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ZEITSCHRIFT

FÜR

OHRENHEILKUNDE

IN DEUTSCHER UND ENGLISCHER SPRACHE

HERAUSGEGEBEN VON

PROF. DR. H. KNAPP Pror. Dz. 0. KORNER

in New-York in Rostock

Dr. ARTHUR HARTMANN Pror. Dr. U. PRITCHARD

in Berlin in London.

ACHTUNDZWANZIGSTER BAND.

MIT SIEBEN TAFELN UND SECHS ABBILDUNGEN IM TEXT.

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WIESBADEN. VERLAG VON J. F. BERGMANN. 1896.

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JUN 15 1909

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Da Recht der Uebercetzung bleibt vorbehalten.

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Druck von Carl Ritter in Wiesbaden.

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VII.

VIII.

IX.

XI.

INHALT.

Prüfungen der Hördauer im Verlaufe der Tonscala bei Er- krankungen des mittleren und inneren Ohres. Von Dr. med. Boris Werhovsky aus Petersburg. Mit 27 Curven auf Tafel I/III. (Hervorgegangen aus dem otiatrischen Ambulatorium des med.-klin. Instituts München.) .

Akustische Eisenbahnsignale und Gehörschärfe. Von Dr. H. Zwaardemaker in Utrecht. (Vortrag gehalten auf der internationalen Conferenz der Eisenbahn- und Schiffsärzte in Amsterdam am 20. und 21. ence 1895. a Mit 5 ee

‘auf Tafel IV/V

Ein Fall von a Durchbruch der beiden en fenster bei Caries tuberkulosa des Mittelohres, mit mikroskopischer Untersuchung. Von Dr. Walter Haenel in Dresden. Mit 3 Abbildungen auf Tafel VI/WII. (Hervorgegangen aus dem otiatrischen Ambulatorium des med.-klin. Institutes München.)

. Zur rhinologischen Casuistik. Von Dr. Walther Vulpius . Die Rhinologie des Hippokrates. Von Rudolf Baldewein

in Rostock. Mit 4 Abbildungen im Text .

Ein Initial-Symptom der Sclerose. Von Dr. H. Zwaardemaker in Utrecht

Congenitaler Verschluss der linken Choane. Von Paul Crull, Assistent. Aus der Poliklinik fiir Ohren- und ee in Rostock a ewe ; e

Endocranielle Complication während des Verlaufes einer Mittel. ohrsuppuration. Trepanation u. Heilung. Von Dr.E.Schmiegelow in Kopenhagen . . .

Spontane Dehiscenz am oberen halbzirkelförmigen Canale. Von John Dunn in Richmond, Va. Uebersetzt von Prof. Dr. O. Kérner in Rostock .

Sitzungsbericht der Gesellschaft der an Ohren- und Kehlkopfärzte. Von Dr. L. Polyäk, Secretär der Gesellschaft

Einige weitere Beobachtungen über die Indicationen von Mastoid- Operationen bei acuter eitriger Mittelohrentzündung. Von Prof. Dr. Hermann Knapp in New-York .

Seite

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IV Inhalt.

Seite XII. 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. Von Oswald Rudolph in München. _Hervorgegangen aus dem otiatrischen Ambulatorium des med. klinischen Institutes in München. Mit einem nachträglichen Resume von Prof. Dr. Bezold 11.-München s sa o Sr Ewa er ee ee 2209

XIlI. Beiträge zur Pathologie der intracraniellen Complicationen von Ohrerkrankungen. Von Dr. W. Kimmel. Aus der Königlichen Chirurgischen Klinik zu Breslau. Mit 2 Abbild. im Text . . 254

XIV. Ueber Spontanheilung von Cholesteatomen und cholesteatom- ähnlichen Erkrankungen in den Hohlräumen des Schläfenbeins. Von Dr. Konrad Redmer in Danzig. Aus der Poliklinik für Ohren- und Kehlkopfkranke in Rostock ........ 265

XV. Ein neuer Beitrag zur Kenntniss der Ohr- und Warzenfortsatz- eiterungen bei Diabetikern, nebst Bemerkungen über die Per- cussion des Warzenfortsatzes. Von Prof. Dr. O. Körner in Rostock: o. s ër a E So ol Sy es we OE cee, me 2080

XVI. Einige Fälle von Empyem der Stirn- und Siebbeinhöhlen mit nachfolgender Geschwulstbildung in der Orbita. Von David N. Dennis. M. D., Erie, P. A. Ee Th. Schröder in Rostock.) . 2 2 22.2. Sgt. BY He. oe oe. ae cas &. 7288

XVII. Ein Fall von lebenden Fliegenmaden in normalen Gehörgängen. Von C. W. Richardson, M.D., Professor der Otologie und Laryngologie an der Columbischen Universitat in Washington. (Uebersetzt von Dr. Th. Schréder in Rostock.) . . . . . 292

XVIII. Otitis media bei Influenza. Von Dr. A. Bulling in Minchen- Reichenhall... % 4». u x u a 2 a we Eee 294

XIX. Ueber die Behandlung von intracraniellen Abscessen, welche sich an Ohreiterungen anschliessen. Von Thomas Barr, M. D., Docent für Ohrenheilkunde an der Universität Glasgow; Ohren- arzt am Spital für Ohrenkranke und West- Krankenhaus in Glasgow, etc. (Uebersetzt von Dr. Th. Schröder in Rostock.) 305

XX. Ein Fall von Pyämie nach acuter Ohreiterung. Aufmeisse- lung: Perisinuöser Abscess, Thrombose des Sinus transversus. Heilung. Von Dr. Röpke in Solingen. . . . .... . 318

Bericht über die Leistungen und Fortschritte im Gebiete der normalen und pathologischen Anatomie und Histologie, sowie der Physiologie des Gehörorganes und Nasenrachenraumes im zweiten Quartal des Jahres 1895. Von Ad. Barth in Breslau... . 59

Bericht tiber die Leistungen und Fortschritte der Pathologie und Therapie im Gebiete der Krankheiten des Gehörorganes und der Nase im dritten und vierten Quartal des Jahres 1895 und im ersten Quartal des Jahres 1896. Zusammengestellt von Dr. Arthur Hartmann in Berlin . . Dä, 152, 317

Inhalt.

Sitzungsbericht der Oesterreichischen m Gesellschaft. Von Dr. J. Pollak in Wien.

Bericht über die V. Versammlung der Deutschen en Gesellschaft in Nürnberg am 22. und 23. Mai 1896. Erstattet von Dr. E. Bloch in Freiburg i. Br. e ae a er Gia ak

Besprechungen von Dr. Arthur Hartmann in Berlin:

Die Autoskopie des Kehlkopfes und der Luftröhre. (Besichtigung ohne Spiegel). Von Alfred Kirstein

Die otitischen Erkrankungen des Hirns, der Hirnhäute und der Blutleiter. Von Prof. Dr. Otto Körner in Rostock. Mit einem Vorwort von Ernst von Bergmann. 2, grossentheils um- gearbeitete Auflage . u e e. e, A

Ueber Hörübungen bei Taubstummen und bei Ertaubung i im späteren Lebensalter. Von Dr. Viktor Urbantschitsch in Wien .

Das Hörvermögen der Taubstummen. Mit besonderer Berücksich- tigung der Helmholtz’schen Theorie, des Sitzes der Erkrankung und des Taubstummen-Unterrichts. Für Aerzte und Taubstummen- lehrer von Dr. Friedr. Bezold, Prof. der Ohrenheilkunde an der Universität München . `

Bericht über die Leistungen in der Ohrenheilkunde während der Jahre 1892—1894. Von Dr. Louis Blau Dee

Besprechungen von Prof. Dr. O. Körner in Rostock: Die Behandlung der Mittelohreiterungen. Von J. Michael in

Hamburg. Volkmann's ee klinischer ee neue `

Folge, No. 133 Klinische Beiträge zur Ohrenheilkunde, Mittheilungen aus der Ab.

theilung für Ohrenkranke im RE zu Breslau. Von Dr. Oscar Brieger a doa

Besprechungen von Dr. E. Bloch in Freiburg i. Br.:

Jansen, A. Erfahrungen über Hirnsinusthrombosen nach Mittel- ohreiterung während des Jahres 1893. Samnl. klin. ne N. Folge 1895, No. 130

A. Steuer: Die häufigsten Ohrenkrankheiten im Bilde. Nebst Anleitung zur Untersuchung des Gehörorgans mit 43 Abbil- dungen in Chromodruck und 15 Holzschnitten

Hegetschweiler, J. Die phthisische Erkrankung des Ohres, auf Grund von 39 Sectionsberichten Bezold’s .

Besprechung von Dr. G. Zimmermann in Dresden:

Die Ohrenheilkunde des Hippokrates. Von Prof. Dr. O. Körner in Rostock. Vortrag, gehalten in der Abtheilung für Ohren- heilkunde der 67. Versammlung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck 1895 .

Seite

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VI Inhalt.

Seite Besprechungen von Dr. C. Zarniko in Hamburg:

Kuhnt: Ueber die entzündlichen N der Stirnhöhlen und ihre Folgezustinde . . . . E E ée ée D

Grünwald. Die Lehre von den Naseneiterungen. 2. gänzlich umgearbeitete Aufl. . 2. 2 2 2 2

Nekrolog:

Dr. ANTON RUHLMANN f. Von Dr. Arthur Hartmann in Berlin 376 Vermischtes . . %.0.6 6 £ @ #28 & & se oe owe S&S =e, 100 Berichtigung =. >... 5 5 wen en Boom. oe ee wt ee See. OOD Fachangelegenheiten . . 2 2 2 2 m nn nn nenn nn. 199. 283

Kleine Notizen . . o a a 8977

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ZTBRARL

Prüfungen der Hördauer im Verlaufe der Ton- scala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres.

Von Dr. med. Boris Werhovsky aus Petersburg. Mit 27 Curven auf Tafel I/III.

Hervorgegangen aus dem otiatrischen Ambulatorium des med.-klin. Instituts München.

(Der Redaktion zugegangen den 20. September 1895.)

Abgesehen von den Erkrankungen des inneren Ohres, welches schon wegen seiner tiefen Lage der direkten Untersuchung unzugänglich ist, können wir auch bei einer grossen Reihe von Mittelohrerkrankungen »ohne die Hilfsmittel, welche die Hörprüfung in differentiell-diagnostischer Beziehung bietet, in vielen Fällen den Charakter des Leidens nicht erkennen, (Birkner!'). Für die Untersuchung des Gehörorgans komnit vor Allem in Betracht, dass dasselbe »eine Eigenthümlichkeit bietet, welche es vor den anderen Sinnesorganen voraus hat«, indem seine functionelle Prüfung zwei Wege, auf welchen die Schallwellen zu dem percipirenden Apparate gelangen, nämlich sowohl die aéro-tympanale als die osteo-tympanale Leitung berücksichtigen kann (Bezold?).

Die Einsicht in die Bedeutung der functionellen Untersuchung gehört nicht ausschliesslich der neusten Zeit an. Im Gegentheil, die verschiedenen Methoden dieser Untersuchung beschäftigten seit lange eine grössere Anzahl von Autoren; wir verdanken denselben eine Reihe von Untersuchungsmethoden, welche nach der eingehenden Prüfung ibrer Ergebnisse sich als brauchbar für klinische Zwecke erwiesen haben. Was den Werth der physikalischen Untersuchungsmittel des Ohres im Allgemeinen betrifft, welcher neuerdings mehrfach angezweifelt wurde, so möchte ich hier das Wort Gradenigo’s?) anführen, dass »die allein durch die physikalischen Qualitäten der Schallquellen und des Untersuchungsraumes bedingten Unrichtigkeiten der Prüfung der Gehörfunction gering denjenigen Fehlerquellen gegenüber sind, welche den psychischen Zuständen des zu untersuchenden Individuums ent- stammen; sie sind so gering, dass wir keine Ursache haben, den Mangel einer grösseren Exactheit vom physikalischen Standpunkte zu beklagen«.

Zeitschrift für Ohrenbeilkunde, Bd. XXVIII. 1

2 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Graphische Darstellungen für eine fortlaufende Reihe von Tönen in aéro- und osteo-tympanaler Leitung hat zuerst Hartmann‘) gegeben und die Resultate beider Prüfungen am kranken Ohr ver- gleichend neben einander gestellt. Bei seinen Untersuchungen benützte Hartmann die folgenden Stimmgabeln: c, c’, c”’, œ“ und GC, Für jede dieser Gabeln wurde durch die Prüfung bei 4 Normalhörenden die normale mittlere Hörzeit in Secunden bestimmt, und die bei Schwer- hörigen gewonnenen Secundenzahlen im Procentverhältnisse zur normalen Hörzeit graphisch in die hunderttheilige Rubrik eingetragen. Nach den erhaltenen Resultaten stellt Hartmann vier Typen der Schwer- hörigkeit auf:

Typus I. Annähernd gleichmäfsige Herabsetzung der Dauer des Hörens durch Luftleitung :

a) bei gutem Hören durch den Knochen (Mittelohrprocesse), b) bei schlechtem Hören durch den Knochen (Labyrinthaffectionen).

Typus IH. Schlechtes Hören der tiefen, zunehmend besseres der “hohen Töne. Besserhören durch Knochenleitung, als durch die Luft- leitung, insbesondere der tiefen Töne (sclerosirende Processe des Mittel- ohres, insbesondere mit Ankylose des Steigbügels im ovalen Fenster und Folgezustände der eitrigen Mittelohrentzündungen).

Typus III. Gutes Hören der tiefen, zunehmend schlechteres der hohen Töne. Hören durch Knochenleitung herabgesetzt, insbesondere für hohe Töne (bei Kesselschmieden, Artilleristen und sonstigen Krank- heitsprocessen des nervösen Apparates).

Typus IV. Unregelmässige Perception für verschiedene Tonhöhen, sowohl durch Luft-, als durch Knochenleitung. (Bei Erkrankungen des nervösen Apparates mit ungleichmässiger Betheiligung desselben oder bei gleichzeitiger Erkrankung des Schallleitungsapparates).

Mit einigen Modificationen wurde die Hartmann’sche Methode zur Differentialdiagnose der Ohrenleiden von Gradenigo°) verwendet. Ausser. den Stimmgabeln, die Hartmann selbst zu seinen Unter- suchungen gewählt hat, hat Gradenigo noch die Stimmgabeln C und c¢c”“' hinzugefügt. Er vernachlässigte dabei vollkommen die Prüfung der Perceptionsdauer der einzelnen Töne auf osteo-tympanalem Wege und empfahl nicht die Hérzeit des Patienten, sondern die Zeit, während welcher das normale Ohr die Gabel länger, als das erkrankte hört, zu messen. Die Hörzeit des erkrankten Ohres findet man alsdann durch Substraction und berechnet die dabei gewonnenen Secundenzahlen, wie

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 3

üblich, in Procenten der normalen Hördauer. Die berechneten Procenten- zahlen stellt Gradenigo ebenso wie Hartmann graphisch dar. Auf Grund seiner Untersuchungen kam Gradenigo zu dem Schluss, dass bei den Krankheiten des Schallleitungsapparates immer mehr oder weniger zunehmende Herabsetzung der Hörschärfe von den hohen zu den tiefen Tönen zu finden ist und vollständig umgekehrte Verhältnisse bei den Erkrankungen des inneren Ohres obwalten. Bei den Krankheiten des Nervus acusticus, nimmt Gradenigo an, sei vorwiegend die Perception für die mittleren Töne vermindert, während die für die hohen Töne relativ gut erhalten sei.

Bei der Gradenigo’schen Modification der Hartmann’schen Methode kommt es auf die Intensität des Anschlages der Stimmgabel nicht an, was einen grossen Vorzug vor der Hartmann 'schen Methode bedeutet; dabei wird auch der percipirende Apparat weniger erschöpft.

Diese Methode wird bereits seit Jahren auch von Prof. Bezold®) geübt.

Wenn es einerseits ein Vortheil ist, dass Gradenigo mehr Stimm- gabeln benutzte, als Hartmann, ist es andererseits unverständlich, warum er die Prüfung der Perceptionsdauer der verschiedenen Töne auf osteo-tympanalem Wege vollständig vernachlässigt hat. In einer anderen Arbeit schreibt Gradenigo’), dass eine solche Prüfung »von zu sehr verwickelten Factoren abhängig ist« Freilich ist die Aus- führung dieser Prüfung mit sehr tiefen und sehr hohen Stimmgabeln praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, da bei tiefen Stimmgabeln der Kranke die Empfindung der mechanischen Erschütterung der Gabel von der Empfindung ihres Tones kaum zu unterscheiden im Stande ist und bei hohen »schon bei einer Höhe der Stimmgabeln über a‘ die Knochen- leitung überhaupt nicht mehr gut isolirt geprüft werden kann, da stärker klingende Stimmgabeln, wie wir sie zur Prüfung der meisten hier ein- schlägigen Fälle benöthigen, so intensiv und auf solche Entfernung per Luft klingen, dass der Ausschluss der Luftleitung dadurch unausführbar wird« (Bezold®). Das berechtigt uns aber keinesfalls, die Prüfung durch Knochenleitung mit den Gabeln mittlerer Höhe für überflüssig zu halten. Wie es schon aus zahlreichen Arbeiten von Prof. Bezold hervorgeht und wie es meine eigenen Untersuchungen ebenfalls zeigen, bietet die Bestimmung der Perceptionsdauer der Stimmgabeln mittlerer Höhe durch Knochenleitung und die Vergleichung derselben mit der- jenigen durch Luftleitung sehr wichtige und sehr instructive Resultate zur Differentialdiagnose der Ohrenkrankheiten.

1*

4 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

In der allerletzten Zeit hat Alderton?) umfangreiche Unter- suchungen über die Perceptionsdauer verschiedener Töne bei Luft- und Knochenleitung veröffentlicht. Bei seinen Untersuchungen gebrauchte Alderton die Hartmann’sche Reihe der Stimmgabeln. Der Unter- schied seiner Methode von der Hartmann’schen besteht nur darin, dass er die Perceptionsdauer der verschiedenen Töne mit den direkt gefundenen Secundenzahlen bezeichnet, während welchen der Kranke den Ton einer oder der anderen Gabel zu percipiren im Stande war. Es ist zu bedauern, dass Alderton die von ihm gewonnenen Resultate nicht in Procentzahlen graphisch ebenso wie Hartmann darstellte. Alderton selbst giebt keinen Grund für den leizterwähnten Umstand; er sagt bloss, dass ihm die Methode von Hartmann »zu schwierig und irreleitend zu sein« scheint und »jeder Untersucher lernt rasch die normalen Ergebnisse seines eigenen Stimmgabelsatzes und kann diese dann leicht zum Vergleich beniitzen«. Mir scheint doch, dass das zahlreiche Material von Alderton nur gewonnen hätte, wenn er dasselbe nach der Methode von Hartmann graphisch dargestellt hätte, da nur auf letzterem Wege eine direkte Vergleichung der Resultate möglich wird.

Wenn man die Gabeln aus freier Hand in Schwingung versetzt, so kann man nie sicher sein, dass jedesmal eine gleichmässige Stärke des Anschlages erzielt wird. Und dies ist eine Fehlerquelle auch bei der ursprünglichen Hartmann’schen Methode. Wenn dieser Fehler bei maximalem Anschlage der Gabel fast ganz vernachlässigt werden kann, so ist dies für die Art des Anschlages bei den Unter- suchungen von Alderton, der »durch einen leichten Schlag auf das gebeugte Knie« den Ton hervorruft, und dies . Ergebniss »mit einer c‘‘'‘-Gabel, die durch einen Schlag auf ein dickes Stück Kautschuk in Schwingung versetzt ist«, vergleichen will, eine ganz andere Sache. Damit erklärt sich vielleicht auch der anscheinende Widerspruch, welcher bei einigen Zahlen hervortritt, indem viele Kranke von Alderton einen und denselben Ton (c^) besser durch die Luft hörten, als die ihm zur Verfügung gestandenen 36 Männer, welche »absolut normale Ohren« hatten. Wenn wir auch seit den Unter- suchungen von Schwabach und Bezold wissen, dass eine Ver- längerung der Knochenleitung bei bestimmten Krankheiten des Ohres als ein regelmässig zu constatirendes Symptom wiederkehrt, so ist es doch kaum möglich, in irgend einem Falle dasselbe auch von der Ver- längerung der Luftleitung zu sagen. Man könnte hier immerhin an

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 5

eine Hyperästhesie des Acusticus denken. Allein es ist sehr unwahr- scheinlich, dass sich die Hyperästhesie stets bei allen Kranken nur auf einen und denselben Ton (e) beschränkt haben sollte.

Prof. Bezold hat bei seinen bisherigen klinischen Untersuchungen meist nur die untere und obere Tongrenze, das Vorhandensein oder Fehlen der Luftleitung im Verlaufe der Scala und die Dauer der Knochenleitung für einzelne Stimmgabeln (A, a, a‘) berücksichtigt. Es entsprach längst dem Wunsche von Prof. Bezold, in einer grösseren Reihe von Fällen auch genauere Zeitbestimmungen für den ganzen Verlauf der Tonreihe in Luftieitung zu erhalten, und ich bin seiner Aufforderung nachgekommen, in dieser Richtung die functionellen Unter- suchungen an einer grösseren Anzahl von Fällen zu vervollständigen.

Alle zu meinen Untersuchungen verwertheten Fälle wurden zuerst von Prof. Bezold oder, wie dies in vier Fällen (2, 6, 13 und 20) geschah, von seinem Assistenten Dr. Arno Scheibe functionell geprüft, um die Diagnose festzustellen und dann mir zur weiteren Prüfung gütigst über- lassen. Ausserdem bemerke ich, dass ich nach dem Vorschlage von Prof. Bezold, mit einer Ausnahme (Fall 27), nur typische Fälle, das heisst solche, welche nur eine Erlrankungsform und nicht eine Combination solcher aufwiesen, für meine Arbeit verwerthete. Typische Fälle habe ich 26 untersucht, wovon 11 Sclerose des Schallleitungsapparates, 14 Er- krankungen des percipirenden Apparates und 1 eine traumatische Ruptur des Trommelfells betrafen. In 1 Falle war neben doppelseitiger Er- krankung des inneren Ohres auf der einen Seite cine geheilte Pertoration, von einer früheren Mittelohreiterung zurückgeblieben. gefunden.

Was das Vorgehen von Prof. Bezold bei der functionellen Prüfung des kranken Öhres betrifft, welches, selbstverständlich, auch bei allen hier in Frage kommenden Fällen eingehalten worden ist, so weise ich auf die »Ueberschau über den gegenwärtigen Stand der Ohrenheil- kunde« von Prof. Bezold!") hin, in welcher dieses Vorgehen genau dargestellt ist.

Die Hartmann’sche Methode habe ich, wie auch Gradenigo, nicht in ihrer ursprünglichen Form, sondern mit folgenden Modificationen angewendet. Um die Perceptionsdauer der verschiedenen Töne durch Luftleitung zu messen, verwendete ich nicht die Hartmann ’sche Reihe, welche nur aus 5 Stimmgabeln besteht, sondern die folgenden 9 Stimmgabeln: u

Ag, Ad; A, a, a’, a’, Bez ES fis”.

6 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Um die Perceptionsdauer durch Kno chenleitung zu bestimmen, beschränkte ich mich auf drei Töne im mittleren Theil der Tonleiter und benutzte dafür nur die Stimmgabeln A, a und a’. Um die Per- ceptionsdauer des Kranken für die verschiedenen vom Scheitel zu- geleiteten Töne in Secunden auszudrücken, bestimmte ich, wie das von Prof. Bezold seit Beginn seiner Stimmgabelprüfungen immer geschehen ist, nicht die Gesammtzeit, während welcher der Ton der Gabel vom Patienten wahrgenommen wurde, sondern direkt die Differenz zwischen der Knochenperceptionsdauer des Kranken und des Untersuchers. Wurde die Stimmgabel weder vom Patienten, noch vom Untersucher wieder von Neuem gehört, wenn sie vom Scheitel des einen auf den Scheitel des anderen sofort nach dem Ausklingen aufgesetzt wurde, war also die Differenz zwischen Untersucher und Untersuchtem = 0, so wurde die Knochenleitungsdauer mit 1,0, das heisst normal bezeichnet. War die Knochenleitungsdauer des Untersuchten kürzer, so fiel also ihr Werth kleiner als 1,0, im umgekehrten Falle grösser, als 1,0 aus. Die Decimalen sind nach unserer eigenen Knochenleitungsdauer für jede einzelne Stimmgabel bezeichnet.

In der gleichen Weise wurde auch bei der Prüfung in der Luft- leitung für jede einzelne Stimmgabel nur direkt die Zeit geprüft, um welche sie vom Untersucher länger gehört wird, als vom Kranken und aus dieser Differenz und der Hördauer meines eigenen normalen Öhres für dieselbe Stimmgabel die Hörverminderung in Procenten meiner eigenen . Hördauer bezeichnet. Wurde z. B. die A-Gabel, deren Ton bei starkem Anschlage, in nächster Nähe der Muschel gehalten, von mir 80 Secunden lang vernommen wird, von mir 40 Secunden länger als vom Patienten gehört, war also die Hördauer des Patienten für denselben Ton gleich 40 Secunden, so wurde ihr Procentverhältniss zu der normalen Hör- dauer nach der folgenden .einfachen Formel berechnet

40:80 =x: 100

N

x = 50 See

Ebenso wurden die Verhältnisse der Knochenleitungsdauer des Kranken zur normalen berechnet; nur wurde der normale Werth der letzteren nicht als 100,0, sondern als 1,0 bezeichnet.

Jede einzelne Messung wurde mehrfach wiederholt und jedesmal das Mittel aus sämmtlichen Messungen ‚angegeben.

Die Hördauer meines eigenen Ohres für jede E wurde

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der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Öhres. 7

von mir auf Grund vielfacher Bestimmungen vorher festgestellt. Durch Luftleitung hörte ich: Die Stimmgabel A, 60 Secunden lang

« « A, 75 « « « « A 80 « « « « a 80 « « « « a’ 100 « > « « a‘’ 114 « « « « Di 75 « « « « c“ 75 « « « « fis” 22 « «

Vom Scheitel konnte ich den Ton der A-Gabel während 24 Secunden « a-Gabel « 20 « e a'-Gabel « 12 « percipiren. Die Dauer fir die per Luft resp. Knochenleitung gemessenen einzelnen Stimmgabeln wurde fiir jeden einzelnen Fall auf Tafel I—III graphisch dargestellt.

Casuistik. Sclerose des Schallleitungsapparates.

Fall I, No. 554.1) Therese F., Bureaudienersfrau, 54 J. alt. Seit 4 Jahren allmählich zunehmende Schwerhörigkeit, zeitweise Sausen und Schwindel. Ein Bruder nach Schiessäbungen schwerhörig. Trommelfell rechts normal, links leicht diffus getrübt. rechts 7 m und mehr links 30 cm (»sechs«)

rechts 19,5 v. d. (der tiefste geprüfte Ton)

Flüstersprache

ee,

Untere Tongrenze

links G, A Gabel vom Scheitel ins schlechtere linke + 17 Sec. a’ » » » » » » + 7 Sec.

| rechts + 20 Sec. [| links 14 Sec.

Edelmann - Galton - Pfeifchen ?) oe a e links 1,3 Catheterismus links in mittelstarkem continuirlichem glattem Strome eindringend bessert nicht. N

Rinne a’

1) No. des Ambulatoriuinsjournals pro 1895. 2) Die sehr scharfe Grenze dieses Instrumentes findet sich fiir das normale Ohr regelmässig bei 1,1. '

8 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Fall IT, No. 530. Anna, W. Dienstmädchen, 21 J. alt. Seit 3 Jahren Kopfweh, seit 1 Jahr continuirliches Sausen, seit 3/, Jahren rechts Schwerhörigkeit bemerkt. Kein Schwindel, keine Heredität. Trommelfell beiderseits etwas weniger durchsichtig, rechts Peripherie stärker getrübt, sonst normal. Rechte Nase durch Verbiegung des Septums verengt, links unterere und mittlere Muschel am vorderen Ende geschwellt. Am rechten Tubenostium oben ein kleiner, gelblicher Buckel, sonst keine Veränderungen an dem Tubenostium.

rechts 6 m (»drei« und »neun«) links 7m `

rechts F,

links 21 v. d.

A Gabel vom Scheitel ins kranke + 13 Sec. a’ » » » > > + 5Sec.

rechts + 8 Sec. links + 31 Sec.

E. - Galton - Pfeifchen beiderseits 1,2.

Nach Catheterismus, der rechts in breitem, ununterbrochenem Strome eindringt, Sausen geringer, Hörweite unverändert.

Flüstersprache

Untere Tongrenze |

Rinne a/ |

Fall IIT, No. 523. Nicolaus V., Schneider, 27 J. alt. Seit 3 Jahren zunehmende Schwerhörigkeit, Schwindelanfälle mit Uebelkeit, keine Heredität, zeitweise Sausen. Trommelfell beiderseits leicht diffus getrübt, Reflex beiderseits verschwommen.

Flüstersprache beiderseits 20 cm (»neun«) rechts G links F A Gabel vom Scheitel + 12 Sec. » s kA See, rechts 7 Sec. links 11 Sec. E. - Galton - Pfeifehen beiderseits 1,1.

Catheterismus rechts undeutlich, links in schwachen, continuirlichem

Strome eindringend, bessert rechts auf 40 cm, links auf 30 cm.

Untere Tongrenze

Rinne a |

Fall IV, No. 552. Fanny S., Dienstmädchen, 32 J. alt. Vor 10 Jahren während »Gehirntyphus« vorübergehende Taubheit, seit 6 Jahren allmählich zunehmende Schwerhörigkeit, besonders rechts. Zeitweise Sausen, kein Schwindel, keine Heredität. Trommelfäll rechts normal, links unregelmässig streifig getrübt, Hammergriff körperlich hervortretend.

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. Q

rechts 15 cm (»vier« und »neun«) links 35cm (»vier« und »neun«)

rechts F links G (vor Catheterismus war untere Ton- grenze links A)

A Gabel vom Scheitel ins bessere, linke + 15 Sec. a » » « schlechtere, rechte + 4Sec.

Flistersprache |

Untere Tongrenze

Rinne a’ EE | rechts 1,2 E. - Galton - Pfeifchen | links 1,1.

Catheterismus rechts in breitem, links in mittelstarkem continuir- lichem Strome durchdringend.

Nach Catheterismus Flistersprache rechts 10cm, links 80cm. .

Fali V, No. 531. Raimund H., Taglöhnar 42 J. alt. Seit einigen Jahren Sausen und Schwerhörigkeit, keine Heredität, zeitweise Schwindel.

Untersuchung im Jahre 1898. Trommelfell beiderseits. normal. Catheterismus rechts nicht in deutlichem Strome, links in schwachem continuirl. Strome durchdringend, bessert nicht.

rechts 20 cm (»fünf«)

Flüstersprache links 18 cm: (»neun<) rechts F Untere Tongrenze links D

A Gabel vom Scheitel + 17 Sec. ai » » » + 5 Sec.

rechts 8 Sec. links 7 Sec.

Bei der Untersuchung im Jahre 1895 rechts die hintere Hälfte des Trommelfells leicht diffus röthlich durchscheinend.

Rinne a‘ N

rechts 18 cm (»fünf« und »neun«)

Flüstersprache links 20cm (»vier« und »sechs«] | rechts F Untere Tongrenze | links H,

Knochenleitung und Rinne’schen Versuch, wie 'im Jahre 1893. E -Galton-Pfeifchen beiderseits 1,1.

Catheterismus rechts in mittelstarkem, links in schwachem continuir- lichem Strome eindringend, ändert rechts nicht, verschlechtert links die Hörweite für Flüstersprache auf 15 cm.

10 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Fall VI, No. 537. Anna J., Privatiére, 34 J. alt. Seit einigen Jahren Schwerhörigkeit, Sausen, kein Schwindel, keine Heredität. Trommelfell beiderseits typisch normal. rechts 65 cm (»neun«) links 40cm (»neun«)

Im: vorigen Jahre war die Hörweite für Flüstersprache rechts 30 cm (»acht«), links 35 cm (»neun«) gefunden worden. Dieselbe hat sich nach einem monatlichen Aufenthalt im Hochgebirge bis zu dem oben angegebenen Grad gebessert.

Flüstersprache

| rechts G, Untere Tongrenze | links C,

A Gabel vom Scheitel + 10 Sec. a » » » + 08ec.

rechts 8 Sec. links 10 Sec.

E.-Galton - Pfeifchen beiderseits 1,1.

Catheterismus rechts in schwachem, links in mittelstarkem continuir- lichen Strome durchdringend. Paracusis Willisii.

Rinne a‘

Fall VII, No. 391. Erwin N., Cand. med., 22 J. alt. Im Winter vorigen Jahres hat Patient Schwerhörigkeit bemerkt, die sich allmählich verlor. Jetzt seit 2 Monaten von neuem Schwerhörigkeit ohne Sausen, ohne Schwindel, keine Heredität. Trommelfell beiderseits normal, links Convexitätsreflex an der oberen hinteren Peripherie. Am Tubenostium beiderseits keine Veränderung ausser einem beiderseits gleichstarken Gefäss, welches auf der Innenwand des Tubenostiums ver- läuft. Mässiges Polster von adenoiden Vegetationen am Rachendach ohne Unebenheiten. rechts 7 m < links 60 cm (»vier« und »acht«)

rechts 19t/, v.d. (der unterste zur Messung Untere Tongrenze gekommene Ton) links Gis, A Gabel vom Scheitel ins schlechtere linke + 4 Sec.

Flüstersprache |

a » » » » » + 0 Sec. , | rechts + 23 Sec. Rinne a links 7 Sec.

E. - Galton - Pfeifchen beiderseits 1,1.

Catheterismus links in mittelstarkem Strome durchdringend, ändert nicht.

Fall VIII, No. 501. Josefine P., Köchin, 26 J. alt. Seit 2 Jahren Sausen, kein Schwindel. Mautter ist schwerhörig. Trommel- fell beiderseits typisch normal. Pharyngeales Ostium der Tuben auf- fallend klein, sonst unverändert.

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 11

rechts 10 cm (»neun«)

EES | links 25cm (»neun«) Untere Tongrenze beiderseits F.

A Gabel vom Scheitel ins schlechtere SR E + 12 Sec. a’ » > > » » 3 Sec.

Rinne a’ beiderseits 9 Sec.

rechts 1,1 links 1,2

Catheterismus mit starkem, ununterbrochenem Strome eindringend, bessert nicht wesentlich.

E. - Galton - Pfeifchen

Fall IX, No. 396. Max Sch., Brauer, 52 J. alt. Seit 1870 schwerhörig. Seit 3 Jahren continuirliches Sausen, kein Schwindel, keine Heredität. Trommelfell beiderseits typisch normal.

rechts 3 cm (»vier« und a links unsicher.

Untere Tongrenze beiderseits F. A Gabel vom Scheitel (Weber V. unbraucbar) + 11 Sec. a » » > » » » + 0 Sec.

iinne Ss rechts 9 Sec.

links 12 Sec. rechts 1,1 links 1,2

Catheterismus beiderseits in mittelstarkem continuirlichem Strome durchdringend bessert nicht wesentlich.

Flüstersprache |

E. - Galton - Pfeifchen

Fall X, No. 432. Monika B., Verkäuferin, 47 J. alt. Seit 2 Jahren zeitweise Sausen und Schwerhörigkeit rechts. Beiderseits Trommelfell leicht diffus getrübt, sonst normal. Kein Schwindel, Vater schwerhörig.

| rechts 6 cm (»vier« er | links 4m GE und »sieben«)

rechts E links 25 v. d.

A Gabel von Scheitel ins schlechtere rechte + 6 Sec. a’ » » » » > » 2 Sec.

rechts 11 Sec. links + 17 Sec.

| rechts 1 ‚4 E.- Galton- Pfeifchen | links 11 Hai

Catheterismus beiderseits in continuirlichem Strome durchdringend.

Untere Tongrenze |

Rinne a’

12 Boris Werhovsky: Früfungen der Hördauer im Verlaufe

Fall XT, No. 387. Iwan W., Sprachlehrer, 32 J. alt, Russe. Seit 8 Jahren Taubheit für die Sprache, continuirliches Sausen. Trommel- fell beiderseits von normaler Form, rechts diffus roth durchscheinend in der ganzen vorderen Hälfte und im hinteren unteren Quadranten.

| rechts wurden die meisten Zahlen (russisch)

Conversationssprache ; am Ohr verstanden, | links Taubheit für die Sprache. rechts fis‘, von da alle Stimmgabeln bis fis“ inclus. !), links von sämmtlichen Stimmgabeln nur fis‘ gehört. A Gabel vom Scheitel unsicher in welchem Ohre 4- 7 Sec. a’ » » ins rechte, (nur bei starkem Anschlag) 12 Sec. Vom Warzentheile werden sie stärker gehört. rechts 12 Sec.

Untere Tongrenze

Rinne a‘

links % A rechts 2,9 E. - Galton - Pfeifchen links 6.2

Blasen des Pfeifchens beiderseits nicht gehört. Die beiden Orgel- pfeifchen f‘‘“ f” wurden rechts ganz gehört, links untere Tongrenze in den Orgelpfeifchen g‘“.

Nervöse Schwerhorigkeit.

Fall XTI, No. 487. Joseph N., 10 J. alt. Seit !/, Jahr ins- besondere rechts Schwerhörigkeit bemerkt. Keine Heredität, kein Schwindel, zeitweise Sausen. Trommelfell beiderseits typisch normal. Augen und Zähne normal. Gesundes Aussehen. rechts 8cm (»vier« und »fünf«) links 18 cm (»vier«)

Untere Tongrenze beiderseits 16 v. d. A Gabel vom Scheitel ins linke bessere 13 Sec.

Flüstersprache

a » » » » « » 12 Sec. a » » nicht gehört. | rechts + 26 Sec. binne a | links + 16 Sec.

rechts 1,1 links 1,2

Catheterismus beiderseits in continuirlichem, mittelstarkem Strome eindringend, ändert die Hörweite nicht.

E. - Galton - Pfeifchen |

1) Die unbelastete a‘ Gabel wurde p. Luft nur einen Moment gehört, daher fällt sie auf der graphischen Darstellung aus.

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Öhres. 13

Fall XIII, Johann R., (von Dr. Scheibe untersucht), Locomotiv- führer, 47 J. alt. Seit 13 Jahren im Fahrdienst, vor 10 Jahren Schlag auf das linke Ohr; doch hat Patient damals ebensowenig, wie jetzt be- merkt, dass er schlecht hört. Sausen und Schwindel bestehen nicht. Trommelfell beiderseits normal.

Flüstersprache

rechts 5m | (beiderseits »fünf«, »sechs« links 60 cm und »sieben«)

Untere Tongrenze beiderseits 16 v. d.

A Gabel vom Scheitel ins bessere rechte 2 Sec. a’ » » » > > » 6 Sec. { rechts + 19 See.

| links -++ 21 Sec. E.-Galton-Pfeifchen beiderseits 1,1.

Catheterismus beiderseits in mittelstarkem, normalem Strome ein- dringend besssert nicht.

Rinne a’

Fall XIV, No. 513. Leopold S., Schncidermeister, 43 J. alt. Seit 1 Jahre Sausen links, continuirlich. Keine Heredität, kein Schwindel. Seit !/, Jahr bemerkt Patient Schwerhörigkeit. Trommelfell beiderseits . mässig diffus getrübt. Hammergriff verbreitert.

S rechts 2 m (»fünf« und »sieben«) eS links 2'/, m (»sieben«)

Untere Tongrenze beiderseits 19,5 v. d. (tiefste gepr. Stimmgabel).

A Gabel vom Scheitel + 0 a » » 9 Sec.

| rechts + 26 Sec. | links + 28 Sec.

E.-Galtonpfeifchen beiderseits 1,1.

Rinne a‘

Fall XV, No. 320. Joseph Z., 113/, J. alt. Vor circa 4 Jahren Masern, seitdem Schwerhörigkeit, die nicht wesentlich wechselt. Beider- seits hinterer Trübungsstreifen und leichte diffuse Trübung des Trommel- felles mit Ausnahme des vorderen oberen Quadranten; oberhalb des kurzen Fortsatzes rechts kleiner Reflex.

rechts 40 cm (»vier», «acht>»)

Flüstersprache links 30cm (»acht»)

Untere Tongrenze beiderseits 16 v. d.

rechts 4 15 links + 17

E.-Galton-Pfeifchen beiderseits 1,1.

Rinne a’ |

14 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Fall XVI, No. 448. Johann S., Locomotivführer, 54 J. alt. Seit 30 Jahren Locomotivführer. Seit 3 Jahren Schwerhörigkeit, die all- mählich begann und dann stationär blieb. Kein Sausen, kein Schwindel, keine Heredität. Trommelfell typisch normal beiderseits.

rechts 10 cm (»vier«, «neun«) links 12cm (»vier», »neun«) Untere Tongrenze beiderseits 27 v. d.

A Gabel vom Scheitel 10 Sec.

a » » » 15 Sec.

a > » nicht gehört, ebensowenig von den Warzentheilen.

Rinne a’ beiderseits + t E. -Galton - Pfeifchen beiderseits 1,1.

Flüstersprache

Fall XVII, No. 482. Christian R., Taglöhner, 37 J. alt. Seit 2 Jahren besteht links continuirliches, rechts zeitweises Sausen, das links sehr heftig, wie ein Wasserfall angegeben wird. Seit 3 Monaten An- fälle von Schwindel, so dass er sich anhalten muss, und Erbrechen. Keine Heredität. Trommelfell beiderseits normal, links Hammer etwas horizontaler stehend. In der letzten Woche ein Anfall von Psychose.

rechts 1!/, m

Flüstersprache links 9 em rechts D Untere Tongrenze | links G,

A Gabel vom Scheitel ins bessere rechte 8 Sec. a’ Gabel weder vom Scheitel, noch vom Warzentheile gehört.

Rinne a’ beiderseits + t i rechts 1,1 | K. - Galton - Pfeifchen links 1,2 Catheterismus beiderseits in mittelstarkem continuirlichem Strome durchdringend.

Fall XVIII, No. 464. Fanny M., Magd, 49 J. alt. Lues cere- bralis, Gedächtnissschwäche, Exanthem. Ein Kind in der Familie, bei der die betreffende Person Kindermädchen war, ebenso die Mutter dieses Kindes hatten Lues. Zeitweise Sausen, continuirliche Coordinations- störungen. Im rechten Trommelfell unregelmässig begrenzter dunkler Fleck in der hinteren Hälfte, sonst normal. Links Hammergriff etwas verbreitert. Hinterer Trübungsstreifen mit Andeutung von hinterer Falte.

rechts 35 cm links 3 cm

rechts 21 v. d. links 22,5 v. d.

Flüstersprache beiderseits »fünf«

Untere Tongrenze

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 15

A Gabel vom Scheitel ins linke + 0

a » > > » » 14 a’ » » nicht gehört. Rinne a’ rechts + t

links + 17 Sec. E.-Galton-Pfeifchen beiderseits 1,2.

Catheterismus links in undeutlichem Strome eindringend.

Fall XTX, No. 477. Johann R., Forstmeister 70 J. alt. Schwer- hörigkeit ist ihm seit mindestens 1!/, Jahren aufgefallen. Zeitweise Sausen, beim Schneuzen Schwindel, keine Heredität. Eifriger Schütze und Scheibenschiitze. Trommelfell beiderseits normal.

rechts 15 cm (»sieben«) links 2cm (alle Zahlen ziemlich gleichmässig)

rechts 25 v. d. Untere Tongrenze | links 22 v. d.

Flüstersprache

A Gabel vom Scheitel unbestimmt in welches 8 Sec. a » » ins rechte 10 Sec. ; | rechts + 24 Sec.

Hinne 8’) inks + 0 Sec.

A rechts 3,6 E. - Galton - Pfeifchen | links 2,9

Fall XX, No. 559. Bartholomius K., Miller, 36 J. alt. Vor 2 Jahren platzte dem Patienten beim Losschiessen ein Gewehr, darnach kurz dauerndes Singen und seitdem geringe Schwerhörigkeit rechts. Seit 3 Monaten beiderseits stärkere Schwerhörigkeit und beständiges Singen. Kein Schwindel, keine Heredität. Trommelfell beiderseits leicht diffus getrübt. Reflex beiderseits nur angedeutet.

rechts 2 cm | links 8cm |

rechts 25 v. d. links 19,5 v. d. (unterster geprüfter Ton)

A Gabel vom Scheitel 7 Sec.

Flüstersprache | (beiderseits alle Zahlen gleich)

Untere Tongrenze

a » > nicht gehört. , | rechts + t pung g | links —+- 27 Sec.

| rechts 1,2 | links 1,1

Catheterismus rechts in breitem, links in mittelstarkem normalen Strome eindringend bessert nicht.

E. - Galton - Pfeifchen

N

16 Boris Werhovsky; Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Fall XXI, No. 504. Joseph Z., Maurer, 33 J. alt. Seit 2 Jahren nach Salicylgebrauch Schwindel und Sausen. Trommelfell beiderseits diffus getrübt und reflexlos. Früher bestand zeitweise, jetzt continuirlich Schwindel. Gestern ein starker Schwindelanfall.

rechts 15 cm (»sieben«) links unsicher

rechts 25 v. d.

Flüstersprache |

Untere Tongrenze

links G, A Gabel vom Scheitel ins bessere rechte 7 See. a‘ » » » » » > 5 Sec.

rechts + 23 Sec. links + 0O Sec.

ee rechts 1,1 E. - Galton - Pfeifchen links 5.6

Catheterismus rechts in mittelstarkem Strome, links in starkem ‘continuirlichem Strome durchdringend, bessert nicht. Therapie Jodkali.

Fall XXII, No. 516. Michael D. Moller, 25 Jahre alt. Seit 2 Jahren Schwerhörigkeit, seit 1 Jahre Sausen, kein Schwindel. Onkel mütterlicherseits schwerhörig. Im Jahre 1891 wurden mit einem Gewehre, das sein Hintermann auf seine Schulter legte, einige Schüsse am linken ‘Ohre vorbei abgefeuert. Trommelfell beiderseits leicht diffus roth durch- scheinend. Trübungen der intermediären Zone auf der linken Seite. | rechts 8 cm (»fünf«, »sieben«) | links unsicher (»vier«) Conversationssprache links 3!/, m (»drei«) Untere Tongrenze beiderseits 19,5 v. d. (der tiefste geprüfte Ton) A Gabel vom Scheitel (Weber V. unbrauchbar) 5 Sec. a’ » » l » » » 8 Sec. | rechts + 24 Sec. | links -++ 10 Sec. E. - Galton - Pfeifchen ong S 4

Fall XXIII, No. 483. Magdalena G., Gerberswittwe, 78 J. alt. ‘Seit 5—6 Jahren auffallende Verschlechterung des Hörvermögens. Keine Heredität, zeitweise Sausen, früher (vor 10—11 Jahren), starker Schwindel, so dass Patientin sich anhalten musste. Trommelfell rechts: hinterer Trübungsstreifen mit Andeutung von hinterer Falte. Trübung der intermediären Tone. Trommeltell links ebenso. Hörrohr bringt keine Besserung für das Sprachverständniss. | rechts 3 cm (»sieben«) | links unsicher (nur »sieben« nicht) rechts 60 cm (»neun«, »sieben«) links 20cm (»fünfe)

rechts F} links G,

Rinne a’

Flüstersprache

Rinne a’

Flüstersprache Conversationssprache |

Untere Tongrenze |

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 17

A Gabel vom Scheitel unbestimmt in welches 10 Sec. a und a’ Gabel weder vom Scheitel, noch vom Warzenfortsatze gehört. rechts 4 15 Sec. many A| links + 13 Sec. Rinne a und a’ beiderseits + t. : rechts 6,5 u | links 7,4, keine Lücken. Catheterismus rechts in mittelstarkem continuirlichen Strome durch- dringend, links nicht deutlich hörbar.

Fall XX1V, No. 443, Marie G., Dienstmädchen, 18 J. alt. Vor 5 Jahren angeblich plötzlich auftretende Schwerhörigkeit. Eine Schwester schwerhörig. Links continuirliches Sausen, zeitweise Schwindel und viel Kopfschmerz. Trommelfell beiderseits normal. rechts 3 cm (»drei«, »vier«, »sieben«) links nicht gehört rechts 10 cm (alle Zahlen ziemlich gleich) links nicht, auch geschrieene Worte nicht rechts 27 v. d. Untere Tongrenze . links nur ci bei starkem Anschlage und

l fis“ bei mittelstarkem Anschlage. In der Orgelpfeife untere Tongrenze b‘” A Gabel vom Seheitel ins bessere rechte 5 Sec.

Flüstersprache

Conversationssprache |

a » » > > a 5 9 Sec. a » » nicht gehört. . , | rechts + t un links nicht zu prüfen E.- Galton-Pfeifchen | Techts 2,9 links 4,6.

Rechts dessen Blasen gehört, links nicht gehört.

Fall XXV, No. 564. Notburga H., Köchin, 34 J. alt.

Untersuchung im Jahre 1893, den 3. März. 3./III. Flüster- sprache beiderseits 2 m (»neun«).

Im Trommelfell befindet sich beiderseits eine vom kurzen Fortsatze nach rückwärts laufende Falte mit Trübungsstreifen, welche links stärker ausgesprochen ist, als rechts. Links zwei kleine frische Blutextravasate, eines vor dem kurzen Fortsatze, das andere an der hinteren oberen Peripherie; im Uebrigen sind beide Trommelfelle normal. In der Ver- wandtschaft keine Schwerhörigkeit. Seit October besteht Sausen im rechten, seit Weihnachten im linken Ohr. Seit derselben Zeit besteht Schwindel, der seit den letzten 14 Tagen ununterbrochen anhält. Gleich- zeitig Kopfschmerz. Catheterismus in sitzender Stellung ausgeführt, dringt beiderseits in mittelstarkem, continuirlichem Strome durch, ohne dass die Kranke schwankt, oder über stärkeren subjectiven Schwindel klagt und bessert nicht. Die Kranke geht zwar langsam, indessen ist kein Schwanken im Gehen zu bemerken. Medication: Chinin.

Zeitschrift für Ohrenheilkunde. Bd. XXVII. 2

18 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Am 12. III. 93. Das Sausen hat seit der Chinin-Medication einen anderen Charakter angenommen, ohne wesentlich stärker zu werden. Die Kranke kann wegen Eintretens von Brechneigung sich nicht dauernd ausser Bett halten. An Stelle des Blutextravasates in der hinteren oberen Peripherie erscheint heute eine kleine atrophische Stelle. rechts 2m links lm rechts A, links D

Flistersprache heute

Untere Tongrenze |

A Gabel vom Scheitel + 0 a und a’ Gabel weder vom Scheitel noch von den Warzentheilen gehört.

Untersuchung den 23. August 1895: Nachdem !/, Jahr lang alle Beschwerden verschwunden waren und auch das Gehör wieder besser geworden war, traten vor 8 Tagen wieder Schwindel mit Er- brechen, Sausen und Schwerhörigkeit ein. Trommelfellbefund wie im Jahre 1893.

Flüstersprache rechts 80 cm (»acht«)

links 4m (schwankende Angaben) rechts C links A, (scharfe Grenze) A Gabel vom Scheitel ins bessere linke 17 Sec. a‘ » » > » 8 Sec. Hine uw | rechts + 8 Sec. (vom rechten Warzentheile in’s linke gehört) | links +23 Sec.

E. - Galton - Pfeifchen

Untere Tongrenze

rechts 1,2 links 1,2 rechts 80 cm (»acht«) links 6m < Catheterismus rechts in dünnem, links in breitem, continuirlichem Strome eindringend, bessert rechts auf 1!/, m. rechts 1!/,m links 6m Gelle’scher Versuch vom Scheitel mit A Gabel beiderseits positiv.

25./ VIII. 95. Flüstersprache

3./IX. 95. Flüstersprache

Traumatische Ruptur des Trommelfells.

Fall XXV1, No. 584. Joseph J., Schlosser 27 J. alt. Patient wurde vor 12 Tagen von einem abspringenden Holzhammer an das rechte Ohr getroffen, worauf er einige Augenblicke benommen war. An dem Tage der Verletzung fiel inm auch Schwerhörigkeit, angeblich beiderseits, auf. Ein paar Tage später stellte sich mässiges Sausen ein, welches gegenwärtig noch besteht. Kein Schwindel. Beim Schneuzen drıngt die Luft durch das rechte Ohr. Patient hat sich täglich Wasser in's Ohr fliessen lassen; trotzdem hat sich kein Ausfluss eingestellt. Links Trommelfell normal, rechts läuft vom vorderen oberen zum hinteren unteren Quadranten ein unregelmässig gestaltetes Blutextravasat, in dessen

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 19

vorderem Theile im vorderen oberen Quadranten eine scharf begrenzte runde Perforation von circa 1 mm Durchmesser liegt. Im unteren Theile der vorderen Hälfte ein weisser nach vorn concaver Trübungsstreifen auf dem Trommelfelle.

rechts 1m (»fünf«)

Elüstersprache links 7m <T (»hundert«) Untere Tongrenze ae A sa A Gabel vom Scheitel ins kranke rechte 4 20 Sec. 2 » » e » » » » + 10 Sec. a » » > » » + 7 Sec. Rinne a | rechts + 15 Sec. { links + 25 Sec.

E. -Galton - Pfeifchen beiderseits 1,1. Bei Politzer’s Verfahren und Valsalva’schem Versuche dringt die Luft in tiefem, hauchenden, continuirlichen Strome durch.

Nervöse Schwerhörigkeit beiderseits und geheilte Perforation rechts als Residuum einer in der Kindheit überstandenen Mittelohreiterung.

Fall XXVII, No. 592. Nicolaus G., Dr. med., 31 J. alt, Russe. Im sechsten Jahre circa 3 Monate lang Ausfluss. Seit circa 10 Jahren Schwerhörigkeit bemerkt. Zeitweise Sausen, kein Schwindel, keine Heredität. Rechts runde dünne Narbe im vorderen unteren Quadranten von Kleinlinsengrösse, links ziemlich starke Trübung in der intermediären Zone (vielleicht ebenfalls als Residuum früherer Mittelohreiterung auf- zufassen). Die Narbe ist scharf umgrenzt, durchsichtig und bewegt sich sehr leicht, ebenso auch das ganze Trommelfell bei Luftverdünnung mittels des Delstansche’ schen Rarefacteurs. rechts 90 cm (»sieben«, »acht«) links lm (»sieben«, »acht») rechts Des, links 19!/, v.d. (tiefster geprüfter Ton) A Gabel vom Scheitel ins rechte 8 Sec. a’ > » » » » 5 Sec. rechts + 19 Sec..

Flüstersprache

Untere Tongrenze

Rinne a’) jinks + 29 Sec. e rechts 2,9 E. - Galton - Pfeifchen links 2,7

Catheterismus beiderseits in mittelstaTkem Strome eindringend; keine wesentliche Aenderung.

i ev m

Die Gesammtheit der untersuchten Fälle ist auf der folgenden Tafel nach Alter, Geschlecht, nach Anamnese und nach den Resultaten der objectiven Untersuchung übersichtlich zusammengestellt.

2"

20 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Uebersichts-

| | | Aetiologie 2 z. ‚Alter, Beschäftigung der ele |e | AER) Krankheit 5|3 2 a

1 | Sclerose weibl. 54 nes 2 p weibl. | 21 | Dienstmadchen ‚3 » männl. | 27 Schneider 4} » weibl. | 32 | Dienstinidchen 5 g männl. 42 Tagléhner 6 | e weibl. | 34 Privatiere 7 s männl. , 22 Cand. med. 8 | || weibl. 26 | . Köchin

9 S | männl. | 52 Brauer

10 ` S weibl, | 47 Verkäuferin 11 S männl. | 32 | Sprachlehrer

12 | Nervöse Schwerhörigkeit| männl. | 10 13 o Es 47 Locomotivfihrer

14 > männl. | 43 Schneider 15 j männl. | 113/4 Masern —_|— | = 16 e männl. | 54 'Locomotivführer = GE 17 š männl. | 37 Taglöhner —'+i+ 18 n weibl. | 49 Magd Lues cerebralis + | +: 19 K männl. | 70 | Forstmeister Schütze |— + + 20 5 männl. | 36 Müller Explosion |— | + e , 21 | 2 männl. | 33 Maurer Saliy. |— + + 22 š männl. | 25 Müller Explosion |+ + 23 n weibl. | 78 | Gerberswittwe a | + | d 24 i weibl. | 18 | Dienstmädchen +'+|+ 25 5 weibl. | 34 Köchin u | +] + 26 || Traumatische Ruptur || männl. | 27 Schlosser Schlag |—'+i— des Trommelfells | 27 || Nervöse Schwerhörigkeit| männl. | 31 Dr. med. —iti—

mit Residuen

| : | 1) Bei den Fallen von Sclerose, der traumatischen Perforation und dem Fall 27 Fällen von nervöser Schwerhörigkeit nur diejenige mit der al-Stimmgabel verzeichnet.

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 21

| Tabelle.

ei Rechts Links oO Weber’sche | 8 5 Q La = SS mi Q AY

(nochenleitung!)

Flüster-

Flüster-

sprache

Untere Tongrenze

Versuch |

Obere = ,

ale lesg le TE = wm D rs =

ins schlechtere |+ 17Sec.|| 7m < 119,5r.d.|+20Sec.| 1,1] 30cm | !-14S8ec.| 1,3 ins schlechtere |+13Sec.| Gm +8 Sec.| 1,2] 7m<< |21,0v.d. +31 Sec.| 1,2 in beiden gleich |+ 12Sec.|| 20 cm G |- 7Sec.| 1,1] 20cm | |- 11Sec.| 11 ins schlechtere |+15Sec.|| 15 cm F [!- 8Sec.| 1,21 35cm | | 9 Sec.) 1,1 :in beiden gleich|+ 17Sec.|| 20cm | F |- 8 Sec.| 1,1] 18cm D |— 7 Sec.) 1,1 ‚in beiden gleich|+10Seec.|| 65 cm |- 8Sec.| 1,1] 40cm | Cy |--10Sec.) 1,1 ins schlechtere |+ 4 Sec.|| 7m < |19,5v.d.;+23Sec.| 1,1] 60cm | Gis; |— 7 Sec.| 1,1 ins schlechtere |+12Seec.|| 10cm | |- 9 Sec.| 1,11 25cm | |- 9 Sec.| 1,2 unbrauchbar |-+11Sec.!| 3cm F |-9Seec.| 1,1funsicher F |-12Sec.| 1,2 ins schlechtere |+ 6 Sec.| 6cm E |!-11Sec.| 141 4m [25,0r.d.i+17Sec., 1,1 unbrauchbar |-+ 7 Sec.'| nur Comers. | fis’ | - 12Sec.| 2,9] Taubheit | fis’ u 6,2

| ins bessere 0 en 16 v d.|+26Sec.| 1,1] 18cm |116v.d.!+16Sec.| 1,2 | ins bessere |— 6 Sec.| 5m [16v.d.!+19Sec.| 1,1] 60cm |16v.d.+21Sec.| 1,1 in beiden gleich |— 9 Sec.) 2m 119,5r.d.+26Sec.| 1.1] 25m [19.5r.d|+28Sec.| 1,1 unbrauchbar 40 cm 16 v.d.j+15Sec.) 1,1] 30cm [16 v.d.|+17Sec.| 1,1 in beiden gleich| 0 10em 27v.d| +t | 11] 12cm 27v.d| +t |11 ins bessere 0 15m | +t | 1,1] 2cm Gy Pta L2 ins schlechtere) 0 | 35cm 2lv.d| +t |1,2| 3em 122,5r.d.|+17Sec.| 1,2 unbestimmt |—10Sec.)| 15cm los v.d..+24Sec.| 361 2cm (22v.d) +0 2,9 in beiden gleich 0 2cm 05 vd +t | 1,2] Sem [19,5r.d.|+27Sec.| 11 | ins bessere |- 5 Sec.|| 15 cm bs v.d..+23Sec.| 1,1lunsicher Gy +0 9,6 unbrauchbar |— 8 Sec.|| 8cm !19,5r.d.+24See.| 3,7 [unsicher!19,51.d.|+10Sec., 3,4 unbestimmt 0 3cm ı +t | 65 ]unsicher; Gy +t | 7,4

|! ins bessere 0 3cm 127v.d!| +t | 2,9] Taubheit| c“ 0 4,6 | ins bessere —8 80 cm C |+8Sec.| 121 4m !+23Sec.| 1,2 ! ins schlechtere | -+20 Im Fy |+15Sec.| 1,1] 7m< |16v.d.. +25 See.) 1,1 ins schlechtere —8 90cm | Dy |+19Sec. 29] 1m 119, 5r.d. +29S8ec.} 2,7

ist für die Perceptionsdauer hier nur die Prüfung mit der A-Stimmgabel. bei den

22 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Bemerkungen zu den obigen Krankengeschichten.

Wie aus den eben angeführten Krankheitsgeschichten ersichtlich ist, wurden nach Bezold’s Vorgehen zur Sclerose des Schall- leitungsapparates diejenigen Schwerhörigen gerechnet, welche, neben im Ganzen normalem Trommelfelle und fehlendem Flüssigkeits- geräusch bei der Auscultation während des Catheterismus, die folgende Trias von functionellen Symptomen darboten: 1. eine mehr oder weniger ausgedehnte Verkürzung für die Tonscala an ihrer unteren Grenze per Luftleitung, 2. eine Verlängerung der Knochenleitung über die Norm, wenigstens für Töne im unteren Bereiche der Scala (Schwabach) und 3. eine entweder starke Verkürzung oder ein negatives Ausfallen des Rinne’schen Versuches.

Auf die circumscripten und diffusen Trübungen des Trommelfells wurde dabei nicht geachtet, weil, wie es aus den »Schuluntersuchungen« von Bezold hervorgeht, diese Veränderungen für das Hören unwesent- lich sind.

Die Hörweite für die Sprache ging im Ganzen Hand in Hand mit der Herabsetzung der unteren Tongrenze, obwohl man auch Aus- nahmen beobachtet.

Der Rinne’sche Versuch fiel in den Fällen von Sclerose durch- gängig negativ und nur in zwei Gehörorganen (Fall II rechts una Fall X links) bei relativ schr guter resp. fast normaler Hörweite für | die Sprache auf dem betreffenden Ohre mehr oder weniger verkürzt positiv aus. |

(In Fall I rechts, Fall II links und Fall VII rechts war neben nahezu oder ganz normalem Ausfall des Rinne’schen Versuches auch die Hörweite für Flüstersprache nicht beeinträchtigt.)

Die A-Gabel wurde vom Scheitel aus immer über die Norm ver- längert gehört. Wie sich die übrigen Stimmgabeln dabei verhielten, wird weiter unten berichtet.

Das Alter der Kranken schwankte zwischen 21—54 Jahren (im Durchschnitt 35 Jahre).

Die Zahl der Männer betrug 5, die der Frauen 6. Nur in zwei Fällen wurde Heredität angegeben.

Was schliesslich. die subjectiven Geräusche und Schwindelerschei- nungen anbelangt, so kamen die ersteren in 10 Fällen. die letzteren in 3 Fällen zur Beobachtung.

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Öhres. 23

Den Fällen der nervösen Schwerhörigkeit wurden alle die- jenigen Schwerhörigen zugerechnet, welche bei einem im Ganzen nega- tiven objectiven Befund am Trommelfell und an der Tuba 1. eine Verkürzung für die Knochenleitung, 2. eine sichere Perception für die tieferen Töne bis nahezu oder vollständig an die normale untere Tongrenze per Luftleitung und 3. einen unverkürzten oder wenig verkürzten positiven Ausfall des Rinne’schen Versuches aufwiesen.

Nur in zwei Fällen (19. und 21.) wurde der Rinne’sche Versuch {immer mit a’-Gabel geprüft) am einen Ohre, als + 0 gefunden; in beiden Gehörorganen war die Hörweite für Flüstersprache so unverhältniss- mässig schlechter als auf der anderen Seite, dass dieses Verhalten des Rinne’schen Versuches von vornherein erwartet werden musste, da selbst- verständlich die Knochenleitung des besseren Ohres hier zum Ausdruck kommt. In einem Falle konnte der Rinne’sche Versuch nicht geprüft werden, da die Patientin den Ton der a’-Gabel weder durch die Luft, noch durch die Knochen hörte (Fall 24). In den übrigen Fällen ist der Rinne’sche Versuch sogar vielfach als + t bezeichnet, d. h. wurde die Stimmgabel a’ überhaupt nicht mehr vom Knochen, sondern nur mehr per Luftleitung gehört.

Das Alter der Kranken mit nervöser Schwerhörigkeit schwankte zwischen 10 und 78 Jahren (im Durchschnitt 41 Jahre).

Die Zahl der Männer betrug 11, die der Frauen 4.

Heredität wurde in zwei Fällen (22 und 24) mit Bestimmtheit angegeben.

Subjective Geräusche waren in 12 Fällen, ' und Schwindel in 7 Fällen vorhanden.

Trotz der geringen Zahl der untersuchten Fälle treten uns bereits aus diesen Zahlen im Ganzen die gleichen Gegensätze zwischen Sclerose und nervöser Schwerhörigkeit entgegen, wie sie Bezold in seiner Statistik gefunden hat.

Indem ich jetzt zur Beurtheilung meiner nach der Methode von Bezold-Hartmann erhaltenen Resultate übergehe, will ich der Deutlichkeit halber meine Schilderung in zwei Theile theilen und zuerst von der Luftleitung sprechen, vorläufig die gefundenen Veränderungen der Knochenleitung beiseite lassend.

Schon ein flüchtiger Anblick meiner Diagramme genügt, um einen scharfen Unterschied, je nachdem es sich um eine Sclerose oder um ein Nervenleiden handelt, wahrzunehmen. Im ersteren Falle wächst die Hörschärfe des Kranken innerhalb der seinem Ohre überhaupt zugänglichen

24 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Tonscala durchgängig und ziemlich regelmässig mit dem Steigen der Ton- höhe; im zweiten Falle ist, wenigstens bei der Mehrzahl, das Umgekehrte der Fall. Dieses Ergebniss, welches die Resultate von Hartmann und Gradenigo bestätigt, konnte für uns nach den bereits bekannten Ergebnissen der Hörprüfung bei Sclerose einerseits und bei Erkrankung des inneren Ohres andererseits durchaus nicht unerwartet sein.

Schon das regelmässige Ausfallen eines Stückes am unteren Ende der Scala bei Sclerose und das meist mehr oder weniger vollkommene Vorhandensein dieses Stückes bei Erkrankungen des inneren Ohres, während hier häufiger das obere Ende der Scala im Galton-Pfeifchen etc. defect gefunden wird, liessen ein solches entgegengesetztes Verhalten auch im Verlaufe der Scala vermuthen.

In welcher Form wir auch die Untersuchung der Perceptionsdauer der verschiedenen Töne durch das kranke Ohr vornehmen, sei es nach der Methode von Hartmann oder in der Weise, wie ich sie nach dem Vorschlage von Prof. Bezold vornahm, handelt es sich immer nur um die Feststellung eines Schwellenwerthes für den Kranken.

»Ebenso wie die Reizschwelle, als bequemes und relativ zuverlässiges Hülfsmittel einer grossen Reihe von psychophysischen und physiologischen Untersuchungen, speciell auch für das Gehörorgan, zu Grunde gelegt ist, sagt Prof. Bezold!!), sind wir berechtigt, uns des gleichen Mittels auch für unsere diagnostischen Prüfungen des kranken Ohres zu bedienen. «

Wenn wir den Schwellenwerth für einen Ton bestimmen, so geben wir damit zugleich die Perceptionschärfe resp. die Hörschärfe für diesen bestimmten Ton an. Dass die einzelnen Theile der Scala bei der verschiedenen Localisation der Erkrankungen im Ohre, je nach- dem es sich um die Erkrankung des leitenden oder des percipirenden Apparates handelt, sich im Einzelnen sehr verschieden verhalten, dafür sprechen vielfache in der Literatur längst vorhandene Angaben.

So hat schon im Anfange des Jahrhunderts Wollaston!?) an- gegeben, dass die Schwerhörigkeit, welche durch grössere Spannung des Trommelfells entsteht, keine gleichmässige für die hohen und tiefen Töne ist, sondern dass dabei nur Taubheit für tiefe Töne ‘auftritt.

Weiterhin sagt Politzer!?) in seinem Lehrbuch, dass er auf Grund seiner experimentellen Untersuchungen an der Leiche darauf hingewiesen hat, dass ‘bei Schallleitungshindernissen im Mittelohre im Allgemeinen hohe Töne besser gehört werden, als tiefe.

‘-. Mach und Kessel!) fanden, dass''bereits bei einer Erhöhung des Luftdrucks von 14cm Wasser es zu einem Ausfallen der tieferen

`

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 25

Töne kommt. Der letztere Autor fand bei tieten Orgelpfeifchen sogar ein Verlöschen des Grundtones und ein Vortreten der Obertöne.

Dasselbe sahen auch Lucae!?) und Andere an Subjecten, welche willkürlich den Tensor tympani spannen konnten.

Weiterhin beobachtete Bezold!°), dass bei künstlicher Einziehung des Trommelfells, welche man willkürlich dadurch erzielt, dass man einige tiefe Inspirationen bei festem Verschluss von Nase und Mund macht, der unterste Theil der für das normale Ohr hörbaren Tonleiter verlöscht, dass die Perceptionsdauer für die mittleren Töne verkürzt wird und dass die Hörschärfe nur für höhere Töne Tei" und Dein dabei unverändert bleibt. Dasselbe wird bei dem Verfahren von Valsalva beobachtet.

Bereits Johannes Müller!?) suchte für alle diese Phänomene eine Erklärung zu geben. Seiner Meinung nach erklärt sich diese Erscheinung aus der Erhöhung des Grundtones, für welchen das Trommel- fell abgestimmt ist.

In allen diesen Fällen ist es selbstverständlich, dass die Bedingungen der normalen Function des schallleitenden ‘Apparates künstlich verändert werden, und es ist deshalb sehr natürlich, analoge Functions- störungen auch bei Veränderungen am Schallleitungsapparate anzunehmen, welche auf pathologischem Wege entstanden sind.

In der That haben die Untersuchungen von Prof. Bezold diese Annahme vollständig bestätigt. »Die Luftleitung wird bei Erkrankung des Schallleitungsapparates um so mehr beeinträchtigt, je tiefer wir in der Scala herabsteigen und, wenn wir nur continuirliche Tonquellen besitzen, welche tief genug herunterreichen, so werden wir für jede, sei es hochgradige oder geringe Störung an diesem Apparate, den Grenzton auffinden können, von welchem aus nach abwärts der untere Rest der Tonleiter per aörotympanale Leitung gar nicht mehr gehört wird.« Was im Speciellen die Sclerose anbelangt, so fehlte in 32. unter 58 von Prof. Bezold!8) untersuchten Fällen die ganze untere Tonleiter von A und sogar in einem Falle von a’ abwärts.

Dasselbe fand Alderton, welcher sagt, »dass bei den Fällen von Otitis media catarrh. die Dauer der Luftleitung hauptsächlich für ‚die tieferen Gabeln beeinträchtigt ist.«

Was die Erkrankungen des percipirenden Gehörapparates anbelangt, so wurde bereits von Bonnafont!?) darauf hingewiesen, dass bei der nervösen Schwerhörigkeit die ‘Perceptionsfähigkeit für hohe Töne ab- nimmt, während tiefe Töne noch gut wahrgenommen werden.

26 ‚Boris Werhovsk y: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Lucae?’ sagt, dass »der vollkommene Verlust der höheren musikalischen Töne, auf welche der normale Acusticus am empfindlichsten reagirt, mit Sicherheit ein Leiden des inneren Ohres anzeigt«.

Oscar Wolf?!) macht bei Gelegenheit seiner qualitativen Prüfung des Gehörs durch die Sprache darauf aufmerksam, dass bei Labyrinth- erkrankungen die Patienten sehr gut die tieferen Laute hören, während die Sch-laute, deren Tonhöhe nach seinen Untersuchungen zwischen 3 und fis“ schwankt, nicht mehr wahrgenommen werden.

Schwartze??) hat einen bei einem Musiker in Folge eines Locomotivenpfiffes entstandenen bleibenden Verlust der Perception für hohe Töne und später totale Taubheit beschrieben.

Endlich habe ich bereits darauf hingewiesen, dass Prof. Bezold »eine sichere Perception für die tieferen Töne bis nahezu oder voll- ständig an die untere Tongrenze per Luftleitung« zu den sichersten Symptomen rechnet, welche eine chronische Mittelohraffection aus- schliessen lassen.

Es durfte nach alledem von vorneherein erwartet werden, dass, da bei jeder der beiden genannten Erkrankungsformen des Gehör- apparates ein grösserer oder geringerer Theil der Tonleiter, das eine Mal der tieferen, das andere Mal der höheren Töne, ausfällt, auch in dem zurückgebliebenen Theile der Tonleiter ein gewisses regelmässiges dementsprechendes Verhältniss zwischen den Tönen bestehen werde.

In dieser Beziehung dürfen die nach der Methode von Hart- mann von letzterem, Gradenigo und mir gewonnenen Resultate als sehr instructiv bezeichnet werden.

Wenn wir die Fälle von Sclerose unter einander vergleichen, so ist das Verhalten desjenigen Stückes in der Tonreihe, für welches noch ein Gehör bestand, ein so gleichmässiges, wie man dies unseren Voraussetzungen entsprechend nur wünschen kann. Nur in zwei Fällen (9—10) habe ich beobachten können, dass der Ton der Stimmgabel a“ um etwas schlechter, als der der Stimmgabel a‘ durch den Patienten wahrgenommen wurde. Das kann jedoch leicht ein Beobachtungsfehler sein. In allen anderen Fällen wurde jeder höhere Ton besser, wie alle übrigen tieferen gehört. Die Differenzen. welche meine Diagramme untereinander bieten, sind ausschliesslich quantitative und keine qualitative; diese Differenzen äussern sich in dem Ausfall einer grösseren oder geringeren Anzahl tieferer Töne und in einer entsprechenden nach unten hin zunehmenden Herabsetzung der Hörschärfe: für den zurückgebliebenen Theil der Tonleiter.

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 27

Viel mannigfaltiger in ihrer Gestaltung sind die Diagramme der nervösen Schwerhörigkeit. In der Mehrzahl der Fälle haben die resultirenden Curven eine unregelmässig-wellenförmige Gestalt. Sie zeigen in der Regel, gemäss der herrschenden Lehre, ein zunehmend schlechteres Hören der höheren Töne, zeigen aber gleichzeitig in augen- scheinlicher Weise, dass es gar nicht selten der Fall ist, dass in dem zurückgebliebenen Theil der Tonleiter einer oder mehrere höhere Töne besser .wie die tieferen gehört werden. Ebenso kann bei Erkrankung des nervösen Theils eine oder die andere Tonstrecke an irgend einer Stelle der Scala, auch an ihrem unteren Ende, ganz ausfallen.

Diese Thatsachen lassen eine sehr einfache Erklärung zu.

Bei der Sclerose haben wir es mit der Erkrankung eines Apparates zu thun, dessen einzelne Theile in jedem gegebenen Falle in einem ganz bestimmten functionellen Zusammenhang stehen. Mit anderen Worten, wir haben es allemal mit dem Apparate im . Ganzen zu thun. Der Apparat ist auch dann im Ganzen d.h. in seiner Zusammenwirkung alterirt, wenn nur irgend ein einzelner seiner Theile afficirt ist, wobei selbstverständlich in einem Falle die Alterationen grössere, in anderem geringere sein können.

Als besonders instructives Beispiel wurde der Fall von traumatischer Trommelfellruptur (Fall 26) den obigen Krankengeschichten noch ange- schlossen. Die Verletzung betraf, wie wir aus den Angaben des Patienten und dem Verhalten des anderen Ohres schliessen dürfen, ein vorher voll- kommen normales Ohr. Das Trauma hatte sich auf die Zerreissung einiger Trommelfellfasern beschränkt und den nervösen Apparat intact gelassen, wie wir aus der vollkommen gleich-hohen oberen Tongrenze im Edelmann-Galton-Pfeifchen auf beiden Seiten schliessen können. Das gefundene Diagramm und sonstige Verhalten stimmt vollkommen mit den bei der Sclerose gefundenen Functionsbildern überein; nur sind alle Veränderungen entsprechend der geringen anatomischen Läsion des Schallleitungsapparates und der geringen Herabsetzung der Hörweite für die Sprache weniger stark ausgesprochen.‘

Ganz anders verhält es sich bei den Erkrankungen des percipireuden Gehörapparates. Jeder einzelne seiner Theile hat seine specifische Be- stimmung und die Alteration eines Theiles braucht nicht auf die Function der übrigen Theile einzuwirken. Wenn wir die verschiedenen in der Regel zur Entwickelung von Labyrinthaffectionen führenden Ur- sachen in Betracht ziehen, so dürfen wir jedenfalls nur ausnahmsweise eine Erkrankung des ganzen Labyrinths überhaupt und noch viel seltener

28 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Vorlaufe

eine gleichmässige Erkrankung aller seiner einzelnen Theile erwarten, obgleich auch dieser Fall vorkommen kann. Ebenso ist eine successive gleichmässig zunehmende Abnahme nach oben oder nach unten zu in der Scala denkbar; in letzterem Falle kann das entsprechende Diagramm nicht minder regelmässig werden wie bei Sclerose und kann gänzlich jenem Bilde gleichen, welches dem dritten Typus der Schwerhörigkeit nach Hartmann entspricht. So sind offenbar die zwei Beobachtungen 20 und 22 aufzufassen. In beiden Fällen war der Beginn der Ent- wicklung der Schwerhörigkeit durch eine einmalige starke und uner- wartete Erschütterung (Gewehrschuss) gegeben. Ausserdem hat in beiden Fällen eine dauernde schädigende Wirkung durch ihre Profession statt- gefunden, beide waren Müller, bei dem einen derselben lag auch hereditäre Disposition vor. In diesen Fällen müssen wir annehmen, dass die Affection alle Theile des Labyrinths ziemlich gleichmässig, nur die oberen successive stärker, als die unteren betroffen hat, und dass deshalb die entsprechenden Diagramme in solcher Regelmässigkeit er- scheinen. In den übrigen Fällen waren die Diagramme entsprechend dem vierten Hartmann’schen Typus der Schwerhörigkeit, was man, wie gesagt, wohl schon a priori als das Häufigere erwarten durfte. In zwei Fällen war die Ursache eine unzweifelhafte Entzündung, d. h. ein Process, bei welchem man eher vermuthen muss, dass die einzelnen Theile in ungleichem Grade ergriffen werden, als bei atrophischen Vor- gängen, wie sie als bei den obigen beiden Fällen zu Grunde liegend angenommen werden können. In einem dieser Fälle (18) untersuchte ich die Kranke auf der Höhe der cerebralen Syphilis, in dem zweiten (15) war die Erkrankung als Folge von Masern entstanden. An diese beiden Fälle reiht sich wahrscheinlich ein dritter an, bei welchem, laut Aussage des Patienten, das Leiden in Anschluss an den Gebrauch grösserer Dosen von Salicylpräparaten entstand. In allen übrigen Fällen ist die Aetiologie entweder unbekannt oder wenigstens nicht so sicher bestimmbar wie in den beiden ersten Fällen.

Ganz isolirt steht der Fall 25, welcher unzweifelhaft als eine Erkrankung des inneren Öhres aufzufassen ist. Auf Grund seiner Diagramme stimmt derselbe, wenigstens was die Luftleitung betrifft, mit keinem der Typen überein, welche Hartmann als der nervösen Schwerhörigkeit zugehörig bezeichnet, sondern entspricht vielmehr, wenigstens für die Luftleitung, ganz der Form, wie Hartmann und wir sie für die Sclerose gefunden haben. Wir könen uns indess nicht darüber wundern, dass die Erkrankung des nervösen Apparates ausnahmsweise

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Ohres. 29

auch einmal die Form erzeugen kann, wie sie bei Sclerose regelmässig vorhanden ist. Die Diagnose einer Schwerhörigkeit wird auch in einem solchen Falle durch den charakteristischen entgegengesetzten Befund bei der Knochenleitung und den Ausfall des Rinne’schen Versuches genügend gesichert.

Wie oben erwähnt, lag es in meiner Absicht, ausschliesslich solche Fälle, welche nur eine Erkrankungsform und keine Combination von Erkrankungen des schallleitenden und percipirenden Apparates des Ohres aufweisen, zu untersuchen. Eine Ausnahme wurde nur mit einem Fall gemacht, in welchem der klinische Befund ein besonders klarer war. In diesem diagnostisch unzweifelhaften Falle (27) eines aus früherer Zeit bestehengebliebenen Leidens des schallleitenden Apparates, wie aus den Aussagen des intelligenten Patienten (Arzt) sowohl, als aus der Untersuchung mit dem Ohrenspiegel hervorging, wurde bei functioneller Prüfung nach der Bezold’schen Methode ausserdem eine unzweideutige Affection des percipirenden Apparates nachgewiesen. Die letztere Diagnose ist aus der Verkürzung der Knochenleitung sogar für die beiden Töne A und a, der bedeutenden Herabsetzung der oberen Tongrenze im Edelmann-Galton-Pfeifchen und dem wenig verkürzt resp. normal langen positiven Ausfall des Rinne’schen Versuchs auf beiden Seiten genügend begründet. Das Diagramm dieses Falles, in der gewöhn- lichen Weise auf Grund der Prüfung der Luftleitungsdauer verschiedener Töne gewonnen, hat sich als sehr interessant ergeben : Es zeigt nämlich in der unteren Hälfte der Scala das uns schon geläufige Bild der Erkrankung des Schallleitungsapparats und in der oberen das der nervösen Schwerhörigkeit.. Wir haben hier einestheils das Bild der nervösen Schwerhörigkeit, ebenso wie in Fall 20 und 22, erhalten (vergl. Diagramme), andererseits aber gegen den unteren Theil der Scala, die zunehmende Verkürzung der Töne bis zum Ausfall des untersten Theils, wie er den Residuen von Mittelohreiterungen ebenso wie anderen Affectionen des Schallleitungsapparates zukommt, so dass in diesem Fall der Culminationspuskt des besten Hörens in die Mitte der Scala fällt.

Es erübrigt noch, einige Worte über die Untersuchung der Knochenleitung für Töne verschiedener Höhe nach der Hart- mann'schen Methode zu sagen. Wie schon oben angedeutet, wurden ‚diese Untersuchungen auf 3 Stimmgabeln beschränkt. Ich kann mich dabei sehr kurz fassen, da alle meine Resultate vollständig die allgemein bekannten Untersuchungen. von Schwabach, Hartmann, Bezold und Anderen bestätigen.

30 Boris Werhovsky: Prüfungen der Hördauer im Verlaufe

Bekanntlich war Schwabach?) der erste, welcher gefunden hat, dass bei Schallleitungshindernissen in Folge von Erkrankungen des mittleren Ohres die Schwingungen einer mit den Kopfknochen in Be- rührung gebrachten Stimmgabel länger percipirt werden, als im normalen Zustande, dass hingegen bei Erkrankungen des Hörnervenapparates die Perception gegenüber jener der normalen verkürzt ist.

Die Thatsache, dass bei Erkrankungen des schallpercipirenden Apparates eine Herabsetzung auch der Knochenleitung für hohe Töne stattfindet, ist eine seit Langem bekannte. |

In unseren sämmtlichen obigen Fällen von Sclerose wurde ohne Ausnahme eine Verlängerung der Knochenleitung beobachtet, was be- sonders deutlich bei Untersuchung mit der tieferen Stimmgabel A hervortrat. In nahezu der Hälfte der Fälle (fünf) wurde eine bedeutende Verlängerung durch Knochenleitung für alle drei geprüften Stimmgabeln beobachtet. In den Fällen von Sclerose mit bedeutender Beeinträchtigung des Gehörs wurde eine mehr oder weniger starke Abnahme der Perceptions- dauer auch für die Knochenleitung constatirt, welche aber nur die oberen Töne betrifft und successive nach der Höhe zunimmt. Die Stimmgabel A wurde dabei immer noch länger als normal gehört. Die Dauer der Knochenleitung mit den zwei übrigen Stimmgabeln geprüft, erreichte entweder die normale oder war kürzer als diese, ja sie kann sogar Tür die a‘-Gabel vollständig ausfallen (Fall 11).

Ganz das Entgegengesetzte wurde bei den Erkrankungen des percipirenden Apparates beobachtet. In allen obigen Fällen von Er- krankungen des inneren Ohres fand sich eine Verkürzung durch Knochen- leitung und zwar eine um so grössere, je höher der untersuchte Ton war.

Zu demselben Resultate gelangte auch Alderton bei seinen Unter- suchungen. |

Die hier gegebenen quantitativen Messungen der Perceptionsdauer für eine grössere Reihe von Tönen im ganzen Verlaufe der Scala hat somit Resultate ergeben, welche sich durchaus mit den bisherigen Ergebnissen der Functionsprüfung des Ohres decken. Ausserdem zeigen die obigen Untersuchungen, dass diese Methode nicht selten auch einen bedeutenden diagnostischen Werth besitzt. Es sei in dieser Beziehung auf die 4 Sclerosefälle aufmerksam gemacht, bei welchen von uns eine deutliche Herabsetzung der unteren Tongrenze für das eine Ohr gefunden wurde, während die letztere: auf dem anderen anscheinend wenig oder gar nicht für die Sprache schwerhörigen Ohre noch annähernd normal war. Ein Fall muss hier leider beiseite gelassen werden, da

der Tonscala bei Erkrankungen des mittleren und inneren Öhres,. sI

hier das bessere Ohr nicht nach der quantitativen Methode untersucht. worden war (Fall 7). Desto wichtiger sind die 3 übrigen Fälle (1, 2 und 10), welche beweisen, von welcher diagnostischer Bedeutung diese quantitative Untersuchungsmethode mitunter werden kann. In zwei von diesen Fällen (Fälle 1 und 2) schien sich nach der Prüfung mit der Sprache die Sclerose des Schallleitungsapparates ausschliesslich auf die eine Seite zu beschränken, während die Sclerose bekanntlich in der Regel beiderseitig auftritt (nach Prof. Bezold in 88,8°/, beider- seitiig und nur in 11,2°,, der Fälle einseitig). In den genannten 2 Fällen ergab sich dabei für das andere Ohr bei der Prüfung durch die Sprache ein völlig normales Verhalten. In dem 3. Falle (10) war die Hörweite für die Sprache auf 4m herabgesetzt. Nur die, wenn auch ganz. unbedeutende Verkürzung der normalen unteren Tongrenze (Fall 2 und 10) und die Verkürzung des Rinne’schen Versuches!), wie sie bei diesen Fällen gefunden wurde, konnte die Berechtigung geben, auch auf dem zweiten anscheinend normalen Ohre den ersten Beginn der gleichen schweren Erkrankung anzunehmen. ` Diese Annahme konnte in ebenso überzeugender, wie eleganter Weise durch die quan- titativ über die ganze Scala sich erstreckende Untersuchung bestätigt werden. In diesen Fällen wurde nämlich die für hohe Töne normale Perceptionsdauer für die tieferen Töne nach abwärts successive mehr und mehr verkürzt gefunden, in einem Falle (1) nur in geringem Grade, in den beiden anderen relativ stark.

Die einzige Schattenseite derartig ausgedehnter quantitativer Mes- sungen für die Praxis ist die unverhältnissmässig lange Zeit, welche sie in Anspruch nehmen.

Die Bemerkung Alderton’s, dass man bei der Beurtheilung ver- schiedener Vorzüge der Methoden am Allerwenigsten auf die darauf angewandte Zeit zu achten braucht, ist zwar für physiologische und klinische Untersuchungen vollkommen zutreffend, allein wo weitere Methoden vorhanden sind, welche annähernd gleich sichere Resultate liefern, ist die Zeitfrage zum Wenigsten für den Praktiker eine nicht unberechtigte.

Eine solche kürzere Methode ist die Art, wie Prof. Bezold bei der Untersuchung der Ohrenkranken vorgeht. Die Prüfung der unteren und oberen Tongrenze, der Knochenleitungsdauer und des Rinne’schen Versuches ist in jedem Falle von sonst zweifelhafter Diagnose unum- gänglich; die quantitative Prüfung, welche sich über die ganze Scala.

1) Nur in einem Falle (IT) fiel der Rinne’sche Versuch auf dem besseren Ohre unverkiirzt aus; vielleicht liegt hier ein Beobachtungsfehler vor. |

32 B.Werhovsky: Prüfungen d. Hördauer im Verlaufe d. Tonscala.

erstreckt, ist zwar nicht unbedingt für die Diagnose nothwendig, wohl aber darf sie als eine wesentliche und lehrreiche Ergänzung für unsere nosologische Erkenntniss des Krankheitsbildes bezeichnet werden.

Was die Erkrankungen des inneren Ohres betrifft, so ermöglicht uns die über die ganze Scala sich erstreckende Untersuchung, wie sie oben geschildert wurde, nicht nur, die Diagnose auf Erkrankung der Schnecke überhaupt zu stellen, wozu bereits die bisher geübten Methoden ausreichen, sondern auch auf Grund der Helmholtz’schen Theorie die Erkrankung auf einzelne bestimmte Stellen der Schneckenscala zu localisiren.

Zum Schluss erlaube ich mir, meinem hochverehrten Lehrer, Prof. Dr. Bezold sowohl für die Anregung zu der vorliegenden Arbeit, als für vielfache freundliche Unterstützung während derselben meinen tiefst gefühlten Dank auszusprechen.

Literatur. 1. Bürkner. . Handbuch der Ohrenheilkunde von Schwartze, Bd. I, S. 643. 2. Bezold. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XVII, S. 154.

3. Gradenigo. Handbuch der Ohrenheilkunde von Schwartze, Bd. II, S. 382.

4. Hartmann. Die Krankheiten des Ohres und deren Behandlung 1892, S. 32 und Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XVII, S. 67.

A Gradenigo. Handbuch der Ohrenheilkunde von Schwartze, Bd. II, S. 393.

6. Bezold. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XVII, S. 155—157.

7. Gradenigo. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XXVI, S. 164.

8. Bezold. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XVII, S. 157.

9. Alderton. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XXVI, S. 259.

0. Bezold. Ueberschau über den gegenwärtigen Stand der Ohrenheilkunde. Wiesbaden 1895, S. 76.

11. Bezold. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XVII, S. 157.

12. Wollaston. Phil. Transac. 1820.

13. Politzer. Lehrbuch der Ohrenheilkunde 1892, S. 120.

14. Mach und Kessel. Sitzungsber. der K. Akademie der Wissenschaften

Bd. LXVI, Abtheil. 3. October 1872.

15. Lucae. Berliner klinische Wochenschrift 1886, No. 32.

16. Bezold. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XVIII, 1888.

17. Johannes Müller. Handbuch der Physiologie Bd. II, S. 437.

18. Bezold. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XVII, S. 236.

19. Bonnafont. Nach Politzer citirt (s. Politzer’s Lehrbuch).

20. Lucae. Archiv für Ohrenheilkunde Bd. XV, S. 273.

‘21. Oscar Wolf. Archiv für Augen- und Ohrenheilkunde Bd. III, Abtheil. 2,

1874, S. 35. 22. Schwartze. Archiv für Ohrenheilkunde Bd. I, S. 136. 23. Schwabach. Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XIV, S. 61.

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H. Zwaardemaker: Akustische Eisenbahnsignale u. Gehörschärfe. 33

II.

Akustische Eisenbahnsignale und Gehörschärfe.

Von Dr. H. Zwaardemaker.

(Vortrag gehalten auf der internationalen Conferenz der Eisenbahn- und Schiffs- ärzte in Amsterdam am 20. und 21. September 1895.)

Mit 3 Abbildungen auf Tafel IV/V.

Es war bereits im Jahre 1880, dass S. Moos, über dessen zu frühen Tod wir jetzt trauern, die Aufmerksamkeit auf die socialen Gefahren hinlenkte, welche gewisse Ohrenkrankheiten der Locomotiv- führer und Heizer in sich bergen. Er führte fünf Fälle an, welche ihm damals in der Klinik vorgekommen waren, die ebenso viele Demon- strationen der Nachtheile bildeten, welche durch eine verringerte Gehörschärfe des Zug-Personals für Reisende und Verwaltung entstehen können. In einem Falle war es ein Locomotivführer, der sich seiner verantwortlichen Stellung nicht mehr gewachsen achtete, ein anderes Mal ein Locomotivführer, dessen Taubheit einen wirklichen Zusammen- stoss veranstaltete, u. ss. w. Nicht ohne Grund daher kommt Moos dazu auszurufen »wer mag sagen, ob nicht manch unaufgeklärt geblie- benes Eisenbahn-Unglück darauf zurückzuführen ist, dass ein Beamter in verantwortlicher Stellung ganz allmählich von seiner Hörschärfe ein- büsst bis zu einer Grenze, wobei von einer gehörigen Ausführung des Dienstes nicht mehr die Rede sein kann! Dieser Mahnruf verfehlte seine Wirkung nicht und bereits im folgenden Jahre veröffentlichte D. Schwabach in Berlin eine statistische Uebersicht über 33 unter 160 Eisenbahn-Beamten beobachtete organische Ohrenkrankheiten. In wie weit dieselben die Dienstfähigkeit beeinträchtigen, liess sich durch ohrenärztliche Untersuchung allein nicht feststellen und im Anschluss an die Schwabach’sche Statistik versuchte H. Pollnow daher die Frage experimentell zu lösen, indem er die 6 Eisenbahnsignale näher studirte, welche damals von der Eisenbahn-Gesellschaft, deren Beamte untersucht worden waren, benützt wurden. Es sind folgende:

1. das Abfahrtssignal des Zugführers mit der Mundpfeife, 2. das Haltesignal, ebenfalls mit der Mundpfeife,

3. und 4. Rangirsignale mit Mundpfeife oder Rangirhorn, 5

. das Knallsignal, durch eine auf die Schienen gelegte Patrone, und

6. das Dampfpfeifensignal. Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 3

34 H.Zwaardemaker: Akustische Eisenbahnsignale u. Gehörschärfe.

Bei einer Locomotivfahrt von Berlin nach Frankfurt a. O., welche Pollnow mitmachte, stellte sich heraus, dass das Geräusch der fahrenden Maschine so stark war, dass man nur mit lauter Stimme an das Ohr schreiend sich verständigen konnte und dass weder vom Rollen der Wagen noch von der Mundpfeife des Zugführers irgend eine Spur zu hören war; hingegen waren das Knallsignal und die Dampfpfeifen- signale vorzüglich hörbar auch für Beamte, deren Gehörschärfe nur 1 m Flüstersprache betrug. Pollnow kommt zu dem Schluss, dass die Mundpfeifensignale bei fahrendem Zuge vollkommen werthlos sind, die wichtigen Dampfpfeifensignale und das Knallsignal auch von ver- hältnissmässig hochgradig Tauben erkannt werden können. Weil er in diesen beiden letztgenannten Signalen den Schwerpunkt sucht, will er das Zugpersonal noch für dienstfähig erklären, wenn es ein Gespräch in Conversationssprache zu führen im Stande ist, dabei von der Voraus- setzung ausgehend, dass beim Rangiren neben den akustischen Signalen auch noch optische gegeben werden.

Es kann uns nicht wundern, dass bei so weit auseinandergehenden Meinungen eine ziemlich scharfe Debatte folgen musste. Moos hob hervor, dass die optischen Signale beim: Rangiren nicht officiell sind und auch Abends und bei schlechter Witterung im Stiche lassen, während Pollnow sich bemühte die Erfahrung der Eisenbahn-Aerzte herbeizu- ziehen zum Beweise, dass wenigstens von den Beamten selbst die Gehörsstörungen nicht hinderlich erachtet werden. Dem Moos’schen Standpunkte traten später noch Bürkner, Lichtenberg und Schmalz bei, während Hedinger sich mehr dem Pollnow’schen näherte. Es giebt also der Meinungsdifferenzen genug und es liegt desshalb auf dem Wege der internationalen Conferenzen über den Medicinaldienst der grossen Verkehrswege sich über diese Frage, wo möglich, zu verständigen. Obgleich zugegeben werden kann, dass. geübte Beamte, gerade durch die Uebung, gewisse Mängel ihrer Sinnes- organe ersetzen können, sodass sogar in ihren Händen der Dienst weit mehr gesichert ist, als in jenen von jungen Unerfahrenen, so ist es. nichtsdestoweniger klar, dass man dabei nicht unter eine gewisse Grenze gehen kann und es fragt sich vor allen Dingen, wo liegt diese Grenze. Wenn dieselbe einmal festgestellt worden ist, wird es nothwendig sein die ohrenärztliche Prüfung der Beamten während der Dienstzeit in regelmässigen Perioden zu wiederholen, denn aus allen Untersuchungs- reinen, es sei denn ob diese von Freunden oder Gegnern einer scharfen Reglementirung veröffentlicht worden sind, geht übereinstimmend hervor,

H. Zwaardemaker: Akustische Eisenbahnsignale u. Gehörschärfe. 35

dass mit der Dienstzeit die Zahl der Ohrenerkrankungen beim Zug- personale wächst. Ein Locomotivführer, welcher wenn er als Heizer in Dienst trat, über ein vollkommen normales Gehörorgan verfügte, bietet wahrscheinlich nach einigen Jahren bereits eine gewisse Herab- setzung des Gehörs dar, wie aus der Hedinger’schen Tabelle unmittelbar hervorgeht.

Beamtenzahl mit Gehörschärfe unter 1 Meter Sprache

Absolute Zahl | Prozentzahl Dienstzeit der der Untersuchten Erkrankten m I 1—5 Jahre | 24 END 5—10 j - 37 35°, 10—15 44 50 0/, 15—20 Ss 25 60 "lo | 20—25 ,, 10 90°, 25— 30 6 : 75 lo |

Also mit den Dienstjahren nimmt die Anzahl derjenigen, welche die Sprache nur in geringerer Entfernung als 1 m verstehen können, bedeutend zu. Als Ursache dieser Erscheinung wurden in den ersten Publicationen gewöhnlich die Hitze des Feuers, Witterungsverhältnisse, Staub und Rauch, sowie die irrespirabelen Gase des Ofens betrachtet, und dies hauptsächlich weil Labyrinthaffectionen selten, Mittelohr- und Rachencatarrh sehr oft gefunden wurden. Später hat jedoch Bürkner dargethan, dass ältere Locomotivführer meistens auch einen Verlust an hohen Tönen und eine Herabsetzung der Knochenleitung zeigen. Dadurch nähern sich die Symptome wieder mehr der professionellen Taubheit der Schmiede, was kein Wunder nehmen kann, weil der Lärm auf der Maschine während der Fahrt ziemlich stark ist. Wie dem auch sei, zu den Folgen der Catarrhe fügt sich die akustische Ueberreizung, während endlich die Erschütterung noch einen Moment traumatischer Art hinzutreten lässt. Wir wollen dann jetzt in erster Linie den oben erwähnten Grenzwerth des Hörvermögens, bei welchem die Eisenbahnsignale noch genügend hörbar sind, festzustellen suchen. Darüber kann die Gehörsschärfe für Flüster- oder Conversationssprache keinen Aufschluss geben, denn obgleich in der Sprache eine grosse

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36 H.Zwaardemaker: Akustische Eisenbahnsignale u. Gehörschärfe.

Reihe der verschiedensten Tonhöhen neben einander vorkommen, und man glauben könnte, dass sie ein geeignetes Prüfungsmittel abgiebt, so lehrt jedoch die Erfahrung, dass bedeutende Tonlücken vorhanden sein können, ohne dass das Sprachgehör auffallend gestört ist. Dies kann uns nicht wundern, wenn wir die Art und Weise berücksichtigen, nach welcher die Tonhöhen vertheilt sind. Es treten in erster Linie die Eigentöne der Vocale in den Vordergrund. Bekanntlich liegen diese je nach der Mundart etwas verschieden zwischen c? und fis*. Darüber liegen eine Reihe Zischlaute, die O0. Wolf bis zu hinaufgehen lässt und unter der Zone der Vocale lagern sich ziemlich getrennt noch einige dumpfe Consonanten die, ebenso nach Wolf, für das r ziemlich in die Scala herunter gehen. Alle diese Töne werden beim Sprachgehör nicht gleichmässig benützt. Wir errathen das ge- sprochene Wort aus einigen determinirenden Klängen, z. B. den offenen Vocalen und den Anfangs- und Schlussconsonanten. Wenn wir einen von diesen weniger gut hören, wählen wir einen anderen Buchstaben aus dem Worte, ohne dass das Errathen dadurch auffallend schwieriger wird. Also wenn Jemand irgend eine Tonlücke hat, sucht er seine determinirenden Klänge nicht auf dem verlorenen Gebiet, sondern auf dem Nachbargebiete, wofür er über ein gutes Gehör verfügt. Gesetzt aber eine solche Person lauscht nach einem Signale, welches grade in die Breite der Tonlücke fällt, so würde er dem Signal gegen- über als ein absolut Tauber betrachtet werden können. Das Sprach- gehör kann uns also nur über die Leitungsfähigkeit des Gehörs der Eisenbahnbeamten orientiren, erst eine genauere akustische Untersuchung kann die Frage vollständig erledigen.

Ich habe daher angefangen die Tonhöhen der verschiedenen Eisen- bahnsignale festzustellen. Es sind dieselben, welche Pollnow untersuchte.

I. Mundpfeife: In Holland wird den Zugführern und Schaffnern eine hölzerne Mundpfeife zur Verfügung gestellt, die eine kleine ge- dackte Orgelpfeife von ungefähr 1!/, cm Länge ist. Bei schwachem Anblasen würde sich also die Tonhöhe der Pfeife auf 5550 f? Schwing- ungen berechnen, jedoch, wenn man etwas stärker anbläst, schlägt der Ton unmittelbar in den ersten Oberton, in casu die Quinte der Octave, über, d. h. in c7. Wir können also ruhig annehmen, dass die meisten Pfeifen beim gewöhnlichen Gebrauch Töne aus der fünf bis sieben ge- strichenen Octave hervorbringen werden, solche also, welche sich dem oberen Gebiete der menschlichen Tonleiter nähern. Darum wahrscheinlich

H. Zwaardemaker: Akustische Eisenbahnsignale u. Gehörschärfe. 37

ist die Holzpfeife im Innern mit einer Kugel versehen, welche, von den Luftschwingungen unaufhörlich hin und herbewegt, die Tonhöhen etwas wechseln macht. Der Nutzen dieser Zugabe ist darin gelegen, dass der Ermüdung vorgebeugt wird, die bei ausdauerndem Hören der Grenztöne sich stark geltend macht. Lord Rayleigh und später, in Donders’s Laboratorium, Huysman zeigten, dass eine ganz kurze Zeit des Abbrechens, z. B. die einer Handbewegung genügt, um die erschöpfte Reizbarkeit unseres Corti’schen Organs wieder herzustellen. Offenbar ist dies die Rolle. welche unsere Kugel spielen soll. Sind nun ältere Locomotivführer noch im Stande die Mundpfeife genügend deutlich wahrzunehmen ? Die Frage kann nur sein, was man genügend nennt, denn dass diese Leute die Mundpfeife schwächer hören werden als normale Ohren, ist selbstverständlich, weil grade die durchdringenden Töne des Instrumentes in der Breite der Grenztöne liegen, welche verloren gegangen oder geschwächt sind. Es bleibt also nur der schwache Grundton aus der fünf gestrichenen Octave. Gegen die Windrichtung wird dieser sich schwerlich über einige Wagen- längen wahrnehmen lassen. Der Locomotivführer Fall 4 von Moos, welcher noch Flüstersprache 1 m auf dem rechten Ohr besass, hörte denn auch die Mundpfeife nur bis auf 4 Wagenlängen. Auf den kleinen Eisenbahnen an unserer Küste, wo es öfters stark weht, kaufen sich die Schaffner eigene Metallpfeifen, weil dieselben schärfer klingen sollen als die offiziellen. Jedenfalls geht hieraus hervor, dass factisch das Bedürfniss besteht das Signal besser hörbar zu machen und wie mir versichert worden ist von den Leuten selbst, hört der Locomotivführer auch diese bessere Pfeife öfters nicht.

II. Signalhorn: Das Signalhorn ist ein weit kräftigeres Signal. Die Gesellschaft für den Betrieb von Niederl. Staatsbalınen benützt ein conisches Zinkhorn mit kupfernen Doppelzungen. Das Exemplar, mit welchem ich experimentirte, war auf das »a d’orchestre« gestimmt, ein Ton der, wie Sie wissen, grade die Mitte der menschlichen Tonleiter einnimmt. Diese Tonlage ist aber besonders glücklich gewählt, denn gesetzt, das professionelle Labyrinthleiden hätte die Scala des Locomotiv- führers an ihrer oberen Strecke eingekürzt und die wiederholten Catarrhe ihm die niederen Töne abgenommen, so blieben ihm jedenfalls die mittleren Octaven der Tonleiter und wird das a d’orchestre verhältniss- mässig gut gehört werden können. Nur die schweren Formen der Sclerose lassen auch diesen Ton einbüssen und schwächen jedenfalls

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ungemein die Intensität, womit derselbe percipirt wird. Weil das a d’orchestre jedoch dem charakteristischen Eigenton des offenen Vocals a sehr nahe liegt, darf man erwarten, dass Personen, welchen das a d’orchestre abgeht, auch eine so hochgradige Herabsetzung des Sprachgehörs zeigen werden, dass ihre Taubheit ihren Vorgesetzten mehr als deutlich ist. Alle noch im activen Dienste sich befindenden Locomotivführer werden daher ohne Zweifel im Stande sein ein Signalhorn, welches auf a d’orchestre gestimmt ist, mehr oder weniger gut zu hören und da das Rangirhorn für normale Ohren einen abscheulichen Lärm macht und über ganze Stadtviertel hörbar ist. sind wir auch sicher, dass dieses Signal bei etwas herabgesetzter Gehöresschärfe noch ziemlich ausreicht. Nur wenn die Maschine im Gange ist, entstehen vielleicht Schwierig- keiten, welche noch darum um so bedeutender sein werden, weil nach Gradenigo bei professioneller Otitis die akustische Erschöpfbarkeit hochgradig ist. Die Schwierigkeiten wachsen unheimlich, wenn ein starker Wind die Fortpflanzung des Schalles erschwert. Dann erscheint die Distanz, über welche das Rangirhorn hörbar ist, bedeutend einge- schränkt. Gelegentlich meiner Versuche an der Küste war ich sogar erstaunt über die ganz enorme Abschwächung, welche der in der Nähe so betäubend starke Schall bei Gegenwind. erlitt. _ Unter solchen Um- ständen wird bei fahrendem Zuge das Signal wohl nur allein für ein vollkommen normales Ohr wahrnehmbar sein.

II. Dampfpfeife: Die Dampfpfeife der Locomotive soll, wie die technischen Handbücher lehren, auf einen verhältnissmässig niedrigen Grundton, z. B. a? gestimmt sein. Sobald der Dampf jedoch mit grösserer Kraft hineingelassen wird, treten die Obertöne hinzu, deren Intensität jene des Grundtones bald übertrifft. Dann erreicht die Ton- höhe öfters eine bedeutende Höhe und nähert sich dem oberen Grenz- tone der menschlichen Tonleiter, grade dem Gebiete, welches :bei der professionellen Otitis der Schmiede verloren geht und nach Bürkner auch bei älteren Locomotivführern meist defect ist. Aus diesem Grunde ist es völlig erklärlich, dass wir die Dampfpfeife auf den Bahnhöfen so oft hinderlich stark ertönen hören. Der hohe Ton, welcher den Reisenden die Ohren zerreisst, erscheint den Locomotivführern selbst schwach, unwillkürlich halten sie denselben sehr lange an und lassen den Dampf mit ungebührlicher Kraft hineintönen, was um so sonderbarer erscheint, weil mit dem Steigen der Tonhöhe die Intensität für das kranke Ohr abnehmen muss. Vielleicht dass das zischende Nebengeräusch

H. Zwaardemaker: Akustische Eisenbahnsignale u. Gehörschärfe. 39

der Pfeife, welches in der unmittelbaren Nähe stark hörbar ist, die Tonwahrnehmung erschwert, während der Gesammtreiz des Schalles zu- nimmt, wie dies z. B. Burckhardt-Merian vor langem auch für das Galtonpfeifchen hervorgehoben hat.

Vom ohrenärztlichen Standpunkte kann gar kein Zweifel darüber bestehen, dass es sehr viele ältere Beamte gebe, welche die Dampf- pfeife nur abgeschwächt hören. Aus grösserer Entfernung gegen die Windrichtung werden sie dieselbe nur mit Anstrengung wahrnehmen können und bei der Wichtigkeit des Signals besteht die Möglichkeit, dass hierdurch unter Umständen die Sicherheit des Dienstes in Gefahr gebracht werden kann. |

IV. Knallsignal: Noch wichtiger als die Dampfpfeife ist in den seltsamen Fällen, dass es angewandt wird, das Knallsignal durch eine auf die Schienen zu legende Patrone. Bekanntlich besteht ein solcher Knall aus einer starken Hauptbewegung, woran sich eine Reihe schnell abnehmender Nebenschwingungen anschliessen. Nichtsdestoweniger wird nach Exner und Brücke diese aperiodische Schallbewegung durch den gleichen Endapparat empfunden, welcher die periodischen Schallbewegungen analysirt. Nur gerathen wahrscheinlich eine ganze Reihe unmittelbar neben einander gelegene Fasern der Membrana basilaris in Erschütterung, deren Lage die scheinbare Tonhöhe des Knalles bestimmt. Grade wegen dieser ausgedehnten Strecke der Reizung ist wahrscheinlich, dass auch ein krankes Ohr, für welches oben und unten an der Tonleiter ein gewisses Stück der Scala fehlt, nichts- destoweniger die Explosion der Patrone wahrnehmen wird, was auch mit der Erfahrung Pollnow’s übereinstimmt. Das Knallsignal ent- spricht also vollkommen seinem Zwecke.

Wenn wir uns in .einem concreten Falle die Frage vorzulegen wünschen, ob die betreffende Person die oben genannten Signale bequem zu hören vermag, wird der einfachste Weg um zur richtigen Beant- wortung zu gelangen wohl der sein, dass man den Mann mit der Bezold’schen continuirlichen Tonreihe untersucht und sich ein Hörfeld construirt, indem man an mehreren Punkten die Gehörsschärfe für bestimmte Töne feststellt. Man kann dabei die ursprüngliche Methode Hartmann’s oder jene Gradenigo’s oder endlich die meinige benützen, in der Praxis führen alle mit kleinen Abweichungen zu ziemlich übereinstimmenden Resultaten, wie Gradenigo, mich in unter-

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geordneten Punkten bestreitend, in der vorletzten Lieferung der Zeit- schrift für Ohrenheilkunde dargethan hat und wie nebenstehende Abbildung an einem typischen Beispiel demonstrirt. Am einfachsten scheint uns in erster Linie, die obere und untere Tongrenze festzustellen, sich dann über etwa vorhandene Tonlücken zu orientiren und endlich ‘an einigen wenigen Punkten mittels Stimmgabeln die Hörschärfe zu messen, Man trägt die Resultate in ein Schema ein, zieht eine Curve, welche die gefundenen Ordinatenhéhen verbindet und merkt sich nun die Tonlage der Signale. Ein Blick genügt um genau abzulesen bis zu welchem Grade die Taubheit der betreffenden Person die Wahr- nehmung der Signale beeinträchtigt. Ich führe hier ein Beispiel vor, eine mittelgradige Sclerose mit leichter Einkürzung der oberen Ton- grenze bei einem 30 jährigen Maschinisten. Die Mundpfeife kann dieser Mann ziemlich gut wahrnehmen, wenigstens wenn dieselbe in ihrem Grundton erklingt. Der erste Oberton, die Octave, welche bei kräftigem Anblasen hervortritt, wird bereits weniger gut gehört werden. Die Entfernung, in welcher die stark angeblasene Mundpfeife noch percipirt wird, wird in Folge dessen für diesen Patienten ungefähr !/,, der Normaldistanz sein, während jene der schwach angeblasenen ungefähr */; der normalen Distanz beträgt. Unser Maschinist hört, wie Sie sehen, das a d’orchestre ungefähr auf !/,, der normalen Distanz. Nehmen wir an, dass letztere etwas mehr als 2 Kilometer beträgt, wie auch Messungen an der Küste zwischen Ymuiden und Wyk a. Zee gelehrt haben, so wäre die Hörweite für unseren Patienten etwa 200 m. Bei Windstille wird er also noch grade dem Rangirdienste genügen können, bei Wind und Regen wird er jedoch offenbar dazu unfähig sein.

Was die Dampfpfeife betrifft, dieselbe nimmt er wieder verhält- nissmässig gut wahr, zumal wenn dieselbe schwach angeblasen wird. Denn in diesem Falle werden die in den Vordergrund tretenden Partial- töne grade zu dem Tongebiete gehören, welches vom sclerotischen Ohre am besten percipirt wird. Sobald aber durch grosse Dampfspannung die Tonhöhe nach der Discantseite verschoben wird und sich der oberen Grenzzone nähert, wird die Dampfpfeife für sein Ohr bedeutend schwächer erscheinen. Das Knallsignal endlich wird von ihm wahrscheinlich ganz gut gehört werden, wenn es sich auch nicht bezweifeln lässt, dass vielleicht die Reactionszeit wegen der geringen Intensität des Reizes etwas gedehnter ausfallen wird als Normal. Unter Umständen kann hierin eine Gefahr liegen um so mehr, als die Reactionszeit an und für sich schon etwas länger ist, da das Knallsignal gewöhnlich ganz

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H.Zwaardemaker: Akustische Eisenbahnsignale u. Gehörschärfe. 41

unerwartet, d. h. ohne dass die Aufmerksamkeit von vorne herein gespannt ist, das Ohr erreichen wird.

Bis jetzt haben wir bei unserer Untersuchung ganz abgesehen vom Sprachgehér. Nun ist es ohne weiteres klar, dass auch dieses nicht. unter eine gewisse Grenze herabgehen darf, denn bei fahrender Maschine. wird doch die Wechselung kurzer Sätze zwischen Locomotivführer und Heizer oft mothwendig sein. In zweifelhaften Fällen muss vielleicht. eine Berathung stattfinden, oft auch ein Befehl ertheilt werden. Aus. dem Pollno w’schen Aufsatze entnehmen wir, dass es schwer hält, sich auf einer fahrenden Locomotive für einen normal Hörenden verständlich zu machen, wie auch meine eigene Erfahrung ist. In einzelnen Fällen wird die Parakusis Willisiansa dem herabgesetzten Ohre behülflich sein können, jedoch aus der Literatur geht nicht hervor, dass dieses Symptom bei Locomotivführern und Heizern gefunden wird. Auch abgesehen von der Parakusis Willisiana bleibt immer noch die Schwierigkeit, dass- mündliche Befehle bei stillstehendem Zuge falsch verstanden werden. Jeder der mit Schwerhörigen umzugehen hat, weiss, dass in solchen Fällen oft grade das Umgekehrte geschieht von demjenigen was befohlen wird. Darum möchte ich vorschlagen, sogar für ältere Eisenbahn-Beamte- was das Sprachgehör betrifft, nicht unter die Grenze herunter zu gehen,. welche das Militärreglement für dienende Personen als Limit vorschreibt, nämlich 1 Meter Flüstersprache.

Wir kommen also zu den folgenden Schlusssätzen :

1. beim Indiensttreten soll für Locomotivführer und Heizer jeden- falls auf einer Seite ein im groben Ganzen normales Gehör- gefordert, oder jedenfalls nur eine leichte Herabsetzung zugelassen werden.

2. jedes 2. bis 5. Jahr sollen die Beamten mit der continuirlichen Tonreihe untersucht und deren Hörfeld bestimmt werden. Die- Fähigkeit, die akustischen Signale noch in genügender Ent- fernung hören zu können, wird dann aus dem Hörfelde beurtheilt.

3. Die Gehörsschärfe für die Sprache soll für in Dienst sich befindende Beamte keinesfalls unter 1 Meter Flüstersprache:- (einfach abgewandte) heruntergehen.

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42 W. Haenel: Ein Fall von beginnendem Durchbruch der beiden

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Ein Fall von beginnendem Durchbruch der beiden Labyrinthfenster bei Caries tuberkulosa des Mittel-

ohres, mit mikroskopischer Untersuchung. Von Dr. Walter Haenel in Dresden. Mit 3 Abbildungen auf Tafel VI/VII.

Hervorgegangen aus dem otiatrischen Ambulatorium des med.-klin. Institutes München.

Die pathologisch-anatomischen Veränderungen im Gehörorgane bei tuberkulöser Erkrankung desselben sind schon vielfach Gegenstand der Untersuchung gewesen. Auf dem Gebiete der histologischen Pathologie hat besonders Habermann!) durch eingehende Beschreibung der in acht Fällen constatirten mikroskopischen Befunde unsere Kenntniss der ‚Ohrtuberkulose wesentlich gefördert. Wenn ich hier weiterhin nur die- jenigen histologisch untersuchten Fälle berücksichtige, in denen neben dem Mittelohre bereits das innere Ohr tuberkulös erkrankt ist, so finde ich, soweit ich die Litteratur durchsehen konnte, ausser drei Fällen Habermann’s nur je einen von Steinbrügge, Gomperz und Gradenigo.

In dem Falle von Steinbrügge?) hatte eine Perforation am oberen Rand der cariösen Steigbügelplatte die Invasion der Erkrankung in das Labyrinth veranlasst und hier schon zu hochgradigen Verände-

rungen bis in die Nervenkanäle hinein geführt.

Gomperz°) „konnte das Uebergreifen der eiterigen Entzündung von der Mucosa tympani auf das häutige Labyrinth durch die trennende, allenthalben im Zustande der Einschmelzung befindliche Knochenschicht

‚deutlich verfolgen.“ | Gradenigo*) beschreibt eine lupöse Neubildung des Gehör- organes, welche die Membran des runden Fensters durchbohrt, das

1) J. Habermann: Ueber die tuberkulése Infection des Mittelohres, ‘Zeitschrift für Heilkunde, Prag, Bd. VI, und Neue Beiträge zur pathologischen Anatomie der 'l'uberkulose des Gehörorganes, Zeitschrift f. Heilkunde, Bd. IX.

2) Steinbrügge, Patholog. Anatomie des Gehörorganes 1891, S. 111.

3) Gomperz, Beiträge zur patholog. Anatomie des Ohres. Archiv für Ohrenheilkunde, Bd. XXX.

4) Gradenigo: Lupus des mittleren und inneren Ohres Allgemeine Wiener medicin. Zeitung 1888, No. 33.

Labyrinthfenster bei Caries tuberkulosa des Mittelohres. 43

Ligamentum annulare des ovalen Fensters zerstört und vom erkrankten Facialiscanal aus unter cariöser Einschmelzung der trennenden Knochen- schichte den äusseren Halbzirkelcanal erreicht hatte.

Von den drei hierher gehörigen Fällen Habermann’s zeigt nur einer den pathologischen Process im inneren Ohre in einem verhältniss- mässig frühen Stadium. In diesem Falle (No. 4 seiner Arbeit) war die Erkrankung des inneren Ohres: Reactionserscheinungen im Periost des Vorhofs und der Schnecke, käsiger Pfropf im Aquaeductus cochleae, zu Stande gekommen durch cariösen Durchbruch des Promontoriums dicht unterhalb des ovalen Fensters. Die beiden andern Fälle Haber- manns aber bieten zu hochgradige Zerstörungen des Labyrinthes und des umgebenden Knochens dar, auch war bei der Entkalkung von der cariösen Paukeninnenwand zu viel für die mikroskopische Untersuchung verloren gegangen, als dass noch genau zu eruiren gewesen wäre, an welcher Stelle der Einbruch in das Labyrinth erfolgt ist. Immerhin hält Habermann im Fall No. 8 ebenfalls den Infectionsmodus durch cariöse. Zerstörung der Labyrinthkapsel für erwiesen, im Fall No. 5 für wahrscheinlich.

Der von mir schon in vivo beobachtete und post mortem genauer untersuchte Fall scheint mir gerade deshalb besonderes Interesse zu verdienen, weil bei ihm der Weg, welchen die Infection in das innere Ohr eingeschlagen hat, wegen der verhältnissmässig noch geringen Ver- änderungen des Labyrinthes gut zu verfolgen ist.

Das von Geburt an schon sehr schwächliche Kind E. Schw., welches fast 3 Monate alt wegen allgemeiner Hautfuruncu!ose und hochgradiger Atrophie am 14. Mai 1895 Aufnahme in der Universitäts- Kinderklinik zu München gefunden hatte, stammt nach Angabe der Pflegemutter von einem gesunden Vater; die Mutter starb kurz nach der Geburt dieses, ihres einzigen, Kindes an galoppirender Schwind- sucht. Vor etwa einem Monat soll sich bei dem Kinde eiteriger Aus- fluss aus dem rechten Öhre eingestellt haben; ungefähr ebenso lange schon soll das Gesicht des Kindes nach links verzogen sein.

Am 21. Mai wurde ich behufs Untersuchung des erkrankten Ohres zugezogen und stellte damals folgenden Befund fest:

Sehr animisches und atrophisches Kind. Hautfurunculose über den ganzen Körper verbreitet. Halslymphdrüsen beiderseits geschwellt. Seit 18. Mai niederes Fieber. Von Seite der Brust- und Abdominal- organe keine besonderen Erscheinungen. Rechte Gesichtsmusculatur völlig gelähmt; Gaumen und Uvula gerade stehend und normal beweg- lich. Der rechte Gehörgang ist erfüllt mit dünnflüssigem, sehr fötidem Eiter. Perforationsgeräusch vorhanden. Hinten oben in der Tiefe des

44 W. Haenel: Ein Fall von beginnendem Durchbruch der beiden

Gehörganges unbedeutende blasse Granulationen, in denen sich die Reste des Trommelfelles und der Gehörknöchelchen verbergen. Die unter diesen Granulationen vorgeschobene Sonde trifft auf entblössten Knochen, welcher nach vorn und unten ERR auf der Höhe des Promon- toriums glatt ist.

Am 23. Mai wurde bei der Reinigung des Ohres der von Schleimhaut entblösste Hammer zu Tage gefördert; der Griff desselben fehlte bis nahe an den kurzen Fortsatz; dieser selbst sowie der noch vorhandene Rest des Griffes zeigten kleine oberflächliche Defecte.

Am 24. Mai stiess sich ebenso der Amboss ab, gleichfalls ohne Schleimhautüberzug, aber ohne makroskopisch erkennbare Veränderung am Knochen.

Am 27. Mai waren die Granulationsbildungen hinten oben im Gehörgange geschwunden und lag die entblösste Innenwand der Pauke gut übersichtlich zu Tage. Unter zunehmender Schwäche erfolgte am 28. Mai der Exitus letalis.

Die am 29. Mai 1895 im pathologisch -anatomischen Institut München vorgenommene Obduction ergab folgende Diagnose:

Acute Miliartuberkulose der Lungen, der Leber und Milz, ausgehend von älterer käsiger Tuberkulose der Halslymphdrüsen, der intrathoracalen und mesaraischen Drüsen. Caries des rechten Felsenbeins. Allgemeine Furunculose und Atrophie. Katarrhalische Enteritis.

Noch am gleichcn Tage nahm ich die Section des Felsenbeins vor

und fand bei derselben den Duraüberzug glatt und glänzend. Ent-

sprechend der Fissura petrososquamosa sah man einige gelbgraue, in einer Reihe angeordnete, miliare Knötchen durchscheinen, welche hier der dem Schläfenbeine zugekehrten Fläche der Dura aufsassen. Der Knochen war in nächster Nachbarschaft der Fissura petrososquamosa

am Tegmen tympani sowohl, als auch am horizontalen Schuppentheil

dunkler und grünlich verfärbt. Den Gehörgang und die -Paukenhöhle füllte äusserst fötide riechender, missfarbiger Eiter von rahmiger Con- sistenz mit krümeliger Beimengung aus, der sich aus den Nischen der Paukenhöhle nur schwer durch Abspülen entfernen lies. In einer der Paukenhöhle entnommenen Eiterprobe wurden Tuberkelbacillen in spär- licher Anzahl nachgewiesen. Trommelfell, Hammer und Amboss (cf. oben) fehlten vollständig. Ebenso war durch ausgedehnte Caries am Annulus tympanicus der Sulcus tympani völlig zu Grunde gegangen. In der Paukenhöble fand sich nirgends mehr normale Schleimhaut; an vielen Stellen, so besonders auf der Höhe des Promontoriums, war dieselbe total zerstört, sodass dieses als weisse Knochenfläche vorlag.

Labyrinthfenster bei Caries tuberkulosa des Mittelohres. 45

Im vorderen Theil der Paukenhöhle standen zwischen rauhen, bloss- liegenden Knocheninseln noch Reste der oberflächlich gelbgrau verfärbten und zerfetzten Mucosa. Die Nische des ovalen Fensters erfüllte ebenfalls verfärbte Schleimhaut, aus welcher der sehr bewegliche Stapes in normaler Lage, grösstentheils ohne Weichtheilsbedeckung, hervorragte. Aus der Nische des runden Fensters drängte sich ein kleiner, blass röthlicher Granulationspfropf hervor. Die Sehnen des Musculus tensor tympani und stapedius fehlten. Die knorpelige Tube war leider an dem Präparat nicht erhalten, sodass über deren Verhalten nichts ausgesagt werden kann. An der Unterseite des Felsenbeines, unterhalb und medial des Annulus tympanicus, lag eine kleine verkäste Lymphdrüse.. Um das Präparat im Ganzen schneiden zu können, wurde auf die Eröffnung des Antrums und der knöchernen Tube verzichtet.

Behufs Vorbereitung zur mikroskopischen Untersuchung wurde das Präparat nach Eröffnung des oberen Bogenganges längere Zeit mit Müller’scher Flüssigkeit, hierauf mit Alkohol behandelt, sodann in 5°/, Salpetersäure entkalkt, in Alkohol nachgehärtet und in Celloidin eingebettet. Die Schnittrichtung für die Serienschnitte wurde senkrecht zur oberen Kante der Felsenbeinpyramide gewählt.

Das Resultat der an über 80 Präparaten angestellten mikroskopischen Untersuchung ist das folgende:

Die knöcherne Tube zeigt in der Gegend des Isthmus noch keine Veränderung. Ihre Schleimhaut ist sowohl in ihrem Epithel als auch in der subepithelialen Schicht der Norm entsprechend. Vom Musculus tensor tympani kann in den wenigen Präparaten dieser Gegend nichts entdeckt werden; möglicherweise ist er beim Schneiden der Präparate ausgefallen; an seiner Stelle findet sich in den betreffenden Schnitten ein Defect.

Hochgradigere Veränderungen beginnen erst am Ostium tympanicum tubae und finden sich von hier aus in der gesammten Paukenhöhle und dem Antrum mastoideum. Hier ist überall die Schleimhaut ihres Epithels beraubt; ihre tieferen Schichten sind ebenfalls an vielen Stellen gänzlich zerstört, sodass der Knochen bloss- liegt, an anderen stark verändert, nirgends jedenfalls normal. Die Ver- änderungen, an welchen das Periost theilnimmt, bestehen theilweise in Entzindnng mit Gefasserweiterung und kleinzelliger Infiltration, theil- weise, hauptsächlich an der freien Oberfläche, in streckenweiser Ver- käsung und Nekrose des Gewebes, welche sich in mangelhafter Färbbar- keit der Zellkerne, auch gänzlichem Untergang derselben und bröckelig

46 W. Haenel: Ein Fall von beginnendem Durchbruch der beiden

scholligem Zerfall des Gewebes ausspricht. Die Verkäsung ist an ver- schiedenen Stellen verschieden weit vorgeschritten; bald betrifft sie nur die oberflächlichen Schichten, bald ist sie von hier aus weit in die Tiefe gedrungen, bald auch haben sich in der tieferen Schicht isolirte Herde mit nekrotischem Gewebszerfall gebildet. Die Zone der Ver- käsung setzt sich gegen die der Infiltration an manchen Stellen sehr deutlich durch eine mehrfach ausgebogene Grenzlinie stärkster Färbung, das heisst stärkster Zelleninfiltration ab, sodass hier die Entstehung grösserer nekrotischer Partien aus kleineren. Einzelherden durch peri- pheres Wachsthum und Zusammenfluss klar liegt. Indem sich die an der Oberfläche lagernden Käsemassen in grösseren oder kleineren Partien abstossen, erhält die Oberfläche der Schleimhaut ihr charakteristisches fetziges Aussehen. Die übermässige Blutfüllung der Gefässe hat in den entzündlich infiltrirten Gewebstheilen häufig zu Hämorrhagien geführt. Nur an wenigen Stellen, vor allem in den Fensternischen, findet sich in den Präparaten wirkliche Wucherung der Schleimhaut mit massenhaftem Auftreten junger Bindegewebszellen und Neubildung von Blutgefässen ; und wo es überhaupt zur Entstehung von Granulationen gekommen ist, haben diese keine grössere Ausdehnung gewinnen können, da auch sie, kaum gebildet, schon wieder der Nekrobiose anheimfallen. Der Knochen ist in ausgedehntem Maasse an der Erkrankung betheiligt, indem sich von. der periostalen Fläche her mehr oder weniger tiefe Howship’sche Lacunen in das Innere erstrecken. Diese haben häufig die stark erweiterten Markräume und Havers’schen Kanäle erreicht und dieselben nach aussen eröffnet. In den Lacunen, Mark- räumen und Havers’schen Kanälen spielen sich dieselben pathologischen Processe ab, wie ich sie soeben für die Schleimhaut geschildert habe, also Entzündung mit Infiltration, Verkäsung, seltener Gewebswucherung. Durch gleichzeitige Knochenresorption an der Peripherie der Entzün- dungsherde kommt es zu deren Erweiterung und Zusammenfluss. Auf diese Weise erscheint der Knochen oft so zerfressen, dass im Schnitte nur mehr einzelne schmale Knochenbälkchen im Gewebe hervortreten. Am stärksten sind die Veränderungen zumeist in der oberflächlichen Knochenschichte; stellenweise aber erstreckt sich auch die Erkrankung der Markräume weithin unter oberflächlich noch glatten Knochen. Das ist jedenfalls der Grund für die grosse Brüchigkeit des Knochens beim Meisseln auch an anscheinend noch gesunden Stellen, welche Bezold!)

1) Bezold, Die Krankheiten des Warzentheiles in Schwartze’s Hand- buch der Ohrenheilkunde, Bd. II, S. 331. |

Labyrinthfenster bei Caries tuberkulosa des Mittelohres. 47

als charakteristisch für diesen Process erwähnt. Die meisten Lacunen sind dort, wo bereits Schleimhaut und Periost verloren gegangen sind, in Folge fortgeschrittenen Zerfalles leer; in anderen konnten an den Knochenwänden grosse mehrkernige Zellen, Osteoklasten, nachgewiesen werden; doch liessen auch von diesen schon wieder viele Zeichen von Zerfall erkennen, indem entweder ihre Kerne sich nur mehr schwer differenziren liessen oder auch ihre Zellgrenzen verschwommen waren.

Dieser allenthalben weit vorgeschrittene Zerfall erklärt wohl, warum fast nirgends deutlich charakterisirte Riesenzellen zu finden waren. Immerhin schienen hier und da nahe an der Grenze zwischen infiltrirten und nekrotischen Gewebspartien vereinzelte Riesenzellen theils durch ihre Kontur und Lage, theils durch ihre Kerne noch als solche kenntlich. Wenn ferner der Nachweis von Tuberkelbacillen im Gewebe trotz mehr- facher Versuche nicht gelang, so erklärt sich das aus der Schwierig- keit des Nachweises der Bacillen in derartig mit Säuren vorbehandelten Präparaten. Der tuberkulöse Charakter dieses Krankheitsfalles ist ohne- dem einerseits durch den Nachweis der Tuberkelbacillen im Ohreiter, andererseits durch die beschriebenen hochgradigen Zerstörungen im Gewebe neben nachgewiesener Tuberkulose anderer Organe hinreichend. erwiesen.

Ebenso wie in der Schleimhaut findet sich auch in den Lacunen, in den erkrankten Markräumen und Havers’schen Kanälen nur aus- nahmsweise frisches Granulationsgewebe.

Soviel von den pathologisch -anatomischen Veränderungen der Paukenhöhle und ihrer Wandung im Allgemeinen! Was nun im Speciellen die Localisation dieser Veränderungen an- langt, so ist von der erkrankten Weichthejlsbedeckung des Knochens am meisten noch erhalten in den Buchten der Paukenhöhle, besonders in den Fensternischen, während sie an den mehr vorspringenden Partien des Knochens in grosser Ausdehnung völlig verloren gegangen ist. So fehlt dieselbe auf dem Annulus tympanicus fast ganz, und dieser hat zugleich durch lacunäre Einschmelzung seines Knochen- gewebes eine unregelmässige, raulıe Oberfläche erhalten. Der Sulcus tympani ist durch Caries zerstört und mit ihm auch jeder Rest des Trommelfells verloren gegangen. Derselbe Destructionsprocess spielt im innersten Theil des Gehörganges, indem hier an allen Wänden der cariös arrodirte Knochen blossliegt. Auch am Boden der Pauken- höhle findet sich der Knochen in cariöser Schmelzung. Die hoch- gradigsten Zerstörungen sind an der Paukeninnenwand zu Stande

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48 W. Haenel: Ein Fall von beginnendem Durchbruch der beiden

gekommen und zwar besonders tiefgreiffend im vorderen oberen Winkel dieser Wand, welcher die Schnecke deckt. Hier trennt die infiltrirten und erweiterten, zum Theil schon mit nekrotischem Gewebe erfüllten Markräume nur noch eine theilweise sehr dünne Knochenschicht von der Spitzen- und zweiten Windung der Schnecke (cf. Abbildung 1). Tiefe Lacunen stellen die freie Verbindung der Markräume mit der Oberfläche dar, und auf diese Weise ist die Schneckenwand hier mindestens bis auf den sechsten Theil ihrer ursprüng- lichen Stärke verdünnt. In gleicher Weise ist auch weiter nach ab- wärts die Paukeninnenwand vor dem Promontorium erkrankt. Hier umgreifen die nach aussen eröffneten, confluirten und infiltrirten Mark- räume nach innen und unten die erste Schneckenwindung, sind aber von dieser selbst immer noch durch gesunden Knochen getrenut (cf. Abbildung 1). |

Von der Schneckenwand aus erstreckt sich die Caries auf den Processus cochlearis, der in den Präparaten als nackte, stark zernagte, hier und da durchbrochene Knochenspange erscheint, und auf das Dach der Paukenhöhle und hat so auch den zwischen ihnen gelegenen Semicanalis pro tensore tympani in das Bereich der Erkrankung einbezogen. Vom Musculus tensor tympani ist nichts mehr vorhanden; den einzigen Inhalt des Halbkanals bilden spärliche an dem zernagten Tegmen haftende nekrotische Gewebsreste.

Am Promontorium ist der seiner Schleimhaut gänzlich beraubte Knochen noch glatt; doch enthält auch er im Innern erweiterte und infiltrirte Markräume (cf. Abbildung 2).

In der Nische des runden Fensters beanspruchen die Ver- änderungen unser besonderes Interesse, weil sich die Infection hier den Weg in das Labyrinth gebahnt hat. Zur Klarlegung der hier herrschenden histologischen Verhältnisse will ich zunächst den Befund an einem der durch das runde Fenster gelegten Schnitte beschreiben (cf. Abbildung 2):

Die vordere äussere Knochenwand der Fensternische ist bis zur Ansatzstelle des Ligamentum spirale arrodirt. Aus den Lacunen ragt eine ziemlich grosse, mit reichlichen Blutgefässen versehene Gewebs- wucherung (Wucherung 2 der Abbildung) mit theilweise faseriger Structur hervor, welche etwa die Hälfte der Nische erfüllt und ohne Abgrenzung in die Schleimhautlage der Membrana tympani secundaria übergeht. Der übrige Theil der Nische ist mit verkästem Eiter gefüllt. Die Scala tympani, hier auf dem Querschnitt getroffen, ist bis auf einen engen, leeren Spalt ausgefüllt von einem ebenfalls sehr gefäss- und

Labyrinthfenster bei Caries tuberkulosa des Mittelohres. 49

zellenreichen Gewebe, das der Fenstermembran direct auf deren Innen- seite aufsitzt und sich mit seiner schwach convexen Oberfläche gegen die Lamina spiralis vorwölbt (Wucherung 3). Die sich zwar nicht ganz scharf färbende, aber immerhin in ihrer Structur deutlich erkennbare Faserschicht der Fenstermembran selbst zieht in leicht gewelltem Ver- lauf, im übrigen die normale Richtung einhaltend, von ihrer medialen Insertion gegen die laterale Wand der Nische, erreicht aber diese nicht, sondern endet, sich fächerförmig auffasernd, frei im Granulationsgewebe, das hier einerseits von der Nische andererseits von der Scala tympani her ohne Abgrenzung in einander übergeht (cf. Abbildung). Verkäsung zeigt die Wucherung nur an der gegen die Paukenhöhle gekehrten freien Oberfläche. Das Ligamentum spirale ist hyperämisch und gering- gradig infiltrirt, sonst aber in seiner Structur erhalten.

An Schnitten aus der Nachbarschaft des runden Fensters sieht man die Wucherung in gleicher Weise den Boden der Scala tympani bedecken, wie sie in dem soeben beschriebenen Schnitt die Fenstermembran bedeckte. Aber je weiter wir uns von dem runden Fenster nach vorwärts entfernen, desto niederer wird die Wucherung, desto höher das Lumen der Scala. In Schnitten, welche durch die Axe des Modiolus gelegt sind, hat die Wucherung ganz aufgehört. Hier ist das Periost des Bodens der Scala noch etwas aufgelockert und zeigt erweiterte Lymphräume. Weiter aufwärts in der Schnecke verschwindet auch diese Erscheinung, und hier ist nur noch eine bis in die zweite Windung hinauf verfolgbare, strotzende Füllung der periostalen und an- grenzenden Knochen-Gefässe als letzter Ausläufer des pathologischen Zustandes wahrzunehmen. Dicht an der Mündung des Aquaeductus cochleae findet sich in die Wucherung der Scala tympani einge- lagert und deren zellreiches Gewebe in einem circumscripten, auf dem Schnitte ovalen Bezirk ersetzend, ein äusserst zartes, randständig einige Zellen enthaltendes Fibrinnetz, das wohl als der geronnene In- halt einer kleinen Retentionscyste aufzufassen ist. An Schnitten im Be- reich des Aquaeductus cochleae sieht man ferner, wie die Gewebs- wucherung sich auch in diesen erstreckt. Die übrigen Theile der Schnecke, Scala vestibuli und Ductus cochlearis, haben an der Er- krankung nicht theilgenommen.

Was nun die Deutung des beschriebenen Befundes an- langt, so haben wir anzunehmen, dass der Process hier mit lacunärer _ Arrosion in der lateralen Knochenwand der Nische begann, zugleich mit Granulationsbildung auf den cariös erkrankten Stellen. Diese

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Rà. XXVIII. 4

50 W. Haenel: Ein Fall von beginnendem Durchbruch der beiden

Granulationsbildung hat sodann auf die Aussenfläche der Fenstermembrar übergegriffen, ehe es durch fortschreitende Caries zur Ablösung der Faserschicht der Membran kam. Mit der fortschreitenden Loslösung der Fasern drang das Granulationsgewebe immer weiter gegen die Endo- thelschicht der Fenstermembran vor, bis es diese erreichte und von ihr aus in die Periostschicht des Bodens der Scala tympani gelangte.

Ich nehme also, obwohl ich die endotheliale Bekleidung der Wuche- rung mikroskopisch nicht deutlich nachweisen konnte, an, dass die Wucherung sich unter dem Endothel ausbreitete.e Zu dieser Annahme bestimmt mich vor allem zweierlei, erstens die verhältnissmässig glatte und regelmässige Oberfläche der Wucherung in der Scala tympani, zweitens das Fehlen jeglichen pathologischen Inhaltes im freien Lumen der Scala; überdies erscheint mir der Mangel des Endothelnachweises schon deshalb belanglos, yett- šich „anchan anderen, von der Wucherung freien Stellen, wohl iy rates, das Endöthe

Ein ganz jane Theil die pathdlo,

Labyrinth zu Stande geRveaine Der-Hfapes befindet sich, zum grössten Theil von Schleimhaut entblösst, in seiner Lage. Die Fussplatte sowie das Ligamentum annulare sind in ihrer hinteren oberen Hälfte über- lagert von gewucherter, oberflächlich necrotischer Schleimhaut (Wuche- rung 1 der Abbildung 3); die hintere obere knöcherne Umgrenzung der: Nische ist durch lacunäre Arrosion in ausgedehntem Maasse verdünnt, sodass das Granulationsgewebe der Paukenseite von der verdickten periostalen Auskleidung des Vestibulums nur noch durch eine sehr schmale Knochenspange getrennt ist. Auch die Stapesfussplatte selbst. ist an der entsprechenden Stelle arrodirt. In der vorderen unteren Peripherie der Fenestra ovalis ist das Ligamentum annulare der von der Schleimhaut in die Tiefe fortgeschrittenen Verkäsung zum Opfer gefallen (cf. Abbildung 2). Hier findet sich an seiner Stelle ein von. necrotischen Gewebsresten verengter, gegen die Paukenhöhle offener Spalt, den nur die noch erhaltene, geschwellte periostale Schicht des Vestibulums. von dessen Innenraum scheidet. Die Veränderung im Periost des Vesti- bulums ist streng localisirt auf die Fenestra ovalis und ihre allernächste Umgebung und besteht in Verdickung des Gewebes, hervorgerufen durch Vermehrung der gross- und kleinkernigen Zellen, also in Gewebs- wucherung und Infiltration.

Labyrinthfenster bei Caries tuberkulosa des Mittelohres. 51

Der Facialiskanal steht durch mehrere cariöse Defecte seiner Wand sowohl mit der Paukenhöhle und nach hinten hin mit dem Aditus als auch mit den erkrankten Markräumen des Knochens in Verbindung. Die Defecte sind zum Theil leer, zum Theil erfüllt mit zerfallenem Ge- webe, das sich bis in den Facialiskanal hinein fortsetzt. Der Nerv, der in seinem centralen Theil bis zum Knie annähernd normale Verhält- nisse zeigt, ist hier im Paukentheile in ein undeutlich faseriges, sich nur mehr diffus färbendes Gewebe verwandelt, das weder die Trennung in einzelne Nervenbündel noch auch Kerne unterscheiden lässt. Auch färben sich seine Fasern nicht mehr nach der Weigert’schen Methode. Diese Degeneration lässt sich je weiter nach rückwärts d. h. peripher- wärts in desto höherem Grade, weiterhin auch im ganzen absteigenden Theil des Fallopi’schen Kanals verfolgen. Der Nerv ist streckenweise umspült von käsigem Eiter; streckenweise grenzt an ihn ein kernreiches Granulationsgewebe, das in einem der Schnitte zwei schön umgrenzte, central verkäste miliare Tuberkel enthält.

Die Eminentia stapedii hat in ihrer medialen Wand einen cariösen Defect, welche durch einen zum Theil eitrig eingeschmolzenen Gewebspropf verschlossen ist. Vom Musculus stapedius findet sich nichts mehr ; dagegen sind in seinem Kanal neben zerfallenem Gewebe noch Reste der Sehne des Muskels zu erkennen, welche aber auch schon beginnenden Zerfall zeigen, insofern sich ihre Kerne nur mehr undeut- lich färben. Die Buchten an der hinteren Wand zur Seite der Eminentia stapedii sind mit käsigem Eiter erfüllt.

Was die Veränderungen im Aditus und Antrum anlangt, so gleichen dieselben vollständig denen in der Paukenhöhle. Der Schmelzungsprocess im Knochen ist hier besonders hochgradig an der äusseren und oberen Wand. Im Tegmen finden sich auch hier mehr- fache Lücken. Weniger stark ist die mediale Wand erkrankt, sodass der horizontale Bogengang noch von reichlichem gesunden Knochenge- webe bedeckt ist. Am nächsten ist die Knochenerkrankung der Ampulle des horizontalen Bogenganges vom Facialiskanal aus gekommen. Aber auch hier finden wir keine Veränderung der Labyrinththeile.

Die Veränderungen iminnern Ohre beschränken sich also auf die von den beiden Fensternischen ausgegangenen.

Der Nervus acusticus erscheint in allen seinen Theilen intact.

Der geschilderte Befund, der mit dem von Habermann ent- worfenen Bilde übereinstimmt, bietet in mancher Beziehung Interesse. 4*

52 W. Haenel: Ein Fall von begiunendem Durchbruch der beiden

Zunächst ist die grosse Ausdehnung und der hohe Grad der Zerstörung bedeutungsvoll, welche hier bei einem kaum drei Monate alten Kinde der zuerst einen Monat vor dem Tode bemerkte Eiterungsprocess, also jedenfalls in verhältnissmässig sehr ge- ringer Zeit, hervorgerufen hat. Und während sonst bei Kindern, wie Bezold!) hervorhebt, häufiger neben dem destructiven Processe eine starke reactive Gewebswucherung mit üppiger Granulations- und Polypenbildung angetroffen wird, vermissen wir hier fast ganz die reactive Thätigkeit des Organismus, und es gleicht das Bild völlig dem, wie es im Verlauf der Otitis media purulenta phthisica bei Erwachsenen die Regel bildet. Der schlechte Ernährungszustand und der acute Verlauf des allgemeinen Processes haben hier die Reactions- kraft der Gewebe. erschöpft.

Was weiterhin den Weg betrifft, auf welchem in unserem Falle die Infection des mittleren Ohres zu Stande gekommen ist, so möchte ich nicht sicher entscheiden, ob die Tuberkelbacillen auf dem Wege durch die Tube oder ob sie auf dem Blutwege in das Mittelohr gelangt sind. Immerhin scheint es mir am wahrscheinlichsten, dass die beim Kinde, speciell aber beim tuberkulösen und derartig atrophischen Kinde sehr weite Tube die Infection vermittelt hat, und ich schliesse mich hierbei ganz den Anschauungen Habermanns (I. c.) an. Sicher ist jedenfalls die locale Infection des Ohres der acuten Miliartuberkulose vorausgegangen, wie aus einem Vergleich der patho- logisch-anatomischen Zustände im Ohre einerseits und in den durch Miliartuberkulose erkrankten inneren Organen andererseits klar ersicht- lich ist.

Bezüglich der Infection des Labyrinthes geben die Befunde an den beiden Fenstern interessante Aufschlüsse. Trotz der noch sehr geringen Veränderungen im inneren ÖOhre, welche sich auf circumscripte periostale Gewebswucherung beschränken, haben wir doch bereits zwei Eingangspforten für den tuberkulösen Process constatiren Können. Am runden Fenster ist die Freilegung der periostalen Innenschichte durch Knochencaries erfolgt, in der Weise, dass die Fasern der Fenster- membran ihrer Ansatzstellen an cariösen Knochen verlustig gingen und nun dem Hineinwuchern des Granulationsgewebes unter das Endothel der Fenstermembran und in das Periost des Labyrinthes nichts mehr

1) Bezold: Ueberschau über den gegenwärtigen Stand der Ohrenheil- ‚kunde 189.

Labyrinthfenster bei Caries tuberkulosa des Mittelohres. a

im Wege stand. Es ist ja auch leicht denkbar, dass die kräftige Faser- schicht des runden Fensters dem Destructionsprocess länger Stand hält, als der bei Tuberkulose widerstandslose Knochen. In der vorderen unteren ` Peripherie des ovalen Fensters aber ist das hier verhältnissmässig dünne Ligamentum annulare selbst in Folge der von der Oberfläche fortgeschrittenen Verkäsung zerstört worden. Auch hier hat die ver- dickte Endothelschicht des Ligaments dem Process noch Stand gehalten, sodass von einem eigentlichen Durchbruch mit freier Communication zwischen perilymphatischem Raume und Paukenhöhle nicht die Rede ist. Dieser Durchbruch war allerdings durch fortschreitende Verkäsung binnen Kurzem zu erwarten, und schon jetzt würde ein ganz geringer mechanischer Insult, zum Beispiel durch Sondirung beziehungsweise forcirtes Austupfen der Paukenhöhle, genügt haben, um sofort eine Perforation zu Stande zu bringen.

Die Dura mater war von der Paukenhöhle aus durch Vermittelung der Fissura petrososquamosa tuberkulös inficirt worden, doch war es bei einer circumscripten, auf die Gegend der Fissur selbst beschränkten Tuberkeleruption geblieben.

Die totale Degeneration des Nervus facialis unterhalb des Ganglion geniculi entspricht der im Leben constatirten Paralyse des ganzen Facialisgebietes. >

Was schliesslich die functionellen Störungen des Gehörs bei derartigen Processen an den Fenstern betrifft, so konnte bei dem kleinen Kinde von irgend welcher Functionsprüfung nicht die Rede sein. Als Momente, welche die Schallleitung stören müssen, kommen vor allem in Betracht: der Ausfall der beiden Binnenmuskeln, die hoch- gradige Lockerung des Steigbügels durch theilweise Zerstörung des Ligamentum annulare, die theilweise Ablösung der runden Fenster. membran von ihrer Knocheninsertion und der Einschluss derselben in ein dickes Granulationspolster. Die Endausbreitung des Hör- nerven selbst erscheint vor allem im Anfang der ersten Schnecken- windung bedroht durch die entlang der Scala tympani hineinwachsende Wucherung, dann aber auch durch die hochgradige Verdünnung der Schneckenkapsel, welche bald an den verschiedensten Stellen im Verlauf der Scala Durchbrüche erwarten lässt.

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W. Haenel: Ein Fall von beginnendem Durchbruch etc.

Erklärung der Abbildungen:

Figur 1.

Schnitt, senkrecht zur oberen Kante der Felsenbeinpyramide, durch den vorderen Theil der Paukenhöhle, zugleich annähernd parallel und dicht hinter der Axe des Modiolus der Schnecke:

bringt die Caries der Schneckenwand, des Processus cochlearis und des Tegmens tympani zur Darstellung.

Am Boden der Scala tympani der ersten Schneckenwindung beginnt bereits die vom runden Fenster ausgegangene periostale Gewebswuche- rung (W.).

Wind. I, II, III: erste, zweite, dritte Windung der Schnecke. sc. v.: Scala vestibuli,

sc. ss Scala tympani,

d. c.: Ductus cochlearis,

pr. c.: Processus cochlearis.

Figur 2.

Schnitt auf der Héhe des Promontorio zugleich durch das runde und ovale Fenster (Richtung zur oberen Felsenbeinkante annähernd senkrecht):

illustrirt den Uebergang der Erkrankung in das innere Ohr von den beiden Fensternischen aus. ferner die Degeneration des Nervus facialis, die Caries seiner knöchernen Umgebung, sowie die Caries am. Boden der Paukenhöhle.

Can. fac.: Facialiscanal,

Por. ac. int.: innerer Gehörgang, /

vest.: Vestibulum,

Can. n. p. amp. inf.: Canal für den Acusticusast zur unteren Ampulle,

Lig. a.: Ligamentum annulare,

D.: Defect im Ligamentum annulare.

p.: Wucherung und Infiltration im Periost des Vestibulums,

Stap.: Stapes mit vorderem Schenkel,

Pr.: Promontorium, :

m m.: erweiterte Markräume,

Lain. spir.: Lamina spiralis,

Lig. spir.: Ligamentum spirale,

Membr. tymp. sec.: Membran des runden Fensters, von der lateralen Insertionsstelle abgelöst und aufgefasert im Granulations- gewebe endend.

Wuch. 1: Wucherung am oberen Rande der Pelvis ovalis; daselbst Caries,

Wuch. 2: Wucherung in der Nische des runden Fensters, nach innen übergehend in:

P 3: Wucherung in der Scala tympani,

: Caries der Wandung in der Nische des runden Fensters,

GG: erweiterte Blutgefässe in den Wucherungen,

KK: Käsemassen.

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. Cartes der Schneckenwand.

Zeitschrift für Ohrenheilkunde XXVIII .

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Walther Vulpius: Zur rhinologischen Casuistik. 55

Figur 3.

Schnitt parallel dem vorigen, etwas weiter rückwärts durch das ovale Fenster: zeigt die Veränderungen am ovalen Fenster, die Degeneration des Facialis und die Caries des Paukendaches. Stap. Fp.: Fussplatte des Stapes mit Caries an der Paukenseite, Stap. K.: Stapes-Köpfchen und -Schenkel, nackt, Wuch. 2: Wucherung unterhalb der Nische des ovalen Fensters, geht nach vorn in Wuch. 2 der vorigen Figur über. Die übrigen Bezeichnungen cf. Figur 2.

Iv.

Zur rhinologischen Casuistik. Von Dr. Walther Vulpius.

Am 14. Februar 1895 wurde mir zur Untersuchung und eventuellen Behandlung ein 51jähriger Herr zugeschickt, welcher seit 6—8 Wochen an einer rechtseitigen Naseneiterung litt. Vorher bestehender heftiger Supraorbitalkopfschmerz hatte mit Beginn der Eiterung etwas nachge- lassen; trotzdem war der Kopf noch stark eingenommen und geistige Thatigkeit sehr erschwert, um so mehr als seit Wochen mangelhafte Nasenathmung und fortwährender Eiterabfluss den Patienten im Schlafe störten.

Der Hausarzt hatte das Leiden schon einige Wochen mit Ein- giessungen und Aetzungen behandelt, und einmal auch ein Stück „Ge- schwulst“ mit einer Zange von vorn entfernt. Dann war sein Augen- merk auf den früher cariösen, aber seit 6 Jahren völlig unempfindlichen und gut plombirten ersten Backzahn der rechten Seite gefallen; er hatte den Patienten deshalb zum Zahnarzt geschickt mit der Weisung, sich den schadhaften Zahn ausziehen und probeweise die Oberkieferhöhle ` anbohren zu lassen. Der Zahnarzt aber weigerte sich, letztere Operation auszuführen, weil sich die Zahnwurzel und zugehörige Alveole als völlig gesund erwiesen hatten. | |

Die rhinologische Untersuchung ergab: links eine mässige Schwellung der unteren Muschel, hauptsächlich im mittleren Abschnitt, und des unteren Randes der mittleren Muschel. Rechts sah man das vordere geschwollene Ende der unteren Muschel bis auf den Nasenboden herab- gedrückt durch eine Geschwulst; welche zwischen Septum und unterer Muschel sich von oben her ebenfalls bis fast auf den Nasenboden er-

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56 Walther Vulpius: Zur rhinologischen Casuistik.

streckte. Auf der nach vorn gewandten Oberfläche der letzteren zeigte sich ein etwa bohnengrosses Geschwür mit gelblich-weissem Belag. Die Farbe der Geschwulst war blassroth, die Consistenz zäh teigig. Dünn- flüssiger, gelber, fad riechender Eiter quoll zu beiden Seiten hervor. Ein tieferer Einblick, selbst nur in den unteren Nasengang war un- möglich, weil mit Cocaïn keine Abschwellung zu erzielen war.

Die hintere Rhinoskopie zeigte links annähernd normale Verhält- nisse, während die Grenzlinien der rechten Choane ringsum verdeckt waren durch eine grosse, in den Nasenrachenraum sich erstreckende, höckrige Geschwulst, die mit einer dünnen Eiterschicht bedeckt war; auch zog sich ein Eiterstreifen an der hinteren Rachenwand bis in den Pharynx herab.

Die Sonde, welche bei der starken Empfindlichkeit des Patienten |

nur mit grosser Reserve gebraucht werden konnte, erwies keine Knochen- erkrankung, noch gab sie Auskunft über den Ursprung der vorn und hinten erscheinenden Geschwulst.

Bei der Durchleuchtung vom Munde aus blieb die ganze Gesichıts- hälfte rechts wesentlich dunkler wie links; Orbital- und Pupillarleuchten war links wohl ausgeprägt, rechts nicht vorhanden.

An diesem Punkt der Untersuchung schwankte die Diagnose zwischen einer schnell wachsenden Neubildung und einem mit acuten Ent- zündungs- und Schwellungserscheinungen complicirten Empyem der Ober- kieferhöhle.

Ich schlug deshalb ebenfalls vor, das Antrum probeweise anzubohren, und, wenn sich hier nichts tände, ein Stück von der vorderen und hinteren Geschwulst abzutragen und mikroskopisch zu untersuchen.

Der Patient aber wünschte noch einige Tage zu warten, indem er behauptete, dass ein schwach alkalisch antiseptischer Spray, den ich mit Hülfe des Tröltsch’schen Zerstäubers möglichst tief und allseitig unter geringem Druck hatte einwirken lassen, ihm wesentliche Erleichterung gewährt habe.

Diese einfache Procedur wurde zweimal täglich vorgenommen, doch jedes Mal drängte ich zu entscheidenderen Schritten,

Am 5. Tage fing ich an, vor dem Reinigungsspray eine 3 ° ige Lösung von Wasserstoffsuperoxyd in die Tiefe einzustäuben, um durch Sauerstoffentwicklung den Eiter aufzulockern und für gründlichere Ent- fernung vorzubereiten.

Walther Vulpius: Zur rhinologischen Casuistik. ot

Zwei Tage später brachte mir der Patient einen etwa walnussgrossen Klumpen aus fest eingedicktem, käsigem, sehr übelrichendem Eiter be- stehend, der sich aus dem Nasenrachenraum entleert hatte. Dazu be- = richtete er, dass ihm am Morgen desselben Tages die Nasenathmung: rechts etwas freier erschienen sei, als vorher, und er habe sich im Ver- lauf des Vormittages durch forcirtes Aspiriren bei zugehaltenem linken Nasenloch von dem Bestand dieser Besserung zu überzeugen gesucht. Da sei ihm plötzlich der mitgebrachte Klumpen in den Hals gefahren und die Ventilation der rechten Nasenseite darauf noch freier geworden.

Rhinoskopisch zeigte sich von vorn die untere Muschel wenig ab- geschwollen, der untere Nasengang etwas weiter übersichtlich, besonders aber die von oben herabsteigende Geschwulst wesentlich verkleinert. Die Geschwürsfläche hatte sich schon im Verlauf der letzten Tage gänz- lich gereinigt. Auch die Geschwulst im Nasenrachenraum erschien bedeutend kleiner, so dass man unter ihr das geschwollene hintere Ende der unteren Nasenmuschel erkennen konnte.

Die Eiterabsonderung war bedeutend vermindert, aber im Verlauf des Nachmittags stellten sich trotz leichterer Nasenathmung ungewöhnlich heftige Stirnkopfschmerzen ein, die auch nach der linken Supraorbital- gegend hinüberstrahlten.

Am folgenden Tage war die Abschwellung noch weiter gediehen, so- dass man von vorn und hinten erkennen konnte, dass die Geschwulst nur das stark vergrösserte vordere und hintere Ende der mittleren Nasen- muschel war. Vorn lag sie allerdings dem Septum und der unteren. Muschel noch fest an und verstattete keinen Einblick ın den mittleren Nasengang, hinten aber sah man unter der Schwellung und etwas seit- wärts noch weissliche Massen angehäuft.

Der Wasserstoffsuperoxydspray wurde jetzt hauptsächlich im mittleren Nasengang nach hinten gelenkt, worauf am folgenden Tage die aber- malige Entbindung eines grossen käsigen Klumpens erfolgte. Im Centrum desselben fand sich ein kleiner, flacher, scharfkantiger Knochensplitter; aber auch jetzt konnte man nirgends eine nekrotische Knochenstelle nachweisen, obgleich der Patient eine viel gründlichere Sondenunter- suchung verstattete, als vorher.

Im Verlauf von weiteren 5 Tagen hörte die Eiterabsonderung voll- kommen auf und alle Theile der rechten Nasenhöhle kehrten zu ihrer normalen Grösse und Form zurück.

Am 1. April zeigte die Durchleuchtung rechts dieselbe Transparenz,, Orbital- und Pupillarreflexe wie links.

58 Walther Vulpius: Zur rhinologischen Casuistik.

Der in dem zweiten Eiterklumpen enthaltene Knochensplitter, für dessen Herkunft in der Nase selbst kein genügender Grund aufzufinden war, gab dem Patienten eine Handhabe zur ätiologischen Aufklärung des ganzen Krankheitsbildes. Er erinnerte sich folgenden Vorganges: Ungefähr 8—10 Tage vor Beginn des Leidens hatte er beim Essen einen Knochensplitter zu fühlen gemeint in einem Bissen, den er gerade hinunterschlucken wollte. In der Bemühung, den Bissen aufzuhalten, verschluckte er sich und hielt sich, um das Essen nicht herauszusprudeln, den Mund zu. Der Hustenreiz aber liess sich nicht unterdrücken, und einige besonders heftige Stösse trieben Speisetheile durch die Nase. Ueber den Verbleib des Knochensplitters hatte der Patient damals keine Vermuthung; überhaupt war ihm der ganze Vorgang bisher nicht wieder eingefallen. Nach dieser Angabe ist es sehr wahrscheinlich, dass jener Knochensplitter sich an irgend einer Stelle des mittleren Nasenganges festgebohrt und in die Producte einer zunächst engbegrenzten Entzündung eingebettet hatte. Durch das Wachsen des Fremdkörpers war dann eine stets zunehmende Reizung und Schwellung der benachbarten Theile, vor allem der mittleren Muschel bedingt worden.

Das Anfangs erwähnte Oberflächengeschwür, was den Gedanken an eine ulcerirende Neubildung nahelegte, war offenbar nur durch die vor- hergehende Zangenoperation verursacht worden.

Die Verdunkelung der rechten Gesichtsfeldhälfte beim Durchleuchten hätte beim stärksten Empyem der Oberkieferhéhle nicht auffallender sein können, und musste zusammen mit der früheren Zahncaries die diagnostische Vermuthung auch nach dieser Richtung hin lenken.

Die nachfolgende Erklärung des Krankheitsbildess als so zu sagen acute Rhinolithenbildung war höchst überraschend.

Bericht

über die

Leistungen und Fortschritte

im Gebiete der

normalen und pathologischen Anatomie und Histologie, sowie der Physiologie des Gehörorganes und Nasenrachenraumes'!) im zweiten Quartal des Jahres 1895.

Von Ad. Barth in Breslau.

Bern I Jat oe ee

I. Anatomie.

a) Gehörorgan.

1. Normales Ohr. Von G. Gradenigo. Intern. med. photogr. Monatschr. Jahrg. 1, 1894, S. 260.

2. Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Gehörknöchelchen. Von Zondek. Arch. f. mikrosk. Anat. u. Entw. Bd. 44, Hft. 4.

3. Ein Fall von überzähligem Gehörknochen in der Trommelhöhle des Menschen, Von Dr. Tomka, Budapest, Arch. f. Ohrenheilk.. Bd. 39, S. 1, 1895.

4. Ueber Bildungsanomalien des Steigbügels. Von Dr. Tomka. Ibidem Bd. 38, S. 253. 1895. `

5. Recherches embryologiques sur le nerf auditif des poissons osseux. Von Cannieu. Journ. de med. de Bordeaux. 5 mai 1895.

6. Zur Entwicklung der Zellen des Ganglion spirale acustici und zur Endigungs- weise des Gehörnerven bei den Säugethieren. Von G. Retzius. Biol. Untersuchungen, N. F., Bd. 6.

7. Die Endigungsweise des Gehörnerven bei den Reptilien. Ibidem.

8. Ein Beitrag zur Frage nach dem Ursprung der Fasern des Nervus acusticus. Von Dr. Matte. Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 39, S. 17, 1895.

9. Recherches sur l’epithelium sensoriel de l'organe auditif. Von Coyne et Cannieu. Ann. des mal. de l’oreille etc. Nr. 5, mai 1895.

1) Die Arbeiten, welche in der Uebersicht angeführt, aber bei der Besprechung ausgelassen sind, standen dem Referenten nicht zur Verfügung. Um den Bericht möglichst vollständig erscheinen zu lassen, wird um gefällige Zusendung der Arbeiten höflichst gebeten.

60 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

3) cf. diese Zeitschr. Bd. 26, S. 326, Nr. 22.

4) Tomka fand bei seinen anatomischen Untersuchungen einen Steigbügel mit einem Schenkel, die Eminentia pyramidalis fehlte, ebenso der Musc. stapedius. In einem anderen Falle bildete der Steigbügel eine dreieckige Knochenplatte. Die Form und Grösse des Steigbügels variirt überhaupt sehr. In einzelnen Fällen beobachtet man auch Stachel- und Exostosenbildungen, besonders auf der äusseren Fläche der Platte.

8) Matte exstirpirte bei Thieren die hinteren Ampullen und konnte danach mikroskopisch einen Zerfall der aufsteigenden Nervenfasern durch das Ganglion vestibulare hindurch constatiren. Er schliesst daraus, dass durch den operativen Eingriff in den Cristae acusticae selbst gelegene Zellen entfernt sind, denen ein trophischer Einfluss auf die mit ihnen in directem Zusammenhange stehenden Nervenfasern zukommt. Er unter- scheidet danach im Acusticus zwei Arten von Nervenfasern, die er sensorische und sensible nennt. Erstere stammen von Zellen des Ganglion vestibulare und besitzen einen centralen und peripheren Fortsatz ; letztere nehmen ihren Ursprung von an der Peripherie gelegenen Neuroepithelien und verlaufen centripetal.

b) Nasenrachenraum.

1, The anatomy of the nasal Cavity and its accessory Sinuses, an Atlas for Practitioners and Students. Von Onodi. Translated from the 2. Edit. by St. Clair Thomsen. London, H. K. Lewis. 80, 19 S. 2. Zur Anatomie der Nase menschlicher Embryonen. Von Prof. Killian, Freiburg, B. Die urspriingliche Morphologie der Siebbeingegend. Arch. f. Laryngol. u. Rhinol. Bd. 3, S. 17, 1895. 8. Contribution à l'étude de la morphologie des fusses nasales, Von P. Garnault. L'organe de Jacobson. C. R. soc. biol. S. 10, T. 2, Nr. 14.

4. Die Cartilago quadrangularis septi naris, fälschlich triangularis genannt. Von Freemann. University med. Mag. nov. 1894.

5. Anomalien der Choanen und des Nasenrachenraumes. Von Dr. Hopmann, Cöln. Arch. f. Laryng. u. Rhin. Bd. 3, S. 48, 1895. |

6. Die Riechzellen der Ophidier in der Riechschleimhaut und im Jacobson’schen Organ. Von G. Retzius. Biol. Unters. N. F., Bd. 6.

2) Killian findet an der seitlichen Nasenwand menschlicher Embryonen nicht nur vier, sondern sechs Hauptfurchen, welche ur- sprünglich alle einen zur Lamina cribrosa aufsteigenden Ast besessen haben. Jeder der Hauptfurchen entspricht auch eine Hauptmuschel. Durch Verschiedenheiten in der Anlage, in der Entwicklung der einzelnen Vorsprünge, durch Verwachsungen, Verschmelzung und Verschliessung

II. Physiologie. 6]

kommen aus jenen sechs Muscheln die inneren Formen der Nase zu Stande.

5) Hopmann beweist durch die von ihm eingeführte Methode, plastische Abdrücke der. Choanen und des Schlundkopfes herzustellen, dass Engen und anderweitige Unregelmässigkeiten der Choanen und des oberen Rachenraumes nicht nur auf syphilitischer oder geschwüriger Basis, sondern häufig auch durch fehlerhafte Anlage entstehen infolge von angeborenen oder früh erworbenen Wachsthumsstörungen.

II. Physiologie. a) Gehörorgan. 1. De la synergie auriculaire exagéré. Von Monnier. Communic. faite

à la Soc. Franç. d’Otol. et de Laryngol. Semaine méd. 8 mai 1895.

2. Zur Casuistik der Diplacusis binauralis. Inaug. Diss. von C. J. Capeder, Graubiinden. Basel 1895.

3. Le limacon membraneux considéré comme appareil enregistrateur. Von P. Bonnier. C. R. soc. biol. S. 10, T. 2, Nr. 7, S. 127.

4. Fonctions de la membrane de Corti. P. Bonnier. Ibidem, S. 130.

5. Rapports entre l'appareil ampullaire de l’oreille interne et les centres oculomoteurs. P. Bonnier. Ibidem Nr. 6, S. 368 und Bulletin méd. * 15 mai 1895.

6. The relation between the movements of the eyes and movements of the head. Von Crom-Brown, Prof. Lancet, May 25., 1895. ,

7. Ueber „resultirende*“ Töne sowie einige hierbei gemachte Erfahrungen. Von Prof. Melde. Arch. f. d. ges. Physiol., Bd. 60, S. 623.

2) Das Resultat der unter Siebenmann’s Leitung angefertigten Dissertation ist: es sei nicht zu bezweifeln, dass nicht nur durch Labyrinthläsionen Diplacusis hervorgerufen werden kann, sondern auch durch reine Mittelohraffectionen. Referent liest aus der Arbeit her- aus, dass mindestens bei weitem die Mehrzahl der Fälle von Diplacusis auf eine Erkrankung des Mittelohrs zurückgeführt werden muss. Auch in der Dissertation wird von den selbstbeobachteten fünf Fällen nur einer mit Wahrscheinlichkeit auf das innere Ohr zurückgeführt. Und auch dieser lässt nach Ansicht des Referenten noch eine andere Er- klärung zu. |

7) Die ‚Wahrnehmung von resultirenden Tönen ist eine rein subjective Erscheinung ‘und wird wahrscheinlich Vielen nicht möglich sein. Wenn man den Haupteindruck gleichzeitig ertönender Componenten feststellen will, so ist das nur durch sofortiges Nachsingen möglich. Der resultirende

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62 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Ton liegt annähernd in der Mitte zwischen jenen. In der physikalischen Anordnung der Versuche, sowie in der physiologischen Würdigung sind grosse Schwierigkeiten zu überwinden.

b) Nasenrach enraum. 1. Die Physiologie des Geruches. Von Zwaardemaker. Leipzig, W. Engel- mann, 1895. 2. Geruch und Geschmack. Von Nagel. Biol. Centralbl. 1894.

3. Die exacte Messung der Luftdurchgängigkeit der Nase. Von Dr. Kayser, Breslau. Arch. f. Laryngol. u. Rhinol. Bd. 3. S. 101, 1895.

3) Kayser contrelirte die Untersuchungen Zwaardemaker’s schematisch, indem er Röhren in die Nase einführte und in diesen nach Belieben Vorsprünge anbrachte. Diese machten sich dann an dem Athemfleck geltend. Letzterer wurde photographisch fixirt. Ausserdem wurde mit verschiedenen Modificationen die Luftdurchgängigkeit der Nase in annähernd normalen und in pathologischen Fällen unter ver- schiedenem Druck gemessen. Es bieten sich dabei gewisse Beziehungen zuden Zwaardemaker’schen Versuchen. Es lassen sich auch durch ein Verhältniss zwischen dem gefundenen und dem normalen Durch- schnittswerth absolute Zahlengrössen aufstellen; doch lassen sich practische Folgerungen aus den Resultaten noch nicht machen.

Bericht

über die

Leistungen und Fortschritte

der

Pathologie und Therapie im Gebiete der Krankheiten des Hörorganes und der Nase `

im dritten Quartal des Jahres 1895.

Zusammengestellt von Dr. Arthur Hartmann in Berlin. e

Allgemeines.

Kayser, R., Breslau. Bericht über die 1893 und 1894 in der Professor Gottstein'schen Privatpoliklinik für Hals, Nasen und Ohrenkrankheiten behandelten Krankheitsfalle. Monatsschr. f. Olirenheilk. No. 8 u. 9; 1895.

Eitelberg, A. Wien. Beiträge zur Influenza Otitis, zumal ihrer nervösen Form und Complication mit Facialisparalyse. Wien. med. Presse No. 24 u. 25, 1895.

Danziger, Fritz, Beuthen. Beitrag zur Casuistik und Aetiologie des Carcinoms des Gehérorgans, Monatsschr. f. Ohrenheilk. No. 7, 1895.

4. Marie. Paralysies faciales. Clinique médicale de hotel Dieu.

Bruck, Berlin. Ueber eine unter dem Bilde einer Ohrerkrankung verlaufende Neurose des Kiefergelenks. Deutsche med. Wochenschr. No. 33, 1895.

6. Capeder,C.J. Zur Casuistik der Diplacusis binauralis Dissert. Basel 1895.

10.

11.

Goldflam, S. und Meyerson, S., Warschau. Ueber objectiv wahrnehm- bare Ohr- und Kopfgeräusche. Wien. med. Presse, No. 17 u. 18, 1895.

Spirig, W. Ueber ein einseitiges objectiv hörbares Ohrgeräusch bei Aorteninsufficienz. Correspbl. f. Schweizer Aerzte No. 8, 1895.

Szenes, S. Sur la valeur thérapeutique de leurophène, de l’alumnol, de la diphtherine et l’antisepsine dans les suppurations de l’oreille. Ann. des mal. de l’oreille etc. Febr. 1895.

Szenes, S. Deux cas de surdité guérie. Ann. des mal. de l’oreille etc. Marz 1895. |

Mourmier, R. De l’electrisation de l'oreille dans certaines affections auriculairs. France med. 30. Aug. 1895.

64 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

12. Eitelberg, A. Ueber Ohrerkrankungen bei Verwandten. Wien. med. Wochenschr. No. 20 u. 21, 1895.

13. Ohlemann. Beitrag zu Schuluntersuchungen des Gehörorgans. Archiv f. Ohrenheilk. Bd. 37, S. 7.

14. Leitsätze der Schulgesundheitspflege. Verlag des med. Waarenhauses in Berlin, 1895.

15. Bliss, Arthur, Ames. Beitrag zum Studium der Taubstummenheilkunde. Medical News 10. August 1895.

1) Der Bericht Kayser’s enthält unter anderem die Beschreibungen folgender Fälle: Verletzung des Trommelfells und Labyrinths durch eine Stricknadel; Cholesteatom des äusseren Gehörganges mit Durchbruch in die Gegend des Unterkiefergelenkes bei freibleibendem Antrum mastoideum, Thrombose des Sinus transversus mit spontanem Durchbruch nach aussen, acute einseitige Taubheit nach Mumps. Killian (Freiburg).

2) Eitelberg berichtet über solche Fälle von Influenza, wo trotz der sehr geringfügigen pathologischen Veränderungen im Mittelohre, die Patienten von den unsagbarsten Ohrenschmerzen gequält wurden, ferner über 2 Facialisparalysen, die im Verlaufe einer leichten acuten Otitis media, resp. eines geringfügigen Mittelohrcatarrhes auftraten.

| Pollak (Wien).

3) Eine 54 Jahre alte, seit dem 10. an Ohreneiterung leidende Patientin zeigte einen den linken Gehörgang zum grösseren Theil aus- füllenden, weisslichrothen Tumor, der breit von der hinteren Gehör- gangswand ausging. Bei der operativen Entfernung ergab sich, dass _ er auch die Paukenhöhle ausfüllte, deren Wände cariös waren. Eiter floss durch die Tube in den Rachen. Die Geschwulst erwies sich als Plattenepithelkrebs. Patient entzog sich ungeheilt der Behandlung.

Danziger hebt hervor, dass das primäre Carcinom der Pauken- höhle fast nur auf dem Boden einer chronischen Eiterung entstehe.

Killian.

4) Viele sogenannte refrigeratorische Facialislähmungen sind otitischen Ursprungs, der erst unerkannt bleibt. Marie giebt als leichtes diagnos- tisches Merkmal an, dass bei der peripheren Lähmung der durch Projection auf die gelähmten Partieen hervorgerufene Reflex ausbleibt, während er bei Lähmung centralen Ursprungs bestehen bleibt.

Obwohl der Facialis ein motorischer Nerv ist, so kann man doch zuweilen eine Herabsetzung der Sensibilität, zuweilen Schmerzen beob- achten, die denen bei Trigeminusneuralgie gleichen. Andererseits kann

Pathologie und Therapie des Gehérorganes. 65

die Facialislihmung der Trigeminusneuralgie folgen in der Art, dass man unbedingt an einen Zusammenhang beider Nerven glauben muss, Dubar (Armentieres).

5) In der Baginsky’schen Poliklinik kamen 5 Fälle von Kiefer- gelenksneuralgien zur Beobachtung, die Bruck den von Esmarch sogenannten Gelenksneurosen an die Seite stellt. Die Patienteu glaubten wegen der heftigen, damit verbundenen Öhrschmerzen ein Ohrleiden zu haben, doch ergab die Untersuchung, dass diese Annahme eine irrige sei. Der innerliche Gebrauch von Arsenik brachte in allen Fällen rasche Besserung. Noltenius (Bremen).

6) Capeder analysirt die in der Literatur beschriebenen Fälle von Diplacusis und theilt sie, soweit dies möglich ist, bezüglich des Sitzes der anatomischen Läsion in solche labyrinthären Ursprungs (5) und in Mittelohraffectionen (15). Dann folgen fünf einschlägige neue ausführlich mitgetheilte Fälle, welche theils der Basler Ohrenklinik theils der Privatpraxis von Siebenmann angehören und bei welchen die functionellen Prüfungsmethoden zur Anwendung gekommen waren. Auch hier überwiegen die Mittelohraffectionen insofern, als auf dieselben 4, auf Labyrinthaffection dagegen nur 1 Fall zurückzuführen ist.

Siebenmann.

7) Der zuerst beschriebene Fall von objectiv wahrnehmbarem Ohr- geräusch war muskulär und beruhte auf Contraction des Musc. tens. veli palat. Die Untersuchung des Rachens zeigte, dass einem jeden Geräusche eine rhythmische Contraction des weichen Gaumens entspricht, wobei die Uvula mit einer hüpfenden Bewegung gehoben wird. Durch den Druck mit dem Finger auf den Gaumen ist Patient im Stande, die Contraction und das Geräusch zu unterbrechen. Der 2. Fall betraf ein objectiv am Schädel wahrnehmbares Geräusch, das mit dem Pulse isochron und von Symptomen des Gehirndruckes begleitet war. Mit Rücksicht darauf, dass der Druck auf die Art. carotis comm. sin. con- stant das Geräusch sowohl subjectiv als auch objectiv zum Schwinden brachte, und dass dieser durch eine Stunde fortgesetzte Druck keine ‘Gehirnerscheinungen zur Folge hatte, wurde, nachdem während einer Woche täglich der Druck auf die Carotis stundenlang ausgeführt wurde, die Ligatur der linken Carotis communis vorgenommen. Die Kranke überstand die Operation gut, das Geräusch verschwand unmittelbar so- wohl subjectiv als objectiv, Kehrte jedoch nach 4 Stunden wieder, und liess sich auch weiterhin ‘in ‚derselben Stärke nachweisen, als vor der Operation. Die Patientin wurde 13 Tage nach der Operation in ihre

Zeitschrift für Ohrenheilkunde. Bd. XXVIII. 5

`

66 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Heimath entlassen, starb daselbst einige Wochen später. Die Todes- ursache war nicht eruirbar. Die Verf. glauben, es mit einem Gehirn- tumor zu thun gehabt zu haben.

Schliesslich wird über einen seltenen Fall von Perception eines Nonnengeräusches im Ohre berichtet, das auch objectiv mittelst Sthetoskopes nachweisbar war. Pollak.

8) Bei Aorteninsufficienz hört man bekanntlich auch über kleineren Arterien, wo bei gesunden Menschen kein Geräusch vernehmbar ist, einen kurzen scharf begrenzten „Ton“. In dem beschriebenen Falle hörte Spirig durch das Otoskop rechterseits ein intermittirendes schwaches blasendes Geräusch, dessen Rhythmus dem Pulse entsprach. Auf dem

Processus mastoides und auf dem Scheitel war dieses Geräusch nicht.

wahrnehmbar. Dagegen über der Aorta, der r. Carotis, Subclavia und Brachialis. Ferner bestand deutlicher Capillarpuls an Stirne und Nagel- glied. Zeitweise war das Geräusch nicht zu finden, eine Erscheinung, welche Verf. veranlasst, das Vorhandensein einer relativen Stenosirung der Carotis am Eingang in den Knochencanal anzunehmen. Der betr. Patient, welcher zudem beiderseits laut mitgetheiltem, functionellem Prüfungsresultat (Rinne beiderseits positiv, Knochenleitung bedeutend verkürzt) an nervöser Schwerhörigkeit (nicht „sclerosirender chron. Otitis“ Ref.) leidet, „hörte das Geräusch früher nach heftigen Körper- anstrengungen als ein pulsirendes; seit langem aber ist es nun un- unterbrochen; wahrscheinlich übertönen die subjectiven Gehörs-

empfindungen das systolische Blasen“. Siebenmann. 9) Szenes hat die Mittel in insgesammt 86 Fällen ausprobirt ohne irgendwelchen Nutzen davon zu sehen. Dubar.

10) Der erste Fall betraf ein 8jähriges Mädchen, das 14 Tage zuvor eine eitrige Mittelohrentzüändung durchgemacht und das Gehör so weit verloren hatte, dass sie die Uhr nicht mehr im Contact hörte. Rinne +, Weber nicht lateralisirt, Trommelfell noch injieirt und ohne Reflex. Lufteintreibungen geben nur kurz anhaltende und immer kürzer werdende Besserung, die schliesslich nur 2 Minuten vorhielt. Erst als dann Pilocarpineinspritzungen im Ganzen 7 gemacht wurden, kehrte das Hörvermögen zurück und blieb gut.

Im zweiten Falle, wo ein 60jähriger Mann unter Schwindel und Erbrechen links ertaubte, stellte sich das Gehör nach 36 Stunden spontan wieder her. Dubar.

11) Bei acuten Erkrankungen giebt die Elektrisirung nach Mournier die besten Erfolge; besonders in ihrem Ablaufe. Nach einer

ee dech

Pathologie und Therapie des Gehérorganes.. 67

acuten Mittelohrentzündung, bedarf es einiger Zeit bis zur vollen Wieder- kehr der Gehörsschärfe und gerade da ist die elektrische Behandlung indicirt. Verf. verwendet sie bei jedweder Affection und bedient sich des faradischen oder inducirten Stromes von einer mit dünnem Draht armirten Spule und einer galvanischen Säule, die etwa ein Liter Bichromat enthält.

Man soll niemals bis zur Hervorrufung von Schmerzen gehen, nicht 5 Minuten Dauer überschreiten; die Sitzungen alle 4—5 Tage wieder- holen. Das gewünschte Resultat stellt sich nach einiger Zeit ein.

Dubar.

12) Auf Grundlage eines Materials von 262 Individuen, welche gruppenweise in verwandtschaftlichem Verhältnisse zu einander stehen, weist Eitelberg die Heredität nicht nur der chronischen Nasen-, Rachen- und Mittelohrcatarrhe, sondern auch der eitrigen Mittelohr- entzündungen nach. Pollak.

13) Ohlemann ist der Meinung, dass bei Schuluntersuchungen nur das Nothwendigste verlangt werden darf, sonst könnte nur ein specialistisch ausgebildeter Kreisphysikus oder Kreiswundarzt sie aus- führen, oder aber ein in solcher amtlichen Stellung befindlicher Specialist.

Er verwendet als Prüfungsmittel Taschenuhr und Flüstersprache, erstere

zur „Nahprüfung“, letztere zur „Fernprüfung“, und controlirt die eine durch die andere: versichert der Schüler, er höre die Uhr auf 2—3m, so kann man nach Verf. von vornherein annehmen, dass Flüstern ad maximum verstanden wird. Von Stimmgabelprüfungen verspricht er sich keinen praktischen Nutzen. Unter den Schülern mit herabgesetztem Hörvermögen, etwa !/, von allen, fanden sich 31 °/, mit Nasenrachen- catarrhen, Muschel. und Mandelhypertrophien, 12 °/, mit Mittelohr- affectionen, 39°/, ohne nachweisbare Ursache, 11°/, zweifelhafte. Verf. untersuchte die 356 Schüler des Mindener Gymnasiums an zwei Tagen, jeweils von 7—12 Uhr. Wenn man bedenkt, dass er ohne Assistenz arbeitete, so ist seine Leistung, etwa 36 Gymnasiasten in der Stunde auf ihr Hörvermögen zu prüfen, eine höchst erstaunliche. Bloch (Freiburg).

14) Unter den von einer Vereinigung hervorragender Aerzte, Hygienikern und Lehrern herausgegebenen 100 Leitsätzen für die Schulgesundheitspflege finden sich folgende das Hörorgan und die Nase betreffende: |

57. Kinder, welche an Schwerhörigkeit leiden, sind dem Lehrer möglichst nahe zu setzen.

5*

68 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

58. Geistige Trägheit, Unaufmerksamkeit und erschwerte Fassungs- vermögen sind nicht selten durch krankhafte Veränderungen in der Nase oder im Nasenrachenraum hervorgerufen, was sich durch Mundathmung (vorübergehendes oher dauerndes Oftenhalten des Mundes) zu erkennen giebt; diese Hindernisse sollen durch ärztliche Behandlung beseitigt werden, da auch die Entwicklung der Athmungsorgane und die Blutbildung Störungen erleiden.

Ueber Gesundheitsregeln für das Haus, Pflege der Ohren:

87. Die Ohren sind nur bei starker Kälte vor dieser durch Be-

decken zu schützen. j

88. Das Schlagen auf’s Ohr, ebenso das Hineinschreien in’s Ohr ist zu vermeiden, da eine Verletzung des Trommelfelles dadurch herbei- geführt werden kann.

89. Das äussere Ohr und der äussere Gehörgang soll nur so weit gereinigt werden, als man hineinsehen kann. Das gesunde Ohr braucht nicht ausgespritzt zu werden.

90. Es ist nicht erlaubt, mit spitzen Gegenständen, Feder, Griffel, Stricknadel im Ohr zu bohren.

91. Sind Gegenstände wie Steinchen, Erbsen, Kerne in’s Ohr ge- langt, so bedenke man, dass dieselben beim Versuch sie zu fassen, in der Regel noch tiefer in’s Ohr gedrängt werden, während sie durch einfaches Ausspritzen fast ausnahmslos entfernt werden können. Am sichersten ist es, ärztlichen Rath einzuholen.

92. Laufende, d. h. eiternde Ohren sind mit Durchlöcherung des Trommelfells verbunden. Die Ohreiterung muss, da sie lebensgefährlich werden kann, ärztlich behandelt und beaufsichtigt werden.

93. Der bei Ohreiterungen bisweilen entstehende üble Geruch ist ein Zeichen ungenügender Reinigung des Ohres. H.

15) Bliss untersuchte 546 Schüler und schliesst daraus, dass die aus dieser Statistik und derjenigen anderer Beobachter zu ziehenden Lehren, auf die Verhütung der Taubheit in der frühen Kindheit Bezug haben. Wir haben gesehen, dass, mit Ausschluss der unglücklichen Opfer ererbter Schwäche und Krankheit, zu den die congenitalen Taub- stummen wahrscheinlich als Klasse gehören, grosse Gruppen von Indi- viduen vorhanden sind, deren totale Taubheit (und daraus entstehende Stummheit) sich frühzeitig entwickelt hat und anfangs offenbar derartig

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 69

beschaffen war, dass eine Heilung zulässig gewesen wäre, wenn nur der Zustand des Ohres rechtzeitig erkannt und vernünftig behandelt worden wäre, Gorham Bacon.

Instrumente und Untersuchungsmethoden.

16. Rosenbach, Prof., Breslau. Mechanischer Schutz vor störenden Gehörs- errregungen. Münch. med. Wochenschr. No. 33, 1895.

17. Bishop, S. S. Der Insuflator bei Krankheiten der Luftwege und des Ohres. North Amer. Practitioner Juli 1895.

18. Ziem, C. Sur les conditions de pénétration de la Trompe d’Eustasche par les lavages du nez et sur une nouvelle pompe foularte.

19. Miller, J. Ein Beitrag zur Diagnostik der endotympanalen Adhäsions- processe. Wiener med. Blätter No. 21, 1895.

20. Max, Em., Wien. Zur Pulverbehandlung des Ohres, Nasenrachenraumes und Kehlkopfes. Wiener med. Wochenschr. No. 36, 1895.

21. Thorner, Max. A new mastoid Retractor. New-York med. Record 20. Juli 1895.

22. Schleicher, W., Antwerpen. Zur Galvanokaustik. Monatsschr. f. Ohren- heilk. No. 7, 1895.

23. Winckler, E., Bremen. Ueber eine neue electrische Untersuchungslampe. Arch, f. Laryngol. Bd. II. 8. 1.

24, Kirstein. Eine neue electrische Stirn-, Hand- und Stativlampe für Hals, Nase und Ohr. Deutsche med. Wochenschr. No. 29, 1895.

25. Dees, W. W. Ein automatisches Nasenpeculum. New-York med. Record 27. Juli 1895.

26. Veeder, Andrew, J. Eine Luftpumpe und eine Naseninsuflator. New-York med. Journal 20. Juli 1895.

27. Brandegee. Wm. Eine neue Zange für Entferuung adenoider Vege- tationen. New-York med. Record 3. August 1895.

28. Bors, Louis. Ein neuer Mundsperrer. New-York med. Journ. 27. Juli 1895.

29. Kirstein, Alfred. Autoskopie der Luftwege. Deutsche med. Wochen- schr. No. 38, 1895.

16) Die Beobachtung zeigt, dass häufig die Entstehung von Nervosität oder die Steigerung schon vorhandener Anlage auf dauernde Störungen des Schlafs durch äussere Einwirkungen zurückzuführen ist. Unter den letzteren sind es namentlich die den Verkehr, besonders in der Gross- stadt, begleitenden Geräusche, die durch Störung des Schlafs das sub- jective und objective Befinden ungünstig beeinflussen. Dabei ist von Wichtigkeit die Thatsache, dass häufig Geräusche oder besser die ihnen zu: Grunde liegenden mechanischen Erschütterungen auf dem normalen Reflexweg zuerst das Herz beeinflussen, während die unangenehmen akustischen Sensationen nur eine secundäre Rolle spielen; die erste

70 Bericht tiber die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Wirkung ist dabei eine starke Vagusreizung, das Erwachen erfolgt ge- wohnlich nur in Folge der Verinderung der Herzaction; das Bewusstsein eines Gehörimpulses findet oft überhaupt nicht mehr statt, so dass man über die (acustische) Ursache des Herzklopfens überhaupt nicht klar wird.

Von den bisher zum Schutze vor störenden Geräuschen vorgeschlagenen Mitteln (Antiphon) hat sich keines einzubürgern vermocht. Nach mannig- fachen Versuchen mit dem verschiedensten Material hat sich Rosen- bach folgendes Verfahren am besten bewährt: ein 6—7 cm langes, 3—4 cm breites, höchstens 1cm dickes Stück Watte wird auf einer Seite mit Vaselin bestrichen und dann von aussen nach innen (der Vaselinfläche) so aufgerollt, dass man einen ca. 4cm langen Cylinder erhält; derselbe wird dem Gehörgang entsprechend geformt und in diesen zur Hälfte eingeführt, während der aussenbleibende Theil in der Ohr- muschel ausgebreitet wird. Auf diese Weise werden alle sehr lauten Geräusche auf ein Minimum abgeschwächt, am meisten hohe und metal- lische, weniger dagegen die tiefen. Müller (Stuttgart). _

17) Bishop gebraucht einen Insuflator bei der Behandlung von Ohrenkrankheiten, durch welchen Dampf (nicht grade ein Spray, aber so fein, dass er einer dünnen Wolke ähnelt) unter hohem Druck hervor- gebracht wird und mit flüchtigen oder nichtflüchtigen Medicamenten imprägnirt werden kann. Mit Hülfe des Insuflators behandelt Bishop die Paukenhöhle mit einer 10 °/,igen Lösung von Kampher-Menthol in Lavolin ohne unangenehme Folgen. Der Nasenaufsatz des Insuflators wird einem Naseneingang eingefügt, während der andere wie beim Politzer’schen Verfahren dicht geschlossen gehalten wird. Die Backen werden aufgeblasen und der Strom vom Reservoir mit comprimirter Luft angedreht. Der Strom wird wiederholt durch den Hahn unter- brochen, so dass der Dampf abwechselnd das Mittelohr anfüllen und daraus entweichen kann. Bishop hält diesen Apparat in Verbindung _mit dem pneumatischen ÖOtoskop für die Behandlung trocknen Catarrhs des Mittelohres von grossem Werth. Gorham Bacon.

18) Eine schon auf der Wiener Naturforscher -Versammlung ge- machte Mittheilung: über die nach Art der Feuerspritzen construirte hermetische Pumpe. Sie vermeidet das Miteindringen von Luft.

j Dubar.

19) Müller liess eine pneumatische, electrisch beleuchtete Ohr- lupe nach dem Muster der Voltolini’schen construiren, die gegen- ‚über der letzteren grössere Vortheile bei dgy Diagnose der endotympanalen Adhäsivprocesse gewähren soll. Pollak.

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 71

20) Eine weitere Modification des von Urbantschitsch für das Ohr modificirten Gersuny’schen Pulverblisers, welcher das Pulver aufwirbeln und in Form von feinst vertheiltem Staube nach aussen be- fördern soll. | Pollak.

21) Der neue Mastoid Retraktor Thorners besteht aus 2 S-förmig gekrümmten Stahlplatten. Das eine Ende der Abkrümmung besteht aus dem 3gezähnten Haken, das andere Ende ist zu einer abgerundeten Rinne abgebogen. Ist der eine Haken in den vorderen Wundrand ein- gelegt, so wird eine Gazebinde in die Rinne gelegt, über die Stirne um den Kopf geführt und in der Rinne des zweiten, in den hinteren Wund- rand eingelegten, Hakens befestigt, wodurch die Wundränder auseinander gehalten werden. H.

22) Beschreibung eines galvanokaustischen Handgriffes mit Rheostat sowie einer einfachen und billigen Vorrichtung, um den von Central- stationen gelieferten Gleichstrom direct verwenden zu können. Die Einzelheiten sind im Originale nachzusehen. Killian.

23) Zum ersten Mal ist hier der Versuch gemacht, electrisches Bogenlicht zu endoskopischen Zwecken zu verwenden. Die glühenden Kohlenstifte nebst Regulirwerk befinden sich in einer cylindrischen mit Asbest gefütterten Metallhiilse. Das von einem auf 60—70 Volt ab- geschwächten Dynamostrom erzeugte Licht wird durch eine vorgeschaltete Sammellinse auf 200 Normalkerzen verstärkt. Den ganzen Apparat trägt ein schweres eisernes Stativ. Er ist in der Höhe verstellbar und

um eine horizontale Axe zu drehen. Die allem Anschein nach sehr vollkommene Lampe wird von der Firma Reininger, Gebbert und Schall in Erlangen gefertigt. Zarniko (Hamburg).

24) Kirstein hat von W. A. Hirschmann, Berlin, eine am Stirnband befestigte (oder auch als Hand- und Stativlampe zu ver- wendende) Glühlampe construiren lassen, die mit einem central durch- bohrten Spiegel dergestalt fest verbunden ist, dass ein gegenseitiges Verschieben unmöglich ist. Man vermag mit dieser Lampe auch in enge Canäle, wie z. B. Nase und Ohr, tief hineinzusehen, was bei den gewöhnlichen Stirnlampen Schwierigkeiten macht. Noltenius.

25) An die Rückseite der Feder eines Speculums (Bosworth’s), welche durch eine Stellschraube regulirt wird, ist ein Stift geschweisst, welcher durch' Scharnire für jede Seite angepasst werden kann, und nach einem Kugelgelenk verläuft, welches an einem vom Patienten ge- tragenem Stirnbande befestigt ist. Toeplitz.

72 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

26) Veeder hat Gummiballons angegeben, die mit einer Luft- pumpe zum Einblasen verbunden, in die Nasenhöhle eingeführt und nach der Einblasung und Unterbindung abgeschnitten werden. Es wurden drei Formen mit oder ohne Atlımungsröhre im Centrum an- gefertigt und nach Operationen für die Geraderichtung des Septums und zur Stillung intranasaler Blutungen gebraucht. Toeplitz.

27) Das Instrument von Brandegee ist eine Zange zum Herausreissen und Abschneiden der Wucherungen. Die schneidenden Blätter kreuzen sich nicht, so dass sie für das Zäpfchen einen Platz dazwischen lassen. Sie kann auseinander genommen und aseptisch gemacht werden. Toeplitz.

28) Das Instrument ist zusammengesetzt aus a. zwei Stahlplatten, wie die bei dem Denhard’schen Mundsperrer, zum Fixiren der Zähne; b. zwei verbindenden Stäben mit zwei runden Platten, welche, herunter- gedrückt, den Mund öffnen; c. einer Spiralfeder zwischen den beiden Platten um den aufrechten dickeren Stab herum. Wenn der Mund- sperrer an der andern Seite gebraucht werden soll, muss er umgekehrt werden. Bors nimmt für seinen Mundsperrer die folgenden Vor- theile in Anspruch: Er kann leicht eingeführt und vom Operateur gut regulirt werden; er hält sich selbst fest und kann auseinander genommen werden. Das Instrument wird von Tiemann & Co. in New-York angefertigt. Toeplitz.

29) Obwohl die Untersuchung des Kehlkopfes nicht in den Bereich der Otologie und Rhinologie gehört, glaubt Referent doch auf die ver- dienstvolle Entdeckung der Antoskopie der Luftwege bei den nahen Beziehungen der Oto-Rhinologie und Laryngologie hinweisen zu dürfen. Kirstein hat den Nachweis geliefert, dass bei vielen Menschen das Innere des Kehlkopfes und der Luftröhre der directen Besichtigung zugänglich ist und dass manche Eingriffe ohne Spiegel unter directer Controle des Auges ausführbar wird. Der Patient neigt den Oberkörper etwas nach vorn bei horizontaler Stellung des Kopfes. Die Axe des tracheolaryngealen Rohres ist dann so gerichtet, dass die Verlängerung durch die Mundöffnung austreten würde. Der Zungengrund muss dann durch den Autoskopspatel nach vorn un! unten gedrückt werden, wodurch die Epiglottis aufgerichtet wird. Der Autoskopspatel besteht aus einer niedrigen, für Erwachsene 14 cm langen Rinne. Auf den Spatel lässt sich ein etwa 6cm langer Kasten aufschieben, welcher die Zähne, die Oberlippe event. den Schnurrbart verhindert, sich an die Rinne dicht anzulegen. Referent hatte selbst Gelegenheit. sich von der Brauchbarkeit der neuen Unternehmungsmethode zu überzeugen. H.

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 73-

Aeusseres Ohr.

30. Stetter. Zur operativen Beseitigung angeborener Öhrmuschelmissbildungen. Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 39, S. 101.

3l. Voss, Riga. Ueber Fremdkörper im Ohr und die Folgen von Extractions- versuchen. Petersburger med. Wochenschr. Nr. 23, 1895.

30) Verkümmerte Muschel ohne Lobulus, ohne Meatus, Helix mit. der Tragusgegend verwachsen. Durchtrennung der Verwachsung und Interposition eines Hautlappens von der Schläfe her mit günstigem cos- metischem Erfolge. Bloch.

31) Voss theilt einen Todesfall mit, verursacht durch unzweck- mässige Entfernungsversuche eines Fremdkörpers aus dem äusseren Ge- hörgang.

Es handelte sich um ein 5jähriges Mädchen, welches einen Johannis- brodkern ins rechte Ohr gesteckt hatte. Von vier Aerzten wurden Extractionsversuche gemacht. Bei der Untersuchung in Narkose fand sich, dass der Fremdkörper fest in die Paukenhöhle eingetrieben war, der Gehörgang von seiner Bekleidung vollständig entblösst, blutig-seröses Exsudat, Klagen über Schmerzen im Ohre. Temperatur 39°. Nach Ablösung der Ohrmuschel und Erweiterung des Gehörganges konnte der Fremdkörper leicht entfernt werden. Das Trommelfell fand sich zur Hälfte zerstört, der Hammer fracturirt. Nach der Operation wurde das Kind somnolent, komatös, es stellten sich Krämpfe ein, zwei Tage darauf der Tod. H.

Mittleres Ohr.

32. Randall, B. Alex. Pneumatische Massage mit der Fingerspitze bei catarrhalischer Taubheit. Philadelphia Polyclinic, 28, Sept. 1895.

33. Alt, Ferdinand, Wien. Ueber die Anwendung des Vaselinum liquidum bei der Behandlung einiger Mittelohraffectionen. Centralbl. f. d. ges. Therapie, Nr. 6, 1895.

34. Hoover, Pierce. Jodtinctur bei Otitis suppurativa chronica. The Polyclinic. August 1895. |

35. Buck, Albert H. Warzenfortsatzerkrankungen mit verhältnissmässig geringer Schmerzhaftigkeit. N. Y. Medical Record 20. Juli 1895.

36. Marchand. Gérard. Des Mastvidites compliquant les otites. Societé de chirurgie, 26. XII.

87. Broca, A. Operations sur l'apophyse mastoide.

38. Bane, Wm. Entzündung des Mittelohres mit Einschluss des Warzen- fortsatzes. Bericht von Fällen. Denver med. Times, August 1895.

39. Lindt, W. Zur operativen Behandlung der chronischen Mittelohreite- rungen. (Freilegung der Mittelohrräume . Correspondenzbl, f. Schweizer Aerzte Nr. 12, 1895.

-

74 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

40. Gradenigo, Turin. Ueber die operative Behandlung der Otitis media purulenta chronica. Allgem. Wiener med. Ztg. Nr. 39 u. 40 1895.

41. Luc, Paris. Traitement radical des otorrhees rebelles par l’ouverture des cavités de l’oreille. Societé francaise de laryngol. et d’otologie.

42. Goldstein, M. A., St. Louis. Ein Fall von Exfoliation der Cochlea, des Vestibulum und des Canalis Semicircularis. Wiener med. Presse, Nr. 38 u. 39, 1895.

43. Oppenheim, H., Prof. Ueber den Character der Aphasie beim otitischen Abscess des linken Schläfenlappens. Fortschritte der Medicin, Nr. 18, 1895.

44. Barcar, A. Gehirnabscess nach Otitis media purulenta. Occidental med. Times, Juni 1895.

45. Cheatham, W. Ein Fall von otitischem Abscess bei einem Diabetiker. mit tödtlichem Ausgang. Cincinnati Lancet-Clinic, August 1895.

46. Burnett, C. H. Die Verhütung von Warzenfortsatz-Empyem. Medical News, August 1895.

47. Bergmann, E, v. Ueber einige Fortschritte in der Hirnchirurgie. Verhandl. der deutsch. Gesellsch. f. Chirurgie 1895.

48. Bacon, Gorham. Ein Fall von Kleinhirnabscess ın Folge von Otitis media purulenta chronica. Operation; Tod. Section. Amer. Journ. Med. Sciences, Aug. 1895. `

49. Bernard, Pitts. A Case of Otorrhoea, Lateral Sinus Thrombosis, Operation Recovery. Lancet 10. August 1895.

50. Spira, R., Krakau. Ueber Sinus Thrombose und Pyämie im Anschluss an Otitis med. sup.: Wiener klin. Rundschau 1895, Nr. 30—33.

51. Abbe, Robert. Schwere Pyämie und Jugularisthrombose. N. Y. Medical Record, 27. Juli 1895.

52. Voss, Riga. Ein Beitrag zur operativen Behandlung der Sinusthrombose. Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 39, S. 184.

32) Randall setzt an die Stelle von Hommel’s Traguspresse folgende neue Methode: Er lelırt dem Patienten, die Palmarfläche des Mittelfingers auf den Tragus zu legen, wobei man so weit zurückreicht, dass, wenn der Tragus stark nach vorn gezogen wird, der Finger gerade in den Gehörgang schlüpfen kann, ohne dass der Nagel den hinteren Rand kratzt. Dadurch wird starkes Ansaugen erreicht.

Gorham Bacon.

33) Das Vaselinum liquidum sterilisatum wurde auf der Gruber’schen Klinik bei 250 ambulanten Patienten in systematischer Weise verordnet. Bei chronischen veralteten Catarrhen des Mittelehres (catarrh. Adhäsiv- process) mit positivem Rinne erwies sich das Mittel als sehr zweckmässig. Nahezu in allen Fällen war eine beträchtliche Verbesserung der Hör- schärfe zu constatiren, auch gaben übereinstimmend die meisten Kranken an, dass quälende subjective Beschwerden sich wesentlich besserten.

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 75

Bei Sclerose waren nur in vereinzelten Fällen sehr geringe Erfolge zu verzeichnen. Bei exsudativen Mittelohrcatarrhen leistete die Vaselin- therapie nicht mehr, als die bisher gebräuchliche. Bei der Otitis media acuta scheint nach Alt’s Erfahrungen die Vaselintherapie nicht indicirt zu sein. Pollak.

34) Hoover applicirt bei hartnäckigen Fällen, welche der ge- wöhnlichen Behandlung widerstandeu haben, die Jodtinktur vermittelst eines Watteträgers, welchen er durch die Perforation des Trommelfells hindurchdrängt. Die Perforation muss erweitert werden, wenn sie klein ist. Diese Application muss zwei oder drei Mal wöchentlich ausgeführt werden. Ein Wattestück muss nachher an das Trommelfell angedrückt werden.

Hoover behauptet, mit dieser Behandlungsmethode vorzügliche Ergebnisse erreicht zu haben und berichtet über vier Fälle, in welchen der Ausfluss nach dem Gebrauch des Jods aufgehört hatte.

Gorham Bacon.

35) Buck ist während des Anfangs dieses Jahres mehreren Fällen begegnet, in denen die Schmerzhaftigkeit eine auffallend untergeordnete Rolle spielte. Er berichtet über vier Fälle, welche alle acut und durch Schmerzen beim Beginn characterisirt waren, d. h. so lange die Ent- zündung hauptsächlich auf die Paukenhöhle beschränkt war. Nach diesem Anfangsstadium, welches wenige Stunden oder Tage dauerte, bestanden entweder überhaupt keine Schmerzen, oder die Schmerzen wanderten und waren wenig ausgesprochen. Buck’s Erklärung geht dahin, dass vielleicht unter den verschiedenen lebenden Mikroorganismen, welche in passend gebauten Warzenfortsätzen schwere Entzündung und schliesslich Zerstörung der angegriffenen Gewebe herbeiführen, ein oder mehrere Species vorhanden sein können, welch: Toxine mit einer die empfindenden Nervenfasern anästhesirenden Kraft erzeugen. Als Beweis für die Be- rechtigung dieser Anschauung bezieht er sich auf die Schmerzlosigkeit tuberkulöser Entzündungen des Mittelohres. Gorham Bacon.

36) Marchand hält es für übertrieben, wenn man vom Warzen- fortsatz aus die Eröffnung des Craniums vorzunehmen anräth. Gehirn- abscesse, die vom Warzenfortsatz ausgehen, sind selten (!): nach Broca einer auf 90 Trepanationen, nach Marchand ein Kleinhirnabscess auf 30 Trepanationen. Er folgert daraus:

1. Bei den Otitiden:'sind endocranielle Complicationen selten, . be-

sonders bei der jetzigen Therapie.

76 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

2. Die frühzeitige classische Trepanation ist das beste Mittel, um denselben vorzubeugen.

3. Man soll nur das Schädelinnere freilegen, wenn sehr ausge- sprochene Symptome dazu zwingen. Dubar.

37) In sehr prägnanter Weise bespricht Broca in den ersten beiden Abschnitten die Technik und Indicationen der 3 Operationen: 1. Der Warzenfortsatzeréffnung. 2. der Warzenfortsatz- und Pauken- eröffnung und 3. der Stacke’schen Operation. Ueberall begegnet man Anschauungen, die sich vollständig mit den Ergebnissen auch der neueren Arbeiten auf diesem Gebiete decken. Dem entsprechen die Resultate, die das dritte Capitel erläutert. Bei zwei schmerzhaften, vollständig sclerotischen Warzenfortsätzen führte die einfache Aufmeisselung complete Heilung herbei. Diese genügte bei den acuten Formen der Mittelohr- entzündung bis auf 6 und hatte bei allen anderen unter insgesammt 37 Fällen, wenn man absieht von 4 schwer septischen Nekrosen, volle Heilung im Gefolge. 6 Kranke erlagen intercurenten Krank- heiten. In den chronischen Fällen soll man gleichzeitig Pauke und Warzenfortsatz freilegen, selbst wo ein einfacher Abscess ohne Fistel vorliegt (5 Fälle). Von den 32 Fällen mit Fisteln heilten vollständig 25 (4 allerdings mit leichter Otorrhoe). Die gewollte retroauriculare Oeffnung liess sich nur selten erhalten. Ausserdem noch 2 Todes- fille an Meningitis, einer an Abscess. 6 Fälle sind noch in Be- handlung. Unter diesen sämmtlichen Fällen 4 Facialislähmungen in Folge der Operation!, 6 Atticuseiterungen, zur Hälfte nach Stacke operirt, ergaben 3 Heilungeu, 1 Recidiv, 2 noch in Behandlung. Ein Fremd- körper in der Pauke, nach Stacke operirt, hinterliess noch geringe Otorrhoe. Zimmermann.

38) Bane berichtet über 5 Fälle, von denen der erste einen Patienten betraf, welcher an chronischer, eitriger Otitis media mit Per- foration am oberen hinteren Quadranten des rechten Trommelfells mit Betheiligung der Warzenfortsatzzellen litt. Er verschwand aus der Be- obachtung, kehrte aber nach 2 Monaten wieder zurück. Unter dem Ohr befand sich eine Schwellung von der Grösse eines Gänseeies. Die Gewebe waren vom Warzenfortsatz aus nach unten und hinten geschwollen und unterminirt. Die post-auriculären Drüsen waren verdickt und sehr stark vergrössert. Bei der Operation fand sich die Erkrankung nach Eröffnung der Warzenfortsatzzellen bereits durch die untere Fläche des Warzenfortsatzes hindurch in die Gewebe des Halses ausgedehnt. Der

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 11

Abscess wurde eröffnet. Die Beschreibung der übrigen Fälle enthält nichts Bemerkenwerthes. Bacon.

39) Ein sowohl für den allgemeinen practischen Arzt, als für den Specialisten bestimmter Vortrag, der zunächst in ansprechender Weise zusammenfassend wiedergiebt, was wir über die Pathogenese und die Symptomatologie des Cholesteatoms wissen. Bezüglich der Therapie glaubt Lindt, dass es zweckmässiger und leichter sei, das Antrum nicht direct von der Gehörgangsseite aus zu eröffnen, sondern zuerst nach Schwartze zu operiren und erst nachträglich die Wand zwischen Ge- hörgang und Antrum zu entfernen. Bei kleinen Cholesteatomen schliesst Lindt die retroauriculare Wunde durch die Naht. . „Grosse Choleste- atome“, sagt Verf., „operire ich nach Siebenmann und zwar erst, nachdem ich gesehen, dass eine Nachbehandlung durch den Gehörgang nicht gründlich geschehen konnte.“ Die Radicalbehandlung wird man auch da machen dürfen, wo man sich sagen muss, dass eine conservative Behandlung möglicherweise Heilung bringen könnte, der Patient äusserer Umstände wegen es aber vorzieht, sich einmal radical und sicher be- handeln zu lassen, als nach vielen Sitzungen vielleicht doch noch operiren lassen zu müssen. Erst nach längerer Behandlung mit dem Pauken- röhrchen wird man entscheiden können, ob radical oder conservativ vorgegangen werden soll. Im Anschluss folgt die Casuistik, welche 9 Fälle umfasst. Siebenmann.

40) „Mit Rücksicht darauf, dass Läsionen des Epitympanum und des Antrum in der Mehrzahl der Fälle von chronischor Otitis zugleich vorkommen, ist nach Gradenigo der sicherste operative Eingriff die Eröffnung beider Höhlen von rückwärts, das heisst, man eröffnet zuerst breit das Antrum und trägt hierauf die hintere obere Wand des äusseren Gehörganges und die äussere des Aditus und des Epitympanum ab.“

, Pollak.

41) Luc hat bei 4 Kranken mit hartnäckiger Otorrhoe das Mittel- ohr breit geöffnet. 2 von ihnen mussten vor voller Heilung nach Haus zurückkehren. Die 3 zuletzt Operirten können wegen der Kürze der Zeit, die seit der Operation verflossen ist, nicht als geheilt mit betrachtet werden. | . |

Bei den sämmtlichen anderen Kranken nahm stets das Antrum an der Granulations- oder Cholesteatombildung Theil. Luc. glaubt, : dass allgemein jede halbwegs alte Atticuseiternng zugleich auf das Antrum übergreift, so dass es eine unvollständige Operation wäre, wollte man sich nur auf den Atticus beschränken. Bezüglich der Operation

78 Bericht tiber die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

muss man genau unterscheiden zwischen Fällen mit ausgebreiteten Warzenfortsatzzerstörungen und engem Gehörgang und solchen mit auf den Atticus beschränkter Eiterung und weitem Gehörgang. Die ersten sollen mit persistenter retroauricularer Oeffnung und Lappentransplan- tation behandelt werden; die Fälle der zweiten Klasse räth K. mit früher, zuweilen directer Schliessung der retroauricularen Wunde durch den Gehörgang zu behandeln. In einem Falle musste die Operation unterbrochen. werden, wegen zufälliger Eröffnung des zu weit nach vorn gelegenen Sinus. Sie wurde, nachdem 8 Tage lang die Wunde mit Jodoformgaze tamponirt war, wieder aufgenommen und glücklich beendet.. Bei einem Patienten mit ausgedehnter Zerstörung fast der ganzen Apophyse kam es zu einer Facialisverletzung während der Operation. Dubar.

42) Goldstein constatirt das Vorhandensein von Gehörsempfin- dungen an der afficirten Seite nach Entfernung der Cochlea durch manchen Einwand gestattende Hörproben. Die Prüfung mit Stimmgabeln wurde verworfen, „da wir es mit einem exfoliirten Labyrinthe zu thun hatten, war die Stimmgabel in Bezug auf Knochenleitung ohne jeden Werth“ (!).

| Pollak.

43) Die Ausführungen Oppenheim’s über den Character der Aphasie beim otitischen Abscess des linken Schläfenlappens gehen dahin:

„Die bei den otitischen Eiterherden des linken Schläfenlappens auf- tretende Sprachstörung beruht auf der Läsion des sensorischen Sprach- centrums oder auf der Unterbrechung der Bahnen, welche dieses mit anderen Rindengebieten verknüpfen. Die Localisation des Krankheits- processes schafft häufiger die Bedingungen für die Unterbrechung der Associationsbahnen als für die Schädigung des Centrums selbst, doch ver- binden sich auch die beiden Factoren miteinander.“ Es findet sich die sensorische Aphasie oder Worttaubheit, die selten vollständig ist, sich meistens verbindet mit Paraphasie und amnestischer Aphasie. Das Ver- ständniss für das zugesprochene Wort ist nicht immer beeinträchtigt, das Unvermögen die Klangbilder für die Sprache zu verwerthen, erzeugt amnestische Aphasie.

Werden die Bahnen durchbrochen, welche das Klangbildcentrum mit den optischen Centren verknüpfen (wahrscheinlich bei der Localisation in den basalen und hinteren Abschnitten des Lobus temporalis), so kommt es zu optischer Aphasie. Der Patient sieht z. B. eine Glocke, erkennt sie, findet aber das Wort nicht, sondern’ erst nachdem er den Klang gehört hat. Eine solche Aphasie sah Oppenheim bei einem von

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 19

Jansen bereits beschriebenen Krankheitsfall. In solchen Fällen kommt es, was bis jetzt noch nicht berücksichtigt wurde, auch zur partiellen Worttaubheit, die darauf beruht,’ dass aus dem, was der Kranke mit. dem Ohre auffasst, dasjenige nicht oder unvollständig pereipirt wird, dessen Verständniss durch die associative Thätigkeit vom sensorischen Sprachcentrum und Sehcentrum vermittelt wird. Wenn wir einem an dieser Affection leidenden Individuum z. B. sagen: „Es flattern die: Fahnen, es wölbt sich das Segel“ u.s. w., so wird es davon kaum etwas auffassen, da es vom Klangbild nicht zu diesen vorwiegend .der optischen Sphäre entstammenden Begriffen gelangen kann. Es wird dagegen andere Fragen, deren Auffassung keine Anforderungen an die optische Sphäre stellt, z. B. die: „Sind sie gesund? Wie geht es Ihnen? Haben Sie Kopfschmerz ? etc. verstehen.“

Oppenheim hat zwei Fälle von otitischem Abscess des linken Lobus temporalis beobachtet mit einer solchen Form der acustisch- optischen Aphasie. | H .

44) Die 13jährige Patientin Barcan’s hatte bis zum gegenwärtigen Anfall niemals einen Ohrenschmerz gehabt: Am 1. November 1894 be- kam sie Schmerzen im linken Ohr, wofür einfache Mittel gegeben wurden, und die Schmerzen liessen auf einige Tage nach, um bald wieder anzu- fangen. Am 4. November trat eine Halsentzündung und ein Ausfluss aus dem Ohre auf, welch’ letzterer sehr reichlich, grünlich-gelb gefärbt und geruchlos war. Zu. dieser Zeit hatte sie keine Schmerzen. Am ` 10. November klagte sie wieder über Kopfschmerzen und Schwindel und ungefähr 2 Wochen später wurden wegen Empfindlichkeit der Haut, ohne Schwellung und Röthung, über dem Warzenfortsatz, Blutegel gesetzt und nachher Eisbeutel aufgelegt. Am 23. November schwankte die Temperatur zwischen 98,5 ° und 102° F. und um 2 Uhr Nachts bekam sie plötzlich heftige Schmerzen im Kopf mit nachfolgendem Stupor. Der Puls war regelmässig und gut und der Ausfluss an Menge geringer. Es bestanden Schmerzen auf Druck über dem Warzenfortsatz, welcher sofort eröffnet und vollständig elfenbeinern befunden wurde. Während des Nachmittags war die Patientin bei vollem Bewusstsein ohne Schmerzen, welche jedoch während der Nacht wiederkehrten, wobei die Temperatur auf 101° F. stieg. Es war keine Neuritis optica vorhanden. Sie delirirte schliesslich heftig mit zurückgebogenem Kopfe und die Tempe- ratur stieg auf 102° F. Sie starb am folgenden Tage.

Section: Gehirnmembran, nur wenig congestionirt. In den Lymph- räumen, entlang den Gefässen der Pia mater, war mehr oder weniger

80 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Eiter vorhanden. Viel Eiter fand sich in den Lymphräumen auf der Oberfläche des Kleinhirns. Die untere Fläche des Temporo-sphenoidal- lappens, die unmittelbar über dem Felsentheil des Schläfenbeins lag, war erweicht und zertrümmert, unter Bildung eines Abscesses von ungefähr der Crösse eines Hühnereies. Die Dura mater war nur leicht con- gestionirt und war über eine Fläche von ungefähr !/, ‘“ im Durchmesser verdickt. Der Knochen zeigte keine Perforation. Gorham Bacon.

45) Der 56jährige Patient wurde zuerst am 22. Februar 1895 gesehen. Ohrenschmerzen traten an diesem Morgen auf; dabei bestand eine leichte Congestion des Trommelfells, aber keine Hervorwölbung oder Empfindlichkeit über dem Warzenfortsatz. Es wurden Blutegel gesetzt ünd’ das Ohr mit heissem Carbolwasser geduscht. Am folgenden ‘Tage wurde eine Paracentese des Trommelfells nothwendig, worauf sich viel Eiter entleerte. Der Patient wurde jedoch deliriös und bewusstlos. Der Urin enthielt Eiweiss und Cylinder. Eine Eishaube und Leiter’sche Röhren wurden angewandt. Um 3 Uhr Nachmittags desselben Tages wurde die Temperatur 102 ° F., der Pnis 130 und die Respiration 44. Um 9 Uhr 30 Min. entschloss man sich wegen Eiters zur Trepanation. Der Warzenfortsatz wurde eröffnet, aber es wurde kein Eiter gefunden. Es fand sich aber eine alte Fistel, welche von der Spitze des Knochens in die Zellen führte. Die Schädeldecke wurde eröffnet, aber es wurde Eiter weder in der Fistel noch in verschiedenen Theilen des Gehirns gefunden. Er starb 48 Stunden nach dem ersten Auftreten der Schmerzen. Zwei Stunden vor dem Tode erfolgte eine plötzliche Entleerung blutig- eitriger Flüssigkeit aus der Nase, welche ungefähr ein halbes Liter mass. Der+Patient hatte bereits vor 15 Jahren an Warzenfortsatzer- krankung gelitten. Er war ein Diabetiker, obwohl der Zucker während der letzten Krankheit aus dem Urin verschwunden war. Er war ein starker Champagner-Trinker. Gorham Bacon.

46) Burnett glaubt, dass Warzenfortsatzerkrankung häufig durch ungeschickte Behandlung des Arztes verursacht wird. Wenn trockene Wärme keine Erleichterung der Schmerzen herbeiführt, dann ist die Paracentese die einzig richtige Maassregel bei der acuten Otitis media. Der äussere Gehörgang muss dann durch einen Jodoformstreifen anti- septisch drainirt werden. Die Eröffnung des Warzenfortsatzes allein, sagt Burnett, unterdrückt nicht die chronische Otorrhoe. Die nekrotischen Gewebe der Paukenhöhle mässen entfernt werden, bevor die chronische Eiterung heilt. Gorham Bacon.

os u n

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 81

47) Nach Besprechung des gegenwärtigen Standes der Chirurgie bezüglich der operativen Behandlung von Hirntumoren und Epilepsie gebt v. Bergmann zu einer eingehenden Besprechung der Erfahrungen über die chirurgische Behandlung intracranieller Eiterungen über. Bergmann beschränkt sich auf die vom Ohre ausgehenden Eiterungen des Hirns, der Hirnhäute und der Blutleiter. Er erwähnt, dass auf 1000 Todesfälle nicht weniger als 7 durch otitische Hirnkrankheiten verursacht sind und auf 1000 acute und chronische Eiterungen 3—4 letale Hirncomplicationen kommen, fügt jedoch besonders hinzu, dass Personen, die seit frühester Kindheit an Ohreiterung litten, das höchste Lebens- alter erreichen können.

Nach Körner „beginnen die otitischen Krankheiten des Hirns, der Hirnhäute und der Blutleiter in der Regel an der Stelle, wo die ursächliche Eiterung im Schläfenbein bis zum Schädelinhalte vorge- drungen ist.“

Während früher v. Bergmann darauf ausging, bei der Hirnabscess- operation die 3 Windungen des Temporallappens zu treffen, geht er jetzt, wie bereits von ohrenärztlicher Seite empfohlen, darauf aus, zunächst nur das Tegmen tympani zu erreichen.

Auch bei Hirneiterungen, welche sich einem nicht aseptisch ver- laufenden Basisbruch anschliessen, bei welchen die Infection vom äusseren Grehörgang aus stattgefunden hat, ist diese Stelle aufzusuchen. Es kann der Bruchspalt erreicht und der Eiteransammlung längs desselben Abfluss verschafft werden. Ein Mann, welcher sich eine Basisfractur mit Riss durchs Trommelfell und Blutung aus dem Ohr zugezogen hatte, kam im Beginn der zweiten Krankheitswoche mit hohem Fieber in die Klinik. v. Bergmann machte das Dach der Paukenhöhle auf, fand Eiter ‚zwischen Knochen und Dura sowie dem sich noch in die Schuppe hinauf erstreckenden Bruchspalt. Patient genas.

Die Hirnabscessoperation wird von v. Bergmann in folgender Weise vorgenommen. Nach sorgfältiger Desinfection des Operations- terains wird der Schnitt geführt vorn in der Höhe und dicht vor der seichten Furche zwischen Tragus und Helix und umschneidet nun im Bogen den Ansatz bis an einen gleich hoch mit der Ausgangsstelle des Schnittes hinten auf der Aussenfläche gelegenen Punkt des Proc. mastoideus. Von hier wird noch 2—3 cmı horizontal oder etwas nach oben nach hinten geschnitten. Der Schnitt geht in einem Zuge bis auf den Knochen. Die Arterien werden sofort gefasst und unterbunden. Nun werden nach oben und unten die Weichtheile mit Raspatorium oder mit dem Messer

Zeitschrift fir Ohrenhei'kunde. Bd. XXVIII. 6

82 Bericht tiber die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

abgelöst, Haut- und Peridstschichten des Gehörgangs mit Muschel in bekannter Weise mit dem Wundhaken nach vorn abgezogen; nach oben wird ein etwa 2 Finger breiter Abschnitt der Schuppe freigelegt. Zwei Knochenschnitte werden, der eine vorn und aufwärts vom Zusammenstoss der Linea temporalis mit der Incisura parietalis, der andere 3—4 cm weiter nach vorn 2!/,—3 cm vertical in die Höhe geführt und oben durch einen Horizontalschnitt vereinigt. Die Dura mater wird mit einem Elevatorium von der oberen Pyramidenfläche abgehoben, so dass die Gegend über dem Tegmen tympani sichtbar wird. Wenn hartnäckige Mittelohreiterung besteht, so soll von demselben Schnitte aus durch Ab- meiselung des Warzenfortsatzes das Mittelohr freigelegt werden.

Besteht Verdacht auf Sinusthrombose, so muss der Sinus freigelegt und untersucht werden, entweder vom Warzenfortsatze aus oder von der beschriebenen freigelegten oberen Pyramidenfläche aus. Ist der Sinus mit jauchigem Eiter gefüllt, so empfiehlt Bergmann die Unterbindung der Vena jugularis. Bei etwaigen Blutungen wird mit Jodoformgaze tamponirt. Muss dann noch im Kleinhirn nach einem Abscess gesucht werden, so muss die Gegend nach hinten und nahe vom Warzenfortsatze freigelegt und der Knochen durch einfaches Abkneifen mit der Lüer- schen Hohlmeisselzange abgetragen werden. Der Abscess findet sich in dem Abschnitte des Kleinhirns, welcher der Fossa sigmoidea angrenzt.

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48) Ein 31jähriger Irrländer wurde zuerst am 23. November 1894 gesehen. Er hatte früher 5 Jahre lang an Otitis media purulenta chronica gelitten. Das Trommelfell war ganz zerstört und Granulationen fanden sich am Eingang des Atticus. Es bestanden weder Schmerzen noch Empfindlichkeit über dem Warzenfortsatz. Am 11. December 1894 wurde der Patient ins Hospital aufgenommen. Sechs Tage vorher trat Uebelkeit, Erbrechen und Schwindel auf, welche bis zur Aufnahme an- hielten, während der Ausfluss geringer geworden war. Es zeigte sich auch schwankender Gang. Die Knochenleitung war fast ganz verloren gegangen. |

Da eine ausgiebiege Drainage aus dem Atticus nicht hergestellt werden konnte, so wurde der Warzenfortsatz bis auf das Antrum mit Meisseln eröffnet und das letztere mit Granulationen angefüllt befunden. Der Warzenfortsatz war sehr dicht und so hart wie Elfenbein. Es wurde freie Drainage hergestellt. ‘Zuerst trat -eine leichte Besserung ein, aber schon nach 3 Tagen bekam der,Patient einen schweren Anfall von Erbrechen und er begann bald über heftige Schmerzen auf dem

ad

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 83

Scheitel zu klagen; es entwickelten sich auch die Symptome einer leichten Paralyse des Facialis.

Es wurde die Diagnose eines Kleinhirnabscesses gestellt auf Grund folgender Symptome: leichtes Oedem des rechten Sehnerven, schwere Kopfschmerzen, Erbrechen, heftiger Schwindel bei Bewegung, schwanken- der Gang, Facialislähmung, Pulsverlangsamung mit sehr geringer Temperaturerhöhung. Am 25. December wurde der Patient ätherisirt, die frühere Warzenfortsatzöffnung erweitert und der Sinus lateralis frei- gelegt. Der letztere stellte sich als normal heraus. Eine Knochen- Scheibe von 2 cm im Durchmesser wurde dann an einem 5cm hinter und 6 mm unter dem Centrum des äusseren Gehörgangs gelegenen Punkte entfernt. Verschiedene Theile des Kleinhirns wurden durchforscht, aber kein Eiter gefunden. Eine Knochenscheibe wurde dann an einem 5 cm direct über dem Centrum des äusseren Gehörgangs gelegenen Punkte entfernt, und das Gehirn sowohl als auch die Paukenhöhle durchforscht, aber wie vorher, mit negativem Resultat.

Während der nächsten Tage nach der Operation bestanden weniger Kopfschmerzen, Schwindel und Erbrechen und die Facialislähmung war weniger deutlich, aber gleich darauf wurden die Kopfschmerzen wieder sehr heftig und Erbrechen trat wieder auf. Der Patient fiel immer mehr ab und starb am 15. Januar, 3 Wochen nach der Operation.

Bei der Section fanden sich die Gefässe des Pons und der Medulla sehr ausgedehnt. Der rechte Seitenlappen des Kleinhirns war vergrössert und die vorderen äusseren zwei Drittel des rechten Lappens waren er- weicht. Bei der Spaltung der rechten Kleinhirnhemisphäre in der Horizontalebene wurde ein Abscess mit dickem, fötidem Eiter innerhalb des vorderen Theiles der Hemisphäre gefunden; er mass 4,5 cm von vorn nach hinten und 3 cm quer. Der Abscess hatte das Corpus dentatum vollständig vernichtet und hatte auf den mittleren Kleinhirnstiel über- gegriffen. Der dritte und achte Gehirnnerv waren unzweifelhaft com- primirt worden. Es bestand weder auf der Kleinhirnoberfläche noch sonst irgendwo ein Zeichen von Meningitis, so das. die Operation dem Patienten thatsächlich keinen Schaden zugefügt hatte.

Die Section erwies, dass der Eiter so dick war, dass er selbst durch einen grossen Troikart und eine weite Canüle nicht hätte entfernt und eine Heilung ‘nur durch eine sehr grosse Incision in das Kleinhirn und Ausschneiden der Abscesswand hätte herbeigeführt werden können. Dies wäre aber fast: unmöglich gewesen. Auto-Referat.

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84 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

49) In Pitts Fall fehlte die Schmerzhaftigkeit im Verlauf der Vena jugul. interna. Dagegen bestand auf der Seite der Erkrankung Strabismus internus, nebst Trübung der Sehnervenpupille und Erweiterung und Schlängelung der Retinalgefässe. Nach Unterbindung der Vene trat langsam und mit viermaliger Unterbrechung durch Schüttelfröste Genesung ein.

50) Spira berichtet über einen operativ geheilten Fall von Sinus- thrombose und knüpft daran Bemerkungen über Indicationen zur Eröff- nung des Warzenfortsatzes, Diagnostik und Therapie der Sinusthrombose.

Pollak.

51) Abbe trug die Krankengeschichten von vier Fällen vor:

Fall 1. Sinuspyämie und Jugularisthrombose: Ballance’sche Operation, Heilung. Patientin, eine 32jährige Wärterin, hatte zwei Wochen vor der Operation einen acuten eitrigen Ausfluss aus der Nase, weswegen sie in Behandlung war. Derselbe bestand 10 Tage fort und besserte sich, obgleich sie dabei auch an Ohrenschmerzen mit beständigen Kopfschmerzen litt. Es trat eine spontane Perforation des Trommelfells mit eitrigem Ausfluss aus dem linken Ohr auf. Wenige Stunden später bekam sie einen heftigen Schüttelfrost mit einer Temperatur von 105 ® F. Dabei bestanden weder Schmerzen, noch Oedem über dem Warzenfortsatz. Ihre Temperatur schwankte zwischen 104 ® und 105 ° F., während dreier Tage. Auf die Schüttelfröste folgte Delirium und die Kopfschmerzen dauerten fort. Sie wurden semi-comatös, die Respiration oberflächlich und der Puls fadenförmig, 120. Es bestand grosse Empfindlichkeit über der Jugularis. Die Jugularis communis wurde zwischen zwei Liga- turen unterbunden und durchschnitten. Bei der Eröffnung des Warzen- fortsatzes fand sich kein Eiter. Der Sinus lateralis wurde in seiner ganzen Ausdehnung zugleich mit der oberen Jugularis-Vene aufgeschnitten. Die incidirten Venen wurden frei durchgespült. Die Patientin genas.

Fall 2. Sinuspyämie und Jugularisthrombose: Ballance’sche Operation, Tod. Die 20jährige Patientin litt ein Jahr lang an einer eitrigen Otitis. Zwei Wochen vor der Operation hatte sie Symptome von Warzenfortsatzabscess. Der Knochen wurde eröffnet und wenig Eiter entleert. Sie hatte darauf einen Schüttelfrost mit einer Temperatur von 102!/,° F. und Symptome von Seiten des Kopfes. Zur Zeit der Operation waren die Pupillen gleich. Stauungspapille, Lethargie, langsamer Puls ohne äussere Schwellung und ohne Empfindlichkeit auf Percussion waren

“vorhanden. Eine Knochenscheibe wurde: 1!/,‘ hinter und 1!/,‘ über

dem äusseren Gehörgang entfernt. Das Gehirn wurde auf einen Abscess

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 85

ohne Erfolg punktirt. Die Warzenfortsatzzellen und der Sinus lateralis wurden dann durchforscht, wobei in letzterem ein eitriges Gerinnsel ge- funden wurde. Der Sinus wurde gereinigt und die Jugularvene unter- bunden und ausgewaschen. Die Patientin starb und die Section ergab eine umschriebene eitrige Meningitis, welche die rechte Hälfte des Klein- hirns bedeckte, nahe dem Ende des erkrankten Sinus lateralis, wo eine ' Oeffnung von den Warzenfortsatzzellen aus durchgebrochen war und auch mit dem Sinus lateralis communicirt hatte.

Fall 3. Sinuspyämie mit Jugularisthrombose: Ballance’sche Operation. Septische Pneumonie. Tod am fünften Tage. Der 43jährige Patient bekam nach Influenza eine Otitis media mit Perforation des Trommelfells und Warzenfortsatzerkrankung. Der Warzenfortsatz wurde geöffnet, worauf nur vorübergehende FErleichtung stattfand. Zwei Wochen später hatte er einen Schüttelfrost mit Fieber und Schweiss- ausbrüchen. Geringe Schwellung und bedeutende Empfindlichkeit ent- wickelten sich dem vorderen Rande des Sternocleidomastoidleus entlang. Der Warzenfortsatz wurde wieder eröffnet und der Sinus freigelegt. Eiterige Flüssigkeit wnrde daraus entleert. Die Jugularvene wurde von ihrer Verbindungsstelle mit der Facialvene eröffnet, beide wurden unter- bunden und die Jugularis oberhalb der Ligatur durchschnitten. Der Sinus lateralis wurde eröffnet und ein Thrombus und Eiter daraus ent- fernt. Die Wunde wurde wie in den anderen Fällen behandelt. Er starb fünf Tage später mit einer Temperatur von 103° bis 105° F-

Fall 4. Warzenfortsatz-Pyimie. Tod durch septische Pneumonie.

Der 37jährige Pytient bekam eine schwere Sepsis nach eitriger Otitis. Der Urin enthielt Albumen und Cylinder. Der Warzenfortsatz wurde eröffnet und stinkender Eiter und fauler nekrotischer Knochen wurde aus dem Attikus und dem Mittelohr entfernt. Die Jugularvene wurde untersucht und reines Blut herausgezogen, ohne dass sie freigelegt worden wäre. Der Patient hatte gelegentliche Schüttelfröste mit Zeichen von Pleuropneumonie. Die Lungensymptome wurden heftiger und er starb am 7. Tage nach der Operation. Gorham Bacon.

52) Fall 1. 13jähriges Mädchen mit chronischer Eiterung |. seit ` dem ersten Lebensjahre und mehrfachen Pausen. Bei neuerlichem Recidive Schüttelfröste, Sputum und Urin bluthaltig, Gelenkschwellungen, Oedem der 1. Wange, ím Meatus stinkender Eiter. Sinus 2 cm breit freigelegt, bei der Eröffnung graurother'iEiter. Weiterhin Icterus, Lähmung des Augenfacialis; Heilung 10 Wochen nach der Operation.

86 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Fall 2. 32jähriger Arbeiter, l. alte stinkende Eiterung. Kopf- schmerzen 1l., Fröste, pr. mast. druckempfindlich, complete Facialislähmung l., angeblich seit Kindheit. Verdacht auf Sinusthrombose. Die Fröste dauern an, V. jugular. hart, schmerzhaft, Schluckschmerzen. Unterbin- dung der Jugularis nahe der Clavicula in schon thrombosirter Strecke, Sinus 1!/, Zoll weit gespalten, dessen Thrombosen schon mit verfärbten stinkenden Punkten durchsetzt, ebenso Jugular., welche ausgeräumt wird. Nach anfänglicher Besserung wieder Fröste, Coma, Exitus. Section ver- weigert.

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Fall 3. 31/,jähriges Mädchen mit rechts. chronischer stinkender Eiterung, intermittirendem Fieber, Schüttelfrösten, Halsschmerzen, empfind- lichem Strang entlang der V. jugular. Freilegung derselben bis zur Clavicula, Thrombus und Eiterstreifen in ihrer Wand noch weiter herab- reichend. Doppelt unterbunden und durchschnitten, Thrombus stinkend, nicht eitrig, im Antrum wenig Eiter. im Sinus 1 cm langer, aashaft stinkender Thrombus. Nachher Lungengangrän RHU. Nach 7 Wochen bei noch bestehender Ohreiterung gebessert entlassen.

Fall 4. 56jähriger Mann zeigt beim Ablauf einer acuten Mittel- ohreiterung hartnäckige Obstipation, Appetitlosigkeit und psychische Depression, unregelmässiges Fieber, Pulsverlangsamung, sodann druck- empfindlichen Strang längs der Jugularis, Somnolenz, Unbesinnlichkeit, Uebelkeit. Unterbindung der Jugularis, aus welcher sich rahmartige Masse entleert, ebenso aus dem eröffneten Sinus. Nun schwindet sotort die Obstipation, Sensorium frei. Appetit vortrefflich, doch tritt nach- triglich doppelseitige Sehnervenatrophie und Recurrenslihmung der kranken Seite auf.

Fall 5. 24jährige Diaconissin, actute Entzündung der Pauke und des Warzenknochens 1., 2 Wochen nach dem Beginn aufgemeisselt. 2 Tage nach der Operation meningitische Symptome, dann Frost, Appetitlosigkeit, Schluckschmerzen bei freiem Rachen. Ueber der Jugularis Druckschmerz. Diese wird zwischen 2 Ligaturen durchtrennt, der eitrig infiltrirte Warzenfortsatz weggemeisselt, der Sinus eröffnet. Er enthielt zerfallenes, trockenes Gerinnsel. Nach 4 Wochen bei pyämischen Erscheinungen und ausgedehnter Meningitis suppurat. Exitus.

Die interessanten Krankengeschichten verdienen im Original nach- gelesen zu werden. u E. Bloch.

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 87

Nervöser Apparat. 53. Shirmunski, M., St. Petersburg. Morbus Meniöri. Wiener med. Blätter, Nr. 32—34, 1895. |

54. Collet, de, Lyon. Des troubles auditifs dans le tabes. Congrés frangais de medecine intern.

55. Stiel, Andr., Köln. Ein Fall von Labyrinthentzündung bei Lues here- ditaria tarda. Monatschr. f. Ohrenheilk., Nr. 8, 1895.

53) Auch Shirmunski unterscheidet 2 Formen von Morbus Menieri: Die primäre oder apoplectische Form, die bei Leuten mit vollständig normalem Gehörapparat auftritt und die secundäre Form, die man an Leuten beobachtet, die an chronischem Catarrh (Sclerose) der _ Paukenhöhle leiden. Shirmunski hat von Darreichung von 0,3 Chinin sulf. pro dosi et die sehr günstige Erfolge gesehen. Pollak.

54) Bei 51 Tabetikern fand Collet Gehörsstörungen, die auch nach dem functionellen Befund in der Mehrzahl der Fälle auf Mittel- ohraffectionen beruhten, nur einmal fand sich die electrische Reaction des Acusticus.

Die gefundenen Störungen können sich einmal erklären durch früher stattgehabte Mittelohraffectionen, durch chronische Rachenaffectionen oder Syphilis, es handelt sich dann um ein einfaches Nebeneinanderbestehen, oder sie sind direct von der Tabes abhängig. Durch Vermittelung des Trigeminus, wie es 16 Beobachtungen zu erweisen scheinen, wo die verschiedensten Störungen aus diesem Nervenbezirk Anästhesie, Analgesie, blitzartige Schmerzen, Ausfall der Zähne mit beobachtet wurden. Bei dieser Hypothese standen der Tabes 2 Wege zur Gehörsstörung offen: einmal der sensible Nerv der Nerv. acusticus, wie das neulich Pierret be- obachtet hat und zweitens der trophische Trigeminusast. Dubar.

55) Die Erkrankung hat zu fast vollständiger Taubheit geführt und war durch eine’ linksseitige Facialisparalyse complicirt. Antisyphi- litische Behandlung und spiter Pilocarpininjectionen führten nur eine geringe Besserung herbei. Killian.

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Nase und Nasenrachenraum. 56. Aronsohn, Ed. Versuche einer Nomenclatur der Geruchsqualitäten. Arch. f. Laryngol., Bd. II, 1. 57. Labit. Traitement de l’anosmie par des douches d'acide carbonique. 58. Richardson, John B. Epistaxis. N. Y. med. Record 27. Juli 1895.

59. Strübing, Prof., Greifswald. Ueber Ozäna. Münch. med. Wochenschr. Nr. 39, 40, 1895.

88 60. 61. 62. 63. 64. 65. 66. 67.

68.

69.

70. 71.

72. 73.

T4.

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56) In einem kurzen Referat lässt sich der Weg nicht verständlich wiedergeben, auf dem der um die Physiologie des Geruchs verdiente Ver- fasser dazu gelangt. aus den chemischen Formeln einzelner Repräsentanten gewisser Geruchsklassen Worte zu bilden, wie cadahlich (für die Gruppe des Amylwasserstoffs) asbocig (Arsenigsäure), cadahknobig (Amylnitrit) hacylich (Bausäure), cihpolich (Campher) etc. etc.

Zarniko.

57) Durch Anwendung von Kohlensäure wurden die Geschmacks- und Geruchsempfindungen vollständig in einigen Wochen wiederhergestellt.. Die Douchen wurden Morgens und Abends gasförmig gebraucht. Es genügt einen Siphon Selterswasser umzudrehen, auf das Ventil zu drücken, um die Flüssigkeit im Ueberschuss entweichen zu lassen, dann das Röhr- chen der Nasenöffnung zu nähern. Dubar.

58) Richardson berichtet über einen Fall von Epistaxis bei einer 38jährigen Bluterin. Die Blutung entstand in der Verbindung des Bodens der rechten Nasenhälfte mit der Scheidewand, °/,‘ hinter der äusseren Oeffnung. Hintere Tamponade mit der Bellocq’schen Röhre und gleichzeitige Tamponade von vorn mit kleinen Wattebäuschen, die übereinander gelegt wurden, verhüteten nicht die Wiederkehr der Blutungen in regelmässen Anfällen von 12 bis 15stindiger Dauer, bis. die folgende Lösung innerlich verabreicht wurde:

Rp. Hydrarg. bichlorat. corr. 0,06

Acid. muriat. dilut. . 8,00 Tinct. cannab. ind. i 8.00 Fl. Extr. Ergotie . . 12,00 Syr. simpl . . . . 80,00 Inf. Quassiae . . . 225,00

Mf. Sol. Einen Esslöffel in Wasser drei Mal täglich. | M. Toeplitz.

59) Strübing hat 100 Fälle, wo die klinische Diagnose auf Ozäna lautete, durch Abel bakteriologisch untersuchen lassen; bei

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Yo Bericht über die Fortschritte der Obrenheilkunde.

allen hat sich ein bestimmter wohlcharakterisirter Bacillus B. Ozaenae gefunden, der in gesunden oder anderweitig erkrankten Nasen niemals nachzuweisen war. Auf Grund dieses Resultats stellt sich ihm das Wesen des Ozäna folgendermaassen dar: die Ansiedlung dieses Bacillus auf der gesunden oder anderweitig erkrankten Schleimhaut der Nase oder des Nasenrachenraums, ruft einen eigenartigen mit Bildung eines zähen leicht trocknenden Sekrets einhergehenden entzündlichen Process hervor. An das Fortschreiten desselben knüpfen sich Schwellungs- zustände und mit der Zeit hypertrophische Vorgänge. Die Atrophie entsteht erst später secundär als Folge der langdauernden Entzündung und vielleicht auch des Drucks von Seiten der Borken. Der Fötor ist keine constante Erscheinung, er ist durch Mischinfection bedingt. Natür- lich kann sich diese eigenartige Entzündung in die Nebenhöhlen, in die Tuba so wurden die Bacillen im Mittelohreiter eines Ozänakranken nachgewiesen —, in Kelhlkopf und Trachea fortsetzen. Was das Ver- hältniss der Ozäna zu den Nebenhöhlenerkrankungen betrifft, so meint S., Nebenhöhleneiterungen mit Borkenbildung, die differentielle Schwierig- keiten machen könnten, seien recht selten; der weitere Verlauf bringe meist Aufklärung. Auch sei Einseitigkeit oder Doppelseitigkeit in Betracht zu ziehen, insofern als doppelseitige Eiterungen doch recht selten und meist luetischer Natur seien. Gerade für diese diagnostischen Schwierigkeiten sei die bakteriologische Unsersuchung von entscheidender Bedeutung. Ob Dyscrasieen beim Zustandekommen der Ozäna eine grosse Rolle spielen, möchte Verf. dahin gestellt sein lassen, dagegen. nimmt er das Vorhandensein einer Disposition an, deren Wesen aller-

dings noch nicht bekannt sei; ob sie in den räumlichen Verhältnissen

zu suchen sei, erscheine fraglich, wenn auch nicht unmöglich. Die Therapie bleibt nach wie vor undankbar, neue Wege sind durch das Ergebniss der bacteriologischen Forschung nicht gewiesen.

Müller.

60) Rethi versteht unter Ozäna „jenen chronischen Nasencatarrh, bei dem sich ein specifischer, ganz eigenartiger Geruch entwickelt, der für sich allein zur Erkennung und Charakterisirung der Krankheit hin- reicht“. In einer Anzahl von Fällen hat Verf. Schleimhautstückchen, fast durchweg vom vordern Ende der unteren Muschel, zur mikroskopischen Untersuchung entnommen. Er fand constant, wie Krause und Haber- mann, fettige Degeneration der Drüsen- und Infiltrationszellen, ferner fast ‘immer bedeutende Veränderungen des‘Epithels („Umwandlung des Cylinderepithels in Plattenepithel und oft auch Verhornung“), häufig

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 91

Reduction der Gefässe, Verdickung ihrer Wände, sehnige Degeneration der Mucosa. Die Behandlung dieser Fälle bestand in oberflächlicher Verätzung der gesammten erkrankten Schleimhaut mit dem Galvano- kauter oder mit Chromsäure oder mit Trichloressigsäure. Dadurch erzielte R. in einigen Fällen vollkommenen Nachlass der stinkenden Secretion, in einzelnen bedeutende Verminderung. Die mikroskopische Untersuchung jetzt excidirter Stücke ergab, dass die fettige Degeneration der Drüsen- und Infiltrationszellen fehlte, die übrigen Abweichungen aber noch vorhanden waren.

Daraufhin hält sich der Verf. für berechtigt, das Wesen der Ozäna in der fettigen Zelldegeneration zu sehen (Krauses Theorie).

Gegen die Beweisführung erlaubt sich Ref. Folgendes zu bemerken: Er zweifelt zunächst daran, dass die cauterisirten Fälle wirklich geheilt sind. Die Beobachtungszeit, die Verf. seinen Ausführungen zu Grunde legt, erstreckt sich nur über einige Wochen, in denen die Reaction auf die Verätzung noch nicht zu Ende sein konnte. Ob das Verschwinden oder ob die Verminderung des stinkenden Secrets dauerhaft gewesen ist, wird nicht gesagt. Zweitens findet Ref. die Stelle, von der Verf. seine Schleimhautstücke excidirt hat, nämlich das vordere Ende der unteren Muschel, zum Studium der histologischen insbesondere der epithelialen Veränderungen bei der Ozäna ganz ungeeignet. Dem Ref. ist es unverständlich, wie dies zuerst wohl von Demme beliebte Ver- fahren in der gesammten Kritik keinen Widerspruch erfahren konnte. Wenn man sehen will, ob sich Cylinderepithel in Pflasterepithel ver- ‚wandelt hat, so muss man doch eine Stelle wählen, die ursprünglich Cylinderepithel trägt. Eine solche Stelle ist das vordere Ende der unteren Muschel nicht: es trägt unter normalen Verhältnissen Pflasterepithel.

Ref. muss also erklären, dass ihn die Beweisführung Re&this nicht befriedigt. |

Auf zwei interessante Beobachtungen macht Ref. noch aufmerksam : In einem Falle konnte R. das Entstehen der Oziina ohne vorausgehende Schleimhauthypertrophie constatiren, in einem andern konnte er die Borkenbildung auf der Schleimhaut gradatim verfolgen.

Zarniko.

61) Wright fand mikroskopisch, dass der Leptothrix sich bis zu Vertiefungen zwischen den Hervorragungen der lymphoiden Hypertrophie des Nasenrachenraumes, aber niemals in die Azini der Drüsen erstreckt.

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92 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Indigestion kann ein ätiologisches Glied zwischen Zahnkaries und Lepto- thrix bilden. Er berichtet über vier Fälle von Frauen, von denen zwei im Nasenrachenraum weisse Flecken hatten, welche in einem Falle sich selbst bis auf die Schleimhaut der unteren Nasenmuscheln erstreckten. Die beiden andern Fälle traten bei zwei Schwestern auf. Wright glaubt, dass die Krankheit ohne Behandlung heilt. Er fügt eine schöne Abbildung eines Schnittes durch die Mandel mit Leptothrix bei, in Lithio-Karmin gefärbt, wozu nachträglich etwas Pikrinsäure gethan wurde, und eine andere von den Mycelfäden, welche mit Gentianviolett gefärbt und mit der Gramm’schen Methode entfärbt wurden. Toeplitz.

62) Bei dem 23jährigen Patienten fand sich, als er unter Sharp’s Beobachtung kam, jauchiger, blutig tingirter und mit Eiter gemischter Ausfluss aus der linken Nase; der Naseneingang entzündet und mit schwarzem Schorf bedeckt, nach dessen Entfernung eine ulcerirende Fläche zu Tage tritt; linkes Auge entzündet und hässlichen, dünn- flüssigen Eiter absondernd; die Weichtheile unterhalb des Auges waren zerstört - und der mit schwarzen Borken bedeckte Knochen blosgelegt. Für Syphilis gab die Anamnese keinen Anhaltspunkt. Nach Verlauf von 3 Monaten trat Temperatursteigerung auf und eine beträchtliche Fläche des Oberkiefers wurde blosgelegt, während die betreffende Seite der Nase nahezu verschwunden war; in der Mundhöhle hatte sich der harte Gaumen mit schwarzem Schorf bedeckt und eine Oeffnung führte vom Mund nach dem Loch an der Seite der Nase. Die Krankheit griff dann rapid um sich, der Patient starb an Erschöpfung nach einer Erkrankungsdauer von 15 Monaten. Cheadle.

63) Die Einführung der Grundsätze moderner Chirurgie in die intranasale Behandlung bezeichnet einen neuen Zeitabschnitt in der Be- kämpfung von Nasenkrankheiten. Conservative Chirurgie muss bei steno- sirender Rhinitis aufrecht erhalten werden. Die verhältnissmässige Im- munität von schweren Infectionen nach intranasalen Operationen beruht auf dem physiologischen Widerstand der Nase, welche bei zu grossen Zumuthungen zu Krankheiten führt. Die beste Operation ist diejenige, welche die Theile zu einem möglichst normalen Zustande zurückführt. Intranasale Antisepsis ist nothwendig, Asepsis unmöglich. Die Instru- mente, Hände und Verbandstücke müssen aseptisch sein, aber feste Tamponade kann nicht vertragen werden. Die Gefahren intranasaler Adhäsionen, Verengerungen der Nasenhöhle, Retention und Resorption von Secreten verlangen häufigen Wechsel des Verbandes mit Anwendung

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 93

von Cocain, Wasserstoffsuperoxyd, alkalisch-antiseptischen Lösungen und

Pulvern. Toeplitz. 64) Eine bis in’s Kleinste gehende Beschreibung, die übrigens keine neuen Vorschläge enthält. Zimmermann.

65) Das Instrument hat den Zweck, die Dicke der Nasenscheide- wand in Fällen von Enchondromen mit Verbindung des Septums zu bestimmen. Eine Lampe von zwei Kerzenkraft ist in einem Stücke einer starken Barometerröhre enthalten und wird in die Nasenhöhle eingeführt. | Toeplitz.

66) Nach den Erfahrungen Fischenich’s entstehen Septum- hämatome am häufigsten durch Traumen, vorzüglich solchen, die den Nasenrücken treffen. Eine Fractur des Knorpels braucht dabei nicht nothwendig vorhanden zu sein, ja sie wird in der Mehrzahl der Fälle vermisst. Neben dem traumatischen giebt es gewiss auch ein spon- tanes Hämatom (analog dem Othämatom), wobei „gewisse constitutionelle Anomalien“ eine Rolle spielen mögen.

Sehr selten findet vollkommene spontane Resorption des Blutergusses statt. Gewöhnlich bleibt er bestehen und dann giebt es zwei Ausgänge: entweder Uebergang in Eiterung, wobei in der Regel Perforation der Scheidewand eintritt, oder in den sehr seltenen Fällen, in denen die pyogene Infection ausbleibt, Umwandlung in eine seröse Cyste. Dass im ersten Falle die Perforation sehr bald, oft unmittelbar nach dem Trauma auftrete, wie Juracz behauptet, bestreitet Verf. auf Grund zweier Beobachtungen.

In therapeutischer Hinsicht empfiehlt der Verf. möglichst früh- zeitige und ausgiebige Eröffnung der Geschwulst, bei doppelseitigem Hämatom am besten auf beiden Seiten. Zuweilen gelingt es auf diese Art, eine Perforation des Septums überhaupt zu verhindern. Aber auch wenn sie zu Stande kommt, pflegt sie später zuzuheilen, ohne dass eine Difformität zurückbleibt. Hierdurch unterscheidet sich das Hämatom des Septums vortheilhaft von dem der Olırmuschel, bei dem entstellende Schrumpfungen die Regel sind.

Bringt der bisher referirte erste Theil der Arbeit lediglich eine gute Zusammenstellung von gut gekannten und, wie der Ref. gegenüber dem Verf. behaupten möchte, auch zur Genüge klargelegten Thatsachen, so befasst sich der zweite Theil mit einem wirklich sehr seltenen Leiden, der primären Perichondritis der Scheidewand. Verf. theilt zwei Krankengeschichten mit. In beiden Fällen entwickelten sich unter

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94 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Störung des Allgemeinbefindens schmerzhafte Röthung und Schwellung der Nase und röthliche weiche Geschwülste am Septum, nach deren Incision sich wasserhelle, seröse Flüssigkeit entleerte. Der Knorpel war perforirt. In dem einen Falle war die Ursache völlig dunkel. Im andern war die Entzündung von cariösen Vorderzähnen des Oberkiefers fortgeleitet (ob es richtig ist, auch diesen Fall als primäre Perichon- dritis zu registriren, erscheint dem Ref. fraglich). Beide Fälle heilten nach breiter Incision glatt ab. Im ersten blieb jedoch eine Entzündung des Nasenrückens zurück. Zarniko.

67) Kuttner giebt drei Krankengeschichten, die folgendes gemein-

= same Bild liefern: „Das Septum bildete den primären Sitz einer acut

und unter fieberhaften Erscheinungen auftretenden Erkrankung, die ohne dass ein Trauma, ein Contagium oder ein constitutionelles Leiden als ätiologisches Moment nachweisbar oder nur wahrscheinlich gewesen wäre, zu einer mehr oder weniger ausgedehnten eiterigen Schmelzung des Gewebes geführt hat. Die Fiebererscheinungen, die wohl im Beginn der Affection am heftigsten auftreten, pflegen im weiteren Verlauf der- selben etwas nachzulassen und schwinden sofort vollständig, sobald für den unter ziemlich hohem Druck stehenden Eiter eine genügend weite Abflussöffnung nach aussen geschaffen wird. Röthung und Schwellung am Nasenrücken und an den benachbarten Gesichtspartieen sind in all diesen Fällen nur als collaterale Entzündungs- und Stauungserscheinungen aufzufassen, da sie ebenso wie alle anderen subjectiven und objectiven Erscheinungen mit der Entleerung des Eiters schwinden.“

Im Anschluss an diese Definition polemisirt der Verf. gegen die von Lublinski gewählte Bezeichnung „idiopathische acute Perichondritis“. Das Wort „idiopathisch“ sei nichts weiter als das Eingeständniss, dass wir über die Aetiologie einer Erkrankung im Unklaren seien. Hier kennten wir. aber die Ursache: das Eindringen pyogener Mikroben. Verf. schlägt deshalb die Bezeichnung „acute Phlegmone*“ oder „acuter Abscess“ des Septums als die treffendere vor. Zarniko.

68) Casselberry beabsichtigt nicht, die Elektrolyse an die Stelle der chirurgischen Methode. zur Entfernung von Excrescenzen oder ` Leisten der Nasenscheidewand mit dem Messer, der Säge oder dem Drillbohrer zu setzen, sondern ihre genauen Einschränkufgen zu be- stimmen. ‘Er benutzt den Strom des Edison’schen Lichtes und reducirt

‘denselben durch Lampenwiderstand und den Mc Intosch’schen Strom-

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Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 95

regulator. C. gebraucht ausschliesslich die bipolare Methode vermittelst. zweier paralleler Nadeln von 15 bis 20 mm Länge und ungefähr !/, mm Dicke, welche ungefähr 3 mm von einander entfernt, aus Platin-Iridium angefertigt und wie bei der Galvanokaustik in einem Handgriff be- festigt sind. Die Vorzüge der Elektrolyse sind: die Vermeidung von

Blutungen und bequeme, dabei wirksame Anwendung; zur Verbesserung

von Verbiegungen der Nasenscheidewand ist sie machtlos. Toeplitz.

69) Der blutende Polyp der deutschen (Lange, Schadewaldt, Heimann, Scheier etc.) und amerikanischen (Cobb, Wright} Autoren ist ein Angiom des Septums. Es hat mit der vicariirenden Menstruation nichts gemein, welche aus anderen Gegenden der Nase stammt, und rührt einfach von einem Trauma her. Diese Ansichten Freudenthal’s werden durch einen von ihm selbst beobachteten Fall bestätigt, welcher bei einer 22jährigen Frau am Eingang der Nase auf- trat und vor und nach der Operation stark blutete, wodurch eine ausser- ordentliche, selbst nach der Stillung der Blutung durch Cauterisation fortbestehende Anämie hervorgerufen wurde. Eine Schwester der Patientin war an Sarcom der Tonsille nach der Operation gestorben. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die Geschwulst aus Binde- gewebe, einer grossen Anzahl capillärer Blutgefässe, besonders nahe der Oberfläche und grossen Endothelien bestand, von denen aus die Ent- wickelung von Capillaren ihren ununterbrochenen Fortgang nahm. Drei Zeichnungen mikroskopischer Schnitte begleiten den lehrreichen Artikel.

Toeplitz.

70) Garel veröffentlicht sehr beweisende Fälle von primärem Scheidewandschanker; es war anfänglich keine andere Allgemeinerschei- nung oder extragenitale Affection vorhanden und alle secundären Syphilis- zeichen kamen erst hinterher. Verf. meint, dass der Schleimhautschanker nichts mit widernatürlicher Geschlechtsbefriedigung zu thun hat, sondern eine rein zufällige Erkrankung ist, bei der die Uebertragung durch die Finger die Hauptrolle spielt. Dubar.

71) Rethi entfernte aus der linken Nasenhöhle mittelst Schlingen- schnürers einen Tumor, der im frischen Zustande 9,5 cm lang und an der grössten Peripherie 9 cm mass. Die mikroskopische Untersuchung des birnförmigen Körpers ergab ein hartes Fibrom und die des Stieles das Gefüge eines Schleimpolypen der Nase mit einigen derberen Binde- gewebszügen eines mit serös durchtränktem areolärem Bindegewebe und grossen Maschenräumen versehenen weichen Fibroms. Pollak.

96 Bericht tiber die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

72) Zu den bisher publicirten drei (?) Fallen dieser seltenen Art fügt Labit einen neuen. Es handelte sich um eine Dame, bei welcher sich sehr rasch Symptome einer beträchtlichen Obstruction der Nase entwickelten. Man sah im vorderen Theile beider Nasenhälften grau verfärbte Wucherungen mit tiefeingeschnittenen Furchen, die hart und nicht mit der Sonde einzudrücken waren. Nur unter antisyphilitischer Behandlung mit Ausschluss jeder anderen Therabie verschwanden die Tumoren rasch. In den beiden früher publicirten Fällen bestanden gleichzeitig mit den Condylomen noch andere Secundärerscheinungen ; in diesem Falle entwickelte sich der Tumor in der Uebergangsperiode oder Tertiärperiode der Syphilis. Dubar.

73) Graue, unregelmässige, weiche Wucherungen wurden zuerst, selbst histologisch, für tuberculös gehalten und ausgekratzt ; recidivirten aber trotz mehrmaliger radikaler Operation und wurden erst durch Quecksilber zur Heilung gebracht. Es wird die Seltenheit (?) dieser Fälle in der Secundärperiode hervorgehoben.

Zimmermann.

74) Den subjectiven Symptomen misst Hajek keine Bedeutung bei. Bei rhinoskopischer Untersuchung wird die Differentialdiagnose zwischen Keilbeinhéhlen- und Siebbeineiterung zu stellen sein. Zweifel- los ist die erstere vorhanden, wenn die Fiss. olf. weit genug ist und man in diesem Falle das Secret direct aus der Oeffnung hervorquellen sieht, eventuell kann man eine Sonde einfiihren, oder eine Probeausspritzung mittelst einer feinen Canüle machen. Ist die Fiss. olf. zu enge, so kann man die Keilbeinhöhle an der vorderen Wand punctiren, wobei sich im Falle einer Eiterung eine grössere Menge Eiters entleert. Hajek legt nunmehr in solchen Fällen dünn geschnittene Pressschwammplättchen ein, wodurch es gelingt, die Fiss. olf. vorübergehend zu erweitern, und die Oeffnung in der Höhle direct zu sehen und zu sondiren. Ist die mittlere Muschel hypertrophisch, dann ist sie stückweise zu entfernen, bis man zur vorderen Wand der Keilbeinhöhle gelangt. Die Therapie besteht nach H. bei leicht zugänglicher Oeffnung in Ausspritzungen mit Anfangs schwachen, dann stärkeren Lapislösungen. Zumeist wird es aber nothwendig, die Oeffnung zu erweitern. Zu diesem Zwecke ver- wendet H. einen selbstconstruirten Haken, mittelst welchem er kleine Knochenstiickchen vom Rande der Keilbeinhöhle ausbreekt. Wo dies nicht möglich ist, geschieht die Eröffnung ‚der Keilbeinhöhle, nachdem ein grosser Theil der mittleren Nasenmuschel entfernt worden, mittelst

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 97

des Hakens oder des von Hartmann angegebenen Instrumentes. Als Nachbehandlung verwendet H. Ausspritzungen mit 3°/, Borsäure und

Injection von 5—10°/, Lapislösung. Pollak. 7 5) Eine historisch-kritische Studie, die sonst weder für die Diagnose noch die Therapie neue Anhaltspunkte bringt. Zimmermann.

76) Sorgfältige Krankengeschichte dieses dem Nasenarzt seltener als dem Chirurgen und pathologischen Anatomen vorkommenden Leidens.

Die Diagnose war Anfangs von anderen Collegen zuerst auf ein- faches Kieferhöhlenempyem gestellt worden. Reinhard fühlte aber beim Sondiren der Höhle durch eine Zahnlücke hindurch keinen Hohl- raum, sondern weiche Masse, er fand ferner Schwellung der Backe und Erweichung des Gaumens. Diese Wahrnehmungen sowie die Neigung zum Bluten veranlassten Verf. Probestücke der in die Alveolen vor- dringenden Geschwulst untersuchen zu lassen. Es ergab sich, dass ein Epithelialcarcinom vorhanden war. Die von Dr. Schultze in Duisburg vorgenommene Totalresection des kranken Kiefers verschaffte dem Pat. bedeutende Linderung seiner Klagen (Kopfschmerzen, Ausfluss von stinkendem Eiter, Appetitlosigkeit, Kräfteverfall). Eine totale Entfernung der bis in die Keilbeinhöhle und in die Schädelbasis vorgewucherten Geschwulstmassen erwies sich als unausführbar. Zarniko.

77) Die Function des lymphatischen Ringes des Rachens besteht in einer phagocytischen Thätigkeit, welche im gesunden Zustande die Bacillen zerstört, aber auch dazu dient, die Tuberkelbacillen von ihrer äusseren Oberfläche nach dem Lungengewebe zu befördern, wie es aus den Untersuchungen von Woodhead hervorgeht. Evans bekämpft die exspectative Behandlung und die Galvanokaustik. Er redet der Entfernung der Wucherungen ohne Anästhetika mit Gottstein’s Cürette und Cradl&e’s Zange das Wort. Toeplitz.

78) In einem in Glasgow vor Studirenden gehaltenen Vortrag be- schäftigte sich Barr mit der Behandlung der adenoiden Vegetationen. Nachdem er die Wichtigkeit einer frühzeitigen Entfernung hervorge- hoben hatte, unterzog er die verschiedenen Operationsmethoden einer ausführlichen Besprechung, wobei er sich für den Gebrauch der Gott- stein’schen Cürette oder einer ihrer Modificationen ausspricht; zur Anästhesirung giebt er den Vorzug dem Chloroform, so vorsichtig und sparsam gegeben, dass zwar der Cornealreflex nicht aber Husten- und Schluckreflexe schwinden; er macht darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, für die Narkose eine sachverständige Person mit specieller Erfahrung

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XVI, 7

98 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

zu haben, die den Patienten nicht verlässt, ehe sie sich überzeugt hat, dass derselbe die Narkose vollständig überwunden hat; die Nachbehand- lung erfordert Bettruhe für die ersten 2 Tage und Hausarrest für eine Woche, dagegen keinerlei locale Behandlung; was Blutungen betrifft, so sind sie nach seiner Erfahrung sehr selten, er lässt in jedem Fall 24 Stunden Eis nehmen und warme Getränke und Speisen meiden, ist jedoch die Blutung stark, so drückt er einen mit einem Stypticum ge- tränkten Wattebausch mittelst Zange direct gegen das Rachendach. Wenn ausserdem die Gaumenmandeln vergrössert sind, so zieht er vor, dieselben ohne Anwendung eines Anästheticums einige Zeit vor der Operation der Vegetationen zu beseitigen. Besteht Mundathmung weiter, nachdem jegliche mechanische Verstopfung beseitigt ist, lässt er den Patienten zuerst zwei oder drei Mal täglich 15 Minuten lang mit ge- schlossenem Mund still sitzen und wenn auch dies sich nach einiger Zeit als ungenügend erweist, verwendet er eine mechanische Vorkehrung, die bei Nacht getragen wird. Cheadle.

79) In 26 von 198 Fällen (13°/,) mit adenoiden Vegetationen fand Grönbech Enuresis nocturna, in manchen auch diurna. In 23 von diesen Fällen hatte die Entfernung der Vegetation und die da- durch erzielte Wegsammachung der Nasenathmung den Erfolg, dass die Enurese von selbst aufhörte. Die enge Zusammengehörigkeit des Bett- nässens mit der Nasenverstopfung wird durch die Fälle bewiesen, in denen mit recidivirender Verstopfung das Bettnässen wiederkehrte, nach abermaliger Correction abermals sistirte. Auf Grund dieser Erfahrungen räth Verfasser, in allen Fällen von Enuresis noct. die Nasenathmung zu berücksichtigen, und besonders auf die Adenoiden, als das häufigste Hinderniss sein Augenmerk zu richten. Zarniko.

80) Siebenmann bespricht das klinische Bild der im Titel ge- nannten Affection; unter den 6 Fällen eigener Beobachtung bieten zwei insofern ein besonderes Interesse, als sie die bisher noch nicht be- schriebenen Anfangs- resp. Endstadien repräsentiren. Auf Grund seiner klinischen und histologischen Untersuchungen kommt Verf. zu dem Resultat, dass die Mycosis tonsillaris benigna Fränkel sive Pharyngo- mycosis leptothricia Heryng mit ihrer Bildung solider Hornsubstanz aus der Reihe der Mycosen zu streichen und unter die Hyper- keratosen der Schleimhaut einzureihen ist. Als Product einer weniger vollkommenen Epithelverhornung ist die Grundsubstanz der Tonsillarconceremente anzusehen, welche sich in grösserer oder

Pathologie und Therapie des Gehörorganes. 99

kleinerer Ausdehnung in allen Tonsillen finden und welche im Gegen- satz zu den derben hornigen Gebilden der Hyperkeratosis lacunaris einen vorzüglichen Nährboden für Fäulnissorganismen repräsentiren. Die Ansammlung unvollständig verhornenden Epithels bildet daher eine stete Gefahr für das umgebende Gewebe; ein Analogon der letzteren Ver- hältnisse sieht Verf. im Cholesteatom des Mittelohres. »Die Betrachtung der in und um den Schlundring vorkommenden, sich hier auffällig häufenden Keratosen (Pachydermia laryngis, Leukoplacia oris, die schwarze Zunge, Rhinitis atrophica und Rhinitis sicca anterior, otitisches Cholesteatom) von einem gemeinsamen Standpunkte aus ist geeignet, speciell auch der Cholesteatombildung des Mittelohres einen Platz anzuweisen in einer Reihe analoger Krankheitsbilder und ihr da- durch jenes Wunderbare und Räthselhafte abzustreifen, welches bis dahin der pathogenetischen Seite dieser Frage angehaftet und die Ohrenirzte mit einem Theil der pathologischen Anatomen -entzweit hat.« S.

81) Der eigentliche Verfasser der vorliegenden Abhandlung ist Kijewski, Assistent der chirurgischen Klinik in Warschau. Seine sich über fast 20 Seiten erstreckenden Aeusserungen über einen der interessantesten Gegenstände der Rhinologie zeigen eine äusserst mangel- hafte Beherrschung des Stoffes und der deutschen Sprache. Etwas Neues sucht man vergeblich darin. Der casuistische Theil enthält die Kranken- geschichten von 15 Fällen. Ob das augenscheinlich etwas rohe und den rhinologisch nicht geschulten Arzt verrathende Operationsverfahren des Verfassers Nachahmung verdient, möchte Ref. bezweifeln.

Zarniko.

82) Ausser den Sprachdefecten, welche durch Hindernisse in den Resonanzhöhlen der Stimme bedingt sind, wird der Phonationsakt durch Erschlaffung des Halses, besonders des weichen Gaumens bei der Aus- sprache beeinflusst. Der centrale und nervöse Ursprung des Stammelns wird jedenfalls durch locale Zustände ergänzt. Es tritt demnach eine ausgesprochene Besserung beim Stottern nach der Entfernung von Hin- dernissen und Reizzuständen des Halses auf, wodurch es jedoch nicht absolut geheilt wird. Es ist daher ganz rationell, Krankheiten des Halses stotternder Kinder zu beseitigen, bevor man sie in den speciellen Unterricht schickt. Paretische oder schwache weiche Gaumen werden durch Galvanisation, Aussprechen von Gaumenlauten, Uebungen der Muskeln etc. gekräftigt. Toeplitz.

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100 Bericht über die Fortschritte der Ohrenheilkunde.

83) Bei einem 43j. Mann fand sich von der linken Mandel am oberen Pol ausgehend ein noch hinter dem Zäpfchen nach rechts hin- überragender gelappter Tumor, der mit kleinen Abweichungen die Structur des Tonsillargewebes aufwies. Der Fall wird durch einige Bemerkungen über ähnliche Tumoren und ihren Ursprung ergänzt.

Zimmermann.

Vermischtes.

Um dem genialen Entdecker der adenoiden Wucherungen im Nasenrachen, W. Meyer in Kopenhagen, ein würdiges Denkmal zu setzen, haben sich auf Anregung von Professor Felix Semon in London in fast allen Ländern Comitees gebildet. Auch das deutsche Comitée für das W. Meyer-Denkmal hat sich constituirt. Für Berlin gehören demselben die Geh. Med.-Räthe Prof. Dr. B. Fränkel, Prof. Dr. Lucae und Prof. Dr. Trautmann und Dr. Edmund Meyer an. Das Comitée wendet sich an die deutschen Aerzte und an die Eltern derjenigen Kinder, die durch die Entfernung der Wucherungen vor Taubheit bewahrt, in ihrer ganzen körperlichen und geistigen Entwickelung zu anderen Menschen geworden sind, mit der Bitte, dem grossen Arzt, dem Entdecker der adenoiden Wucherungen, dem Wohlthäter der Menschheit, durch einen Beitrag zu einem würdigen Denkmal einen Theil der Dankesschuld ab- zutragen. Beiträge nimmt der Kassenführer Dr. Edmund Meyer, Bülowstrasse 3 in Berlin, in Empfang.

Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 101

Die Rhinologie des Hippokrates. Von Dr. Rudolf Baldewein in Rostock.

Mit 4 Abbildungen im Text.

In gar weit zurückliegende Zeiten können wir die Entwickelung der Heilkunde verfolgen, in Zeiten, in welchen die verfügbaren Hülfs- mittel gering, die Forschungen und Erfahrungen in vieler Hinsicht gleich Null waren, in welchen aber trotz dieser Mängel relativ Grosses ge- leistet worden ist, in welchen Lehren und Behauptungen aufgestellt worden sind, die wir auch heute noch als richtig anerkennen müssen. Dass es schon lange vor Hippokrates eine Heilkunde gegeben hat, er- sehen wir aus den allerdings nur unvollständigen Ueberlieferungen der Aegypter und Inder. Von der Heilkunde als einer Wissenschaft können wir aber erst ungefähr von der Zeit der Asklepiaden an sprechen, deren bedeutendster Vertreter Hippokrates war ; wenigstens sind die hippo- kratischen Schriften, mögen sie nun von dem alten Meister selbst oder anderen Aerzten jener Zeit herstammen, wohl die ältesten, verhältniss- mässig vollständigen Denkmäler, aus welchen wir ersehen, dass mehr Nachdruck darauf gelegt wurde, die Heilkunde wissenschaftlich zu be- treiben. Hippokrates nimmt zu wiederholten Malen Anlass zu betonen, dass der Arzt erst lernen, deshalb die Natur und ihre Geschöpfe ob- jectiv beobachten müsse, ehe er daran gehen könne, die Abnormitäten der letzteren, die Krankheiten, richtig und mit Erfolg zu behandeln. So selbstverständlich uns auch eine derartige Mahnung erscheint, so ist sie doch wohl nicht unnöthig gewesen, denn Hippokrates eifert über die Aerzte, welche mehr ihr Gedächtniss als ihre Vernunft gebrauchten.

Er beschränkte sich aber nicht darauf, den Aerzten den Weg zu zeigen, sondern er ging auf der von ihm als richtig bezeichneten Bahn voran, er beobachtete mit ausserordentlicher Feinheit und Genauigkeit, er verstand es, seine Beobachtungen der Krankheiten und ihre Symptome so klar und verständlich wiederzugeben, dass wir in sehr vielen Fällen noch heute die Diagnose der Krankheiten stellen können, um die es sich gehandelt hat. Dass nicht für alle von Hippokrates beschriebenen Fälle das Gesagte zutrifft, ist natürlich; denn bei allem Studium waren die damaligen Kenntnisse in der Anatomie und Physiologie so gering, theil-

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 8

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102 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates.

weise direct falsch, dass aus ihnen eine ungenaue resp. falsche Auffassung des Beobachteten resultirte und resultiren musste. Dieser Umstand ge- rade ist bei der Beurtheilung der hippokratischen Schriftsteller und ihrer Werke selbst in der jüngsten Zeit nicht immer genügend beachtet worden. In den verschiedenen Zeiten hat man Hippokrates ganz verschieden be- urtheilt; es hat, besonders im Mittelalter, Aerzte gegeben, welchen seine Werke als das Evangelium galten, an welchem nicht gerüttelt werden durfte, während andere in früherer, wie in späterer Zeit den hippokratischen Ueberlieferungen wissenschaftlichen Werth überhaupt ab- sprachen. Beiden, den günstigen wie den ungünstigen Kritikern war derselbe Fehler gemeinsam, dass sie nämlich an Hippokrates den Mass- stab ihrer Zeit anlegten und zu wenig bedachten, auf welch’ geringer Stufe der Entwickelung unsere Wissenschaft zu der Zeit des grossen Asklepiaden stand. In den Perioden, in welchen die Heilkunde zu höherer Blüthe gelangte und in welchen besonders bessere anatomische Kenntnisse gewonnen wurden, waren manche Aerzte sehr geneigt über Hippokrates gänzlich den Stab zu brechen. Aber, selbst die vielfachen Ungenauigkeiten resp. Unrichtigkeiten der hippokratischen Ansichten einerseits und die grossen Fortschritte der Anatomie andererseits zuge- geben, lag doch kein Grund vor, über die vortrefflichen Krankheits- beobachtungen zur Tagesordnung überzugehen. Mit nicht viel mehr Ge- rechtigkeit gingen Aerzte anderer Zeiten, Zeiten, in welchen die wissen- schaftlichen Forschungen gleich Null waren, an die Beurtheilung des Hippokrates. Ganz besonders im Mittelalter, welches die Heilkunde in die Klosterzellen bannte oder sie umherziehenden Quacksalbern überliess und sich begnügte, die in früheren Schriften niedergelegten Beobach tungen Lehren wie Irrlehren ohne eingehende Prüfung weiter zu colportiren, standen auch des Hippokrates Schriften wieder in Ehren, freilich ebenso unverdient, wie sie zu anderen Zeiten verurtheilt worden sind. Denn die mittelalterlichen Aerzte sonderten nicht das Richtige vom Falschen, sondern sie traten die Erbschaft von Beidem an.

Erst in unserer Zeit ist man daran gegangen, an Hippokrates und sein Wissen einen gerechten Massstab zu legen und besonders bej den ungenauen oder unrichtigen Beobachtungen zu bedenken, dass es in jener Zeit in vieler Hinsicht nicht möglich war, richtig zu beobachten. Dass die anatomischen Kenntnisse, da Sectionsübungen nicht vorgenommen wurden, nur sehr gering, theilweise direct falsch waren, dass ferner aus dieser lückenhaften Erforschung der menschlichen Organe keine richtigen Schlüsse gezogen werden können, ist von vorneherein ein-

Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 103

leuchtend.!) Dementsprechend begegnen wir überall, wo Hippokrates auf Vermuthungen angewiesen war, groben Irrthümern, während wir bei Krankheiten von besser zugänglichen Theilen nicht nur eine genaue Beobach- tung, sondern auch eine ausserordentlich scharfsinnige, zweckentsprechende Therapie finden.

Einen schönen Prüfstein von dem, was Hippokrates wissen konnte und was nicht, besitzen wir zum Beispiel in seinen, allerdings durch alle Schriften zerstreuten, Lehren von den Krankheiten der oberen Luft- wege. Während er bei den Kehlkopfkrankheiten in Folge geringer ana- tomischer Kenntnisse sich sehr oft in unklaren Vorstellungen bewegt, finden wir bei den Nasenkrankheiten eine Fülle von zutreffenden Beob- achtungen. Aber selbst seine Beobachtungen und Anschauungen auf dem Gebiete der Nasenkrankheiten haben verschiedenen Werth, je nachdem sie durch Untersuchungen sichtbarer Theile erlangt werden konnten oder sich lediglich auf Vermuthungen gründeten. Eine solche Unterscheidung in jedem einzelnen Gebiete der Heilkunde durchzuführen, ist nicht nur von hohem historischem Interesse, sondern auch eine Pflicht gegen den alten Meister.

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Wenn wir nun an die Besprechung der als Beispiel gewählten Nasen- erkrankungen, wie sie dem Hippokrates bekannt waren, eintreten, so müssen wir, um in gerechter Weise seine Beobachtungen und Hypo- thesen beurtheilen zu können, zunächst uns darüber klar werden, auf welche Art sich die Aerzte jener Zeit im Allgemeinen anatomische Kennt- nisse verschafften und was sie speciell von der Anatomie und Physiologie der Nase wussten. Wir wissen, dass Sectionsübungen nicht vorgenommen wurden resp. nicht vorgenommen werden durften, und wenn auch in der Litteratur hier und da einige Obductionen erwähnt werden, so sind die- selben doch so vereinzelt gewesen, dass ihr wissenschaftlicher Nutzen nur sehr gering anzuschlagen ist. Die Aerzte waren also, abgesehen von gelegentlichen Beobachtungen an Verwundeten, lediglich auf die anatomischen Kenntnisse angewiesen, welche durch die häufigen Thieropfer gewonnen und auf den menschlichen Körper übertragen wurden. Es ist darum nicht zu verwundern, wenn man sich von allen weniger zugäng-

1) Anm. Auch Aristoteles, welcher des Oefteren Vergleiche zieht zwischen dem Bau des Körpers des Menschen und der Thiere, muss bekennen, dass die inneren Organe des Menschen noch wenig bekannt seien.

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104 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates.

lichen Organen des Körpers und ihren Funktionen theilweise die aben- teuerlichsten Vorstellungen machte. Es würde zu weit führen, wollten wir die sämmtlichen diesbezüglichen Stellen erwähnen, nur die eine mag als Characteristicum, wie sich gute Beobachtung und Erfahrung mit der gröbsten Unkenntniss paarten, hier ihren Platz finden. Es heisst in der Beschreibung der Trachea: „Die Luftröhre besteht aus gleich- förmigen, runden, mit ihrem scharfen Rande untereinander verbundenen Ringen“ und an anderer Stelle: „Die Luftröhre führt zu den Lungen, zur Arterie und von da zum obersten Theil der Blase.“ Gänzlich un- bekannt war dem Hippokrates die physiologische Bedeutung des Kehl- kopfes, von dem er auch nur sehr geringe anatomische Kenntnisse besass.!)

Was speciell die Anatomie und Physiologie der Nase betrifft, so waren die Kenntnisse hierüber zwar bessere, trotzdem auch noch recht lückenhaft. Hippokrates kennt das Nasenbein, das Septum, die Nasen- knorpel, dagegen scheinen ihm die Nasenmuscheln nicht bekannt gewesen zu sein. Bekannt war ihm ferner die Verbindung der Nasengänge mit dem Rachen, denn bei der Abhandlung über die Nasenpolypen basirt seine Behandlungsmethode zum Theil auf der Benutzung dieses Verbindungsweges. Die physiologischen Kenntnisse waren ganz un- klar; er sagt in dem Buche „das Fleisch“: „Das Gehirn, welches selbst feucht ist, riecht das Trockene, indem es durch die trockenen Nasen- kanäle den Geruch zugleich mit der Luft einzieht; denn das Gehirn er- streckt sich bis in die Nasenhöhlen. An dieser Stelle ist ihm nicht ein Knochen vorgelagert, sondern ein Knorpelstück, weich wie ein Schwamm, welches weder Fleisch noch Knochen ist. Wenn die Nasenhöhlen trocken sind, nimmt das Gehirn den Geruch der trockenen Substanzen genauer wahr. Wasser riecht es nicht, denn es ist viel feuchter als das Gehirn, ausser wenn es faulig ist. Das faulige Wasser nämlich wird nicht minder als all das andere, sobald es faulig wird, dicker. Wenn die Nasenhöhlen hingegen feucht sind, vermag das Gehirn nicht zu riechen, da es dann die Luft nicht mehr einzieht. Wenn das Gehirn auf diesem Wege einen beträchtlichen Theil von sich selbst nach dem Gaumen, der Kehle, der Lunge und nach dem übrigen unteren Körper abtropfen lässt, so erkennen

1) Anm. Wir finden allerdings die Bemerkung verzeichnet, dass ein Selbst- mörder, welcher sich die Luftröhre durchschnitten hatte, stimmlos war, dagegen wieder Töne von sich gab, wenn man die Wundflächen der Trachea zusammen- drückte. Hippokrates bleibt aber bei dieser Beobachtung stehen, anstatt den

naheliegenden Schluss zu ziehen, dass der Kehlkopf das stimmbildende Organ sein muss.

Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 105

die Menschen darin einen Catarrh und nennen es so.“ Auch diese Schilderung zeigt uns recht deutlich, wie wenig richtig die Ansichten des Hippokrates sind, sobald er gezwungen ist, aus unklaren anatomischen Vorstellungen Schlüsse zu ziehen. Während wir immerhin noch bei der Anatomie der Nase einige gute Kenntnisse finden, begegnen wir bei der Physiologie ganz unklaren Anschauungen.

Auch in der Pathologie der Nase bringen die hippokratischen Schriftsteller manches Unklare, solange es sich um Erscheinungen han- delt, deren Ursache und Entstehung nicht offen zu Tage lag. Hierher gehört vor allem die Auffassung des Nasenblutens als einer wichtigen, kritischen Erscheinung, von deren Eintritt oder Ausbleiben die Prognose einer Krankheit mitunter allein abhängig gemacht wird. Nur in dem einen Fall scheint. uns eine gute Beobachtung solchen Annahmen zu Grunde zu liegen, nämlich wenn wir erfahren, dass eine fieberhafte Erkrankung mit heftigen Kopfschmerzen plötzlich nachlässt, sobald Blut oder Schleim aus der Nase abfliesst. Wir sehen darin die Beobachtung eines Falles von Secretverhaltung in einer der Nebenhöhlen der Nase, die durch den spontanen Abfluss behoben wurde. Hippokrates fasst die Sache aber so auf, dass in dem kranken Hirne gebildete Secrete ihren Ausweg durch die Nase (in anderen Fällen durch das Ohr) nehmen, und dadurch Ge- nesung eintritt; wenn sie den Ausweg aber nicht finden, zum Tode führen. Hippokrates hat ferner Blutungen aus der Nase in Folge von körper- licher Ueberanstrengung beobachtet oder solche, die an Stelle von unter- drückten Menses auftraten. Auch hier liegt eine aufmerksame Beob- achtung zu Grunde und nach neueren Erfahrungen können wir die Richtigkeit seiner Erwähnung nur bestätigen. Bekannt war den hippo- kratischen Autoren ferner das häufige Zusammengehen von Nasenbluten mit Vergrösserung der Milz und Leber, ohne dass sie sich über die Ent- stehung desselben klar waren. `

Die Hauptstellen aber, aus welchen wir ersehen können, mit welch’ erstaunlichem Aufgebot unermüdlicher und scharfsichtiger Beobachtung Hippokrates zu Werke ging, finden wir einmal in dem zweiten Buche über die Krankheiten, andererseits in dem Buche über die Gelenke, welch’ letzteres Littré „das grosse chirurgische Denkmal des Alterthums und zugleich ein Muster für alle Zeiten“ nennen durfte. In dem erst- genannten finden wir die Abhandlung über die Nasenpolypen, in dem anderen die Beschreibung der Nasenfracturen.

Betreffs der krankhaften Veränderungen, welche die Nasengänge ver- legen und welche er sämmtlich Polypen nennt, scheint Hippokrates

106 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates.

eine reiche Erfahrung besessen zu haben. Er führt allein fünf, nach seiner Meinung verschiedene, „Polypen“ an, beschreibt seine im Allge- meinen durchaus richtigen Beobachtungen in recht klarer, anschaulicher Weise und giebt für die verschiedenen Arten verschiedene zweckent- sprechende Behandlungsmethoden an. Wenn wir bei unserer Betrachtung uns nicht an die Reihenfolge halten, welche in dem uns überlieferten Text gewählt ist, so thun wir es, weil wir es im Interesse einer besseren Uebersichtlichkeit für geboten halten, zumal es recht wohl möglich ist, dass die ursprüngliche Anordnung durch die Abschreiber geändert worden ist.!)

Beachtenswerth bei der hippokratischen Abhandlung der Nasenpolypen ist die Vollständigkeit des Verzeichnisses aller Arten von „Polypen“. Denn wenn man von den bösartigen Neubildungen absieht, die übrigens namentlich in den ersten Stadien dasselbe klinische Bild wie die „Polypen“, wenigstens für die Aerzte jener Zeit, boten, so kann man nichts mehr hinzufügen. Hippokrates hat alle Veränderungen, welche zur Verlegung der Nasengänge führen und direkt sichtbar sind, gesehen und beschrieben. Dass er sie sämmtlich. Polypen nennt, kann bei dem unbestimmten Begriff des Wortes, das bis in die neuere Zeit für alle möglichen krankhaften Veränderungen beinahe ein Collectivname war, nicht sonderlich auffallen.

Die Beschreibung der ersten „Polypenart“ lautet in der Ueber- setzung folgendermaassen: „Wenn ein Polyp in der Nase entsteht, so hängt er mitten aus den Knorpeln heraus wie das Zäpfchen im Munde, und wenn der Kranke den Athem ausstösst (sc. durch die Nase), so kommt er hervor und ist weich; wenn er einathmet, geht der Polyp zurück und der Kranke redet mit dumpfem Ton und wenn er schläft, schnarcht er. Wenn es sich so verhält, schneidet man einen Schwamm rund und macht ihn wie eine Schleuder, umwickelt ihn mit ägyptischem Faden und härtet ihn hierdurch. Seine Grösse muss derart sein, dass er in das Nasenloch passt, und man muss an den Schwamm an vier verschie- denen Stellen Fäden anbinden, von denen jeder eine Elle lang sein muss.

1) Anm. Die nachfolgende Besprechung steht in den meisten Punkten in entschiedenem Gegensatz zu der Abhandlung, welche Mackenziein seinem Special- werk „Die Krankheiten des Halses und der Nase* über die fraglichen Stellen im Hippokrates giebt. Nach der Art der Schilderung scheint die Annahme ge- rechtfertigt, dass sich Mackenzie nicht selbst mit dem Urtext bekannt gemacht, sondern seine Kenntniss aus irgend einer Uebersetzung geschöpft hat.

Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 107

Dann knüpft man sie in einem Ende zusammen und nimmt eine dünne Zinnsonde, welche an dem einen Ende ein Oehr hat, und steckt sie mit dem spitzen Ende hindurch bis in den Mund. Wenn man es fassen kann, zieht man, nachdem man den Faden in das Oehr eingefädelt hat, den- selben an, bis man das Ende erreicht. Nun legt man einen Spatel unter den Gaumen, stützt ihn dagegen und zieht, bis man den Polyp herausgerissen hat. Hat man ihn heraus und die Blutung ist gestillt, so legt man um eine Sonde eine trockene Binde und stopft die Wunde aus, im Uebrigen siedet man Blüthen!) in Honig und streicht dies in die Nase hinein in die Wunde. Wenn nun die Wunde verheilt, richtet man ein Stück Blei her, das bis an die Wundstelle reicht, bestreicht es mit Honig und legt es hinein, bis die Wundfläche verheilt ist.“ Aus dieser genauen Schilderung geht unzweifelhaft hervor, dass es sich um die heute allein noch als „Polyp“ bezeichnete Veränderung, also um Schleim- polypen, gehandelt hat. „Der Polyp hängt wie das Zäpfchen im Munde zwischen den Knorpeln heraus.“ Der Vergleich mit der Uvula scheint gewählt zu sein, um anzudeuten, dass es sich meist um eine sichtbar herabhängende oder gestielte Neubildung von rundlicher bis ovaler Ge- stalt gehandelt hat. Weniger klar ist der Ausdruck & pécov tar yordour, den der Schriftsteller hier gewählt hat im Gegensatz zu den anderen Stellen, an welchen er stets den Singular (&x rov yovdgov, maga tov yor- door) setzt. Es will fast scheinen, als ob er unter ó ycvdoog das Septum, dagegen unter oi yovdoo eine Zusammenfassung der Theile im Inneren der Nase, vielleicht die Nasenmuscheln versteht. Die weiteren Beob- achtungen, dass der Polyp beim Schneuzen hervorkommt, während er bei tiefen Inspirationen wieder zurücktritt, dass die Stimme des Patienten dumpf klingt (Rhinolalia clausa) und dass derselbe beim Schlafen schnarcht, sind durchaus zutreffend. Interessant ist die Therapie, welche Hippo- krates empfiehlt, nämlich den Polypen mittelst eines durch die Nase ge- zogenen Schwammes herauszureissen. Dass seine Methode praktisch war, dafür ist ein Beweis, dass noch bis vor Kurzem die „Schwammmethode“ geübt wurde, z. B. von Voltolini. Erst seitdem man Nasenpolypen nur noch unter Leitung des Auges mittelst künstlicher Beleuchtung ent- fernt, hat man bessere Methoden eingeführt (kalte und Glühschlinge). Die Art der hippokratischen Operation wollen wir in kurzen Worten, wie sie verstanden werden muss, recapituliren: Man bindet an einen

1) Anm. Hippokrates sagt nur ardovc, Blüthen; die späteren Erklärer verstehen darunter Kupferblüthe, jedoch ohne sichtliche Berechtigung.

108 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates.

mit Faden umwickelten Schwamm von der Gestalt einer Schleuder vier je ellenlange Fäden. Diese letzteren werden an ihren freien Enden zusammengebunden und durch die Nase eine biegsame Zinnsonde bis in den Mund geschoben. Die Sonde hat an dem Ende, welches nun noch aus der Nase herausragt, ein Oehr, durch welches der geschürzte Faden hindurchgezogen wird; nun wird die durch die Nase in den Schlund

Fig. 1.

geführte biegsame Zinnsonde gefasst und aus dem Munde herausgezogen. Um einen nachtheiligen Druck der Fäden auf den Gaumen zu verhüten, führt Hippokrates einen Spatel in den Mund bis an das hintere Ende des Gaumens und lässt den Faden beim Herausziehen darüber hergleiten. Durch fortgesetzten Zug an dem Faden wird der Polyp durch den Mund entfernt. Was die Nachbehandlung betrifft, so liebt es Hippokrates, eine Art von Salbe auf die Wunde zu streichen; die Zweckmässigkeit dieser Behandlung ist schwer zu controliren, da wir gar nicht feststellen können,

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Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 109

was die Salbe enthielt. Die Einführung von Bleistäbchen geschah vielleicht, um Verwachsungen zu verhüten, was nach unseren jetzigen schonenden Methoden der Entfernung von Schleimpolypen nicht nöthig ist. (Siehe Fig. 1 u. 2.)

Fig. 2.

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Das klinische Bild einer anderen „Polypenart“ wird folgendermaassen beschrieben: „Ein anderer Polyp. Mitten aus dem Knorpel heraus ragt eine runde Fleischmasse; beim Befühlen zeigt sie sich weich. Unter solchen Umständen nimmt man eine aus Sehnen gemachte Saite, knüpft an ihr eine kleine Schlinge und umwickelt sie mit dünnem Faden; dann

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110 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates.

schiebt man das andere Ende durch die Schlinge und macht letztere hier- durch grösser. Nun zieht man das Ende durch die schon früher erwähnte Zinnsonde, bringt die Schlinge in die Nase und legt sie mit einer zwei- zinkigen Sonde um den Polyp herum. Ist dies geschehen, so schiebt man die Sonde durch in den Mund, fasst das Ende der Sehnensaite und zieht auf dieselbe Weise über den untergelegten Spatel. Hat man den Polypen herausgezogen, so schlägt man das vorher erwähnte Heil- ‚verfahren ein.“

Dass es sich hier um eine ganz andere Erkrankung als in dem erst- genannten Fall handelt, geht daraus hervor, dass Hippokrates eine ganz ‚andere Methode zur Entfernung des „Polypen“ anwendet, und zwar eine Methode, welche offenbar die Aufgabe hat, eine derbere und fester sitzende Schwellung zu entfernen. Er bedient sich hier nicht des Fadens, son- dern der Sehnensaite, und wischt die Schwellung nicht mit dem durchge- zogenen Schwamm weg, sondern er legt eine feste Schlinge um sie. Nach ` diesen Erwägungen und mit Rücksicht darauf, dass Hippokrates offen- bar die characteristischen Formen aller der Veränderungen, welche die Nasenwege verlegen, beschreiben wollte, dürften wir kaum fehlgehen, wenn wir in dieser Art „Polyp“ die Hypertrophien der Muschelschleim- haut erkennen, welche wohl ebenso häufig wie die Schleimpolypen vor- kommen. Auch hier wollen wir die wörtlich übersetzte Operations- methode mit einigen ihr Verständniss erleichternden Zusätzen recapituliren. (Siehe Fig. 3 u. 4.)

Zum Entfernen dieser Hypertrophie bedient sich Hippokrates eines zweizinkigen Schlingenführers (unAr &rrezunufun) und führt mit diesem die geknüpfte und durch nochmaliges Durchziehen des freien Endes ver- grösserte Schlinge in die Nase ein und legt sie um die Wucherung herum. Das freie Ende der Saite wird mit der Zinnsonde neben der angeschlun- ‚genen Neubildung hindurch in den Mund geführt und nun wird, wie bei dem ersten Fall, die Saite mit dem „Polyp“ über einem untergelegten Spatel durch den Mund herausgezogen. Im Uebrigen ist das Verfahren dasselbe wie in dem früher geschilderten Fall.

Die Darstellung einer weiteren „Polypenart“ ist folgende: „Ein anderer Polyp. Er wächst aus der Seite des Knorpels vorne wie eine Geschwulst heraus. Diese ganze Hervorwucherung muss man wegbrennen. Nach dem Brennen streut man Niesswurz darauf und wenn es abgefault ist, reinigt man es mit „Blüthe* und Honig und lässt die Wunde nach Einschiebung eines Bleistäbchens verheilen.“

Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 111

Aus der Localisation der Neubildung: & mAaylov tov yordoov èr Gang, aus der Seite. des Septums heraus ganz vorne, lässt sich am ehesten auf eine seitliche Deviation des Septums oder auf einen knor-

Fig. 4.

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Fig. 3.

peligen Auswuchs an der Scheidewand, wie er so haufig in Form von Dornen und Leisten vorkommt, schliessen. Mit der von Hippokrates vorgeschlagenen Therapie können wir uns durchaus einverstanden erklären : „Die ganze Hervorragung wird weggebrannt.“

112 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates,

Diese drei „Polypenarten“, welche wir bis jetzt kennen gelernt haben, sind von den in der Nase vorkommenden pathologischen Veränderungen die bei weitem häufigsten. Hippokrates bleibt aber nicht hierbei stehen, er will uns eine vollständige Beschreibung geben und deshalb schil- dert er auch diejenigen’ Arten, welche seltener vorkommen. Die Darstellung der einen ist die folgende: „Ein anderer Polyp. Die Nase ist mit einer fleischigen Masse angefillt, welche sich beim Betasten als hart erweist; ` der Kranke kann durch die Nase nicht athmen. Unter diesen Umstän- den muss man eine Röhre hineinstecken und mit drei oder vier Eisen- stäbchen brennen. Hat man dies gethan, so bringt man geriebene schwarze Niesswurz hinein, und wenn die Geschwulst verfault und herausgefallen ist, bestreicht man einen Leinentampon mit Honig und steckt ihn mit „Blüthe“ zusammen hinein. Wenn die Wunde nun verheilt, .bestreicht man Bleistibchen mit Honig und legt dieselben ein, bis der Kranke gesund ist.“

Mit absoluter Sicherheit können wir ja überhaupt nicht mehr fest- stellen, welche Krankheitsformen Hippokrates geschildert hat; wir können nur mit grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit muthmaassen. Nach der vorliegenden Beschreibung scheint es am wahrscheinlichsten, dass es sich um eine Knochenblase gehandelt hat, wie sie ja nicht selten, von der mittleren Muschel ausgehend, die ganze Nasenhälfte ausfüllt. Die hippokratische Schilderung passt dazu ganz genau. Die Geschwulst hat auf den ersten Blick in Folge ihres Schleimhautüberzuges das An- sehen einer fleischigen Masse, bei genauerer Untersuchung aber erweist sie sich als fest, hart. Dieser Annahme entspricht auch die Therapie, welche Hippokrates einschligt. Er macht gar nicht den Versuch, diese harte Masse mit dem Schwamm oder der Schlinge zu entfernen, sondern er wendet als einzig zweckdienliches Mittel das Ferrum candens an. Be- merkenswerth ist die Vorsichtsmaassregel, dass er zum Schutze der übrigen Weichtheile erst ein Speculum und durch dieses hindurch das glühende Eisen einführt, eine Vorsicht, welche bei den oben erwähnten weit vorn sitzenden Septumausbiegungen und -Auswüchsen ihm mit Recht unnöthig erschien. Nach der Operation bringt er zerriebene schwarze Niesswurz (helleborus) auf die gebrannten Stellen. Die Nachbehandlung war die- selbe wie in dem schon beschriebenen Fall.

Wir kommen zu der letzten, von Hippokrates folgendermaassen ge- schilderten Art: „Ein anderer Polyp. Mitten heraus von irgend einer Stelle her neben dem Knorpel entsteht etwas Festes, welches dem An- schein nach Fleisch ist. Wenn man es aber berührt, klingt es wie ein

Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 113

Stein. Wenn es sich so verhält, muss man die Nase spalten, mit einem geeigneten Instrument ausräumen und sie dann ausbrennen. Hat man dies gethan, so näht man sie wieder zusammen und heilt die Wunde, indem man sie mit Salbe bestreicht, legt einen Tampon hinein und so- bald es ringsum weggefault ist, streicht man Honig mit „Blüthe“ ver- mischt hinein. Die Ausheilung erzielt man durch ein eingelegtes Blei- stäbchen.“

Ungemein wahrscheinlich ist die Annahme, dass Hippokrates hier einen Rhinolithen beschreibt. Er sagt nicht x zoù yordgov, sondern maon tov yordoor ano zer, also neben dem Septum von irgend einer Stelle her. Es handelt sich also nicht um eine aus dem Gewebe heraus- wachsende Neubildung, sondern um etwas, das wie ein Fremdkörper in der Nase festliegt.. Beweisend ist, dass dasselbe bei der Berührung mit der Sonde wie ein Stein klingt, obwohl es beim Anblick wie „Fleisch“ aussieht, nämlich von Schwellungen und Granulationen umhüllt ist. Bei dieser Art konnte er natürlich weder mit der Schlinge oder dem Schwamm, noch mit dem Ferrum candens etwas ausrichten, er nimmt deshalb hier zu einem Radicalmittel seine Zuflucht, er bahnt sich mit dem Messer einen neuen Weg zu dem Fremdkörper und extrahirt ihn durch die Wundspalte. Er begnügt sich aber nicht mit der Extraction, sondern er nimmt auch noch die Auskratzung mit nachfolgender Kauterisation vor, um alle entzündlich veränderten Parthieen zu zerstören. Nun ver- näht er die Wundspalten wieder und tamponirt die Nasenhöhle aus. Von der Nachbehandlung gilt das schon früher Gesagte.

Unsere heutige Methode wird sich mit der von Hippokrates ange- gebenen allerdings nicht unbedingt einverstanden erklären, denn das conservative Princip unserer heutigen Chirurgie, sowie zum Theil gewiss auch der Schönheitssinn haben die Aerzte gezwungen, nach anderen Me- thoden zu suchen. Es stehen uns heute Instrumente zur Verfügung, durch welche die Operation bedeutend vereinfacht worden ist. Wir suchen den Rhinolithen mittelst der Zange zu extrahiren, und wenn uns dies nicht gelingt, zertrümmern wir ihn an Ort und Stelle und extrahiren. die ein- zelnen Stücke. Die hippokratische Methode wird also für uns nur im äussersten Nothfall in Frage kommen, für die Aerzte jener Zeit jedoch, welchen unsere modernen Hülfsmittel nicht zur Verfügung standen, war sie die einzig zweckentsprechende und erfolgreiche Behandlung.

Eine ebenso eingehende und vortreffliche Besprechung wie den Nasen- polypen wird den Brüchen des Nasenbeines zu Theil. Wir fin- den sie, wie schon erwähnt, in dem Buche von den Gelenken. Hippo-

114 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates.

krates hat bei seinen vielen Reisen und der langen Zeit seiner ärztlichen Thätigkeit wohl eine grosse Anzahl von Nasenbrüchen gesehen, zumal dieselben bei den häufigen Feldzügen der Griechen, sowie bei den gym- nastischen Uebungen gerade keine Seltenheit waren. Sie waren ja auch ein treffliches Feld fir seine Thitigkeit, hier war er auch nicht auf Vermuthungen angewiesen, hier konnte er sehen und deshalb begegnen wir gerade hier einer Beobachtung und Beschreibung, wie sonst nur an wenigen Stellen. Dass auf diesem Gebiete seine Erfahrungen und Kennt- nisse bedeutende waren, dafiir ist uns schon die Art und Weise, wie er diese Verletzungen uns vorträgt, ein guter Beweis. Er führt uns nicht, wie bei so vielen anderen Erkrankungsarten, deren Aetiologie ihm mehr oder weniger dunkel ist, einzelne Fälle vor, die er dann auch einzeln bespricht, sondern er bringt uns eine umfassende Darstellung der vor- kommenden Verletzungen, gut disponirt, mit den leichten beginnend und bis zu den schwersten vorschreitend.. Zu beklagen ist, dass durch die vielen Conjecturen und Correcturen, welche die Abschreiber anzubringen sich nicht versagen konnten, der Text häufig verstümmelt und unklar geworden ist. Aus diesem Grunde erschien es räthlich, der folgenden Besprechung keine Uebersetzung vorauszuschicken, sondern das Thema mit möglichster Anlehnung an den Text zu behandeln.

Hippokrates beginnt mit der Beschreibung der Contusion des Nasen- riickens. Wenn auch streng genommen diese Art der Verletzung nicht unter die Fracturen gehört, so ist es doch wohl erklärlich, wenn er sie bei diesen bespricht, denn er hatte wohl mehr im Auge eine vollständige Beschreibung der Nasenverletzungen als nur der verschiedenen Arten der Nasenbrüche zu geben. Nachdem er einige Worte über die Un- zweckmässigkeit von Verbänden bei gewissen Verletzungen vorausgeschickt hat, sagt er: „Am geeignetsten scheint es mir noch, einen Verband an- zulegen, wenn das Fleisch gegen die Mitte der Nase auf dem Nasen- rücken längs des Knochens zusammengequetscht ist (“ugıßAacdein), oder wenn längs des Knochens nur eine geringe Beschädigung ist, denn die Nase bekommt an diesen Stellen eine Verhärtung und wird hierdurch scharfkantiger.* Es ist zwar keine schwere Verletzung, da es sich um eine Quetschung des Nasenrückens mit Trennung der Haut durch stumpfe Gewalt, höchstens mit oberflächlicher Verletzung des Knochens handelt, doch hält er es immerhin für besser einen leichten Verband anzulegen. Er begnügt sich damit, eine mit Wachs bestrichene Compresse darüber herzulegen, offenbar, um die getrennten Weichtheile einander zu nähern, und „alsdann eine Binde so nach einer Seite herumzuwickeln,

Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 115

wie der Verband zu liegen käme, wenn man mit der zweiköpfigen Binde verbinden würde.“ Die andere Behamdlungsmethode, welche er wohl > nur bei den schweren Fällen und den Fracturen angewendet wissen will, ist die Umlegung eines erhärtenden Verbandes: er wählt zur Festigung des Verbandes Kleister aus Mehl ev. mit Zusatz von Manna; wo grössere Festigkeit nöthig ist, setzt er eine geringe Quantität Gummi hinzu. Mit der nächstbeschriebenen Art der Verletzung kommen wir zu dem Gebiet der wirklichen Nasenfracturen. Hippokrates bespricht zu- nächst den Bruch der Nasenknorpel und modificirt je nach dem Sitz der Fractur die Behandlung. Er beginnt mit dem Bruche des Knorpels ‚„ganz unten, so dass die Nase breit gedrückt aussieht.“ Für diesen Fall schlägt er vor, irgend etwas Geeignetes in die Nasenlöcher hinein- zustecken, die eingesunkenen Partien auf diese Weise herauszuheben und sie dann in ihre frühere Position zurückzubringen. Er betont an verschiedenen Stellen, dass eine gebrochene Nase die Neigung besitzt, sehr leicht und schnell wieder zu heilen, und macht deshalb ausdrücklich darauf aufmerksam, dass man bei der Zurechtsetzung energisch und vor allen Dingen schnell vorgehen muss. Wenn es möglich ist, soll man die Finger in die Nasenlöcher bringen, andernfalls benutzt er dazu eine dike Sonde und drückt von aussen her die Theile in ihre ursprüngliche Lage zurück. Sitzt der Bruch ganz vorne, so stopft er etwas Lein- wand oder einen mit feinem Leinen umwickelten Gegenstand in die Nase oder er näht einen Leinentampon in carthaginiensisches Leder ein und giebt ihm die Gestalt der Stelle, welche er ausfüllen soll. Wenn der Bruch dagegen weiter oben sitzt, so kann er von innen nicht bis zu der Bruchstelle kommen, hier kommt er also mit der vorigen Behandlungs- methode nicht aus. Er schlägt deshalb vor, zuerst dem Inneren der Nase seine natürliche Gestalt zu geben und dann von aussen her die Nase zurechtzusetzen. Er benutzt dazu die Finger, legt sie von unten her an die Nasenspitze, hebt sie an und drückt so die Bruchenden an- einander. Die Finger sind ihm nicht nur das einfachste, sondern auch das beste Hülfsmittel; zuweilen lässt er diese Manipulation auch von einer Frau oder einem Kinde ausführen, deren Hände noch den Vor- theil besitzen, dass „sie weich sind.“ Die reponirenden Finger sollten auf längere Zeit liegen gelassen werden, und er ist sich wohl bewusst, dass dabei recht grosse Anforderungen an die Geduld des Patienten wie des Arztes resp. dessen Gehülfen gestellt werden. Er scheint deshalb auch manchem Misserfolg begegnet zu sein, denn er sagt: „Die Leute fühlen es recht wohl, wie unangenehm es ist hässlich zu sein. aber sie

116 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates.

nehmen sich entweder nicht genügend in Acht, oder sie können es auf die Dauer nicht aushalten, ausser wenn sie Schmerzen haben und sich vor dem Tode fürchten‘“ eine Bemerkung, welche ihre Richtigkeit wohl für alle Zeiten behalten wird.

Eine ganz ähnliche Behandlungsmethode wendet er an, wenn das Nasenbein quer gebrochen ist und zu der Fraktur eine seitliche Ver- schiebung der Bruchenden hinzugekommen ist. Von innen und aussen werden die verletzten Theile zurecht gebogen und dann mit den Fingern in dieser Lage gehalten; Hippokrates hält es auch für gut, den kleinen Finger zuweilen in die Nase einzuführen und die abgewichenen Theile wieder zurecht zu drücken. Kommt nun aber noch eine Ent- zündung hinzu, so wendet er den schon oben erwähnten erhärtenden Teig an, macht aber darauf aufmerksam, dass man trotzdem die Finger darauf halten muss. Betrifft der Querbruch nur den Knorpel, so steckt er irgend etwas, was gerade da ist, in das Nasenloch hinein, um das schiefe Anwachsen der Nasenkuppe zu verhindern. Er meint, man findet wohl vielerlei, was geruchlos und auch sonst geeignet dazu ist, und hat einmal sogar ein Stückchen Schaflunge, was gerade zur Hand war, als Richtungsmittel benutzt. Dann klebt er aussen an das eingesunkene Nasenloch einen aus weichem Leder geschnittenen Riemen von ungefähr Daumenbreite und zieht an, sodass die Nase gerade und richtig steht. Dann wird der Riemen unter dem Ohre her um den Kopf herumgeführt und durch Ankleben an die Stirn oder mehrmaliges Herumwickeln um den Kopf befestigt. Als besonders zweckmässig rühmt er diesem Verbande nach, dass man den durch den Riemen bewirkten Gegenzug an der Nase leicht stärker oder geringer machen kann, ohne die verletzten Stellen durch Abnahme und erneutes Anlegen des Ver- bandes zu reizen. :

Der letzte Fall betrifft eine complicirte Fraktur. Die Behand- lungsweise, welche er anräth, ist im Grossen und Ganzen dieselbe, wie bei den beschriebenen Fällen. Die offenen Wunden behandelt er dabei durch Auflegen von Wachspflaster und legt den bei der vorigen Ver- letzung beschriebenen Extensionsverband an. Wenn sich Knochentheile loslösen wollen, so benutzt er die Einrichtung durch Zurechtdrücken mit den Fingern.

Welche Verbände Hippokrates sonst noch angelegt hat, lässt sich nicht mehr feststellen; jedenfalls hat es mehrere Arten gegeben und dieselben haben sich nicht durch allzu grosse Einfachheit aus- gezeichnet. Den Beweis für diese Annahme liefert Hippokrates

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Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates. 117

selbst, denn er sagt: „Dieser Verband (der Verband an der Nase) ist der mannigfaltigste und hat die meisten schiefen Gewinde (oxer«rovs) und lässt die verschiedensten rautenförmigen Zwischenräume auf der Haut ganz unbedeckt* (Grimm’s Uebersetzung), und weiter sagt er, dass ein jeder junge Arzt wünsche, eine derartige Verletzung zur Be- handlung zu bekommen, um seine Geschicklichkeit im Anlegen von Verbänden zu beweisen.

Dass die hippokratischen Behandlungsmethoden zweckmässig waren, erhellt daraus, dass sich noch im 16. Jahrhundert Ambroise Paré genau nach den Vorschriften des alten Meisters richtete und dass wir auch heute noch mit geringen Abänderungen der hippokratischen Methode folgen. Die Reposition der gebrochenen Knochen wird heute noch auf dieselbe Weise geübt und die Beobachtung des Hippokrates, dass dieselben nach der Reposition wenig Neigung zeigen, sich wieder von einander zu trennen, ebenso seine Beobachtung von der schnellen Ver- heilung der Bruchenden sind durchaus zutreffend und durch die geringe Muskelthätigkeit an diesem Organe erklärt. Gerade deshalb aber sind wir heute nicht so schnell mit irgend welchem Schienenapparat etwas anderes war ja im Grunde die Ausfüllung der Nasenlöcher nicht -— bei der Hand, nur bei Septumfrakturen bei gleichzeitiger Deviation wenden wir nach der Reposition mittelst der Adams’schen Zange eine Art von Schienenapparat an (Adams, Jurasz). Jedenfalls war die Methode des Hippokrates in keiner Weise. tadelnswerth, der Ge- danke, wie die Ausführung seiner Behandlungsweise waren gut und zuverlässig, wenn auch in manchen Fällen ein Eingriff vielleicht nicht direkt nöthig war. Wir dürfen ihm darum auch unbedingt Glauben schenken, wenn er die guten Erfolge rühmt, welche er mit seiner Methode erzielt hat: „Ich wenigstens habe keine derartig gebrochene Nase gesehen, welche man nicht hätte gerade richten können; wenigstens, wenn sie zurechtgesetzt wurde, bevor sie verknorpelt war, und sie kam stets wieder in Ordnung, wenn man sie .kunstgemäss behandelte.“

Das Resultat unserer Betrachtung können wir in kurzen Worten zusammenfassen. Abgesehen von dem speciellen Interesse, welches die Darstellung der rhinologischen Kenntnisse des hippokratischen Zeitalters allen denen gewähren wird, die sich heutzutage mit der Behandlung von Nasenkranken befassen, konnten wir an diesem Beispiele erörtern, wie die Schriften des alten Meisters überhaupt zu beurtheilen sind. Sie setzen sich zusammen aus objektiven Beobachtungen und aus Hypo- thesen. Die sinnfälligen Beobachtungen sind es, welche den Fortschritt

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 9

118 Rudolf Baldewein: Die Rhinologie des Hippokrates.

jener Zeit ausmachen und auch heute noch unsere Bewunderung erregen, die Hypothesen dagegen sind zum weitaus grössten Theile für uns nur von historischem Interesse, zur Entwickelung der wissenschaftlichen Heilkunde haben sie so gut wie nichts beigesteuert.

Für die vielfachen Anregungen, welche mir Herr Professor Dr. Koerner widmete, der mir das Thema überliess und es vortrefflich verstand, immer wieder von Neuem das Interesse daran zu wecken, sage ich demselben am Schlusse meiner Arbeit aufrichtigen Dank. Ebenso bin ich dem appr. Arzt Herrn Preysing für die Anfertigung der Abbildungen zu Danke verpflichtet.

Litteratur.

Die Hauptschwierigkeit bei der vorliegenden Arbeit lag in dem Umstand, dass sich keine genügende Uebertragung der hippokratischen Schriften in die deutsche Sprache vorfand. Von dem einzigen mustergültigen Werke (Fuchs) ist bis jetzt nur ein Band erschienen, sodass es nöthig wurde, den griechischen Text nachzulesen. Da es sich nicht darum handeln

konnte, sämmtliche Ausgaben des Hippokrates durchzuarbeiten, so tv habe ich mich an die als beste geltende, zehnbändige Littré’sche Aus- gabe gehalten, welcher auch eine französische Uebersetzung beigefügt ist.

Littré. Oeuvres d’Hippocrate Bd. 1—10. Paris 1851. Grimm. Hippokrates Werke. Bd. 1-4. Altenburg 1781. Haeser. Geschichte der Medizin. Jena 1853.

Holmes. Geschichte der Laryngologie. Aus dem Englischen übersetzt von Koerner. Berlin 1887.

Puschmann. Geschichte des medicinischen Unterrichts. Leipzig 1889. Fuchs. Hippokrates sämmtliche Werke. Bd. 1. München 1895. Mackenzie-Semon. Die Krankheiten des Halses und der Nase. Berlin 1884. Stieda. Ueber Knochenblasen in der Nase. Archiv für Laryngologie. 1895. Körner. Die Ohrenheilkunde des Hippokrates. Wiesbaden 1895.

H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose. 119

VI.

Ein Initial-Symptom der Sclerose. Von Dr. H. Zwaardemaker in Utrecht.

In der jetzigen Zeit, wo der Begriff „Sclerosis aurium“ durch Politzer’s und Bezold’s anatomische Untersuchungen ihren einheit- lichen Charakter, welchen z. B. Walb!) in Schwartze’s Handbuch ihr noch zuertheilte, verloren hat, soll hier, wo wir ein neues Initial- symptom zu beschreiben haben, vor allen Dingen genau angegeben werden, um welches Krankheitsbild es sich in dem vorliegenden Aufsatz handeln wird.

Walb’s primäre Sclerose ist dann jetzt aufgelöst in: 1. Die primäre Erkrankung der knöchernen Labyrinthkapsel.?)

2. Die Verwachsung der Steigbügelschenkel mit den Wänden der Nische des ovalen Fensters, ähnliches in der Umgebung des Hammers und am runden Fenster, durch Verdichtung von zum Theil fötalen Strängen®) (Heridität?), -

3. Die allgemeine Sclerose der Mittelohrschleimhaut und der Tuben, wahrscheinlich im Anschluss an einen ähnlichen Process in der Nasenrachenhöhle.°)

Neben diesen drei, von Anfang an progressiven,-Processen, welche immer bilateral, als deutliche Systemerkrankungen auftreten, wird dann eine secundäre Sclerose beschrieben, welche als Folgezustand chronischer Mittelohrcatarrhe sich entwickelt Von den primären Sclerosen unter- scheidet sich dieselbe durch Exsudatbildung oder Tubenverschluss, wenigstens in den ersten Stadien der Krankheit, in Folge dessen dann auch constant gröbere Anomalien des Trommelfells (Verdickungen. Cica-

1) Walb sagt jedoch auch dort schon: „Es wird noch weiterer anatomischer Untersuchungen bedürfen, um die Frage zu lösen, ob nicht die sogen. Sclerosen von vornherein Krankheiten des Mittelohres und des inneren Öhres zugleich sind und beides sich unter dem Einfluss gewisser Erkrankungen der trophischen Nerven ausbilde.

2) A. Politzer, Zeitschr. f. Ohrenheilk. Bd. XXV, S. 309. F. Bezold, ibed. Bd. XXVI, S. 9.

3) Habermann, Schwartze’s Handbuch II, S. 24.

4) S. Moos, Schwartze’s Handbuch I, S. 489.

5) G Gradenigo, Gougenheim’s Ann. 1868, S. 130. Die von Gradenigo aufgefundene Anosmie stützt diese Anschauung.

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120 H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose.

trices, Verkalkungen) oder Einziehungen der Membran und der Mem- brana Shrapnelli anwesend sind. Sowohl die primären, als die secundären Sclerosen können zur Stapesankylose führen, der sub 1 genannte Politzer’sche Process scheint es immer zu thun.

An dieser schematischen Vorstellung, welche wir in den vorher- gehenden Zeilen aufzustellen versuchten, mag wohl einiges zu tadeln sein. Namentlich sind darin einige pathologisch-anatomische Substrate nicht besonders aufgeführt, welche von vorzüglichen Beobachtern be- schrieben worden sind, so z. B. die Verkalkung des Ligamentum stepedio-vestibulare, die Verdickung der Mucosa des runden Fensters u. s. w. Dieselben mögen in sub 2 und 3 der primären Sclerose mit hinein- gefasst werden. Der Uebersichtlichkeit wegen war eine Vereinfachung nothwendig und, weil es um klinische Begriffe handelt, auch erlaubt. Die Diagnostik am Lebenden führt schwerlich weiter als zur Feststellung eines doppelseitigen progressiven Mittelohrleidens, welches primär, ohne Schmerz, ohne nachweisbares Exsudat und ohne Wölbungsanomalien verläuft. Bekanntlich ist für diese Zustände der frühzeitige Ausfall des Gehörs für Töne niederer Tonhöhen characteristisch. Die Kranken hören den Donner nicht, während sie ein leises Klingeln wahrnehmen. Dazu tritt dann die vorzügliche Knochenleitung für Stimmgabeltöne aus den mittleren Octaven. Neben dem Trommelfellbild, neben der Un- beweglichkeit des Manubriums beim Ansaugen, und neben dem Aus- cultationsgeräusch sind dies wohl die zuverlässigsten Symptome.

Es sei gestattet, hier noch auf ein neues functionelles Symptom die Aufmerksamkeit zu lenken, welches nach meinem Dafürhalten für die primäre Sclerose in ihrer gewöhnlichen Form (Festlagerung der Knöchelchenketten ohne Labyrinthcomplication) Geltung hat. Es be- schränkt sich also auf die beiden letzten der oben genannten Processe: Verwachsungen in der Nische und allgemeine Sclerose der Mittelohr- schleimhaut mit Einschluss der Tuben. Ob auch das Beginnstadium der primären Erkrankung der knöchernen Labyrinthkapsel hinzugehört. ist unsicher. Jedenfalls bezieht es sich nicht auf das vollendete Krank- heitsbild, wie Politzer und Bezold es beschrieben haben. Denn es handelt sich um ein wahres Initialsympton, freilich in der Art, als man bei der Tabes von Beginnsymptomen redet, Symptome, welche jahrelang anhalten und ungeachtet dessen nur für das erste Stadium der Krankheit bezeichnend sind. Wählen wir vorläufig die folgende Definition: Bei primärer Sclerose findet sich fast ohne Ausnahme eine Verschiebung der oberen Tongrenze

H. Zwaardemaker: Kin Initial-Symptom der Sclerose. 121

über die normale Grenze hinaus, welche während der ersten Jahre des Mittelohrprocesses bestehen bleibt, und dann allmählig durch die normale Grenze hindurch in eine Einschränkung übergeht. Vom sclerotischen Ohre werden in Folge dessen, während dieses Stadiums, noch ein, zwei oder mehr Halbtöne gehört, welche für normale Personen gleichen Alters!) gänzlich unhörbar sind. Letzteres Factum giebt einen bequemen quantitativen Maassstab, nach welchem sich das Symptom bemessen lässt. In untenstehenden Tabellen sind die 50 Fälle von „Sclerosis aurium“ vereinigt, bei welchen ich in der Lage war, die chromatische, von Bezold continuirlich genannte, Tonleiter zu unter- suchen. Nicht nur die beginnenden Fälle, sondern alle, bei denen die Diagnose sicher schien, sind aufgenommen. Mit Bezug auf die obere Tongrenze vertheilen sich dieselben wie folgt;

erhöhte obere Tongrenze . 23

normale obere Tongrenze . . . . 5 herabgesetzte obere Tongrenze . . 13 Summa . 50

Erstgenannte Kategorie enthält die typischen Fälle. In der zweiten Kategorie hat eine längere Dauer des Leidens bereits das Initialsymptom einigermaassen verwischt und ist die obere Grenze wieder bis zur Norm herabgesunken. Beide Gruppen vereinigten wir zu einer Tabelle, indem wir in der letzten Spalte angaben, wie lange für jeden concreten Krank- heitsfall eine Hörstörung beobachtet worden ist. Beim Durchsehen der Tabelle wird man bemerken, dass in den 5 Fällen, wo die Tongrenze nicht an einem der beiden Ohren erhöht gefunden wurde, der Process schon mehrere Jahre bestand, und z., B. das runde Fenster für die Schallwellen bereits weniger gut zugänglich geworden. Als eigentliche

1) Das Zurückziehen der oberen Tongrenze mit zunehmendem Alter wird jetzt so ziemlich allgemein zugegeben. Nur über das Maass der Abnahme herrscht Meinungsverschiedenheit. Da die an verschiedenen Orten verwendeten Galtonpfeifchen in ihrer Scala nicht übereinstimmen, lässt sich über diesen Punkt schwerlich streiten. Richter will neuerdings den Verlust an hohen Tönen als einen Untertheil einer allgemeinen Presbyakusis, welche alle Töne umfasst, betrachten. Diese Ansicht kann schwerlich richtig sein, da ich bereits gezeigt habe, dass fir fis! keine normale Presbyakusis existirt. Das Kranken- material, welches Richter studirte, eignet sich auch nicht zur Erledigung dieser Frage, weil unter den Greisen nur wenig normal-hörende waren. Damit will ich aber die Bedeutung der schénen Abhandlung, welche fir die patho- logischen Zustände des senilen Gehörorgans schätzenswerthe Befunde herbei- schafft, auch nicht im Geringsten anfechten.

122 H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose.

Tabelle L

| Thatsächlich

| vorhandene

| Tongrenze

Galton-Scala

rechts | links

Normale Tongrenze

Tonleiter Rene Scala

Bemerkungen.

No. des Journals

L Sils 1889| 11110) e”—!/, Ton 1,4 1,1 | 1,1 || Hörstörung wenigstens 2 Jahre 1889 | 67/11 e—i|,;, 1,4 1,3 | 1,2 || Störung 2 Jahre bereits vorhanden 1894 | 307117 | e7—1/4_,, 1,4 14 | 1,4 | seit 6 Jahren Hörstörung 1893 | 515|18)| e7—1/4 _,, 1,4 14 | 1,3 || Hörstörung seit 3 Jahren 1894 | 236 = ai, w 14 1,3 | 14 seit a Jahren Hörstörung 1895 | 622 | 18) e—1j, 1,4 1,3 | 1,2 | seit 1 Jahre Hörstörung 1889| 26|20|| e—1j, „, 1,4 1,3 | 1,2 | seit mehreren Jahren Hörstörung 1895 | 407 | 21|| e7—1/,__,, 18 | | ; š : 1895 | 381 | 22||"e7—1/, _,, 1 PSO) ES A ? ? 1895 | 312 | 23|| e7—1], _,, 1,4 14 | 1,8 | j e e n 1895 | 489 |23 | e—1j, 1,4 1,4 | 1,3 || seit 1 Jahre Hörstörung 1895| 26|25|| e—ı, „>| 14 1,3 | 1,5 | seit mehreren Jahren Hörstörung 1894| 302|26| dis“ is: ede te p i d 1889| 74128 | dis? | Es Dan ; i e 1893 | 457 | 30 dis? 1,5 1,3 1,3 || seit einigen Monat. leichte Hörstör. 1895 | 570 | 31 dis? 1,5 I 49 | seit einigen Jahren Hörstörung 1891 | 101 | 21 dis? 1,5 1,3 | 1,3 | seit 11 Jahren Hörstörung 1895 | 604 | 32) | dis? 1,5 | 1,4 1,8 | seit 20 Jahren Hörstörnng 1895 | 156 133) dis? | 1.4 1,4 | seit 7 Jahren Hörstörung 1895, 286 33| dis? | 1,5 1,5 1,5 || seit mehreren Jahren Hörstörung 1894, 275 33) die | 15 | 1,3 | 1,3 | seit einigen Jahren Hörstörung 1895 | 417 | 34 dis? 15 | 1,5 | 1,4 || seit einigen Monaten Hörstörung 1895 | 60) 35 dis? 1,5 1,4 | 1,8 || seit einigen Jahren Hörstöruug 1894 | 289 | 37 dis? 15 | 1,3 | 1,3 | seit 20 Jahren Hörstörung 1894| 578 AN eis? 21 | 1,8 | 2,2 | seit vielen Jahren Hörstörung 1898 | 480 |47 | eist—ı/ı Ton| 23 ae EN, ; 1894 | 497 | 48 || cis™—!/4 23 | 1,3 | 1,3 | seit mehreren Jahren Hörstörung 1894| 260 50| ci 24 | 1,4 | 1,4 | ; ý e - 1894 | 285 | 53), c7—1/, Ton 26.185 1894 | 506 56, ais6 3,2 | 3,0 | 3,0 | Alienselernse seit einigen Monaten 1894 | 32 | 57 | ais6—1/, Ton! 35 || 2,0 | Altersselerose seit 6 Jahren 1894 | 429 | 58|\ais6—1/,_,, 35 || 3,4 | 2,2 | Alterssclerose seit 6 Jahren 1895 | 658 | 60| | a6 | 3,7 || 1,6 | 1,6 || seit vielen Jahren | 1894 | 450° 61, | a6—1/, Ton | 40 1,9 | 2,4 | Alterssclerose seit 8 Jahren d 1893| 470 63 86-14, ae a je SE | Hörstörung seit 30 Jahren T i 1895| 58 | 71) viet | 43 || | 2,8 | seit vielen Jahren 1895 | 581\78| ` sie | |

43 |2651/38h, a | | \|

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H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose. 123

Tabelle IH.

Normale obere Thatsächlich

vorhandene Tongrenze Tongrenze a EE = in Einheiten Bemerkungen. Galton- der

Tonleiter Scala || Galtonscala

rechts" links

tis;hypertr.tonsill. phar.; post. katheterism. amelio- ratio functionalis).

2,1 1,8 || Catarrhus chronicus ; (rhini- tis hypertr.; respiratio oralis; post. kath. amelio- ratio funct.)

1,9 2,2 || Vorgeschrittener Fall. (Ohrensausen und Taub- heit seit vielen Jahren.)

2,7 2,7 || Labyrinthcomplication durch Gewehrfeuer (jedes- mal das Gehör bedeutend herabsetzend).

DE RT ar UN, 15. XD. 92 r. 3:8, 15,7; 14. VI. 93 r. 4,6, 1. 2,9.

8,2 3,2 || Vorgeschrittener Fall. Labyrinthcompl.(Schwin- delanfälle).

1894 | 2117|) e—1/, Ton 1,4

1895 | 275 | 24|) e7—1/, Ton 1,4

e

1892 | 444 |25|| e?—1/, Ton | 14

1894 | 169 |25 | e”—1/, Ton | 1,4

1895 | 664 | 27 dis? 1,5 2,0 | 2,9 || Vorgeschrittener Fall. (Seit 1885 Ohrensausen und Gehörstörung.)

1893 | 511 | 27 dis? 1,5 2,4 2,1

1894 | 9129 dis? 1,5 4,0 | 8,4 || Vorgeschrittener Fall. (Seit 1883 Gehörstörung anschliessend an nasale Stenose).

1894 | 101 |29 dis? 1,5 2,5 2,5 || Vorgeschrittener Fall. Ver-

| kalkung im Trommelfell.

1895 | 251 | 34 dis? 1,5 4,8 2,9 | Obesitas. Fettherz.

1895 | 57 | 42|\dis7—1/4 Ton| 1,7 2,9 3,2 || Vorgeschrittener Fall. (Seit

20 Jahren Hörstörung.) 2,4 2,8 || Vorgeschrittener Fall. (Seit vielen Jahren hoch- gradige Hörstörung.) 2,6 3,6 || Vorgeschrittener Fall.

| (Seit vielen Jahren hoch- gradige Hörstörung.)

1894| 45 |52 ais6 2,4

1895 | 338 | 16 | e”—1/, Ton 1,4 2,8 3,2 || Catarrhus chronicus; (rhini- 1893 | 528 | 53)| e7—1/, Ton 2,6 |

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124 H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose.

Ausnahmefälle können wir daher die 5 genannten Fälle nicht betrachten. Wir vereinigten sie mit den 32 typischen Fällen zu vorstehender Tabelle I, welche also 32 typische Sclerosefälle und 5 mit bereits normal gewordener oberen Tongrenze enthält. (Die abnorm hohen oberen Grenzen sind fett gedruckt.)

Diesen gegenüber stellen wir die 13 Ausnahmefälle, worunter 8 sehr vorgeschrittene Fälle. (Tabelle II.)

Unter diesen 13 Fällen dann gab es 8, wo der Process bereits so weit vorgeschritten war, dass von beginnender Sclerose nicht mehr die Rede sein konnte. Bei diesen könnte man nach der Erfahrung, welche wir für unsere zweite Rubrik gemacht haben, eine Erhöhung der Grenze ge- wiss nicht mehr erwarten. Secundäre Stapesankylose und vielleicht schon bedeutende Labyrinthcomplication können hier vorausgesetzt werden, wenigstens in Fall 3, 5 und 13. Aber auch in den anderen Fällen ist eine Labyrinthcomplication nicht unwahrscheinlich. Allgemein angenommen wird, dass sich der Immobilisirung der Gehörknöchelchen auf die Dauer ein Leiden des inneren Ohres gesellt. Dasselbe braucht nicht grade auf die Basis der Schnecken beschränkt zu sein, damit es eine bedeutende Hörstörung für die höchsten Töne veranlasst, denn es wäre sehr gut denkbar, dass letztere einfach einen Untertheil bildeten einer vollkommen gleichmässigen Herabsetzung des Gehörs für alle im Beginnstadium der Sclerose noch hörbaren Töne.') Vorboten dieses Fortschreitens der Läsion auf das innere Ohr ist vielleicht die Paracusis Willisiana. Bekanntlich hat Urbantschitsch von dieser Erscheinung eine Er- klärung gegeben, welche von der gewöhnlichen abweicht, und ihren Sitz nach dem Labyrinth verlegt. Ich möchte mich dieser Auffassung anschliessen, indem ich die Paracusis Willisiana umschreibe als einen geänderten Zustand der Reizbarkeit des schallempfindenden Apparats; welcher dadurch characterisirt ist, dass die Reizschwelle höher liegt, die Unterschiedsschwellen jedoch nahezu unver- ändert geblieben sind. Die Ursache einer solchen Aenderung kann unmöglich im Leitungsapparate gelegen sein, denn eine Unvoll- kommenheit des letzteren muss, nothwendig sowohl die Reizschwellen- werthe, als die Unterschiedsschwellenwerthe in gleichem Maasse erhöhen. Man wird also gezwungen, sie in den reizempfindenden Elementen selbst

1) Dabei fallen selbstredend in erster Linie die Grenztöne aus, die an und für sich schon schwach gehört werden.

H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose. 125

m suchen. Die prognostisch übele Bedeutung der Paracusis Willisiana bei der Sclerose ist in diesem Gedankengange sehr einfach erklärt und zugleich erläutert, wesshalb die Paracusis Willisiana gewöhnlich bei einigermaassen vorgeschrittenen Fällen und nicht grade bei beginnender Sclerose gefunden wird.!)

Von den übrigen 5 Fällen, welche nicht zu den weit vorgeschrittenen gehören, bezieht sich einer auf einen Unterofficier, der in Folge von Schiessübungen taub geworden war. Auch hier darf man eine Labyrinth- complication voraussetzen. Zwei weitere Fälle gehören, wie aus den in der Tabelle notirten Bemerkungen hervorgeht, zu den chronischen Catarrhen des Mittelohrs, wobei im Moment der Untersuchung zufällig kein Exsudat und kein Tubenverschluss gefunden wurde. Obgleich keine echten Sclerosen, wurden dieselben hier nur hinzugefügt, weil wir keine Fälle zurückhalten wollten, welche auch nur einigermaassen von anderer Seite zu dieser Krankheit gerechnet werden können. Es bleiben also nur 2 Fälle unaufgeklärtt. Einer davon wurde nur einmal in der Sprechstunde untersucht und war mit Obesitas und Fettherz complicirt. Der andere war eine regelrechte Sclerose, bei welcher die Bedeutung der Herabsetzung der oberen Tongrenze mir unklar geblieben ist. Hier wire die Herabsetzung der oberen Grenze das einzige Zeichen der Labyrinthcomplication.

Wie bereits mitgetheilt, ist das Hinaufrücken der oberen Tongrenze im Grunde eine Theilerscheinung des vorzüglichen Discantgehörs des Sclercseleidenden. Aus dieser gleichen Ursache werden die höheren Vocaltöne, z. B. das i, ferner die hohen Zischlaute, das holländische s, u. s. w. vom sclerotischen Ohre am meisten bequem pereipirt. Es sind dies allbekannte Thatsachen, die hier nicht besonders er- örtert zu werden brauchen, die dazu noch desto deutlicher hervor- treten, weil dieselben scharf contrastiren mit dem früh und vollständig Verlorengehen der unteren Octaven. Der Stimmgabelton C, wenn man denselben von Obertönen ganz rein gemacht hat, wird auch dann, wenn die Amplitudo der Zinken 1 mm und mehr beträgt, schon bei be-

1) Ein Analogen der Paracusis Willisiana scheint mir die Hemeralopie des Auges zu sein, zumal die, welche bei Retinitis pigmentosa vorkommt. Auch dann findet sich Erhöhung der Reizschwelle bei Unveränderlichkeit der Unter- schiedsschwellen. (Vgl. J. Bjerrum, v. Grafe’s Arch. f. Ophth. Bd. XXX, S. 201, sowie Intern. med. Congress in Copenhagen, ref. in Hofmann’s und Schwalbe’s Ber. 1884 (2) S. 204 und M. Straub Ned. Tydschr. 'v. Genees- kunde 1892 (2) bl. 864.)

126 H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose.

ginnender Sclerose nicht wahrgenommen. Auch die Contra-Octave des Harmoniums, in welchen Klängen der erste Oberton neben dem Grund- ton sehr deutlich gehört wird, geht dem Patienten sehr bald ab. Um- somehr trifft uns das vorzügliche Gehör unserer Patienten für die höchste Octave von Urbantschitsch’s Harmonika, für die fis!-Gabel, für die König’schen Klangstäbe u. s. w. Am besten bekommt man eine Uebersicht, wenn man sich Hörfelder anfertigt. In der beigegebenen Tabelle haben wir einige Beispiele aus verschiedenen, nicht zu sehr vorgeschrittenen Stadien der Krankheit vereinigt. Wir nahmen Abstand von der Aufführung aller 32 typischen Fälle, weil, obgleich von allen gross C, c? und fist gemessen wurden, doch nicht für alle der untere Grenzton, der Möglichkeit der Obertöne wegen, genau genug bestimmt werden konnte.

Tabelle TII.

> e = me | y | Hörzeit in Die No. Ka für Unterer

Jahr des e Flüster- Grenz- LE Oberer Alter

Journals| » | sprache in ton Ge:

| S | Meter C | @ | fist | 1893 | 465 | r| 05 Al | 2| 40| 55 | eT 17 1893 | 515 | | 1— | Gist ||? | 50 50 eT 18 1894 | 202 |1 jes Fis || ? | 35| 65 f7 21 1895 | 312 | 1 0.50 at oe | S84 Sp eT 23 1894 | 291 |1 0,30 B1 3 | 40 | 80 || dis’ibis e? | 26 1894 | 302 |x 0,40 c2 | 4 | 70| 72 ei 26 1893 | 442 | E 020 enat. || | 37 | 42 || dis? bis e | 28 1895 | 604 | r 0,20 B | 23 | 55 || bis? bis e? | 32 1894 | 275 |r 0,50 A || —]| 50] 65 ei 33 1895 | 156 | 1 0,50 Gis || | 40 | 90 || dist bis e? | 38 1894 | 289 |r 0,25 Ais || 33 | 50 ei 37 1894 | 487 | 1 ti Gis || —| 50] 75 ei 48 1894 | 260 |r 0,10 | enat. || | 37 | 78 || dis? bis er | 50 1895 | 576 0,25 G || | 40 | 60 di 53 1893 | 409 |1 | oa Ar | 2 | 20| 491! aisé bis as | 66 1895 | 581 0,05 | enat. ME 65 b6 13

ie

Aus allem geht hervor, dass die Sclerose-Taubheit eine wahre Bass- Taubheit ist, und dass im Anfange der Krankheit die Discanttöne vor-

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H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose. 127

züglich erhalten sind. Wenn man darauf besonders achtet, giebt es sogar eine ganze Reihe letzterer, jene nämlich, welche sich dem Grenz- tone unmittelbar anschliessen, die sogar besser als vom normalen Ohre percipirt werden. Wir können also unser Initialsymptom noch in anderer Weise formuliren: Wir können von einer Verschiebung der ganzen Tonleiter reden, einer Verschiebung nach einer höheren Tonlage, womit freilich eine Einkürzung am unteren Ende zusammen- geht. Es fragt sich nun in erster Linie, ob unserem Symptome, welches in 32 der 37 Fälle während der ersten Jahre der Krankheit anwesend war, auch eine differenciell-diagnostische Bedeutung gebührt. Bei chroni- schem Catarrh, wobei freies Exsudat, Verdickung, Wölbungsanomalien des Trommelfelles vorhanden sind, wobei hypertrophische Processe in der Nase oder im Nasenrachenraume, während längerer Zeit, einen Tubenverschluss hervorbringen, fehlt das Hinaufrücken der oberen Grenze. Nicht dass eine Herabsetzung vorzuliegen braucht (wo anwesend ist dieselbe meistens unbedeutend), aber eine Erhöhung des Grenztones kommt niemals vor.!) Bei der Politzer’schen primären Entzündung der Labyrinthkapsel fehlt unser Initialsymptom von Sclerose ebenfalls. Politzer sagt in seiner bekannten Verhandlung in der Zeitschrift für Ohrenheilkunde, „während die hohen Töne der Galtonpfeife von dem nicht gänzlich Tauben oft bis nahe zur oberen Tongrenze percipirt

1) Aus den klinischen Beobachtungen, welche ich bis jetzt zu sammeln im Stande war, geht hervor, dass reine Mittelohrleiden die obere Tongrenze nicht alteriren oder wenigstens nicht mebr als 1/4 Ton herabsetzen (0,1—0,2 Theil- striche der Galtonscala). Die Einwendungen, welche G. Brunner dagegen er- hebt in seiner klaren Abhandlung in der letzten Lieferung der Zeitschrift für Ohrenheilkunde, lassen, wie ich glaube, andere Deutung zu. Fall 1 und 2 liessen sich ganz gut durch Drucksteigerung im Labyrinth erklären, wie es in einem ähnlichen Falle Burckhardt-Merian gethan hat (Arch. f. Ohrenheilk., Bd. XXII, S. 185). Der Knall während der Luftdouche im Fall 1 spricht jeden- falls dafür, dass etwas sich im Labyrinth änderte und was den zweiten Fall angeht, so lässt die Adhäsion des Tommelfells hier grade eine ungewöhnlich starke Wirkung der Luftdouche im Sinne der Otopiesis erwarten, wie auch Brunner selbst bemerkt. Die Verbesserung der Leitung scheint eine solch enorme gewesen zu sein, dass für Sprache und Uhr die Herabstimmung der Labyrinth-Reizbarkeit ausgeglichen wurde.

Wie Brunner, fand auch ich wiederholt bei Cerumendruck eine oft be- trächtliche Herabsetzung der oberen Grenze. Einmal sogar hörte ein Patient erst 6,0, später, nach Entfernung des Cerumens, 1,4. Ich habe mir das immer durch Drucksteigerung im Labyrinthe in Folge des Hineinpressens des Trommel- fells durch den Pfropf erklärt, wie anch für solche Fälle Burckhardt-Merian angiebt. Für diese Anschauung möchte ich hier nur noch anführen, dass bei

128 H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose.

werden.“ Von den 3 Fällen Bezold’s sind die 2 letzteren auf ihr Tongehör geprüft worden. Der Fall, welcher im Band XXVI der Zeit- schrift für Ohrenheilkunde beschrieben wurde, hatte seinen höchst hör- baren Ton rechts bei 2,1, links bei 2,0 der Scala des Bezold’schen Galtonpfeifchens, während die normale Zahl für das betreffende Alter vom Autor auf 1,8 gestellt wird, eine deutliche Herabsetzung, kein Hinaufricken der Tongrenze also. Beim Falle, der im Band XXVI geschildert wird, ist die Herabsetzung bereits beträchtlich, denn die angegebenen Zahlen sind rechts 6,4, links 6,3, während der normale Werth auf 2,3 angegeben wird. Ganz in Uebereinstimmung hiermit haben wir, wie erwähnt, in Fällen, wo die bedeutende Taubheit, nament- lich eine im Vergleich zum Tongehör relativ starke Störung des Sprach- gehörs (auf gänzlichen Verlust der Accommodation für Intensitäts-Unter- schiede zurückzuführen) bei vorgeschrittenen Fällen von Sclerose einen Verdacht auf secundäre Stapisankylose erweckte, unser Initial-Symptom nicht angetroffen. Damit will natürlich nicht behauptet sein, dass bei beginnender Erkrankung der knöchernen Labyrinthkapsel unser Symptom nicht vorkommen könnte. Andere Krankheitsbilder als die chronischen Catarrhe und die primären und secundären Stapisankylose kommen in differentiell diagnostischer Beziehung nicht in Betracht, so- dass, wie mir scheint, unser Initial-Symptom eine nicht gering anzu- schlagende differentiell-dignostische Bedeutung besitzt.!)

Cerumendruck auch andere Labyrinthsymptome gefunden werden: Benommen- heit, leichter Schwindel u. s. w. Man nannte dies früher reflectorische Er- scheinungen, jedoch in neuerer Zeit wird man dieselben wohl allgemein als leichte Störungen des statischen Organs ansehen.

Auch bei acuten Mittelohrleiden fehlen Labyrinthsmyptome nicht. So findet man, wenn man darauf achtet, öfters leichte Gleichgewichtsstörungen : Der Patient geht unsicher und etwas schwankend eine Treppe herunter, stösst beim Sichniedersetzen gegen den Tisch etc. Endlich möchte ich darauf auf- merksam machen, dass 0,2-0,6 Theilstriche Brunner’s möglicherweise ein gleiches Intervall vergegenwärtigen als meine 0,1—0,2 Theilstriche. Diese Frage kann nur erledigt werden, wenn Brunner, durch abwechselnd Anblasen seines Pfeifchens mit Luft und Leuchtgas, die Steilheit des Ansteigens seiner Scala bestimmt. Aehnliches wäre auch zu erreichen, wenn er mit seinem Pfeifchen die normale Presbyakusis mässe, z. B. 10 normal hérende Kinder mit 10 normal hörenden Greisen vergleiche.

1) Die Möglichkeit, dass auch bei grösseren Trommelfellperforationen und ganz normaler medialer Wand der Paukenhöhle die Tongrenze abnorm hoch

steigen kann, muss zugegeben werden. Diese Möglichkeit wird nur äusserst selten zutreffen.

H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose. 129

Obgleich es vor allen Dingen darauf ankommt, unsere neu er- worbene Thatsache an einer grösseren Menge von Beobachtungen zu prüfen, so hat es doch auch einigen Werth, bereits jetzt einen Er- klärungsversuch anzustreben, damit das nach inductiver Methode auf- gefundene Factum seiner isolirten Stellung beraubt wird. Es werden sich dann ohne Frage neue Wege zur Controle und zum näheren Studium des Phänomens finden. Wenn ich nicht irre, wäre es möglich, uns vorläufig in folgender Weise eine Vorstellung zu bilden.

Die nächste Folge des Sclerosirungsprocesses, welcher sich haupt- sächlich auf den Ketten der Gehörknöchelchen oder an den Strängen in den Fensternischen localisirt, wird wohl die sein, dass die Beweg- lichkeit des Leitungsapparates verringert wird. Dadurch werden die Schwingungen en bloc, deren Wahrscheinlichkeit Helmholtz in seinen berühmten Untersuchungen des Jahres 1868 dargethan hat, mehr oder weniger beeinträchtigt, was auch allgemein zur Erklärung der Bass- taubheit bei Sclerose verwendet wird. Gegenüber dem Nachtheile, welchen dieser Umstand für das Hören mit sich führt, steht der Vor- theil, dass mit dem Wegfall der Massenschwingungen der Kette auch die Interferenz fortfällt, welche bei beweglicher Kette nothwendig zwischen den massalen Schwingungen und den Moleculärschwingungen der Ossicala einerseits und den in ihrer Phase zurückgebliebenen Luftschwingungen andererseits existiren muss. Wie Helmholtz!) darthut, kann diese Interferenz für die Schallwellen grösserer Längen gänzlich vernachlässigt werden, wie er ebenso ausdrücklich bemerkt, fällt sie jedoch für Schall- wellen kürzerer Längen schwer in’s Gewicht’).

Für die oberen Grenztöne ist es also ein Gewinn, wenn die Massal- Schwingungen der Kette wegfallen und die Knochenleitung durch das Hineintreten von Wellen, welche durch die Luft der Trommelhöhle zum Promontorium und zum runden Fenster gehen, verstärkt werden kann. Um so mehr ist dies der Fall, weil man annehmen darf, dass die Stränge und festgewordenen Bänder nicht nur die massale Schwingungen aufheben, sondern auch die applicirten Schallweilen in den Ossiculis dämpfen, sodass schliesslich dem Vorauseilen in Phase gänzlich vorge-

1) Helmholtz, Pflüger’s Arch., 1868, Bd. I, S. 1.

2) Dies ist wahrscheinlich die Ursache, dass die Töne der höchsten Octave der menschlichen Tonleiter nur durch sogenannte Knochenleitung pereipirt werden, denn möge letztere für die Töne der unteren und mittleren Octave cranio-tympanal stattfinden, für die höchsten hörbaren Töne wird sie wahr- scheinlich in erster Linie eine cranielle sein.

130 H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose.

beugt wird. Die auf einem Umwege durch das Schläfenbein und die durch die Luft zugeleiteten Schallwellen kommen in nahezu gleicher Phase in der Cochlea an.?)

Ganz in Uebereinstimmung mit dieser Vorstellung ist es, dass bei der Sclerose niemals ein Ton hinzu gewonnen wird, welchen der Patient nicht bereits im kindlichen Alter besass. Offenbar ist es keine Neu- bildung von Corti’schen Fasern und ebenso wenig eine Verstimmung der bereits anwesenden. Die Krankheit des Leitungsapparates gestattet einfach wieder auf’s Neue die Zuleitung von Tönen, welche früher, ob- gleich schwach, stattgefunden, später jedoch, durch Unvollkommenwerden der Knochenelasticität, verloren gegangen waren. Am auffallendsten ist daher die Erscheinung bei Alterssclerose, weil in den reiferen Jahren der Verlust ansehnlich, der Wiedergewinn also beträchtlich sein kann. Die Erscheinung fehlt bei der Sclerose im jugendlichen Alter nicht gänz- lich, obgleich der Gewinn dann nur den viertel oder halben Ton be- trägt, welcher vorher durch den normalem Fortgang der Entwickelung eingebüsst war

Glauben wir in dem Ausfall der Interferenz den hauptsächlichsten Erklärungsgrund des Hinaufrückens der oberen Grenze bei der Sclerosis incipiens suchen zu müssen, so lassen sich doch vielleicht noch einige Hülfsmomente anführen. Unter diesen wollen wir hier allein die glatten festen Wände betonen, welche am sclerotischen Mittelohr meistens ge- funden werden. Infolge dessen eignet sich, wie uns scheint, die Trommelhöhle besonders zum Resonanzraum von Tönen kurzer Wellen- längen, wovon bereits bei Helmholtz die Rede ist. Grosses Gewicht möchten wir aber darauf nicht legen, wenn auch der hohe Klang des Auscultationsgeräusches beim Katherismus als Stütze anzuführen wäre.

Das Initial-Symptom, welches in obenstehenden Zeilen seine Be- schreibung und einen Erklärungsversuch fand, ist vielleicht im Stande, ein anderes Initial-Symptom der Sclerose verständlicher zu machen. Wie

1) Für die kurzen Schallwellen eines dis?, z. B. in der Luft 2 cm, in Knochen +20cm, wird normaliter die Phase der Luftleitung bei Ankunft des Schalles am Promotorium und anı runden Fenster ungefähr ein Viertel der Wellenlänge zurückgeblieben sein gegenüber der Phase der Massenschwingung und jener der Knochenleitung in den Ossiculis. Beide letzteren fallen in der Sclerose, wie gesagt, weg. Ungefähr in derselben Phase als die der Luftbewegung treten nun in das Labyrinth die Schallwellen ein, welche von der Ohrmuschel aufge- fangen durch das Schläfenbein zugeführt werden. Statt einander zu schwächen, verstärken sich die vorhandenen Wellen und der Schall erhält in der Cochlea eine ungewöhnliche Intensität.

H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom der Sclerose. 131

bekannt tritt in typischen Fällen ein fortwährendes Ohrensausen in den Vordergrund, bereits an einem Zeitpunkte, worin nach dem subjectiven Eindruck des Patienten noch keine Taubheit bestand. Dieses Ohren- sausen wird meistens verstärkt durch Ursachen, welche auch die Herz- wirkung steigern machen. Dann nimmt das Sausen öfters einen pul- satorischen Charakter an, isochron mit dem Herzschlag. Wahrschein- lich ist das Sausen also das Hörbarwerden eines Gefässgeräusches. Wenn man, nun die Patienten über die Tonhöhe des Sausens befragt, geben sie ziemlich constant an, dass dieselbe sehr hoch gelegen sein muss und mancher fügt hinzu, dass das Sausen dem Geräusche ähnlich ist, welches man wahrnimmt, wenn man an dem Galtonpfeifchen die Ton- grenze überschreitet. Die Vermuthung liegt also vor der Hand, dass das Ohrensausen hier beruht auf dem Hörbarwerden eines Geräusches, zusammengetzt aus einer Reihe von sehr hohen Tönen, welche norma- liter wohl hörbar, jedoch nicht zugeleitet werden. Nehmen wir an, dass das Geräusch in dem Canalis caroticus entsteht und von hier aus sich im Felsenbein, natürlich auch nach dem Labyrinth und der Margo tympanica fortpflanzt, so ist es deutlich, dass eine Sclerose die Leitung desselben fördern muss, weil zu dem craniell zugefügten Schall sich noch jener von der Margo tympanica bezw. des Trommelfelles gesellt.!) Das Geräusch. welches vorher unter der Reizschwelle blieb, wird durch Hülfe des Sclerosirungsprocesses jetzt dieselbe überschreiten. Die Wahr- nehmung wird um so leichter gelingen, je stärker das Geräusch (erhöhte Herzaction) oder desto schärfer das Perceptionsvermögen des Labyrinths (nach dem Erwachen).

Es scheint mir, dass die merkwürdige Erscheinung, welche die Sclerose in den ersten Jahren darbietet, das Gehör für eine bestimmte Gruppe von Tönen vollkommener zu machen als normal, ein Fingerzeig giebt für unsere Therapie, welche gerade bei dieser Krankheit so dürftig ist. Es liegt nämlich vor der Hand zu versuchen, die pathologische Eigenschaft selbst auszunützen. Der Weg dazu ist leicht zu finden, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Gehörsverbesserung sich nicht auf die oberen Grenztöne beschränkt, sondern, asymptotisch ausklingend, sich noch eine ziemlich grosse Strecke in der Tonleiter ausdehnt. Nicht so selten ist es, dass ein Patient mit Sclerosis incipiens die Lucae’sche fis*-Gabel mit federndem Hammer ein paar Secunden länger hört als das normale Ohr. Wenn es also möglich wäre, Tonsätze aus den mittleren Octaven

I) Normaliter infolge der Interferenz ungemein schwach.

132 H. Zwaardemaker: Ein Initial-Symptom: der Sclerose.

zu einer höheren Tonlage zu transponiren, so würde ein solcher Patient sogar ein besseres Gehör für die Musik bekommen als normale Personen, vorausgesetzt natürlich, dass das Transponiren ohne Intensitätsverlust stattfände. Vereinzelte Töne einer Octave höher klingen zu lassen, jist ein Laboratoriumversuch, welcher sich unschwer anstellen lässt. Vor Jahren habe ich zu einem solchen Zwecke schon den Donders’schen Phonautograph verwendet. In der Mitte der Membran wurde an beiden Seiten ein Stückchen Platinblech geklebt. Diese beiden Stückchen wurden durch als Spirale gewundene Metalldrähte mit dem kupfernen Ringe, zwischen welchen die Membran gespannt war, verbunden. Wenn man nun die metallenen Scheibchen während der Schwingungen der Membran contact machen lässt mit zwei ganz nahe dem Scheibchen gegenüber aufgestellten Platinspitzen, so braucht man nur einen Telephonstrom. ab- wechselnd durch die eine und die andere Platinspitze fliessen zu lassen um die doppelte Anzahl Schwingungen zu erhalten. Noch einfacher lässt sich der Versuch gestalten, indem man eine grosse prismatische Gabel von 64 Schwingungen wie Appunn dieselben liefert, oder auch eine Lucae’sche c-Gabel so aufstellt, dass einer der Zinken abwechselnd mit seiner äusseren und mit seiner inneren Fläche mit einem federnden Metalldraht contact macht. Der Stiel der Gabel wird nun mit dem einen Ende einer offenen Telephonkette verbunden und die beiden Me- talldrähte mit dem anderen. Im Moment, dass die Gabel zu schwingen anfängt, hört man im Telephon die Octave, wenigstens wenn die Con- tacte gehörig regulirt sind, was einige Geduld und einige experimentelle Gewandheit erfordert. Vielleicht, dass sich dasselbe Princip auch durch- führen lässt, wenn es gelänge, einer Telephonplatte auf ihrer Kante Schallwellen zuzuführen. Es wäre dann einfach an jeder Seite der Platte eine Telephonspirale mit weichem eisernen Kerne aufzustellen, um die zugeführten Töne in die nächst höhere Octave transponirt zu hören. Man ist auch, wenn das Experiment in dieser Form gelungen, noch weit entfernt von einem Apparat, welcher Schwerhörigen nützlich sein könnte. Ich zweifle jedoch nicht, dass die für hohen Ton so ungemein feinhörigen Scleroseleidenden im Stande sind, verhältnissmässig schwache Telephontöne bequem wahrzunehmen, falls dieselben nur in der für sie geeigneten Tonlage liegen. Aus diesem Grunde glaube ich, dass das Problem von technischer Seite leicht zu lösen wäre. Da eine solche Erfindung zu macken mehr Sache der Mechaniker als jene der Aerzte ‘sein dürfte, erlaube ich mir die Aufmerksamkeit der ohrenärztlichen Kreisen auf diesen Punkt hinzulenken. Wenn recht viele unserer tech-

Dr. Crull: Congenitaler Verschluss der linken Choane. 133

nisch gebildeten Patienten und hier und dort auch ein Mechaniker sich mit der Frage beschäftigen wollten, so wird es in der Zukunft vielleicht möglich sein, das schwerfällige Laboratorium-Armamentarium zu einem compendiösen und sicher wirkenden Apparate umzugestalten, welcher dann den zahllosen Scleroseleidenden, wenigstens beim Hören einfaches Klänge und Geräusche, unschätzbaren Nutzen erweisen könnte.

Unserer ärztlichen Aufgabe haben wir, wie uns scheint, genügt, wenn wir bis zur Fragestellung geschritten und das Problem in mög- lichst scharfen Zügen formulirt haben.

Utrecht, December 1895.

VII.

Congenitaler Verschluss der linken Choane. Von Dr. Crull, Assistent. Aus der Poliklinik fiir Ohren- und Kehlkopfkranke in Rostock.

Von angeborenen Verschlüssen der hinteren Nasenöffnungen sind bis jetzt einige 40 Fälle in der Literatur!) veröffentlicht worden.

Folgender kürzlich in der hiesigen Universitätspoliklinik für Ohren-, Nasen- und Kehlkopfkranke beobachtete Fall dürfte vielleicht in Bezug auf die Genese dieser Verschlüsse von Interesse sein.

Die 5°/, Jahre alte Patientin wurde am 18. Oct. 1895 zuerst der Poliklinik zugeführt. Die anamnestischen Erhebungen ergaben, dass das Kind aus gesunder Familie stammte, und, was diesem Falle eigen- thümlich ist, mit einer etwa kirschgrossen, mit normaler Haut über- zogenen runden Geschwulst an der linken Nasenseite in der Gegend des linken inneren Augenwinkels geboren wurde. Nach etwa vier Wochen verschwand die Geschwulst spontan unter einmaliger reichlicher Eiterentleerung aus der linken vorderen Nasenöffnung. Das Kind war in der Folgezeit immer gesund, leidet jedoch seit etwa 2 Jahren an schlechtem Gehör, erschwerter Nasenathmung und Schnarchen im Schlaf. Auch hat es auffallend spät, erst mit 5 Jahren, sprechen gelernt.

Patientin ist körperlich ihrem Alter entsprechend entwickelt, geistig ist sie, wie schon der Gesichtsausdruck vermuthen lässt, entschieden

1) Die Literatur findet sich ausführlich angegeben bei Schwendt, die. angeborenen Verschlüsse der hinteren Nasenöffnungen, Basel 1889, und bei Anton, Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 38, S. 40.

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 10

134 Dr. Crull: Congenitaler Verschluss der linken Choane.

zurückgeblieben. Die Sprache ist klanglos, unverständlich und weiner- lich, die Zähne werden dabei aufeinander gebisser. Zahnbildung und Stellung normal, der Gaumen ist auf der linken Seite höher gewölbt. Hyperplasie der Gaumenmandeln besteht nicht, die Rachenmandel ist, wie die Palpation zeigt, stark vergrössert. In den Ohren beiderseits Cerumen, in der linken Nase Schleim, rechte Nase normal. . Beim Schneuzen geht beiderseits keine Luft durch die Nase.

Therapeutisch wurde zunächst die vergrösserte Rachenmandel mit dem Beckmann'schen Messer entfernt, das Cerumen ausgespritzt. Das Gehör war sofort besser, anscheinend normal, eine genaue Prüfung liess sich wegen der mangelhaften Aufmerksamkeit und Intelligenz des Kindes nicht anstellen; Trommelfellbefund: ganz geringe Einziehungen beiderseits.

Nach einigen Tagen stellte sich Pat. wieder vor. Die Nase war rechts nicht mehr verlegt, links hingegen ging die Luft absolut nicht durch. Nachdem durch Rhinoscopia anterior festgestellt war, dass die linke Nase mit Schleim gefüllt war, wurde zunächst mit der Sonde pach einem Fremdkörper gesucht und danu gefunden, dass man links fast 3 cm weniger tief eindringen konnte als rechts. Nach Ausspritzung des Schleimes ergiebt sich allgemeine Schleimhautschwellung, Verbiegung des Septum im hinteren oberen Theile nach links, trichterförmig nach hinten zunehmende Enge der linken Nasengänge mit völligem Verschluss der Choane. Die Rhinoscopia posterior ist nur 2 Mal gelungen. Die rechte Choane normal, die linke bedeutend verengert, etwa !/,cm vom Rande entfernt durch eine mit Schleimhaut überzogene glatte Wand verschlossen.

In Narkose wurde nun der Verschluss der linken hinteren Nasen- öffnung mit einem 7 mm breiten Drillbohrer durchbohrt, indem der- selbe von vorn in die linke Nase eingeführt wird. Die Blutung ist ziemlich stark, steht jedoch nach Einführung eines Jodoformgazetampons, der durch die geschaffene Oeffnung bis in den Nasenrachenraum hindurch- geführt wird.

Am nächsten Tage ganz geringe Temperatursteigerung. Nach drei Tagen Tampon entfernt, die Oeffnung hat sich stark verengert, so dass es nicht gelingt, den Tampon von vorn wieder hindurchzuführen.

Nach 14 Tagen, nachdem sich inzwischen die Oefinung wieder völlig geschlossen hatte, Versuch den Verschluss in Narkose und nach Abschwellung der Schleimhaut durch Cocain zu durchbrennen. Die

E. Schmie gelow: Endocran. Complicat. einer Mittelohrsuppuration. 135

Wand erweist sich als zu dick. Auch mit dem Drillbohrer wurde nichts erreicht, weil derselbe sich in der trichterförmigen Enge einklemmt.

Von weiteren operativen Eingriffen wurde vorläufig Abstand ge- nommen, da das Kind seit der Entfernung der adenoiden Vegetationen durch die rechte Nasenhälfte genügende Luft hat und sogar, wie wir uns selbst überzeugt haben, mit geschlossenem Munde schläft. Von Zeit zu Zeit wird der Schleim aus der linken Nase in der Poliklinik ausgespritzt.

Die Ursache der Entstehung congenitaler Choanenverschlüsse ist noch nicht völlig aufgeklärt und die hierauf bezüglichen Angaben sind noch spärlich (cf. Schwendt, l.c. S. 75). Deswegen erschien uns unser Fall, sofern wir den anamnestischen Angaben Glauben schenken dürfen, von allgemeinem Interesse zu sein, um durch weitere Nach- forschungen und Beobachtungen festzustellen, ob nicht ausser Entwick- lungsfehlern auch intrauterine Entzündungen in einer Reihe von Fällen angeborenen Choanenverschlusses eine gewisse Rolle spielen.

vl.

Endocranielle Complication während des Ver- laufes einer Mittelohrsuppuration. Trepanation und Heilung.

Von Dr. E. Schmiegelow in Kopenhagen.

Es befindet sich zur Zeit unter meiner Behandlung ein Knabe, Sohn eines Arztes auf dem Lande, bei welchem im September vorigen Jahres bedeutende Symptome eines otitischen Gehirnleidens eintraten, wes- halb der Vater um meine Hülfe bat. Der Patient ist jetzt Reconvales- cent. Da seine Krankengeschichte ein gut illustrirendes Exempel von den Schwierigkeiten einer richtigen Diagnose in Fällen, wo es sich um endocranielle Complicationen während des Verlaufes einer Mittelohr- suppuration handelt, abgiebt, werde ich sie hier kurz mittheilen.

Es handelt sich um einen 12 jährigen Knaben, welcher seit seinem zweiten Jahre an einer linksseitigen Mittelohrsuppuration gelitten hat. Das Trommelfell perforirte damals spontan und es bildete sich ein sub- periostaler Abscess hinter dem Ohre; der Abscess wurde durch Incision entleert. Seit der Zeit hat das Ohr immer mehr oder weniger suppu- rirt. Bei Ausspülungen hat er ab und zu vorübergehenden Schwindel

10*

136 E. Schmiegelow: Endocranielle Complication während des

bemerkt, und die Flüssigkeit kam in den Mund. Das Ohr ist niemals specialistisch behandelt worden. Am 5. August unternahm er eine längere Radfahrt und einige Tage nachher bekam er Schmerzen und übelriechenden Ausfluss aus dem Ohre; der Ausfluss ist seitdem reich- lich gewesen. Am 18. August bekam Patient Fieber (38,2) und Ohren- schmerzen, musste im Bett bleiben, es wurden Blutegel und warme Um- schläge auf das Ohr ordinirt. Die Ohrenschmerzen verschwanden, er wurde aber schwindlich und bekam Erbrechen sobald er sich im Bette auf- setzte. Nach einigen Tagen verloren sich die Symptome und er konnte wieder aufstehen. Reichlicher, purulenter Ausfluss. Eine Woche nachher hatte er einen leichten vorübergehenden Anfall von Ohrenschmerzen und die Drüsen hinter dem Oberkiefer waren diffus geschwollen. Am 9. September konnte er wieder die Schule besuchen, am 14. litt er wieder an Schwindel, ging aber dennoch Abends in eine Gesellschaft, wo er sich beim Spiel stark bewegte. Am folgenden Morgen hatte er Erbrechen und Schwindel als er aufstehen wollte. Seitdem liegt er mit Schwindel und Uebelgefühl. Seine Temperatur war während der letzten Woche subnormal (36,3—36,5 im Rectum) der Puls 66—70. Am 19. September konnte er Lirm und Zurede nicht vertragen, und wurde der Kopf nur vom Kissen erhoben, bekam er Erbrechen.

Dies wurde mir am 20. September in einem Briefe von dem Vater mitgetheilt, und ich beschloss desshalb am selben Abend zu seinem, ein paar Stunden entfernten, Wohnort (Faxe) hinzureisen. Mit Herrn Collegen Hertel zusammen untersuchte ich den Patienten, welcher zum dortigen Krankenhaus übergeführt war.

Der Patient ist mager und blass, liegt auf der rechten Seite, macht einen schlaffen und trägen Eindruck, aber antwortet dennoch vernünftig wenn man ihm Fragen stell. Kopfbewegungen verursachen Schwindel und Uebelgefühl. Keine Gesichts- oder andere Paresen, die Pupillen sind gleichartig, die Zunge wird gerade ausgestreckt. Die ophthal- moskopische Untersuchung misslingt. Klagt augenblicklich nicht über Schmerzen im Kopfe, hat aber oft Kopfweh in der linken Schläfen- gegend localisirt. Die Temperatur ist normal, der Puls dagegen nur 58, etwas unregelmässig, ab und zu aussetzend. Regio mastoidea ist weder geschwollen noch empfindlich. Der Ohrgang ist mit einer reich- lichen Menge dickem, etwas übelriechendem Pus ausgefüllt. Die Ohr- gangswände sind geschwollen, verschliessen theilweise das Lumen des Ohrganges; eine Untersuchung der Verhältnisse im Mittelohr ist un- möglich.

= a

Verlaufes einer Mittelohrsippuration. —. Trepanation und Heilung. 137

Nach dem Vorliegenden war es nicht zu bezweifeln, dass es sich um eine endocranielle Complication, die sich in Folge der Pusretention im Schläfenknochen entwickelt hatte, handelte. Der langsame, aus- setzende Puls, die Kopfschmerzen, die Trägheit, das Schwindel- und Uebelgefühl wies auf einen gesteigerten endocraniellen Druck hin, und meine Diagnose ging in der Richtung von einem Gehirnabscesse, mög- licherweise in .Verbindung mit einem epiduralen Abscess. Da es ge- wöhnlich unmöglich ist, voraus bestimmt sagen zu können, ‘ob das Leiden in der mittleren oder hinteren Gehirngrube zu suchen sei, thut man am besten, wenn man bei solchen Verhältnissen methodisch arbeitet: zuerst öffnet man in weiter Ausdehnung für das primäre Leiden im Schläfen- bein, danach trepanirt man die Fossa cranii media, bei negativem Re- sultate geht man zum Oeffnen der Fossa cranii posterior.

Um Mitternacht wurde der Knabe narkotisirt (Chloroformäther). Die Weichtheile hinter dem Ohre wurden gespalten, und das Ohr mit dem knorpeligen Ohrgange nach vorne geklappt. Es erwies sich, dass Ohr- gang und Paukenhöhle ganz mit polypösen Massen angefüllt waren. Cellulae mastoideae und Antrum mastoideum waren mit Granulations- gewebe und Pus angefüllt, welches unter starkem Druck herausfliesst, sobald wie die Cellulae aufgemeisselt wurden. Cavitas tympani, sowie auch Antrum und Cellulae mastoideae werden mit scharfem Löffel ge- reinigt. Indem die Knochenwunde nach oben erweitert wird, dringt man von unten in die Fossa cranii media hinauf; hierdurch wird ein epiduraler Abscess und ein grosses glinzendes Cholesteatom aus- geleert. Der Temporallappen wird in einer Ausdehnung von mehreren Centim. entblösst und in verschiedenen Richtungen punktirt; ein Abscess wird nicht gefunden, dagegen fliesst eine ausserordentlich reichliche Menge cereprospinale Flüssigkeit durch die Punktur in der Dura heraus. Die Hautwunde wird jetzt nach hinten verlängert, Fossa cranji posterior wird hinter dem Sinus transversus mit Meissel trepanirt, und die Hemisphäre des Cerebellum mit negativem Resultate punktirt. Der knorpelige Theil des Ohrganges wird der Linge nach gespalten und die dadurch gebildeten Lappen werden mit Sutur in der oberen und unteren Wundecke fixirt, hiernach wird die ganze Wundhöhle mit Jodoformgaze und steriler Gaze austamponirt und verbunden. Gleich nach der Ope- ration, welche kaum eine Stunde dauerte, war der Puls 80.

Am folgenden Tage befand sich der Patient wohl, die Kopfschmerzen, das Uebelgefühl und der Schwindel verloren sich und kamen nicht wieder. Zwei Tage nach der Operation wurde er ophthalmoskopirt und nichts

d

138 E.Schmiegelow: Endocran. Complicat. einer Mittelohrsuppuration.

abnormes wurde gefunden. Die Temperatur war die ganze Zeit normal gewesen. Am 10. Oct. machte ich Hauttransplantation von der Oberfläche des Schenkels um die granulirende Fläche der Wundhöhle zu decken, und dieses gelang sehr gut.

Epikrise: Das gewöhnliche Verhältniss ist ja, dass die otitischen Gehirnabscesse sich latent entwickeln, ohne sichere diagnostische Anhalts- punkte zu geben, und dass sie oft so spät erkannt werden, sodass die operativen Eingriffe ganz resultatlos sind.

Im vorliegenden Falle waren Symptome vorhanden, die langsame Pulsfrequenz, das Uebelgefühl, die Trägheit und die Kopfschmerzen welche bestimmt auf einen Gehirnabscess hinwiesen, und doch fand man einen solchen nicht. Dieses negative Resultat bemerkt man nicht so ganz selten, besonders im Kindesalter, wo in Folge Pusretention im Mittelohr fulminante Gehirnsymptome auftreten können, welche schwinden, sobald die Pusretention im Schläfenbein aufgehoben wird. Um dieses Phänomen zu erklären, hat man angenommen, dass sich in diesen Fällen ein reflectorisches Oedem der Gehirnrinde, welches den gesteigerten endo- craniellen Druck bedingt, entwickelt hatte. Man hat auch diesem patho- logischen Zustand einen besonderen Namen gegeben: seröser Lepto- meningitis, aber der Name passt schlecht, indem man unter Meningitis eine durch Infection entstandene Entzündung der Gehirnrinde versteht, in diesem Falle handelt es sich aber sicher nicht um eine Infection der arachnoidalen Räume.

Dass in unserem Falle eine ausserordentlich reichliche Menge von Cerebrospinal-Flüssigkeit zugegen war, konnte man nicht bezweifeln, wenn man den Strom von seröser Flüssigkeit gesehen hatte, welcher durch die Punkturöffnung in der Dura hinaussickerte und die Bandage in wenigen Stunden durchnässte.

Der epidurale Abscess im Boden der Fossa cranii kann nicht als bedingendes Moment für die starken Druckphänomene genommen werden; jedenfalls habe ich niemals bei den ziemlich zahlreichen iso- lirten Epiduralabscessen, die ich behandelt habe, irgend welche Puls- verlangsamung bemerkt. Wo eine solche bemerkt wurde, fand man immer einen Gehirnabsces. Aus diesem Grunde war es, dass ich mich im vorliegenden Falle nicht damit begnügte, den epiduralen Abscess allein zu Öffnen, sondern versuchte, den vermutheten Gehirnabscess zu finden, der, nach den Syptomen zu urtheilen, zugegen sein musste.

John Dunn: Spontane Dehiscenz am oberen halbzirkelförm. Canale. 139 IX.

Spontane Dehiscenz am oberen halbzirkelförmigen Canale.

Von Dr. John Dunn in Richmond, Va.

Uebersetzt von O0. Körner.

Bei der Section eines 35jährigen Negers wurden nach Abziehen der Dura an der Schädelseite der. Schläfenbeine die im Folgenden zu beschreibenden Lückenbildungen gefunden. Da die Schläfenbeine im übrigen normal und auch das Hirn und die Hirnhaut gesund waren, so handelte es sich um sogenannte spontane Dehiscenzen.

Rechtes Schläfenbein. Obere Fläche. Grosse unregelmässige Lücke an der Vereinigung des Schuppen- und Felsentheils, in einige grosse lufthaltige Räume ‚mündend. Die zwei grössten dieser luft- haltigen Räume liegen nach oben und aussen vom Antrum mastoideum; der innerste derselben mündet in den äusseren Theil des Antrums. Nach innen von der grossen Dehiscenz finden sich am Tegmen tympani und antri 20—25 kleine Dehiscenzen. Durch einen Theil dieser Lücken lässt sich eine Borste in die Paukenhöhle, ‚durch einen anderen Theil © in das Antrum einführen.

Noch mehr nach innen und etwas nach hinten findet sich eine schmale, 5 mm lange Dehiscenz, entsprechend der ganzen Decke des oberen Halbzirkelcanals, wodurch der Knochenhöker, welcher gewöhnlich die Lage dieses Canals anzeigt, viel flacher erscheint als gewöhnlich. Die Dura bildet hier allein die obere Wand des Canals.

Weiter nach innen findet sich noch eine grosse Dehiscenz über der Stelle, wo das Ganglion geniculi liegt. Der hier eröffnete Hohlraum steht jedoch nicht mit dem Fallopi’schen Canal in Verbindung.

Ferner findet sich im knöchernen Dache des carotischen Canals ein grosser Spalt.

Die Kleinhirnseite des Schläfenbeins zeigt, abgesehen von einer sehr tiefen Impression unter der Mündung der Vorhofswasserleitung, nichts Besonderes. Zwischen dem carotischen Canal und der Pauken- höhle besteht keine Oeffnung.

Linkes Schläfenbein. An der Grosshirnseite finden sich die gleichen Lückenbildungen wie rechts, ausser derjenigen am halbzirkel-

140 L.Poly4ak: Sitzungsber. d. Geselisch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfärzte.

formigen Canal. Dagegen fehlt hier die ganze obere Wand des carotischen Canals bis fast zur Biegungsstelle.

Zu beiden Seiten der Mittellinie führen einige kleine Dehiscenzen

in die Keilbeinhöhle.

Die Dehiscenz des rechten oberen Halbzirkelcanals ist wohl der Beachtung werth, da sie einen neuen Weg zeigt, auf dem Eiter aus dem Ohre in die Schädelhöhle gelangen kann.

X.

Sitzungsbericht der Gesellschaft der Ungarischen Ohren- und Kehlkopfarzte.’)

Von L. Polyák, Secretär der Gesellschaft.

Sitzung vom 15. November 1894.

Herr Böke: Ein Fall von Sinusphlebitis.

Pat. wurde am 4. October 1894 auf die Abtheilung für Ohrenkranke des Sct. Rochus-Spitals mit folgender Anamnese aufgenommen: Er leidet seit seiner Jugend an Otorrhoea dextra, hat wiederholt an starken Ohrenschmerzen gelitten, und leidet-seit 14 Tagen an heftigen Kopfschmerzen, die ihn ohne Aufhören quälen; seit 3 Tagen ist Schwindel aufgetreten, so dass er kaum gehen kann. Bei der Aufnahme war Pat. schon sehr verfallen, auf Anfragen antwortet er langsam, unter fortwährendem Wehklagen. Warzenfortsatz intact, nicht druck- empfindlich, hinter dem Warzenfortsatz, im Verlaufe des Sternocleidomastoideus, hinunter bis zur Clavicula verursacht die leiseste Berührung schon starke Schmerzen, die Jugularis gut palpabel, kleinfingerdick. Nach Ausspritzen des Ohres zeigen sich die Wände des äusseren Gehörganges normal, der ausgespritzte Eiter ist stinkend, mit Epithelfetzen gemischt, Trommelfell vollständig ge- schwunden, an seiner Stelle gleichmässige fleischige Granulationen. Gehör, was Stimme oder Uhr betrifft: null. Bei dem Weber’schen Versuch giebt Pat. unverständliche Antworten. Abends tritt Schüttelfrost auf. Temp. 38,00 C. Die Nacht war unruhig. Eisumschläge verschaffen keine Erleichterung.

Symptome und Befund sprachen für Pyämie, Meningitis konnte aber auch nicht ausgeschlossen werden. Zwar war keine umschriebene schmerzhafte An- schwellung hinter dem Ohre zu finden, wie es als das Griesinger'sche Symptom bei der Thrombose des Sinus transversus beschrieben wird, doch liess die starke Schmerzempfindlichkeit im Verlaufe des Sternocleidomastoideus dahin folgern, dass wir in diesem Falle mit einer am Wege des Sinus entstandenen Eiterresorption und Sinusphlebitis zu thun haben. Nach den Angaben von

1) Die Berichte sind gekürzt und der laryngologische Theil derselben weg- gelassen.

L. Polyäk: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfärzte. 141

Schwartze kann in ähnlichem Falle der operative Eingriff, die Eröffnung des Warzenfortsatzes keinen Nutzen bringen. In unserem Falle war die Möglich- keit einer Operation schon durch den Zustand des Kranken ausgeschlossen. Eine hochgradige Febris continua, welche 2 Tage nach der Aufnahme bis 400 C. stieg, wiederholte Schüttelfrostanfälle, die Bewusstlosigkeit des Pat. sprachen gegen die Operation. Am 4. Tag trat Icterus auf, der bewusstlose Pat. entleerte öfters dünne gelbliche, zuweilen blutige Stühle Nach wiederholten Krampf- anfällen erfolgte der Tod am 21. October. f

Bei der Section fand sich an der unteren Fläche des Kleinhirnes ein nuss- grosser, mit bräunlichgrauem schleimigen Eiter gefüllter Abscess, in dessen . Umgebung die weisse Substanz breiig erweicht war, und dessen Pia mit fibrinösem Exsudat bedeckt war. Tegmen Tympani war intact, die innere Wand der Fossa sigmoidea war in der Nähe des Foramen jugulare an einer 2cm breiten Stelle durchlöchert, porös, der Sinus sigmoideus dexter war theils mit organi- sirttem Thrombus, theils mit zerfallenen, röthlich braunen, schmutzigen, zur Wand haftenden Thrombusresten ausgefüllt. Diese Veränderungen sind auch in der Vena jugularis interna sichtbar. Ausserdem metastatische Abscesse in den peripherischen Theilen der Lungen, Necrose der Pleura, doppelseitige eitrig fibrinöse Pleuritis, parenchymatöse Degeneration der Leber und Nieren, schlaffe Herzmusculatur, Icterus, Pyämie.

Discussion: Lichtenberg.

Herr Böke: Operative Entfernung eines in der Paukenhöhle be- findlichen Fremdkörpers.

Das 31/, J. alte Madchen wurde am 18. Oct. 1. J. durch seinen Vater mit der Angabe zu mir gebracht, dass das Kind sich ein Maiskorn in das rechte Ohr gesteckt hat; vor 14 Tagen ist das Korn nach Entfernungsversuchen noch tiefer gegangen, das Kind ist seitdem unruhig, klagt über Schmerzen, und hat einen Ohrenfluss. Vor 2 Jahren hat es Scarlatina überstanden.

Bei der Untersuchung fand ich an der Ohrmuschel, besonders um die Oeffnung herum, und an dem Läppchen excoriirte, eiternde Stellen. Der äussere Gehörgang war mit Eiter ausgefüllt, nach dem Ausspritzen waren auch dessen Wände excoriirt, lebhaft roth. Aın Boden des äusseren Gehörganges sah ich das erbsenrunde Segment eines gelblichen Fremdkörpers, welcher in einer Per- foration im hinteren unteren Quadranten des Trommelfells eingekeilt lag. Vordere und obere Parthie des Trommelfells waren lebhaft roth und geschwollen, Hammer unsichtbar. Alle 2 Tage werden Ausspritzungen des Gehörganges vor- genommen.

Am 27. Oct. liess der Vater das Kind in das Stephanie-Kinderspital auf- nehmen, weil es unruhige Nächte gehabt und über Ohrenschmerzen geklagt hat. Am 29. Oct. versuchte Herr Verebelyi den Fremdkörper in der Narcose mit einem Öhrlöffel zu entfernen, was ihm aber nicht gelang. Temp. 33%. Am nächsten Tage sah ich das Kind, es fieberte bis 38,80. Der Ohrenfluss war stark, ich verordnete lauwarme Borausspritzungen stündlich. Am 31. October: Narcose, 5cm langer verticaler Schnitt hinter der Ohrmuschel, Abpräparirung der Muschel, Durchschneiden der hinteren knorpeligen.Wand des äusseren Ge-

142 L.Polyak: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfarzte.

hörganges, Eröffnung des Gehörganges, wodurch der Anblick des Fremdkörpers ermöglicht wurde, dieser lag ganz in der Paukenhöhle, und war nur durch seine äussere Peripherie in der Perforation eingekeilt. Der Fremdkörper, ein sog. cinquantin Maiskorn wurde mit einer löffelartigen Sonde leicht emporgehcben und entfernt, hierauf die Wunde zusaınmengenäht und verbunden. Am 1. und 2. November gutes Allgemeinbefinden, Temp. 39,1—38,80 C.; am 3. November unruhige Nacht. Genickschmerzen, Wunde rein. Am 8.—10. November inter- mittirendes Fieber, das Kind ist apathisch, an den Extremitäten Tremor. Am 11. November Symptome von Meningitis. Der weitere Verlauf wird in der nächsten Sitzung mitgetheilt.

Discussion: Szenes, Lichtenberg.

Herr Böke: Facialis-Paralyse im Verlaufe eines acuten Pauken- höhlenkatarrhs.

Pat., ein 25 J. alter Kutscher, wurde am 5. Oct. 1894 auf die Abtheilung des Vortr. aufgenommen. Er hat sich vor 2 Tagen im Regenwetter erkältet, bekam stechende Schmerzen im rechten Ohre und am nächsten Tage konnte er das rechte Auge nicht mehr schliessen, der Mund stand schief nach links. Schmerzen im Ohre melden sich ab und zu selbst jetzt noch, das Gehör ist schlecht; Ohrensausen nicht vorhanden. Bei der Untersuchung findet man die charakteristischen Symptome der rechtseitigen Facialis-Paralyse, aber die Uvula steht in der Mittellinie. Die Gefässe des Trommelfelles sind injieirt, besonders “neben dem Hammergriff fällt ein rother Streifen auf, der Lichtkegel fehlt, das Trommelfell ist trüb schiefergrau, gegen die Paukenhöhle eingesunken, die durch den Catheter in die Tuba eingetriebene Luft dringt mit Rasseln ein, hinterher hebt sich das Trommelfell nur sehr wenig nach aussen. Pat. hört die Uhr nur neben der Muschel, der Weber’sche Versuch ruft an dem kranken Ohre eine lebhaftere Perception hervor, als auf der gesunden Seite. Das Vor- . handensein einer acuten Tympanitis ist zweifellos, nur ist die Facialis-Paralyse eine Erscheinung, welche sich nur selten zu den catarrhalischen Ohrenaffectionen gesellt. Nach kalten Umschlägen und dem Politzer’schen Verfahren kann Pat. 2 Tage später schon das Auge schliessen. Injection des Trommeltells ge- schwunden, Gehör besser, nur der Mund steht noch schief. Nach 8 Tagen voll- ständige Heilung.

Diese Art der Facialis- -Paralyse, wenn der Pat. tiber Ohrenschmerzen und schlechtes Gehör nicht klagt, wird gewöhnlich eine „rheumatische* genannt, da bei dem guten Gehörvermögen der gesunden Seite das BEN ausser Acht gelassen wird.

Die Paralyse konnte in diesem Falle auf zwei Wege entstehen; es ist möglich, dass der Knochencanal des C. Fallopiae mangelhaft ist, dass dort eine sog. Dehiscentia besteht und die Schwellung der Schleimhaut, in Folge des Catarrhs entstanden, durch den mangelhaften Knochencanal einen Druck auf den Nerv ausgeübt hat, oder hat die Art. stylomastoidea, welche auch in dem C. Fallopiae verläuft, an der Ueberfüllung der Trommelhöhlengefässe ebenfalls Theil genommen, dadurch den Nerv gewissermaassen comprimirt und seine Function unterbrochen.. Die Localisation dieses Druckes kann mit Hilfe der

L. Polyák: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfarzte. 143

intacten Uvula geschehen; es musste unterhalb des Genu facialis sein, da be- kanntermaassen zur Uvula verlaufende Facialisfasern aus dem Ganglion geniculare stammen, |

Ich will noch den Umstand hervorheben, dass in unserem Falle die Paralyse plötzlich entstanden ist; solche plötzlich entstandene Paralysen werden gewöhnlich mit der Zerstörung des Facialis erklärt, andererseits werden langsam entstehende Paralysen charakteristisch für die Entstehung in Folge einer Ent- zündung betrachtet. Wie unhaltbar solche Hypothesen sind, geht aus diesem Falle recht deutlich hervor.

Sitzung vom 25. Januar 1895.

Der Vorsitzende gedenkt des Ablebens von Prof. Gottstein in Breslau, zu dessen Ehrung sich die Anwesenden von ihren Sitzen erheben.

Herr Baumgarten: Membranöser Verschluss der Choanen. (Demonstration.)

Bei dem überwiegenden Theile der 37 in der Literatur mitgetheilten Fälle handelt es sich um knöcherne Verschlüsse ; die membranösen sind bedeutend seltener. Vortr. hat einen ähnlichen Fall im ‚Orvosi Hetilap“ Jahrgang 1889 beschrieben, welcher gleich dem jetzt Demonstrirten von den bisher Mitgetheilten sich auch darin unterscheidet, dass er nicht congenital war, sondern als erworben erscheint.

Die 30 J. alte Pat., Mutter von 2 Kindern, war bis jetzt stets gesund. Vor 10 Monaten überstand sie eine Influenza und kann seitdem nicht durch die Nase athmen, der Hals ist trocken und es treten Erstickungsgefühle auf. Vortr. fand im Rachen einen trockenen Catarrh mit bedeutend herabgesetzter Sensibi- lität. Hinterer Theil des Nasenrachens frei, der vordere Theil durch eine rothe Membran, welche sich vom Rachendache ungefähr von der Mittellinie ab bis zum Rachenende des weichen Gaumens erstreckt, verschlossen. In der Mitte der Membran ist eine ca. 3mm breite und 5mm lange Oeffnung zu sehen, durch welche man einen Theil der Choanenscheidewand erblicken kann. Bei der Rhinoscopia anterior könnte man auf den ersten Blick denken, dass der Befund normal ist, weil bei der Phonation die Bewegungen des weichen Gaumens sichtbar sind, doch bei genauer Untersuchung wird die schon erwähnte Oeffnung sichtbar, und dann merken wir, dass das anscheinend normale Gesichtsfeld aus emer rothen in der Mitte durchlöcherten Membran besteht. Die bei der Phonation und Respiration bewegliche Membran haftet an den internen Par- thien der Choanen, so dass eigentlich ein Verschluss der oberen Choanen und des vorderen unteren Nasenrachens besteht. Ich werde die Membran per Os entfernen.

Herr Böke: Epikrise über den in der letzten Sitzung vorgestellten Fall von operativer Entfernung eines in die Paukenhöhle gelangten F remdkörpers.

Nach Recapitulation des in der vorigen Sitzung Vorgetragenen berichtet Vortr. über den weiteren Verlauf des Falles.

` Am 11. November des Morgens spastische Krämpfe, welche auch tagsüber anhielten, Genickstarre, vasomotorische Lähmung. Am 12. Nov. Bewusstlosig-

144 L.Polyak: Sitzungsber.d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfärzte.

keit. Strabismus divergens. Am 14. Nov.: Bewusstlosigkeit dauert noch immer fort, keine Pupillenreaction, Puls sehr klein, Extremitäten in starken tonischen Krämpfen: Cheyne-Stokes Athmen; gegen Mittag Lungenödem, Exitus.

Sectionsbefund: Leptomeningitis fibrinoso-purulenta ad Basim Cerebri et Medullae spinalis, subsequente Hydrocephalo interno acuto. Catarrhus acutus Cavi Tympani, Perforatio Membr. Tympani. Otitis purulenta externa subsequente Hyperaemia et Oedema Medullae Proc. mastoidei. Bronchitis cat. in Lobo inf. Pulm. utr. Vulnus scissum partim sanatum in Reg. retroauricul. dextro.

Sitzung vom 23. Februar 1895.

Herr Polyák: Nasentuberculom. (Demonstration.)

Die 49 J. alte Patientin suchte mich von der Provinz auf, mit der Klage, dass seit 6 Monaten die rechte Nase innwendig wund geworden ist, blutet und sich langsam verstopfte. Schorfbildung und Blutung sind seit 6 Wochen auch in der linken Nase vorhanden. l

Ich fand die rechte Nase mit einer ungleichmässigen, leicht blutenden, an Granulationen erinnernden Geschwulst vollständig ausgefüllt. Links war vorne am Septum eine theils mit eingetrockneten Schorfen bedecktes, schmutzig- weisses, thalergrosses, flaches. hie und da granulirendes, nur mässig erhobenes, leicht blutendes Gewebe sichtbar.

Ich habe die Geschwulst der rechten Nase mit der Glühschlinge sofort entfernt, und fand, dass die Geschwulst ihre Basis in der rechten, mit den links beschriebenen Veränderungen correspondirenden Parthie des Septum hatte. Die geringe Blutung nach der Operation ist mit Dermatol-Einblasung sofort sistirt worden.

_ Die entfernte Geschwulst, von der ein kleiner, in Alkohol stark geschrumpfter Theil mir noch übrig blieb (Demonstration), war damals 30mm lang und I4mm breit, an der nach aussen liegenden Seite erodirt, mit Granulationen bedeckt, an der inneren Seite glatt, bordeauxroth, ziemlich weich, die Schnitt- fläche sulzig-grau, ungleichmässig knotig, stellenweise aus dichterem Binde- gewebe oder prominirenden Punkten zusammengesetzt. Die in Alkohol abs., Aetheralkohol und Celloidin gehärteten Theile zeigten an den mit Picrosafranin behandelten Schnitten die folgende Structur: (Demonstration). Die Schleimhaut fehlt nur stellenweise; dort, wo sie vorhanden ist, ist sie verdickt, beinahe ver- hornt, drüsen- und gefässarm. Die Geschwulst besteht aus einem feinen reti- culären Bindegewebe, stellenweise mit dicken, fibrösen Schichten, einigen stark erweiterten Blutgefässen, ist aber im Ganzen genommen mehr gefässarm. Zwischen den Fasern sind zahlreiche Tuberkeln eingebettet, welche in ihrer Mitte Spuren des begonnenen Zerfalles zeigen, die Zellen sind schlecht gefärbt, verwaschen, die Kerne klein geschrumpft, zerfallen. In den Tuberkeln nur einige, aber ganz charakteristisch Langhans’sche Riesenzellen. Rund um die Tuberkeln lebhafte Rundzelleninfiltration und in dem ganzen Gewebe reich- liche Wanderzellen.

Bacillen waren nur sehr spärlich, 2—3 pro Schnitt und sassen zumeist in den Riesenzellen.

L. Polyák: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfärzte. 145

Die histologische Untersuchung wies also nach, dass die Geschwulst ein sog. Tuberculom war. Zu erwähnen ist noch, dass an der Schnittwunde schon 3 Tage nach der Operation lebhaft-rothe stark prominirende Granulationen wucherten. Mit der Sonde habe ich mich überzeugt, dass an der afficirten Stelle des Septums der Knorpel schon geschwunden war, ein leichter Druck genügte, um die Sonde durch die Gewebe auf die andere Seite zu stossen.

Tuberkulose in den Lungen oder anderswo war nicht nachweisbar. Pat. war gut genährt, ohne jede Spur von Cachexie und fühlte sich nur durch das Nasenleiden gestört. Zu meinem Bedauern bin ich nicht in der Lage, über den weiteren Verlauf zu berichten, da Pat. nach der Diagnose sich keiner Operation unterwerfen wollte und nach Hause reiste.

Ich will mich diesmal mit dem übrigens seltenen Krankheitsbilde der Nasentuberkulose nicht ausführlicher befassen. Diejenigen Herren, die sich dafür interessiren, können Chiari’s Arbeit (Arch. f. Laryngol. I. Bd.) durch- lesen, wo sie 6 Fälle finden werden. Wir wissen, dass die Krankheit sich in zwei Formen zeigt: die granulirenden Geschwüre, welche grosse Neigung zum Zerfalle haben und dann die sehr seltene Form mit der Tumorbildung, wozu auch mein Fall gehört. Chiari erwähnt im Ganzen nur 21 Fälle, es erscheint, dass die Krankheit mehr bei Frauen auftrat, grosse Neigung zu Recidiven hat, aber zur allgemeinen Tuberkulose nur selten führt.

Discussion: Zwillinger, Irsai, Krepuska, v. Navratil, Polyák..

Herr Krepuska: Primäres Carcinom des äusseren Gehörganges. (Demonstration von Präparaten.)

Die 62 J. alte Patientin litt schon seit Jahren an chronischem Ekzem der äusseren Gehörgänge. Auf eine mehrere Wochen lange Behandlung erfolgte auf dem rechten Ohre vollständige Heilung, links bedeutende Besserung. Nach 4 Monaten bildeten sich blutende und eiternde Granulationen am knorpeligen Theile des linken äusseren Gehörganges, welche sich unter dem Mikroskop als typischer Epithelialkrebs erwiesen. Der Krebs ist damals auf dem häutigen Theile des Gehörganges nach einwärts und ausserdem mit Durchbruch der unteren Parthie des knöchernen Gehörganges auf die retromaxilläre Gegend weitergewandert. In Anbetracht der Localisation und des Charakters des Leidens und des Alters der Pat. habe ich die Operation contraindicirt gefunden. Die Pat. suchte mich nach 1!/a Monaten wieder auf, die untere Parthie der Muschel war Ödematös und dieses Oedem ging bis zur vorderen Fläche des Warzenfort- satzes. Feuchte, blutende Wucherungen und stinkender Eiter im Gehörgange, Keine vergrösserte Drüsen. Pat. bat mich, da man ihr in Wien ayıf der Ohren- klinik die Operation als dringend betont hat, und laut einer mitgebrachten Ordination die Krankheit als Entzündung des Warzenfortsatzes betrachtet und die je frühere Eröffnung für nothwendig gehalten hat sie unbedingt zu operiren, denn sie glaubt nur auf diesem Wege von ihren grossen Schmerzen befreit zu werden. Da die Angehörigen, obzwar ich sie auf die Erfolglosigkeit der Operation wiederholt aufmerksam gemacht habe, unbedingt die Operation verlangten, blieb nichts übrig, als die Pat. auf die chir. Abth. des Heil. Stephan-

146 L. Polyak: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfärzte.

Spitals aufnehmen zu lassen, wo sie am 13. Februar 1894 von Herrn Herczel operirt warde. Die Muschel ist unten und hinten abgetrennt worden und die Krebsmassen am weichen und knöchernen Gehörgange sind entfernt worden. Die Paukenhöhle war mit diesen Krebsmassen ganz ausgefüllt, Hammer und Ambos sind in die Krebsmasse eingebettet gewesen. Man konnte durch die fast vollständig defekte untere Parthie des knöchernen Gehörganges mit den Instru- menten in die Tiefe zur Fossa sphenomaxillaris und bis zum hinteren Theile der Rachenhöhle gelangen. Hier war Alles carcinomatös. Der Warzenfortsatz, da weder Periost, noch der Knochen krank erschienen, wurde gar nicht eröffnet. Aus dem weiteren Verlaufe lässt sich noch erwähnen, dass die Schmerzen etwas weniger wurden. 8 Monate nach der Operation starb die Patientin.

Die histologische Untersuchung lieferte folgende interessante, die Art der Entstehung des Leidens erklärende Momente:

1. Das zu Untersuchungszwecken entfernte kleinlinsengrosse Gewebe war zweifellos Epithelialkrebs.

2. An den Längsschnitten, die aus dem äusseren Gehörgang gemacht worden sind, sieht man, dass die krebsige Degeneration theils von den Ausführungs- gängen, theils von den Acini der Ceruminaldrüsen ausgegangen ist, so ist der Krebs auf dem Wege der Haut des Gehörganges in die Paukenhöhle gegangen, ist aber noch früher in die Fossa sphenomaxillaris durchgebrochen.

3. Der Hanımer ist, bei Erhaltung seiner ursprünglichen Form in ein eigen- thümliches bindegewebiges, alle Knochenelemente entbehrendes, mit Krebsperlen gefülltes Gewebe umgewandelt. °

4. Der Ambos, trotzdem er in die Krebsmasse eingebettet lag, ist nur stellenweise an dem Schleimhautüberzuge krebsig; die Knochenoberfläche hat an den meisten Stellen Widerstand geleistet. Dort, wo es dem Krebse doch gelungen ist, buchtartig in das Knochengewebe zu dringen, ist ein sehr lehr- reiches Bild der Knochenatrophie zu sehen.

Auf diesen histologischen Befund gestützt, glaube ich, dass das chron. Ekzem des äusseren Gehörganges, wenn auch nicht als ausschliessliche Ursache, doch jedenfalls als beförderndes Moment bei der Entstehung des Krebses eine Rolle gespielt hat.

Discussion: Scenes, Krepuska.

Sitzung vom 24. Mai 1895.

Herr Lichtenberg: Operirter und geheilter Fall von Mastalgie (Warzenfortsatzneuralgie). i

Die 16 Jahre alte Patientin hat nach der Angabe ihrer Mutter schon seit ihrer Jugend an verschiedenen beiderseitigen Ohrenleiden gelitten, welche sich bald im äusseren Gehörgange, bald in der Paukenhöhle und in dem Warzen- fortsatz localisirten. Ihr jetziges Leiden begann vor 3 Monaten, es meldeten sich ünerträgliche Schmerzen an der ganzen linken Warzenbeingegend, welche jeder Behandlung trotzten, Tag und Nacht dauern, so dass Pat. weder essen noch schlafen kann, fortwährend weint und gänzlich abgemagert ist. Hoch- gradige doppelseitige Taubheit. Bei der Untersuchung erwies sich das linke

L. Polyak: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfarzte. 147

Warzenbein in jeder Beziehung normal, ebenso der äussere Gehörgang, ein chron. trockener Paukenhöhlencatarrh lässt sich aber auf beiden Seiten nach- weisen. Bei der Catheterisation habe ich links ein trockenes, breites, blasendes Geräusch gehört. Ein chron. eiternder Process konnte also ausgeschlossen werden, acute entzündliche Symptome waren weder in der Paukenhöhle, noch auf dem Warzenfortsatze nachweisbar und deshalb konnte die Diagnose auf Mastalgie gemacht werden und da die schon 3 Monate lang anhaltenden Schmerzen jeder Behandlung trotzten und auch keine Symptome der Hysterie da waren, ist die Aufmeisselung des Warzenbeines beschlossen worden. Die Operation wurde durch die Eltern und durch die Patientin dringend verlangt, sie wurde in dem Grünwald'schen Sanatorium gemacht und die Herren Pokornyi, Rothbart und Tomka waren dabei anwesend.

Um jedes Missverständniss zu vermeiden, habe ich vor der Operation erklärt, dass ich da weder Eiter, noch eine Entzündung oder deren Producte suchen oder finden werde, ich erwarte höchstens eine Knochensclerose, welche bei häufigen entzündlichen Paukenhöhlenprocessen sich zuweilen finden lässt und die Aufmeisselung indicirt; habe aber bei der Operation nicht einmal dies gefunden, die Zellen waren von normaler Lagerung, zeigten keine Spur von Entzündung, Eiter oder Röthe, sie waren zahlreich und weit, gingen rückwärts bis zu dem Sinus und es war höchstens die Blässe, beinahe weisse Farbe der Zellenschleimhaut auffallend. Das Antrum war auch eröffnet. Da alles Schmerzhafte entfernt werden sollte, habe ich das ganze Warzenbein, natürlich auch die Spitze abgemeisselt, also die totale Exstirpation gemacht, hierauf die Wunde regelrecht ausgefüllt und verbunden. Pat. vertrug die 5/4 Stunden lange Narcose ganz gut, hatte in der ersten Nacht noch wenig Schmerzen, doch schon anderen Charakters. Temperatur und Puls blieben dauernd normal und seit dem zweiten Tage sind die Schmerzen vollständig geschwunden. Pat. erholt sich schnell, isst und schläft gut, kann auch, was die Schmerzen betrifft, wenigstens bis jetzt, geheilt betrachtet werden. Zwei Tage nach der Operation ist eine bedeutende Gehörsverbesserung eingetreten, welche entweder mit der Eröffnung des Antrums in Verbindung gebracht werden kann, oder eine Folge des durch die sistirten Schmerzen gehobenen Nervenlebens ist und auf diese Weise auf die grössere Perception des Acusticus zurückgeführt werden kann.

Discussion: Tomka.

Herr Krepuska: Nach dem Resultate und dem vorgetragenen schweren Krankheitsbilde zu urtheilen, ob die Krankheit Hysterie war oder nicht, die Operation war jedenfalls indicirt.

Einen ähnlichen Fall habe ich in 91—92 während der ersten Influenza- Epidemie beobachtet. Bei einer 63—65 J. alten Frau ist eine Otitis media catarrhalis exsudativa aufgetreten und ich habe die Paracentese gemacht. Die Paukenhöhlenentzündung ist in 10 Tagen geheilt, das Fieber geschwunden, die Pat. wurde aber durch auf den halben Kupf ausstrahlenden heftigen Schmerzen gequält, von welchen ich zuerst glaubte, dass sie durch eine Warzenfortsatz- entzündung, in Folge des Paukenhöhlenprocesses entstanden, verursacht sind. Fieber oder ein anderes objectives Symptom der Warzenfortsatzentzündung war nicht nachweisbar. Jede Behandlung blieb ohne Wirkung und die Schmerzen

148 L.Polyäk: Sitzungsber.d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfärzte.

nahmen derart zu, dass die Patientin fortwährend schrie und nicht schlafen konnte. Trotz der negativen Symptome habe ich eine Entzündung am Warzen- fortsatze supponirt und habe nach einer 6—7tägigen Beobachtungszeit die Pat. zur Operation, zur Trepanation des Warzenfortsatzes vorbereitet. Mit Rücksicht auf die grossen Schmerzen, auf das vorangegangene Obrenleiden und auf die Erfolglosigkeit der bisherigen Behandlung, war ich überzeugt, etwas Krankes zu finden. Bei der Operation waren unter anderen die Herren Herezel und Jordan anwesend. Der Warzenfortsatz war total sclerosirt, elfenbeinartig, hatte weder pulpöse, noch pneumatische Theile. Der Knochen war so hart, dass der Aditus nur mit dem englischen Meissel erreichbar war, doch habe ich nirgends Eiter, oder sonst was Krankes gefunden. Ich habe mich wegen des scheinbaren Misserfolges anfangs geärgert, die Schmerzen haben aber seit dieser Minute gänzlich aufgehört, die Wunde ist per primam geheilt, das Gehör besser geworden.

Nachtrag während der Correctur: Die mastalgischen Schmerzen links sind 6 Monate nach der Operation nicht zurückgekehrt. Dagegen traten nach 3 Monaten unuuterbrochene riesige mastalgische Schmerzen rechts auf. Pat. wurde rechts am 19. October d. J. operirt.

Herr Némai: Empyem der Keilbeinhéhle und der Siebbeinzellen.

Der Pat. leidet schon seit 10 Jahren an Nasenverstopfung, eitrigem Aus- flusse und halbseitigen Kopfschmerzen. Polypen im rechten mittleren Nasen- gange. Weisser rahmartiger Eiter zwischen dem Septum und der mittleren Muschel. Der Vortr. konnte mit der Sonde in die Keilbeinhöhle eindringen und nekrotische Knochen fühlen. Wiederholt konnte eine kleine Menge Eiter durch Ausspritzen entleert werden.

Sitzung vom 11. Juni 1895.

Herr Tomka: Objectiv bemerkbare Ohrengeräusche.

Der 6 J. alte Patient stammt von gesunden Eltern, hat mit 4 Jahren die Scharlachdiphtherie gehabt, zu dieser Zeit begann das rechte Ohr zu fliessen, und das Gehör wurde schlechter. Das Kind ist schwach, blutarm, rachitisch, hat an dem Halse vergrösserte Drüsen, die Beine sind krumm, Fieber nicht vorhanden. Mich hat er vor 4 Wochen aufgesucht. Das Gehör hat sich auf einfache Lufteinblasungen bedeutend gebessert, das Flüstern, anfangs von 3/4 M. wird heute, von 5 M. Distanz verstanden. Vor 14 Tagen erwähnte die Mutter, dass sie im Ohre des Kindes einen Laut wahrgenommen hat, als wie wenn etwas darin wäre; das Kind hat es ebenfalls gehört. Diese Geräusche waren that- sächlich auf eine Entfernung von 1 M. hörbar.

Die Ohrmuschel und ihre Umgebung sind normal, der Gehörgang mässig weit. In der hinteren unteren Hälfte des Trommelfells ist eine trockene Per- foration sichtbar, durch welche die normale Schleimhaut des Promontorium und die Fenestra rotunda sichtbar sind. Bei der Politzer’schen Einblasung strömt die Luft gn einem breiten reinen Strome heraus. Gehörvermögen auf Flüstern R. 5 M. L. normal. Untersuchung mit der Stimmgabel: der Weber’sche Versuch ist nach rechts, zu dem schwerer hörenden Ohre lateralisirt. Rinné-

L. Polyak: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfarzte. 149

scher Versuch: R. eclatant negativ, L. unbestimmbar. Die Tonsillen sind etwas vergrössert, Rachenschleimhaut angeschwollen, mit kleinen Granulationen. Scrophulöses Ekzem im Naseneingange. Bei der hinteren Rhinoscopie fand ich nichts Abnormes, die Rachenmündung der Tube war normal. Synchronice mit den Geräuschen ist keine Bewegung des Trommelfells oder des Rachens be- merkbar. Die Geräusche treten, was Zahl oder Zeit betrifft, unregelmässig auf, sind manchmal öfters hintereinander hörbar, dann sistiren sie längere Zeit, zuweilen mehrere Tage, sie waren früher stärker als jetzt. Ist der Pat. ruhig, dann sind die Pausen grösser, beim Reden sind die Geräusche stärker und häufiger, bestehen auch nach den Lufteinblasungen und sind vom Willen un- abhängig. Schlucken und Kauen beeinflussen die Häufigkeit nicht, ebensowenig Druck auf die Carotis oder auf den weichen Gaumen. Dagegen ist die schlechte Gewohnheit des Pat. wichtig, dass er den Nasenschleim aspirirt und durch den Mund entfernt. Gruber hat Recht, dass diese Geräusche mit schlechten Ge- wohnheiten der Patienten in Verbindung stehen und abgewöhnt werden können ; seitdem ich die Mutter aufmerksam gemacht habe, haben sie schon abgenommen.

Vortr. glaubt, dass die Contraction des M. Tensor Veli Palatini die Ge- räusche verursacht, obzwar der active Einfluss des Rachens nicht nachzuweisen ist,

Discussion: Krepuska.

Herr Tomka: Ein Operations-Instrument der aus Shrappnel- Perforation entstandenen chron. Eiterungen.

Das Instrument soll die fötiden Atticus-Eiterungen der Behandlung zugänglicher machen, was durch die Erweiterung der kleinen Oeffnung ge- schieht, indem ein Theil des Margo tympani entfernt wird. Das Instrument soll dem narcotisirten, sitzenden Patienten in das Ohr geführt werden, die Fixirnadel wird so lange geschraubt, bis die Zähne des Instrumentes sich in das Margo tympani einklammern, dann wird die Nadel entfernt, und der Trepan vorsichtig weiter geschraubt. Wenn eine grössere Oeffnung hergestellt werden soll, dann muss das Instrument zweimal eingeführt und zwei ineinander- fliessende Oeffnungen gemacht werden. Das Instrument muss vorsichtig be- handelt werden, damit durch grossen Kraftaufwand und Drücken nach einwärts Ambos oder Hammer nicht luxirt oder sonst etwas verletzt wird.

Discussion: Krepuska, Tomka.

Herr Lichtenber g: Beitrag zur operativen Behandlung der chron. Paukenhdhleneiterungen.

Der 40 J. alte Pat. hat vor 7 Jahren an einer hochgradigen Entziindung des rechten Ohres gelitten, nach 2 Wochen ist Eiterung aufgetreten und zur selben Zeit ist hinter dem Öhre eine rothe Anschwellung entstanden, welche durch einen Arzt in Temesvär aufgeschnitten wurde. Darauf hat das Leiden grösstentheils aufgehört. Vor 18 Monaten begann der ÖOhrenfluss von Neuem, der Schmerz kommt und geht wieder, die Eiterung nimmt zu und ab, ab- wechselnd treten Schwindel, Kopfschmerz und Druckgefühl auf, mit einem Worte, alle jene Symptome, welche ihn bei Beginn der Erkrankung quälten, haben sich wieder gemeldet.

Zeitschrift für Ohrenheilkunde. Bd. XXVIII. 11

150 L.Polyaäk: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfarzte.

Status praesens: Eiter in der Tiefe des Ohres, Perforation im hinteren oberen Quadranten des Trommelfelles, welche kraterartig nach rückwärts führt; eine in die hintere Hälfte des Gehörganges absteigende fluctuirende Geschwulst, nadelspitzengrosse Hautfistel an dem Warzenfortsatze, bei Druck auf den Warzen- fortsatz entleert sich viel Eiter aus dem äusseren Gehörgange und die Geschwulst an dem Warzenfortsatze wird nachher ganz flach.

Bei der Operation fand sich der grau verfärbte Knochen voll mit Eiter und Granulationen, ebenso das Antrum. Der Antrumeiter gelangte zwischen der hinteren Wand des Meatus externus und dem Warzenbein bis zur Oberfläche des Warzenbeins, wo er Geschwulst und Hautfistel verursacht hat. Der carjöse äussere Gehör- gang und die Wand des Atticus lateralis sind mit dem Meissel entfernt worden; Trommelhöhle, äusserer Gehörgang und Warzenbein sind zu einer Höhle ver- einigt worden. Da ich alles Cariöse entfernt habe und überall über gesunde Kpochenwände verfügte, habe ich die Lappenbildung nicht für unbedingt noth- wendig gehalten. Pat. ist in 6 Wochen geheilt. Der grosse Operationscanal ist zugeheilt, ebenso nach 6 Tagen die Trommelfellperforation: bei der Cathe- terisation breites, trockenes, blasendes Geräusch. Bedeutende Verbesserung des Gehörs. Kopfschmerzen haben aufgehört. Die radicale Operation wurde am- bulant auf der Poliklinik gemacht und der Pat. ist nach einer 4 stündigen Ruhe nach Hause gegangen. Der erste Verband ist mit in Jodoform getauchter steriler Gaze, die übrigen sind nur mit steriler Gaze gemacht worden. Die Operation dauerte 3/4 Stunden.

Discussion: Baumgarten, Krepuska.

Sitzung vom 17. October 1895.

Herr Zwillinger: Fremdkörper 8 Monate lang in der Nase, fötid-eitriger Ausfluss, Asthma.

Ein wegen Nasenbluten, mit der Bellocq’schen Röhre eingeführter Tampon blieb 8 Monate: lang liegen. Die Entfernung gelang erst, als mit der Schlinge der Faden hervorgezogen werden konnte, an welchem der Tampon befestigt war. Der Vortr. schliesst Bemerkungen an über die häufig unnötbig und mit Tampon von unrichtiger Grösse ausgeführte Nasentamponade.

Herr Lichtenberg: Tympanitis acuta, Abscessus subduralis, Heilung, zwei Fälle.

Der Vortr. stellt zwei geheilte Fälle von Warzenfortsatzempyem bei acuter Otitis vor, welche beide nach sehr langer Dauer des Processes zur Operation kamen. In dem einen Falle hatte Eiteransammlung zwischen Dura und Knochen stattgefunden.

Herr Stipanits: Entfernung der unteren Muschel.

Vortr. bespricht auf Grund eines vorgestellten Falles die blutige Ent- fernung der unteren Muschel. Er benützt zu diesem Zwecke zumeist den Meissel, zu- weilen auch die Knochenzange oder Scheere. Die Operation wird folgenderweise

L. Polyak: Sitzungsber. d. Gesellsch. Ungar. Ohren- u. Kehlkopfarzte. 151

ausgeführt: Nach Durchwaschung der Nase mit einer schwachen Sublimatlösung und Anaesthesirung mit 100/, Cocain wird die Muschel, je nach Bedürfniss, partiell oder total entfernt. Die Blutung, welche kaum beträchtlich ist, wird während der Operatirn mit einer Alumnvllösung gestillt. Nach der Operation wird die Nase mit Jodoformgaze-Streifen ausgefüllt und dieser Tampon 2 bis 3mal täglich gewechselt. Die Heilung erfolgt in 8—10 Tagen, selbst in Fällen, wo auch Knochenpartikel entfernt worden sind.

Discussion: Herr Polyäk: Ich glaube, dass das Verfahren nur selten eine Anwendung finden wird; nur in Fällen, wenn bei Ausführung von ein-. greiferfden Operationen an versteckt liegenden Stellen die Muschel im Wege steht. Selbst hier ist es zu befürchten, dass die Blutung das Gesichtsfeld ver- deckt und da diese Operation nicht in einem Zuge gemacht werden kann, so wird der Operateur die Situation nicht beherrschen können. Selbst in solchen Fällen wird eine gute kalte Schlinge bessere Dienste leisten. Bei der Behand- lung der Hypertrophien kann dieses Verfahren die Galvanocaustik nicht ersetzen, umsoweniger, da es sich ja nur darum handelt, dass der Patient genügend Luft durch die Nase haben soll, nicht aber zu viel und bei dem Meissel ist zu fürchten, dass der Nasengang zu weit ausfallen kann und die daraus folgenden Krankheiten sind für den Kranken doch nicht gleichgiltig. Einen grossen Nachtheik sehe ich auch darin, dass nach der Operation die Nase Tage lang tamponirt werden muss.

Herr Stipanits: Ich kann mit dem Meissel immer eine solche Dilatation des Nasenganges machen, wie ich es wünsche.

Herr Szenes: Caries mastoidea in Folge von Influenza. (Kranken- demonstration.)

Der Vortr. theilt die ausführliche Krankengeschichte eines Patienten mit, der in Folge von Influenza eine lange bestehende Warzenfortsatzeiterung sich zuzog. Heilung durch Operation.

11*

Bericht

über die Leistungen und Fortschritte auf dem Gebiete der Ohrenheilkunde

im vierten Quartal des Jahres 1898.

Zusammengestellt von Dr. Arthur Hartmann in Berlin.

—— ——

Anatomie,"

a) Ohr.

l. Mac Collan. Communication between the facial and glosso-pharyngeal Nerves. The Journal of Anatom. and Physiol. V, 29. |

2. Dixon. Connection of the facial with the glosso- pharyngeal Nerve. Ibidem.

3. Zuckerkandl, E. Beitrag zur Anatomie des Schlifenbeins. Monatsschr. f. Ohrenheilk. No. 9, 1895.

4. Gruber, Jos. Ueber eine abnorme Höhle im Felsentheile des Schläfen- beins. Ibidem No. 12, 1895.

5. Loewenstein, E. Ueber das Foramen jugulare spurium und den Canalis temporalis am Schädel des Menschen und einiger Affen. Aus dem anatom. Institut zu Königsberg, No. 15. 1 Tafel. Inaug.-Dissert.

6. Schwalbe, G. Zur Methodik statistischer Untersuchungen über die Ohr- formen von Geisteskranken und Verbrechern. Arch. f. Psychiatrie, Bd. 27, S. 633 644.

7. Aurnhammer, R. Ueber einen seltenen Fall congenitaler Knorpelreste am Halse mit Auricularanhang vor dem rechten Ohr und linksseitiger Ohrenfistel. München 1894. gr. 80%. 32 S. Inaug.-Dissert.

8. Panse, R. Missbildung des äusseren Ohres und Atresie des Gehörganges. Jahresber. d. Ges. f. Natur- u. Heilk. zu Dresden. 1894/95, S. 11.

9. Steinbrügge, H. und Nieser, O. Bilder aus dem menschlichen Vor- hofe. Atlas, enth. 25 Photogr. nach mikroskop. Serienschnitten. Wien, F. Deuticke. 80,

1) Die aufgeführten, aber nicht besprochenen Arbeiten standen dem Referenten nicht zur Verfügung.

Anatomie. 153

10. Matte, F. Ein Beitrag zur Frage nach dem Ursprunge der Fasern des Nervus acusticus. Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 39, Hft. 1.

ll. Oseretzkowsky. Beiträge zur Frage vom centralen Verlauf des Gehör- nervs. Arch. f. mikrosk. Anat. u. Entwicklungsgeschichte Bd. 45, S. 450.

12. Popoff, N. M. Ueber den Verlauf des Nervenfaserbündels, das unter dem Namen „Conductor sonorus“ bekannt ist, Deutsch. Zeitschr. f. Nerven- heilk. 1895, VII.

3) Zuckerkandl beschreibt die Schläfenbeine eines 14-jährigen Knaben, an denen sich verschiedene eigenthümliche Bildungen, durch abnorme Ossification bedingt, vorfinden. Beiderseits ist an der Ueber- gangsstelle der hintern Wand des Meatus audit. ext. in die obere eine hanfkorngrosse Lücke vorhanden, darunter eine zweite kleinere. Beide führen in den Recessus epitympanicus. Von der grossen Lücke führt eine breite, tiefe Rinne, den lateralen Rand des Meatus einscheidend, nach aussen. Beide Lücken sind als angeborene Spalten des äussern Gehörganges aufzufassen. Links normale Schuppe; rechts ist sie im Höhendurchmesser erheblich verkleinert. Durch einen weit vorn befind- lichen Einschnitt sind sie in zwei ungleiche Hälften getheilt. Ver- grösserung des rechten Os parietale im frontalen Durchmesser auf Kosten der verkleinerten Schuppe. Die vordere (kleinere) Hälfte der Schuppe ist in zwei Knochenblätter gespalten, die einen engen Spalt begrenzen. Auch das Tuberc. artic. post. und ein anschliessendes Stück der Fossa mandibularis zeigen rechts abnorme Verhältnisse. Letztere ist ausserdem im Vergleich zur linken Seite wesentlich verkleinert und abgeflacht ; das Tuberc. articul. antic. fehlt rechts. Dementsprechend ist auch der rechte Gelenkkopf kleiner wie links. Der Jochfortsatz des rechten Schläfenbeins besteht aus 2 Theilen ; der vordere ist ein selbst- ständiges Knöchelchen. Von der Schädelhöhle aus gesehen, bemerkt man nur die Verkleinerung der rechten Schuppe. A. Dupuis (Breslau.)

4) Die einer pneumatischen Zelle entsprechende Höhle im Felsen- theil des Schläfenbeins grenzte mit ihrer dünnen Knochenwand an den Sulcus jugularis, den inneren Gehörgang und die Paukenhöhle und communicirte durch mehrere kleine Lücken mit den Warzenzellen. Ihr Längendurchmesser betrug 2, ihr Höhen- und Tiefendurchmesser 1,5 cm. Die Gefahren, welche durch eine Eiterung in einem solchen Hohlraume herbeigeführt werden können, sind für den Fachmann leicht zu übersehen. Killian (Freiburg.)

12) Nach den Untersuchungen Popoff’s sind die Nuclei funiculi teretes auch im Bereich der Hypoglossuskerne überall von dünnen

154 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Fasern von theils querem, theils schrägem, theils longitudinalem Verlaufe scharf begrenzt. Hier und da erkennt man, dass die Bündel aus der Dorsalkreuzung der Raphe hervorgehen und zwar wächst die Betheiligung der Raphefasern an der Bildung des annularen Randes um die Kerne, je höher oben das Niveau des Schnittes liegt. Die Fasern des Conductor sonorus sind wahrscheinlich mit den Fasern, die sich mit den Gehör- strängen verbinden, gleichen Ursprungs. Allmählich aus den lezteren entspringend. weichen sie von der Raphe ab. Im Seitenwinkel der Rautengrube gehen sie dann in den mittleren Schenkel über, um mit dessen Fasern zum Kleinhirn zu ziehen. Dupuis.

13.

14.

15.

16.

17.

‚18.

19.

20.

21.

b) Nase und Nasenrachenraum.

Delizin, S. Ueber die Topographie und Chirurgie der Nasenhöhle. Wratsch No. 17, 1895.

Waldow, A. Untersuchungen über die Kiefermissbildungen in Folge von Verlegung der Nasenathmung. Arch. f. Laryng. Bd. 3, 8. 233,

Betz, O. Die Nasenhöhle und ihre Nebenräume in Gypsmodellen natür- licher Grösse, nach Schnitten eines Spirituspräparates hergestellt, zur Ein- führung in die rhinologische Praxis, sowie zur Demonstration und Ein- übung specialistischer Technicismen fiir Aerzte, Specialisten, Lehrer und Studenten. Memorabilien, Jahrg. 39, S. 139.

Czermak, W. Die topographischen Beziehungen der Augenhöhle zu den umgebenden Höhlen und Gruben des Schädels in halbschematischen Figuren nach Gefrierschnitten dargestellt. Augenärztl. Unterrichtstaf., herausgeg. von H. Magnus, Hft. 9, 14 Tafeln mit Text. Breslau, J. U. Kern.

Boenninghaus, G. Ueber Schleimdrüsen im hyperplastischen Epithel der Nasenschleimhaut. Arch. f. Laryng. 3. Bd., S. 372.

Stieda, A. Ueber Knochenblasen in der Nase. Arch. f. Laryng. 3. Bd.. S. 359.

Anton, W. Beiträge zur Kenntniss des Jacobson’schen Organes der Erwachsenen. Aus Chiari’s path.-anat. Institut an der deutsch. Univ. in Prag. Zeitschr. f. Heilk. Bd. 16, S. 355.

Broom, R. On the Organ of Jacobson in the Monotremata. Journ. of Anat. and Phys., V. 30, S. 70—80.

Smith, G.E. Jacobson’s Organ and the Olfactory Bulb in Ornithorynchus. 6 Fig. Anat. Anzeig. Bd. 11, S. 161—166.

14) Bei den Kiefernmissbildungen bei Behinderung der Nasen-

athmung durch adenoide Vegetationen sind nach Körner 2 Stadien scharf zu unterscheiden: Veränderungen 1. vor dem Zahnwechsel und 2. während des Zahnwechsels. Im ersten Stadium kuppelartiger Hoch- stand des Gaumengewölbes, Verlängerung der langen Oberkieferachse,

Anatomie. 155

normale Stellung der Milchzähne. Im zweiten Stadium Spitzbogenform des Gaumen’s, V-förmige Einknickung des Kiefers in der Medianlinie, abnorme Zahnstellungen. Auch bei andersartigem Nasenverschluss lassen sich diese beiden Stadien erkennen. 21 Abbildungen nach Gypsabdrücken unterstützen die Ausführungen Waldow’s. Dupuis. 17) In dem mehrschichtigen Cylinderepithel, das die Oberfläche eines Nasenpolypen bedeckte, fand Boenninghaus knospenartige Gebilde, die sich, stellenweise in grosser Anzahl, mitten im Epithel vorfanden. Im Innern der Gebilde findet sich ein flaschenförmig gestalteter Hohlraum, dessen Hals, das Epithel mehr oder minder schräg durchsetzend, nach aussen führt. Um den Bauch der Flasche gruppiren sich grosse, bauchig-walzenartig gestaltete Zellen, an deren peripheren, dem Hohlraum abgewandten Enden sich der Kern befindet. An. ihrem tinctoriellen Verhalten erkennt man, dass man es mit Schleimzellen zu thun hat, die sich in verschiedenen Stadien der Verschleimung befinden. Sie unterscheiden sich nicht von den Becherzellen der normalen Nasen- schleimhaut und haben wie diese eine netzförmige, protoplasmatische Structur. Der Kanal, der nach der Oberfläche des Epithels führt, ist von hohen Cylinderzellen begrenzt, die einen Flimmersaum besitzen. Auch das Epithel, in dem die Gebilde sitzen, zeigt vielfach Neigung

zur Verschleimung. Diese Gebilde sind zum ersten Male von Zarniko (Die Krankheiten der Nase), ähnliche in der Regio olfactoria von Disse beschrieben worden. Dupuis.

18) Stieda beschreibt nach Vorausschickung der bekannten Litteratur 2 Fälle von Knochenblasen in der Nase aus der Rostocker Poliklinik für Nasen-, Ohren- und Halskrankheiten. Im ersten Falle fand sich bei einem 16-jährigen Mädchen die rechte Nasenhälfte durch eine Geschwulst vollkommen ausgefüllt, das Septum stark nach links gedrängt. Die Geschwulst bestand aus einer vorderen, etwa kirschgrossen, und aus einer hintern Knochenblase von der Grösse eines Hühnerei’s. Beide standen miteinander in Verbindung und waren mit Eiter gefüllt. Die mikroskopische Untersuchung ergab: Der äussere Schleimhaut- überzug trägt den Charakter der Nasenschleimhant, der innere ist frei von Schleimdrüsen, besitzt Flimmerepithel neben Plattenepithel und weist einige kleine Polypen auf. Die lamelläre Schichtung zeigende Knochenschale ist aussen und innen durch straffe Bindegewebszüge des Periosts begrenzt und lässt Wachsthumvorgänge in Gestalt von aussen gelegenen Osteoblasten und innen befindlichen Osteoblasten erkennen. Wo letztere reichlicher vorhanden sind, ist die Knochenschale verdünnt.

156 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Bei dem zweiten Falle (19-jähriges Mädchen) fand sich in beiden mittleren Muscheln je eine Knochenblase (links ganz vorn, rechts weiter hinten.) Der äussere Schleimhautüberzug ist ziemlich dick bei hoch- gradiger Wucherung der Schleimdrüsen. Starke Verdickung der Intima wie der Adventitia der Gefässe. E Dupuis.

Physiologie.

22. Ewald, J. Rich. Zur Physiologie des Labyrinths. IV. Mittheilung. Die Beziehung des Grosshirns zum Tonuslabyrinth. Nach Versuchen von Ida H. Hyde mitgetheilt. Pflüger’s Arch. Bd. 60, S. 492.

23. Bernstein, J. Ueber das angebliche Hören labyrinthloser Tauben. Ibid.

Bd. 61, 8. 118.

24. Strehl, H. Beiträge zur Physiologie des inneren Ohres. Ibid. Bd. 61, S. 205.

25. Kreidl, A. Ueber die Perception der Schallwellen bei den Fischen. Ibid. Bd. 61, S. 450.

26. Wundt, W. Zur Frage der Hörfähigkeit labyrinthloser Tauben. Ibid. Bd. 61, S. 339.

27. Schaefer, K. Beweise gegen Wundt’s Theorie von der Interferenz akustischer Erregungen im Centralorgan. Ibid. Bd. 61, S. 544.

28. Stern, K. W. Die Litteratur über die nicht-akustische Function des inneren Ohres. Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 39, S. 248.

22) Nach Entfernung des Labyrinthes bei Tauben treten die früher von Ewald beschriebenen Kopfverdrehungen ein. Diese Störungen können durch Adaption und Ersatzerscheinungen ausgeglichen werden. Nimmt man den Tauben vor der Labyrinthoperation das Grosshirn, so werden die Ersatzerscheinungen in recht deutlicher Weise, aber in nur geringem Umfang vermindert. Andererseits treten nach Entfernung des Grosshirns die Labyrinthsymptome stärker auf. Es scheint, dass, je höher die Ausbildung der zugehörigen Grosshirncentren, desto vollkommener sind die Ersatzerscheinungen. Daher sind sie fast verschwindend beim Frosch, sehr bedeutend aber beim Menschen ausgebildet. Beim Menschen lassen sich desshalb nur einige Symptome des Functionsausfalls des Tonus-

labyrinths aufdecken. Asher (Bern.)

23) Auf Grund mehrfacher Erwägungen gelangt Bernstein zu dem

Ergebniss, dass die Hörprüfung durch Knall die beste und einwandsfreieste

Methode sei. Werden Tauben in einer Schwebe aufgehängt und ihnen bis über die Augen eine Kopfkappe aufgesetzt, so reagiren normale Thiere meist deutlich auf den Knall der Pistole, auch wenn man: zwischen dieser und dem Thier einen 60 cm im Quadrat grossen Blechschirm anbringt. Die labyrinthlose Taube reagirt dagegen unter dieser Bedingung niemals.

- Physiologie. 157

Wenn man in unmittelbarer Nähe einer labyrinthlosen Taube 10—20 cm entfernt die Lippenpfeife d’‘ anbläst, so erhält man ebenso starke Reactionen, wie bei einem normalen Thier. Bringt man einen Schirm an oder führt man ein Hörrohr, das mit einem 1—2m langen Schlauch verbunden ist, in den Gehörgang und bläst Töne und Klänge in den Trichter, so bleibt das labyrinthlose Thier vollständig reactionslos. Füllte B. die Gehörgänge und die Trommelhöhlen mit einem grossen Gypspfropf, so hatten weder Töne noch der Knall die geringste Wirkung wenn sie dem Gehörgang zugeleitet wurden, wohl aber trat Reaction ein, wenn die Lippenpfeife d‘’ in der Nähe des Tieres ertönte. Diese Reaction konnte also nur. durch EE auf der Körperfläche bedingt sein. Asher.

24) Strehl stellte zunächst fest, dass labyrinthlose Tauben auf gewisse vibrirende (nicht aber auf plötzliche, wenn auch heftige) ton- erzeugende Bewegungen unzweifelhaft reagiren. Packte Str. den Körper der Taube in Watte oder versenkte er ihn auf geeignete Weise in Oel und liess den Kopf aber frei, so reagirte die Taube nur wenn der Schall in unmittelbarster Nähe erzeugt wurde, der Gedanke, dass es sich um tactile Schallwahrnehmungen handle, führten Str. zur Prüfung von zwei gänzlich tauben Schülern. Thatsächlich nahmen sie eine ganze Reihe von Schallarten tactil war. |

In Bezug auf den angeblichen Zusammenhang des galvanischen Schwindels mit dem Labyrinth gelangte Str. durch eingehende Versuche zu dem Ergebniss, dass derselbe von Stromfäden herrühre, die un- symmetrisch das Gehirn treffen. Auch bei labyrinthlosen Tauben treten die Reactionen auf Durchströmung des Kopfes ein. Untersuchung von Taubstummen einerseits auf Schwindel und Nystagmus, andererseits von Normalen gab bei beiden »Versager« allerdings eine grössere Procentzahl bei Taubstummen, aber viel weniger als seiner Zeit Pollak fand. |

Dass bei Tauben und vielleicht auch bei Fischen der Vestibular- apparat zur räumlichen Orientirung diene, glaubt Str. zugeben zu müssen. Da Vögel wie Fische in ihrem Medium nach drei Dimensionen ohne feste Stütze sich bewegen, wird ein besonderes Orientirungsorgan wichtiger. Bei anderen Thieren, besonders aber beim Menschen dem Vestibularapparat eine Bedeutung wie bei der Taube zuzuschreiben, ist unmöglich. Untersuchungen von ganz gesunden Kindern zeigten, dass über die Hälfte mit verbundenen Augen nicht gerade gehen und über ein Drittel nicht ordentlich auf einem Beine stehen können.

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unserer Disciplin wird.

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158 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Dass die Procentzahl der Abnormen bei den Taubstummen höher ist, kann mit Rücksicht auf die oben genannte Thatsache nicht dafür ver- werthet werden, dass den Taubstummen ein statisches Organ fehle. Str. führt noch eine ganze Reihe von Erwägungen an, die gegen die Annahme sprechen, es sei der Vestibularapparat ein statisches Sinnesorgan. Möglicherweise ist er aber zum Hören unentbehrlich. Asher. 25) Kreidel erhielt folgende Ergebnisse: 1. dass für die Gold- fische ein Hören durch das »Gehörorgan« nicht nachgewiesen werden kann, 2. dass sie jedoch wohl auf Schallwellen reagiren, welche sie aber durch einen besonders entwickelten Hautsinn empfinden. Asher.

26) Gegenüber Bernstein hält Wundt daran fest, dass labyrinth- lose Tauben Hörfähigkeit besitzen. Asher.

27) Schäfer widerlegt unter Hinweis auf seine bereits früher veröffentlichten, sinnreichen Versuche sowie gestützt auf beachtenswerthe Erwägungen, die sich zum Theil an Fechner anlehnen, die Ansicht, dass diotische Schalleindriicke im Centralorgan zusammenfliessen.

Asher.

28) Eine dankenswerthe, wenn auch nicht ganz vollständige Zu- sammenstellung der Titel der Arbeiten über die statischen, mechanischen, akustischen, kurz über alle vermutheten Functionen des Bogengang- labyrinthes mit ganz knappen Inhaltsangaben. Derartige vorbereitende Aufstellungen sind um so lebhafter zu begrüssen, als die Bearbeitung dieses Abschnittes der Otologie von physiologischen, diagnostischen und klinischen Gesichtspunkten mehr und mehr eine dringende Aufgabe E. Bloch (Freiburg).

Allgemeines.

29. Kruschewsky. Statistische Beiträge zur Pathologie des Gehörorganes. Jena 1895.

30. Cozzolino, Vincenzo. L’otojatria, la Rinojatria et la Laringojatria

| nelle universitä della Germania e della Austria Napoli 1895.

31. Gellé. Du traitement général dans les affections auriculaires. Ann. des mal. de l’oreille etc. No. 10, 1895.

32. Barr, Thomas. Giddiness and Staggering in ear disease. Britisch Med. Journal 28. Decbr. 1895.

33. Stein, St. von in Moskau. Ueber Gleichgewichtsstérungen bei Ohren- leiden. Diese Zeitschr. Bd. XXVII, S. 201.

34. Koll, Th. in Aachen. Die Anwendung des Nosophens in der rhinologischen und otologischen Praxis. Berl. klin. Wochenschr. No. 29, 1895.

Allgemeines. 159

35. Kossel, H. Untersuchungen über Diphtherie und Pseudodiphtherie. Charit&-Annalen, X. Jahrgang.

36. Danziger, F. in Beuthen. Nachtrag zu dem in No. 7 der Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1895 veröffentlichten Falle von Carcinom des Ohres. Monatsschr. f. Ohrenheilk. No. 10, 1895.

37. Zwaardemaker, H. in Utrecht. Akustische Eisenbahnsignale und Gehör- schirfe. Diese Zeitschr. Bd. XVIII, S. 33.

38. Koch, Paul. Ueber die Einwirkung des Tauchens auf das Gehérorgan. Festschr. zur 100 jahrigen Stiftungsfeier des med.-chir. Friedrich- Wilhelm- Institutes. Berlin 1895.

39. Goldstein, M. A., Saint Louis. Ueber die Möglichkeit einer deutlichen Besserung bei der Behandlung der Taubheit und der vermutheten Taub- stummheit durch akustische Uebungen, ein System von Tonbehandlung des Gehörnerven, wie es Prof. Urbantechitegh in Wien angegeben hat. Diese Zeitschr. Bd. XXVII, S. 296.

29) Kruschewsky hat die statistischen Mittheilungen der ersten fünf Bände des „Klinischen Jahrbuchs‘‘ in 3 Tabellen zusammengefasst und vergleicht sie mit den bisher vorliegenden Arbeiten von Brückner, Bezold u. a. Die positiven Ergebnisse sind sehr gering, dazu müssten eingehende Verbesserungen der otologisch-statistischen Schemata des klinischen Jahrbuchs, besonders mit Berücksichtigung der Aetiologie vorgenommen werden. Zimmermann (Dresden). 30) Cozzolino wurde von der italienischen Regierung zur Bericht- erstattung aufgefordert über den otiatrischen, rhinologischen und laryn- gologischen Unterricht an den deutschen und österreichischen Universitäten, zu welchem Zwecke er diesen Universitäten einen Besuch abstattete. C. giebt einen genauen Bericht über das Gesehene und Gehörte, indem er nicht nur die Einrichtungen schildert, sondern auch die verschiedensten Be- handlungs- und Untersuchungsmethoden, wie er sie vorgefunden, beschreibt. Das Ganze ist lebendig geschrieben und giebt ein annähernd richtiges Bild der bestehenden Einrichtungen und die Wirksamkeit der an den- selben thätigen Personen. 8 Hartmann. 31) Die schon auf dem Florenzer Otologencongress vorgetragene Uebersicht über die bei der Prophylaxe und Allgemeinbehandlung akuter und chronischer Ohraffektionen zur Verwendung kommenden Arznei- mittel, Badekuren u. a w. Hervorzuheben wäre der ausserordentlich grosse Arżneischatz, dessen sich Gell& bedient, und die enthusiastische Hoffnung, die er auf Erweiterung der Serumtherapie gegen die pyogenen Infektionen setzt. Sonst nichts Neues. Zimmermann. 32) Nach einer Besprechung der Literatur des Gegenstands gibt Barr eine Beschreibung des Ohrschwindels: Derselbe äussere sich in

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160 Bericht übet die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

4 bestimmten Formen, 1. als eigentliche Meniere’sche Krankheit, 2. als Wirkung von Druck auf die Wandungen des Mittelohrs, 3. als Folge von Druck auf die Wände des äusseren Gehörgangs oder die äussere Fläche des Trommelfells, 4. als Reizwirkung von Seiten der Gehörnerven. Er bespricht sodann die Symptomatologie, Aetiologie und Diagnose der wahren Meniere’schen Krankheit und führt 4 interessante Fälle an. ' Cheatle.

34) Das Nosophen ist ein Jodpräparat von gelblich weisser Farbe, unlöslich in Wasser, etwas löslich in Alkohol, leicht löslich dagegen in wässerigen Alkalien. Die Wirkung beruht auf der Bildung des Natron- salzes in Berührung mit der geringsten Menge freien Alkalis, wie es sich in den Wundsecreten findet. Das Natronsalz wirkt schon in Verdünnung von 0,1—1°/, antibacteriell. Das Mittel ist vollständig ungiftig.

Koll verwandte das mit Pulverbläser aufgetragene Nosophenpulver zur Desinfection nach allen blutigen Eingriffen in der Nasenhöhle, so- wie nach Anwendung der Galvanokaustik und nach Aetzungen. 10°/,ige Nosophengaze wurde mehrere Tage in der Nase ohne Reizung. er- tragen. Auch nach Entfernung adenoider Wucherungen kam das Mittel in Anwendung. Schleimigc und eitrige Absonderungen aus der Nase wurden schneller als durch irgend ein. anderes der gebräuchlichen Medicamente gebessert.

Bezüglich der Behandlung der chronischen Mittelohreiterung er- wähnt K., dass er nach kurzen Abschweifungen stets wieder zur Bor- säure zurückgekehrt sei, dass er gleiche oder auch nur annähernd gleich befriedigende Resultate mit keinem der vielen seither in Vor- schlag gebrachten Medicamente zu erreichen im Stande war. Sowohl bei akuter Otitis als auch bei chronischer erzielt nun K. auch mit dem Nosophen stets befriedigende Erfolge. Es sollen nur kleine Mengen des Pulvers aufgeblasen werden, dasselbe bildet keine Krusten mit dem Secret. Mitunter gelang es eine nach längerer Anwendung von Bor- säure bestehen gebliebene geruchlose Sekretion durch Nosophen gänzlich zum Stillstande zu bringen. Hartmann.

35) Kossel zieht in Uebereinstimmung mit zahlreichen Vorgängern aus seinen bacteriologischen Untersuchungen den Schluss, dass die geg- nerische Anschauung, dass es Bretonneau’sche Diphtherie ohne Diphtheriebacillen gäbe durch dieselben keine Stütze finde. In nur 8°/, aller wegen angeblicher Diphtherie aufgenommenen Kinder fehlten Diph- theriebacillen. Von den negativen Fällen (22) ist kein Kind gestorben.

-` Allgemeines. ee 161

In 2 Fällen gelang es K. den Löffler’schen Bacillus aus dem Secret der nachträglich hinzugetretenen Otitis media zu züchten. Auch Ref. hatte Gelegenheit bei Scharlachotitis mit Rachendiphtherie den Nachweis von. Reinculturen von Diphtheriebacillen in dem: Ohrsecret zu führen, während solche im Rachensecret nicht gefunden wurden.

= Hartmann.

36) Danziger’s Patientin, über welche in Bd. 28 der Zeitschrift Seite 64 referirt ist, bekam eine complete Facialisläihmung und starb nach drei Monaten, ohne dass der Tumor nach aussen oder, wie die Section ergab, nach innen durchgebrochen war. Hier zeigte sich nur an der Hinterfläche der Felsenbeinpyramide eine starke Vorwölbuug der Dura mater. Der Sinus war nur verdrängt, der Nervus glossopharyngus dagegen vollständig durchwachsen. Der Tumor hatte den Warzenfort- satz durchbrochen, den knöchernen Gehörgang zum Schwund gebracht und war in das Kiefergelenk vorgedrungen. Killian.

38) Koch bringt in der vorliegenden Arbeit eine sehr interessante Schilderung über die bei Tauchern der Deutschen Marine gemachten Be- obachtungen. In der Einleitung giebt K. einen Bericht über die bisher in der Literatur vorhandenen Erfahrungen. Es wurden die Arbeiten von Vivenot über Beobachtungen im pneumatischen Cabinet, die von Ort, Francois, Andrew Smith und Magnus bei Baggerungs- und Brickenbauten citirt. Ref. bedauert, dass seine Untersuchungen im pneumatischen Cabinet, welche die früheren mehrfach ergänzen dem Verfasser entgangen sind. (Dieselben sind in einer Mittheilung über die Function der Tuba Eustachii im Archiv für Anatomie und Physiologie, Physiol: Abth. 1877, sowie in einer Monographie ‚Die Function der Eustachi’schen Röhre‘ veröffentlicht).

In der Marine werden alljährlich etwa 100 Mann im Tauchen ausgebildet, Leute die nach vorgenommener Untersuchung frei von Öhrenleiden sein müssen. Die einzelnen Uebungen werden nach ver- schiedenen Stufen mit zunehmender Tiefe unter Wasser und zunehmen- dem Zeitaufenthalt unter Wasser ausgeführt. Die äusseren Einwirkungen unterscheiden sich in mehrfacher Beziehung von denen bei Caisson- arbeitern.

Bei den ohrgesunden Tauchern lassen sich bei Beginn des Curses und während desselben zwei scharf geschiedene Gruppen unterscheiden, solche mit tolerantem und solche mit empfindlichem Ohre.

Es kommen folgende Veränderungen am Ohre zur Beobachtung.

162 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

A. Subjective Empfindungen und Beschwerden.

1. Druckgefühl beim Heruntergehen. Dieses Gefühl tritt zuweilen schon bei 2 Meter, ausnahmslos bei 4 Meter Tiefe auf, dasselbe geht bei Manchen in stechenden Schmerz über. Dieses Gefühl verringert sich bei späteren Uebungen. Dasselbe entsteht durch Einwärtsbiegung des Trommelfells und wird durch den Schluckact ausgeglichen. Auf- fallend ist die Beobachtung, dass jedes Druckgefühl in den Ohren auf- hört sobald der Taucher auf dem Grunde angelangt ist. (Sollte das nicht durch einen unwillkirlichen Schluckakt veranlasst sein?)

2. Sensationen beim Heraufkommen. Gewöhnlich tritt keine Sen- sation ein, zuweilen leichter Druck und Stechen. Der Bau der Tube begünstigt das Austreten der Luft.

3. Sensationen nach dem Tauchen. Die meisten Taucher behalten gewöhnlich für einige Stunden ein Gefühl von Dumpfheit und Taubsein in beiden oder auch nur in einem Ohre. Ä

B. Die objectiven Veränderungen und Störungen.

1. Die mechanischen Störungen. Das Trommelfell ist gewöhnlich nach dem Tauchen eingedrückt. Die Contouren der Gehörknöchelchen und des Mittelohres treten deutlicher hervor. Abweichend von der Regel kommt es aber bisweilen auch zu einer Vorwölbung der Shrap- nell’schen Membran.

2. Die vasomotorischen Störungen. Es finden sich Hyperämie, die Bildung von rothen Blasen im Mittelohre und Transsudat. Die Conges- tion kaun sich wochenlang erhalten. Nicht selten tritt auch Nasen- blutung auf.

3. Die Hörstörungen. Unmittelbar nach dem Tauchen ist die Hörfähigkeit herabgesetzt. Dauernde Hörstörungen nennenswerthen Grades kommen nicht vor.

C. Die pathologischen Wirkungen.

1. Trommelfellzerreissung ist jedenfalls sehr selten, kam nur in einem Falle zur Beobachtung.

2. Mittelohrentzündung trat in einem Falle auf, wohl dadurch, dass Schleim aus der Tube in’s Mittelohr geschleudert wurde.

3. Die Blutungen in’s Labyrinth oder in die Centren des Nerv. acusticus. Es ist dem Verf. nicht bekannt geworden, dass ein diesbe- züglicher Fall in der deutschen Marine zur Beobachtung kam.

Untersuchungsmethoden. 163

:D. Die heilsamen Wirkungen des Tauchens.

Bei mehreren Tauchern mit Schwerhörigkeit wurde Besserung des Gehörs beobachtet. Verf. zieht folgende Schlussfolgerungen. a

1. Vom Taucherdienst sind auszuschliessen Leute mit organischem Tubenverschluss, sowie mit grossen zarten Narben und hochgradiger Atrophie des Trommelfells.

2. Die Uebungen sind zeitweilig zu unterbrechen bei acuter Tuben- schwellung und bei jener Dumpfheit, die im Verlaufe von Schnupfen und Angina in den Ohren auftritt. Es besteht hier die Gefahr. dass infectiöses Material in’s Mittelohr gepresst wird und eine Mittelohr- entzündung entsteht.

3. Die Uebungen sind aufzugeben, sobald in einem Ohre nach dem Tauchen Sausen und Klingen auftritt, das sich nach jeder Uebung wiederholt und nicht in einigen Stunden verschwunden ist.

4. Das Mittel gegen den Ohrschmerz ist die Schluckbewegung. Ob der Taucher dabei im Sinken anhält oder wieder etwas steigt, oder endlich schneller zu sinken verlangt, ist ihm überlassen.

5. Verstopfen der Ohren ist ganz zwecklos.

Nach den Erfahrungen des Ref. im pneumatischen Cabinet werden die Erscheinungen des Ueberdruckes am leichtesten gehoben, je geringer derselbe ist. Bei starkem Ueberdruck gelingt es nur mit Mühe und ungenügend die Tuben zu öffnen. Es würde sich deshalb empfehlen, die Taucher zu verananlassen, sofort nach Beginn des Untertauchens Schluckbewegungen ausführen zu lassen. Hartmann.

Untersuchungsmethoden.

40. Werhovsky, Boris in Petersburg. Prüfungen der Hördauer im Verlaufe der Tonscala bei Erkrankungen des mitteren und inneren Ohres. Mit 27 Curven. (Hervorgegangen aus dem otiatrischen Ambulatorium des med.-klin. Instituts München.) Diese Zeitschr., Bd. XXVIII, S. 1.

41. Brunner, Gustav in Zürich. Zur diagnostischen Verwerthung der oberen und unteren Tongrenze, sowie des Rinne’schen und Schwabach’schen Ver- suches. Diese Zeitschr., Bd. XXVII, S. 250.

42. Bloch, EK. in Freiburg. Die Ermittlung einseitiger completer Taubheit.

Diese Zeitschr., Bd. XXVII, S. 267.

43. Alt, F. in Wien. Versuch zur Bestimmung eines Schallleitungshindernisses. Monatschr. f. Ohrenheilk. No. 1, 1895.

43) Wer bei geschlossenen Munde einen Ton summt und sich ein Ohr zuhält, hört den Ton nur in diesem Ohr und Patienten,

164 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

welche den Weber nach einem Ohre lateralisiren, hören das Summen nur auf der betreffenden Seite. Dieser Versuch lässt sich daher als Ergänzung des Weber’schen verwenden. Killlan.

Aeusseres Ohr.

44. Sikkel, A. im Haag. Otitis externa follicularis. Med. Weekblad No. 8, 1895,

45. Szenes, S. Sur un cas rare d’otite externe d’origine infectieuse. Ann. des mal. de l'oreille etc., No. 8, 1895.

46. Herzog, Max in Chicago. Verticillium graphii als Ursache einer hart- näckigen Otitis externa diffusa. Diese Zeitschr., Bd. XXVII, S. 279.

47. Hutshinson, Jonathan. On erosive inflammation of the external Ear. Arch. of Surgery, Oct. 1895.

48. Moure, E. J. Angiome caverneuse de l'oreille. Revue de laryng., No. 23, 1895. i

49. Courtade, A. Observation d’occlusion du conduit auditif; operation.

Ann. des mal. de l’oreille etc., No. 12, 1895.

50. Corradi, C. Die Perforation des Trommelfelles durch indirecte Ursache, besonders vom gerichts-ärztlichen Standpunkte aus. Arch. f. Ohrenheilk., Bd. 39, S. 287.

44) Ursache, Verlauf und Behandlung werden klar und kurz be- schrieben. Für Fachmänner nichts von Bedeutung. Meyjes. 45) Eine von dem geimpften Kind auf die Amme durch deren Finger übertragene Vaccinationsphlegmone des Gehörgangs. Schwerer Fall. Heilung in fünf Wochen mit Hinterlassung einer eingezogenen Narbe, ähnlich wie an den typischen Impfstelen. Zimmermann. 47) Hutchinson ist der Ansicht, dass die Erosionen des äusseren Ohres in ihrer grossen Mehrzahl den Charakter von Frostbeulen tragen, während eine kleinere Anzahl lupöser Natur sei. Es werden drei sehr interessante Fälle berichtet. Cheatle. 48) Bei der Exstirpation eines dunkelroth gefärbten Tumors des rechten Gehörganges einer 47 jährigen Frau erhielt Moure eine er- hebliche Blutung. Die mikroskopische Untersuchung des Tumors, der an der hinteren oberen Wand des Trommelfells inserirte, ergab eine Blutgeschwust in der Form eines Ohrpolypen mit einem sehr weiten, central gelegenen Hohlraum. Dupuis. 49) Bei einem 5!/, jährigen Kinde, dessen r. Ohr bei der Geburt durch die Zange abgelöst war und 4 Monate geeitert hatte, wurde schon nach einem Jahr ein vollständiger Verschluss des Gehörganges bemerkt. Dreimal ward vergeblich operirtt. Courtade fand 15mm nach innen vom Tragus einen blindsackförmigen Abschluss, von dessen

Mittleres Ohr. ` 165

Grunde eine feine Oeffnung in einen 7 mm langen Hohlraum führte. Diese Stenose wurde der ganzen Dicke nach durch einen Vertikalschnitt und da der nicht ausreichte noch durch einen Einschnitt nach hinten durchtrennt und durch ein 6 mm dickes Drainrohr offen gehalten. Voll- ständige Vernarbung in 14 Tagen und dauerndes Offenbleiben. C. räth übrigens in den sich anschliessenden Bemerkungen, wo es angängig, zwei Lappen, einen mit der Basis nach vorn, einen mit der Basis nach hinten zu bilden und auf die Wundfläche zu transplantiren. Zimmermann. 50) Corradi ist der Ansicht, dass diejenigen Trommelfellzerreis- sungen, welche durch Schlag oder Sturz auf den Kopf entstehen, vor- wiegend im peripheren Theile, nahe oder an dem Annul. tympanic. liegen, während, wie bekannt, die durch plötzliche Steigerung des Luftdruckes erzeugten meist in der Nähe des Umbo und des Hammergriffes gesehen werden. C. erklärt diesen Unterschied mit der Ueberlegung, dass der Riss an derjenigen Stelle eintreten wird, wo der grösste Abstand in der Beweglichkeit der Trommelfelltheile bei dem plötzlichen Anstosse herrscht, d.h. am Rande der Membran, und hier wieder in demjenigen Segmente, welches dem Orte der Einwirkung des Trauma entspricht. Stimmt die Lage der Perforation oder der Narbe zu dem von dem Verletzten ge- schilderten Hergange bei der Entstehung des Trauma, so ist in gericht- lichen Fällen seinen Angaben eine erhöhte Glaubwürdigkeit beizumessen. Der entgegengesetzte Fall beweist indessen nicht gegen ihn. Bloch.

Mittleres Ohr.

öl. Szenes, J. Devons nous dans des cas aigus nous prononcer pour ou contre l'ouverture de l'apophyse mastoide? Ann. des mal. de l'oreille, du lar. etc. No. 10, 1895.

52. Voss. Die Behandlung der Facialislähmung nach acuter Otitis med. Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 39, S. 285.

53. Knapp, Herm. in New-York. Ueber die Indicationen der Warzenfortsatz- operationen bei acuter eitriger Mittelohrentzündung, mit vier erläuternden Fällen. Diese Zeitschr. Bd. XXVII, S. 282.

54, Couetoux. Du pansement de l’otite moyenne purulente chronique. Ann. des mal, de l’oreille No. 11, 1895.

55. Grünwald, Dr. Beiträge zur Ohrchirurgie. Deutsch. med. Wochenschr. No. 45, 46, 47, 1895.

56. Reinhard, Ernst. Die chirurgische Eröffnung der Mittelohrräume. Greifswald 1895.

57. Mann, Dr. Die v. Mangold’sche Transplantationsmethode nach Radical- operationen chronischer Mittelohreiterungen. Deutsch. med. Wochenschr. No. 48, 1895.

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 12

166 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

58. Leutert, E. Pathologisch-histologischer Beitrag zur Cholesteatomfrage. Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 39, S. 233.

59. Targott, J. H. Excision of temporo-maxillary Joint for Anchylosis following Otorrhoea. Brit. Med. Journal 23. Nov. 1895. .

60. Woods, O. H. A Case of purulent otorrhoea of 7 years standing with cerebral complications. Medical. Press, 20. Nov. 1895.

61. Hanel, Walter in Dresden. Ein Fall von beginnendem Durchbruch der beiden Labyrinthfenster bei Caries tuberkulosa des Mittelohres, mit mikroskopischer Untersuchung. Diese Zeitschr. Bd. XXVII, S. 42.

62. Moss, Robert E. in San Antonio. Zwei Fälle von otitischer Hirnerkrankung (Sinus thrombose und Abscess). Diese Zeitschr. Bd. XXVII, S. 302.

63. Romeny, M. B. Herten aan doening. na Otitis media. Medisch. Week- blad 20. April 1895.

64. Lichtheim. Zur Diagnose der Meningitis. Berl. klin. Wochenschr. No. 13, 1895.

65. Fürbringer, P. Zur klinischen Bedeutung der spinalen Punktion. Berl. klin. Wochenschr. No. 13, 1895.

51) Die von Schwartze für die Operation acuter Warzenfort- satzentzündungen aufgestellten Indikationen sind nicht unter allen Um- ständen zutreffend. Szenes hat durch 2 Monate hindurch bei einer rechtsseitigen Otitis eine Warzenfortsatzentzündung mit allen typischen Symptomen: Schwellung, Röthung, Hitze über dem Warzenfortsatz, Senkung der hinteren Gehörgangswand u. s. w. beobachtet, die ohne Operation vollständig ausheilte. S., der sonst durchaus kein Gegner der Operation ist, will nur an diesem Falle die Schwierigkeit exakter Indicationsstellung zeigen. Zimmermann.

52) Voss schlägt nach seiner Erfahrung an einem Fall vor, bei längerdauernder schwerer Lähmung die Aufmeisselung des Warzen- fortsatzes zu machen, zwar nicht bis zum Centrum vorzudringen, aber ‚die hyperämische Spongiosa zu entfernen. In dem mitgetheilten Falle hatte die Lähmung erst drei Monate lang bestanden. Bloch.

54) Couetoux empfiehlt bei den chronischen Formen erwärmten 95°/, Alcohol einzuträufeln oder in Borsäure-Alcohol getauchte und dann oberflächlich abgeflammte Tampons nachträglich noch damit zu imprägniren und einzuführen. Ä Zimmermann.

55) In einer längeren Arbeit verbreitet sich Grünwald über die Excision der Gehörknöchelchen einerseits zur Heilung von Ohr- eiterungen und andererseits zur Hörverbesserung. Beigefügte Kranken- geschichten dienen zur Erläuterung. Im ersten Theil findet sich eine eingehende Kritik der dasselbe Thema behandelnden Arbeit von Gomperz. Grünwald kommt zu dem Schluss, dass durch Gomperz Mit-

Mittleres Ohr. 167

theilungen »auch nicht ein einziger Fall bekannt geworden ist, in dem man hätte von vornherein an der Möglichkeit einer Heilung ohne Operation verzweifeln müssen und in dem dann diese Heilung doch wider Erwarten erfolgt wäre«. Im zweiten Theil sieht Gr. die Indi- cation der Hammerextraction besonders dann als gegeben an, wenn Paracentese oder Tenotomie einen unverkennbaren günstigen Effect in Bezug auf Hörfähigkeit oder subjective Geräusche Zur Folge gehabt hat. Verfasser glaubt auch bei der Sclerose noch manchen schönen Erfolg durch Hammerexcision erzielen zu können.

Zum Schluss bespricht Gr. die Nachbehandlung der radicalen Warzenfortsatzaufmeisselung mit sofortigem Verschluss und kommt zu der ohne Zweifel richtigen Ansicht, dass »die radicale Operation des Warzenfortsatzes mit Abtragung der knöchernen Gehörgangswand jede persistente Oeffnung hinter dem Ohre unnöthig macht.«

In einem Nachtrag äusserte Gr. die schwer begreifliche Ansicht, dass die bekannte, von Prof. Körner zuerst beschriebene Lappen- bildung mittelst zweier, weit in die Concha reichenden Horizontal- schnitte ganz ähnlich der seinigen sei, während aus der Zeichnung und Beschreibung doch ganz klar hervorgeht, dass Gr. nur einen Horizontalschnitt macht event. mit Hinzufügung eines Vertikalschnittes. Ref. giebt der Körner’schen Methode bei weitem den Vorzug.

Noltenius,

56) Reinhard, ein Schüler von v. Krzywicki, schildert in einer kleinen Monographie die chirurgische Eröffnung der Mittelohr- räume, indem er eine sehr ausführliche historische Besprechung aller Warzenfortsatzoperationen giebt, in üblicher Weise mit Petit, Morand und Jasser anfangend. Die frühere Schwartze’sche Methode der Aufmeisselung, wie sie jetzt noch für die acute Otitis Geltung hat, findet ausführliche Erörterung. Sodann finden die neueren Methoden, welche als Freilegung des Kuppelraums und Antrums oder als Freilegung der Mittelohrräume bezeichnet werden, Erwähnung. : Leider hat der Verf. nicht immer die Originale nachgelesen, so findet er es unerklär- lich, dass Ref. zur Eröffnung des Warzenfortsatzes wieder den Bohrer in Vorschlag gebracht habe, während von ihm der Bohrer nur zu der Operation an der Leiche benutzt wurde, um die räumlichen Verhältnisse festzustellen. Genau beschrieben werden: die . Operations- verfahren nach Küster, von Bergmann, Zaufal, Jansen, Stacke, Stacke-Schwartze, die Gehörgangsplastik nach Körner, nach Siebenmann, Kretschmann, Reinhard.

12*

168 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Zum Schlusse wird über 10 Operationsfälle berichtet. Aus mehreren der mitgetheilten Krankengeschichten geht nicht hervor, dass vor Aus- führung der Radicaloperation ein Versuch gemacht wurde, die Mittel- ohreiterung in üblicher Weise zur Heilung zu bringen und geht auch aus den bei der Operation gemachten Befunden nicht hervor, dass die Heilung ohne Operation nicht auch hätte eintreten können. Fall 9 betraf einen tuberkulösen Patienten mit altem stinkendem Ausfluss, Kopfschmerz und Druckempfindlichkeit am Warzenfortsatze. Bei der Aufmeisselung findet sich Zerstörung nach hinten bis zur Dura, die mit sulzigen Granulationen und Tuberkeln durchsetzt ist. Der tuber- kulöse Process ist so ausgedehnt, dass die Operation einer totalen Resection des Warzenfortsatzes gleichkommt. Bei einer Nachoperation muss auch der Kuppelraum freigelegt und ausgeräumt werden. Günstige Heilung.

Fall 10 betrifft einen Patienten mit acuter Ohreiterung, Kopf- schmerzen und Schmerzen hinter dem Ohre. Warzenfortsatz in seiner ganzen Ausdehnung auf Druck stark schmerzhaft, später geröthet und infiltrirt. Bei der Operation stellt sich schon beim Hautschnitt heftige venöse Blutung ein. Der Warzenfortsatz zeigt sich geröthet und verfärbf bei der Aufmeisselung entleert sich stinkender Eiter. Beim Versuche ein nekrotisches Knochenstück zu entfernen, schiesst ein daumendicker pulsirender Strahl venösen Blutes in hohem Bogen hervor. Digital- compression und Tamponade. Verbandwechsel ohne Blutung am 5. Tage. 3 Tage später plötzlich Temperatur von 40°, heftige Kopfschmerzen, unregelmässiger Puls, brettharte Schwellung dem Verlaufe der Vena jugularis entsprechend. Zweite Operation am folgenden Tage, Freilegung des Sinns durch Abmeisseln des Knochens bis zur hinteren Schädel- grube. Beim Einschneiden auf den Thrombus entleert sich eine geringe Menge Blut, der Thrombus ist eitrig verfärbt. Eine Unterbindung und Oeffnung der Jugularis wurde nicht vorgenommen. Tod 3 Wochen nach der letzten Operation, nachdem sich Schüttelfröste, dann Somnolenz, Delirien und schliesslich Coma eingestellt hatten. Hartmann.

57) Mann schabt die sorgfältig gereinigte Haut des Ober- armes mit sterilisirtem Rasirmesser bis auf den Papillarkörper ab und trägt den mit Blut untermischten Epithelbrei auf die von Granulationen befreite, nicht mehr blutende Wundfläche auf. Ein Protectifstreifen schützt den Epithelbrei vor Verdunstung und vor dem Ankleben an den aseptischen Deckverband. Das Verfahren hat M. auf die in gleicher Weise vorbereitete Höhlenwunde des Mittelohres übertragen und hofft

Mittleres Ohr. 169

dadurch in 3 Wochen eine völlige Ueberhäutung zu erzielen, voraus- gesetzt, dass alles Krankhafte auch wirklich entfernt war. Noltenius.

58) Leutert sucht in Anlehnung an die herrschende otologische Lehre von der Entstehung der Cholesteatome zu beweisen, dass die in das Mittelohr eingewachsene Epidermis nicht nur durch entzünd- liche Ueberproduction, sondern auch durch Bildung von Retentions- cysten solches hervorbringen kann. Bei einer 4 Jahre zuvor operirten Kranken fand man eine kleine Cholesteatomperle vollständig abgesackt in einer erweiterten pneumatischen Zelle. Die Epidermis geht über die Ge- schwulst weg und ist von der epidermoidalen Matrix derselben durch eine dünne Bindegewebslage geschieden also nach Art der Retentions- cysten entstandenes Ch., wie solche an anderen Körperstellen Kauf- mann, Garré, Blumberg experimentell erzeugt, resp. beobachtet haben.

Solche Gebilde, deren Entstehen nach Operationen als Recidive ohne Weiteres leicht verständlich ist, kommen aber auch primär bei chronischen Eiterungen vor, wie L. beobachtet hat und wie es wahr- scheinlich auch Schwartze und Politzer schon vor vielen Jahren gesehen haben. Jedenfalls stützen die Untersuchungen L.’s die Cholesteatom- theorie, dass bei Perforationen des Trommeifelles Plattenepithel in die Paukenhöhle eindringt und einwächst. Ob dann die abschilfernden verhornten Epithelmassen an einer weichen, über ihr Lager ausge- breiteten und sie abschliessenden Gewebs-(Haut-)decke oder an wider- standsfähigeren Knochenwänden das Hinderniss für ihre Entfernung aus der Tiefe des Warzenfortsatzes finden, ist an sich nebensächlich.

Bloch.

59) Targott stellte in einer Sitzung der Hunterian Society einen 5jährigen Knaben vor, dessen Kiefergelenk durch Uebergreifen einer Mittelohreiterung ankylotisch geworden war. Durch Excision des Ge- lenkes wurde gute Beweglichkeit des Unterkiefers hergestellt.

Cheatle.

60) In Wood’s Fall fand sich das Antrum angefüllt mit Eiter und Granulationsgewebe neben cholesteatomösen Massen; ausserdem wurde ein Extraduralabscess mit Sinusthrombose und ein Tempora- Sphenoidalabscess gefunden. Der Patient kam zur Heilung.

Cheatle.

63) Ein genau beschriebener Fall von Hirnabscess, sich ent-

wickelnd im linken Schläfenlappen bei Anwesenheit von chronischer

170 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Otitis media sinistra. Obwohl die Trepanation von Nicolai fötide Eitermassen zu Tage brachte, war dem Exitus letalis nicht mehr vor- zubeugen. Bei der Section stellte sich eine nadelkopfgrosse Perforation des Tegmen tympani, sowie eine erbsengrosse Communication zwischen Trommelhöhle und Sinus transversus heraus. Meyjes.

64) Ausgehend von der Anschauung, dass es rein cerebrale oder rein spinale Meningitiden nicht giebt, dass die Communication der Subarachnoidealräume den Transport der Entzündungserreger und die cerebrospinale Ausbreitung der Entzündung zur Folge haben muss, sieht Lichtheim in der Quincke’schen Punction!) des Subarachnoideal- raums ein wichtiges Hilfsmittel zur Diagnose der Meningitis. Er hat das Verfahren seit mehr als 2 Jahren wiederholt geübt die Zahl der Fälle ist nicht angegeben und bis auf eine Ausnahme stets durch die Punction die Diagnose bestätigt. In dem sehr verschieden- artigen Punctionseiter konnten stets sehr leicht Mikroorganismen durch Färbung und Züchtung nachgewiesen werden, meist Streptococcen, einmal Pneumococcen. In einem Fall von Meningitis nach einem Trauma war die Punctionsflüssigkeit zwar getrübt, enthielt aber keine nachweisbaren Mikroorganismen, obwohl die allerdings circumscripte Eiterinfiltration der Pia zahlreiche Streptococcen enthielt. L. bespricht dann die Leistungsfähigkeit des Verfahrens bei der Meningitis tuber- culosa. In allen Fällen dieser Krankheit, bei denen er das Verfahren zur Anwendung brachte, konnte er Tuberkelbazillen in der Punctions- flüssigkeit nachweisen. Im Gegensatz zu den Befunden Freyhan’s betont er, dass die Bacillen meist spärlich sind, die Punctionsflüssigkeit gewöhnlich vollkommen klar erscheint. Zum Schluss hebt L. die leichte Ausführbarkeit und Gefahrlosigkeit des Verfahrens hervor, versäumt jedoch nicht, zur Vorsicht zu mahnen. von Wild (Frankfurt a. M.)

65) Fürbringer hat die Methode in 86 Fällen angewendet. Die Menge der entleerten Flüssigkeit schwankte zwischen einem Tropfen

1) Quincke empfiehlt die Nadel, während der Pat. auf der Seite mit stark nach vorn gebeugter Wirbelsäule liegt, in der Höhe des unteren Drittels des 2., 3. oder 4. Dornfortsatzes etwas seitlich von der Mittellinie einzustechen. (Verhandlungen des X. Congr. fiir innere Medicin, Wiesbaden 1891, S, 321 und Volkmann’s klin. Vortr. N. F. 67).

Fürbringer zieht es auf Grund seiner See vor, bei sitzender Stellung des Pat. die Nadel genau im Niveau der unteren Fläche des Dorn- fortsatzes medianwärts einzustechen. 2

Strengste Antiseptik ist selbstverständlich, Narkose nicht nothwendig.

Nervöser Apparat. 171

und 100 cem. Der Menge der Flüssigkeit legt er einen diagnostischen Werth nicht bei. In 37 Fällen von Meningitis tuberculosa gelang ihm der Nachweis von Tuberkelbacillen in der Punctionsflässigkeit 30 mal. Wie Lichtheim bezeichnet auch er die Fibringerinnungen der Flüssigkeit als den vorzüglichen Sitz der Bacillen.

Den therapeutischen Werth des Verfahrens schlägt F. vorläufig gering an, dagegen misst er ihm einen ZER klinisch-diagnostischen Werth bei. von Wild.

Nervöser Apparat.

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66) Es handelte sich in West’s Fall um einen 16-jährigen Jungen, bei dem kurz vor dem Tod Lähmungserscheinungen im linken Arm und Bein und gleichzeitig Taubheit des linken Ohrs auftraten; leider sind die Angaben über die Erscheinungen von Seiten des Ohres nur sehr vage, indem der Verf. nur angibt, dass der Pat. »mit dem linken Ohr eine Uhr nur auf 1 Zoll Entfernung hören konnte, während das Hör- vermögen der anderen Seite ein recht gutes war«; bei der Section fand sich ein wallnussgrosser Tumor (Gliosarcom) in der weissen Substanz an der äusseren Seite des Linsenkerns, umgeben von einem Erweichungs- bezirk, der sich rückwärts bis in den Occipitallappen und abwärts noch ein Stück weit in den Temporo-Sphenoidallappen erstreckte.

Cheatle.

67) 15 Tage nach der Pilocarpinbehandlung hat sich das Gehör von 35 auf 100 cm gebessert, sind Schwindel und Sausen verschwunden. Nach einem und nach drei Monaten je eine neue Attake, die durch Chinin wieder behoben wurde. Zimmermann.

Nase und Nasenrachenraum.

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172 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

71.

72.

73. 74. 75. 76. SS 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 87.

88. 89.

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68) Ott hat .bei 4 Patienten, bei denen eine hochgradig behinderte Nasenathmung durch lange Zeit bestanden hatte, die Beobachtung gemacht, dass sie auch nach Wegsammachung des Nasenweges den Mund offen hielten und die Mundathmung beibehielten. Die Lippen waren »zu kurz geworden«. Verf. führt dieses Verhalten auf eine Atrophie oder Atonie des M. orbicul. oris zurück, die durch die lange Unthätigkeit dieses Muskels zu Stande gebracht sei. In therapeutischer Hinsicht räth er methodische Uebung, Massage und Electricitét zu ‚versuchen. Zarniko.

69) Den Zahnstein, welchen Guye an der Aussenseite der untern Schneidezähne antrifft, fasst er auf als Symptom von habitueller Mund- athmung. Meyjes.

174 Bericht aber die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

70) Sikkel nimmt (wie Hartmann, Ref.) den vordern Septum- theil fast ausschliesslich als Ursprungsstelle der Nasenblutungen an. Die vordere Tamponade nach vorangegangener Cauterisation mit Chrom- säure genügt ihm vollständig. Liquor stipticus verwirft er als ein die Nasenhöhle mit schmutzigem Gerinnsel erfüllendes Mittel.

Die bekannte Lösung Mackenzie’s hat sich stets bewährt. Er lobt die hämostatische Wirkung des Terpentins. Meyjes.

71) Bei einem 36-jährigen Mann fand sich ein Papillom, das innen rings vom rechten Nasenloch bis etwa 2 cm tief nach innen ausging und einen vollständigen Verschluss zu Wege brachte. Mit dem scharfen Löffel entfernt und mit Milchsäure geätzt. Zimmermann.

72) Ein 13 Monat alter Junge mit 40° Fieber, starker eitriger Secretion aus der Nase, erschwerter Athmung durch die Nase, Erbrechen und höchst bedrohlicher Schwäche. 10°/, Metholöl sechsmal täglich auf Nasen- und Rachenscheimhaut applicirt führt Genesung herbei. Im Eiter Staphylococcus albus und aureus. Zimmermann.

73) Es handelt sich nach Finck bei der nasalen Hydrorrhoe um eine functionelle Neurose. Die Entstehungsursachen der ohne Ein- wirkung von Entzündungserregern zu Stande kommenden Secretions- steigerung ist in den feinsten Endästen der die Schleimdrüsen der Nasenschleimhaut und der Nebenhöhlenschleimhaut versorgenden Trige- minusfasern zu suchen. Schon sehr geringe auf die secretorischen Nervenfasern einwirkende Reize, solche, die für den Patienten selbst und überhaupt nicht wahrnehmbar sind, lösen eine sehr stürmische Thätigkeit der Schleimdrüsen aus.

Die Beseitigung der hypertrophirten unteren Muschelenden hatte in Bezug auf die Hydrorrhoe keinen dauernden Erfolg. Finck empfiehlt eine locale Behandlung mit Secretion beschränkenden Mitteln, wie Aristol. Pollak.

74) Anfangs irrthümlich als »Schleimpolyp der Nasenhöhle« diagnosticirt, bietet der Fall sonst kein weiteres Interesse. Pollak.

75) In Deckglaspräparaten von Ozänanasensecret findet man neben dem Löwenberg’schen Mikroorganismus noch zahlreiche andere Bacterien. Entgegengesetzt der Ansicht Löwenberg’s bezeichnet Faye den Geruch von Culturen des Ozänabacillus als einen sehr unangenehmen, sie riechen nach Wanzen. Faye fand den Bacillus nicht auf die Nase beschränkt; man entdeckt ihn im Pharynx, im Larynx, im Conjunctivalsack, in der Trachea. Auch seine Aufnahme

er En nn

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Nase und Nasenrachenraum. 175

in die Blutbahn hält Faye für wahrscheinlich. Die Injection seiner Culturen ist für manche Thiere tödtlich. Er ist nur bei wirklicher Ozäna vorhanden. Der Umstand, dass eine Reihe Ozänafälle keinen Geruch aufweist, verringert nicht seine Bedeutung für die Ozäna. Dupuis. 76) Es erscheint a priori die atrophirende Wirkung der Electrolyse als eine absolute Contraindication bei der Behandlung der Ozäna, wo die Schleimhaut und das zu Grunde liegende Knochengerüst'sich schon Auf ihr Minimum zurückbilden. Indess die gemachten Beobachtungen wider- sprechen. dieser Annahme. Cheval bedient sich silberner Nadeln. Sehr wenig Patienten empfanden Unannehmlichkeiten davon. Die Heilung ist am Ende von 14 Tagen erreicht. Bei 90 Ozänafällen, die in der Klinik von Capart im Hospital St. Pierre in Brüssel behandelt wurden, sind 70 in einer, 12 in mehreren Sitzungen geheilt, 3 sind noch in Behandlung; ein sehr schwerer Fall wurde nur gebessert nach 6 Sitzungen, die zwischen 14 Tagen bis 3 Monate auseinanderlagen; 2 Fälle zeigten keine Besserung, 2 stellten sich nicht wieder vor. Das ergiebt 90 °/, Heilung. ` - Dubar.

77) Ein stark inkrustierter Kirschkern bei einem 8-jährigen Mädchen im rechten unteren Nasengang. Stückweise entfernt. Zimmermann. 79) Winckler hält die theilweise, bezw. gänzliche Entfernung der unteren Muscheln für indieirt: 1. Bei allen Stenosen, hervorgebracht durch breite Verwachsungen der unteren Nasenmuschel mit der gegenüberliegenden Septumseite, wenn voraussichtlich von milderen Ver- fahren keine Besserung zu erreichen ist, bezw. wenn letztere bereits resultatlos angewendet worden sind. 2. Bei solchen Stenosen, deren Beseitigung bereits wiederholt durch Application von Causticis ver- geblich erstrebt worden ist. 3. Bei Nasenstenosen, hervorgebracht durch papillomatöse Degeneration der unteren Nasenmuscheln, wenn durch dieselbe in benachbarten Organen (z. B. den Augen) Erscheinungen bedingt sind, die nur durch eine schnelle Besserung der Circulations- verhältnisse in der Nase beseitigt werden können, eine Bedingung, welche unter Umständen auch bei 1 und 2 die Operation indiciren kann. Pollak.

80) Diese Dissertation ist auf Anregung Koerner’s aus einer genauen Untersuchung von 172 Schädeln der Rostocker Sammlung hervorgegangen. In 20 Einzelstatistiken ist das Material gesichtet und

176 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

bestätigt im Grossen und Ganzen die Resultate Zuckerkandels, Einzelheiten müssen im Original nachgesehen werden. Zimmermann.

81) Bei Kretschmann hat sich die von Spiess empfohlene Operation (s. diese Zeitschr. Bd. 27, S. 177) in 25 Fällen vortrefflich bewährt. Nur hat er sie im Gegensatz zu Spiess doch etwas schmerzhaft gefunden, auch dauerte die Heilung bei ihm durchschnittlich länger (6—8 Wochen). 4 Mal hatte er starke Nachblutungen, die die hintere Tamponade erheischten. Er tamponirt deshalb neuerdings auf 24 Stunden mit Jodoformgaze. Zarniko.

82) Wroblewski hat die verhältnissmässig grosse Zahl von 14 Scheidewandabscessen beobachtet. Davon waren 6 durch ein Trauma verursacht, 1 durch Typhus, 1 durch Pocken, 5 waren sog. idiopathische Abscesse (vergl. S. 94 dieses Bandes). Im Anschluss an die Schilderung seiner Fälle spricht Verf. über die Entstehung, Diagnostik und Therapie der Erkrankung. Er hatte das Glück, nie eine Perforation des Septums zurückzubehalten, sodass er diese überhaupt für sehr selten hält. Recht anschaulich ist die Schilderung der äussern Verunstaltung (Einsenkung des Nasenrückens) die als Folge der Septumabscesse öfters zurück- bleibt, wenn ein grösserer Theil des Knorpels verloren geht.

i Zarniko.

= 83) Von Tilley’s 3 Fällen von Parosmie trat der erste im Gefolge von Influenza auf und wurde durch Nervina und Tonica sowie die tägliche Application eines Nasenspray’s mit Strychninlösung geheilt; der zweite Patient klagte über beständigen Geruch von Talgkerzen, ohne dass ein Grund dafür gefunden werden konnte und der dritte, eine Frau in climacterischen Jahren, klagte über fauligen Geruch in der Nase ebenfalls ohne erkennbare locale Ursache. Cheatle.

84) Im Verlauf einer Discussion über spasmodisches Asthma in der Harveiican Society erwähnte Macdonald, dass von 30 von ihm behandelten Fällen der Erkrankung, in denen gleichzeitig Störungen von Seite der Nase vorhanden waren, 20 gebessert wurden. Davon ‘wurden 12 operativ behandelt (thatsächlich geheilt); 4 zeigten Defor- mitäten des Septums, 6 (vasculäre) Schwellung der unteren Muschel, 4 Polypen, 4 adenoide Wucherungen und 2 ödematöse Schwellung über dem vorderen oberen Theil der Cartilago triangularis. Die übrigen 10, . die nicht gebessert wurden, hatten Polypen. Cheatle.

Nase und Nasenrachenraum. | 177

85) In Spencer Watson's Fall wurde die Tachycardie voll- ständig beseitigt durch Entfernung von Polypen aus beiden Nasenhöhlen. | Cheatle. 86) In der Leeds & West Riding Medico-Chirurgical Society (am 29. November 1895) stellte Brown einen 16 jahrigen Knaben vor. Derselbe erhielt einen Schlag auf den Hinterkopf, fiel vorwärts und schlug mit der Stirne heftig auf dem Boden auf; am 3. Tage nach dem Fall trat reichlicher Ausfluss aus beiden Nasenlöchern auf, der 6 Tage anhielt. Trotzdem Pat. schwere meningitische Erscheinungen bot, trat Genesung ein. Cheatle.

87) Biehl beschreibt 2 Fälle von „blutenden Septumpolypen“. Der erste Fall betrifft ein 19jähriges Mädchen. Die mikroskpische Untersuchung des von der rechten vorderen Septumwand ausgehenden Tumors ergiebt, dass die Oberfläche theils aus Cylinder- theils aus typischem Plattenepithel (die dem Naseneingang entsprechende Partie) besteht. Das Gerüst des Tumors setzt sich aus einem im Wesentlichen lockeren, nur stellenweise zu dichteren Strängen verbundenen Bindege- webe zusammen. Die dichteren Stränge umschliessen verschieden grosse Hohlräume, die fast die ganze Geschwulst einnehmen: Arterien und Venen. Starke Wucherung der Wandung, besonders der Arterien. Der zweite „Polyp“ stammte von einer 47 Jahre alten Frau, ebenfalls von der rechten vorderen Septumwand. Auch dieser Tumor besteht im Wesentlichen aus kleinen Hohlräumen von Capillar- oder Venencharakter. Beide Geschwülste sind demnach als cavernöse Angiome aufzufassen.

| Dupuis.

88) In einer Sitzung der Londoner laryngologischen Gesellschaft am 11. Dec. 1895 demonstrirte Stewart ein Fibrom, das 4:2!/,:1°/, Zoll maass. Um Raum für die Entfernung zu gewinnen, musste der Ober- kiefer resecirt werden. Es ist dies das grösste Fibrom der Nasen- scheidewand, welches bisher beschrieben worden ist. Die Operation wurde von Macready ausgeführt. _ , Cheatle.

89) Nach kurzer Erwähnung der Ansicht von Ziem, der das häufige Zusammenvorkommen von Nasenpolypen und Sinuseiterungen be- tont, und des von Woakes hervorgehobenen Zusammenhanges zwischen Nasenpolypen und der necrosirenden Ethmoiditis, bekämpft Luc die letztere Krankheit als einheitliches Krankheitsbild; er notirt kurz das Zusammenvorkommen von Polypen und richtigen Neubildungen. Nach L. erklärt sich die Pathogenese und die Prädilection für die Umge-

178 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

bung der mittleren Muschel, den mittleren Nasengang und besonders den Meatus semilunaris daraus, dass dort die Schleimhaut viel buchtiger und faltiger als an der unteren Muschel ist. Das begünstigt die Entwicklung gestielter Tumoren, wenn an solcher Stelle eine öde- matöse Schwellung, das erste Stadium der myxomatösen Umwandlung, sich etablirt, während die Schwellung sich mehr diffus entwickeln wird, wo die Schleimhaut keine Ausbuchtungen hat. Das ist eine Hypothese, die der Erwägung empfohlen wird. Dubar. 90) J. D., 14 Jahre alt, seit 8 Jahren Polypen in der 1. Nase, die vollständig verstopft ist. Die Neubildungen werden leicht mit der kalten Schlinge entfernt. Im Grunde der Nase sieht man dann einen Tumor, der die linke Choane vollständig verlegt, den man aber mit der Sonde heben und dann in den Nasenrachenraum kommen kann. Bei der Rhinoscopia post. sah man eine runde glatte hellrosagefärbte Masse, die sich eng vor die Choanen legt, beiden Nasenöffnungen ent- spricht, aber sich mehr nach links hält. Digitaluntersuchung ergab eine birnenförmige Gestalt, feste Consistenz und den Insertionspunkt links in der Höhe der mittleren Muschel. Der Versuch, die Schlinge durch die Nase eingeführt um den Tumor zu bringen, scheiterte trotz Gaumen- haken an der Enge des Operationsgebietes. Man griff auf die von Waquier empfohlene Malaxation und suchte so den Tumor zu ver- kleinern. Dies gelang trotz des Widerstandes des Tumors. Dann wurde die Polypenzange in den mittleren Nasengang eingeführt, der Polyp nahe am Stiele gefasst und da man ihn nicht bequem nach vorn ex- trahiren konnte mit der Sonde nach hinten gestossen. Er fiel in’s Cavum und wurde von da vom Pat. expectorirt. Dubar. 91) Stoker’s Methode besteht darin, dass zuerst eine Ligatur von Peitschenschnur so nah an der Basis des Tumors als möglich durch die Nase eingelegt wird, wobei die Schnur mittelst eines zu diesem Zweck erfundenen Instruments tüchtig zusammengepresst wird, der Tumor wird dann in der üblichen Weise unterhalb der Ligatur abgetragen, diese selbst bleibt so lange liegen, als man für nothwendig hält. | Cheatle. 92) In einer Sitzung der Medical Society of London am 11. Nov. 1895 stellte Boyd einen 49jährigen Mann vor, dessen Oberkiefer er temporär resecirt hatte behufs Entfernung eines Nasenrachentumors, der, dem Anschein nach entweder von der Schädelbasis oder der Vorder- fläche der Wirbelsäule ausgehend, die rechte Nasenöffnung verlegt und aufgetrieben und das rechte Auge verdrängt hatte. Cheatle.

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Nase und Nasenrachenraum. . 179

93) In der anatomischen Einleitung, die die im Wesentlichen be- kannten makro- und mikroskopischen Verhältnisse des Antrum High- mori enthält, wendet sich Dmochowski gegen die landläufige Ge- stalt des Antrums, die von den meisten Autoren als die einer Pyramide mit nach oben liegender Basis und nach unten gerichteter Spitze, mit Unterscheidung einer Ober-, Vorder-, Hinter- und Innenwand, charakte- risirt wird. Vielmehr muss die Gestalt des Antrums als die eines un- regelmässigen Würfels bezeichnet werden, indem an Stelle der Pyra- midenspitze eine Fläche und da wo Innen- und Vorderwand zusammen- stossen eine zweite Fläche sich findet. Dmochowski unterscheidet daher 6 Wände: eine obere, untere, vordere, hintere, innere und äussere.

Dem anatomisch-pathologischen Theil schickt Dmochowski eine ziemlich ausführliche Besprechung der einschlägigen Litteratur voraus. Er selbst hat an 152 Leichen das Antrum untersucht; in 28 Fällen war die Schleimhaut pathologisch verändert, dabei fand sich 12 Mal Eiterung. Ausserdem hat sich Verf. 6 Mal den Eiter von Punktionen der Höhle verschafft. Auf Grund seiner Untersuchungen kommt Verf. zu folgender Eintheilung der Schleimhautentzündungen des Antrum:

1. Acute catarrhalische Entzündungen.

2. Chronische, catarrhalische Entzündungen und ihre Folgen: a) Cysten, b) Polypen, c) Osteome, d) Hydrops inflammatorius.

3. Eitrige Entzündungen: a) acute, b) chronische, 4. Diphtherische Entzündungen. 5. Specifische Entzündungen: a) syphilitische, b) tuberculöse.

In den 18 Eiterfällen fanden sich, ausser verschiedenen nicht patho- genen, folgende pathogene Mikroorganismen: 3 Mal Staphylococcus pyogenes aureus, 10 Mal Bacillus pyogenes foetidus, 3 Mal Streptococcus pyogenes, 2 Mal Pneumococcus Friedländer, 1 Mal Bacillus pyocyaneus.

Dupuis.

94) Der anregend geschriebene Artikel enthält zunächst einige Beobachtungen, die wiederum beweisen, wie vielgestaltig die Klagen der mit Nebenhöhlenempyemen Behafteten sein können.

In einem Falle konnte Avellis ein langwieriges Magenleiden durch Behandlung eines Kieferhöhlenempyems zur Ausheilung bringen: Verschluckter Stinkeiter hatte die Erscheinungen verursacht. Eine andere Patientin sagt aus, dass ihr beim Nähen »etwas ins Gehirn vor- falle«, sodass sie aufhören müsse. Ursache: linksseitiges Kieferhöhlen-

180 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

empyem. Eine andere Patientin litt an fliegenden Oedemen der Wange, die nicht druckschmerzhaft waren. Es handelte sich wahrscheinlich um Stauungsödeme, und die Ursache war wieder ein Kieferhöhlenempyem.

Weiter beschreibt Verf. den Durchbruch eines Kieferhöhlenempyems nach der Wange bei vollkommen freier natürlicher Oeffnung und unter der Behandlung mit Ausspülungen. Den Schluss bildet eine Beobachtung, in der Verf. durch Verbrennung einer Stelle in der Nähe des Kiefer- höhlenostiums ein acutes Empyem erzeugte und dasselbe nach Anbohrung von der Fossa canina aus durch fünf Spülungen wieder ausheilte. Im Anschluss daran erwägt er die Chancen der Spontanheilung acuter Empyeme und empfiehlt Eröffnung, sobald die Diagnose gesichert sei.

Zarniko.

95) In der ophthalmologischen Section der Versammlung der British Medical Association theilten Juler und Morton Smale die Kranken- geschichte eines Falles von Verlust eines Auges durch Zellgewebsent- zündung der Orbita mit, wo der Entzündungsprocess von einem Zahn- wurzelabscess aus seinen Weg durch die Higmorshöhle genommen hatte.

| Cheatle.

96) Snell beschreibt die Symptome der Auftreibung der Stirn- höhle und theilt die Krankengeschichten von 2 Fällen mit; in beiden bestand eine Schwellung am inneren Orbitalwinkel. Nach Eröffnung an der Stelle, wo die Schwellung sich befand, und Herstellung einer freien Communication mit der Nase trat Heilung ein. Nach seiner Meinung kommen wenig Fälle unter dem 20. Lebensjahre vor, da bei Kindern der Sinus noch nicht entwickelt sei. Cheatle.

97) Bei einer 53-jährigen Frau mit Ozäna zeigte sich im linken Nasenboden 22 mm von der äussern Nasenöffnung ein beweglicher Knochen, der mit der Sonde leicht entfernt werden konnte und sich als ein sog. Embolus erwies, d. i. ein Zahn, dessen Keim sich vor Schluss der Gaumenspalte von der Mundhöhle in die Nasenhöhle hineinstülpt.

Zarniko.

98) In Pye-Smith’s Fall war der Zahn durch einen Stoss beim Fussballspiel aus seiner Lage gedrängt worden, es.hatte seitdem eine Höhle (Loch) bestanden. Heilung durch Operation. Cheatle.

99) Alle drei Fälle betrafen die rechte Seite; im ersten Falle ein oft recidivirender Nasenpolyp, Naseneiterung und -verstopfung, Kopfweh

Nase und Nasenrachenraum. 18

und epileptiforme Anfälle, vorübergehend Schwellung des oberen Augen- lides und zugleich Highmorsempyem. Heilung. Im zweiten Falle normale Verhältnisse in der Nase, aber prominenter Bulbus, complete Atrophie der Papille, Fisteln und ein mit fungösen Massen erfüllter Sinus; Heilung. Im dritten Falle Nasenverstopfung durch ein in. Eiter einge- bettetes Sarcom, Fisteln am inneren Orbitalrand, Exophthalmus, . Infil- tration des oberen Augenlides. Tod an Convexitätsmeningitis. Bei der Autopsie zeigte sich die Eiterung vom rechten Sinus durch die Scheide- wand hindurch auch in den linken durchgebrochen. Die Eigenthüm- lichkeiten dieser drei Fälle werden des Weiteren besprochen und der Rath des Verf. geht dahin, breit zu eröffnen, energisch zu cürettiren und nach der Nase zu drainiren. Zimmermann.

100) Ein mit Phthisis pulm. behafteter 37 Jahre alter Mann erwirbt in Folge der Extraction des ersten rechten Molaris durch Infection mit seinem stark bacillenhaltigen Sputum eine Tuberculose des Zahnfleisches, die sich weiter auf die Wangenschleimhaut, auf den harten Gaumen, auf die Schleimhaut der rechten Kieferhöhle (die bei der Extration eröffnet worden war) und durch diese auf die Nasenschleimhaut fortsetzt. Die Diagnose wurde durch mikroskopische "Untersuchung excidirter Granulationsmassen (Zahnfleisch, Nase) bestätigt. Rachen und Kehlkopf waren gesund. Zarniko.

101) Wenn auch schon vor Meyer die ersten Rhinologen, Czer- mak, Türck und Semeleder, sowie Voltolini und Löwenberg die adenoiden Veget. rhinoskopisch beobachtet hatten, so ist doch zuerst ‘von ihm 1867 die Gleichartigkeit dieser so häufig getroffenen Ge- ‘schwülste des Nasenrachenraumes erwiesen worden und ihre grosse Be- deutung erkannt. Und überall, wo Aerzte von der neuen Lehre Kennt- niss erhielten, wurden auch die adenoiden Vegetationen aufgefunden, unter den Eskimo Grönlands, unter den Indianern Dacota’s und Mon- tana’s, unter der romanischen Bevölkerung Argentinien’s ebensowohl ‘wie in allen europäischen Ländern und der weissen Bevölkerung der Vereinigten Staaten. ‘In China sollen sie häufig vorkommen, unter der :mongolischen, wie unter der gemischten (chinesisch-portugiesischen) Rasse. Auch in Siam, auf Sumatra und anderen Inseln des indischen Archipels sind sie gesehen worden. Von der äthiopischen Rasse liegen keine be- züglichen Nachrichten vor. Aber in Europa, Asien und Amerika. kennt man sie, in kälteren Klimaten sind sie häufiger als in warmen.

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd, XXVIII. 13

182 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Dass eine so weit verbreitete Krankheit, die auf groben anatomi- schen Veränderungen von jahre- und jahrzehntelanger Dauer beruht, erst in neuer Zeit entstanden sei, ist von vornherein unwahrscheinlich, wiewohl keine Andeutungen älterer Autoren auf sie hinweisen. Aber aus Abbildungen lässt sich der Nachweis ihrer Existenz in früheren Jahrhunderten mit grosser Sicherheit ermitteln. Wie aus der beige- fügten Zeichnung ohne Weiteres ersichtlich, litt der berühmte Bildhauer Antonio Canova (1755—1822) an adenoiden Vegetationen. Das Bild ist vollständig charakteristisch. Ebenso dasjenige Kaiser Karl’s V. von Barthel Beham mit der für den vorliegenden Zweck höchst gelungenen Zuschrift: .. . „sic Carolus . . . lumina et ora tolit“. Ueberein- stimmend geben auch andere zeitgenössische Maler, so Titian und Lucas Kranach, das ausgesprochene „Vegetationsgesicht“ Karl’s V. wieder mit der in diesem Zusammenhange erklärlichen dicken „Habsburgischen Unterlippe“, Karl’s Aussprache sei auch eine mangelhafte gewesen und nach seines Leibarztes Vesal’s Angabe litt er an asthmatischen Be- schwerden.

Ob, wie Potiquet annimmt, auch König Franz II. von Frank- reich (t 1560) an adenoiden Vegetationen litt und an Folgekrankheiten derselben starb, ist nicht sicher zu erweisen, wenn auch wahrscheinlich. Auch sonst besitzen wir auf Kunstwerken aus der Renaissancezeit aus- geprägte adenoide Physiognomien. oo

Die alten Schriftsteller wissen nichts von Erscheinungen, welche auf unsere Krankheit hinweisen. Auch an den ägyptischen und den griechischen Bildwerken finden wir keinerlei Anhalt. Dagegen fand M. in den vaticanischen Museen drei Büsten aus dem römischen Alterthum, welche alle Merkmale adenoider Physiognomien an sich tragen. So ist es denn gewiss, dass die adenoiden Vegetationen schon im Alter- thum vorkamen.

WW

Dass eine so alte und so weit verbreitete Erkrankungsform in ihrer wahren Bedeutung erst von dem Verf. erkannt wurde, gereicht dem in- zwischen Dahingeschiedenen zu desto grösserem Ruhme. Die adenoiden Vegetationen des Nasenrachenraumes, deren Kenntniss und erfolgreiche Behandlung heute Gemeigut aller Aerzte sein müsste, werden den Namen Wilhelm Meyer’s als eines der grössten ärztlichen Wohlthäter der Menschen durch die Jahrhunderte tragen. Bloch.

102) Von den 4080 Patienten Avslan’s hatten über 10°/, ade- noide Vegetationen, von denen mehr als die Hälfte operirt wurden. A.

Nase und Nasenrachenraum. 183

operirt in einer Sitzung mit dem Moritz Schmidt’schen Instrument unter Bromäthylnarkose. Zimmermann.

103) Als primäres Moment betrachtet Sikkel eine Läsion der Pharynxmucosa mit nachheriger Infection. Er beschreibt einen dies- bezüglichen Fall, der, wie alle bisher mitgetheilten, tödtlich verlief. Bei der Section wurde eine allgemeine eitrige Infiltration des ganzen Pharynx, Oesophagus und Larynx gefunden. Er legt das Causalmoment für den Exitus nicht in den durch starke Schwellung im Larynx ent- standenen Luftmangel, weil schon frühzeitig tracheotomirt wurde, sondern in die allgemeine Infection, wofür u. a. die Albuminurie und die Milz- schwellung sprechen. Er vergleicht diese Fälle mit der von französischer Seite beschriebenen infectiösen Angina, bei welcher die typhösen Symp- tome und die Schwellung am Hals mehr im Hintergrund stehen, jedoch die Larynxmucosa auch an dem Process betheiligt war. Mit Angina Ludovici ist eine Verwechslung kaum möglich. Bei dem soeben ge- nannten Krankheitsprocess wird von Anwendung von Natr. salicylicum Erfolg beobachtet, hingegen ist jegliche Therapie bei acut-infectiösen Phlegmonen des Pharynx nutzlos. Meyjes.

104) Bei einem 16jährigen Mädchen fand Lichtwitz zwischen der linken hypertrophischen Tonsille und dem linken hinteren Gaumen- bogen einen dunkelbraunen, stellenweise bläulich gefärbten, breit aufsitzenden Tumor, der 31/, cm von oben nach unten und 1'/, cm von rechts nach links maass. Seine Oberfläche ist unregelmässig, höckerig; die peripheren Grenzen undeutlich; Pulsation war nicht zu bemerken. Die obere Grenze überragt etwas die Tonsille, die untere schneidet mit dem untern Rand letzterer ab. Vom untern Theil geht eine Fortsetzung nach der hintern Rachenwand, dort einen schwarzen, nicht vorspringenden Fleck bildend. Ein ähnlicher, grösserer Fleck findet sich in der Mitte der hintern Rachenwand, von einer grossen Vene durchfurcht. Im Gesicht einige zerstreute pigmentirte Naevi. Eine Digitaluntersuchung hat nicht stattgefunden. In der Litteratur bisher nur drei in M. Schmidt’s „Krankheiten der obern Luftwege“ aufgeführte Fälle vorhanden (Crocker, B. Fränkel, Loomis).

Dupuis.

105) Lichtwitz empfielt warm die elektrothermische Glühschlinge zur Tonsillenabtragung. Die Schlinge adaptire sich der Form der Tonsille besser, als das Tonsillotom, sie schütze vor Blutung und die Operation nehme im Gegensatz zur Electrolyse und Galvanopunctur nur wenige

13*

184 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde,

Secunden in Anspruch. Das Instrumentarium müsse freilich vol- kommen sein. Seine Beschreibung, die im Original nachgelesen werden mag, nimmt den halben Raum des Aufsatzes ein. Zarniko.

106) In den meisten Fällen von Rachenblutungen spielt die Ver- änderung der Gefässe, die Erweiterung derselben, bezw. Neubildung von Capillaren eine wesentliche Rolle, und als veranlassende Momente der Hämorrhagien sind, wenn auch geringe Stauungen, acute Nachschübe von Catarrhen und hierdurch bedingte Blutüberfüllung und Drucksteige- rung zu betrachten. Pollak.

Besprechungen.

Die Autoskopie des Kehlkopfes und der Luftröhre. (Besichtigung ohne Spiegel.) Von Dr. Alfred Kirstein. Verlag von Oscar Coblentz 1896.

Wir haben bereits im Berichte über die Fortschritte der Ohrenheil- kunde (dieser Band S. 72) die neue Untersuchungsmethode Kirstein’s besprochen. In der vorliegenden Monographie ist dieselbe ausführlich geschildert und mit zahlreichen Abbildungen versehen. Zum Schlusse wird über die erste autoskopische Operation eines Stimmbandpolypen berichtet. Hartmann.

Die otitischen Erkrankungen des Hirns, der Hirn-

haute und der Blutleiter. Von Prof. Dr. Otto Körner in Rostock. Mit einem Vorwort von Ernst von Bergmann. 2. grossentheils umgearbeitete Auflage. Verlag von Johann Alt. Frankfurt a. M. 1896.

Besprochen von Arthur Hartmann in Berlin.

Schon der Umstand, dass die vorliegende Monographie nach Jahres- frist eine zweite Auflage erlebte, beweist, dass dieselbe ein sowohl bei Ohrenärzten als auch bei Chirurgen bestehendes Bedürfniss, nach einer zusammenfassenden Abhandlung über die die Mittelohreiterung complicirenden Hirnerkrankungen befriedigte. Wer sich auf diesem Gebiete orientiren will, wer vor Allem eine für die operativen Eingriffe erforderliche sichere Beurtheilung aller in Betracht kommenden Fragen

186 Besprechungen.

gewinnen will, wird zum Körner’schen Buche greifen müssen, das sich durch eine besonders klare Darstellung des Stoffes auszeichnet und eine so vollständige Schilderung des ganzen Stoffes giebt, wie sie bis jetzt in keiner anderen Arbeit erreicht ist.

Die erste Auflage des Buches wurde von Jansen in Bd. XXVI. unserer Zeitschrift besprochen. In der kurzen Zeit seit Erscheinen desselben hat unsere Kenntniss der otitischen Hirnkrankheiten so be- deutende Fortschritte gemacht, dass der Inhalt des Buches wesentlich erweitert werden konnte. Schon allein die Zahl publicirter Operationen hat sich in der Zwischenzeit von Sinusphlebitiden von 20 auf 79, von Hirnabscessen von 55 auf 92 vermehrt. Es mussten desshalb -gerade die Kapitel über diese Operationen eine völlige Umarbeitung finden. Die septischen Erkrankungen sind von den pyämischen getrennt, dem noch wenig gewürdigten Krankheitsbilde der Meningealhyperämie mit Hirnödem nach Ohreiterungen, sowie der Meningitis serosa wurden be- sondere Abschnitte gewidmet.

Wir glauben auf eine Besprechung der einzelnen Ausführungen des Verf’s. verzichten zu dürfen, da eine solche die Lectüre des Buches doch nicht ersetzen könnte.

Ueber Hörübungen bei Taubstummen und bei Er-

taubung im späteren Lebensalter. Von Dr. Viktor Urbantschitsch in Wien. Wien, Urban & Schwarzenberg 1895.

Besprochen von

Arthur Hartmann in Berlin.

Nachdem Urbantschitsch bereits an verschiedenen Stellen seine mit Hörübungen gemachten Erfahrungen mitgetheilt hat, werden die selben in der vorliegenden Arbeit eingehend geschildert. Als mit dem Ref. eine grössere Anzahl von Fachgenossen bei der Naturforscher- versammlung in Wien Gelegenheit hatte, die von Urbantschitsch und dem Director der Taubstummenanstalt Wien-Döbling vorgeführten Schwerhörigen und Taubstummen zu sehen, konnte man sich der An- schauung nicht verschliessen, dass in der That bemerkenswerthe Resiiltate durch die Hörübungen erzielt worden waren. Die Zusammenstellung der theoretischen Anschauungen und der practischen Erfahrungen des Verf.

Besprechungen. 187

werden desshalb gewiss mit Dank aufgenommen werden, da sie einen zusammenfassenden Ueberblick über alle einschlägigen Fragen geben.

Wie Verf. schon im Vorwort bemerkt, erfordern die methodischen Hörübungen eine volle Hingabe und aufopfernde Geduld, die aber be- lohnt wird, wenn man den günstigen Einfluss kennen lernt, welchen diese Uebungen auf das Gemüth, die geistigen Beziehungen und auf das sociale Leben der tauben Personen auszuüben vermögen,

Der vom Verf. eingeleiteten Behandlung liegt die Erwägung zu Grunde, dass bei Erkrankung des Schallleitungs- oder des Schallver- bindungsapparates durch eine zu geringe Anregung der akustischen Empfindungsthätigkeit eine allmählige Abnahme derselben herbeigeführt wird; wird dieselbe wieder methodisch angeregt „durch eine Hör- gymnastik“, so kann das Hörvermögen wieder gebessert werden, auch wenn die krankhaften Veränderungen bestehen bleiben.

Den Haupttheil des Buches bildet der Abschnitt über den Einfluss methodischer Hörübungen auf den Hörsinn Taubstummer. Ein historischer Ueberblick wird vorausgeschickt und darauf hingewiesen, dass bis jetzt ausser früheren vereinzelten Versuchen in den Taubstummenanstalten Hörübungen nur in sehr geringem Umfange vorgenommen wurden.

Es würde zu weit führen, die von Urbantschitsch angewandte Methode der Hörübungen auch nur auszugsweise zu besprechen. Es wird nach den mitgetheilten Erfahrungen für jeden Ohrenarzt die Pflicht bestehen, sich ein eigenes Urtheil durch Nachprüfung zu bilden, zu einer solchen ist aber die Lectiire des Originales erforderlich. Neben den Vokalen und Worten spielt bei den Hörübungen die Harmonika eine Hauptrolle. Die Beobachtungen bei Taubstummen bezüglich der Form der Schwerhörigkeit, das ungleiche Verhalten gegen verschiedene Töne, die partielle Tontaubheit, der Mangel des musikalischen Gehörs, die Gehörschwankungen, die akustische Ermüdung und nervösen Er- scheinungen bei Hörübungen, die taktilen Empfindungen, psychische Taubheit etc. finden eine ausführliche sachliche Besprechung.

Ob der Hörsinn durch die Hörübungen beeinflusst werden kann, darüber kann nach U. nur die Erfahrung entscheiden, und sind dess- halb die Uebungen versuchsweise in jedem Falle von angeborener oder erworbener Taubstummheit angezeigt. Unter den Fällen von erworbener Taubheit hat U. vor Allem bei Taubheit nach Meningitis cerebrospinalis, nach Scarlatina, Typhus, Trauma und in zwei Fällen von Schrecktaub- heit Hörerfolge erzielt. Bei manchen der mit Erfolg Behandelten hatte

188 | Besprechungen.

die Taubheit schon 20 oder 30 Jahre lang bestanden. Auch wenn die Perceptionsfähigkeit gebessert wird, kann die gesteigerte functionelle Thätigkeit nur durch fortgesetzte Höreinwirkungen erhalten werden, so lange nicht die gewöhnlichen äusseren Schalleinwirkungen zur Erregung von Gehörsempfindungen genügen.

Der Nachweis der durch die methodischen Hörübungen erzielten Erfolge stützt sich auf die schon früher mitgetheilten Erfahrungen bei 60 Fällen der Wien-Döblinger Taubstummenanstalt. Es ergaben sich folgende Resultate:

Vor Beginn der Hörübungen: Nach 6 Monaten: Hörspuren bei 32 Zöglingen, bei 11 Zöglingen, Vokalgehör 22 e » 21 = Wortgehör 6 5 » 16 S Satzgehör 5 » 12 j

60 60

Neben der Besserung des Gehörs, welche durch die Hörübungen erzielt werden kann, besteht ein weiterer practischer Werth darin, dass ein günstiger Einfluss auf die Aussprache der Taubstummen ausgeübt wird; durch beide wird dem Taubstummen der Verkehr mit Vollsinnigen erleichtert.

Ebenso wie durch methodische Hörübungen der Hörsinn der Taub- stummen beeinflusst werden kann, kann dies auch geschehen bei im späteren Lebensalter hochgradig schwerhörig gewordenen oder ertaubten Personen. Dieselben sind in gleicher Weise zu üben und muss das Ohr möglichst viel Anregung erhalten durch geselligen Verkehr, durch Musik und Theater.

Als Anhang ist dem Buche die Mittheilung von Fällen angefügt.

Ueber die Grenzen, welche der durch Hörübungen zu erzielenden Wirkung gesteckt sind, verweisen wir auf die Ausführungen Bezold’s in seinem nachfolgend besprochenen Buche: „Das Hörvermögen der Taubstummen.

Besprechungen. 189

Das Hörvermögen der Taubstummen. Mit beson- derer Berücksichtigung der Helmholtz’schen Theorie, des Sitzes der Erkrankung und des Taubstummen- Unterrichts. Für Aerzte und Taubstummenlehrer von Dr. Friedrich Bezold, Prof. der Ohren- heilkunde an der Universität München. Verlag von

J. F. Bergmann. Wiesbaden 1896.

Besprochen von

Arthur Hartmann in Berlin.

Der Verfasser, der durch seine mit ausserordentlichem Fleisse und seltener Gewissenhaftigkeit angefertigten Arbeiten ‚die Ohrenheilkunde schon nach allen Richtungen gefördert und bereichert hat, zeigt auch in der vorliegenden Monographie, was auf dem von ihm eingeschlagenen Wege geleistet werden kann. Die exacten, mit der von ihm zu- sammengestellten continuirlichen Tonreihe ausgeführten Untersuchungen Bezold’s über das Hörvermögen der Taubstummen bringen eine äusserst werthvolle Bereicherung unserer Kenntniss eines Gebrechens, von dem ein so grosser Theil unserer Mitmenschen betroffen ist.

Die Möglichkeit der Untersuchungen in exactester und vollkom- menster Weise auszuführen war für Bezold dadurch gegeben, dass er sich eine ununterbrochene, den gesammten Hörbereich des menschlichen Ohres umfassende Tonreihe herstellte. Zu den Prüfungen des tiefen Theils der Tonskala, welche das normale Ohr zu percipiren im Stande ist, benutzt B. grössere Stimmgabeln mit verstellbaren Laufgewichten und zwar kommen 8 solche Stimmgabeln zur Verwendung von C’ mit 32 Schwingungen bis a“. Durch Verschiebung der Laufgewichte kann jeder Ton der Skala hervorgerufen werden und kann mit den Gabeln sowohl die Luft als die Knochenleitung geprüft werden. Von a” ab wird die Prüfung mit zwei gedackten Orgelpfeifen vorgenommen mit verschiebbarem Stempel; dieselben reichen bis zur untern Tongrenze des Galton-Pfeifchens, mit welchem die obersten Töne geprüft werden.

Ueber die Art und Weise der Einzeluntersuchungen müssen wir auf das Original verweisen. Es stellte sich bei der Untersuchung heraus, dass eine grosse Anzahl der Taubstummen ein mehr oder weniger um- fangreiches Stück der Skala erstaunlich gut und lang hört, dass ferner die Grenzen, wo die Perception in der Skala aufhört, häufig sehr scharf

190 Besprechungen.

sind und dass überhaupt die verwendeten Tonquellen in ihrer Stärke meist weit über der Empfindungsschwelle des Ohres standen, in der Strecke wo dasselbe überhaupt noch hörempfindlich war. Das inter- essanteste Ergebniss der Untersuchungen war das sehr häufige Vor- kommen von partiellen Defecten, indem bald die obere bald die untere Tongrenze wegfiel, bald einzelne oder mehrere Lücken oder Inseln, welche keinerlei Perception zeigten, sich vorfanden.

Bezold sondert die vorgefundenen Reste von Hörvermögen in Gruppen:

I. Inseln in . . . . . . . 28 Gehdrorganen oder in 17,7°/, Il. Lickenin . . . . . . . 20 < « « 12,7% III. Defect der oberen Hälfte n . 1 « e e 0,6°/° IV. Defect am unteren und oberen

Ende der Skala in . . . . 8 « « « 5,1%

V. Defect am unteren Ende der

Skala über 4 Oktaven in . . 18 « << 11,4%), VI. Defect am unteren Ende der Skala unter 4 Oktaven in . . 33 « «<< 20,9),

Summa 108 Gehörorganen oder 68,4°],

Von besonderer Wichtigkeit war es nun festzustellen, in welcher Weise sich die vorgefundenen Hörreste auf die angeborene und die erworbene Taubstummbheit vertheilen. Wir erwähnen hiervon bezüglich der letztern nur die bei bestehender oder abgelaufener Mittelohreiterung ge- machten Beobachtungen. Durchgängig war in diesen Fällen die Percep- tion für den oberen Theil der Tonskala d. h. für das Galtonpfeifchen, und grossentheils auch noch für einen kleineren oder grösseren unter- halb desselben gelegenen Theil der Skala bis zu nahezu 3 Oktaven ausgefallen. 2 Mal war ein kleines Stückchen in der Mitte des Gal- tonpfeifchens erhalten geblieben. Bezold findet darin eine Bestätigung der Helmholtz’schen Theorie, da anzunehmen sei, dass bei der Mittelohreiterung eine Betheiligung des Labyrinths von den Fenstern aus zu Stande kommt und desshalb zunächst der Anfang der untersten Schneckenwindung betroffen werden muss.

Nach den sprachphysiologischen Untersuchungen von Helmholtz, Oscar Wolf u. A. ist bekannt, welche Tonhöhe den Vokalen zu- kommt. Es ergab sich nun die Uebereinstimmung des Vokalgehörs bei Taubstummen mit der Perceptionsfähigkeit der entsprechenden Tonhöhe. Aus seinen Untersuchungen konnte B. die Schlussfolgerung ziehen:

Besprechungen. | 191

„Unbedingt nothwendig für das Verständniss der Sprache ist nur die Perception der von den Ténen b’—g” incl. umfassten Strecke in der Tonskala; ferner miissen die innerhalb dieses Intervalls gelegenen Töne bereits bei einem mittleren Grade von Intensität zur Perception des Ohres gelangen können; wenn die Hördauer für dieselben unter ein gewisses Niveau herabsinkt, so wird sie ungenügend für das Sprachver- ständniss. Wo das. Gehör für das hier umgrenzte Stück der Tonskala doppelseitig verloren gegangen ist, findet sich durchgängig auch das Gehör für die Sprache verloren.“

Die genaue Feststellung des objectiven Befundes neben den anam- nestischen Daten, in Verbindung mit: der Hörprüfung, giebt werthvolle Anhaltspunkte für die Diagnose des Grundleidens.. Durch die Bestim- mung der Hörreste wird sodann die Basis gewonnen, von welcher jeder Sprachunterricht für die Taubstummen, die noch Hörreste besitzen, seinen rationellen Ausgang zu, nehmen bat. Ob durch Zuleitung einfacher Töne die Perception derselben gebessert oder sogar hervorgerufen werden kann, scheint Bezold sehr unwahrscheinlich. Bei den in der Münchener Taubstummenanstalt oft lange fortgesetzten Versuchen konnte keine sichere Einwirkung constatirt werden. Für die Hörübungen kommen nur in Betracht die Sprache, vermittelst deren die Uebungen in den geeigneten Fällen angestellt werden müssen. Der Unterricht in der Taubstummenschule müsste in 3facher Gliederung stattfinden: 1. absolut Taube, 2. im späteren Kindesalter Ertaubte, mit in Erinnerung gebliebenen Sprachresten und 3. Taubstummen mit partiellem Hörvermögen.

Wir haben in der vorstehenden Besprechung nur einzelne Ab- schnitte aus dem lehrreichen Buche erörtert, um den Inhalt anzudeuten. Jeder, der es durchstudirt, wird reiche Anregung finden.

Die Behandlung der Mittelohreiterungen. Von J. Michael in Hamburg. Volkmann’s Samm- lung klinischer Vorträge, neue Folge, No. 133.

Besprochen von 0. Körner in Rostock.

Es ist eine schwere Aufgabe für den Kritiker, einer Arbeit ge- recht zu werden, die sich auf eine Reihe von überraschenden und un- bewiesenen Behauptungen aufbaut, aus diesen einen Trugschluss nach dem anderen zieht und dennoch ein Körnchen Wahrheit enthält,

192 Besprechungen.

Das Richtige, was die Arbeit enthält, ist, kurz gesagt, die That- sache, dass in der operativen Aera, in der sich die Ohrenheilkunde jetzt befindet, manchmal grosse Eingriffe vorgenommen werden, wo kleine ausreichen könnten, oder wo überhaupt ein Eingriff unnöthig ist. Dieser Wahrheit verschliesst sich in der That Niemand, namentlich kennen sie Diejenigen am besten, die selbst mitgearbeitet haben an dem Ausbau der modernen Ohrchirurgie. Keinem Operateur wird es erspart bleiben, dass er hier und da einen. Eingriff unternimmt, den er nachträglich als überflüssig erkennt. Es ist das naturgemäss begründet in der Schwierig- keit, ja bisweilen Unmöglichkeit, Sitz, Ausdehnung und Gefahren einer Eiterung innerhalb des Schläfenbeines mit Sicherheit zu erkennen. Ferner ist es begreiflich, dass Jeder unter dem Eindruck selbsterlebter Fälle steht, und dass Derjenige, der mit dem Zögern bei der chirurgischen Behandlung von Ohreiterungen schlechte Erfahrungen gemacht hat, daraufhin zu activeren Eingriffen. neigt. Es irrt der Mensch so lang er strebt. | | |

Wenn nun Michael gegen den angeblichen, jedenfalls von ihm übertriebenen „Furor operativus“ moderner Ohrchirurgen zu Felde ziehen wollte, so durfte er das nicht mit einer Fülle vager, tbeils uncontrollir- barer, theils falscher Behauptungen, sondern er musste Fälle seiner Be- obachtung und aus der Literatur, in welchen zuviel oder unnöthig operirt worden war, ausführlich und actenmässig darstellen und auf eine solche Darstellung seine Kritik begründen. Damit hätte er sich gewiss ein grosses Verdienst erworben.

Statt dessen erklärt er der ganzen operativen Behandlungsweise der Ohrchirurgen den Krieg. Schon bei der Indication zur Paracentese bel frischen eitrigen Catarrhen der Paukenhöhle weicht er von den heutigen Anschauungen ab. Er macht hier nur die Paracentese bei verzögertem Durchbruch des Eiters.. Ja bei der acuten Influenza-Otitis, die doch nach allgemeiner Erfahrung häufig zu den allerbedenklichsten Folgeerkrankungen führt, räth er, die Paracentese ganz. zu ver- meiden und den Durchbruch möglichst hintanzuhalten, „weil die- jenigen Fälle, die ohne Perforation verlaufen, eine bessere Prognose und beschleunigte Heilungsdauer er- warten lassen.“ Es ist das natürlich richtig für ganz leichte Fälle. Die schweren hat er, wie es scheint, nicht gesehen und hat sich nicht die Mühe genommen, dieselben aus der Literatur kennen zu lernen.

Nun gar die Eröffnung des Warzenfortsatzes! , Wir sind“, sagt er, ,in das wilde Fahrwasser der Jasser’schen Zeit wieder

Besprechungen. 193

zurückgekehrt,“ und beweist damit, dass er entweder die Indication und die Methode Jasser’s oder die der Modernen nicht kennt. Neu, aber falsch ist seine Vorstellung, dass der Wechsel der Temperatur- einflüsse, welche die Körperoberfläche treffen, durch Verdichtung oder Verdünnung der in den Warzenzellen enthaltenen Luft den Eiter bald aus denselben herausdrängt, bald in dieselben hineinzieht! Er will erst dann zu einem operativen Eingriff schreiten, „wenn sich Symptome einstellen, welche auf hochgradige Entzündung des Knochens, oder auf Uebergang des Processes auf die Meningen, auf das Gehirn oder auf den Sinus, oder auf Pyämie schliessen lassen!“ Wie berechtigt ist demgegenüber Jansen’s Mahnung, die ersten Zeichen einer solchen Complication als letzte Mahnung zum Eingriff gelten zu lassen! Es geht hieraus ‚hervor, dass Michael die leider grosse Casuistik zu später Senn ebenfalls nicht kennt.

Aber der Kelch ist noch nicht geleert. Nach Michael ist die moderne Ohrchirurgie direct schuld an der „unheimlich grossen Zahl“ von Sinuserkrankungen und Gehirnab- scessen, die von einzelnen Ohrenkliniken „fortwährend“ publicirt werden! Natürlich fehlt für diese Verleumdung auch nur die leiseste Spur eines Beweises und die Berichte über solche Com- plicationen von Autoren, die nicht operirt' haben (Toynbee, von Tröltsch, Wendt), werden einfach ignorirt. Von selbst, d. h. ohne operativen Eingriff eines modernen Otiaters, führen Ohreiterungen nach Michael nur sehr selten zu bedenklichen Complicationen, und „die Chance, eine tödliche Gehirncomplication zu acquiriren, ist für den Otorrhoiker weit geringer, als für einen Gesunden die Chance, eine Pneumonie oder eine Tuberkulose zu acquiriren.“ Was ist nun mit solcher Phrase gewonnen ? Sie kann höchstens den Unkundigen blenden, der nicht weiss, dass nach Pitt’s einwurfsfreier Statistik anf je 158 'Todelfälle einer in Folge von Ohreiterung kommt. Dann finden wir auch die bei allen operationsunlustigen und operationsunkundigen Ohrenärzten von jeher beliebte Behauptung: „die Chance bei einer prophy- laktischen Operation ander Narkose oder irgend welcher Complication zu Grunde zu gehen istentschieden grösser, als die Chance, dass zu einer einfachen Otorrhoe eine ‘letale Complication hinzutritt,“ eine Behauptung, von der nur

das Gegentheil bewiesen werden kann. Wir wollen uns mit dieser Blütenlese begnügen, die leider noch

194 Besprechungen.

weiter fortgesetzt werden könnte. Interessant ist es nur zu verfolgen, wie es möglich war, dass Michael zu solchen Anschauungen kam. Michael operirte ca. 50 Mal am Warzenfortsatze. „In allen Fällen gelang es, das Krankhafte durch den scharfen Löffel zu entfernen. Zueiner Aufmeisselung des Warzenfortsatzes hatte ich noch niemals Veranlassung.“ Hieraus geht hervor, dass Michael nur da operirt hat, wo die Eiterung nach aussen durch- gebrochen war. Was ist nun aber aus den Fällen geworden, in denen “sie nach innen durchbrach? Auch darüber erhalten wir Auskunft. Diese Fälle sind, leider meistens zu spät, in andere Behandlung übergegangen und „nach wenigen Wochen oder Monaten an schweren Gehörcomplicationen mit mehr oder weniger Glück operirt“ worden. Natürlich wird die Schuld für den schlimmen Ausgang dem activen Arzte zugeschoben und nicht dem „conservativen“, der den Eiter und die Gefabr sorgfältig conservirt hatte bis es zu spät war.

Wäre es vielleicht besser gewesen, statt dieser Kritik die Michael- sche Arbeit einfach zu ignoriren? Gewiss nicht! Sie ist an hervor- ragender Stelle publicirt und es giebt leider noch immer nicht wenige Ohrenärzte, die, des Operirens unkundig oder unlustig, darin eine will- kommene Rechtfertigung ihrer Inactivität finden könnten. Ueber die Indicationen zu den Operationen am Warzenfortsatze mitzureden hat nur das Recht, wer durch späte und frühe Eingriffe in zahlreichen Fällen Gelegenheit hatte, sich ein Bild von der Berechtigung oder Nichtberechtigung seines Vorgehens zu machen und so seine Erfahrungen zu läutern.

Klinische Beiträge zur Ohrenheilkunde. Mittheilungen aus der Abtheilung für Ohrenkranke im Allerheiligen- Hospital zu Breslau. Von Dr. Oscar Brieger. Verlag von J. F. Bergmann. Wiesbaden 1896.

Besprochen von Otto Körner in Rostock.

Wie auf unseren Versammlungen die persönliche Aussprache uns oft mehr fördert, als das Studium: der Zeitschriften und Archive, so finden wir in den zwanglosen Beiträgen, die uns Brieger geschenkt hat, mehr Anregung und Belehrung, als in manchen recht guten

Besprechungen. 195

systematischen Lehrbüchern. Der Autor hat den Vortheil, nur das bringen zu müssen, was ihm gegenwärtig am Herzen liegt, und die Lectüre der Beiträge ersetzt uns den mündlichen Meinungsaustausch mit ihm in manchen Zeit- und Streitfragen. Erhöht wird der Reiz des Buches durch die sachlich-gerechte Art, mit der der Autor seine, mitunter von denen Anderer abweichenden, Ansichten vorträgt.

Auf den reichen Inhalt des Buches einzugehen, halten wir an dieser Stelle nicht für richtig. Wir wollen eben Niemanden die eigene Lectüre ersparen, vielmehr sie allen Collegen eindringlichst empfehlen. Noch weniger wollen wir die wenigen Punkten berühren, in denen wir nicht mit Brieger übereinstimmen, denn diese bedürfen derselben eingehenden Erörterung, die ihnen der gewissenhafte Autor hat zu Theil werden lassen. z

Jansen, A. Erfahrungen über Hirnsinusthrom- bosen nach Mittelohreiterung während des Jahres 1893. Sammlung klin. Vortr. N. Folge 1895, No. 130.

Besprochen von E. Bloch in Freiburg i. Br.

Jansen berichtet in dieser gedankenreichen Abhandlung über ` 12 Fälle von Thrombose mit 9 Operationen am Sinus, wovon 5 in Heilung ausgingen. Meist war der Sin. transvers. ergriffen, einmal der Sin. petros. super. (eitrige Thrombose) mit einfacher Thrombose des Sin. cavernos. und zweimal fand sich Verjauchung des Bulb. jugular. Bei Affectionen des Sin. transvers. waren in einzelnen Fällen gleich- zeitig benachbarte Venenräume betheiligt, besonders die Jugular., in einem Falle ergab die Section Thrombose der’ Jugular., des Sin. transvers., beider Sin. petros. infer. uud beider Cavernosi und Venae ophthalmicae. In 8 von den 12 Fällen bestand Thrombose der Ven. jugular. Die isolirte Erkrankung des Bulb. jugular. ist anscheinend häufiger bei der acuten Mittelohreiterung, bei der eitrigen Entzündung. des Sin. transvers. dagegen kommen namentlich die Cholesteatome in Betracht. i ' Wenn also bei der Operation der Transvers. frei gefunden wird, so hat man die bestehenden Erscheinungen zunächst auf den Bulb. jugular. zu beziehen, erst in zweiter Reihe auf die kleinen Sinus petrosi,

a

196 | Besprechungen.

Die grössten Gefahren bei diesen Erkrankungen sind die eitrige : Arachnitis und die Metastasen nach den Lungen. Erstere tritt leichter ein, wenn die Thrombosirung im Sin. transvers. sich nach hinten gegen das Torcular Herophil. oder in der Richtung gegen den Sin. cavernos. fortsetzt. Pyämisches Fieber fehlt oft, wenn die Thrombose auf den Sin. transvers. beschränkt und gegen die Jugular. gut abgeschlossen ist. Ist Letzteres nicht der Fall, so ist es constant zugegen.

Die Symptome der Sinusthrombose im Einzelnen anlangend, so kann eine gegen den Blutstrom gut abgeschlossene ohne solche ver- laufen oder blos mit Kopfschmerzen. Sie treten erst durch die Be- ziehungen des thrombosirten Gebietes zu benachbarten Theilen und durch Fernwirkungen auf. Letztere sind das pyämische Fieber, septisches mit Schüttelfrösten, Metastasen, Neurit. optica; jene meningitische Reizungserscheinungen und Symptome, welche durch Ausbreitung der Thrombose auf Jugular., Sin. cavernos., Emissar. mast., Torcul. Heroph. entstehen oder durch den perisinuösen Abscess (Bewegungsstörungen des Kopfes.) `

Da, abgesehen von dem Anfange acuter Entzündungen, die meisten Eiterungen im Warzenfortsatze und auch extradurale Abscesse ohne Fieber verlaufen, so muss pyämisches Fieber, namentlich mit wiederholten Schüttelfrösten, Verdacht auf Sinusthrombose erwecken. Stauungs- papille fehlt häufiger als sie zugegen ist, besitzt aber, wo sie vorhanden ist, einen hohen diagnostischen Werth. Nicht speciell für eine Throm- bose des Sin. cavernos. in den 3 Fällen dieser Art fehlte sie gerade sondern mehr für starke Füllung des Arachnoidealsackes mit Liquor.

Erscheinungen wie Unruhe, Schwindel, Brechreiz, Schwerbesinnlich- keit, Delirien, Contracturen weisen noch nicht nothwendig auf eitrige Arachnitis hin, es kann sich dabei um eine einfache entzündliche Reaction der Pia auf einen ausserhalb derselben befindlichen Eiter- herd handeln, um einen phlebitischen oder pachymeningitischen. Namentlich bei jugendlichen Individuen ist dies stets im Auge zu behalten.

Leichter erkennbar wird die Thrombose, wenn sie auf die Jugu- laris übergeht (harter Strang am Halse, Drüsenschwellung, steifer Hals, Druck- und Schluckschmerzen), oder auf die Sin. cavernos. (Schwellung der Lider, dann Exophthalmus, dann eventuell Orbital- phlegmone, seltener Augenmuskellähmungen), auf das E missar. mastoid. (Anschwellung, Schmerzhaftigkeit hinter dem Proc.. mast.)

Besprechungen. i 197

Bei der Thrombose des Sin. transvers. sind in allen in dem vor-' liegenden Berichte besprochenen Fällen perisinuöse Eiterungen zugegen, unter 35 von J. in den letzten 31/, Jahren überhaupt be- obachteten Sinusthrombosen waren 31 von solchen Abscessen begleitet.

Die allgemeinen Symptome des perisinuösen Abscesses sind nicht charakteristisch: Pulsverlangsamung, Schwindel, Uebelkeit, Erbrechen, Obstipation, Kopfschmerz. Für die Lokalisation des Leidens sind allein die örtlichen von Bedeutung: Knochenauftreibung, entzündliche In- filtration der Weichtheile hinter dem Proc. mast. oder Druckschmerz an dieser Stelle, sowie Bewegungsbeschrinkung des Kopfes, Caputt. obstip. Am sichersten natürlich ist die Diagnose beim Zusammentreffen allgemeiner und örtlicher Symptome. Kommen dazu noch pyämische: Erscheinungen, so ist die Thrombose des Sin. transvers. nicht mehr zweifelhaft. Solche Abscesse entstehen leichter bei Sclerose des Warzenfortsatzes, wo die Fortpflanzung nach aussen erschwert ist und ihnen der Weg nach der hinteren Schädelgrube vorgezeichnet wird.

Je frühzeitiger ein perisinuöser Abscess operirt wird, desto günstiger gestaltet sich die Prognose, desto leichter wird die Thrombose des Sin. transvers. verhütet oder doch erkannt. Dabei legt J. keinen grossen Werth auf respiratorische oder pulsatorische Bewegung des Sinus, auch nicht auf Verfärbung seiner Wandung;; zweifelhaften Falles wird punctirt.

Wie günstig ein indicirter Eingriff wirkt, zeigt J.’s Statistik deutlich; von seinen 29 nicht operirten Sinusthrombosen sind 2 geheilt, von seinen 16 mit Eröffnung des Sinus behandelten die Hälfte.

Die Jugularisunterbindung hat J. dreimal ausgeführt obne günstigen Erfolg. Er ist der Ansicht, dass sie bei Thrombose des Sin. transvers. allein nicht erforderlich ist. Ein Abscess in demselben ist gegen das Herz zu immer durch einen soliden Thrombus abge- schlossen, und diesen lasse man unberührt. Ist aber der Bulbus jugul. erkrankt oder der Sinus unmittelbar über demselben oder die Jugular. weiter herab, dann hält auch J. die Unterbindung für richtig. Aus- spülungen des ausgeschalteten Abschnittes der venösen Bahn sind ent- behrlich.

Bei der Operation wird der Knochen nach hinten ausgiebig freigelegt, der Sinus theils mit dem Meissel, theils mit der Lüer’schen Zange herauspräparirt, jedenfalls sein absteigender Schenkel bis in den untersten, horizontal verlaufenden Theil, die anliegende Dura soweit sie erkrankt ist zu Gesicht gebracht. Wird der Sinus incidirt, so erfolgt

Zeitschrift far Ohrenbeilkunde, Bd. XXVIII. 14

198 Besprechungen.

` dies in der Ausdehnung des eitrigen Zerfalles des Thrombus und ebensoweit wird die äussere Sinuswand excidirt. Zerfallene Thromben- massen werden von der Gefässwaud abgekratzt; Spritzen ist zu unter- lassen. Der Verband ist täglich zu wechseln, während der Kranke stets in Rückenlage bleibt. Dauern die Schüttelfröste und hohes Fieber fort, kommt Jauche aus der Bulbusgegend, dann erfolgt die Unter- bindung der Jugular., am besten gleichzeitig der Facial. und Schlitzung der ersteren bis hinauf zur Schädelbasis, um nicht in der Vene einen Abscess bestehen zu lassen, der durch den Sin. petros. infer. in die Schädelhöhle fortgesetzt würde.

Die zwölf Kranken- und Operationsberichte mit Epikrisen müssen im Original studirt werden, wie denn überhaupt die ganze Arbeit das eingehendste Studium in hohem Maasse verdient.

Die Ohrenheilkunde des Hippokrates. Von Prof. Dr. Körner in Rostock. Vortrag, gehalten in der Abtheilung für Ohrenheilkunde der 67. Versamm- lung Deutscher Naturforscher und Aerzte in Lübeck 1895. Verlag von J. F. Bergmann in Wies- baden 1895.

Besprochen von

Dr. G. Zimmermann in Dresden.

In diesem interessanten Vortrage zeigt K. auf Grund der Littré- schen Ausgabe, wie genau schon Hippokrates die Symptomencomplexe der Ohrenkrankheiten beobachtete und beschrieb. Die Krankheitsbilder z. B. der adenoiden Vegetationen, der Otitis, der Hirnabscesse sind meisterhaft geschildert, wenn auch die anatomischen Voraussetzungen und die causalen Folgerungen keineswegs stichhaltig waren. Vor Allem ist auch heute noch eins beachtenswerth : nie den Zusammenhang ausser Acht zu lassen, der zwischen dem erkrankten Ohr und dem Gesammt- organismus besteht.

Fachangelegenheiten. 199

Berichtigung. Von H. Knapp in New-York.

In meinem Nekrolog auf S. Moos in Band XXVII dieser Zeit- schrift sind, durch ein Versehen meinerseits, auf der 3. Seite am Ende des Satzes: „Im zweiten Cyclus...... veröffentlichte er ...... 47 Arbeiten“, die Worte: „wovon 17 in Gemeinschaft mit Dr. Steinbrügge“, ausgelassen worden, welche ich die Leser bitte nachtragen zu wollen.

Fachangelegenheiten.

Der diesjährige preussische Cultus-Etat fordert für Breslau als Subventionen für die Poliklinik für Nasen-, Hals- und Ohrenkrank- . heiten 1800 Mark und für Göttingen für die Ohrenpoliklinik eine Er- höhung um 600 Mark.

Nachdem ein halbes Jahr seit dem Tode von Professor Moos ver- gangen war, sind endlich die ersten Schritte zur Wiederbesetzung des otiatrischen Lehrstuhls in: Heidelberg geschehen. Professor Körner in Rostock erhielt Ende December einen Ruf als Nachfolger von Moos. Derselbe hat den Ruf jedoch abgelehnt, da die ihm angebotene Stelle ausseretatsmässiges, unbesoldetes Extraordinariat ohne klinische Ab- theilung nicht dem entspricht, was die Vertreter eines so wichtigen Faches, wie es die Ohrenheilkunde ist, heutzutage verlangen können und müssen.

14*

200 Fachangelegenheiten.

Dr. Leon Asher, früher Assistent an der Ohrenklinik in Heidelberg, hat sich als Privatdocent für Physiologie an der Universität Bern habilitirt.

Der XII. internationale medicinische Congress wird in Moskau vom 19. bis 26. August stattfinden. Die Sitzungen für Otiatrie und Laryngo-Rhinologie werden getrennt abgehalten werden, wo die zur Diskussion kommenden Fragen keine Berührungspunkte aufweisen werden.

H. Knapp: Einige weitere Beobachtungen über Mastoid-Operationen. 201

XI.

Einige weitere Beobachtungen über die Indi- cationen von Mastoid-Operationen bei acuter eitriger Mittelohrentziindung.

Von Professor Dr. Hermann Knapp in New-York.

In meiner früheren Abhandlung über diesen Gegenstand im XX VD. Bd. dieser Zeitschrift stellte ich Seite 267 unter anderm folgenden Satz auf: „Selbst wenn der Patient sich wohl be- findet und geheilt erscheint, dürfen wir ihn Wochen und Monate lang nicht aus den Augen verlieren.“ Nebst den zur Stütze dieser Behauptung ausführlicher mitgetheilten Fällen er- wähnte ich nur kurz einen sehr beweiskräftigen Fall, welcher erst 8 Tage vorher operirt worden war und dessen jetzt abgelaufene Krank- beit ich mir erlaube hier nachzutragen.

Fall I. Acute eitrige Mittelohrentzündung mit Ausdeh- nung auf den Warzenfortsatz. Drüsenschwellung und Facialis-Paralyse. Operation. Vollkommene Heilung.

Jacob K., Jude, 37 Jahre alt, ohne erbliche Belastung. Gesund bis zum 22. Sept. 1895. Plötzlichen Schmerz im rechten Ohr in Folge eines Bades am vorhergehenden Tage. Nach zwei Tagen Ohrenfluss mit Linderung des Schmerzes. Elf Tage später Schmerz im Ohr zu- rückgekehrt und über den Kopf ausgedehnt. In das Hospital aufge- nommen am 6. August 1895; eitriger Ausfluss aus dem rechten Ohre, Empfindlichkeit des Warzenfortsatzes, besonders an der Spitze der unteren- inneren Fläche. Unterer Theil des Trommelfells zerstört. Gehörgang eng, Wände nicht vorspringend. Wenn der Eiter weggewischt wird, so kommt er bald wieder zum Vorschein und zwar meistens in dem oberen hinteren Abschnitt. Gehörvermögen ziemlich gut. Abend-Tem- peratur 38,1°. Urin normal. Behandlung: Bettruhe, Leiter’sche Kühl- röhre. Schmerz verschwindet rasch. Temperatur normal; entlassen am 10. August in ambulatorische Behandlung.

Fühlte sich wohl bis zum 21. August, wo er heftigen Schmerz auf und unter dem Warzenfortsatz bekam. RBReichlicher Ohrenfluss, aber vermindert in der Nacht des 23. August.

Wieder aufgenommen am 24. August. Beträchtliche Röthe und Schwellung über und unter dem Warzenfortsatz und auf der rechten Gesichtsseite. Haut teigig, auf Druck empfindlich und Grübchen hinter-

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Rd. XXVIII. 15

202 H. Knapp: Einige weitere Beobachtungen über die Indicationen

lassend. Keine Fluctuation. Geringer zäher Ausfluss. Temperatur 37,8°. Leiter-Réhren. Am 25. August mehr Schwellung. Drüse am Unter- kieferwinkel auf Wallnussgrésse angeschwollen. Vollständige Facialis- Paralyse, Ohrenfluss spärlich, Gehörgangswände geschwollen, Kühlröhren fortgebraucht. Am 26. August Symptome nicht gebessert.

Operation. Lange Incision. Knochenfläche röthlich; am oberen Theil der Antrumgrube tritt eine Periostfalte in den Knochen ein. Bei dem Aufmeisseln unter derselben wird das Antrum blossgelegt und leer gefunden. Die darunter befindlichen Zellen enthielten eine mässige Menge dünnen Eiters, in der Spitze dagegen war reichliches Granulationsgewebe. Eine Sonde gelangte durch die Spitze leicht in die digastrische Grube. Die Insertionen des Kopfnickers und des Digastricus wurden abgelöst und die ganze äussere Tafel des Warzenfortsatzes entfernt. An der medialen Fläche war ein grosser Defect. In der digastrischen Grube war kein Eiter zu finden, auch wenn man die oberen Abschnitte der ab- gelösten Muskeln von unten nach oben strich, quoll kein Eiter hervor. Die Beinhaut wurde von der digastrischen Grube nach innen und vornen abgestreift, um zu sehen, ob keine Fistel in die hintere Schädelgrube führte. Bei diesem Vorgang kam eine glatte, dunkelblaue, convexe Fläche zum Vorschein, die sich mit der Sonde weich anfühlte, offenbar der Bulbus der inneren Jugularvene unmittelbar nach deren Austritt aus dem Foramen jugulare. Ich kratzte die Mastoidhöhle aus. Während ich die rauhe mediale Fläche derselben mit einem scharfen Löffel reinigte, quoll plötzlich eine grosse Menge dunkles Blut hervor Verletzung des Sinus sigmoideus. Die Blutung wurde durch Tamponiren mit Sublimatgaze leicht gestillt. Da die Operation ohnedies zu Ende war, verband ich die Wunde und schickte den Pat. zu Bett. Keine Reaction folgte, ausgenommen, dass während den nächsten drei Tagen die Schwel- lung am Halse längs der durchtrennten Muskeln tiefer herabstieg, während sie sich an den anderen Stellen verminderte.

Am 29. August Verbandwechsel. Keine Blutung. Wunde voll- kommen rein. Borsäure-Bestäubung. Leichte Tamponade. Allgemein- befinden gut. Temperatur normal. i

Am 30. August Anschwellung am Halse fast verschwunden. Facialis- lähmung weniger ausgesprochen. Keine weitere Absonderung. Tempe- ratur normal. Pat. besserte sich rasch, wurde am 14. September ent- lassen. Wunde fast geschlossen. Kein Schmerz mehr. Facialis-Paralyse noch nachweisbar. Kein Ohrenfluss. Pat. wurde in der Ambulanz be- handelt. Ohrenfluss, Gewebsschwellung und Facialislähmung verschwanden vollständig.

Am 22. November wieder untersucht mit folgendem Befund: Eine 45 mm lange, etwas eingezogene, lineare Narbe, keine Grube. Gehör- gang normal. Trommelfell leicht unregelmässig, kurzer Fortsatz und

Hammergriff in normaler Lage. Lichtreflex getheilt, aber glänzend, 18 ebenso im anderen Ohre. Hörfunetion rechts (operirtes Ohr) h "äi

von Mastoid Operationen bei acuter eitriger Mittelohrentzändung. 203

20 links er v (Flüstersprache) 30° F (Stimmgabel) a< 0 (durch

Luftleitung besser als durch Knochenleitung). Pat. ist munter, liegt seinem Berufe ohne alle Beschwerden ob. Am 25. Januar 1896 zum letzten Mal gesehen, ist vollkommen wohl und hat seit der Operation keine Beschwerden mehr gehabt.

Bemerkungen.

Patient hatte einen gewöhnlichen acuten Anfall von eitriger Mittel- ohrentzündung, welcher nach dem Eintreten von Ohrenfluss am 3. Tage sich rasch besserte. Als er 11 Tage später einen Rückfall bekam, wurde er in die Klinik aufgenommen, wo bei Bettruhe und antiphlogistischer Behandlung seine Temperatur von 38,1° rasch zur normalen sank und er sich so wohl fühlte, dass er in 4 Tagen entlassen und ambulatorisch behandelt werden konnte. Nach weiteren 11 Tagen hatte er einen zweiten schweren Rückfall mit Temperaturerhöhung, Anschwellung über dem Unterkieferwinkel und vollständiger Facialislähmung. Die Leiter-Röhren halfen ihm nichts mehr, sodass ich ihn in zwei Tagen operirte. Der Warzenfortsatz wurde ausgedehnt eröffnet und die äussere Tafel vom Antrum bis zur Spitze entfernt. Da Communication mit der Fossa di- gastrica bestand, löste ich die Muskelansätze vollständig ab und streifte die Beinhaut nach vornen und innen zur Seite bis der bläuliche Bulbus der inneren Jugularvene zum Vorschein kam. Während ich beim Reinigen der Warzenfortsatzhéhle die brichige innere Wand mit einem scharfen Löffel abkratzte, wurde der sichelförmige Blutleiter verletzt. Die Heilung erfolgte ungestört und der Pat. verliess 19 Tage nach der Operation die Klinik. Er erlangte ungeschwächtes Gehör und vollkommene Be- weglichkeit seines Gesichts wieder. Er ist seit der Zeit frei von jeg- lichen Beschwerden gewesen. Die Gesichtsläimung war höchst wahr- scheinlich durch einen Durchbruch des Fallopi’schen Canals und durch Druck des entzündlichen Productes (Eiter) auf den Nerven in dem untersten, subtympanischen Theil seines Verlaufes hervorgebracht. Dieser Theil ist bei den meisten Individuen von zahlreichen Luftzellen umgeben, in welchen in dem vorliegenden Falle die eitrige Entzündung besonders ausgesprochen war. Zur Stütze dieser Annahme möchte ich daran er- innern, dass das Foramen stylo-mastoideum, durch welches.der Nerv aus- tritt, an der unteren Fläche des Warzenfortsatzes liegt, durch welchen im vorliegenden Falle die Sonde leicht aus der Warzenfortsatzhéhle in die Fossa digastrica gelangte. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Weeichtheile ausserhalb des Warzenfortsatzes, obgleich beträchtlich ge-

15*

204 H. Knapp: Einige weitere Beobachtungen über die Indicationen

schwollen, einen Druck, hinreichend um den Nerven zu lähmen, hervor- gebracht haben konnten.

Ein anderer Fall, in welchem die Remission der Erscheinungen nach Paracentese des Trommelfells und dem Eintritt des Ohrenflusses nicht sehr ausgesprochen war, ist merkwürdig durch seinen Verlauf, während welchem der Sinus sigmoideus und am Boden der mittleren Schädelgrube die harte Hirnhaut völlig reactionslos blossgelegt wurden. Nicht selten sind die Erscheinungen bei eitriger Otitis media zweideutig, jedoch so wichtig, dass eine explorative Eröffnung der Schädelhöhle als ein gerechtfertigter Eingriff anerkannt ist. Unser Fall ist eine weitere Veranschaulichung der Thatsache, dass diese Operation ausgeführt werden kann, ohne dem Patienten zu schaden.

Fall IJ. Acute eitrige Mittelohrentzündung mit ausge- sprochenen Cerebral-Erscheinungen, Paracentese des Trommelfells, Aufmeisselung des Warzenfortsatzes mit späterer Blosslegung des Sinus lateralis, sowie der Dura mater am Boden der mittleren Schädelgrube. Heilung.

Frau P. O., jüdisch, 49 Jahre alt, hatte in Russland mehrere Ope- rationen an verschiedenen Körpertheilen durchgemacht, war aber an- scheinend gesund. Im November 1895 war in New-York an ihrer linken Clavicula eine Operation vollzogen worden, welche eine lineare Wunde von 2'/, Lange zurücklies. Zwei Wochen später bekam sie Ohren- schmerzen auf der linken Seite und es waren dies die ersten krank- haften Erscheinungen, die sie je an den Ohren gehabt hatte. Als sie in einigen Tagen keine Erleichterung fand, ging sie in meine Ohren- klinik, wo man eine Paracentese des Trommelfells vornahm. Das Ohr fing an zu laufen und gab ihr während den nächsten Tagen wenig Be- schwerden; als es aber wieder schmerzte, ging sie in eine andere Ohren- klinik, wo man ihr kalte Aufschläge auf den Warzenfortsatz und Aus- spritzen des Ohres mit warmem Wasser verordnete. Diese Behandlung gewährte ihr einige Erleichterung, aber bald darauf kehrte das Ohrenweh mit vermehrter Heftigkeit und grossen Schmerzen über die betreffende Kopf- hälfte zurück. Am Abend rief sie ihren Familienarzt, welcher sie am nächsten Tag zu mir schickte. Ich fand den Ohrenfluss unterbrochen, das ganze Trommelfell und den hinteren-oberen Theil des Gehörgangs roth und leicht geschwollen und starke Druckempfindlichkeit am hinteren Rande des Warzenfortsatzes, auf der Höhe des oberen Randes der Ge- hörgangsöffnung, ferner bestanden Schmerzen und ein Gefühl von Hitze im Kopf, jedoch weder Uebelkeit noch Schwindel. Ich verordnete ihr 0,15 Chinin dreimal täglich, Bettruhe, warme Ohrdusche und kalte Aufschläge auf den Warzenfortsatz. Sie fühlte sich auf einige Tage erleichtert, dann wurden die Schmerzen im Ohre und Kopf stärker, der

von Mastoid-Operationen bei acuter eitriger Mittelohrentzündung. 205

hintere Theil des Warzenfortsatzes wurde leicht teigig und auf Druck sehr empfindlich, der Rest des Warzenfortsatzes, speciell die Antrum- grube und die Spitze, ebenso die Muskelinsertion waren schmerzlos. Der Gehörgang war normal. Das Trommelfell ganz, röthlich, nirgends yorspringend. Temperatur 37,2%, Puls 70. Keine Veränderung im

12 0,5 Uhr gr Nach

meiner Meinung war die eitrige Mittelohrentzündung in der Trommel- und Warzenhöhle abgelaufen, war aber noch activ im hinteren Theil des Warzenfortsatzes, einschliesslich der Knochenwand des Sulcus sig- moideus, also Mastoiditis, möglicherweise verbunden mit Epiduralabscess und Perisinuitis. Ich nahm sie am 7. September 1895 in die Klinik auf und operirte sie am 9. Sept. Leicht gekrimmte Incision, 1 cm hinter dem Ansatz der Ohrmuschel. Nachdem das Periosteum zur Seite geschoben war, wurde eine Oeffnung in das Antrum gemeisselt und nach oben und unten erweitert. Der Knochen war ausserordentlich blutreich, aber das Antrum, sowie die unteren und oberen Zellen waren frei von Eiter und Granulationsgewebe. Darauf machte ich einen Ein- schnitt durch Haut und Bindehaut von dem Antrum gerade nach hinten bis einige Linien jenseits des hinteren Randes des Warzenfortsatzes. Der Knochen wurde in derselben Richtung aufgemeisselt. In einer Tiefe von ungefähr A mm und nahe am hinteren Rande wurde er sehr gefässreich und eine Eiterperle kam zum Vorschein. Tieferes Meisseln entleerte mehr Eiter. Der Knochen war brüchig, schwammig und mit Granulationen durchwachsen. Die Granulationen und der brüchige Knochen wurden mit dem scharfen Löffel entfernt. Auf diese Weise wurde eine Höhle hergestellt, deren Boden sich beim Sondiren so weich anfühlte, dass es mir vorkam, als ob die Knochenwand des Sulcus auch durchbrochen wäre und zwar umsomehr, als die Sonde 4—5 mm der entblössten inneren Knochenwand entlang eingeführt werden konnte. Der Knochen in der Spitze des Warzenfortsatzes zeigte sich hart und frei von Eiter und Granulationen. Ich drang deshalb nicht in dieser Richtung vor.

Am 10. December. Pat. hatte bis Mitternacht Schmerzen in der Wunde, dann fühlte sie sich behaglich.

Am 11. December. Hatte eine schlimme Nacht, Schmerzen am Scheitel und in der Schläfe. Keinen Schlaf. Beim Verbandwechsel zeigte sich die Wunde rein und geruchlos. Temperatur normal. Puls 67.

Augengrund. Urin normal. Sprachverständniss

Am 12. December. Keinen Schmerz während der Nacht, aber beträchtlich im Scheitel und der Wunde seit Morgens. Die Wunde scheidet Eiter aus, erscheint aber gesund. Spitze des Fortsatzes roth und auf Druck empfindlich.

Am 13. December. Hatte eine gute Nacht, keinen Schmerz. Ver- bandwechsel. Wunde sieht gut aus. Eiterabsonderung und Schmerz im Warzenfortsatz verschwunden.

206 H. Knapp: Einige weitere Beobachtungen über die Indicationen

Am 22. December. Gute Tage wechselten mit schlimmen ab. Der Appetit, welcher fast vergangen war, ist einigermaassen wieder vorhanden. Stuhlgang regelmässig, etwas zu Diarrhoe neigend. An ihren bösen Tagen fühlte sie sich ausserordentlich schwach. Der Kopfschmerz wurde äusserst heftig, erstreckte sich bis in die Schulter und war von Brech- reiz, Schwindel und Frösteln begleitet. Temperatur 37,2°, Puls 60, Resp. 30. Sie fühlte sich besser, wenn die Wunde lief.

Am 23. December. Pat. ausserordentlich schwach, fast betäubt, Temperatur 37,5°, Puls 72, Augenspiegelbefund normal, wie immer vorher. Keine Druckempfindlichkeit an irgend einer Stelle des Warzen- fortsatzes noch am Kopf oder längs des Randes des Sternomastoid- Muskels.

In Anbetracht der Verschlimmerung der Erscheinungen dachte ich mir, dass ein irgendwo vorhandener Eiterherd noch nicht aufgedeckt worden wäre. Die ausgesprochenen Gehirnsymptome machten es wahr- scheinlich, dass die Eiterung in die Schädelhöhle vorgedrungen sei und zwar durch das Dach der Trommelhöhle oder die innere Tafel des Warzenfortsatzes. Da der Fortsatz, der nach oben freilag und weder nach unten noch seitlich, namentlich nicht in der Fossa digastrica irgend welche Erscheinungen zeigte, so wurde seine Spitze nicht als der wahr- scheinliche Sitz der protrahirten Störungen betrachtet. Epiduralabscess und Perisinuitis wurden als die nächstliegenden Complicationen angesehen. Sinusthrombose konnte wegen der Abwesenheit der dieser Affection eigen- thümlichen Temperaturcurve ausgeschlossen werden.

Operation am 23. December 1895. Unter Aethernarcose wurde die. Wunde gründlich von allem Granulationsgewebe gereinigt, welches im Heilungsprocess von dem gesunden Grunde und den Seiten empor wucherte. Die Wunde wurde breiter gemeisselt und der Sinus sig- moideus bis zu einer Linge von 2cm blossgelegt. Die Knochenwand des Sulcus war gefissreich und morsch, aber frei von Eiter. Der Sinus war bläulich, rein, wohlgefüllt, weich und pulsirend. Da der Blutlauf in demselben offenbar normal war, so wurde kein Versuch gemacht, die Blutbeschaffenheit durch eine Aspirationsnadel zu untersuchen. . Nachdem der gesunde Zustand der hinteren Schiidelgrube hinreichend festgestellt war, erweiterte ich mit dem Meissel die Wunde nach oben und vornen bis ich eine Kreisfliche der Dura mater an der Basis der mittleren Schädelgrube im Durchmesser von etwas über 1 cm freigelegt hatte. Auch hier wurde kein Eiter gefunden, die Dura mater sah gesund aus und pulsirte regelmässig. Unter diesen Umständen fühlte ich mich nicht gerechtfertigt, die Operation weiter auszudehnen. Ich reinigte die Wunde mit Sublimatgaze, streute etwas Borsäurepulver in dieselbe und füllte sie mit Sublimatgaze aus. Pat. fühlte sich die nächsten 4 Tage besser und die Wunde secernirte nicht. Dann kehrte das Kopfweh zurück

von Mastoid-Operationen bei acuter eitriger, Mittelohrentzündung. 207

mit Frösteln, Hitze, Temperatur 37,5° und grosser Abmattung. Der nächste Tag war gut, darauf wieder ein Anfall von Kopfweh, Uebelkeit, Schwindel, Frösteln und Hitze. 0,50—1,00 g Chinin täglich wurde ver- ordnet. Beim Verbandwechsel wurde die Wunde überall ausgekratzt, wo erweichter Knochen war, bosonders nach der Spitze zu, wo sich gegen die untere Fläche (Fossa digastrica) verminderte Resistenz zeigte. Nirgends fand sich Eiter, auch war seit der letzten Operation keine Secretion mehr aufgetreten, doch konnte eine mässige Menge morschen Knochens aus dem hinteren-unteren Theil der Spitze ausgelöffelt werden.

Von nun an stetige Besserung. Das Kopfweh nahm ab, die Wunde reinigte sich und füllte sich allmälig von dem Boden auf, ohne üppige Granulationen zu erzeugen. Das Chinin, welches eine günstige Wirkung auf die Heilung zu haben schien, wurde in täglichen Dosen von 0,60 g gegeben. Am 2. Januar 1896 wurde das Trommelfell wieder herge- stellt gefunden, röthlich in seiner ganzen Ausdehnung und von normalem Relief. Nachdem Pat. ziemlich schmerzfrei und stärker geworden war, Appetit und Verdauung hatte, wurde Pat. am 10. Januar 1896 aus der Klinik als geheilt entlassen. Ihre Krankheit hatte etwas über 2 Monate

gedauert.

Am 17. Januar untersuchte ich Pat. wieder: sie war vollkommen wohl; keine Schmerzen. Die Wunde sah gut aus und schloss sich.

Trommelfell in normaler Lage, etwas trüb, h SC im anderen Ohr

12 20 20 SC Flüstersprache —— —, im anderen Ohr Fa>o. Anfangs

2 20 20 Februar Wohlbefinden ungestört.

Bemerkungen.

Die Krankengeschichte zeigt plötzliches Einsetzen eitriger Entzün- dung der Trommelhöhle in einem früher gesunden Ohre. Nach einigen Besserungen und Verschlimmerungen kam sie nach einem Monat zu mir, die Trommelhöhle in ziemlich guter Verfassung. Der Warzenfortsatz war in seinem vorderen, mittleren, oberen und unteren Theile frei von einer sichtbaren oder fühlbaren Abnormität. Dagegen war der hintere Rand und die angrenzende Hinterhauptgegend gebläht, röthlich und auf Druck sehr empfindlich. Dass in dieser Gegend Eiter vorhanden war, schien zweifellos. Ich verlegte denselben in die benachbarten Zellen der medialen Rinde, wahrscheinlich die Rinde selbst in Mitleidenschaft ziehend, möglicherweise mit Eiterablagerung im sichelförmigen Sulcus. Die Operation bestätigte diese Annahme, wenn auch nicht in ihrer ganzen Ausdehnung. Nach einer mehrtägigen Remission liessen Hirnerschei- nungen (Kopfweh, Uebelkeit, Schwindel, Frösteln und mässige Tempe-

208 H.Knapp: Einige weitere Beobachtungen über Mastoid-Operationen.

raturerhöhung) sowie eine grosse Abgeschlagenheit es wahrscheinlich er- scheinen, dass die Eiterung sich in die Schädelhöhle erstreckt habe. Die hintere Schädelgrube wurde geöffnet, der Sinus lateralis und die Dura am Boden der mittleren Schädelgrube wurden blossgelegt, aber keine Suppuration wurde gefunden. Nach einer Besserung von wenigen Tagen stellten sich Wechselfieberanfälle mit unreinem Tertiantypus ein und wurden durch Chinin gebessert. Die Wunde war in gutem Zu- stande, doch erwiesen sich, bei der Sondenuntersuchung, die Zellen in der Spitze und namentlich gegen die hintere-untere Fläche weich und nachgiebig. Wenige Tage vorher war die Spitze an einem Tage em- pfindlich gefunden worden. Ich kratzte dieselbe aus, wobei der mediale Theil besonders brüchig erschien. Darauf führte eine stetige Besserung zur vollständigen Heilung. Der Fall veranschaulicht den allmäligen Fortschritt der Eiterung von einem Theil des Mittelohrs zum andern, und namentlich seine verschiedenen Stadien im Warzenfortsatz. Die Operation verhinderte wahrscheinlich den Eintritt der Eiterung in die hintere Schädelgrube, wie derselbe in dem tödtlich verlaufenen Falle No. 4 meiner oben erwähnten Abhandlung wirklich erfolgt war, doch trat die schliessliche Heilung erst ein, als der letzte Herd in der Spitze des Warzenfortsatzes ausgerottet war.

Der Fall liefert für die Praxis folgende Regel: Solange schwere und anhaltende Erscheinungen von Mittelohrerkrankungen vorhanden sind, müssen wir deren anatomische Ursachen aufsuchen, wobei probeweise Eröffnungen der Schädel- höhle gerechtfertigt sind, da sich dieselben gefahrlos ausführen lassen und zuweilen das Leben des Patienten retten.

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 209

XII.

18 Sectionsberichte über das Gehörorgan

bei Masern. Von Oswald Rudolph, München.

Hervorgegangen aus dem otiatrischen Ambulatorium des med. klinischen Institutes in München.

Mit einem nachträglichen Resumé von Prof. Bezold, München. 1)

Das Material zu der vorliegenden Arbeit, durch welche Verfasser darzuthun gedenkt, welche Bedeutung den Erkrankungen des Ohres im Verlaufe von Masern zukommt, stammt aus dem königl. Universitäts- kinderspitale zu München unter Direction des Herrn Prof. v. Ranke. Von dem letzteren wurde in gütigster Weise auf Veranlassung seines hochverehrten Lehrers, des Herrn Professor Bezold, dem Verfasser die Behandlung der Ohraffectionen im Kinderspitale übertragen.

Eine gleich zu Beginn seiner Thätigkeit im Anfang des Jahres 1889 berrschende Masernepidemie gab dem Verfasser reichlich Gelegenheit, sich von der Häufigkeit von ÖOhrcomplicationen bei Masern zu über- zeugen. Gar bald hielten wir uns veranlasst, nicht nur diejenigen Masernpatienten zu behandeln, deren Ohrenaffection sich klinisch deutlich manifestirte, sondern überhaupt alle Patienten der Masernabtheilung in

1) Nachträgliche Anmerkung: Die vorliegende Arbeit ist die Inaug.-Diss. eines mehrjährigen Assistenten und treuen Arbeiters an dem von mir geleiteten otiatrischen Ambulatorium des med. klinischen Instituts in München, auf Grund deren er sich bereits im Jahre 1890 den Doktortitel erwarb. Trotz mehrfachen Drängens war der kränkliche und in der Praxis vielbeschäftigte College nicht zu einer weiteren Ausarbeitung und Veröffentlichung derselben zu bewegen, bis er in diesem Herbst einem Aneurysma der Aorta erlag.

Seinem Andenken glaube ich es schuldig zu sein, das werthvolle Material, wie es von ihm gesammelt worden ist, mit nur unwesentlichen Abänderungen und den Kürzungen, welche für diese Zeitschrift sich als nothwendig erwiesen haben, unter seinem Namen hier wiederzugeben. Auch die manchmal etwas weitschweifigen Krankengeschichten und besonders die im Einzelfall oft wieder- holt aufgenommenen Ohrbefunde im Leben, hielt ich für zweckmässig, nicht zu sehr zu kürzen, da dieselben für die zum grössten Theil von mir selbst auf- genommenen und dictirten Sectionsberichte eine wichtige und wesentliche Er- gänzung bilden.

Meine eigenen an den hier gesammelten klinischen und pathologisch- anatomischen Erfahrungen gewonnenen Anschauungen über Masern-Otitis werde ich am Schluss in einem kurzen Resume zusammenfassen. Bezold.

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das Bereich unserer Untersuchung zu ziehen. Wir fanden dann, dass fast an allen Masernpatienten sich mehr oder minder deutliche Zeichen von Trommelfellveränderungen bemerkbar machten.

In der vorliegenden Arbeit sollen nur die Fälle vorgelegt werden, welche zur Obduction gekommen sind und bei denen die Zergliederung des einen oder beider Felsenbeine vorgenommen werden konnte. Den grössten Theil dieser Obductionen hat Herr Prof. Bezold am hiesigen pathologischen Institut selbst ausgeführt, einen andern Theil hat Verfasser nach dessen Methode sich auszuführen bemüht. |

Den nächsten Anlass zu unseren pathologischen anatomischen Unter- suchungen gab uns die bedeutungsvolle Arbeit, welche Tobeitz 1887 im Archiv für Kinderheilkunde über das gleiche Thema veröffentlichte. Die von uns gemachten Erfahrungen decken sich, wie wir später sehen werden, so ziemlich vollkommen mit den von Tobeitz gemachten.

Gemäss dem Verlaufe der Krankheit theilt Tobeitz die von ihm beobachteten Fälle in 5 Gruppen ein, nämlich:

I. solche ohne bedeutende Complicationen [33 Fälle]. II. solche mit Complicationen, welche geheilt wurden [40 Fälle]. III. solche mit letalem Ausgang [22 Fälle].

Bei Betrachtung von Gruppe II äussert er sich bezüglich des Ohres folgendermaassen :

„Bei den 40 Fällen dieser Gruppe wurde 16mal Otitis resp. Otorrhoe constatirt. Ich bin jetzt jedoch überzeugt, diese Zahl wäre eine viel grössere geworden, wenn jedes Kind die subjectiven Symptome auch einer leichteren Mittelohrentzündung angegeben hätte, resp. hätte angeben können, oder, nachdem dies nicht der Fall war, durch eine genaue Spiegeluntersuchung eines jeden Kindes, auch bei Mangel sub- jectiver Symptome, das eventuelle Vorhandensein derselben hätte con- statirt werden können.“

Am meisten interessirt uns, was Tobeitz bei Besprechung der Gruppe III sagt:

„Die Erkrankung des Mittelohres spielte bei den Fällen dieser Gruppe eine ganz hervorragende Rolle, weniger in klinischer als patho- logisch-anatomischer Beziehung. Klinisch manifestirte sich dieselbe nur bei 7, konnte aber am Secirtische bei allen 17 daraufhin untersuchten Fällen nachgewiesen werden. Unter den

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5 Fällen, von deren Gehörorgane im Sectionsprotokolle überhaupt keine Erwähnung geschieht, findet sich ein solcher, welcher während des Ver- laufes der Erkrankung an Otorrhoe und ein anderer, der an hochgradigen Schmerzen in den Ohren gelitten hatte, sodass also von den 22 nur 3 Fälle bleiben, bei denen eine Mittelohrerkrankung, wenn auch nicht ausgeschlossen, so doch nicht bewiesen werden kann. Nach meinen später gemachten Erfahrungen dürfte eine solche wohl auch bei diesen Fällen mit ziemlicher Gewissheit angenommen werden können, indem wir noch mehrmals bei Leichen, bei denen characteristisch lobulär- pneumonisch erkrankte‘ Lungen vorausgegangene Masern annehmen liessen, oder dieselben durch die Anamnese festgestellt waren, auch das Mittelohr erkrankt gefunden haben.“

Mit vorliegender Arbeit nun möchten wir ein ungefähres Bild von den verschiedenen Stadien der Ohraffectionen bei Masern geben und zwar hauptsächlich auf Grund von einer Anzahl Sectionen von Gehör- organen. Wir wollen zu diesem Zwecke nicht die Reihenfolge einhalten, in welcher die Fälle zur Beobachtung kommen, sondern dieselben nach dem Zeitraume ordnen, welcher zwischen dem Ausbruch des Exanthems und dem Exitus letalis liegt, indem wir mit der kürzesten Zwischen- zeit beginnen. Ausdrücklich sei ferner bemerkt, dass in den Fällen, wo nur ein Schläfenbein herausgenommen werden konnte, und sofern überhaupt bei Lebzeiten eine Spiegeluntersuchung stattgefunden hatte, in der Regel das minder affıcirte ausgewählt wurde.

1. Fall. K., Johann, 8 Jahre alt, illeg. Eintritt den 15. November 1889.

Anamnese: Pat., bis jetzt stets gesund, klagte vor 5 Tagen zuerst über Kopfschmerzen, hatte rothe Augen, Schnupfen und starken Husten. Dazu trat einmaliges Erbrechen ein. Am 13. November Masernexanthem über den ganzen Körper. Seit gestern Heiserkeit und Athemnoth.

Status praes. den 15. November:

Mässige Cyanose und inspirat. Stridor. Ein livides, etwas abge- blasstes Morbillenexanthem auf dem ganzen Körper. Leichte Röthung der Fauces. Ziemliche Tonsillenschwellung. Schlecht genährt.

Wegen zunehmender Dyspnoe 2 Uhr Nachm. Intubation. Tube sogleich ausgehustet mit einer Menge Schleim und dicker, grosser, zum Theil aus Bronchien I. und II. Gattung stammender Membranen. Etwas erleichterte Athmung. Die kurz darauf wieder eingeführte Tube wird !/, Stunde wieder mit vielen Membranen ausgehustet. Athmung in den ersten Stunden völlig frei. Abends zunehmender Stridor, weshalb Nachts 2 Uhr intubirt wird. Starke Schwellung des Kehlkopfeingangs. Kurzer Reizhusten; ruhige Athmung.

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Den 16. November: Exanthem und Hautfarbe ziemlich livide. Sub- maxillardrüsen mässig geschwellt, desgleichen Cervical- und Inguinal- drüsen. Abgelaufene Rhachitis. Wenig Husten, rauhes Athmen und grossblasiges Rasseln. Mässige Einziehungen; Puls etwas klein.

Exitus letal. 4 Uhr Nachm. Anatomische Diagnose:

Diphtherie des Rachens; absteigender Croup; . Pneumonie; sero- fibrinöse Pleuritis; verkalkte Bronchialdrüsen.

Rechtes Schläfenbein, Dura und Tegmen tympani normal. Im Sinus sigmoid. ein frisches Blutgerinnsel. Unter dem Proc. mast. und im Kieferwinkel mehrere bis Lampertsnuss-grosse infiltrirte Drüsen, die auf dem Durchschnitt schmutzig grau erscheinen und mehrfache Blutpunkte zeigen. Rosenmüller’sche Grube sehr tief mit vielfachen Faltenbildungen. Die Rachenschleimhaut allenthalben mit einem dicken, nicht abziehbaren, grauen Belag bedeckt. Zwischen pharyngealem Tubenostium und Rosenmüller’scher Grube lässt sich eine dünne graue Membran leicht abziehen. Der Belag erstreckt sich bis in das Tubenostium. Am Rachendach, soweit es am Präparate erhalten, finden sich stark entwickelte adenoide Vegetationen.

Gehörgang frei. Nach Abmeisselung der vordern knöchernen Ge- hörgangswand zeigt sich das Trommelfell in seiner obern Hälfte von Epidermis entblösst. Im hintern obern Quadranten scheinen einige kleine Luftblasen durch. Normale Wölbung des Trommelfells.

Nach Abmeisselung des Tegmen tympani findet sich das etwa bohnengrosse Antrum vollkommen trocken.

Am Boden der Paukenhöhle und zwischen Hammergriff und langem Ambosschenkel findet sich schleimig-eitriges, leicht grünliches Secret; Hammer- und Amboskopf ragen frei aus dem Secret heraus.

Sägeschnitt durch die Paukenhöhle parallel dem Trommelfell und nahe denselben, fällt gerade in die Tube. Auch hier findet sich in dem knöchernen Theil schleimig-eitriges Secret. Die Schleimhaut der Paukenhöhle zeigt ungleichmässige Röthung und etwas Schwellung. Die knorplige Tube enthält nur Spuren glasigen Schleims und erscheint bis in die Nähe des pharyngealen Ostiums, wo der graue Belag beginnt, normal. Nach vorn und etwas nach abwärts von dem Antrum in der Spitze des Proc. mast. hat der Sägeschnitt eine weitere, etwa klein- bohnengrosse, ovale Zelle durchschnitten, welche keine Injection zeigt.

2. Fall. K., Maurus, 3°/, Jahre alt, Gastwirthskind. Eintritt am 19. December 1889.

Anamnese: Seit 2—3 Tagen katarrhalische Erscheinungen an Conjunctiva, Nase, Fauces, Bronchien; seit gestern Abend beginnendes Morbillenexanthem im Gesicht.

Status praes. den 20. December: Konstitution ziemlich kräftig. Sehr dichtes Morbillenexanthem, besonders stark am Rumpf und im

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Gesicht. Starke Conjunctivitis catarrhalis. Submaxillar- und Cervical- drüsen mässig geschwellt.

Fast völlige Heiserkeit; häufiger, etwas croupartig klingender Husten; mässig reichlich gross- und mittelblasiges Rasseln. Starke Coryza. |

Puls ziemlich voll, etwas schlaff, regulär. Fleckige Gaumenröthung ; starke Injection der Schleimhaut der Fauces. Starker Belag der Zunge; Spitze frei.

Den 21. December: Exanthem etwas abgeblasst.

Zunehmende stridoröse Athmung mit inspiratorischer Einziehung. Athmungsgeräusch schwach; wenig mittelblasige Rasselgeräusche hörbar. Appetit gering.

Die Athemnoth steigert sich im Laufe des Abends, jedoch ohne dass die Larynxstenose einen Eingriff erforderte. Am Zäpfchen wird leichter dipbtheritischer Belag constatirt.

10 Uhr Nachm. Exitus letal.

Anatomische Diagnose den 23. December: Lungenödem, ausgebreitete lobuläre Pneumonie [Morbilli].

Rechtes Schläfenbein: Vordere Gehörgangswand bereits lückenlos gebildet. Durch das im übrigen normale Trommelfell scheint Secret mit reichlichen Luftblasen durch. Das Trommelfell selbst zeigt keinerlei Injection. Nach Entfernung des Tegmen tymp. finden sich die sämmtlichen Räume des Mittelohrs, von den bereits gut entwickelten Warzenzellen bis zur knöchernen Tuba inclusive, mit schleimig-eitrigem Secret angefillt. Das Trommelfell nicht verdickt und auch die Innen- seite nicht injicirt. Dagegen ist die sonstige Schleimhaut der Mittelohr- auskleidung allenthalben lebhaft diffus injieirt und ziemlich geschwellt bis zu den peripheren Enden der Warzenzellen. An der Schallleitungs- kette ist die Schwellung der Schleimhaut eine nur geringe. Die knorplige Tube ist am Präparat nicht mehr erhalten.

Linkes Schläfenbein: Gehörgangslücke verschlossen. Trom- melfell äusserlich normal. In der Fossa retromax. ein Packet erbsen- bis haselnussgrosser , frisch infiltrirter, auf dem Durchschnitt rosiger Lymphzellen. Schleimhaut an der am Präparat erhaltenen Rosen- müller’schen Grube und am Ostium pharyng. mässig geschwellt und lebhaft rosig injicirt. Der Schnitt durch die Paukenhöhle fällt so, dass die ganze Tuba in seine äussere Hälfte zu liegen kommt. Die Wan- dungen der Paukenhöhle, des Antrum und des Aditus erscheinen nur etwas feuchter, sonst sind die Höhlen von Secret leer. Dagegen findet sich die knöcherne Tuba bis zum Ostium tymp. mit zähem, schleimig- eitrigem Secret erfüllt, welches sich beim Abtupfen mit der Watte-um- wickelten Sonde im Ganzen herausziehen lässt. Knöcherne Tube, Paukenhöhleninnenwand, Aditus und Antrum zeigen allenthalben lebhaft roth injicirte, nur sehr wenig geschwellte Schleimhaut, in welcher die einzelnen Gefässe noch deutlich hervortreten. Ans der Nische des

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runden Fensters lässt sich ebenfalls etwas trübes Secret austypfen; im Uebrigen zeigen sowohl die Nische des runden als ovalen Fengters keine wesentliche Schwellung. Die Injection schneidet ziemlich plötzlich im hintersten Theil des Antrum ab und die bereits ziemlich reichlich ent- wickelten, radiär gestellten Warzenzellen sind nahezu frei von Injection. Ebenso schneidet die Injection ziemlich plötzlich am Isthmus der Tuba ab. Auch die vom Ost. pharyng. aus sich eine kurze Strecke in die knorplige Tube hinein verbreitende Injection und unebene Schwellung verliert, sich innerhalb des Ostiums bald, sodass die oberen ?/, des knorpligen Theils ziemlich frei von Injection und Schwellung erscheinen.

3. Fall. W., Franziska, 11 Monate, illeg. Eintritt den 10. Februar 1890.

Stat. praes. den 10. Februar. Mässig kräftig gebautes Kind. Haut des Gesichts mit blassrothen, nicht sehr zahlreichen, etwas er- habenen Flecken bedeckt. Epidermis daselbst etwas abschilfernd. Auf Rücken und Brust Flecken zahlreicher, mehr geröthet. Extremitäten spärlich bedeckt. Die Lidränder sind geröthet und mit eitrigem Secret verklebt. Conjunctiva und Hornhaut frei. |

Mässiger Husten. Auf den oberen Parthien der Lunge, besonders H. O. R. mässig reichlich trockne Rasselgeräusche zu hören.

Zunge etwas belegt. Appetit gering.

Den 12. Februar: Exanthem wie gestern.

Den 13. Februar: Exanthem vollständig zum Ausbruch gekommen, Athmung ziemlich erschwert. Auf der ganzen Lunge reichliche klein- blasige Rasselgeräusche zu hören.

Abends: Dämpfung R. H. U.

Ohrenbefund den 13. Februar: Beiderseits erscheint das Trommel- fell etwas vorgewölbt, rechts von mehr livider, links mehr grau-rother Farbe. Ausserdem sind links vorn unten einige radiäre Gefässe deutlich sichtbar. Vom kurzen Fortsatz und Hammergriff, sowie von einem Reflex beiderseits nichts zu erkennen.

Den 14. Februar: Exanthem am Verblassen. Dämpfung H. O. vollständig. Athmung oberflächlich, frequent. Puls kaum zu fühlen; hochgradige Cyanose.

Exitus letal. am gleichen Tage.

Anatomische Diagnose:

Croupöse Pneumonie im rechten Ober- und Unterlappen; Pleuritis; locale Tuberkulose der Bronchialdrüsen (Morbilli).

Linkes Schläfenbein. In der Fossa retromax. ein Packet erbsen- bis bohnengrosser, rosiger Lymphdrüsen. Rosenmüller’sche Grube durch Wulste tief gefurcht. Tubenostium wenig injicirt, sonst normal. Vordere knöcherne Gehörgangswand noch nicht gebildet.

Trommelfell gelblich-graublau, etwas uneben, lässt vom Hammer- griff nichts erkennen; sonst intact und von normaler Wölbung; in der vorderen Hälfte etwas Gefässinjection.

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Nach Aufmeisseln des Tegmen tymp. finden sich Paukenhöhle und Antrum mit eitrigem, geruchlosem Secret erfüllt. Durchschneidung der Sehne des Tensor tymp. und Sägeschnitt parallel dem Trommelfell durch die Paukenhöhle. |

Nach Abspülung des Secrets findet sich die Schleimhaut des Promontorium, des Aditus und des kleinbohnengross entwickelten Antrum mässig geschwellt und rosig injicirt. Die Röthung nimmt nach dem Antrum zu ab und ist der peripherste Theil desselben frei von Injection und Schwellung. Stapediussehne und Steigbügelköpfchen aus der Schwel- lung frei vorragend. Ebenso ist die Schleimhaut über den Gehör- knöchelchen geschwellt und röthlich gefärbt. Nur der Hammerkopf ragt frei aus der geschwellten Schleimhaut hervor. Trommelfell zeigt an seiner Innenfläche in allen Quadranten mit Ausnahme der vordern ` obern Gefässinjection. Nach dem Abspülen bleibt an der vordern Hälfte des Trommelfells, sowie am Promontorium je ein zapfenförmiger Fetzen haften, welche sich auch mit der Pincette nicht entfernen lassen. Nach Auf- schneiden der Tuba zeigt sich dieselbe nirgends pathologisch verändert. Die histologische Untersuchung eines Stückchens von dem an der Paukenhöhleninnenwand haftenden zapfenförmigen Fetzen ergibt, dass: derselbe aus Bindegewebe besteht, sodass sich hier eine alte Synechie annehmen lässt, welche vom Trommelfell zur Paukenhöhleninnenwand zog und zugleich mit der Tensorsehne durchschnitten worden war.

4. Fall. D., Josefa, 4 Jahre. Eintritt den 21. März 1890.

Anamnese: Patientin wegen Fungus genu sinistr. auf der chirur- gischen Abtheilung wird am 21. März wegen Morbilli auf die Masern- ` abtheilung gebracht. |

Status praes. den 21. März: Mässige Coryza, wenig Husten, Lungen frei. Kleinfleckiges Morbillenexanthem im Gesicht und auf dem Hals. Grössere Flecken auf Brust und Rücken. Extremitäten wenig befallen. Geringgradige Röthung der Conjunctiva. Rachen frei.

Ohrenbefund den 22. März: Trommelfell links zeigt diffuse Trübungen und etwas hintere Falte. Rechts Trommelfell grau-röthlich mit undeutlicher radiärer Injection. |

Exitus let. den 25. März.

Anatomische Diagnose:

Masern; croupöse Laryngo-Tracheitis; katarrhal. Pneumonie beider U. L.; käsige Bronchialdrüsen ; fungöse Gonarthritis.

Rechtes Schläfenbein. Die ganze Schleimhaut des Nasen- rachenraums und ebenso das pharyngeale Ostium der Tuba zeigt auf der Oberfläche eine weisslich grau-röthliche, trübe Beschaffenheit, theil- weise mit deutlicher diphtheritischer Auflagerung. Die Oberfläche ist vielfach zerklüftet und gelappt.

Am vordern Rande des M. sternocleid. mast. eine grössere, auf dem Durchschnitt grau-röthliche Drüse von Haselnussgrösse.

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Vordere knöcherne Gehörgangswand bis auf einige Gefässlöcher bereits geschlossen.

Trommelfell intact, livid, grau-röthlich; ebenso der hintere obere Theil der knöchernen Gehörgangswand, sodass die Grenze zwischen beiden nicht deutlich sichtbar. Die Epidermisschichte gerunzelt, theil- weise in radiären Falten.

Die Aussenfläche der Dura zeigt sich beim Ablösen entsprechend der Gegend des Antrum in grösserer Ausdehnung succulent und blutig tingirt. An dieser Stelle, in dem Theil des Tegmen, der über dem Antrum liegt, eine Reihe kleiner, blutiger Gefässlumina.

Nach Entfernung des Tegmen tymp. erscheint die darunter befind- liche Schleimhaut des Antrum ziemlich verdickt, der übrig bleibende Raum in Paukenhöhle und Antrum mit serös-eitrigem Secret erfüllt.

Sägeschnitt durch die Paukenhöhle parallel dem Trommelfell.

Auf dem Promontorium und dem Steigbügelköpfchen, sowie dessen Sehne umgebend liegt ein theilweise beim Uebergiessen flottirendes weisses Netz von fibrinösem Exsudat auf der mässig verdickten, lebhaft diffus injicirten Schleimhaut. Ebenso ist das Antrum grossentheils von einem dünnen fibrinösen Belag überzogen. Unter dem Tegmen des Antrum findet sich ein kleines Blutextravasat. Auch Hammer und Ambos sind theilweise von fibrinösen Massen umgeben. Die Schleim- haut des Trommelfells erscheint trübgrau-röthlich; unter dem Hammer- griffende findet sich auch hier ein stecknadelkopfgrosses fibrinöses Exsudat.

Auf der Innenfläche der knöchernen Tuba erstreckt sich die In- jection bis zu deren Ende; ihre äussere Fläche ist ziemlich frei von Injection. Auch die Wand der knorpligen Tuba ist glatt; in ihrer Mitte zwei kleine Blutextravasate. Der fibrinöse Belag des Nasen- rachenraumes schneidet am pharyngealen Ostium ab.

- 5. Fall. RB. Wally, 1!/, Jahre, illeg. Eintritt den 14. Juni 1889.

Anamnese: Seit 8 Tagen Diarrhoe, mit der in den ersten Tagen auch Erbrechen verbunden war. Seit dem 12. Juni hustet Patientin sehr viel, hat starke Hitze, isst sehr wenig und trinkt viel. Heute Mittag wurde in der Poliklinik ein Ausschlag -auf Brust und Rücken bemerkt und Masern diagnosticirt.

Status praes. den 15. Juni:

Conjunctivitis catarrhalis. Submaxillardrüsen mässig stark geschwellt. Mässig viel Husten. Gross- und mittelblasiges feuchtes Rasseln in mässiger Menge. Intensive Rötung der Mund- und Rachenschleimhaut. An der Unterfläche der Zunge rechterseits über linsengrosser Plaque von gelblich grüner Farbe.

Den 16. Juni: Ausdehnung des Exanthems in starkem Maasse auf Gesicht und obere Extremität, weniger auf die untere. Starkes Oedem der Augenlider, besonders rechterseits; eine zusammenhängende, lose aufsitzende Membran bedeckt die Conjunctiva palpebrae. Die darunter

0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 217

liegende Schleimhaut stark injieirt._ Starke eitrige Secretion aus der Nase.

Den 17. Juni: Exanthem sehr dicht über den ganzen Körper aus- gebreitet, von rostbrauner Farbe. Klein- und grossblasiges Rasseln über heiden Lungen. :

5 Uhr Nachm.: Crouphusten, leicht stenotische Athmung mit ge- ringer Einziehung des Jugulums und Epigastriums und inspirator. Herabsteigen des Kehlkopfs. Fauces frei.

'11!/, Uhr Nachm.: Exitus letalis.

Anatomische Diagnose: Lobulärpneumonie nach Masern.

Linkes Schläfenbein: Dura mater, Sinus sigmoidens, der etwas frischen Cruor enthält und Porus acust. intern. normal.

‚, Die vordere knöcherne Gehörgangswand grösstentheils noch mem- branös, nur der obere, untere und innerste Rand verknöchert, welche eine kochlöffelförmige, nach Aussen zu sich verschmälernde Lücke ein- schliessen.

Vom Trommelfell hat sich eine seiner Form entsprechende Epidermis- lamelle abgelöst, welche sich in die Epidermis der hinteren oberen Ge- hörgangswand direct fortsetzt. Das Trommelfell selbst ist mit einer dünnen rissigen Epidermisschicht überzogen, durch dieselbe grauroth durchscheinend.

Bei Eröffnung des Tegmen lässt sich die stark verdickte und succulente Schleimhaut unter demselben intact erhalten. Nach ihrer Spaltung findet sich die ganze Paukenhöhle und das Antrum mit einem sehr zähen, kleisterartigen, theilweise durchsichtigen, theilweise grau- gelblich trüben Secret erfüllt. Die Schwellnng der Schleimhaut ist am stärksten in der Umhüllung der ganz in sie eingebetteten Gehörknöchelchen, des Antrum und der Innenwand der Paukenhöhle. Auf dem Promon- torium bildet dieselbe eine ziemlich hervorragende Prominenz.

Das nur wenig verdickte Trommelfell erscheint auf der Innenfläche grau mit zarter radiärer Injection. An verschiedenen Stellen finden sich kleinere und grössere, lebhaft geröthete, runde Granulationen bis zu !/, mm im Durchmesser, welche theilweise an dünnem Stiele flottiren. Stärkere ungleichmässige Schwellung der Schleimhaut findet sich ferner an der vorderen Wand der Paukenhöhle in Form eines unregelmässigen Polsters und an einzelnen Stellen des Daches der knöchernen Tube. An einer Stelle der letzteren, ziemlich nahe dem Isthmus haftet ebenfalls am Dach eine cylindrische mit schmaler Basis aufsitzende Granulation, während der untere Theil der knöchernen sowie die knorpelige Tube, soweit sie am Präparat erhalten, eine blasse normale Schleimhaut zeigen.

Das adenoide Gewebe im Nasenrachenraum ist, soweit es am Präparat erhalten, ziemlich stark verdickt, dunkelgraurot, mit zahl- reichen Blutpunkten bedeckt.

Im Bereiche des M. sterno-cleido-mast. finden sich Packete von zahl- reichen graurothen auf dem Durchschnitt ebenfalls mit zahlreichen Blutpunkten bedeckten Drüsen. |

Zeitschrift für Ohrenbeilkunde, Bd. XXVIII. | 16

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6. Fall. K. Georg, 31/, Jahr, illeg. Eintritt den 16. Nov. 1889.

Anamnese: In diesem Sommer erkrankte Patient an den „Fleckeln“, die nach 2 Tagen vorübergingen, doch soll er 3 Wochen lang starken Husten gehabt haben. Am 12. November früh wurde zuerst eine Röthe des Gesichtes bemerkt, die sich im Laufe der folgenden 3 Tage über den ganzen Körper verbreitete.

Am 15. November erbrach Patient und zugleich stellte sich Athem- noth ein, die im Verlaufe des Tages und der folgenden Nacht stark zunahm. `

`- Status praes, den 16. November: Ziemlich kräftige Constitution. Ziemlich dichtes Morbillenexanthem, am stärksten im Gesicht, am schwächsten an den Extremitäten. Frequente rasselnde Athmung (54) mit mässigen inspiratorischen Einziehungen. Livide Verfärbung des Exanthems. Leichte Cyanose. Cervical- und Inguinaldräsen leicht ge- schwollen. Patient mit ziemlich stenotischer Athmung. hereingebracht. Dieselbe steigert sich im Laufe des Abends so sehr, dass um 10 Uhr die Intubation vorgenommen wird. Darnach Husten. Endlich ruhiger Schlaf.

- Exitus letalis den 18. November 1889.

Anatomische Diagnose: - . Diphtherie (Masern).

Rechtes Schläfenbein: Die Fossa retromax. ausgefüllt von einem Packet geschwellter und diffus gerötheter Lymphdrüsen. Die adenoide Substanz zeigt sich nur am Fornix des Nasenrachenraums, soweit derselbe am Präparat erhalten, geschwel!t und frisch geröthet; kein fibrinöses Exsudat auf seiner Oberfläche. Das pharyngeale Tuben- ostium erscheint etwas verengt durch theilweise Fortsetzung der adenoiden Substanz in dasselbe. Beim Auseinanderziehen seiner Lippen erscheinen Schleimfäden. |

In der vorderen ‚Wand des knöchernen Gehörgangs ist die physio- logische Lücke noch. hirsekorngross. Das Trommelfell ist von normaler Wölbung und Farbe und von ungewöhnlicher Durchsichtigkeit. Von durchscheinendem Secret nichts zu erkennen.

Nach Entfernung des Tegmen tympani findet sich die Paukenhöhle leer, ihre Schleimhaut nicht geschwellt, nur ganz leicht diffus injicirt.

Vom Hammer-Amboskörper zieht ein feiner Schleimhautfaden gegen die Innenwand und ebenso vom kurzen. Ambosschenkel eine dünne Schleimhautmembran in den Aditus ad antrum, welche sich im ganzen Antrum ausbreitet und nach verschiedenen Richtungen mit den Wänden verwachsen ist. |

Der Schnitt durch die Paukenhöhle wird so angelegt, dass der Boden der Paukenhöhle, das tympanale Ostium und die ganze übrige Tuba auf der lateralen Hälfte des Schnittes bleibt. Es zeigt sich an derselben, dass auch der Boden der Paukenhöhle ganz von Secret frei und ohne wesentliche Injection ist; dagegen ist das tympanale Tuben-

O. Rudolph: 18Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 219

ostium vollständig ausgefüllt mit einem zähen, grosse und kleine Luft- blasen enthaltenden, trüben Secret. Injection findet sich nach Ent- fernung der medialen Tubenwand weder in ihrem knöchernen noch in ihrem knorpeligen Theil, mit Ausnahme des Eingangs vom Pharynx, wo ein paar kleine Wülste von graurother Substanz zu sehen sind.

7. Fall. B. Anna, 2!/, Jahr, illeg. Eintritt den 27. Mai.

Anamnese: Mit !/, Jahr dreiwöchentliches Kranksein an „Frieseln“. Im vergangenen Winter hatte Patientin starken Brustcatarrh. Am 26. Mai bemerkte die Mutter, dass Patientin einen Ausschlag am Hals hatte und suchte heute um Spitalaufnahme nach, wo Masern constatirt wurden.

Den 29. Mai: Exanthem blasser; schleimig eitriger Ausfluss aus der rechten Nase. Nach Angabe der pflegenden Schwester besteht kein Husten. | | Den 30. Mai: R. H. U. bis zur Spina scapulae relative Dämpfung - mit grossblasigem, consonirendem Rasseln. Links in der Achselhöhle verschärftes Athmen. Etwas Husten.

Den 1. Juni früh: R. H. ganze Seite mässig gedämpft. Kräftezu- stand gering. Puls flatternd.

31/, Uhr Nachm. Exitus letalis.

-Anatomische Diagnose:

Lobuläre und lobäre Heerde in beiden Lungen; beiderseits frische sero-fibrinöse Pleuritis; rechts alte Adhäsivpleuritis.

Rechtes Schläfenbein: Dura über dem Schläfenbein, Porus acust. int. und Sinus sigmoideus normal, in letzterem ein dünnes frisches Fibringerinnsel.

Die Bildungslücke in der orie knöchernen Gehörgangswand bis auf ein feines Löchelchen geschlossen. Das Trommelfell, annähernd von normaler Wölbung und nur im hinteren oberen Quadranten etwas geschwellt, hat im Ganzen eine leichte Beimengung von Roth in seiner Farbe; insbesondere ist der hintere obere Quadrant von diffus livid- rother Färbung, welche sich auch noch auf die hintere obere Gehör- gangswand erstreckt. Die Epidermis löst sich leicht los. Die unter ihr zum Vorschein kommende Fläche erscheint glänzend, serös durch- feuchtet.

= Im Nasenrachenraum ist die adenoide Substanz stark entwickelt und in vielfache einzelne Lappen gespalten. Ihre Oberfläche im Ganzen von graurother Farbe ist insbesondere nach oben und auf dem pharyn- gealen Ostium ungleichmässig, ziemlich lebhaft roth injieirt. Unter und vor dem Musc. sterno-cleido-mast. finden sich einige, lebhaft geröthete | auf dem Durchschnitt markige, vergrösserte Lymphdrüsen.

Nach Entfernung des Tegmen tympani findet sich Paukenhöhle, Antrum und knöcherne Tuba mit serös-eitrigem Secret erfüllt. Die Ver- dickung der Schleimhaut ist allenthalben nur eine mässige. Das Trommel- fell, durchscheinend, ist in seiner Schleimhaut von einem zarten radiären

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Gefässnetz durchzogen. Etwas stärker ist Infiltration und Röthung an der Hammer- und Ambosschleimhaut und insbesondere am Steigbügel, doch bleibt ein kleines Lumen zwischen ihm und der obern Wand des Pelvis ovalis. Der Steigbügel selbst normal beweglich. Stapediussehne ebenfalls normal. In der Nische des runden Fensters und auf dem Promontorium ist die Schwellung der Schleimhaut eine mässige ; dieselbe erscheint allenthalben an der Innenwand diffus geröthet. Das Promon- torium auf seiner Höhe noch gelb durchscheinend. Etwas stärker ist die Injection im hintern Theil des Antrum, wo sich an einem Knochen- bälkchen eine kleine. ca. stecknadelkopfgrosse, lebhaft geröthete Granu- lation findet. Ebenso ist die Schwellung der Schleimhaut in der knöchernen Tuba und zwar vorwiegend an deren äussern Wand stärker ausgesprochen und die Schleimhaut hier lebhaft diffus geröthet. An der innern Wand der knöchernen Tuba verliert sich die Injection all- mählig gegen den Isthmus und hört hier ganz auf. Erst in der Nähe des Ostium pharyng. beginnt wieder dieselbe fleckige Röthung wie im Nasopharyngealraum.

8. Fall. E. Anna, 11 Monate, Schuhmacherkind. Eintritt den 13. Januar 1890. Morbilli, Croup, Pneumonie.

Anamnese: Eltern und Geschwister an Influenza erkrankt, sonst gesund. Pat. nie ernstlich krank. Seit 4—5 Tagen Husten, Schnupfen und Röthung der Augen. Vorgestern zeigte sich am ganzen Körper ein rother fleckiger Ausschlag, welcher gestern schon ziemlich abgeblasst war. Täglich 3—4 Mal dünner Stuhl mit Schleim gemischt seit mehreren Monaten.

Status praes. den 14. Januar: Mässig kräftige Constitution. In Abblassung begriftenes, gelblich verfärbtes Morbillenexanthem am ganzen Körper. Cervicaldrüsen leicht geschwellt. Frequente, ächzende Athmung. Häufiger trockner Husten. Beiderseits hinten oben etwas verschärfte Athmung, rechts subbronchial. Etwas Schnurren beiderseits vorn. Puls voll, regelmässig, Fauces und Mundschleimhaut blass.

Den 15. Januar: Percuss. Schall R. O. höher als links und leer. Zuweilen dringt R. H. O. bronchiales Athmen durch.

Den 16. Januar: Bronchialathmen R. H. O. deutlich, desgleichen Dämpfung. Viel Husten. Etwas Heiserkeit. Fauces rein.

Den 17. Januar: 5 diarrhoische Stühle, sonst wie am 16. Januar.

Ohrenbefund den 18. Januar: Trommelfelle beiderseits geröthet und reflexlos, anscheinend etwas vorgewölbt.

Den 19. Januar 9!/, Uhr Vorm.: Exitus letalis.

Anatomische Diagnose:

Croupöse Pneumonie im r. U. L., lobuläre Herde im 1. U. L., r. O. L. und M. L. Thrombose des Sinus transvers. und cruciatus, subarachnoideale Blutungen im linken Stirn- und Scheitellappen und beiden Kleinhirnhemisphären. Schwellung und Röthung der Peyer’schen Plaques und Solitärfollikel im Dünn- und Dickdarm.

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 221

Linkes Schläfenbein: In der Fossa retromax. ein Packet kirschkerngrosser infiltrirter Lymphdrüsen. Die vordere knöcherne Ge- hörgangswand noch nicht gebildet. Das Trommelfell erscheint von Aussen grau, mattglänzend, von kaum abnormer Wölbung. In der untern Hälfte scheint bis zum Umbo reichend deutlich Secret durch. Schon beim Abmeisseln des Tegmen dringt Secret hervor. Darnach er- . scheinen Paukenhöhle und Antrum vollständig mit rahmig eitrigem Secret erfüllt. Sägeschnitt parallel dem Trommelfell durch die Paukenhöhle. Das Secret lässt sich allenthalben leicht abspülen. Es kommt darnach die überall wenig verdickte und kaum sonderlich geröthete Schleimhaut zum Vorschein. Das Trommelfell erscheint bei durchfallendem Lichte stellenweise etwas getrübt aber nirgends geröthet. Die Tuba findet sich frei von Secret und Injection; ihre Schleimhaut vielleicht etwas verdickt. Am Tubenwulst und den benachbarten erhaltenen Parthieen des Pharynx findet sich reichliche adenoide Substanz. Die Schleimhaut am Steigbügel erscheint etwäs verdickt, derart, dass die Stapessehne nicht deutlich zu erkennen. Die vorliegende Thrombose des Hirnsinus ist als eine maran- tische aufzufassen und steht nicht mit dem Ohr in Zusammenhang.')

9. Fall. B. Marie, 3 Jahr, illeg. Eintritt den 29. Januar 1890. Diagnose: Morbilli, Larynxcroup, Bronchopneumonie.

.Pat. von kräftiger Constitution stand seit dem 29. Januar wegen Prurigo in Behandlung und erkrankte am 6. Februar mit hohem Fieber, etwas Coryza, stärkerer Thränensecretion. Sonst keine Veränderungen nachzuweisen.

Den 7. Februar: Temperatur noch immer erhöht, ohne nachweis- bare Ursache. Coryza nicht stärker. Auf den Lungen keine Veränderung.

Den 10. Februar: Patient zeigt heute Morgen bei hohem Fieber ausgesprochenes Masernexanthem auf der Stirne und beiden Proc. mast. Husten verstärkt, Coryza hat zugenommen. Leichte Conjunctivitis. Auf den Lungen trockne Rasselgeräusche zu hören.

Den 11. Februar: Masernexanthem über den ganzen Körper ver- breitet. Auf den Lungen keine weiteren Veränderungen.

Ohrbefund: Linkes Trommelfell annähernd normal, Reflex, drei- eckig an normaler Stelle vorhanden. Die untere Hälfte vielleicht etwas milchig getrübt. |

Rechtes Trommelfell in seinem hintern obern Quadranten etwas blasig vorgewölbt und gelblich durchscheinend. Beiderseits finden sich hinter dem Ohre auf dem Proc. mast. ca. erbsengross geschwellte Drüsen.

Den 12. Februar: Exanthem im Abblassen; Husten nicht stärker. Ausser trocknen Rasselgeräuschen auf den Lungen nichts nachzuweisen.

1) Auch die nachträgliche Einsicht in das genauere Sectionsprotokoll ergab mir keinen Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen der Mittelohr- eiterung und der Hirnsinusthronıbose, welcher schon durch die kurze Dauer nnd milde Form der ersteren unwahrscheinlich gemacht wird. Bezold.

222 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

Ohrbefund: Links beginnt sich die untere Hälfte des Trommelfells zu trüben und der Reflex stellt nur mehr einen diffusen Fleck dar. Rechts findet sich heute die untere Hälfte des Trommelfells gelb durchscheinend. .An dem hintern Rand des Trommelfells, etwa an der Grenze zwischen hinterem unteren und hinteren oberen Quadranten eine über stecknadel- kopfgrosse dunkle, perlenartige Blase sichtbar.

Den 13. Februar: Exanthem überall bis auf die Extremitäten am Verblassen. Befund der Lungen unverändert. Husten noch immer stark.

Ohrbefund: Linkes Trommelfell wie am 12., rechts Vorwölbung und gelbes Durchscheinen in der ganzen hintern Hälfte sowie im vordern untern Quadranten. In der vordern Hälfte schneidet die gelbe Farbe mit scharfer horizontaler Linie ab, etwa vom Umbo nach vorn ziehend; der darüber liegende vordere obere Quadrant erscheint mehr grauroth. An Stelle der perlenartigen Blase an der hintern Peripherie ein kleiner braunrother Punkt sichtbar.

Den 15. Februar: Exanthem stark abgeblast. Husten noch immer stark.

Ohrbefund: Linkes Trommelfell diffus grau getrübt, Reflex etwas vom Umbo abgerückt. Rechtes Trommelfell gelblich-grau-roth, im Ganzen vorgewölbt.

Den 17. Februar: Starker, rauher croupähnlicher Husten; auf den Lungen keine ausgesprochene Dämpfung nachzuweisen. R. H. O. und _R. H. U. Bronchialathmen und reichliche trockene Rasselgeräusche. L. H. O. Bronchialathmen, keine Rasselgeräusche. Exanthem völlig abgeblasst.

Ohrbefund: Linkes Trommelfell hintere obere Parthie gelbgrau und anscheinend etwas vorgewölbt. Rechts intensivere Gelbfärbung und deutliche Vorwölbung, anscheinend auch etwas Druckempfindlichkeit der Pars. mast.

Den 18. Februar: Beiderseits tympanitischer Schall und scharfes Bronchialathmen ; spärliche trockene Rasselgeräusche überall zu hören.

Den 19. Februar: Exitus letalis. Anatomische Diagnose:

Pneumonie in beiden Unterlappen; lobulär pneumonische Herde in beiden Oberlappen. Croup des Larynx und der Trachea. Leichte Schwellung der Epiphysen und der Verknöcherungsgrenze der Rippen- knorpel; Verbreiterung der Diploë des Schädels. Verdünnung des Schädels an der vorderen Fontanelle. Masern.

Linkes Schläfenbein: Trommelfell von normaler grauer Farbe und normalem Glanz ohne auffällige Wölbungserscheinungen. In der vorderen knöchernen Gehörgangswand eine hirsekorngrosse Lücke. Grosses Packet von theilweise haselnussgrossen auf dem Durchschnitt frisch injicirten und markig infiltrirten Drüsen in der Fossa retromax.

Die Schleimhaut des Nasenrachenraums, soweit erhalten, ebenfalls frisch injicirt und stark higelig geschwellt.

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 223

Nach Dürchschneidung des Mittelohres findet sich schleimig eitriges Secret am Ostium tymp., in der vorderen v. Tröltsch’schen Tasche, am ganzen Boden der Paukenhöhle, in den Crypten des Antrum und in der Nische des runden und ovalen Fensters. In der ‘knorpeligen Tuba wenig schleimig eitriges Secret. Die mässig entwickelte Injection der Schleimhaut erstreckt sich von der knöchernen Tuba über den Boden der Paukenhöhle und das Antrum. Leichte Schwellung findet sich nur am Boden der Paukenhöhle, Ebenso ist die die Gehör- : knöchelchen, Hammer und Ambos einschliessende Schleimhaut etwas stärker verdickt.

Trommelfell an der Schleimhautfläche vollständig injectionsfrei. Knorpelige Tuba nicht wesentlich verändert.

10. Fall. D., Babette, 9 Monate, illeg. Eintritt den 25. März 1889.

Anamnese: Künstlich ernährt. Soll in den ersten Tagen schon einmal Masern gehabt haben. Seit 4 Tagen besteht Appetitlosigkeit und Unruhe, seit heute früh Ausschlag.

Status praes. den 26. März: Sehr gut genährt. Ausgedehntes Masernexanthem, besonders stark am Rücken. Leichte Conjunctivitis und Rhinitis. Geringer Husten. Wenige feuchte Rasselgeräusche beider- seits unten. Zunge frei. Leichte Angina.

Den 28. März: Exanthem sehr abgeblasst: kleienförmige Abschil- ferung im Gesicht; wenig Husten; Stimme ziemlich heiser.

Den 30. März: R. H. O. Dämpfung bis zur Mitte der Scapula. Knisterrasseln an der untern Grenze. Viel Husten. Aus dem rechten Ohre fliesst dünner, übelriechender Eiter.

Den 3. April: Angestrengtes Athmen mit Einziehung des Epi- gastrium. Dämpfung mit zuweilen bronchialem Athmen.

Den 4. April: Angestrengtes Athmen wie am 3. Fauces frei.

9 Uhr Vorm. Exitus letalis.

Anatomische Diagnose:

Lobäre Pneumonie im r. Ob. und UL., lobuläre Herde im 1. UL.; schleimig eitrige Bronchitis. Masern.

Rechtes Schläfenbein: Stark entwickelte adenoide Vege- tationen, auf der Höhe theilweise mit frischen roten Blutpunkten besetzt, mit tiefen dazwischen liegenden Falten am Fornix und in der Rosen- müller’schen Grube. In einer dieser Falten noch diphtheritischer Belag. Unter dem vordern Rande des M. sterno-cleido-mast. grosse, auf dem Durchschnitt markig infiltrirte und halb durchsichtig erscheinende Lymphdrüsen, theilweise ebenfalls mit frischen Blutpunkten besetzt.

Tegmen tymp., Porus acust. intern. und Sinus sigmoid. unverändert. Von der vorderen knöchernen Gehörgangswand nur der obere und untere Theil vorhanden; zwischen beiden noch eine grosse, nahe bis zum Trommelfell reichende Lücke, welche gegen die äussere Gehörgangs- grenze noch nicht geschlossen ist. In der Tiefe des knöchernen Ge-

224 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

hörgangs macerirte Epidermis und eitriges Secret. Vom Trommelfell sind nur noch die Weichtheile entlang des Hammergriffs erhalten, welche am Umbo noch mit demselben zusammenhängen, weiter oben dagegen nur mehr als abhebbare Brücke über den hier nackten Hammergriff weglaufen. Dieselben sind auf der Aussenfläche ebenso wie der an sie anschliessende hintere oberste Theil des knöchernen Gehörgangs von Epidermis entblésst, succulent, roth mit einzelnen kleinen . Blut- extravasaten besetzt. In der Paukenhöhle und dem Antrum rahmig eitriges Secret. . Das Tegmen etwas schmutzig verfärbt, ebenso die mässig geschwellte Schleimhaut der Paukenhöhle über den Gehör- knöchelchen und an der Innenwand und ebenso die Schleimhaut im Antrum und in ein paar bereits vorhandenen anschliessenden Zellen. Hie und da finden sich hier nackte Knochenquerwände. Am unteren Ende des Hammergriffs haftet innen fibrinöses Exsudat. Auf der Innen- fläche der Paukenhöhle und 'dem Stapes ein schmutziges Blutextravasat. Stapes von normaler Beweglichkeit, seine Sehne erhalten. Die Röthung

und Succulenz erstreckt sich noch in die knöcherne Tuba, während die `

Schleimhaut der knorpeligen in ihrem Verlauf normal erscheint. Am Ostium pharyng. erstreckt sich die adenoide Substanz etwas in das Tubenlumen herein.

Nach dem obigen Befund lag in diesem Falle ausser den frischen Veränderungen (Blutextravasate und fibrinöses Exsudat) aller Wahr- scheinlichkeit nach eine schon vor den Masern bestehende chronische Mittelohreiterung vor.

IL. Fall. R., Eduard. 1!/, Jahr, Feinbüglerinnenkind. Eintritt den 22. Januar 1890.

Anamnese: Am 12. Jan. erkrankte Patient mit Erbrechen, Fieber und Husten; am 16. Masernausschlag; am 19. Lungenentzündung. Der Zustand besserte sich, bis am 22. früh wieder starkes Fieber eintrat.

Status praes. den 23.: Kräftig gebautes, gut genährtes Kind. Häufiger kurzer, trockner Husten. Athmung frequent, häufig stöhnend. R. H. U. relative Dämpfung bis über den Angulus scapulae. Daselbst nahe der Wirbelsäule Bronchialathmen und zahlreiches gross- und mittel- blasiges klingendes Rasseln. Stimmfremitus in der Fossa infraspinata dextra verstärkt, im übrigen Schnurren und Giemen. Etwas Coryza; Stimme laut. Puls mässig voll, weich, regulär. Leichte Röthung der Fauces; geringe Schwellung der Tonsillen.

Den 24.: Bronchialathmen R. H. U., nirgends deutlich; zahlreiches klingendes Rasseln.

Den 25.: Seit vergangener Nacht Crouphusten. Fauces mässig geröthet, ohne Belag.

Ohrbefund: Aus dem rechten Ohre besteht mässiger geruchloser, eitriger Ausfluss. Nach Entfernung des Secrets zeigt sich: die Epidermis des Gehörgangs wie Trommelfells abgelöst, das letztere zum Theil noch deckend. -Die freien sichtbaren Stellen des Trommelfells erscheinen

0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 225

lebhaft roth. Links präsentirt sich das Trommelfell als gleichmässig düster graurothe Fläche, an welcher Genaueres sich nicht erkennen lässt.

Den 26. Nachts 1 Uhr, nachdem Pat. 2 Stickanfälle gehabt, Intubation. Ziemlicher Reizhusten ; später Athmung frei. Fauces wie am 25. Mässig viel Schnurren und rauhes Athmen.

Den 27.: Nur noch R. U. in der Seite verschärftes Athmen; sonst überall pueriles Athmen, Schnurren und Giemen. Fauces frei von Belag, etwas geröthet.

Ohrbefund: Etwas vermehrter geruchloser eitriger Ausfluss rechts. Defect beinahe der ganzen vorderen Hälfte des Trommelfells. Links Befund wie am 25.

Den 28.: R. U. lateralwärts scharfes Bronchialathmen in über fünfmarkstückgrosser Ausdehnung mit klingendem mittelblasigem Rasseln. Auf der linken Tonsille mehrere lacunäre halblinsengrosse rundliche Beläge. Ganze Rachenwand anscheinend mit dicker Auflagerung be- deckt. Athmung frei, frequent (60). Viel Husten mit schleimig eitrigem Auswurf.

Den 29.: Ueber der rechten Lunge an der Spitze und der Scapulargegend Dämpfung und scharfes hauchendes Bronchialathmen.

* Belag im Rachen wie am 28. Ohrbefund: Links Gehörgang trocken, Trommelfell dunkel er- scheinend. Rechts ziemlich reichliche eitrige Secretion.

Den 30. Januar: Exitus letalis. Anatomische Diagnose: Lobäre croupöse Pneumonie im r. O. und UL., frische sero-fibrinöse

Pleuritis, lobulär-pneumonische Herde im L UL.; sero-fibrinöse Pleu- ritis links. Abgelaufene Rachendiphtherie. Milztumor. Darmkatarrh.

Linkes Schläfenbein: In der Fossa retromax. findet sich ein grosses Packet von erbsen- bis lampertsnussgrossen Lymphdrisen. Tuben- eingang, besonders hinterer Wulst, sowie Rosenmüller’sche Grube lebhaft geröthet und etwas geschwellt. Vordere knécherne Gehérgangs- wand bis auf eine feine Oeffnung am innersten Ende, dem Recessus entsprechend, vollkommen gebildet. Nach Entfernung derselben zeigt sich das Trommelfell in livid blaugrauröthlicher, matt bleiglänzender Farbe und lässt nichts von dem Hammer erkennen. Die Trichterform ist beinahe ganz aufgehoben und erscheint es mehr flächenhaft mit nur geringer Einziehung in der Mitte. Die Färbung des Trommelfells er- streckt sich noch ein Stück auf die hintere und untere knöcherne Ge- hörgangswand.

Nach Entfernung des Tegmen findet sich Paukenhöhle und Antrum mit eitrigem Secret erfüllt.

Sägeschnitt parallel dem Trommelfell durch die Mittelohrräume. Nach Abspülung des Secrets zeigt sich die Schleimhaut der Pauken- höhleninnenwand in fleischfarbener livider Röthung, mässig geschwellt. Steigbigelképfchen und seine Sehne ragen gerade aus der Schwellung

226 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

noch hervor. Schleimhaut im Antrum und den Warzenzellen ebenfalls geröthet, wenig geschwellt.

Das Trommelfell zeigt von innen normale Trichterform; starke radiäre Injection am Umbo, sonst trüb röthlich durchscheinend.

Vom Ambos ziehen Schleimhautfäden und Bänder nach oben und rückwärts.

Die am Tubenwulst sichtbare lebhafte Injection verliert sich hinter dem Eingang, knorpelige Tuba unverändert. Tympanales Ostium der Tuba und knöcherner Theil nur mässig livid verfärbt, Schleimhaut kaum geschwellt; Isthmus frei.

Die etwas geschwellte Schleimhaut auf dem Ambos zeigt ganz feine Gefiissinjection. |

12. Fall. L., Margarethe, 2!/, Jahr, illeg. Eintritt den 12. April 1889. |

Diagnose: Morbilli, Diphtherie, Lobulärpneumonie.

Anamnese: Pat. soll bisher stets gesund gewesen sein. Seit 10 Tagen geschwollene Cervicaldrüsen, die im Ambulatorium des Kinder- spitals incidirt wurden. Seit 2 Tagen starker Husten, Appetitlosigkeit mit starkem Fieber. Gestern Ausbruch des Exanthems.

Status praes. den 13. April: Ziemlich kräftige Constitution; aus- geprägtes Masernexanthem über den ganzen Körper. Inguinal-, Sub- maxillar-, Cervicaldrüsen geschwellt. Rippenknorpel am Uebergang in die Rippen aufgetrieben. Spärliche feuchte Rasselgeräusche über beiden Lungen. Sehr starker Husten. Puls ziemlich voll, weich. Gaumen fleckig geröthet mit leichtem Belag.

Den 15.: Exanthem abgeblasst ; Husten geringer.

Den 19. April: Beginnende kleienférmige Abschuppung oben an der Brust. Zerstreutes feuchtes Rasseln über beiden Lungen. Keine Dämpfung. Fauces frei. Stimme voll.

Den 20. April: R. H. O. geringe Dämpfung. Athmung daselbst etwas rauh.

Den 23. April: Masernartiges Exanthem im Untertheil des Gesichts, Obertheil der Brust, Bauch und Riicken. Lungenerscheinungen wie am 20. Starke Röthung der Fauces. Auf Uvula und Tonsillen gelbgrauer Belag.

Ohrbefund: Trommelfell rechts erscheint wenig geröthet, gelblich, reflexlos und namentlich in seiner hinteren Hälfte stark vorgewölbt. Linkes Trommelfell ebenfalls reflexlos, lässt noch den kurzen Fortsatz sowie den Hammergriff in. seinem Verlauf erkennen, ebenfalls leicht vorgewölbt.

Den 24. April: Fauces von dickem, gelblich-grauem Belag bedeckt. Kleienförmige Abschuppung über den ganzen Körper fortgeschritten. Dämpfung R. H. O. kaum noch vorhanden. Vereinzelte klingende Rassel- geräusche ‘daselbst. Das fleckige Exanthem_ besteht noch geringgradig an beiden Armen, vorzüglich den Streckseiten und den Streckseiten beider

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 227

Kniee, besonders dem linken. Pat. schreit mit kräftiger, leicht heiserer Stimme.

Ohrbefund: Linkes Trommelfell im Ganzen wie am 23., nur ist der Hammergriff undeutlicher und die Farbe mehr gelbroth und so stark vorgewölbt, dass vom Hammer nichts mehr zu erkennen ist. Paracentese rechts entleert wenig flockiges Secret. Wegen der be- stehenden Pneumonie wird die Luftdouche nicht vorgenommen. |

Den 25. April: Gelblich grauer, fest anhaftender Belag auf Uvula, vorderen Gaumenbögen und Tonsillen. Urin eiweisshaltig. Schleimig eitriges Secret im rechten Gehörgang.

Den 26. April: Pat. ziemlich somnolent, schreit wenig mit heiserer Stimme. Aussehen ziemlich blass, leicht cyanotisch.

Den 27. April: Zahlreiche feuchte Rasselgeräusche über beiden Lungen. Spur von Dämpfung links hinten unten. Rechterseits das puerile Athmen schwächer als links. Pat. noch somnolenter; Stimme ` heiser. Puls sehr klein, frequent. |

Den 28. April: Ziemliche Somnolenz, blasse Cyanose. Inspira- torische Einziehung der Intercostalräume, Jugulargrube und das Epi- gastrium. Athmung stridorés. Athmungsgeräusch sehr schwach. Puls fast unfühlbar.

4!/, Uhr Nachm. Exitus letalis.

Anatomische Diagnose:

Diphtherie des Rachens; allgemeine Anämie. Schwellung des Kehlkopfeingangs, Lobulärpneumonie beider Lungen. Tuberkulose der Bronchialdrüsen und marant. Thrombose im rechten Herzen; leichte Lebercirrhose ; leichte Rhachitis; schlechte Ernährung. Masern.

Rechtes Schläfenbein: Im Sinus sigmoid. frischer Cruor. Dura und Porus acust. int. normal. Im Tubeneingang glasiger Schleim. Der Nasopharyngealraum, soweit erhalten, nahezu ausgefüllt mit ade- noiden Vegetationen; auf denselben fleckige Röthung, ebenso auf dem Tubenwulst. Die Fossa retromax. ausgefüllt mit markig infiltrirten und verschieden stark ‘injicirten Lymphdrüsen.

Vordere untere Gehörgangswand vollkommen entwickelt. Im Gehör- gang etwas geruchloses Secret und eine grosse, wie es scheint der ganzen Auskleidung des knöchernen Gehörgangs entsprechende Epi- dermislamelle. Knöcherne Gehörgangswand lebhaft geröthet und glänzend. Die Injection zieht sich am Hammergriff bis zum Umbo herunter. Am hinteren oberen Quadranten haftet ein halblinsengrosses fibrinöses Exsudat fest an. An der hinteren oberen Peripherie befindet sich ein ebenso grosses rundliches Geschwir mit weissgelbem Grunde. Nach vorne unten, ganz an der Peripherie eine längsovale Perforation.

Nach Entfernung des Tegmen zeigen sich die Mittelohrräume mit blass-grauröthlicher Schleimhaut erfüllt, aus welcher der Hammerkopf hervorschaut. Nach Wegschieben der Schleimhaut findet sich dünnes serös-eitriges Secret.

228 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

Schnitt durch die Paukenhöhle parallel dem Trommelfell. Schleimhaut auf dem Promontorium ebenfalls blass-grauroth infiltrirt, in der hinteren Hälfte von fibrinösem Exsudat belegt, welches sowohl die Nische des runden Fensters ausfüllt, als das Steigbügelköpfchen kranzförmig um- giebt. Ebenso ist die Innenfläche des Trommelfells bis auf die nächste Umgebung des Umbo mit festen dicken Exsudatmassen bedeckt, welche auch den Hammer und Ambos umgeben. Die Perforation im Trommel- fell führt mitten in diese Exsudatmassen, welche sich auch bis in das Antrum erstrecken. In den anschliessenden, etwas über !/, des Warzen- theils ausfüllenden Zellen findet sich nur serös-eitriges Secret. Die Schleimhaut ist hier grau, nur hie und da mit einer Spur von Injection, sehr wenig geschwellt.

Am Boden der knöchernen Tuba findet sich ebenfalls eine ovale Knochenzelle mit schleimig-eitrigem Secret gefüllt. In der Tuba selbst befindet sich nur am pharyngealen Theil glasiger Schleim. Die Mucosa = ist weder im knorpeligen noch knöchernen Theil verdickt und zeigt nur stellenweise, insbesondere am pharyngealen Ostium, ungleichmässige, zum Theil punktförmige Röthung.

Steigbügel normal beweglich. Der diphtheritische Process grenzt sich ab am Ostium tymp.

13. Fall. R., Johann, 1!/, Jahr, illeg. Eintritt den 24. Febr. 1890.

Diagnose: Morbilli, Bronchopneumonie.

Anamnese: Vor 10 Tagen Masern. Der Ausschlag bestand nur 2 Tage. Husten von Anfang an. Appetit gering.

Ohrbefund den 25. Februar: Nachdem am 24. beide Gehör- gänge frei von Secret gefunden wurden, ist heute der linke Gehörgang mit gelblichem, geruchlosem, eitrigem Secret erfüllt. Rechtes Trommel- fell schwer zu überschauen, grauroth, gerunzelt. Die Abendtemperatur am 24. betrug 39,3, am 25. früh 38,8, Abends 37,1 und bleibt unter 38° bis zum 3. März.

Den 26. Februar: Linkes Trommelfell stark geröthet, hinten oben mit Epidermis bedeckt: in der vordern Hälfte, anscheinend nahe dem Umbo, eine ganz kleine, runde Perforation.

Den 27. Februar: Rechtes Trommelfell trübgrau, wenig glänzend, von anscheinend fast normaler Wölbung. Die Eiterung links hat unter Borsäurebehandlung aufgehört.

Den 9. Marz Exitus letal.

Anatomische Diagnose:

Lobuläre Pneumonie im linken U.-L., lobulär confluirende Pneu- monie im linken O.-L. und sämmtlichen Lappen der rechten Lunge. Leichte Schwellung der Peyer’schen Plaques.

Rechtes Schläfenbein: In der Umgebung der Vena jugular. findet sich ein Packet bis haselnussgrosser Lymphdrüsen. Die adenoide Substanz am Rachendach stark lappig entwickelt, mit schleimig-eitrigem

0O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 229

Secret belegt. Ebenso schleimig-eitriges Secret im pharyngealen Tuben- ostium. Der Tubenwulst und die adenoide Substanz zeigt insbes. auf den Convexitäten feine Gefässinjection.

Vordere knöcherne Gehörgangswand bis auf ein erbsengrosses Loch entwickelt. Nach Entfernung derselben zeigt sich das Trommelfell in tact, die Wölbung etwas abgeflacht, stark radiäre Injection. Die dünne Epidermisschicht des Trommelfells ist zum Theil losgelöst und lässt sich leicht vollends abziehen.

Nach Entfernung des sehr dünnen Tegmen findet sich Antrum und Paukenhöhle vollständig erfüllt mit schleimig-eitrigem Secret.

Sägeschnitt durch die Paukenhöhle. Nach Abspülung des noch allenthalben anhaftenden zähen Schleims zeigt sich die Schleimhaut der Paukenhöhlen-Innenwand des Aditus und des Antrum stark geschwellt und mässig geröthet. Die Schwellung und Röthung erstreckt sich auch über Hammer und Ambos. Vom Hammer-Ambosgelenk zieht eine breite Schleimhautduplicatur zur äusseren Knochenwand. Ausser dem Antrum sind weitere Zellen noch nicht entwickelt. Aus der Schwellung ragt nur das Steigbügelköpfchen hervor; seine Sehne ist bedeckt. Eine ziem- lich beträchtliche unregelmässig granulirte Schwellung und Röthung der Schleimhaut findet sich am tympanalen Tubenostium ohne sich indes weiter in die knöcherne Tube selbst zu erstrecken.

In der ganzen sonst unveränderten knorpligen und knöchernen Tube schleimig eitriges Secret.

14. Fall. V., Konstantin, 9 Jahr, Schäferssohn. Eintritt den 1. Januar 1890. `

Anamnese: Vor ca. 8 Tagen waren die Masern aufgetreten, zu welchen sich am 28. December Lungenentzündung gesellte. Seitdem besteht häufiger kurzer Husten und frequente Athmung. Appetit schlecht, viel Durst.

Status pris. Mässig kräftig gebaut und wenig gut genährt. Es sind noch Reste des Morbillenexanthems in Gestalt schmutzig gelblicher, auf Fingerdruck nicht verschwindender Flecke, besonders an den unteren Extremitäten sichtbar.

Lungen: R. V. ist die ganze Seite leicht tympanisch, Zwergfell- tiefstand mit geringer inspiratorischer Verschiebung. R. V. O. ver- schärfte Athmung, unten ist das Athmungsgeräusch schwach und durch grossblasiges Rasseln, Giemen und Schnurren ziemlich verdeckt. Aehn- lich R. H. U. In den übrigen Theilen der Lunge ebenfalls grossblasiges Rasseln, Giemen und Schnurren. Frequente, flache Athmung, häufiger trockener Husten. |

Puls schlaff, regelmässig. Herzdämpfung etwa Markstückgross. Milz- dämpfung klein, Zunge belegt, starke Röthung der Fauces. Leichte Benommenbheit, fortwährende Unruhe der Glieder. Viel Durst.

Den 3. Januar: Ziemliche Cyanose der Extremitätenenden. Starke Athmungsfrequenz (52).

230 0. Rudolph: 18Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

Den 4. Januar: Auf der ganzen rechten Seite hinten und in der Fossa supraclavic. kurzer Perkussionsschall, in der Fossa infraspinata mit tympanitischem Beiklang. Klingendes gross- und mittelblasiges Rasseln daselbst. Zunehmende Mattigkeit.

Ohrbefund: Trommelfell beiderseits etwas dunkler als gewöhn- lich, rechts mit deutlichem, normalem Reflex, links Reflex undeutlich. Hörweite für Flüstersprache beiderseits ca. 3m („9“ am schlechtesten).

Den 6. Januar: Auch links unten in der Seite klingendes Rassel- geräusch. Sonst wie bisher.

Ohrbefund: Farbe der Trommelfelle wie am 4. Reflex nicht deutlich. Flüstersprache rechts 1m, links 4m. Stimmgabel a! vom Scheitel in’s rechte. Rinne a! rechts 4, links + 12.

Den 7. Januar: Starker Durst. R. H. O. verschärfte Athmung, . sonst keine Aenderung. |

Ohrbefund den 8. Januar: Rechts kleiner punktförmiger Reflex im Umbo. Farbe des Trommelfells auffällig dunkel. Links reflexlos; grauröthlich, hintere Hälfte vielleicht etwas gewölbt. Flüstersprache 11/,—2 m beiderseits.

Den 9. Januar: Feinblasiges Rasseln bei der Athmung, auch auf die Entfernung hörbar. Dämpfung R. U. in der Seite etwas stärker und grösser. Im übrigen Lungenerscheinungen und Allgemeinbefinden gleich.

Ohrbefund: DBeiderseits Röthung und Vorwölbung, besonders der hinteren Hälfte. Flüstersprache rechts 80 cm, links 1,20 m. : Weber’s Versuch mit a! in’s rechte. Rinne a! rechts 10, links + 3 bis 5.

Den 10. Januar: Seit einigen Tagen Heiserkeit, leichte Röthung der Fauces. |

Den 11. Januar: Seit gestern wirft Pat. etwas schleimig-eitriges Sputum aus. Fieberhafte Röthe beider Wangen. Milzdämpfung an- dauernd klein.

Den 13. Januar: Heiserkeit zugenommen ; im Uebrigen keine Ver- änderungen. Von Abends 5 Uhr ab zunehmende stridoröse Athmung. Ziemlich starke Röthung der Fauces. Auf der linken Tonsille ein über stecknadelkopfgrosser, scharf umgrenzter Belag. Transferirung auf die Diphtherieabtheilung. Daselbst um 11 Uhr Nachm. Intubation. Mässiger Reizhusten, Athmung dann frei.

Ohrbefund: Trommelfell beiderseits dunkelroth und vorgewölbt, reflexlos, Hammergriff unsichtbar.

Den 14. Januar: Ziemlich viel Husten. Reichlich schleimig-eitriger Auswurf. Relative Dämpfung L. V. U. bis zur Clavicula. Das klingende Rasseln in grösserer Ausdehnung sichtbar. Röthung der Fauces gering, kein Belag mehr sichtbar.

Den 15. Januar: Befund wie gestern, doch Abnahme der Kräfte. 11 Uhr Vorm. Extubation. Anfänglich Athmung frei, später zunehmender Stridor, weshalb um 12 Uhr wieder Intubation. Erleichterung.

0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 231

Ohrbefund: Im Ganzen wie oben: Den 17. Januar früh Exitus letal.

Anatomische Diagnose:

Abgelaufene Rachendiphtherir, Kehlkopfdiphtherie, eitrige Bronchitis, Bronch. fibrin. in beiden Lungen, namentlich in der rechten; frische beiderseitige Pleuritis, allgemeine Anämie. Pneumon. Herde. Zu subacute Bronchopneumonie.

Linkes Schläfenbein: Unter dem Warzenfortsatz einige Te ‚grosse, succulente Lymphdrüsen. Adenoide Substanz im Nasenrachen- raum in starken Lappen entwickelt, erstreckt sich auch über den ganzen ` Tubenwulst. Das pharyngeale Tubenlumen selbst ist dadurch spaltförmig verengert (das letztere in Folge der Erhaltung des Proc. pterygoid. an diesem Präparat zu constatiren.)

Trommelfell zeigt eine livid graurothe Farbe, welche sich nach oben auch noch etwas auf den knöchernen Gehörgang verbreitet; die Cutisschicht über dem Hammergriff ist unregelmässig gefaltet und von dem letzteren etwas abgehoben, sodass er und der kurze Fortsatz nicht sichtbar sind.

Nach Entfernung des Tegmen findet sich die Paukenhöhle und das Antrum gefüllt mit Eiter.

Sägeschnitt parallel dem Trommelfell durch die Paukenhöhle. Der Eiter lässt sich leicht allenthalben wegspülen; nur im hinteren Ende des Antrum haftet eine weisse, ca. erbsengrosse Pseudomembran der Schleimhaut mit einzelnen Fäden an.

Die Schleimhaut des Antrum und der Paukenhöhle ist nur wenig verdickt, grösstentheils bereits von knochengelber Farbe, etwas trüb, nur stellenweisse Inseln von einzelnen lividen Gefässen., Nische des runden Fensters frei. Schleimhaut der Gehörknöchelchen etwas stärker verdickt, aber ebenfalls blass, nur mit einzelnen Gefässen. Verhältniss- mässig die stärkste (gleichmässig radiäre) Injection zeigt die Innenfläche des Trommelfells. Ebenso erstreckt sich eine ziemlich gleichmässige _kleinfleckige Injection in die knöcherne Tube, während vom Isthmus ab die Injection so ziemlich aufhört. Am vorderen inneren Theil der Warzenfortsatzspitze findet sich eine bohnengrosse ebenfalls mit Eiter gefüllte Zelle, deren Schleimhaut wenig verdickt, nur einzelne livide Gefässe zeigt.

Rechtes Schläfenbein: Tuba und Nasenrachenraum am Prä- parat nicht erhalten. Das rechte Trommelfell zeigt eine ähnliche livid rothe Färbung, wie sie links beobachtet wurde, in der einzelme von der Innenfläche durchscheinende Gefässe sichtbar sind. Kurzer Fortsatz nur undeutlich vorspringend. Reflex an normaler Stelle erhalten.

Mittelohr ebenfalls ausgefüllt mit Eiter. Das ganze Antrum mit einem noch theilweise anhaftenden und nicht herausschwemmbaren fibri- nösen Exudat gefüllt. In der oberen Hälfte des Warzentheils noch Eiter

232 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

und blasse, theilweise granulirende Schleimhaut. Zwei grössere, an der Spitze des Processus liegende Zellen finden sich leer, mit nicht ver- dickter, nur wenig injicirter Schleimhaut ausgekleidet. Die Injection in der Paukenhöhle noch etwas stärker ausgesprochen als links. Die Verdickung der Schleimhaut an den fiehörknöchelchen ebenfalls etwas beträchtlicher als links. `

15. Fall. J., Johanna, 4°/, Jahr, Sattlerskind. Eintritt den 21. April 1889.

Anamnese: Pat. vor 10 Tagen wegen Masern in ärztlicher Be- handlung, erkrankte vor 3 Tagen unter allmähligem Verlust der Stimme.

Status präs. den 22. April.

Constitution kräftig. Auf beiden Lungen einzelne Rasselgeräusche. Laryngoskopisch zeigte sich der Kehlkopf vom Glottiseingang abwärts und die Trachea, soweit sie zu übersehen, mit grossen festhaftenden Membranen ausgekleidet. Stimmbänder gut beweglich. Im Rachen leichte Röthung, kein Belag. Totale Aphonie und stenotische Inspiration mässigen Grades. Im Laufe der Nacht Intubation.

Den 23. April: Fauces frei von Belag. L. H. U. vom unteren Winkel der linken Scapula nach abwärts leichte Dämpfung. Schnurren und Giemen über beiden Lungen. Kleienformige Abschuppung an beiden Oberarmen. |

Den 25. April: Auf der rechten Tonsille ein stecknadelkopfgrosser, grauweisslicher Belag. Dämpfung wie am 23. Zahlreiche Rhonchi und grossblasige Rasselgeräusche über beiden Lungen, besonders unten. 10 Uhr Vorm. Herausnahme der Tube. Athmung ziemlich frei, spricht mit etwas Stimme. Nach !/, Stunde beginnt die Athmung stenotischen Charakter anzunehmen; zunehmende Dyspnoe, um 12!/, Uhr Orthopnoe, ziemliche Cyanose. Einziehung des Jugulum und Epigastrium, Intubation.

Den 27. April: Athmung andauernd frei. Lungenbefund wie am 25. Fauces frei. Herausnahme der Tube 10 Uhr Vorm. 3!/, Uhr Nachm. wegen zunehmender Dyspnoe wieder Intubation. Athmung frei. 8 Uhr Abends normal. Herausnahme der Tube und 11 Uhr wieder Intubation.

Den 28. April: Keine Veränderung. Hustet viel geballtes, eitrig- schleimiges Sputum aus.

Den 30. April: Ziemlich intensive Dämpfung von der linken untern Scapularfläche nach abwärts. L. H. U. scharfes bronchiales Athmen. Sonst Lungenerscheinungen unverändert. 10 Uhr Vorm. wird unter heftigem Husten und Würgen die Tube spontan herausgeschleudert.

Den 1. Mai: Athmung frequent aber ohne stenotische Erschei- nungen. Pleuritisches Reiben links hinten unten.

Ohrbefund: Rechts erscheint das Trommelfell im Ganzen gelb- röthlich. besonders in der hinteren Hälfte vorgewölbt und etwas radiär

O0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 233

injicirt. Linkes Trommelfell, abgesehen von Injection entlang dem Hammergriff, normal. Flüstersprache ca. 3 m.

Den 2. Mai: Reichliches, schleimig-eitriges Sputum, einige Schleim- ballen besitzen eine rostähnliche Färbung. Die Dämpfung linkerseits reicht bis vor die vordere Axillarlinie und hat in der Achselgegend tympanitischen Beiklang. Pat. leicht cyanotisch. Puls mässig voll, frequent, sehr schlaf. Fauces leicht geröthet, frei von Belag. Stimme vollständig klanglos. Auf der Zunge schmieriger Belag, Ränder frei, Papillen prominent. Urin enthält mässig viel Eiweiss. Abschuppung der Haut im Aufhören begriffen. Sehr starkes Verschlucken beim Trinken von Flüssigkeit.

Den 3. Mai: Im Sputum keine Tuberkelbacillen. Grosse Schwäche; etwas Sopor. | u

Den 4. Mai: Auch rechts hinten unten etwas Dämpfung und reichliches grossblasiges Rasseln; sonst wie gestern.

Den 5. Mai: Pat. sehr rane Extremitätenenden und EE kühl. Pat. hustet nicht viel (aus Schwäche). Trachealrasseln. Herz- töne schwach, rein. Puls fast unfühlbar. Pat. leicht cyanotisch, blass.

Den 6. Mai: 7!/, Uhr Vorm. Exitus letal.

Anatomische Diagnose:

Croupöse Pneumonie beider Unterlappen und des rechten M.-L.; frische fibrinöse Pleuritis; Rachendiphtherie; Croup des Kehlkopfs und der Trachea; eitrige Bronchitis; alte Adhäsivpleuritis rechts; geringer Milztumor.

Rechtes Schläfenbein: Fleckige Röthung und lappige Hyper- trophie der Rachentonsille mit Ausbreitung des adenoiden Gewebes über die Rosenmüller’sche Grube in das Ostium pharyng.; in letzterem etwas sanguinolenter Schleim.

In der Fossa retromax. ein Packet markig infiltrirter, gerötheter Lymphdrisen.

Im Recessus des Gehörgangs etwas seröses gelbliches Secret. Trommel- fell in seiner Form unverändert, insbesondere um den Hammergriff diffus livid. Epidermis durch Maceration verdickt. Grenze zwischen Trommel- fell und Gehörgangswand verschwommen. °

Nach Entfernung der Tegmen erscheinen Paukenhöhle, Antrum und die wenigen an dasselbe anschliessenden Zellen mit trübem Serum und zähen Schleimflocken ausgefüllt. Die letzteren sind schwer wegen ihrer Zähigkeit von der Gehörknöchelchenkette zu entfernen. Die Schleim- haut zeigt allenthalben mässige Injection, bei der sich überall die ein- zelnen Gefässe noch erkennen lassen, ohne wesentliche Schwellung.

Der Steigbügel ist bis zu seinen Schenkeln zu überschauen und frei beweglich. Auch die Nische des runden Fensters nicht durch Schwellung verschlossen.

Eine zarte radiäre Injection befindet sich auf der Schleimhautfläche des Trommelfells. An den Gehörknöchelchen nur einzelne, kleine, rothe

Zeitschrift für Ohrenbeilkunde, Bd. XXVIII. 17

234 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

injieirte Flecken. Am stärksten ist die Gefässfüllung an der Innenwand der Paukenhöhle und insbesondere der knöchernen Tube, während ihre Aussenfläche nur geringe Injection zeigt, die sich im oberen Theil des Isthmus ganz verliert. In der knorpligen Tuba gegen das Ostium pharyng. zunehmende, diffuse, graurothe Färbung. |

16. Fall. B., Emma, 2 Jahr, Fabrikarbeiterskind. Eintritt den 24, Marz 1890.

Den 21. März Morbillenexanthem, den 1. April über den Lungen Zeichen einer diffusen Bronchitis.

Ohrbefund, den 29. März: Rechtes Trommelfell von schiefer- blaugrauer Farbe, glänzend, Epidermis leicht gerifft. Reflex etwas ab- gerückt; hintere und untere Parthie leicht röthlich.

Linkes Trommelfell reflexlos, röthlichgrau; vom Hammer nur mehr der kurze Fortsatz deutlich.

Ohrbefund, den 10. April: Rechts auch der Proc. brevis in Folge der Epidermisabhebung unsichtbar geworden.

Ohrbefund, den 13. April: Rechts wie oben.

Links entfernt die Spritze macerirte Epidermis in ganzen Lamellen, Trommelfell trotzdem nicht ganz frei zu machen von Epidermis.

Den 14. April: Linkerseits zeigt sich den Unterkiefer entlang eine starke Drüsengeschwulst, welche nach dem Angulus mandibulae an Intensität zunimmt.

Den 15. April: Auch rechts hat sich heute am Unterkieferrande eine starke Drüsenschwellung eingestellt, welche mit Jod bepinselt wird.

Den 21. April: Aus der Nase fliesst eitrige Flüssigkeit. Aus- spülung mit 4°/, Borlösung. Die Drüsenschwellung rechts beginnt etwas weicher zu werden.

Den 23. April: Defunctus.

Anatomische Diagnose:

Croupös-diphtherische Laryngitis nach Masern; eitrige Lymph- adenitis der obern Halslymphdrüsen; Periadenitis und beginnende Phlegmone der submax. Halsweichtheile. Eitrige Bronchitis. Broncho- pneumonie und Atelectasie im rechten UL Alte Adhäsivpleuritis. Oxyuris vermicularis.

Rechtes Schläfenbein: In der Fossa retromaxillaris ein nach dem Rachen gegen die Gaumenbögen sich erstreckender vor und unter- halb der Tube sich öffnender grösserer Abscess. Tubenostium mit eitrigem Secret belegt, zeigt nach Abspülen desselben auf der Höhe des Tubenwulstes etwas Injection.

Vordere Gehörgangswand bis auf eine kleine runde, für einen Ohr- sondenknopf eben durchgängige Oeffnung vollkommen gebildet. Vom

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 235

Trommelfell lassen sich 2 Epidermisschichten, die oberste leichte, die untere dünnere nur theilweise abziehen, worauf dann das Trommelfell dunkelroth zum Vorschein kommt.

Nach Entfernung des Tegmen tymp. zeigt sich die Schleimhaut des Antrum und der Paukenhöhle geröthet und beträchtlich verdickt. Die Mittelohrräume sind vollständig angefüllt mit zum Theil Der eitrigem, geruchlosem Secret.

Sägeschnitt parallel dem Trommelfell durch die Paukenhöhle. Ab- spülung des Secrets. Eröffnung der Tuba. Die Schleimhaut der Pauken- höhle wie der Gehörknöchelchen und des Trommelfells erscheint allent- halben stark verdickt und geröthet. Die Schwellung und Röthung er- streckt sich auch in die knöcherne Tube, verliert sich aber bis zum Isthmus vollständig; die knorplige Tube erscheint normal, Die Schwel- lung der Schleimhautplatte des Trommelfells ist so stark, dass das Tages- licht nur schwach durch dasselbe durchscheint.

Im kleinen, bohnengross entwickelten Antrum dieselben Verhält- nisse der Schleimhaut, nur ist die Röthung weniger intensiv.

Stapediussehne eben noch durch die Schwellung sichtbar. Steig- bügel normal beweglich.

Am stärksten ist die Schwellung der Schleimhaut an den Gehör- knöchelchen, so dass zwischen Hammergriff und langem Ambosschenkel kein Zwischenraum mehr besteht.

In der beifolgenden Tabelle S. 236 ff. gebe ich eine übersichtliche Zusammenstellung der 18 Schläfenbeinsectionen mit specieller Berück- sichtigung der allgemeinen anatomischen Diagnose und der in den einzelnen Regionen des Mittelohres gefundenen pathologischen Verände- rungen, angeordnet nach der Zeit, welche zwischen dem Ausbruch des Exanthems und dem Tode verlaufen war.

Zunächst sei bemerkt, dass unter unseren geschilderten Fällen mit 18 Schläfenbeinen sich 3 Kinder mit 3 Schläfenbeinen im Alter unter 1 Jahr befinden. Es ist von verschiedenen Autoren, wie Zaufal, Wendt u. A., beobachtet worden, dass das Mittelohr von Kindern bis zu einem Jahre in der Mehrzahl der Fälle bei der Section mit schleimiger Sulze erfüllt war. Wir glauben indes, dass diese Beobachtung dem Werthe unserer Fälle auch von diesem Alter keinen Abbruch thut, weil bei denselben ausser dem Secret mehr weniger unverkennbare Zeichen von frischer Entzündung vorhanden sind, welche wohl mit der Masern- affection in Beziehung gebracht werden müssen, und haben deshalb von der Einreihung auch dieser Fälle nicht Abstand genommen.

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18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

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18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

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242 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

Was die Betrachtung unserer Fälle selbst anbetrifft, so sei gleich anschliessend Erwähnung gethan des Sectionsberichts zweier Felsen- beine, welchen S. Moos in seinen „Untersuchungen über Pilzinvasion des Trommelfells im Gefolge von Masern,“ Zeitschrift f. Ohrenheilk. Bd. 18, S. 97 giebt und welcher mit unseren Befunden übereinstimmt. Dieselben stammten von einem 3jährigen, an catarrhalischer Masern- pneumonie nach 14tägiger Krankheitsdauer gestorbenen Knaben.

Moos gibt seinen Befund wie folgt:

„Beide äussere Gehörgänge mit abgestossenem Epithel erfüllt. Beide Trommelfelle dem Promontorium anliegend, glanzlos von gelbrother Mischfarbe, an beiden der Hammergriff nicht sichtbar. Beide Tuben für eine Sonde von 1 mm Durchmesser durchgängig, in ihrem Aussehen unverändert. Der Binnenraum des Mittelohres von einem gelatinösen Exsudat ausgefüllt, die Schleimhaut mächtig verdickt bis zu 3 mm Durchmesser, die Gehörknöchelchen einhüllend, beide Veränderungen links mehr ausgeprägt als rechts. Das gallertige Exsudat besteht aus Körnchenzellen und abgestossenem Epithel.“

Was lehren uns nun unsere obigen Beobachtungen ?

Beginnen wir mit der Frage, ob die Ohraffection bei Masern eine fortgeleitete oder eine primäre sei. Wagenhäuser schreibt hierüber in seinem „Bericht über die Universitätspoliklinik für Ohrenkranke zu Tübingen,“ Archiv f. Ohrenheilk. Bd. 27, pag. 166:

„In fast allen Fällen von Ohrerkrankung im Gefolge von Masern findet sich starke Secretion der Nase und im Nasenrachenraum notirt. Daraus, sowie aus der häufig so protrahirten Entwickelnng nehme ich an, dass es sich bei den Ohrerkrankungen nach Masern in der grössten Mehrzahl der Fälle um vom Nasenrachenraum her fortgepflanzte Processe handelt.“

Tobeitz spricht sich in seiner Arbeit dahin aus, seine Beob- achtungen hätten ihm die Ueberzeugung aufgedrängt, „dass bei Masern vor dem Erscheinen des Hautexanthems, ebenso wie der Respirations- und Digestionstract, wie die Conjunctiva, so auch die Schleimhaut der Tuba Eustachii und der Paukenhöhle erkrankt und zwar, wie die anderen selbstständig und nicht durch Fortleitung des „Catarrhes“ durch die Tuba.“

Bei der Entscheidung dieser Frage fallen vor allen Dingen unsere ersten 5 Fälle mit 6 Schläfenbeinen ins Gewicht. Bei allen diesen Fällen sind nur 3—4 Tage zwischen Exanthemausbruch und Tod ver- strichen, und doch finden wir trotz intactem und nur wenig verändertem Trommelfell die Mittelohrräume angefüllt mit Secret.

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 243

Die weitere Beobachtung in unseren sämmtlichen Fällen, dass wir den oberen Theil der knorpeligen Tuba und den Isthmus tubae stets ohne Veränderung gefunden haben, veranlasst uns der Ansicht Tobeitz’s beizustimmen und die Erkrankung des Mittelohres als eine primäre, nicht fortgeleitete aufzufassen.

Auffällig ist der Befund bei Fall 6 durch seine fast normalen Verhältnisse. Die geringe Affection des Mittelohres lässt sich vielleicht dadurch erklären, dass Patient schon einmal die Masern durchgemacht hat. Die im Mittelohr beobachteten Schleimhautfäden und neugebildeten Membranen könnten dann vielleicht als Residuen der ersten Affection ihre Erklärung finden.

Aus unseren Sectionen ergibt sich, dass hinter einem nicht wesent- lich veränderten Trommelfell oft eine ziemlich ausgedehnte Erkrankung der gesammten Mittelohrräume sich bergen kann.

Der Verlauf der Erkrankung selbst ist als ein in der Regel milder zu bezeichnen. Sehen wir doch bei Fall 16, wo zwischen Exanthem und Exitus letalis 33 Tage verstrichen sind, das Trommelfell gleichwohl noch intact. Dabei haben auch wir, gleich Tobeitz, die Beobachtung gemacht, dass sich die Ohraffection nur selten durch Schmerzen oder Fieber manifestirt. Eher möchten wir nach unseren Erfahrungen noch einigen Werth legen auf die Druckempfindlichkeit des Warzenfortsatzes.

Den sichersten Schluss auf den Grad der Erkrankung des Mittel- ohres pflegen wir sonst aus dem Trommelfellbefund zu machen. Dies ist jedoch bei den Masernotitiden, wie wir aus unseren Sectionen sehen, nicht immer leicht. Gleichwohl zeigt das Trommelfell bei Masern- affection des Ohres, wie wir uns ausser den obigen auch an vielen anderen behandelten Fällen überzeugt haben, meist einen ziemlich charakteristischen Befund:

Es verliert seinen hellen Glanz, der Reflex verblasst und schwindet allmählig ganz und seine Farbe wird eine livid-blaugraue bis weissgraue, wobei die Oberfläche mehr oder weniger fein faltig erscheint. Wie wir auch bei den meisten unserer Sectionen gesehen haben, hebt sich dabei die Epidermisschichte des Trommelfells von der Membrana propr. ab. Damit kommen Hammergriff und schliesslich auch kurzer Fortsatz zum Verschwinden und kann eine leichte Fältelung der Oberfläche zu Stande kommen.

Ueberall, wo sich bei oder nach Masern ein ähnlicher Befund fest- stellen lässt, kann man wohl auf eine ausgedehntere Erkrankung des Mittelohres mit Secretansammlung schliessen.

944 O. Rudolph: 18 Sectionsberichte tiber das Gehérorgan bei Masern.

Der meist langsame Verlauf macht es möglich, dass es noch sehr spät zum Durchbruch des Trommelfells kommen kann und wir haben mehrfach erst 5—6 Wochen nach Ausbruch des Exanthems den spon- tanen Durchbruch erfolgen sehen.

Litteraturangabe. 1. Toynbee, die Krankheiten des Ohres. Deutsche Uebersetzung von Moos. Würzburg 1863.

2. Ueber Ohrenkrankheiten als Folge und Ursache von Allgemeinkrank- heiten. Inaug.-Dissert. v. Joh. Heydloff. Halle 1876.

3. Gottstein, Beitrige zu den im Verlaufe von acuten Exanthemen auf- tretenden Gehörsstörungen. Archiv f. Ohrenheilk. Bd. 17.

4.5.u.6. L. Blau.

4. Beiträge zu den im Verlaufe der acuten Exantheme auftretenden Ge- höraffectionen. Deutsche medic. Wochenschr. 1881, No. 3.

5. Diphtherit. Entzündung des äusseren Gehörgangs nach Morbillen. Berl. klin. Wochenschr. 1884, Bd. 21.

6. Die Erkrankungen des Gehörorgans bei Masern. Archiv f. Ohrenheilk., Bd. 27.

7. A. Tobeitz, die Morbillen, klinische und patholog.-histolog. Studien. Archiv f. Kinderheilk., Bd 8.

8. S. Moos, Untersuchungen über Pilzinvasion des Labyrinths im Gefolge von Masern. Zeitschrift f. Ohrenheilk., Bd. 18.

Ferner:

Lehrbücher der Kinderkrankheiten von Henoch, Baginsky, Gerhardt und Vogel.

Lehrbücher der Ohrenheilkunde von v. Tröltsch, Schwartze, Politzer, Gruber, Urbanschitsch.

Die Morbillen, Thomas. v. Ziemssen’s Handb. 2. Bd., 2. Hälfte. Bohn, die Morbillen. Gerhardt’s Handbuch der Kinderkrankheiten.

Résumé von Bezold.

Die Aufgabe, welche wir uns bei der obigen Sammlung klinischer und pathologisch-anatomischer Ohrbefunde im Verlauf der Morbillen gestellt haben, war, die auffällige Beobachtung von Tobeitz weiter zu verfolgen, dass sich im Mittelohr der Masernkranken durchgängig Eiterungsprocesse abspielen. Es war bereits eine ansehnliche Sections- reihe, auf Grund deren Tobeitz seine Behauptung aufstellte.

Um ihre Verlässigkeit zu prüfen, haben wir in dem obigen Zeit- raum bei allen letal endenden Masernkranken die Section des Gehör-

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 245

organs gemacht und haben zudem, wo nicht beide Seiten zu haben waren, für die Obduction in der Regel diejenige Seite gewählt, welche, wenn vorher untersucht worden war, die geringeren Veränderungen ge- boten hatte, falls überhaupt solche im Leben deutlich vorhanden waren.

Es durfte daher auch von vorneherein von: unseren Befunden nicht erwartet werden, dass sie die schwereren Entzündungs- und Zerstörungs- vorgänge darstellen würden, wie sie sich, ebenso wie bei Scharlach, ge- legentlich auch im Anschluss an Masern entwickeln können. In dem einzigen Fall, in welchem eine Zerstörung des ganzen Trommelfells ge- funden wurde (Fall 10), hatte ein fötider Ausfluss schon bei der Auf- nahme bestanden und lag auch nach dem Sectionsbericht offenbar ein von den Masern unabhängiger chronischer Eiterungsprocess vor.

Trotzdem also alle schwereren Complicationsfälle von Seiten des Ohres absichtlich von der Untersuchung ausgeschlossen wurden, haben wir doch (abgesehen von der eben erwähnten chronischen Mittelohreiterung) in den sämmtlichen weiteren zur Untersuchung gekommenen 17 Gehörorganen eine frische Eiterung in den Mittelohr- räumen gefunden.

Nur in einem Fall beschränkte sich, wie oben erwähnt, die An- sammlung von Secret auf die knöcherne Tuba und machte den Eindruck, als ob dasselbe erst kurz vor dem Tode aus dem Nasenrachenraum in die Tuba hineingeschleudert worden wäre. In Fall 6 fand sich nämlich | bei der Section am 6. Tage nach Ausbruch des Exanthems ausschliesslich im Ostium tympanicum der Tuba ein zähes, trübes; luftblasenhaltiges Secret und das übrige Mittelohr normal. Mag hier ein, wie aus der Anamnese hervorzugehen scheint, bereits in früheren Monaten abgelaufenes Masernexanthem zu einer relativen Immunität der Mittelohrschleimhaut geführt haben; jedenfalls ist dies unter allen unseren Fällen der einzige geblieben, in welchem unzweifelhafte und ausgedehntere entzündliche Erscheinungen in der Mittelohrschleimhaut selbst fehlten.

Eine kurze statistische Zusammenstellung der in den obigen 18 Sectionen constatirten Einzelbefunde habe ich bereits 1893 in meinen „Erkrankungen des Warzentheils“!) gegeben und daselbst auf die Be- deutung dieser frischen Befunde für unsere Einsicht in die Pathogenese der entzündlichen Mittelohrerkrankungen überhaupt hingewiesen. Wie daselbst ebenfalls bereits angeführt ist, wurde von der Mehrzahl der

1) Handbuch der Ohrenheilkunde. Herausgegeben von Schwartze, Bd. II. pag. 309.

246 O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

zur Section gekommenen und einer Anzahl vonMasernkranken im Leben nach der Paracentese das Secret auf Organismen mikroskopisch, theil- weise auch mittelst Culturversuche und Impfung durch Dr. Scheibe untersucht. Am Häufigsten und wiederholt in Reincultur fand sich der Streptococcus, halb so häufig der Staphylococcus albus und etwas seltener der Staphylococcus aureaus. In keinem der untersuchten Fälle haben die pyogenen Organismen gefehlt. Was ich hier noch zu bringen habe, ist nur Nachlese.

Bereits am 3. Tage nach Ausbruch des Exanthems, nach T obeitz sogar schon am 1. Tag, kann nicht nur die Schleimhaut in der Pauken- höhle, sondern auch im Antrum und ebenso in den Warzenzellen lebhaft diffus injieirt und geschwellt sein und können diese gesammten Räume sich mit eitrigem Secret gefüllt finden, obgleich im Einzelfall die Flächenausbreitung der Entzündung eine verschieden grosse sein kann. Am 4. Krankheitstag kann sich schon fibrinöses Exsudat mit Blutextra- vasaten auf der Schleimhaut sowohl in der Paukenhöhle als im Antrum gebildet haben. Ebenso können in der Zeit vom 4. bis 6. Tage bereits kleine polypöse Granulationen in der knöchernen Tuba, der Pauken- höhle und dem Antrum aufschiessen. Besteht eine Trommelfellperforation, so kann sich das fibrinöse Exsudat auch auf die Aussenfläche des Trommelfells ausbreiten. (Fall 12, 17. Tag.)

Zu einem spontanen Durchbruch des Trommelfells führt die Mor- billen-Otitis, wie uns ja auch die tägliche klinische Erfahrung lehrt, nur ausnahmsweise.

Mit Rücksicht auf den stets pyogene Organismen enthaltenden Eiter muss auch die Reaction, welche an der Mittelohrschleimhaut bei unseren obigen Sectionsfällen direct uns entgegen getreten ist, als eine auffällig geringe bezeichnet werden, wenn wir von den fibrinösen Exsudaten absehen, welche in nicht ganz einem Viertheil der Fälle aufgetreten sind.

Während wir sonst gewohnt sind, neben Eiter bei acuter Mittel- ohrentzündung an der Leiche die Schleimhaut so hochgradig geschwellt zu finden, dass beispielsweise die Gehörknöchelchenkette von ihr voll- ständig eingehüllt ist, war dies bei unseren Befunden nur ausnahms- weise, insbesondere neben fibrinösem Exsudat, der Fall. Auch die Ge- fässinjection ist eine geringere und vor Allem sehr ungleichmässig ver- theilte, manchmal punkt- und fleckférmige. Eine Zerstörung der Schleimhaut mit Blosslegung der Knochenwände wurde bei unseren Sectionsbefunden niemals beobachtet. In dem einzigen Falle, in welchem

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 247

einzelne Knochenquerwände blosslagen, war die Eiterung. wie oben erwähnt, aller Wahrscheinlichkeit nach eine chronische und hatte bereits vor den Masern bestanden.

Zur Erläuterung dieses differenten Verhaltens der Masern-Otitis gegen- über der genuinen, den im Reconvalescenzstadium des Typhus auftretenden eitrigen Otitiden etc. haben wir zwei Möglichkeiten:

Entweder ist das im Mittelohr bei Masern-Otitis zur Wirkung ge- langende entzündungserregende Agens ein die Gewebe weniger stark schädigendes, oder es kommt hier eine Herabsetzung der Reactions- fähigheit zum Ausdruck, welche auf der Höhe der Allgemeinerkrankung den Gesammtorganismus betrifft.

Da die Eitererreger, welche im Secret bei Morbillenotitis von Anderen und uns vorgefunden wurden, die gleichen sind wie bei den sonstigen Mittelohreiterungen, so lassen sich für die erstere Annahme keine positiven Stützpunkte gewinnen.

Dagegen spricht für die Zulässigkeit der zweiten Möglichkeit vor Allem der stark protrahirte Verlauf der Morbillen-Otitis, der uns ja bereits lange durch die klinische Beobachtung bekannt ist. Den klinischen Erfahrungen entsprechen in dieser Beziehung auch unsere obigen Ob- ductionsergebnisse, indem sich noch am 33. Tage nach Ausbruch des Exanthems (Fall 16, B.) die. Röthung und Schwellung, sowie die Secret- ansammlung in Paukenhöhle und Antrum ebenso stark ausgesprochen fanden, wie man sie in den ersten Wochen der Erkrankung finden kann. An der Schleimhautplatte des Trommelfells, welche wegen dessen Durch- sichtigkeit den Grad der Schwellung und Injection am Besten erkennen lässt, war gerade in diesem Falle sogar eine ungewöhnlich starke Ver- dickung zu constatiren. Zu einem Durchbruch des Trommelfells war es trotz der langen Dauer nicht gekommen.

Einen positiven Beweis für die verminderte Reactionsfähigkeit des Organismus auf der Höhe der Masernerkrankung habe ich aber erst kürzlich erlangt durch einen Fall von Otitis media purulenta acuta mit subperiostealem Abscess post morbillos, welcher in den letzten Monaten zur Operation kam.

Robert St., Oberrevisorssohn, 6 Jahre alt. Untersuchung am 8. October 1895: Vor 14 Tagen Masern und Bronchialcatarrh. Vor 3 Tagen Beginn von Schmerzen im rechten Ohr; seit 2 Tagen besteht aus denselben stärkerer serös-eitriger Ausfluss. Temperaturerhöhung. Aengstliche Schiethaltung des Kopfes nach der rechten Seite.

248 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

Bei Politzer’s Verfahren Perforationsgeräusch. Trommelfell sehr stark und lebhaft diffus roth und excoriirt; der hintere obere Quadrant unregelmässig vorgewölbt; an dieser Stelle scheint sich die Perforation zu befinden. Links Trommelfell auffallend dunkel. Flüstersprache rechts 6 cm („fünf, vier“), links 1!/,m („neun“).

11. October. Vorgestern Erbrechen. Temperatur heute 38,6. Grenzen des Sehnerveneintritts etwas verschwommen. Die Gegend hinter dem rechten Ohre seit vorgestern in starker Ausdehnung geröthet, geschwellt und druckempfindlich. Muschel rechtwinkelig abgehoben und mindestens um 2 cm nach abwärts gerückt. Caput obstipum noch aus- gesprochener. Kein Strang entlang der Vena jugularis zu fühlen.

Am gleichen Tage operative Eröffnung des Antrum. Crista temporalis durch die Schwellung hindurch nicht mehr fühlbar. Schnitt ca. 4cm lang, entleert in seinem obersten Theile eine Eiterflocke. Das Periost findet sich ungefähr auf Thalergrösse im Bereich der Crista tempo- ralis sowohl ober- als unterhalb derselben abgelöst. Die entsprechende Knochenaussenfläche von blasser Knochenfarbe mit ein paar grossen Ge- fässlöchern. Spina supra meatum vorhanden. Der ganze Warzentheil besteht aus kleinzelligen Räumen, welche grossentheils leer sind und nur ein paar stecknadelkopfgrosse Eiterpunkte zeigen. Das hintere Ende des Antrum wird weit blossgelegt; hier findet sich noch eine grössere ziemlich consistente Eiterfloecke, wahrscheinlich theilweise fibrinöses Exsudat. Jodoformverband.

15. October. Harn eiweissfrei. Temperaturerhéhung besteht fort. Der Ausfluss aus dem Gehörgang hat aufgehört.

22. October. Seit 2 Tagen hat das Fieber aufgehört. Keine Schmerzen. Die mässig secernirenda Wunde ist von normalem Aussehen bis auf die obere Parthie, in welcher die Weichtheile noch in der ursprünglichen Ausdehnung vom Knochen abgelöst sind. Der hier blossliegende Knochen selbst bleibt von weisser Farbe und ohne Gefässinjection; ebenso bleiben die auf dem Querschnitt blossliegenden Knochen- zellen leer.

29. October. Der untere Theil der Wunde lebhaft granulirend; in ihrer oberen Parthie liegt der Knochen noch frei und sind die Weichtheile noch nicht angelegt.

8. November. Knochenfläche granulirend; die Weichtheile legen sich an. Flüstersprache rechts 7 m und mehr.

3. December. Wunde geschlossen.

Es wurde also in diesem Fall trotz sonstigem normalen Verlauf noch 18 Tage nach der Operation am blossliegenden Knochen die im gesunden Organismus regelmässig eintretende Reaction vermisst und erst nach 10 weiteren Tagen fand sich derselbe in normaler Weise von Granulationen bedeckt.

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 249

Das gleiche durch lange Zeit reactionslose Verhalten operativ und durch Eiterung blossgelegter Knochenflächen, wie es in diesem Falle uns entgegentrat, habe ich nach Operationen am Warzentheil im Verlaufe von Scharlach, Typhus, Pyämie und Phthisis pulmonum be- obachten können. Wir dürfen in demselben einen directen Ausdruck für eine herabgesetzte Reactionsfähigkeit der Gewebe erkennen, welche eine charakteristische Eigenschaft des Gesammtorganismus unter dem Einfluss der genannten Allgemeinerkrankungen darstellt.

Wenn wir diese Erklärung für die Eigenthümlichkeiten, insbesondere die protrahirte Dauer der Masern-Otitis annehmen, so lässt sich das uns entgegentretende Krankheitsbild folgendermaassen auffassen :

Es kommt hier, wenigstens für gewöhnlich, allerdings nicht zu einer Necrose der Schleimhaut und secundär des Knochens; wohl aber bleibt die Injection und Schwellung der Schleimhaut während der Höhe der Allgemeinerkrankung unterhalb der Grenze, welche wir sonst bei genuinen Mittelohreiterungen zu sehen gewohnt sind; und der Reactions- process steigert sich erst in den nächsten Wochen im Laufe und unter dem Einflusse der Reconvalescenz soweit, dass er in dieser Zeit noch nachträglich zu einem Durchbruch des Trommelfells führen kann.

Seither hat auch Habermann!) in 7 Gehörorganen von 4 Fällen ‚von Masern, die er secirte, „das Mittelohr stets erkrankt, die Schleim- haut mehr weniger hochgradig entzündet, mehrmals hämorrhagisch und mit Schleim oder Eiter bedeckt“ gefunden. „Stets fanden sich Strepto- coccen und in einem Falle neben diesen auch Staphylococcus pyogenes aureus.

Aus miindlichen Mittheilungen von Siebenmann wusste ich, dass auch er Schläfenbeinsectionen bei Morbillenkranken ausgeführt hat. Auf meine briefliche Anfrage theilt mir derselbe nun mit, dass er 4 Sectionen von Schläfenbeinen an Morbillen gestorbener Kinder gemacht hat. In. allen 4 Fällen handelte es sich um eine acute eitrige Entzündung der gesammtcn Mittelohrriume (2 mit, 2 ohne Trommelfellperforation). 2 weitere Fälle hat Siebenmann’s Assistent, Dr. Morf, in dessen Institut secirt und bei beiden ebenfalls eitrige Entzündung des Mittel- ohrs gefunden. Das Alter der zur Obduction gekommenen Fälle lag zwischen 1 und 5 Jahren.

1) Path. Anatomie des Ohres, Handbuch d. Ohrenheilk. Herausgegeben von Schwartze, Bd. I, pg. 261.

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 18

250 0. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

Dieser bereits ziemlich stattlichen Zahl von positiven Sections- befunden im Mittelohr bei Masern steht meines Wissens kein einziger Befund gegenüber, welcher vollkommene Intactheit an dieser Stelle im Verlaufe von Masern constatirt hätte.

Wir sind daher wohlberechtigt, die Form von Otitis media purulenta acuta, welche sich regelmässig bei allen Ohrsectionen im Verlaufe von Morbillen vorgefunden hat. ebenso wie dies für die begleitende Conjunc- tivitis, Rhinitis, Pharyngitis und Bronchitis immer geschehen ist, als eine integrirende Theilerscheinung dieser Allgemein- erkrankung zu bezeichnen. In gleichem Sinne ist auch die, wie es scheint, ebenfalls regelmässig vorhandene Miterkrankung der Schleim- haut in den Seitenhöhlen der Nase aufzufassen.

Was die speciellere Pathogenese der Masern-Otitis betrifft, so spricht sowohl ihr mit dem Beginn der Allgemeinerkrankung zusammentreffendes Auftreten als ihre von Anfang an über den ganzen Mittelohrtractus bis in die Warzenzellen ausgebreitete Localisation mit Entschiedenheit gegen die bis heute als die häufigste angenommene Entstehungsweise von acuter Mittelohreiterung überhaupt, nämlich durch successive Propa- gation von Nase und Nasenrachenraum in die Tuba und von da in Paukenhöhle, Aditus ad antrum, Antrum und die Warzenzellen oder durch ein Hineinschleudern von Secretionsproducten etc. aus Nase oder, Nasenrachenraum in die genannten Räume, wie ich ein solches als die wahrscheinlich häufigste Ursache der in der Regel erst spät auf- tretenden Mittelohreiterungen im Verlaufe von Typhus angenommen habe.!)

Mit Rücksicht auf eine etwaige directe Propagation sind, wie bereits Rudolph oben erwähnt hat, unsere Befunde in der knorpeligen Tuba von besonderem Interesse, welche fast durchgängig und zwar auch schon in den allerersten Tagen der Allgemeinerkrankung, ohne jede Veränderung gefunden wurde.

Die ganze Form der Entzündung in der Mittelohrschleimhaut, ihre ungleichmässige Ausdehnung auf verschiedene Bezirke, die fleck- und punktförmige Injection, die Blutextravasate, vielleicht auch die an einzelnen Stellen rasch aufschiessenden kleinen Granulationen fordern vielmehr zu einem Vergleich der Schleimhauterkrankung mit dem Exanthem auf der äusseren Haut heraus und es findet diese Form ihre den

1) Ueber die Erkrankungen des Gehörorgans bei Ileotyphus. Archiv für Ohrenheilk. Bd. 21, pg. 1, 1884.

O. Rudolph: 18Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masen. 251

pathologisch-anatomisch constatirten Befunden am Besten entsprechende Erklärung, wenn wir sie in directe Analogie mit dem Hautexanthem stellen. |

Endlich sei noch darauf hingewiesen, welche Schlussfolgerungen wir aus den obigen Befunden über das schliessliche Endschicksal der Eiter- ansammlungen in den Mittelohrräumen ziehen können.

Die allgemeine Annahme geht dahin, dass zum Mindesten die grosse Mehrzahl aller Kinder von Morbillen befallen wird.

Nach den Ergebnissen meiner „Schuluntersuchungen über das kindliche Gehörorgan“!) hatten 52,,, °/, der von mir untersuchten 1807 Schulkinder laut der Angaben ihrer Eltern oder Angehörigen die Masern überstanden. Es ergab sich nun, dass die Procentzahlen für die schlecht hörenden 'Kinder unter denjenigen, welche früher an Masern erkrankt waren, nicht wesentlich ungünstiger ausfielen als unter denen, die davon verschont geblieben waren.

Nach einer damaligen Zusammenstellung?) hatten nämlich die Masern überstanden:

unter den Flüstersprache über 16 met. hörenden Kindern 51,95 °/,

16—8 52,5

n 8—4 N 54,74

n 4—0 n nm 50,68 Also gerade unter den letzteren, am Schlechtesten hérenden Kindern war früher vorausgegangene Masernkrankung mit der verhältnissmässig kleinsten Procentzahl vertreten.

Da wir nun oben die eitrige Mittelohrentziindung als eine aus- nahmslose Theilerscheinung kennen gelernt haben, so sind wir nach dem Ergebniss dieser Zusammenstellung zu der Annahme gezwungen, dass in der grossen Mehrzahl dieser Fälle der Eiter in den Mittelohrräumen symptomlos und, ohne weitere Störungen zu hinterlassen, wieder zur vollständigen Resorption gelangt ist.

Bei unseren 18 Schläfenbeinsectionen wurde noch regelmässig auf drei Vorkommnisse ein specielleres Augenmerk gerichtet.

Erstens: Soweit die am Boden des immer in Keilform heraus- genommenen Schläfenbeins mit entfernten Parthieen von Weichtheilen

1) Wiesbaden, Verlag von Bergmann 185. 2) cf. daselbst pg. 48, Tabelle XIX. 18*

252 O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern.

des Halses dies constatiren liessen, wurde durchgängig auf das Vor- handensein oder Fehlen von geschwellten Lymphdrüsen in dieser Gegend geachtet. Vergrösserungen und entzündliche Veränderungen der unter dem vorderen Rand der M. sterno. cl. mast. befindlichen Lymph- drüsen haben in keinem Fall gefehlt. Regelmässig hing der Basis des Schläfenbeins nach abwärts ein Packet von meist bis zu Haselnussgrösse und mehr vergrösserten markig infiltrirten lebhaft gerötheten, theils diffus rosigen, theils mit einzelnen Blutpunkten durchsetzten Lymph- drüsen an. Im ältesten Fall (16, 33 Tage nach Ausbruch des Exanthems) war eine Abscedirung der Lymphdrüsen in der Fossa retromaxillaris und ein Durchbruch des Eiters im Nasenrachenraum unterhalb des Ostium pharyng. tubae erfolgt.

Ganz analog wie die am Präparat mitgenommenen Lymphdrüsen verhielt sich zweitens auch die adenoide Substanz im Nasenrachen- raum, soweit dieselbe am Präparat erhalten war. In allen Fällen bis auf einen ist eine stärkere Vergrösserung der adenoiden Substanz notirt, welche vielfach vollständig unter dem Bild einer in einzelne Lappen zerfallenden Hyperplasie uns entgegentrat, die sich nicht bloss über den Fornix, sondern auch über die Rosenmüller’sche Grube, den Tuben- wulst und das ganze Tubenostium ausbreitete. Ihre Oberfläche erschien meist lebhaft rosig, theilweise fleckig injicirt, öfters ebenfalls mit einzelnen Blutpunkten bedeckt. Dreimal fand sich auf derselben diph- theritischer Belag. Diese Befunde sprechen für die Annahme derjenigen Autoren, welche in den acuten Infectionskrankheiten des kindlichen Lebensalters und insbesondere den Masern ein wesentliches ätiologisches Moment für die Entwickelung der adenoiden Vegetationen jm Kindes- alter sehen.

Endlich habe ich es in keinem Falle bis zum 4. Lebensjahre versäumt, über das Verhalten der vorderen knöchernen Ge- hörgangswand Notizen zu machen, da es für uns nicht ohne practisches Interesse ist, wie lange und in welcher Ausdehnung sich die hier in den ersten Lebensjahren vorhandene physiologische Lücke erhält.

Die drei Gehörorgane von Kindern im Alter von 9—11 Monaten zeigten nur einen schmalen Knochensaum um die nach aussen noch frei gebliebene Lücke in der Knochensubstanz.

Bei den drei Kindern mit 1!/, Jahren fand sich einmal der Ge- hörgang noch grösstentheils membranös als nach aussen offener Knochen-

O. Rudolph: 18 Sectionsberichte über das Gehörorgan bei Masern. 253

ring, einmal eine erbsengrosse und einmal nur eine feine Oeffnung im inneren Theil des Recessus meatus.

Bei vier je 2, 2!/,, 3 und 3!/, Jahre alten Kindern fand sich an der gleichen Stelle nur mehr eine hirsekorn- bis sondenknopfgrosse Oeffnung.

Bei einem 4 Jahre alten Kinde waren nur mehr wenige: Gefiss- lécher vorhanden.

Zweimal, bei einem 2!/, und einem 3°/, Jahre alten Kinde war die Lücke bereits vollkommen verschlossen.

Die obigen Befunde bestätigen somit die neuerdings von Zucker- kandl!) angegebene Zeitbestimmung für die Ausfüllung der Lücke, nach welchem Autor der äussere Rand des knöchernen Gehörgangs im 2. bis 3. Jahr gebildet ist, und die Lücke im 3. Lebensjahre verstreicht.

Auch nach Bürkner?) „fällt die Zeit, da die Lücke fertig ge- bildet ist, in der Regel in das 2. Jahr.“ Seine ausgedehnten Unter- suchungen an macerirten Schädeln haben ergeben, dass dieselbe in 62,5 °;, auch beim Fünfjährigen noch offen gefunden wird, von welchem Jahre ab sie sehr entschieden an Häufigkeit abnimmt; doch fand Bürkner auch unter den Schädeln Erwachsener noch 19,2°/,, welche auf einer oder beiden Seiten eine Lücke der vorderen knöchernen Gehörgangs- wand besassen.

1) Makroskopische Anatomie, Handb. der Ohrenheilk. Herausgegeben von Schwartze, Bd. I, S. 89.

2) Kleine Beiträge zur norm. u. path. Anatomie des Gehörorgans. Archiv f. Ohrenheilk.. Bd. XIII, pg. 103.

204 W. Kiimmel: Beitrage zur Pathologie

XIII.

Beiträge zur Pathologie der intracraniellen Com- plicationen von Ohrerkrankungen. Von Dr. W. Kümmel, Privatdocent in Breslau. Aus der Königlichen Chirurgischen Klinik zn Breslau.

Mit 2 Abbild. im Text.

Es bedarf einer gewissen Rechtfertigung, wenn ich es in den folgen- den Mittheilungen unternehme, über eine Reihe von Fällen zu berichten, bei denen Erkrankungen des Ohres durch solche des Schädelinneren complicirt wurden. Das um so mehr, als bis auf einen alle tödtlich endeten, z. Th. trotz erfolgreicher Freilegung und Beseitigung des Krank- heitsherdes. Ausser in den zusammenfassenden Werken von Körner, Macewen, z. Th. auch Jansen, finden wir fast nur die günstig ver- laufenen Operationen in der Litteratur der letzten Jahre berichtet; von den unoperirt oder nach mehr oder weniger erfolgreicher Operation ge- storbenen Patienten erfahren wir wenig. Das ist sehr zu bedauern, denn gerade diese, glaube ich, sind es, an denen man lernen kann, an denen man vor allem mit furchtbarer Deutlichkeit erkennt, wie der grösste Fortschritt für das Wohl der Patienten nicht so sehr von den Verbesserungen in der operativen Behandlung der eingetretenen Com- plicationen, als vielmehr von der Verhütung ihres Eintretens zu er- warten ist.

Als besonders wichtig darf ich es wohl bei unseren Fällen, für deren freundliche Ueberlassung ich meinem verehrten Lehrer, Herrn Geheimrath Mikulicz, sehr dankbar bin, hinstellen, dass in fast allen eine genaue Section vorgenommen werden konnte, und dass Herr Ge- heimrath Ponfick mir in liebenswürdigster Weise die gewonnenen Prä- parate zwecks Untersuchung zur Verfügung stellte. Ich habe nur die Fälle im Folgenden mitgetheilt, welche ich selbst genauer beobachten; und bei denen ick post mortem die Präparate untersuchen konnte.

I. Extraduraler Abscess nach Otitis med. acuta recurrens. Freilegung der hinteren Schädelgrube. Heilung.

Herr R., 61!/, Jabre alt, pens. Gensdarmerie -Oberwachtmeister, hat vor 8 Jahren wegen einer mit heftigen Schmerzen verbundenen Teberkrankheit 2 Monate krank gelegen, sich aber vorher und nachher

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der intracraniellen Complicationen von Ohrerkrankungen. 255

trotz grosser Strapazen im Dienst einer „felsenfesten Gesundheit“ er- freut, bis er im April 1895 im Anschluss an eine heftige Erkältung heftige Schmerzen im linken Ohr bekam. Es wurde eine acute Mittel- ohreiterung constatirt, die Paracentese des Trommelfells vorgenommen. Mit dem darauf folgenden reichlichen Eiterausfluss liessen die Schmerzen völlig nach; die Perforation verheilte aber bald, und sofort traten die Schmerzen im Ohr und in der linken Schläfengegend wieder auf. Das Spiel wiederholte sich seither 4mal; die Paracentese und der Eiteraus- fluss schaffte jedesmal Erleichterung; mit deren Heilung erschienen aber auch die Schmerzen wieder. Zuletzt wurde eine ÖOeffnung mit dem Galvanocauter angelegt, in der Hoffnung, dass diese länger persistiren würde; doch heilte auch sie rasch zu, die Schmerzen kamen wieder und hatten einige Tage vor dem 29. August :1895, wo ich den Pat. zum ersten Male sah, wieder einen unerträglichen Grad erreicht.

An diesem Tage fand sich Folgendes: Das linke Trommelfell leb- haft geröthet, aber nicht vorgebuchtet, der Hammer noch deutlich er- kennbar; von Exsudat nichts zu erkennen. Warzenfortsatzgegend nicht geschwollen, nicht auf Druck schmerzhaft; dagegen ist eine dem Emiss. mast. entsprechende Stelle auf Beklopfen stark schmerzhaft. Schall- differenzen gegenüber der gesunden Seite dabei nicht sicher wahrge- nommen. Von der linken Papilla n. opt. die äussere Hälfte entschieden röther und verwaschener begrenzt als die innere.

Ich konnte mich bei diesem ziemlich geringen Befund, obgleich dem Pat. bereits die Eröffnung des Warzenfortsatzes von einem Collegen vorgeschlagen war, zu dieser Operation nicht gleich entschliessen, zumal sonst nicht die geringste Störung im körperlichen Befinden, besonders kein Fieber, keine Störung des Pulses, kein Schwindel, keine Störung des Ganges bestand. Ich machte im hinteren unteren Quadranten eine aus- giebige radiäre Paracentese, ohne dass aber auch nur ein Tropfen Flüssig- keit dadurch entleert wurde, legte wegen der heftigen Schmerzen einen Tampon mit 10°/, Carbolglycerin ein und bestellte den Pat. zum folgen- den Tage wieder, mit dem Auftrage, inwischen seine Temperatur sorg- lich zu messen.

Er kam aber erst am 31. August wieder. Es war ihm schlecht gegangen: der bis dahin gute Appetit fehlte völlig, er fühlte sich matt, unsicher auf den Beinen und machte einen schwer kranken Eindruck. Haut und Conjunctivae ganz leicht gelblich gefärbt, leichte Cyanose der Lippen. Gang etwas unsicher: äusserst behutsames und etwas breit- beiniges Auftreten, aber kein deutliches Schwanken, auch nicht bei Augenschluss. Subjectiv deutliches Schwindelgefühl, aber keine Tendenz, nach einer bestimmten Seite zu fallen. Kein Nystagmus. Trommelfell noch stark geröthet, die Paracentesenöffnung durch einen feinen blutigen Streifen geschlossen. Gehörgang gleichmässig weit, keinerlei Vorbuch- tung an irgend einer Stelle, keine Spur irgend welcher Absonderung aus der Paukenhéhle. Ueber dem hinteren Rande des Warzenfortsatzes eine deutliche, aber sehr geringe Schwellung, auf Druck mässig em-

256 W. Kümmel: Beiträge zur Pathologie

pfindlich. Die Mündung des Emiss. mast. jetzt auch auf Druck stärker empfindlich. Keine Röthung der Haut. Beim Percutiren der Schädel- knochen schallt der linke Warzenforsatz entschieden dumpfer, was übrigens Pat. selbst ganz spontan gleichfalls wahrzunehmen angiebt. Der Ton einer auf den Scheitel gesetzten c-Stimmgabel wird bei Auscultation auf und hinter dem linken Warzenfortsatze entschieden schwächer und dumpfer vernommen als rechts, Pat. hört ihn links. Keine Nacken- steifigkeit, aber Bewegungen des Kopfes sind dem Pat. sehr unbehag- lich. Fieber besteht nicht, Temperatur hat inzwischen 37,0° nicht über- schritten. Fröste sind nicht eingetreten. Puls wechselt um 100, sonst regelmässig, kräftig, leichte Arteriosclerose.

Der Fall setzte mich etwas in Verlegenheit. Mit Rücksicht auf die recht erheblichen, wenn auch sehr wenig bestimmten, allgemeinen Krankheitserscheinungen musste man, da am übrigen Körper absolut nichts nachzuweisen war, doch trotz des fehlenden Fiebers an eine in- tensivere Felsenbeinerkrankung denken. Das Weiterbestehen entzünd- licher Erscheinungen am Trommelfell trotz Fehlens jeder Exsudatbildung veranlasste mich zur Annahme, dass im Rec. epitympan. oder dem An- trum der Krankheitsprocess noch fortdauern müsse. Die leichten Stö- rungen des Ganges wie der Kopfbewegungen liessen ferner an eine Er- krankung der hinteren Schädelgrube denken, da für Meningitis oder eine Labyrintherkrankung schlechterdings gar nichts sprach. Dazu kamen dann noch die leichte Schwellung hinter dem Proc. mast. und die herabgesetzte Fortleitung des Stimmgabeltones auf, dieser Seite, nebst der Dämpfung bei der Percussion. So nahm ich eine Eiterung im An- trum, bezw. Rec. epit., wahrscheinlich auch einen extraduralen Abscess in der hinteren Schläfengrube an. Erwähnt sei noch, dass im Urin nichts Abnormes sich vorfand.

Alsbald nahm ich dann die Operation vor. Nach dem gewöhnlichen Bogenschnitt durch die Haut Abtragung der Corticalislamellen, die wie die darunter liegende Substanz sich elfenbeinhart erwiesen und das weitere Operiren äusserst mühsam machten. In den spärlicheu Diploe- räumen nichts Besonderes. Sinus sehr stark vorgelagert, sodass vor Er- öffnung des Antrum bereits die vordere Wand der Fossa sigm: in an- sehnlicher Ausdehnung beseitigt werden musste, um den nöthigsten Raum zu schaffen: die hintere Gehörgangswand wollte ich womöglich erhalten, um bei der bisher nur ganz wenig beeinträchtigten Hörschärfe den schallleitenden Apparat möglichst wenig zu gefährden. So musste ich durch einen ganz engen Canal das Antrum eröffnen, das sich erst in ansehnlicher Tiefe fand, keinen Eiter enthielt, aber mit stark blutenden Granulationen völlig ausgestopft war. Am Boden des Antrum eine kleine rauhe Stelle, von der aus ein feiner Fistelgang in der Richtung medial-

der intracraniellen Complicationen von Ohrerkrankungen. 257

wärts führte. Zu seiner Freilegung muss von der hinteren Pyramiden- fläche ein beträchtliches Stück entfernt werden, sodass schliesslich die Dura der hinteren Schädelgrube medialwärts von der Fossa sigmoidea, zwischen ihr und dem For. jugulare weithin frei liegt: sie pulsirt so wenig wie der Sinus, scheint aber, ebenfalls wie dieser, völlig normal. In grosser Tiefe kommt dann plötzlich eine vorgebildete, ziemlich an- sehnliche Lücke im Knochen zum Vorschein, und gleichzeitig quillt Eiter hervor. Das ist reichlicher der Fall, als einige, an dem Knochenrande gelegene, Granulationen entfernt werden: jedesmal beim Zurückdrängen der Dura quillt neuer Eiter nach. Durch die Enge der Wunde und die sehr starke Knochenblutung, die auch nach längerer Tamponade nicht steht, wird eine nähere Orientirung unmöglich, und nachdem ich mich durch wiederholtes Zurückdrängen der Dura überzeugt hatte, dass kein Eiter mehr nachquoll, kein Gang weiter führte und die Dura ringsum fest anhaftete, tamponirte ich die ganze Wundhöhle gehörig mit Jodoformgaze, worauf die Blutung bald stand. Vorher konnte ich mich noch überzeugen, dass der Rec. epitymp. frei von Granulationen war. Fast die ganze Operation musste wegen der Härte des Knochens, der der feinen Lüer’schen Zange absoluten Widerstand leistete, mit dem Meissel ausgeführt werden.

Der weitere Verlauf war sehr einfach. Fieber trat nicht auf, der Pat. fühlte sich die nächsten 8 Tage noch recht elend, bekam leicht Schwindel- und Ohnmachts-Anwandlungen beim Aufstehen. Trotzdem konnte er am dritten Tage nach der Operation das Bett verlassen, be- kam wieder Appetit und erholte sich nun rasch. Kopfschmerzen und Schwindel liessen erst nach 14 Tagen, als die Wunde rein granulirte, erheblicher nach; die Wunde verheilte recht langsam und war erst Mitte December durch eine feste, nicht druckempfindliche Narbe geschlossen. Leichte Schwindelanfälle kommen noch heute bei raschen Lageverände- rungen vor, halten aber nur Secunden lang an. Kopfschmerzen sind jetzt (Ende Januar) völlig geschwunden. Das Trommelfell war be- reits nach 8 Tagen völlig abgeblasst, zeigt jetzt eine ziemlich erheb- liche Trübung und mässige Einziehung. Hörschärfe etwa um */, ge- ringer als die des fast normalen rechten Ohres.

Ob im geschilderten Fall ein vorgebildeter Canal den Eiter zur hinteren Pyramidenfläche fortgeleitet hat, ist schwer zu entscheiden. Man könnte in erster Linie an eine Fortleitung durch den lateralen oder hinteren Bogengang denken, und ich wage das auch nicht auszu- schliessen, denn die starke Blutung aus den Granulationen im Antrum und die Enge des Operationscanals liessen eine ganz genaue Orientirung kaum zu. Dennoch ist mir diese Annahme unwahrscheinlich, da der Fistelgang fast geradlinig schräg nach hinten und medialwärts verlief, auch keinerlei Abzweigungen nach irgend einer Richtung erkennen liess. Ich habe bei den Verbänden mich ebenfalls bemüht, noch weitere Auf-

258 W. Kümmel: Beiträge zur Pathologie

klärung zu erhalten, aber ohne Erfolg. Meiner Rechnung nach, und nach dem, was sich mir zeigte, als ich die Operation an einem ähnlich sclerosirten Warzenfortsatze mit stark vorgelagertem Sinus von einer Leiche wiederholte, muss ich dicht unter der Corticalis der hinteren Pyramidenfläche in die Nähe des Porus acust. int., bezw. des Foramen jugulare gelangt und in der Höhe etwa zwischen beiden auf den extraduralen Abscess gestossen sein. Ich vermuthe danach, dass der Abscess ein Empyem des Sacc. endolymph. dargestellt hat, wie dies neuerdings von Jansen!) wiederholt beschrieben wurde. Sicher kann ich nur sagen, dass ich kein Stück eines Bogenganges weggenommen habe; daraufhin wurde jedes abgemeisselte Stück genau revidirt. Eher wäre es schon möglich, dass der Aquaed. vestibuli eröffnet wäre, aber das müsste dann ganz nahe seiner Mündung in den Sacc. endolymph. geschehen sein. Sonach möchte ich annehmen, dass hier der Durchbruch durch den Knochen, der den tiefen extraduralen Abscess hervorgerufen hat, nicht durch einen prä- formirten Hohlraum erfolgt ist, und dass der Ausgangspunkt des Pro- cesses das Antr. mast. war. Auffallend ist es ja, dass dann nicht die Wand der Fossa sigmoidea betroffen wurde, die doch durch so zahl- reiche feine Gefisse mit dem Antrum in Beziehung steht. Doch dirfte sich das vielleicht aus der hochgradigen Sclerose des Knochens erklären: wenn man solche sclerotischen Felsenbeine betrachtet, wird man sich häufig davon überzeugen, dass die feinen Porositäten, durch welche ge- meinhin die Wand der Fossa sigm. ausgezeichnet ist, bei ihnen fehlen, und die Wand glatt, wie polirt, erscheint. |

Dass in diesem Falle, wie Jansen das für die Mehrzahl der tiefen extraduralen Abscesse annimmt, eine ursächliche Labyrintheiterung be- standen hätte, ist mir höchst unwahrscheinlich. Jansen hat uns die Mittheilung seiner Erfahrungen zur Diagnose der Labyrintherkrankung versprochen: vielleicht lassen sich dann aus diesen Erfahrungen auch in einem Falle wie dem vorliegenden Anhaltspunkte für eine solche An- nahme gewinnen ; z. Z. scheint mir höchstens das Symptom des Schwindels und der leichten Unsicherheit beim Gehen dafür verwerthbar: aber viel beweisen diese Symptome nicht.

Unter diesen Umständen konnte ich mich nicht zur Eröffnung des Vorhofs, wie J. sie in ähnlichen Fällen vorgeschlagen hat, entschliessen ; und ich glaube, dass der Verlauf dem Recht gegeben hat.

Eigenthümlich ist noch der attackenweise Verlauf der Eiterung aus

1) u. A. Arch. f. Ohrenheilk. 1893, Bd. 35, S. 290.

der intracraniellen Complicationen von Ohrerkrankungen. 259

dem Mittelohr. Zur Zeit der Operation war von allen Mittelohrräumen nur das Antrum intensiver erkrankt, bezw. erkrankt geblieben. Die wiederholten Eiterentleerungen aus dem Mittelohr, welche jedesmal zu einem vorübergehenden Nachlass der Symptome führten, haben, meiner Meinung nach, nicht auf Recidiven der ursprünglichen Paukenhöhlen- erkrankung beruht: jedenfalls lag ein solches zur Zeit der Operation nicht vor. Mir scheint, dass es sich bei den späteren Attacken nur um eine collaterale Entzündung, bedingt durch Verschlimmerung des Processes im Antrum, bezw. in der aus ihm in die Tiefe führenden Knochenfistel handelt. Vielleicht stammte selbst der jedesmal entleerte Eiter aus dem Fistelgange, bezw. dem extraduralen Abscess. Dafür spricht die stets so rasch eingetretene Vernarbung der Trommelfelllücke. Dass ein Entzündungsprocess in der Paukenhöhle ausheilen, und dabei von deren Nebenräumen aus unerbittlich weiter kriechen kann, ist eine längst gesicherte Erfahrung; dass solche Fortdauer des Processes in den Nebenräumen wohl stets die Ursache des Chronischwerdens acuter Mittel- ohreiterungen wird, gleichfalls. Ein so eigenthümliches intermittirendes Auftreten der Eiterung aus der Paukenhöhle durch Entleerung eines Abscesses im Antrum, bezw. dem benachbarten Knochen, wie es hier stattgefunden zu haben scheint, dürfte recht selten beobachtet sein.

II. Zweikammeriger Schläfenlappenabscess, nach acuter

Otitis med. trotz wiederholter Eröffnung des Warzen-

fortsatzes entstanden. Entleerung der einen Abscess- | höhle, Tod.

D., Johanna, 3 Jahre alt. Das bis dahin stets gesunde kräftige Kind acquirirte im Verlauf eines nur kurze Zeit dauernden Hautaus- schlages (scharlachähnlich ?) Ende Januar eine acute Mittelohreiterung ; der Warzenfortsatz erkrankte und wurde von einem angesehenen hiesigen Chirurgen aufgemeisselt (27. Februar). Die Operationswunde heilte aber nicht. Vor 6 Wochen, Mitte Juli, entstand ein neuer Abscess unter der Haut des Warzenfortsatzes, und die Aufmeisselung wurde von dem- selben Chirurgen wiederholt. Während der Nachbehandlung trat in 3 Wochen wiederholtes Erbrechen auf; vor 14 Tagen verschlechterte sich das Allgemeinbefinden sichtlich; vor 6 Tagen kamen Krampfanfälle in der linken Körperhälfte, die später auch auf die rechte übergingen. und die ganze Nacht hindurch dauerten, dazu. Am Tage darauf wurde das Kind mehr und mehr benommen; der behandelnde Chirurg erklärte den Zustand für eine tuberkulöse Meningitis und lehnte eine weitere Operation ab. Am 26. August wurde das Kind in die Königl. Chirurg. Klinik gebracht; Herr College Kader, auf dessen Station es aufge- nommen war, überliess mir freundlichst die Behandlung der Pat.

260 W. Kümmel: Beiträge zur Pathologie

Diese war bei der Aufnahme tief comatös, stöbnte und schrie ge- legentlich, machte auch häufige Bewegungen mit den Extremitäten und dem Kopf. reagirte aber fast gar nicht auf Anruf u. dergl., selbst nicht auf Berührung der Cornea. Pupillen reagiren gut. Das rechte Handgelenk und die 2 rechten ulnaren Finger werden in leichter Streck- contractur gehalten, sonst alle Extremitäten frei bewegt, auch der Faci- alis wird, wenigstens beim Schreien, beiderseits innervirt, bleibt aber vielleicht rechts etwas zurück. Kräftezustand recht gut, trotz grosser Blisse. Kein Husten, keine Spur von Nackenstarre. Auf der Mitte des Warzenfortsatzes eine federkieldicke, tief in den Knochen führende Fistel, die etwas dicken Eiter secernirt. Druck auf die rechte Parietal- gegend dicht über der Ohrmuschel, wie auf den hinteren Theil des Warzenfortsatzes, entschieden schmerzhaft. Temperatur 37,9°.

Die Untersuchnng konnte, da offenbar Eile nöthig war, nur eine ziemlich flüchtige sein; so konnte auch bezgl. des Ohres nur festgestellt werden, dass reichliche Mengen nicht stinkenden Eiters im äusseren Gehörgang vorlagen, und nach dem Austupfen in der Tiefe reichliche Granulationen sichtbar wurden.

Eine Lumbalpunktion entleerte keinen Tropfen Flüssigkeit. Als- bald Operation. Bildung eines grossen Lappens (Basis hinten oben) aus der Haut des Warzenfortsatzes, der mit dem Periost zurückge- schoben wird. Die weite, in die Knochenhöhle breit sich öffnende Fistel liegt nun frei, die Wände der Höhle werden nach allen Seiten abge- tragen. Dabei kommt sofort die vordere Wand des Sinus transv. zu Tage: zeigt keine Pulsation. Nach oben setzt sich die Höhle in einen etwa 5-Pfennigstück grossen Defect, der der oberen Pyramidenkante entspricht, bis zur Dura fort. Diese ist mit Granulationen überkleidet, pulsirt nicht. Wegnahme der knöchernen hinteren Gehörgangswand, T-förmige Spaltung des hinteren Theiles der membranösen Wand. Frei- legung des Antrum und des Rec. epitymp., wobei mehrfach der Facialis zuckt; Entfernung der reichlichen Granulationen aus beiden und der Paukenhöhle, Extraction von Hammer und Ambos. Dann ausgiebige allseitige Erweiterung des vorhandenen Defectes im Tegm. tymp., sagit- tale Incision der stark verdickten Dura. Dabei entleert sich keine Flüssigkeit, die Hirnoberfläche pulsirt nicht, zeigt keine Neigung zum Prolabiren. Probepunktion ergiebt in einer Tiefe von fast 3cm nach oben hin und etwas medialwärts dicken grünen, nicht stinkenden Eiter. Beim Einschneiden leistet die Abscesswand erheblichen Widerstand, lässt sich leichter eindrücken als durchstechen. Nach Eröffnung des gut taubeneigrossen Abscesses Einlegung eines dicken Drainrohrs, um das Jodoformgaze locker eingestopft wird: viel dicker Eiter entleert. Nach Tamponade der übrigen Wunde Incision der freiliegenden vorderen Sinus- wand: flüssiges Blut unter hohem Druck entleert. Tamponade der ganzen Wunde, Verband. Nach der Operation das Kind sehr blass, Lippen etwas cyanotisch, leichter Blutausfluss aus der Nase. Die Operation fast ausschliesslich mit schneidenden Zangen ausgeführt.

der intracraniellen Complicationen von Ohrerkrankungen. 261

27. August. Das Kind noch soporös, doch sind die Cornealreflexe wieder erschienen. Puls klein, frequent. Verband leicht durchfeuchtet : nach vorsichtiger Ablösung der Tampons und Entfernung des Drainröhrs erweist sich die Abscesshöhle ganz frei für eine Kornzange zugänglich. Temperatur Morgens 37,5°; Abends 38,5.

28. August. Temperatur Morgens wie Abends 38,4°. Das Kind sehr unruhig, bes. mit den linken Extremitäten, schreit viel Keine Lähmungen.

29. August. Temperatur Früh auf 39,1°, Abends 40,09 gestiegen. Das Kind sehr blass, Puls klein, sehr frequent. Nach Entfernung des Ver- bandes blutet es aus der Sinuswunde nicht. nur etwas trübe Flüssigkeit entleert. Sinus nach beiden Seiten weiter freigelegt und breit incidirt: enthält derbe braunrothe Thrombusmassen, die entfernt werden, bis von hinten Blut nachfliesst, dann tamponirt. Cerebellare Sinuswand stark vorgewölbt: eine Punktion in’s Kleinhirn entleert klare gelbliche Flüssig- keit, wohl aus dem Arachnoidealsack. Spaltung dieser Wand, Einlegung eines Streifens Jodoformgaze, wodurch reichliche Flüssigkeit abgeleitet

wird. Beim Versuch, das Drainrohr weiter einzuschieben, gelangt man an eine glatte, sehr resistente Wand, deren Durchstossung wegen Gefahr einer Ventrikeleröffnung nicht riskirt wird. Ein paar Tropfen

Chloroform genügten zur vollen Narkose, das Kind ist am Schluss der- selben sehr blass, äusserst apathisch. Puls sehr klein.- Nach kurzer Erholung Nachts 4!/, Exitus letalis.

Die Autopsie musste sich leider auf die Schädelhöhle beschränken. Der Durasack enthält nur wenig, fast klare Flüssigkeit. Hirnwindungen abgeplattet. Keine Spur eines meningitischen Exsudats. Drainrohr noch gut in situ. Rechte Hemisphäre entschieden grösser, namentlich breiter als die linke. Bei Durchtrennung der Crura cerebri (behufs Ablösung des Kleinhirns und der Med. obl.) fliesst aus einem kleinen Einriss dicht neben dem rechten Crus cer. dicker grüner Eiter hervor. Ein Querschnitt durch beide Hemisphären, dicht hinter dem Anfang der Fiss. Sylvii, eröffnet die Abscesshöhle vollständig dicht hinter der Oeffnung für das Drainrohr. Von der vorderen Hälfte wird noch ein dünnes Stück abgetrennt, so dass die Drainöffnung halbirt wird (s. Fig. 1). Umgebung der letzteren etwas prolabirt, roth erweicht. In der Mark- substanz findet sich 1. ein durch die Incisionswunde eröffneter, völlig entleerter, aber gar nicht collabirter Abscess mit sehr dicker, derber, gelbbraunér Membran, an deren Innenwand gar kein Eiter wahrnehmbar ist (Fig. 1 und 2a); 2. zwischen dieser Höhle und dem Unterhorn des Seitenventrikels ein zweiter, wesentlich grösserer und noch mit dickem gelbgrünem Eiter gefüllter Abscess (Fig. 1 u. 2b), der beim Abschneiden des Kleinhirns an seiner nach dem Hirnstamm hin relativ dünnen Wand (bei ce) eingerissen ist und so die früher erwähnte Eiterentleerung ver- ursacht hat. Die Wand dieser Höhle ist gleichfalls sehr derb, zeigt ` einen stark vorspringenden, quer verlaufenden Wulst, der in dem Abscess 2 tiefe Nischen sondert.

262 W. Kümmel: Beiträge zur Pathologie

An der Austrittsstelle des N. acust. kein Eiter, ebensowenig an der Mündung des Aquaed. vestib. Die Paukenhöhle ist bis auf den Steigbügel völlig ausgeräumt, Tegmen tymp. bis dicht an den oberen Bogengang entfernt. Sinus in der Nachbarschaft der Operationswunde von einem derben rothbraunen Thrombus erfüllt, der fest anhaftet.

Fig. 1.

Das Unterhorn des rechten Seitenventrikels liegt mit seinem vorderen Ende ganz abgeplattet, völlig frei von Inhalt, der medialen Wand des nicht entleerten Abscesses an. Im übrigen bieten Gross- und Kleinhirn keine weiteren Abnormitäten dar, ausser dass rechts die Stammganglien wegen der starken Compression kaum zu differenziren sind. Die übrigen

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der intracraniellen Complicationen von Ohrerkrankungen. 263

Ventrikelräume, auch der hintere Theil des Unterhorns mit reichlicher seröser Flüssigkeit gefüllt, nicht deutlich erweitert.

Mikroskopisch wurde, da das übrige Präparat in der Sammlung des pathol. Inst. aufbewahrt werden sollte, nur die Parthie untersucht, wo die beiden Abscesse a und b unten und medial zusammenstossen, Die Wand beider Abscesse ist ziemlich gleichartig. zusammengesetzt; sie besteht aus 3 Schichten: 1. einer inneren Lage von reichlichen Rundzellen, die durch feinfädige Faserzüge (offenbar geronnenes Eiweiss) zusammengehalten sind; zwischen ihnen eine Menge grosser, rundlicher, blasser, häufig mit schlecht färbbarem kleinem Kern versehener Zellen (Fettkörnchenkugeln). An diese schliesst sich nach aussen 2. eine Schicht von dicken, stark glänzenden, namentlich durch die van Gieson’sche Färbung stark roth tingirten Bindegewebsbiindeln. Zwischen ihnen finden sich an einzelnen Stellen ziemlich weite Lücken, die zum Theil ausgefüllt werden von grossen rundlichen oder zackigen Protoplasma- klumpen, mit 2 bis zahlreichen Kernen. Sie sind grösser als die Ganglienzellen der motorischen Region, haben keinerlei Ausläufer; trotzdem möchte ich sie als Ganglienzellenderivate ansehen. Um diese Bindegewebshülle legt sich 3. eine Zone äusserst rundzellenreichen, sonst nicht besonders charakterisirten Gewebes, wie eine Demarkationszone. Der ganz platte Ventrikel (Unterhorn) liegt in seinem allervordersten Antheil noch im Präparat. Seine dem Abscess abgekehrte Wand ist mit einem sehr schön ausgebildeten Ependymepithel bekleidet; auch die dem Abscess zugekehrte zeigt stellenweise ein solches. Dort, wo sie dem Abscess am nächsten kommt, geht aber die Demarkationszone des letzteren un- mittelbar in die Ventrikelwand hinein, hier fehlt stellenweise das Ependym völlig, stellenweise haben sich seine Zellen mächtig verlängert, sind von der Unterlage manchmal ganz abgehoben. Freier Inhalt findet sich in der Ventrikelhöhle sonst auch mikroskopisch nicht vor. Bei Weigert- scher Bakterienfärbung kann man in der innersten Zone des nicht ent- leerten Abscesses sehr reichliche lange Streptococcenketten nachweisen, in der des entleerten scheinen sie spärlicher zu sein und sich öfter in Rundzellen eingeschlossen, als frei vorzufinden; doch möchte ich das “nicht als zu sicher hinstellen. Die beiden anderen Zonen enthalten auf den untersuchten Schnitten keine Bakterien, dagegen finden sich die Streptococcen wiederum sehr reichlich in dem Theil der Demarkationszone, welcher frei in die Ventrikelhöhle hinein vorragt. Das Septum zwischen beiden Abscessen ist durch Aneinanderlagerung der beiderseitigen Wand- schichten 1. und 2. entstanden, beide Bindegewebshüllen sind mit

964 W. Kümmel: Beiträge zur Pathologie von Ohrerkrankungen.

einander durch eine ganz schmale Rundzellenzone verschmolzen, das ganze Septum erreicht eine Dicke von 1,5 bis 2 mm.

Der Fall bietet klinisch und pathologisch manches Interessante. Zunächst ist lebhaft die irrige Diagnose des früher behandelnden Kollegen (ich möchte betonen, dass es ein hochangesehener, ausser- ordentlich erfahrener Chirurg und vortrefflicher Operateur ist) zu be- dauern. Bei rechtzeitigem Einschreiten, nicht erst in extremis, wäre vor dem tödtlichen Ende doch wohl der zweite Abscess noch aufgefunden worden, und mangels jeglicher Complication wäre dann eine Heilung wohl noch zu hoffen gewesen. Da ist es schliesslich noch besser, wie es uns in einem später zu berichtenden Fall passirte, in den umge- kehrten Irrthum zu verfallen und bei einer Meningitis tuberculosa wie bei einem Abscess einen Operationsversuch zu machen. Ferner ver- dient das Vorhandensein zweier Abscesse Beachtung. War auch die Section des übrigen Körpers nicht möglich, so dürfte laut der Anamnese, bei dem Operationsbefunde und dem Fehlen irgend eines Zeichens anderweitiger Organerkrankung doch die otitische Herkunft beider Abscesse sicher sein. Ich glaube, dass hier der ursprüng- lich einfache Abscess in zwei septirt worden ist und zwar einerseits wegen der im Abscess b anscheinend vorliegenden Vorstufe einer solchen Septirung, andererseits wegen des ganz gleichmässigen Baues der Wandung beider Abscesse. Man kann sich sehr wohl vor- stellen, dass durch die starke Bildung schwieligen Bindegewebes, wie sie sich hier überall constatiren lässt, eine solche Septirung erfolgte und schliesslich zum völligen Abschluss der beiden Höhlen gegen einander führte. Doch wäre es leichtfertig, auf Grund eines so unvollständigen Untersuchungsmaterials weitgehende Schlüsse ziehen zu wollen.

Der Process der Abkapselung ist im vorliegenden Falle sehr er- heblich ausgebildet. Soweit die Anamnese zur Zeitbestimmung herangezogen werden kann, wäre zu schliessen, dass diese ausgiebige Abkapselung in längstens 7 Monaten erfolgte, wahrscheinlich in kürzerer Zeit. Die mikroskopische Untersuchung bestätigte die alte Erfahrung, dass trotz der Kapselbildung der Abscess an der Peripherie weiter wächst, sie zeigte sogar etwas, was nach meiner Ansicht unbe- dingt als ein Fortschreiten des infectiösen Processes über die Wand des Abscesses hinaus und als ein beginnender Einbruch desselben in die bis dahin freie Ventrikelhöhle angesehen werden muss.

Die Abkapselung des Abscesses war bei dem Kinde direct die Ur- sache eines diagnostischen Fehlers, der den Tod der Dat zur Folge

K. Redmer: Ueber Spontanheilung von Cholesteatomen etc. 265

hatte. Die überaus grosse Resistenz der Wand führte mich zu der falschen Annahme, dass ich mich an der Grenze des Ventrikels befände; deshalb wagte ich kein weiteres Vordringen.

Fig. 2 zeigt, glaube ich, deutlich, wie sich das Drainrohr an der Wand des entleerten Abscesses gewissermaassen anstemmt und wie hier eine Durchbohrung der Wand den zweiten Abscess sicher eröffnet

haben würde. Sie stellt die zuerst gewonnene Schnittfläche und das Drainrohr in situ in natürlicher Grösse dar.

Ich kann mir den Vorwurf ungenügender Ueberlegung nicht er- sparen. Das Fortbestehen schwerer Druckerscheinungen bei sichtlichem Fehlen einer ursächlichen Erkrankung in der hinteren Schädelgrube hätte die Annahme eines zweiten Abscesses doch wahrscheinlich genug machen müssen, um ein energischeres Vordringen in die Tiefe zu recht- fertigen und eine herzhafte Probepunktion oder Incision würde dann gewiss den zweiten Abscess auch aufgedeckt und seine operative Ent- leerung ermöglicht haben. „Error sapientiam docet!“

(Fortsetzung folgt.}

XIV.

Ueber Spontanheilung von Cholesteatomen und cholesteatomähnlichen Erkrankungen in den Hohl- räumen des Schläfenbeins.

Von Konrad Redmer in Danzig.

(Aus der Poliklinik für Ohren- und Kehlkopfkranke in Rostock.)

Es giebt Eiterungen im Schläfenbein und in der Paukenhöhle, welche in der Weise spontan ausheilen, dass die Krankheitsproducte namentlich „Cholesteatommassen* auf dem natürlichen Wege durch den äusseren Gehörgang ausgestossen werden, und dass gleichzeitig, theils durch Usur, theils durch Einschmelzungs- oder Necrotisirungs- processe im Knochen, eigenthümlich gestaltete Hohlräume im Schläfen- . bein geschaffen werden, die sich mit Epidermis auskleiden. Alle der- artigen Fälle zeigen eine grosse Uebereinstimmung bezüglich der Form dieser Höhle, und Zaufal hat mit Recht hervorgehoben, dass solche durch Spontanheilung entstehende Höhlenbildungen ganz und gar den- jenigen gleichen, welche wir mit Hülfe einiger neueren Operations-

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bå. XXVIII. 19

266 K. Redmer: Teber Spontanheilung von Cholesteatomen und

methoden bei chronischen Mittelohr- und Schläfenbeineiterungen künstlich herbeiführen.

Es scheint uns ein "grosses Interesse zu bieten, solche Fälle zu sammeln, und zu untersuchen, unter welchen Bedingungen dergleichen Spontanheilungen zu Stande kommen. Man kann nämlich mit vieler Wahrscheinlichkeit annehmen, dass eine ge- nauere Kenntniss dieser Verhältnisse von Wichtig- keit werden kann für die weitere Ausbildung der erwähnten Operationsmethoden, denn es kann keinem Zweifel unterliegen, dass dievollkommensten Metho- den diejenigen sind, welche einen Naturheilungs- process auf’s Beste nachahmen.

Wir sind in der Lage, vier hierher gehörige Fälle genauer beschreiben zu können. Ohne Zweifel sind derartige Spontanheilungen nicht so selten, als dies nach der geringen Beachtung, die sie bisher gefunden haben, scheint. In der Literatur fanden wir gar keine Fälle ausführlicher beschrieben, die wir als ganz gleichartig mit unseren betrachten können. Es liegt dies wohl an der Schwierigkeit einer solchen Beschreibung des Befundes, die auch für andere einen derartigen Fall klar und verständlich machen könnte. Diese Schwierigkeit ist nunmehr gehoben, seitdem uns die Operationen von Zaufal, Stacke und Anderen, welche zur Beseitigung chronischer Mittelohreiterungen angegeben worden sind, an gewisse räumliche Vorstellungen und ganz bestimmte Bezeichnungen und Ausdrucksweisen gewöhnt haben. Jetzt wird hier auch eine allgemein verständliche Beschreibung der in Rede "stehenden Spontanheilungsprocesse recht wohl möglich, sobald sich diese Beschreibung anlehnt an die uns geläufigen Operationsmethoden, die, wie wir bereits erwähnt haben, in ihrem Endeffect mit den Spontan- heilungen übereinstimmen. So ist es heutzutage jeden Obhrenarzt ver- ständlich, wenn wir davon sprechen, dass wir durch eine Operation (durch Wegnahme der hinteren oberen Gehörgangswand, sowie der lateralen Wand des Antrum mastoideum) Gehörgang, Pauken- und Warzenhöhle in einen einzigen Hohlraum verwandeln. Der Mangel am solchen hülfreichen Erinnerungsbildern erschwerte also früheren Autoren die Beschreibung derartiger Fälle und verhindert uns, aus älteren vor- handenen Beschreibungen zu erkennen, ob die Fälle der von uns genannten Kategorie zuzuzählen sind. Wir denken hierbei namentlich an einige der von Hummel in seiner Arbeit über „Capacitätsbestim-

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cholesteatomähnl. Erkrankungen in d. Hohlräumen d. Schlafenbeins. 267

mungen des Gehörgangs unter normalen und pathologischen Verhält- nissen“ beschriebenen Fälle.

Es scheint, dass diese Spontanheilungen vorzugsweise, wenn nicht ausschliesslich, durch die ursurirende Wirkung von „Cholesteatomen“ zu Stande kommen, deren schliessliche Spontanevolution per vias naturales, d. h. durch den äusseren Gehörgang erfolgt. Leider erschwert zur Zeit noch die ausserordentlich grosse Verwirrung, welche in der Cholesteatomfrage herrscht, die definitive und klare Beantwortung dieser Frage ganz bedeutend.

Diese Verwirrung besteht zunächst in Folge der Schwierigkeit der Beantwortung der pathologisch-anatomischen Frage: Was ist ein Cholesteatom und wie ist dasselbe entstanden? Bekanntlich ist ein langer Streit zwischen den pathologischen Anatomen und den Öhrenärzten in der Weise entschieden, dass beide Parteien Recht haben. Es giebt Cholesteatome im Ohre und im Schläfenbeine, die im Sinne der pathologischen Anatomen überein- stimmen mit denjenigen Cholesteatomen, die in anderen Schädelknochen, sowie im Gehirn, an den Meningen, in der Brustdrüse, im Eierstock und im Hoden gefunden werden. Diese müssen ohne Zweifel als wahre Tumoren und zwar keineswegs als homologe, sondern vielmehr als echte heterologe aufgefasst werden.

Kuhn gebührt das Verdienst, zuerst von den ÖOhrenärzten auf eine solche Entstehungsweise von Cholesteatomen des Ohres genauer eingegangen zu sein. An der Hand mehrerer Fälle konnte er den Nachweis führen, dass von ihm gefundene Cholesteatome echte Ge- schwülste darstellten und nicht im Verlaufe chronischer Ohreiterungen entstanden waren. So zeigte er, dass Cholesteatome sich gebildet hatten, ohne dass Trommelfell- oder Gehörgangsfisteln vorhanden waren. In anderen Fällen wiederum war die Eiterung so kurzen Datums, dass sie unmöglich für die Ursache der Neubildung angesehen werden konnte.

Zweifellos aber giebt es zahlreiche Fälle von Anhäufung cholestea- tomähnlicher Massen in den Mittelohrräumen, die nach Ohreiterungen, also secundär entstehen, und zwar in der Weise, wie es Habermann und Bezold annehmen.

Beide vertreten die Ansicht, dass die Epidermis des perforirten Trommelfells oder des äusseren Gehörgangs in die Knochenhöhlen des Mittelohrs hineinwächst, und dass es, während die Entzündung fort- dauert, zu einer Ueberproduction von Epidermis, und in Folge davon zu Cholesteatombildung komme. Nur über die Ursache der Perforation des Trommelfells gehen die Meinungen der beiden Autoren auseinander.

19*

268 K. Redmer: Ueber Spontanheilung von Cholesteatomen und

Habermann meint, dass eine Mittelohreiterung von innen her die Perforation bewirke, Bezold hingegen führt dieselbe auf einen häufig wiederkehrenden catarrhalischen Tubenverschluss zurück, in dessen Ver- lauf die Shrapnell’sche Membran aus bekannten Ursachen gegen den Prussack’schen Raum gedrängt wird, einreisst und mit der Um- gebung verwächst.

Wir wollen hier nicht alle Möglichkeiten, wie sogenannte Chole- steatome entstehen können, anführen; doch verdient die durch Leutert festgestellte Thatsache Erwähnung, dass im eiternden Ohre Epithel- cysten entstehen können, welche histologisch den traumatischen Epithel- cysten der Haut völlig gleichen, im Ohre aber makroskopisch wie Cholesteatome aussehen. Leutert nennt denn auch diese wahren Epithelcysten, wenn sie im Ohre gefunden würden, Cholesteatome.

Nachdem es somit feststeht, dass grundverschie- dene Arten von „Cholesteatom* im Ohr vorkommen, ist es ganz unbegreiflich, wie in der ohrenärzt- lichen Literatur alle diese Dinge noch mit demselben Namen belegt werden können.. Unter Cholesteatom im Ohr kann und darf nichts anderes verstanden werden, als das, was die pathologischen Anatomen auch an anderen Stellen des Körpers als solches be- zeichnen im Sinne Virchow’s als heterologische Geschwulst also Fälle, wie sie z. B. Kuhn beschrieben hat. Alle anderen secundär entstandenen Epidermisan- häufungen dürfen niemals „Cholesteatom“, sondern jenachihrerwahren Natur nur „cholesteatomähnliche Retentionsmassen oder Epidermisüberproductionen“ oder ,Epithelcysten* genannt werden. Man muss diese Unterscheidung streng durchzuführen suchen, wenn auch zur Zeit leider noch die practische Schwierigkeit besteht, diese verschiedenen Arten, die in ihrem Endeffect so ähnlich sind, auseinander zu halten. Leicht ist die Erkennung der wahren und echten Cholesteatome in der Leiche, wenn man dieselben in den Hohlräumen des Schläfenbeins findet, ohne dass eine Eiterung in der Paukenhöhle oder eine Perforation des Trom- melfells bestanden bat. Sobald hier aber ein wahres ÜCholesteatom durch eine zufällig hinzugekommene Eiterung inficirt worden ist und nun dadurch den Eiterungsprocess im Gange erhält, wird schon die anatomische, noch viel mehr aber die klinische Unterscheidung von den secundären Epidermisüberproductionen schwer oder gar unmöglich. Und in der That findet man bei Durchsicht der einschlägigen Literatur

cholesteatomähnl. Erkrankungen in d. Hohlräumen d. Schläfenbeins. 269

sehr oft solche Beschreibungen, bei denen man im Zweifel ist, ob man die erwähnten Fälle als Cholesteatome im Sinne Virchow’s oder im Sinne Habermann’s und Bezold’s ansehen soll. Gar oft kann man auch das Bedenken nicht unterdrücken, ob nicht eingedickte und verkäste Eitermassen im Antrum mastoideum und im Recessus epitym- panicus als Cholesteatom bezeichnet worden sind. Namentlich findet man sehr oft bei Kindern das Antrum mit derben verkästen Eitermassen gefüllt, die sich wäh- rend der Nachbehandlung oft von Neuem bilden und beider Durchspülung sich in Gestalt derber Bröckel, bisweilen auch schalenförmiger Gebilde entleeren und dadurch wahren Cholesteatommassen ähnlich sehen. Dieselben erweisen sich jedoch bei der mikroskopischen Unter- suchung als nur aus fest zusammengebackenen Eiterkörperchen bestehend. Schalenförmige Gestalt nehmen sie wohl dann an, wenn sie sich zwischen der medialen Artrumwand und dem derselben anliegenden Tampon bilden. Wo man Berichte über Cholesteatomperationen bei kleinen Kindern ohne mikroskopische Untersuchung der entleerten Massen be- richtet findet, hat man zunächst an diese Eitermassen zu denken, nicht aber an Cholesteatome. Es giebt nur einen Befund, der sich klinisch für die Differenzialdiagnose zwischen dem wahren Cholesteatom und der Ueberproduction von Epidermis in den Mittelohrräumen ver- werthen lässt. Bezold hat im weiteren Verfolge seiner Beobachtungen über das Hineinwachsen von Epidermis in die Mittelohrräume die Ver- muthung ausgesprochen, dass solches nur stattfinden könne, wo die Epidermis des Trommelfells durch eine Art Brückenbildung auf die Schleimhaut der Paukenhöhle übergeführt werde, d. h. bei Verwachsung eines Perforationsrandes mit der Mittelohrschleimhaut, oder bei Zer- störung des Trommelfells bis zum Rande, nicht aber bei centralen, nicht verwachsenen Perforationen. Wenn diese Annahme richtig ist und sie ist wahrscheinlich richtig so spricht eine Verwachsung des Perforationsrandes mit der Schleimhaut der Paukenhöhle oder die Aus- dehnung der Perforation bis zum Trommelfellrande in zweifelhaften Fällen für die Diagnose der Epidermisüberproduction und Anhäufung in den Mittelohrräumen, nicht aber wie Bezold in unrichtiger An- wendung des Wortes sagt, für Cholesteatom.

Die Schwierigkeit, diese verschiedenen Erkran- kungen klinisch auseinander zu halten, mag wohl daran schuld sein, dass man sowohl bezüglich der

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Prognose als auch bezüglich der Methode der opera- tiven Behandlung des „Cholesteatoms“ bis jetzt noch sehr getheilter Meinung ist.

Zwei Ansichten stehen sich da vornehmlich gegenüber. Schwartze, Siebenmann u. A. behaupten, dass man in Hinsicht darauf, dass Recidive fast niemals ausbleiben, nach Eröffnung des Warzenfortsatzes durch Transplantation von Hautstücken eine permanente Oeffnung hinter dem Ohre schaffen müsse, durch die dann neugebildete krankhafte Massen immer wieder entfernt werden können. Demgegenüber hofft Zaufal, diese Höhlenbildungen hinter dem Ohre vermeiden zu können, und zwar dadurch, dass er durch ausgiebigste Entfernung der patho- logischen Massen und gründliche Ausräumung ihrer Umgebung das Eintreten von Recidiven verhindert und durch Anwendung der Körner’schen Gehörgangsplastik die geschaffene Knochenhöhle vom Gehörgange aus übersichtlich erhält.

Diese beiden Operationsmethoden auf die mancherlei von ver- schiedenen Autoren angegebenen Modificationen derselben gehen wir hier nicht ein weichen also insofern von einander ab, als Schwartze und Siebenmann eine Oeffnung hinter dem Gehérgange schaffen, während Zaufal dieselbe in den Gehörgang hinein verlegt. Es handelt sich also nur um Verschiedenheiten in der Lage und in der Grösse der permanenten Oeffnung. Offenbar kann diese nur den Zweck haben, die Höhle möglichst trocken zu halten und ihre dauernde Besichtigung möglich zu machen. Wo das nun vom Gehörgange aus sich mit dauerndem Erfolge erreichen lässt, wird niemand mehr principiell die abscheulichen Löcher hinter dem Ohre anlegen.

Die von Zaufal angegebene Operation bildet, wie bereits erwähnt, ähnliche Höhlen, wie sie der Natur- heilungsprocess mitunter zu Stande bringt es ist somit wahrscheinlich, dass Zaufal, zum mindesten für einen Theil der bisher als Cholesteatom bezeichneten verschiedenen -Erkrankungen, den richtigen Weg eingeschlagen hat. Es scheint uns daher zur Lösung der Frage nicht unwichtig, die Be- schreibung von vier Fällen von Spontanheilung bei Ohrcholesteatom und cholesteatomähnlichen Processen folgen zu lassen. |

Von dem ersten Falle kennen wir nur den Schädel. Dieser befindet sich im anatomischen Museum zu Rostock. Der zweite Fall stammt noch aus der früheren Frankfurter Privatpraxis des Herrn Prof. Körner: die beiden letzten kamen kürzlich in hiesiger Poliklinik für Ohren- und Kehlkopfkranke zur Beobachtung.

cholesteatomähnl. Erkrankungen in d. Hohlräumen d. Schläfenbeins.. 271

i I. Fall.

Weiblicher Schädel von 20—25 Jahren. An beiden Warzenfort- sätzen ist die äussere Fläche in sagittaler Richtung abgesägt, so dass die Hohlräume frei zu Tage liegen. Während nun auf der linken Seite ein durchweg pneumatisches Gefüge vorhanden ist, sieht man auf der rechten Seite das Innere des Warzenfortsatzes in eine grosse Höhle verwandelt, die nach aussen von völlig sclerotischem Knochen, ohne jegliche pneumatische Hohlräume, umgeben ist. Die erwähnte Höhle ist entstanden aus einer Verschmelzung der Pauken- und Warzenhöhle, sowie des ganzen Gehörganges. Die äussere Oeffnung des Gehörganges ist vor allem schon dadurch erweitert , dass alle seine Wandungen usurirt sind; namentlich ist die hintere und obere Wand gänzlich ver- schwunden. Auch die untere Wand ist tief ausgehöhlt. In der Pauken- höhle ist das Promontorium mit den Fensteröffnungen normal. Der Facialiscanal ist oberhalb des ovalen Fensters auf etwa 6mm Länge in eine offene Halbrinne verwandelt; etwas darüber ist der Vorhof eröffnet. Die Höhle erstreckt sich nach oben bis zum Tegmen tympani et antri, welches in grosser Ausdehnung. gleichmässig hell durchscheinend vorliegt. Nach hinten reicht sie bis nahe an die Flexura sigmoidea des Sulcus transversus, so dass auch hier der Knochen durchscheinend ist. Nach aussen. erstreckt sich die Höhle bis an die Corticalis des Warzenfortsatzes heran; ihre Aussenwand ist stellenweise nur 2mm dick und in der Fossa mastoidea (Bezold) besteht eine erbsengrosse Perforation nach aussen mit glatten und abgerundeten Rändern. Die Höhe des Hohlraumes beträgt 25 mm; die Ausdehnung von vorne nach hinten 23mm; die Entfernung vom Promontorium bis zur äusseren ` Wand der Höhle 21mm. Zwischen Paukenhöhle und Fossa jugularis, sowie zwischen Paukenhöhle und Carotiscanal bestehen keine Lücken. Die Gesammtgestalt des Hohlraumes ist im wesentlichen eine der Kugel nahe kommende, was namentlich dadurch zu Stande gebracht worden ist, dass der Gehörgang selbst an der Höhlenbildung beträchtlichen Antheil nimmt, und dass die in ähnlichen Fällen stark hervorragende Schwelle zwischen Pauken- und Warzenhöhle (vergl. die anderen Fälle) hier stark abgeflacht erscheint. Die Höhle ist überall glattwandig; ihre Innenfläche glänzt, es ist keine Spur von einem cariösen oder nekrotischen Process oder von Osteophytenbildung zu erkennen, sondern es handelt sich um eine vollständig ausgeheilte Knochenfläche. Bei der Besichtigung des Schläfenbeins vom Innern des Schädels aus ergiebt sich keine Verschiedenheit zwischen rechts und links, keine Dehiscenzen und keine erweiterten Gefässlöcher sind vorhanden.

Von der Krankheitsgeschichte und Todesursache des Falles wissen wir nichts. Aber der anatomische Befund lässt mit aller Bestimmtheit erkennen, dass es sich hier um eine Höhlenbildung handelt, die nur durch ein riesiges Cholesteatom entstanden sein kann. Schon die mehr als in ähnlichen Fällen auffallende Kugelgestalt der Höhle, die nur

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durch eine gleichmässige, allseitige Vergrösserung bewirkt sein kann, deutet auf eine allseitig gleichmässige Knochenusur, der allein die harte Knochensubstanz der Schnecke und die resistente, durch Osteosclerose eburnisirte Corticalis, beziehungsweise Lamina vitrea, Widerstand geleistet hat. Eine Einschmelzung des Knochens von solch einer regelmässigen Form Kugelgestalt kann keinesfalls durch einen einfachen Eite- rungsprocess im Knochen, auch nicht durch Hineinwachsen von Epidermis in die Mittelohrräume, sondern nur durch einen sich vergrössernden wahren Tumor, und an der in Betracht kommenden Stelle nur durch ein echtes Cholesteatom entstanden sein. Aber wir dürfen noch weiter- gehen und annehmen, dass das Cholesteatom ausgeheilt, d. h. spontan ausgestossen war, und dass die Heilung längere Zeit bestanden haben muss. Das Cholesteatom ragte, solange es vorhanden war, mit einem grossen Theile seiner Oberfläche in den Gehörgang hinein, war also in Berührung mit der Aussenwelt. In solchen Fällen aber bestehen aus leicht begreiflichen Gründen und nach allgemeiner Erfahrung stets Ent- zündungsprocesse in der Umgebung des Tumors, die ihre Spuren durch Rauhigkeit und Necrose am Knochen deutlich aufzeichnen. Im vor- liegenden Falle ist jedoch die Innenfläche der Höhle überall glatt und glänzend und beweist somit, dass entzündliche Vorgänge bereits seit längerer Zeit nicht mehr eingetreten sind.

Von den folgenden drei Fällen können wir nicht mit Bestimmtheit sagen, dass es sich ebenfalls nur um wahre Cholesteatome gehandelt habe, sondern können nur die klinische Diagnose: „chronische Eiterung mit zeitweiliger Ausstossung cholesteatomatöser oder cholesteatomähnlicher Massen“ stellen.

I. Fall.

Frau H., 46 Jahre alt, Wäscherin in Frankfurt a. M., kam am 23. März 1888 zum ersten Male zur Beobachtung. Sie will seit Jahren an einer Eiterung aus dem rechten Ohr gelitten haben, beachtete die- selbe jedoch nicht weiter. Erst jetzt veranlassten sie leichte Schmerzen in der Tiefe des Ohres, Hülfe aufzusuchen. Der rechte Gehörgang erwies sich gefüllt mit einem harten Pfropfe, der aus Cerumen, ein- gedicktem stinkendem Eiter und dünnen Epidermislamellen bestand. Nach der Entfernung des Pfropfes zeigten sich in der Tiefe polypöse Granulationen, welche theils mit dem Schlingenschnürer beseitigt, theils mit der an einer Silbersonde angeschmolzenen Chromsäureperle weg- geätzt wurden. Wiederholt konnten dann noch theils mit der Spritze, theils mit der kleinen knieförmigen Zange cholesteatomartige schalen-

förmige Massen aus der Paukenhöhle herausbefördert werden. Nach völliger Entfernung der Granulome bot sich nun folgender Anblick dar:

cholesteatomähnl. Erkrankungen in d. Hohlräumen d. Schläfenbeins.. 273

Die untere Hälfte des Trommelfells ist erhalten, sie zeigt mehrere kleine. atrophische Narben. Ihre obere Grenze entspricht vorne dem Procesus brevis des Hammers, hinten der Spitze des Hammergriffs. Ueber diesen erhaltenen Trommelfelltheil ragt der Kopf des Hammers hinaus, welcher dadurch sichtbar geworden ist, dass die laterale knöcherne Wand der Paukenhöhle nebst einem Theil der oberen Wand des knöchernen Gehörganges fehlt. so dass der obere Theil der Pauken- höhle und das ganze Tegmen tympani übersehen werden können. Der Knochendefect geht so weit nach hinten, dass auch der grösste Theil der Warzenhöhle sichtbar geworden ist. Entsprechend der hintern Wand der Paukenhöhle erhebt sich allmählig ansteigend eine Leiste, welche die noch wohl erhaltene Schwelle zwischen Pauken- und Warzen- - höhle bildet, innerhalb welcher der Facialis nach aussen und unten herabsteigt. Vom Hammerkopf zieht an das mediale Ende dieser Schwelle horizontal nach hinten und innen ein bindegewebiger Strang. Das Aufhängeband des Hammers fehlt vollkommen. Der Steigbügel ist ganz erhalten und in dem Winkel zwischen Hammergriff und hinterm oberen Rande des Trommelfellrestes sichtbar.

Im September 1888 bestand immer noch spärliche Eiterung aus dem Antrum. Jetzt wurde die Capacität der Höhle gemessen und hierbei ergab es sich, dass der Gehörgang nebst der Höhle doppelt soviel Wasser fasste als der linke normale Gehörgang. Im Januar 1889 senkte sich vom Tegmen tympani ein Granulom herab, das mit der Schlinge abgetragen wurde. Im Juli 1890 kam die Kranke wieder zur Untersuchung. Die Höhle war mit eingedickten, cholesteatom- ähnlichen Massen angefüllt und wurde mit der Spritze und einer kleinen Zange ausgeräumt. Nach wenigen Wochen war der Hohlraum trocken und ist von da ab bis jetzt, länger als 4 Jahre, trocken geblieben. Die Kranke wurde im März 1895 von Herrn Professor Körner bei einem Aufenthalte in Frankfurt zum letzten Male untersucht.

II. Fall.

Emil A., 16 Jahre alt, Hofgänger, giebt an, dass bereits von seiner Geburt an aus seinem linken Ohr Ausfluss bestanden habe, und er Öhrensausen und Schmerzen gehabt hätte. Auch das rechte Ohr erkrankte, wiewohl weniger heftig. Dieser Krankheitszustand hielt bis zum 8. Lebensjahre des Patienten an. Im Juni 1895 überstand er in hiesiger Klinik eine Pneumonie und wurde dann wegen seines schlechten Hörvermögens der Poliklinik für Ohren- und Kehlkopfkranke über- wiesen.

Befund am 28. Juli 1895. Bei Inspection des rechten Gehör- ganges erkennt man am Trommelfell eine ungefähr erbsengrosse, trockene Perforation. Der Hammer und ein Theil des Perforations- randes sind mit der medialen, epidermisirten Paukenhöhlenwand ver- wachsen. Im linken Gehörgang findet sich ein obturirender Pfropf von grau-brauner Farbe, als dessen Kern die Sondirung einen harten

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Körper erkennen lässt. Der Versuch, denselben mit der Pincette heraus- zuziehen, misslingt; auch durch Ausspritzen vermag man ihn nicht zu entfernen.

Der Patient wird nun zwei Tage lange mit Glycerineinträufelungen, welche die Umhüllung des beschriebenen Körpers erweichen und diesen selbst schlüpfrig machen sollen, behandelt, worauf dann die Entfernung desselben gelingt. Der herausgenommene Pfropf ist ca. 2,5 cm lang und 1,5cm dick. Die äussere Umhüllung, eine krümelige Masse von grau-brauner Farbe, besteht aus Cerumen und erweichten Epidermis- massen. Im Innern des Pfropfes befindet sich ein ca. 1,5 cm langer, harter Körper von pyramidenförmiger Gestalt. Bei näherer Betrachtung erweist sich derselbe als alter, kaum mehr als solcher erkennbarer Sequester. Die mikroskopische Untersuchung der krümeligen Massen stellt fest, dass dieselben grossentheils aus erweichter Epidermis bestehen. Bei der nun vorgenommenen Besichtigung des Gehörganges zeigt es sich, dass die ganze Paukenhöhle einschliesslich des Recessus epitympanicus, das Antrum mastoideum und der. hintere Theil des Gehörgangs in eine einzige grosse Höhle verwandelt sind. Die Gegend des Promontorium zeigt sich eingesunken und zerkliftet. Die Gehörknöchelchen fehlen ; die Höhle ist völlig mit Epidermis ausgekleidet. An einer kleinen Stelle der medianen Antrumwand scheint die Epidermis in dickerer Lage geschichtet zu sein als an den übrigen Stellen. Einige Tage nach Entfernung des Pfropfes ist die Höhle ganz trocken, nur die erwähnte kleine Stelle noch etwas feucht. Bei der Stimmgabelprüfung will Pat. nur rechts Schallempfindung haben. Er entzieht sich der weiteren Beobachtung.

Iv. Fall.

Amalie D., 38 Jahre alt, Haarkräuslerin in Rostock, hatte zum ersten Male im Jahre 1883 eine geringe, angeblich schmerzlos ent- standene Eiterung aus dem rechten Ohre bemerkt, dieselbe jedoch nicht weiter beachtet. Mitte März 1884 erkrankte sie mit Schwindel, Uebel- keit und heftigem Kopfschmerz ; dazu stellte sich später Erbrechen ein, und der Schwindel nahm zugleich so zu, dass es der Kranken unmöglich war, sich aufrecht zu halten. Nachdem dieser Zustand 10 Tage lang angehalten hatte, trat eine erhebliche Besserung ein. Die Behandlung bestand in dem Auflegen einer Eisblase auf den Kopf. Erst im Mai 1884 wurde Professor Lemcke consultirt. Dieser soll mehrmals Polypen und weissliche Häute entfernt, sowie einmal einen Schnitt im Gehör- gang gemacht haben. Im Juli hörte die Eiterung auf und die Kranke war wieder im Stande, ihrem Berufe nachzugehen. Im Februar 1885 trat eine mässige Blutung aus dem Ohr ein; nach kurzer Behandlung mit Jodoform ist dann dasselbe bis heute trocken geblieben.

Befund am 3. August 1895.

Die Kranke klagt nur über Schwerhörigkeit auf dem rechten Ohr; sie hört auf diesem nur laute Sprache direct am Ohr. Die Stimmgabel

cholesteatomähnl. Erkrankungen in d. Hohlräumen d. Schläfenbeins. 275

wird vom Scheitel aus nach dem linken (gesunden) Ohr hin gehört. An dem Warzenfortsatz ist äusserlich keine Veränderung wahrzunehmen. Beim Einblick in den Gehörgang ergiebt sich folgendes:

Man sieht in eine grosse, mit Epidermis ausgekleidete Höhle. Dieselbe ist gebildet aus dem Gehörgang, dem Recessus epitympanicus und dem Antrum mastoideum. Auf dem Grunde dieses Hohlraumes bemerkt man eine von aussen nach innen sanft ansteigende Leiste, welche denselben in zwei Theile scheidet. Diese Leiste stellt die Schwelle dar, welche Pauken- und Warzenhöhle von einander abgrenzt, und in welcher der Nervus facialis von der hinteren Paukenhöhlenwand kommend und sich nach unten biegend verläuft. Das Promontorium und die beiden Fensteröffnungen sind in ihrer Gestalt recht gut erkennbar. Die Decke der Pauken- und Warzenhöhle lässt sich sehr gut übersehen ; die Gehörknöchelchen fehlen. Eine Ueberproduction von Epidermis findet in der Höhle nicht statt. Die Tube erweist sich beim Cathe- terismus offen. Vom November 1894 bis Ende August 1895, in welcher Zeit Herr Professor Körner die Kranke beobachtet hat, sind nur einmal einige dünne, vollkommen trockene Epidermislamellen mit der Pincette entfernt worden. Der Versuchung, die Capacitätsbestimmung der Höhle durch Wasser vorzunehmen, haben wir widerstanden, weil die Erweichung der Epidermis leicht eine neue Eiterung hätte begün- stigen können.

Diese vier hier beschriebenen Fälle sollen keineswegs eine ab- schliessende Arbeit darstellen ; sie sollen vielmehr zu weiteren Beobach- tungen auf dem Gebiete der Spontanheilungen von Ohrcholesteatomen und ähnlichen Krankheitsprocessen anregen. Die Beobachtung des Verlaufs solcher Erkrankungen und das Bild, welches dieselben im einzelnen Falle darbieten, werden sicherlich maassgebende Anhaltspunkte für dasEinschlagen des richtigen Weges beim operativen Vorgehen zu Tage fördern, wodurch dann auch eine grössere Sicherheit des Heilerfolges wird erzielt werden können. Aus unseren Untersuchungen scheint einstweilen hervorzugehen, dass sowohl wahre Cholesteatome (Fall I), als auch nach seither üblichem Gebrauch klinisch als Chole- steatom bezeichnete Fälle von Epidermisanhäufung indenMittelohrräumen unterBildungeinerKnochen- höhle spontan durch den Gehörgang ausgestossen werden und hierdurch zur Heilung kommen können. Es ist deshalb nach unserer Meinung das Bestreben gerechtfertigt, Cholesteatome wie cholesteatomähn- liche Epidermis-Anhäufungen in den Mittelohrräu-

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men operativ nach der Zaufal’schen Methode ohne permanente retroauriculäre Oeffnung zu heilen. Die weitere Beobachtung hat darauf zu achten, in welchen Fällen diese Methode sich als ausreichend erweist. Denn es ist wohl anzu- nehmen, dass wahre Cholesteatome, Habermann- Bezold’sche Retentionsmassen, Leutert’sche Epithel- cysten und eventuelle andere cholesteatomähnliche Krankheitsproducte bezüglich derRecidive eine sehr verschiedene Prognose bieten und demgemäss auch auf verschiedene Weise operirt werden müssen.

Zum Schlusse sei noch kurz der von Haug und Anderen betonten Bedeutung des -—- eventuell künstlich herbeizuführenden Tubenverschlusses für die Ausheilung von „Chole- steatom“ héhlen gedacht. Durch den Verschluss der Tube soll das Eindringen von feuchter Luft und von Mikroorganismen in die Operationshéhle, und damit eine Wiederinfection derselben verhütet werden. Uns scheint nun die Berechtigung, von dem Verschlusse der Tube einen heilsamen Einfluss zu erwarten, zweifelhaft. In unserem 4. Falle ist die Knochenhöhle spontan ausgeheilt und 10 Jahre lang trocken geblieben, obwohl die Tube offen war. (In den übrigen Fällen haben wir leider keine Notizen darüber.) Ferner schliessen wir aus anderen Beobachtungen, dass die ausgiebige Ventilation von Mittelohr- räumen, die nach dem Gehörgange offen sind, durch die Tube, nur günstig auf die Heilung der kranken Schleimhaut einwirkt. Wir erinnern daran, dass die dauernde Heilung chronischer Mittelohreite- rungen bei Kindern mit adenoiden Vegetationen im Nasenrachenraum meistens erst dann zu Stande kommt, wenn die Tuben durch Entfernung der Vegetationen wieder passirbar geworden sind. Ferner haben wir folgende, für diese Frage bedeutungsvolle, Beobachtung gemacht.

Ein junges Mädchen wurde wegen chronischer Eiterung im Antrum mastoideum nach der Körner ’schen Methode operirt. Die vollkommen ausgeräumte Paukenhöhle nur die Stapesplatte blieb erhalten ‚kleidete sich schnell und gut mit Epidermis aus. Vor der Operation waren Flüsterzahlen nur etwa 50 cm weit gehört worden; nach der Epidermisirung stieg das Gehör für Flüsterzahlen auf 250, nach einigen Wochen sogar auf 400 cm!

Später stellten sich bei der Patientin maulbeerartige Schleimhaut- hypertrophien an den hinteren Enden der unteren Nasenmuscheln ein, welche die Nasenathmung fast vollständig aufhoben. Dabei ging das Gehör für Flüsterzahlen auf dem betreffenden Ohre von 400 auf 280 cm

cholesteatomähnl. Erkrankungen in d. Hohlräumen d. Schläfenbeins. 277

zurück, ohne dass in der epidermisirten Operationshöhle eine Verände- rung zu entdecken war. Nachdem die Hypertrophien mit der galvano- caustischen Schlinge entfernt waren, hob sich in wenigen Tagen die Hörweite wieder auf 400 cm. Ferner hat die Kranke bemerkt, dass sie bei jedem Schnupfen auf dem betr. Ohre schlechter hört.

Der Fall ist nur so zu erklären, dass die Epidermis, welche die Operationshöhle auskleidete, bei guter Tubenventilation absolut trocken blieb, bei gestörter Ventilation hingegen jn einen Zustand der Quellung gerieth, der die Beweglichkeit der Steigbügelplatte verminderte. Der Gedanke liegt nahe, dass eine solche Quellung die Epidermis auch für eine neue Infection empfänglicher machen könnte.

Nachtrag von 0. Korner.

In No. 2 der Berliner klinischen Wochenschrift 1896 berichtet Blau über die Heilung eines wahren Cholesteatom’s durch einfache Aufmeisse- lung des Antrum, ohne besondere Ausdehnung der Operation und ohne complicirte Nachbehandlung. Die Heilungsdauer beträgt bereits 5 Jahre.

Die Ursache des Erfolges vermuthet Blau in einer günstigeren Prognose der wahren Cholesteatome im Gegensatz zu den Bezold- Habermann’schen Epidermisanhäufungen.

Besprechungen.

Kuhnt: Ueber die entzündlichen Erkrankungen

der Stirnhöhlen und ihre Folgezustände. Wiesbaden 1895.

Bespröchen von C. Zarniko in Hamburg.

Es muss den Nasenarzt mit Genugthuung erfüllen, wenn er sieht, wie sein Specialgebiet die Anerkennung immer weiterer Kreise erobert. Die zahlreichen Beziehungen der Nase zu den übrigen Körperorganen lassen sich eben nicht oder nur zum Schaden des Kranken und des Arztes ignoriren und unabweislich tritt die Forderung auf,. dass der Practiker sich über die Nasenkrankheiten ebenso gut orientiren solle, wie über die des Kehlkopfs, des Auges und des Ohres.

Wie fruchtbringend ein Streifzug in’s Gebiet der Rhinologie auch für den Specialisten eines andern Gebiets werden kann, das beweist die vorliegende Arbeit des bekannten Königsberger Ophthalmologen Kuhnt über die entzündlichen Erkrankungen der Stirnhöhle.

Sie ist nach den Worten des Verf. aus der Praxis für die Praxis entstanden. Zur Grundlage dient ihr ein stattliches Material von 24 eigenen Beobachtungen, die in einem Anhang in extenso mitgetheilt werden.

Das Studium dieser Krankengeschichten ist für den Rhinologen von ganz besonderm Interesse. Denn schwere Erkrankungen, wie sie hier geschildert werden, kommen ihm kaum zu Gesicht, weil die Complicationen die nasalen Symptome in den Hintergrund drängen.

Auf seinen Erfahrungen fussend, erledigt der Verf. sein Thema in 6 Abschnitten, er schildert: 1. Das klinische Bild, 2. die Aetiologie, 3. die pathologische Anatomie, 4. die Diagnostik, 5. die Complicationen

Besprechungen. 279

(an den Augen und am Gehirn) und 6. die Therapie. Zur Ergänzung und Klärung der selbstgewonnenen Anschauung wird die Literatur, besonders auch die ältere, ausgiebig herangezogen.

Wir heben aus dem Inhalt der genannten Abschnitte einzelnes, was uns besonders bemerkenswerth erscheint, hervor.

Im 1. Abschnitt plaidirt der Verf. für folgende Eintheilung: Er unterscheidet eine Sinuitis catarrhalis, blennorrhoica und pyorrhoica. Empyem nennt er die Affection, wenn eine Eiter- absackung, Mucocele oder Hydrops, wenn eine Schleimabsackung, Abscess, wenn daneben eine Gewebsnecrose vorhanden ist. Alle Processe kénnen acut oder chronisch verlaufen.

Die Schilderung der Symptome (S. 6 ff.) giebt einen Begriff von der Schwere der Erkrankungen, mit denen es der Augenarzt zu thun hat. Oedeme und Phlegmonen des Oberlides, Exophthalmus, Fistelbildung am obern Orbitalrande werden als ganz gewöhnliche Folgen des Stirn- höhlenempyems dargestellt.

Von entfernteren Störungen führt Verf. solche der Psyche, der ‘Intelligenz, des Magendarmtractus, Fieber mit Schüttelfrösten und Schwindelanfällen, Irresistenz gegen Tabak und Alcohol an.

Aetiologie. Verf. statuirt eine individuelle Prädisposition, und zwar eine Örtliche (auffällige Grösse, Buchtenreichthum der Stirnhöhle, enger und gewundener Ausführungsgang, Schiefstand und Spinenbildung am Septum narium, Narbenbildungen im mittleren Nasen- gange) und eine allgemeine (Scrophulose, Lues, unzweckmässige Lebensweise). Zur Prädisposition tritt als direct veranlassende Ursache entweder eine bacteriellelnfection der Schleimhaut (»primäre Endzündung«) oder Knochenerkrankung (durch Infection oder Trauma), Fremdkörper, Entozoen, Geschwülste (»secundäre Endzündung«).

Polypen im mittleren Nasengang hält Verf. nicht für Ursachen der Entzündung, ebensowenig Secretstauung.

Pathologische Anatomie. Auf eine Besprechung der Grössen- und Formverhältnisse folgt eine Schilderung der Schleimhaut- veränderungen bei den verschiedenen Entzündungsformen. Neu ist hier die Beschreibung einer »putriden zur schnellen Gangrän führenden « Infection, bemerkenswerth sind die Ergebnisse der histologischen Unter- suchung in 2 eigenen Fällen. Den Ausführungsgang fand der Verf. unter 15 operirten Fällen 4 Mal frei und leicht sondirbar, 3 Mal ventil-

280 Besprechungen.

artig verlegt, 2 Mal einfach zugeschwollen aber sondirbar, 2 Mal ver- klebt aber sondirbar, 4 Mal unwegsam (die Sondirungen fanden von der eröffneten Höhle aus statt). Die ventilartige Schleimhautfalte wird eingehend gewürdigt und mit ähnlichen Bildungen im Duct. naso- zacrymalis verglichen. Im eitrigen Stirnhöhlenexsudat wurde 2 Mal der Fränkel’sche Pneumoniebacillu, einmal eine sonst nicht beobachtete Bacillenart gefunden, im schleimigen Exsudat waren Bacterien nicht nachweisbar. Knochenperforationen treten bei acuten Infectionen manchmal schon am zweiten oder dritten Tage ein, bei chronischer Eiterung gewöhnlich gelegentlich acuter Exacerbationen und auch bei freiem Ausführungsgange. Lieblingsstellen sind: Eine nahe der Fovea trochlearis und eine zweite !/,—1lcm hinter der Incisura supraorbitalis. An beiden durchsetzen stärkere Venenstämmchen den Knochen. Die Perforationen hält Verf. deshalb für Folgen einer Thrombophlebitis.

Diagnose. Grossen Werth legt der Verf. auf die Ergebnisse der Palpation. Manchmal konnte er nach den Stellen der Stirn- wand, die auf Druck schmerzten, die Ausdehnung des Sinus genau ermitteln. Noch wichtiger als die Betastung der facialen ist die der orbitalen Wand. Hier sind es besonders die soeben erwähnten Lieblings- sitze der Knochenperforation, die bei der Palpation oft das Gefühl der Knochenverdünnung oder der entzündlichen Verdickung, verbunden mit lebhaftem Druckschmerz, liefern. Die Durchleuchtung übt Verf., obwohl er zugesteht, dass sie in den meisten Fällen nicht verwerthbar ist. Eine eingehende Besprechung erfahren die subjectiven Schmerz- empfindungen der Patienten,

Complicationen. 1. Auge und Sehorgan. Secundäre Veränderungen am Auge können auf dreierlei Art entstehen.

a) Mechanische Verhältnisse erzeugen Verlagerung des Bulbus, Störungen in der Beweglichkeit und Function (Amblyopie, Amaurose) und Störungen in der Ableitung der Thränenflüssigkeit. Die genannten Veränderungen treten rein nur bei den Hydropsieen ein, bei denen sich ohne Entzündungserscheinungen eine Geschwulst am Dach oder an der obern innern Wand der Orbita entwickelt.

b) Gewöhnlich sind neben den Verdrängungserscheinungen oder auch ohne diese entzündliche Veränderungen des Orbital- inhalts vorhanden. Glücklicherweise ist eine ausgedehntere Vereiterung des orbitalen Fettgewebes selten, weil sich sehr bald eine Fistel bildet.

Besprechungen. 281

Erkrankungen der Binde- und der Hornhaut kommen gewöhnlich auf dem Umwege über den Thränennasencanal zu Stande. Betreffs der Erkrankungen des Uvealtractus spricht sich der Verf. sehr reservirt aus. Er glaubt, dass Nebenhöhlenempyeme sie wohl begünstigten nicht aber direct verursachten. Eine Behandlung der Nebenhöhlenaffection diene deshalb nur zur Unterstützung der eigentlichen Therapie. Sehr häufig ist die gleichseitige Papille verändert (Hyperämie, Ver- schleierung der umscheidenden Ringe, stärkere Venenfüllung), ausnahms- weise ist die Nervenfaserlage in ihrer Umgebung getrübt. Ist daneben schneller Verfall des Sehvermögens vorhanden, so handelt sich’s vielleicht um eine Thrombophlebitis der Vena centralis oder der Orbitalvenen.

c) Die dritte Gruppe der Augenstörungen ist die der functionellen, das sind solche Störungen, die ohne jegliche sonstigen Veränderungen eintreten und sich als Einschränkung des Gesichtsfeldes (manchmal mit Herabsetzung des centralen Sehens), musculäre Asthenopie und Unvermögen, die Accomodation längere Zeit anzustrengen, documentiren. Verf. hat functionelle Störungen so sicher und genau beobachtet, dass Zweifel daran (wie sie von Grünwald ausgesprochen sind) nicht bestehen können. Nach einer Kritik der vorhandenen Theorieen (Ziem, Knies, Grünwald, Berger) spricht sich Verf. für die Annahme einer Intoxication durch resorbirte eitrige oder fötide Massen aus, die diese Störungen verursachen sollen.

2. Der Abschnitt über die cerebralen Gomplicationen ist eine kleine literarische Studie für sich. Wir finden darin aus der Literatur 17 Beobachtungen zusammengetragen, die uns die grosse, von den Rhinologen bisher unterschätzte Gefährlich- keit der Stirnhöhleneiterungen vor Augen führen.. Bemerkenswerth ist, dass sich in der Mehrzahl der Fälle der Ductus frontalis frei durchgängig zeigte. In 14 Fällen war das Hirnleiden _(Meningitis, Abscess) erzeugt durch eine Perforation der cerebralen Sinuswand an ihrer dünnsten Stelle, in 2 Fällen durch Thrombo-

phlebitis der Vena ophthalmica und des Sinus cavernosus.

Therapie. Nach einer kritischen Erörterung der üblichen therapeutischen Eingriffe (Spülungen, Luftdouche, Aufmeisselung von aussen) schildert Verf. seine Operationsmethode, die sich von den frihern dadurch unterscheidet, dass sie von vornherein eine Verödung der Höhle ins Auge fasst. Dazu nimmt er entweder die ganze vordere Sinuswand sammt der erkrankten Schleimhaut fort oder in geeigneten

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd, XXVIII. 20

282 Besprechungen.

Fällen die untere und vordere Wand. Er rühmt dieser Methode nach, dass sie einfach und leicht ausführbar sei, mit Sicherheit in kurzer Zeit zur Heilung führe und geradezu ideale, cosmetische Effecte gebe. Wenn nöthig, könne man in derselben Sitzung auch das Siebbeinlabyrinth bequem ausräumen.

Die vorstehende, recht lückenhafte Inhaltsangabe mag hinreichen, um dem Leser ein Bild von der reichen Ausbeute zu geben, die das Studium des vortrefflichen Buches ihm gewährt.

Ref. glaubt, dass der Herr Verf..des Dankes seiner Leser in noch erhöhtem Maasse sicher wäre, wenn er die ersten Abschnitte etwas gedrängter zusammengearbeitet hätte. Hier finden sich manche Breiten und Wiederholungen. Einige Behauptungen fordern zum Widerspruch heraus, so z. B. die, dass die Nasenschleimhaut bei jedem Catarrh, ja selbst in normalem Zustande von Microorganismen förmlich wimmelt (S. 26); S. 46 spricht Verfasser (wohl infolge eines Schreibfehlers) von »Knäueldrüsen« in der Stirnhöhle; eine distincte Membran in Schleimhautfollikeln ist doch nie vorhanden (S. 45)! Vielleicht werden diese wenigen Erinnerungen bei einer zweiten Auflage berücksichtigt, die wir dem Werke recht bald wünschen.

A. Steuer, die häufigsten Ohrenkrankheiten im Bilde. Nebst Anleitung zur Untersuchung des Ge- hörorgans mit 43 Abbildungen in Chromodruck und 15 Holzschn. Leipzig, Naumann o. J. Preis 3 Mark.

Besprochen von E. Bloch in Freiburg i. Br.

Auf 62 Seiten Text, der vielfach durch Abbildungen unterbrochen ist, giebt der Verf. eine theilweise ausführliche Anleitung zur Unter-

suchung des Ohres, namentlich mittelst des Spiegels, sowie eine kurze

Besprechung einiger häufiger vorkommenden Krankheiten desselben. Dass dies nicht erschöpfende Darstellungen der betreffenden Abschnitte sein können, liegt auf der Hand; doch hat der Verf. auf dem knappen Raume viel gegeben. Vielleicht liesse sich durch Weglassung von minder Wichtigem und bessere Gruppirung des Stoffes in einer neuen Auflage noch mehr bieten.

In einem nur der nothdürftigsten Orientirung in der Disciplin ge- widmeten Heftchen halten wir einen Satz wie den folgenden für be-

Fachangelegenheiten. 283

denklich (S. 10): ». . . etwaige Fremdkörper entfernt man durch Ausspritzen ..., oder mit dem Ohrléffel oder mit einer Kniepincette« etc. Eine Warnung vor allen Instrumenten ausser der Spritze wäre hier angebracht gewesen. Unrichtig ist, dass die S-Laute bei Schall- leitungshindernissen schlecht gehört werden; das R und das Flüster-U werden auch nicht zur Prüfung auf Labyrinth-, sondern auf Mittelohr- erkrankungen zweckmässig verwendet (S. 30, 31). Die Bewerthung des Gell&’schen Versuches (S. 34) ist die ganz ungenügende der Autoren.

Eine grosse Zierde des Werkchens sind die 11 Tafeln farbiger Ab- bildungen, die, wenn auch Einzelnes nicht vollkommen correct ist, doch mit grossem Verständniss aufgenommen und künstlerisch schön wieder- gegeben sind.

Fachangelegenheiten.

Bereits während der Unterhandlungen mit Prof. Körner-Rostock wurden Erkundigungen bei Prof. Siebenmann-Basel eingezogen, unter welchen Bedingungen er bereit sei, die otiatrische Professur in Heidel- berg zu übernehmen. Nachdem er dieselben Bedingungen wie Prof. Körner gestellt hatte, wurde nach Körner’s Ablehnung von einer Berufung Siebenmann’s abgesehen und die Stelle Herrn Stabsarzt Dr. Passow, Assistent an der Trautmann’schen Klinik, übertragen.

20*

Deutsche otologische Gesellschaft.

Die fünfte Versammlung der Deutschen otologischen Gesellschaft wird in diesem Jahre

am 22. und 23. Mai in Nürnberg

stattfinden.

Diejenigen Herren Kollegen, welche Vorträge und Demonstrationen zu halten beabsichtigen, werden gebeten, ihre Themata bis zum 20. April d. Js. an den Unterzeichneten gelangen zu lassen.

Anmeldungen zur Aufnahme in die Gesellschaft sind gleichfalls an den Unterzeichneten zu richten.

Die ausführliche Tagesordnung wird Anfang Mai versendet werden:

Im Namen des Ausschusses:

Der ständige Secretär:

Prof. Dr. K. Bürkner.

Göttingen, den 25. Februar 1896.

Der Oesterreichische Otologentag findet am 28. u. 29. Juni d. Js. in Wien statt. Sollte es nicht möglich sein, von Zeit zu Zeit eine gemeinsame Tagung der Deutschen und der Oesterreichischen Otologen-

© e

versammlung eintreten zu lassen?

O. Körner: Ein neuer Beitrag d. Ohr- u. Warzenfortsatzeiterungen. 285 XV.

Ein neuer Beitrag zur Kenntniss der Ohr- und Warzenfortsatzeiterungen bei Diabetikern, nebst Bemerkungen über die Percussion des Warzen- fortsatzes. Von O. Körner in Rostock.

Der 54jährige Schlachtermeister B. wurde mir von dem Hausarzt Dr. Lechler am 13. April 1895 zugesandt. Er war bisher gesund gewesen, nur wurde vor 9 Jahren ein enormer Milztumor bei ihm ent- deckt, der auch heute noch besteht und keine Beschwerden macht, und vor 2 Jahren hatte er eine acute, linksseitige Otitis, angeblich in Folge einer heftigen Erkältung. Es wurde damals von Herrn Professor Lemcke sogleich die Paracentese gemacht, worauf bald völlige Heilung eintrat. Eine Narbe ist an dem Trommelfell jetzt nicht mehr auf- zufinden.

Am 3. April traten ohne bekannte Ursache auf dem rechten Ohre heftige Schmerzen ein, welche bis jetzt anhielten, obwohl sich 3 Tage nach Beginn derselben eitriger Ausfluss aus dem Ohre einge- stellt hatte.

Die erste Untersuchung am 13. April ergab Folgendes. Der ziem- lich corpulente Mann sah blass aus und hatte dicken, gelblich weissen Zungenbelag. Der Puls war etwas beschleunigt, die Temperatur normal. Die Bedeckungen der unteren Hälfte des rechten Warzenfortsatzes waren leicht teigig geschwollen und auf Druck schmerzhaft. Im Gehörgang fand sich etwas blassröthlich gefärbter Eiter. Auf der Mitte des Trommelfells ragte aus einer kleinen Perforation ein lang gestieltes Granulom hervor. Nach Entfernung desselben mit der Pincette ergab sich, dass die runde, kleinstecknadelkopfgrosse Perforation ziemlich central gelegen war. Das Trommelfell selbst war gequollen und ober- flächlich macerirt, so dass der Hammer nicht erkannt werden konnte.

Nach der Entfernung des Granuloms verminderten sich die Schmerzen und der Eiter wurde reichlicher, behielt aber seine röthliche Farbe. Da am 17. April die Schwellung auf dem Warzenfortsatze noch vor- handen war, wurde die Perforation mit dem Knopfmesser nach hinten und unten erweitert. Am 20. hörten die Schmerzen auf, Schwellung

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 21

286 O. Körner: Ein neuer Beitrag zur Kenntniss

auf dem Warzenfortsatz war nicht mehr nachzuweisen und der Ohreiter hatte seine blutige Färbung verloren.

Da trotz dieser Besserung des Ohrenleidens die Kräfte des Patienten in den letzten Tagen auffällig zurückgegangen waren, wurde der Ver- dacht auf Diabetes rege, und obwohl der Kranke versicherte, weder an ungewöhnlichem Durst noch Hunger zu leiden, auch keine ungewöhnlichen Mengen Urin zu entleeren, wurde sofort eine Harnuntersuchung vor- genommen, die einen Zuckergehalt von etwa 5°/, ergab.. Ferner ent- hielt der Urin etwas Eiweiss, gab aber die Eisenchloridreaction nicht. Seit 2 Tagen klagte der Kranke über fortwährenden Singultus, der nur während des Schlafes unterbrochen war. Der Puls war 120, Athem- frequenz 24, Temperaturen subnormal. Die Untersuchung des Eiters im pathologischen Institut ergab Staphylococcus albus in Reincultur.

Am 22. April wurde zum ersten Male, nachdem man sich noch- mals von dem völligen Verschwinden der Schwellung überzeugt hatte, eine vergleichende Percussion beider Warzenfortsätze vorgenommen. Dieselbe ergab an allen Stellen beiderseits gleichen Schall.

Am 23. April gegen Abend stellten sich starke Durchfälle ein, darauf kam es zu Schwindelanfällen und leichten Delirien. Die Haut war feucht und kalt. Der Ohreiter war wieder etwas blutig gefärbt, wurde jedoch nur in sehr geringer Menge entleert. Nach der Reinigung des Ohres dauerte es etwa 5 Minuten bis sich wieder ein Eitertropfen in der Perforationsöffnung zeigte. |

Am 25. IV. wurde der Eiter wieder reichlicher secernirt und war stärker blutig gefärbt. Die Zuckerbestimmung ergab in einer 24stündigen Harnmenge von 3 Litern 61/, °/y.

In den nächsten Tagen noch häufig Delirien, Puls meist 130, Zunge ohne Belag, sehr trocken. Am 1. V. ergab die Zuckerbestimmung in einer 24stündigen Harnmenge von 2!/, Liter 4,5 °/, Zucker.

Am 7. V. zum ersten Mal stärkere Benommenheit, Puls unregel- mässig. 8. V. Puls 150, Athmung 54, Somnolenz. Die Warzen- fortsätze erweisen sich bei der vergleichenden Betastung in allen Einzelheiten beiderseits gleich, rechts kein Oedem und keine Periostschwellung nachweisbar. Die Percussion ergab aber jetzt rechts auf dem ganzen Warzenfortsatz deutliche Dämpfung. links normalen Knochenschall. Dieses Per-

der Ohr- und Warzenfortsatzeiterungen bei Diabetikern. 287

cussionsergebniss wurde wiederholt an diesem Tage fest- gestellt und dem Hausarzte vordemonstrirt.

Am 9. V. trat der Tod im Coma ein. Die Section wurde nicht gestattet.

Obwohl weder ein Sections- noch ein Operationsbefund vorliegt, kann man doch mit Bestimmtheit sagen, dass es sich hier nicht um eine einfache Öhreiterung, sondern um einen centralen Ein- schmelzungsprocess im Warzenfortsatz gehandelt hat. Dies lehrt nicht nur die völlige Uebereinstimmung in Befund und Verlauf dieses Falles mit den früher von mir beschriebenen !) und den meisten übrigen in der Literatur vorhandenen Fällen, sondern auch das Ergebniss der Per- cussion des Warzenfortsatzes. Wenn der Percussionsschall eines Knochens unter unserer Beobachtung vom normalen zum gedämpften übergeht, ohne dass eine Veränderung der Bedeckung des betreffenden Knochens besteht, und wenn namentlich die Dämpfung durch sorgfältige Ver- gleichung mit der anderen, gesunden Seite vollkommen sicher gestellt werden kann, so beweist dieselbe eine Veränderung im Innern des Knochens.

Wir haben in diesem Falle von einer Operation Abstand genommen, weil zu der Zeit, als die Erkrankung des Warzenfortsatzes erkennbar geworden war, der Kranke sich bereits in einem solchen Zustande be- fand, dass man jeden Augenblick auf das Hinzutreten des diabetischen Coma gefasst sein musste und allen Grund hatte zu der Befürchtung, dass die Operation dieses Ereigniss herbeiführen würde,

1) Körner, Arch. f. Ohrenheilk. Bd. XXIX, S. 61. Körner und von Wild, diese Zeitschr. Bd. XXIII, S. 234.

288 D. N, Dennis: Einige Fälle von Empyem der Stirn- und XVI. Archives of Otology. 1895. Vol. XXIV. No. 2.

Einige Fälle von Empyem der Stirn- und Sieb- beinhöhlen mit nachfolgender Geschwulstbildung

in der Orbita.

Von David N. Dennis. M.D., Erie, P.A. (Uebersetzt von Dr. Th. Schröder in Rostock.)

Die folgenden Fälle erscheinen mir lehrreich vom Standpunkte der klinischen Beobachtung aus, sowie interessant wegen der relativen Seltenheit ähnlicher in der medicinischen Litteratur berichteter Fälle.

Falll. Empyem der Stirnhöhle Operation Heilung.

Frau Marie B., 64 Jahre alt, consultirte mich zuerst am 19. Januar 1891 wegen unausgesetzter Kopfschmerzen, wegen Schmerzen rings um das linke Auge herum, sowie Verlustes des Sehvermögens auf diesem Auge. Gesundheit im allgemeinen gut; ebenso die der Ange- hörigen. Etwa vor einem Jahre oder noch etwas früher hatte sich am inneren oberen Winkel der linken Augenhöhle eine Schwellung bemerkbar gemacht, welche an Grösse stetig zunahm. Der Kopfschmerz wurde stärker, wenn Patient sich bückte. Die Inspection ergab deutlichen Exophthalmus des linken Auges; der Augapfel ist nach aussen und unten dislocirt; die Augenlider bedecken den Augapfel nur unvollständig.

Sehschärfe r. Auge: l. Auge sieht Gegenstände und kann vor-

6 1X gehaltene Finger zählen; Doppelsehen. Die ophthalmoskopische Unter- suchung ergab: Augenmedien klar; Retinalvenen etwas stärker gefüllt als normal; Nervus opticus anscheinend normal. In der linken Nasen- höhle fanden sich 2 oder 3 kleine Polypen. Patientin wurde zur Operation ins Krankenhaus geschickt. In Aether-Narcose und unter Beobachtung strenger Antisepsis wurde längs des oberen Orbitalrandes ein Schnitt gemacht, ausgehend vom inneren Winkel bis ungefähr zu seiner Mitte. Der in die Schnittwunde eingeführte Finger stiess auf die scharfen knöchernen Ränder einer in die Stirnhöhle führenden Oeffnung. Die Incision wurde darauf erweitert und ein freier Zugang zur Stirnhöhle geschafft. worauf sich eine reichliche Menge schleimigen Eiters ergoss; die Höhle ward hierauf gründlich mit 1 pro milliger Sublimatlösung ausgespült und mit dem Finger auf ein möglicherweise vorhandenes Gewächs durchsucht; es wurde aber nichts derartiges ge- funden. Man legte nun ein Drainröhrchen in die Höhle und verband die Wunde: erstere wurde dann zweimal am Tage gründlich ausgespült. Da am Ende der zweiten Woche noch keine Communication zwischen

we

Siebbeinhöhlen mit nachfolgender Geschwulstbildung in der Orbita. 289

Stirn- und Nasenhöhle vorhanden war, so versuchte man durch Ent- fernung der Polypen eine solche zu erzielen. Am 2. Tage danach trat ein heftiger Anfall von Erisypel auf, der glücklicherweise das Gewebe der Orbita intakt liess, sodass Patientin bald genesen konnte. Es zeigte sich nun, dass von der Höhle aus durch die Nase hindurch für ge- nügenden Abfluss gesorgt war. Daraufhin wurde die Irrigation noch etwa 4 Monate hindurch fortgesetzt. worauf sich nur noch Spuren von Eiter zeigten. Der Exophthalmus war völlig verschwunden; kein Doppel-

6 sehen mehr; Sehschärfe auf beiden Augen Tx: Augenhintergrund

normal. Im Mai 1894 stellte sich Patientin wieder vor: es war kein

| 6 Recidiv aufgetreten; Kopfschmerz gebessert. Sehschärfe beiderseits z- A

Fall II. Empyem der Stirnhöhle Operation Heilung.

Mr. J. B. S., 72 Jahre alt, consultirte mich zuerst am 11. Sep- tember 1893. Gesundheit im allgemeinen gut; Familie gesund. Patient gibt an, einen Exophtbalmus des linken Auges sowie eine Schwellung nahe dem inneren oberen Rande der linken Augenhöhle gehabt zu haben. Letztere sei mit günstigem Erfolge von einem Arzte etwa 2 Jahre vor der heutigen Consultation operirt worden. Einige Wochen vor letzterer wäre das Auge wieder hervorgetreten; es bestände Kopfschmerz, der sich beim Bücken steigere. Die ophthalmoskopische Untersuchung ergab : Augenmedien klar, Nervus opticus und Gefässe normal. Es wurde die bei der ersten Operation gesetzte Wunde wieder geöffnet und ein freier Abfluss zwischen Stirnhéhle und Nase hergestellt. Der Schleim war sehr zähe und schwierig zu entfernen. Zur Reinigung der Höhle wurde Dobell’sche Lösung verwendet. Nach dreimonatlicher Behandlung hiermit wurden die Ausspülungen ausgesetzt. Als Patient sich am 28. Oct. 1894 wieder sehen liess, fand sich Folgendes: Kopfschmerz war nicht wieder aufgetreten; die Wunde war völlig geschlossen ;

D Exophthalmus nicht wahrzunehmen. Sehschärfe beiderseits "er

Fall III. Empyem der Siebbein-Zellen. Operation, Tod in Folge von Meningitis.

Mrs. Alice G., 32 Jahre alt, Engländerin, consultirte mich zum ersten Male am 8. September 1893 und erziihlte mir, dass sie wiederholt an Nasenpolypen gelitten habe, die in reichlicher Menge aufgetreten und von Zeit zu Zeit entfernt worden seien. Ihr Gesicht zeigte einen ganz eigentümlichen Ausdruck: die Augen standen weit auseinander und traten stark hervor; die Nase war oben am XNasenrücken sehr breit, nahm bis zum unteren Drittel an Breite noch zu, um erst an den Nasen- flügeln wieder abzunehmen. Die Haut über denı Nasenrücken zeigte eine röthliche Verfärbung. Allgemeinbefinden schlecht; etwas Husten, der augenscheinlich von der Mundathmung und der gereizten Nasen-

290 D. N. Dennis: Einige Fälle von Empyem der Stirn- und

schleimhaut herrührt. Die Nasenhöhlen fanden sich angefüllt mit Polypen: nach ihrer Entfernung zeigte es sich, dass die rechte Nase sehr geräumig war, und dass die Tumoren das Septum weit nach der linken Seite hin verdrängt hatten. Die Nasenmuscheln waren fast völlig verschwunden. Linke Nasenhöhle entsprechend eng wegen der Verdrängung des Sep- tums. Oben am Dache der Nasenhöhle liess sich mit der Sonde rauher Knochen nachweisen; genauere Localisirung der rauhen Stelle war unmöglich. Patientin fühlte sich durch die Entfernung der Geschwülste sehr erleichtert, ganz besonders weil sie wieder mit geschlossenem Munde athmen konnte, auch der Husten hatte bedeutend abgenommen. Bis zum Juli 1894 stellte sich Patientin noch gelegentlich einmal wieder vor zur Entfernung der wieder nachwachsenden Polypen; jetzt fing sie aber an über äusserst heftigen Kopfschmerz, sowie Schmerz rings um 6 6

IX’ ` XXX Es war auf dem rechten Auge Hypermetropie vorhanden, auf dem linken Astigmatismus von 2 Dioptrien, nach deren Beseitigung die Sehschärfe

das linke Auge herum zu klagen. Die Sehschärfe war r.

auf beiden Augen R betrug. Augenlid und Orbitalgewebe Ödematös ;

etwas Exophthalmus; Auge nach links verdrängt; am innern Teile der linken Orbita eine Geschwulst sichtbar, welche auf Druck nachgibt. Es wurde nun der Versuch gemacht, eine Drainage von den Siebbein- zellen durch die Nasenhöhle hindurch herzustellen; es wurde auch that- sächlich einer bedeutenden Menge schleimigen Eiters dabei freier Ab- fluss verschafft, doch wollte eine Erleichterung des Kopfschmerzes sowie des Druckgefühls rings um das Auge nicht eintreten. Als Patientin dann über Nachtschweisse, Fieber und vermehrte Schmerzen klagte, wurde sie am 16. Juli 1894 zur Operation ins Krankenhaus geschickt. Nach- dem jede Vorsicht getroffen war, um das Operationsfeld aseptisch zu halten, wurde in Aethernarcose eine Incision längs des oberen Orbital- randes gemacht und an diese sich anschliessend eine zweite längs der Seite der Nase; alsdann ward der so gebildete dreieckige Lappen zurück- geschlagen und die innere Oberfläche der Orbita blossgelegt. Es fand sich eine knöcherne Protuberanz entsprechend der Siebbeinhöhle; sie wurde durchbohrt, worauf sich eine Menge Eiter entleerte; dann wurden die knöchernen Wände der Siebbeinzellen mit der Curette zertrümmert und freier Abfluss in die Nase hergestellt. Die Nasenbeine zeigten sich necrotisirt, eine Sonde liess sich längs der äusseren Oberfläche der- selben und des unteren Drittels des Stirnbeins einführen, welch letzteres sich gleichfalls als rauh erwies. Es wurde daraufbin in der Mitte der Stirn bis auf den Knochen breit incidirt, worauf sich Flüssigkeit dureh die Nasenhöhle entleerte. Darauf Gazedrainage. Die Gaze wird täglich erneuert und die erkrankten Teile werden gründlich ausgespült und irrigirt; für freien Abfluss des Secrets wird gesorgt, so dass kein Fieber und keine Nachtschweisse mehr auftreten und auch der Kopfschmerz sich bessert. Diese Besserung dauerte etwa 14 Tage, als trotz der

Siebbeinhöhlen mit nachfolgender Geschwulstbildung in der Orbita. 29]

grössten Sorgfalt bei der Reinigung der Wunde, eine septische Meningitis auftrat, an welcher Patientin am 2. August zu Grunde ging. Section nicht gestattet.

Der Fall zeigt einige Besonderheit durch die ausgedehnte Zer- störung der erkrankten Theile als Folge des lang anhaltenden Druckes, durch das fast vollständige Fehlen von Nasenmuscheln, durch die Caries der Nasenbeine und das deutliche Hinübergreifen des Processes vom Nasen- auf das Stirnbein. Ob die Perforation im Nasenbein von innen nach aussen stattfand, oder ob durch eine sich entwickelnde Periostitis die Necrose erzeugt wurde mit nachfolgender Perforation von aussen nach innen, ist schwer zu sagen. Zweifelsohne waren auch die andern Nebenhöhlen in Mitleidenschaft gezogen. In den Fällen I und II war der Schleim so zäh, dass es fast unmöglich war, die Höhle völlig davon zu befreien. Dies wurde indessen doch erreicht, durch die reichliche Anwendung der Dobell’schen Lösung die darin enthaltene Soda löste den Schleim auf. Nach dieser wurde eine ganz schwache Argen- tum nitricum-Lösung in die Höhle gespritzt: sie übte nicht bloss quantitativ, sondern auch qualitativ einen entschieden günstigen Einfluss aus. Die in Fällen von Stirnhöhlen - Empyem gewöhnlich ange- wendete Operations-Methode, nach welcher die Höhle yon der Orbita aus eröffnet wird, wurde auch in unseren Fällen in Anwendung gebracht. In einer in Paris erschienenen und im Arch. d’Ophth. 1891 veröffent- lichten Abhandlung von Dr. Guilleman verbreitet sich dieser Autor eingehend über die Anatomie dieser Gegend und befürwortet den Ge- brauch der Trephine. Die dabei angewendete Technik besteht darin, dass man in die Stirn etwas oberhalb des Nasendaches incidirt, Haut, Fascie und Periost zurückschiebt und mit einem kleinen Bohrer die Stirnhöhle eröffnet. Sie wird dann dadurch drainirt, dass man durch die äussere Oeffnung erst ein Röhrchen in die Höhle einführt und mit einer eigens zu diesem Zwecke construirten Sonde durch das Infundibulum bis in die Nasenhöhle eingeht. Auf diese Weise soll die Höhle leichter zugänglich und die Drainage eine vollständigere sein. Doch will mir scheinen, dass die Entstellung eine beträchtlich grössere sein müsse als bei der Operation von der Orbita aus.

292 C. W. Richardson: Ein Fall von lebenden

XVII.

Ein Fall von lebenden Fliegenmaden in normalen Gehörgängen. Von C. W. Richardson, M.D.,

Professor der Otologie und Laryngologie an der Columbischen Universitat in Washington. (Uebersetzt von Dr. Th. Schröder in Rostock.)

Patientin war ein sehr zartes Kind von 4 Monaten, doch gut ge- nährt und anscheinend völlig gesund. Krank war es nie gewesen, auch ass und trank es genügend, und alle Functionen wurden überhaupt in normaler Weise verrichtet. Einige Tage ehe meine Aufmerksamkeit auf das Kind gelenkt wurde, war es, wie die Wärterin bemerkt hatte, äusserst verdriesslich gewesen, hatte fast unaufhörlich geweint, wenig geschlafen und nur mit Zwang Nahrung zu sich genommen. Dieser Wechsel im Verhalten des Kindes liess sich auf keine Weise erklären. Am dritten Morgen wurde im rechten Gehörgange etwas angetrocknetes Blut bemerkt, und bei näherer Besichtigung der betreffenden Stelle will die Wärterin gesehen haben, dass etwas einer Fliegenmade ähnliches sich innerhalb des Gehörganges vordrängte und dann wieder zurückwich. Ich sah das Kind zum ersten Male am Mittage desselben Tages (22. Juli 1890). Wie man mir mittheilte hatte Patientin keinerlei Zeichen dargeboten, die auf eine Erkrankung des Ohres hätten schliessen lassen. Bei der Inspection zeigten sich Ohrmuscheln und Gehörgänge nach Entfernung des Blutes frei, doch erschienen die Gehörgänge ein wenig geschwellt; es liess sich aber weder Eiter noch weiteres Blut noch irgend ein Fremdkörper entdecken. Auch konnte über eine etwa vorausgegangene Öhrentzündung resp. Eiterabsonderung im Gehörgange nichts in Erfahrung gebracht werden. Die Beleuchtung der tiefer- gelegenen Teile des Gehörganges wurde theils durch die, wenn auch nicht erhebliche, Schwellung desselben, theils durch das höchst unruhige Verhalten des Kindes sehr erschwert; schliesslich wurde aber doch in der Tiefe des Gehörganges ein sich bewegender Reflex sichtbar. Ich war anfangs geneigt, diesen Reflex auf vorhandenen Eiter zu beziehen, fand aber bei näherer Betrachtung, dass seine Bewegung dafür zu leb- haft war, und dass der den Reflex verursachende Körper mehr eine kreisföürmige Bewegung beschrieb als die für pulsirenden Eiter so charakteristische wellenförmige. Ich schenkte jetzt der Aussage der Wärterin eher Glauben, und wirklich gelang es mir mit einer gewöhn- lichen, knieförmig abgebogenen Ohrzange aus dem rechten Gehörgange einen lebenden Wurm zu extrabiren. In ganz ähnlicher Weise wurden dann auch aus dem linken Gehörgange zwei grosse Maden entfernt. Weder der Gehörgang noch das Trommelfell wurden dabei verletzt. Ich trocknete darauf die geringe, in der Tiefe der Gehörgänge noch vorhandene Menge Blutes, und verschloss die Ohren mit absorbirender Borwatte. Die Untersuchung am folgenden Tage ergab kein Zeichen von acuter oder chronischer eitriger Entzündung im Mittelohr. Gehör-

Fliegenmaden in normalen Gehörgängen. | 298

gang und Trommelfell beiderseits normal. Keine Perforation, noch Zeichen von Entzündung nach innen oder aussen. vom Trommelfell. Die Maden waren völlig entwickelt, gross und bewegten sich lebhaft.

Sie waren offenbar 3 oder mehr Tage in den Ohren des Kindes gewesen.

Alle Autoritäten scheinen die Entfernung dieser Eindringlinge aus dem Gehörgange für etwas schwierig zu halten, während mir ihre Herausbeförderung ausserordentlich leicht gelang. Da ein kurzdauerndes Eintauchen in 90°/, Alcohol genügte, um ihnen die lebhafteren Be- wegungen zu nehmen einige Minuten später waren sie tot —, so möchte ich glauben, dass in allen Fällen, in denen der Versuch die Parasiten mit der Ohrzange oder der Spritze zu entfernen misslingt, die Anwendung des Alcohols sie zwingen wird schleunigst ihren Halt fahren zu lassen, so dass sie mit Leichtigkeit aus dem Gehörgange herausgespritzt werden können.

In früheren Jahren, als man es noch für ein Verbrechen ansah ein „laufendes“ Ohr zu heilen oder auch nur ordentlich zu reinigen, war die Ablagerung von Fliegenmaden in auffallend vernachlässigten Fällen von chronischer Ohreiterung nichts ungewöhnliches. Dagegen werden nur wenige Ohrenirzte der Gegenwart einen solchen Fall gesehen haben, und derartige Vorkommnisse nur als Thatsachen einer längst vergangenen Geschichte kennen. Die Ablagerung von Fliegenmaden in normalen Ohren ist übrigens äusserst selten. Es gibt eben im normalen und freien Gehörgange nichts was eine Fliege anziehen könnte, und es ge- hört daher die Ablage ihrer Eier daselbst zu jenen sonderbaren Vor- kommnissen, welche sich nur nach langen Zwischenpausen einmal wieder ereignen. In unserem Falle kamen die Maden möglicherweise auf folgende Weise in den Gehörgang: Das Kind schlief beim Trinken aus der Flasche ein, und diese glitt auf seinen Nacken hinüber, so zwar, dass das Saughütchen dabei in die Nähe des Gehörgangs kam. Die heraustropfende Milch lockte die Fliege an, welche die Gehörgangs- öffnung bemerkte und nun ihre Eier daselbst ablegte.

Dr. W. E. Baxter berichtet einen Fall von lebenden Fliegen- maden in vorher gesundem Gehörgang in den Archives of Otology. vol. XX., Nr. 1 und bezieht sich auf andere von den Drs. Kuntzmar und Gruening berichtete Fälle. Ein sehr belehrender Aufsatz über „Lebende Maden im menschlichen Ohr“ wurde in unserem Archiv ver- öffentlicht im Jahre 1871 (Arch. of Ophth. and Otol.; vol. 11, Nr. 2, pg. 37—44, von Cl. Blake); ferner ein Aufsatz in Hufelands Journal der praktischen Medicin, August 1824. S. 108—11; und N. Y. Ophthalmological Society Reports 1882.

294 A. Bulling: Otitis media bei Influenza. XVIII.

Otitis media bei Influenza. Von Dr. A. Bulling in Mtinchen-Reichenhall. (Aus dem otiatr. Ambul. des med.-klin. Instituts in München.)

Wie bei allen Infectionskrankheiten ist auch bei Influenza das Ge- hörorgan häufig und stark in Mitleidenschaft gezogen.

. Als im Winter 1889/90 die Grippe von Osten her ihren ersten verheerenden Zug durch Europa unternahm, wurden von den verschie- densten Beobachtern bacteriologische Untersuchungen über die in ihrem Gefolge auftretende acute Mittelohrentzüändung angestellt aber nur, wie bei der gewöhnlichen Mittelohrentzündung, Diplococcus pneum., Streptococcus pyogenes und Staphylococcus pyog. albus gefunden.

Allein Dr. A. Scheibe in München berichtet im Centralblatt für Bacteriologie 1890, No. 8, dass er in 12 von ihm bacteriologisch unter- suchten Fällen von Influenza-Otitis ausser den erwähnten Coccen (die er culturell züchtete) „bei der directen mikroskopischen Untersuchung des dem Mittelohr entnommenen Secrets Stäbchen fand von verschiedener Grösse und Gestalt, im Allgemeinen 0,4—0,6 mm breit und 1,6—2,0 mm lang, an den Enden abgerundet, manchmal zugespitzt, oft gekrümmt, keulenförmig verdickt. Die Lagerung war fast nie derart, dass sie sich in der Längsrichtung an einander reihten, sondern sie bildeten, wenn sie nicht einzeln. lagen, unregelmässige Gruppen. Die kleinsten Formen aber lagen sehr gerne, sich nicht berührend, parallel oder im spitzen Winkel neben einander, was deshalb hervorzuheben ist, weil derartige kleinste Stäbchen, wenn sie einzeln liegen, eventuell mit längeren Exem- plaren von Diplococcus pneum. verwechselt werden könnten. Die Bacillen befanden sich meist frei im Serum. Die Anzahl der Stäbchen war um so grösser, je weniger Zeit zwischen Ausbruch der Influenza und Be- ginn der Otitis verstrichen war und je heftiger die Schmerzen zur Zeit der Untersuchung waren. Im weiteren Verlauf nahm die Zahl der Stäbchen nur in einem Falle zu, in allen übrigen sehr schnell ab oder sie verschwanden bald ganz.“

Nach Gram’s Behandlung blieben sie gefärbt doch gelang es nicht, auf Gelatine, Glycerinagar, Bouillon oder Blutserum die Stäbchen zu züchten.

Zu dem gleichen Resultat kam Scheibe bei der zweiten Influenza- Epidemie von 1892 (Münchener med. Wochenschr. 1892, No. 14.)

A. Bulling: Otitis media bei Influenza. 295

Zur Zeit dieser zweiten in Deutschland herrschenden Grippe gelang es R. Pfeiffer in Berlin, die Influenzabacillen auf Blutagar zu züchten. Er schildert in seiner meisterhaft geschriebenen Abhandlung: „Die Aetiologie der Influenza“ (Zeitschr. f. Hygiene und Infectionskrankheiten, Bd. 13) die „Influenzabacillen als sehr klein und der Gram’schen Färbung nicht zugänglich“ berichtet aber weiter, dass er „manchmal im Sputum und häufiger in Reinculturen längeren Formen begegnet, die als kurze Scheinfäden zu deuten sind. In älteren, 3—4 Tage alten Reinculturen können ganz lange Scheinfäden auftreten; es sind dies abnorme Formen, die ersten Zeichen der beginnenden Involution. Die Enden der Influenzastäbchen sind abgerundet. Sehr häufig findet man zwei besonders kurze Bacillen dicht aneinander gelagert. Es handelt sich hier um Theilungsformen, die leicht mit Diplococcen verwechselt werden können und sicherlich auch verwechselt sind“ und was an- dererseits die Färbbarkeit der Influenzabacillen nach Gram betrifft, so schreibt Dr. Kaman in No. 1 und 2 der Wiener med. Wochenschr. von 1896, dass Pfeiffer nunmehr in einem Briefe selbst zugiebt, dass die Influenzabacillen der Gram schen Methode nicht unzugänglich sind.

Nichts hindert also anzunehmen, dass Scheibe als der Erste im Jahre 1890 Influenzabacillen im Ohreiter gesehen und als specifisch an- gesehen hat, wenn er sie auch nicht aus demselben züchten konnte und darum in seinen Schlussfolgerungen vorsichtig war.

Im abgelaufenen Winter trat die Influenza in München mehr spo- radisch auf. Die unten beschriebenen Fälle verdanke ich der Güte des Herrn Prof. Dr. Bezold und seines Assistenten Herrn Dr. Scheibe. Beiden Herren spreche ich für Ueberlassung des Materials und die An- regung zu dieser Mittheilung Herrn Obermedicinalrath Prof. Dr. Bollinger fir den von mir innegehabten Platz im pathologischen In- stitute und Herrn Dr. Dürck für seine liebenswürdige Unterstützung bei der bacteriologischen Bearbeitung auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank aus.

Fall I. (Dr. Scheibe). 3. Februar 1896.

Herr B., 17 Jahre alt. Otitis media purulenta acuta links.

Seit zwei Tagen Catarrh mit grosser Mattigkeit, Kopf- und Glieder- weh; gestern Schmerzen im linken Ohre.

Seit heute Nacht aus dem linken Gehörgange proiuser blutig serös- eitriger Ausfluss; Perforationsgeräusch. Trommelfell diffus injicirt; die Epidermis macerirt. Vorne oben auf dem Trommelfell geschrumpfte Blutblase; Hörweite für Flüstersprache 6 m und mehr (!).

296 A. Bulling: Otitis media bei Influenza.

4. Februar. Das Secret ist auch heute blutig; es findet sich Schleim im Spülwasser.

5. u. 6. Februar. Stiche in der linken Schläfe: gerirge Druck- empfindlichkeit der Fossa mastoidea und einer Drüse an der Spitze des Warzenfortatzes. Eisbeutel, Zimmerruhe.

7. Februar. Keine Schmerzen mehr; Secret von jetzt ab frei von Blut.

8. Februar. Temperatur gestern Abend 38,6; heute Früh 37,6 (vorher nicht gemessen).

10. u. 12. Februar. Oeffnung verengt, Trommelfell vorgewölbt, gelb durchscheinend. Erweiterung der Oeffnung.

13. Februar. Ausfluss viel geringer: Trommelfell eingesunken, nicht mehr gelb.

15. Februar. Hörweite für Flüstersprache 6 m und mehr.

17. Februar. Zum ersten Male fieberfrei.

18. bis 21. Februar. Seit vorgestern kein Ausfluss; Schmerzen um den Warzentheil, die mit Wiederbeginn des Ausflusses nachlassen. Druckempfindlichkeit und geringe Schwellung an der Spitze des Warzen- theils und unterhalb derselben. Oeffnung durch Paracentese erweitert. Hörweite für Flüstersprache 6 m und mehr. Bettruhe.

22. Februar. Druckempfindlichkeit und Schwellung geringer.

23. Februar. Stechen in der linken Scheitelgegend und Stirne. Druckempfinelichkeit stärker, Secretion geringer. Paracentese.

24. Februar. Schwellung an und unterhalb der Spitze nimmt zu. Fossa mastoidea frei von Empfindlichkeit. Kein Fieber; kein Kopfschmerz, Augenhintergrund normal; kein Ausfluss. Hörweite für Flüstersprache 6 m und mehr.

Nachmittags Aufmeisselung unter localer Anästhesie mit Chloräthyl (da die Druckempfindlichkeit der Haut über dem Warzentheil selbst nicht stark war und die Operation im Knochen erfahrungsgemäss keine wesent- lichen Schmerzen verursacht, konnte die allgemeine Narcose entbehrt werden). Kleine Fistel zwischen den Muskelansätzen, aus welcher fort- während Eiter quillt. Die Sonde gelangt durch dieselbe ca. 2 cm tief nach einwärts in eine grosse Höhle; diese wird breit eröffnet. Sie ist mehr als haselnussgross und mit Granulationen erfüllt, welche ausgekratzt werden. Das Antrum wird nicht eröffnet, weil Hirnsymptome oder pyämische Erscheinungen nicht bestehen, und weil bei der guten Hör- weite nur eine geringe Betheiligung des Antrum und der SES angenommen werden darf.

Auffallend geringe Blutung; Hautschnitt nur als Druck geen dagegen Klage über das „Tupfen“; Hämmern als unangenehme Er- schütterung angegeben.

Keine Schmerzäusserung während der Operation, nur einige Ab- wehrbewegungen. Vor der Operation Zittern, während derselben Herz- klopfen. Nachträglich giebt Patient an, dass er die Abwehrbewegungen mehr aus Angst gemacht habe, und dass die Operation eigentlich nicht schmerzhaft gewesen sei.

A. Bulling: Otitis media bei Influenza. 297

25. Februar. Keine Schmerzen; kein Fieber. Befinden gut.

29. Februar. Verbandwechsel. Kein Ausfluss aus dem Gehörgang; Wunde normal.

4. März. Hörweite für Flüstersprache 6m und mehr.

8. März. Binde mit Hartmann’s dreieckigem Verbande vertauscht..

11. Marz. Keine Tamponade mehr.

15. März. Nach 20 Tagen Wunde geschlossen. Keine Druck- empfindlichkeit.

19. März. Granulation aufder Narbe mit scharfem Löffel abgetragen.

20. März. Wunde ganz vernarbt; Trommelfell annähernd normal.

Anamnese und Untersuchung, sowie das Auftreten während einer Influenzaepidemie lassen keinen Zweifel, dass es sich um eine Influenza- otitis handelt. Die Prognose war von vornherein nicht günstig, da der profuse Ausfluss bei fast normaler Hörweite dafür sprach, dass der Eiter in der Hauptsache aus dem Warzentheil stammte, und dass die Paukenhöhle nur als Passage benutzt wurde. Die Operation bestätigte diese Annahme.

Obwohl nach den Erfahrungen von Dr. Scheibe Influenzabacillen nach 3 Wochen Krankheitsdauer nicht zu erwarten sind, wurde zur bacteriologischen Untersuchung Eiter bei der Operation aus dem Warzen- theil entnommen.

Im Ausstrichpräparate aus dem Eiter fanden sich neben den Eiter- körperchen wenige kleine Coccen.

Eine Eiterflocke (mittels einer Capillarröhre vom Operationsfelde entnommen) wurde auf einer mit Menschenblut bestrichenen Agarplatte verstrichen.

Am nächsten Tage (26. Februar) fanden sich auf derselben einige wenige halbkugelige, feuchtglänzende, weissliche Colonien mikrosko- pisch scharfrandig, dunke!, grob granulirt. Im Ausstrichpräparat traubenförmig zusammengelagerte Coccen. Gelatine-Stich am nächsten Tage (27. Februar) strumpfförmig verflüssigt, Bouillon gleichmässig ge- trübt mit grobflockigem Bodensatz Staphylococcus pyogenes albus.

Fall II. (Dr. Scheibe.) 14. Februar 1896.

Herr R., 29 Jahre alt. Otitis media purulenta acuta rechts.

Seit 4 Monaten Rachencatarrh und Morgens Husten. Seit einigen Tagen Gefühl von „Abgeschlagenhejt* in den Gliedern. Letzte Nacht, nach einige Stunden dauerndem Ohrensausen, heftige Schmerzen im rechten Ohr, so dass Patient nicht schlafen konnte. Dabei Frostgefühl im warmen Bette. Vor 4 Stunden plötzlich Schlag im Ohr, seitdem sind die Schmerzen geringer. Vor zwei Jahren hat auf demselben Ohr ein ähnliches Leiden mit kurz dauerndem Ausfluss bestanden. Seitdem hört Patient auf dieser Seite nicht mehr ganz gut.

Kräftiger Mann, etwas angegriffen aussehend.

Temperatur 37,0, Puls 86. Lunge und Milz normal.

Linkes Trommelfell diffus getrübt, sonst normal.

298 A. Bulling: Otitis media bei Influenza.

Rechts knöcherner Gehörgang stark diffus injicirt. Trommelfell durch eine nach aussen stark convexe grauröthliche Blase verdeckt, welche über das Niveau desselben hervorragt. Auf der vorderen Fläche der Blase etwas frisches Blut.

Druckempfindlichkeit der Pars mastoid. besteht nicht.

Hörweite für Flüstersprache rechts 10cm („5“), links 6 m und mehr.

Die weitere functionelle Prüfung ergiebt:

Untere Tongrenze rechts a links 16 vibr. doubl., al vom Scheitel in’s kranke Ohr + 4, Rinne a! rechts 3 links —+ 20 (normal ca. 30), Edelmann-Galton rechts 2,7 links 1,6 (normal 1,5 —1,6).

Bei Paracentese der Blase (auffallender Weise völlig schmerzlos) quillt sofort reichliches, trübes, schleimig-eitriges Secret heraus. Mit demselben werden drei Deckgläschen bestrichen, und eine Stunde später wird Eiter mit einem Capillarröhrchen angesaugt. Der Gehörgang wurde vor der Paracentese nicht desinficirt. Politzer’s Verfahren treibt Eiter und Luftblasen aus der Schnittöffnung heraus, ohne Perforations- geräusch zu machen.

Untersuchung der oberen Luftwege: Mittlere Muschel beiderseits diffus injicirt. Rechtes Tubenostium an seiner vorderen Lippe etwas mehr roth als gewöhnlich; im linken (auf der gesunden Seite) etwas schleimig-eitriges Secret.

15. Februar. Keine Schmerzen mehr. Keine Abgeschlagenheit. Mässiger Ausfluss. Perforationsgeräusch. Schnittöffnung klafft und be- findet sich in einer vorgewölbten leicht beweglichen Membraif.

16. Februar. Minimale Secretion. Perforationsgeräusch. Arbeits- fähig. |

23. Februar. Auf dem linken Trommelfell eingetrocknetes Secret. Kein frischer Eiter; auch Luftdouche treibt keinen heraus. Die Oeffnung persistirt. Hörweite für Flüstersprache 40 cm.

Anamnese und Untersuchung ergeben hier nur wenig Anhaltspunkte für Influenza, trotzdem wurde dieser Fall zur bacteriologischen Prüfung gewählt,. weil die meisten Fälle dieser Epidemie ohne Paracentese unter Anwendung der Luftdouche heilten und darum kein Secret für das Cul- turverfahren lieferten.

Die acute Eiterung ist hier anscheinend auf dem Boden von Re- siduen einer früheren Mittelohreiterung entstanden. Dafür spricht, ab- gesehen von der Anamnese, die Unempfindlichkeit bei der Paracentese, das Klaffen der Oeffnung, deren Umgebung auffallend leicht beweglich ist, und vor Allem die functionelle Prüfung, welche sich anders verhält als bei der acuten Eiterung. Bei letzterer ist die untere Tongrenze zwar auch herabgesetzt, aber nicht so stark, und der Rinne’sche Ver- such fällt gewöhnlich, wenn auch verkürzt, positiv aus.

A. Bulling: Otitis media bei Influenza. 299

Leider erschien der Kranke nicht weiter; die otoskopische Unter- suchung hätte nach Ablauf der Entzündung gewisss feststellen können, ob eine alte Narbe vorlag oder nicht.

Bacteriologischer Befund: Ausstrichpräparat: Neben zahlreichen rothen und spärlichen weissen Blutkörperchen eine mässige Zahl kleiner schlanker an den Enden abgerundeter Stäbchen zwischen den Zellen.

Das in der Capillare aufgefangene Secret wird (15. Februar) auf mit Taubenblut bestrichener Agarplatte fein vertheilt.

17. Februar. 1. Grauweisse, rundliche, durchscheinende Colonien von geringer Ausdehnung, mikroskopisch durchscheinende gelbgraue Scheiben mit scharfer Contour ohne erkennbare Granulirung. Im Aus- strichpräparat ziemlich kurze Stäbchen mit deutlich abgerundeten Enden, mehrfach zu zweien in spitzem Winkel aneinander stossend oder parallel zu einander liegend, einzelne, an Länge und Dicke die Hauptmasse be- trächtlich überragend, regellos angeordnet, färben sich vollkommen gleich- mässig und werden nach Gram nicht entfärbt. Auf Gelatine, Gly- cerin-Agar und Bouillon gebracht, zeigen sie weder bei Zimmertempe- ratur noch im Brutschrank das geringste Wachsthum.

2. Eine einzige Colonie, gross, gelb, kugelig, mikroskopisch scharf umrandet, stark granulirt nach Ausstrich wie Cultur Staphylococcen, die nicht weiter verfolgt werden.

Fall III. (Otiatr. Ambulatorium des Herrn Profossor Bezold.) 25. Februar.

Engelbert Th., Postillon, 26 Jahre. Otitis med. cat. ac. links; Ceruminalpfropf rechts.

Flüstersprache links 20 cm („3*).

Links hämorrhagische Blase im hinteren unteren Quadranten.

Seit 14 Tagen Catarrh und Husten mit „Frostfieber*, Abgeschlagen- heit, Kopfweh, Schmerzen in den Augen. Vor drei Tagen Schmerzen im linken Ohr. welche geringer geworden sind. Schwerhörigkeit links. Keine Druckempfindlichkeit des Warzentheils; keine Driisenschwellung. Eine zweite graue Blase sitzt im vorderen unteren Quadranten. Der hintere obere Quadrant diffus injicirt.

Catheterismus links in dünnem, rauhem Strom durchdringend, bessert nicht. Paracentese beider Blasen.

Aus beiden Blasen entleert sich bei der Incision frisches Blut von welchem sowohl Deckglaspräparate angefertigt werden, wie auch mit einer Capillare zur culturellen Untersuchung angesogen wird.

Der Krankheitsverlauf ist durchaus günstig, Patient ist nach einigen Tagen arbeitsfähig und bleibt von der Behandlung weg.

Bacteriologische Untersuchung:

Im Ausstrichpräparat zahlreiche Coccen.

Inhalt der Capillare auf Blut-Agar vertheilt. (25. Februar.)

26. Februar. Zahlreiche grössere und kleinere Colonien, weiss, rund, glänzend, mikroskopisch homogen, scharfrandig.

300 A. Bulling: Otitis media bei Influenza.

Auf Gelatine und Bouillon gebracht: Erstere entlang des ganzen Impfstiches strumpfförmig verflüssigt, letztere gleichmässig getrübt mit starkem Bodensatz (27. Februar).

Im Ausstrichpräparat in Haufen angeordnete Coccen: Staphylo- coccus pyogenes albus.

Fall IV. (Dr. Scheibe.) 28. Februar 1896.

Frau B., 41 Jahre alt. Otitis media purulenta acuta beiderseits.

Seit 5 Tagen nach Catarrh, der mit Frost, Augen- und Kopfweh, sowie starker Abgeschlagenheit einherging, Schmerzen und Schwerhörig- keit in beiden Ohren. Der Catarrh ist im Verschwinden, Kopfschmerz besteht nicht mehr, auch die Ohrenschmerzen sind geringer geworden, doch stören sie noch den Schlaf. Früher war Patientin nie ohren- krank; bisher wurde vom Hausarzte die Luftdouche angewandt.

Kleine, zierlich gebaute, blass aussehende Frau; Temperatur normal, Puls 84. Rechtes Trommelfell dunkler, diffuse Hyperämie entlang dem Hammergriff. Kleines frisches Blutextravasat in der Membrana Shrap- nelli. An der Spitze des Warzenfortsatzes kleine auf Druck empfind- liche Drüse.

Links hintere Hälfte vorgewölbt, im oberen Theil diffus injicirt, im unteren gelb durchscheinend. In der vorderen dunkelgrauen Hälfte zwei ältere Blutextravasate, eines vor dem kurzen Fortsatz, eines unter und vor dem Umbo. Die Injection erstreckt sich beiderseits auf die knöcherne Gehörgangswand. Links ist der ganze Warzentheil auf Druck empfind- lich, die Haut über demselben leicht geschwellt.

Hörweite für Flüstersprache rechts 2!/,m („5“ am schlechtesten) links 20 cm (ebenfalls „5“).

Untere Tongrenze: rechts 16 vibr. doubl. (doch 55 Secunden verkürzt) links CT, a! vom Scheitel in’s linke schlechtere Ohr, ebenso .A, letzteres 17 Secunden verlängert. Rinne a! rechts + 5 (normal + 30) links 3,

Edelmann-Galton (normal 1,5 —1,6)

rechts 2,0

links 2,5 (scharfe Grenze).

Nach Desinfection des Gehörgangs mit 3 °/, Carbolsäure und gründ- licher Austrocknung wird links die Paracentese gemacht. Darnach treibt Politzer’s Verfahren unter Perforationsgeräusch serös eitrig-blutiges Se- cret aus der Oeffnung. In letztere wird ein Capillarröhrchen eingeführt, mit welchem direct aus der Paukenhöhle Secret angesaugt wird.

Hörweite darnach links unverändert, rechts nach der Luftdouche auf 5m gestiegen.

Therapie: Zimmerruhe, Eisumschläge auf den linken Warzentheil, Borsäurebehandlung.

A. Bulling: Otitis media bei Influenza. 301

In den oberen Luftwegen ergiebt sich folgender Befund: Rechts. untere Muschel geschwellt und geröthet, so dass die mittlere Muschel nicht zu sehen ist. . Links mittlere Muschel leicht diffus geröthet. An der hinteren Rachenwand kleine Granula, pharyngeales Tubenostium beiderseits verengt und geröthet, im rechten etwas Schleim.

Der weitere Verlauf zunächst am linken, stärker erkrankten Ohr war folgender:

29. Februar. Guter Schlaf. Schmerzen bedeutend geringer. Reich- lich schleimig-eitriger Ausflus. Die Druckempfindlichkeit hat abge- nommen. Das Borwasser fliesst bei der Injection des Gehörgangs in den Hals.

1. März. Linksseitiger Stirnkopfschmerz. Schmerzen im Ohr wieder stärker, ebenso die Druckempfindlichkeit an der Spitze.

Hörweite für Flüstersprache 12 cm.

Augenhintergrund beiderseits normal.

Eisbeutel auf den Warzentheil Tag und Nacht mit kleinen Unter- brechungen.

2. März. Druckempfindlichkeit geringer. Perforationsgeräusch.

3. März. Nur mehr einzelne Stiche. Keine Druckempfindlichkeit; Schwellung zurückgegangen; die Injectionsflüssigkeit fliesst regelmässig in den Hals. 3

5. März. Borpulver im Gehörgang trocken. Luftdouche macht kein Perforationsgeräusch. Hörweite für Flüstersprache 40cm („8“). Patientin magert während der Krankheit weiter ab. Anamnestisch er- geben sich keine Anhaltspunkte für Annahme einer Allgemeinerkrankung.

6. März. Wieder Schmerzen im Ohr. Druckempfindlichkeit der Pars mastoidea. Hörweite für Flüstersprache 25 cm („5“). Trommel- fell nicht vorgewdlbt. Nach Paracentese treibt die Luftdouche viel schleimig-eitriges Secret aus der Oeffnung und bessert die Hörweite auf 80 cm. Bettruhe, Eisbeutel, der die letzten Tage nur einige Stunden aufgelegt wurde, wieder ständig.

7. März. Keine Schmerzen mehr; Druckempfindlichkeit geringer. Sehr starker Ausflus. Hörweite 40 cm, nach Politzers Verfahren. das Eiter in den Gehörgang treibt, 80 cm. Injectionsflüssigkeit fliesst links ‘in Masse in den Hals.

9, März. Keine Druckempfindlichkeit. Ausfluss hat bedeutend nachgelassen. Die Schnittöffnung klafft. Hörweite 1t; m („9“).

1l. März. Links Pulver im Gehörgang wieder und von jetzt an dauernd trocken. Perforationsgeräusch besteht noch.

12. März. Kein Perforationsgeräusch mehr. Oeffnung nicht mehr zu sehen. Hörweite 6m, nach Luftdouche unverändert.

14. März. Trommelfell noch von dunklerer Farbe. Hörweite 4 m („5“). Catheterismus, in breitem, continuirlichem, rauhem Strom ein- dringend, bessert die Hörweite auf 6 m und mehr.

19. März. Hörweite 6m und mehr. Dreieckiger Reflex wieder vorhanden.

Zeitschrift fúr Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 99

302 A. Bulling: Otitis media bei Influenza

6. April. Gehörgang und Trommelfell normal. Hörweite 6 m und mehr. Catheterismus dringt in mittelstar kem, continuirlichem und glattem Strome ein.

Rechte Seite:

Der Verlauf der rechtsseitigen. leichteren, acuten Mittelohrentzün- (lung gestaltete sich folgendermaassen : Ä

1. März. Fossa mastoidea auf Druck empfindlich; deutlich gelbes Durchscheinen am Trommelfell. Hörweite für Flüstersprache 70 cm. Paracentese entleert keinen Eiter. Es wird weder vor derselben der (rehörgang desinficirt noch nachher Borpulver eingeblasen, da am nächsten Tage Secret entnommen werden soll. Eisbeutel.

2. März. Geringer, blutig tingirter, dünner, schleimig-eitriger Aus- fluss. Druckempfindlichkeit geringer. Perforationsgeräusch. Mit einem Capillarröhrchen wird Secret angesaugt, ausserdem drei Deckgläschen damit bestrichen.

3. März. . Keine Druckempfindlichkeit. Die Schmerzen beschränken sich auf einzelne Stiche.

4. März. Ausfluss stärker, nicht mehr blutig. Auch bei Injection des rechten Gehörgangs fliesst die Borlösung in den Hals.

5. März. Hörweite 2m („5“).

6. März. Pulver im Gehörgang trocken. Hörweite 80cm (,5“). Politzer’s Verfahren macht kein Perforationsgeräusch und bessert die Hörweite auf 6 m.

7. März. Keine Schmerzen. Hörweite 60 cm („5“) nach Luft- douche 3 m.

9. März. Horweite 11/, m, nach Luftdouche 6 m.

12. März. Hörweite 5m, ‘nach Luftdouche, welche bisher täglich angewendet wurde, 6 m.

14. März. Trommelfell noch dunkler; Hörweite 6m und mehr. Catheterismus dringt in breitem, continuirlichem, glattem Strome ein.

19. März. Dreieckiger Reflex wieder vorhanden.

6. April. Zeitweise Jucken im Gehörgang. Dieser und Trommel- fell normal. Hörweite 6m und mehr. Catheterismus wie am 14. März normal.

Zum Schluss wird nochmals eine genaue functionelle Prüfung ge- macht und ergiebt folgendes Resultat:

Untere Tongrenze beiderseits 16 vibr. doubl., doch rechts um 18, links um 5 Secunden verkürzt. A vom Scheitel in’s linke Ohr + 14! Rinne & rechts + 15 links —+ 22 (normal ca. + 60), al vom Scheitel in’s linke Ohr 2, Rinne a! rechts + 28 links + 28 (normal ca. + ah Edelmann-Galton rechts 2,1 links 1,7.

A. Bulling: Otitis media bei Influenza. 303

Es handelt sich nach dem klinischen Befunde um eine doppelseitige acute Mittelohreiterung nach Influenza, welche besonders im linken Ohre recht heftig auftritt. Offenbar liegen hier zahlreiche pneumatische Zellen vor, wie das Auftreten der Druckempfindlichkeit und der Schwel- lung über der ganzen Pars mastoidea schon am 5. Tage vermuthen lässt. Druckempfindlichkeit allein über der Fossa mastoidea dagegen, wie sie sich auf der anderen Seite fand, wird sehr häufig bei Influenza-Otitis beobachtet und lässt keinen Schluss auf das Vorhandensein von Zellen zu. Bei der ersten Epidemie wurde Druckempfindlichkeit der Fossa mast. in Prof. Bezold’s Ambulatorium in keinem Falle vermisst.

Der Ausgang war, trotz des heftigen Einsetzens der Symptome, ein günstiger, wie überhaupt bei Grippe, selbst bei der ersten schwersten Epidemie, bei unseren Fällen verhältnissmässig selten ein operativer Eingriff am Warzentheil vorzunehmen war.

Die Heilung war nach dem Ergebniss der Inspection, der Prüfung mit der Flüstersprache (in einem Raum von 6m Länge) und des Ca- theterismus eine vollkommene; nur das feincre Reagens der Stimmgabel- untersuchungen lässt erkennen, dass noch eine leichte Fixation der Schalleitungskette vorhanden ist. Hier kommt besonders der Befund mit der tiefen Stimmgabel A in Betracht.

Bacteriologischer Befund: Linkes Ohr. 29. Februar 1896.

Ausstrichpräparat: Zwischen zahlreichen weissen und spärlichen rothen Blutkörperchen vereinzelte Stäbchen.

Der Inhalt der Capillarröhre wird auf Taubenblut-Agar verstrichen.

Am übernächsten Tage eine einzige Colonie grauweis, rundlich, durchscheinend mikroskopisch gelbgraue, durchscheinende Scheibe mit scharfer Contour ohne deutliche Granulirung.

Im Ausstrichpräparat schlanke, zierliche Stächen, häufig parallel zu einander gelagert, mit abgerundeten Enden, in jedem Gesichtsfelde einige vielleicht um das Doppelte längere und dickere Exemplare. Die

Stäbchen färben sich ganz gleichmässig und werden nach Gram nicht entfärbt! Auf Glycerin-Agar, Bouillon und Gelatine zeigen sie nicht die geringste Spur von Wachsthum weder bei Zimmertemperatur

noch im Brutschrank.

Rechtes Ohr. 3. März 1896.

Im Ausstrichpräparat zwischen zahlreichen Leukocyten (Eiterkörper- chen) wenig Coccen, einzeln und zu zweien liegend. Das in der Capillare aufgefangene Secret auf Taubenblut-Agar vertheilt. |

Am nächsten Tage eine grosse Menge kleiner, am Rande der Petri- schen Schale grösserer Colonien von rundlicher Gestalt, weiss, kugelig gewölbt, feucht glänzend mikroskopisch scharf eontourirt, undurch- sichtig, am Rande granulirt.

Ausstrichpräparat: In Haufen angeordnete Coccen.

to Ie *

304 A. Bulling: Otitis media bei Influenza.

Auf Gelatine und Bouillon gebracht. Erstere zeigt am nächsten Tage strumpfförmige Verflüssigung entlang des ganzen Stiches; nach unten trichterförmig; der verflüssigte Nährboden staubig getrübt. Die Bouillon gleichmässig stark getrübt mit sehr voluminésem klumpigem Bodensatz: Staphylococcus pyogenes albus.

Fall V. (Otiatr. Ambulator. des Herrn Prof. Bezold.) 27. Marz.

St., Walburga, Schuhmacherswittwe, 41 Jahre. Otitis med. cat. acut. sin.

Vor 8 Tagen Angina, seit 6 Tagen Sausen links. Auf der unteren Hälfte des linken Trommelfells eine hämorrhagische Blase, welche bei der Berührung blutet.

Da Patientin sich unter einem glaubwürdigen Vorwande aus dem Saale entfernte und nicht wiederkam, konnte zur Cultur Nichts entnommen werden. In dem der umwickelten Sonde anhaftenden Blute finden sich mikroskopisch zwischen den rothen Blutkörperchen einzelne zu kleinen, aus 5—6 Exemplaren bestehenden Häufchen angeordnete kleine Coccen, wahrscheinlich Staphylococcen; von Stäbchen war weder auf dem durch Alcohol gezogenen noch auf dem nach Gram behandelten Deckglase etwas zu sehen.

Da, wie oben erwähnt, die Grippe dahier im abgelaufenen Winter keine wesentliche Ausbreitung hatte, dazu die meisten sie begleitenden Otitiden einen sehr milden Verlauf nahmen und durch Catheterismus allein, ohne operativen Eingriff, zur Heilung kamen, war die mikro- skopisch-bacteriologische Ausbeute nur eine geringe.

Es gelang nur im II. und IV. Falle (linkes Ohr) Influenzabacillen im Ausstrichpräparate, wie es seiner Zeit Dr. Scheibe gelang, zu sehen, und in der von R. Pfeiffer angegebenen Weise zu züchten. Im I. Falle waren sie bei der langen Dauer des. Krankheits- processes nicht mehr zu erwarten. Dass ich im IV. Falle, rechtes Ohr, Stäbchen weder im Deckglaspräparate sah, noch beim Culturverfahren bekam, hat seinen Grund vielleicht in dem überaus üppigen Auftreten des Staphylococcus, der möglicher Weise die zarteren Stäbchen über- wucherte. Die Entnahme des Secrets fand erst 8 Tage nach Beginn der Otitis statt. In den beiden Fällen HI und V wurde nicht der Eiter, sondern nur das Blut aus den Blutblasen untersucht. Zu unserer Ueberraschung fanden sich hier, wo wir die Influenzabacillen am ehesten erwartet hatten, nur Staphylococcen, dagegen keine Influenzabacillen. Sollten es vielleicht keine Influenzafälle gewesen sein?

Das häufige Auftreten von Mittelohraffectionen bei der epidemischen Grippe findet seine ungezwungene Erklärung wohl einfach in einer Fort-

Th. Barr: Ueber die Behandlung von intracraniellen Abscessen. 305

leitung der entzündlichen Erkrankung der obersten Luftwege per con- tiguitatem durch die Tuba, da ja Nase und Rachen als Eingangspforte für die krankheitserregenden Bacillen für Influenza wohl ausnahmslos zuerst und häufig stärkstens ergriffen sind. Das gleichzeitige und regelmässige Vorhandensein von Eitercoccen im Secret der Otitis neben Influenzabacillen stimmt mit dieser Annahme gut überein, wenn wir nicht annehmen wollen, dass das normale Mittelohr stets Eiterbacterien enthält eine Annahme, welche nach den neuesten Untersuchungen Brieger’s nicht gerechtfertigt ist.

XIX.

Ueber die Behandlung von intracraniellen Abscessen,

welche sich an Ohreiterungen anschliessen. Von Thomas Barr, M. D.}),

Docent fir Ohrenheilkunde an der Universitat Glasgow; Ohrenarzt am Spital fir Ohrenkranke und West-Krankenhaus in Glasgow, etc. `

(Uebersetzt von Dr. Th. Schröder, Rostock).

Was die operative Behandlung zu leisten vermag.

Meine Herren, wenn wir uns die Frage zu beantworten suchen, was die operative Behandlung der von Ohrerkrankungen abhängigen intracraniellen Complicationen gegenwärtig zu leisten, unter welchen Be- dingungen sie erfolgreich einzugreifen vermag, so dürfen wir bei dem heutigen Stande der Dinge wohl mit Recht sagen, dass sie folgende Erkrankungen günstig zu beeinflussen im Stande ist: |

1. Den Abscess im Grosshirn, besonders im Lobus temporo-sphenoi-

dalis.

2. Den Kleinhirn-Abscess.

3. Eiterbildungen an der Schädelbasis und zwar : a) zwischen Knochen

und Dura mater (sogen. Extradural-Abscess) oder b) zwischen Dura mater und der Oberfläche des Gehirns (Subdural-Abscess).

4. Infectiöse Thrombosen des Sinus cavernosus, selbst dann, wenn

secundäre Herde noch irgendwo sonst existiren.

Vorbereitende Eröffnung des Mittelohrs.

In vielen Fällen sind wir in der Lage, den Abscess am bequemsten von den Hohlräumen des Mittelohres aus zu erreichen; in anderen

1) Einleitung zur Discussion auf dem internat. otologischen Congress zu Florenz 1895.

306 Th. Barr: Ueber die Behandlung von intracraniellen Abscessen,

wieder kommen wir ihm besser dadurch bei, dass wir mit einer Tre- phine die seitliche Schädelwand eröffnen, sei es nun über oder hinter dem Mittelohr.

In allen diesen Fällen ist es von wesentlicher Bedeutung, die Hohl- räume des Mittelohres durch Entfernung der äusseren Wand des Antrums zuvörderst einmal gründlich zu untersuchen. Hat man sie auf diese Weise eröffnet, so soll man unter guter Beleuchtung mit dem Reflector die knöcherne Partie, welche Paukenhéhle und Antrum an ihrem Dache von der Dura mater trennt, durchforschen, ganz ebenso aber auch (und dies ist vielleicht noch wichtiger) die an den Sulcus sigmoideus angrenzenden Knochentheile. Das etwaige Vorhandensein einer Fistel- öffnung, eines blossiiegenden Stückes Dura mater oder Sinus sigmoideus, eines von diesen aufschiessenden Granulationsgewebes wird unserem weiteren Vorgehen zur Richtschnur dienen. Die Theile des Pauken- höhlendaches und des Sulcus sigmoideus sind, indem sie das Mittelohr oben vom Lobus temporo-sphenoidalis und hinten vom Sinus sigmoideus trennen, unzweifelhaft die grossen Heerstrassen, auf denen das infectiöse Material seinen verhängnissvollen Einzug in das Schädelinnere hält. Glücklicher Weise sind sie uns beide und zwar ganz leicht er- reichbaf, nämlich von den Räumen des Mittelohres aus, und durch die vorbereitende, aber sehr wesentliche, operative Eröffnung dieser Räume sind wir in den Stand gesetzt, aus Antrum und Atticus zu ent- fernen: den Eiter, die Cholesteatom-Massen, das Granulationsgewcbe, die carids-necrotischen Knochentriimmer und die pathogenen Organismen jene, in erster Linie gefährlichen Bildungen (den „Dynamit“ Professor Macewen’s), welche das Leben der Patienten in Gefahr bringen. Und wohl denen von ihnen, bei welchen durch rechtzeitige Entfernung dieser schädlichen Dinge die Gefahr noch abgewendet und hintangehalten werden konnte.

Ueber die verschiedenen Arten des Operirens. Der rotirende Knopfbohrer.

Sind Symptome vorhanden. welche auf Abscess, Meningitis oder septische Thrombose deuten, so liegt es uns ob, von den Mittelohr- räumen aus kühn und ohne Zaudern die knöchernen Partien zu eröffnen und dem Invasionspfade genau zu folgen. Mit grosser Sicherheit und hinreichender Kraft lässt sich dies mit Hülfe des rotirenden Knopf- bohrers bewerkstelligen. welcher durch eine Zahnbohrmaschine getrieben wird; allenfalls nimmt man einen guten scharfen Hohlmeissel zu Hülfe.

welche sich an Öhreiterungen anschliessen. 307

Bei der Blosslegung der Hohlräume des Mittelohres wie bei der Er- öffnung dieser leicht verletzlichen Partien bediene ich mich nur noch selten des Meissels und Hammers seitdem Prof. Macewen die Auf- merksamkeit auf den kugelförmigen Zahnbohrer gelenkt hat, welchen ich unter Zuhülfenahme eines Hohlmeissels für sicherer und zweckdienlicher halte als den geraden Meissel und Hammer. Ich zeige Ihnen hier diese Bohrer und ebenfalls einige Schläfenbeine, an denen Sie ihre Wirkungsweise ersehen können und zwar am normalen, wie am erkrankten Knochen. Bei Anwendung dieser Methode zur Durch- brechung von Knochen ist es von grosser Wichtigkeit, Bohrer von sehr harter und scharfer Beschaffenheit zu benutzen, am besten sind die in Philadelphia gemachten. Auch hat man eine mit dem Fuss getriebene Zahnbohrmaschine von beträchtlicher Kraft nöthig; das Handstück wird wie eine Feder gehalten und der seitliche Theil des Bohrers an den Knochen angelegt, welcher in Folge der schnellen Rotation des Bohrers in feinen Flocken abgehoben wird. Zur Vermeidung einer übermässigen Erhitzung, wie auch um die betreffenden Theile gehörig übersehen zu können, sollte man den Bohrer am besten alle paar Secunden für einen Augenblick fortnehmen. Dann ist es möglich, mit diesem Instrument jedes in noch so grosser Nähe befindliche Gewebe, das geschont werden soll, zu vermeiden, wie denn auch Prof. Macewen ganz richtig be- merkt, dass „dunkle Oeffnungen oder eine Membran, wie z. B. eine pyogene, oder der Sinus sigmoideus, oder die Dura mater, auf der durch die Wirksamkeit des Bohrers wie polirt erscheinenden weissen Knochen- oberfläche mit Leichtigkeit zu sehen sind“. Bei dieser Art des Operirens können selbst bei etwaigen Abnormitäten in der relativen Lage des Schädelinnern zu den Mittelohrräumen wie z. B. bei ungewöhnlicher Tiefe der mittleren Schädelgrnbe (brachycephale Schädel) oder bei unge- wöhnlich weit nach vorn und aussen gelegener Fossa sigmoidea sowohl die Dura mater wie auch der Sinus lateralis (auch wenn sie blossliegen) sehr wohl geschont werden. Arbeitet man in der Tiefe des Knochens, besonders wenn dessen Gewebe weich ist, so leistet ein scharfer Hohl- meissel wirksame Hülfe, während ein Stirnspiegel, der gutes Licht in die tiefe Höhle reflectirt, zur sicheren Controlle nöthig ist.

Ich möchte hier noch die Thatsache betonen, dass bei einfach ver- ständiger Ausdehnung der zur Dlosslegung der Mittelohrräume nöthigen Operation, wie sie uns ja allen ganz vertraut ist, in vielen Fällen von intracraniellen Complicationen nach Ohreiterung. der Sitz, des Verderbens sich erreichen und erfolgreich und sicher behandeln lässt, und dass in

Bei o

308 Th. Barr: Ueber die Behandlung von intracraniellen Abscessen,

allen Fällen eine derartige Blosslegung des Mittelohres (Antrum und Atticus) in Verbindung mit Eröffnung der craniellen Septa Platz greifen sollte, ehe man zur Anwendung der Trephine schreitet.

Extradural-Abscess.

Nach Durchbrechung der craniellen Theile werden wir, in einem gewissen Procentsatz von Fällen, an einer oder der andern leicht ver- letzlichen Stelle, zwischen Dura mater und Knochen Eiter finden, den Extradural-Abscess. Oberhalb des Tegmen antri oder Tegmen tympani findet man oft extraduralen Eiter, dessen Entfernung, ohne dass man tiefer geht, das Verschwinden ernster Symptome zur Folge hat. Solche extraduralen Eiterbildungen können die Vorläufer eines Temporo-sphe- noidal-Abscesses sein, gerade so wie ähnliche Bildungen am Sulcus sig- moideus häufig zu septischer Thrombose des Sinus lateralis, zu allge- meiner Septicämie oder Kleinhirnabscess führen. Operationen zur Be- seitigung eines Extradural-Abscesses sind selten von Erfolg gekrönt ge- wesen, und so habe ich denn aus den Berichten der letzten 7 Jahre nur 39 Fälle von Extradural-Abscess, sei es am Tegmen oder am Sul- cus sigmoideus, aufgefunden, die mit nachfolgender Heilung operirt worden sind.

Septische Thrombose des Sinus sigmoideus.

Man kann sagen, dass ein Extradural-Abscess in der Gegend. des Sulcus sigmoideus im Allgemeinen mit septischer Thrombose des Sinus sigmoideus verbunden ist. weshalb der Sinus in allen solchen Fällen sorgfältig untersucht werden muss. Findet man ihn, wie es gewöhnlich der Fall sein wird, durch einen Thrombus ausgefüllt, und sind Zeichen vorhanden, die auf Zerfall der geronnenen Blutmasse und auf allge- meine septische Infection hinweisen, so soll die Bluteirculation, wenn sie noch durch den Sinus stattfindet, zur Verhinderung weiterer Infection hier unterbrochen werden. Dies kann geschehen, entweder durch die Ligatur der Vena jugularis am Halse, wie es Victor Horsley?) zu- erst vorschlug; oder aber man spaltet, wie Macewen es empfiehlt, den freigelegten Sinus, entfernt den septischen Thrombus, stopft ersteren mit Jodoformgaze aus, und bringt das venöse Rohr dadurch, dass man die Aussenwand des Sinus mit der Innenwand in Berührung bringt, zum Obliteriren. Ist Grund zu der Annahme vorhanden, dass der Sinus

1) Barr ignorirt hier, wie alle englischen Antoren, die Priorität Zaufal’s. Körner.

welche sich an Ohreiterungen anschliessen. 309

vollständig verschlossen ist und die Blutcirculation gänzlich aufgehört hat, so mag die einfache Anwendung von Antisepticis und Druckver- band genügen. In den Händen von Victor Horsley, Arbuthnot Lane, Ballance und anderen hat sich die Ligatur der Vena jugu- laris an zwei Stellen und die Durchschneidung zwischen diesen als sehr zweckdienlich erwiesen, und es sind bis jetzt 36 Fälle von erfolgreichen Operationen berichtet, wo es sich um septische Thrombosen und Allge- meininfection handelte. |

Operation des Intradural-Abscesses.

Ob man die Untersuchung durch Eröffnung der Dura mater am Tegmen des Mittelohres oder hinter dem Sinus noch weiter treiben soll, hängt von den vorhandenen Symptomen, sowie von den vorgefundenen Verhältnissen ab. Bei Anzeichen von Leptomeningitis kann eine der- artige Ausdehnung der Operation sehr wohl Eiterbildungen zwischen Dura mater und Hirn, sei es an dieser oder jener der genannten Locali- täten, aufdecken, deren Entfernung das Leben des Patienten zu retten vermag. Im Allgemeinen aber sind die eitrigen Exsudate in diesen Fällen viel zu diffus, als dass sie einer völligen Beseitigung zugänglich wären. und es sind gerade diese Fälle sicherlich die hoffnungslosesten von allen intracraniellen Complicationen bei Ohrerkrankungen. Doch hat die Erfahrung eines Macewen und anderer gezeigt, dass localisirte Eiteransammlungen auch bei Leptomeningitis unter Lebenserhaltung des Patienten entfernt werden können.

Sieht man von der blossliegenden Dura mater aus Granulations- gewebe sich vordrängen, so soll man mit ganz besonderer Sorgfalt nach- sehen, ob sich nicht eine Fistel finden lässt, dje in die Vertiefung der Arachnoidea führt. Entdeckt man eine solche, so fordert das dazu auf, die Dura breit zu eröffnen, um bei vorhandener Eiterbildung, verbunden vielleicht mit Ulceration oder Erosion an der Gehirnoberfläche, durch gründliche Reinigung und antiseptische Behandlung der inneren Partien dem Patienten noch eine gewisse Chance der Genesung zu bieten, wie das durch die Thatsache bestätigt wird, dass bereits über 16 Fälle von erfolgreichen Operationen zur Entfernung von Eiterbildungen bei Lepto- meningitis berichtet wird.

Grosshirn- oder Kleinhirn-Abscess.

Weisen Symptome auf einen Abscess im Lobus temporo-sphenoidalis oder im Kleinhirn hin (und man kann wohl sagen, dass die Diagnose eines uncomplicirten Abscesses im Lobus temporo-sphenoidalis heutzutage

2

310 Th. Barr: Ueber die Behandlung von intracraniellen Abscessen,

mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit möglich ist) so soll man unverzüglich die Abscesshöhle mittels Canüle und Troicar oder mit einer Hohlnadel eröffnen, den Inhalt entfernen und das Innere so- weit möglich reinigen und desinficiren. Will man solchen Abscessen im Lobus temporo-sphenoidalis oder im Kleinhirn mit Erfolg beikommen, so ist es rathsam, an der seitlichen Wand des Schädels oberhalb des Ohres, resp. (beim Kleinhirn-Ascess) hinter dem Sinns sigmoideus mit der Trephine eine Oeffnung anzulegen. Handelt es sich um einen Abscess im Lobus temporo-sphenoidalis, so könnte man zweifellos dadurch, dass man die im Tegmen gemachte Oefinung mit dem Bohrer in der Rich- tung nach aussen einfach erweitert, den Abscess ebenfalls erreichen, seinen Inhalt entleeren und völlig genügend drainiren; und eine’ solche Erweiterung der Oeffnung empfiehlt sich auch wirklich in manchem Falle. Indessen hat es sich gezeigt, dass, um sich der bei solchen Abscessen gewöhnlich vorhandenen, mit septischen Organismen beladenen, weichen markartigen Gehirnmassen zu entledigen, eine Eröffnung der Schädelwand mit der Trephine von etwa einem halben Zoll Durchmesser sich doch noch vernothwendigt ausser der im Zusammenhang mit dem Mittelohr bereits gesetzten.

Mischfälle von intracranieller Erkrankung.

„Beim uncomplieirten Gehirn-Abscess sollte, falls er zu einer noch ziemlich frühzeitigen Periode operirt wird, Heilung die Regel sein.“!) In- dessen ist doch daran zu erinnern, dass es viele Fälle gemischten Charakters giebt. Oft haben wir Abscessbildung im Gehirn mit Leptomeningitis vor uns, oder mit Pachymeningitis, oder mit septischer Thrombose des Sinus lateralis. oder aber es kann auch die Gesammtheit aller dieser Erscheinungen zu gleicher Zeit bei demselben Patienten vorliegen. Wenn Leptomeningitis zugleich mit Abscessbildung im Gewebe des Gehirns vorhanden ist, so werden die von letzterem herrührenden Symptome von denen der ersteren maskirt, wir sind dann zu dem Schlusse geneigt, es mit einer reinen Meningitis zu thun zu haben, weshalb wir uns gegen eine Operation entscheiden. Indessen lässt meine Erfahrung mich zu der Ansicht kommen, dass, wenn auch die Symptome die der Leptomeningitis sind, es dennoch unsere Pflicht ist, die mittlere und hintere Schädelgrube freizulegen und auf Eiter zu fahnden. Erst wenige Wochen vor meiner

1) Professor Macewen in dem Werke: Eitrige Infectionskrankheiten des Gehirns und Rückenmarks 1893. j

welche sich an Ohreiterungen anschliessen. 311

Abreise von Glasgow hatte ich einen derartigen Fall. Eine Frau von 28 Jahren hatte seit ihrer Kindheit an rechtseitiger Mittelohreiterung gelitten. Im Monat Juli ward sie von Symptomen befallen, die auf ein intracranielles Uebel hinwiesen. Es bestand Erbrechen, heftiger, über dien ganzen Kopf verbreiteter Schmerz, 3 maliger Schüttelfrost, dauernd erhöhte Temperatur, schneller Puls, Delirium mit fortwährender Unruhe und gänzlicher Schlaflosigkeit. Innerhalb 14 Tagen, vom muth- maasslichen Beginn des intracraniellen Leidens an gerechnet, führten diese Symptome zum Exitus letalis. Unmittelbar nachdem ich Patientin zum ersten Male sah, eröffnete ich die Mittelohrräume mit dem Bohrer, entfernte fötid eitrige Massen und entzündliche Gewebstriimmer. Ebenso legte ich auch die Dura mater am Dache des Antrums bloss und er- öffnete auch die Wand des Sinus lateralis Oeffnungen, die Sie an dem Schläfenbeine der Patientin, das ich Ihnen hier zeige, sehen können und welche gleichfalls die Wirksamkeit des Bohrers illustriren. Es fand sich keine Sinusthrombose, auch kein Eiter zwischen Dura mater und Knochen an irgend einer Stelle. Da die Symptome mir weniger auf einen Gehirnabscess als vielmehr auf Meningitis hinzudeuten schienen, so unterliess ich es, weiter vorzugehen. Bei der Untersuchung des Schädelinnern nach dem Tode fand ich einmal eine ausgedehnte Lepto- meningitis auf beiden Seiten mit Auflagerungen von Lymphe und Eiter, dann aber auch noch einen Abscess im Lobus temporo-sphenoidalis, dessen Eiter zum Theil seinen Weg durch zwei Perforationen an der Basis des Lappens in die mittlere und hintere Schädelgrube, sowie in den Riickenmarks-Canal gefunden hatte. Nach der Dicke der den Abs- cess auskleidenden Membran zu urtheilen, hatte dieser schon beträcht- liche Zeit vor Ausbruch der intracraniellen Krankheitssymptome be- standen, und ich möchte glauben, dass die Leptomeningitis wirklich in Folge des in den Subduralraum eindringenden Eiters entstanden ist. Wenn auch die Trepanirung des Schädels zu der Zeit, als die Patientin in meine Beobachtung kam, diese schwerlich mehr gerettet haben würde, so wäre es vom ärztlichen Standpunkte aus vielleicht doch richtiger ge- wesen, wenn man die ganze Eiteransammlung freigelegt und soweit mög- lich drainirt hätte. Es ist sogar denkbar, dass man in einem sehr frühen Stadium der Symptome, durch gründliche Entfernung und Drai- nage des Abscessinhaltes, sowie durch antiseptische Behandlung der afficirten Theile, der Meningitis hätte Einhalt thun und dos Leben der Patientin retten können. Ich möchte daher sagen, dass die gegenwärtige Ansicht der Chirurgen dahin geht, dass wir selten fehlgreifen, wenn

312 Th. Barr: Ueber die Behandlung von intracraniellen Abscessen. -

wir bei dem Vorhandensein ernster intracranieller Symptome, welche ersichtlich auf einen chronischen, septischen Process im Mittelohr zu beziehen sind, die verschiedenen Wege, auf denen die Krankheit in das Schädelinnere eindringt, genau durchforschen, und wenn wir ferner bei Abwesenheit von extraduraler Eiteransammlung, oder falls solche doch gefunden wird, wenn auf. deren Entfernung keine merkliche Besserung folgt, gut thun, die Dura mater zu eröffnen und den Subduralraum zu untersuchen; und dass wir selbst für den Fall, dass die Resultate negativ sind, nicht zögern dürfen, den Lobus temporo-sphenoidalis oder das Klein- hirn, oder beide zu exploriren.

Die Protocolle über die in den letzten. 7 Jahren wegen vorhandener Grosshirn- und Kleinhirn-Abscesse vorgenommenen Operationen sind sehr bemerkenswerth. Wenigstens 59 Fälle von Grosshirn- und 7 Fälle von Kleinhirn-Abscessen sind ihnen zu Folge erfolgreich behandelt. Viele von ihnen waren mit septischer Thrombose des Sinus sigmoideus, einige mit Meningitis vergesellschaftet.

Ueber die glänzenden Resultate, die erzielt wurden.

Meine Herren, es ist etwas Seltenes in der Geschichte der Heil- kunde innerhalb der Grenzen von 7 kurzen Jahren über ein so glänzendes Resultat lebensrettender Arbeit berichten zu können, wie es uns hier vergönnt ist in den Jahren, welche den berühmten Brüsseler Congress, von dem wie ich glaube ebenso berühmten in Florenz, trennen. In den verschiedenen medicinischen Zeitschriften habe ich aus diesen Jahren Berichte von 158 Fällen gefunden, in denen Operationen mit nach- folgender völliger Wiederherstellung der Kranken zur Beseitigung von intracraniellen Complicationen bei Ohreiterung unternommen worden sind. Dabei glaube ich zu der Annahme berechtigt zu sein, dass viele weitere Fälle existiren, die nicht aufgezeichnet sind, wenigstens kenne ich selbst einige solcher Fälle. Wenn wir nun bedenken, dass die meisten von ihnen bei Menschen eintraten, die in jugendlichem Lebensalter oder in der Blüthe des Lebens standen, so dürfen wir das frohe Gefühl haben, dass nur wenige Zweige der Medicin sich rühmen können, in grösserem Maasse wohlthätig für die Menschheit gewirkt zu haben. Und doch, meine Herren, dürfen wir, bezaubert von dem Glanze dieser grossen Erfolge. die Thatsache nicht ausser Acht lassen, dass das Hauptziel und Streben unsererseits dahin gerichtet sein muss, diese schrecklichen Folgen der eitrigen Ohrerkrankungen fernzuhalten. Durch die Aufklärung des Publikums, durch eine vollkommnere Ausbildung unserer Berufsgenossen

F. Röpke: Ein Fall von Pyämie nach acuter Ohreiterung. 313

rücksichtlich der Schwere dieser Affectionen, sowie ihrer rationellen Be- handlung, durch eine weitere Fortbildung endlich dieser Operations- methoden selbst, die darauf berechnet sind, bisher einer Behandlung unzugängliche Formen eitriger Ohrerkrankungen zu heilen, mögen wir vielleicht zukünftig im Stande sein, diese intracraniellen Complicationen in bedeutendem Maasse zu verhindern. In der That bin ich davon überzeugt, dass die Zeit nicht mehr ferne sein wird, wo mit wenigen Ausnahmen jede eitrige Ohraffection innerhalb der Heilungsmöglichkeiten unserer Kunst liegt. |

XX.

Ein Fall von Pyamie nach acuter Ohreiterung. Aufmeisselung: Perisinudser Abscess, Thrombose des Sinus transversus. Heilung.

Von Dr. F. Röpke in Solingen.

Frau Sch. aus Ohligs, 26 Jahre alt, aus gesunder Familie, bis dahin nie krank, bekam am 1. März d. J. starken Schnupfen, in der darauf folgenden Nacht heftige Ohrenschmerzen links, am anderen Tage Eiterung aus dem linken Ohr. Der Hausarzt verordnete Camillen-Aus- spülungen und warme Umschläge, jedoch wurde die Eiterung immer stärker.

Am 11. März kam Patientin auf Anrathen ihres Arztes in meine Sprechstunde: Sie klagt über Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und Mattig- keit, Klopfen im linken Ohr, Schmerzen in der linken Schläfe und im Hinterkopf. Der linke Gehörgang, der voll dicken, grünen Eiters ist, wird sorgfältig gereinigt, er ist weit bis zum Trommelfell. Das Trommel- fell ist hochroth, hinten stark vorgewölbt, im vorderen, unteren Quadranten kleine Perforation, aus der Eiter pulsirend hervorquillt. Der Warzen- fortsatz ist nicht aufgetrieben, nur an der Spitze etwas druckempfindlich. Temperatur 37,6°, Puls 100. Die Perforation des Trommelfells wird erweitert, der Gehörgang wird bis an die Perforation mit Gaze lose tamponirt, auf den Warzenfortsatz wird Eisbeutel verordnet.

Patientin kommt täglich, subjectiv und objectiv keine Veränderung.

Am 17. März bleibt sie aus und kommt erst am 20. wieder; sie giebt an, dass sie in den Tagen vorher sich so matt gefühlt und so gefiebert habe, dass sie nicht hätte kommen können. Das Ohr hat stark geeitert, sie hat aber keine Ohrenschmerzen gehabt, Kopf benommen, zeitweise Schwindel, fast immer Schmerzen in der linken Schläfe. Sie sieht ganz verändert aus und macht den Eindruck einer Schwerkranken.

314 F. Röpke: Ein Fall von Pyämie nach acuter Öhreiterung.

Gehörgang weit, Oeffnung im Trommelfell genügend gross, dass der Eiter frei abfliessen kann. Warzenfortsatz und Gegend hinter dem Warzenfortsatze nicht geschwollen, Perkussion des Schädels ergiebt nur Empfindlichkeit an der Warzentortsatzspitze. Der Hals ist frei beweg- lich, keine Hals- oder Nackendrüsen-Schwellung, kein Strang in der Jugulargegend fühlbar. Pupillen sind gleich weit, Zunge trocken und rissig; Lungenschall überall normal, überall vesiculäres Atmen, Herz und Leber normal, Milz nicht vergrössert. Im Urin kein Albumen. Temperatur 38,2°, Puls 110. Aufnahme in die Klinik angerathen.

Am 22. Nachmittags kommt Patientin zur Aufnahme. Sie hat am Abend vorher Schüttelfrost gehabt, sich aber am Morgen wieder besser befunden.

Temperatur nach Aufnahme 39°, Puls 116.

23. März. 8 Uhr Morgens Schüttelfrost, Temperatur 40,4 °, Mittags 2 Uhr 37,2°, Abends 10 Uhr Schüttelfrost, Temp. 40°. Puls auch in den Intermissionen 116—120. Die Untersuchung der übrigen Organe ergiebt jetzt Schwellung der Milz. Heute leichte Diarrhöe.

Aufmeisselung wird verweigert.

24. März. Morgentemperatur 36,8°, 6 Uhr Abends Schüttelfrost von !/, stündiger Dauer, Temp. 41,6°, später starker Schweissausbruch, 11 Uhr Abends Temp. 39,2°, P. 120—124.

25. März. Patientin hat gegen Morgen etwas geschlafen, fühlt sich aber sehr matt, Temp. 36,9 °; sie giebt Einwilligung zur Operation.

Mittags 12 Uhr: Temp. 38,7°, P. 112. Nochmalige genaue Unter- suchung ergiebt nur Druckempfindlichkeit des Warzenfortsatzes, nirgends Schwellung. Augenhintergrund leider nicht untersucht.

Operation: Schnitt parallel dem Ohrmuschelansatz (1 cm über der Linea temporalis beginneud bis zur Spitze des Warzenfortsatzes). zweiter Schnitt senkrecht auf der Mitte des ersten nach hinten. Nach Abkratzung des Periostes stärkere Blutung aus den Knochenvenen hinter dem Gehörgange, aus dem erweiterten Emissarium mastoideum sickert etwas Eiter, doch kommt man mit der Sonde weiter in der Tiefe auf einen soliden Thrombus. Der erste Meisselschlag an der zur Auf- meisselung des Antrum typischen Stelle eröffnet eine Höhle, die mit dickem Eiter und Granulationen angefüllt ist. Die Sondirung ergiebt, dass sich die Höhle nach hinten bis in die Gegend des Sinus trans- versus erstreckt, nach unten bis an die Spitze des Warzenfortsatzes. Die dünne, morsche Knochendecke wird nach allen Seiten, soweit sie übersteht, weggemeisselt, die Granulationen werden vorsichtig ausge- kratzt. Nachdem die Blutung durch Andrücken eines Tampons gestillt und die Höhle übersehen werden kann, sieht man an der hinteren Wand den vertikalen Theil des Sinus transversus freiliegen, die Sinuswand ist nicht verändert, der Sinus pulsirt nicht, er wird punktirt, es wird aber weder Blut noch Eiter aspirirt. Von einer Eröffnung des Sinus wird,

F. Röpke: Ein Fall von Pyämie nach acuter Ohreiterung. 315

da es sich um einen soliden Thrombus handelt, Abstand genommen. Tamponade der Wundhöhle, Verband.

Während der Narkose war der Puls auf 86—90 zurückgegangen, 2 Stunden nach der Operation wieder 100, Temperatur 35,4°, Abends 8 Uhr 36,8°.

26. März. Mittags Schüttelfrost. Temp. 39,8°, Puls 136, Verband- wechsel: Sinuswand nicht verändert. Strenge Rückenlage wird angeordnet.

In den darauffolgenden Tagen Mittags geringe Temperaturer- höhungen his 38,4°, vom 30. März ab normale Temperaturen, Puls noch immer frequent. Jeden zweiten Tag Verbandwechsel: Wunde stets frisch, gesunde Granulationen, Ohr secernirt nicht mehr.

Die Milz ist am 7. Tage nach der Operation nicht mehr palpabel. Am 10. Tage nach der Operation steht Patientin zum ersten Male wieder auf, am 10. April wird sie aus der Klinik und am 30. April geheilt entlassen. |

Flüstersprache auf dem linken Ohr 5 Meter.

Epikrise:

Nachdem die Patientin in die Klinik aufgenommen war und dort genau beobachtet wurde, konnte mit Leichtigkeit festgestellt werden, dass es sich um otitische Pyämie handelte. Die Schüttelfröste, die steil bis zu 41,6° ansteigenden, dann ebenso rasch bis zur Norm abfallenden Temperaturen, der frequente, auch während der Intermissionen auf der- selben Höhe bleibende Puls, der Milztumor, die trockene, rissige, stark belegte Zunge sicherten die Diagnose.

Weiter nahm ich an, dass es sich um Pyämie durch Osteophlebitis handele. Die Pyämie konnte durch den Krankheitsherd im Mittelohr und im Warzenfortsatz hervorgerufen sein. Dass es sich sicher neben der Mittelohr-Eiterung um Eiterung der Warzenfortsatzzellen und wahr- scheinlich auch um acute Einschmelzung des Knochens handelte, dafür sprach die profuse Eiterung aus dem Ohr und die Druckempfindlichkeit des Warzenfortsatzes.

Für die Annahme einer Sinusphlebitis waren keine äusseren Symptome vorhanden: Es bestand kein Oedem in der Schläfengegend, auch nicht am hinteren Rande des Warzenfortsatzes, es war kein Strang in der Jugulargegend fühlbar, und auch die sonst wohl beobachteten Symptome fehlten.

Nachdem die Pyämie erkannt war, gab es nur eine Therapie: Aufdeckung und Ausrottung des angenommenen primären Krankheitsherdes. -

316 F. Röpke: Ein Fall von Pyämie nach acuter Ohreiterung.

Die Operation ergab nun Thrombose und theilweise Vereiterung des Emissarium mastoideum, Eiterung der Warzenfortsatzzellen und Ein- schmelzung des Knochens bis an die noch gesunde Sinuswand, Thrombose des Sinus transversus.

Obgleich nun der Sinus thrombosirt gefunden wurde, neige ich doch zu der Ansicht, dass die Pyämie unabhängig von der Thrombose des Sinus entstanden ist. Ich nehme an, dass die Infection von dem Eiterherde aus durch die Knochenvenen erfolgt ist. Die Thrombose des Sinus ist wahrscheinlich erst secundär durch Fortpflanzung vom Emissarium mastoideum aus entstanden. Wäre der Sinus von dem ihm anliegenden Eiterherde direct inficirt worden, so würde doch wahrscheinlich die Sinuswand nicht gesund und der Tlırombus doch wohl eitrig zerfallen gewesen sein. |

Für die Annahme, dass es sich um Pyiimie durch Osteophlebitis handelte, spricht auch der weitere günstige Verlauf der Erkrankung. denn nach Ausrottung des primären Krankheitsherdes tritt nur noch einmal ein Schüttelfrost auf, die Temperatur steigt aber nur bis 39,8° an, ferner werden Metastasen nicht beobachtet.

Bericht

über die

Leistungen und Fortschritte auf dem Gebiete der Ohrenheilkunde

10.

im ersten Quartal des Jahres 1896.1)

Zusammengestellt von Dr. Arthur Hartmann in Berlin. E

Allgemeines.

. Stetter, Dr. Prof. VII. Jahresbericht vom 1. Jan. 1895 bis 1. Jan. 1896

aus dem Ambulatorium für Ohren-, Nasen-, Hals- und Mund-Krankheiten. Monatsschr. f. Ohrenheilk. Nr. 3, 1896.

Corradi. Die in der oto-rhino-laryngocatrischen Abtheilung des Kranken- hauses in Verona im Jahre 1894 behandelten Kranken. Archivio ital. di Otol. Bd. III, S. 154. |

26. Jahresbericht des „New-York Ophthalmic and Aural Institute“, Ohren- und Nasen-Abtheilung (Knapp, Toeplitz und Vulpius).

27. Jahresbericht des Brooklyn Eye and Ear Hospital für das mit dem 31. December 1895 endende Jahr. Ohren-Abtheilung (Matthewson, Prout, Sheppard, Alderton).

70. Jahresbericht des Massachusetts Augen- und Ohrenspitals (Boston) fiir 1895. Ohren- und Nasen-Abtheilung (Blake, Green, Spear).

75. Jahresbericht des New-York Eye and Ear Infirmary fiir das mit dem 30. September 1895 endende Jahr. Ohren-Abtheilung (Hickott, Bacon, Dench und Adams).

26. Jahresbericht des „Manhattan Eye and Ear Hospital“. Ohren-Abtheilung (Roosa, Hepburn, Emerson, Nichols und Pomeroy).

Papalle. Statistischer Bericht über die freie Klinik der Krankheiten des Larynx, des Ohres und der Nase. Von Dr. Lichtwitz. Bordeaux 1896.

Holniger, J. Asepsis und Antisepsis in der Ohrenheilkunde Journ. Amer. Med. Assoc. den 18. Januar 1896.

Ewnig, Fayette, Day. Die Behandlung des Ohrenkatarrhs im Londoner Central-Hals-, Nasen- und Ohren-Hospital. Journ. Amer. Med. Associat. den 29. Februar 1896.

1) Der Bericht über Anatomie und Physiologie wird mit dem zweiten

Quartalsbericht verbunden.

Zeitschrift für Ohrenheilkunde. Bd. XXVIII. 93

318 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

11. Stoker, G. Oxygengas in der Behandlung von ÖOzäna und eiteriger Mittelohrentzündung. British Medical Journal 1. Febr. 1896.

12. Laurens, G. Anästhesie durch Guaiacolöl in der Oto-, Laryngo- und Rhinologie. Ann. des mal. de l'oreille Jan. 1896.

13. Texier, V. Neue Anwendungsform von Bromäthyl in der Otorhinologie. Ann. des mal. de l'oreille März 1896.

14. Aguano, D. Ueber Parakusis Willisii. Ann. des mal. de l'oreille Febr. 1896.

15. Gomez, V. Ohrensausen und einige Ergebnisse seiner Behandlung mit Coniin hydrobromic. Ann. Ophth. & Otol. October 1895.

16. Schwager, Dr., Kaiserslautern. Ein Fall von objectiv wahrnehmbarem Ohrgeräusch. Monatsschr. f. Ohrenheilk. Nr. 2, 1896.

17. Geronzi, Dr. Facialishemiplegie otitischen Ursprungs. Archivio ital. di Otol. Bd. IIT, S. 328.

18. Bezold, Prof. Ergebnisse der pathologisch-anatomischen Untersuchung des Ohres bei Masern. Münch. med. Wochenschr. Nr. 10 u. 11, 1896.

19. Barnick, O. Klinische und pathologisch-anatomische Beitrage zur Tuber- kulose des mittleren und äusseren Ohres. Arch. f. Ohrenheilk. Bd. 40, S. 81.

20. Ferreri. Ueber Kiefergelenksankylose in Folge von Obhrerkrankung. Archivio ital. di Otologia. Bd. III, 8. 14.

21. Habermann, Prof., Graz. Die luetischen Erkrankungen des Gehörorganes. Jena, Verlag von Gustav Fischer, 1896.

22. Urbantschitsch, Prof. in Wien. Ueber die vom Gehörorgane auf den motorischen Apparat des Auges stattfindenden Reflexeinwirkungen. Wien. klin. Wochenschr. Nr. 1, 1896.

23. Grassmann, K., Dr. Zur Casuistik der acuten Cocainvergiftung. Münch. med. Wochensch. Nr. 6, 1896.

24. Treitel. Ueber Hörübungen bei Verlust des Gehörs. Arch. f. Ohrenbeilk. Bd. 40, S. 123.

25. Lehfeld, Adal., Director. Die Gehörübungen in der Taubstummenschule nach dem System des Prof. Dr. Urbantschitsch. Selbstverlag. Wien 1895.

26. Liebmann, Albert, Dr., Berlin. Eine neue Therapie des Stotterns. Deutsche med. Zeitung Nr. 36, 1896.

1) Stetter empfiehlt die Sozojodolpräparate besonders bei Otitis media nach Diphtherie und glaubt, dass der Wilde’sche Schnitt bei Periostitis des Warzenfortsatzes in Folge von acuten und chronischen Mittelohreiterungen stets zuerst versucht werden müsse. Adenoide Vege- tationen entfernt er in einem Theil der Fälle mit dem Finger. Zur Behandlung der Muschelhypertrophien verwendet er den Spitzbrenner, mit welchem er „einen Kanal parallel der Muschel-Knorpel-Fläche zwischen dieser und der dicken Schleimhaut“ brennt, ein Verfahren,

Allgemeines. 319

das ebenso alt als empfehlenswerth ist. Verwunderlich erscheint, dass in Königsberg die Nasenmuscheln aus Knorpel bestehen. Killian (Freiburg). 2) Bemerkenswerth aus dem Berichte Corradis ist ein Fall von Carcinom der Ohrmuschel, sodann ein Fall von traumatischem Abscess der Nasenscheidewand. Ausserdem werden einige Fälle von seltener Erkrankung des weichen Gaumens beschrieben. Gradenigo.

3.4.5.6.7) In dem New York Ophthalmic and Aural Institut kamen 2322 neue Patienten in Behandlung und wurden 438 Operationen vor- genommen. Für das Brooklyn Eye and Ear Hospital betrugen die Zahlen 3152 und 188, für das Massachusetts Augen- und Ohrenhospital in Boston 4946 und 597, für das New York Eye and Ear Infirmary 5352 und 546 Operationen, für das Manhattan Eye and Ear Hospital 3334 neue Patienten. Bacon. ©

8) Ein kurzer statistischer Ueberblick über die in den letzten 5 Jahren von Lichtwitz behandelten 3595 Kranken, darunter 1516 Ohrerkrankungen. Operative Eingriffe wurden nur im äussersten Noth- falle (3 mal) bei den Mittelohrcomplicationen vorgenommen, sonst stets methodisch das Mittelohr von der Tube aus durchgespült. Drei Illu- strationen erläutern das Vorgehen Lichtwitz’s bei den Sinuseiterungen. Zimmermann (Dresden). 9) Holniger gelangt zu folgenden Schlüssen: 1. Jedes Instrument muss so gebaut sein, dass es leicht gereinigt und geprüft werden kann. 2. Vor jeder Untersuchung müssen die Instrumente (Speculum, Sonde. Katheter, Mittelohrinstrumente) hinreichend lang gekocht und unmittel- bar nach ihrem Gebrauch gewaschen werden, so dass Eiter, Schleim und Blut daran nicht gerinnen und eintrocknen kann. Bacon.

10) In diesem Hospital ‚wird gewöhnlich Stickstoffoxydulgas bei der Entfernung von Adenoiden angewandt. Der scharfe Löffel mit nach- folgender gründlicher Auskratzung mit dem Finger wird gewöhnlich gebraucht. Vergrösserte Mandeln werden mit einer Mackenzie’schen Guillotine entfernt. Bei sehr grossen Mandeln wird eine kalte Draht- schlinge statt der Guillotine gebraucht. Nach der Operation wird der Patient zu Hause gehalten, bis die blutende Fläche etwas verheilt ist. Im acuten Stadium der Mittelohrentzändung werden Blutegel über den Warzenfortsatz und vor dem Tragus angewandt, und durch warme und feuthte Umschläge ergänzt, um die Blutung zu befördern und den Schmerz zu vertreiben. Breiumschläge und Blasenziehen werden niemals

J2% O

320 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

angewandt. Warme Lösungen von Morphin (0,12:30,0) und Cocain (1:10) werden in das Ohr geträufelt. Das Trommelfell wird bei offen- barer Ansammlung von Flüssigkeit hinter demselben indicirt. Das Ohr wird politzerisirt und durch Ausspritzungen mit schwachen Borsäure- lösungen rein gehalten. Bei chronischen, nichteitrigen Fällen werden einige Tropfen der folgenden Lösung mit dem durch einen Politzer- schen Ballon verbundenen Inhalationsapparat in Dampfform in das Mittel-

ohr getrieben: Rp. Chloroformi, Aetheri acet. aa 8,0 Spir. vin. rectif. 4,0. Massage wird in einigen Fallen mit Hilfe eines pneu- matischen Speculums ausgeführt. Bacon.

11) In einer Versammlung der British Laryngological Rhinological and Otological Society am 14. Januar berichtete Stoker über günstige Wirkung von Sauerstoffgas in 2 Fallen von Ozina und in einem Fall von eitriger Mittelohrentziindung, die jeder Behandlung getrotzt hatte; nach 9 wöchentlicher Behandlung bestand nur noch eine geringfügige wässerige Secretion, nachdem das Gas täglich 3 Stunden lang mit Pausen

angewendet worden war. Cheatle. 12) Das bisher nur in einigen Fällen probirte Mittel scheint gegenüber dem Cocain keine Vorteile zu bieten. Zimmermann.

13) Auf Grund physiologischer Experimente und klinischer Er- fahrung empfiehlt Texier die von Lermoyez und Helme geübte Methode: es werden von ganz frischem Bromäthyl bei Kindern bis 8 Jahren 5 gr, bei Kindern bis 15 Jahren 5—10 gr, nie mehr, mit einem Male auf die Flanellmaske aufgegossen und diese dann höchstens 40 Secunden vor dem Gesicht belassen; die Augen bleiben frei, wenn sich die Conjunctivalgefässe geröthet und die Pupillen etwas erweitert haben aber nach höchstens 40 Secunden ist der Zeitpunkt zur Operation. Muskeltonus und Reflexe bleiben erhalten, nur das Bewusst- sein ist während 30—50 Secunden ausgeschaltet. Contraindicationen sind nur tuberkulöse oder entzündliche Lungenerkrankungen, Herzfehler und Nierenkrankheiten. Zimmermann.

14) Aguano bespricht die verschiedenen Theorien und berichtet dann über seinen Fall, in dem eine chronische Otitis mit verminderter Beweglichkeit des Trommelfell bestand; hierdurch wurde entweder eine Starrheit oder eine Unterbrechung der Knöchelchenkette, vielleicht auch eine Alteration der Binnenmuskeln bedingt, die erst durch besonders starken Reiz beeinflusst werden konnte. Zimmermann.

15) Gomez gebraucht gegen Ohrensausen Coniin hydrobromic. in Dosen von Lea bis 4/3, gr. Die Wirkung des Mittels scheint auf

Allgemeines, 321

einer Paralyse der motorischen Nerven zu beruhen. Coniin hat eigent- lich keinen direkten Einfluss auf die cerebralen Centren, es wirkt be- sonders deprimirend. Bacon. 16) Ein 14jähriges Mädchen, das vor vier Jahren auf die linke Kopfseite gefallen war, litt seitdem an einem „knipsenden“ Geräusch im linken Ohre, welches in arythmischem Tempo ungefähr 110 mal in der Minute bis 20 cm weit vom Ohre gehört werden und von der Patientin willkürlich unterdrückt werden konnte. Auch während des Schlafes bestand es fort. Gleichzeitig bewegten sich das Gaumensegel, die Uvula und die Gaumenbögen. Offenbar entstand das Geräusch durch Abheben der Tubenwände in Folge clonischen Krampfes des Tensor tympani. Sch. verweist auf einen analogen Fall von Kaufmann (Monatsschr. f. Ohrenheilk. 1894, S. 141). Killian. 17) Ausführliche Beschreibung der Beziehungen der Facialislihmung zur Otitis media. Geronzi kommt zum Schluss, dass Beziehungen in einigen Fällen bestehen, dass es aber nicht zulässig sei, dieselben als allgemein bestehend zu betrachten. Gradenigo. 18) Wenn wir auch die interessanten Untersuchungen B.’s und ihre Ergebnisse in der Hauptsache bereits aus dem kurzen zusammenfassenden Bericht im Handbuch der Ohrenheilkunde, herausgegeben von Schwartze, kennen, so wird doch jeder Otiater den vorliegenden Aufsatz (nach einem Vortrag im Münch. ärztl. Verein), der neben genauerer Ausführung auch neue Gesichtspunkte bringt, mit erneutem Interesse lesen. Zunächst sind zu den Tobeitz’schen und Bezold’schen Untersuchungen noch weitere von Habermann (7 Fälle) und Siebenmann (6 Fälle) hinzugekommen, deren Resultate mit denen der erstgenannten völlig übereinstimmen. Den Grund für die auffallend geringe Reaction, welche bei Masern trotz der constanten Anwesenheit von pyogenen Organismen im Eiter gefunden wurde, sieht B. in einer verminderten Reactions- . fähigkeit auf der Höhe der Masernerkrankung, eine Annahme, die auch die Thatsache am besten erklären würde, dass ausgesprochene objective Erscheinungen erst im Desquamationsstadium auftreten. Einen sicheren Beweis für diese Herabsetzung der Reactionsfähigkeit hat ihm ein Fall von operativer Eröffnung des Antrums wegen subperiostalen Abscesses bei Masern-Otitis geliefert, in welchem trotz sonst normalem Verlaufs noch 18 Tage post oper. jegliche Reaction am blossliegenden Knochen, wie Injection oder Granulationsbildung, ausgeblieben war. Was die specielle Pathogenese anlangt, so scheinen B. das mit dem Beginn der Allgemeinerkrankung zusammenfallende Auftreten der Otitis und ihre

322 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

schon im Beginn gefundene Ausbreitung über die gesammten Mittelohr- räume in Verbindung mit dem fast durchgängigen Fehlen jeder Ver- änderung in der knorpeligen Tuba, auch schon in den ersten Tagen. entschieden gegen die bisherige Annahme einer Propagation vom Cavum aus zu sprechen, die pathol. anatomischen Befunde legen vielmehr nahe, die Entzündung in directe Analogie mit dem Exanthem zu bringen. Im weiteren führt V. unter Hinweis auf die früheren Arbeiten von v. Tröltsch, Kossel und Hartmann, Rasch, Wendt aus, wie die pathol. anatomischen Befunde bei Masern in ihrer Häufigkeit auch sonst in der Pathologie des Ohres nicht vereinzelt dastehen. Den Schluss bildet eine Characterisirung des Befundes am Lebenden, der im Gegensatz zu dem bei den übrigen Infectionskrankheiten einen charak- teristischen Trommeltellbefund durchweg vermissen lässt, wie sich auch B. keines Falles aus seiner vieljährigen Praxis erinnert, wo eine während der Erkrankung oder kurz nachher in Behandlung gekommene Trommel- fellperforation nicht zum Verschluss gekommen wäre. M Erhard Müller (Stuttgart).

19) I. Fall: Hämatogen entstandene Miliartuberkulose des 1]. Ohres. Il. Fall: Subacute Miliartuberkulose bei beiderseitiger eitriger Otit. med. und bestehender Darmtuberkulose, solitärer Kleinhirntuberkel. III. Fall: Ausgedehnte tuberkulése Zerstörung des Schläfenbeins, tuberkulöse Me- ningitis -— wahrscheinlich auch vom Darm ausgehend. IV. Fall: Zuerst Drüsen- und Knochentuberkulose, dann wahrscheinlich zuerst das Schläfen- bein und zuletzt die Weichtheile erkrankt. V. Fall: Kind an Meningitis gestorben, im Acusticusstamm Tuberkel. Barnick schildert dann die klinischen Erscheinungen der Ohrtuberkulose: ganz oder fast schmerz- loser Verlauf, rascher Zerfall, rasche Abnahme des Hörvermögens, rasches Fortschreiten in der Umgebung. Acute Tuberkulose des Ohres . befindet sich bei massenhafter Ueberschwemmung des Organismus mit TB vom Blute aus. Die chronische, die häufiger ist, erreicht das Ohr entweder von der Tube aus, bei Erkrankung der Athmungsorgane, oder bämatogen, wobei der Knochen oder die Weichtheile zuerst ergriffen werden können. E. Bloch (Freiburg).

20) Beschreibung von 3 klinischen Fällen von Kiefergelenksankylose nach Ohraffectionen und Schilderung der Operationsmethoden. | Gradenigo. 21) Nach verschiedenen Autoren kommen auf 100 Ohrkranke 0,75—2,67, welche in Folge von Syphilis erkrankt sind. Es finden sich je nach dem Gewebe der einzelnen Theile des Ohres die auch sonst

Allgemeines. 323

im Körper an denselben vorkommenden syphilitischen Erkrankungen. Eingehend werden die Erkrankungen der einzelnen Ohrtheile besprochen. Primäraffeete des äusseren Ohres sind selten. Von secundären und tertiären Formen kommen zur Beobachtung makulöse, papulöse, pustulöse, gummöse Syphilide. Das Periost und der Knochen kann entweder um- schrieben oder diffus erkranken. Durch Hyperostose oder diffuse Hyper- plasie des Periosts kann vollständige Verlegung des Lumens des Gehör- ganges eintreten. Von papulösem Exanthem des Trommelfells und Gummabildung im Trommelfell sind nur einzelne Fälle beobachtet. Primäraffecte der Eustachi’schen Röhre sind durch Infektion mit dem Katheter beobachtet. Secundäre und tertiäre Veränderungen treten nicht selten in Verbindung mit specifischen Erkrankungen des Rachens auf. Dieselben können zu Verengerung und Verschluss der Tuba führen.

Pathologisch -anatomische Untersuchungen über syphilitische Er- krankung der Paukenhöhle sind nur vereinzelt mitgetheilt (Kirchner, Voltolini, Schwartze, Gruber, Moos und Steinbrügge). Klinisch kommt acuter Katarrh, acute und chronische Mittelohreiterung mit Perforation, Sclerose des Mittelohres zur Beobachtung. Die Labyrinth- syphilis kann im secundären und im tertiären Stadium der luetischen Erkrankung auftreten, in den meisten Fällen unmittelbar mit dem Be- ginn der Allgemeinerkrankung. Die tertiire Labyrinthsyphilis betrifft meistens beide Ohren. Die Häufigkeit des Vorkommens von hereditärer Syphilis wird verschieden angegeben (!/,—!/, aller .hereditär syphil. Kinder). Schon intrauterin kann das Ohr befallen werden. In den ersten Lebensjahren treten vorwiegend Erkrankungen des äusseren und des mittleren Ohres auf. In der späteren Periode nach einer Beobachtung von Habermann noch im 28. Lebensjahre kommt es zu tertiärer Er- krankung und unheilbarer Taubheit. Auch die hereditäre Syphilis des Ohres kann alle Theile desselben betreffen. Makulöse, papulöse und pustulöse Syphilide, keine Gummabildung im äusseren Gehörgange, Mittelohrentzindung und Sclerose. Die Labyrintherkrankung tritt als Lues hereditaria tarda besonders zur Pubertätszeit auf.

Hartmann.

22) Urbantschitsch giebt eine Zusammenstellung der bisher beschriebenen und selbst beobachteten Fällen von jenen Reflexen, die vom Ohre aus am Bewegungsapparate des Auges ausgelöst werden. Diese sind: Nystagmus, Strabismus, Lähmung des Musc. trochlearis und Pupillarreflexe. Bemerkenswerth ist ein Fall von U. Er betraf eine Frau, die während einer eitrigen Entzündung der Paukenhöhle von

324 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

einem geringen Strabismus divergens der betreffenden Seite befallen wurde. Im Momente der Abschnürung eines von der inneren Pauken- höhlenwand ausgehenden Polypen erfolgte eine bedeutende Zunahme des Strabismus, die sich als bleibend erwies. Pollak (Wien).

23) Der von Grassmann beschriebene Fall zeichnete sich durch zahlreiche, 2—20 Minuten währende Anfälle von Athemnoth, Schwindel- gefühl, Präcordialangst, Kolikartige Leibschmerzen, intensives Kältegefühl aus; besonders auffallend waren celonische und tonische Muskelkrämpfe, sowie deutliche psychische Erregung. Besserung nach ca. 5 Stunden. Interessant ist, dass bei dem Pat., der schon mehrere Tage vorher und auch am Morgen des betr. Tages mit 20°/,iger Cocainlösung getränkte Wattebäuschehen auf eine schmerzende Zahnfleischstelle ohne irgend eine Nebenwirkung zu verspüren, aufgelegt hatte, die ersten Vergiftungs- erscheinungen auftraten 5 Minuten nachdem er zum ersten Mal einen Theil der in der Einlage enthaltenen, diesmal 5°/,igen, Cocainlösung (von höchstens 0,05 gr. Gesammtgehalt) verschluckt hatte. Ob die günstigere Resorption vom Darmkanal aus oder eine kumulative Wirkung des Cocains oder eine zeitliche Disposition des Pat. dabei die Hauptrolle spielte, ist nicht zu eruiren. Müller.

24) Treitel misst den Urbantschitsch’schen Uebungen nur sehr bedingten Werth bei, erklärt aber gleichzeitig, dass seine Erfah- rungen erst geringe seien. Bloch.

25) Der Verfasser, Director der Landes-Taubstummenanstalt in Wien-Döbling, an welcher Urbantschitsch seine meisten Versuche angestellt hat, tritt in der vorliegenden Broschüre sehr warm für die Einführung der Hörübungen an den Taubstummenanstalten ein. Lehfeld betrachtet es als eine Pflicht der Taubstummenschulen, die Hörübungen selbst in die Hand zu nehmen. Es sollen keine allzugrossen Hoffnungen auf eine Wiedererlangung des Gehérs erweckt werden, man solle aber zu den Hörübungen diejenigen Schüler aussuchen, welche noch eine Spur von Gehör haben. Die Einwände, welche gegen die methodische Anwendung der Hörübungen gemacht werden, besonders von Seite der Taubstummenlehrer gemacht wurden, werden eingehend besprochen. Die Art der Anwendung der Hörübungen entspricht den Vorschlägen von Urbantschitsch. Zum Hören der eigenen Stimme empfiehlt L. Uebungen mit dem Hörschlauch: in den Schalltrichter wird hinein- gesprochen, während die beiden Enden eines Hörrohres mit einem doppelten Schlauch in die Ohren geleitet werden. Hartmann.

Untersuchungsmethoden. 325

26) Die neue Therapie des Stotterns von Liebmann besteht darin, „die Dauer des consonantischen Elements in der Rede des Patienten herabzusetzen und dem vocalischen Element den Vorrang zu sichern, den es in der normalen Sprache hat“. Gleich in der ersten Sitzung lässt L. Sätze im Sprechton mit gedehnten Vocalen und kurzen aber scharf articulirten Consonanten sprechen. Alle Uebungen der Athmung, Stimme und Articulation hält L. für überflüssig. Es wird in bedeutend kürzerer Zeit (4 Wochen) mit Sicherheit eine natürliche Sprache erreicht. Die Zahl der nach dieser Methode von L. erfolgreich behandelten Stotterer beträgt über hundert. Hartmann.

Instrumente und Untersuchungsmethoden.

27. Corradi, Dr., Verona. Ueber eine Methode, mittelst eines neuen Instrumentes Töne von gleicher Intensität mit Stimmgabeln zu erzielen. Allg. Wien. med. Zeitung Nr. 1, 1896.

28. De Kossi. Operative Medicin des Mittelohres und neue Instrumente. Archivio ital. di Otol. Bd. IIT, S. 1.

29. Shapleigh, J. B. Kine Trommelhöhlenspritze Trans. Amer. Otol. Soc. 1895.

30. Boyd, E. G. Eine Verbesserung der Wright’schen Schlinge. Medical Record 4. Jan. 1896.

31. Ferreri. Ein neues retronasales Polypotom. Archivio ital. di Otol. Bd. III, S. 170.

32. Rethi, Dr.. Wien. Ein neuer Schlingenschnürer für vergrösserte vordere Muschelenden. Wien. klin. Rundschau Nr. 6, 1896.

35. Armstrong, Hermann L. Eine neue Spritze zur Behandlung von Nasen- bluten. New-York. med. Journ. 16. Nov. 1895.

34. Daae, Hans, Christiania. Ein Apparat zur Behandlung der Ozäna durch Massage. Arch. f. Laryngol. II, 2.

35. Hartmann, Arthur, Dr., Berlin. Instrumente zu operativen Eingriffen an den Mandeln. Deutsche Aerzte-Zeitung Nr. 3, 1896.

27) Das Instrument Corradi’s stellt eine Art zweiblätterige und gebogene Stahlfeder dar, welche an der Stelle der stärksten Convexität von einem hölzernen Griff gehalten ist. Um die Stimmgabel in Vibra- tion zu setzen, wird die Stahlfeder zwischen die Zinken mit ihrem engsten Theil eingeführt. Indem die Stahlfeder rasch aus der Stimm- gabel herausgezogen wird, wird diese in eine Schwingung versetzt, die jedesmal von gleicher Stärke sein muss (°?) Pollak.

28) De Rossi beschreibt 1. ein Speculum mit biconvexer Linse; 2. eine Pincette zur Extraction der Gehörknöchelchen.

Gradenigo.

326 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

29) Das Instrument besteht aus einer kleinen „Waschflasche“ und ist zum Gebrauch in Verbindung mit einem Reservoir verdichteter Luft bestimmt. Die Flasche hat das gewöhnliche Davidson’sche Muster, aber die Röhren sind so angeordnet, dass die Luft direct in die Flasche über die Flüssigkeit passirt, indem sie dieselbe mit positivem Druck durch die Nadel drängt. Die Nadeln sind die gewöhnlichen intratympanischen; die eine ist gerade und die andere an der Spitze gebogen. Der Strom ist constant und seine Stärke kann mit Hülfe des federnden Verschlusses mehr oder weniger controlirt werden. Bacon.

30) Boyd’s Veränderung besteht in dem Zusatz eines Widerhakens, welcher an die Schlinge durch zwei Oesen befestigt ist und über das Ende der Canüle hinausragt. Die Basis der Nadel ist in Grade abge- theilt. Sie wird zum Festhalten von Hypertrophien des hinteren Endes der unteren Muschel benutzt. Toeplitz.

31) Ferreri empfiehlt für Polypen, welche vom hinteren Ende der mittleren Muschel nach dem weichen Gaumen herabhängen, eine Zange nach der von Lange angegebenen, welche vom Munde aus ein- geführt wird. Gradenigo.

32) Das Instrument ist für den Zweck construirt, um das Abgleiten der Schlinge zu verhüten. Man kann mit demselben das Muschelende in einem Tempo entfernen, d. h. fassen, beziehungsweise durchstechen und abschwächen. Es besteht, wie der gewöhnliche kalte Schlingen- schnürer, aus einem Handgriff und einem Rohr zur Führung des Schlingen- drahtes. Durch den Handgriff und das Rohr läuft ein starker federnder Stab, der vorne in eine Nadel endigt und mittelst eines Ringes vorge- schoben und zurückgezogen werden kann. "Pollak

33) Die von Armstrong angegebene Spritze ist mit einem an- passbaren Schild und Piston, und einem postnasalem Ansatz versehen. Bei Epistaxis und atrophischer Rhinitis wird die Nase damit ausgespritzt, wozu man heisses Wasser benutzt, so heiss, als es vom Patienten ver- tragen werden kann. Toeplitz.

34) Eine schwach gebogene, aber elastische Sonde sitzt an einer kleinen Scheibe, die durch eine Schnur ohne Ende von einer grösseren Scheibe aus in schnelle Rotation versetzt wird. Das Gestell, das die Triebscheibe trägt, wird an eine Tischplatte geschraubt. Die Scheibe dreht der Patient. Das eigentliche Instrumentchen führt der Arzt (oder später der Pat. selbst) über die Nasenschleimhaut hin und her. Die Erfolge der so ausgeübten Massage befriedigen Daae sehr. Der Apparat hat vor anderen den Vorzug der Billigkeit (10 Mark). Zarniko.

Aeusseres Ohr. 327

35) Hartmann hat das von ihm früher zur Abtragung der vorderen Theile der mittleren Nasenmuschel construirte Conchotom für die Abtragung der Mandeln etwas grösser und für die Nasenmuscheln etwas kleiner anfertigen lassen. Da mit dem Conchotom das ganze vordere Ende der mittleren Muschel mit einem Eingriff entfernt werden kann, hält H. sein Instrument für zweckmässiger als die Modification desselben von Grünwald. Die Anwendung des Conchotoms zur Ent- fernung der Mandeln ist dann indicirt, wenn nur einzelne Theile der Mandeln geschwollen, wenn dieselben nicht stark vergrössert sind oder wenn der Entzündungsherd nur in einzelnen Lacunen seinen Sitz hat. Bei geringen Ablagerungen und Ansammlungen in den Lacunen genügt die Schlitzung, um die krankhaften Erscheinungen zu beseitigen. H. benutzt hierzu ein spitzes, zum Stiel rechtwinklig abgebogenes, sichel- förmiges Messer, mit welchem die Durchtrennung des Gewebes leichter gelingt als mit stumpfen Haken oder mit geknöpftem Messer. H.

Aeusseres Ohr.

36. Pritchard, Urban. Hyperostosis des äusseren Gehörganges, die ES erfordernd. King’s College Hospital Reports 1896.

37. Mathewson, Arthur. Nachträgliche Geschichte eines Falles von Gehör- gangsexostose, der im Jahre 1876 operirt worden ist. Trans. Amer. Otolog. Society 1895.

38. Green, J. Orne. Exostosen des Ohres. Trans. Amer. Otolog. Society 1895.

39. Adams, A. E. Ein Fremdkörper im äusseren Gehörgang. Trans. Amer. Otolog. Society 1895.

40. Mc. Bride, Peter. Entfernung eines Fremdkörpers aus der Paukenhöhle. The medical Chronicle. Febr. 1896.

41. Blake, C.J. Ein in das Mittelohr gedrängter EE Trans. Amer. Otolog. Society 1895.

42. Milligan, Wm. Fremdkörper im äusseren Gehörgang. The medical Chronicle. March 1896. |

43. Allport, Frank. Myringitis acuta, Myringitis bullosa. Journ. Amer. Med. Assoc. 18. Jan. 1896.

44, Alderton, H. A. Eine Narbe des Trommelfells, welche mit der Respiration und dem Puls synchronisch vibrirte. Ann. of Ophthalm. & Otology. October 1895.

36) Pritchard entfernte eine Hyperostose, die den Gehörgang vollständig verschloss. Er operirte in 2 Abtheilungen. Zuerst wurde ein grosses Stück mit Hammer und Meissel und dann der Rest mittelst Pritchard’s durch eine Zahnmaschine in Bewegung gesetzten Trepan’s entfernt. Strenge Antisepsis, schnelle Heilung. Der Erfolg ausgezeichnet, indem der Gehörgang ein normales Aussehen bekam. Cheatle.

328 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

37) Ueber diesen Fall wurde in den Verhandlungen des inter- nationalen Ohrencongresses im Jahre 1876 berichtet. Der Patient wurde in Zwischenräumen und bis zum Jahre 1885 gesehen, zu welcher Zeit kein Zeichen von Wiederkehr der Exostose vorhanden war. Im April des Jahres 1893 fand sich der Gehörgang durch eine Exostose so voll- ständig geschlossen, dass eine Sonde nicht vorbeigeführt werden konnte. Es bestanden auch Symptome von Druck, Kopfschmerz, Schwindel und Schwerhörigkeit. Zur Entfernung der Geschwulst wurde eine Operation mit dem Zahndrillbohrer ausgeführt. Anstatt der viereckigen Bohrer wurde ein sogen. Höhlenbohrer angewandt. Derselbe fand sich viel wirk- samer sowohl für die Durchbohrung der Geschwulst als auch für die Erweiterung der Oeffinung durch seitlichen Druck. Bis heute keine weitere Störung und das Gehör blieb gut. Bacon.

38) Zu den beiden Fällen von Osteom, über welche in dieser Zeitschrift im Jahre 1893 bereits berichtet ist, fügt Green einen anderen hinzu, der einen robusten 21jährigen Mann betrifft. Derselbe hatte 5 Monate vorher Schmerzen im rechten Ohre mit Ausfluss, welcher bis zu seinem Eintritt in die Klinik anhielt. Dabei bestand zu dieser Zeit profuser Ausfluss und ein grosser, unbeweglicher Tumor füllte den äusseren Gehörgang fast bis zu seiner Oefinung aus. Sein Ansatz befand sich offenbar tief im Gehörgang, konnte aber nicht genau festgestellt werden. Die Oberfläche des Tumors bestand aus normaler Haut. Kein Perforationsgeräusch. Die Ohrmuschel wurde unter Aether nach vorn abgelöst und die knorpelige Geschwulst von ihrem Ansatz an den knöchernen Gehörgang abgetrennt. Die Geschwulst wurde mit einer Zange erfasst und mit einer rotirenden Bewegung und beträchtlicher Kraft ohne weiteres Abschneiden von weichen oder knöchernen Theilen extrahirt. Die Geschwulst war offenbar in der Trommelhöhle oder im Atticus befestigt gewesen, und diese Höhlen waren mit Eiter, Detritus etc. gefüllt, der entfernt wurde. Die Ohrmuschel wurde in ihre frühere Lage angenäht. Mehrere Monate später zeigte sich bei neuer Untersuchung das Trommelfell verheilt und das Gehör in beiden Ohren gleich. Der entfernte Tumor war 15 mm lang, 12 mm breit. Er war mit kleinen Knötchen versehen und mit einer gleichmässig dünnen glänzenden Knorpel- schicht, ausgenommen am Insertionspunkte, bedeckt. Er war aus Knochen zusammengesetzt und zwar aus einer dünnen Rindenschicht und einer feinen Spongiosa. Bacon.

39) Ein 3jähriges Mädchen fiel, während es das schmale Ende eines Stockes in seinem Munde hielt, nach vorn und stiess mit dem

Aeusseres Ohr. 329

andern Ende des Stockes gegen den Boden, wobei sie das schmale Ende in die Weichtheile an der Innenseite des Unterkieferastes der rechten Seite trieb. Der Stock brach ab und das schmale Ende blieb im Munde. Das herausragende Stück wurde von der Mutter entfernt und war ungefähr 2 Zoll lang. Daran schloss sich eine profuse Blutung und später ein Ausfluss, und das Kind war unfähig, seinen Mund zu öffnen, um feste Nahrung zu sich zu nehmen. Zehn Wochen später erschien im rechten äusseren Gehörgang ein geringer Ausflus. Ein halbzölliges Stück des Stockes wurde mit der Zange aus dem äussern Gehörgang entfernt. Die Pat. wurde mit normalem Gehör vollständig geheilt. Bacon. 40) Mc. Bride sah sich genöthigt, behufs Entfernung einer Bohne aus der Paukenhöhle eines 5jährigen Kindes die Ohrmuschel abzulösen und die hintere und obere Gehörgangswand abzumeisseln. Cheatle. 41) Ein 10jähriger Knabe stiess sich einen Fremdkörper in das linke Ohr. Zwei von practischen Aerzten vorgenommene Extractions- versuche hatten keinen Erfolg gehabt. Bei der Untersuchung wurde ein harter, runder, schwarzer Körper gesehen. Zwei Versuche, den Körper unter Aether zu entfernen, hatten keinen Erfolg. Die Ohrmuschel wurde dann nach vorn abgelöst und die Weichtheile von der Hinterwand des Gehörgangs abpräparirt. Eine Spitze des Gegenstandes musste erst abgebrochen werden, bevor derselbe in den Gehörgang gezogen werden ‚konnte. Der Fremdkörper erwies sich als ein Stück Gaskohle, mit einer glatten, abgerundeten Oberfläche auf einer Seite und einer rauhen. und concaven auf der andern Seite. Bacon. 42) Nach einer allgemeinen Erörterung beschreibt Milligan die durch nicht sachgemässe Extractionsversuche gemachten Schädigungen neben Anderm eine Fractur des Hammergriffs. Cheatle. 43) Der von Allport berichtete Fall betraf eine 20 jährige junge Dame, welche zwei oder drei Wochen lang an acutem Nasencatarrh gelitten hatte. Am 11. November 1895 empfand sie Abends einen ` plötzlichen und heftigen Schmerz im linken Ohr, welcher mit zunehmen- der Schwere bis zum Morgen des 12. Novembers anhielt, als der Fall zum erstenmale gesehen wurde. Das Trommelfell war zu jener Zeit durch drei grosse Blasen verdunkelt, von denen sich eine, am obern und ordern Quadranten, fast bis zum Ende des Handgriffs erstreckte, die zweite sich an der Verbindung des Trommelfells mit der hintern Ge- hörgangswand und die dritte am untern Ende des Hammers befand. Die Blasen wurden aufgestochen und enthielten seröse Flüssigkeit. Das

330 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Trommelfell war, wie durch eine Politzer’sche Einblasung erwiesen wurde, intact. Fünf Tage später hatte das Trommelfell wieder sein normales Aussehen angenommen und war das Gehör normal. Bacon.

44) Der Inhalt der Veröffentlichung Alderton’s ergiebt sich aus

der Ueberschrift.

45.

46.

47.

48.

49.

50.

ol.

52.

SEI

54. AA,

96.

57.

58.

99.

Mittleres Ohr.

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45) Unter den Ursachen der acuten eitrigen Mittelohrentzündung erkennt Schmaltz der Erkältung im modernen Sinne eine erhebliche Bedeutung zu und trennt von ihr die Infection. Diese letztere kann von aussen erfolgen, so z. B. durch indirecte Gewalteinwirkung, durch Continuitätstrennung des Trommelfells, Erkrankung des Meatus. Der wichtigste Zugang aber liegt in der Tuba, durch welche Infectionskeime aus den Luft- und Speisewegen eindringen. Bei frischen Entzündungen spielt das Blutgefässsystem eine untergeordnete Rolle; doch kommt bei Krankheiten des Herzens und bei Pyämie eine embolische bezw. hämor- rhagische Entzündung vor, ebenso bei Nephritis. Auch die Rachitis, die Leukämie, der Diabetes sind von ätiologischer Bedeutung. Etwa 1°/, der rachitischen Kinder leiden an Mittelohreiterung. Durch Leu- kämie entsteht vorwiegend hämorrhagische Entzündung, bei Diabetes rasch zunehmende Zerstörung im Hörorgane. Alle Infectionskrankheiten ziehen gerne das Ohr in Mitleidenschaft, am seltesten Lues und Malaria-

332 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Die Folgen der Otit. med. supp. greifen häufig über das erkrankte Organ hinaus. Am reichlichsten sind die Erkrankungen des Schädel- inhaltes und angrenzender Theile. Wenn auch die Function oft wieder normal wird, so bleiben nach tiefer greifenden Zerstörungen doch De- fecte zurück, bis zur vollkommenen Taubheit, also bei Kindern Taub- stummheit. Nach alledem sollte die geschilderte Krankheit auch vom practischen Arzte stets voll gewürdigt werden. Bloch. 46) Jansley räth zu freier Incision in den oberen oder den nach oben und hinten gelegenen Theil des Trommelfells, oberhalb des kurzen Fortsatzes, wenn dort eine Entzündung gefunden wird. Zu diesem Zwecke braucht er ein breites und starkes Gräfe’sches Staarmesser, indem er die Schneide nach oben richtet, wobei die Spitze die Schrap- nell’sche Membran nicht unter dem kurzen Fortsatz durchbohren darf, und am besten im Centrum der stärksten Entzündung. Es wird ziem- lich tief bis auf den Knochen eingeführt, dann wird ein kräftiger, er- giebiger Schnitt nach oben und oben-hinten gemacht, wodurch die Ge- webe !/,—*/,“ gespalten werden. Der äussere Gehörgang wird sofort

mit einem Propf von absorbirender Watte geschlossen. Es kann, wenn es nöthig ist, ein zweiter oder dritter Schnitt gemacht werden. Bacon.

47) Burnett glaubt, dass die Erkrankung des Warzenfortsatzes bei acuter Mittelohrentziindung oft das Ergebniss der Behandlung ist. Er räth, niemals bei acuten Nasen- oder Ohrenerkrankungen durch irgend welche Methode die Ohren mit Lufteintreibung zu behandeln, da dieselben sowohl schmerzhaft, als auch infectiös seien. Er glaubt, dass trockene Hitze niemals schade, dafür aber Erleichterung verschaffen könne. Einträufelungen von zehn Tropfen einer warmen wässerigen Lösung von Carbolsäure (1,5—2,0°/,) oder von Sublimat (1:10000) kann auch Erleichterung schaffen. Solche Applicationen dienen dazu, die Staphylococcen zu zerstreuen. Sobald das Trommelfell perforirt ist und Ausfluss sich einstellt, oder wenn das Trommelfell durchstochen wurde, muss ein Jodoform- oder Carbolgazestreifen in den äusseren Ge- hörgang eingelegt und 24 Stunden lang liegen gelassen werden. Der Verf. warnt dringend vor allen Ausspritzungen, Einträufelungen, Pulver- einblasungen etc. Wenn trockene Hitze gegen die Schmerzen keine Erleichterung verschafft, dann muss das Trommelfell sofort eingeschnitten werden. | Bacon.

48) Galetti berichtet über 4 Fälle von acuter eiteriger Mittel- ohrentzündung nach hinterer Nasentamponade wegen schwerer Blutungen

- MG pp sa

Mittleres Ohr. 333

und bespricht die Ursache der Infection des Mittelohres und die Me- thode, um die Complication zu vermeiden. Gradenigo. 49) Für Nichtspecialisten geschrieben. Pollack legt besonderes Gewicht auf frühzeitige Antiphlogose (Application des Leiter’schen Kühl- apparates auf den Warzenfortsatz, Jodanstrich etc.). Durch die recht- zeitige Anwendung dieser Maassregel war er bei einem grossen Kranken- material nur verhältnssmässig selten gezwungen, die Mastoidoperation zu machen. Diese ist nach P. nur dann indieirt, wenn nach längstens achttägiger antiphlogistischer Behandlung die Entzündungserscheinungen nicht zurückgehen, die profuse Otorrhoe und die abendlichen Fieber- exacerbationen andauern, oder meningeale Reizerscheinungen oder Schüttel- fröste sich einstellen. Pollack. 50) Auf Grund der kürzlich von Lermoyez und Helm ver- öffentlichten Arbeit, nach welcher dieselben annehmen, dass die pyogenen Staphylococcen Ursache des Chronischwerdens der Mittelohreiterungen seien, indem sie secundär vom äusseren Gehörgang in’s Mittelohr ein- dringen, wurden von PesundGradenigo diesbezügliche bacteriologische Untersuchungen angestellt. Dieselben suchen zu beweisen, dass die se- cundären Infectionen bei der acuten Mittelohrentzündung häufig auch auf dem Wege durch die Tuben auftreten, und dass der protrahirte Verlauf der acuten Otitis nicht nothwendig auf Staphylococcen, sondern auf complicirtere Ursachen zurückzuführen ist. Ausser den allgemeinen Verhältnissen der Kranken (acute oder chronische Infectionen) sind folgende Ursachen anzunehmen: 1. Retention des Eiters; 2. Warzen- fortsatzcomplicationen (begünstigt in dem Sinne Bezold’s durch ab- norme Ausdehnung der Warzenfortsatzzellen, aber nicht nothwendig da- rauf zurückzuführen); 3. das Vorhandensein von chronischen Entzün- dungsprocessen im Nasenrachenraume und im äusseren Gehörgange. Entgegen der Annahme von Lermoyez und Helm fanden die Verf. nicht, dass die gewöhnliche Verbandwatte pyogene Staphylococcen ent- hält. Es wurden in derselben höchstens einige saprophytische Keime gefunden. Die Arbeit schliesst mit einer Statistik über die occlusive aseptische Behandlung der acuten Mittelohrentzündung. Unter 167 Fällen von acuter Mittelohrentzündung befanden sich 96 mit spontaner oder künstlicher Perforation, davon verliefen 71 ohne Eiterung. Die mittlere Dauer der Entzündung betrug 2 Wochen, 10 bis 23 Tage. Die Verf. bedauern, ihre statistischen Erfolge nicht denen anderer Autoren, welche Auspritzungen vornehmen, gegenüberstellen zu können. Gradenigo. Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVII. 24

334 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

51) Es ist durchaus nicht neu, dass eine Otitis mit 37,5° Tempe- ratur auch ohne Paracentese und ohne Spontanperforation ausheilen kann, ebensowenig neu ist es, dass Röthung und „Sensibilität“ über dem Warzenfortsatz in 3 Tagen verschwinden: daraus ist noch nie eine In- dication zur operativen Eröffnung abgeleitet und es ist deshalb nicht einzusehen, weshalb Mandelstamm sich gegen ein zu frühzeitiges chirurgisches Eingreifen wendet. Der Fall von Szenes (siehe diese Zeitschr., Bd. XXVIII, S. 166) mit dem M. seinen vergleicht, liegt doch ganz anders. Zimmermann.

52) Bruck hat die Anwendung des Hartmann’schen S.-formig ge- krümmten Röhrchens zur Behandlung chronischer Eiterungen im Kuppel- raum bei Perforation der Shrapnell’schen Membran manchmal für zu schwierig befunden und zum Ersatz eine dünne gerade Metallcanüle mit seitlicher Oeffnung am vorderen Ende anfertigen lassen, die auf eine gewöhnliche Pravaz’sche Spritze aufgesetzt werden kann. Verf. hält eine derartige Canüle für geeigneter (?) Noltenius.

53) Lake beschreibt die Methode der Entfernung des Trommel- fells und der Gehörknöchelchen und befürwortet die nachfolgende gründ- liche Ausräumung des Atticus. Als Indication für die Operation gelten ihm : wenn unter sorgfältiger Behandlung während eines Zeitraums von 6 Wochen bis zu 3 Monaten die Eiterung nicht zum Stillstand kommt; wenn nach der Ausheilung eine bedeutende Hörverschlechterung bei guter Knochenleitung besteht; wenn eine Perforation der Shrapnell’schen Membran neben zweifelloser Caries vorliegt; wenn die Perforation im hinteren oberen Quadranten ihren Sitz hat; grosse Perforation in der unteren Hälfte der Membran oder Verlust der ganzen Membran; Per- foration der Shrapnell’schen Membran mit Caries der äusseren Attic-

wand, nachweissbarer Caries der inneren Paukenhöhlenwand. Cheatle.

54) In einer Versammlung der Leeds & West Riding Medico Chi- rugical Society demonstrirte Walker einen von ihm entfernten Se- quester, der die halbeirkelförmigen Canüle, das Vestibulum und den grösseren Theil der Schnecke repräsentirte. : Cheatle.

55) Shield behauptet bei der Behandlung der Warzenfortsatz- erkrankungen, da wo die Entfernung des Knochens in grösserem Um- fange erforderlich ist, gute Resultate erzielt zu haben durch Verwendung eines zungenförmigen Hautlappens von hinten her, dessen Basis ungefähr in der Höhe der oberen Anheftungsstelle der Ohrmuschel liegt und dessen Spitze der des Warzenfortsatzes entspricht. Cheatle.

Mittleres Ohr. 335

56) Ein 9mm breiter, gebogener Spatel, an dessen unteren Ende noch ein kleiner Schnabel ist. Dieser wird unter das Periost in der Mitte der hinteren Gehörgangswand geschoben und der Spatel selbst noch vorn gezogen. Die Breite des Spatels soll dann die Grenzen des Operationsgebietes anzeigen. Zimmermann.

57) Der von Burnett berichtete Fall betraf einen 62 jahrigen Arzt mit einer Otitis media purulenta chronica der linken Seite, welche durch Warzenfortsatzerkrankung complicirt war. Eine Wilde’sche In- cision entleerte etwas Eiter und zu gleicher Zeit wurde eine Incision in den Atticus durch die Shrapnell’sche Membran gemacht. Er kehrte darauf nach Hause zurück, wo er sich einen Monat lang wohl fühlte. Am Ende dieser Zeit fand er, dass sein Hals unterhalb des Ohres ge- schwollen und braunroth war, und dass er Eiter durch den Gehörgang sowohl durch Dehnung der Musc. buccinatores als auch durch Druck auf die geschwollene Gegend auf der Halsseite unterhalb des Ohres drängen konnte. Der Boden der Eiterhöhle wurde durch den Constrictor superior des Rachens in diesem Falle gebildet. Der Boden des Gehör- gangs communicirte mit der post-pharyngealen Eiteransammlung. Es wurde eine Incision durch denselben Chirurgen hinter und unter dem Warzenfortsatz in der Nackengegend gemacht und Eiter entleert. Als Burnett den Patienten sah, hatte derselbe pyämische Symptome. Der äussere Gehörgang war verengt. Es war noch ein Rest des Trommel- fells vorhanden. Die Valsalva’sche Einblasung drängte wenige Blasen aus der Trommelhöhle, und Luft und Eiter aus der Perforation im knorpeligen Boden des Gehérgangs und aus der Incision in den Hals, unter und hinter dem Warzenfortsatz. Dr. W. W. Keen operirte den Patienten und fand eine grosse, geruchlose Eiterhöhle in der Rachen- gegend, er räumte dieselbe durch eine Incision unterhalb des Kiefers aus, wobei die Rindenschicht des Warzenfortsatzes zuerst entfernt und das Antrum freigelegt wurde. Der Patient wurde geheilt, jedoch mit Verlust des Gehörs. Bacon.

58) Bei einer Versammlung der Section für Augen- und Ohren- heilkunde der „New-Yorker Academy of Medicine“ vom 20. Januar 1896 berichtete Toeplitz über einen Fall von extraduralem Abscess, in welchem die ÖOhrenaffection am Anfang October 1895 mit Schmerzen im rechten Warzenfortsatz begann. Vier Wochen später bestand nur geringer <Ausfluss, welcher noch vorhanden war, als Toeplitz nach zwei Wochen untersuchte. Zu dieser Zeit zeigten sich nur Schmerzen auf Druck über dem Warzenfortsatz, und Hervorwölbung der obern

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336 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

und hintern Wand des äussern Gehörgangs mit normaler Temperatur. Es wurde ein tiefer Einschnitt in die hervorgewölbte Partie gemacht und Granulationen aus dem äusseren Gehörgang entfernt. Nach vier Tagen entwickelte sich Oedem über dem Warzenfortsatz, welches von heftigen Schmerzen begleitet war. Der Warzenfortsatz wurde unmittelbar darauf eröffnet. Im Antrum befand sich kein Eiter. Es wurde dann nach hinten und innen gemeisselt und eine Fistel in der innern Tafel des Warzenfortsatzes gefunden, welche in eine tiefe Höhe führte, aus welcher sich eine Unze dicken Eiters entleerte. Die Dura wurde freigelegt und normal befunden. Die Oeffnung schliesst sich in fünf Wochen und das Gehör wurde normal. Bacon. 59) Ein 5ljähriger Mann kam in Pritchard’s Klinik mit Klagen über Ausfluss aus dem linken Ohr, verbunden mit Schwindel und Er- brechen. Der Schwindel konnte hervorgerufen werden durch scharfes Drehen des Kopfes nach links, dagegen nicht bei andern Bewegungen. Während des Schwindels schienen die Gegenstände sich von rechts nach links zu bewegen, und zeigte der Patient Neigung nach links zu fallen. Nachdem sich ein Abscess hinter dem Ohr gebildet hatte, fand man im hintern Theil des Warzenfortsatzes eine Oeffnung nach der hintern Schädelgrube, in der die Dura ein unebenes, rauhes Aussehen zeigte. Vollständige Heilung innerhalb eines Monats. Die Temperatur stieg nie über die Norm mit Ausnahme von 3 Tagen vor der Operation, wo sie nur 99° F. erreichte. Cheatle. 60) Der Fall bietet ein ganz besonderes Interesse durch die vor der Operation gestellte präcise Diagnose des Hirnabscesses und seiner Localisation: Abscess in der Markmasse des linken Schläfenlappens, und zwar in den untern und hintern Abschnitten desselben. Die Diagnose stützte sich hauptsächlich auf die bestehende optische Aphasie, welche direct auf eine Läsion der vom Occipitallappen zu den Sprachcentren ziehen- den Associationsbahn bezogen werden musste; die Sprachstörung, welche die Kranke im Uebrigen darbot, und welche sich als eine geringgradige Paraphasie darstellte, sprach insofern für den Sitz im Schläfenlappen, als Paraphasie namentlich bei Läsionen des letzteren oder der Insel vor- kommt, und die letztere ausgeschlossen werden konnte; das Fehlen eigentlich motorischer Aphasie sprach gegen die Verlegung der Läsion in den vordersten Abschnitt der in Rede stehenden Bahn. Der Schluss, dass die Läsion im Temporallappen selbst und nicht nach rückwärts von demselben gelegen war, wurde durch das Fehlen aller jener Symptome gestützt, welche Läsionen des Gyrus angul. sin. und des Occipitallappens

Mittleres Ohr. 337

charakterisiren; namentlich das Fehlen jeder Andeutung von Hemianopsie zwang den Sitz des Abscesses weiter nach vorn zu verlegen; die Ge- ringfügigkeit der paraphasischen Sprachstörung endlich konnte für eine geringe oder überhaupt fehlende Betheiligung der Rinde des Schläfen- lappens verwerthet werden. Die andern Symptome, vor allem die rechts- seitige Hemiplegie waren mit der präcisirten Localdiagnose als Fern- wirkung vereinbarlich. Die von Z. vorgenommene Operation bestätigte die Diagnose vollkommen. Die Patientin wurde 6 Wochen nach der Ope- ration geheilt entlassen. Pollak 61) Der Fall Gradenigo’s betrifft einen 49jährigen Bauer mit seit Kindheit bestehender linksseitiger Mittelohrentzündung. Eines Tages hört der gewöhnliche Eiterausfluss auf und es treten leichte Schmerzen in der Mitte der entprechenden Kopfhälfte auf. 30 Tage später be- kommt Patient einen apoplectiformen Anfall mit mehrstündigem Verlust des Bewusstsein. Beim Erwachen hat Patient die Sprache verloren. Bei der Aufnahme in die Klinik hatte Patient einen langsamen (60), regelmässigen Puls, Steifigkeit und Schmerzhaftigkeit der Nackenmuskeln, linksseitige Facialisparese, fötiden Eiter im Gehörgange, keine Verände- rungen der Weichtheile des Warzenfortsatzes. Abends Temperatur von 39,3°, Puls 60. Bei der Operation wurde die Trepankrone auf die Schuppe des linken Schläfenbeins, direct über der oberen Gehörgangs- wand aufgesetzt. Die im Knochen hergestellte Oeffnung wird nach allen Richtungen mit der Luer’schen Zange erweitert. Dura mater von normalem Aussehen, nicht pulsirend. , Es wird nun ein grosser Theil der oberen Gehörgangswand abgetragen zur Untersuchung der Gegend des Tegmen tympani mit negativem Resultate. Etwa 1cm über der oberen Gehörgangswand wird nun mit der 3 mm dicken Canüle 3 cm tief eingestochen und serös-sanguinolente fötide Flüssigkeit aspirirt. Kreuz- förmige Incision bis zur Tiefe von 3cm, reichlicher Ausfluss fötiden Eiters, Ausräumung der Abscesshöhle, Drainage, Occlusivverband. Der Abscess hatte etwa die Grösse eines Taubeneis. Vollständige Heilung nach etwa 1!/, Monat. Gradenigo. 62) In einer Sitzung der Liverpool Medical Institution am 27. Feb- ruar theilte Murray den Fall eines 7 jährigen Mädchens mit, das einen linksseitigen Temporo-sphenoidal-Abscess hatte, aus dem eine Unze Eiter entleert wurde. Nach Ablauf eines Monats traten plötzlich Convulsionen im rechten Arm, Bein und Gesichtshälfte mit Bewusstlosigkeit auf. Es wurde abermals punktirt und eine Drachme Eiter entleert. Trotzdem starb die Patientin, und bei der Section fand man den linken Temporo-

338 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

sphenoidal-Lappen entzündlich erweicht und Eiter im Seiten- und vierten Ventrikel. Cheatle.

63) In einer Versammlung der Bradford Medico-Chirurgical Society berichtet Major folgenden Fall: Ein 23jähriger Mann, der seit vielen Jahren an linksseitiger Mittelohrentziindung gelitten hatte, war 2 Tage vor seiner Aufnahme in’s Hospital an heftigem Kopfweh und Schwindel mit Jackson’schen Convulsionen im rechten Arm, Bein und Gesichts- hälfte erkrankt. Applegard trepanirte in der Temporo-sphenoidal- Gegend und machte Explorativ-Punktionen in die linke Hemisphäre. je- doch mit negativem Resultat. Der Mann erholte sich rasch und völlig.

Cheatle.

64) Bei einem 7 jährigen Mädchen mit chronischer Otorrhoe traten plötzlich schwere meningitische Erscheinungen auf. Nach erfolgter Frei- legung des Warzenfortsatzes und des Kuppelraumes wurde am folgenden Tage die Schädelhöhle vom Warzenfortsatz aus eröffnet. Ein vermutheter Schläfenlappenabscess wurde nicht gefunden. Bei der Section ergab sich eitrige Leptomeningitis mit Hydrocephalus. Gradenigo.

65) Green berichtet über drei Fälle, von denen in zweien eine chronisch-eitrige Mittelohrentzündung ohne besondere Temperaturerhöhung oder Gehirnsymptome einen unbemerkten Verlauf nahm, als plötzlich Schüttelfrost mit Temperatur von 105° F. auftrat. Im dritten Falle folgte auf eine chronische Mittelohreiterung plötzlich Schwindel und Er- brechen mit einer mässigen Temperaturerhöhung. In allen drei Fällen zeigte sich bei der Untersuchung eine derartige Druckempfindlichkeit des Warzenfortsatzes, dass die Diagnose einer Warzenfortsatzerkrankung gerechtfertigt war und zur Operation gerathen wurde, welche auch so- fort zur Ausführung kam. Während der Operation wurde der Sinus lateralis freigelegt, aspirirt und gesund befunden, ohne schädliche Folgen herbeizuführen, und eine Phlebitis des Sinus ausgeschlossen. Die sieh daran anschliessende Krankengeschichte aller Fälle entsprach einer Ge- schichte einer Osteophlebitis mit leichter Sepsis, welche sich stetig von der Zeit der Operation an besserte und in einer bis zwei Wochen vorüber war. Bacon.

66) Holinger berichtet über einen Fall von Otitis media puru- lenta acuta nach Influenza, welcher mit Warzenfortsatzerkrankung com- plicirt war, wobei sich andere ernste Complicationen später entwickelten. Bei der Operation fand sich eine grosse Abscesshöhle hinter dem Ohr. Das Antrum enthielt Eiter, aber keine Granulationen. Eine Sonde

Mittleres Ohr. 339

wurde in eine tiefe Höhle versenkt, welche an einem Punkte unter der Hervorragung des Canalis Fallopiae in der Richtung des Foramen occipitale einmiindete. Beim Zurückziehen der Sonde floss eine Menge Eiters aus. Die Granulationen und der Knochen am Eingange der Höhle wurden sorgfältig entfernt und die Höhle cürettirt. Bei der Entfernung weicher Granulationen von der Dura mater erfolgte ein zweiter Ausfluss von Blut, Eiter, thrombotischen Massen und Granula- tionen. Die letzteren hatten die Communication zwischen dem Antrum, dem Abscess und der Sinusthrombose geschlossen, woraus sich Eiter- retention und Gehirndruck ergab. Um die ganze Stelle herum befanden sich feste Adhäsionen zwischen der Dura und dem Schädel. Sechs Wochen später war die Wunde geschlossen und die Eiterung vom Ohr hatte aufgehört. Bacon.

67) Gradenigo berichtet über 3 Fälle von otitischer Sinusthrom- bose. 1. Fall: Acute Mastoiditis, aseptische Thrombose des linken Sinus transversus. Tiefer Halsabsces. Tod durch Leptomeningitis und Klein- hirnabscess. Der letztere hatte latenten Verlauf. Die Schmerzen traten sofort nach der Eröffnung des Warzenfortsatzabscesses auf, Fieber fehlte vollständig, ausser der bei der Operation vorgefundenen Sinusthrombose bestanden keine Erscheinungen, welche auf endocranielle Erkrankung hinwiesen. Der Kleinhirnabscess lag sehr tief in der Nähe des Bulbus und wäre bei der Aufsuchung kaum gefunden worden. 2. Fall: Chro- nische, rechtsseitige Mittelohrentzündung, septische Thrombose des Sinus transversus, extraduraler Abscess, dem Tegmen tympani entsprechend. Infarcte und Eiterherde in der Lunge. Tod. Bei der Aufnahme in die Klinik bestanden bereits schwere Lungencomplicationen. 3. Fall: Acute rechtsseitige Mittelohrentzändung mit Warzenfortsatzerkrankung und subperiostalem Abscess. Aufmeisselung. Auftreten schwerer pyä- mischer Erscheinungen. Eröffnung und Ausleerung des Sinus. Heilung.

Gradenigo.

68) In Luca’s Fall, der durch Pyämie tödtlich endete, fand man bei der Section Eiter hinter der linken Orbita. Der Entzündungs- process hatte dabei seinen Weg von dem rechten Lateralsinus über Sinus petrosus und Sinus cavernosus zur Vena ophthalmica genommen.

Cheatle.

69) Green berichtet über einen Fall eines 28 jährigen Mannes, der von ihm zuerst am 1. Juli 1891 gesehen wurde und fünf Wochen vorher einen Abdominaltyphus durchgemacht haben wollte. Beim Be- ginn des sogen. Typhus bestanden Schmerz und Schwellung hinter dem

340 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

rechten Ohr, welche sich allmälig vom Halse hinunter gerade vor dem M. sterno-cleido-mastoideus ausdehnte. Zehn Tage vor seiner Aufnahme war leichtes Frösteln und wenige Tage später Schüttelfrost aufgetreten. Eine Untersuchung ergab die gewöhnlichen Symptome von Mittelohr- und Warzenfortsatzerkrankung und starke Empfindlichkeit entlang dem vorderen Rande des M. sterno-cleido-mastoideus; es konnte aber kein verhärteter Strang gefühlt werden. Die Warzenfortsatzoperation wurde ausgeführt und verschaffte auch für wenige Tage Erleichterung. Später hatte Patient wieder einen Schüttelfrost. Fieber und Erbrechen. Der Hals wurde dann untersucht und bei der Eröffnung der Scheide der Vena jugularis wenige Tropfen Eiters entleert. Es fand sich kein Thrombus. Von dieser Zeit ging die Heilung schnell von statten. Bacon.

70) Der Inhalt des Aufsatzes ist im Wesentlichen durch die Ueber- schrift gegeben. Passow sagt mit Recht, dass man das Vorhandensein einer Hirngeschwulst für wahrscheinlicher gehalten hätte, wenn die chronische Mittelohreiterung (und Mastoiditis) gefehlt hätten. Immerhin scheint auf die vor der Operation constatirte doppelseitige Stauungs- papille nicht das nöthige Gewicht gelegt worden zu sein. Die Narcose selbst ist mit der nöthigen Umsicht geleitet worden. Offenbar ist der Tod bedingt worden durch die plötzlich geänderten Druckverhältnisse im Schädel, die zu einer Lähmung des Athemcentrums führten, während das Herz noch länger als eine Stunde nach dem Stillstand der Athmung in Thätigkeit blieb. Alle angewandten Wiederbelebungsversuche waren erfolglos. Wegen mancher interessanter Einzelheiten empfiehlt sich die Lectiire der Arbeit. Noltenius.

71) Der erste Fall betraf einen 5ljährigen Mann, welcher mehrere Wochen vorher an Kopfschmerzen gelitten hatte; dieselben hatten jedoch aufgehört, als er zuerst in Behandlung kam. Bei der Untersuchung fand sich ein Ausfluss aus dem linken Ohr mit Schwellung des Warzen- fortsatzes und geringer Temperatursteigerung. Nach achttägiger Be- handlung wurde es nothwendig, einen Einschnitt über dem Warzenfort- satz zu machen, worauf eine cariöse Oefinung, welche in den Warzen- fortsatz führt, entdeckt wurde. Später entwickelte sich eine Bronchitis mit Schüttelfrost und Temperatur von 102° F. Es bestanden Schmerzen in der Wunde, welche sich wieder öffnete. Der Urin enthielt Eiweiss. Der untere Theil des Warzenfortsatzes wurde weggemeisselt, wodurch eine Abscesshöhle um und hinter dem M. sterno-cleido-mastoideus frei- gelegt wurde. Das Antrum wurde eröffnet, wobei sich die Knochenwand

Nervöser Apparat. 341

des Sinus lateralis beträchtlich zerstört fand. Der Urin war mit Eiweiss überladen. Patient starb nach zwei Tagen. Der zweite Fall betraf einen 63 jährigen Mann mit einer Vorgeschichte von Schmerzen in beiden Ohren von fünf- bis sechswöchentlicher Dauer und einem Ausfluss aus beiden Ohren, welcher vier Wochen lang dauerte; die Trommelfelle boten bei der ersten Vorstellung nur eine leichte Congestion dar. Er klagte mehr über das rechte Ohr, war zuweilen schwindlich und unfähig zu gehen. Es entwickelten sich Schmerzen hinter dem linken Ohr und eine Operation wurde nöthig, bei welcher sich in der äusseren Platte des Warzenfortsatzes eine cariöse Oeffnung fand. Die Wand des Sinus lateralis fand sich zertört. Er hatte darauf Schüttelfrost, Fieber und Erbrechen. Patient starb. Keine Section. Bacon.

Nervöser Apparat. 72. Trifiletti, Dr. Hysterische Aphonie und Taubheit. Archivio ital. di Otol. Bd. TI, S. 320.

73. Pritchard, Urban. Labyrinthare Reflexerscheinungen während der Schwanger- schaft. King’s College Hospital Reperts 1896.

74, Joffroy. Einseitige Hallucinationen. Archives de Neurol. Vol. J, Nr. 2, 1896. Ä

72) Die hysterische Aphonie und Taubheit trat bei einem 18jährigen Mädchen in Folge einer Gemüthserregung auf. Ausserdem bestanden noch verschiedene andere hysterische Störungen. Gradenigo.

73) Eine 29jährige im 4. Monat schwangere Frau kam in Pritchard’s Klinik mit Klagen über Schwindel, Uebelkeit und Erbrechen, gefolgt yon vorübergehender Taubheit. Dieselben Beschwerden hatten bestanden während einer früheren Schwangerschaft und waren mit der Geburt ver- schwunden. Cheatle.

74) 65jähriger Mann, beiderseits chronischer Paukencatarrh mit Tubenstenose, sowie Läsionen der Endausbreitung des Acusticus, besonders links. Alcoholiker. Bei Ohraffectionen entstehen nur dann Hallucinationen, wenn eine Disposition dazu vorhanden ist, und diese kann ererbt oder erworben sein. Unter letzteren ist gerade der Alcoholismus von be- sonderer Bedeutung. Bei der Section des Kranken fand man in den Ohren die diagnosticirten Veränderungen, im Gehirn diejenigen des chron. Alcoholismus mit Demenz, und zwar in dem r. Stirnlappen und der 1. und 2. Schläfenwindung, sowie in der l. ersten Schläfenwindung.

| Bloch.

342 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

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127. Chappell, W. P. Bericht über drei Fälle von Xerostomia. New-York. Med. Journ. 29. Febr. 1896.

75) Unter Hinweis auf eine frühere Arbeit, in der sie die that- sächliche Sterilität der Nasenschleimhaut dargethan hatten und auf die Untersuchungen Anderer, die den Beweis liefern, dass die Exspirations- luft nahezu frei von Mikroorganismen ist, geben Thomas und Hewlett eine Beschreibung der Methoden, die sie anwandten, um nachzuweisen, dass die Inspirationsluft, nachdem sie die Nase passirt hat, keimfrei ist; sie sind der Ansicht, dass die grosse Mehrzahl von Mikroorganismen beim Eintritt in die Nase durch die den Eingang umsäumenden vibrissae zurückgehalten werden und dass, wenn je welche eindringen, dieselben durch das Flimmerepithel der Schleimhaut heraus- geschafft werden. Cheatle.

76) In cinem in der Hunterian Society of London am 8. Jan. 96 gehaltenen Vortrag wies Sequeira auf die von Thomas und Hewlett festgestellte Thatsache hin, dass die eingeathmete Luft nach ihrem Durchtritt durch die Nase thatsächlich steril ist und äusserte seine An-

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Nase und Nasenrachenraum. 345

sicht dahin, dass alle jene Zustände, welche Mundathmung bedingen, insbesondere hypertrophische Mandeln und adenoide Vegetationen, eine Prädisposition für Diphtherie liefern. Zur Stütze seiner Ansicht führt er statistische Ergebnisse an. Cheatle. 77) Thomas hat selbst das Gefühl, als ob er mit seinem Vor- schlage zu spät käme. Er spricht für die Antisepsis und empfiehlt als das bequemste und ausreichendste, die Instrumente in 5°/, Carbolsäure kalt zu sterilisiren. Die Nase selbst ist es nicht möglich keimfreier zu machen, als sie an und für sich schon ist. Zimmermann. 78) Auf Grund von Erfahrungen, die Belkley durch den Gebrauch von Natron bicarbonicum an sich selbst und Andern gemacht hat, giebt er einem Erwachsenen von mittlerer Grösse und mittlerem Gewicht 20 bis 30 gran in 2 bis 3 Unzen Wasser alle halbe Stunde für drei Dosen und eine vierte Dose nach Verlauf einer Stunde von der letzten . zu gerechnet. Nach 2 bis 4 Stunden werden die vier Dosen wieder- holt und, wenn es nöthig ist, noch zwei Mal. Er behauptet auf diese Weise die Erkältung in ein früheres Stadium coupiren zu können, findet aber diese Behandlung auch in einem späteren Stadium von Nutzen. Bei Influenza wird sie mit Phenazetin combinirt. Sie ist auf der Idee gegründet, dass der saure Zustand des Körpers neutralisirt werden kann. Toeplitz. 79) Ottenfeld hat in mehreren Fällen von chronisch-hypertro- phischem Nasencatarrh, sowie in einem Falle von subacuter Otiti media suppurativa durch Anwendung des Wasserstoffsuperoxyds günstige Heil- resultate erzielt. Pollak. 80) Bosworth hält langdauernden Nasencatarrh jetzt nicht mehr wie vor fünfzehn Jahren für unheilbar. Cocain bildet einen werthvollen Fortschritt. Catarrh ist nicht übermässiger Ausfluss. Die Schwellkörper liefern einen Ueberschuss an Feuchtigkeit in der Exspirations- über die in der Inspirationsluft, worauf die Behandlung gegründet werden muss, welche in der Erhaltung der Function ohne Zerstörung des Gewebes besteht. Das Septum hat keine Function und kann daher zerstört werden. Secrete können durch Syphilis übelriechend werden, aber sie sind an und für sich ohne Geruch; Eiterung beruht auf Erkrankung der Nebenhöhlen. Nekrose ist ein Ausdruck von constitutioneller Er- krankung. Siebbeineiterung drainirt gewöhnlich in das Antrum. Der Fortschritt in der Behandlung beruht auf bestimmter Diagnose. Reflex- neurose werden dadurch weniger häufig und Asthma wird ebenfalls besser geheilt. Toeplitz.

346 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

81) Die Rückenlage ändert die topographischen Verhältnisse der Theile für den Operateur, beeinträchtigt geeignete Beleuchtung und ge- stattet dem Blut in den Kehlkopf einzudringen. Seiler legt den Patienten nach vollständiger Anästhesie in eine Bauchlage mit dem nach unten hervorragenden, aber unterstützten Kopfe, stellt einen Spiegel oder concaven Reflector auf den Boden und legt sich selbst auf den Rücken unter den Tisch. Toeplitz.

82) Vulpius ist auf Grund langjähriger Beobachtung und Er- fahrung zu der Ueberzeugung gekommen, dass der Zusammenhang zwischen Nasen- und Augenleiden, soweit er im einzelnen Falle besteht, so auf- zufassen ist, dass in der Mehrzahl jene als Ursache diese als Wirkung zu betrachten sind. Zur Behandlung empfiehlt V. Dauersonden aus Silberdraht, die und das ist das Wichtigste in jedem einzelnen Falle vom Arzte selbst mittelst Schneide- und Biegezange, kleinem Feil- kloben, feiner Feile und Polirstahl fabrieirt werden. Nur so ist es möglich, Dauersonden herzustellen, die ohne zu reizen, Monate und selbst Jahre getragen werden können. Noltenius.

83) Baron theilt 2 Fälle von Epilepsie mit, in welchen auf Be- handlung der Nasenverstopfung bedeutende Besserung eintrat. Im ersten Fall handelte es sich um eine 35jährige Dame, die Polypen auf der einen und Hypertrophie der unteren Muschel auf der anderen Seite hatte. Im zweiten um eine junge, unverheiratefe Person mit beider- seitiger Hypertrophie der unteren Muschel. Cheatle.

84) Es handelte sich um eine 35jährige Frau, die mit Klagen über seit 3 Monaten bestehende Verstopfung der Nase und fötiden Ausfluss aus dem rechten Nasenloch in Mac Donald’s Klinik kam. Die Beschwerden hatten mit einem heftigen Schnupfen begonnen, ge- folgt von profusem, wässerigem Ausfluss, der in letzter Zeit dick und gelb geworden war. Man fand grosse, käsige, putride Massen im mittleren und unteren Nasengang der rechten Seite, nach deren Ent- fernung sich die untere Muschel. geröthet und geschwellt, die mittlere polypös entartet zeigte. Nach Säuberung der mittleren Muschel von den polypösen Massen trat Genesung ein. Schnitte dieser Massen zeigten mit normalem Epithel bedecktes, zell- und gefässreiches, neugebildetes Gewebe. Eiterung in irgend welchen Nebenhöhlen war nicht nachzu- weisen. Einen ganz ähnlichen Fall sah Ref. kürzlich im Royal Ear Hospital; auch dort trat unter der gleichen Behandlung rasche und völlige Genesung ein. Cheatle.

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Nase und Nasenrachenraum. 347

85) Bei der Patientin Gradenigo’s werden zehnjährige intensive Kopfschmerzen mit eiterigem Ausfluss aus der Nase durch einen aus kohlensaurer und phosphorsaurer Magnesia bestehenden Stein, der sich

um einen Fruchtkern gebildet hatte, hervorgerufen. Gradenigo. 86) Bond demonstrirte Larven und Fliegen von Piophila Casei, die er in der Nase gefunden hatte. Cheatle.

87) Die Blutungen der oberen Luftwege entstehen durch Traumen oder spontan bei Geschwürsprocessen, Veränderungen der Gefässwände oder der Blutmischung wie bei Hämophilie, Leuk-, Anämie, Fettdegene- ration, Infectionskrankheiten etc. Die Symptome sind nur bei stärkeren Blutungen augenfällig, ausgenommen den Kehlkopf. Die Behandlung ist je nach Ort und Art der Blutung verschieden. Bei stärkeren Blutungen muss man oft die Blutstillung zu erreichen suchen, bevor man durch Spiegel und andere feinere Untersuchungen sich genau über die Quelle der Hämorrhagie informiren kann. Bloch.

88) Rice gelangt zu folgenden Schlüssen: 1. Ulcerationen auf der Nasenscheidewand in Folge von Operationen heilen je nach dem allgemeinen Gesundheitszustand, besser bei hypertrophischen als bei atrophischen Zuständen. 2. Ulcerationen, die durch Ausschneiden herbei- geführt sind, heilen besser als die durch Galvanocaustik. 3. In gesunden Nasen muss man antiseptische Stimulantien einreiben, ebenso bei mul- tiplen kleinen Ulcerationen und bei atrophischer Rhinitis. 4. Einreiben heilt auch die ausserordentliche Reizbarkeit der Nasenwege.

Toeplitz.

89) Das Resultat der Untersuchungen von 16 Fallen mit Nasen- tuberkulose und von 6 Fällen von Lupus der Nasenschleimhaut fasst, Kophier wie folgt zusammen: 1. Die Nasentuberkulose kommt in 3 Formen vor: Als Infiltrat, beziehungsweise Geschwür, als Tumor und als vom Knochen, respective vom Knorpel ausgehender Process. 2. Die geschwürige Form entspricht vollkommen dem tuberkulösen Larynx- geschwür, sowohl histologisch und bacteriologisch, als auch bezüglich des klinischen Verlaufes. 3. Der tuberkulöse Tumor der Nasenschleim- haut verdankt seine Entstehung der Hyperplasie des lymphatischen Ge- webes der Schleimhaut, und entspricht dem tuberkulös-scrophulösen Symptom. 4. Die Knochen- beziehungsweise Knorpeltuberkulose ent- spricht sowohl histologisch als ihrem klinischen Verlaufe nach genau den anderen tuberkulösen Knochenerkrankungen. 5. Der Lupus der Nasenschleimhaut ist jenen anderer Schleimhäute histologisch wie klinisch analog. Pollak.

348 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

90) Mc Bride beschreibt 3 Fälle von Lupus. Seine Behandlung besteht in Auskratzung mit nachfolgender Milch- oder Chromsäureätzung oder Cauterisation. Cheatle.

91) Der Continent von Amerika ist, mit Ausnahme von Central- Amerika, von wo dreiundzwanzig Fälle berichtet worden sind, fast ganz frei von Rhinosclerom, da nur drei Fälle hier gesehen worden sind. Hebra’s erste Veröffentlichung und ebenso die Beziehungen von Chorditis hypertrophica inferior und Stoerk’s Blenorrhoe zu Rhinosclerom, welche Freudenthal für identisch hält, werden dann eingehend betrachtet. Darauf folgt der Bericht über einen Fall eines 45jährigen Mannes aus Galizien, bei dem vor 12 Jahren auf der rechten Seite an der obern Partie der Nase eine erbsengrosse Masse sich entwickelte, welche vor fünf Jahren schneller wuchs und, in einem Jahre, ihre gegenwärtigen Ausdehnungen erreichte. Zu derselben Zeit hatte sich eine Stenose der Nase und des Halses etablirt, so dass eine Tracheotomie gemacht werden musste. Die Canüle, welche nach sechszehn Tagen entfernt wurde, musste vor einem Jahre wieder eingeführt und seitdem permanent ge- tragen werden. Die Nase erhielt dann einen Schlag von einem Strassen- bahnwagen, welcher Blutungen aus Mund und Kehlkopf und eine Zunahme des Wachsthums zur Folge hatte. Die rechte Nasenseite war nun so gross wie ein Hühnerei, ihre Spitze sehr verdickt, bläulich roth und so hart wie Elfenbein. Die Schwellung wird durch eine enorme Ver- grösserung der rechten untern Nasenmuschel herbeigeführt, welche das Septum nach der linken Seite herüberdrängte und so beide Nasenhälften ganz verschloss. Narbige Massen zwischen den Gaumenbögen, weichem Gaumen und der hintern Rachenwand schliessen bis auf eine kleine Oeffnung von !/,” im Durchmesser den Nasenrachenraum oberhalb ab; das Zäpfchen ist zerstört. Die Theile unterhalb des Kehldeckels sahen wie eine einzige Narbenmasse aus. Die bacteriologische Untersuchung durch Herrn B. H. Buxton ergab die characteristischen Zeichen des Rhinosclerombacillus in Culturen und Impfversuchen. Der Fall ist durch das einseitige Auftreten der Nasenaffection, welche mit derjenigen des Rachens nicht direct zusammenhängt, bemerkenswerth.

Toeplitz.

92) Somers’ 32jähriger Patient bot nach einem Trauma eine Abtrennung der vorderen Nasenknorpel von den Nasenknochen auf beiden Seiten dar, welche Krepitation durch das Reiben der Knochen und Knorpel gegen einander ohne Zeichen von Fraktur hervorrief. Die

Nase und Nasenrachenraum. 349

Knorpel wurden wieder an ihren Platz gestellt, indem man sie einfach von rechts nach links herüberdrängte. M. Toeplitz. 93) Hett behauptet, dass Hypertrophien der hintern Enden der untern Nasenmuscheln nur durch Cauterisationen ihrer vorderen Enden herbeigeführt werden. Er entfernt die hinteren Hypertrophien von vorn mit langen winkligen Scheeren, indem er die abgetrennten Gewebe durch lange winklige Pinzetten wegzieht und sie selbst abreisst, wenn es nöthig ist. Die Blutung ist zwar bei dieser Methode grösser, aber die Behandlung ist gründlicher. M. Toeplitz. 94) Arslan beschreibt 4 Falle von Tumoren der Nasenscheide- wand. 1. Angiofibrosarkom, 2. Fibrosarkom, 3. Adenofibrom, 4. ent- zündliches Granulom. Gradenigo. 95) Bei Richardson’s Patienten, einem 30jährigen Tischler, sah man eine grosse röthlich-graue Masse aus dem Nasenrachenrauın am untern Rande des weichen Gaumens und Zäpfchens entlang hervor- ragen, welche den ganzen Raum zwischen den lateralen, vorderen und hinteren Wänden des Nasenrachenraums ausfillte. Die Palpation ergab zwei Ansätze, einen schlanken über und vor der Eustachi’schen Trompete, und den andern Ansatz, fester und härter, am Dach, gerade hinter der linken Choane. Der schlanke Stiel wurde von seinem Ansatz mit dem Finger losgelöst, während der andere Stiel mit der Geschwulst ver- mittelst der Schlinge herausgerissen wurde, Toeplitz. 96) Haring’s Patient war eine 26jährige Person, bei der sich, nachdem sie wegen anscheinend gewöhnlicher Nasenpolypen behandelt worden war, eine rapid wachsende Geschwulst entwickelte, welche das rechte Nasenloch verschloss, die rechte Seite der äusseren Nase auftrieb und Epiphora, sowie rechtsseitige Parese des weichen Gaumens ver- ursachte. Nach Resection der Nasenbeine und des Processus nasalis des ‘Oberkiefers stellte sich heraus, dass die Neubildung sich auf das Sieb- bein beschränkte. Cheatle. 97) In Mec Bride’s Fall handelt es sich um ein 12jähriges Mädchen, dessen rechte Nase in der Tiefe durch den mit dünnem Stiel etwas links von der Mittellinie entspringenden Polypen verstopft war. Die Entfernung geschah vermittelst der Stuble’schen (?) Zange. Mc Bride macht auf die Thatsache aufmerksam, dass diese Art von Polypen am häufigsten bei weiblichen Personen gesehen wird; Recidive seien selten. Cheatle. 98) In der 2. und 3. Lettsomian Lecture, gehalten in der Medical Society of London, beschäftigt sich Cheyne mit dem Krebs der Zunge, Zeitschrift für Ohrenheilkunde. Rd. XXVIII. ? 95

350 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

des Rachens, des Nasenrachenraums und des Kehlkopfes. Er betrachtet auch eine starke Vergrösserung der Drüsen nicht als Contraindication für die Operation, ausser wenn sie sehr ausgedehnt ist, oder wenn Adhäsionen mit verschiedenen Gebilden des Halses bestehen, nicht allein mit Gefässscheiden, da der Drüsenbezirk des Halses vollständig frei- gelegt werden kann. Er theilt 3 von ihm operirte Fälle von Sarkom des Nasenrachenraums mit, von denen 2 in Genesung ausgingen, während im dritten das Leben um 2 bis 3 Vierteljahre verlängert wurde. Er erwähnt ferner die schlechte Prognose des Lymphorsarkoms. In dem Abschnitt über maligne Erkrankungen des Rachens und der benachbarten Theile werden 8 äusserst interessante Fälle mitgetheilt, die alle aus- gedehnte Operationen erforderlich machten und von denen 3 in Genesung übergingen. Die Ansichten Cheyne’s über die Frage der prophylac- tischen Tracheotomie, die Controle der Blutung. die Entstehung der Drüsen und die Methoden, Zugang zu der primären Krebsmasse zu ge- winnen, müssen im Original gelesen werden. Cheatle.

99) Aus einer Zusammenstellung aller bekannten Fälle geht die Seltenheit congenitaler Polypen und derjenigen, die unter dem 15. Lebens- alter auftreten, hervor. Roy’s Fall trat bei einem 14jährigen Mädchen auf, welches niemals im Stande war, durch die linke Nasenhälfte zu athmen. Von ihrem fünften bis zu ihrem elften Lebensjahre wurden grosse Stücke in sechs Operationen, theilweise unter Chloroform entfernt, ohne die Nasenathmung wieder herzustellen. Roy fand, dass der Polyp die ganze linke Nasenhöhle vom Eingang bis zum Nasenrachenraum ausfillte. Er entfernte denselben in toto mit der Schlinge. Die linken untern und mittleren Muscheln fanden sich atrophirt und der obere Theil des Septums nach rechts verbogen, wo die untere Muschel hyper- trophisch war. Die Geschwulst war unterhalb des rudimentären Theiles der mittleren Muschel an einer Stelle befestigt, die nicht über !/,“ lang war. Toeplitz.

100) Bei einem 9jährigen Knaben, der wegen chronischer Otorrhoe in Pritchard’s Behandlung stand, fand sich in der rechten Nasen- seite ein starkes Band zwischen unterer Muschel und Septum und weiter rückwärts eine starke, die Höhle oberhalb der unteren Muschel voll- ständig abschliessende Menıbran, die eine kleine Oeffnung in ihrer Mitte trug. Links fand sich ebenfalls untere Muschel und Septum durch ein Band verbunden. Die Anamnese bot für die Aetiologie keinerlei Anhalt.

Cheatle.

Nase und Nasenrachenraum. 351

101) Ein 18 monatliches Kind, Mundathmer, hatte schleimig-eitrigen Ausfluss vorn aus der rechten Nasenhälfte und Adenoide im Nasen- rachenraum. Beim Durchführen einer Kürette durch die Nase stiess man auf ein Hinderniss, bevor noch der Finger im Nasenrachenraum erreicht wurde. Die Wand wurde mit der Kürette durchgestossen ; sie bestand aus dünnem Knochen und dehnte sich vom Septum auf die Seitenwand aus am hintern Ende der untern Muschel, an welcher sie nicht befestigt war. Toeplitz.

102) Von den bis jetzt bekannt gewordenen Choanenverschlüssen waren ?/, knöcherner und !/, membranöser Natur. Die ersteren be- fanden sich stets in der Ebene der Choanen, die letzteren meist im Be- reiche des Nasenrachenraumes. Nur solche, welche in der Ebene der Choanen beobachtet wurden, verdienen die Bezeichnung „echte“. Baum- garten sah einen derartigen knöchernen, rechtsseitigen Verschluss bei einem 9jährigen Mädchen, das gleichzeitig an Facialisparese auf der- selben Seite litt und bei dem congenitale Lues nicht ausgeschlossen wer- den konnte. Bei einer 40 jährigen Frau beobachtete er ein Diaphragma, welches oberhalb der Choanen begann, zum Velum hinabzog und rechts und links ein Loch hatte. Eine 30jährige verhielt sich ähnlich: die Wand theilte den Nasenrachenraum in eine vordere und hintere Ab- theilung und hatte in der Mitte einen Spalt. Was die Ursache dieser eigenthümlichen Bildungen in den beiden letztgenannten Fällen angeht, so glaubt B., Lues ausschliessen zu können, dagegen denkt er bei der 40 jährigen an die Möglichkeit, dass es sich um Sclerom handelte. Schliesslich gedenkt er noch eines Falles, in welchem unter seiner Be- obachtung am Rachendach eine von einem Tubenwulst zum andern ziehende Querfalte entstanden war. Killian.

103) Der Fall betrifft ein 21jähriges Mädchen ohne hereditäre Erkrankung, mit stark adenoidem Habitus; leichte Sattelnase. knécherner Gaumen etwas gewölbt; fibröse Verwachsungen zwischen weichem Gaumen und hinterer Rachenwand, welche die Digitaluntersuchung des Nasen- rachenraumes verhindern. Nach Lösung der Adherenzen mit einem ab- gekrümmten Raspatorium konnte eine feste fibröse Platte festgestellt werden, welche nach Art eines Diaphragmas beide Choanen verschloss. Der Verschluss wurde von vorn durchbohrt. Gradenigo.

104) Handelt zunächst von den anatomischen Verhältnissen der Verbiegungen und Auswüchsen des Septum narium, wobei die Mit- theilungen Hartmann’s zweckmässig hätten berücksichtigt werden können. Aetiologisch weist Rethi den Traumen eine kleinere Rolle

25*

352 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

zu, als dies sonst wohl noch zu geschehen pflegt und betont, in Ueber- einstimmung mit Anderen, das Missverhältniss zwischen dem Wachs- thum der Schädel- und Gesichtsknochen einer- und des Septum selbst anderseits. Die Symptome theilt R. in locale und allgemeine und schildert die Wirkungen der gestörten Nasenathmung, wie sie uns hauptsächlich als Folgen der adenoiden Vegetationen geläufig sind. Die Verbildungen des Septum, betont R. mit Recht, sind nur dann zu behandeln, wenn sie nachweisliche Störungen verursachen. Die verschiedenen Methoden werden dann kritisch besprochen. Bloch. 105) Mayer empfiehlt die von Asch im Jahre 1883 angegebene Operation. Man führt zuerst zur Durchtrennung von Adhäsionen und zur Feststellung von hinteren Hindernissen einen gekrümmten Hohlmeissel ein; dann macht man mit der Knorpelscheere zwei Einschnitte, einen mit der stumpfen Schneide über der stärksten Convexität, und einen zweiten so senkrecht als möglich mit dem ersten. Der Finger schiebt dann die Segmente von der convexen Seite in die Concavität und com- primirt sie fest mit der langblätterigen Nasencompressionszange. Eine hohle perforirte und vulkanisirte Schiene wird einfach in die früher verengte Seite hineingepasst und eine kleinere Röhre ebenfalls in die concave Seite; die letztere wird am folgenden. Tage entfernt. Die grössere wird erst am dritten Tage zur Reinigung entfernt und jeden Tag wieder eingeführt, um fünf Wochen lang beständig, und nur noch eine Woche länger des Nachts getragen zu werden. Die vulkanisirten Röhren sind flach, oval und in einem Satz von sechs verschiedenen

Grössen angefertigt. In acuten Fällen wird das Septum mit der Nasenzange comprimirt, gerade gerichtet und durch eine vulkanisirte Röhre in seiner Lage erhalten. Toeplitz.

106) Eine 27 jährige in Pritchard’s Behandlung stehende Frau litt an einer harten rothen Anschwellung auf der linken Wange. Keine Beschwerden von Seiten der Nase. Bei der Untersuchung zeigte sich die äussere Wand des Antrum aufgetrieben und deutlich elastisch; durch Einführung eines Trockar’s wurden 1!/, Unzen einer gelben, visciden, mit Krystallen durchsetzten Flüssigkeit entleert. Beim Ausspritzen der Höhle von der Oeffnung in der äusseren Wand aus floss das Wasser durch eine in den Alveolarrand gebohrte Gegenöffnung ab; dagegen kam nichts durch die Nase. Bei der Untersuchung zeigte die Flüssigkeit alkalische Reaction, hohen Mucingehalt, geringen Gehalt an Eiweiss und Chloriden, Cholestearinkrystalle in grosser Menge, zahlreiche kernhaltige weisse Zellen, Fettkörnchen enthaltend. Cheatle.

Nase und Nasenrachenraum. 353

107) In diesem interessanten Aufsatz berichtet Lichtwitz über 147 Fälle, von denen bei 127 immer nur ein Sinus entweder auf beiden Seiten oder einseitig erkrankt war, bei 22 mehrere Sinus in verschie- denen Combinationen. Die beobachteten Complicationen localisirten sich natürlich zunächst in den direct benachbarten Organen: Nase, Pharynx etc. 13 mal war es zu ausgesprochenen Atrophieen der Muschelschleimhaut gekommen, die theilweise eine richtige Ozäna vorgetäuscht hatten und erst ausheilten, als die Keilbeinhöhlen frei gemacht waren. Umgekehrt hatte man in 3 Fällen den Eindruck, als ob eine primäre Ozäna sich in die Keilbeinhöhle fortgepflanzt habe. Im Gegensatz hierzu wurden Hypertrophien sehr oft, sogar 8mal bis zu fast vollständiger Aufhebung der Nasenathmung beobachtet. Zu einer Rhinitis caseosa war es 3 mal gekommen 1mal in Folge eines Highmorempyems und 2mal in Folge Stirn-Siebbeineiterung. Kleine Polypen im Hiatus semilunaris fanden sich 12 mal, grössere Schleimpolypen 18mal, die oft beiderseits sassen, während das Sinusempyem nur einseitig war. Daraus möchte L. folgern, dass die Polypen viel mehr die Ursache als die Folge des Empyems sind. Ein Drittel aller Kranken klagte über schlechte Geruchsempfindungen (Kakosmie), die meist erst durch die Probepunktion L.’s auf einen Eiter- herd zurückgeführt werden konnte. Bezüglich des Auftretens von Catarrhen im Nasenrachenraum schliesst sich L. der Behauptung Ziem’s an, dass sie nur von Eiterungen in der Nase oder deren Nebenhöhlen abhängig seien, aber während Ziem dabei hauptsächlich die Oberkieferhöhle meint, hat L. das gerade bei Stirn- und Keilbeinempyemen gefunden. Mehrmals war es in Folge dessen sogar zu Schwellungen und Abscessen der Mandeln gekommen. Von Augenstörungen beobachtete L. 2 mal Exophthalmus, 3mal Dacryocystitis, 2 mal Selinervenatrophie (eine in Folge Keilbeineiterung!) Otitiden in Folge von Sinuseiterung bei Erwachsenen hält Verf. für ebenso häufig und von denselben Factoren abhängig, wie die Otitiden bei Kindern mit adenoiden Vegetationen; sie kamen im Ganzen 35mal vor, ausserdem noch 3mal Ohrschwindel und 9 mal subjective Geräusche. Die häufigste Complication stellen die Cephalalgieen (51) dar, die meistens im Gefolge von Stirn- und Keil- beineiterungen auftreten; schwere intracranielle Complieationen kamen nie zur Beobachtung, nur einmal Auftreten von epileptiformen Krämpfen und Bewusstseinsverlust in Folge einer Keilbeinausspülung; da war viel- leicht durch die nicht mehr ganz intacte Hinterwand der Höhle ein vorübergehender Gehirndruck ausgeübt. Die Erysipele, an denen 5 Pat. häufig litten, hält Verf. für direct bedingt durch eine Streptococcen-

354 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Infection von dem erkrankten Sinus aus; in 2 Fällen wurde ein Erythem mit Oedema fugax bei antiseptischen Einspritzungen bemerkt. Be- sonderes Interesse nun verdienen die Beobachtungen L.’s über Fälle, in denen eine schwere Lungenerkrankung vorgetäuscht wurde, worauf bis- her allein Hartmann aufmerksam gemacht hat. I. hat 7 Kranke beobachtet, bei denen hervorragende Aerzte eine Lungentuberkulose an- genommen hatten, die auch ganz die physikalischen Zeichen derselben boten, bei denen nur der weit zurückliegende Beginn der Erkrankung, ein gewisser Wechsel der Erscheinungen und das Fehlen von Bacillen auffallend war. In allen Fällen führte die Heilung der Sinus-Eiterung prompt auch das Verschwinden der Lungenerscheinungen herbei. Diese waren wohl nur dadurch bedingt gewesen, dass fortwährend besonders im Schlaf infectiöses Material aspirirt wurde, das dann zu subacuten Entzündungen des Lungengewebes geführt hatte. 3 weitere Fälle von hartnäckigem Husten, 5 mit asthmatischen Zuständen gehörten hierher. Bei den zuweilen am Herzen, den Nieren, Muskeln und Gelenken be- obachteten entzündlichen Erscheinungen blieb es zweifelhaft, ob sie direct durch die Sinuseiterung bedingt waren, obwohl es nahe lag, an metas- tatische Erkrankung dabei zu denken. Nach einigen kurzen Bemer- kungen über die beobachteten Störungen des Allgemeinbefindens schliesst L. mit einem Resume über seine Behandlungsmethode: Eröffnung des Sinus maxillaris von der Alveole aus ist die Norm, nur wenn sämmt- liche Zähne vorhanden und gesund sind, von der Fossa canina aus. Stirn- und Keilbeinhöhlen werden von der Nase aus freigelegt event. mit Resection der mittlern Muschel; gerade für die Stirnhöhle empfiehlt Verf. gegenüber manchen neueren Publicationen die Eröffnung immer zunächst von der Nase aus wenigstens zu versuchen. Zimmermann. 108) Abscesse der Nebenhöhlen. bestehen häufig eine lange Zeit und werden wegen Neuralgie behandelt. Bryan berichtet über 4 Fälle dieser Art. Von denselben ist besonders bemerkenswerth Fall IV: Abscesse der Stirnbein-, Siebbein- und Oberkieferhöhlen mit Caries der Stirnbein-Siebbeinzellen, bei einer 48jjähr. Frau, welche 20 Jahre lang an Catarrh, aber nur 7 Monate lang an schleimig-eitrigem Ausfluss aus der linken Nasenhälfte gelitten hatte. Die Oberkieferhöhle wurde nach Entfernung des ersten Molaris durch den Alveolarfortsatz eröffnet, und das Empyem verschwand in 2 Wochen aus der Höhle, obgleich der mittlere Nasengang noch viel Eiter enthielt und die schweren Kopfschmerzen anhielten. 18 Tage nach der Eroff- nung des Antrum Highmori wurde im Sinus frontalis von aussen mit

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dem 1!/,cm im Durchmesser grossen Meissel eine Oeffnung angelegt, durch welche übelriechender Eiter entleert wurde. Eine Drainagerölıre wurde in die Nase und eine andere in die äussere Oeffnung eingeführt. Nach 6 Wochen wurde die Stirnbeinhöhle wieder eröffnet, die Höhle ihrer Granulationen entleert und mit Gaze ausgestopft, ohne dass die Eitermenge sich verringerte, welche jetzt ebenfalls wieder im Antrum gefunden wurde; ferner bemerkte man, dass die in das Antrum injicirten Lösungen aus der Stirnbeinhöhle herauskamen. Ungefähr 2 Monate nach der ersten Stirnbeinhöhlenoperation wurde das Septum der Nase perforirt gefunden und deshalb Kal. jodat., jedoch ohne Nutzen, ver- schrieben. 3 Wochen später fanden sich auch die vordern Siebbeinzellen erkrankt und die mittlere Muschel wurde deshalb entfernt und mit dem scharfen Löffel ausgekratzt, bis der ganze cariöse Knochen entfernt war. Von dieser Zeit an besserte sich der Zustand der Patientin sehr schnell und wurde dieselbe nach zehnmonatlicher Beobachtungsdauer als geheilt entlassen. An die Beschreibung dieser Fälle schliessen sich allgemeine Bemerkungen über Eiterung der Stirnbein- und Siebbeinhöhlen an, deren Aetiologie, Diagnose und Symptomatologie besprochen wird. Toeplitz. 109) Ein 33jähriger Mann hatte Jahre lang an einer Eiterung aus der linken Nasenseite und während der letzten Monate auch an einer aus der rechten Nasenhälfte, mit üblem Geruch und gelegentlichen Kopfschmerzen gelitten. Am 27. Januar wurde er plötzlich von schweren, ` anhaltenden Kopfschmerzen ergriffen, welche auf die linke Seite des Kopfes und Gesichtes ohne Fieber oder Gehirnsymptome beschränkt waren. Bosworth fand nach 4 Tagen die Wand der Siebbeinzellen weich und brüchig und auch die Keilbeinhöhle ergriffen.- Er versuchte die letztere durch einen scharf gespitzten Hohlmeissel zu eröffnen, worauf sich vorübergehende Erleichterung einstellte. 8 Tage später wurde eine andere Operation mit einem Bohrer von °/,,“ im Durchmesser versucht. Am folgenden Tage trat ein heftiger Schüttelfrost auf und der Tod er- folgte nach 24 Stunden. Bosworth glaubt, dass der tödtliche Ausgang dem Gehirnabscess zuzuschreiben war, welcher nur 24 Stunden gedauert hatte und durch Keilbeinciterung verursacht war; dass die letztere nur 13 Tage bestanden und sich aus einer alten, vernachlässigten Siebbeineiterung entwickelt hatte. Er hält die Keilbeinerkrankung für sehr selten und gefährlich, während Siebbeinerkrankung bei weitem häufiger und gefahrloser ist. Toeplitz. 110) Bosworth’s Patient, ein 42jähriger Mann, hatte sich im Jahre 1876 Influenza mit nachfolgendem Heufieber zugezogen. Im Jahre

356 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenkeilkunde.

1881 entwickelte sich eine Art von Melancholie, zuerst periodischen, später dauernden Characters. Er klagte auch über ein Gefühl von Schwellung der Augen und Druck zwischen denselben. Er versuchte alle Arten von Behandlung, von klimatischen und diätetischen Verände- rungen bis zu chirurgischen Maassregeln, wie Baunscheidtismus, Ent- fernung einer Strictur, Kastration, Unterbindung der Arteria pubica und Enucleation eines gesunden Augapfels.. Als letzte Zuflucht unter- warf er sich im Jahre 1891 einer Untersuchung der Nase, welche in ihrer rechten Hälfte durch eine winklige Verbiegung der Scheidewand verstopft befunden wurde, während die linke Seite durch eine ausser- ordentlich grosse Hypertrophie der mittlern Muschel, die mit myxoma- tösem Gewebe bedeckt war, ausgefüllt wurde. Auf die Entfernung des hervorragenden Septums und der geschwollenen Muschel folgte prompte Heilung, nicht nur der Aprosexie, sondern auch des geistigen und moralischen Zustandes. Sein Heufieber wurde ebenfalls geheilt. Bosworth glaubt, dass die Melancholie direct auf der Siebbeinerkran- kung beruhe, auf einer organischen Veränderung der Gehirnbasis, welche durch den früheren Zustand herbeigeführt wurde. Toeplitz. 111) Man wird mit dem Verf. übereinstimmen, wenn er meint, dass wir in der Durchleuchtung und der harmlosen Probepunktion ein Mittel haben, uns gegebenen Falls von der gesunden oder kranken Be- schaffenheit der Kieferhéhle zu überzeugen, auch wenn keine sog. typi- schen Symptome vorhanden sind, und dass man damit oft als Ursache für Migräne, Neuralgie u. a. eine Kieferhöhlenerkrankung findet. wo die Inspection kein verdächtiges Secret im mittlern Nasengang erkennen liess. Nicht Jeder wird aber mit Linkenheld einverstanden sein, wenn er in dem „rein eitrigen oder vorwiegend eitrigen oder gar jauchigen“ Character des durch die Punktion geförderten Exsudats eine zwingende Indication zu eingreifendem chirurgischen Verfahren sieht. Unter einem solchen versteht er ausgiebige Resection der vordern Wand, Auskratzung der Höhle, Anlegung einer Gegenöffnung in der nasalen Wand, wenn die Zähne gesund sind, partielle Resection der untern Wand durch Ausschneiden des Alveolarfortsatzes und ebenfalls Anlegung einer Gegen- öffnung nach der Nase zu bei Vorhandensein von cariösen Zähnen. Die Nachbehandlung sei die chirurgisch übliche. (Bekanntlich heilen auch die putridesten Empyeme nicht selten durch wenige Ausspülungen.) Von Ausspülungen macht L. nur spärlich Gebrauch. Die Reinigung besorgt der die beiden Oeffnungen passirende Luftstrom beim Ausschnauben der Nase. Die äussere Oeffnung wird durch leicht aufgelegte Gaze ver-

Nase und Nasenrachenraum. | 357

schlossen, die bei jedem Schnäuzen entfernt wird. In sehr vielen Fällen muss wiederholt ausgekratzt und müssen die Oeffnungen erweitert werden. Ueber die Behandlungsdauer bis zur völligen Heilung ist nichts an- gegeben. Erh. Müller. 112) Unter Hinweis auf einen Fall ‘von Combe, in welchem ein 2!/, cm langes Stück eines zinnernen Drainrohres 4 Jahre im Antrum maxillare verweilte und dann in Käsemassen eingebettet durch die Nase abgegangen war, spricht sich Ziem gegen die Anwendung von Obtura- toren und Drainagen nach Anbohrung der Kieferhöhle aus; sie ver- zögerten nur die Heilung, auch ohne sie drängen keine Speisetheile in die Höhle ein. Aber nicht allein von Canülen und Bolzen können Stücke abbrechen und in die Kieferhöhle gelangen, sondern auch von den zur Anbohrung dienenden Instrumenten, so namentlich auch bei der Eröff- nung vom untern Nasengang aus, wenn „mit aller Kraft“ gearbeitet wird. Er empfiehlt immer wieder die Anbohrung vom Processus alveolaris aus mit Bohrmaschine und Fraisen. Um das abgebrochene Stück eines Instrumentes zu entfernen, soll man mit einem vorn hakenförmig ab- gebogenen Draht eingehen bis über dasselbe und ziehen. (Z. hat dies zweimal mit Erfolg ausgeführt.) Auch Ausspritzungen sind zu ver- suchen, bevor man zur Roser’schen Knochenzange greift oder zur breiten Eröffnung schreitet. Killian. 113) In Rose’s Fall handelte es sich um einen 15jährigen Knaben, der mit einem Abscess in der Stirngegend in Behandlung kam; trotz zweimaliger Operation starb der Kranke. Bei der Section fand man Nekrose des Keilbeins mit eitriger Meningitis, Eiter in den Keil- beinhöhlen und septische Lungeninfarcte. | Cheatle. 114) Day’s Patient, ein 55jähriger Arzt, erlitt im Jahre 1884 bei einer Operation eine Blutvergiftung. Im Jahre 1891 sank seine Kraft; er litt an Stirnkopfschmerzen und Kältegefühl. Denselben Herbst fing er an Nasenbeschwerden zu bekommen. Im Sommer 1892 fand sich am Rachendache eine Erosion und bald entdeckte man eine kleine cariöse Stelle an der Verbindung des Keilbeins und Vomers, aus welcher ein kleines erbsengrosses Knochenstückchen entfernt wurde. Uebelriechen- der Eiter entleerte sich aus dem Keilbein und Siebbein, den Fortschritt der Caries anzeigend. Der Körper des Keilbeins und der Basilarprocess des Hinterhauptbeins zerfielen nun. Eine Menge cariösen Knochens wurde aus der Nase entfernt. Die Schwäche nahm zu und Nekrose der Schädelbasis wurde diagnostieirt. Symptome vom Gehirnabscess stellten sich ein. Lymphdrüseneiterung auf der linken Halsseite. Tod. Die

358 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

Section ergab einen Gehirnabscess von der Mitte des rechten Keilbein- flügels durch den Tempora-Sphenoidal-Lappen bis zum innern Gehörgang. Der Eiter passirte das Foramen rotundum, durchbrach den Keilbein- flügel, ging in die Orbita und die vordern Siebbeinzellen. Keilbein- körper und Basilarprocess des Hinterhauptbeins, Flügelfortsätze, auf- steigende Gaumenknochen cariés. Vomer und senkrechte Platte des Siebbeins abwesend. Dura am Clivus entblösst. Toeplitz. 115) Die grössere Häufigkeit der Hypertrophie der Rachentonsille und ihrer Folgekrankheiten an der Seeküste ist in die Augen springend. Da alle Racen gleichmässig betroffen werden, so muss das Klima eine Rolle bei dieser Erscheinung spielen. Abgesehen davon bilden eine Hauptursache Masern und Scharlach; vor allem aber steht das erbliche Moment im Vordergrund, wie Thost des Näheren ausführt. Dass die Hypertrophie angeboren vorkommt, hat E. Fränkel an der Leiche festgestellt. Als Zeichen früherer „Adenoiden* betrachtet Th. ausser Residuen von Mittelohreiterungen auch progressive Schwerhörigkeit. Die Operation führt er meist in leichter Narcose möglichst radical mit dem Gottstein’schen Messer aus: Besondere Beachtung für den Ohrenarzt verdienen die Strangbildungen, die in den Rosenmüller’schen Gruben vom Tubenwulst nach dem Rachendach ziehen, weil dieselben den Tuben- canal abknicken können. Th. hat in einem solchen Falle durch Durch- schneidung des Stranges Heilung von Schwerhörigkeit und Ohrenschmerzen erzielt. Von Entzündungen der Rachentonsille beobachtete er einfache, catarrhalische Formen, ferner solche, die der Angina lacunaris ent- sprechen; auch Abscesse, welche mit schweren, Typhus- oder Meningitis- ähnlichen Symptomen verlaufen, kommen vor. Bei der Diphtherie können die Tonsillen durch Ulceration zu Grunde gehen. Eigenthümlicher Art sind die Fälle, in welchen Scharlach im Anschluss an die Operation auftrat. was auch von B. Fränkel beobachtet wurde. Die vermehrte Anschwellung der Rachentonsille, welche die Eltern veranlasste, ihre Kinder zum Operateur zu bringen, könnte ein Initialsymptom des Scharlach sein; vielleicht ist auch das Gift zuerst hier eingedrungen. Bei Syphilis sah Th. Papeln und Geschwüre an den Rachenmandeln; letztere waren grade da besonders tief. Tuberkulose dieses Organs ist wahrscheinlich häufiger, als sie diagnostieirt wird; E. Fränkel fand sie bei 50 Tuberkulösen 10mal. Einmal fand Th. bei Lupus Miter- krankung der Tonsilla pharyngea. Beachtenswerth sind die Lymph- drüsenschwellungen, welche bei Hypertrophie der letzteren eintreten; sie betreffen regelmässig den Plexus cervicalis superficialis jm untern Hals-

Nase und Nasenrachenraum. 359

dreieck, hinter dem Sternocleido. Bei gleichzeitiger Hypertrophie der Gaumenmandeln sind die Drüsen am Kieferwinkel mitgeschwollen. Die häufigen Ohraffectionen bedingen Drüsenschwellungen vor und hinter dem Ohre, die Ekzeme an Oberlippe und Kinn, solche unter dem Kinn. Von besonderer Wichtigkeit bei Erkrankung der Rachenmandel sind zwei retropharyngeale Drüsen neben dem Musculus rectus cap. ant. maj., welche anschwellen und vereitern können. Acute Entzündung derselben ist meist von einer eigenthümlichen geneigten und seitlich gedrehten Kopfstellung begleitet. Bei Enuresis nocturna, Asthma, Stottern sind die Erfolge der Entfernung der Rachentonsille oft mangelhaft, dagegen prompt bei Pavor nocturnus, Kopfschmerzen. Geschwollene Nasenmuscheln verdienen oft noch besondere Behandlung. Viele Erwachsene mit solchen waren früher „adenoid“. | Killian. 116) Eames glaubt nicht, dass adenoide Geschwülste Unregel- mässigkeiten der Zähne hervorrufen, sondern eher dass die letzteren einen andern Ausdruck derselben Ursache darstellen, welche wohl die Adenoiden verursachen kann, aber doch nicht beide in demselben Falle herbeizuführen braucht. Weder der constante atmosphärische Druck, noch das theilweise Vacuum in der Nase und im Nasenrachenraum, welches durch den Schluckact verursacht wird, noch das Niedersinken des Unterkiefers mit darauffolgender Abflachung der seitlichen Alveolar- bogen, noch die Ausdehnung des Unterkiefers durch das Gewicht der Zunge sind die Ursachen des stark gewölbten Gaumens mit unregel- mässigen Zähnen. Sie beruhen auf einer Entwicklungshemmung der Knochen der Nase mit chronischer Hypertrophie der Schwellkörper. Eames zeigt zur Bestätigung seiner Ansichten Modelle, welche gut ausgebildete Wölbungen in Verbindung mit grossen Mengen von adenoiden Vegetationen zeigen. Toeplitz. 117) Unter 461 von O’Kinealy in der Poliklinik des Medical College in Calcutta untersuchten Patienten fanden sich 100 mit adenoiden Vegetationen behaftet, also 23,8 Procent. Von der Gesammtsumme der Untersuchten waren 171 Europäer und von diesen 61 afficirt; die übrigen 290 waren Eingeborene, und von ihnen hatten 39 adenoide Wucherungen, d. h. 13,4 Procent. Die Gruppe der Eingeborenen um- fasst Hindu’s, Muhammedaner und eingeborene Christen aus allen Theilen des Landes. Cheatle. 118) Fachkundige Besprechung der meisten Symptome und Be- ziehungen der adenoiden Vegetationen nebst Behandlungsmethoden. Bloch.

360 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

119) Flatau bespricht zunächst die Hörstummheit (Stummheit ohne Taubheit Schmalz) mit und ohne psychische Defecte. Dabei findet man sowohl adenoide Vegetationen (H. Gutzmann), als auch Störungen in der Nase selbst. Sodann die Rhinolalia clausa und aperta nach Ursachen und therapeutischen Methoden, sowie das Lispeln, welches ebenfalls durch Nasenleiden verursacht werden kann. Endlich kommt noch kurz das Stottern zur Besprechung in seinen Beziehungen zu Er- krankungen der oberen Luftwege. Bloch.

120) In Bond’s Fall suchte ein 33jähriger Mann ärztliche Hilfe wegen Taubheit in Folge von doppelseitiger Adhärenz des Hammers an das Promontorium. Im Lauf der Untersuchung entdeckte man, dass im Rachen rhytmische Bewegungen in horizontaler Richtung nach links und wieder zurück stattfanden. Mit jeder Bewegung des Rachens wurde auch der weiche Gaumen nach links gezogen; diese clonischen Krämpfe dauerten ohne Unterbrechung fort. Der Patient selbst, der seinen Hals für gesund hielt, hatte gar nichts abnormes bemerkt. Ein begleitendes Geräusch konnte weder von ihm noch von anderen wahrgenommen werden. Cheatle.

121) Die bisher nur äusserst selten beobachteten Fälle werden um einen Fall von Myxosarkom vermehrt. Bei einem jungen Mann hatte sich unter Schluckbeschwerden allmälig ein ziemlich fester Tumor entwickelt, der die hintere Rachenwand bis zur Zunge herab verdickte und oben gestielt von der Oberfläche des weichen Gaumens entsprang. Choanen und Nasenrachenraum frei. Unter guter Cocainisirung wurde leicht mit der Schlinge der Tumor in 2 Partieen entfernt, der sich auch bei der histologischen Untersuchung als gutartig erwies. Folgen einige therapeutische Erörterungen. Zimmermann.

122) Nach eingehender Besprechung der neueren pathologisch- anatomischen und bacteriologischen Arbeiten über die Hypertrophie der Gaumenmandel berichten Ferreri und Garbini über ihre an acht Fällen angestellten Untersuchungen mit Culturverfahren und mit Thier- impfungen unter möglichstem Ausschluss der Mikroorganismen, -welche auch im Munde Gesunder gefunden werden und von da natürlich auch in die Crypten der Tonsillen gelangen. Im Innern von allen unter- suchten Tonsillen wurden virulente pyogene Coccen gefunden. Die Verf. ziehen daraus den Schluss, dass die chronisch hypertrophischen Tonsillen als latente Herde einer möglichen Allgemeininfection zu betrachten seien. Auf Grund der Befunde wird die Anwendung der Galvanocaustik oder

Nase und Nasenrachenraum. 361

der Ignipunctur der Tonsillen widerrathen und die vollständige Ab- tragung empfohlen. | Gradenigo.

123) Farlow entfernt die Mandel der Kinder in der Narcose mit einem Ecraseur, vor der Entfernung der Adenoiden. Er benutzt dazu eine Modification des Hooper’schen Ecraseurs, welchen er grade richtete, mit einer abgeflachten und erweiterten Canüle und längeren Schraube versah, und mit Clavierdraht No. 7 armirte. Glühdraht wird von ihm verworfen. Für Kinder, die nicht narcotisirt werden, zieht er die Guillotine vor. Bei Erwachsenen dagegen giebt er dem Ecraseur den Vorzug, ausgenommen für Fälle, welche für das Tonsillotom besser passen. Bei tief gelegenen oder an die Bögen angewachsenen Mandeln und zur Entfernung kleiner übrig gelassener Stücke gebraucht Farlow Ruault’s Lochzange oder Hartmann’s Conchotom und zwar mit mehr Nutzen, nachdem die Oberfläche mit Messer und Scheere grade geschnitten worden ist. Die Behandlung mit der Galvanocaustik dauert zu lange, aber sie ist nützlich bei Blutern, bei adhäsiven Mandeln und zur Zerstörung von Follikeln. Toeplitz.

124) Im ersten von Newman’s Fällen handelte es sich um einen 55jährigen Mann mit einem das obere Drittel der linken Mandel, den hinteren (iaumenbogen und die linke Seite der Uvula einnehmenden Epitheliom, das im Jahr 1890 entfernt worden war. Im zweiten Fall bei einem 5ljährigen Mann, der ein Carcinom an genau derselben Stelle wie der erste hatte, war 1891 operirt worden. Die Operationen wurden durch den Mund mittelst Galvanocauters ausgeführt, im 2. Fall nach vorausgeschickter Tracheotomie. Beide sind bis heute frei von Recidiv geblieben. Cheatle.

125) Die Hauptsymptome des von Roth beobachteten Falles waren: 8 Tage andauerndes hohes Fieber, äusserst heftige Schling-, Ohren- und Hinterhauptschmerzen und endlich die Verstopfung der Nase, welche die Nasenathmung völlig unmöglich machte. Der Abscess entleerte sich spontan. Pollak.

126) Der von Heller beobachtete Fall differirt von den bisher publicirten in folgenden Punkten: 1. Das beiderseitige Auftreten des Herpes am harten und weichen Gaumen, sowie an den Gaumensegeln und der Epiglottis, ohne dass der Larynx afficirt worden wäre. 2. Das Fehlen jeder herpetischen Eruption der äusseren Haut und Lippen. 3. Das völlige Freibleiben der Nasenschleimhaut und 4. die nachträgliche Parese der Gaumensegel. Pollak.

362 Bericht über die Leistungen und Fortschritte der Ohrenheilkunde.

127) Chappell’s FallI (eigne Beobachtung) betraf eine 46 jährige Frau, welche über Trockenheit der Augen, Nasenhöhlen, des Mundes, Kehlkopfes und der Luftröhre klagte. Die Anfälle von trocknen Em- pfindungen in den Augen und der Nase, welche sie zum Reiben der Theile reizte, begann im Jahre 1889, wurden durch die Menstruation verstärkt, waren am mildesten zwischen zwei Perioden und nahmen wieder gegen die erwartete hin zu. Mit dem Fortschritt der Erkrankung dehnte sie sich weiter nach unten gegen die Luftröhre hin mit Zunahme des Urinirens aus und, im Jahre 1893, mit gleichzeitiger plötzlicher Schwellung der Parotiden, welche in wenigen Tagen nachliess. Die Trockenheit dauerte weiter fort, selbst nachdem die Menstruation schon vollständig aufgehört hatte. Die Behandlung hatte keinen Erfolg und die Patientin starb schliesslich, nachdem sich vollständige Lähmung entwickelt hatte. Fall II, eine Frau, klagte nach Influenza über con- stante Schmerzen im Rachendach auf einer Seite der Mittellinie und gelegentliche Schmerzen in den Schläfen und Augen. Die Trockenheit der Wangen ist ausserordentlich gross. Fall III betraf eine 60 jährige Frau, welche nach einem Shock an Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit und intermittirender Taubheit gelitten hatte. Im Jahre 1890 begann sie die Trockenheit des Mundes zu empfinden. Die Schleimhäute waren blass. Es bestand Schwierigkeit beim Schlucken von trockner Nahrung. Die Zähne waren zerfallen. Pilocarpin in kleinen Dosen verursachte Feuchtigkeit. Blaues, mit trockener Weinsteinsäure eingeriebenes Lakmus- papier brauchte 42 Secunden über der Zunge und 30 Secunden über dem Ductus whartonianus, um die Farbe zu ändern. Alle diese Fälle werden als Fälle centralen Ursprungs angesehen. Toeplitz.

Oesterreichische otologische Gesellschaft.

Sitzungsbericht vom 25. Februar 1896. Von Dr. Jos. Pollak in Wien.

Vorsitzender: Prof. Gruber: Schriftführer: Dr. Kaufmann.

1. Dr. Kaufmann berichtet über einen Fall von perisinuösem Abscesse mit Pyämie, geheilt durch Operation aus der Politzer’schen Klinik.

Ein 12jähriges Mädchen mit chronischer Ohreneiterung erkrankt plötzlich mit Schüttelfrösten, Bewusstlosigkeit und Erbrechen, Schlaflosigkeit, intensivem Kopfschmerz und Schwindelgefühl. Bei der Aufnahme ist die Patientin somnolent, Temperatur 38,5, wiederholtes Erbrechen. Gehörgang mit dickflüssigem, übel riechendem Eiter gefüllt. |

Bei der vorgenommenen Radicaloperation fanden sich im Warzenfortsatz, im Mittelohr und im Kuppelraum Cholesteatommassen und Granulationen. Der Sinus wird in seinem ganzen Verlaufe im Schläfenbein freigelegt. In der Um- gebung desselben reichlich dickflüssiger Eiter, die Sinuswand missfarbig, im Sinus flüssiges Blut. Nach der Operation Rückkehr der Temperatur zur Norm. Heilung. Ä

2. Dr. Gomperz stellt eine Patientin mit angeborener Abnormität an den pharyngealen Tubenostien und Divertikelbildung am Rachen- dach vor. | |

Es bestand ein 3—4 mm hoher, 2mm breiter Wulst, der sich am Rachen- dach vom oberen Abschnitt des einen Tubenwulstes zum anderen erstreckte, die Choanen etwas überdachte und mit einer entsprechenden Aushöhlung des Rachendaches verbunden war.

3. Prof. Politzer demonstrirt eine Anzahl von Präparaten mit Knochendefecten in der äusseren Atticwand.

Politzer ist der Ansicht, dass nach Blosslegung des Randes der Incisura Rivini bei der septischen Eiterung, die hier die Regel ist, die Entzündungs- erreger und Fäulnisscoccen in die Knochenräume eindringen und zum Zerfalle der Knochengewebe führen. Je länger die Eiterung dauert, in desto grösserem Umfange schmilzt der Knochen ein. Die Ausheilung des Eiterprocesses kann daher einmal mit einem kleinen, ein andermal mit einem colossalen Knochen- defecte im Attic abschliessen.

4. Dr. Alois Kreidl demonstrirt eine Katze, bei welcher er vor einem Jahre beide Nervi acustici nach einer Modification der ` Ewald’schen Methode zerstört hatte.

Nach einem Jahre zeigte das Thier noch folgende Symptome: breitspuriger, hörbarer Gang, beständige Bewegungen des Kopfes, Ungeschicklichkeit beim

364 Sitzungsbericht der Oesterreichischen otologischen Gesellschaft.

Ergreifen der Nahrung, Ungeschicklichkeit beim Springen, verschiedene Gleich- gewichtsstörungen, Fehlen der galvanischen Reaction. Der Vortr. ist der An- sicht, dass die Erscheinungen auf einen Ausfall der Gleichgewichtsorgane im inneren Ohre zurückzuführen sind. |

5. Dr. Ferdinand Alt: Sectionsbefund eines Falles von Morbus Mönieri (Leukämie).

„A. berichtet über eine gemeinsam mit Herrn Dr. Friedrich Pineles ausgeführte Arbeit. Ein 66jähriger Taglöhner, der bis zum Winter 1894 nie ernstlich krank war und zu dieser Zeit über Kopfschmerz, Schwäche und hoch- gradige Mattigkeit zu klagen begann, wurde im Juni 1895 unter heftigen Schwindel und QOhrensausen bewusstlos und hatte, als er zu sich kam. das Gehör nahezu vollständig verloren. Ein totaler Verlust des Hörvermögens soll erst nach etwa 14 Tagen aufgetreten sein. Seither war Patient bettlägerig, wurde noch häufig von Schwindelanfällen befallen und suchte im Juli 1895 die I. medicinische Abtheilung des Allgemeinen Krankenhauses auf.

Daselbst wurde hochgradige Leucämia myelo-lienalis chronica diagnosticirt (2600000 rothe auf 600050 weisse Blutkörperchen, circa 1:4, zahlreiche mono- nucleäre, grosse Leukocyten, Markzellen neben Lymphocyten, vereinzelt kern- haltige rothe Blutkörperchen, colossaler Milztumor, sehr grosse Leber, ausge- breitete Hämatome). Die Ohrenuntersuchung ergab: Trommelfell beiderseits stark retrahirt, getrübt, Lichtreflex verzogen. Stimmgabel Cg wird vom Scheitel aus nicht percipirt. Vor dem linken Ohre und vom linken Warzenfortsatze aus wird Co, Cy und C nicht gehört, vor dem rechten Ohre wurden nur die sehr stark angeschlagenen Stimmgabeln Co, Cy und C hochgradig verkürzt gehört, vom Knochen aus nicht percipirt. Sehr laute Sprache nur in unmittelbarer Nähe des rechten Ohres, links complete Taubheit. Stromstärken von 15—20 M.-A. sind nicht im Stande beim Patienten Schwindel zu erzeugen.

Am 8. September 1895 trat der Exitus lethalis ein. Die Section ergab: Myelo-lienale Leukämie mit vereiterten leukämischen Hämatomen. Die beiden Schläfenbeine und der Hirnstamm wurden von A. und P. zur näheren Unter- suchung übernommen.

Der Hirnstamm und der Nervus acusticus, nach der Weigert-Pal’schen Methode behandelt, bieten folgende Veränderungen dar: Im intramedullaren Verlaufe des Acusticus, sowohl in der lateralen, als in der medialen Acusticus- Wurzel, an zahlreichen Stellen theils kleinere, theils äusserst mächtige leukämische, kleinzellige Infiltrate.e Namentlich zeigt sich die Austrittsstelle des Acusticus, dort wo die beiden Wurzeln zusammenstossen, stark infiltrirt, die Pia leicht verdickt und kleinzellig infiltrirt. An den Acusticusfasern ist stellenweise eine leichte Degeneration wahrnehmbar. Die Acusticuskerne, die hintere Vierhügel- gegend, Kleinhirn zeigen keine pathologischen Veränderungen. Blutungen oder Reste von Blutungen sind nirgends nachweisbar.“

Das Mittelohr ist vollständig intact. Im Labyrinth ebenfalls negativer Befund, keine sonst bei Leukämie beobachtete Veränderungen. Der Fall ist als erster zu verzeichnen, in welchem Morbus Menieri durch isolirte Akustikus- erkrankung bedingt wurde.

Bericht über die V. Versammlung der Deutschen otologischen Gesellschaft in Nürnberg am 22. und 23. Mai 1896.

Erstattet von E. Bloch in Freiburg i. Br.

I. Sitzung.

1. Referat über den gegenwärtigen Stand der Hörprüfungen. a) Dennert-Berlin: Allgemeiner Theil.

Nach einem geschichtlichen Ueberblicke weist der Vortragende darauf hin, dass auch heute noch vielfach die physiologischen Verhältnisse nicht genügend erforscht sind. Noch gehen die Meinungen über die Bedeutung des Bogengänge- Apparates auseinander, noch ist man nicht ganz darüber einig, ob Töne und Geräusche von demselben Organe wahrgenommen werden. Er selbst glaubt, dass zwischen beiden kein wesentlicher Unterschied besteht und nur ein End- apparat erforderlich sei. Bei den Hörprüfungen kommt es nicht bloss auf Höhe und Stärke des Schallreizes an, sondern auch auf dessen Dauer, d. h. auf die Zahl der zur Verwendung gelangenden Wellen, also das Schallquantum. Das ist namentlich bei den oberen Octaven von Belang.

Die Hörprüfungen sellen den Grad und die Veränderungen der Hörschärfe ermitteln und die Diagnose erleichtern. Da die Ergebnisse bei der Knochen- leitung in ihrer Verwerthung noch ziemlich strittig sind, so sollten wir haupt- sächlich die Untersuchungsmethoden mit der Luftleitung zu verbessern trachten, wie denn überhaupt unsere Methoden noch immer nicht exact und objectiv ge- nug sind. Nur über die Zweckmässigkeit der Sprache als Prüfungsmittel sind alle einig; Stimmgabeluntersuchungen ergänzen dasselbe. Mit der Sprache prüfen wir mehr summarisch, die Stimmgabeln analysiren das Ergebniss.

b) Bezold-München: Specieller Theil.

Die Methoden der Hörprüfungen sollen so einfach ausgestattet sein, dass jeder Arzt sie ausführen kann. Schon aus Zeitmangel muss man sich auf die unerlässlichsten und zuverlässigsten beschränken, wesshalb andere Hörmesser als Sprache und Stimmgabeln entbehrlich sind. Bei der Flüstersprache verwendet Vortr. hauptsächlich Zahlwörter. Von den Methoden mit Stimmgabeln scheinen ihm die von Rinne, Weber und Schwabach unbedingt erforderlich; die Knochenleitung muss also geprüft werden, und sie ist auch bei alten Leuten normalerweise eine gute. Für sie ist, da hohe Töne aus der Luft direct auf

Zeitschrift für Ohrenheilkunde, Bd. XXVIII. 26

366 Bericht über d. V. Versammlung d. Deutsch. otologisch. Gesellschaft.

den Knochen übergehen, hauptsächlich die A- und dann noch die al-Gabel dienlich. Erstere tönt sehr lange über die Zeit der gefühlten Erschütte rung hinaus letztere benützt er gerne beim Weber’schen Versuche. Dieser Versuch ist mitunter von sehr grossem Werthe bei acuten Erkrankungen. Durch denselben kann ein Uebergreifen der Entzündung auf das Labyrinth, also Eintritt lebensgefährlicher Complication, erkannt werden, wenn nit einem Male der DV von der erkrankten nach der gesunden Seite hinüber lateralisirt wird. Der negative Ausfall des Rinne wird so regelmässig bei reinen Mittel- ohrerkrankungen, von den Trommelfellrupturen angefangen, beobachtet, dass wir bei den sog. Sclerosen aus dem gleichen Versuchsausfalle auf analoge Störungen, d. h. solche des Leitungsapparates, schliessen dürfen. Bekanntlich kommt hier wesentlich die Bewegungshemmung der Stapesplatte in Betracht. Da bei allen diesen Erkrankungen eine Einengung am unteren Ende der Scala erfolgt, so müssen wir annehmen, dass gerade die Leitung der tieferen Töne physiologisch durch die Knöchelchenkette besorgt wird, die für die höchsten Töne gar nicht nothwendig ist. Das sieht man deutlich bei Zerstörungen der Leitung. Bei Mittelohrerkrankungen ist somit immer die Luftleitung gegenüber der Knochenleitung herabgesetzt für die tieferen Töne, nur bei Sclerosen leiden auch die hohen. Auf die Defecte am oberen Ende der Scala darf an sich kein allzugrosser diagnostischer Werth gelegt werden: nur mit Verkürzung des Schwabach zusammen weisen sie auf nervöse Erkrankung hin. Ueberhaupt müssen die einzelnen Methoden im gegebenen Falle übereinstimmen, will man sie zur Diagnose verwerthen.

Bei der Feststellung einseitiger Taubheit kann man in der Luftleitung nur bis zu c2 herauf prüfen, höhere Töne gelangen sicher aus der Luft zum anderen Ohre, um so leichter, je höher sie sind.

Discussion: Panse, Dennert, Kessel, Schwabach, Bloch, Berthold, Scheibe, Weil, Bezold.

I. Sitzung, 22. Mai, Nachmittags.

2. E. Bloch-Freiburg: Ueber den Sinus caroticus.

Der Sinus caroticus, der die Carotis interna innerhalb des Canalis caroticus des Schläfenbeines umhüllende Venenplexus, wurde 1858 von Rektorzik ent- deckt.. Nach Rüdinger’s Messungen ist sein Luinen etwa gleich demjenigen der Arterie, welche er umgiebt. Er gestattet derselben freie systolische und diastolische Bewegungen auszuführen, während gleichzeitig die Arterie die Blut- bewegung im Sinus begünstigt. Das topographische Verhältniss zwischen Carotis und Sinus ermöglicht eine sorgfältigere Ausgleichung des Blutgehaltes im Ge- hirn und den im Schädel untergebrachten Sinnesorganen. Analoge Circulations- verhältnisse finden sich auch bei der A. vertebralis und überhaupt bei allen Arterien, welche in Knochencanälen liegen (RektorzZik, Langer). Vortr. be- richtet sodann kurz über einen Fall von Blutung aus dem Sinus caroticus, welche sich während einer Aufmeiselung ereignete. Der Kranke starb 14 Monate nach der Operation an Carotisblutung. Das betreffende Präparat wird de- monstrirt.

Bericht über d. V. Versammlung d. Deutsch. otologisch. Gesellschaft. 367

3. Bezold demonstrirt die verbesserte continuirliche Ton- reihe, die jetzt aus 10 Stimmgabeln, 2 Orgelpfeifchen und einer sinn- reich construirten neuen Galtonpfeife besteht. Preis ohne Etui 400 Mark.

4. Denker-Hagen: Mittheilungen über die physiologische obere und untere Tongrenze.

Eine über Dis J. ausgedehnte statistische Untersuchung an 1250 Schul- kindern, deren Mehrzahl 13 und mehr Jahre alt waren. 956 Ohren hören Flüstern > 15m weit. Die untere Tongrenze steht durchschnittlich bei etwa 15 v.d. Der Vortrag eignet sich schwer für ein genaueres Referat.

Discussion: Kessel, Bezold.

5. Bürkner-Göttingen: Demonstration eines Präparates von Miss- bildung des Ohres. |

Discussion: Scheibe, Bezold, Hartmann, Kessel.

6. Siebenmann-Basel: Ueber die centrale Hörbahn und über ihre Schädigung durch Geschwülste der Vierhügelgegend.

7. Anton-Prag: Zur Casuistik der Acusticus-Tumoren. Bericht über 2 Fälle.

1. 55jähriger Mann, Kopfschmerzen, vorübergehende Verdunkelung des Gesichtsfeldes, beiderseits Erweiterung und Starrheit der Pupille, sowie Neuritis optica. Ohrensausen, r. Trommelfell eingezogen, Hörprüfung wegen Benommen- heit des Kranken nicht ausführbar. Uhr 1.0, r.in Contact. Es fand sich zwischen Pons und Kleinhirn ein faustgrosser Tumor Fibrosarkom —. Links waren die Nervenaustritte frei, r. ziehen V, VII und VIII unter dem Tumor hin, der mit dem Acusticus und Facialis indessen fest verwachsen war.

Der zweite Fall betrifft einen zufälligen Seetionsbefund bei einem 68 jährigen Taglöhner: nussgrosser Tumor, ebenfalls Fibrosarkom, mit dem 1]. Hörnerven zusammenhängend, möglicherweise von der Nervenscheide selbst ausgehend, bis zum Porus acust. reichend, hatte zur Atrophie des Acusticus (und Facialis) geführt.

8. Manasse-Strassburg: Pathologisch-anatomische Demonstrationen.

Tuberkel am Acusticus bei Lungentuberkulose. Links sass am Pons die Geschwust, Facialis und Acusticus waren nicht mehr deutlich zu erkennen, da sie in die käsige Masse eingebettet lagen. Es hatte vollständige Leitungsunter- brechung beider Nerven bestanden. Vortr. berichtet ferner über einen Tumor ` der Muschel, der sich als Endotheliom auswies, mit netzartiger Structur (von den Endothelien der Lymphgefässe ausgehend), von Carcinonı zu unterscheiden, sowie endlich über ein Carcinom des Ohres.

9. Leutert-Halle: Bakteriologische Untersuchungen bei Mittel- ohreiterung. 26*

368 Bericht über d. V. Versammlung d. Deutsch. otologisch. Gesellschaft.

10. Hartmann-Berlin: Ueber Veränderungen des knöchernen Gehörganges bei deformirten Schädeln.

Der Vortr. bespricht unter Vorlegung von Schädeln und photographischen Abbildungen die durch Deformiren an den Schädeln herbeigeführten Veränderungen des äusseren Gehörganges. Dr. v. Luschan, dem der Vortr. das Material zu seinen Untersuchungen verdankt, fand bei 70—800/, von deformirten aus Peru stammenden Schädeln Defecte im Os tympanicum von sehr verschiedener Aus- dehnung, bald nur punktförmig, bald linsengross, nicht selten fasst das ganze Os tympanicum fehlend, wie an den vorgelegten Präparaten und Photographien gezeigt wurde.

Ausserdem fand Virchow Abplattung und blosse Verengung des knöchernen Gehörganges bei 42,40;, der untersuchten Schädel.

Nach den Beobachtungen des Vortr. lassen sich folgende Veränderungen der Form des äusseren Gehörganges unterscheiden:

1. Die vordere Gehörgangswand ist gleichmässig eingedrückt, abgeplattet. Das Lumen des Gehörganges ist im Querdurchmesser stark verkleinert, an Stelle der ovalen Form tritt die Spaltbildung.

2. Die vordere Gehörgangswand ist ungenügend entwickelt, es tritt eine allgemeine Verengerung des Luimens ein.

3. Die vordere Gehérgangswand ist in ihrem oberen Theile eingedriickt, im unteren vorgebaucht, der äussere Rand erhält dadurch cine S-Form.

Das Zustandekommen der Lücken im Os tympanicum und der Veränderungen der Form des äusseren Gehörganges ist durch den beim Deformiren auf das Os tympanicum ausgetibten Druck zu erklären, durch welchen dessen Entwicklung gehindert und gestört wird.

Die vorgefundenen Veränderungen sind häufig unsymmetrisch, woraus allein schon hervorgeht, dass es sich nicht um angeborene, sondern um künstliche Veränderungen handelt.

III. Sitzung, 23. Mai, Vormittags.

11. Schubert-Nürnberg : Demonstration patholog. Präparate.

Speciell werden Obductionsbefunde operirter Fälle vorgezeigt, so ausser dem bereits 1894 in Wien gezeigten ein weiterer Fall von Hirnabscess im linken Schläfenlappen, in welchem contralaterale Zuckungen vorhanden gewesen waren, und ein anderer im Occipitallappen, der keine Erscheinungen bei dem Kranken einem Bronchiektatiker gemacht hatte, sowie noch einige weitere Präparate.

12. Kuhn-Strassburg: Ueber zwei Fälle von Sarkom des Ohres.

Ein myelogenes und ein melanotisches Sarkom. In dem ersten Falle, bei einem 33 jährigen Manne, waren Erscheinungen allgemeiner Sarkomatose zugegen- Nach einem Sturze trat Ohreiterung mit zunehmender Ertaubung ein, Ausfall der Zähne, grosse Geschwulst am Warzenfortsatze, die sich teigig anfühlte, bis zur Schädelbasis reichend und bis an die Dura, welch’ letztere aber nicht zer- stört war. Es trat später Diabetes insipidus ein, ohne erhebliches Trauma Bruch des r., später auch des 1. Oberschenkels. Ohne Section.

Bericht über d. V. Versammlung d. Deutsch. otologisch. Gesellschaft. 369

Das melanotische Sarkom fand sich bei einer 44jährigen Frau, die zwar anämisch, aber frei von Ohrenleiden war. Zwei Jahre vor der Aufnahme kleiner Tumor im Gehörgange, eitrige Secretion, Abnahme des Gehörs. Die Drüsen um das und besonders vor dem Ohre schwollen an. Excision einer Probe stellte die Diagnose fest. Die Geschwulstmasse reicht jetzt bis in die Paukenhöhle hinein.

Discussion: Joél, Kimmel, Berthold, Schubert, Denker.

13. Kümmel-Breslau: Ohrerkrankung bei Pseudoleukaemie (mul- tiple Lymphosarkomatose).

Berichtet von einem 46jährigen Manne mit hühnereigrossem Tumor der 1. Tonsille, der, obwohl unten ulcerirt, doch ohne Foetor und ohne Schling- beschwerden blieb. Halsdrüsen geschwollen. Auf Arsenbehandlung verschwand die Geschwulst, im Blute hatten die häufig ausgeführten Untersuchungen nichts pathologisches festgestellt. Nach einiger Zeit vollkommenen Wohlbefindens schwoll beiderseits der Hals wieder an, das Gesicht ward gedunsen, blass, es entstanden Exophthalmus und Blutungen unter die Conjunctiven, Schluck- beschwerden, hochgradig erschwerte Athmung, Stridor. Die 1. Tonsille war wieder colossal vergrössert, die Nasenschleimhaut überall stark geschwollen bis zu einem spaltförmigen Lumen, Milz, Leber, Leistendrüsen vergrössert. Es be- stand Schwerhörigkeit. beiderseits Hämatotympanum. Nun war auch das Blut deutlich leukämisch: 1:20 anstatt 1:358. Bei der Section fand man im Recessus epitympanic. hämorrhagisches Exsudat, in dasselbe Hammer und Ambos ein- gebettet. An verschiedenen Körperstellen leukämische Tumoren.

Discussion: Schwabach, Nager, Kümmel.

14. Körner-Rostock: Zur Operation erworbener Gehörgangs- verschlüsse.

Nach einem Hufschlage war Eiterung und narbige Verwachsung des Ge- hörgangs entstanden bis auf eine ganz enge Fistel. Lappenbildung aus der hinteren Meatuswand, nachdem ein wenig Knochenmasse vom Warzenfortsatz weggemeisselt worden war, Antamponiren, Heilung in 3 Wochen.

Discussion: Leutert, Wagenhäuser, Noltenius.

15. Scheibe-München: Aufmeisselung des Warzentheiles unter Localanästhesie.

Vortragender hat zuerst in einem Falle, wo Herzmuskeldegeneration und Diabetes bestand. mit Chloräthyl local anästhesirt und aufgemeisselt, die Eröffnung des Antrum und eines Extraduralabscesses der hinteren Schädelgrube ausgeführt. Die Operation konnte ohne allen Schmerz ausgeführt werden. Vun weiteren 6 Fällen darunter 5 acute musste nur in einem noch im Verlaufe der Operation die allgemeine Narcose angewandt werden. Vortr. glaubt die Local- anästhesie da empfehlen zu können. wo keine Druckempfindlichkeit besteht und die hintere Meatuswand unberührt bleibt. Man kann allenfalls eine Morphium- injection vorausschicken. Am Trommelfell hat ihm das Chloräthyl nichts genützt.

Discussion: Kümmel, Hoffmann, Bezold, Bloch, Thies, Hartmann, Panse.

370 Bericht über d. V. Versammlung d. Deutsch. otologisch. Gesellschaft.

16. Hartmann-Berlin: Ein Fall von Dysbasia hysterica mit Otalgia hysterica.

Der 13jährige Patient, über welchen der Vortr. berichtet, hatte vor zwei Jahren eine rechtsseitige acute Otitis durchgemacht. Ein halbes Jahr später wurde wegen hochgradiger Schmerzen die Warzenfortsatzaufmeisselung gemacht, ohne dass Eiter gefunden wurde, wonach die Schmerzen verschwanden. Im vorigen Jahre erkrankte Patient wieder mit Ohrschmerzen und Fieber, ohne dass durch die Paracenthese Secret entleert werden konnte. Hierzu trat das Unvermögen zu gehen, indem beim Versuche hierzu ein Taumeln sich einstellte, so dass Patient geführt werden musste. Die Untersuchung ergab am Trommel- fell keine entzündlichen Erscheinungen, annähernd normales Gehör. Puls und Temperatur normal. Durch heftige Schmerzen war die Nachtruhe gestört. Wird der Patient veranlasst, sich im Bette aufzurichten, so geschieht es rasch und leicht, ohne Schwindelerscheinungen. Beim Aufstehen’ taumelt Patient nach allen Richtungen und sucht Stützpunkte beim Gehen. Sonst waren keine Inner- vations- oder Sensibilitätsstörungen vorhanden. Nach viermaligem Elektrisiren waren die Schmerzen und die Gehstörungen verschwunden.

Es bestand der von Blocq als Astasie und Abasie beschriebene Symptomen- complex, bei dem geringeren Grade der Störungen wird die Affection von Oppenheim als Dysbasie bezeichnet.

Der hysterische Charakter erwies sich durch die rasche Heilung als zweifellos. Mit Wahrscheinlichkeit war anzunehmen, dass die bereits im Jahre zuvor bestandene Otalgie, wegen welcher der Warzenfortsatz aufgemeisselt wurde, gleichfalls hysterischer Natur war.

17. Derselbe: Die Mittelchrentzündung der Säuglinge durch Gonococceninfection.

Bei der vorjährigen Versammlung hatten der Vortr. und Brie ger negative Erfahrungen bezüglich des Vorkommens von Gonococcen bei der Mittelohrent- zündung der Säuglinge mitgetheilt. Haug hatte diese Mittheilung zum Gegen- stande einer Erwiderung im Arch. f. Ohrenheilk. gemacht. H. verliest einen Abschnitt aus dieser Erwiderung, aus welchem hervorgehen soll, dass auch am Institut für Infectionskrankheiten von Kossel Gonococcen gefunden worden seien. Zu Gunsten von Haug müsse man annehmen, dass er die Arbeit Kossel’s gar nicht gelesen habe, da aus derselben die entgegengesetzte Er- fahrung hervorgehe.

Sowohl Kossel als Hartmann hatten nicht die Absicht, die H a u g ‘schen Beobachtungen zu bestreiten, es handelte sich nur darum, mitzutheilen, dass sie nicht in der Lage waren, sie zu bestätigen. Der von Haug gewählte Ausdruck, dass damit seine Beobachtungen abgethan werden sollen, erscheine nicht als passend; jeder Theilnehmer an der Versammlung theilt seine Erfahrungen mit. um ein Scherflein beizutragen, die Kenntniss der normalen und pathologischen Vorgänge im Ohre zu erweitern.

H. verliesst sodann eine Zuschrift Kossel’s, in welcher dieser bestätigt, dass er trotz darauf gerichteter Aufmerksamkeit niemals Gonococcen im Ohreiter von Kindern mit Augenblenorrhoe gefunden habe.

Bericht über d. V. Versammlung d. Deutsch. otologisch. Gesellschaft. 371

18. Schmidt-Leipzig (Plagwitz): Beitrag zur Nasenverengerung durch chronische Schleimhautschwellungen. |

Vortr. erklärt sich gegen die Galvanokaustik, die entweder allzu langwierig sei oder allzu starke Reactionen erzeuge, auch andere Nachtheile unter seiner Beobachtung gezeigt habe, welche ihn veranlassten, sie neuerdings ganz aufzu- geben. Er zieht Trichloressigsäure oder Chromsäure vor. Am Septum operirt er lieber blutig und bei starken Schwellungen der unteren Muschel führt er die Conchotomie mittelst einer Stichsäge aus. Zur Nachbehandlung Spülungen mit Salzwasser. |

Discussion: Hoffmann, Hartmann, Bloch, Kuhn, Noltenius.

19. Walb-Bonn: Demonstration einer selbstthätigen Drucksonde.

Dieselbe wird durch einen Accumulator in Bewegung gesetzt. Der Unter brecher darf nicht am Instrumente selbst angebracht sein, sonst belästigt das Geräusch zu sehr den Kranken. Durch Blei- und Gummischeiben ist auch die Fortleitung desselben vom Apparate durch die Schnüre nach der Sonde ver- hindert. Es ist zweckmässig, den Kranken zuerst mit der Handdrucksonde einige Male zu behandeln, bevor man die leicht stärker wirkende Maschinen- sonde gebraucht. Vortr. konnte sie bis längstens 2 Minuten wirken lassen.

Discussion: Berthold. Walb, Stimmel.

20. Kümmel demonstrirt Gummistempel zur Herstellung von Diagrammen für Ohr und Nase u. s. w.

21. Siebenmann zeigt einen Satz Paukenröhrchen.

Discussion: Bezold.

22. Hartmann zeigt das Gutzmann’sche Stroboskop vor zur leichteren Erlernung des Ablesens vom Munde für Taube, ferner ein kleines Hörinstrument aus Celluloid, welches die Ohrmuschel- fläche vergrössert, analog der hinter die Muschel gehaltenen Hand, sowie eine Modification des Glastrichters, der bei Ausspülungen des Ohres zum Auffangen der Flüssigkeit dient.

23. Eulenstein-Frankfurt zeigt ein Stick der 1. Jugularis interna, welches er bei einem 25 jährigen Patienten am 18. April d. J. resecirte und das einen eitrig erweichten Thrombus enthält.

Es handelt sich um einen Fall von Cholesteatom des linken Schläfenbeines. zu dem sich plötzlich starke pyämische Erscheinungen gesellten. Zunächst wurde die Ausräumung der Mittelohrräume nach Zaufal vorgenommen und dabei ein grosser extraduraler Abscess der linken hinteren Schädelgrube entleert, bei stark entwickelter Pachymeningitis externa, so dass Sinuswand und übrige Dura wegen der auflagernden Granulationen schwer zu differenziren waren Bei der Fieilegung des Sinus nach unten riss seine Wand ein und es quoll Eiter aus deinselben. Mit dem scharfen Löffel wurde nun der Sinus nach beiden Richtungsn ausgeräumt; doch konnten nur ganz wenig festere Theile herausbefördert werden. Die Schüttelfröste dauerten fort und am 3. Tage nach der Operation wurde die

372 Bericht über d. V. Versammlung d. Deutsch. otologisch. Gesellschaft.

Jugularis blosgelegt und unterbunden Sie fühlte sich weich an, beim Durch- schneiden quoll ein eitrig zerfallener Thrombus heraus, ebenso an einer zweiten Stelle. Der Schnitt wurde bis ca. 3cm über die, Clavicula erweitert und so tief als möglich unterbunden, aber immer noch innerhalb der thrombosirten Parthie Bemerkenswerth war. dass ausser mässiger Druckschmerzhaftigkeit nichts auf Thrombophlebitis hindeutete. Es waren Ikterus, Infarkt des rechten mittleren Lungenlappens, Milzschwellung, Albuminurie vorhanden, die sich wieder zurückbildeten. Zur Zeit, 5 Wochen nach der Operation, besteht noch Dämpfung LHU und eitriger Auswurf, Die Temperatur bewegt sich zwischen 36,8 und 38,2. das Allgemeinbefinden ist befriedigend.

Die nächstjährige Tagung wird wieder an Pfingsten in Dresden stattfinden.

Präsenzliste. . Dr. Aldinger, Fürth. 33. Dr. Mann. Dresden. Dr. W. Anton, Prag. 34. Dr. M. L. Mayer, Mainz.

35. Dr. Edgar Meier, Magdeburg.

36. Dr. Gottl. Merkel, Med.-Rath, Nürnberg, a. G.

37. Dr. Müller, Altenburg.

38. Dr. Nager, Luzern.

39. Dr. Noltenius, Bremen.

40. Dr. Panse, Dresden.

41. Prof. Passow, Heidelberg.

42. Dr. v. Riedl, München.

43. Dr. Rohden, Halberstadt.

Dr. Bauer, Nürnberg. . Prof. Berthold, Königsberg. . Prof. Bezold, München. . Dr. Binder. . Dr. Bloch, Freiburg i. B. . Dr. Breitung, Coburg. . Prof. Bürkner, Göttingen. 10. Dr. Buss, Darmstadt. 11. Dr. Dennert, San.-Rath, Berlin. 12. Dr. Denker, Hagen. 13. Dr. Dreyfuss, Strassburg. 44, Dr. Rudloff. 14. Dr. Eulenstein, Frankfurt. 45. Dr. Sachs. , 15. Dr. Friedrich, Leipzig. 46. Dr. Schantz, Freiburg i. B. | |

CC ND Oo POO De

16. Dr. Arth. Hartmann, Berlin. 47. Dr. Scheibe, München.

17. Dr. Hecke, Breslau. 48. Dr. Schmidt, Leipzig.

18. Dr. Helbing, Nürnberg. 49. Dr. Schubert, Nürnberg.

19. Dr. Heydenreich, München. 80. Dr. Schwabach,San.-Rath, Berlin. 20. Dr. Hoffmann, Dresden. ol. Prof. Siebenmann, Basel.

21. Dr. Jens, Hannover. o2. Dr. Sonnenkalb, Chemnitz.

22. Dr. Jöel, Gotha. 58. Dr. Stimmel, Leipzig.

23. Dr. Kantorowicz a. G. 54. Dr. Thies, Leipzig.

24. Prof. Kessel, Jena. oo. Dr. Tornwald, Danzig.

25. Dr. Kleinknecht, Mainz. 86. Dr. Vohsen, Frankfurt.

26. Prof. Körner, Rostock. 57, Prof. Wagenhäuser, Tübingen. 27. Dr. Kümmel, Priv.-Doc., Breslau. | 58. Prof. Walb, Bonn.

28. Prof. Kuhn, Strassburg. 89. Dr. E. Weil, Stuttgart.

29. Dr. Laubi, Zürich. 60. Dr. v. Wild, Frankfurt.

30. Dr. Leutert, Halle, 61. Dr. Wille.

31. Dr. Lindemann. 62. Dr. Zarniko, Hamburg.

92. Dr. Manasse, Strassburg. | 63. Prof. Zaufal, Prag.

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Besprechungen.

Bericht über die Leistungen in der Ohrenheilkunde

während der Jahre 1892 - 1894. Von Dr. Louis Blau. Leipzig, Verlag von Otto Wigand 1896.

Besprochen von

Arthur Hartmann in Berlin.

Der vorliegende Bericht ist wie seine Vorgänger auf’s sorg- fältigste bearbeitet und giebt durch die zusammenfassende Besprechung der in den Berichtsjahren erschienenen Arbeiten ein recht anschauliches Bild über die rasch fortschreitende Entwicklung der Ohrenheilkunde. Der wesentliche Inhalt der einzelnen Arbeiten ist in Kürze treffend wiedergegeben und verdient die rein sachliche Haltung der Bericht- erstattung alle Anerkennung.

Hegetschweiler, J. Die phthisische Erkrankung des Ohres, auf Grund von 39 Sectionsberichten Bezold’s. Wiesbaden, J. F. Bergmann 1895.

Besprochen von

E. Bloch in Freiburg i. Br.

In dieser fleissigen Arbeit schildert der Verf. von den verschiedensten Gesichtspunkten aus die makroskopischen Veränderungen des Gehör- organes bei Phthisikern, soweit dieselben in sicherem oder doch wahr- scheinlichem Zusammenhange mit der Grundkrankheit stehen. Zuerst werden 37 Fälle von eitriger Ohrerkrankung bei Phthisikern aus dem Bezold’schen Materiale beschrieben und epikritisch bearbeitet, zwei weitere von B. schon publicirte erwähnt. Sodann kommen die für die Tuberkulose bezeichnenden Erkrankungen der einzelnen Theile des Ohres

374 Besprechungen.

auf Grund dieses Materiales und mit Verwerthung der hierher gehörigen Literatur zur systematischen Erörterung. Auch die von diesen Er- krankungen inducirten Affectionen des Gehirns und seiner Häute, der Carotis int. und der benachbarten Sinus werden berücksichtigt. Weiter- hin entwirft H. das klinische Bild der Tuberkulose des mittleren und inneren Ohres in seinen bekannten characteristischen Zügen. Hervor- gehoben sei hier die von Bezold ermittelte Thatsache, dass die tiefen Töne der Scala ungewöhnlich weit hinab erhalten sind. Verf. setzt diese Erscheinung in Beziehung zu dem häufig beobachteten Verlust der Binnenmuskeln bei der tuberkulösen Ohrerkrankung und der da- durch bedingten Abnahme der Spannung des Schallleitungsapparates. Hierdurch wird die Leitungskette beweglicher gemacht und somit ge- eignet, auch durch tiefe Töne in Schwingungen versetzt zu werdeu. Die Prognose folgt dem Allgemeinzustand. Ist dieser günstig, so können gelegentlich auch die Ohraffectionen sich zurückbilden. Was der Verf. von den grossen operativen Eingriffen schreibt, deckt sich mit den z. Z. herrschenden Anschauungen.

Jeder, der sich mit den Erkrankungen des Ohres beschäftigt, wird aus der Lectüre der H.’schen Arbeit Nutzen ziehen.

Grünwald: Die Lehre von den Naseneiterungen. 2. gänzlich umgearbeitete Aufl. München 1896.

Besprochen von

C. Zarniko in Hamburg.

Das bekannte Buch Grünwald’s liegt 3 Jahre nach seinem Er- scheinen in neuer, gänzlich umgearbeiteter Auflage vor.

Der Umfang ist von 167 auf 295 Seiten gestiegen, das Litteratur- verzeichniss von 122 auf 290 Nummern vermehrt. Völlig verändert ist die Anordnung des Stoffes. Verf. erörtert zuerst in einem allgemeineu Theil Aetiologie, pathologische Anatomie, Symptomatologie und Folge- erkrankungen, Untersuchungsmethoden, allgemeine Therapie und Prognose der Herdeiterungen. Daran schliesst er einen speciellen Theil, worin die einzelnen Regionen, in denen sich Herdeiterungen etabliren (Introitus, Septum, Nasengänge, Nasenrachenraum und die Nebenhöhlen einzeln und combinirt), einer eingehenden Besprechung unterzogen werden. In einem Anhange endlich werden Syphilis und Tuberkulose in ihrem Ver- hältniss zur Naseneiterung gewürdigt. Unzweifelhaft hat das Ganze durch diese veränderte Eintheilung an Uebersichtlichkeit gewonnen.

Besprechungen. 375

Unverändert geblieben, ja vielfach noch schärfer pricisirt (fast hätten wir gesagt: auf die Spitze getrieben) ist der Grundgedanke der ersten Auflage: fast alle Naseneiterungen beruhen auf Herderkrankungen. Unverändert geblieben ist auch die häufig sehr gereizte, zuweilen an’s Beleidigende streifende Ausdrucksweise. Wir glauben, der Verf. hätte hier zu seinem Vortheil etwas Mässigung walten lassen können.

Wir können auf eine Inhaltsangabe um so eher verzichten, weil die Leser dieser Zeitschrift die ‚erste Auflage genau kennen. Nur Einzelnes soll kurz erwähnt werden, besonders, was in der ersten Auf- lage nicht enthalten ist.

In dem Abschnitt über die pathologische Anatomie begegnet der Verf. den Einwendungen einzelner Anatomen gegen seine frühere Be- hauptung, dass Herdeiterungen oft zur Knochencaries führten, auch ohne dass Syphilis oder Tuberkulose im Spiel wäre. Nachdem die Unzuläng- lichkeit pathologisch-anatomischer Erhebungen für die vorliegende Frage an mehreren Parallelbeispielen bewiesen ist, führt Verf. zahlreiche, ganz unzweideutige Beobachtungen an, die seine Ansicht zur Evidenz erweisen. U. A. bildet er mikroskopische Schnitte zweier exstirpirter Muscheln ab, an denen die Caries autoritativ (durch Prof. Bollinger) bestätigt worden ist. In der Ozänafrage verharrt der Verf. auf seinem früheren Standpunkt. Er glaubt in einer übrigens ausserordentlich interessanten Darlegung zeigen zu können, dass weder eine der bisher geltenden Ozänatheorieen, noch die Existenz einer „Krankheit“ Ozäna erwiesen ist. Er will den Namen ÖOzäna nur in symptomatischem Sinne angewandt wissen (für stinkende Borkenbildung, von welcher Ursache sie auch herkäme) und perhorrescirt die Bezeichnung Rhinitis atrophicans foetida, bis ein Process, der diesen Namen verdient, klargelegt sei. Für die L.ocalisirung der Eiterquelle, soweit Nebenhöhlen in Frage kommen, haben sich dem Verf. neben den früheren zwei Handgriffe nützlich erwiesen: Abdämmung des Eiters durch Taınponade des Aus- führungsganges und Lufteintreibung durch ein in die Höhle geführtes Röhrchen. Um zu den in den mittleren Nasengang mündenden Höhlen zu gelangen, hat Verf. eine Operation ausgebildet, die er die typische Amputation der mittleren Muschel nennt. Er reisst mit seiner Knochenzange die Muschel an ihrer Wurzel ein, legt eine Glühschlinge um das nunmehr schlingengerechte Stück und schnürt durch. (Dieselbe Operation hat, wie Verf. auch erwähnt, Killian beschreiben lassen: vgl. diese Zeitschr. Bd. XXVII, S. 179. Ref. möchte hinzufügen, dass bereits vor beiden zu demselben Zweck Hartmann sein Conchotom

376 Nekrolog.

angegeben hat.) Sehr beachtens- und beherzigenswerth ist, was Verf. sonst noch zur allgemeinen Therapie und was er zur Prognose äussert. Im speciellen Theil ist neu zunächst ein Capitel über Eiterungen, deren Herd in einem von den Nasengängen verborgen ist. Am wich- tigsten und häufigsten sind die Eiterungen der oberen Gänge. Sie können im acuten und chronischen Stadium zur Beobachtung kommen. Die chronischen sind öfters durch Knochencaries complieirt. Zur ` Diagnose der Kieferhöhleneiterung benutzt Verf. (wie jetzt wohl die meisten) die Punktion vom unteren Nasengange aus. Er übt sie mit einem geraden Troicart (wie Lichtwitz). Unklar ist es dem Ref., wie Gr. mit einem langen Hartmann’schen Paukenröhrchen in das Ostium maxillare gelangen kann (S. 191). Ebenso bezweifelt Ref., dass man mit der auf Taf. II abgebildeten Stirnhöhlencanüle (sie entspricht der Hartmann ’schen Kieferhöhlencanüle) an’s Ziel gelangen wird. In der Mehrzahl der sondirbaren Fälle jedenfalls nicht. Seine Nach- behandlung nach breiter Eröffnung hat Verf. folgendermaassen modificirt: Er tamponirt nur kurze Zeit und geht dann zu Ausspülungen mit steriler indifferenter Flüssigkeit über, die die Patienten bald selbst ausführen können. Die hierfür benutzten Canülen sind am Ende brausenförmig durchlöchert, sodass die Strahlen nach allen Richtungen wirken. Die Jodoformirung (mit Jodoformäther) hat Verf. verlassen.

Wir empfehlen zum Schluss das Werk auch in der neuen Be- arbeitung der Beachtung der Fachgenossen. Auch die Besitzer der ersten Auflage werden reiche Belehrung und Anregung aus dem Studium der zweiten schöpfen.

Nekrolog.

Dr. Anton Rühlmann t.

In Petersburg starb am 2. April d. Js. Dr. Anton Rühlmann im Alter von 54 Jahren. Er war der beschäftigste und beliebteste Ohrenarzt Petersburg. Der Schwerpunkt seines Wirkens bestand in seiner practischen Thätigkeit, welche sich bis auf die höchsten Kreise erstreckte. Beim Baseler internationalen otologischen Congress 1884 fungirte er als Ehrenpräsident, ebenso in der Section für Otologie des X. internationalen medicinischen Congresses in Berlin.

Frühzeitig verwaist und um sein väterliches Erbe gebracht, hatte er eine harte Jugendzeit zu überstehen. Er musste schon vom 12. Lebens-

Kleine Notizen. 377.

jahre ab durch Singen im Chore und durch Stundengeben für sich und seine Schwestern sorgen. Nach Beendigung seiner Studien auf der medicinischen Academie war er im Saratow’schen Gouvernement thätig und widmete sich erst nach seiner Verheirathung in Wien dem speciellen Studium der Ohren- und Kehlkopfkrankheiten.

Wir verlieren in Rühlmann einen Collegen von hervorragender Liebenswürdigkeit und biederstem Character. Hartmann.

Kleine Notizen.

Die otiatrische Professur in Heidelberg wird von jetzt ab besoldet. Dem Inhaber derselben ist ein Haus zur Einrichtung einer Klinik zur Verfügung gestellt worden.

Am 23. Februar 1896 wurde in Brüssel die ,Société belge d’otologie et de laryngologie“ gegründet. Die Candidaten zur Mitgliedschaft haben ein Manuscript einzureichen und werden durch Stimmenmehrheit von der Versammlung gewählt. Auf dieselbe Weise können auch ausländische Mitglieder auf schriftlichen Antrag aufge- nommen werden. Ausserdem können auch Ehrenmitglieder durch ein- stimmige Wahl ernannt werden. Die Sitzungen finden zweimal jährlich statt. Der Vorsitzende wird jährlich gewählt, eine Wiederwahl kann im folgenden Jahre nicht stattfinden.

In der 1. Sitzung sprachen Eemann über Streptococcen-Angina, behandelt mit dem Antistreptococcenserum und über Nasendiphtherie. Hennebert demonstrirt ein cariöses Schläfenbein und berichtet über ein Epithelialcarcinom des Schläfenbeins. Rousseaux demonstrirt eine ampullaire Nasenmuschel. Rutten berichtet über die erfolgreiche Operation einer Exostose des äusseren Gehörgangs mit dem Meissel.

(Bullet'n de la Societe belge d’Otologie et de Laryngologie, 1. Jahrg. Nr. 1.)

Der VI. internationale otdlogische Congress im Jahre 1899 wird unter dem Vorsitz von Prof. Urban Pritchard stattfinden.

378 Kleine Notizen.

Nach dem neuen Reglement für den XII. internationalen medic Congress in Moskau 7.(19.)—14.(26.) August 1897 wird nunmehr die Ohrenheilkunde als XIla eine besondere Section bilden. Während bis- her die englische Sprache auffallender Weise für die Verhandlungen in den Sectionen nicht zugelassen wurde, erscheint dieselbe nunmehr mit der französischen, deutschen und russischen Sprache als gleichberechtigt.

Bei der Erweiterung der Vanderbilt Klinik des College of Physicians and Surgeons (der Columbia University) New-York erhielt die Ohrenabtheilung entsprechende Unterkunft. Prof. Albert H. Buck hat dadurch grosse Erleichterung erhalten für die Behandlung der Patienten und für den Unterricht der Studirenden.

An dem College wird die Ohrenheilkunde durch einen klinischen Professor vertreten, der Besuch der Klinik ist obligatorisch und haben die Studirenden für die Gradertheilung ein Examen zu bestehen.

Der ausserordentliche Professor und Director der Klinik für Ohren- krankheiten Geheimer Medicinalrath Dr. Schwartze in Halle ist zum ordentlichen Honorarprofessor ernannt worden.

Privatdocent Dr. O. Seifert in Würzburg wurde zum correspon- direnden Mitglied der französischen Gesellschaft für Otologie, Laryngologie und Rhinologie ernannt.

Dr. Jansen in Berlin und Dr. Grunert in Halle haben sich habilitirt.

Drr. V. Grazzi, G. Massini und G. Gradenigo wurden zu ausserordentlichen Professoren an den Universitäten Pisa, Genua bzw. Turin ernannt.

Verlag von F. C. W. Vogel in Leipzig.

Soeben erschien: Gemeinverständliche Anweisung

Heilung der Eiterung des Ohres.

Von Professor Dr. Ostmann,

Director der K. Universitats-Poliklinik ifr Obren-, Nasen- und Halskranke zu Marburg.

=== Ki. 8. 1896. Preis 50 Pfg.

Verlag von Gustav Fischer in Jena.

Dr. Hugo Hessler,

|

| Soeben erschien: | Docent der Ohrenheilkunde an der Universität Halle a. d. S8. |

Die otogene Pyämiie. Mit 7 Figuren im Texte und 26 Tabellen. Preis 12 Mark. == |

In meinem Verlage ist soeben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben:

Handbuch der Ohrenheilkunde.

Für Aerzte u. Studirende. Von

Dr. Wilhelm Kirchner,

Professor der Ohrenheilkunde und Vorstand der otiatrischen Universitäts-Poliklinik in Würzburg.

Fünfte verbesserte Auflage. Mit 44 Abbildungen in Holzschnitt. Preis: geh. M. 4.80, geb. M. 6.—

Bei der raschen Entwicklung der Ohrenheilkunde sind auch in dieser Auf- lage wieder vielerlei Aenderungen und Zusätze nöthig geworden. So wurden insbesondere die Abschnitte über die Erkrankungen des Nasenrachenraumes so- wie über die chirurgische Behandlung der eiterigen Mittelohrprocesse und des Warzenfortsatzes wiederum ergänzt und erweitert.

Berlin, Mai 1896. Friedrich Wreden.

Verlag von J. F. BERGMANN in Wiesbaden.

Ueberschau über den gegenwärtigen Stand der Ohrenheilkunde. Von Dr. Fr. Bezold, Professor der Ohrenheilkunde an der Universität Miinchen. M. 7.—

Atlas der Histopathologie der Nase. der Mundrachenhöhle und des Kehlkopfes. 4°. Vierzig Tafeln in Farbendruck und 8 Zeichnungen. Von Dr. 0. Seifert, EE und Dr. Max Kahn, Sfeczalarst in Würzburg. In Mappe M. 27.—

Im Verlage von Ferd. Beyer’s Buchh., Königsberg i/Pr. erschien:

Arbeiten aus dem Ambulatorium und der Privatklinik

für Ohren-, Nasen- und Halsleiden von Prof. Dr. Stetter. Heft 1 und 2. Preis M. 2.80. Aus dem reichen Inhalte heben wir besonders hervor:

Myringitis chronica sicca (Stetter). Die Otitis media purulenta und ihre Behandlung mit Zineum sozojedolie. (Krause). Die Alcohol- -Behandlung bei Erkrankungen des Ohres (Bolck). Ueber die Bedeutung des Weber’schen und Rinne'schen Versuches für die Diarnuse (Funke). Beiträge zur Sozojodol- therapie (Stetter). Ueber periauriculäre Entzündungen und Abscessbildungen bei Otitis media purulenta (Frankenstein). Beobachtungen über Ohren- erkrankungen nach Influenza (Funke).

Verlag von J. F. BERGMANN in Wiesbaden.

Die Ohrenheilkunde des Hippokrates,

Vortrag gehalten in der Abtheilung für Ohrenheilkunde der 67. Versammlung Deutscher Natur- forscher und Aerzte zu Lübeck im September 1895. Von

Dr. Otto Körner, ao. Professor und Direktor der Universitätspoliklinik für Ohren- und Kehlkopfkranke in Rostock. -

Preis M. —.80.

Labyrinthtaubheit und Sprachtaubheit.

Klinische Beiträge zur Kenntniss der sogenannten subcorticalen sensorischen Aphasie sowie des Sprachverständnisses der mit Hörresten begabten Taubstummen von Dr. C.S. Freund,

Nervenarzt ın Breslau,

Phthisische Erkrankung des Ohres

auf Grund von

89 Sektionsberichten Bezold’s.

Von Dr. med. J. Hegetschweiler, in Zürich.

Preis M. 4.60.

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