmte Funktion, hier also die Bettelfunktion, zu erfüllen hat“. Besondere Organe mit Greiffunktion dienen als Bettelwerkzeuge (Elefantenrüssel, Affenhände, Schwanz der Klammeraffen). Die Bettelmethoden sind sehr verschieden, zeigen jedoch 3 immer wiederkehrende Ten- denzen im Verhalten: 1. möglichst große Annäherung an das Bettelziel, 2. Besucher aufmerk- sam zu machen und zum Spenden zu animieren, 3. Bemühungen, Hindernisse zu überwinden, die zwischen Tier und Wunschziel liegen. Nach der Bettelaktivität kann man zwei Gruppen unterscheiden: die aktiven Bettler, die schon beim Erscheinen eines Besuchers Bettelgebärden zeigen und die reaktiven Bettler, die erst Bettelgebärden zeigen, wenn sie irgend etwas „Verlockendes“ erblicken. Entsprechend der Rangordnungsverhältnisse gibt es auch eine Bettelhierarchie, die sich vor allem in einer Bettelplatzrangordnung ausdrückt. Rangmäßig tieferstehende Individuen ver- suchen oft durch intensives Betteln einen Ausgleich zu schaffen. Ranghöchste Individuen einer Affengruppe bettelten nicht nach Futter, sondern sie „forderten“ es vom Besucher mit ent- sprechenden Drohgebärden. Alle Bettelweisen der Zootiere sind auf assoziatıves Lernen zu- rückzuführen. So drohte z.B. ein frisch importiertes Flußpferd im Zirkus Knie mit aufge- rissenem Maul, wenn sich ihm Menschen näherten. Die Besucher der Tierschau mißverstanden diese Gebärde und warfen dem Tier Futter ins offene Maul. In kurzer Zeit lernte das Fluß- pferd aus dieser nicht gesuchten, zufällig gemachten Erfahrung und bettelte nahende Besucher 188 Schriftenschau mit geöffnetem Maul um Futter an. Es kommt dann zu einem Lernen am Erfolg auf Grund der gesammelten Erfahrungen. Auch die Dressur von Tieren durch den Menschen hat Bedeu- tung für die Ausbildung von Bettelverhaltensweisen. Es sei dabei nicht nur an die plan- mäßige Dressur durch den Tierlehrer gedacht, sondern auch an die unbeabsichtigte Dressur der Zootiere durch die Besucher. Schließlich werden noch die Nachahmung und die Tradızen als Ursache für Bettelweisen genannt. Während des Bettelns Kan plötzlich „zielbedingtes mine: Verhalten“ auftreten. Dabei „werden vor allem die Gedächtnisinhalte verarbeitet, welche sich auf Handlungsformen, auf Umgangsqualitäten beziehen“. So warf z.B. ein Schimpanse, der auf sein Futterbetteln nichts bekam, Steine ins Wasser in Richtung auf den Besucher. Dieses Verhalten setzt aller- dings voraus, daß das Tier „die Gegebenheiten einer neuen Situation zu übersehen und aus- zunutzen und ihr angemessen zu handeln vermag“. Bei Tieren mit hohem Aktivitätsbedürfnis kann das Futterbetteln zum echten Spiel wer- den, dabei werden überschüssige Bewegungs- und Betätigungsenergien abreagiert. Kommt es beim Futterbetteln, also im Nahrungsbereich, zu Konfliktsituationen, so treten Übersprungsbewegungen auf, vor allem aus den Funktionskreisen der Körperpflege und Fortpflanzung. So kratzten sich z.B. Affen heftig, wenn man ihnen Futter vorenthielt. Das Futterbetteln ist für das Zootier die „einzige Möglichkeit einer eigenen Nahrungs- wahl“ zur Stillung eines „Spezialhungers“. Es zeigt sich dabei, daß bestimmte Futterarten be- vorzugt aufgenommen werden. Durch Fütterung der Affen mit dem beliebtesten Futter kam es zu einer Änderung in einer Beliebtheitsfolge des Futters. Diese Umstimmung konnte bis 60 Stunden anhalten. Mit einem elektrischen Aktographen konnten die Unruhe und die Bewegungsenergie beim Futtererwarten und beim Futterbetteln gemessen werden. Es scheint, daß diese Messungen „eine Bestätigung und gleichsam ein experimenteller Nachweis sind, daß das Futterbetteln und seine Vorstufe, die Futtererwartung, von je nach Bedürfnislage mehr oder weniger starken Affekten begleitet sind. Diese beim Betteln auftretenden affektiven Erregungen ver- mögen hinsichtlich ihres Grades u. U. alle anderen zu übersteigen, die im normalen Tages- ablauf im Zootier wirksam werden können“. W. GrunMT, Berlin VIETINGHOFF-RIESCH, A. FRHR. von: Der Siebenschläfer (Glis glis L.). Monographien der Wildsäugetiere Bd. XIV. Verl. G. Fischer, Jena, 1960. 196 S., 51 Abb., 26 Tab., br. 29,10 DM. Durch mehr als zehnjährige intensive Forschung ist es dem Verf. und seinen Mitarbeitern gelungen, so tiefe Einblicke in das Leben des bis dahin nur in Einzelheiten bekannten Sieben- schläfers zu gewinnen, daß dieser Kleinsäuger heute zu einem der bestgekannten Nagetiere gehört. Bei Tausenden von Nistkastenkontrollen in seinen Versuchsrevieren des Deisters konn- ten mehr als 1000 Siebenschläfer individuell markiert und ihre Schicksale oft jahrelang ver- folgt werden. Dadurch wurden erstmalig grundlegende Einsichten in ihre Fortpflanzungs- biologie, Siedlungsdichte und Soziabilität, über Altersaufbau der Populationen, ihre Orts- treue und viele andere Fragen gewonnen. Aus der Darstellung geht eindrucksvoll hervor, in welch hohem Maße auch der aktive Teil des Lebens eines Siebenschläfers von der Dauer seines Winterschlafes bestimmt wird. Eine wesentliche Abrundung als Monographie erhält das Buch dadurch, daß auch die grundlegenden Untersuchungen russischer Forscher am Siebenschläfer, vor allem aus dem Kaukasusgebiet sowie viele morphologische Angaben aus der russischen Literatur mit verwertet wurden. Daneben ist selbstverständlich auch die kulturgeschichtliche und wirtschaftliche Bedeutung des Siebenschläfers ebenso umsichtig behandelt worden. So ist eine abgerundete und nach allen Richtungen durchdiskutierte Darstellung entstanden, die künftig als zuverlässige Grundlage für alle weiteren Forschungen an diesem Tier dienen wird. — Ausgezeichnete Photos aus dem Leben des Siebenschläfers begleiten den Text. — Bei einer hoffentlich bald notwendig werdenden Neuauflage des Buches dürften allerdings einige er- gänzende Angaben über die Verbreitung des Tieres z.B. in Mecklenburg und der Tschecho- slowakei nicht fehlen, und in der Beschriftung der in Abb. 6 wiedergegebenen Skeletteile soll- neben anderen Berichtigungen auch das Geschlecht für die Beckenknochen mit angegeben werden. K. BEcKER, Berlin CURRY-LINDAHL, Kar: Sarek, Sveriges Nationalparker. Verlag Raben & Sjögren, Stockholm, 1960. 56 S., 24 Abb. 3,— Schw.Kr. Sarek ist mit 1900 km? Schwedens und auch Europas größter Nationalpark und beträcht- lich größer als die Insel Oland. Sarekfjäll liegt jenseits des Polarkreises in Lule Lappmark Schriftenschau 189 zwischen 67° und 67° 30’N. Der weitaus größte Teil dehnt sich noch oberhalb der Birken- zone aus. Trotz aller wissenschaftlichen Durchforschung während der letzten anderthalb Jahr- hunderte ist das Gebiet nach wie vor Wildmark, wo die merkwürdigsten Entdeckungen mög- lich sind. Das gutbebilderte nette Heftchen berichtet über Geologie, Vegetationszonen, Klima, Flora und Fauna. -— Von den 20 im Gebiet bekannten Säugetierarten ist nur der Braunbär abgebildet: Charaktertier des Birkenwaldes. Abgesehen von Jahren mit Massenvermehrung ist die Waldspitzmaus das häufigste Säugetier im Sarek-Gebirge, die man weniger sieht als hört, namentlich wenn sich zwei Ale Tex begegnen und bekimpfen Häufig sind auch Erd- maus (Microtus agrestis), Clethrionomys rufocanus, Hermelin und Ren. Die heute in Schwe- den nur noch als halbgezähmte Haustiere vorkommenden Rener sind ein charakteristisches Element im Bild des Sarek-Gebirges. Die Herden halten sich im Frühjahr und Frühsommer im Birkenwald auf, steigen aber im Juni oder Juli ins Fjäll hinauf. Neben den bereits er- wähnten Arten kommen noch vor: Zwergspitzmaus, Wasserspitzmaus, Eichhorn, Berglem- ming, Microtus oeconomus, Schneehase, Wolf, Fuchs, Eisfuchs, Marder, Hermelin, Järv, Otter, Luchs und Elch. Erna MoHr, Hamburg BAUMGÄRTEL, WALTER: König in Gorillaland. Kosmos. Gesellschaft der Naturfreunde. Frankh’sche Verlagshandlung, Stuttgart, 1960. 192 S., 34 Bilder auf 24 Tafeln, 5 Bil- der auf 4 Farbtafeln, 22 Vignetten. Geb. 14,80 DM. Unser Wissen vom Freileben der Menschenaffen ist so beschämend gering, daß auch dieser Beitrag hochwillkommen ist. Verf. leitet in W. Uganda, 10 km vom Revier der Berggorillas entfernt, ein „Urwaldhotel“ und hat somit keine Gelegenheit zu eigenen, planmäßiigen Ver- haltens-Studien. .Dennoch konnte er auf seinen Führungen durch die Bambuswälder der Berggorillas viele wertvolle Beobachtungen machen, darunter folgende: Bei Begegnung mit dem Menschen greift der Gorilla nicht an, solange eine gewisse Distanz eingehalten wird. Der Trupp schleicht sich davon, während der alte Gorilla-Mann eine Zeitlang mit — allerdings erschreckendem — Imponiergehabe und mit Scheinangriffen den Rückzug deckt. So konnte Verf. oder sein schwarzer Mitarbeiter und passionierter Gorilla-Beobachter, REUBEN RwAN- ZAGIRE, den Gästen des Urwaldhotels immer wieder die freilebenden Gorillas vorführen. Ein Revierkampf unter zwei starken Gorilla-Männern endete für einen der Kämpfer tödlich. Nahrungspflanzen sind neben Bambus verschiedene Umbelliferen, Rubus- und Rumex-Arten, Kniephofia, das bittere Stengelmark einer buschförmigen Lobelie mit riesigen Blütenschäften und die Blatt-Ansätze einer Senecio-Art von ähnlicher Wuchsform. Wie Prof. R. A. Darr (Johannesburg) im Geleitwort schreibt, ist als Hauptverdienst des Verfassers anzusehen, daß sein Urwaldhotel mit den Gorilla-vertrauten Führern ein idealer Studienaufenthalt für zahl- reiche Wissenschaftler geworden ist. Aus der reichen Bebilderung des Buches sind einige Schwarz-weiß-Photos freilebender Berggorillas sowie gute Vegetationsbilder hervorzuheben. Leider ist der „humorvollen“ Schilderung nicht immer erbaulicher Zeitgenossen aller Haut- farben ein sehr großer Teil des Buches eingeräumt. TR TENNIS GODFREY, GILLIAN u. PETER CROwWcRoFT: The life of the mole. Museum Press Lon- don 1960. 152 S., 31 Abb., 1 Photo, 12 Tab. Geb. 15 s. Die Verfasser, das Ehepaar CROwcROFT, versprechen in der Einleitung zu dieser ersten neueren Maulwurfsbiologie, kurz zu sein, dabei gründlich und doch nicht. langweilig. Auch von gemachter Wissenschaftlichkeit des Ausdrucks wollen sie sich fernhalten. All das ist ihnen geglückt und damit auf nur 152 Seiten ein wohltuend einfaches, ungemein lebendiges Buch entstanden. Ganz nebenher wird, wohl nur dem genauen Kenner des Stoffes imponierend, nahezu die gesamte angelsächsische, französische und deutsche Literatur, die russische zum Teil, verarbeitet, so daß der Leser auch über den neuesten Stand der Forschung informiert ist. Den Mittelpunkt indessen bilden die eigenen Forschungen über das allgemeine Verhalten (Graben, Fortbewegung, Fressen, Schlafen, Kämpfen, Paarung) und besonders über Bewe- gungen im Raume, Aktivität und soziale Beziehungen. Hier hat die von Mrs. CROWCROFT entwickelte Methode, Maulwürfe, die mit radioaktivem Kobalt markiert waren, unmittelbar mit dem Müller-Geigerzähler zu verfolgen, zu neuen und bedeutsamen Ergebnissen geführt. Für den, der sich praktisch mit den Tieren beschäftigt, ist weiter die Kenntnis von Fallen, die hierzulande unbekannt sind, nicht ohne Wert. Dem gediegenen und klugen Buch ist auch auf dem Kontinent weite Verbreitung zu wünschen. G. STEIN, Berlin 190 Schriftenschau 7 Krızs, Hans: Begegnungen mit Tieren und Menschen. Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin, 1959. 220 S., 60 Abb. 15,80 DM. Diese Erinnerungen an südamerikanische Begegnungen, an deutsche und afrikanische Jagd- gründe, an Menschen und Tiere im ersten Weltkrieg sind, gleicherweise prägnant in Schrift und Zeichnung, zu lebensvollen Impressionen geformt. Ein reites-und liebevolles Verständnis für Mensch und Tier macht das Buch zu einer sympathischen Lektüre. K. ZIMMERMANnNn, Berlin HARCKEN, WALTHER: Der Seehund. Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin, 1961. 79 S., 13 Abb. auf Taf. 7,80 DM. Der Seehund, eines der größten Säugetiere Westeuropas und — nach Auffassung in den meisten Ländern - jagdbares Wild, hat verhältnismäßig weniger Aufmerksamkeit der Biologen gefunden als sonstige wilde Großsäuger. In den letzten Jahren hat sich das Interesse seitens der Jagd- und Naturschutzbehörden aber wesentlich gesteigert. Die bisherigen Veröffent- lichungen haben den Seehund hauptsächlich zoologisch betrachtet, sei es mehr systematisch, sei es ökologisch, populationsdynamisch oder vom Gesichtspunkt von Jagd und Hege aus. Was von Jägern veröffentlicht worden ist, bleibt aber ziemlich an der Oberfläche. WALTHER HARCKEN nun ist ein Autor, der sich dem Seehund als Jäger im besten Sinne nähert, gründlich und mit wirklichem Interesse für das Jagdwild. — Einleitend erörtert der Autor, wie es überhaupt möglich ist, daß sich ein Säugetier im extremen Milieu des Watts zwischen Hoch- und Niedrigwasser behaupten kann, wie es sich an diese rauhe und schwer zugängliche Umwelt anpaßt. Aus einer Schilderung der Umwelt kommt er auf die Physiologie der Wassersäuger, mit Problemen der Sauerstoffversorgung, auch beim Tauchen, Ausscheidung usw. Dabei weist er auf manches hin, was noch ungeklärt ist und zu breiteren Untersuchungen anregen sollte. Funktionell-anatomisch werden einige weniger bekannte Tatsachen hervor- gehoben. Ein Abschnitt über Fortpflanzung und Entwicklung der Jungtiere gibt Anlaß, einige Frage- zeichen anzubringen. Der Autor kennt offenbar nur die Verhältnisse im deutschen Wattenmeer und übersieht nicht ganz, daß an anderen Stellen grundsätzliche Unterschiede im Verhalten auftreten können. Eine Wurfzeit Mai-Juni z. B. trıft für das südliche Verbreitungsgebiet bestimmt nicht zu. Daß die Geburt auch im Wasser stattfinden kann, ist für die Hebriden von VENABLES & VENABLES festgestellt worden. Der Autor meint, daß die Welpen obligat im Wasser gesäugt werden und versucht solches sogar mit anatomischen Gründen und indirekten Beweisen zu begründen. Es gibt aber ausgezeichnete Filmaufnahmen, die seine Ansicht als Irrtum ausweisen. — Daß Heuler nur selten wirklich verlassene Jungtiere sind, meistens aber von Gutmeinenden oder Unwissenden zur Unzeit und im unbewachten Augenblick von der Mutter getrennte Opfer falscher Tierliebe, ist eine zweifellos richtige Auffassung, die in wei- testen Kreisen bekannt gegeben werden sollte. Im Gegensatz zu anderen Abschnitten ist das über Zählungen und Abschußquoten Ge- schriebene ziemlich oberflächlich. Die letzten Kapitel handeln über die Jagd. Einzelheiten werden in einem an MrERWARTH/SOFFEL erinnernden Novellenstil gegeben. Jedoch konnten selbst diese farbigen Schilderungen den Referenten — einen an ch mucht jagdabgeneigten Zoologen — nicht von seiner Auffassung abbringen, daß der Seehund als Jagdwild wenig Anziehungskraft hat. A.C. V. van BEmMmEL, Rotterdam Fıetz, H.: Hestar-Pferde auf Island. Farbaufnahmen. Begleittext von B. Jöhannes- son. Mandruck, München, 1958. 34 Seiten. Wie die isländischen Pferde in langer Reihe durch die verschneite Winterlandschaft schreiten, wie die Reiter mit ihren Herden rer und sıe an Wasserläufen entlang und durch die Furten von Flüssen führen, das ist hier in zarten Farbtönen festgehalten. Der Text preist mit Überschwang das Pferd, unter dessen Hufen seit dreißig Menschengenerationen die Pfade über die a awüsten und Gebirge Islands entstanden. Zoologische Fragen stellt er nicht. R. GERLAcCH, Hannover NATUSCHKE, GÜNTER: Heimische Fledermäuse. Die Neue Brehm-Bücherei Nr. 269, Wittenberg, 1960. 147 S., 54 Abb., 7,50 DM. Die Neue Brehm-Bücherei ist eine kulturelle Neuschöpfung von anerkannter internatio- naler Bedeutung für die Popularisierung der Naturwissenschaften, und dem Verlag gebührt -) Schriftenschau 191 hohe Anerkennung für hervorragende Volksbildungsarbeit, geschickte Mitarbeiter, groß- zügige Ausstattung und niedrige Preise. Diese selbständigen Kleinmonographien gestatten den Verfassern persönliche Forschungs- methoden und eigenen Stil, um das Wesentliche aus ihren Sondergebieten in volkstümlicher Weise darzubieten. Mit Spannung erwartet man jedes neue Heft und liest mit Bewunderung die kleinen Meisterwerke, die in keiner Schul- oder Volksbücherei fehlen sollten. Schon mehr als 20 der rund 270 Hefte beschäftigen sich mit in- oder ausländischen wilden und zahmen Säugetieren. Der Verf. des vorliegenden Heftes gibt eine gedrängte Zusammenfassung der Kenntnisse von deutschen Fledermäusen. Er fügt zahlreiche wertvolle eigene Beobachtungen und Licht- bilder aus seinem eigenen Untersuchungsgebiet, der Oberlausitz, bei. Das Büchlein bietet eine übersichtliche Kapiteleinteilung, eine tabellarische Zusammen- fassung, eine aktuelle Bibliographie und ein ausführliches Register. Es enthält auch eine Wiedergabe des Schlüssels und Zeichnungen von König, sowie die Maßangaben nach van DEN Brınk. Das alles erleichtert wohl die etwas schwierige Identifizierung, jedoch Welt- literatur und Museen enthalten so viele falsch bestimmte Fledermäuse, daß vor Neuver- öffentlichung Fledermausangaben durch Spezialisten nachgeprüft werden sollten. Das Heft ist nicht nur eine gute Einführung für den Liebhaber, sondern auch ein handliches Nach- schlagewerk für den Fachzoologen, denn auch wenn man glaubt, viel über Fledermäuse zu wissen, findet man hierin manche interessante Angaben und Gesichtspunkte. -— Von den 80 aufgeführten Titeln entstammen etwa */3 dem letzten Jahrzehnt, was u. a. wertvoll ist wegen des starken Nachhinkens des Zoological Record. Ältere Arbeiten findet man ja in größeren Bibliographien leichter. Nur 6 der aufgeführten Schriften sind älter als EısEn- TRAUTS erste bahnbrechende Zusammenfassung 1937. Wohl gibt es Angaben, über die man anderer Meinung sein könnte, doch hat der Verf. kritisch gewählt und konzentriert. Zu den Angaben über Rabies möchte ich aber gern bei- fügen, daß infizierte, insektenfressende Arten jetzt auch in den meisten nordamerikanischen Staaten angetroffen worden sind. Auch in der alten Welt, selbst in Deutschland, sind an- geblich solche gefunden, weshalb man alle Bißwunden von Fledermäusen wie von anderen Säugetieren und Vögeln sorgfältig vermeiden sollte, namentlich solche von kranken oder sich irgendwie ungewöhnlich verhaltenden Tieren. - Der Verf. gibt auch von komplizierten Tatsachen leichtverständliche Referate. Er ist selbst ein guter Beobachter und Photograph. Man kann das hübsche Bändchen nur rückhaltlos empfehlen und Verfasser wie Verleger beglückwünschen. OrLor Rygerg, Alnarp (Schweden) KAHLKE, H. D.: Die Cervidenreste aus den altpleistozänen Sanden von Mosbach (Biebrich-Wiesbaden). Teil I. Die Geweihe, Gehörne und Gebisse. Mit einem Beitrag von K. A. HÜHNERMANN, Darmstadt. — Abh. d. deutschen Akad. d. Wissensch. zu Berlin, Klasse für Chemie, Geologie und Biologie, Jg. 1959, Nr. 7, Akademie-Verlag Berlin, 1960. 75 S. Text, 58 Abb., 20 Taf. Broschiert 22,50 DM. Es ist sehr zu begrüßen, daß der Verfasser nach seinen Darstellungen der Süßenborner und Voigtstedter auch die Mosbacher Hirsche nach denselben Methoden und Prinzipien dargestellt hat wie jene. Die reiche Bebilderung und eingehende, durch zahlreiche Maßangaben bereicherte Beschreibung der meisten Fundstücke bei ruhiger, sachlicher Darstellung der gewonnenen Er- gebnisse machen die Arbeit zu einem Quellenwerk von bleibendem Wert. 5 Hirscharten aus den Mosbacher Sanden werden beschrieben. Alces latifrons (Johns.) 1874 ist reichlich belegt. In den untersten Lagen kommen noch Geweihe mit an Libralces Azz. aus dem Villafranchium erinnernden längeren Stangen vor. Alces alces (L.) war unter dem jetzt vorhandenen bzw. abgebildeten Material nicht zu finden. Orthogonoceros verticornis (Dawkins) 1872 ist in den Mosbacher Sanden viel seltener als in Thüringen, überdies zeigen seine Geweihe „atypische“ Merkmale wie extreme Verplattung und Reduzierung der Geweihauslage, die KAHLKE mit dem anderen Klima und großen Wald- reichtum der westlichen Fundpunkte in Zusammenhang bringt. Während Orthogonoceros in Süßenborn dominiert, ist in den Mosbacher Sanden Cervus acoronatus Beninde 1937 am häufigsten. Er ist aller Wahrscheinlichkeit nach der Vorläufer unseres rezenten Cervus elaphus L. Daneben wird als „Cervus“ elaphoides n. sp. ein viel seltenerer und kleinerer Cervide beschrieben; KAHrke hält ihn für einen Nachzügler aus dem Kreis der kleinen Villafranchium- Hirsche wie C. pbilisi Schaub u. a. Das Ren ist nicht belegt. Capreolus süßenbornensis KAHLke 1956 hat wenig zahlreiche Reste hinterlassen, darunter ein vollständiges Milchgebiß des Unterkiefers. 192 Schriftenschau (Im Interesse einer eindeutigen Terminologie sollte man es vermeiden, Ausdrücke der Jägersprache in wissenschaftlichen Abhandlungen zu verwenden. Auch das „Gehörn“ des Reh- bocks ist ein Geweih). ULRICH LEHMANN Das Pelzgewerbe. Hermelin-Verlag Dr. Paul Schöps, Berlin-Frankfurt/M.-Leipzig- Wien. Abonnementspreis jährlich 6 Hefte 12,— DM, Einzelheft 2,25 DM. Von dieser vielseitigen Zeitschrift erschien 1960 der 11. Jahrgang der neuen Folge. In zwangloser Folge erscheinen jährlich bis zu 6 Hefte. Pelzfelle (Rauchwaren) werden aus freier Wildbahn, der Haustierzucht und der Farmzucht angeliefert. Der Bedarf der Kultur- länder an Fellwerk ist heute derartig angestiegen, daß eine planmäßige Bewirtschaftung dieser Produktionsquellen unerläßlich ist. Aufgabe dieser Zeitschrift ist es, die hierfür notwendigen Maßßnahmen für sämtliche Produktionsgebiete grundlegend zu erörtern, zugleich auch all die Fragen hinsichtlich der Technologie zu behandeln, die sich auf zweckdienliches Sortiment, Lagerung, Konservierung, Zurichtung, Färben und etwaige Spezialveredelung von Pelzfellen, sowie deren Verarbeitungstechnik beziehen. In diesem Rahmen findet sich vieles für die Säugetierkunde wichtige Material in den Themen-Gruppen der Zeitschrift, wie z. B. Schutz und Schonung der Pelztiere in der Jagd- wirtschaft; Planvolle Hege der wildlebenden Pelztiere, ihre Erhaltung und Vermehrung; Einbürgerung, Wiederansiedlung, Umsiedlung; Krankheiten und Seuchen; Zucht in Farmen; Zur Fortpflanzungsbiologie; Körperlängen und Fellgrößen; Haar- und Fellkunde; Be- sprechung einzelner Arten, z. B. Fischottern, Baummarder, Iltis, Eichhörnchen (Feh), Irbis, Leopard, Puma, australische Pelztiere, etc. hinsichtlich Verbreitung, Körperbeschaffenheit, Behaarung, Färbung, Zeichnung, Fellnutzung, Produktionsstatistik, Provinienzen usw. Die Bearbeitung der einzelnen Arten ertolgt durch anerkannte Vertreter ihres Faches: Zoologen, Veterinärmediziner, Tierzüchter, Physiker, Chemiker, Fellexperten, Rauchwaren- veredler, Modehistoriker, Vertreter der Völkerkunde, prominente Kürschner usw., so daß der reichhaltige Inhalt jedem Gutes zu bieten hart. Erna MoHr, Hamburg RIDINGER, JOHANN Erras: Wild und Waidwerk. 18 Kupferstiche. Ausgewählt, einge- leitet und mit einem Lebensbild Rınıngers versehen von GERHARD ULRICH (Reihe: „Das kleine Buch“ Nr. 123). C. Bertelsmann Verlag, Gütersloh, 1959. 2,40 DM. Vor rund 200 Jahren, aber auch noch lange später, waren die Kupferstiche von J- E. Rınıncer bei der Hautevol&e in ganz Europa überaus geschätzt und begehrt. — Als sehr erfreulich muß es deshalb bezeichnet werden, wenn heutzutage ein Verlag noch immer die Entschlußkraft aufbringt, eine, nunmehr aber für die breite Allgemeinheit bestimmte, aller- dings ziemlich kleinformatige Auswahl-Ausgabe von 18 „Wild und Waidwerk“ jener Zeit ver- anschaulichenden Kupfern dieses von 1698 bis 1767 lebenden Augsburger Künstlers heraus- zubringen! Jenes löbliche Unternehmen darf als durchaus geglückt bezeichnet werden — obwohl den Kennern der wesentlich großformatigeren Originale nun jene properen Buc- Illustrationen, bedingt durch die starke Verkleinerung (- bei vorzüglichem Druck und Papier! —-) und die dadurch gewonnene Schärfe, aber auch Härte, doch eher wie kleine treff- liche Stahl-, anstatt weichere typische Kupferstiche anmuten wollen! Bei dem begrüßens- werten kunsthistorischen Anliegen dieser volkstümlichen Kleinausgabe, und in Anbetracht des wohlfeilen Preises, wird er das billigkeitshalber, aber verständnisvoll mit in Kauf neh- men. Freilich auch für den Tierkenner steht der kulturgeschichtliche Wert jener Stiche und der auf ihnen dargebotenen Sujets über deren Bedeutung als spezielle zoologische Bild- dokumente von damals! Dennoch freut sich gerade der Säugetierkundler sehr über zwei aparte Delikatessen, die ihm hier unvermuütet mit serviert werden, nämlich die Wiedergabe einer hochdramatishen Wisent (- als „Auer Ochse“ bezeichnet -) -Jagd mit Original- erläuterung, und die einer 1689 erlegten angeblichen (-?-) Reh-Geiß mit wohlausgebilde- tem Perücken-Gehörn! G. Urrichs, des Herausgebers unemotionelle Einleitung und dessen gefälliges angefügtes Lebensbild Rınmcers runden das wirklich empfehlenswerte Bild- bändchen zu einem sympathisch in sich geschlossenen Ganzen ab. H. Perzscn, Halle a. S. wg Neuerscheinungen Krankheiten des Wildes Feststellung, Verhütung und Bekämpfung Ein Leitfaden für Jäger, Tierärzte, Biologen und Landwirte Von Prof. Dr. RupoLr WETZEL und Dr. WALTER RıEck Direktor des Veterinär-Parasitologischen Instituts Dozent für Jagdkunde an der Universität der Universität Gießen Göttingen 1962 / 223 Seiten mit 91 Abbildungen / Ganz auf Kunstdruckpapier Kartoniert 22,40 DM / In Ganzleinen 28,— DM Als erste zusammenfassende Darstellung des gesamten mit den Krankheiten des Wildes im Zusammenhang stehenden Fragenbereiches besitzt dieses Buch eine besonders bedeutungsvolle Aufgabe. Es unterrichtet eingehend über die Erkennung und das Wesen der Wildkrankheiten, über die Möglichkeiten ihrer Vorbeuge und Bekämpfung sowie über ihre Bedeutung und die eventuell durch Ansteckung von Menschen und Haustieren mit ihnen verbundenen Gefahren für die Allgemeinheit. Jedem dieser Punkte wird von Prof. WETZEL und Dr. Rızck Rechnung getragen. Langjährige eigene Erfahrungen und Beobachtungen und die Auswertung des neu- zeitlichen Schrifttums kommen ihnen dabei zugute. Zum besseren Verständnis der Erregerkrankheiten werden besonders eingehend die vielseitigen Wechselbeziehungen durchleuchtet, die zwischen Wild, Erreger und Umwelt bestehen und für das Ansteckungsgeschehen wie für den Verlauf der Krankheiten und Seuchen bestimmend sind. Gerade aus ihrer Kenntnis lassen sich vielfach wertvolle Rückschlüsse auf zweckmäßige Vor- beuge- und Bekämpfungsmaßnahmen ableiten. Die Altersbestimmung bei Haustieren, Pelztieren und beim jagdbaren Wild Von Prof. Dr. K. H. HABERMEHL apl. Professor und Prosektor am Veterinär-Anatomischen Institut der Justus-Liebig-Universität Gießen 1961 / 224 Seiten mit 130 Abbildungen /In Halbleinen 25,890 DM In diesem Buch werden erstmals die Altersbestimmungsmethoden beim Haussäugetier, Pelztier, Hausgeflügel und jagdbaren Haar- und Federwild zusammenfassend dargestellt. Neben den Merkmalen an den Zähnen sind auch alle anderen Alterskennzeichen, sofern sie eine annähernd zuverlässige Altersaussage zulassen, mit angeführt worden. Instruktive Abbildungen ergänzen den Text; die den einzelnen Kapiteln angefügten Literaturverzeichnisse verweisen auf die vorhandene Spezialliteratur. „Die Alterskennzeichen der im Buchtitel genannten Tiere sind einprägsam dargestellt, beson- ders die der Zähne und des Skeletts. Herausgehoben wurden beim Hund die Altersmerkmale an den Kopfhaaren, den Augen und der Körperhaltung, beim Rotwild die Länge und Stärke der Rosenstöcke, beim Federwild die Anzeichen am Schnabel, am Gefieder, den Füßen und den Handschwingen und schließlich bei den Pelztieren die sich ergebenden verschiedenen Kenn- zeichen. Das Buch ist ein gutes Lehr- und Nachschlagewerk für den in der Praxis und in der Lebensmittelüberwachung tätigen Tierarzt, den Tierzüchter sowie für den Jäger und den Wild- händler.“ Die Veterinärmedizin VERLAG PAUL PAREY - HAMBURG UND BERLIN Neuerscheinung CARRINGTON BONSOR WILLIAMS Die Wanderflüge der Insekten Einführung in das Problem des Zugverhaltens der Insekten unter besonderer Berücksichtigung der Schmetterlinge Übersetzt und bearbeitet von Dr. HuBERT RoER Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig, Bonn 1961 / 232 Seiten mit 79 Abbildungen im Text und auf 16 Tafeln und mit 2 Karten In Ganzleinen 22,— DM Aus DEM INHALT 1. Allgemeines über Insektenwanderungen. 2. Anfänge der Migrationsforschung. 3. Die Wan- derungen der Tagfalter (Rhopalocera) auf den Britischen Inseln. 4. Schmetterlingswanderun- gen in anderen Teilen der Welt. 5. Wanderungen der Nachtfalter (Heterocera). 6. Wanderun- gen der Heuschrecken, Libellen, Marienkäfer und anderen Insekten. 7. Grundlagen der Wande- rungen. 8. Zum Problem der Orientierung und Zugrichtung während der Wanderphase. 9. Zur Frage des Rückfluges der Wanderinsekten: Weißlinge (Pieridae) — Fleckenfalter (Nymphalidae) — Schnauzenfalter (Libytheidae) - Danaidae — Bläulinge (Lycaenidae) -— Dickkopffalter (Hes- peridae) — Schwärmer (Sphingidae) — Eulen (Noctuidae) -— Uraniidae. 10. Hundert Jahre Schmetterlingsforschung in England. 11. Zur Frage des Massenauftretens. 12. Probleme der geographischen Verbreitung der Wanderinsekten. 13. Weitere Probleme der Insektenwande- rung. 14. Über Beziehungen zwischen Insektenmigrationen und den Wanderungen anderer Tiere. 15. Die Entwicklung der Insektenmarkierung. 16. Wanderfalter-Forschung in Mittel- europa: Tagpfauenauge (/nachis io) — Kleiner Fuchs (Aglais urticae) — Großer Kenn (Pieris brassicae). Seitdem wir wissen, daß nicht nur Vögel zu bestimmten Jahreszeiten ausgedehnte Wan- derungen vornehmen, sondern auch Insekten zu erstaunlichen Flugleistungen befähigt sind, hat es nicht an Versuchen gefehlt, diesem Phänomen nachzuspüren. In dem vor- liegenden Buch hat der Begründer dieses Zweiges der entomologischen Forschung, C.B. WILLIAMS, seine Untersuchungsergebnisse über alle mit der Erscheinung der Migrationen zusammenhängenden Fragen in allgemeinverständlicherer Form niedergelegt. Wenn auch auf manche Fragen noch keine erschöpfende Antwort gegeben werden kann, so vermittelt sein Werk doch einen wertvollen Überblick über das Flugverhalten dieser Tiergruppe. Dr. RoEr hat bei der Übersetzung die seit dem Erscheinen der englischen Ausgabe im Jahre 1958 hinzugekommenen Forschungsergebnisse in den Text einge- arbeitet, so daß der gegenwärtige Stand des Wissens wiedergegeben wird. VERLAG PAUL PAREY - HAMBURGIUND BZRT ZZ 1 ZEITSCH RIFT FÜR SAUGETIERKUNDE DSCArUDERSDEUTSCHEN GESELESCHAFE FÜR SAUGETIERKUNDE ausgegeben von P. J. H. van Breeze, Amsterdam — H. Dartue, Berlin — W. HERRE, Kiel — K. HeERTER, Berlin — J. Kärın, Frei- burg/Schweiz — B. Lanza, Florenz — H. NacHTsHEIM, Berlin— T.C.S. Morrıson ScoTT, London — D. STArck, Frankfurt a. M. — E. Tuenıus, Wien — W. VERHEYEN, Tervuren — K. ZIMMERMANN, Berlin i a Eiftleitung | E. MoHur, Hamburg — M. RönHrs, Hamburg BE 27”.BAND - HEFT4 E Oktober 1962 Bar | G TH ONI. Ar \ & 4) " oN fi De | ERLAG PAUL PAREY . HAMBURG UND BERLIN ISTVERLAGSORT HAMBURG Inhalt Einige Gefangenschafsbeobachtungen am weiblichen Fenek, Fennecus zerda ai 1780). Von CHRISTIAN: MOBEr. | en wu DT Yan ee - Ein Beitrag zur Systematik und Verbreitung von Baniköz pardus chui (Herz, DE e. Von L. J. DosrorukA .. ui ER IE IRRN .....2045 Courtship in captive saddle- Bade Eu ‚ Delphinus de 1758. By Frank 5 ESSAPIAN 3% Malz : Be BE ER - > ran 7 Observations on a Minke Whale nd Ceracea from the Et By W. = v. UTRECHT and S. van der SroEeL ... . i ; : a Notizen über die Waldmaus, Apodemus eulnatichs ae 1759) von ar niederen dischen Insel Terschelling. Von F. L. Pert und P. J. H. van Bree .. .. .. ..22 Die (bisher unbekannte) Schwanzdrüse der een Crocidura russula (a Ri 1780). Von G. NIETHAMMER .. . i % ea en 20. Haltung eines Brüllaffen im Berliner Zooler den Ce nos na und Heınz- GEoRG Krös IB Aue: ne ee VA Ein ee een rlschen dem Dazifschen Walroß Odbbasan obesus Illiger R und dem grönländischen Walroß O. rosmarus L. Von ALwIN PEDERSEN .. .. .. 237 I Eine seltene Farbanomalie beim Feldhasen, a es Pall. 1778. Von MICHAEL STUBBEIT IM, : 0-0 Über ein Spiel bei Okay obnktane Ach Be Warner ee er _ Albinotischer Feldhase. Von J. Onprras .. ee Bas ae Nachruf auf W. E. Marrıno. Von K. Fran ee... Schriftenshau, .. 2. ME a. Ws er ae en a N BI Dieses Heft enthält 1 Beilage des Verlages Paul Parey Die „Zeitschrift für Säugetierkunde“ veröffentlicht Originalarbeiten auf dem Gesamtgebiet der Se ferner Einzel- und Sammelreferate, Besprechungen der wichtigsten internationalen Literatur, kleine Mitteilungen und die Bekanntmachungen der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde“, deren alleiniges Organ sie gleichzeitig ist. Die Veröffentlichungen erfolgen in deutscher, englischer oder französischer Originalfassung mit Zusammenfas- sung in allen drei Sprachen Herausgeberschafl und Schriflleitung: Manuskriptsendungen sind zu Biden an einen der Herren Herausgeber oder direkt an die Schriftleiter: Frau Dr. Erna Mohr, Hamburg-Langenhorn 1, Krämerstieg 8 (Tel. 5985 86), oder Dr. Manfred Röhrs, Zoologisches Staatsinstitut, Hamburg, Von-Melle- Park 10 (Tel. 441971). Manuskripte: Es wird gebeten, die Manuskripte möglichst mit Schreibmaschine und nur einseitig zu schreiben. Photographische Abbildungsvorlagen müssen so beschaffen sein, daß sie eine kontrastreiche Wiedergabe ermög- lichen. Von der Beigabe umfangreicher Tabellen soll abgesehen werden. Alle dem Manuskript beiliegenden Unterlagen, wie Photographien, Zeichnungen, Tabellen, sollen auf der Rückseite mit dem Namen des Ver- fassers und dem Titel des Beitrages versehen sein. Bei Abbildungen aus bereits erfolgten Veröftentlichungen ist eine genaue Quellenangabe erforderlich. Jeder Originalarbeit ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse in wenigen Zeilen anzufügen. Mit der Übergabe des Manuskriptes überträgt, der Verfasser dem Verlag Paul Parey das Recht, die Herstellung von photomechanischen Vervielfältigungen in gewerblichen Un- ternehmen zum innerbetrieblichen Gebrauch nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buch- handels und dem Bundesverband der Deutschen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 zu genehmigen. Sonderdruck:-Anstelle einer Unkostenvergütung erhalten die Verfasser von Originalbeiträgen, Einzel- und Sam- melreferaten 50 unberechnete Sonderdrucke. Mehrbedarf steht gegen Berechnung zur Verfügung, jedoch muß die Bestellung spätestens mit der Rücksendung der Korrekturfahnen erfolgen. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdrucks und der ‚bhotomechanischen Wiedergabe, sind vorbehalten. Gewerblichen Unternehmen wird jedoch die Anfertigung einer photomechanischen Vervielfältigung von Bei- trägen oder Beitragsteilen für den innerbetrieblichen Gebrauch durch Photokopie, Mikrokopie und dergleichen nach Maßgabe des zwischen dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels und dem Bundesverband der Deut- schen Industrie abgeschlossenen Rahmenabkommens vom 14. 6. 1958 gegen Bezahlung der dort vorgesehenen Gebühr bis zu drei Exemplaren gestattet. Die Vervielfältigungen haben einen Vermerk über die Quelle und den Vervielfältiger zu tragen, und die in dem Rahmenabkommen vorgesehene Gebühr ist an die Inkassostelle für Photokopiegebühren beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V., Frankfurt/Main, Gr. Hirschgra- ben 17/19, zu entrichten. Erfolgt die Entrichtung der Gebühren durch Wertmarken der Inkassostelle, so ist für jedes Photokopierblatt eine Marke im Betrag von 0,10 DM zu verwenden. Erscheinungsweise und Bezugspreis: Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich; 4 Hefte bilden einen Band; jedes Heft umfaßt 4 Drucbogen. Der Abonnementspreis beträgt je Band 34,— DM zuzügl. amıl. Postgebühr. Das Abonnement verpflichtet zur Abnahme eines ganzen Bandes. Es verlängert sich stillschweigend, wenn nicht unmittelbar nach Erhalt des letzten Heftes eines Bandes Abbestellung erfolgt. Einzelbezugspreis der Hefte: 10,80 DM. Die Zeitschrift kann bei jeder Buchhandlung oder beim Verlag Paul Parey, Hamburg 1, Spitaler- straße 12, bestellt werden. R i Die Mitglieder der „Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde* erhalten die Zeitschrift unberechnet im Rah- men des Mitgliedsbeitrages. a Paul Parey, Hamburg und Berlin 1962 — Printed in Germany by C. Beckers Buchdrucerei, Uelzen. | Z. Säugetierkde. 27 (1962), H. 4, 193—256 Einige Gefangenschaftsbeobachtungen am weiblichen Fenek, Fennecus zerda (ZIMM. 1780) Von Christian VOGEL Aus dem Zoologischen Institut der Universität Kiel Direktor: Prof. Dr. Adolf Remane Eingang des Ms. 31. 5. 1961 Im folgenden möchte ich einige Beobachtungen mitteilen, die aus einer 9!/2 Jahre währenden „Hausgemeinschaft“ mit einem weiblichen Wüstenfuchs hervorgegangen sind. Die Gelegenheit, einen Fenek über so viele Jahre hin aus nächster Nähe zu be- obachten, dürfte nach wie vor selten sein und manches Notierenswerte erbringen, selbst wenn es sich nur um Aufzeichnungen über ein einziges Individuum handelt. Diese Notizen stellen gewissermaßen eine Ergänzung zu den Beobachtungen Renschs (1950) dar, der einen männlichen Wüstenfuchs mehr als 11 Jahre hielt und darüber interessant berichtet hat. Im wesentlichen kann ich die Ausführungen REnscHs voll bestätigen, so daß ich mich hauptsächlich auf die Abweichungen beschränken werde. Zudem soll in einigen Punkten der europäische Rotfuchs (Vulpes vulpes) zum Vergleich heran- gezogen werden, dessen Ethologie durch die sorgfältige und umfangreiche Arbeit von TEMBRockK (1957) weitgehend bekannt geworden ist. Es erscheint überflüssig, noch einmal darauf hinzuweisen, daß bei Rückschlüssen auf das Verhalten in Freiheit große Vorsicht geboten ist, zumal wenn es sich wie bei unserem Fenek um ein geselliges Tier handelt, das den weitaus größten Teil seines Lebens vollkommen isoliert von Art- genossen zugebracht hat. Auf der anderen Seite muß betont werden, daß der tägliche Umgang mit einem „Wildtier“ ın der eigenen Wohnung bei nur wenig eingeengter Bewegungsfreiheit des Pfleglings eine ganze Reihe von Beobachtungen gewissermaßen nebenbei erlaubt, die einem „außenstehenden“ Beobachter vor dem Käfig eines Zoo- logischen Gartens kaum möglich sein dürften. Außerdem entlarvt die unnatürliche Umwelt eine ganze Reihe von „Instinkthandlungen“ durch ihre Absurdität, welche in der freien Wildbahn eine bewußste, fast möchte man sagen „vernünftige“ Zweck- bindung vortäuschen würden. REnscH hat darauf mit Recht hingewiesen. Das Tier wurde mir am 5. August 1951 von Herrn Prof. Dr. B. GrzmEk freund- licherweise aus dem Bestand des Zoologischen Gartens in Frankfurt/M. überlassen. Die Fähe wies am rechten Vorderlauf zwei Frakturen auf, welche sie sıch bei einem Unfall zugezogen hatte. Die Brüche waren vollkommen schief verwachsen, so daß das Tier im Zoo nicht mehr zur Schau gestellt werden konnte. Zuvor gehörte der Fenek Herrn j. WIENANDS aus Viersen (Rhld.), der ihn im Frühsommer 1951 zusammen mit einem männlichen Artgenossen an den Frankfurter Zoo abgegeben hatte. Herr WIENANDS brachte beide Tiere aus dem Zoo Algier mit nach Deutschland. Das genaue Alter ist nicht mehr festzustellen. Als ich die Fähe im August 1951 übernahm, schätzte ich sie auf 2 bis 3 Jahre. In Viersen lebten beide Tiere in einem geräumigen Käfig und wur- den recht zahm, so daß sie Frau WIENANDS sogar auf den Schoß sprangen, wenn sie bei ihnen im Käfig hantierte. Meine Fähe hatte diese Zahmheit im Zoo wieder voll- kommen abgelegt und war ausgesprochen scheu geworden. Erst als sie längere Zeit 194 Ch. Vogel in meinem Besitz war, gewann sie ihre Zutraulichkeit zurück, die dann das gleiche Maß erreichte wie zuvor in Viersen. Im Sommer 1955 nahm ich an meinem lebenden Fenek folgende Maße (die Zahlen in Klammern bedeuten die entsprechenden Werte des Rüden von REnsch): ® - Gesamtlänge ausgestreckt von der Nasenspitze zur Schwanzspitze 60 (63,2) cm Schwanzlänge 20, (O2) cm Schwanzwurzel — Widerrist 25 cm Widerrist — Nasenspitze 15 cm Ohrlänge 122 (955))’cm Von den körperlichen Merkmalen des Wüstenfuchses scheint mir der schwarze Fleck auf der Oberseite des proximalen Schwanzdrittels erwähnenswert. Die Behaarung fühlt sich an dieser Stelle etwas borstig an. Schiebt man die Haare zur Seite, so gewahrt man darunter eine leicht bucklig erscheinende Hautpartie mit einem gelben, schorfartigen Belag, der abschuppt und einen intensiven, nicht unangenehmen Geruch ausstrahlt. Ein homologer Drüsenfleck ist vom Rotfuchs bekannt. Es ist die sog. Violdrüse. Der Fenek lief in unserer Wohnung häufig frei umher, während er sonst eine mit Draht umspannte, große Kinderbox mit abwaschbarem Boden bewohnte. In den ersten Jahren hatte ıch die Möglichkeit, ihn bei schönem Wetter in einem größeren Gehege auf dem mit Gras bewachsenen Dachgarten des Hauses laufen zu lassen. Nachts mußte er in das Badezimmer umsiedeln, wo er einen kleineren Käfig bezog, oder (seltener) sich frei bewegen konnte. Diese Maßnahme erwies sich als notwendig, da der außer- gewöhnlich starke Drang zum Graben und Kratzen, dem er sich mit größter Ausdauer hingibt, für die menschlichen „Mitbewohner“ unerträglich ist. Der Wüstenfuchs ist ganz offensichtlich omnıvor, wobei er sich ohne weiteres an Nahrungsmittel gewöhnt, die ihm in seiner natürlichen Umgebung gar nicht zugäng- lich sind. Seine Vorliebe für Süßigkeiten wie Kuchen, Schokolade, Marzipan, Süß- speisen, Schlagsahne, Kompotte und Honig, sowie für Käse und andere menschliche Genußmittel ist besonders auffällig (vgl. Rensch). | Ich fütterte ihn gewöhnlich dreimal täglich, wobei er morgens Weißbrot in Milch geweicht, mittags Fleisch oder auch eine Maus und abends Obst bekam. Einmal wöchentlich mußte er auf Fleisch verzichten. An Obst, welches für das Gedeihen des Wüstenfuchses von großer Wichtigkeit ist, nahm er folgendes (etwa in der Reihen- folge der Wertschätzung): Dattel, Feige, Trauben, süßes Birnen- und Blaubeerkompott, Rosinen, Bananen, gesüßtes Pflaumenkompott, Kirschen, Äpfel roh und als Kompott und Pfirsich. Saure Früchte verschmäht der Fenek offenbar immer. Außerdem fraß er gerne Hasel-, Erd- und Walnuß, sowie Möhren und ganz selten auch Tomaten. Im Freigehege sah ich ıhn recht häufig nach Art der Hunde Gras fressen. Die oben ange- führte Reihenfolge der Wertschätzung ist durchaus variabel insofern, als häufig solche Artikel, die lange nicht gereicht wurden, einen Vorzug erfahren. In dieser Hinsicht liebt der Fenek Abwechslung, merkwürdigerweise aber nicht beim Fleisch. Ich fütterte ihn gewöhnlich mit Rindfleisch. Selten gab ich ihm anderes Fleisch, wobei ich immer wieder feststellte, daß er solches vom Kalb weniger gern, Pferdefleisch nur bei großem Hunger und Wild überhaupt nicht annahm.! Es dürfte sich dabei ganz einfach um eine Gewöhnung handeln, da die Tiere im Zoo ohne weiteres Pferdefleisch fressen und der Rüde RenscHs anscheinend abwechselnd Rind- und Pferdefleisch bekam, ohne daß der Autor etwas von einer Bevorzugung schreibt. RENSCH erwähnt, daß sein Wüsten- fuchs nur ganz frisches und auf der anderen Seite stark getrocknetes Fleisch zu sich I RenscHs Rüde nahm Wild an. Einige Gefangenschaflsbeobachtungen am weiblichen Fenek 195 nahm, verdorbenes aber nicht anrührte. Diese Beobachtung kann ich bestätigen. REnscH schreibt weiter, daß sein Rüde niemals Vögel oder Vogelfleisch (roh oder gebraten) angenommen habe und meint, man müsse die diesbezüglichen Angaben in BrREHMs „Tierleben“ noch einmal nachprüfen. Demgegenüber fraß meine Fähe ohne jedes Zö- gern Spatzen, denen ich Kopf und Beine abgeschnitten und die größten Schwung- und Schwanzfedern ausgerupft hatte. Herr WIENANDs bestätigte mir das nicht nur, sondern betonte, daß seine beiden Feneks sogar junge Goldhamster liegen ließen, wenn sie die Wahl zwischen diesen und Spatzen hatten. Er gab ihnen die Vögel ganz. Die Füchse ließen dann Schnabel, Beine und Schwingen zurück. Der Fenek-Rüde von RenschH hat wahrscheinlich über lange Zeit keine Vögel bekommen, und, wie die oben mitgeteilte Bevorzugung des fast durchweg angebotenen Rindfleisches zeigt, ist der Wüstenfuchs, was Fleischnahrung betrifft (nicht bei Obst und Beikost s. o.), ein Gewohnheitswesen. So rührte meine Fähe, nachdem sıe Jahre hindurch nur weiße Mäuse bekommen hatte, wildgefangene überhaupt nicht mehr an. Wie bereits erwähnt, hatte WıEnanps den Tieren früher Goldhamster gegeben, von welchen sie die großen Nagezähne und teil- weise auch das Feil, aus dem sie das Fleisch heraüsgenagt haben sollen, übrigließen. Außerdem fraß meine Fähe jederzeit gerne Eigelb, Mehlwürmer, Heuschrecken, Mai- käfer, Nachtschmetterlinge und andere Insekten. Zweimal nahm sie sogar die im Han- del als „Krabben“ erhältlichen Garnelen an. Bei Gelegenheit sah ich sie Gramineen- ähren und Vogelfutter (für Körnerfresser) verzehren. Einige Aufmerksamkeit verdient das Trinken. RenscH berichtet von seinem Rüden (S. 37): „Getrunken hat unser Wüstenfuchs trotz mehrfach angebotenen Wassers in den ersten 2 bis 3 Jahren nur zur Paarungszeit. Später tat er es täglich.“ Allgemein scheinen Feneks mit wenig Flüssigkeit auszukommen, zumal wenn man ihnen Obst bietet. Auch meine Fähe trank erst in höherem Alter regelmäßig, in der letzten Zeit, wohl schon unter dem Einfluß der tödlichen Krankheit (siehe unten), allerdings viel. Merkwürdig war jedoch, daß ich sie schon ın den ersten Jahren bisweilen beim Auf- lecken von zufällig auf den Fußboden getropftem Wasser ertappte, während die ange- botene, frisch gefüllte Wasserschale nıcht angerührt wurde. Ich ließ das Tier daraufhin an einem heißen Sommertage ohne saftige Nahrung und stellte ihm dann eine Schale mit Wasser hin, wobei ich etwas davon auf den Fußboden tropfte. Die Schale wurde beschnuppert, jedoch nur das verschüttete Wasser aufgeleckt. Darauf ging der Fenek erneut an die Schale heran, lehnte sich auf die Hinterläufe zurück und begann mit den Vorderpfoten grabende Bewegungen ın dem Wasser zu vollführen, so daß etwas von der Flüssigkeit verschüttet wurde, die er sodann gierig aufleckte. Das gleiche Verhal- ten konnte ich von da an immer wieder beobachten, übrigens nicht nur bei Wasser, sondern auch bei Saft von Kompott und ähnlichem. Herr WIENANDs bestätigte mir, daß meine Fähe auch früher nıe Wasser aus dem Napf getrunken habe, sein Rüde aber jederzeit. Auch mein Tier gewöhnte sich später mehr und mehr das Trinken aus der Schale an. Auffallend blieb jedoch immer, daß es nicht gern sein Schnäuzchen in Flüssig- keiten eintauchte. Das ging so weit, daß Früchte im Kompott oder Brot in Milch nur dann aufgenommen wurden, wenn sie am Rande des Tellerchens oder jedenfalls so lagen, daß nur ein möglichst kleiner Teil der Schnauze dabei mit der Flüssigkeit in Berührung kam. Einmal im Jahr fand ein gründlicher Haarwechsel statt. Über den natürlichen Rhythmus und die Dauer dieses Haarwechsels in Freiheit läßt sich aus den Gefangen- schaftsbeobachtungen wohl kaum etwas sagen. RENSCH schreibt, daß der Wechsel bei seinem Rüden jährlich nicht zur gleichen Zeit auftrat, also offensichtlich gestört war. In den ersten Jahren konnte ich bei unserem Tier immerhin eine gewisse Regelmäßig- keit feststellen: 1953 von Anfang Juni bis Ende Juli 1954 von Mitte Mai bis Ende Juli 196 Ch. Vogel 1955 von Anfang Mai bis Mitte Juli 1956 von Anfang März bis Mitte Maı Von diesem Jahre an hörte die Regelmäßigkeit auf, es trat 1956 von Mitte Juli bıs weit in den September hinein ein zweiter Haarwechsel ein. Die Dauer der einzelnen Härung betrug durchschnittlich 2 bis 21/2 Monate, in späteren Jahren dauerte sie länger an. Zur Zeit des gröbsten Haarausfalles behält man beim Streicheln die Haare flocken- weise in der Hand. Nach erfolgreicher Beendigung des Haarwechsels besitzt der Fenek einen durchaus festsitzenden Pelz. Die einzelnen Haare sınd so leicht, daß sie über einem Heizkörper mit der Warmluft aufsteigen. Der Haarausfall beginnt nicht am ganzen Körper gleichzeitig. Der Bauch madı den Anfang und ist meist sehr schnell abgetan. Es folgen der Reihe nach — allerdings zeitlich ineinandergreifend: Flanken, vorderer Rücken, hinterer Rücken und Schwanz, wobei der Haarausfall auf dem hinteren Rücken die längste Zeit ın Anspruch nimmt. Der Schwanz bleibt einige Wochen dünn und unansehnlich, um dann recht schnell wie- der voll und buschig zu werden, wobei auch die schwarze Schwanzspitze, die während der Härung nahezu ganz fehlen kann, wieder ausgebildet wird. An denjenigen Stellen, deren Fell durch häufiges Kratzen, Knabbern oder Le&ken in Unordnung gebracht wird, wie hinter den Ohren, in der Halsregion sowie auf dem hinteren Rücken und auf der Schwanzwurzel, verfilzen die ausgehenden Haare zu dicken Flocken, die oft über lange Zeit stehenbieiben. Erkrankungen kamen zum Glück nur sehr selten vor. Auf kalte Zugluft zurückzu- führen ist eine Augenerkrankung, die mit starkem Wässern beginnt und schließlich sogar entzündlich werden kann, wobei es zu Schleim- und Eiterbildung kommt. Durch regelmäßige Waschungen mit warmem Kamillentee und unter Vermeidung von Zug- luft habe ich diese Erkrankung, die zweimal stärker auftrat, in wenigen Tagen wieder vollkommen beheben können. Im Januar 1955 bekam meine Fähe ın der Kehlregion einen stark anschwellenden Abszess. Sie hatte offensichtlich Schlukbeschwerden und erhöhte Temperatur, fraß zwei Tage nichts, trank aber gierig Wasser. Ich rasierte die geschwollene Partie und bestrich sie mit Ichthyolsalbe. Zudem wurde dem Fenek eine Injektion Omnacillin ver- abfolgt. Am nächsten Tag fühlte sich der Abszess weicher an, ich bestrich ihn erneut mit Ichthyolsalbe und bestrahlte ıhn zehn Minuten lang mit einer Intrarot-Lampe. Gegen Mittag öffnete sich die Geschwulst nach außen, kakaofarbener, mit Blut durchsetzter Eiter trat aus. Abends war der größte Teil des Eıters abgelaufen, die Wundstelle trock- nete ein, und der Schorf wurde später von dem Tiere abgekratzt. Schon am nächsten Tage war die Fähe vollkommen gesund, zeigte sich munter und fraß mit Appetit. In den Monaten Februar bis März 1961 verschlechterte sich das Allgemeinbefinden, das Tier schlief meistens, fraß wenig und trank viel. Es wurde ungelenk und mürrisch. Man konnte bei Betasten des Unterleibes eine Geschwulst fühlen. Schließlich stellten sich Schwindelanfälle ein, das Tier fiel mehrfach um, und der Herzschlag wurde sehr unregelmäßig. Nach mehrtägigem Hungern trat Blut aus dem Darm aus, worauf ich mich entschloß, es mit Evıpan einschläfern zu lassen. Die Sektion zeigte eine geradezu gewaltige Krebsgeschwulst, welche den ganzen Geschlechtstrakt in einen unkenntlichen Klumpen verwandelt hatte, der mit dem Darm verwachsen war und bis zur Leber heraufreichte, die ihrerseits mit Metastasen übersät war. Das Tier dürfte jedoch mit schätzungsweise 12 bis 13 Jahren sein Höchstalter erreicht haben. Übrigens starb audı der Rüde von RenscH an „Krebs“, der in diesem Falle allerdings vom Duodenum ausging. Wüstenfüchse sind typische Dämmerungstiere. Ich nahm einige Male die Gelegen- heit wahr, meine Fähe nachts bei Dunkelheit zu beobachten, wobei sie in einem Zim- mer völlige Bewegungsfreiheit hatte. Ihre Aktivitätsphase reichte bis etwa 24 Uhr, Einige Gefangenschaflsbeobachtungen am weiblichen Fenek 197 darauf legte sie sich zur Ruhe und wurde — abgesehen von einigen Störungen meiner- seits — erst gegen Morgen wieder munter, als die ersten Sonnenstrahlen ins Fenster fielen, die sie sogleich aufsuchte. So wärmebedürftig die Füchschen sind, — sie legen sich z. B. besonders gern unter oder auf die Heizung oder stecken sogar die Nase zwischen die Lamellen des Heiz- körpers —, halten sie es doch nur verhältnismäßig kurze Zeit in der prallen -Sommer- sonne aus. 13 Minuten ununterbrochenes Sonnenbad im heißen Sommer war die längste Zeit, die ich messen konnte. Danach wird zumindest für einige Minuten Schatten auf- gesucht, ehe sich das Tierchen erneut für kurze Zeit der Sonne aussetzt. Jeden Beobachter eines Fenek wird die geradezu unglaubliche Schnelligkeit und Wendigkeit des Füchschens verblüffen. Der Fenek vollbringt jedoch auch ın anderen Beziehungen teilweise erstaunliche Leistungen, von denen ich einige erwähnen möchte. Wie schon seine langen Hinterläufe verraten, ist der Fenek ein guter Springer. Aus dem Stand sah ich meine Fähe 60 cm hoch springen (REnscH gibt 60 bis 70 cm an). Hierbei sind ziemlich ausschließlich die Hinterläufe beteiligt, häufig wird aus der „Männchen“-Stellung abgesprungen. RenscH gibt 1,20 m für waagerechte Sprünge an. Eine gleiche Weite konnte ich nicht messen, doch ist zu bedenken, daß meine Fähe durch ihren verkrüppelten rechten Vorderlauf behindert war. Immerhin sah ich sie 53 cm weit von einer Stuhllehne auf eine andere springen, also ohne jeden Anlauf. Aus dem Lauf heraus sprang sie etwa 1 m weit. Erstaunt hat mich immer die Treffsicherheit und das genaue Abschätzungsvermögen der Entfernung beim Sprung etwa auf eine schmale Stuhllehne. | Eine ganz besondere Ausdauer beweist der Fenek im „Männchenmachen“. Gerade aufgerichtet tänzelte meine Fähe auf den Hinterläufen beachtliche Strecken. Die längste von mir gemessene Zeit ununterbrochenen Verharrens in der „Männchen“-Stellung betrug 10 Sek. Dabei wird dieses Spiel beliebig oft und scheinbar ohne Ermüdung wiederholt. Mein Wüstenfuchs erwies sich zudem als recht geschickter Kletterer. Mit viel Schwung erklomm er selbst steile Rückenlehnen von Sesseln, ja er erkletterte einen weitmaschigen Drahtzaun von 1 m Höhe, als wenn er eine Leiter hinaufstiege. Auch die Tragfähigkeit des Tieres überraschte mich, so sprang es mit einem Damen- halbschuh von 247 g Gewicht im Schnäuzchen auf ein 40 cm hohes Bett. Mit Vehemenz wurden im Spiel leichtere Gegenstände durch eine schnelle Kopfbewegung seitwärts oder hoch in die Luft geschleudert. Ein leichter Hausschuh flog auf diese Weise 1,5 m hoch. In größtes Erstaunen aber versetzte mich die Fähigkeit des Tieres, sich durch engste Spalten zu zwängen. Eine Tür seines Nachtkäfigs bestand aus einem Rahmen und festen, horizontal gestellten Holzleisten, deren weitester Abstand 4,3 cm betrug. Durch diesen Spalt quetschte sich das Tier! Daß der Fenek im Stande ist, seinen Körper ganz erheblich abzuplatten, kann man gut erkennen, wenn das Tier sich zum Sonnenbad auf dem Bauche ausgestreckt hat (siehe unten). Sobald der Kopf mit den Ohren und den nach unten vorgewölbten Bullae auditivae einen Spalt passiert hat, bereitet der nachfolgende Körper keine Schwierigkeiten mehr. Im folgenden sollen einige typische Körperstellungen und Verhaltensweisen des Tieres mitgeteilt werden, selbstverständlich ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Ich werde mich dabei im wesentlichen auf die Abweichungen von den RenscHschen Beobachtungen und dem Verhalten des Rotfuchses, wie es TEMBROcK geschildert hat, beschränken. Liegen: Beim Fenek können grundsätzlich drei liegende Stellungen unterschieden werden. Die normale Ruhelage ist die eingerollte. Das Tier liegt rechts oder links herumgerollt und birgt die Nase entweder unter dem Schwanz und in der Beuge eines Hinterlaufes oder aber legt die Schnauze auf Schwanz und Hinterextremitäten. Die 198 Ch. Vogel endgültige Lage wird erst nach einer oder mehreren Kreisdrehungen eingenommen. Wie RENSCH schreibt, wırd dabei in der Regel das Gesicht einer etwa im Raume befind- lichen Gefahrenquelle zugewandt. Diese Vorsichtsmaßnahme ließ meine Fähe in der gewohnten Umgebung sehr bald fallen. Meist nur für kürzere Zeitspannen nımmt der Fenek die ausgestreckte Bauchlage ein. Hierbei sind die Hinterläufe unter dem Körper gewinkelt, und der Kopf liegt auf den gestreckten Vorderläufen. Der Schwanz wird beliebig, meist nach hinten ge- legt. Eine noch stärkere Streckung wird dadurch erreicht, daß die Hinterläufe einander parallel lang nach hinten ausgestreckt werden (s. Abb. ı). Nach RENSCH geht diese Stellung aus dem „Strecken“ hervor, ıch beobachtete jedoch immer wieder, daß sie auch direkt aus der eben geschilderten normalen Bauchlage heraus erreicht wird. Nur bei ausreichen- der Wärme, vorzüglich beim Sonnen, nahm das Tier diese Stellung ein, hierbei aber mit erstaunlicher Ausdauer. Ebenfalls nur bei erheblicher Wärme und beim Sonnen legte sich der Fenek ın der Seitenlage nie- der. Der Körper wirkt dabei vollkommen ent- spannt, die Extremitäten sind paarweise überein- andergelegt. He seen Sitzen: Beim „bequemen“ Sitzen wird der nach hinten ausgestreckten Hinter-- Schwanz normalerweise seitwärts nach vorne um- läufen geschlagen neben dem Körper gehalten. TEMBROCK schreibt (S. 302), daß dies beim Rotfuchs ım allge- meinen nicht der Fall sei. Nur bei kurzem „Durchgangssitzen“ hält der Fenek den Schwanz nach hinten ausgestreckt. Fressen: Die Haltung beim Fressen ist unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um kleinere oder größere Nahrungsbrocken handelt. Kleine Stücke werden mit dem Ge- sicht zur „Futterquelle“ (Teller, fütternde Person) sogleich verzehrt. Mit großen Brocken zieht sich das Tier an einen ruhigen Ort zurück und dreht stets einem poten- tiellen Konkurrenten, also einer anwesenden Person, den Rücken zu. Ein weiterer Un- terschied ist der, daß kleine Brocken im Stehen, größere dagegen immer im Sitzen ge- kaut werden. Hierin scheint sich der Fenek vom Rotfuchs zu unterscheiden, von wel- chem TEMBROcK angibt, daß er zumeist im Stehen kaut. Das Kauen erfolgt im „Mund- winkel“ in der Weise, wie MoHR (1961) es für Canıden beschrieben hat, wobei häufiger Seitenwechsel vorgenommen wird. Gefaßt wird die Beute (Maus) mit den Eckzähnen. Beim Fressen einer Maus beginnt der Fenek gewöhnlich am Vorderende, nur zweimal sah ich ihn von hinten her schlingen, in diesen Fällen aber jeweils nur die hintere Hälfte, nachdem er die vordere zunächst von vorne gefressen hatte. Häufig biß er zuerst Kopf, Schwanz und Beine der Beute ab und fraß erst nachträglich den Rumpf, wobei oft das Gedärm herausgezerrt und für sich verschlungen wurde. Mehlwürmer, Krümel und ähnliches nimmt der Fuchs mit der Zunge auf. Verstecken: Nahrungsreste werden in der Regel versteckt. Das Tier läuft zunächst mit dem Nahrungsbrocken in der Schnauze suchend umher. Hat es einen geeigneten Versteckplatz gefunden, so wird — selbst auf Steinfußboden — eine „Mulde“ gegraben und der Brocken dort niedergelegt. Sodann wird das Stück mit der Schnauze fest- gestoßen und anschließend „symbolisch“ von allen Seiten Sand mit der Nase darüber geschoben. Diese Arbeit wird bisweilen von erneutem Stoßen unterbrochen. Die Be- Einige Gefangenschaflsbeobachtungen am weiblichen Fenek 199 wegung des „Sandschiebens“ kann anschließend noch an anderen Stellen vollkommen „sinnlos“ fortgesetzt werden. REnscH hat von seinem Rüden und TEMBROCK vom Rotfuchs das gleiche Verhalten beschrieben. Meine Fähe lernte erst verhältnismäßig spät eine andere Art des Versteckens hinzu. Lag eine Decke in unmittelbarer Nähe des erwähnten Versteckplatzes, so ergriff sie einen Zipfel derselben mit den Zähnen und zerrte ihn über die Beute, jedoch erst nachdem sie zuvor in der oben beschriebe- nen Weise gehandelt hatte, also gewissermaßen zusätzlich. Die Exkremente werden auf ähnliche Weise zugedeckt. Dieses Verhalten weicht offenbar von dem des Rot- fuchses ab, bei welchem TEmBRocK ein solches Bedecken mit „Sand“ nur ein einziges Mal bei adulten, häufiger allerdings noch bei jungen Tieren beobachten konnte. Defäkieren und Urinieren erfolgt in den gleichen Haltungen, die TEMBROcCK für den Rotfuchs angibt. Gewöhnlich gräbt der Fenek allerdings auch zu diesem Zweck eine „Mulde“. Dieses Verhalten scheint jedoch hierbei nicht so festgelegt wie beim Verstecken, denn es wurden — wohl als Folge der langen Haltung auf festem Boden — später meist nur noch wenige, gewissermaßen „rudimentäre“ Grabbewegungen aus- geführt und zudem das Exkrement meist ein Stück hinter der angelegten „Mulde“ abgesetzt. Ein Markieren bestimmter Orte mit Urin sowie das von TEMBROCK für Rotfuchsfähen beschriebene „Beinanziehen“ (S. 352) konnte ich bei meinem Tier nie beobachten. Es gab lediglich bestimmte Plätze im Raum, an denen vorzugsweise Ex- kremente abgesetzt wurden. Putzen: Das Putzen mutet, wie RENsScH treffend betont, „katzenhaft“ an. Der Autor schreibt (S. 34): „Es werden die Vorderpfoten beleckt, und mit den feuchten Pfoten wird dann von hinten nach vorn über den Kopf gestrichen. Die Innenseite der großen Ohrmuscheln wird mit den Hinterpfoten geputzt.“ Dem möchte ich nur noch hinzufügen, daß die Vorderpfote beim Kopfputzen sehr häufig hinter den Ohren ansetzt und von hier nach vorn geführt wird. Bemerkenswert ist, daß TEMBRocK beim Rotfuchs nur „Einzelkomponenten“ dieses Verhaltens fand, wie ein „Pfotenwischen“ als Reaktion auf „Fremdreiz“ am Vorderkopf. Diese Reaktion gibt es isoliert auch beim Fenek, sie ist jedoch von dem oben beschriebenen Putzen gut zu unterscheiden. Graben: Eine der auffallendsten und für die „Mitbewohner“ lästigsten Verhal- tensweisen des Wüstenfuchses ist das Graben, das häufig minutenlang ununterbrochen und ohne ersichtlichen Grund ausgeführt wird. Das Tier lehnt sich auf die leicht ge- spreizten Hinterläufe zurück und scharrt mit beiden Vorderpfoten abwechselnd in großer Geschwindigkeit. Die Ohren werden dabei lang nach hinten ausgestreckt und die Ohrmuschel nach außen und leicht unten gewandt. Der Schwanz ragt gerade nach hinten oder etwas nach hinten-oben. Gegraben oder gescharrt wird unmittelbar vor dem Niederlegen (eingerollte Lage, s. o.), vor dem Absetzen von Kot oder Urin, beim Verstecken übrigbleibender Nahrung, vor Hindernissen auf dem Wege und schließlich im „Leerlauf“ anscheinend ganz einfach als „Beschäftigung“. Das Graben scheint die in seiner natürlichen Umwelt naheliegendste Art der Hindernisüberwindung zu sein. Wenn ich meiner Fähe z. B. das Fleisch direkt vor das Gitter ihrer Box stellte, von der ich das Draht-Dach entfernt hatte, übersprang sie nie das Gitter, was sie sonst jederzeit tat, sondern buddelte verzweifelt an der entsprechenden Stelle, als wolle sie sich unter dem Zaun hindurchgraben. Auf den stärksten Anreiz wird also mit dem in der natürlichen Umwelt wohl wirksamsten Verhalten geantwortet, wobei ein Umlernen trotz jahrelangen Aufenthaltes in einer veränderten und wohlbekannten Umwelt offenbar nicht möglich ist. Als „Instinkthandlung“ erweist sich das Graben auch dadurch, daß es mit größter Ausdauer im „Leerlauf“ in irgendeiner Ecke oder an einer Wand auf festem Zimmerfußboden durchgeführt wird, obwohl dieser Be- schäftigung doch niemals ein Erfolg beschieden war. Merkwürdig ist weiterhin, daß bestimmte Geräusche das Graben auslösen. Diese Geräusche müssen nur ein rhythmi- sches Klopfen mit annähernd gleich schneller Unterbrechungsfolge darstellen wie das 200 Ch. Vogel Scharren des Fuchses. Schreibmaschinenklappern oder Schlagen mit dem Schneebesen erwiesen sich als ziemlich sichere „Auslöser“. Aus seiner Heimat bringt der Fenek auch die Vorliebe für „Höhlen“ mit. Er hält sich, wie auch RenscH berichtet, besonders gerne unter Möbeln auf. Hob ich im Spiel etwa eine Wolldecke an einer Stelle an, so fuhr meine Fähe sofort in diese künstliche Höhle ein. SE Merkwürdigerweise schreibt RENSCH nichts über ein weiteres sehr auffallendes Verhalten des Fenek, so daß es vielleicht auf die Fähe beschränkt ıst. Immer wieder konnte ich beobachten, daß mein Wüstenfuchs an bestimmten Stellen vorne nieder- den Kopf seitwärts legte und diesen bis zur Schulter hin auf der Unterlage nach vorn schob (siehe Abb. 2). Diese Bewegung wurde am selben Ort mehrfach wiederholt, wobei das Tier sich oft anschließend mit dem ganzen Körper auf die Seite fallen ließ. Ich stellte sehr bald fest, daß dieses Verhalten durch Gerüche aus- gelöst wird, die der Unterlage an- haften. Die auslösenden Gerüche sind jedoch keineswegs spezifisch, wie ich zuerst annahm. Die be- schriebene Bewegung wird z.B. an dem Ort ausgeführt, auf dem un- mittelbar zuvor eine Person geses- sen hat, auf Schuhen, verspritztem Mundwasser oder Parfüm, letztere beiden wirken schon in starker Ver- Abb. 2. „Kontaktschieben“ beim Fenek dünnung. Um festzustellen, welche Körperstellen bei diesem Verhalten über die Unterlage hinweggestreift werden, wählte ich Zahnpasta als Auslöser. Ich konnte daraufhin konstatieren, daß die Paste vom Mundwinkel über die Ohrwurzel bis zur Schulter im Pelz verstrichen war. Es dürfte sich wohl um eine Imprägnierung des Felles mit Duftstoffen handeln, die merkwürdigerweise aber nicht auf arteigene Natur- produkte beschränkt ist. Dieses Verhalten scheint mit der von TEMBROCK unter der Be- zeichnung „Kontakt-Schieben“ vom Rotfuchs beschriebenen Handlung homolog zu sein. Der Autor gibt davon folgende Beschreibung: „Dieses Verhalten folgt meist auf Wittern oder Lecken an bestimmten Stellen. Dann wird der Kopf unter leichter, achsialer Drehung an der betreffenden Stelle entlang geschoben, wobei die Unterkieferast- Schläfenregion bis zum Hals hin in Kontakt gebracht wird. Die Augen sind fast ge- schlossen, die Ohren werden seitwärts gestellt.“ Die Seitwärtsstellung des von der Unterlage abgewandten Ohres ist auf der Abbildung beim Fenek deutlich zu erkennen. Es sollen noch einige Verhaltensweisen aus der Sozialsphäre angeschlossen werden, deren Beurteilung besonders schwierig ist, da Artgenossen fehlten, sie also nur am Verhalten dem Menschen gegenüber abgelesen werden können. Die Begrüßung eines befreundeten Menschen erfolgt durch freudiges Entgegenlaufen in niedriger Körper- haltung. Der Schwanz wedelt in weichen Schwüngen, die Ohren sind zurückgelegt. Das Tier läßt dabei ein lautes, hohes Quietschen hören (s. unten). In unmittelbarer Nähe des Begrüßten läßt sich das Tier in die Bauchlage nieder, die obere Ohrhälfte wird dabei meistens an einer präformierten Stelle nach unten geklappt (s. Abb. 3). Anschließend läßt sich das Füchschen auf die Seite fallen. Als Aufforderung zum Streicheln dient das Antippen der Hand mit der Nase oder, intensiver, zartes Beißen in die Finger. Das ruckartige Zurseitewerfen und das häufige Einnehmen der Rücken- ging 15) Einige Gefangenschaflsbeobachtungen am weiblichen Fenek 201 lage, sowie das „genießerische“ Schließen der Augen beim Streicheln erwähnt auch RENSCH. Fremden gegenüber begibt sich das Tier möglichst in Deckung, also unter Möbel u. ä. (s. „Höhlentrieb“) und beginnt bei weiterer Annäherung des Fremden heftig zu „keckern“ (s. unten). Allgemein kann man beobachten, daß der Fenek bei Un- bekannten auf hohe Stimmlage von vorn- herein freundlicher reagiert als auf tiefe. So faßt er zu Kindern und Frauen schnel- ler Zutrauen als zu Männern. Die hohe Stimmlage entspricht ja auch der artei- genen. Die Größe des Gegenübers spielt Abb. 3. Freudige Begrüßung in der Bauchlage. übrigens für das Verhalten des Füchschens Beachte die eingeknickten Ohrmuscheln ebenfalls eine Rolle. Befindet sich das Tier selbst auf einer erhöhten Unterlage — etwa auf einem Sofa — so ıst die „Fluchtdistanz“ geringer (vgl. TEMBROcK 1958), und der Fenek neigt eher zu aggressivem Verhalten als sonst. Entscheidend ist somit die Höhen- differenz vom Kopf des Tieres zum Kopf des Gegenübers. Einer demütigen Haltung (Bauchlage) bei leichter Beängstigung entspricht der seitwärts um den Körper geschla- gene Schwanz (vgl. TEMBROcK 1957) mit aufgestellter Spitze. Eigentümlich und mir nicht ohne weiteres erklärlich ist folgendes Verhalten. So- bald man mit etwas Raschelndem (Papier u. ä.) hantiert, kommt das Füchschen heran und beginnt die Person von hinten mit der Schnauze zu zupfen. Dieses Verhalten ändert sich sofort, wenn das Rascheln aufhört. Das Geräusch ist für die Handlungs- weise entscheidend, da das Tier bei lautlosem Hantieren neugierig von vorne kommt und nicht beißt. Bei Rascheln aber umläuft es die Person und zupft immer von hinten. Als „Übersprungbewegung“ konnte auch ich „verlegenes Kratzen“ beobachten (vgl. RenschH S. 38). Diese Situation trat fast regelmäßig dann ein, wenn die Tür zu einem dem Fuchs verbotenen Zimmer geöffnet war, und er gerade im Begriff stand hinein- zuschlüpfen. Rief ich ihn dann aus größerer Entfernung scharf beim Namen, so setzte er sich gewöhnlich nieder, um sich mit der Hinterpfote am Halse zu kratzen. „Bewegungsstereotypien“, wie sie TEM- BROCK (1958) vom Rotfuchs beschreibt, mit Stereotypielauf, Aufrichten an be- NEN aa. Sale Aha stimmten Stellen der Zimmerwand und RB: Sr BUTTER uf Kopfdrehen konnte ich bei meiner Fähe ET UT ka nicht feststellen. EM Lautäußerungen: Die bezeichnendste und auffallendste Lautäußerung des Fenek ist zweifelsohne das „Keckern“. Es besteht aus lauten, kurz hervorgestoßenen, schnell aufeinanderfolgenden Zeterlauten. Gekek- kert wird sowohl im Stehen als auch im Sitzen, das Gesicht wird dabei immer dem angekeckerten Gegenüber zugewandt, die Ohren sind zurückgelegt und die Schnauze ist mehr oder weniger weit geöffnet (s. Abb. 4). Weiterhin ist das laute, sehr hohe Begrüßungsquietschen (s. oben) ty- Abb. 4. „Keckernder“ Fenek ld: “hy 202 Ch. Vogel pisch. Überdies verfügt der Wüstenfuchs über eine ganze Skala von weinerlichen Tönen, die er bei Störung im Schlaf hören läßt, welche vom leisen Jammern — dem eines kleinen Kindes nicht unähnlich — bis zum Keckern eine kontinuierliche Überleitung bilden. Besondere Aufmerksamkeit erfordert ein kurzes Bellen, von dem RENnscH (S. 35) schreibt: „Nur wenige Male ließ unser Rüde in den ersten Jahren auch noch ein leises, hundehaftes Bellen hören. Für diese Laute scheint es in der Gefangenschaft an Auslösern zu fehlen (Lautzeichen gegenüber anderen Fenekrüden? Revierbesitz?).“ Dieser Laut ist nicht auf den Rüden beschränkt, ich hörte ıhn auch von meiner Fähe. Er läßt sich am ehesten durch die Silbe „wa-wa“ wiedergeben, die dunkel tönend hervorgestoßen wird. Im Unterschied zum Keckern bleibt zudem die Schnauze ge- schlossen, die Laute kommen zu Beginn fast gurgelnd aus der Tiefe. Wiederum anders als beim Keckern bleiben beim „Bellen“ die Ohren aufrecht stehen, manchmal ein wenig seitwärts, die Muschelöffnungen sind nach vorn gewandt. Beim Hervorstoßen dieser Laute ruckt der Körper ein wenig, als wenn das Tier „Schluckauf“ hätte. Auch meine Fähe bellte selten, in höherem Alter relativ häufiger als früher. Ich hörte den Laut zum ersten Male am 23. 2. 1955, nachdem ich das Tier doch immerhin schon 31/8 Jahre in unserer Wohnung gehalten hatte, dann erst wieder am 28. 11. 1955. Über die Bedeutung konnte auch ich keine Klarheit bekommen. In der Regel wurde der Laut in Anwesenheit eines vollkommen fremden Menschen ausgestoßen, also wenn dem Füchschen unbekannte Personen zum ersten Male sein Zimmer betraten. Doch keckerte das Tier sonst bei ähnlichen Gelegenheiten, so daß mir eine einwand- freie Abgrenzung der Bedeutung des Bellens und des Keckerns nicht möglich ist. Den wiehernden Ruf, welchen RenscH als typisch für Rüden anspricht, konnte ich in der Tat nie hören. RenschH berichtet weiterhin über ein „behaglich leises“ Schnurren, dem einer Katze gleich, das der Rüde von sich gab, wenn er längere Zeit auf den Arm genommen wurde. Tatsächlich ist der Fenek in der Lage, wie eine Katze zu schnurren, auch bei ihm fühlt man mit der Hand das merkwürdige Vibrieren des Rumpfes. Ich kann es jedoch nicht so sehr als Lautäußerung vollkommener Zufriedenheit auffassen, sondern zugleich als Ausdruck einer leichten Beunruhigung. Meine Fähe ließ es z. B. hören, wenn sie in festem Schlaf sanft angefaßt und gestreichelt wurde. Es schien mir eine erste Äußerung von Beunruhigung bei sonstiger Behaglichkeit, die schnell in ein weinerliches Quengeln, ein Freudenquietschen oder bei gröberem Anfassen in das Keckern übergehen konnte. Die Bedeutung des „Schnurrens“ muß noch einmal sorg- fältig nachgeprüft werden, was um so schwerer ist, als es nur selten zu hören ist, Herr WIENANDS hatte es z. B. nıe vernommen. Eine letzte Mitteilung soll das Gedächtnis betreffen. Nur im Sommer ließ ich meine Fähe — wie bereits erwähnt — in einem Freigehege auf dem Dachgarten laufen. Wenn sie wieder in ihr Zimmer sollte, brauchte ich nur die Tür des Geheges zu öffnen, und sie rannte alleine an der Hauswand entlang, um in das zweite von drei gleichartigen Fenstern hineinzuspringen. Das Fensterbrett lag 40 cm über dem Niveau des Dach- sartens, sie konnte also den Raum von außen nicht überblicken und als „ihr“ Zimmer wiedererkennen, sondern erst wenn sie bereits auf das Fensterbrett gesprungen war. Sie hatte diesen Weg sehr schnell gelernt. Erstaunlich war nun, daß sie jedes Jahr, wenn ich sie wieder zum ersten Male herausließ (meist gegen Ende April), den richti- gen Weg auf Anhieb wiederfand, auch wenn alle drei Fenster in der gleichen Weise geöffnet waren. Einmal lief sie in ihrem Eifer 20 cm über das zweite Fenster hinaus, stutzte aber sogleich, schaute an der Wand hinauf, schien die Situation zu überprüfen, kehrte sogleich um und sprang in das richtige Fenster. Sie hat also jeweils ihren Weg über rund 6 Monate ohne weiteres im Gedächtnis behalten. Zusammenfassend lassen sich für den Fenek einige vom Rotfuchs abweichende Verhaltensweisen feststellen: 1. Bei bequemem Sitzen legt der Fenek den Schwanz seitwärts nach vorne um, der Rotfuchs dagegen locker nach hinten. Einige Gefangenschaftsbeobachtungen am weiblichen Fenek 203 2. Das Kauen erfolgt beim Fenek vorzugsweise im Sitzen (große Brocken), beim Rot- fuchs ım Stehen. 3. Der Fenek bedeckt seine Exkremente durch „Sandschieben“ mit der Nase, der adulte Rotfuchs im allgemeinen nicht, Jungtiere jedoch häufiger. 4. Vor dem Defäkieren und Urinieren gräbt der Wüstenfuchs eine Mulde, der Rot- fuchs anscheinend nicht. 5. Überhaupt ist der Trieb zum Graben und Scharren beim Fenek stärker ausgeprägt als beim Rotfuchs (und wohl allen anderen Caniden). Der Fenek setzt — zumindest in Gefangenschaft — einen großen Teil seiner Aktivität in Scharren um. 6. Der Wüstenfuchs putzt seinen Kopf mit der beleckten Vorderpfote, die von hinten nach vorn über den Kopf geführt wird. Der Rotfuchs scheint nur „Einzelkom- ponenten“ dieses Verhaltens in Form seitlichen Pfotenwischens bei Fremdreiz zu besitzen. 7. Unter den Lautäußerungen zeichnet den Fenek gegenüber dem Rotfuchs ein katzen- haftes „Schnurren aus. RenscH weist darauf hin, daß hinsichtlich der Schädelproportionen (abgesehen von den mächtigen Bullae auditivae, die wohl eine spezielle Vergrößerung erfahren haben) der Fenek ein „jugendlich bleibender“ Canide sei. Verglichen mit dem Rotfuchs könnte man versucht sein, auch das lebenslang durchgeführte Bedecken der Exkremente, wel- ches beim Rotfuchs vorwiegend in der Jugend beobachtet wird, in diesem Sinne zu deuten. TEMBROcK (1957) bemerkt zu diesem Sachverhalt auf RenschH’s diesbezügliche Notiz eingehend (S. 394): „Diese Mitteilungen, verglichen mit unseren Beobachtun- gen, machen es wahrscheinlich, daß das Nichtbedecken der Exkremente beim erwach- senen (Rot-)Fuchs stammesgeschichtlich sekundär ist.“ Ich weiß nicht, ob diese stam- mesgeschichtliche Folgerung berechtigt ist. Beim Fenek scheint mir jedenfalls das Be- decken der Exkremente, das Scharren einer Mulde vor dem Urinieren und Defäkieren sowie der insgesamt verstärkte Trieb zum Scharren und Graben eine umweltbedingte Spezialanpassung zu sein, die man sich wohl nicht als phylogenetisch primär vor- stellen darf. Einige Einzelheiten im Benehmen des Fenek muten gegenüber anderen Caniden ausgesprochen katzenartig an, vor allem das Umlegen des Schwanzes beim Sitzen (bisweilen auch noch mit aufgestellter Schwanzspitze), das Putzen des Kopfes und das „Schnurren“. Zusammenfassung In der vorliegenden Studie werden Beobachtungen an einem weiblichen Fennecus zerda mit- geteilt, den ich 91/2 Jahre in Gefangenschaft hielt. Sie beziehen sich auf die Ernährung, das Trinken, den jährlichen Haarwechsel, aufgetretene Erkrankungen, die Aktivität, das Wärme- bedürfnis, die physischen Leistungen, typische Körperstellungen und eine Reihe von Verhal- tensweisen. Es wird dabei auf Unterschiede gegenüber dem Rotfuchs (Vulpes vulpes) hinge- wiesen, wobei auffällt, daß einige Besonderheiten bei jungen Rotfüchsen ihre Entsprechung finden, andere aber Anpassungen an die spezielle Umwelt des Fenek darstellen. Bestimmte Körperstellungen und Verhaltensweisen muten gegenüber anderen Caniden katzenhaft an. Summary The present study reports on observations on a female Fennecus zerda, which was our ”housemate“ for 91/2 years. This report contains notes about food, drinking, the annual moult, illnesses, activity, physical performances, typical attitudes and a few peculiarities of behaviour. Several of these seem to be different from that of Vulpes vulpes, some of which we can find again exclusively in pups of Vulpes vulpes, some other being special adaptations of Fennecus zerda to his environment. Certain attitudes and peculiarities of behaviour appear similiar to those of cats. 204 L. J. Dobroruka Literatur MoHR, E. (1961): Der Zahnschluß im Gebiß der Wildraubtiere und der Haushunde; Z. Säuge- tierkde. 26, 50-56. — TEMBROCcK, G. (1957): Zur Ethologie des Rotfuchses (Vulpes vulpes [L.]), unter besonderer Berücksichtigung der Fortpflanzung; D. Zool. Garten, N. F., 23, 289-532. — TEMBROcK, G. (1958): Bewegungsstereotypien beim Rotfuchs; D.- Zool. Garten, N. F., 22, 179-196. — REnscH, B. (1950): Beobachtungen an einem Fenek, Megalotis zerda Zimm.; D. Zool. Garten, N. F., 17, 30-40. Anschrifl des Verfassers: Dr. Ch. Voceı, Kiel, Anthropologisches Institut, Ohlshausenstr. 40-60 Ein Beitrag zur Systematik und Verbreitung von Panthera pardus chui (HELLER, 1913) Von L. J. DoBRORUKA Aus dem Zool. Garten Prag, Direktor: Dr. Z. Veselovsky Eingang des Ms. 14. 8. 1961 Panthera pardus chui wurde aus Gondokoro, in der Lado-Enklave der früheren Äqua- torial-Provinz beschrieben. Mit der Systematik und Verbreitung befaßten sich haupt- sächlich J. A. Arten (Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. XLVII, 1924) und Pocock (Proc. Te = a + ” * % P “r g Le Ark a ® & A Pr 3 .. ‘ "x » Br 2 a4 4 R 4. ,$ h s A 2 a; a 2 07 r i s8: € r 2 er er. In r he PL a d 2 1: no ri Au ” 7 * 74 ST € 2 u 2 ” hf - G Ka run‘ - ”. & EX NIE 5 2 ar ©80 So ® Abb. 1. a. P. p. chui &, Amer. Mus. No. 52 012 aus Faradje — b. P. p. chui, Amer. Mus. No. 52 014, aus Faradje, mit jaguarartigen Flecken. (Aus ALLen 1924) Ein Beitrag zur Systematik und Verbreitung von Panthera pardus chui 205 Abb. 2 (oben). P. p. chni &, Amer. Mus. No. 52006, aus Faradje (aus ALzen 1924). — Abb. 3 (unten). P. p. chni, zwischen Nsoia und Mt. Elgon gestreckt (aus ALLen 1924). Zool. Soc. II, 1932). Der letzte Autor bezeichnet die Verbreitung dieser Rasse wie folgt: “From the typical locality westwards into the savannah-districts of the Belgian Congo to the north of the Ituri rainforest area”. Laut den Nachrichten von Dr. ]J. Bryant (Pocock, loc. cit. und DoBRORUkA, Zool. Anz. 167, 1961) kommt der P. p. chui auch in der Provinz Bahr-el-Ghasal vor. Als Lokalität ist hier Rumbek (Rum- behk), etwa 300 km nordwestlich von Gondokoro angegeben. Panthera pardus chui ıst ein großer Leopard mit massivem Schädel, die Grundfarbe ist ähnlich wie bei dem ostafrikanischen ?. p. suahelica Neum., aber die Flecken sind größer und ohne dunklere Mitten (Abb. 1, 2, 3, 5 und 6.). Im Westen grenzt die Verbreitung von P. p. chni an die von P. p. iturensis Allen, welcher in den Regenwäldern Kongos lebt, im Süden trifft er mit dem P. p. ruwen- zorii Camerano, im Norden mit dem P. p. pardus Linne aus dem Sudan und im Osten mit dem P. p. suahelica Neum. zusammen. So weit reichen unsere heutigen Infor- mationen. Wenn wir einige Angaben aus der Literatur mit neuem Material vergleichen, erweitern sich unsere Kenntnisse über die Systematik und hauptsächlich über die Ver- breitung von P. p. chnı. Zuerst wollen wir aus dem Vergleich den Sudan-Leoparden, P. p. pardus und den P. p. iturensis ausscheiden. Der erste ist grundlegend kleiner und dunkler als P. p. chxi, der zweite ist ein typisch dunkler Urwaldleopard, sehr eng mit dem westafrikanischen P.p.leopardus verwandt (es ıst sogar möglich, daß er nur eine Übergangsform zwischen 155) O ON L. ]. Dobroruka P. p. leopardus und P. p. chni bildet); zum Vergleich bleiben also P. p. ruwenzori und P. p. suahelica. Das Material von P. p. ru- wenzorii ıst sehr winzig. Diese Rasse wurde im Jahre 1906 von CAMERANO (Boll. Mus. Zool. Anat. Comp. Univ. Torino, 21) aus Bujungolo, Ruwenzori, 3800 m Meereshöhe nach einem ö beschrieben. Es ist ein Leo- pard mit großen Flecken, auf- fallend dunkel, olivfarbig über- haucht. Der Schwanz ist ver- hältnismäßig kurz. Der Schädel ist groß, Gesamtlänge 229 mm, Jochbogenbreite 142 mm, der obere Pı 25 mm. Er ıst also nur um 1 mm kürzer als die klein- sten Schädel von 22 Exemplaren der P. p. chni, (siehe Tabelle 1), mit seinen anderen Maßen stimmt er mit dem Durchschnitt überein. Außer dem Holotypus ist nur ein einziges Fell bekannt, welches in dem British Museum (N. H.) aufbewahrt ist. Nach Abb. 4. P. p. ruwenzorii, Birungu Range, etwa 6000 Fuß diesem winzigen Material kön- hoch, nordöstlich von dem Kiwu-Meer. (Aus Pocock : > ; 1932), nen wir keinesfalls genau die gegenseitige Stellung von P. p. ruwenzorü und P. p. chui feststellen. Es steht aber fest, daß wir z. B. in der Umgebung von dem Kiwu-See und dem Albert-Edward-See helle Leoparden vom chui-Typus- sowie auch dunkle Leoparden vom ruwenzorii-Typus treffen (Abb. 4-6). Die Schädel aus derselben Umgebung weisen keine Unterschiede auf (die Schädel aus Kabare, östlich vom Albert-Edward-See; Kigezi, SW-Uganda; Rutschuru; Acama, SO vom Albert- Edward-See ın der Tabelle 1). Provisorisch werden wir also den hellen ?. p. chu: von dem dunklen ?. p. ruwenzor:i als eine besondere Rasse trennen. Der Leopard aus Kabare wurde von LÖNnNBERG (Sv. Vet. Akad. Handl. LVIII, 1917) als Felis pardus centralis beschrieben. Howeıı (Proc. Biol. Soc. Washington 39, 1926) zeigte als erster, daß dieser Name von dem zentralamerikanischen Jaguar, Felis centralis Mearns (Proc. Biol. Soc. Washington 14, 1901) praeoccupiert war; CABRERA (Boll. Soc. Esp. Hist. Nat. XX VIII, 1928) reiht dann den F. p. centralis als Synonym zu iturensis Allen. Daß diese Annahme falsch ist, zeigt schon Pocock (loc. cit.) da die Grundfarbe des F. p. centralis nach LöÖNNBERG “very pale”, auf dem Rücken “yellowish buff”, an den Seiten “maize yellow” ist. Nach dieser hellen Färbung, den großen Rosettenflecken und den Schädelmaßen (siehe Tabelle 1), gehört centralis ein- deutig zu chui. Dem Exterieur nach ist der P. p. chui dem P. p. suahelica am nächsten (Abb. 7-9). Am deutlichsten können wir den ersten nach den großen Rosettenflecken mit hellen Zentren von dem P. p. suahelica mit kleineren Flecken meist mit dunkleren Zentren unterscheiden. Eine Ausnahme sind manchmal die Leoparden aus dem östlichen Teil Ein Beitrag zur Systematik und Verbreitung von Panthera pardus chui 207 Abb. 5 (oben). P. p. chni, aus Katana, westlich von dem Kiwu-See, entnommen aus SCHOU- TEDEN: De Zoogdieren van Belgish Congo en van Ruanda-Urundi, Ann. Mus. Congo Belge II, ser. III, 1947. — Abb. 6 (unten). P. p. chui, aus Lulenga, nördlich von dem Kiwu-See. (Aus SCHOUTEDEN 1947). des Gebietes von P. p. suahelica und aus dem Njassaland, wo die Flecken keine dunk- leren Mitten haben, jedoch sehr klein sind (Abb. 8). Übergangstypen ihrem Exterieur nach finden wir in dem Gebiet, wo sich die beiden Rassen treffen, hauptsächlich auf dem Mt. Elgon an der Kenya-Uganda-Grenze. Den Schädelmaßen nach jedoch können wir diese Exemplare zu P. p. suahelica einreihen (Tabelle 3). Bei dem Vergleich der Schädelmaße von P. p. chui und P. p. suahelica will ich zuerst auf das Männchen von der Manda-Insel aufmerksam machen, welches ich zwar zu der Rasse suahelica reihe, dieses aber nicht in die Gesamtzahl genommen habe. Der Schädel dieses Männchens, welcher in den Sammlungen des Zool. Museums ın Berlin aufbe- wahrt ist, ist nämlich viel kleiner als die kleinsten Festlandschädel, obwohl es sich um ein erwachsenes Stück handelt. Es ist möglich, daß auf der Insel Manda eine besondere Inselpopulation lebte oder lebt, bei welcher, wie es ja bei Inseltieren der Fall ist, alle Maße kleiner sind, auch wenn diese Erscheinung auf der kleinen Insel nahe am Fest- land nicht wahrscheinlich ist. Andererseits finden wir manchmal kleinere „Zwerg- leoparden“ auch bei anderen Rassen. Nach einem einzigen Schädel ohne Fell können wir jedoch keine Schlüsse ziehen. Wenn wir die 5 5-Schädelmaße von P. p. chui und P. p. suahelica vergleichen, sehen wir klar, daß der P. p. chui im Durchschnitt größer ist. Am auffälligsten sind die Unterschiede an der Basallänge sichtbar, da bei derselben Basallänge die Gesamtlänge bei den P. p. chui um 8-13 mm größer ist (siehe Tabelle 1 und 3). Das Verhältnis zwischen der Gesamtlänge und der Jochbogenbreite ist auch inter- 208 Abb. 7. P.p. suahelica, aus Britisch-Ost-Afrıka. (Aus ALLEN 1924) L. ]. Dobroruka essant. Bei den Männchen der P. p. chui ist dieses Ver- hältnis kleiner als bei den P. p. suahelica, wo der Schädel relativ breiter ıst. Bei den Weibchen ist dieses Merkmal nicht so ausdrucksvoll, wenn auch sichtbar (Tabelle 2 und 4). Zusammenfassung 1. Panthera pardus chui ist mit P. p. ruwenzorii sehr nahe ver- wandt und ist wahrscheinlich nur durch äußerliche Merkmale (Färbung) zu unterscheiden. Es ist wahrscheinlich, daß die Iden- tität beider Rassen festzustellen wäre, wenn größeres Material aus Ruwenzori zusammenkäme. 2. Felis pardus centralis Lönnberg, 1917 ist kein Synonym zu P. p. iturensis J. A. Allen, 1924, sondern zu P. p. chui (Heller, 1913). 3. Die bisherigen Angaben über die Verbreitung von P. p. chui müssen wir durch Angaben aus der Bahr-el-Ghasal-Pro- vinz, aus Uganda und aus der Umgebung des Kiwu-Sees und Albert-Edward-Sees ergänzen. Die Verbindung von P. p. Abb. 8 (oben). P. p. suahelica, „Deutsch-Ostafrikanischer Küstenleopard“. (Aus Heck: Lebende Bilder aus dem Reiche der Tiere, Berlin 1899). — Abb. 9 (unten). P. p. suahelica. Aus Serengeti. (Entnommen aus Kenya Wild Life Society, 2nd Ann. Report 1957) Ein Beitrag zur Systematik und Verbreitung von Panthera pardus chui 209 chui ist also die folgende: Bahr-el-Ghasal-Provinz, Lado-Enklave, im Süden bis zum Ituri- Regenwald, weiter über Ruanda und Urundi bis zu der Umgebung des Kiwu-Meeres. Im Osten zieht sich die Grenze ungefähr an dem westlichen Rand des Victoria-Sees, Nsoia-Flusses und des Mt.-Elgon entlang. 4. Das beste Schädelunterscheidungsmerkmal des P. p. chui von P. p. suahelica ist die Basal- länge und das Verhältnis der Gesamtlänge zur Jochbogenbreite. Die Basallänge ist bei P. p. chni relativ größer, das Verhältnis der Gesamtlänge zur Jochbogenbreite ist kleiner. Anschrift des Verfassers: Dr. L. J. DogrorukA, Zoologischer Garten, Praha, C.S.R. Tabellen-Anhang Tabelle 1 Panthera pardus chui & 8 Gondokoro 246 229 152 38 24 Lado 251 229 155 43 26 Bussu 254 226 150 41 41 25 Upper Uelle 279 246 163 64 46 28 Faradje 244 216 152 41 38 24 Faradje 234 216 147 38 38 24 Kabare 236 213 145 41 26 Kigezi 168 46 34 27 Faradje 240 214 201 140 57 39 41 24 Faradje 234 207 191 142 56 38 39 24 Faradje 282 246 233 168 66 48 44 DV. Faradje 279 243 228 165 64 48 48 26 Faradje 267 239 224 153 58 45 43 29 Garamba 255 22:5 22 - 163 63 44 37 25 Garamba 250 223 DI 60 44 43 28 Faradje 252 232 220 159 58 43 42 25 Faradje 241 213 200 152.061 41 38 25 Faradje 230 213 201 144 55 37 39 24 Faradje 247 2115 201 142 60 40 41 25 Faradje 231 207 192 141 56 38 38 26 Faradje 231 DO 194 135 54 41 42 25 Rutshuru 249 225 DAN 22 80 43 43 26 Acama 239 219 206 148 73 42 41 24 V 230—282 207—246 191—233 135—168 54—80 37—64 34—46 24—29 N 22 22. » 21 15 22 20 23 D 248,5 223 208,4 151,6 62 44,6 40,8 2559. 1 Erklärung zu sämtlichen Tabellen: 1 Lokalität, 2 Gesamtschädellänge, 3 Condylo- basallänge, 4 Basallänge, 5 Jochbogenbreite, 6 Gehirnschädelbreite, 7 Interorbitalbreite, 8 Postorbitalbreite, 9 Länge des oberen Pa — V Variationsbreite, N Individuenzahl, D Durchschnittswert. 210 L. J. Dobroruka Tabelle 2 Panthera pardus chni 29 1 Nzoia R. 216 198 132 36 23 Faradje 206 188 127 36 38 24 Garamba 198 178 127 36 38 23 Bussu 218 191 41 46 25 Bussu 213 198 135 38 41 24 Bussu 201 184 38 43 23 Faradje 203 185 172 192% 48 35 39 24 Faradje 201 184 173 125 49 337 41 24 Faradje 197 179 167 128 52 33 41 25 Garamba 195 1779 167 122 46 34 38 23 V 195—218 178—198 167—173 122—135 46—52 33—41 38—46 23—25 N 10 10 4 8 4 10 9 10 D 204,8 186,4 169,7 258 48,7 36,4 40,5 23,8 Tabelle 3 Panthera pardus suahelica & 8 N AnmEmEezErn : Loita Plains 264 239 ’ 160 43 27, Kenya 251 231 170 46 41 2 Kenya 246 224 157 46 43 Pr Mt. Elgon 244 218 152 41 ae Mt. Elgon 234 218 152 38 41 26 Mt. Elgon 224 203 147 41 41 25 Mt. Elgon 218 201 145 41 43 25 Kigoma 249 224 152 38 43 24 Kigoma 224 201 38 41 23 Ukavanga 135 38 38 26 Dar-Es-Saalam 239 218 155 43 41 26 Singidda 22 203 147 43 46 24 Milanji 239 218 145 43 46 2% Fort Manning 2311 218 147 38 38 24 Shingwedsi 238 217. 155 41 42 27 Shingwedsi 237. 218 145 43 47 27 Transvaal DD, 205 143 39 42 27 Ostafrika 214 199 186 132 74 37 41 23 Manda Insel! 204 185 78 127 71 35 41 2 Isansu 219, 200 187 139 73 38 41 24 Kilimatinde 212 198 185 135 72 40 41 24 Usambara 230 2a 197 150 75 44 44 25 Usambara 223 203 188 134 72 37 41 24 Kibwezi 215 133 70 36 41 23 Tabora 214 196 182 134 72 38 43 25 Usambara 223 206 193 148 72. 39 42 23 Kilimatinde al? 194 183 134 21 36 40 24 Tendagum 221 202 Sl 132 Zu 32 43 24 Moschi/Modji 217 201 189 140 73 43 42 23 Tendagum 222 205 192 130 21 36 43 23 V. 212-264 1942239 182-197 130-170 70-75 35 do aussen N 28 27 Mil 28 12 29 28 29 D 2291 2102 190,2 144,4 ZA 40,0 42,1 27,0 ! In die Gesamtzahl nicht aufgenommen Courtship in captive saddle-backed porpoises 2A Tabelle 4 Panthera pardus suahelica O2 1 2 3 | 4 | 5 | 6 Kenya 198 180 122 Nyeri 201 185 130 Mt. Elgon 188 127 Mt. Elgon 198 185 124 Mt. Elgon 201 185 127. Kigoma 203 130 Kigoma 185 175 122 Kigoma 193 178 124 Uvinga 191 170 112 Milanji 196 180 124 Satara 201 183 124 Rustenberg 190 176 122 Bezwe R. 198 127 Salima 200 184 22 Kibwezi 184 170 160 117 69 92 39 23 Usambara 74 36 22 Kilimatinde 176 162 152 111 66 28 40 22 Iringa 179 7 67 28 39 25 Iringa 10777. 113 66 Sl 41 24 Isansu 192 172 159 115 69 32 40 24 Iringa 178 164 152 112% 2,69 29 38 20 Irınga 69 51 42 DD Muansa 185 169 157 120 69 34 40 24 Kilimatinde 182 170 150 68 32 42 >] Irınga 187 175 163 1% 68 8) 42 22: Kibwezi 190 172 160 tn 66 29 41 22 Morogoro 192 178 165 115 69 32 44 25 V 177—203 164—188 152—165 111—130 66—74 28—43 33—46 20—25 N 24 23 9 24 13 26 26 26 D 190,7 160,7 15755 120,1 68,3 9257, 41,0 ZI Courtship in captive saddle-backed porpoises, Delphinus delphis, L. 1758 By FRANK S. EssAPIAN Eingang des Ms. 17. 6. 1961 All too little is known of the behavior of the delphinids in captıvity, except for Tursiops truncatus, the bottle-nosed porpoise, and Stenella plagiodon, the spotted or long-snouted porpoise (Essapıan, 1953; LAWRENCE AND SCHEVILL, 1954; McBripDe AND HesB, 1948; McBRIDE AND KRITZLER, 1951; SCHEVILL AND LAWRENCE, 1956; TAvoLGA AnD Essapıan, 1957; Woon, 1953). Asıde from these, a single Globicephala macrorhyncha, pılot whale, was observed for a period of nine months (KRrITZLer, 1952). Lately, Lagenorhynchus obliquidens, the striped porpoise, has been available at Marineland of the Pacific (BROwN AND NoRrrıs, 1956). In the years past, several attempts were made at inclusion of Delphinus delphis, so-called “common dolphin”, but on the American coast better known as the saddle- 212 F. S. Essapian backed porpoise, in the exhibit at Marineland, Florida, but invariably the animals perished in a matter of days. One of the more successful attempts was made during the early spring of 1954, and this writer was able to extend his previous observations. D. delphis at capture The first animal, a young female Delphinus, 173 cm long, was captured by means of a specially designed tail snare on 9 March 1954, at sea, about ten miles east of St. Augustine, Florida, and delivered apparently unharmed to Marineland. There she was placed in a receiving tank, approximately 12 m long, 6 m wide, and 1,2 m deep. This tank connects by means of screened gates with a circular tank which houses the porpoises at one end, and a large rectangular tank mostly populated by fishes and large elasmobranchs, at the opposite end. As soon as the animal was lowered into the water and had oriented itself in the new surroundings, it resorted to a rapid circling movement in an area not much greater than its length, close to the rectangular tank. The Tursiops in the adjoining circular tank have grown accustomed to examine all new arrivals in the receiving tank through the screen in the gate, and were now demonstrating their curiosity by their presence there. The young Delphinus maintained its circular movements for extended periods, squealing continuously and changing her station only momentarily, when startled. On 11 March 1954, an adult male Delphinus, measuring 196 cm, was captured in the same locality, and introduced into the receiving tank. This anımal also appeared to be ın good health, but had some unusual piebald markings on its body (EssaPıan, 1954). The two anımals did not associate at first, but remained at opposite ends of the tank, each circling in its chosen area. In about fifteen minutes the male began approaching and investigating his companıon, rubbing slıghtly against her, and soon both anımals started circling the entire tank side by side. They took their first meal of dead fish on 15 March, all previous attempts to induce them to feed on dead or live fish and dead squid having been unsuccessful. From then on their daily intake of food increased progressively to as many as fifty butterfish (Fam. Stromateidae) each per day. Courtship and mating behavior Since the Tursiops at Marineland mate during the months of February to May in- clusive, a great deal of disturbance is occasioned by the porpoises in the circular tank. It was therefore deemed safer to retain the Delphinus in the receiving tank to avoid possible injury to them. Also, it was felt that in the relative privacy of their enclosure ıt would be easier to tame the animals to a greater degree. While this writer’s attention was preoccupied by the observations of the mating and reproductive behavior of the Tursiops in the circular tank, the pair of Delphinus was engaged in similar courtship activities in the receiving tank. This activity was initiated during the later part of March, and was carried on through the month of April. The general pattern of this behavior is very similar to that of Tursiops, inas- much as the animals of both sexes do actively seek to arouse the opposite sex, and employ the same means to bring it about. The male Delphinus usually initiated the courtship activity by swimming briskly about the tank and by slapping his flukes against the surface of water. He would next rush at the female, meeting her head on, and bring his body into a close gliding contact with that of the female, repeating Courtship in captive saddle-backed porpoises 213 this exercise a number of times in quick succession. This was usually followed by periods of intense flipper stroking activity whereby, swimming close together, one at a time or both simultaneously would commence moving the flippers rhythmically against the other’s. Later, the flipper stroking was extended to genital parts. Often one or the other would swim on the side or back, and rub the ventral surface of its flukes against the stiffly held flipper of its mate. The courtship activity took place during different hours of the day, and probably during the night, and lasted from several seconds to several minutes at a time. On one occasion, a very intense activity continued for eighteen minutes, accompanied by occasıonal squeals, low leaps out of water, and slapping of flukes against the surface of water. Rapid twists and turns were employed by both animals, as a result of which different parts of their bodies were brought into physical contact. Frequently, at completion of respiration, the porpoises also slammed the sides of their heads with great force against the surface of water. The slamming of heads did not occur simultaneously, but usually followed one another. At no time during these intense courtship activities did the male exhibit an erection. ” The first attempt at copulation was reported on 18 April, and thereafter it was possible to make a number of observations. On the morning of 24 April, the pair was observed in copulating positions three times within a fifteen minute interval, after which the anımals became separated. Later in the day the intense courtship activity was resumed again with periodic attempts at copulation. On 27 April, at least a dozen attempts at copulation were made during a thirty minute period of observation. The male persistently followed the female everywhere, rubbed against her and stroked his flippers against her. The female reciprocated his advances. He then would flip over on his left side and the female would assume a like position on her right side, and both animals brought their genital regions in a close alignment (Fig. 1). In another more frequently practiced position, the male turned on his back, Figs. 1-3. Delphinus delphis ın copulating position. In figure 1 the male is in the background, in figures 2 and 3 he is on his back under the female (phot. Essarıan). Fig. 4. Male Tursiops, ”Algie“, followed by the female Delphinus (phot. EssarıAn) 214 F. S. Essapian swimming directly under the female (Fig. 2 and 3). They continued swimming or coasting in this manner from five to ten seconds. Aside from the occasional movement of their flukes, the anımals remained perfectly still. At no time were pelvic movements or thrusts employed by either anımal. When the animals disengaged, the tip of the male’s penis could be seen protruding an inch or two, and was then quickly withdrawn. The animals resumed their normal swimming positions, surfaced for air, only to return to the copulating activity once again. At intervals, the female, flipping on her side, would stroke the male’s genital region with the tip of her flipper or her snout. No full erection was seen by this observer at any time. Beginning 2 May 1954, for no apparent reason, the male Delphinus showed a lack of interest in food, and after a day of total abstinence was discovered dead on the evening of 5 May. The subsequent behavior of the female During the intervening period from 5 to 18 May, when it was decided to transfer the female to the circular tank, she remained extremely tense, squealing loudly for prolonged periods, and swimming about at a very rapid rate. Even though her daily intake of food diminished slıghtly, she became tame enough to take food out of an attendant’s hand. When she was eased through the gate ınto the circular tank, she came to an abrupt halt, and after a few seconds of hesitation broke into a fast swim around the periphery of the tank. She was careful not to collide with the Tursiops, and in fact avoided them at every turn. While she was not molested by any of the Tursiops, she appeared exceedingly nervous and continued to squeal uninterruptedly. Soon the Tursiops began to evince a real interest in the Delphinus by swimming into her path, and by approaching her closely. These attempts only intensified her discomfort, and she swam away from them with a spurt. She lost all interest in food. She was reported squealing all night, and during the next day she continued to exhibit symptoms of fright as the Tursiops came near. She remained on guard, swerving abruptly to right or left at the approach of the Tursiops, always with a spurt of speed. Towards the end of the day she slackened her speed, and stopped squealing. She still refused the food proffered to her. On the third day, two young Tursiops, both born and reared in the tank, a male “Algie”, five years old, and a female “Spray”, seven years old, made several deter- mined attempts to approach the Delphinus. While she discouraged their advances repeatedly, her fears had subsided considerably, and she was no longer thrown into a panic at their approach. On the morning of 21 May, the fourth day in the circular tank, the Delphinus was observed swimming with “Algie” (Fig. 4) rubbing against him, and stroking her flippers against him. Whenever “Algie” chose to join one or the other of the Tursiops, the Delphinus at once separated from “Algie” and started squealing loudly. However, no sooner would “Algie” make a move to break away from the other Tursiops, than the Delphinus would quickly swim to him and stop squealing. She adapted herself to his swimming rate and held her flipper stiffly against his body. Soon she would start rubbing herself against “ Algie’s” flippers until they were joined by other Tursiops. She then deserted him at once and resumed her steady, loud squealing. Other Tursiops, including “Spray” and two one-year old females, attempted re- peatedly to approach the Delphinus, but she invariably shifted her course with a spurt. “Spray” then would initiate a series of rushes at the Delphinus, each time trying to Courtship in captive saddle-backed porpoises 215 niıp her flukes. One of the adult female Tursiops clapped her jaws in displeasure each time she found herself close to the loudly squealing Delphinus. Aside from the discomfort arising from the Tursiops’ attempts to approach her, the Delphinus also reacted readily to the disturbances resulting from the intraspecific activity of the Tursiops. Clapping jaws, vocal chatter, rapıd pursuits and leaps about the tank, etc., caused the Delphinus to accelerate her speed and to change her course repeatedly. During the subsequent days she took a few fish tossed into her path, but displayed no real interest in food and made no efforts to compete for ıt with the onrushing Tursiops. Her attachment to “Algie” grew stronger, although on occasion she was observed swimming under “Spray”, who piloted her away and around the points of disturbances. However, the Delphinus displayed a definite preference for “Algie”, and no sooner did “Algie” appear alone near her than she quickly shifted to him. The Delphinus soon extended her advances to “Algie’s” genital region, which she mouthed repeatedly. “Algie” inserted her flukes and the tıp of her dorsal fin into his genital slıt, but at no time attempted to copulate with her. Instead, “Algie” transferred this activity to the young Tursiops, exhibiting erections and attempting to mount them again and again. By 25 May, the Delphinus and the Tursiops had become accustomed to each other’s presence ın the tank, so that most of the Tursiops ignored her presence, and the Delphinus was able to rest easıer. She evinced interest in none of the diversions practiced by the Tursiops, but continued to seek out “Algie” and squealed over extended periods of time until “Algie” rejeined her, when she relaxed. In the following days it had become apparent that the Delphinus could not long survive without proper nourishment, as she presented a famished appearance, and when she failed to take food altogether, her doom was unavoidable. During the early hours of 30 May her death was witnessed by an attendant who described her settling gently to the floor, tail sagging first, and air bubbles emanating from her blowhole. The Tursiops had at once =... becomeaware ot her death asche Ba ‚coole and looked down at the Delphinus every time they passed over her. “Algie” was observed making attempts to raise the dead Delphinus to the surface with his snout at least three times in suc- cession. The autopsy disclosed no disea- sed organs, except for a flat stone- like formation, approximately 5 cm long and 3 cm wide, which was found ın the vagına (Fig. 5). Speaking of Delphinus delphis, TomıLın (1957, pp. 524-525) sta- tes: “In some ınstances impregna- Fig. 5. Vaginal plug from the Delphinus tion of the females is impossible (phot. Essapıan) because the vagına, becomes stop- ped up with a stony plug (M. M. Srerzov, 1941; V. E, SokoLov, 1953). Of 221 sexually mature females examined on the Black Sea during the summer of 1949, 10 individuals (4.5 %0) had plugs in their vaginas measuring from 11 to 67 mm in length, and from 9 to 48 mm ın diameter. These plugs consisted 55 °/o of organic material, and 45 %/o of mineral substance, in the main sulphates (V. E. SokoLov, 1953).” Rowf land IaporAToRıGS era a hrs 216 F. $S. Essapian Discussion A number of authors (BROowNn AnD Norris, 1956; Husgs, 1953; McBrıDe, 1940; MooRrE, 1955; SIEBENALER AND CALDWELL, 1956; TAvoLGA AND EssApıan, 1957) have dwelt upon the social aspect of behavior among delphinids, both in captivity and in the wild, and especially as it affects these manifestations of cooperation when in distress or on death. A better understanding of these manifestations may be gained if it is pointed out that the Marineland porpoises always exhibited definite tendencies toward selective pairing. The close association between two pairing individuals, other than mother-filial relationship or a temporary mating union, was the more remarkable since it was not restricted in its com- position either by the age, sex, dominance order, or even the species of the participating delphinids. Most of the unions proved very enduring, extending over a period of weeks, months, and even years, and were frequently resumed again after a lapse of time. At Marine- land the Tursiops were always numerically in Preponderance, and sooner or later the new- comers of the same or of a different species usually paired with one or another of the older residents. These pairing anımals, which usually spent the nıght swimming together, exhibi- ted their attachment and concern for one another on numerous occasıons and in many diffe- rent ways. The protective behavior was especially pronounced on the part of a mate which had paired with a mother and its young. As an example of such behavior, an instance may be cited in which an infant would break away from the group and attempt to approach a diver at work in the tank. As often as not, it was the mother’s mate-companion that rushed swiftly to the scene in order to crowd the infant away from the diver. Other adults, already in the area, would ignore the straying infant. This guardian anımal would then remain at the scene and run interference as the baby repeatedly attempted, sometimes successfully, to approach the diver again. Some of the most interesting manifestations of response toward the anımals in distress, by their present or onetime mates, occurred when the dominant bull Tursiops persecuted a young male Tursiops. Clapping his jaws, the attacking bull usually rushed at his victim, chasing him about the tank, butting, biting, striking him with powertul flukes, and throwing him forcefully against the wall of the tank in a recurrent series of assaults. When these attacks occurred, most of the animals usually grouped together and shied away from the scene, but on some occasions certain individual anımals either displayed their displeasure, or even attempted to intercede or to distract the bull. On few such occasions, a dominant female clapped her jaws in displeasure, and another time this same anımal intercepted the bull during the attack and stroked her flippers against the bull. On two separate dates, another female approached the bull during the attack and struck the bull with her flukes, which re- sulted in herself being pursued briefly. Sometimes a male Stenella plagiodon swam in rapid, tight circles about the bull during the attacks in an obvious attempt to distract the bull. This was in no sense a self-sacrificial effort, for the bull Tursiops could never overtake the swift Stenella, no matter how hard he tried. Once the attack had subsided, some of these inter- ceding anımals could be seen swimming with the young Tursiops. In other situations, for instance, some female Tursiops in late pregnancy were observed lying prostrate on the floor of the tank for an unknown reason, remaining there for as long as two or three minutes. Apparently a voluntary act, it usually evoked immediate response from its accompanying mate who, often joined by other individuals, attempted to raise the prostrate anımal from the floor. McBkripe (1940) records a striking manifestation of recognition between two male Tursiops which were captured together and had been in the tank for a period of a month, when the smaller of the two was removed from the tank. Three weeks later, when this anımal ”..... was released in the tank, the greatest amount of excitement on the part of the larger male was exhibited. No doubt existed that the two recognized each other, and for several hours they swam side by side rushing frenziedly through the water, and on several occasions they leaped completely out of water. For several days, the two males were inseparable and neither paid any attention to the female“. It would seem from the foregoing that it is in the light of background relationships be- tween individual animals that a particular manifestation, such as raising of one animal by another, may be understood. Such solicitude as shown by a mother to its dead offspring is understandably a fine example of devotion in mother-filial relationship. But the friendship between the Delphinus and the Tursiops, it seems to us, is an extraordinary example of the extent of the security, trust, and devotion that animals of two different species may place in one another after a brief period of association. Acknowledgement: The author wishes to express his deep gratitude to WırLıaM E. SCHEVILL for kind encouragement and helpful suggestions in the preparation of the manuscript. Observations on a Minke Whale (Mammalia, Cetacea) from the Antarctic 27 Summary The courtship and copulation of captive Delphinus delphis is described, as well as interspecific relationships with Tursiops truncatus in captivity. Zusammenfassung Werbung und Paarung gefangener Delphinus delphis werden beschrieben, desgleichen die zwischenartlichen Beziehungen zu Tursiops truncatus in Gefangenschaft. Literature Brown, D. H. and K. S. Norrıs (1956): Observations of captive and wild cetaceans; Journ. Mammal., 37, 3, pp. 311-326. — EssApıAn, F. S. (1953): The birth and growth of a porpoise; Natural History (New York), 62, 9, pp, 392-399. — Essarıan, F. S. (1954): A common dolphin-uncommonly marked; Everglades Natural History, 2, 4, pp. 220-222. — Husss, C. L. (1953): Dolphin protects dead young; Journ. Mammal., 34, 4, p. 498. — KrITzLer, H. (1952): Observations on the pilot whale in captivity; Journ. Mammal., 33, 3, pp. 321-334. — LAWRENCE, B. and W. E. ScHevirL (1954): Tursiops as an experimental subject; Journ. Mam- mal., 35, 2, pp. 225-232. — McBripe, A. F. (1940): Meet Mr. Porpoise; Natural History (New York), 45, 1. pp. 16-29. — McBkripg, A. F. and D. ©. Hess (1948): Behavior of the captive bottle-nosed dolphin, Tursiops truncatus; Journ. Comp. and Physiol. Psychology, 41, 2, pp. 111-123. — McBripg, A. F. and H. Krırzrer (1951): Observations on pregnancy, parturition, and post-natal behavior in the bottlenose dolphin; Journ. Mammal., 32, 3, pp. 251-256. — Moore, J. C. (1955): Bottle-nosed dolphins support remains of young; Journ. Mammal., 36, 3. pp. 466-467. — ScHEviıLL, W. E. and B. LAwrence (1956): Food-finding by a captive porpoise Tursiops truncatus); Breviora 53, pp. 1-15. — SIEBENALER, J. B. and D. Carpweır (1956): Cooperation among adult dolphins; Journ. Mammal., 37, 1, pp. 126- 128. — Tavorca, M. C. and F. S. Essarıan (1957): The behavior of the bottle-nosed dol- phin (Tursiops truncatus): Mating, pregnancy, parturition and mother-infant behavior; Zoo- logica (New York), 42, 1, pp. 11-31. — Tomırın, A. G. (1957): Kitoobraznye [Cetacea]. Zveri SSSR ı prilezhashchikh stran [Mammals of the USSR and adjacent countries]; 9, pp. 1-756, Moskva, Akad. Nauk SSSR. — Woop, F. G. Jr. (1953): Underwater sound produc- tion and concurrent behavior of captive porpoises, Tursiops truncatus and Stenella plagiodon; Bull. Marine Sci. Gulf & Caribbean, 3, 2, pp. 120-133. Anschrift des Verfassers: Frank S. EssaPıan, Communication Research Institute, 3908 Main, Highway, Miami 33, Florida Observations on a Minke Whale (Mammalia, Cetacea) from the Antarctic By W.L. v. UTRECHT and S. van der SPoEL Netherlands Whales Research Group T. N. O. Zoological Laboratory, University of Amsterdam Eingang des Ms. 31. 8. 1961 On board the f. f. "Willem Barendsz“ of the Netherlands Whaling Company Letd., during the season 1959-1960, we had the opportunity to make a study of a small type of the baleen whale, which showed much resemblance with the Minke Whale, Balaen- optera acutorostrata Lac&pede, 1804 (Balaenoptera rostrata Fabricius, 1780). Beside 218 W.L.v. Utrecht and S. v. d. Spoel this great resemblance, however, some striking differences have also been found. Already in a number of preceding seasons some Minke Whales, showing similar diffe- rences, were caught in the Antarctic waters (WırLıamson, 1959). These specimens occurred in the catches of the f. f. ”Balaena“. They were caught in the Antarctic sector of the Indian and in the western part of the Antarctic sector of the Atlantic Ocean. The animal studied by us was caught on 17-III-1960, position 66° 55’ S, 15015’ E. This is about halfway the two positions, given by WırLıamson. From this it can be concluded that it ıs very probable that anımals of this type occur in the whole Ant- arctic south of the Atlantic and of the Indian Ocean. About their occurrence in the Antarctic sector of the Pacific nothing is known up till now. The following description concerns external characteristics. Balaenoptera species & (sexual mature) caught 17-III-1960; position 65° 55’ S, 150 15’ E A B total length (tip of snout-notch of flukes) 27.572,84 sec 488-828 cm 582-799 cm tip of snout-centre of eye 52 16.168 gem 20,8% 07.183,00 15.89 0/0 tip of snout-centre of blowhole 323.6 ..107.°. cm. 213290 513.08%n 12.79 %/o tip of snout-basis of dorsal fin (cranıal end) 18° 549 Sem 265..%0 _ — length of blowhole 1297 30.52cm2 A=7p — _- width of blowhole 92.72.2530 em 90/8 — En centre of eye-centre of ear 19,52. 43 0 2eme 2551/00555 5.18 %/0 centre of ear-basıs of flipper 12 :72:8,48% Tem Grein — _- length of flipper 428° 141:5 cm 17.290 10-190 9.12 %/0 dorsal fin vertical heigth 23222: 387 dem 45023 Yan 4.13 0/0 anus-notch of flukes 7 32. 221 cm: 267 We 26:23 26.68 °/o anus-centre of reproductive aperture 11277582 Sem #272 20008 3022770919 6.77 Yo umbilicus-centre of reproductive aperture IR 97 SL O9E cm EIS EU/0 —_ —_ notch of flukes-umbilicus _ = 46 P/o 46.49 %/o 48.04 %/o flukes (tip to tip) SEA 72542 cm 302 %0 1/2 length = 15.°°%9/0:, 14205790 14.33 0/0 A = Length in feet and inches — B = Length in centimeters — C = Length in percen- tages of the total length — D = After data of JonscÄrD, 1951 — E = After data of OMURA & SAKIURA, 1956. The total length of this anımal corresponds with the sizes, given by WILLIAMSON (1959), of the three animals described by him. From the table it appears that the sızes of the animal, studied by us, expressed as a percentage of the total length, do not greatly differ from the sizes of B. acutorostrata from the North Atlantic, given by JonscÄrn (1951) (TI). They clearly lie within the limits of widths stated by him. Omura and SAKIURA (1956) have published similar data about B. acutorostrata caught in the North Pacific (II). These animals appear to be somewhat smaller than the anımals of the same species from the North Atlantic. Of B. acutorostrata from the Antarctic waters not enough data of large numbers of anımals are available to enable a comparison as the one given above. The only striking difference between B. acutoro- strata and the anımal described here, is the difference in length of the flipper. Of 3. acutorostrata this length is about 10°/o of the total length of the anımal. For the Observations on a Minke Whale (Mammalia, Cetacea) from the Antarctic 219 animal studied by us this number is 17/0. The differences in the other sizes are so small that it is hardly possible on this basis to speak of a greatly diverging type of animal. The thickness of the layer of blubber of the specimen studied by us, measured on the same places as with Balaenoptera physalus Linnaeus, 1758 (SLıJrer, 1954), is 6 cm at the dorsal side and 10. 5. cm at the ventral side. The animal studied by us lacks the white band on the outside of the flippers, which is characteristic for_B. acuto- rostrata (JONSGÄRD, 1951; OMURA AND SAKIURA, 1956). The outside of the flippers is of a uniform blue-grey to slate-coloured, without any sıgn of a band in the form of a discoloration. The inside of the flippers is cream-white. The dorsal side of the animal is also blue-grey to slate-coloured. We have compared the colours of the anımal (under a 75 watt lamp) with the colours of the ”Code Universel des Couleurs“ (E. Sesur). The colour of the skin at the dorsal side gets nearest the colours nr 547, pl. XXX VII and nr 597, pl. XL. The colour of the ventral sıde gets nearest the colours nr 320, pl. XXII and nr 330, pl. XXII. A sharp distinction between the cream-coloured ventral part of the skin and the blue-grey dorsal part cannot be indicated. About halfway the flank the blue-grey grows gradually lighter to cream-white. The dorsal side of the flukes has the same colour as the back. The ventral side is also cream-white, except the edges, which are of a light blue-grey. The edges of the lower jaw are also of a dark colour, but in a rather narrow strip, after which a gradual change into the cream-white of the central side can be seen too. The outside of the flippers ıs of a somewhat lıghter colour than the back of the animal. From the external ear a light grey stripe, faintly bent in the shape of an -s-, goes in the direction of the basıs of the flipper. The pigment in the epidermis of the dorsal side of this anımal is more equally spread than is the case with B. physalus. Because of this the stripes of the skin of the dorsal side are less clear. This ıs also a result of the fact that the papillae on the coriumridges are smaller than with the species mentioned above. In the epidermis are scars, which - as regards both their form and their length, pigmentation and other characteristics — correspond with the scars that are found with other Cetacea (v. UTRECHT, 1959). On the ventral side of the anımal, from the tip of the lower jaw to about 1 foot before the umbilicus, the throat-grooves are found. The caudal border of this area is rounded. The grooves are smaller than with B. physalus and with Balaenoptera borealis Lesson, 1828 (Balaenoptera rostrata [Rudolphy, 1822]). Also on the ventral side of the animal, to the caudal side of the part with throat-grooves, grooves are found, which go as far as the flukes and vary in length from 5 to 20 cm. These grooves are parallel with the lengthwise axis of the anımal. They lie sunken in the skin and are of a light grey colour because of slight pigmentation. It is not clear if these are scars, as they lack a number of the characteristics of scars, such as the typical pattern of pigment-lines and the varıation in form and situation (v. UTRECHT, 1959). The outside of the baleens, of which there are 270 in each half of the jaw, ıs of a dark colour. This is the case with the set of baleenplates on the left, as well on the right side. This is contrary to the observations of Wırrıamson (1959). He states for the animals studied by him that the baleen plates on the left side of the upper jaw are of a dark colour along the whole length of the set of the plates, whereas on the right side the anterior part of the set of the plates is also of a dark colour and the posterior part of a light colour (cream), which is therefore the same phenomenon that can be observed on the sets of plates of B. physalus. The length of the sets of plates of the anımal studied by us is 128 cm. The outside of all the baleens is of a dark colour and on the side of the oral cavity, where the horny tubes emerge from the baleen plates, of a cream colour. The dark area at the lateral edge of the baleen plates measured 37 mm at the gum, in the longest plate (30 cm long measured without the hairy fringe at the tip) at 44 cm distance of the posterior end of the » [55 m] W.L.v. Utrecht and S. v. d. Spoel row of baleens. There is no clear distinction between the dark and the light part of the baleen plates. In the transitional area a number of alternately light and dark longitudinal bands are found, in which, from the dark part of the baleen plate to the light part, the dark bands gradually grow more narrow. Striking is the great length of the longest baleen of the set. It measures 30 cm, wheras JonsGÄrp (1951) gives 23 cm as the maximum length for B. acutorostrata, while he also mentions some animals of this species, which also show the dark area at the lateral edge of the baleen plates, just like the anımals described by BURMEISTER (1867) and Gray (1874). The anımal described above gives a rather heavy impression, the widest part of the body Iying a little behind the flippers (pectoral fins). The snout is pointed and grows rapidly wider in caudal direction. The tail is rather heavy too and lacks the blubber ridges on the dorsal and ventral side. Therefore the cross-section of it is of an oval shape and not greatly flattened as with B. physalss. Compared with its length this animal has large flukes. In literature of the last century are descriptions of anımals, showing some, though small, differences wıth B. acutorosirata. These anımals are known by different names, a. 0. Balaenoptera bonaerensis Burmeister, 1867 and Balaenoptera huttoni Gray, 1874 (=Balaenoptera antarcticus [|Hutton, 1874] non Gray). The differences are of such a nature, however, that obviously B. bonaerensis ıs ıdentical with B. acutorostrata. When comparing the data known of B. bonaerensis, B. acutorostrata, ihe animals studied by Wırrıamson (1959) and the anımal described above, it is not probable that these anımals belong to different types, but rather are to be taken as varieties of the species Balaenoptera acutorostrata Lacepede, 1804. Summary We have described a small baleen whale which differs only in some points from Balaenoptera acutorostrata Lacepede, 1804. The white band on the flippers is lacking, because of which their whole dorsal surface has the same colour as the back of the anımal, while the flippers are longer than those of the type mentioned. The longest baleen has a greater length than that of B. acutorostrata. All baleens of both rows have a dark lateral edge. It is supposed, _ the animals described by Wırııamson (1959), BURMEISTER (1867) and Gray (1874) as well as the specimen described here, belong ali to the same species, B. acutorostrata, but should be considered as variations of this species. 1 Zusammenfassung Wir beschrieben einen kleinen Bartenwal, der sich in nur einzelnen Punkten von Balaenoptera acutorostrata unterscheidet. Die weiße Binde an den Flossen fehlt, sodaß deren Farbe gleich der des Rückens ist. Sie sind länger als die der gewöhnlichen acztorostrata. Die längsten Bar- ten sind länger als die von acutorostrata. Alle Barten beider Seiten haben eine dunkle Seiten- kante. Es scheint so, als ob sowohl die von WırLıamson (1959), BURMEISTER (1867) und Gray (1874) beschriebenen Exemplare als auch das hier beschriebene Stück alle zur Art B. acutorostrata gehören, aber als Varietäten dieser Art anzusehen sind. Resume Les auteurs decrivent une petite baleine qui ne differe que par quelques points de Balaen- optera acutorostrata Lacepede, 1804. La bande blanche sur les nageoires manque; de ce fait, la surface dorsale toute entiere presente la m&me couleur que le dos de animal. De plus, les nageoires sont plus longues que celles du type decrit. La baleine la plus longue a une longueur superieure ä celle de B. acutorostrata. Toutes les baleines des deux cötes ont un bord lateral sombre. Les auteurs supposent que les anımaux decrits par Wırrıamson (1959), BURMEISTER (1867) et Gray (1874) aussi bien que le specimen decrit ici, appartiennent tous A la meme espece, B. acutorostrata, mais devraient &tre consideres comme des varietes de cette espece. Observations on a Minke Whale (Mammalia, Cetacea) from the Antarctic 224 Literature BURMEISTER, H. (1867): Preliminary descriptions of a new species of Finner Whale (Balaer- optera bonaerensis); Proc. Zool. Soc. (London) part II p. 707-713. — Grar, J. E. (1874): On a New-Zealand Whale (Physalus antarcticus, Hutton) with notes; Ann. Mag. Nat. Hist. (4), 13, p. 316-318. — Gray, J. E. (1874): On the skeleton of the New-Zealand Piked Whale, Balaenoptera Huttoni (Physalus antarcticus, Hutton); Ann. Mag. Nat. Hist. (4), 13, p. 448-452. — JonsGÄrD, A. (1951): Studies on the Little Piked Whale or Minke Whale (Balae- noptera acutorostrata Lacepede); Norsk Hvalfangsttidende no. 5, p. 209-232. — Norman, J.R. and F. C. Fraser (1948): Giant Fishes, Whales and Dolphins; Putnam, London. — OMura,H. and H. SakıurA (1956): Studies on the Little Piked Whale from the coast of Japan; The Sci. Rep. Whales Res. Inst. Tokyo, 11, p. 1-39. — SLIJPER, E. J. (1954): On the importance of measuring the thickness of the layer of blubber in whales; Norsk Hvalfangsttidende, no. 9, p. 510-516. — vAN UTRECHT, W.L. (1959): Wounds and scars in the skin of the Common Porpoise, Phocaena phocaena (L); Mammalıa, 23, p. 101-121. — Wırrıamson, G. R. (1959): Three unusual rorqual whales from the Antarctic; Proc. Zoöl. Soc. (London), 133, p. 135- 144. Adresse of the authors: Drs. W.L. van UTRECHT & S. VAN DER SPoEL, Amsterdam C., 44 Plan- tage Doklaan, Zoologisch Laboratorium der Universiteit Ce - — = - = 72 BEERTE m Ventral and lateral view of the specimen of Balaenoptera acutorostrata Lacepede, 1804 caught on 17-III-1960 in the Antarctic. — Scale: 1 m. Notizen über die Waldmaus, Apodemus sylvaticus (Linnaeus, 1758) von der niederländischen Insel Terschelling Von F.L. PerTt und P. J. H. van BREE Eingang des Ms. 9. 9. 1961 Im Rahmen einer eingehenden Untersuchung der Landsäugetiere der Insel Terschelling haben wir angefangen mit einer systematischen Analyse der dort lebenden Waldmäuse. Die dortigen Exemplare von Apodemus sylvaticus wurden zu diesem Zweck studiert und mit denen der gleichen Art von der Hoge Veluwe (Mittel-Niederlande) und Laroche (östliches Belgien) verglichen. Es erwies sich für einen verläßlichen Vergleich als notwendig, die jugendlichen Exemplare gesondert zu betrachten. Als juvenil wurden solche angesehen, die auf Grund der Abnutzung der oberen Molaren zu den Altersgruppen 1 und 2 (nach FELTEN 1952) gehören. Im Zweifelsfall wurden Rumpf- und Condylobasallänge als zusätz- liche Kriterien benutzt, wobei diejenigen Tiere als juvenil bezeichnet wurden, bei denen die obengenannten Abmessungen kleiner sind als resp. 80 und 21 mm (vgl. von LEH- MANN 1954). Die drei obengenannten Populationen wurden an Hand von Museumsmaterial studiert, das von verschiedenen Sammlern stammt. Für die Rumpflängenmaße wurden deren Angaben übernommen, die Schädel durch PELT mit einer Schublehre auf 0,1 mm genau vermessen. Herkunft des Untersuchungsmaterials Terschelling H. Zwaacstra: 2329/33, 2616/21, 2623/24, 2969/74, 3019/32, und von 29 Exemplaren nur die Maße des Sammlers, die aber nicht zum Vergleich mit den anderen Populationen benutzt wurden. A. C. V. van BEMMEL und M. F. MÖRZErR Bruyns: 109—110/37, 115—117/37, 310 — 311/37, 317— 318/37, 12/38. P. J. H. van BREE und P. Borcman: 2555/64. F. SwarT: 2603/05, 2610/11. P. Bınk (Mus. Nat. Hist. Leiden): 4022, 4024/25, 4028, 16474/75. Laroche J. van Oorr: 06/39, 1353—68, 1370—72, 1374—80. Hoge Veluwe P. J. Nıeuwporr (Mus. Nat. Hist. Leiden): 4393—98, 4401—08, 4411—15, 4418— 21, 4423— 26, 4478, 4488. Soweit nicht anders vermerkt, befinden sich die Tiere in der Sammlung des Zoologischen Museums Amsterdam. Herrn Dr. A. M. Husson vom Rijksmuseum van Natuurlijke Historie zu Leiden sind wir für Leihgabe des Leidener Materials und für wertvolle Ratschläge sehr verbunden. Herz- lichst danken wir auch Frau Dr. Erna MoHRr für die Übersetzung dieser Notizen. Notizen über die Waldmaus 208 Körpermaße Von Körper- und Schädelmaßen wurden die mittlere und die Standardabweichung für juvenile und für adulte 8 und 22 der drei untersuchten Populationen gesondert ermittelt. Wo sich ein deutlicher Unterschied in den Mittelwerten fand, wurde der Significanz dieses Merkmals mit der WıLcoxon-Probe (WABEKE & van EEDEn, 1955) nachgegangen. Als Sicherheitsgrenze wurde a=0,05 für eine zweiseitige Probe ange- nommen. Da die Tabellen für einseitige Proben zusammengestellt sind, muß man zum Vergleich der gefundenen Werte mit denen der Tabellen «—=0,025 ansetzen. Zum Vergleich der Populationen wurden nur die adulten ö ö benutzt, da die an- dern Materialgruppen für einen ordnungsgemäßen Vergleich zu klein sind. Die gefun- denen Körpermaße sind in Tabelle 1 enthalten. Die Körperlänge (HB) wurde gefunden durch Messen von der Schnauzenlänge bis zum Anus. Wie aus Tab. 1 hervorgeht, bestehen deutliche Verschiedenheiten in der mittleren Körperlänge bei den drei Populationen. Nach der Probe von WıLcoxon sind die Tiere von Terschelling significant kleiner‘als die von der Hoge Veluwe, aber significant größer als die von Laroche. Das ist keine Stütze für die Behauptung, daß die Größe von NO-Europa nach W und S zunimmt, wie das nach Mıtrer (1912) der Fall ist. Nur die Tiere von der Hoge Veluwe erreichen die von MırrEr als normal angegebene Größe. Die Länge der Tiere von Terschelling ist geringer als die von Waldmäusen aus der Voreifel und den Alpen (von LEHMANN 1958b, 1959), während die des Neusiedlersee-Gebietes in Österreich kleiner sind als die von Terschelling (BAUER 1960). Tabelle 1 Körperlänge Schwanzlänge nen laEm =: Ssellmin] max. | n | m SIE s | min. |max. Terschelling 272. 907255:5776:25807, 11072. 025723307227 76.4. 7662.95 Hoge Veluwe 19.9520,-5005 198862 105 4.17 78450 =E2 1723. 7689. 95 Laroche DE 852187 120446, 3379 GBR DIESE 3,9,75, 9 | Rel. Schwanzlänge Hinterfußlänge | Ohrlänge a. UBER = BER SER Erin er | NEE Ws in] mar a ms min] max. Terschelling DSRIPRO, ==8.110412 68328 110558270205, 344 19724 92147, 3 1612717 Hoge Velen 172,.38,9:5525,987951,29 8.974197 22272221727 187247197 16.17 2 1,7137 18 Laroche 1429850252616. ,86:3 11227. 138 21772=5 21255 1505205995513 2163 Die Schwanzlänge (T) ist bei den untersuchten Populationen ungefähr gleich. Sie wurde gemessen vom Anus bis zur Schwanzspitze (ohne die Endhaare). Die festge- stellten Schwanzlängen liegen im Mittel höher als die der skandinavischen Tiere, wie Ursın (1956) sie gibt. Vielleicht müssen wir die Erklärung dafür in der Bergmann’schen Regel suchen. Die relative Schwanzlänge (T °/o) ist die Schwanzlänge ausgedrückt ın %o der Kör- perlänge. Angesichts der Tatsache, daß die Schwanzlängen der drei Populationen unge- gefähr gleich sind, ergibt sich für die relative Schwanzlänge das umgekehrte Bild der Körperlänge. Es ist hier jedoch nur der Unterschied zwischen den Populationen von der Hoge Veluwe und Laroche significant, während der Mittelwert der Terschelling- Population doch deutlich von den beiden anderen abweicht. Es zeigt sich deutlich, daß in vielen Fällen die Schwanzlänge größer ist als die Körperlänge - dies im Gegen- satz zu den Behauptungen von IJssELING & SCHEYGROND (1950). Diese Tatsache selbst wurde bereits früher in der Literatur festgelegt, namentlich durch Husson (1957) und DE VRIEs (1958), wenn ihre Feststellungen auch nicht durch Maßangaben gestützt 224 F. L. Pelt und P. ]J. H. v. Bree wurden. Nur in dem untersuchten Material von der Hoge Veluwe fehlen Exemplare, deren Schwanz länger ist als der Körper. Für das Material von Terschelling wurde unter- sucht, ob irgendeine Korrelation zwischen Körper- länge und relativer Schwanzlänge besteht. Hierzu wurden die Maße von 86 Individuen benutzt, ohne Rücksicht auf Alter und Geschlecht. In Abb. 1 sind die Ergebnisse graphisch dargestellt. Gleichzeitig wurde von obigen Maßen der Korrelationskoeffh- zient berechnet (WIJvEkATE 1960 S. 176). Dieser schien —0,52 zu betragen. Das weist auf eine nega- tive Korrelation zwischen Körperlänge und relati- ver Schwanzlänge hin, wie auch Ursın (1956 S. 4) Korrelation zwischen Körperlänge angibt. Siehe auch SIrvoNEN (1954). und relativer Schwanzlänge bei Die Hinterfußlänge (Hf) wurde gemessen von Apodemus sylvaticus von der nie- der Ferse bis zum Ende der längsten Zehe (exkl. derländischen. Insel Terschelling. Kralle). Hier liegt das Mittel von Terschelling be- deutend unter dem der beiden anderen Populatio- nen, wennschon nach der Probe von WıLcoxon nur der Unterschied gegenüber Hoge Veluwe significant zu sein scheint, nicht auch gegenüber Laroche. Der Unterschied zwischen Hoge Veluwe und Laroche scheint erwartungsgemäß nicht significant zu sein. In bezug auf die Hinterfußlänge stimmen die Tiere von Terschelling noch am ehesten überein mit denen von Skandinavien (Ursın 1956), sind aber kleiner als die aus dem Rheinland, nach FELTEN (1952), die ungefähr mit denen aus Laroche übereinstimmen. Die Ohrlänge (E), gemessen vom Rand bis zum Meatus, ergibt das gleiche Bild wie die Hinterfußlänge. Hierbei ist Terschelling significant kleiner als die beiden andern Populationen. Der Unterschied zwischen der Hoge Veluwe und Laroche ıst auch hier nicht significant. S S oO — OQ oO © oO N oO Schwanzlänge in % der Körperlänge 60 70 60 90 100 Körperlänge in mm Schädelmaße Von den genommenen Schädelmaßen wurden zur Hauptsache die Condylobasallänge und die Schädelbreite untersucht. Die Befunde sind in Tabelle 2 enthalten. Die Condylobasallänge (CBl) wurde gemessen von der Vorderkante der oberen Incısiven bis zur Hinterkante der Condylen. Die Schädel von Terschelling liegen hier zwischen denen der beiden anderen Populationen. Nur der Unterschied zwischen den Schädeln von der Hoge Veluwe und denen von Laroche, die die kleinsten sind, ist significant nach Wırcoxon. Das ist wiedergegeben in Tab. 2. Tabelle 2 Condylobasallänge Schädelbreite Ian m ae | min. | max. | n || m s 0,32 Terschelling 20: 9223312 0,767 21,20923.97 20 25 Hoge Veluwe 96.322175.% = 21.00.2127 220 W911 5 00 5059 + E Laroche 955215809 0,4577 20,722 2292219221866 0,33 Die Schädelbreite (Mast.) wurde an dem breitesten Punkt hinter dem Jochbogen gemessen. Die Schädel von Terschelling scheinen am schmalsten zu sein, doch nur der Unterschied zwischen Terschelling und Laroche ist significant. Die Schädel von Ter- schelling sind lang und schmal im Vergleich mit denen von Laroche (siehe Tab. 2). Notizen über die Waldmaus 22:5 Färbung und Zeichnung Beim Bestimmen der Bauch- und Rückenfärbungstypen wurde auf das Fangdatum geachtet, um die Tiere während der Haarung auszuschließen. Erwachsene Tiere aus dem Februar, sowie aus Oktober-November, sowie juvenile aus dem Juni wurden nicht berücksichtigt (von LEHMANN 1958a). Um zu einem übersichtlichen und handlichen Vergleich zu kommen, wurden die untersuchten Bälge mit Standard-Exemplaren verglichen. Von diesen Standard-Exem- plaren wurde das Fell untersucht und die Haarfarbe mit der Farbskala von Rınawary (1912) verglichen. Wenn man das Fell gegen den Strich bürstet oder hineinbläst, ist deutlich zu sehen, daß alle Haare von Bauch und Rücken an der Basıs ungefähr in halber Länge grau sind wie Dark Neutral Grey (RıpawaAy LIII). Die Bauchhaare sind an der Spitze schneeweiß oder silbergrauweiß, wodurch der Gesamteindruck resp. weißer oder grauer ist. Die obere Hälfte der Rückenhaare ist hellbraun, einige mit einer sehr dunklen Spitze. Hier wurden drei Farbklassen unterschieden, dunkler oder heller, je nach der Anzahl der Haare mit dunkler Spitze. Folgende Standard-Exemplare wurden benutzt: Tabelle 2a Reg.-Nr. | - Fundort | Farbe der Haarspitzen Bauch I ZMA 2558 Terschelling schneeweiß Bauch II ZMA 110/37 Terschelling silbergrauweiß Rücken I ZMA 2564 Terschelling Ochraceous Tawny-Cinnamon Brown Rücken II ZMA 313/37 Amsterdam Ochraceous Buff Rücken III ZMA 2563 Terschelling Light Ochraceous Buff Die Rückenfarben sind zu finden auf Tab. XV von Rınpcwar (1912). Tabelle 3 zeigt, wie ın drei Populationen die Tiere auf die Farbklassen verteilt sind. Tabelle 3 Bauchfarbe | Rückenfarbe Here se BT | I I I | Mm eienschellln en wur ee ee A 24.27 DEN 243 HloseaVleluwe ns en a es en 229 1 3 Late N ER RT Wir sehen, daß eigentlich nur auf Terschelling viele Tiere mit ausgesprochen wei- ßem Bauch vorkommen. Hierzu muß jedoch in Betracht gezogen werden, daß von diesen Tieren mit weißem Bauch mehr als die Hälfte im Frühjahr und nur neun im Sommer gefangen wurden, während die dunklen Tiere von Terschelling vereinzelt nach, und die Tiere von der Hoge Veluwe und Laroche alle in den Sommermonaten gefangen wurden. Es ist also die Frage, ob man in dieser Beziehung die Populationen vergleichen darf. In jeder Population herrscht eine Farbklasse stark vor, wo die Tiere von Terschel- ling die hellsten sind, etwas mehr nach grau hin, wie DE Vrızs (1958) von Tieren aus dem Dünenstreifen meldet. Die Tiere von der Hoge Veluwe sind am dunkelsten; der Gesamteindruck ist warmbraun. Zum Schluß wurde die Zeichnung von Rücken und Bauch studiert. Was die Bauch- 226 F. L. Pelt und P. ]J. H.v. Bree zeichnung anbelangt, so wurde geachtet auf das Vorkommen von isabellfarbenen Achselflecken und dem Bauchstrich, der von der Brust aus ın Längsrichtung nach hin- ten verläuft. Auch die Schärfe der Farbgrenze zwischen Bauch und Rückenfell wurde beachtet. Bei der Rückenzeichnung wurde untersucht, ob da ein deutlicher Aalstrich war oder eine dunkle Rückendecke. Die Ergebnisse und die Erläuterungen der ver- schiedenen Kategorien sind in Tab. 4 enthalten. ; Tabelle 4 Trennung Rückenzeichnung Achselflecken Bauchstrich 1 213 ar aaeladeddnen + - | 01 +!/++/ 4424 Terschelling 27°.18..2 = 2128 718207 a SD 1 23.) Has 1 Hoge Veluwe 21. 22:0. 000307 1400 PO 2. Aero Laroche 22 150 Be Ey 2 070 16 5 DFB Trennung: 1. unscharf 2. gut scharf 3. sehr scharf Rückenzeichnung: a. unscharfer Aalstrich; aa. deutlicher Aalstrich; d. und dd. resp. helle und dunkle Rückendecke Achselflecken: O keine, + unscharf, ++ deutlich, + ++ zum Halsband verbreitert Bauchstrich: O keiner, + unscharf, ++ deutlich, +++ sehr lang Wir sehen dabeı, daß der Übergang zwischen Bauch- und Rückenfärbung in den meisten Fällen ee scharf ist, wie auch in der Literatur angegeben (MonHr 1954). MıLLer (1912) dagegen schreibt, dafß diese Trennung gut scharf sei. In unserem Ma- terial hatten 18 Exemplare von Terschelling eine gut scharfe Trennung, zwei davon sogar sehr scharf. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß dies überwiegend die Tiere mit schneeweißem Bauch betrifft, nämlich 15 Stück. Auch in der Rückenzeichnung weicht die Terschelling-Population von den anderen beiden untersuchten ab. Die meisten Exemplare von Terschelling zeigen einen mehr oder weniger ausgesprochenen Aalstrich. Bei den Tieren von der Hoge Veluwe sind das schon viel weniger, während kein einziges von Laroche einen Aalstrich zeigt. Was die Bauchzeichnung anbelangt, so ergibt sich aus Tab. 4, daß Laroche durch fast völliges Fehlen von Bauchstrich und Achselflecken von den beiden anderen Popu- lationen verschieden ist. Die Hoge Veluwe unterscheidet sich dadurch, daß alle Tiere wohl eine Andeutung von Bauchstrich besitzen. Nur bei einem Tier von Terschelling (Reg. Nr. ZMA 2970) sind die Achselflecke zu einem Halsband verbreitert. Ein sehr langer und deutlicher Bauchstrich wird auch bei nur einem von Terschelling stam- menden Tier beobachtet (Reg. Nr. ZMA 3027). Nach Ursiın (1956) ist bei den meisten dänischen Exemplaren der Bauchstrich vorhanden. Nach seinen Literatur-Angaben kommt dieser Strich in NW-Europa viel vor, wie auch in S-Europa, während er in NO-Europa und M-Europa fehlen soll. Unsere Befunde stimmen mit diesem Schema also gut überein. Bei der Untersuchung auf ev. Geschlechtsunterschiede hin zwischen adulten 8 d und ?% von Terschelling wurden kleine Unterschiede gefunden, die der Tab. 5 zu entnehmen sind. Es scheint, als ob die 2? einen längeren Schwanz haben als die dd. Das stimmt überein mit dem von von LEHMANN (1954) für die Voreifel Festge- stellten. Unser Material war jedoch zu gering, um eine Aufspaltung in kleinere und grö- ßere Tiere zuzulassen, wie von VON LEHMANN getan wurde. Die gefundenen Unter- schiede in den Abmessungen der Schädel konnte man beiseite lassen. Notizen über die Waldmaus DIT, Tabelle 5 Sex n HB 18 T 0/o Gew. dä 27 ION 83,0 92,6 19,8 (nr —=.228)) 99 19 89,5 86,2 96,4 19,4 (a 10) Diff. ON 37 3,25..0.15358 —0,4 Diskussion und Zusammenfassung In bezug auf die Körpermaße unterscheidet sich Apodemus sylvaticus von Terschelling von denen der Hoge Veluwe und von Laroche durch kürzeren Hinterfuß und kürzere Ohren, während der Schädel verhältnismäßig schmal ist. Die Fellfarbe scheint auf Terschelling i. A. heller zu sein, während die Trennung zwischen Bauch- und Rückenfarbe schärfer ist. Die Tiere von Terschelling zeigen überdies einen deut- lichen Aalstrich, der bei den Tieren von der Hoge Veluwe viel seltener vorkommt und bei denen von laroche ganz fehlt. In bezug auf die Bauchzeichnung stehen die Tiere von Laroche gesondert da durch AsEehlen von deuelichen Achselleken und Bauchsrrich. Betrachten wir nun den Platz, die die von uns studierten Populationen innerhalb der westeuropäischen Waldmäuse einnehmen, dann sehen wir, daß die Population von der Hoge Veluwe am meisten der Beschreibung von Apodemus sylvaticus sylvaticus (Linnaeus, 1758) entspricht, so wie MırLLEr (1912) sie gibt. Die von Terschelling und die von Laroche sind kleiner, während die von Terschelling sich besonders durch ein helleres Fell unterscheiden. Die Erklärung dafür kann vielleicht in der Bemerkung von DE Vrızs (1958) gefunden wer- den, daß Waldmäuse in Dünengebieten im allgemeinen grauer sind. Auf jeden Fall müssen wir mit unseren Schlußfolgerungen sehr vorsichtig sein in bezug auf die Taxonomie, wie auch schon BAUER (1960) feststellte. Am auffallendsten unterscheiden sich die Tiere von Ter- schelling nach der zu Rate gezogenen Literatur von der übrigen Waldmausbevölkerung West- europas durch die geringe Länge von Hinterfuß und Ohr (FELTENn 1952, von LEHMANN 1959, MıLLer 1912, MoHr 1954, Ursın 1956, ZEJDA & Kııma 1958). Ob die gefundenen Abweichungen für inselbewohnende Waldmäuse allgemein sind (für die Insel Langeoog siehe ZIMMERMANN, 1936) und ob Veranlassung besteht, diese Population auch nomenklatorisch zu unterscheiden, war nach der verfügbaren Literatur und dem bisheri- gen Material nicht zu entscheiden. Wir dürfen jedoch sagen, daß die Terschelling-Population sich deutlich von den Festlandtieren unterscheidet und auch von den britischen abweicht. Für die Population von Terschelling wurde noch untersucht, ob eine Korrelation besteht zwischen Körperlänge und relativer Schwanzlänge. Gefunden wurde ein Korrelationskoefh- zient von -0,52, was die Ausführungen von URrsın (1956 S. 4) und Sımvonen (1954 S. 17) bestätigt, daß kleine Tiere einen verhältnismäßig längeren Schwanz haben als große. Zum Schluß wurde in Übereinstimmung mit von LEHMANN (1954) gefunden, daß die QQ einen verhältnismäßig längeren Schwanz haben als die 4. &. Summary Data are given on the dimensions, the colours and the colour-patterns of Apodemus sylvaticas from the island of Terschelling, the Netherlands. These data were compared with those of populations of the same species from the Hoge Veluwe (Centre of the Netherlands) and from Laroche (Eastern Belgium) as well as with data found in literature. The animals from Terschelling have rather short hindfeet and ears, and the colours of the fur are in general somewhat brighter than those of anımals coming from the mainland. Literatur BAuzr, K. (1960): Die Säugetiere des Neusiedlersee-Gebietes (Österreich); Bonn. Zool. Beitr. 11: 2/4, S. 272-275. — FELTEn, H. (1952): Untersuchungen zur Ökologie und Morphologie der Waldmaus (Apodemus sylvaticus L.) und der Gelbhalsmaus (Apodemus flavicollis Mel- chior) im Rhein-Main-Gebiet; Bonn. Zool. Beitr. 3: 3/4, S. 187-206. — Husson, A. M. (1957): Faunistische gegevens over de zoogdieren van Zuid-Limburg; Nat. Hist. Maandbl. 46: 5/6, S. 72. — LEHMANN, E. von (1954): Über den Geschlechtsdimorphismus einiger Muridenarten in der Voreifel; Säug. Mitt. 4: 1, S. 10-13. — LEHMANN, E. von (1958a): Zum Haarwechsel deutscher Kleinsäuger; Bonn. Zool. Beitr. 9: 1, S. 10-23. — LEHMANN, E. von (1958b): Zur Kleinsäugerfauna des Hohen Venns; Decheniana 111: 1, S. 9-17. — LEHMANN, E. von (1959): 228 G. Niethammer Eine Kleinsäugerausbeute aus Montenegro; Bonn. Zool. Beitr. 10: 1/2, S. 8-10. — MiLLEr, G. S. (1912): Catalogue of the Mammals of Western Europe (Europe exclusive of Russia) in the collection of the British Museum; London. — MoHR, E. (1954): Die freilebenden Nage- tiere Deutschlands und der Nachbarländer; Dritte Aufl. Jena. — ReınwALoT, E. (1956): Studien am Schädel der schwedischen Waldmäuse, Apodemus sylvaticus (L., 1758) und A. flavi- collis (Melchior, 1834); Säug. Mitt. 5: 3, S. 100-103. — RıpcwAy, R. (1912): Colar Standards and Color Nomenclature; Washington. — SIIVoNEN, L. (1954): Über die Größenvariationen der Säugetiere und die Sorex macropygmaeus Mill.-Frage in Fennoskandien; Annales Acade- miae Scientiarum Fennicae A. IV. Biologica 21. — URrsin, E. (1956): Geographical variation in Apodemus sylvaticus and Apodemus flavicollis (Rodentia, Muridae) in Europe, with spe- cial reference to Danish and Latvian populations; Biol. Skr. Dan. Vid. Selsk. 8: 4. — Vrıes, H. pe (1958): Insecteneters en knaagdieren, determinatietabel voor Nederlandse Insectivora, Lagomorpha en Rodentia; Gestenclide uitgave. — WABEKE, Ir. Doralien & Con- stance VAN EEDEN (1955): Handleiding voor de toets van Wilcoxon; Rapport S. 176 (M 65), Math. Centr. Amsterdam. — WIJvEKATE, M. L. (1960): Verklarende Statistiek; Utrecht. — IssseLing, M. A. & A. ScCHEYGROND (1950): De Zoogdieren van Nederland; Zutphen. — ZeEjpa, J. & M. Kııma (1958): Die Kleinsäuger des Naturschutzgebietes Kubany Urwald - (Boubin); Zoologicke Listy 7 (XXI) 3. — ZIMMERMANN, K. (1936): Zur Kenntnis der euro- päischen Waldmäuse (Sylvaemus sylvaticus L. und S. avicollis Melch.); Arch. Naturgesch. N. Er5.25. 116-133: 2 des Verfassers: F. L. PeıLr & Drs P. H. J. van Bee, Zoölogisch Museum, Plantage Middenlaan 53, Amsterdam C., Nederland Die (bisher unbekannte) Schwanzdrüse der Hausspitzmaus, Crocidura russula (Hermann, 1780) Von G. NIETHAMMER Eingang des Ms. 25. 8. 1961 Beim Präparieren von Hausspitzmäusen war meinem Sohne JocHEN aufgefallen, daß erwachsene Männchen der Hausspitzmaus im Sommer eine dickere Schwanzwurzel besitzen als die P? und daß diese Verdickung offenbar durch eine drüsige Anschwel- lung der Haut bewirkt wird. Querschnitte durch den Schwanz je eines adulten ö und 2 offenbarten wirklich, daß beim & an der Ventralseite ein ziemlich mächtiges Drü- senfeld ausgebildet ist, das dem ® ad. fehlt (Abb. 1). Weitere && und ?, deren Schwanz geschnitten und verglichen wurde, lieferten denselben Befund eines markan- ten Geschlechtsdimorphismus. Das histologische Bild zeigt polyptische Drüsen vom holokrinen Typus, die den Meibomschen Drüsen ähneln. Außer ihnen sind in lockerem Verbande und allseitig Talgdrüsen eingelagert, die sich auch in gleicher Weise beim 2 finden. Das Schwanzdrüsenfeld ist zwar auf der Unterseite des Schwanzes am mäch- tigsten (so daß hier die Haut drei bis viermal so dick ist wie auf der Dorsalseite), dehnt sich aber bis zur Mitte der Schwanzseiten aus. Es umhüllt mithin genau die (ventrale) Hälfte des Schwanzes und erstreckt sich von der Wurzel bis fast zur Schwanzspitze. Messungen der Schwanzdicke von 35 Hausspitzmäusen aus den Sommermonaten zeigten, daß bei jungen Tieren noch keine Unterschiede zu sehen sind, sondern erst bei einem Gewicht von 9 g, d. h. etwa beim Erreichen der Geschlechtsreife. Dann wächst die Drüse beim & sehr stark: Die Dicke des Schwanzes nimmt um 0,16 mn bei gleichzeitiger Gewichtszunahme des Tieres um 1 g zu, wogegen beim $ die Schwanz- dicke nur um 0,04 mm pro 1 g Zunahme seines Körpergewichtes wächst (Abb. 6). Schwanzdrüse der Hausspitzmaus 299 a | b Abb. 1. Crocidura russula, Querschnitt durch Schwanzwurzel — a. & ad. — b. Q ad. — 35 X vergr. Zu beachten das mächtig entwickelte ventrale Drüsenfeld beim & ad. (Photo W. ESCHRICH) = A, si x N US AR Abb. 2. Querschnitt durch die Schwanzwurzel von C. russula & ad. bei stärkerer Vergrößerung — a. dorsale — b. ventrale Seite 730 G. Niethammer Folgende Fragen drängen sich auf: 1. Welche Funktion hat diese Drüse? 2. Besitzt sie nur C. russula, oder findet sie sich auch bei anderen Arten (welchen?) der Gattung Crocidura oder gar bei anderen Gattungen der Spitzmäuse? 1. Das Sekret der Hautdrüsenorgane liefert in der Regel einen Duftstoff, der für Artgenossen oder (und) Geschlechtspartner von Bedeutung ist und auch Feinde (und Konkurrenten?) vertreiben kann. Die Tatsache, daß die Schwanzdrüse der Hausspitz- maus den 2? fehlt, deutet auf ihre Funktion in der Brunst hin. Allerdings unter- liegen diese Drüsen keinen auffälligen jahreszeitlichen Veränderungen: Ich untersuchte 1 ö ad. aus dem Winter (Dezember), das ein entwickeltes Schwanzdrüsenfeld hatte, wenn dies auch, verglichen mit ım Frühjahr und Sommer gefangenen dd, nicht so mächtig wirkte wie beı diesen (Abb. 3). Ob die Schwanzdrüse überhaupt einen Duftstoff liefert, konnte ich bisher nicht unmittelbar feststellen. Der Geruch der Seitendrüsen ıst bei der Hausspitzmaus so penetrant, daß es für die menschliche Nase wohl sehr schwer sein wird, daneben andere Gerüche zu bemerken und zu lokalisieren. Wir wissen aber leider bis heute noch nicht einmal, in welcher Weise die Seitendrüsen der Spitzmäuse verwendet werden. Dies 2 ne ' > . ” : ae f} Abb. 3 (oben). Crocidura russula & ad. vom Dezember, Querschnitt durch die Shwanzwurzel — Abb. 4 (unten). Schnitt durch die Seiten- drüse von Crocidura russula Ö ad. Schwanzdrüse der Hausspitzmanus 231 wäre in unserem Zusammenhang vielleicht aufschlußreich, weil die Schwanzdrüse histologisch den Seitendrüsen sehr ähnlich ist (Abb. 4), weshalb man eine ähnliche Aufgabe beider Drüsen vermuten könnte. Die bislang eingehendsten ethologischen Untersuchungen von H. M. ZıppeLius, dıe C. russula lange hielt und züchtete, lieferten keinen Hinweis auf Funktion und Be- deutung der Seitendrüsen im Leben der Spitzmäuse. Die gründliche morphologisch- histologische Abhandlung über die Hautdrüsen der Säugetiere von SCHAFFER (1940) berührt kaum die Funktion bzw. Bedeutung und begnügt sıch ın dieser Hinsicht voll- kommen mit allgemeinen Angaben oder Vermutungen über die Aufgaben der Haut- drüsen. Von BUTTLERs unveröffentlichten Beobachtungen seı hier eine zitiert, die einen Hinweis auf die Funktion der Seitendrüse geben könnte: „Von Wichtigkeit scheint mir die Beobachtung, daß die Weibchen, von denen sich das Leucodon-Exemplar zu- rückhielt und witternd von einer Ecke aus am Geschehen teilnahm, zunächst die Genitalregion des Männchens beschnüffelten und dann mit besonderer Beharrlichkeit einige Sekunden lang wiederholte Male ihre Schnauzen auf die Gegend der männlichen Seitendrüsen drückten. Hatten sie sich über den vermutlich spezifischen Geschlechts- geruch des Männchens vergewissert und das Männchen seine anfängliche Scheu ver- loren, so kam es nach kurzem Liebesspiel, das sich ın gleichen Phasen, wie oben be- schrieben, abspielte, zur Kopulation mit einem der Russula-Weibchen. Die soeben beschriebenen Begattungserscheinungen fanden etwa Mitte Dezember statt, also zu einer Zeit, zu der ım allgemeinen im Freiland keine Begattungen von Spitzmäusen vorkommen dürften.“ a | | b Abb. 5. Crocidura russula & ad. vom März — a. Seitendrüse nach Abziehen der Haut von innen — b. Schwanzdrüse nach Abziehen der Haut von innen. Phot. N. WEISSENFELS Es sei hier noch hinzugefügt, daß nach BUTTLER die Feldspitzmaus-Männchen mir den Weibchen sowohl von leucodon als auch russula kopulierten. Die Seitendrüse der Spitzmäuse wurde schon 1815 von GEOFFROY ST. HirLaıke beschrieben, aber nach den bei SCHAFFER zusammengetragenen Angaben und dessen eigenen Untersuchungen war es 1940 noch nicht einmal klar, ob diese Drüsen nur das ö oder auch das $ besitzt und ob sich die einzelnen Arten in dieser Hinsicht alle glei- chen. Die Größe der Seitendrüsen bei den europäischen Spitzmausarten geht aus fol- gender Tabelle hervor, die ın der Hauptsache auf Messungen meines Sohnes JOCHEN beruht. 2a G. Niethammer mm —_ 347 I “ Sr ae S30 reine, E=) 2 029 n A N 26 GN el 2 ? x 24 Ö d 2 = BrN 22,2 F > x ® Foo Tr Sl 5 2,0 5 Br o Mae &18- ld, d'2 im 1.Lebensjahr < [0] > [0] er “ 2. 7 S SI Q TOT TORE TO ZEIT ECrT, Körpergewicht Abb. 6. Die Zunahme der Schwanzdicke bei & und P der Hausspitzmaus. & mit, ? ohne Schwanzdrüse. Auf je 1g Körpergewicht nımmt die Dicke des Schwanzes bei d um 0,16 mm, bei @ um 0,04 mm zu. Ordinate: Diese Maße betreffen nur dd. Die Seitendrüse ist jedoch schon bei ganz jun- gen Hausspitzmäusen (von 3,2 g Gewicht) in beiden Geschlechtern als kahler Fleck markiert und beim erwachsenen @ u. U. voll entwickelt. Von 15 daraufhin genau untersuchten PP ad. hatten fünf keine Seitendrüse, bei sechs war sie als ausge- dehntes Feld vorhanden, aber unverdickt, bei vier ähnlich der des & entwickelt, nämlich groß und auch verdickt. Maxi- malmaße sind: 6X 13 und 5X 10 mm. Bei C. suaveolens fanden wir bei sieben 9 ad. nur zwei ohne Seitendrüse, bei den an- deren fünf schwankte die Größe der Sei- tendrüse zwischen 1X6 und 4X6 mm. Die Lage der Seitendrüse ist nicht bei allen untersuchten Arten gleich. Am wei- testen bauchwärts ist die Seitendrüse bei Zwerg- und Waldspitzmaus gerückt, bei den Crocidura-Arten liegt sie etwas hö- Durchmesser des Schwanzes an der Wurzel in mm. Abszisse: Körpergewicht ing. SQ im 1. Lebensjahr, 35 im 2. Lebensjahr. her, so bei C. leucodon ziemlich genau ım Grenzbereich der dunklen Oberseiten- ge- gen die helle Unterseiten-Färbung. Sorex alpinus verhält sich ähnlich den beiden schon erwähnten Sorex-Arten. Ganz woanders liegt die Seitendrüse dagegen bei den Wasserspitzmäusen (Neomys fodiens und ano- malus). Sie ist hier viel weiter nach vorn und oben, also cranial und dorsal verlagert (s. Abb. 7), dies wohl in Abhängigkeit vom Wasserleben. Tabelle 1 Maße der Seitendrüse bei frischtoten Spitzmäusen (J)! Größe der Drüsen in mm | Zahl der vermess.| Name is 7 X 14 (9 X 12) Crocidura russula . 3X 6) bis 4X8 (5X 6,5) Crocidura suaveolens . Crocidura leucodon Sorex araneus . Sorex alpinus . Neomys fodiens Die Schwanzdrüse habe ich bisher nur bei der Gattung Crocidura gefunden. Sie ist nicht zu verwechseln mit der von SCHAFFER (S. 73) abgebildeten Schwanzdrüse von Desmana moschata, die auch Galemys in etwas anderer Form besitzt. Dieses Sub- caudalorgan ist dadurch gekennzeichnet, daß die Drüsen in große Bläschen („Zister- nen“) münden, die dicht an dicht an der Ventralseite des Schwanzes angeordnet sind und mit ziemlich langen Gängen schräg nach hinten jeweils am Hinterrand einer Schuppe nach außen führen. Von solchen Zisternen findet sich bei Crocidura keine Spur. Am ehesten vergleichbar scheint mir die Schwanzdrüse von C. russula mit sol- chen, die man bei Mascroscelides gefunden hat, worüber ebenfalls SCHAFFER berichtet. Hier sollen die Drüsen im ersten Drittel des Schwanzes an der Unterseite in einigem Schwanzdrüse der Hausspitzmaus >35 Abstand von der Wurzel auf einem dünn behaarten Feld münden, so daß eine fast nackte Anschwellung der Haut entstanden sei. Diese Drüse sei nur bei geschlechtsreifen Männchen, nicht bei Weibchen und Jungen zu fin- den. Ihr Sekret verursache den beson- deren Geruch der Rohrrüßler. Von der Gattung Sorex konnte ıch den Schwanz eines ö ad. der Zwerg- spitzmaus (S. minutus) histologisch Abb. 7. Die Lage der Seitendrüse bei der Gat- untersuchen. Die Talgdrüsen sind tung — oben: Crocidura und unten: Neomys hier in lockeren Gruppen um den ganzen Schwanz gleichmäßig verteilt. Aber selbst in der Gattung Crocidura besitzt die nahverwandte Spezies suaveolens, die Gartenspitzmaus, keine Schwanzdrüse. Durch freundliche Vermittlung von Herrn STEINER erhielt ich ein 8 ad. mit aktiven Hoden (gefangen 12. 8. 1960 bei Wien, Hoden 4 X 3,2 mm), bei dem im histologischen Bild keine Spur einer Schwanzdrüse zu sehen war. Auch die nächst- verwandte C. leucodon konnte ich dank der Hilfe von Dr. F. FRANK untersuchen. Er sandte mir zwei ö seiner Zucht, die am 5. Mai 1961 geboren waren und am 8. Juni 1961 getötet wurden, als sie knapp 9 g wogen. Die von einem dieser beiden & 6 angefertigten Querschnitte durch den Schwanz zeigten zwar kein Drüsenpolster wie bei der Hausspitzmaus, aber doch hinsichtlich der Zahl und Anordnung der Drüsen eine gewisse Differenzierung in eine Dorsalkappe und eine Ventral- plus Lateralpartie. Die erstere ist charakterisiert durch mehr Haare und sie begleitende Talgdrüsen. An der Ventralseite ist dagegen die Zahl der Drüsen größer und die Behaarung spärlicher. Eine solche Beziehung scheint mir auch bei der Hausspitzmaus zu bestehen. Da die untersuchte Feldspitzmaus nur reichlich einen Monat alt war, kamen mir Zweifel, ob sich die Schwanzdrüse nicht noch entwickeln würde, so daß die oben erwähnte Ver- mehrung der Drüsen an Ventral- und Lateralseite nur als Entwicklungsstadium zu einem ebenso kompakten Drüsenfeld wie bei alten Hausspitzmaus-Männchen gedeutet werden mußten. Deshalb danke ich Dr. Frank sehr, daß er mir wiederum half und mir diesmal ältere && von C. leucodon schickte. Ein solches, am 20. Juni geboren, wurde am 14. September mit einem Gewicht von knapp 10 g abgetötet. Schnitte durch verschiedene Regionen des Schwanzes ließen zwar wiederum eine gewisse Differen- zierung wie beim oben erwähnten ersten Feldspitzmaus-Männchen erkennen, aber keinerlei Drüsenpolster wie bei erwachsenen dÖ& von C. russula. Offenbar ist also dieses ventrale Schwanzdrüsenfeld für C. russula charakteristisch und fehlt schon deren nächstverwandten Arten. Für Hilfe bei der Anfertigung von Schnitten und Mikro-Photos danke ich besonders Herrn Dr. E. SCHOLTYSECK. Zusammenfassung Bei erwachsenen d 8 von Crocidura russula findet sich auf der Unterseite und an den Seiten des Schwanzes ein ausgedehntes und ziemlich dickes Drüsenfeld, das im histologischen Bild der Seitendrüse ähnelt. Diese Subcaudaldrüse verursacht bei männlichen Hausspitzmäusen eine Verdickung des Schwanzes, die beim @ in keinem Falle festgestellt werden konnte. Diese Schwanzdrüse, nicht zu verwechseln mit der Subcaudaldrüse des Desman, ist wahr- scheinlich auf C. russula beschränkt; sie wurde nicht bei ©. suaveolens und auch nicht in dieser Form bei C. leucodon, erst recht nicht bei der Gattung Sorex gefunden. Sie kann daher auch als taxonomisches Merkmal innerhalb der Gattung Crocidura herangezogen werden. Ihre Funktion ist unbekannt. U. und H.-G. Klös m” e97 ı Summary A description is given of a subcaudal and lateral-caudal gland found in males of Crocidura russula. This gland, which is not the same as the subcaudal gland found in Desmana moschata, has more or less the same histological anatomy as the lateral glands of the Soricidae. This newfound gland causes a thickening of the tail in the males; this thickening was not found in females. Up till now it was only observed in the species mentioned, but not in Crocidura leucodon and Crocidura suaveolens and too not in the species of the genus Sorex. As such this gland can be used as taxonomical character. The function of the gland ıs unknown. - Furthermore some data are given on the activity and location of the lateral glands of several European shrews. Literatur BUTTLER, G. (1953): Ein Beitrag zur Sexualbiologie der Insectivoren unter besonderer Be- rücksichtigung der Accessorischen Drüsen der Soriciden Crocidura leucodon Herm. und C. russula Herm; Dissertation Braunschweig. — PAcrTı, J. (1954): Dürfen die Seitendrüsen als spezifisch-taxonomisches Merkmal der Clethrionomys-Arten aufgefaßt werden?; Zool. Anz. 153, H. 11: 321-322. — SCHAFFER, J. (1940): Die Hautdrüsenorgane der Säugetiere mit be- sonderer Berücksichtigung ihres histologischen Aufbaus und Bemerkungen über die Prokto- däaldrüsen; Berlin und Wi ien, Urban x Schwarzenberg. Anschrif des Verfalers Prof. Dr. G. NIETHAMMER, Bonn a. Rh., Museum Alexander Koenig, Koblenzer Straße 150-164 Haltung eines Brüllaffen im Berliner Zoologischen Garten Von UrsuLa und HEINZ-GEoRG Kıös, Berlin Herrn Professor Dr. Konrad Herter zum 70. Geburtstag gewidmet Eingang des Ms. 18. 11. 1961 Am 21. August 1957 erhielt der Berliner Zoo einen jungen männlichen Roten Brüllaffen zum Geschenk. Das war eine Gabe, die wir mit sehr gemischten Gefühlen entgegennah- men. Einerseits wollten wir dem Tier und seiner Besitzerin, die den Brüllaffen in ihrer kleinen Wohnung nicht länger halten konnte, helfen, andrerseits aber wußten wir sehr gut, wie schwierig die Haltung von Brüllaffen in Zoologischen Gärten ist. Unseres Wis- sens ıst es in Deutschland nur dem Münchener Zoologen Professor Dr. Hans KRIEG ge- lungen, einen Brüllaffen längere Zeit hindurch am Leben zu erhalten. Dieses Tier starb schließlich an einer Avitaminose. Brüllaffen bewohnen die Wälder des nördlichen und mittleren Südamerika von Mexiko bis Paraguay und Trinidad. Ihre Färbung variiert stark von goldbraun bis tiefschwarz, und man glaubt, 6 Arten gegeneinander abgrenzen zu können. Unser Tier war wahrscheinlich Alouatta belzebul ululata Elliot. „Chico“ war bei Santa Maria in Brasilien gefangen worden. Seine Mutter wurde erschossen. Ihr ausgestopfter Balg diente dem Jungtier als Mutterersatz, an den es sich ängstlich klammerte. Auf die übliche Weise — als Mitbringsel eines Seemannes — kam „Chico“ nach Deutschland in die Hände einer Krankenschwester, die ihn betreute, aber bald einsah, daß der kleine Kerl nicht für das Leben in einer Privatwohnung geeignet war. Wir erhielten „Chico“ im Alter von ungefähr 3 Monaten. Er hatte eine Körper- länge von 23 cm, eine Schwanzlänge von 34 cm und ein Gewicht von 21/a Pfund. Das Fell war rötlichbraun, Kinn- und Backenbart waren erst sehr kurz. Haltung eines Brüllaffen im Berliner Zoologischen Garten 235 Abb. 1. Der junge Brüllaffe „Chico“ kurz nach seiner Ankunft mit seiner Pflegemutter, Frau WALTER. (Aufn.: WOLFGANG ALBRECHT) „Chico“ übersiedelte sofort nach seiner Ankunft in die Wohnung des Affenpflegers, Herrn Kurr WALTER, der ihn zusammen mit seiner Frau 2 Jahre lang betreute und genau beobachtete. Ihm verdanken wir fast alle Angaben über „Chicos“ Entwicklung. Bei seiner Ankunft mußte „Chico“ noch gefüttert werden. Er griff nur ungern selber nach seiner Nahrung. Auch später waren seine Greifbewegungen stets unsicher, und er mußte oft zweimal zugreifen, ehe er das Gewünschte erfassen konnte. Nach Aussagen von Herrn WALTER war „Chico“ vollständig stubenrein — eine für einen Baumaffen erstaunliche Tatsache! Er setzte sich vor die Küchentür und jammerte, bis man ihm die Badezimmertür öffnete. Dort hockte er sich zum Harnen und Kot- absetzen auf den Rand der Badewanne. „Chicos“ Nahrung bestand aus Nestle-Kindermilch, Obst (Ananas, Birnen, Wein- trauben), Maronen und Schabefleisch. Außerdem erhielt er pro Woche 2 gekochte Eier (roh wurden sie zurückgewiesen), viel Salat und Weiden- und Robinienlaub. Mehl- würmer wurden von ihm voller Abscheu und Entsetzen stets sofort wieder aus dem Käfig entfernt. Das Wichtigste in „Chicos“ Ernährung war jedoch zweifellos, daß er 236 U. und H.-G. Klös stets an den Mahlzeiten des Pflegers teilnahm und sich auf diese Weise aussuchen konnte, was ihm zusagte. Er hatte für einen Affen ausgesprochen ausgefallene Leib- gerichte wie gekochtes Huhn, gekochten Fisch, Gemüseeintopf, Brühnudeln, Brühreis, Milchreis und Griesbrei. Schen nach einem halben Jahr verschmähte er die Nestlemilch und trank nur noch Kuhmilch mit Fruchtsäften. Außerdem nahm er jetzt auch Bananen, Apfel, Apfelsinen, Pflaumen, Pfirsiche und Kirschen an. - „Chico“ war außerordentlich anhänglich an seine Pflegeeltern, in deren Wohnung er frei her- umlief. Nur während der Nacht wurde er in einen Käfig in der Küche gesteckt. In den Sommer- monaten ging er mit Frau WAL- TER häufig durch den Zoo spa- zieren und tollte auf einer klei- nen Wiese herum. Beim Spiel entfernte er sich jedoch niemals mehr als 10-15 m von seinen Pflegeeltern. Vielleicht ist aus dieser extremen Anhänglichkeit heraus zu verstehen, daß er während seines ganzen Aufent- Abb. 2. „Chico“ untersucht alle eßbaren Dinge und sucht haltes in Berlin nie auf u sich heraus, was ihm schmeckt. Aufn.: KuRT WALTER Baum kletterte, obwohl wir ıhn stets dazu ermunterten. Herr WALTER konnte im Zusammenleben mit „Chico“ einige interessante Beobach- tungen über die Lautäußerungen des Brüllaffen machen: 1. Wenn „Chico“ sich zufrieden fühlte, stieß er ein leises th-th-th aus. 2. Bei großer Freude warf er den Kopf mit rollender Bewegung von links nach rechts und rief dabei in langangehaltenen Tönen ouh-ouh-ouh. (09) 4. Wollte er sich bemerkbar machen, z. B. wenn er allein im Zimmer war, stieß er ein Gebrüll aus, das an Löwengebrüll erinnerte, nur entsprechend leiser war. 5. Bei Angst klang es ın kurzen, kräftigen Tönen: hu-hu-hu. 6. In Wut stieß er das hu-hu-hu in längeren Abständen aus. Dabei sträubte er die Haare und ging in schrägem Vorwärtsgang zum Angriff über. „Chico“ erreichte ein Höchstgewicht von 41/2 kg, eine Körperlänge von 36 cm und eine Schwanzlänge von 87 cm. Während seines ganzen Aufenthaltes in Berlin war „Chico“ sehr anfällıg für Bron- chialkatarrhe. Seine Verdauung war ziemlich ungleichmäßig. Perioden normalgeform- ten Kotes wechselten immer wieder mit Diarrhoe oder Obstipation ab. Im allgemeinen war.das Tier jedoch gesund und nahm auch regelmäßig zu. Im 2. Jahr seines Hierseins bekam er in Abständen von wenigen Wochen Fieberanfälle, mit 38—40° Fieber, die etwa 3 Tage andauerten. Er litt hin und wieder an Atemnot. Am 31. Dezember 1958 zeigten sich zum erstenmal Kreislaufschwäche und Cyanose. Am 20. Januar waren die Hinterextremitäten gelähmt, 2 Tage darauf griff die Lähmung auch auf die Vorhand über. Nach Gaben von Glucose, Combionta, Haematogen und Vitamin B 12 ı. m. besserte sich „Chicos“ Zustand zusehends, und nach einem Monat war von der Läh- mung nichts mehr zu sehen. Am 9. Juli 1959 stieg die Temperatur plötzlich auf 41,90, das Tier wurde völlig apathisch, zeigte jedoch starke Schmerzempfindungen in der Kreuzgegend und war wiederum auf der Hinterhand gelähmt. Trotz aller Bemühun- gen (wiederum B 12, Combionta und Haematogen, zusätzlich Paraxin) besserte sich Hielt man ihn gegen seinen Willen fest, ließ er ein durchdringendes Kreischen hören. Unterscheidungsmerkmai zwischen dem paz. Walroß und grönl. Walroß 237 „Chicos“ Befinden dieses Mal nicht, und am 16. August 1959 trat der Tod ein. Die Todesursache war zweifellos eine akute Tympanie, die sich nach dem Genuß von viel Obst entwickelt hatte. Bei der Lähmung handelt es sich jedoch wahrscheinlich um irreparable Schäden am Nervensystem, die auf Grund einer Avitaminose entstan- den waren. „Chico“ war bei seinem Tode voll ausgewachsen. Der Kehlkopf war verknöchert, das Gebiß vollständig, die unteren Weisheitszähne gerade durchgebrochen. Bei der Sektion, die Herr Dr. HEınZz-SIGURD RAETHEL durchführte, konnte er fol- gende Organmaße feststellen: Darmkanal: 220 cm lang mit 17 cm langem, stark entwickeltem Caecum. Leber: 120 g schwer; Höhe 7,5 cm; Länge 12 cm; Dicke 3 cm. Gallenblase: länglich sackförmig; 6 cm lang. Milz: 7 g schwer; dunkelrot; langzungenförmig; weich mit praller Kapsel und ge- wulsteten Rändern; Länge 7,5 cm; Breite 2,2 cm. Nieren: ockerrötlich; 11g und 15 g schwer; taubeneigroß; Länge 4,2 cm; Breite 3 cm. Harnblase: taubeneigroß. Herz: stumpfkegelförmig; 30 g schwer. Gewicht des toten Brüllaffen: 3,6 kg. Anschrift des Verfassers: Ursura und Dr. HEınz-GEorG Kıös, Berlin W 30, Zoologischer Garten Ein Unterscheidungsmerkmal zwischen dem pazifischen Walroß Odobaenus obesus Illiger und dem grönländischen Walroß O.rosmarus L. Von ALwIN PEDERSEN Eingang des Ms. 19. 1. 1962 Die amerikanische Zeitschrift „Life“ bringt auf dem Umschlag ihrer Ausgabe vom 12. September 1960 eine Nahaufnahme von einer Bullenherde des pazifischen Wal- rosses. Beim Vergleichen dieses Fotos mit meinen eigenen Aufnahmen vom grön- ländischen Walroß wurde ich auf einen Unterschied aufmerksam, dem in seiner vol- len morphologischen Ausdehnung am lebenden Tier, soweit mir bekannt, bisher keine Aufmerksamkeit geschenkt worden ist. Es handelt sich dabei um die wesentlich größere vertikale Breite der Oberlippe des pazifischen Walrosses im Vergleich mit dem grönländischen Walroß. Dadurch werden die Nasenöffnungen beim pazifischen Walroß bis an die Oberseite des Kopfes gehoben, während sie beim grönländischen Walroß an der Vorderseite des Kopfes liegen. Der Unterschied ist deutlich auf den Fotografien zu erkennen. Bei seinen eingehenden kraniologischen Vergleichen zwischen den beiden Walroß- formen war schon J. A. Arten auf rein osteologischem Wege auf den Unterschied aufmerksam geworden. So schreibt ALLEn auf Seite 148 seiner History of North American Pinnipeds folgendes: „The chief external difference between the two spe- cies appears to consist in the shape af the muzzle and the size and form of the bristly nose-pad, which has a vertical breadth at least one-fourth greater than the 238 A. Pedersen Abb. 1. Pazifische Walroßbullen an der Küste von Alaska. Man beachte die auf der Oberseite des Kopfes liegenden Nasenöffnungen; nach „Life“, September 1960 Abb. 2. Gönländischer Walroßbulle. Man sieht keine beulen- artıge Verdickungen, dagegen zahlreiche weiße Narben, die vermutlich von Parasiten herrühren: Aufn. A. PEDERSEN Atlantic species“. Daß bei späteren Schädelverglei- chen, wie sie u. a. von H. WınGe und E. MoHr an dem im Zoologischen Museum in Kopenhagen bzw. Hamburg vorhan- denen Material vorge- nommen wurden, diesem Untershied keine Be- achtung geschenkt wurde, dürfte darauf beruhen, daß sich seine hervor- tretende morphologische Auswirkung nur am le- benden Tier erkennen läßt. — Nachdem die Fo- tos den Unterschied ge- zeigt haben, ist es leicht, an Aızens Kopfzeich- nungen auf Pag. 153 sei- ner vorgenannten Publi- kation das Kennzeichen des pazifischen Walrosses, d. h. die größere verti- kale Breite der Oberlippe und die auf der Ober- seite des Kopfes liegenden Nasenöffnungen, zu er- kennen. Noch eine andere Eigenart des pazifischen Walrosses geht aus dem „Life“-Foto hervor, und zwar sınd das die beulen- artıgen Verdickungen an der Brust und an den Halsseiıten, die an allen Stücken, auf deren Unter- seite das Licht fällt, ganz besonders aber an den im Vordergrund im Wasser liegenden Bullen deutlich hervortreten. ShonH.W. ELLioTT hat auf diese bis zu faustgroßen Beulen aufmerksam gemacht. Die einzelnen Beulen sollen durch deutlihe Rillen voneinander getrennt sein, wie J. A. ALLEN dies auf seiner Zeichnung auf Eine seltene Farbanomalıie beim Feldhasen 259 Abb. 3. Grönländische Walroßbullen. Man beachte die an der Vorderseite des Kopfes liegenden Nasenöffnungen; Aufn.: A. PEDERSEN Pag. 153 zeigt. Beim grönländischen Walroß kommen diese beulenartigen Verdickun- gen nicht vor oder sie sind so schwach angedeutet, daß sie als solche kaum zu erkennen sind. (Nur Bullen haben diese Beulen, weshalb ihnen ein sekundärer Geschlechts- charakter zugelegt wird.) Besonders erwähnt sei noch, daß im Vorhergehenden nur von der grönländischen und der damit identischen nordostamerikanischen Population des atlantischen Wal- rosses als Vergleich mit dem pazifischen Walroß die Rede ist. Literatur ALLEN, J. A. (1880): History of North American Pinnipeds; Washington. — ELLIOTT, H. W. (1888): Alaska og Seloerne; Christiania. — MoHR, E. (1952): Die Robben der europäischen Gewässer; Frankfurt/Main. — Wınce, H. (1902): Grenlands Pattedyr; Kobenhavn. Anschrifl des Verfassers: ALwın PEDERSEN, Holte, ©stre Paradisvej 51, Dänemark Eine seltene Farbanomalie beim Feldhasen, Lepus europaeus Pall. 1778 Von MICHAEL STUBBE Aus der Arbeitsgemeinschafl für Jagd- und Wildforschung der Deutschen Akademie der Landwirtschaflswissenschaflen zu Berlin Eingang des Ms. 18.8. 1961 Wie bei den meisten Wildsäugetieren, so sind auch bei den Lagomorpha hin und wieder Farbabweichungen des Felles beschrieben worden. Gemessen an der Häufigkeit und den jährlich hohen Abschußzahlen von Hasen ist jedoch die Anzahl der bekannt J ) A M. Stubbe r ( ewordenen Farbanomalıen ım Vergleich zu anderen Säugetiergruppen relativ gering. Aus dem Jahrbuch der Deutschen Jägerschaft von 1936 bis 1940 ergeben sich für Deutschland folgende Streckenergebnisse: 1935/36 : 2741 994 1938/39: 22 1936/37 : 2948 839 1939/40 : 2 1937138. 2.2.2797218 Die Ursachen für die geringe Häufigkeit an bekannt gewordenen Farbmutanten können verschieden sein. Über Mutationsraten ist beim Hasen, der kaum in großen Zahlen gezüchtet werden kann, nichts bekannt. Geringe Abweichungen der Fellfarben, also Kleinmutationen, können übersehen worden sein, oder sie sind nicht beschrieben worden. Es ıst nicht ohne weiteres anzunehmen, daß die Mutationsrate des Hasen niedriger ıst als die des Wıldkaninchens, von dem Farbanomalien und Schattierunge der Fellfarbe wesentlich häufiger bekannt geworden sind. Unterschiede in Biotop und Lebensweise werden für dıe Erhaltung der Mutanten von entscheidender Bedeutung sein. Der Hase als Bewohner der offenen Feldflur ist sicherlich in stärkerem Maße als das am Wald- oder Gehölzrand ın Höhlen lebende Kaninchen der natürlichen Selek- tion aller Farbabweichungen durch Feinde verschiedener Art ausgesetzt, bevor sie vom Menschen entdeckt werden. Der Feldhase lebt nicht im Familienverband, die Kanin- chenfamilie dagegen ermöglicht die Paarung von Heterozygoten und damit die immer neue Manifestierung von Mutationen. Den weit in der Literatur, vornehmlich in der mehr populären Jagdliteratur, ver- streuten Angaben über Abweichungen der Fellfarbe beim Feldhasen kann nunmehr ein kurzer Bericht über eine seltene flavistische Mutante hinzugefügt werden (Abb.). 196 (ohne Ostmark und Sudetenland) 793 Eine seltene Farbanomalie beim Feldhasen 241 Anfang April 1960 wurde im Wildforschungsgebiet Fallstein, Kreis Halberstadt, zwischen den Orten Deersheim und Hessen ein gelb-brauner Hase beobachtet, der in seinem Verhalten gegenüber den normal gefärbten Artgenossen keine Abweichungen zeigte. Er wurde mehrfach in Gemeinschaft mit anderen Hasen gesehen, zeigte die gleichen Fluchtreaktionen wie diese, war jedoch mehrfach durch seine auffallend helle Fellfarbe aus weiter Entfernung mit dem Glas in der Sasse zu erkennen. Am 3. Mai 1960 konnte das Exemplar von dem Wissenschaftlich-Technischen Bearbeiter des Wild- forschungsgebietes, Revierförster OTTO Haag, Deersheim, für die wissenschaftliche Auswertung erlegt werden. Der völlig ausgewachsene Rammler kann als flavistische Mutante angesehen werden. Ohrspitzen, Schwanzoberseite und Grannenhaare zeigen keine dunkle Pigmentierung. Das schwarze Pigment fehlt völlig. Das Fell zeigt eine fahle, gelblich-bräunliche bis isabellfarbene Tönung mit Ausnahme der Bauch- und Schwanzunterseite, die normal weiß gefärbt sind. Nacken und Halsunterseite sind etwas bräunlicher. Die Farbe der Augen wies keine Abweichungen gegenüber normal auf. Gesamtgewicht und Körpermaße sowie Gewicht einiger Organe waren: Gesamtgewicht: 3522,05 Herz: 42,0 g Kopf-Rumpflänge: 565 mm Milz: ka#e Schwanzlänge: 81 mm Niere links: 9,8 8 Hinterfußlänge: 135 mm Niere rechts: 9,08 Ohrlänge: 102 mm Hoden links: 16,5 g Leber: 114,5 g Hoden rechts: 16,5 g Der Anfang Mai 1960 erlegte Hase war also völlig ausgewachsen, eine genaue Altersbestimmung war nicht möglich. Das Stroh’sche Zeichen war nicht mehr zu er- kennen. Wahrscheinlich handelt es sich um ein 1959 gesetztes Exemplar. Es erhebt sich die Frage, wieweit die Mutationen der Fellfarbe des Feldhasen ın Analogie gesetzt werden können zu den zahlreichen genetisch analysierten Fellfarben der Rodentia und Lagomorpha, die als Parallelmutationen zu werten sind und von denen zum Teil Serien multipler Allele bekannt geworden sınd. Wenngleich es sich dabei nur um die Feststellung einer phänotypischen Gleichheit oder Ähnlichkeit han- deln kann, erscheint es doch zweckmäßig zu überprüfen, ob und wieweit beim Hasen analoge Farbänderungen des Felles bekannt geworden sind. Erschwert wird auch hier eine solche Untersuchung, wie bei vielen anderen genetischen Objekten, durch die sehr uneinheitliche Symbolgebung für die mutierten Allele, aber auch durch die sehr kur- zen und unvollkommenen Beschreibungen der Farbabweichungen beim Hasen. In Tab. 1 sind die bei der Haus- und Feldmaus und beim Hauskaninchen bekannt gewordenen Farbmutationen zusammengestellt. Aus dieser Tabelle ist zu entnehmen, daß die von mir beschriebene Mutante des Feldhasen dem von R. Rogınson (1958) beschriebenen Allel des Hauskaninchens „non extension of black“, Symbol e, in seiner phänotypischen Ausprägung am nächsten kommt. RosBInson beschreibt dieses Allel folgendermaßen: „The non-extension of black gene produces when homozygous, ee, a yellow rabbit with a white belly. It is as if almost the entire black pigmentation had been inhibited in the animal.“ Mehr kann über unsere Mutante nicht ausgesagt werden. Versuchen wir aber die mir aus der Literatur bisher bekannt gewordenen Mutan- ten der Fellfarbe des Feldhasen zu ordnen, so ergibt sich folgendes: 1a. albino (Symbol: c) FRAGUGLIONE (1959) erwähnt folgende Fälle: a Ein Exemplar erlegt 1945 bei Saurat Bezirk von Prat Communal (Ariege), im Besitz des Naturgeschichtsmuseums von Toulon. 242 M. Stubbe Tabelle 1 Die Färbungsmutationen bei Feldmaus, Hausmaus und Hauskaninchen (nach F. FRANK u. K. ZIMMERMANN, H. GRÜNEBERG, H. NACHTSHEIM, R. RoBInson, P.B.Sawın) Feldmaus (Microtus arvalıs Pall.) Sa Hausmaus (Mus musculus L.) Symbol Mutante 5 Mutante* zull colour | € Chinchilla ch Intense chinchilla we Intense chinchilla ci Chinchilla ch Albino c Extreme dilute ce Albino c Normalfärbung % AW Yeıllıw 5 Ay ya schwarz, black a White-bellied agouti Aw Grey-bellied agouti A Black-and-tan at Non-agouti a Elfenbein, ivory i Brown b Er MT Cordovan A be Light Ne: 18: maltese dilution d dilute lerhal “= d! leaden ER In misty m taupe tp Rotäugig hell (pink-eyed p pink-eyed dilution p dilution) ruby p! pallid pa ruby-eye ET pearl pe Silber, silver si silver si ; Er = Tabby EE = Br) Mottled Mo Brindled Br NER Tortoiseshell E To £ Rezessive Scheckung (piebald spotting) S piebald S Dominante Scheckung W Dominant spotting W (dominant spotting) Dominant viable allele Wo belted bias ruby-spotted. re re N. __ cerinkled RE serie matted RI ee BER Varitin-wadder Va grey-lethal RT microphthalmia mi White... 2.2 7 28.200 We Tail-short as siderocyte anaemia (flexed) f Farbmosaike Colour mosaics Eine seltene Farbanomalie beim Feldhasen 243 Fortsetzung Tabelle 1 Hauskaninchen (Oryctolagus engl. Symbol Metanee deutsches Symbol 0 emmiculus L.) Mutante HE NR Full colour @ Vollpigmentierung Ar Dark chinchilla (c hd) cch3 Dunkelchinchilla ad Medium chinchilla (cm) ch2 Chinchilla achi Light chinchilla (c#]) chi Marder am Himalayan ch Russe an Albino c Albino a Agouti A Wildfarbig G Tan pattern at Lohfarbig go Non-agouti a Nichtwildfarbig g Bed B Schwarz @ Brown (chocolate) b Braune c Dominant Black ED Dunkeleisengrau Bee Steel ES Eisengrau Be Normal extension B Schwarz B Japanese Brinding eJ Japaner bi Non extension of Black e Gelb b Intense D Schwarz D Di d Blau 2 d „normales“ Gelb Y Gelbverstärker y Normal band W „normales“ Band W Wide band w _ weites Band w Unspotted Du Nichtscheckung 5192,83 White Dutch duw Dark Dutch dud Holländerscheckung s1, 52, 53 English (spotted) En Englische Scheckung K Unspotted en Nichtscheckung k Self-colored V Pigmentierung X Self-white (eyes blue) V Weißer Wiener > Colour mosaics Farbmosaike 744 M. Stubbe b Zwei Exemplare (8 5) erlegt 1955 bei Senden/Westf., (Gewicht 3750 g), und Neu- felderkoog. c Zwei Exemplare erlegt 1932 in Breitenbrunn und 1938 in Merkenstein (Bericht- erstatter K. ZALESKI). STRATTON sah 1956 bei Winchester (England) einen albinotischen Hasen. 1b. Chinchilla (Symbol: c c&) PRAWOCHENSKI (1935) berichtet über ein Exemplar (?), das bei Krakow erlegt wurde, 2. Weiß oder weißlich, mit normal gefärbten Augen, graue Ohrspitzen HIıLzHEIMER (1908) erwähnt „silbergraue Hasen“ aus Süddeutschland (S aus Mössin- gen und Ö aus Ulm). FRAGUGLIONE (1959) erwähnt folgende Fälle: a Eın Exemplar erlegt 1956 am Mont de Juniville, La Neuville en Fourne a Fuy, Ardennen (Gewicht 3100 g). b Ein Exemplar erlegt 1957 am Mont de Germiny, Ardennen, (d, Gewicht 3000 g). Koenen (1956) berichtet von mehreren Exemplaren bei Jünkerath, Eifel. v. BRAUNSCHWEIG (1960) beschreibt ein Exemplar (2) aus dem Kreis Gandersheim. 3. Schwarz oder schwärzlich in verschiedenen Abstufungen (Symbol a oder B) FRAGUGLIONE (1959) erwähnt folgende Fälle: a Ein Exemplar (Ö) bei Krems, Österreich. b Zwei Exemplare (d u.Q) erlegt 1870 bei Ratieville, im Besitz des Naturgeschichts- museums von Rouen. HirzHEImEr (1911) erwähnt folgende Fälle: a Zwei Exemplare erlegt 1909 bei Großenhain ı. Sa. b Ein Exemplar erlegt 1916 im Revier Kreuzberg (Werra) Thürg. HiLzHEIMER berichtet auch über wiederholte Beobachtungen von schwarzen Hasen im Gouvernement Kasan, Kreis Swijagsk. MüLıer-Usıng (1934) beschreibt ein Exemplar, gefangen 1753 bei Wittenberg von Fürst Friedrich Eugenius von Anhalt (Gemälde im Jagdschloß Grunewald). SCHMIDHUBER (1934) erwähnt ein Exemplar, erlegt 1927 bei Isingen, Kreis Sulz. Das Zoologische Institut der Martin-Luther-Universität Halle/Saale besitzt ein Exemplar, erlegt in der Umgebung von Ostrau beı Halle. Auch bei Lepus americanus virginianus und Lepus timidus wurden mehrfach mela- nistische und albinotische Formen beschrieben. Schwarze Schneehasen (Lepus timidus) werden in Schweden „Trollharar“ (Zauberhasen) genannt. 4. Gelb bis gelb-braun (Symbol: e) FRAGUGLIONE (1959) erwähnt zwei Fälle, erlegt bei Luzeret (Indre). STuBBE (1962) beschreibt ein Exemplar (JS), erlegt bei Deersheim. 5. Rötlich-braun OBERTHUR (1947) beschreibt ein Exemplar (zit. nach FrAGuGLıione [1959]). 6. Schecken (Symbol: W) MonHr (1954) erwähnt ein Exemplar aus dem Handewitter Gehege bei Flensburg. Eine seltene Farbanomalie beim Feldhasen 245 Ein schwer einzuordnendes Exemplar hat noch HiLzHEIMER (1906, zit. nach Kor- NEN, 1956) beschrieben. Bei KoEnen heißt es: „HILZHEIMER (1906) beschrieb einen Hasen, dem Deckhaar und Sinneshaare fehl- ten. Das Exemplar war auf dem Rücken tiefschwarz, hatte graue Oberschenkel mit etwas Schwarz auf der Pfotenoberseite, schmutzig rostfarbene Vorderläufe, Schulter- blätter und Halsseiten. Die Körperseiten waren nach der Schulter zu weiß, nach hin- ten, wo die schwarze Rückenschabracke weit hinabreichte, graubraun. Der Bauch, die Kehle und die Innenseiten der Beine waren weiß, der Hals bräunlich angeflogen, der Nacken violettbraun, Backen und Gesicht vor den Augen braun bis rostfarben, die Stirn schwarz, Löffel und Schwanz wie gewöhnlich gefärbt.“ Insgesamt sind also bisher sechs Gruppen von Farbmutationen des Feldhasen be- kannt geworden, die gleiche oder ähnliche Phäne bedingen, wie sie bei Feld- und Haus- maus und beim Hauskaninchen beschrieben wurden. Literatur Aıpous, C. M. (1939): A melanistic snowshoe hare from Maine; Jl. Heredity, 30, — Anon (1917): Ein schwarzer Hase; Zoologischer Beobachter, 58, p. 182. — BRAUNSCHWEIG, A. v. (1960): Chlorochronismus beim Hasen; Zft. Jagdwissenschaft, 6, p. 59. — ForsseL, G. W. (1908): Albinotisches Exemplar von Lepus timidus L.; Meddel. Soc. Fauna et Flora Fennica, 34, p. 16. — FRAGUGLIONE, D. (1959): Les anomalies du pelage chez les lievres commun et variable; Diana, 4, p. 57 — FRANK, F., und ZIMMERMANN, K. (1957): Färbungs-Mutationen der Feldmaus (Microtus arvalıs Pall.); Z. Säugetierkde. 22, 87-100. — GRÜNEBERG, H. (1952): The Genetics of the Mouse, 2. ed. — GRÜNEBERG, H. (1956): An Annotated Catalogue of the Mutant Genes of the House Mouse; Medical Research Council Memorandum No. 33. — HiILZHEIMER, M. (1908): Die Hasenarten Europas; Jahresh. vaterl. Naturkde. Württemberg, 64, p. 382-419. — HiLZHEIMER, M. (1911): Von Blasius bis Trouessart; Zoolog. Beobachter, 52, p. 33. — Jahrbuch der Deutschen Jägerschaft, 1936-1940. — KoEnen, H. (1956): Der Feldhase; Neue Brehmbücherei, Heft 169. — KruMBIEGEL, I. (1954): Biologie der Säugetiere; Bd. 1. — MüÜLrer-Usıng, D. (1934): Der Deutsche Jäger; 379. — Monk, E. (1954): Die frei- lebenden Nagetiere Deutschlands und der Nachbarländer; 3. Aufl. — NACHTSHEIM, H. (1949): Vom Wildtier zum Haustier; 2. Aufl. — Pacrr, J. (1958): Farbenbestimmung in der Bio- logie. — PRAWOCHENSKI, P. (1935): Chinchilla mutation in the wild hare; Jl. Heredity, 26. — Reınıc, W. F. (1937): Melanismus, Albinismus und Rufinismus. — Rosınson, R. (1958): Genetic studies of the rabbit; Bibliographia Genetica, 17, 229-558. — Sawın, P. B. (1955): Recent Genetics of the Domestic Rabbit; Advances in Genetics, 7, 183-226. — SCHMIDHUBER, Ge Ein schwarzer Hase; Der Deutsche Jäger, 490. STRATToN, M. (1956): An albino hare; The Field. Anschrifl des Verfassers: MiCHAEL STUBBE, Gatersleben / Bez. Halle, Schmiedestraße 1 Über ein Spiel bei Okapia johnstoni Von FrıTz WALTHER Aus dem Zoologischen Garten Basel, Direktor: Dr. E. M. Lang Eingang des Ms. 20. 6. 1961 Bei einem Besuch im Zoologischen Garten zu Basel machte mich Herr Direktor Dr. E. M. Lang auf ein merkwürdiges Spiel aufmerksam, das der dort geborene, damals halbjährige Okapi- Jungbulle regelmäßig mit seinem Vater aufführte, sobald man die beiden zusammenließ. 746 F. Walther Abb. 1. Der Jungbulle stößt den Vater hinterm Ellbogen mit der Schnauze an. — Abb. 2. Er nımmt — etwas übertrieben — die Imponierhaltung ein. — Abb. 3. Auf der Flucht trägt sich der Altbulle in der normalen Haltung eines galoppierenden On — Abb. 4. Der Jung- bulle verfolgt ihn in fast dauernd überstreckter Haltung. — Abb. 5. Beide Tiere sind stehen- geblieben, der Junge hat seine Kehle über den lan des Alten geschoben. Dann gehen beide auf die Carpalgelenke nieder. — Abb. 6. Im Zeitlupentempo lassen sie sich weiter nieder. Da Herr Dr. Lang und seine Gattin, denen an dieser Stelle sehr herzlich gedankt sei, mir ferner noch ihre in Epulu gedrehten Okapi-Filme zeigten, ist es mir im Verein mit frü- heren, am Frankfurter Okapi-Paar gemachten Studien (F. WALTHER, 1960) möglich, eine Deutung dieses ın der Tat sehr auffälligen Spieles zu Im allgemeinen kamen damals der Bas er Altbulle oder der Jungbulle mit seiner Mutter Über ein Spiel bei Okapıa johnstoni 247 a2: Abb. 7. Der Hals des Jungbullen gleitet auf dem Nacken des Alten nach vorn. — Abb. 8. Schließlich liegen beide, wobei der Junge weiterhin den Hals des Alten „niederhält“. — Abb. 9. Der Junge erhebt sich in Imponierhaltung, der Alte verharrt in „Unterwerfungs- haltung“. — Abb. 10. Der Sohn geht hinten um den unverändert liegenden Vater herum. — Abb. 11. Er steht schließlich imponierend neben ihm. — Abb. 12. Gegenseitiges Belecken beendet das Spiel. wechselweise tagüber ins Außengehege. Nachts standen sie getrennt in benachbarten Boxen im Stall. Am Nachmittag des 16. IX. 1960, da man die Tiere für mich zusammenließß, war zunächst der Alte allein draußen. Vom Erscheinen der Mutter mit dem Jungen bis zum Ende des Spieles, wonach Vater und Sohn sich nicht mehr sonderlich für einander interessierten, der Alte sich vielmehr werbend um das Weibchen bemühte, vergingen 40 Minuten. 248 F. Walther Protokoll (dazu Abb. 1-12): Mutter und Sohn betreten das Außengehege. Der Altbulle kommt heran und kontrolliert das Weibchen anal. Gleich darauf streckt der Junge Kopf und Hals waagerecht nach vorn und zieht ın dieser Haltung zu dem Alten, der im Schritt vor ihm ausweicht und ab und zu stehenbleibt. Der Junge stößt ihn am Vorderbein, am Ellenbogen (Abb. 1), in der Weiche, an Penis und Scrorum mit der Nase an, wobei er en rechtwinklig, einmäl auch umgekehrt parallel zum Alten steht. Dann biegt er den Hals immer stärker U-förmig durd, rect die Nase immer höher und steht schließlich, Hals und Kopf steif an gerich- tet, seitlich neben dem Vater (Abb. 2). Nachdem er einmal in diese Haltung „ein- geklinkt“ ist, findet er nicht mehr heraus und läuft den sıch entziehenden Alten immer aufs neue so an. Als er wieder einmal frontal dem Vater entgegenkommt, reißt dieser plötzlich herum und „flieht“. Der Junge setzt ihm nach. Beide drehen eine ganze Weile Runden. Der Alte trägt sich dabei ın der normalen Haltung eines galoppierenden Okapıs (Abb. 3), der Junge hat fast ständig den Hals durchgebogen und die Nase hochgereckt (Abb. 4). Plötzlich bleibt der Alte aus dem Galopp heraus in der Mitte des Geheges stehen. Der Junge holt seitwärts auf, steht jetzt ebenfalls und hält den vorgestreckten Kopf über den Nacken des erwachsenen Tieres hinweg, so daß er dessen Halsansatz mit der Gegend seiner Kehle berührt. Soweit ich erkennen kann, hat er nur ganz locker aufgelegt und übt keinerlei Druc aus. Fast im gleichen Augenblick beginnt der Alte vorn niederzugehen, und der Junge folgt ıhm in der Bewegung (Abb. 5). Im Zeıt- lupentempo lassen sich beide fast gleichzeitig nieder (Abb. 6). Es sieht so aus, als wür- den sie durch eine unsichtbare Hand zentimeterweise heruntergedrükt. Der Alte streckt dabei Hals und Kopf waagerecht vor, der Junge bleibt in seiner Haltung. Wie beim normalen Hinlegen von Paarhufern üblich, setzen dann zunächst die Hinterkeulen beider Tiere auf dem Boden auf, während sie sich vorn noc in den Carpalgelenken aufstützen. In diesem Augenblick gleitet die Kehle des Jungen vom Halsansatz des Vaters nach oben bis zu dessen Genick (Abb. 7). Der Alte hat seinen Hals erwas geneigt, seine Nase zeigt jetzt zum Boden. Beide gehen endgültig, also auch vorn, nieder und bleiben in dieser Stellung liegen (Abb. 8). Nach einer Weile erhebt sich der Junge und steht umgekehrt parallel neben dem Alten (Abb. 9), zieht langsam hinten um ihn herum (Abb. 10) und steht schließlich - auf der anderen Seite gleichgerichtet neben ıhm (Abb. 11). Während dieses ganzen Geschehens hielt der Junge Kopf und Hals unentwegt nach vorn-oben gerichtet, der Alte behielt den Hals bogenförmig gekrümmt mit zu Boden weisender Nase. Schließlich macht der Sohn noch ein paar Schritte nach vorn und senkt Kopf und Hals zur Waagerechten. Der Vater erhebt das Haupt, und beide berühren und be- leken einander an der Schnauze (Abb. 12). Dann steht der Alte auf, und das Spiel ist zu Ende. Im folgenden lief der Junge den Alten zwar noch mehrfach in der beschriebenen Haltung von hinten her an, dieser schaute sich aber jedesmal nur ganz kurz um, ging nicht weiter darauf ein und widmete sich dem Weibchen. Besprechung: Haltung und Verhalten des Jungbullen ließen zunächst an eine Appe- tenz zum Säugen denken. Eine klare Unterscheidung davon war von dem Augen- blick an gegeben, da er Kopf und Hals nach vorn-oben richtete, die Nase also deutlich über die Rückenlinie des Vaters hob und nicht mehr mit der Schnauze gegen dessen Körper stieß. Die nach vorn-oben gerekte Haltung des Jungbullen ist identisch mit der eines erwachsenen Bullen in der „Überlegenheitsdemonstration“ während des Paarungs- zeremonielles (F. WALTHER, 1960). Es handelt sich also um eine Imponiergeste. Offen- Über ein Spiel bei Okapia johnstoni 249 sichtlich verstand sie auch der Altbulle so und beantwortete sie bei frontaler Dar- bietung sinngemäß durch Flucht. Nun werden gerade gereifte Instinkthandlungen im Augenblick des „Findens“ und „Übens“ von kindlichen und jugendlichen Individuen häufig übertriebener, an- haltender und öfter ausgeführt als von Erwachsenen. Durch die Flucht des Vaters mag im vorliegenden Falle noch beim Jungbullen so etwas wie ein „Erfolgserlebnis“ hinzugekommen sein. Aus all dem läßt sich sein Verharren in dieser Haltung erklären. Das Flucht- und Verfolgungsspiel ergibt sich dann als Konsequenz. Beim Hinlegen ging die Initiative deutlich vom Alten aus. Es fragt sich, in welchen Situationen sich Okapis hinlegen — außer der normalen Ruhe, um die es sich hier offensichtlich nicht handelte. Wir kennen deren zwei. Wie E. M. LanG (1956 a und b) beschrieb, kann dies bei intensivem Markieren oder, wie B. GRZIMER (1958) beobachtete, als Demut- stellung der Fall sein. Markieren scheidet im vorliegenden Falle aus, da dazu eine bestimmte Schwanz- haltung gehört (E. M. Lang, 1956 a und b), die hierbei nicht auftrat, und sich die Okapibullen dazu nur hinten vollständig niederlassen, vorn jedoch deutlich auf den Carpalgelenken hochgestützt bleiben, was in den genannten Filmen E. M. Lancs ein- wandfrei zu sehen war. Es bleibt also nur das Demutliegen übrig. B. Grzımek (1958) sagt, daß sich Okapis in dieser Situation lang hinlegen, d. h. also Kopf und Hals der Länge lang auf den Boden legen. Entsprechendes ist mir von der Demutstellung ver- schiedener Antilopen bekannt. Jedoch weiß ich gleichfalls durch diese Beobachtungen, daß dort — bei wahrscheinlich nicht ganz 100prozentiger Unterwerfung — auch Ab- wehrgesten mit Hals und Kopf dabei vorkommen. Dies trifft offensichtlich auch auf das Okapi zu, denn ın den Filmen von E. M. Lang warf sich ein Weibchen zur Demut- stellung nieder und hielt dabei Hals und Kopf senkrecht zum Himmel gerichtet, also eine Geste, die als schwache Drohgeste, häufig mit Abwehrcharakter (F. WALTHER, 1960) bekannt ist. (H. PıLters, 1954, interpretierte die gleiche Haltung beim Lama im nämlichen Sinne). Das waagerechte Vorstrecken von Hals und Kopf tritt im Paa- rungszeremoniell des Okapi, namentlich beim Weibchen, als schwache Drohgeste auf. Ebenso neigt das Weibchen als Antwort auf Kopf-Hals-nach-vorn-oben-Strecken des Bullen die Nase bei gebogenem Hals zur Erde. Obgleich auch dies an eine Drohhaltung (Kopf-tief-Drohen) erinnert, ist die Inferiorität in diesem Zusammenhang.doch deut- lich. Nach N. TinBERGEN (1959) können ja überhaupt schwache Drohformen leicht die Bedeutung von Demutstellungen anmehmen. Somit sprechen auch die beiden Kopf- Hals-Haltungen des Baseler Altbullen durchaus für ein Demutliegen. Die Orientierung der Tiere zueinander, sowie die Kopf-Hals-Haltungen des Jung- und des Altbullen sind — wie gesagt — identisch mit den Gesten des Bullen und des Weibchens in der „Überlegenheitsdemonstration“ während des Paarungszeremonielles (F. WALTHER, 1960), wobei also hier der Jungbulle die Rolle des (überlegenen) Männ- chens, der Alte die des (unterlegenen) Weibchens angenommen hat. Freilich legten sich die Tiere bei der Werbung nicht hin. Als ich seinerzeit diese „Figur“ im Paarungs- zeremoniell sah, hatte ich den Verdacht, es könne ein aufs äußerste ritualisierter, ge- wissermaßen in die Ebene des Ausdrucks übertragener Halskampf (F. WALTHER, 1958) sein. Ich wagte das damals nicht auszusprechen, da ich außer diesem subjektiven Ein- druck keine Beweise dafür bringen konnte. Was aber Alt- und Jungbulle nun bei diesem Spiele machten, war ein — wenn auch mehr symbolischer — Halskampf, der sogar bis zu der uns aus Tylopodenkämpfen (H. PıLrers, 1956) bekannten Endphase, dem Niederlegen, durchgespielt wurde. Die Schlußfigur — Jungbulle in Imponierhaltung stehend neben dem in Demuthal- tung liegenden Alten — könnte man, ähnlich wie das entsprechende Verhalten ım Paarungszeremoniell, als „Überlegenheitsdemonstration“ bezeichnen. Typischerweise beendete ein zärtlich-beschwichtigendes gegenseitiges Nasenbelecken das Spiel. 250 F. Walther Zahlreiche Merkmale, die M. MEyErR-HorzarreL (1956) und I. EısL-EIBESFELDT (1950) als typisch für Spiele anführen, kennzeichnen das Gesamtgeschehen eindeutig als Spiel, z. B. spontaner Beginn, Ausgehen der Initiative vom Jungtier, Fehlen des spezifischen Ernstbezuges, Erhaltenbleiben der sozialen Hemmungen, Rollentausch usw. Zum Rollentausch bleibt noch ein Wort zu sagen. Bei Abhandlungen über das Spiel wird meist der Rollenwechsel — z. B. zwischen Verfolger und Verfolgtem — betont, weniger jedoch, daß ein Stärkerer die Rolle des Unterlegenen sozusagen freiwillig übernimmt und während des ganzen Vorganges beibehält. M. MEYER-HOoLZAPFEL (1956) erwähnt entsprechendes bei spielerischen Kämpfen zwischen Mutter und Kind (nennt allerdings auch das Beispiel eines Gibbon-Vaters in diesem Zusammenhang) und führt dies auf eine extreme Angriffshemmung des Elterntieres zurück. Bemerkenswert an dem geschilderten Spiel ist nun, daß es beim Okapı nach all unserm Wissen (A. G1JzEn, 1959) keine Vater-Mutter-Kind-Familie gibt, die Aufzucht der Jungtiere vielmehr allein den Weibchen obliegt und die Bullen sıch nicht um ihren Nachwuchs kümmern. Das Verhalten des Baseler Bullen läßt sich also sicher nicht aus einer Eltern-Reaktion verstehen und nur durch ein Ansprechen auf den Kleineren, Jüngeren, Schwächeren interpretieren. Gerade daß ein Stärkerer im Spiel die Rolle des Unterlegenen übernimmt und beibehält, wıe umgekehrt der in Wirklichkeit Schwächere den Überlegenen mimt, scheint mir kein Einzelfall und für soziale Kampfspiele außer- ordentlich charakteristisch zu sein. Bekanntlich hatte K. Groos (1896) die Spiele der Tiere als Vorübungen von In- stinkthandlungen aufgefaßt. F. J. BuyTEnDIJk (1933) trat dem entgegen, und andere Autoren schlossen sich in diesem Punkte mehr oder weniger BuyTEnpıjks Auffassung an. G. Barıy (1945) und M. MEYER-HoLzAPFEL (1956) äußern sich dagegen in der Frage „inwiefern unreife Instinkthandlungen und Spiele von Jungtieren, die in den Bahnen von Instinkthandlungen verlaufen, identisch sind oder nicht“ wieder vorsich- tiger und lassen sie offen. Im vorliegenden Falle ist nun eine reifende Instinkthandlung, das Drohimponieren, und eine Form der sozialen Auseinandersetzung, die „Über- legenheitsdemonstration“ bzw. der ritualisierte Halskampf, ganz offensichtlich spie- lerisch geübt worden, so daß man meinen möchte, K. Groos habe doch nicht so un- recht mit seiner Auffassung gehabt. Abschließend sei noch auf die seltene Konsequenz hingewiesen, mit der beide Part- ner bei diesem Spiel einige Vitalszenen — Imponieren, Flucht und Verfolgung, rituali- sierter Halskampf, Überlegenheitsdemonstration und Verharren in Demutstellung, Ende der Auseinandersetzung durch Beschwichtigung — durchgespielt haben. Zusammenfassung Es wird ein Spiel zwischen einem erwachsenen Okapi-Bullen und seinem halbjährigen Sohn im Zoo Basel beschrieben. Es handelte sich um einen stark ritualisierten Halskampf, in dem der Altbulle konsequent die Rolle des unterlegenen Partners spielte. Summary A play between an adult male Okapi and his six months old son at the Zoo Basel is described. Obviously father and son showed in their play a very ritualized neck fight, the father consistently playing the defeated one. Literatur BarLLey, G. (1945): Vom Ursprung und von den Grenzen der Freiheit. Eine Deutung des Spiels bei Tier und Mensch. Basel. — BuyTEnDijk, F. J. (1933): Wesen und Sinn des Spiels. Berlin. — Eısr-EigesreLDT, I. (1950): Über die Jugendentwicklung des Verhaltens eines männlichen Dachses (Meies meles L.) unter besonderer Berücksichtigung des Spieles. Z. Tier- psychol. 7, 327-355. — GijJzEn, A. (1959): Das Okapi. Die neue Brehm-Bücherei, 231. Witten- berg-Lutherstadt. — Groos, K. (1896): Die Spiele der Tiere. Jena. — GRrzImEr, B. (1958): le ei Spiel bei Okapia johnstoni 251 Über das Verhalten von Okapi-Müttern. Säugetierk. Mitt. 6, 28-29. — Lang, E. M. (19565): Haltung und Brunft von Okapia in Epulu. Säugetierk. Mitt. 4, 49-52. — Ders. (1956b): Einige Beobachtungen an Okapia johnstoni. Acta tropica 13, 254-258. — MEYER-Horzarrer, M. (1956): Das Spiel bei Säugetieren. Handbuch der Zoologie VIII, 10 (5), 1-36. — Pırrers, H. (1954): Untersuchungen über angeborene Verhaltensweisen bei Tylopoden, unter besonderer Berücksichtigung der neuweltlichen Formen. Z. Tierpsychol. 11, 213-303. — Dies. (1956): Das Verhalten der Tylopoden. Handbuch der Zoologie VIII, 10 (27), 1-24. — TINBERGEN, N. (1959): Einige Gedanken über „Beschwichtigungsgebärden“.*Z. Tierpsychol. 16, 651-655. — WALTHER, F. (1958): Zum Kampf- und Paarungsverhalten einiger Antilopen. Z. Tierpsychol. 15, 340-380. — Ders. (1960): „Antilopenhafte“ Verhaltensweisen im Paarungszeremoniell des Okapi (Okapia johnstoni Sclater, 1901). Z. Tierpsychol. 17, 188-210. Anschrifl des Verfassers: Dipl.-Psychologe Frırz WALTHER, Eppenhain (Taunus), Schloßborner Straße 13 Albinotischer Feldhase Von J. ONDRIAS Eingang des Ms. 18. 7. 1962 Am 22. Oktober 1961 wurde im Manidi, Aghios Petros, Parnon-Gebirge, Peloponnes, Griechenland, ein weißer Feldhase (Lepus europeus Pallas, 1778) geschossen. Es war ein ausgewachsener weiblicher Hase. Kopf-Rumpf 656, Schwanz 110, Hinter- fuß 145, Ohr 116 mm lang. Größte Schädellänge 98,6, Condylobasilarlänge 83,7, Basallänge 80,2, Basılarlänge 76,1, Nasale 42,5, Palatallänge 39,8, Palatilarlänge 35,6, Interorbitale 13,3 mm. Die Farbe des Felles war weiß. Die Füße waren auch weiß, aber an den Krallen braun. Die Nase war grauweiß, desgleichen auch die Ohren. Die Pupillen der Augen hatten dunkelrote Farbe wie ein rotäugiges albinotisches Tier. Dieses Exemplar wird im Zoologischen Institut der Universität von Athen aufbewahrt. Albinismus von Feldhasen ist schon früher beobachtet worden, aber dies ist offenbar der erste Fund eines albinotischen Feldhasen vom Peloponnes, Griechenland. Anschrift des Verfassers: Dr. JoHANNEs OnDrias, Zoologisches Institut der Universität Athen, Griechenland Nachruf auf W.E. Martino Von K. ZIMMERMANN Am 15. IX. 1961 starb in Rostow am Don WLADIMIR EMMANUELOWITSCH MARTINO. Mit ihm hat die europäische Säugetierforschung einen ihrer markantesten Vertreter verloren, seine Hauptverdienste liegen in der Erforschung der Balkan-Fauna. MARTINO wurde am 9. VI. 1888 auf der Krim geboren. Sein Geburtsort, das Dorf Schuli, gehörte einst zum Besitztum von PETER SIMON PALLAS; so mag der genius locı MARTINos Leben m wn 155) K. Zimmermann richtunggebend beeinflußt haben. Die Etappen seines Lebens sind bestimmt durch beide Weltkriege: Bis 1914 Studium in Odessa und Moskau, Forschungsreise nach Kasachstan. 1920 nach Jugoslawien evakuiert, wo er in Belgrad Assistent des Entomo- logen J. N. WAGNER wurde und am Russischen Gymnasium in Geographie und Zoo- logie unterrichtete. Während der deutschen Besatzung arbeitete.er als Tagelöhner. 1945 wurde er Kustos am Jagd- und Forst-Museum in Serajewo, 1947 Leiter des dortigen Biologischen Institutes, bis 1949 Dozent an der Pädagogischen Hochschule Serajewo. Von 1950 bis 1955 in Bulgarien als wiss. Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften in Sofla. Im Mai 1955 kehrte er in sein Heimatland zurück, und bis zu seinem Tode war er in Rostow Dozent für Zoologie. 1913 heiratete er JEWGENIA STEPANOWA, die ihm bei den zoologischen Arbeiten und Sammelreisen eine tatkräftige Mitarbeiterin wurde. Von Anfang an standen die Säugetiere im Vordergrund von MARTINOs Interesse. Mehr als 100 Arbeiten über Taxonomie, Verbreitung und Biologie sind Zeugnisse seines nie ermüdenden Schaffens, mehr als 40 Säugetier-Formen, meist vom Balkan, hat MARTINoO beschrieben; die Entdeckung von Dolomys verdanken wir ihm. Vorbild- lich war seine Präparationstechnik; in vie- len europäischen Sammlungen fallen die MarTInoschen Bälge in ihrer sauberen Her- stellung auf. MARTINo, der die deutsche und englische Sprache beherrschte, ıst wohl allen Kollegen, die sich mit Bitten an ıhn wandten, in bester Erinnerung durch seine aufgeschlossene Hilfsbereitschaft. Die äuße- ren Umstände, unter denen ich mit MARTINO persönlich bekannt wurde, bleiben mir unvergeßlich: 1941, auf der Durchreise durch Belgrad, hatte ich eben Zeit, MARTINO bei der Arbeit in seinem Garten — er eb- nete Spalax-Hügel ein — aufzustöbern. Das unerwartete Auftreten einer Uniform der Dose Marl Besatzungsmacht löste heftige Abwehr- reaktion aus, aber nach Nennung meines Namens verwandelte sich die Spannung in Freude, und seine ersten Worte waren „Let us speak ın the language of GeERRIT S. MILLER“. Ein Verzeichnis der MArTınoschen Arbeiten und Neubeschreibungen liegt in der Säugetier- abteilung des Institutes für Spezielle Zoologie und Zoologischen Museums der Humboldt- Universität, Berlin N 4, Invalidenstraße 43. S@ERRTERENSCHAU f ADAMmson, JoY: Born Free — A Lioness of two Worlds. 7. Aufl. Collins Harvill Press, London, 1960. Preis 25 s net. Frei geboren. 2. Aufl., Hoffmann & Campe, Hamburg 1960, 236 S., 34 Photos, 14,80 DM. In der Geschichte des Tierbuches schien das CrıstLersche Wolfsbuch (Referat „Arctic Wild“, Bd. XXV, S. 181) eine Sonderstellung einzunehmen; um so überraschender ist das fast gleichzeitige Erscheinen dieses ebenbürtigen Löwenbuches. Zwischen beiden Büchern besteht eine enge Verwandtschaft, wenn auch die klimatischen Gegebenheiten, arktische Tundra/ tropisches Afrika, denkbar verschieden sind. Hier wie dort leben Raubtiere in zwei Welten, sie verbringen ihre Kindheit in der Obhut eines Ehepaares, und haben mit dem Selbständig- werden freien Zutritt in den natürlichen Lebensraum, wo sie Kontakt mit wildlebenden Artgenossen aufnehmen, ohne die Bindung an die Menschen aufzugeben. Das Vertrauen zwischen Mensch und Raubtier war schon im Falle Mensch/Wolf erstaunlich, aber doch durch unsere Erfahrung mit dem Hund nicht in dem Maße verblüffend wie hier zwischen Mensch und Löwin. Wie bedingungslos das Zutrauen zur Löwin Elsa noch dann sein durfte, als in ihrem Leben schon gemeinsames Baden mit den Anpamsons am Rudolph-See abwechselte mit dem Anschluß an wildlebende Löwen und mit nächtlichen Liebesabenteuern, sei hier nur dadurch gekennzeichnet, daß sie sich im Zelt auch fremden Besuchern gegenüber wie ein gesitteter Haushund verhielt. Dabei kam keinerlei „Dressur“ zur Anwendung, allein die verständige und liebevolle Behandlung des Tieres genügte, um es in das Zelt- und Wander- leben des Wildhüter-Ehepaares einzufügen. Welche erheblichen Opfer von den Apamsons für diesen Erfolg zu bringen waren (Verzicht auf Jahresurlaub u. a.), muß der Leser mehr erraten, als daß es im Buch betont wird. Die Löwin machte lange Tagesmärsche mit, die für das Tier noch anstrengender als für die Menschen waren; sie hatte bei Autofahrten ihren selbstgewählten Platz auf dem Verdeck des Lastwagens, sie wurde beim Angeln und auf der Jagd ein interessierter Begleiter, der das Apportieren der Beute freiwillig erlernte. Als sich die Apamsons entschlossen, die Löwin aus dem Doppel-Dasein heraus in ein endgültiges Wildleben zu entlassen, waren die Schwierigkeiten unerwartet groß. Der erste Aussetzungs- versuch in einem wildreichen Hochgebirge mißglückte aus klimatischen Gründen. Der zweite Versuch gelingt, die Löwin wird in ein Rudel wilder Löwen aufgenommen. In größeren Zeitabständen überzeugen sich die Apamsons vom Wohlbefinden ihrer Löwin, und erschüt- ternd ist bei jedem Wiedersehen deren stürmische Freude. Das Buch bringt eine Fülle von Neuem zur Biologie des Löwen, über Lernfähigkeit wie über das Reifen ererbter Verhaltens- formen. Die Verfasserin, eine geborene Österreicherin, schreibt in einem prägnanten, humor- vollen Stil, der frei von Pathos und Sentimentalität, ihr ernstes, warmherziges Verant- wortungsgefühl dem Tier gegenüber fühlbar macht. Die überreiche Bildausstattung ist her- vorragend schön. K. ZIMMERMANN, Berlin CHALES DE BEAULIEU, F.: Vollblut. Kornett Verlag, Verden/Aller, 1960. 289 S., 280 Abb. 29,80 DM. Die Kenntnis des englischen Vollblutpferdes ist für den Leserkreis dieser Zeitschrift nicht ohne Interesse: Eine wenigstens 25 Generationen lang unter Berücksichtigung des eines Merk- mals „Schnelligkeit“ gezüchtete Inzuchtrasse kann Material für viele Fragen bieten: Ver- erbung und Inzucht, Domestikationserscheinungen, Verlust von Wild-Charakteren, anatomi- sche, physiologische, psychische Eigentümlichkeiten. Da seit Jahrzehnten in Deutschland kein Buch über Vollblut geschrieben wurde, erwartet man von dem Autor, der seit 40 Jahren Manager im deutschen Rennsport ist, manches Neue. — Nichts davon! Es handelt sich um eine Werbeschrift, die dem in Deutschland wenig populären Galopp-Rennsport neue Freunde ge- winnen will. Deshalb ist der größte Teil des Buches wohl absichtlich unkritisch geschrieben; die Ausführungen über das Sportliche sind breit und erschöpfend. Leider merkt der Autor aber wohl nicht, daß das merkwürdige Gehabe und der Slang einer fast ausgestorbenen klei- 254 Schriftenschau nen Gesellschaftsschicht viele Menschen, die am Pferd Freude und Interesse haben, mehr ab- stößt als anzieht. Es betrübt zu sehen, daß von dem Bemühen so vieler Fachkundiger, den nicht einfachen Problemen der Pferdezucht durch die Wissenschaft zu helfen, so wenig hängen geblieben ist, und daß nach wie vor Halbwissen unter Redensarten versteckt wird. Freilich versucht es der Autor auch nicht, einen Gedanken durchzuführen, ja, er ist oft bemüht, das Gegenteil dessen zu beweisen, was er selbst einige Seiten vorher ‚behauptet hat. Sicherlich sollten wir uns im Rahmen des Naturschutzes bemühen, das vom Aussterben bedrohte Pferd zu erhalten, besonders auch die interessanten Rassen, vorweg das Vollblut. Da der Autor aber über den Gesichtskreis der Rennbahn wenig hinaussieht und offenbar weder sonst vom Pferde noch von anderen Tieren, noch auch wohl von den einschlägigen Interessen der Menschen dieser Zeit eine deutlichere Vorstellung hat, stellt er Forderungen auf, wie die einer besonde- ren großzügigen staatlichen Förderung der Vollblutzucht, für die er kaum die Unterstützung aller Freunde der Tiere und des Pferdes finden dürfte. - Der Autor will die ältere Literatur über Vollblutzucht vor dem Vergessen bewahren; doch fehlt dem Literaturverzeichnis die wissenschaftliche Literatur. Die vielen Bilder betreffen zumeist Sportaufnahmen herkömmlicher Art sowie gekannte Pferde und Menschen der Vollblutzucht. W. Koc#, München Der Flug der Tiere. Senckenberg Buch, mit Beiträgen von Dr. H. Felten, Dr. E. Franz, Dr. W. Klausewitz, Dr. ©. Kraus, Prof. Dr. R. Mertens, Dr. J. Steinbacher, und Dr. W. Struve. Herausgegeben im Auftrage der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft durch Dr. H. Schmidt, Frankfurt a. M. 1960. 164 S., 147 Abb,., Ln. 8,50 DM. Anläßlich der 50-Jahr-Feier der ILA (Internationale Luftfahrtausstellung) veranstaltete die SENCKENBERGISCHE Naturforschende Gesellschaft eine Sonderschau „Der Flug der Tiere“. Gleichzeitig erschien ein Sonderheft der Zeitschrift „Natur und Volk“ zum gleichen Thema. Die Aufsätze dieses Heftes, verfaßt von den Abteilungsleitern des SENCKENBERG-Museums, erscheinen nun in erweiterter und umgearbeiteter Form als sehr ansprechendes Buch im Verlag W. KRAMER. Gegenüber ähnlichen Publikationen zeichnet sich dies Buch durch Einbeziehung der Fossilformen (STRUVE) aus. Morphologie der Fluganpassung, Physiologie, Flugtypen und biologische Besonderheiten fliegender Tiere sind gleichermaßen berücksichtigt. Umfangmäßisg stehen natürlich die Beiträge über Insekten (Franz) und Vögel (J. STEINBACHER) im Vor- dergrund. Aber die Abschnitte über Säugetiere (FELTEn), Amphibien und Reptilien (MERr- TENS) und fliegende Tiere des Wassers (KLAUSEWITZ) zeichnen sich durch besonders wertvolle eigene Beobachtungen der Verf. aus. Das Buch ist verständlich und lesbar geschrieben und wohl in erster Linie für den interessierten Laien gedacht. Daneben bietet es aber auch dem . Biologen manche Anregung. Die ganz hervorragenden Bilder, darunter besonders die schönen Naturaufnahmen von WISSENBACH, verdienen besondere Anerkennung. D. STARcK, Frankfurt a.M. FREYE, H. A. und H.: Die Hausmaus. Neue Brehm-Bücherei Nr. 268. A. Ziemsen Verlag, Wittenberg-Lutherstadt, 1960. 104 S., 38 Abb., 4,50 DM. Daß das bekannteste Nagetier so spät ın dieser vorbildlichen Reihe erschien, lag zweifellos an der vielseitigen Rolle, die es in der menschlichen Geschichte, in der biologischen und medizinischen Forschung und in der Schädlingsbekämpfung spielt. Aus der unübersehbaren Fülle der daraus resultierenden Hausmaus-Literatur einen wohlabgewogenen Extrakt zu liefern, kam deshalb einer Sisyphus-Arbeit gleich, für die man den Autoren nur Dank und Anerkennung zollen kann. Man muß ihnen auch bescheinigen, daß es ihnen gut gelungen ist, mit der Fülle der Gesichtspunkte fertig zu werden und ein erstaunlich vollständiges Kon- terfei zu bieten, das mit einer tabellarischen Übersicht aller wichtigen Daten schließt. Zu kurz gekommen sind allerdings die gerade bei dieser Art so wichtigen Kapitel Genetik und Be- kämpfung. Im Abschnitt Krankheitsüberträger fehlen neuere Befunde (Tollwut, Corio- meningitis etc.), im systematischen Teil nicht nur ein Bestimmungsschlüssel der Murinae, sondern sogar die übliche Karte mit Eintragungen der erwähnten Unterarten, die gerade hier zum Verständnis des Textes unentbehrlich war. Bei. der Fülle des gerade bei dieser Art ver- fügbaren Materials hätte die Bildauswahl überhaupt sorgfältiger sein können; den taxo- nomisch wichtigen Schneidezahn sieht man gar nicht, die Molaren nur von der Seite beim Schriftenschau 255 Nestling. Manche im Text genannten Autoren sucht man im Literaturverzeichnis vergebens. Im Interesse des in der Einleitung angesprochenen „interessierten Laien“ sollten in der 2. Auflage auch ungebräuchliche Fachausdrücke (z. B. Leer-, Hüft-, Grimmdarm) vermieden und andere (z. B. Sehen in Zerstreuungskreisen) erklärt werden. Gerade dieser Leserkreis sollte entsprechend der einleitend gemachten Verheißung auch mehr über die biologische Bedeutung der mitgeteilten Befunde erfahren. Auch eine stilistische Überarbeitung würde den Text allgemeinverständlicher machen, und ein Bildtitel wie „Mutterglück bei Mus mus- culus“ gehört wohl nicht in ein Buch dieses Niveaus. F. Frank, Oldenburg i. O. Kıuc, HERBERT: Hormone. Die Neue Brehm-Bücherei, H. 262; A. Ziemsen Verlag, Wittenberg Lutherstadt, 1960. 139 S., 42 Abb. 6.- DM. Seit über 100 Jahren wird die Erforschung der Hormone betrieben. Sie hat sich inzwischen zu einer Wissenschaft entwickelt, die in der Medizin eine wichtige Rolle spielt und wie kaum eine andere Forschungsrichtung eng mit der Biologie und der Chemie verbunden ist. Diese Zusammenhänge werden in dem Brehm-Heft besonders deutlich zum Ausdruck gebracht. Wenn auch die Kenntnisse der Hormone des Menschen und. damit seine innere Sekretion im Vorder- grund stehen, so wird doch immer wieder auf die Verhältnisse beim Tier, und nicht nur beim Säugetier, hingewiesen. Ein Kapitel am Ende des Heftes behandelt die Hormone bei den Wirbellosen, vor allem die der in dieser Beziehung recht gut erforschten Insekten. Der Haupt- teil des Buches ist naturgemäß denjenigen Hormonen gewidmet, die für den Menschen von lebenswichtiger Bedeutung sind. Dabei wird in gleicher Ausführlichkeit der histologische Auf- bau der Drüsen, die Wirkung der Hormone, ihre chemische Zusammensetzung sowie die Be- deutung von Über- oder Unterfunktionen dieser endokrinen Drüsen dargestellt. Immer wie- der wird auf übergeordnete Regulationssysteme hingewiesen, wie auch auf die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Drüsen. Neben den eigentlichen, den Drüsenhormonen werden von den sog. Gewebshormonen Sekretin, Acetylcholin und Histamin knapp aber inhaltsreich besprochen. 3 Seiten Literaturangaben und ein ausführliches Sachverzeichnis lassen das Brehm- Heft neben der klaren Gliederung zu einer wertvollen Arbeitsunterlage werden. U. SIErTS-ROTH, Hamburg Knaus, WERNER: Das Gamswild. Seine Naturgeschichte, Krankheiten, Hege und Jagd. Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin, 1960. 188 S., 98 Abb., 28,— DM. Kaum einer zweiten Tierart wurden so viele Monographien gewidmet wie der Gemse, Rupicapra rupicapra; (KeLLer 1885, Hauser 1924, Zepwırz 1937, COUTURIER 1938 und FUSCHLBERGER 1955). Dennoch ist auch das vorliegende Buch von WERNER Knaus, dem Landesjägermeister für Kärnten (Österr.), keine Wiederholung seiner Vorläufer, sondern deren wertvolle Ergänzung. Der Verfasser ist ein erfahrener Gamsjäger und hat daher seine Kenntnisse in erster Linie den interessierten Waidmännern zugedacht. Zur Abrundung seines übermittelten Wissens hat er im 1. Teil des Buches unter Zitierung von R. Amon, Graz, die Naturgeschichte, Vorgeschichte, Stammesgeschichte und Geschichte der Gemse behandelt. Nach Aufzählung der von HALTENORTH und TRENSE angeführten zehn Unter- arten wird auf die Geschichte der verschiedenen, mit der Gemse zusammenhängenden Namen eingegangen. Sodann folgt eine ausführliche Beschreibung der Gemse, ihrer Erscheinung, Körpermaße, Gewichte, Farbe, Behaarung, Zähne, Augen, Brunftfeige, Läufe, Losung, ihres Verdauungstraktes, des Alters, des Geruch-, Gesichts- und Gehörsinnes, der Stimme, Gang- arten und der Äsung. Eingehend wird die Zusammensetzung der Äsungspflanzen wie Gräser, Kleearten und anderer Pflanzen dargelegt. Die Tragzeit wird mit 180 bis 190 Tagen, Zwil- linge als selten angegeben. Von den Lebensgewohnheiten werden die Eigenheiten des Kitzes, die Rudelbildung, der Tagtiercharakter der Gemse, das Umherwechseln, das „Haberlmachen“, Flehmen und die Wanderungen behandelt. Ein besonderes Kapitel ist der Kruckenbildung und den Hauthörnern gewidmet. Sehr ausführliche Behandlung erfährt die Geschlechts- reife und Brunft, wobei die frühe Gravidität (112) Jahre hervorgehoben wird. Dann wird noch die Umwelt der Gemse geschildert und die Entwicklung des „Bestandes“ an Beispielen erörtert. Der 2. Teil enthält die Infektionskrankheiten, wie Maul- und Klauenseuche, Milzbrand, Tuberkulose, Verwerfen, Gamsblindheit, Warzengeschwulst, ferner die paratisären Erkran- kungen wie Magen- und Darmwürmer, Leberegel, Kokzidien, Lungenwürmer, Eingeweide- würmer, Sarcoptes, Hautparasiten, Dasselfliegen usw. Im 3. Teil wird in sehr ausführlicher 256 Schriftenschau Weise die Hege besprochen, u. a. die Wilddichte und das Geschlechtsverhältnis, wobei das Verhältnis 1:1 als ausgeglichener Bestand angesehen wird. Als Altersgrenze werden 20 Le- bensjahre, ausnahmsweise 22 Jahre angegeben. Die Annahme, daß alte Gaißen schwächere Nachkommenschaft als junge Mütter haben, will der Verfasser nicht gelten lassen, doch sprechen sowohl persönliche Erfahrungen des Rezensenten, als auch objektiv der verschiedene physiologische Zustand von jungen und alten Individuen durchaus dafür. In weiterer Folge wird über Abschußrichtlinien, Reviergröße, Schußzeiten, Fütterung und Salz, dann Revier- einrichtungen, Gamsfeinde, Lawinen, Wilderer, Wintersport und Touristik und über den Berufsjäger berichtet. Der 4. Teil enthält die Jagd auf Gemsen mit einem Abriß ihrer Geschichte und Ent- wicklung, ferner die Jagdmethoden, Treibjagd und Pürsch sowie das damit zusammen- hängende „Ansprechen“ des Wildes. Bemerkenswert ist eine lichtbildmäßige Gegenüberstel- lung der Gesichter einer drei- und zwanzigjährigen Gaiß. Es folgen Ausführungen über Schuß- und Pürschzeichen, Anschuß und Nachsuche, Behandlung von Wild und Trophäe, Krucken und deren Bewertung, bisher bekannte beste Kruckenbildungen, die Gemse im Brauchtum und Aberglauben, der Gamsbart und dessen Bindeverfahren. Abschließend wird noch die gesamte Jagdausrüstung wie Optik, Waffen und Munition besprochen. Alles in allem stellt das Buch ein sehr brauchbares Hand- und Nachschlagebuc, in erster Linie für den Waidmann, aber auch für den praktisch arbeitenden Zoologen dar. Daß die Ausstattung vorbildlich ist, bedarf bei einem Parey-Buch keiner besonderen Erwähnung. E. P. Tratz, Salzburg Krauı, PETER: Der gesunde und der kranke Hund. Verlag Paul Parey, Hamburg u. Berlin, 1960. 140 S., 35 Abb., Ln. 12,30 DM. Das Buch ist für den verantwortungsvollen Hundefreund geschrieben, der wirklich um sein Tier besorgt ist. Die Ratschläge für gesunde Tage sind sehr einleuchtend, weil sie immer be- gründet werden. Weitaus der größte Teil des Buches ist den verschiedenen Krankheiten vor- behalten. Jeweils nach dem Erscheinungsbild wird die Behandlung beschrieben, sofern sie mit verhältnismäßig einfachen Mitteln vom Hundebesitzer selbst durchgeführt werden känn. Der nötige Besuch des Tierarztes soll keinesfalls verhindert werden — für schwere und lebensge- fährliche Krankheiten ist deshalb gar keine Therapieanweisung gegeben. Dem Hundebesitzer, der nicht das Glück hat, in direkter Nachbarschaft mit einem Kleintierspezialisten zu wohnen, kann das kleine Buch bald unentbehrlich werden und es dürfte mithelfen, manches brave Hundetier von einer oft „nicht weiter gefährlichen“, aber dennoch quälenden Erkrankung zu befreien. U. SıerTs-RoTH, Hamburg Die „Zeitschrift für Säugetierkunde“ hat in den letzten anderthalb Jah- ren einen so starken Zustrom von Manuskripten aus dem In- und Ausland erfahren, daß die bisherige Veröffentlichungsweise von vier Heften im Jahr nicht mehr genügt, wenn die Interessen der Säugetierkunde gewahrt bleiben sollen. Herausgeber und Verlag haben sich daher entschlossen, die Zeitschrift mit Beginn des Jahres 1963 zweimonatlich erscheinen zu lassen. Band 28 wird also sechs statt bisher vier Hefte zu je vier Bogen umfassen. Dies hat auch den Vorteil, daß nicht nur die Veröffentlichungsmöglichkeit vermehrt wird, sondern eingehende Arbeiten auch schneller zur Veröffent- lichung kommen. In doppelter Hinsicht dürfte damit der Säugetierkunde geholfen sein. Wir nehmen an, daß auch unsere Bezieher diese Verbesse- rung begrüßen werden. SCHRIFTLEITUNG UND WVEREA®& Im Oktober 1962 erscheint: KAREL HENDRIK VOOUS Die Vogelwelt Europas und ihre Verbreitung Ein tiergeographischer Atlas über die Lebensweise aller in Europa brütender Vögel Aus dem Holländischen übersetzt und bearbeitet von Dr. MICHAEL ABs - Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig, Bonn Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. GÜNTHER NIETHAMMER 1962 / 284 Seiten mit 356 Abbildungen und 420 zweifarbigen Verbreitungskarten / Großformat 26 X 34,5 cm/In Ganzleinen 48,60 DM . Unter den vielen Vogelbüchern nimmt „Die Vogelwelt Europas“ einen besonderen Platz ein: Zum erstenmal wird ein umfassender tiergeographischer Überblick über alle Brutvögel Europas gegeben. Es ist nicht etwa nur ein reizvolles Bildbuch, sondern ein Quell an Informationen für den Liebhaber und den Kenner. Das Buch setzt sich aus drei Elementen zusammen: Text, Ver- breitungskarten und Lichtbildern. Alle drei dienen der gleichen Aufgabe: zu zeigen, wie jede einzelne Vogelart in ihrer Verbreitung von mannigfaltigen Faktoren beeinflußt wird. Der Text gibt einen kurzen Abriß über jede der 420 Vogelarten, die in Europa brüten. Er ist nach folgenden Stichworten gegliedert: Faunentyp, Verbreitung, Biotop, Nahrung, Nest und Wanderungen. Damit liefert der Text wichtigen Stoff zur Kennzeichnung der Umweltbezie- hungen einer Vogelart. Gleichzeitig ermöglicht er einen schnellen und doch gründlichen Ver- gleich verschiedener Vögel. Die Verbreitungskarten gestatten in enger Verbindung mit dem Text einen Einblick in die Probleme der Verbreitung einer Vogelart. Jede Vogelart besitzt ihre eigene Verbreitungskarte, auf der das Brutgebiet der ganzen Art für die ganze Erde einge- tragen ist. Die Lichtbilder ergänzen Text und Verbreitungskarten und machen die Darstellung anschaulich. Deswegen wurde bei der Auswahl der Bilder darauf Wert gelegt, jeden Vogel in seiner natürlichen Umgebung zu zeigen. Unwillkürlich drängt sich dem Betrachter der ästhe- tische Reiz der Vogelbilder auf. Sie sind von den besten Tierphotographen aufgenommen. Dank ihrer weltumfassenden Mitarbeit war es möglich, Lichtbilder von fast allen europäischen Vögeln zusammenzubringen. Das Ergebnis ist eine Sammlung wertvollster, schöner Natur- urkunden. „Die Vogelwelt Europas“ bietet Ornithologen und Vogelliebhabern die Forschungsergebnisse eines halben Jahrhunderts auf diesem Gebiet. Man könnte es beinahe ein Handbuch nennen. Die Darstellung wirft Licht auf das Schicksal jeder Vogelart. Manche sind unausweichlich vom Aussterben bedroht, andere haben sich dank ihrer Anpassungsfähigkeit aus eigener Kraft über die ganze Erde verbreitet. Einigen hat der Mensch die Eroberung neuer Kontinente eröffnet. VERLAG PAUL PAREY - HAMBURG UND BERLIN Die ersten Lieferungen sind erschienen: Handbuch der speziellen pathologischen Anatomie der Haustiere Begründet von ERNST JOEST 3., vollständig neubearbeitete Auflage in 7 Bänden Herausgegeben von Prof. Dr. Dr. h. c. Dr. h. c. J. DoBBERSTEIN, Berlin, Prof. Dr. G. ParLaske, Gießen, Prof. Dr. H. Stünzı, Zürich, unter Mitarbeit zahlreicher Wissenschaftler aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Schweden, Holland, Frankreich, Italien, Polen, Indonesien und den USA Band I: i Band II: Bewegungsapparat Zirkulations- und hämatopoetische Organe Band III: Nervensystem, Sinnesorgane, Band IV: endokrine Drüsen, Haut Urogenitalapparat Band V: - Band VI: Digestionsapparat, Digestionsapparat, 1. Teil 2. Teil Band VII: Respirationsapparat, Milchdrüse Das ba EHE Handbuc gilt als das Standardwerk der veterinärmedizinischen Weltliteratur. Seine besondere Bedeutung liegt in der Berücksichtigung der Belange der vergleichenden patho- logischen Anatomie. Diese Gesichtspunkte sind in der neuen Bearbeitung noch stärker heraus- gearbeitet worden, so daß die vollständig neugestaltete dritte Auflage nicht nur für die veterinärmedizinische Forschung, sondern in verstärktem Ausmaß auch für die humanmedi- zinische pathologisch-anatomische Arbeit ein unentbehrliches Lehr- und Nachschlagewerk sein. wird. Der internationale Mitarbeiterstab gewährleistet die Auswertung und Berücksichtigung der gesamten Forschung aus aller Welt zu Problemen der pathologischen Anatomie. Die Bei- träge der Mitarbeiter aus den USA werden in englischer Sprache veröffentlicht. Alle Bild. erklärungen sind zweisprachig (deutsch und.englisch). Instruktive Abbildungen sind bei der Darstellung spezieller pathologisch-anatomischer Pro- bleme von entscheidender Wichtigkeit. Auf sorgfältige Auswahl der Abbildungen wurde daher besonderer Wert gelegt. Die mehrfarb. Abbildungen werden auf Farbtafeln zusammengefaßt. Um die Anschaffung des Werkes zu erleichtern und die Herausgabe zügig durchführen zu können, erscheint das Handbuc in Lieferungen, beginnend mit den Bänden I bis III, die nebeneinander herausgegeben werden. Auch in der Folge werden jeweils Lieferungen mehrerer Bände nebeneinander erscheinen. Erscheinungsweise und Bezugsbedingungen: Das Werk erscheint in ca. 40 etwa monatlichen Lieferungen. Jede Lieferung umfaßt im allgemeinen 5 Drucbogen ä 16 Seiten im großen Handbuchformat. Der Subskriptionspreis beträgt bei Bestellung des Gesamtwerkes je Lieferung 28,60 DM, bei Bestellung einzelner Bände je Lieferung 31,60 DM. Mit der letzten Lieferung jedes Bandes werden Einbanddecken geliefert und gesondert berechnet. Jeder Band enthält voraussichtlich 2 Farbtafeln. Das Werk wird auf holzfreiem Kunstdruckpapier gedruckt. VERLAG PAUL PAREY "BERLIN BEN DAHAMBUTZZ .? in m j er ee r0 rg - au MR Ya Er FrV N x K Bi | EN er 5" | z —r 15 2° 72 )) = y ULLA LIE DL VLUI FI NNELRAS ST — STIHILILI IL ITITTETE ET Tr FE NET 5 2% $ BL? DEF [R (®) Ei ll, al DS rar Ri) ee et NLLINE a a A | | MM ; E I a \ ı a: Eye ehe | Su a sl FF X x ll, » r