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V Tirol und Vorarlberg.
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| Herausgegeben
“ | dem Berwaltungs-Aussıhusse desselben.
),
| ): Dritte Folge.
| |
) Siebentes Heft.
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N Iunshroc,
| Drud der Wagner’schen Buchdruderei.
| 1858.
ZEITSCHRIFT
FERDINANDEUMS
für
Tirol und Vorarlberg.
Herausgegeben
von
dem Verwaltungs - Ausschusse desselben.
Dritte Folge.
Rnebenve: Heft.
Druck der WAGNER’schen Universitäts-Buchdruckerei.
1.8 5.8
zur
(spschichte der oymmasien
Girof.
Bon
Dr. Jakob Probift,
k. k. jab. Statthaltereirath.
Innsbruck.
Drink der Wagner’schen Burhdrukerei.
1858.
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1.
ederficht.
Einleitung .
1.
Geite
Das Symnafialfiudienmwefen in Tirol überhaupt.
„410.
sit:
Studienanftalten in Tirol zur Zeit des Mittelalters
Beichaffenheit derjelben
Nothmwendigfeit befferer Anftalten .
Kaiferlihe Bemühungen zur Herftellung befferbe Anz:
ftalten in Tirol — Sefuitengymnaften
Literäre Bildung au den Sejuitengymnaften
Dieciplinäre Bildung an denfeiben m ß N
Nocy einiges über die Jugendbildung an den Sejuiten:
Öymnafien ’ > : P
Erfolg der Bildung an den Sefuitengymnaften
Vorfhriften Carl VI. über die Bildung an den Sejui:
fengymnaften le ae a he en
Vorjhriften der Kaiferin Maria Therefia über
diefelben
N
. 28.
. 29.
. 30.
Mal:
Vorfchriften derfelben über die Gpmnafteu überhaupt
Aufbebung der Sejuiten. Mopificirter Gpmnaffal:
ftudienplan
Einfluß der Regierung unter Kaifer aoferh 1. ai
die Gpmmnaften k
Bolitifche Aufficht und a der Somnafien
Vorfchriften Kaijer Franz II. über die Öymnafien
Das Gymnafialftudium in Tirol unter der Fal. bayr.
und franzöf.zital. Regierung j -
Das Gymnafialftudium unter der wieder eingetretenen
öfter. Negierung : 3 e }
Reftand der Gymnaffen vor dem Sahre 1848 .
Umjtaltung der Gymnaften feit dem Jahre 1848
I.
Die einzelnen Öymnafien in Tirol.
A.
Snnsbrud.
Entftehung des Gymnafiums zu Snnabruc
Vollitändige Einrichtung deffeiben
Das Gymnaffalgebäude B j
Das Ghmnafialftudium unter den Sejuiten
Berühmte Männer an diefem Gymnafium
Shhiefale des Oymnafiums nad) Aufhebung des Sefui-
tenordeng .
Schiekfale des Seien on dem Wieterfintriite
der öfter. Regierung
Das Gymnafium nad der REER ini
Unterftügungsanftalten für die Studierenden an die:
fem Gymnafium
B.
el
Entftehung des Haller Gymnafiums :
Die Öymnafium unter den Sefuiten. Aufhebung
deflfelben .
’ . . D . . .
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62
63
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Spmmnafialgebäude } >
Erjie Neftauration diefes Gymnaftums
Zweite Neftauration veifelten >
Schiefale diefesg Gymnafiume nach derjelben
Wohltnätigfeitganitalten für die Studierenden diefes
Gymnaftums
C.
Feldfird.
Entjtehung des Feldfirher Gnmnafiumd .
Shieffale deffefben big zur Aufhebung der Sefuiten
Schieffale nad) diefer Aufhebung
Auffiht und Feitung diefes Gpmnafiums .
Gpmnafialfond. Erhaltung des Gynnafiums .
Gpmnafiallofale 2 - ; s i 2 :
Wohlthätigkeitsanftalten für die Studierenden an die:
fem Gymnafium
D.
Trient:
Sehranftalten in Trient vor Einführung der Gejell:
ichaft Sefu h
Einführung des efüitengprinäft tums
Schiefjale bis zur Herftellung des EIERN
Sernere Sciefjale des Gymnafiums unter ven
Sejuiten {
Nach Aufhebung der u & . F .
Drganifirung des Gpmnafiums nad dem Wiederein:
tritt der öfter. Negierung ;
Wohfthätigfeitsanftalten für die ER in
Trient i
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109
109
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31:
52.
53.
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56;
«57.
. 58.
$. 59.
. 60.
261.
. 63.
. 64.
E.
Briren.
Fehranftalt in Briren bis in das 16. Jahrhundert .
Verbefferung derfelben im 16. Sahrhundert
Berbefferung im 17. Sahrhundert
Förmliches Gymnafium im 18. Sahrhundert
Scidfale des Gymnafiums unter der Fönigl. bayr.
Regierung :
Sciefale feit dem iebereinteitt der + öflerreichifchen
Regierung r
Lokale des Gymnafiumg .
Leitung des Gymnafiume 5
MWohfthätigkeitsanftalten für die Shubterenben ickes
Gpymnafiums
F.
Rovered».
Entftehung des Roveredaner Gymnaftums
Sciefale diefes Gymnafiums bis zur fönigl. bayr.
Regierungsperiode ; :
Berhandlungen wegen der Beitiäigin des Symnafı ums
und der deutfchen Sprache i ö
Schicfjale des Öymnafiums unter der Zwifdien-
regierung . 2
Schiefjale des Gymnafiums a dem BBichereinieitg
der öfter. Regierung
G.
Meran.
Entftehung des Meraner Gymnafiums
Schiekjale. Berühmte Männer an demfelben .
Philofophifches Studium in Meran
Geite
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134
wanna ının
.68. Sciefale unter der Fönigl. bayr. Regierung und
nach derfelben .
. 69. Wohlthätigkeitsanftalten für & tudierende .
H.
Bopen.
. 70. Entftehung des Bogner Gymnaftums
. 71. Drganifirung deifelben
. 72. Erhaltung diefes Gymnaftums
.73. Meitere Schieffale
. 4. Gymnafiallofale
. 75. Wopnithätigfeitsanftalten
I.
gienz und Ala.
. 76. Das ehemalige Gymnaftum in Lienz
. 77. Das Gymnaftum in Ala
. 78. Rücblif. Refultat
I.
140
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Hiftorifch:ftatiftifhe Bemerfungen über den dermaligen
Zuftand der Öymnalfien.
. 79. Zahl und PBertheilung der Tiroler Gymmnaften
. 80. PBergleihung der Zahl der Tiroler Gymnaften mit
den andern der öfterr. Monarchie
.81. ®Vergleichung der dermaligen Gymnafien mit jenen
vor dem Sahr 1848 bezüglicy des Zweckes
. 82. — bezüglich der Lehrgegenftände 2
. 83. — bezüglich ver Lehrer auch an andern Sfterteichfchen
Öpymnafien
. 84. Bergleichung der Sihülerzahl dx der Ne Sri en
in verfchiedenen Zeitabfchnitten .
. 85. Vergleihung der Schülerzahl an den Tiroler Gin
149
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153
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158
$. 86.
$. 87.
nafien mit jener der übrigen Monarcie nad) der Be-
völferung : : 2
VBergleihung der nn in Eirof nad u
bürgerlihen Stande : E ?
Frequenz der Tiroler Gymnaften und jene der übri:
gen Monarkie . i
Fortgang der Schüler an den le und Abdiasn
öfter. Öymnaften ! - f ;
Erfolg der Maturitätsprüfung an den zieh und
übrigen öfter. Gymmnaften
Schluß
Seite
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166
nn
Beiträge
zur Gefdhichten der Gymnafien in «Tirol.
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Zu den verfchiedenen Gegenftänden, welche mit Necht uns
fere. Aufmerffamfeit in Anfpruch nehmen , gehören . gewiß. auch
die. Gymnaftallehranftalten, an welchen jeder Studierende in den
beiten Lebensjahren. feine höhere Bildung begründet ; und gewiß
wäre. es fir Manchen von großem $ntereffe zu wiffen, wie ed
mit diefen Anftalten in unferem Vaterlande Tirol auch in früheren
Zeiten ftand, wie diefe Unterrichts-Inftitute allmählig zu dem
Zuftande gelangten, in welchem wir fte fehen, und was dermalen
in. denfelben zur Bildung der vaterländifchen Sugend gefchieht.
Ueber. diefen. Gegenftand ift, ‚fopiel hefannt, fehr wenig ge-
jchrieben worden, und während 3. DB. Über das Statutenwefen,
über Bergbau, Künftler und andere intereffante Gegenftände un:
ferer Provinz gute Auffäse vorhanden find: findet man über
die Gnmnafien Tirols insgefammt nur, in Stafflers Statiftif ')
einigen, über das Feldfircher Gymnaftium insbejondere in Weizen-
eggers Vorarlberg 2) ausführlichen Auffchluß, und über die Dom:
fehule in Briven, diefer Vorläuferinn ‚des dortigen Gymnaftums,
enthält der Sammler für Gefchichte und Statiftif in Tirol 9)
1)1.8. ©. 510.
Y)U. 8. ©. 187 f.
3) IM. 8. ©. 172.
=
und Tinfhaufers Befchreibung der Diöcefe Briren!) werthvolle
Angaben. Die Negierungsvorfchriften über diefe Anftalten be-
lehren ung wohl etwa über die Einrichtung derfelben in gewifjen
Zeitperioden, find aber für die Gefchichte der einzelnen Anftalten
zu unvollftändig und ungenügend. Beftimmtere Auffchlüffe muß
man aus zeritreuten Bemerfungen in Schriften über andere Ge-
genftände und in NRegiftratursaften oder aus Handjchriften fuchen,
wozu vorzüglich zum Theil fehr vollftändig mitgetheilte Nachrich-
ten von den Vorftänden, der Anftalten 2) und mehrere Etüde
in der Bibliotheca tirolensis des fel. Appellationspräfidenten von
Dipauli 3) gehören, in "welcher unter andern eine Gefchichte des
Haller Gymnafiums vom Francisfaner Dismas Tuzer, und eine
andere des Innsbruder Gymnafiums von Dipaulis Hand fich
befindet, die er aus einem Manuferipte des vieljährigen Teiler
Kigler, eines Erjefuiten, ausgezogen hat.
Aus diefen und andern im Verlaufe bezeichneten Schriften
find vorliegende Beiträge zu einer Gefchichte der tirol. Gymnaften
gefammelt. Sie befaffen fich mit den gefchichtlihen Angaben
über diefelben Überhaupt, mit der Gefchichte der einzelnen Gnym-
nafien insbefonders, und endlich mit dem gegenwärtigen Bejtande
derfelben.
Diefe Arbeit ijt freilich mehr geeignet das Bedlirfnig näherer
Aufklärung Über diefen Gegenftand befonders in den Altern Jet:
ten fühlbar zu machen, als die Wißbegierde der Liebhaber von
dergleichen Kenntniffen zu befriedigen. Die Mittheilung des ger
fammelten Material8 , deffen Umfang nach den über die ein-
zelnen Gymnajien zu Gebote ftehenden Quellen freilich fehr ver-
fchieden ift, Fönnte jedoch vielleicht Veranlaffung zu einer voll-
ftändigen und gediegenen Bearbeitung diefes Gegenftandes wer-
den, oder mwenigftens zur Aufhellung und Berichtigung des ung
Vermißten oder unrichtig Segevenen ‚Aeegen.
ı 2330
DI.®B. ©. 169 f.
2) Sn der Statthaltereiregiftratur.
3) Segt im Lofale des Ferdinandeums aufgeftellt.
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Serie Angaben iiber die Gymuafialbildungsanftalten
in Tirol iiberhaupt,
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Bis beiläufig. auf die Zeiten, der fogenannten Nefornation
find die Angaben über das Studienwefen in Tirol Außerftdürf-
tigyfo: daß man fich) fFaum- einvrichtiges Bil über ‚den. Diesfäl-
figen,‘Zuftand in ‚früher Zeiten: machen fann.
Eicher wurde die wiflenfchaftliche Bildung ı der. Tiroler: im
Mittelalter ı— zumal: von) der: Geiftlichfeit der) faft ‚einzigen Trä-
gerin derfelben ‚oft im Auslanve gefucht, von. woher Zirol nicht
felten’ gumak für höhere, Stellen feine Vorfteher, „und felbft un:
tergeordnete Geiitliche, erhielt.
Doch fehlt «8 nicht an Spuren, daß auch in, diefen Lande
und an feinen Gränzen Unterricht: extheilt worden ijt,. welcher
Gegenftände des jegigen Gymnafialftudiums, namentlich die latei-
nische Sprache umfaßte,
&8 gefihah die. an den Bifchofsfigen, wahrfcheinlich auch
an Klöjtern (Stiften) und: wenigftens feit dem. XIV, Jahrhundert
in mancher Stadt und in: einzelnen größern Orten des Landes.
Rücjichtlich der Bifchofsitge Fannn der befannte Befehl Garls
des Großen vom Jahre 789 ‚an allen Klöftern und Kathedral-
firchen für Knaben Schulen zu errichten, wo ‘Pfalmen, der Ge:
fang, Rechnen und Grammatik gelehrt werden follen‘, fo wie ie
Borfchrift des lateranifchen Eoncils- vom Jahre 1215, ‚daß bei
jeder Kathedrale ein Lehrer der Grammatik und bei jeder, Metro:
pole ein :Brofeffor der Theologie angeftellt werden! fol, wohl
auch für Tirol nicht ohne heilfame Wirkung gewvefen fein.
Urkundlich beftand auch in Salzburg, defjen kirchliiher Spren-
gel fich immer: auf ‚einen Theil Tirols: erftreefte,. fchom: zur Zeit
des Bifchofs Arno, eines Freundes Carl de8 Großen — ja
vielfeicht noch früher — eine Schule; und Alkuin grüßt in fei-
nem 113. Briefe an Arno die Schüler defielben, Adelcam , der
Nachfolger Arno’s, heißt- in’ einer alten Chronik piissimus' doctor.
1 =
U
Erft bei Errichtung der Univerfität im Jahre 1617 ward die
dortige Domfchule aufgehoben. Neben derfelben beftand feit alter
Zeit noch die Schule von St. Peter 1).
Ulrich von Augsburg, defien Bifchöfen ein Theil Tirols
biß8 auf die neueften Zeiten Firchlich unterftiand, beobachtete im
X, Jahrhundert die Jünglinge: feiner Echule, die jedem Stande
geöffnet war, mit großer Aufmerkffamfeit 2). |
Inder Synodalverordnung vom 10. Juni 1344 wurde
die unter Bifchof Heinrich II in Trient (vom 'Sahre' 1330"bis
1336) fejtgefeßte Anordnung erneuert, daß bei der Kathedrale im-
mer ein Lehrer der Öirammatif und des Gefanges gehalten werde 3),
und Bifchof Albert IL. (. 3. 1360—1390) verlieh nach dem
Tode des "Scolaftius Martin von’ Böhmen diefes' Amt dem
Heinrich Mejtphal, einem Subdiacon' von Hildesheim H.'ImS.
1234 war Magifter Balricus Ecolaftieus und Bonfadus Doctor
legum 5); im’ 3. 1161 Dlverieus' Ccvlafticus 6).
In Srepfing, das befanntlich felbt mit Pufterthal in enger
Verbindung ftand, und deflen Diöcefe fich ebenfalls nach Tirol
erftrefte, war fehon unter Erchambert (0. 3. 836-854) die
Scyule zu Et. Maria berühmt, fo daß Adalfer und andere 'vor-
nehme Männer den Lehrern dafelbft ihre Söhne zum Unterricht
1) Sieh Bierthaler : - Gefhichte des Schulwefens und. der. Gultur in
Salzburg 1804 ©. 13 ff. Gejhichte des Salzburg’shen Sul:
wejens von Rumpler. Ausgabe von Hochmuth 1832. ©. 9 fi.
9) Vita Udalriei in Sur, act. Sanct. 4. Jul., bei Bierthafer.
3) (Bonelli:) Notizie stor. crit. della chiesa di 'Trento. Vol..IM. 2.
I. pag.! 136.
4) Die, Kirche: des. hl. BVigilius.. Bogen 1825. ©. 179. — ‚Die im
Sahre 1593 von Carl Emanuel Madruz bei den Somasfen gemachte
Schulftiftung,, nach welcher von zwei Lehrern die Klerifer in der
Gramatif und Rhetorif als in einem Convicte unterrichtet wurden,
(mit 18 Stiftsplägen ‚6 von einem Pezjen) deren Befuch aber auch)
Auswärtigen. geftattet war , dürfte mohl nur eine DVerbefferung der
Domfchule gewefen fein.
5) (Bonelli) |. c. Vol. II pag. 558. ’
6) ar Monumentä eceles, trid.' Pars' If. Vol. II pag. 268:
u U
anvertrauten, und dafür das Stift mit anfehnlichen Gütern
begabten 1). |
Den Urfprung der Domfchule am alten Bifchofsfige Seben
führt deffen Gefchichtsichreiber Refch in das VII. oder IX. Jahr
hundert zurüd, und die zweite‘ Schanfungsurfunde des’ Dar:
tinus an'dası frepfingifche Stift Innichen bezeugt im Jahre
823 auch Harimar 'magister scholarum. Jim X: Jahrhundert
erfcheinen die Schüler von Geben unter dem Namen’ Clericelli
— Chorfnaben — die im Anfange des XI. Jahrhunderts unter
einem Vorftande ftehen, der fchon den Namen Ecolafticus führt 2).
Um das Jahr 1000 übergibt der Evelman Ragizi von Frain
dem Bifchor Albuin feinen Sohn zur Erziehung gegen genau 'be-
jtimmte Betrauung 3). Im Jahre 1030 erfcheint' der Magister
scholarum Paulin al8 Zeuge), und im XI. und XI. Jahrhun-
dert Fommen andere Schüler diefes Inftitutes' vor.
Bei den Kathedralen in und um Tirol gab e8 alfo im Mit-
. telalter ‚gelehrte Schulen.
Die Stifte, befonders der Benediftiner, waren befanntlich
die Stätten des Unterrichts namentlich in’ Deutfchland. NRaban
begann um das Jahr 813 in Fulda zu lehren, und vieg Stift
war die Mutter berühmter anderer Stifte und Schulen. ' &o
fhidte Raban auf Verlangen des ‘Grafen Ervenfried um das
Iahr. 8I3I Mönche nach Hirfhau um'das neue Klöfter' zu be-
fegen, und Schulen zu errictend). Wolfgang, päter Ecolafti-
us und dann Bifchof von Regensburg, (gejt. 994), ging nad)
Reichenau al8 dem; Orte, ubi tune inter. Germaniae fines maxime
florerent studia literarum 6). Abt Conrad von Tegernfee Hatte
um das Jahr 1150 in feinem Stifte äußere und innere Schu-
1) Meuchelbeck.. Hist. Fris. Tom I pag. 123. — Resch. Ann. Seb.
et Brix. Tom Il pag. 93.
2) Sammler für Gefhichte und Statiftit in Tirol MM.IB. ©. 172 ff.
3) Die Urkunde bei Reich. 1. c. ©. 677 fi.
4) Brirner Saalbudy ‘bei Sinnadjer: Beiträge zur Gefdhichte der
' Kirche von Briren. I. B. ©. 375.
5) Bergl. Cave. Script. ecel. Sec. 9.
6) Sur. 1. ce. 31. Dctbr. bei Vierthaler 1. c.
6 —
len 1), »diesim X. Jahrhundert wenigftens bei berühmten Klöftern,
3. B. ©t. Gallen, gewöhnlich beftanden Abt Noeter errichtete
dort “gegen Ende des X. Jahrhunderts für (die, Söhne feiner
Bafallen und Evelfnechte eine adeliche Afademie2), und Abt Wolf:
gang. von Mondfee, (w. 3. 1499-1511) dort, eine, Artıvon
Gymnafium 3).. In diefen und andern Stiften an den Gränzen
Tirols ‚haben «wohl Manche unferer Mare Natenit und
Bildung erhalten.
Daß dieß auch in Stiften Tirols fit gefchehen fei, banüber
liegen zwar beftimmte Zeugniffe nicht vor ‚jedoch. ft: e8 nach Der
Analogie anderer Klöfter nicht unwahrfcheinlich, ‚da wenigitens
Innichen fein Dafein, wie befannt, auf das VL Jahrhundert
zurüdführt,, und der. oben genannte magister ‚scholarum 'Hati-
mar vielleicht dahin gehörte. — Graf Mohr) erwähnt um das
Jahr 878 eines zu Wilten auf dem Schutte von DBeldivena won
Riefen, Haimon erbauten Benediktinerfloftere — eine Nachricht,
auf die auch andere Gefchichtfchreiber Tirols 5) Hinftimmen. Die
fes Klofter hat, jeroch nach Gabriel Bucelin 6) nach einiger Zeit,
man weiß nicht warum, zu fein aufgehört, und defien Kirche
wurde von einigen, Weltprieftern oder Kanonifern verwaltet, bis
Neimbrecht, Bifchof von Briren, von hl. Norbert: einige PBrä-
monftratenfer ‚verlangte, das: zerftörte Klofter wieder herftellte,
von feinen bifchöfl. » Einkünften Stiftungen Dazu machte, den
1) Er fihreibt bei Peß. Anecd. Tom VI P. I pag. 371: Multi apud
nos usgne in hodiernam diem et in aliis claustris regularibus
nutriuntur ,„ qui. ‚tamen ‚nullo vinculo obedientiae tenentur, —
Bei Vierthaler 1. ec. u. Günther: Gefchichte der lit. Anftalten in
Bayern I.—IM. Th. findet man Belege in Ueberfluß über die lite-
rärischen Merfe der Klöfter im Mittelalter.
2) Arz: Gefchichte des Kantons St. Gallen I. B. ©. 259.
3) Magnam puerorum collegit turmam quibus pro ‚literis excolendis
gymnasium Lunaelaci extructum studiosae juventutis bono. aperuit.
Chron. Lunol. bei Bierthaler |. c..©: 173.
4) Merkwürdigkeiten Tirol® Mifc, der Bibl.iyr: |
5) Burglechner, Chrift. Wilhelm. Putfch Collectanea ;.Mse. ‚in der
Bibl. tyr., Brandis Ehrenkränglein ic.
6) Germania Sacra.
er
feligen Marquard ı von PBruntrut: als erften Abt, im Jahre
1130 einfegte, und: diefem Stifte einige umliegende Pfarren zur
Seelforge überließ. Dieß als wahr vorausgefegt, ließe fich
vermuthen, daß Haymon. bei. 40 Jahren nach Raband Bemü-
Hungen ‚für dem Unterricht won«einem inahen Benediktinerftifte —
Sti, Gallen, Hixfchau oder. Reichenau — in fein neu verbautes
Wilten eine &olonie berufen habe, mit welcher zu Wilten: auch
eine Schule entftand;,: von der wan jedoch feine urfunpliche
Spur findet. Solche Spuren ertheilten: Unterrichts ‚finden, fich
auch. won den ‚fpäter. sentftandenen tirol. "Stiften nicht, «welche
freilich ihre Blüthe-serft- in jener) Zeit erreichten ,. im welcher der
literarifche Ruhm der Stifte überhaupt’ gefunfen war Hd. Doch
ift die) Einführung. des Unterrichts) im einigen. diefer, Stifte um
fo.wahrfcheinlichen, als. die bei den Benediktinerftiften jonft ge
‚fchah und einige Stifte, wie Georgenberg und Wilten) unter
Sigmund dem Müngreichenfchöne Bibliotheken anzulegen fudy-
ten, Das Stift Stams im XIV. Jahrhundert fih) um Manuferipte,
3. Bo der fleißigen Diemund von Weffenbrun bewarb 2, und
felbft bei den Karthäufern in, Schnall8 3) eine literäre Thätigfeit
herefchte, wie) mehrere von den) dortigen Mönchen verfertigte
Manuferipte in der Innsbruder Univerfitätsbibliothek beweifen.
Bei einer folchen literären Thätigfeit darf man auch ohne aus:
1) Sm XI. u. XIV. Sahrhundert: mußten "die Päpfte den Kloftervor-
ftehern den Befehl ertheifen, Echullehrer zu bejolden, Gerbert.
Hist.nigrae silvae Tom I pag. 489 ad-Tom II,pag. 175. Mabill.
de. studis monast; Tom I pag..32 bei Vierthaler J. ec. — Im
Sahre 1291. konnte das Kapitel, in St. Gallen. mit, feinem, Abte
nicht, fchreiben.. , Arr. 1.0. ©.-470,
2) ‚Zeuter : Histor.. Wesses. Tom.I pag. ‚313 bei Vierthaler., Diemund‘
lebte sim XIH. Sahrhundert,..wo zu. Mellersdorf die Nonne Leit:
fard die, fchottifche, deutfche, lateinifche, und griechifche, Sprache
verftand, und befonders auch im Bücherichreiben thätig war. Leu:
ter. 1.:c. pag. 176. Monumenta boica Tom .XV. pag. 249. 260
bei Bierthaler.
3) Meberhaupt fcheinen die Karthäufer mit dem Abfchreiben von Büchern
u, Nih beionders. beichäftiget zu.haben., wozu fie.mit dienlihen Appa:
raten von. den ‚Dbern: verfehen, wurden... Holftein. bei Naumer :
Hohenftaufen VL.B. ©.. 485, der 2. .Ausgabe.
SS“.
drükliche Zeugniffe vermuthen, manches Stift in Tirol werde
nicht blo8 den Mitgliedern des Ordens, fondern auch auswärti-
gen Zöglingen Unterricht ertheilt haben.
Gewiß 'gefchah dieß in mancher Stadt und fetojen bei
Landpfarrgemeinden Tirols. "Denn wenn im KIM. Jahrhundert
in jeder bedeutenden Stadt eine grammatifche und geiftliche Schule
beftand 1), und in Italien zur Zeit de8 Mittelalters die Ge-
wohnheit herrfchte, daß von'Pfarrern junge Leute in ihr" Haus
aufgenommen wurden, um fie durch Unterricht für den geiftlichen
Stand ‚vorgubereiten 2): fo läßt fich das Beftehen ähnlicher
Schulen wohl auch in unferm Lande erwarten, und>ift wenig-
ftens vom XIV. und XV. Jahrhundert erwiefen. Das Ealz-
burger Goneil vom Jahr 1569 fagt ganz allgemein), e& fer von
Alterd her — jam olim — fchon Sorge getragen , daß nebft
ordentlichen Schulen in größern und fleinern Städten auch bei
der Metropolitanficche und bei den Kathedral- und Gollegiat-
firchen, hernach bei Klöftern folche errichtet , Studierende Fojten-
frei unterrichtet und großen Theild auch unterhalten werden.
In Innsbrud wurden feit dem Anfang des XV. Jahrhun-
derts für die Schule, die Schüler und den Schulmeifter Etif-
tungen gemacht 4) und im Jahre 1411 war dort ein gewifjer Eon-
1) Raumer:Hohenftaufen VI. B. ©. 492. Nol. Günther 1. ec. I. Th.
©. 351. In St. Gallen Fommen folhe Schulen um das. Jahr
1278 vor. Arr. 1. ce. ©. 476.
2) Hurter: Papft Innocen; IT. — VI. B. ©. 573. Aehnliches it
vom Pfarrer Haimeran Smeller im Dorfe Tirol (w. 3. 1548 bie
1564) befannt, der feine Knechte zu PBrieftern abrichtete.
3) Licet pro nostrae provinciae eeclesiis de sacerdotibus providen-
dis praeter ordinarias civitatum oppidorumque scholas praeterea
ab omnibus, primum nostra metropolitano, dein cathedralibus
utque collegiatis ecclesiis nec non monasteriis institui, studiosos
gratis erudiri atque magna ex pacte alimentis sublevari, ut tan-
dem suae doctrinae fructum metentes sacerdotis apti sint, et
ecelesiae necescitati subveniri possit, jam olim cautum sit etc.
Dalham : concilia Salzburgensia pag. 528.
4) Auguftin Schaidler wies in feiner Stiftung vom Sahre 1405 un-
ter andern auch dem Schulmeifter jährlih 6 fr. an; Jar. Tanzl
verordnete im Sahre 1468, daß bei feinem Sahrtage nach der
> Mi
rad Rector scholarum 1). ImSahre 1530 fchenfte der öffentliche
Lehrer, an der Schule zu Innsbrud, Georg Marbach, feinem Schi
ler. Zohann Putfch ein griechifch-lateinifches Buch 9, und fein
Bruder Ehriftoph Wilhelm Putfch wollte die Gedichte deffelben,
„Interim** betitelt, drucken Tafien, damit Jederman einfehe, daß
fich die Studenten Tirols nicht weniger als jene ded übrigen
Deutfchlands in: jeder Gattung der Gelehrfamfeit auszeichnen.
Eben derfelbe rühmt auch, feinen eigenen Lehrer Collatinus- post-
humus - der, fchönen Fünfte und Bhilofophie Doctor, und Graf
des Palafted zu Lateran ald fehr treuen und im Unterricht der
männlichen Jugend bemwunderungswürdigen Künftler, und er-
wähnt vieler Gelehrten, vie in diefer Zeit in Innebrud in Flei-
nen Zwifchenräumen anwefend waren. Auch führt er ein Kleines
Gedicht feines Bruders Johann auf; einen Waldbrand in Höttin:
gen im Jahre 1540 an 3).
Bigil den: Schuelern und andern Kindern gegen Bethung. eines
Ave Maria eine gewifle Zahl Kerzen, und. für ı Pfd. Berner
Weizenbrod oder Bregen ausgetheilt werden. Graf Eberhard von
Sonnenburg ließ in der Stiftung feines Sahrtags i. 3. 1486 dem
Schufmeifter 1 Pdf. Berner, dem Sunfmeifter 6 fr. , der Sing:
fohule. 6 Fr. zufommen. Aehnliches Fommt nach, Burflechner vor
bei dem Peichenzug des Erzh. Sigmund i. 5. 1496, bei einer Gtif-
tung der Wittme deifelben Catharina i. $. 1497 ıc.
Cambezius (com. bibl, Vind. Lib. II Ed. Koll pag. 651) erwähnt
eine Abfchrift der „Sum der Beichtiger”’, des Dominikaner oh.
v. Freyburg, die Conrad rector Scholarum in Snfpruf i. 3.
1411 eigenhändig abgejchrieben. hat.
2) Musaei Poelae graeei antiquissimi et amaenissimi de insano Herus
eb Leandri amore Poemation. idem latinum, paraphraste Gulielmo
deMara. Aovzıevov Hewv zoıcıs. Coloniae ap..Joa. Soterem anno
1526. Unter diefem Titel lieft man handgefhhrieben: Auno Dmi
1530 men. Oct. Magister Scholae oenipontanae publ. Georg. Mar-
pachius Bavarus libellum hunc Musaei Oeniponti in Italiam pro-
fuiscenti pro pignore amoris discipulo suo mihi' Joa; Putschio
Aenicolae dono dedit. Mantua 1532. Bub und Schüler deuten
auf einen Lehrftuhl höherer Art.
'3) Putsch 'collectanea und Gefchichte des Innebruder Gymnafiums
Mfe. in der Bibl. tyr. Sohann Putich war, ald er nach Italien
reifte, 14 Sahre alt, wurde Geheimfchreiber Kaifer Seroinand’s L.,
ftarb aber fhon mit 26 Jahren.
h.
—_
a Mm
Das Stadtarchiv in Bogen bewahrt ein ausführliches Statut
vom Jahre 1424, in welchem die'dort beftehende Echule’ gere-
gelt wird 1). Der Stiftbrief des dortigen Niederthorifchen Epital-
benefiziums vom Jahre 1504 erwähnt ein Haus ‚Alt Schuel”,
das zur Stiftung: jährlich 6 Pfd. Berner zu zahlen hatte.
Trient hatte nebft der Schule zur Bildung der Geiftlichen
auch eine Stadtfchule.) Um das Jahr 1425 war ein Quarino
von ‚Berona in derfelben Lehrer ‚sein Mann) der’ auch in’ Vene-
dig und Berona Unterricht gegeben: hatte”). " Im Jahre 1462
beftellten die consules ‘und 'Provisores 'magnificae eivitatis al&
Lehrer einen Polo ‚da Mantua mit dem Privilegium, daß außer
ihm nur noch ‚Lehrer zum Unterricht im 2efen "und ‚Schreiben
und in der deutfchen Sprache beftehen dürfen. Im Jahre: 1497
iwar ein folcher Lehrer Johann Andreas aus der: Didcefe''won
Parma. Don fpätern Zeiten find Pincius, der in Mantua 'ge-
frönte Dichter und nachheriger Gefchichtfchreiber der Fürftbifchöfe
von Irient 3) und gleichzeitig der berühmte Bellon befannt, zu
deffen Gunften Die oben bezeichneten Privilegien erneuert worden.
Achnliche Verträge kamen noch 1585 mit einem Lehrer Ale
vander vor, wobei 25 Nagneft für jeden Mebertretungsfall zum
Vortheil der Stadt ald Strafe, jedoch mit Ausnahme der Lehrer
im Seminar beftimmt waren d).
1) Mitgetheilt von Suftinian Ladurner. Die Urkunde ift für ung in
einigen Stücen dunkel; 3. B. über die Belohnung der Lehrer mit
Kirich- oder Pfirfichfernen, geht aber fonft jehr in das Detail, 5. B.
über Schulftunden, Wafan;, Strafen; — der asinus muß einen
Valmzmweig tragen, bi er deffen an einen andern lo8 wird 2C.; die
Gefang Schüler find an Samstägen nachmittag nad) Hauf zu
laffen zum Baden oder fich zu wafchen ıc.
2) (Bonelli:) Momenta Pars II Vol. 2 pag. 137 aus Apostolus
Zenus. Bon einem Schüler deffelben werden folgende Verfe angeführt :
Tu mare frementes Venetos et Antenoris
Instituis cives, tua te Verona legentem
Vidit, ‚et Italiae obstupuit: sublime ‚Tridentum.
3) Er war verehlicht; ein Sohn von ihm war im Sahre. 1532 ‚Pfarrer
in Levico, im Jahre 1538 Dombherr in Trient, „Sein ‚Chronicon
derknum erjchien 1546. , ®gl, (Bonelli) Monumenta eccles; trid.
Pars ll. Vol. I.pag. 298.
4) Mittheilungen des Gymnafialpräfeets — jeßt Directors Sicher —
Wi
Nach seiner „Rhürchen Ordnung und Negifter allbier in
Meran" vom Jahre 1559,gehen am Frohleichnamstage. bei, der
Proceffion „die Knaben mit: ihren Bähnlein. voran, diefen folgen
die Schulfnaben,; und 'diefen ‚der lateinifche SR, zugleich
Ehoralift."
In Kufjtein lehrte Magifter Georg — in der Folge) Kar
thäufer , der im: Jahre 1507 mit: Martin Baumgartnev eine
Reife nach dem Orient: unternommen, «Aegypten und Syrien
durdhwandert hat, und glücdlich wieder in fein ET Pater:
land zurüdfam 1).
In Brunner las noch im Jahre 1583 der KT Bar:
tholomäus Huber die Bucolica Virgils: und Eiceros Briefe vor,
und nahm fich wegen Menge der Schulen nicht Zeit auch den
Katechismus zu lefen d.
In Schwaß beftehen aus dem XV. und XVI. Jahrhundert
ebenfalls Stiftungen für Schulen, und auf Anfuchen des dor:
tigen Magiftrats verfaßten die Jefuiten noch im» Iahre 1607
dafür docendi‘, discendi et 'vivendi regulas 3).
Zu Tione in Judicarien hielt vor; dem Jahre 1500 ein gez
wiffer Fantinus Cimiciensis eine Art Gonvift mit Unterricht in
der griechifchen und lateinifchen Sprache, worüber Ambros Franco
mit Begeifterung fpricht 9.
aus Wrfunden des Stadtarchivs und dem Me. des Johann Chris.
de Volano.
1) Bierthaler 1. ec.
2) Sinnacher. Beiträge VIL 1. c. ©. 729.
3) Hist. Prov. S.'J. Pars II. ad hunc annum.
4) Thionum superioribus annis illustravit D.' Fantinus Cimieiensis
graeci sermonis 'perinde ac latini calentissimus.- ‘Is’ ibidem
Iudum literarum aperuit. ' Alebat domi ad 30 et aliquando
plures convictores. Pythagoreum auditorium dixisses. Huic
ego cum Joanne Babtista fratre, qui postea medicam lauream
est asecutus, triennio operam dedimus. Huic post*deum et pa-
rentes, quidquid sumus, Tubentissimo animo acceptum referimus.
Auch in Ereto und Arco beftanden fpäter Schulen zur Bildung
der Geiftlihen,, und im füdlichen Tirol Fommen bis auf die neue-
ften Zeiten fehr bedeutende Schulftiffingen -aud) für Fleine Orte
"wor, 5. B. für villa lagerina vom Ealjb. Erzb. Paris vom 9.
— 12
"Der Schulmeifter und Mefner im Miemingen, Johann Ertl,
bittet am 8. April 1582 ven’ Frühmeßftiftrechner Dionis'vo, Ka
um die" Bezahlung der jährlichen 6 fl.1).
In der Schule zu Matrei wurde 1594: Latein gelehrt 2.
Man hat wohl feinen Grund anzunehmen, daß allediefe
Schulen verft'in Jahren entftanden find, im welchen von denfel-
ben Erwähnung gefchiehtz vielmehr muß deren Errichtung "in
frühere Zeiten verfegt werden, welche man nicht genau Da
men Fann.
Daß diefe Schulen wenigftens großen Theils feine Baia:
fehulen nach damaliger Einrichtung waren, ergibt fich aus der
Befchaffenheit derfelben, wo nur immer hievon etwas vorkommt ;
denn fie werden als WVorbereitungsfchulen für) Briefter bezeichnet,
e8 werden an denfelben lateinische Elaflifer erklärt, es wird da-
rin igelehirte Bildung, 3. B. in der Dichtkunft, angeftrebt u. dgl.
Bolfsfchulen, deren Einrichtung fich den dermaligen Volfsfchulen
nähert ‚ entitanden ohnehin 'erft um die Zeit der Reformation 3),
und als folche Fünnten höchftens einige Schulen auf dem Lande
bezeichnet werden, von welchen wir lediglich das Beftehen im
1640, für das Eleine Gavazzi von Pelegrino Bionchetti im Jahre
1758.
Die Eopie der Bittfchrift liegt im Stifte Stams.
Jac. Entleutner Matrei ludimagister ibidem habet modo eirei-
ter. 16 diseipulos, aliquando plures., docet germanice; et. latine
etc., jagt das Vifttationsprotofoll v. 3. 1594.
3) Weltenrieder (Abriß der bayr. Gejhichte 2. Thl. ©. 446) Tekt
ihr Entftehen auf die Mitte des XVL Sahrhunderts , wo. fie Gün:
ther (l. ec. 2. Thl. ©..72) auch in Tegernfee, und Rumpler (l. :c.
©,,49 bis 36) im Galzburgifchen fand... Das jhon erwähnte Con-
eil von Salzburg, das für Tirol , infofern Briren 20. Sufragan- Bid:
thum von Salzburg war , Geltung hatte, mag fie. ehr. befördert
haben. Für Tirol erließ Erzherzog Ferdinand, unter dem 16. Dezbr.
1856 eine merfwürdige „Inftruktion. und. Ordnung, ‚wie fich. füro-
hin,die Teutiche jowohl als auch die lateinifche Schulmeifter, welche
die Kinder im Teutjchen Lejen: und ‚Schreiben zu unterweifen
pflegen, aud die Schuelfinder verhalten follen‘‘, die offenbar aud)
der ‚ erneuerten Schulordnung „‚Snnsbrud ‚27. April 1747.” zu
Grunde liegt, ‚Sn beiden find Auszüge ‚vom Katechismus des
Eanifius, und in leßterer auch Gebete und Schulgejege ‚beigedrudt,
PER
ir
XVI. Jahrhundert wiflen. Daß die Landichulen aber nicht \all-
gemein: bloße Volfsfchulen waren, beweilt die Schule in Matrei,
an der. lateinifch, gelehrt: wurde.
‚8. 3.
. Gehe ift «8 über, die ‚Einrichtung diefer Ecaien mit Ber:
läßigfeit etwas Beftimmtes i anzugeben. Man ‚fieht wohl, daß
im diefen Schulen theilweife Gegenftände gelehrt wurdenl,) welche
zu. den: fogenannten freien Künften gehörten‘, und, felbjt bei den
ülteften ı Umiverfitäten in der’, fogenannten: artiftifchen. Fakultät
vorkommen; deren; Burfen in den. erften Elementen (in Sprache,
aıch "Geometrie 2.) Unterricht, gaben. ‚Eine; beftimmte Einrich-
tung sin diefen Schulen war wohl gar nicht vorhanden. ..&g
genüges daher, über das Lehrperfonale., und, defien. Betrauung,
über die Lehrgegenftände und über. die An ‚Einiges
u (bemerfen; |
‚Beiden Domfchulen ftandı an der Spike des Rehterperfonal
we n Scolaftig, In Briven fommt, der Name; und fommen, die
Männer, welche das Amt verfahen, im) XI. und. XII Jahrhun:
dert: wiederholt wort). Vierthaler gibt die. Reihe der, Ecvlafti-
fer: zu Salzburg vom Jahre 1198 bis: 1459. tr
Sie beforgten nicht blo8 den Unterricht, fondern auch die
Erziehung, übten väterliche Gewalt über die Schüler, wohnten
wenigftens in den frühern Jahren mit denfelben in einem Ge-
bäude, fchliefen in. ihrer, Mitte, forgten., für Kleivung und Koft
u. |. m.9: Doch mußte diefer Dorjtand, wenn die Schüler-
1) Einnader? Beiträge. MI. B. ©. 415. 644. 649. IV, ©1178 ıc.
Bom' Sabre 1150-1174 3. B. war Richyer ,ıwom Sahre 1185 bis
1213 Conrad Ceolafticus in Briren.
ee Das Salzburger Concil vom Sahre 1569 beichreibt ihrei Bflichten
jo: Summorum Scholasticorum munus estsuis scholis. de catho-
ı lieis “piis, ‘doelis. ac, {.diligentibus ludimoderatoribus ‚providere,
scholas saepe et scholares, presertim praebendarios visitare, et
quae illis prelegantur lectiones et quomodo in,siudiis et moribus
b» proficiunt ‚; intelligere. _Sint; quoque sollieiti, ut, studiosi.., sub
| = Yurgg et! ‚correctione maneant BOGORE TAN Dalham ‚pag.
13
= ‚Bi zu
zahl größer war, "Gehülfen Haben, die magistri, ludimagistri,
rectores, praeceptores, didascali ete, hießen, — Benennungen,
welche in frühern Zeiten auch den Seolafticus) bezeichneten. In
Salzburg fommt um das Jahr 1223 der erfte Unterlehrer unter
dem Namen Gantor vor!). An folchen Gehülfen war feit dem
XI. Jahrhundert fein Mangel, da nach dem’ Geifte jener Zeit
die fogenaninten vagi scholares, eleriei, fahrende Schügen, Bachan-
ten, Galliarden entftanden, welche in’den folgenden Jahrhun:
derten auch ale Mahler, Sänger und Abenteurer aller Art
Länder durchzogen, Unterricht anboten, und Jugend und Bolf
betrogen. Der Hl. Gotthart reichte ihnen fchon‘ Almofen,
duldete fie aber nur drei Tage im Stifte). "Priedrich "IEn,
Erzbifchof von Salzburg, befahl im Jahre 1274 fie als
Verbrecher zu behandeln, und Conrad IV. machte gegen fie
im Jahr 1290 noch fchwerere Anordnungen Y. Zur) Ber
mehrung der Echulen dürften fie beigetragen haben, da man
fie leicht zum Lehramt dingen fonnted). Allein bei ihren ‚oft fehr
fehlecäten Eigenfchaften war der Gewinn schwerlich ‘groß. und
ihre Einfluß Häufig fehlechtH). Im Salzburger Coneil’ vom Jahre
1569 fommt daher auch die Vorfchrift vor, daß, wer al&.Lehrer
angeftellt werden will, fich über Religion, Gefchielichfeit, Karaf-
1) Rumpler 1. ec. ©. 27.
2) Vita Gotthardi pag, 492 bei Bierthaler 1. ce.
3) Das Eoncil von Salzburg bei Dalham fehildert fie fo: publice
nudi incedunt, in furnis jacent, tabernas, ludos, meretrices fre-
quentant, peccatis äsuis victum sibi emunt, inveterati sectam
suam non deserunt etc. Bergl. Rumpler ©. 29 ff.
4) In Briren heißen nocy zwei Benefiziaten bei der Domkirde, deren
Pfliht in frühern Zeiten das Schulhalten war; locatus: major,
locatus minor,
5) Sm Sahre 1307 wurde der Pfarrer zn Darenbah in Pinzgau
irregulär, weil er feine Gefchäfte, namentlich das Schulhalten
folhen Leuten überließ, und liederlich lebte —ı nad) Vierthaler
l.e. Sm Sahre 1456 Flagt Bifchof Typold'' von Lavant bei Erz-
bifhof Sigmund gegen die Adelichen; instituunt et destituunt ad
‘voluniatem suam campanatores et magistros 'scholarum;, placeat,
an displiceat plebanis. Dalham. 4
er se
ter \und Lebenswandel ausmweifen mußt). In’ Bogen Fanten im
Sabre 1424 nebft- dent Schulmeifter' auch der 'Succentor "oder
Sunfmeifter und eine Art Gehülfen und Präparanten: unter dem
Namen: ' Großgefellen‘ vor." Der, Schulmeifter und »Euecentor
mußten bei ihrer Aufnahme dem PBfarrernund dem IRRE IR
nr der Gemeinde Gehorfam: geloben: 20. 2.
28 Betrauüing fün fein Amt‘ hattevder Scolafticus feiie
Sräbenbe, womit en wenigftens in Brivenvauchdie Schulbedürf-
niffe »beftreiten follte 3). Die ihm untergeordneten oder! gemiethe-
ten Lehrerinbezogen ihren vertragsmäßigen Lohn, "der natürlich
verfchieden "war, und’ wozinn vorzüglich" ein? Schulgeld‘ gehörte.
Diefer Lohn: fcheint im Allgemeinen nicht feht groß 'geiwefen zu
fein. Im Stifte Benediftbayern bezog. der Schulmeifter im Jahre
1489: “beiläufig, den ı Lohm des Unterfochs 9, zu Tegernfee im
Sahre 1578 in Geld) 20 fl. ‚dann ein Fuder Het ‚die tägliche
Koft. im Klofter, und jeverMahlzeit ein Gefelenbrod, alle Tage
wei Brod zum heimtragen,) täglich" 1% Mesen Waigen' und 1
Meten Gerfted) 5 zu Salzburg bei S.Beter unter dem für Die
Schule‘ eifrigen Abt Benedikt im Jahre‘ 1575 jährlich 40 Pfo:
Pfenning, den Tifch wie Richter und Sefretär, von den Schülern
den. MWochenpfenning;, alle Tage drei Mapl Wein und ein
Laibl Brod zum heimtragen 9. Zu Briven wurde imnSahre
1579 über übermäßige Forderung des Schulmeifters geklagt,
1) Cap. V u. IX. diejes Concils. Bei Dalham.
2) Statut vom Jahre 1824 beim Stadtarchiv. il m
3) Im Kapitelprotofoll vom »Sahre 1580: fommt; vor; „„Das:Hol; für
-., die, Schuel fol für rechtwegen Herr Scholafticug geben.“‘, — ‚Man
- enihob ihn nur aus Önaden hievon.
4) Die NAuffchreibung des Abted Nareissus von DiefemZahre gibt an!
;Chock; Maister. Ulrich : VI-Gulden. ' Item Unterkoch! Jörg: III Gul-
. den ,, Hoffgwandt, ‚Kuchelbuben Christoph Hackl III ‚Sdl:, ain
- Hauslodin. Rock, II Weise Hosen, ein Juppen, II Phaidten
II par Schuech. Schuelmaister Johanes Greif II Gulden
Item II Pfd. dl. fur ain Rock „Iten’ III 8.» fur die»Hosen;, item
on VW) panı Schuech.=:,Chron. ‚Bend, bei Bierthaler. {
») Günther 1. c. ©. 141. ni
6) Nacı Vierthaler 1. c. he.
Zz
welche die Schüler vonder Schule vertrieb, und e8 wurde feft:
gefeßt, ein Adelicher fol. Quatembergeld bezahlen 30 fr. , eines
veichen Bürgers Kind 15 fr, gemeine Bürgerfinder 9 fr. —
mit: der Bemerfung, „mie vor alter der Brauch geweit“ 1). Das
oft erwähnte Salzburger Goncil vom Jahr 1569 fegt feft, der
Lehrer. fol foviel Gehalt haben, daß er Arme: umfonft unter
richten ‚Fan. In Bogen hatte im: Jahre 1424 der Schulmei-
fter den Tifch, im Pfarrhaus mit den Cooperatoren,‘ quatember-
lich von jedem Knaben 9 Grofchen, zur Zeit der Kirfchen won
jedem Knaben der erften Abtheilung 200 , der zweiten 400, ver
dritten, 600, der. vierten: 1000 "gefchlagene.: Kirfchenfern oder
Pfürfichfern d,, die Wachsferzen, welche die Knaben am Licht-
meßtage: beim Amte tragen, die Kränze, fo fie zu Oftern, Chrifti
Himmelfahrt, Bfingften und Frohnleichnam tragen, nebft bejtimm-
ten &efällen. bei: Begräbniffen. und gejtifteten Andachten „und
einen Theil: des Singgeldes der Knaben um: Weihnachten, —
der Sunfmeifter und erfte guoße Gefell täglich eine Bräbendesim
Wivum gemäß alten Herfommens, der Junfmeijter auch an ven
fünf Bafanzzeiten COftern, Bfingften, Baßnacht, Weinlefe und
Weihnachten) von jedem Knaben einen Grofchen: und‘ das
Miniftriergeld der Ehorfnaben — ausgenommen an Samstagen,
und manches andere. Im Winter mußte jeder Schüler täglich
ein» Holzfcheit bringen, ein armer Schüler Heigung und Reini:
gung des Schulzimmers beforgen, wofür er drei Vierer von
jedem Schulfnaben erhielt. Aehnliches wird auch bei den Land-
lehrern bejtanden haben, doch find nähere Angaben nicht befannt.
Welche Lehrgegenftände Carl der Große für die Domfchu-
len beftimmt habe, wurde bereits bemerft. In St. Gallen las
und ‚fchrieb. man im X, Jahrhundert deutfch, Latein und grie:
chifch, übte fich in der Dicht, Nede- und Schlußfunft, Ternte
Mufif und Sternfunde 3). Vom X. bis XVI. Jahrhundert
1) Kapitalprotofoll vom 9. Novbr. 1579.
2) Sonderbar! follten diefe Kerne zum Brandweinbrennen gerauh
worden fein?
3) Arr. 1. c. ©. 183 ff. 235.
=_ 87 —
irden "an 'größern Schulen die’ freien Pünfte gelehrt, nämlich
Trivium (Gramatif, Nhetorif, Dialefti) und Duatrivium !)
Mufik, Aritfmetif, Geometrie und Aftronomie) 2).
Zum Unterricht in der Grammatik (lateinifchen Sprache)
diente Donat, ein Grammatifer aus dem IV. Jahrhundert (de lite-
wis, 'syllabis, pedibus et Tonis, und: de octo partibus oralio-
nis) und Priscian, Lehrer der Grammatif zu Conftantinopel im
VI. ‚Sahrhundert Ceommentariorum ‚grammaticorum libri. XVII.)
— fowohl im; Original als vorzüglich in Nachahmungen und
Auszügen, vergleichen jchon Rabanus in Fulda und ‚Albertus
M. in; Regensburg verfertigte. Sie beftanden, ‚meiftens aus
trocenen Regeln, ‚die man wohl garı,in DVerfe zwang. ‚Eine
befiere Grammatif verfaßte erft Aventin im Jahre 1512. — Mit
‚der Grammatik King. die Rhetorik zufammen ‚welche ‚wohl «auch
‚die Poefie in ‚fich, begriff. Man, las Iateinifche, Elaffikerz aber
‚manche NRigorofiften wünfchten chriftliche Autoren. - Allein vom
XIV. Jahrhundert. an. hatte ‚die lateinifche Sprache oft eine, eigene
Färbung zwifchen altrömifcher und. italienifcher Sprache 3, und
war fehr barbarifch 9.» Die, Dialektik, CLogi) nach Ariftoteles
bejchäftigte, fich oft mit. fpisfindigen. Fragen 5). — Mufik war
‚befonders bei den ‚Gathedralen und in Klöftern betrieben 6).
Die Arithinetif und übrigen mathematischen Wifjenfchaften
D Bel. Ar 1. ec. ©. 260,
9) Freie Künfte hießen fie im Gegenfage zu ven ge gt ‚die
nu folgende Berfe aufzählen:
Lana, nemus, miles, nautatio, Jus, medicina
His ars fabrilis jure eonjungitur illis.
3) Vgl. Raumer: Handbuch merfwürdiger Stellen aus den Gefchichts-
r fohreibern des Mittelalters.
4) Vierthafer 1. ce. führt einige Beifpiele an,
ud 3. 8. an porcus, qui ad carnalitium ducitur, ab homine, vel
"funieulo teneatur.
6 Vierthaler führt 1. c. von verfchiedenen Stiften Männer .an, welche
3 fi hierin auszeichheten, um das Sahr 1339 fchrieb Soh. de Muris
ein Lehrbuch: Musicon. Papit Sohann VIU. erbat fi N) bekanntlich
"von Arnd in Sregit en ein organon cum artfifice , qui hoc mo-
dulari possit.
2
— «]i8 _—
wurden nicht vernachläßiget, und waren zum Theil auch wegen
der Zeitrechnung und Beftimmung der Fefte nothiwendig, die da-
mals feine Eleine Schwierigfeit machte 1).
Andere Lehrgegenftände bildeten wohl eine Ausnahme. Durch
die Preuzzüge, welche den Umfang der Kenntniffe ungemein er-
weiterten, wurde insbefondere auch das Studium der griechifchen
‚Sprache befördert.
Diefe Gegenftände mögen nun — jedoch fchwerlich in vol-
lem Umfange — auch an den Kathedralficchen und Klofterfchu-
len Tirols gelehrt worden fein
Der Brirner Benefiziat Rosbichler 2) Hatte noch ein Schul:
buch des XI. oder KIM. Jahrhunderts von der Domfchule in
Briven vor fich, welches zuerft die Anfangsgründe der lateini-
fehen Sprache aber fo feicht und fparfam entyielt, daß fie
höchftens ein Lehrer, gewiß aber Fein Schüler darin finden Fonnte;
dann folgte eine etwas beffere Grammatif, ferner ein Unterricht
lateinifche Reime (versus leoninos) zu verfaffen; den Schluß
machte die Dialeftif d. i. eine Art Nhetorif, hauptfächlich aber
Logif,. Es begriff fohin dieß Lehrbuch beiläufig das Trivium,
welches noch im XVI. Jahrhundert‘ den gewöhnlichen Lehrftoff
ausgemacht zu haben fcheint, von den man zu den hl. Weihen
und Kirchendienft überging 9). An der Bogner Schule waren
1424 fünf Loca Abtheilungen.) Gelehrt wurde in der.erften:
Tafel» Alphabet, Donatsbuchftaben, Lefen, partes (Nedetheile) ;
in der zweiten ; auetores (von denen einige unbefannte Werfe, viel-
leicht Auszüge aufgezählt werden; in der ‚dritten: ‘prima pars
1) Ueber alle diefe Fächer führt Wierthaler verfchiedene Lehrbücher aus
XI. und XIN. Sahrhundert an.
2) Verfaffer des im $. 1 erwähnten Auffages im Sammler, gef. im
« Sahre 1814.
‚3 Wenigftens, fagt die Salzburger Synode vom Jahre 1656 allgemein :
Juvenes... diligenlissime erudiantur, donec a Triyio scolastico
ad donum Dei, hoc est ad sacros ordines et ecelesiae $. mini-
sterium dieni Beteptenter, Dalham pag. 529.
——
— 19 —
Alexandri: (wohl das ‚doctrinale des Minoriten Alex. a Villa um
das Jahr 1300), in der. vierten, befjen zweite umd dritte pars,
und Graecistae speculum Grammaticae, in der fünften für Majores
und fremde Gefellen tractatus Petri Hispani und parva legicalia
(2) damit fie unterrichtet würden, auch andere Kinder zu lehren.
— Daß vorzüglich auch der Gefang Lehrgegenftand war, ift
aus dem bereits oben aus diefem Statut Angeführten Elar, ins-
befonders follen die zum ©efang tauglichen Schüler alle Sams-
tage von fünf Uhr morgens bis ein Uhr nachmittags in Ge:
fang geübt und zu höhern Fefttagen zwei oder drei Tage,
jeder nach Bedürfniß, vorbereitet werden — um Befperzeit und
vorzüglich an Feiertagen nach Effengzeit, damit fo wenig al mög-
ih von der Schulzeit verloren gehe. Auch foll fie der Junf-
meifter in cantu gregoriano unterrichten u. f. w. Der Schul-
meifter foll auch an allen Sonntagen und niederen Feiertagen
nach Efjens Zeit den Knaben im Sommer zwei Stunden, im
Winter eine Stunde im Rechnen Unterricht ertheilen u. f. w.
Die Lehrart hing wohl von der Tüchtigfeit der Lehrer ab,
und war im Allgemeinen wahrfcheinlich nicht ausgezeichnet. Einen
Beleg hievon mag geben, was Thomas PBlattner von Wallis,
ein fahrender Schüge gegen Ende des XV. Jahrhunderts, von
fich erzählt. Sein erfter Lehrer fchlug ihn, da er 9-10 Jahre
alt war, graufam übel, daß er heulte und die Nachbarn herbei-
liefen. In Breslau, wohin er fam, zu St. Elifabeth, Tafen auf
einmal: zu gleicher Stunde und in gleicher Stube neun Bacca-
laurei, — Alles wurde diftirt, hernach diftinquirt, weiter con=
ftruirt und erponirtz gedructe Bücher befaß Niemand, als der
Lehrer, welcher einen Terenz hatte. Zu Schletftädt, wo er fchon,
18 Jahre alt, beim Präceptor Johann Sapivus war, fonnte er
den Donat nicht lefen, und fpäter, in der Schule zu Zürich,
wußte er, wenn es das Leben gegolten hätte, nicht ein nomen
primae declinationis zu deeliniven, obfchon ev zu Schletjtädt den
Donat von vorn bis hinten, wie die Nonnen: den Pfalter aus-
wendig gelernt hatte.” Der Lehrer Myconius in Zürich las mit
a
-
den Schülern den Terenz voll Eifer, wobei er Insbefonders an-
führt, daß er ihm nie einen Streich gab 1).
Man fteht Hieraus, dag e8 bei dem Unterrichte fehr mecha-
nisch, berging , und insbefondere auf das Auswendiglernen ohne
Verftändnig und Anwendung der Negeln viel zu viel Gervicht gelegt
wurde... Auch in Bogen follen die Knaben der erften Abthei-
lung über Haus zwei Worte, der zweiten Abtheitung einen hal-
ben, der dritten einen, ganzen Verd, der vierten zwei Berfe
lernen. — In der Früh foll_der Lehrer den geeigneten Schülern
die Auctores erklären, um Marendzeit darliber ausfragen, auch
die fchriftlichen Arbeiten unterfuchen und Latein ausfragen. Alle
Freitag foll er Morgens und Abends eine Uebung vornehmen,
und. fie Über alles während der Woche Gelernte ausfragen, und
partes verhören. Alle Samstage foll er neue Auffeher beftellen,
welche die Übrigen im Chor, auf der Gafje und in der Schule
beobachten, und die ungebührlich fich Betragenden oder von der
Schule Wegbleibenden aufzeichnen, welche dann der Schullehrer
alle Tage ‚zur Rede: ftellen , und. ftrafen foll, damit, die, Kinder
fleißig und fromm. werden.
Auch dießfalls dringt das Salzburger Goncil vom Jahre
1559 ‚auf Berbefferung und fordert won Lehrern auch einen Aus-
weis über ihre Gefchicklichfeit; e8 verordnet „daß die Methode
ziweemäßig und von Schriften gebildeter Autoren abftrahirt 'fei,
Lehrbegierde, Aufmerffamkeit und Achtung errege %.9.
Deutfche Unterrichtsbücher gab es um fo weniger, ald über-
vb) Autographie, bei, Vierthaler. Befonders erzählt er. auch feine Noth.
Er reifte in Gejellfchaft von Bacchanten. . Wenn fie zechten, mußte
der jüngere Schüße beiten. Sm Spital zu Breslau war "er von
Ungeziefern ehr geplagt, Auf der'Neife von dort hady Dresden
trieb. fie der Hunger zum Raub, die Einen-ftahlen Brod,, die, An:
dern Gänfe ic. Den Bacchanten mußte er .Speife bringen , oder
er wurde von ihhen gegeißelt. In Ulm jagte er den Hunden dor
Hunger die Beine auf der Gaffe ab, und eine mitleidige MWitkwe
wicelte im Winter, feine erfrorenen Füße in Pelz x.
2) Cap. VII. XI.
4
haupt. deutfche: Bücher ‚felten waren), ‚und. vor Erfindung. der
Buchdruderfunft war der Unterricht natürlich noch mehr erfchwert?).
$.4.
Mill man fich aus diefen wenigen gefehichtlihen Angaben
ein Bild des Unterrichts und vefien Erfolges bis zur Zeit der
Reformation abftrahiven, fo Fann dasfelbe nur fehr unvollfom:
men, md feit Chrl dem Großen auch nicht immer das Näm-
fiche fen. Bei den Kathedralen m-Briren, Trient und Salz
burg umd den benachbarten Bisthlmern ' beftand wohl feit den
älteften Zeiten eine Schule zur Bildung der Geiftlichen, von der
aber auch Laien nicht ausgefchloffen waren. Das Nämliche gilt
von den Klöftern — wenigftens der Benediftiner — zumal in
der Nachbarfchaft Tirols. Auch Städte, namentlich Trient,
Bogen und Innsbrud, ja felbft größere Pfarrorte hatten, jedoch
faum vor dem XII. und XIV. Jahrhundert Schulen, in wel
chen vorzüglich die Iateinifche Sprache und Schreibart, dann
Kirchengefang und wahrfchemlich mehr oder weniger einiges Anz
dere von der artiftifchen Abtheilung der Univerfitäten gelehrt
wurde, "Der vorzüglichfte Zweet dabei war Heranbildung von
Geiftlichen , jedoch nicht gerade ausjchlieglih. Wer an diefen
Schulen Theil nahm, that es freiwillig mit nicht geringen Koften,
zumal -wenn.er. fich nicht dem geiftlichen Stande, wiomen wollte,
und fo lang er wollte8). In der Nachbarfchaft Tirols dürften
1) Drtholf, Fudsberger. von. Ditmaning „‚Eail.. vechten. Licenziaten‘
(Hofmeifter ‚und Sekretär. des Klofters Mondiee), der im. Sahre
1534 „ain gründlichen ‚ Flaren anfang, der natürlichen. und. rechten
u. gunft. der, waren. Dialectica‘. herausgab, entjchuldigt. fich. in der
Vorrede weitläufig, daß ‚er dieß in der deutichen. Sprache thue.
2) Ulrich von Bozen: gab im Jahre 1074.dem Klofter, Benediktbayern
einen Weinberg für eine, Liturgie ‚, welhe der, Schüler. Gothalmus
„‚geihrieben hatte, Bifchof Heinrich, ven. Trient.gab dem Abt; Wil:
leram von Ebersberg Weinberge, um ein gefchriebenes Meß: und
Lectionsbuch zu erhalten. — Mon. boic. Vol; VII pag..92.. Script.
Bel boic. Tom II pag. 47 bei Bierthaler.,,; Pergament: galt gleich
ilber. 67
3 Wenn in,manden Stiften 2c. fhon im XIL: Sahrhundert ein geord-
neter Unterricht von 12— 15 Sahrem, beftanden haben mag,;wie man
ER
jedoch Mehrere ihre gelehrte Bildung erhalten haben, als in
Tirol felbft.
Da übrigens an den Schulen jedenfalls nur Wenige
Theil nahmen, fo darf man fich nicht wundern, daß zur Zeit
der Reformation im Allgemeinen, und namentlich in Tirol eine fehr
große Unwifjenheit und eine nicht Eleine Sittenlofigfeit herrfchte.
Belege von der Unwiffenheit mag wieder die Klage des
Salzburger Eoncild® vom Jahre 1569 fein, daß Menfchen,
welche weniger wiffen, al8 Bauern, zu Kirchenvorftehern ge-
wählt werden müffen. Bifchof Andre in Briren findet noch
im Sahre 1602 einen großen Theil der Priefter in den Glau-
bensartifeln und Kirchengeboten nicht unterrichtet, und unter
100 SBrieftern faum 15—20, welche zureichenden Unterricht hat-
ten. Es herrfcht — fchreibt er — unter Angabe mancher fehr
fchreienden Daten, große Unwiffenheit, wenig Frömmigfeit, Fein
Seeleneifer 1). Und felbft folcher PBriefter gab ed Wenige; ;-
B. in ganz Stubai nur einen Pfarrer, höchftens, aber. nicht
allzeit mit einem Hilfspriefter2). Hieraus mag man ‚auf die
Umwiffenheit des Bolfes fchließen, das oft: nicht einmal das
„Baterunfer“ Fannte, und fein Vertrauen nur auf äußere Reliz
gionsübungen und. Abläfje feßte 3).
aus Verträgen über aufzunehmende Schüler auf eine gewiffe Zahl
von Sahren fihließen Fann; 3. B. zu Wenftephan auf: 10, Polling
auf 12, Scheuern auf 15 Sahre, worauf die Schüler, wenn fie woll-
ten, austreten Ffonnten (Günther 1. c. ©. 218 ff.), fo hat man
doch Feinen Beleg, daß in Tirolerflöftern ähnlihe Einrichtungen
beftanden. In Frankreih war nad Raumer (I. c. ©. 584) bis
zur Theologie ein Lehrfurs von 12 Sahren.
Sinnachers Beiträge VIT ©. 265 f. — Sch weiß nicht, welche
Kenntniffe im Mittelalter zur Priefterweihe gefordert wurten; ein
Eoncil in England vom Sahre 1240 fordert von Prieftern menig-
ftens die Kenntniß der 10 Gebote Gottes, der 7 Hauptfünden,
der 7 Saframente und deren einfachen Bedeutung. NRaumer 1. c.
©. 269.
2) Sinnader I. e. VI. B. ©. 743.
3)... ut plebeji homines vel dominicam orationem ignorarent,
fiducia omni in externae pietatis exercitationibus quibusdam et in-
dulgentiis collocata. — Caspari Historia Lutheranismi in Salzburg.
Mir. bei Vierthaler ©. 161.
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Die Umviffenheit Hatte natürlich eine eben fo große ©it-
tenlofigfeit zur Begleiterin und Folge, weßwegen über Bifchöfet),
Domkapitel 2) und Briefters) nur zu fehr geflagt wird, bei
deren ‚Berdorbenheit fich die Sittenlofigfeit der Mebrigen wohl
von felbft verfteht.
1) So fagt Puticy Collect. ad ann. 1182 unter Erzherzog Ferdinand
I. über die Bifchöfe feiner Zeit. jedoch wohl zu allgemein:
Nostrae tempestatis episcopi Praesulum nomine abrogato prope-
modum Prineipum titulo solum salutari volunt, curam pastoralem
omnem in suos, vicarios ‚eb suffraganeos rejieiunt, tanquam alie-
num sit ab officio et vocalione eorum animarum ipsis commis-
sarum saluli providere. Profanis levissimis studiis operam dant,
sacrorum librorum leetiones negligunt ... rei venereae studiosi-
simi libidimi vacant, Baccho et commessationibus ut, plurimum
inserviunt, crapulae, gulae, luxui inhiant, ‚quae instrumenta
perditionis sunt, concubinas ecclesiae bonis et pauperum obla-
tionibus ac elemosinis alunt, egenorum sudoribus impie susti-
nentur , venationibus ‚aueupiis mägis quam: divini ‚verbi praedi-
catione delectantur. De bonis, quis, dicere possit: omnes, in uno
angulo depingi posse.
2) Canonicos ferunt impudenter omni generi actionum indulgere
3
crapulando, scortando ut quidam non vereantur scorta palam
in aedibus suis facere atque ostendere tanguam hoc proprium sit
offieium canoniei ita vivere contra canones. Adulteria autem
committere, stupra- virginibus afferre, Iudum alere et jocum
itemque in luxu perpetuo et-ebrietate volutari ‚semper, id adeo
esse comune, ut, qui hoc non-faciat, parum, vel_ nobilis vel
liberalis habeatur. Symoniae autem exercendae nec modum esse,
nee finem üllum. Hoc'accedere, quod detestandam barbariem
. peperit in praeeipuis Germaniae eathedralibus ecelesiis, nullum
De
admitti doctorem, unde tantus literarum doctrinaeque contemtus
fructus sit, ut et domus canonicorum et episcoporum aulae
barbarorum hominum turbis refertae sint, nec unguam in Jis
appareat homo eruditus ete. — Wahrfcheinlich aus einen Öutadhten
an den Papft zur Zeit der Reformation. Hiftor. pol. Blätter
XIX. B. I. Heft. ©. 28,
Herzog -Albert von Bayern fehried an den Erzbifchof Johann von
Salzburg (geft. 1586): vor allem fei der Sittenfofigfeit des Kle:
vus zu begegnen; ‘denn hievon fei das ganze Verderben ausgegan-
geh. 'Casp. 1. e. Das Eoncil von Salzburg fagt: Terlius articu-
lus prineipalis ‘est de reformatione morum et vitae cleri, in
qua Synodus multum "desudavit, conferens scandalosam cleri
'vitam cum periculosis illis'temporibus, ‚simulque considerans,
quam 'grave''et ferme impossibile sit, omnes clericorum exces-
-
vn
Andererfeits waren in Folge der Kreuzzüge, des Auflebens
der elaffifchen, Studien in Italien und anderswo, der: Erfindung
der Buchdruderei, des Aufblühens der Univerfitäten 26. vorzüg-
liche Elemente der Aufklärung vorhanden, die auch competente
Autoritäten, wie 5. B. die Concilien von Gonftanz und) Bafel
und von Salzburg zu verbreiten fuchten. Im erften wurde bes
fanntlich auf Bildung der Geiftlichen gedrungen und vorgefchrie-
ben, daf der fechste Theil der anonicalpfründen adelicher Stif-
tungen an Graduirte, und Pfarreien von: 2000. und mehreren
Beichtfindern an Doftoren oder Licentiaten der hl, Schrift ver-
geben werden, und nach dem Goncil von Bafel foll_ der dritte
Theil bei Kathedral- und Collegiatfirchen graduirt fein. Das
Eoneil von Salzburg voronet an, daß zu Salzburg, Freifing,
Paffau, Regensburg und Briven Gollegien und Seminarien
errichtet werden follen, und bei etwas. begüterten. Eollegiatkirchen
foll ein gelehrter und geprüfter Theolog mit der Verpflichtung
aufgeftellt werden, Prieftern, Clerifeın und Schülern, welche
eine Univerfität wegen Armuth nicht befuchen Eönnen., ‚täglich
eine Stunde morgens die hl. Schrift zu erflären, "und in der
Liturgie und Paftoral Unterricht zu ertheilen.
Da nun auch, Kaifer Maximilian I., an den Tirol. nach
Erzherzog Sigmund gefallen war, und Ferdinand I. die Un-
wifjenheit als vorzüglichfte Duelle der durch die Neformation
herbeigeführten Verwirrung anfahen, und indbefonders: in. Zirol
die Nothmwendigfeit im hohen Grade hervortrat, der Unwiffen-
sus et delicta cum impetu quodam (wie, Erzb. Matth. Lang früher
wollte) et quasi tyranide 'emendare. Dalham 1. c.. ©. ..300.)
Schon im Jahre 1224 am 18. April verfammelte Bijchof Gerard
von Trient — Canonicos, archipresbyteros, praelatos. ‚presbyte-
ros et clericos ‚civitalis et episcopatus sui , ; . qui, sciant, se in-
eidisse ‚in canonem latae sententiae per Dm ostiensem episcopum
tune summi pontifieis legatum . .. contra clericos concubinarios
— zur Abjolution nah Belenntniß ‚der Schuld und Verfprechen
der Beflerung. Omnes infrascripti confessi fuerunt,, quilibet per
se, incidisse etc. — Sn der Urkunde mangeln jedoch die Unter-
jehriften, Codex Wangianus von Kink, Wien 1851 ©. 337.
a wa
heit, umd „der daraus ‚entfpringenden Sittenlofigfeit, und, fo der
Verbreitung der Reformation und den Unruhen zu fteuern 1);
da: Übrigens beide Raifer Gelehrte, um fich ‚liebten, fo war: wohl
auch für Zirol der Zeitpunft: gefommen, in welchem der. Unwif-
fenheit und WVerdorbenheit abgeholfen werden follte ; und ..es it
nun anzuführen,. wie. dieß. vorzüglih auch, durch Einführung
eines befiern, Studiums, an welchem Alle Theil nehmen fonn-
ten, gefchehen ijt.
$. 5.
Der erite Faif. Plan?), das Studium zu verbeflern, ging
dahin, in Innsbrud eine Propftei mit. Unterricht zu errichten.
68 follte ein Eollegiatftift mit „20 Ganonifern und einem PBropft
an der Spige entitehen, an welchem wenigftend von zwei gelehr-
ten und graduirten PBrieftern der Jugend öffentlicher Unterricht,
1) Bergleihe Gefchichte Tirols von Thaler ©. 255 ff.
2). Eine freilich fpätere Infchrift über dem Hauptthore der Hoffirche
(autete: Maximilianus I. fundavit, Ferdinandus I. dedicavit, Leo-
poldus I. exornavit. Zum Zeit wo diefe Snichrift verfaßt wurde,
jo. wie: von nachherigen Shriftftellern, wurde daher diejer Plan
Ihon dem Kaijer Marimilian zugefchrieben. Allein Zeschi Befchrei:
- bung von Innsbruf, Mic. in der Bibl. tyr.) und andere be:
merfen, daß man in den Briefen Ferdinands von einem Befehle
feines Großvaters. diefen Bau zu führen nichts ne Aber Erz:
herzog ‚Ferdinand , Sohn des Kaifer Ferdinande IL, fagt in. feinem
Teftamente vom Sahr 1570: er wolle in der Rirce zu Snnsbruc
begraben werden ‚fo nad) ordnung Kaifer Marimilians unferes
Herrn und Anheren ... gepaut und geftift ift.”“ CDenfmahl-der
Kunft und. des Alterthums in der Kirche zum hl. Kreuß. in Inne:
bruf 1812 ©. 69). Und Erzh. Leopold. jagt in einem Erlaffe vom
21. Sept. 1626: ,‚Euc) ift bewußt, daß unjer, Ururanherr, Kaifer
Marimilian I. ain Stiftung Geiftliher Perfohnen . . . verordnet,
melde Verordnung und ‚Stiftung. unfer . geliebfter . Anherr
Kayfer Ferdinand I. mit erpauung des Gottshauf und Elofters
zum hl. Creug,allhier ..... in, das. werk gerichtet.” „1... ©. 7.
Will man daher den Plan, eine Studienanftalt in Snnsbru zu
erridten,, nicht auf Kaifer Maximilian, von welchem ein folcher
„ Gedanken wohl nichts unwahrfcheinliches hätte, fondern, nur auf
Kaifer Ferdinand I. zurückführen, fo fchreibt, fich doch der. Plan,
in Snnsbrud eine Kircheac. zu.erbanen, gewiß von Marimilian her.
= MW =
befonders in der Hl. Schrift ertheilt werden follte, um dadurch
gefittete umd gelehrte Priefter zu erhalten. In dem Stifte foll-
ten zugleich 20 arme Studenten über 14 Jahre alt, und im
im Latein fchon unterrichtet und zum geiftlichen Stand geneigt,
Unterhalt und Lehre finden. Unter dem 2. Juli 1549 gab Fer-
dinand von Prag aus der Regierung und Kammer den Auf-
trag biegu. Das Collegium war in die Nähe der Pfarrfirche
beantragt, wovon man aber bald abging, und in der Eillgaffe,
nahe bei dem Wappenthurm und Stadtgraben, zur Ehre Maria
Himmelfahrt, die Kirche und das Collegium bauen wollte. “Der
erfte, dem Kaifer Ferdinand in rag vorgelegte Plan mit
18,710 fl. war dem Kaifer zu Fein, daher ihm im Jahre 1553
ein anderer mit den präliminirten ®often von 32,032 fl. 34 fr.
vorgelegt wurde, Die Kirche follte zu Ehren S. Crucis einge:
weiht werden. Zur Ausführung wurden 7 Wohnungen gefauft
und abgetragen, und das Gebäude vom Jahre 1558 bis 1563,
jedoch nicht vollftändig, aufgeführt, mit einer Summe, welche
den Ueberfchlag bei weiten überfchritt. — Nebjtdem hatte der
Kaifer Ferdinand 1) unter dem 25. Mai 1560 bereitS den Ent-
ichluß gefaßt, auch den Jejuitenorden nach Innsbrud zu berufen,
der befanntlich damals im Aufblühen begriffen war, wobei er das
Berfonal des Gollegiatftiftes auf 12 Canonicos mit einem Propfte
und 12 Stipendiaten vermindern wollte. Allein, obfchon man
zuerit nach Niederland, dann an viele andere Orte fich hinwen-
dete, um einen tauglichen Propjt und gefittete Canvnifer zu er
1) Ferdinand jchrieb unter den 25. Maui 1560 an die Innsbrucker
Regierung und Kammer, daß er gefonnen fei „zu mererer Fürde:
“rung der Ere Gottes und erhaltung der waren alten chriftlichen
catholichen Religion nit allein den angefangenen neuen Stftbau
in das Werf zu richten, fondern auch darzue ain ordentlich fchuel
zur auferziehung und Unterweilung der Sugent in gueten Künften
in literis, artibus,. philosophia, theologia und riftlicher Zucht
und gueten Tugenden anzurichten,, und die Gefelljchaft der Sejui-
ten darzue zu gebrauchen“, worüber von der Regierung ıc. zu be:
richten fei, was unter den 20. Dftbr. 1560 nach Eonferirung mit
den von Augsburg berufenen Sefurten Camfius md Fanajus vor:
fäufig geichah. Statthalterei:Regiftratur.
an
halten, fo war doch alle Mühe umfonft, und das vollendete
Gebäube wurde lediglich den Franciscanern, deren General Zamora
der Kaifer deßwegen nach Wien berief, und zwar zuerft jenen
der Provinz Venedig, übergeben 1). Die Kirche wurde am
14. Februar 1563 vom Bifchof Georg Drasfowig von Fünf-
firchen in Gegenwart des Kaifers und feiner fünf Töchter
eingeweiht 2).
Erwiünfchteren Erfolg hatte Dagegen die Verhandlung wegen
Einführung der Jefuiten, für welche der Kaifer fchon aus früher
ver Befanntfchaft mit einigen Oliedern des Ordens eingenom-
men war.
Als nämlich der Cardinal- Moron ein befonderer Freund
und Beglinftiger des hl. Ignatins im Jahre 1541 nad) Negens-
burg reiste, begleiteten ihn zwei der erften zehn Gefährten des
Drdensftiftes, nämlich Nicolaus Bobadilla, ein Spanier, und
Claudius Jajus von Genf. In Innebrud, welches fie durch-
reisten, wurde Bobadilla duch eine Krankheit zurkcdgehalten,
und da lernte ihn Ferdinand I., damals noch vömifcher König,
der eben mit einigen feiner Kinder in Innsbrud anwefend war,
fennen, Der Kaifer wurde bald fo für ihm eingenommen, daß
er, ihm mit fich nach Wien nahm, um ihn zu verfchiedenen geift-
lichen Angelegenheiten in der. damals großen Bafjauer-Didcefe
und in Studienfachen zu benügen 3). Zur Aufnahme der Ge
fellfchaft Iefu in Defterreich ‚beftimmte fich der Kaifer im Jahre
1550, wo ihn zu Augsburg Urban ,Bifchof von Laibady, fein
Beichtvater, auch den Yefuiten Jajus vorftellte, der im Jahre
1549 mit Salmorno und. Ganifius zu. Ingolftadt Theologie
1) Chroniecon de principiis, ortu et progressu Provinciae tyr. Fra-
trum min. Refer. Camp. 1753 pag. 99.
2) Srint’8 Zeitfchrift KIM. Sahrg. I. Bd. CS. 249.
3 Vienae conciones lectionesqne sacras palam habere coepit —
fagt unter andern die Historia S. J. Dec. I N. 34 ff. Später
mußte er Deutfchland verlaffen, weil er Wilhelm IV. von Bayern
zur Nichtannahme des „Interim“ beftimmt haben foll. Lipomefy:
Gefhichte der Sefuiten in Bayern. I. B. ©. AT.
_ B—
lehrte.1). Ferdinand fchrieb an den Ordensitifter und. an Papft Ju-
lius IM. um Dxdensglieder, welche junge Leute in den. Wiffen-,
fchaften unterrichten und zum lautern Wandel hevanziehen foll-
ten2). Am 31. Mai 1551 zogen 11 Glieder der Gefellichaft
in Wien ein; im Jahre 1556 eröffneten, fie ihre Schulen in
Prag, und im Jahre 1560 wurde vom Kaifer, auf, Andringen
feiner 5 Töchter 3) und unter Einwirfen des berühmten SBeter
Banifiusd), mit dem Sefuiten-General Laynes dahin verhandelt,
daß noch im. nämlichen Jahre Canifius mit Lanojus_ nach, Inns-
brud kam, um die Einführung der Gefelfchaft in Tirol in Ord-
nung zu bringen. Die Folge war, daß im Jahre 1562 das
Gpmnafium in Innsbrudf eröffnet werde, im Jahre 1573 ein
Sefuiten-Öymnafium in Hall errichtet, im. Jahre 1624. der
Orden nach Trient, vorzüglich des Öymnafialunterrichts wegen,
verpflanzt, endlich im Iahre 1649 auch in Feldficch von den
Sefuiten der Gymnaftalunterricht Ibernommen wurde 5). Weberall
verführen die Jefuiten nach ihren eigenen Vorfchriften in den
1) Günther I. c. I. B. ©. 107.
2) Hutter: Gefhichte Ferdinand IL 1. c. ©. 250. |
3) Gewöhnlich die fünf Königinnen genannt, ‚Siewaren: Margeritha
Helena, Magdalena, Stifterin des Damenftiftes und Gymnafiums
in Hall, Barbara, fpäter Gemahlin Alphons I. von Ferara, und
Sohanna, nachher mit Herzog Franz von Florenz vermählt.
Geboren zu Nimmwegen im Sahre 1523 und im. Sahre 1543 „in
die Gefellihaft Sefu aufgenommen — einer der größten Befdrderer
des Ordens in Deutichland, wo er auch erfter Provinzial wurde.
Bebannt und fehr. berühmt ift feine: Summa doctrinae'christianae
— ‚uerft gedruckt in Wien 1554, wo aud, der Auszug derjelben
erichien, für welchen fi noch der berühmte Sugendfchriftfteller
Ehriftoph v. Schmid bei feinem Religionsunterricht entichied. —
(Erinnerungen aus meinem Leben ıc. von Schmid. TI. B. Augsb.
1853 ©. 158 ff.) Canifius ftarb im Jahre 1597 zu Freiburg in
der Schweiz. |
5) Auch nad) Salzburg würden die Sefuiten im Sahre 1564 'vom
Erzb. Joh. v. Khuen und fpäter im Sahre 1612. von Marcus
Sitticus, eingeladen. Im, Jahre 1615 wurden in den dortigen
Öpymnafialfchulen die Lehrbücher der Sefuiten Alvarıs, Gretfcher,
Canifius gebraucht. Wgl. Vita Canisii von Kader. Historia S. J.
Germ. sup. bei den einfchlägigen Sahren. Gefchichte des Chriften-
thums in Defterreich und Steiermark von Klein IV. B. ©. 127 ff.
Ha
—
a
"Stupien ‚welche fich fehr bald zu einem förmlichen Syftem ge-
bildet Hatten, das nicht bIo8 das reine Studium, fondern wenig-
tens auch Winfe zur Erziehung enthält, und in der Anwendung
die Bildung zu einem Fatholifchen Karakter beswedt 1). Und da
auch die fchon Früher beftandenen Lehranftalten und die fpäter
entftandenen Gymnaften in Meran und Noveredo den Lehrplan
der Sefuiten theils ganz, theild Yvie Brixen in der Haupt-
fache annahmen, fo muß hier aus''der Lehriweife der’ Jefutiten
wenigftens dasjenige angemerkt werden, was von befonderm
Einfluffe auf die Bildura ihrer Schüler, und fohin wohl des
Landes Tirol zu fein fcheint.
$. 6,
Der Orden: hatte fich, befanntlich vorzüglich. die Aufgabe 'ge-
ftellt,, der fogenannten Reformation entgegen zu wirfen...Hiezu
‚wollteuer'fich bald insbefondere des; höheren Unterrichtswefens
und. namentlich‘ der artiftifchen Fafultät und Theologie bemäch-
tigen. Da zur Zeit der Reformation in diefer. Fakultät das
Studium‘ der römischen und griechifchen Elaffifer seine befondere
Schägung ‚gewonnen hatte, fo ergriff die Gefellfchaft der Iefui-
ten dasfelbe — namentlich ‘das Studium der lateinifchen Claf-
fifeer — um fo’ eifriger, als. fie fich ihren Einfluß: hiedurch
ficherte „eine ‚gefährliche Wendung Diefes Studiums. verhütete,
"und insbefondere die lateinische Sprache der römischen Kirchen zu-
Jagte..»,Dieß Sprachftudium machten: die Iefuiten zur vorzüg-
lichen Aufgabe in ihren Gymnaften. Cuntern Schulen), welche: fo-
hin von der artiftifchen Fakultät sausgefchieden wurden, und eine
eigene Sphäre erhielten. — Siergaben: den, Öymnafien ferner
weine‘ fefte-Einrichtung durch die Eintheilung in Elaffen. | Anfangs
führte Banifius nur vier Elafjen ein unter den Namen: Aheto-
"ri Syntar; Grammatik, Rudiment. In Zirol Fam’ aber fchon
zu Jahre 1582 eine Humanitätsclaffe di Hinzu Die
» Man lernt es osehali As ihrer Ratio ar instruetio -studiorum
98. J Rennen, die zuerft 1635 in MOLROL HEN, zulegt Romae 1832 'ge-
Dre wurde
a
Vollendung erreichte ihre Studieneinrichtung durch, eine im Jahre
1584 von. ihrem. Generale Aquaviva in Rom zufammengefegte
Eongregation von 6. Ordenggelehrten, deren Anficht ‚nach. reifer
Berathung zur Begutachtung und Modificirung nach, den ört-
lichen Berhältnifien der. verfchiedenen DOrdensprovinzen mitgetheilt
wurde. Sm der oberdeutfchen Provinz, zu welcher Tirol gehörte,
gefchah im Jahre 1586 zu Dillingen die Berathung, an wel-
cher. ‚der, berühmte Pontanus nebft den übrigen hervorragenden
Schulmännern der Ordensprovinz, Antheil. nahm. Im Jahre
1594 fam von Nom der neue Studienplan, . nach welchem für
das Gymnafium die 5 Glafjen blieben, jedoch bemilliget: wurde,
daß man die Grammatif in zwei Abtheilungen Iehre, wornach
ihr Gymnaftalftudium folgende Clafjen in fich begriff: 1) Nhe-
torif, 2) Poefie, 3) Syntaxis major, 4) Syntaxis minor, 5)
Grammatit, 6) Rudiment. Gewöhnlich beftand auch noch eine
Vorbereitungsclaffe, welche wenigjtens in Innsbrud im Jahre
1416 begann, jedoch niemald von einem Ordensmitgliede, fon-
dern immer von einem Weltypriefter verfehen wurde.
Zu ihrem Unterrichte brauchten fie theils Worlefebücher,
theils und vorzüglich Claffifer, und wohl auch Hilfsbücher.
Präfeet Rigler hatte noch drei Bücher mit der Auffchrift
vor fih: in 'usum collegii S. J.. Oenoponti 1563, und im. \in-
nern Dedel mit: der Bemerfung : approbatus 1578, ‚in, welchem
Jahre: auf Befehl Gregors KIM. und des Jefuitengenerals bie
Bücher unterfucht, und von eingefchlichenen Keereien gereiniget
werden mußten. Alle drei Bücher gehörten für die Höhern Elaf-
fen, und die zwei erften waren Schriften des Cicero mit Bei-
gaben fpäterer Gelehrten, das dritte ein in Nom verfertigter
furzer Unterricht zuc ganzen Redefunft.: Das zweite warı zum
Theil Fein eigentliched Borlefebuch, fondern enthielt Elaflifer. zum
Erklären ae. Aber auch das erfte enthielt in der) Wefenheit
Eiceros Vorfchriften über die Redefunft 1). ‚Die damaligen Bor-
lefebücher für die untern Glaffen, wenn doch folche beftanden,
1), a)L: L. Rhetorieorum ad Herenium, dann de inventione, mit Anz
merfungen von Langolius; — de partitione oratoria und: de,optimo
u
feinen ‚eben ‚nicht pafjend gewvefen zu jein!). Bald jedoch. ver-
faßte der Orden feine eigenen Bücher, und zwar für die Gram-
matifalclafjen fchrieb Alvarus,. defien Buch 1599 gebraucht
wurde; für die Nhetorif gab ‚Cypr. Sparius feine ‚praecepta
aus Gicero und Duintilian heraus; und die Institutiones des
berühmten ‚Gretfcher. für. die griechifche Sprache. hielt: man. für
volljtändiger und zwedmäßiger als jene des Gollius, Melanch-
ton, Erufius und Weller 2),
AS Lefebücher gebrauchten, fie vorzüglich. die Tateinifchen
und griechifchen Claffifer, welche jedoch den Schülern nicht voll-
ftändig, fondern nur in Ausgaben und Auszügen in die, Hand
gegeben wurden, in denen die für die Jugend anftögigen, Stel
len, durch Auslafjungen oder. pafjende Veränderungen - unfchäd-
lich gemacht, aber auch die Anwendung der Regeln durch An-
merfungen gezeigt wurde 3). , Solche, Ausgaben beforgte Pon-
tanus, Juventius, Wahl, Rüäus x. Zu den Glaffifern Famen
jedoch ‚die vom Pontanus im Jahre 1589 verfaßten Progymnas-
mata in. vier Abtheilungen, d. i. Gefpräche — nach der Bor:
genere oratorum mit Bemerkungen von Strobaeus und Georgius
Valla. Exeudehhat Joannes Gymnicus, Coloniae 1539.
b) Offieia Ciceronis per Erasmum Roterodamum cum aliis — näm-
lid: somnium Scipionis, et graeca traductio Theodori Gazae
in senectutem et somnium,‘ Beigebunden war: veterum aliquot
de. arte ;rhelorica .traditiones. Beide Basileae in aedibus Jo.
Frebonii , erftered 1520, legteres 1521.
''e) De utraque copia verborum et rerum praecepta unacum exemplis
dilueide brevi 'examine conprehensa. Vienae Austriae in aedi-
u, bus collegii caesarei S. J. Excudebat Raphael Hofhalter 1561.
1) Wenigftens jagt Wilhelm von Bayern im Jahre 1584 in der In:
ftruftion zur Erziehung feiner Söhne, der Sefuiten Grammatik fei
nn sofehmer, lang und verdrießlich, \dazue viel Zeit, bis fie recht. begrif-
‚fen und, angenommen wird, bedürftig ift, da doch eine folche Fänge
dergleichen Studien nicht erfordern folte. Günther I. c. I. Th.
©. 206.
2) Lipsii epist. 'selec..30 ad Rader,
. 3), Daher erklärt fih die dem Buchbinder Theobald Ludwig zu Wien
unter den 7. Dft. 1728 ertheilte Erlaubnig außer den ordentlichen
Schulbüdhern separatim integros auctores classicos eines guten
Drudes in Vorrath zu führen.
bb —
rede pro utroque fine sermonis et rerum — mit einer Menge
von Nealfenntniffen, — im erften Bändchen über Piterärge-
fchichte der Claffifer, im zweiten über Gottfeligfeit und Höflich-
feit, im dritten über veligiöfe naturhiftorifche und technifche,
fo wie im vierten Tıber verfchiedene andere Gegenftände — ein
Buch, das felbft in einigen proteftantifchen Lehranjtaften einge-
führt wurde 1). — Dufren’s Weltgefchichte und Exrvbefchreibung
erfchien erft im Jahre 1736, und fam ald Lehrbuch diefes neu
eingeführten Faches in Gebrauch,
Als Hilfsbücher wurden verfaßt: Pomay: cornu 'copiae,
Wagner: phrasiologia, Synonima zur Verfefunft, DBIeR,. lexi-
con graecum u. f. w.
Mad) Lipowsiy’s, welcher jedoch das Griechifche sffenbar
um eine Clafe zu früh anfest, und in der Syntaxis minor irrig
wegläßt, wurden — mit Berbefjerung diefes Verfehens — ge-
(ehrt und erklärt:
1) in ver NRudiment: Tateinifche Sprache — lin
Fabeln, Bontanus, Ciceros vertraute Briefe ;
2) in der Grammatif: lateinifche Sprache — Cornelius
Nepos, Bomponius Mala, Florus, PBontanus ;
3) in der Syntaxis minor: Jlateinifche Sprache, Anfänge in
der griechifchen Sprache — Curtius, Cicero de officiis , Briefe
des PBlinius —- das neue Teftament im Griechifchen 5
4) in der Syntaxis major — der Unterricht über die Zier-
fichfeit der profaifchen und poetifchen Sprache in allen Redethei-
fen, — dann der Unterricht lateinische DBerfe zu machen — Eä-
far, Tacitus: Sitten der Deutfchen, Saluftius — aus dem
Sriechifchen: hl. Väter ;
5) in der Poefie — Unterricht über Eleinere Auffäße in
Proja und gebumvdener Rede (Briefe, Elegien, Chria, Epi-
‚gramata 2), Livius, Annalen des Tacitus, Martial, Horag
— aus dem Griecbifchen: Thueidides , Kenophon 5 El
6) in der Rhetorik: Unterricht Über größere Auffäge, wie:
1) Günther . c.1.%B. ©. 118.
En u
förmliche Reden, carmen heroieum, dann de inventione ex locis
oratoriis, dilatatione, exornatione per figuras, de transitionibus
etc. — Eicero und Duintilian über die Nedefunft, Plinius
Rede auf Trajan, Virgil, Horas — im Griechifchen: Homer,
Herodot, Plutarch,
Der Canifius wurde in allen Glafjen gelehrt, die deutfche
Sprache diente nur als Hilfsmittel zur lateinifchen ; nicht einmal
eine deutich gefchriebene Grammatik hatte man.
Die Uebungen der Schulen in den untern Glaffen beftan-
den vorzüglich darin, Daß zu dem deutfchen Sate das lateinifche
Sprachmateriale gegeben wurde, wornach die lateinifche Eonftruf-
tion nad) den erläuterten Grundfägen herauszufinden war, wo-
bei allmählig das gefchärftefte Nachdenfen erfordert, und die
Erweiterung der Gedanfen vorbereitet wurde. In den höhern
Clafjen wurden. allerlei Auffäge in Nachahmung der erklärten
Mufter verfertigt, insbefondere aber auch durch häufige Uebun-
gen in gebundener Rede die jugendliche Ueberfülle des Aus-
drudes befchnitten. Gedächtnigübungen, namenlic, in den Ber-
jen de generibus,nominum, praeteritis et supinis verborum, pro-
sodia und überhaupt in Erlernung der Regeln aus den Vorlefe-
büchern, aber auch im Memoriven ganzer Stellen aus Claffifern
und anderen Meiftern fanden fehr häufig Statt.
Man fieht, daß, befonders auf Fertigfeit im Latein, dag
auch ‚außer der Schule häufig Gonverfationsfprache war, und
auf Hebung in Auffägen nach den lateinifchen Meiftern, vor-
züglich nach Cicero hingearbeitet wurde N).
1) Wer fi) über die Art des Sefuiten-Öymnafialftudiums bis auf das
Fleinfte Detail unterrichten will, findet in der Bibl. tyr. einen im
Sahre 1721 oder 1722 gefchriebenen Auffag über das Borgias Haus
in Hall, in welhem die Unterrichtsweife durch alle Elaffen hin-
durch jo genau bezeichnet wird, daß fogar mehrere fogenannte Ar-
gumente für verfchiedene Elaffen mit allen den Schülern zu fegenden
Sragen über jeden Redetheil vorkommen.
3
A
$.7.
Zur Beförderung der Sittlichfeit dienten die gewöhnlichen
Uebungen des Gebetes vor und nach der Schule, die tägliche
Meffe, die monatliche Beicht 1) und die jährlichen Geiftes-Uebun-
gen um DOftern. Jeden Samftag ward auch das Evangelium
erflärt.
Der GymnafialPräfeet (Vorftand) hatte befondere Sorge
auf die Sittlichfeit der Schliler zu tragen; unter den Profefforen
waren einige Auffeher auf den Gängen, und felbft unter den
Schülern die bewährteften — Auffeher in der Schule — deeu-
riones. &igene Gymnaftalgefeße wurden den Schülern am An-
fange des Jahres eingefchärft, und in der Schule angeheftet 9.
Großes Gewicht legte der Orden auf die marianifche Con-
gregation zur Verehrung Marieng nach dem Beifpiele der Do-
minifaner und Franziskaner, deren erftere diefe Verehrung durch
den NRofenfranz, lestere durch das Scapulier beförderten. In
Innsbrud und Hall wınde diefe Congregation im Jahre 1578
errichtet, und von Gregor XII. mit der römifch-fölnifchen ver:
einigt. Zwerf war die Beförderung der Verehrung Mariens
durch eigene Gebetsübungen und Theilnahme an beftimmten
religiöfen Zufammenfünften. Die Mitglieder waren in einem
eigenen Buche verzeichnet. Bei derfelben beftand ein PBräfes,
der gewöhnlich ein Jefuit war, ein Bräfeet mit Affiftenten, Gon-
jultoven, Sefretären an feiner Seite, welche wie zu bürgerlichen
Aemtern von den Congregationsmitglievern gewählt wurden.
1) Seit dem Jahre 1657, wo der Papft hierauf einen Abla$ verlieh;
früher geichah fie alle höhern Fefte, und am grünen Donnerstag.
Ueber die verrichtete Beicht war. fich mit einem dem TanmRohle
zu überreichenden Zettel auszumeifen.
2) Darin heißt ed unter ‚andern: Mane hora-quinta lectos deserunto,
quartam horae partem precibus danto ,. . . solutis scholis hora
otio data cum Musis in graliam redeunto.... Octo non amplius
horas somno largiuntor , nisi valde sint parvuli' etc. Nigler,
Gejchichte des Zrinsbrucer Gymnaftums, aus welcher hier viele
Einzelnheiten genommen find.
= m =
Die Koften auf ‚Licht 20. desften die freiwilligen Beiträge, die
namentlich am Fefte Maria-Verfündigung gegeben wurden, und
bei einem Ueberfluffe auch zur Anfchaffung von Erbauungs- und
Studien-Büchern für arme Studierende dienten. Die Congre-
gation theilte fich wohl auch in mehrere Zweige nach den Stu:
dienftufen.
. Enolich liebte dev Orden an jeder Studienanftalt ein Convict,
worin die Studierenden unter beftändiger Aufficht und Leitung
ftanden. Ueber die Einrichtung. diefer_ Convicte. (seminaria ex-
terna) beftanden fehr detaillivte WVorfchriften, Die wenigitens be-
züglich des onvictes in. Hal, (Borgias Haus) in: der- bibl. tyr,
aufbewahrt find 1)., Der Orden trug auf diefe Convicte, eine
vorzügliche Sorge, und al in einigen &onvicten, Unordnungen
eingerifien waren, fchärfte felbft der General unter dem 24. Mai
1), Hier nur, Einiges. Unter. den allgemeinen Regeln fommt u. a.
vor : Latinae. linguae;usus ‚apud ‚omnes perpetuus sit, ac contra
hunc delinguentes, non abeant. impuniti. — Sceiant,‚omnes, se a
seminario dimittendos esse, si e gymnasio aut, congregatione
B..M.. V. ejecti fuerint.' — .$n den befondern ‚Regeln heißt es
über Frömmigkeit, unter andern ;, Quisquis habeat e'collo pendulas
res ‚sacras, rosarium,; libellos precatorios, ‚quales sunt leges ma-
rianae.,, oratorium catholicum „.‚officiala SS. — imagines sacras
— SS. menstruos,, libros,‚spirituales — arma mortificationis et
similia ;. —- über Modestia — : Si pueri exeunt, pallium utrique
humero nec tamen .ori adhaereat, ‚et inferius modeste explicatum
teneatur, ‚etiam. pileus rite in capite ‚compositus feratur „ nec
tibialia, ‚ligulae calceorum dependeant, ‚aut ‚calcei luto, vel reli-
quus vestitus pulvere vel sordibus scateat. Incessus tum domi
tum foris sit moderatus, oculi comiter demissi, nee inter loquen-
dum cum majoribus in. horum faciem intenti. ‚Euntes uon jaciant
brachia nee manus, ‚sed ad medium corpus modeste explicatas
teneant. Nee sint precipites loquela, nee interrumpant aliorum
sermonem, sed, patienter audiant totum , atque tunc -responsum
modestum subjungant, Cum exereandum, sternutandum tussien-
dum, mungendi nares etc. servetur ‚modestia, quantum fieri potest.
Nee in cachinnos erumpant, sed si res ferat , ‚subrisum ‚solum
admittant. In urbe non subsistant, ante aedes, tabernas non cu-
riose eircumspiciant „ current, clament, comedant, sed silentio,
‚ quo eundum est, pergant etc.
3*+
in
1724 Abftellung derfelben und Aufftelung vorzlglicher Männer
als Vorfteher ein 1).
$. 8.
Was nod) ferner bei den Iefuitenfchulen al8 befonders be-
merfenswerth vorfam, dürfte vorzüglich in Folgenden beftehen.
Sie fuchten ihre Schüler und deren Verhältniffe genau
fennen zu lernen, um fie nach ihrer Individualität zu be-
handeln 2.
Damit die Bildung der ihnen anvertrauten Jugend nicht
durch ungeeigneten Einfluß beirrt werde, verwendeten fie befon-
dere Aufmerffamfeit über den Einfluß auf die Schüler auch
außer der Schule, der fich felbft auf die Hauslehrer erftreckte,
deren Aufftelung dem Gymnafialpräfeet vorbehalten war, und
deren Betragen fich nach eigenen Regeln zu richten hatte 3).
1) Cogor R. V. graves quaerelas exponere, quas non sine multi-
plici honoris nostri periculo et excitatis contra nos motibus
factas hincinde accepi eirca convietuum et seminariorum extero-
rum administrationem. Feruntur siquidem nonnulli eorundem
praesides suis duntaxat commodis liberaliori hospitalitati et com-
messalionibus intendere, juventutem sibi commissam contra mi-
sere habere, educationem et profectum in moribus et literis
negligere, quin et fundationes non exequi: aut pessumdare, ita,
ut non uno in Joco de his, inspectioni aliorum subjiciendis aut
fidei nostrae subtrahendis laboratum sit. Ideirco ut dignius
ejusmodi oblocutionibus occurramus, existimationi vero socie-
tatis, cui florem juventutis in plerisque regionibus tanto cum
fructu committi videmus, consulamus, magnopere desidero, ut
R. V. viros iisdem perficiendos vigiles solertes ac praeclari
exempli deligat, qui posthabitis propriis commodis ad juventutem
ex praescriplto instituendam incumbant. Abfchrift in der bibl. tyr.
Sm Convifte zu Hall war dem praeceptor rudimentorum unter
anderm vorgejchrieben: examinabit an — — sint capaces, tardi,
celeres, vagi, pigri, animati ad discendum, inquieti, timidi, auda-
ces, inobedientes, irreverentes, garruli, debiles natura, — an
timore vel amore vel honore ducantur. — cujus genii , familiae
nobilitatis ete. — Nam his rite exploratis quemlibet aliter et
aliter ad meliora — — ducent.
Darin heißt ed unter anderm: Latine sed non sordide et inqui-
nate domi forisque loquantur cum discipulis, excepta die re-
2
u
3
De
- 1 —
Sie, verfchafften befonders beffern Schülern elegenheit
öffentlich aufzutreten, und zeichneten diefelben aus.
Sp wurde von einem derfelben fchon am Anfange des
Schuljahres eine Yateinifche, in früheren Zeiten auch eine grie-
chifche Nevde gehalten. Um PBoffenfpiele zu verdrängen, lieferten
fromme- gefchiefte Männer fchon in frühern Zeiten den Deutfchen,
die Schaufpiele Tiebten, geiftliche Comedien, z.B. auf Oftern;
bei den Jefuitenfchulen wurden folche Theaterftüde von den Zeiten
ihrer, Entftehung und wenigftens feit dem Jahre 1650 öfter im
Jahre, 3. B. am Fefte, der Hl. Katharina ald Patronin ver
Studierenden, um Oftern, Pfingften, nach Befanntgebung des
marianfchen Magiftrates, regelmäßig aber am Ende des Schul:
jahres. aufgeführt. Den Stoff boten biblifche Gefchichten oder
Heilige, ‚auch. Berfonificirungen abftrafter Gegenftände, z.B. der
Tugend, des Ruhms u. d. gl. darz fie waren oft fehr fpef-
taculo8 1).
Endlich waren wiffenfchaftliche: Unterredungen (Cacademiae,
concertationes, disputationes) felbft in den untern @laflen 3. B.
über grammatifalifche Aufgaben, in den höhern aber über andere
einfchlägige Gegenftände, 3. B. Vorzug der griechifchen oder
lateinifchen Sprache, des Homers oder Virgils, der Poefte oder
Rhetorik fehr häufig. Diefe Mebungen follten Gewandtheit im
Bortrage, Außern Anftand, Unerfchrodenheit und insbefondere
auch, Wetteifer. bewirken, den die Jefuiten bei, ihren Schülern
vorzüglich zu weden fuchten.
ereationis hebdomedariae . .. Methodum ex magistris gymnasiü
requirant studendi, instruendi, repetendi, quam cum suis accura-
tiseime observent ... themata nulla dietent, nec minima diseipulis
domi praescribant nesciis magistris, ad quos adibunt singulis
mensibus vel etiam saepius, ut discipulorum statum intelligant.
— Suecessorem nullum promoveant suum in locum, neque do-
minis suo arbitratu quemquem proponant, sed P. praefecto rem
integram relinquant ... .. Qui contra aliquas harum regularum
peccaverit, conditionem amittat. Rigler 1. ce.
1) Eine Sammlung folcher Theaterftücte befist der jubilirte Profeffor
David Morig, welcher fie vom Präfecten Socrella, einem Erjefuis
‚u„ten, erhielt. |
—_
Zur Beförderung desfelben wınden die verdienteften Schliler
fchon unter dem Schuljahre durch Heine Schenkungen belohnt,
ihre gelungenen Auffäge befannt gemacht, ihnen z.B. durch die
Wahl als decurio befonderes DBertrauen 'gefchenft, namentlich
aber eine feierliche Preisvertheilung am Ende des Schuljahres
eingeführt. "Im Jahre 1599 erfolgte fie zu Innsbruf auf dem
Theater in Gegenwart der Wittwe des Erzherzogs Ferdinand,
ihrer Töchter und einer unzähligen Volfsmenge. Hiebei folgte
auf das Schaufpiel ein Furzer Vorfpruch, dann wurden Die
Preifeträger nach einander auf die Bühne gerufen, einem Jeden
öffentlich fein Lobfpruch (Spies genannt, von’ dem fchneidenden
Wise, den man demfelben zu geben fuchte) abgelefen, und die
Prämien überreicht. Später wurden alle Schüler claffificirt in
gedruckte Verzeichniffe Ceatalogos) eingetragen. Schüler, die nicht
entfprachen, wurden durch Entziehung des Vertrauens, Zurüd-
feßung, nach Umftänden felbft mit Förperlicher Zücktigung,, die
jedoch nicht der Profeffor, fondern der fogenannte blaue Mann
— vermummt in einer blauen Kutte vornahm, endlich durch Ent:
lafjung aus der Anftalt beitraft.
$. 9.
Dieß dürften die Grundzüge eines Giymnafial-Studienplanes
fein, nach welchem feit Einführung des Jefuiten-Ordens in Tirol
die höhere Bildung angeftrebt, und allmählig, wenigftens theil-
weife auch dort gelehrt wurde, wo fich Feine won den Jefuiten
verfehene Lehranftalten befanden, wenn doch die Schulen, wie in
den meiften Städten und auf dem Lande nicht ganz eingingen,
oder wie e8 meiftens ‚der Fall war, in bloße deutfche Trivial-
jcehulen übergingen — ein Plan, der felbft nach der Aufhebung
des Zefuiten- Ordens in wefentlichen Einrichtungen erhalten wurde.
E83 läßt fich nicht fagen, welche Wendung die höhere Bildung
in Zirol ohne Berufung der Zefuiten genommen hätte; aber auf
diefe Berufung war der höhere Unterricht nicht, mehr ‚an. die
Privatanftalt einer Kathedrale, eines Stiftes, einer Stadt ıc.
gebunden, fondern er wurde an einer öffentlichen Anftalt ertheilt,
Kr u
die. dev Kaifer gegrümdet hat, den eine ‚eigene zum Untevricht
beftimmte und: fich dem Unterrichte \winmende Corporation: verfah,
an der Jedermann, welcher wollte, einen geregelten Unterricht
erhalten fonnte, und nach welcher fch die von ihm ausgehenden
oder ihm nachgebildeten Anftalten ebenfal8 richteten. Durch die
Theimahme an den Oymnaftal-Anftalten der Jefuiren follten die
Schliler nach feche Studienjahren bei auch nur mittelmäßigen
Lehrern Sinn für clafiifche Literatur, Pertigfeit in profaifchen
und poetifchen Auffägen nach den gelefenen Muftern der alten
Klaffifer, Gefühl für Religion und Sittlichfeit, Gemwöhrtung an
die Hebungen des Fatholifchen Eultus erhalten, wobei insbefondere
formelle Bildung nicht fehlen fonnte- Der Jefuiten- Unterricht
wurde mit Nückficht auf die frühern Zeiten feines Beftehens
bekanntlich felbjt von Afatholifen — einem Baco von Verulam 1),
Hugo Grotiusd und andern Männern 3) fehr beifällig aner-
fannt, wenn man auch darin insbefonders den Mangel des
Unterrichts in der Mutterfprache, und, in den Real: namentlich
natur-hiftorifchen Gegenftänden, vielfältig ein tieferes Eindringen
in den Geijt und felbft in den Stoff der Claffifer vermißt, auch
wohl Mechanismus und zuviele Gedächtnigübungen rügt,. und
das ftereotype Fefthalten an dem einmal Angenommenen ohne
Rüdfiht auf neu auftauchende Bedürfniffe und auf die Forde-
1) Berannt ift Baco’8 Aeußerung : Jesuitarum cum intueor industriam
solertiamque tam in doctrina.excolenda quam in moribus infor-
mandis, illud_oceurrit Agesilai de Pharnabazo : talis cum sis,
„„.ulinam noster esses. Und wieder: ad paedagogicam quod atti-
net, brevissimum foret dietu:, consule scholas Jesuitarum „ nihil
_ enim, quod in usum venit, his melius.
2) Magna est in Vulgus Jesuitarum auctoritas propter ‚vitae sancti-
moniam et quia non sumta mercede juventus in literis scientiae-
que praeceptis imbuitur,
3) >Die Erziehung, welche die Sefuiten ihren Zöglingen gaben, zeichnete
fih vor ‚allen damals üblichen Methoden. wenigftens im'£atholifchen
Deutfhland aus, und erhielt: ebenfo;,. wierihre, Art zu: unterrichten,
allgemeinen Beifall der, Proteftanten Sohann Sturm’s: und Ande-
vrer.« Rubhkopfis, Gefchichte, ded Schul= und Erziehungswefens,
1. TÜh.28.3781V Aust? or
ve
rungen der Zeit, fo wie bei einzelnen Lehrern und Arbeiten Täns
deleien in Poefte und Nhetorif mit Grund tadeln mag 1).
$. 10.
Das Öymnafialftudium der Jefuiten hatte auch Über andert-
halb Jahrhunderte den vollen Beifall der Regierung 9) und des
Landes 3), und die Anregung auf Berbefferungen im XVIM.
Jahrhundert ging wohl nicht von Tirol aus, fondern Fam von
Berhältnifien, welche die öfterreichifche Monarchie und fohin mit-
telbar auch Tirol berührten. Abgefehen von der anderweitigen
Entwidlung des Studienwefens übernahm am Anfange des
XVIN. Zahrhunderts der Orden der Biariften ebenfalls Gymna-
fien in Defterreich, und die Einrichtung 2c. diefer von’ den Pia-
riften verfehenen Oymnafien gab zu Vergleichungen, Bemerfungen
und Anträgen Veranlaffung, welche auch für. Tirol geltende Vor:
1) »Die Wiffenfchaften und die Methode des Studierens mußten in
Wien den erften Vorwand geben, uns anzugreifen, und vielleicht
waren einige unferer Senioren, die damals am Steuerruder faßen,
dabei nicht ganz ohne Schuld, weil fie gar zu hartnädig an uralten
Uebungen hingen und immer Ausflüchte fuchten, wenn ihnen aud)
von gelehrten Männern, unter welchen Gerhard van Gmieten,
Seibarzt der Kaiferin, der vorzüglichfte war, die erforderliche Ber:
bejferung des Zuftandes der Wiffenfchaften und die Nothwendigfeit
fie andern berühmten Afademien gemäß einzurichten, noch fo deut:
lich zu verftehen gegeben wurde« — fhreibt felbft der Erjefuit
Denis in feiner Autobiographie. Siehe Hiftor. = politifche Blätter,
Münden, XVI. Bd. ©. 537.
In der Stiftungsurfunde der Univerfität vom 6. Suli 1677 wird
diefe Stiftung unter andern auch damit motivirt : Oeniponti — ubi
per annos centum et amplius praeter gymnastica et inferiora
humanarum literarum studia altiorum quoque disciplinarum theo-
logiae scilicet et Philosophiae pars aliqua constanter cum opti-
mo fructu est tradita.
3) Das Brirner Domkapitel trug im Sahre 1601 auf Einführung son
5 Claffen an, in melden die Schüler »follten in grammaticalibus
und syntaxi neben andern lectionibus,, fo bei den herren Patribus
societatis zu Mnfprugg gefefen werden (jedoch die graeca auge:
Ihloffen) informirt werden.« Doc motivirt im 3. 1606 Bilhof
Andre v. Spauer den Seminarbau auch damit, daf die alumni bei
den Hrn. Jefuiten mit den graecis und Poetereyen vergebentlich
fang aufgehalten feyn.<« Sinnader, Beyt. VII. ©. 72,
2
—_
= An
fehriften über die Gymnaftal= Einrichtung — jedoch immer noch
ohne wefentliche Veränderungen — um’ fo mehr zur Folge hatten,
als unter Carl VL: die Einrichtung des Studienwefens nicht
mehr wie früher lediglich dem Drden überlaffen blieb, fondern
die Regierung felbft prüfend und ordnend eingriff. "Soviel befannt,
gefchah dieß zuerft im Jahre 1726, wo die Regierung bei einer
Bacatur der Superintendentenftelle an) der Univerfität in Wien
Borfchläge zur Verbefferung des Studiums abforderte, und im
Jahre 1727 auch erhielt, aber nach weiteren Vernehmungen' die
a. h. Entfchliegung erft unter dem 16. Nov. 1735 erfolgte 1),
welche bezüglich de8 Gymnaftalftudiums anoronete, daß das
sexennium belaffen werde, die Eintretenden aber fich mit einigen
Kenntniffen felbft der lateinifchen Sprache — auch durch eine
Prüfung ausweifen müffen, Prüfungen auch unter dem Jahre
fleißig vorgenommen, fchwache und unfittliche Schüler entlafien,
von der erften Glafje bis zur Rhetorik eine beffere Methode ein-
geführt, namentlich die praecepta grammatices furz, vollfommen und
nüglich zum Gebrauche in höhern Schulen gegeben werden follen.
Der lateinifchen Meberfegung wäre auch das Deutfche beizufegen,
damit die Schüler fich in der deutfchen Orthographie befier üben;
in Syntaxi. fei in Schreibung fowohl deutfcher als lateinifcher
Epifteln zu unterweifen, in der Boefte nebft der Prosodia und
den 'carminibus, fabulis, chris’ auch ein Theil der Rhetorik vor-
läufig, fodann in ver Nhetorif das studium eloquentiae aus den
beften Autoren zu tradiven; anbei die exercitia oratoria nicht nur
ex genere exornativo et deliberativo aufzugeben, fondern auch
ex genere. judiciali imitando formam judicii zu machen und zu
peroriren, ‚und in dem andern halben Jahre auch die summulas
(Logit) frequentiren zu laffen; durch alle Schulen aber zu beob-
achten, daß durch vieles Auswendiglernen das Gedächtniß der
Jugend nicht überladen und gefehwächt werde. Das Griechifche
foll wochentlich zweimal’ in jeder Elaffe eine Halbe Stunde gelehrt,
in studio humanistico, wie die Patres bereitS angefangen, auch
1) Man findet fie im codex austriacus,
u ME nn
das studium historicum bono ordine tradirt werden. Ferner vers
fehen fich Se. Majeftät, daß auch in syntaxi einige Patres pro-
fessores fünftig werden gefeßt, item einige absoluti theologi zur
Tradirung der vier erften Schulen, foviel fich immer thun läßt,
saltim an Univerfitäten angeftellt werden, dergeftalt, daß fte. —
magistri mit den Schülern, nachdem fie ihre Lehrart fchon ger
wohnt, a parva schola usque ad.grammaticam vel etiam syntaxin
aufjteigen mögen, welches fich aber a poesi ad Rhetoricam nicht
eben: fo thun laffe, zumalen wie befannt, ‚beide diefe laffen ein
befonderes studium, eine verfchiedene Lehrart, und ingenium felbft
erfordern, daher fie auch mehrere, Jahre beizubehalten wären.
Zugleich wären befjere Lehrbücher zu verfallen, und ad appro-
bandum nad) Hof einzufchiden, und vom Superintendenten, der
eine eigene Inftruftion erhielt, jährlich Bericht an die Negierung
zu erjtatten 1).
Aus diefer Verordnung, welche, fowohl für Wien als Die
Erbländer erlaffen wurde, erjieht man, daß die Regierung) mit
dem Studienwejen der Jefuiten nicht «mehr. fo zufrieden: war,
indem 8, mit der Aufnahme felbft unbemittelter Schüler. zu den
Studien und mit den Prüfungen nicht fo genau genommen wurde,
die Unterrichtsmethode nicht entfprechend, namentlich fchon bei Anz
fängern die. Iateinifche Sprache mit unpraftifchen Aufgaben, Ber:
nachläfjigung der deutfchen Sprache, zu vielen Gedächtnigübungen
getrieben, das. Gefchichtsftudium aber. erft neu eingeführt war,
daß endlich zu junge Lehrer aufgeftellt wurden, und daß man die
1) Die Superintendenten hatten bei der Univerfität die Perfon des
Landesfürften zu vertreten, für Erhaltung der Ordnung , Vorlefe:
zeit. 2. zu forgen, auf die Lebensart der Studierenden ein mach:
james Auge zu haben u. f. w. Günther 1. c. I, Bd. ©. 154,
In Wien hatte er die Stiftungen der Univerfität zu überwachen.
Für’ Tirol wurde zwar unter dem 20. Sept. 1741 der! Vorfchlag
für. einen, Superintendenten des Studienweiens abgefordert,, und
auch unter dem 18. Mai 1742 in der Perfon des Negierungsrathes
Abraham Seeber aufgeftellt, er fcheint aber wenig Einfluß auf das
Studienwefen namentlih des Gymnafiums genommen zu-haben:
An feine Stelle traten fpäter die Direktoren. RR
IM -
Lehrer zu oft wechjelte — Mißbräuche, welche abgeftellt werben
follten. Mexfwürdig bleibt die Unzufriedenheit mit den Lehrbüz
chern und der Befehl: neue zu verfaffen «und zur Genehmigung
nach. Hof einzufchieten, fowie der Auftrag, über das Studium
Bericht zu erftatten.
$. 11.
Aus. diefer Verordnung erhellt auch, daß von der Regierung
in Wien die. Leitung des Studienwefens ganz ergriffen wurde.
Sie ftellte Hiezu eigene zeitliche Commiffionen auf, bis im Jahre
1760 eine‘ bleibende Studienhofeommiffion errichtet wurde, welche
ie beftändiges Augenmerf auf die Aufnahme der Studien zu
richten, den Vollzug der erlaffenen umd zu erlaffenden: Verord-
nungen zu überwachen, hierüber und was fonft zu dem Machs-
tum: der Studien gereichen Fann, an Ihre Majeftät\ zu berichten
hatte: Bei diefer Commifjton beftand für das Gymnaftalftudium
eim eigener Referent, und durch fie gingen die ‘Berichte in Stu:
dien-Angelegenheiten ‚welche fie nicht jelbt erledigen Fonnte, an
den Negenten, ‚und die Exlaffe desfelben weiter an die Länder
ftellen.
E8 erfolgten nun bald Verordnungen auf Verordnungen,
unter denen jene vom 25. Zuli 1752, welche alfo noch wor Er-
richtung der bleibenden Studienhofeommiffton 'erlaffen wurde,
unter dem 9. September 1752 auch nach Tirol’ zur Befolgung
im nächften Schuljahre mitgetheilt und unter dem 16. September
jenes Jahres auf “alle Klöfter und Stiftsftudien ausgedehnt
wurde. "Diefe weitläufige WVerordnung, welche das Stubienwefen
überhaupt, insbefondere 'aber auch ‚die Philofophie und Theologie
umfaßt, fchließt fich bezüglich des Gymnaftalftubiums an 'die.a. h.
Berordnung vom Jahre 1735 an, und bedauert; daß jener heil-
famen Verordnung Carls VI. in vielen Stüden die gehörige
Folge nicht geleitet, fondern im Gegentheile verfchiedenen fich
mittlerweile geäuferten Gebrechen Statt gegeben wurde. 8
wird dann befohlen, daß: fernerhin Feine jungen Magistri, fondern
* geftandene in pura et recla latinitate fowohl Al" im der reinen
— Al —
deutfchen Orthographie hinlänglich fundirte Patres professores in
alle 6 Elaffen angeftellt und in poesi und Rhetorica ivenigftens
zwei Jahre belaffen werden; daß die Aufnahme der Schüler
nach genauer Brüfung Über faubere und wenigfteng einigermaßen
correcte deutfche und lateinifche Schrift und die Anfangsgründe
der lateinifchen Sprache und nur mit Genehmigung des Super-
intendenten gefchehen und Knaben infra mediocritatem \vieder
entlaffen werden, daß durch unparteiifche Examinatores halbjäh-
tige Prüfungen gehalten, die Anftalten vom Superintendenten
jährlich genau vifitivt, innerhalb eines Jahres eine deutfche Gram-
matif für Anfänger verfaßt, in der Poefte die Geographie synop-
tice, in der Nhetorif die Aritämetif ordnungsmäßig gelehrt, das
Griechifche aber vom PBrofeffor der Univerfität auch für Gymna-
fialfchüler, jedoch nicht der unterften Clafjen, gegeben, und fein
Schüler in poesi ohne Fertigfeit in stylo epistolari aufgenommen
werde. Rüdfichtlich der Methode wird wieder unter Beziehung
auf die Verordnung vom Jahre 1735 befohlen, die Jugend fei-
neswegs mit unnügem Auswendiglernen zu. befchweren, jondern
in der eigenen Mutterfprache und einer netten orthographifchen
Schreibart vorzüglich zu unterweifen, auf das deutfche thema,
welches die Schüler nicht gleich in der Schule machen dürfen,
feine lateinifche Significationes zu diftiven 1), ambei nebft ven
(ateinifchen Argumenten jedesmal das deutfche thema felbft mit
einreichen zu lafien, um hierdurch der Jugend eine griümdliche
Kenntniß der deutfchen Orthographie zugleich beizubringen, zu
folchem Ende auch scholares humaniorum et Rhetoricae in der
Schreibart deutfcher Briefe forthin zu üben. Die fechs Jahr:
gänge bleiben, die Eintheilung der Gegenftände wird dem Orden
überlaffen; in der Woche, in welcher ein Feiertag fällt, wird
nur ein Ferientag gejtattet, der Anfang der großen Ferien e-
auf Matthät, d. i. 21. September, gefeßt.
1) Die wurde unter dem 9. Sept. 1752 für die zwei erften a
wieder geftattet.
u FRE nn
Diefe Verordnung erjcheint fohin vorzüglich nur als Wer-
jhärfung. und nähere Beftimmung der, Verordnung vom Jahre
1735, wobei die Einführung der Geographie und Arithmetif, die
Vorfohrift, eine deutfche Grammatik zu verfaffen und das Grie-
hijche auch ‚an, den Öymnaften einem Univerfitätsprofeffor zu
übergeben neu find 1).
9. 12.
So zahlreich die Verordnungen, welche feit 1760 durch die
Stubienhofcommiffion erlaffen wurden, auch. für das Gymnaftal-
jtudium waren — Verordnungen. welche natürlich nicht bloß. für
das Innsbruder Gymnafium und die Sefuiten- Lehranftalten in
Hal und Feldfich, fondern auch für die Gymnafien in Rove-
redo und Meran galten, neben welchen das Brirner und Trientner
Gymnafium als nur von den Bifchöfen und deren Domfapitel
abhängig beftanden, — fo wenig ward doch in der Wefenheit des
Sefuiten-Öymnafialplanes, fohin in der höhern Bildung geändert,
zumal- auch die Vorfchriften über das: Studienwefen um diefe
Zeit jehr. häufig nicht fehr -wefentliche, Bunfte betrafen, und ihr
Vollzug öfter nicht fehr genau überwacht worden zu fein: fcheint.
© erfchien fchon unter dem 2. Mai 1761. die a. h, Entfchlie-
Bung, daß aus dem Bürger» und Bauernftand nur befonders
begabte Jünglinge zu den Öymnafien 2. zugelaffen werden follten;
in größeren Städten habe ein weltlicher Commiffär aus den Faif.
Räthen, in Eleinern der Kreishauptmann mit zwei gelehrten
Geiftlichen, jedoch nicht des Drdens, dem die Studienanftalt an-
vertraut ift, zu Anfang und am Ende des Studienjahres ein
harfes Eramen aufzunehmen, und die Mediocres zur Entlafjung
anzuzeigen — eine Verordnung, die fchwerlich nach ihrem ftrengen
1) Demnah fcheint die Angabe des Erjefuiten Rigler in feiner Ge-
jchichte des Innsbruder Gymnafiums, daß der Gymnaftalftudien-
plan, wie er bis 1765 gelehrt wurde, fchon im Sahre 1615 voll:
tändig eingeführt war, nicht ganz richtig zu fein. Als Vorlefebücher
gibt er bi auf jenes Sahr Alvarus, Suarius, Gretscher, Canisius
und Dufresne mit der Bemerfung an, daß sub finem anni, jedoch
ohne VBorlefebuch, die Arithmetit gelehrt worden fei.
- 6 —-
Wortlaute Handgehabt wurde. Andere Vorfchriften übergehen wir ;
nur die Bemerkung mag bier ftehen, daß die Jefuiten um diefe
Zeit allmählig an Autorität bei der Negierung I), und zum Theil
an Einfluß auf das Studienwefen immer mehr verloren, indem
fie das Studium nicht mehr felbft ordnen und "ohne Gontrole
beforgen fonnten; vielmehr auch ihren Studienplan in manchen
Stüden auf Negierungsbefehl modificiren mußten, und wenigftens
einige Gymnaften beftanden, die wie Die ihrigen von der Negie-
rung beauffichtigt, jedoch nicht von lievern ihrer Gefellfchaft
verfehen wurden. In allen jedoch ward fortwährend Tateinifche
Sprache, dann Auffaßlehre mit Rückficht auf lateinifche Elaflifer
— umd auch wenigftens mehr als früher die Mutterfprache be-
trieben, endlich — meiftens etwas griechifch, Gefchichte und Geo-
graphie nebft Mathematik gelehrt.
$. 13.
Sp blieb e8 bis auf die 7Oger Jahre des vorigen Jahr-
hunverts, welche theils durch die Aufhebung des Jefuiten-Drdeng,
theild wegen Einführung eines neuen Gymnaftalftudienplanes in
diefer Beziehung merhwürdig find.
Die Aufgebung der Gefellfchaft Jefu im Jahre 1773 Hatte
jedoch bezüglich des Gymnaftalftudiums auf Tirol weniger Ein-
fluß, als man bei der hohen Achtung, in welcher diefer Orden
in Zirol ftand 2), und bei den vielen Gymnafien, die er verfah,
1) Die Kaiferin Maria Therefia blieb zwar den Sefuiten immer ge:
mwogen, aber der ältere (Gerhard) van Smieten, Leivarzt der Kai-
ferin, übte namentlich im Studienwefen fehr großen Einfluß auf
fie. Er ftarb 1772.
Die oberdeutiche Provinz zählte bei der Aufhebung der Sefuiten
nicht weniger al8 108 Tiroler — zum Theil aus den angefehenften
Familien — 3. B. Sarnthein, Hyppoliti, Tichiderer, Zallinger,
Aigner ıc. — Der verdiente Profeffor und dann Bifchof von Re-
gensburg, Mich. Sailer, ein Erjefuit , fol fi über den Orden
öfter dahin geäußert haben, daß bei feiner Einführung viel Gött:
liches, bei feinem DBejtande viel Menfchliches, bei feiner Aufhebung
viel Teufliches fich gezeigt habe. Den Drden der Sugendverführung
zu befhuldigen;,. zeigt von Leidenfchaftlichfeit. Morelli wurde im
2
De
2
erwarten follte,. Denn die Oymnafien beftanden mit einziger
Ausnahme des Haller Gymnafiums, Das einging, fort, und
wurden wohl auch’ vom nämlichen PBerfonale — den Erjefuiten,
fortverfehen da diefe vom Gymnaftallehritande durchaus nicht
ausgefchloffen wurden. Für das Haller Gymnafium: ward aber
fehon im Iahte 1772 in Lienz ein Oymnafium geftattet, das bei
der Aufhebung der Carmeliten, die e8 verfahen, im Jahre 1784
den dorthin verfegten Franciskanern übergeben wurde. Im Jahre
1780 entftand auch rein Gymnafium zu Bozen, das ebenfalls die
Srancisfaner übernahmen.
Wichtiger war die Nenderung im omndrarShiteiprate,
umd fchien noch größer werden zu wollen, al& fie wirklich wurde.
Schon im Jahre 1772 wurde von der Kaiferin über den Zuftand
des Studienwefens Bericht abgefordert, und darauf an einem
ganz neuen Plan für die Gymnaftalftudien gearbeitet, und zwar
einerfeit8 vom Studiendireftor und Hofrath Kollar, welcher die
griechifche Sprache befonders bertitfichtigte, andererfeits von Heß,
Profeffor der Gefchichte in Wien, welcher das gefchichtliche und
materielle Wiffen, wie in dem nun beftehenden Plane 1), begün-
ftigte. "Obfchon num der Plan des Prof. Heß auch vom Hof
rathe v. Martini ®) unterftügt Yourde, ja unter dem 18. Oftober
1775 bereit8 gebilliget war; fo erhielt doch bei dem Widerfpruche,
nämlichen Jahre 1698, wo man feine Verführung entdedte, aus
dem Orden ausgefchloffen, und felbft Zang (Amores Morelli. Mo-
nachii 1815) fand in 73 Sahren nur 23 Sefuiten, über welche
diepfalld fehr unbedeutende und auch unerwiefene Klagen vorfamen.
1) Bergl. deutfche Vierteljahrsfchrift vom Sahre 1855.
2) Carl Anton v. Martini (geb. 1726 zu Revo im Monsberg, geft.
am 7. Auguft 1800) war vom Jahre 1754—1782 Profeffor des
Maturrechts in Wien, zugleich feit Errichtung der Studien:Hofcom-
miffion Mitglied derfelben und Hofrath. Sm Sahre 1782- wurde
er Staatsrath und 1787 Vicepräftdent der oberften Suftizftelle. Sm
$. 1765 Fam er nad Tirol die Univerfität zu unterfuchen, worauf
fehr wichtige Reformen an derfelben erfolgten. An der Gymnafial:
Studien-Reform vom Sahre 1792 nahm er wefentlichen Antheil.
Dgl. Volpi: sulla vita.e sulle.opere del Barone Carlo Antonio
Martini.‘ Milano 1833.
SHE: si
welchen diefer Plan fand, der Piarift Gratian Mare, Vorfteher
der favoifchen Nitterafademie in Wien, den Auftrag, einen Plan
zu verfertigen, welcher unter dem 10. Auguft 1776, beftätiget
und: allgemein vorgefchrieben wurde 1). Nach diefem Plane blieb
Ratein, wie in den Schulen der Jefuiten, Hauptfache, Griechifch,
Mathematit, Gefchichte und Geographie, dann Naturgefchichte
waren Nebenfächer, deren Unterricht jedoch gleich wefentlich
erklärt wurde. - Das Gymnaftalftudium hatte fünf Jahrgänge,
von welchen drei der Iateinifchen Sprache und zwei dem eigent-
lichen Humanitätsftudium zugetheilt waren. In den drei erften
(Grammatifal-) Claffen rüdten die Brofefforen mit ihren Schü:
lern vor, der Brofeffor jeder Humanitätsclaffe hatte aber bei dem
ihm anvertrauten Fach um fo mehr zu verbleiben, als die Wich-
tigfeit und Weitläufigfeit „des Gegenftandes diefer zwei Claffen
ein Studium von mehreren Jahren und eine befondere Berwen-
dung erfordert, die Pflichten eines tüchtigen und gefchiskten Lehrers
mit Frucht zu erfüllen. Insbefonders wurde auch der Mißbrauch
unterfagt, daß Profefioren in Erplicationen, Notaten, Supple-
menten, Ueberfegungen und andern dergleichen befchwerlichen und
fojtipieligen Schriften ihre ungeitige ©elehrfamfeit ausframen 2,
Für alle Lehrgegegenftände wurden neue Schulbücher verfaßt,
und vorgefchrieben, was von Jahr zu Jahr und von Semefter
zu Semefter behandelt werden foll 3).
1) Bergl. Programm des Sofephftädter Gymnafiums in Wien vom
Sabre 1352.
2) Gejegfammlung von Maria Therefia, 10. Aug. 1776.
3) Nacd) einer Befanntgebung vom A. Dft. 1781 waren ed .lMaenee
1. Comenii orbis pietus mit-S2 Bildern . . . 30, Er.
2 Anleitung zur lateinifhen Sprade 1. Th... . . . 15 4
2; u: ee.
4. Institutionum grammaticarum” Pars II. MEERE, h
5. Instituliones ad en Parsillis.: ann, OB,
6. Bor r is An
ik Chompre selecta latini sermonis exempla, Volumen I. 14% e
8. ” ” ” ” ” ” I. 15 7
9. ” ” ” N” ” ” IM. 15 ”
10. ” ” ” ” Y ” IV; 14 ”
11. ” ” ” ” ” ” W 15% „
12. ” ” ” ” ” 7] VI 9 ”
.
yo
Zum Eintritt in das Gymnaflium wird ein Zeugnig über
die Erlernung der Gegenftände der dritten Elafje an Hauptfchulen
und ein Alter von wenigftens 10 Jahren, zum Eintritt in die
philofophifchen Studien aber ein Zeugnig über das abjolvirte
Gymnafium gefordert 1).
Welche Gegenftände in: lateinifcher Sprache vorgetragen
wurden, fieht man aus der Sprache der Lehrbücher.
Bemerkt mag noch werden, daß zur Erhaltung einer Lehr:
fanzel auch an Öymnaften eine Prüfung gefordert wurde, welche
an den aus öffentlichen Fonds erhaltenen Gymnaften zum Kon-
furfe ausgefchrieben war, an den von Korporationen verjehenen
Gymnafien aber von den zum Lehramte vorgefchlagenen Indivi-
duen beftanden werden mußte, Nur befannte und berühmte
Männer, deren Qualification nicht zweifelhaft war, fonnten ohne
Prüfung angeftellt werden 2) — eine Vorfchrift, die bis zum
Fahre 1848 fortdauerte, jedoch mit einigen genauern Bejtimmun-
gen über Abhaltung der Prüfungen, Genfurirung der Elaborate
u. d. gl.
Die Gymnafien wurden übrigens in drei Claffen getheilt.
Innsbruf hatte ein Gymnafium erfter Claffe, zugleich den Titel
13. Kenntniß der natürlichen Dinge, mit 4 Tafeln. . 13 &.
14. Auszug aus den Sitten und Gebräuden der Römer 10 „
15. Elementa Arithmeticae Geometriae et Algebrae
zu 7irabullan nei. ae) na: Gen. mstahiig
Hi Eröbefchreibung IL. Th. » 1. 2 20 22 von 16.
7: mn Mh Sue: Real wer hard N De;
je i. 9,0 er, Dun Ar
UNTER ETEEN IV. Ih. 10): 73,
Dr dr. V.
.
aus) dem Vermögen des aufgehobenen:Sefuitenordens gebildet
wurde, aber. vom Staatsfchag großer) Zufchüffe bedarf. Die
von Korporationen verfehenen Gymnafien — Hall, defien Lehrer
jährlich 400 fl, vom Studienfonde erhalten, Bogen und Meran,
und num auch Brirem erhielten für ihresZehrer hie, und da Remuz
nerazionen vom Studienfonde, Das Nähere beivden einzelnen
Gymnafien’d) und zum Theil auch im II. Abfchnitte.
$. 0.
Die, Umftaltung, der. Dinge, in Folge des: Jahres 1848 hat
auch, das Gymnafialftudium in. Defterreich,. fohin. auch in, Zirol
fehr, geändert 2), „wobei, wie. .e8. fcheint, vorzüglich, die Studien-
einrichtung, ‚in Deufchland , namentlich in. *Breußen, _berücjich-
tiget wurde.
Die wichtigiten. Veränderungen dürften folgende, fein.
Das. philofphifche Studium , ‚welches. feit, der Einführung
der Gymnaften „Durch Die Jefuiten von.den Oymnaftallehrgegen-
ftänden gefchieden , und, mit den Lhyceal- oder Univerfitätsjtudien
vereinigt war, fohin in 2 oder 3 Jahren an. der. Innshruder
Univerfität, dann am Lyceum zu Trient, früher auch in. Briren
und, an „einigen, eigens, bewilligten Hausftudien -geiftlicher Kor-
porationen, gegeben wurde, ift nun, mit dem, Öymnafium_ ver:
einigt,2),. und daher find, die vollftändigen Gymnafien, wie e8
14431) 1 i
1) Wer- übrigens die bi8 1848. beftandene Gymnafialeinrichtung ge-
Hauer fennen fernen will, findet das Detail in: „Sammlung der
FO BVBeronuingen und Worfchriften über die Verfafung und Einrid:
„ tung.der Öymnafien.’‘
2) Am beften lernt man die Einrichtung ‚Fennen aus: Cntwurf der
Drganifation der Gymnaften nnd Realfchulen in Defterreich. Vom
"> Minifterium des Eultus’ und Unterrichts. "Wien 1849. — Sedodh
os find ‚bereitd mehrere nicht unbedeutende, Modifikationen erfolgt,
ser nach einer a. h. Entichliegung vom 5. Dezbr. 1854 ift im
"Rahre 1855 von einer aufzuftellenden Commiffton, neuerlich über
Mopdificationen, Gutachten zu erjtatten. — Der Entwurf der Grund:
züge des öffentlichen Unterrichts in Defterreich, der mit Minifterial-
Erlaß vom Jahre 1848 herausfam, enthält rückfichtlich des Gym:
naftalftudiums nur einige, Grundzüge.
3). h. Entihlibgung vom 9. Dezbr. 1854.
Mi En
in Tirol alle, mit Ausnahme jenes von Hal, das nur 4 Claf-
fen mit dem Namen eines Untergymnaftum hat, auf 8 Jahre
und 8 Glaffen verlängert: Der Unterricht ift in‘ der Landes-
fprache, vorherrfchend in der deutfchen Sprache zu ertheilen , je
doch auf Ausbildung in der lateinischen Sprache und philofophi-
fchen Propädeutif befondere Sorgfalt zu verwenden.
Die Lehrgegenftände find die nämlichen, welche im Plane
vom Jahre 1805 vorgefchrieben waren, jedoch erweitert, und mit
Hinzufügung der Mutterfprache und philofophifchen Propädeutif ;
dann im Gymnafium zu Trient und Roveredo die deutfche, an
den übrigen volfftändigen Öymnalien die italienische Sprache.
Nebft diefen Obligatgegenftänden find Freigegenftände empfohlen,
als: andere ausländifche Sprachen, Zeichnen, Öymnaftif, Ge:
fang, Stenographie ıc.
Zur Aufnahme an einer Univerfität ift das Zeugniß über die
bei dem Austritte aus dem Gymnafium wenigftens mit ver
Note „reif“ beftandene Maturitätsprüfung notfivendig 1).
Die Schulbücher find freigegeben, doch müffen fie vom Mini-
fterium als zuläßig erflärt fein.
Die Lehrerzahl an vollftändigen Gymnafien darf mit Ein-
fluß des Direktors, der auch Gegenftände zu lehren hat, nicht
unter 12 fein. Concursprüfungen find aufgehoben, dagegen ift
auch in Innsbruf eine eigene Gymnaftallehrer-Prüfungscommif-
fion mit einer eigenen Inftruftion zufammengefegt, von welcher
anzuftellende Lehrer auf fchriftliche und mündliche Prüfung ge-
eignet zum Gymnaftallehvamte erkannt werden müffen, und dann
nach einem Probejahr die Anftellung als Gymnaftallehrer er:
halten können 3. Wergleichel$. 82,
Die Befoldungen der Lehrer find in. zwei Abftufungen an
vollftändigen Öymnafien foftemiftet, und nach je 10 Dienftjahren
mit 100 fl. zu vergrößern. Der Unterfchied der Befoldungen
für. geiftliche und weltliche Leher ift aufgehoben, uud. die. Befol-
1) Minifterialerlag vom 3. Sunt 1850 und 26. Mai 1851.
2) 4. h. Entihließung vom 23. Auguft 1849. r
a um
dung für. jeden Lehrer um 200 fl. höher ald vor dem Jahre
1848; der Lehrer der höhern Gehaltsjtufe am Innsbruder Gym-
nafium erfter Claffe erhält alfo jährliche 900 fl. u. f. w.N).
Der Director. genießt den Gehalt der Höhern Stufe, mit 200 bis
300 fl. Zulage 2).
‚Die Religionslehrer werden von den Ordinariaten, geprüft,
und mit Genehmigung ded Minifteriums angeftellt 3). Die
‚übrigen Lehrer ernennt das Minifterium
Der nächte Vorftand eines jeden Oymnafiums führt den
Titel: Director, welcher öfter mit den Lehrern Eonferenzen zu
halten hat, deren Protofolle der Statthalterei: zur Einficht ein-
zufenden find. Zur Brovinzialleitung | war Anfangs bei: der
Statthalterei ein eigener Schulrath unter dem Präfivium des
Statthalterd und 3 Referenten (für Gymnafien, Bolföfchulen
und allgemeine Gegenftände) angeftellt, der bei der Organiftrung
der Statthalterei in diefelbe aufging, jo daß jebt bei ihr ein
Gymnafialinfpector mit dem Titel Schulrath befteht, der alle
Jahre wenigftens zweimal jedes Gymnafium des Kronlandes zu un-
terfuchen und die Maturitätsprüfungen zu leiten hat, und einem
EStatthaltereirath in der Art beigegeben ift, daß der Schulrath
die wiflenfchaftlihen Gegenftände über die Gymnaften felbft zu
bearbeiten und bei den Rathefigungen. vorzutragen hat, wenn
fie der Gremialberathung bedürfen 4).
Der Vorfchlag zur Befesung der. Lehrerftellen geht von dem
betreffenden Lehrförper aus. Nur die Jefuiten, welche das
Gymnafium in Feldficch verfehen, find vonder Gymnafiallehrer:
prüfung, von Gonferenzprotocollen 2c. frei, jedoch: auch. der In-
fpeftion des Gymnafialfchulrathes unterworfen. Auch im übrigen
1) 4. h. Entfchliefung vom 30. Sänner 1854.
. Fr % » 31. Dejember 1850.
», .23. April 1850.
> N. Y Entfchliegung vom 23. Sänner 1850, modiftcirt mit a. h.
Entfchließung vom 15. und 28. Sult 1854 und Minifterialerlag
vom 28. Auguft 1854.
5) Minifterialerlaß vom 11. Dezbr. 1848.
ift ihre Gymnafialeinvichtung im Wefentlichen der Einrichtung
der Übrigen Gymnaften gleichförmig 1).
Das Privatftudium des Gymnaftums ift mit und ohne
Einfchreibung bei einem Gymnafium geftattet; Maturitätsprü-
fung aber zum Zutritt zur Univerfität ausnahmslos nothwendig.
Nun Einiges über die einzelnen Ghymnaften der Provinz,
wobei die ehemals von der Gefellfchaft Iefu verfehenen Gym-
naften vorgehen, die Übrigen aber nach der Zeit ihrer Entftehung
folgen, daher fie fich fo reihen: a) Innebrud; b) Hall; ce)
Trient; d) Feldfirh; e) Briren; f) Roveredo; g) Meran;
h) Bogen; i) mit kurzer Bemerfung über das ehemalige >
nafium in Lienz und Ala.
H.
Gejhichtlihe Angaben über die einzelnen Symnafien,
A
Sunsbrud.
$..21.
Die Entftehung des Innsbruder Oymnafiums ift mit der
Einführung der Jefuiten in Tirol gleichzeitig $. 5. Weber diefe
wurde aber mit dem Provinzial der deutfchen Ordensprovinz,
Beter Canifius, gewiß im Jahre 1560 verhandelt, wo Cani-
fiu8 mit Dr. Lanojus auf Einladung der Regierung von Auge
burg nach Innsbrucd gegen Vergütung der Hin- und. Herreife
(40 fl.) kam, Vamit die Regierung die fohin vereinten Anträge
dem Kaifer vorlege. Schwierigfeit machte befonders das Lofal
für die Jefuiten und für die Schulen. Unter dem: 42. Oftober
1560 wurde dem Kaifer unter andern berichtet: man hätte vor-
züglich zwei Lofale im Auge, das Kräuterhaus mit mehreren,
1) A. b. Entjchliegung vom 27. Mai 1850. a rn
vom 28. Dftober 1850.
theifweife 'erft zu erwerbenden Häufern (wie e8 »fcheint großen:
theils die damaligen Wohnungen der Pfarrgeiftlichfeit), oder den
Lichtenfteinifchen Pallaft Cbeiläufig das Lofale der jegigen Uni-
verfität), welchen man um 6000 fl. zu erwerben hoffte und vor
og. Dbfehon nun auch der Kaifer für Tegten fich ausfprach, fo
verzogen fich doch die Verhandlungen faft zwei Jahre, da der
Pallaft um jenen Preis nicht zu. befommen war, vorzüglich auch,
weil eine Wittwe Lichtenftein ihn nicht verlaffen wollte, umd
auch der Statthalter, der darin wohnte, nicht fo leicht, eine ans
dere taugliche Wohnung finden Fonnte. ; Indefien ging der Kauf
doch vor fich, freilich nicht um 6000 fl., fondern um 15000 fl,
wozu erft die Adaptirungsfoften im Voranfchlage von 6342 fl.
181/, Er. Famen 1). — Leichter war die Verhandlung der jähr-
lichen Dotation für die Jefuiten, ‚welche diefe anfangs für 20
Perfonen auf jährlich 1000 fl., jedoch nur Probeweife auf ein
Sahr anfchlugen, nachher aber mit 1500 fl. jährlich erhielten,
und welche nach fpätern Aften bald auf 1800 fl. gebracht wurde.
Nachdem dieß in’8 Neine gebracht war, wurde unter dem
12. Mai 1562 ein Faiferliches Edift auf allen Kanzeln zu ver:
fünden und an den ordentlichen Orten anzufchlagen befohlen
des wefentlihen Inhalts: Der Kaifer Habe in Betracht, daß
„die traurige Spaltung der deutfchen Nation vorzüglich aus Man-
gel gefchiefter und gelernter Seelforger erfolgt fei, und ohne ge-
lehrte Perfonen, die felbft bei Gotteshäufern mangeln, und nicht
einmal als Prälaten zu befommen wären Bergl, $. 5), weder
Staat noch Kirche noch Gemeinden wohl beftehen fönnen, zur
1) Diefe Angaben feheinen aus den Aften bei der Statthaltereiregiftra-
tur hervorzugehen, vobfchon fie nicht vollftändig vorgefunden wur:
den. Webrigens wurde das Gebäude für die. Sefuiten bei der Ein-
führung der Univerfität, wo mehrere Profefforen nothwendig wur:
den, erweitert, und hiezu unter andern die Verabfolgung der Zin-
fen von 23,709 fl. , welche das Innsbrucker Sefuiten-Eollegium bei
verfchiedenen Cammeralämtern (Salzamt in Hall, Zollämter rc.) zu
fordern hatte, (wegen nicht volfftändig verabfolgter jährlicher Dota-
tion von 1800 fl. 9 bewilligt.
5*
Beförderung der Ehre Gottes, der chriftfatholichen Religion, des
allgemeinen und befonders der Grafichaft Tirold Nugens, mit
großen Koften eine anfehnliche Schule in Innsbrud errichtet, und
weil er fonft Feine tauglichen Lehrer befommen habe, diefelbe
mit Gliedern der Gefellfchaft Iefu verfehen, deren Profeß
fürnemlich auf die Studien fundiert und gerichtet fei, und Deren
Provinzial in Deutfchland, Dr. Canifius, wenigftens 20 bewil-
liget habe, die täglich die Jugend unentgeltlich in allen guten
Künften, in literis, linguis, artibus, in philosophia und theo-
logia unterrichten, und zu guten Sitten und Tugenden anweifen
follten; er ermahne fohin, da diefe Schule um das Feft Johann
des Taufers werde eröffnet werden, zur.emfigen Theilnahme 1.)
Wirklih wurde auch die Schule am 24. Juni, 1562 feier-
lichft eröffnet, wozu Ganiftus, Provinzial der oberdeutfchen Dr>
densprovinz, noch befonders eingeladen worden war, und indef-
fen auch die nach Innsbrud beftimmten Iefuiten: mit, ihrem
Rertor Nicolaus Lanajus angekommen waren. Im Der ‚geleer-
ten und auf das feierlichjte verzierten Hofficche wurde, super
altari portatali (da die Kirche noch nicht eingeweiht war) ein
Hochamt, und darauf in einem fehön verzierten Saale eine latei-
nifche Rede, und eben fo auch in den folgenden zwei Tagen
abgehalten 2).
Uebrigens war in der Verhandlung wegen Errichtung die- |
fer Schule an den Kaifer auch fchon von Extheilung der Dof-
torgrade, der Erweiterung des InftitutS auf Jurisprudenz, und
von Seite der Jefuiten auf ein Collegium für Schüler die Rebe.
Nah Burklechner fanden fich gleich anfangs 70 Auditores
ein, und bei der Eröffnungsfeierlichfeit waren die 5 Königinnen,
die Herrn der Regierung und Kammer, der ganze Adel 2. ge-
genwärtig. Die frühere Schule in Innsbrud blieb jegt wohl
nur mehr als deutjche Schule, wenigftens war fehon bei der
1) Ein gedrucftes Eremplar diejes merfwürdigen Edikts findet fich un-
ter andern in der Statthaltereiregiftratur,
2) Die Reden handelten: de instituto societatis Jesu — in laudem
philosophiae — in laudem eloquentiae.
= 69 —
Berhandlung von Auflaffung derfelben nach Einführung ver
Jefuitenfchule die Rede.
$. 22.
Die Schulen wurden anfangs in dem Societätscollegium
gehalten, wobei e8 wohl um fo weniger bleiben fonnte, al8 fich die
Studierenden bald vermehrten, und wohl auf 300, unter Mari-
milian dem Deutfchmeifter auf 3Q0—510 ftiegen, und vom Jahre
1641—1657 an Grafen und Freiherrn 21—26, nach Errichtung der
Univerfität auch 37—41 unter fich zählten 1). So lange jedoch der
nunmehrige Landesfürft Erzherzog Ferdinand (w. 3. 1563— 1594)
lebte, wurde dem Bedürfniffe nicht abgeholfen, wozu auch eine
Epannung zwifchen den Jefuiten und dem Erzherzoge im Jahre
1575 beigetragen haben foll, wo der Jefuitenrector Völkl dem
Erzherzog für feinen Sohn Carl erft nach gepflogener Rüdiprache
mit dem General des Ordens einen Lehrer geben wollte; der
Erzherzog durch den berühmten Nas, (Nafius, ‚erft Bruder,
Schneider bei den Franzisfanern, dann Priefter und Hofpredi-
ger, dann Weihbifchof in Briven), einen Gegner der. Sefuiten
den Franzisfanern geneigt wurde, und ein befonderer Freund der
Sefuiten, der Convertit Schwifard Graf von Helfenftein, nach
Bayern auswanderte. Aber auch, nachdem im Jahre 1577
die Ausföhnung erfolgte, wo Ganifius und der berühmte Pre:
diger Hoffäus, der fehon früher in Innsbruck war, und Raben-
fteiner nach Innsbrud famen, der päpftliche Nuntius dem
Andreas, Sohn Ferdinands, den Kardinalshut brachte, und
Heinrich Winfer, Carls Hofmeifter wurde, blieb der Bau des
Öymnafiums, ungeachtet auch die. Regierung Ferdinandg_ den
felben betrieb, doch unausgeführt. Nach feinem Tode ward zwar
durch Vermittlung des Graherzogs Cim Sabre 1612 Kaifers)
Matthias, an den man fich im Jahre 1596 wendete, die Bau:
bewilligung vom Jahre 1598 eriwirft; aber der Bau Fonnte
wieder nicht ausgeführt werden, wegen Mangels an Geld, und
1) Zolfer: Gefchihte und Denfwürdigkeiten der Stadt Innsbrud,
"EL TH ©. 300. DI. Th. ©. 13 und 135.
— EN
weil man auch da wieder Lofalien im Lichtenftein’fchen PBallafte
in Antrag brachte. Wenn auch in erfterer Beziehung eine Schan-
fung von 16,000 fl. des Salzburger Domhern und Bi:
fchofs von Chiemfee, Sebaftian Cattandus, der im Jahre 1599
nach Annsbrud fam, abhelfen follte, jo Hatte doch auch, da,
dieg Geld nicht flüffig war, die Ausftellung der Urkunde
diefer Schanfung fowohl an die Regierung zu Innsbrud, als
den Sefuiten-General Aquaviva in Nom fo wenig einen Erfolg,
als die Bemühungen der tyrol. Landfchaft und des Landhaupt-
manns Johann v. Khuen?).
Erft als Marimilian der Deiutfchmeifter, Bruder de8 Mat-
thias und Neffe des Landesfürften Ferdinand, im Jahre 1602
ald bevollmächtigter Gouverneur und mitintereflirter Landesfürft |
nach Innsbrud Fam, wo das Öymnafium ihm zu Ehren ein |
Theaterftüf @en egyptifchen Sofeph) in Gegenwart von vier
andern fürftlichen Berfonen und vielen Rittern ze. aufführte, trug
er dem Hofbaumeifter Abraham Jäger den Gymnaftalbau mit
Erfolg auf. Al Bauplag wurden von der Hoffammer fechs
in der Silber (Sill-) Oaffe gelegene Realitäten gefauft, und
am 5. Juli 1603 unter dem Sefuitenrector Georg Kern durch
den Grafen Yof. Andrä Brandis der Grundftein des damaligen
Gymnafiums gelegt?). Der Bau wurde im Jahre 1606 vollen-
det, und hatte 110 Schuh Länge, 70 Schuh Breite und 3
große Thore. Ueber dem Hauptthore ftand auf fchwarzen Mar:
mor mit goldenen Buchftaben die Infchrift: Maximilianus D.
Ferdinandi I Nepos, D. Maximiliani II Filius, D. Rudolphi II
Frater Virtuti et Musis MDCVI, und das Wappen de8 Erz
herzogs und der tyrol. Landfchaft, und in deren Mitte der Na-
men Jefu. Der erfte Stod enthielt fehöne Gewölbe in Freuzes-
Sorm und 8 Hörfäle, der zweite einen 98 Schuh langen und
66 Schuh breiten Saal 3). Am 3. November wurde das Ge:
1) ®ergl. Historia S. J. Dec. VI. N. 986 ıc.
SD). c. Dec. V. N. 303.587. ıc.
3) Die Sefuitenchronif fagt von ihm: in qua praeter altitudinem
amplitudini respondentem nihil desiderares. Tabulatum ex abiegno
—
baude ‚durch ein Schaufpiel Cie Hl. Katharina) in dem mit ver:
febiedenen Sinnbildern‘ verzierten Saale eingeweiht, dem Der
Erzherzog, die verwittibte Exrzherzogin Anna Katharina mit ihren
zwei. Töchtern und eine große Menge anderer Zufchauer bei
wohntet), Der Erzherzog, verbot: in der Nähe ein anderes Ger
bäude aufzuführen. — Nun begann: auch das phitofophifche und
theologifche Studium, deffen: erfter Lehrer Albert Danner war,
welcher im folgenden Jahre die. erfte., öffentliche Disputation
magna virorum etiam primariorum frequentia'hielt. — So war
alfo die Errichtung des Gpmnafialftubiume in jeder Beziehung
vollendet.
$. 23.
Dieß Gebäude erhielt im Laufe der ‚Zeit manche ‚Verän-
derung, und theilmeife eine, andere Bejtimmung. So wurde in
den 1670ger Jahren eine Principiftenfchule erbaut, wozu Die
f. f. Sammer. 200 fl. bewilligte, und. der .Stadtmagiftrat zu
Beiträgen von beim Salzamte in Hall anliegenden Kapitalien
ermächtigt 2), Im Jahre 1721 mußte. das Gebäude nachreinem
Donnerjchlage x. als baufällig unterfucht werden 3), und im
Sahre 1722 erfolgte ein Umbau im, Wefentlichen - zur dermali-
gen Geftalt mit einem Kojten von mehr-al8 14,000 fl. 4). ‚Statt
eines Saales wurden zwei _hergeftellt, welche zu Studenten-, und
Bürgercongregationen und. auch zu Stupienfeierlichfeiten dienten.
Zipifchen denfelben war ein Schulzimmer,, Nach der Aufhebung
der Sefuiten und Congregationen wurden. diefe, Zofalien. bis jegt
assere planum erat, parte tamen anteriori, cui altare suberat,
arcuatum,et ut altius educi hujus structura posset, et spatium
esset suspendendis theatralibus machinis.
1) Marimilians erfter Kämmerer, Ludwig Molart, liehidemverften Acteur
ein reiches Srauenkleid von Goldftoff , das er dann Bam ea
tenfaal zu einem Meßkleide fchentte.
2) Nady Urkunden bei der Statthaltereiregiftratur;. 3. Bi a. h. Ent:
‚fcylief ung vom 8. Dftober. 1674.
3) Ephemerides theolegicae ad: 5. et 10; Jan. 1721. Me. im Archiv
der Univerfität:
4) Zoller 1. c. 2 Thl. ©. 91.
NE —
Univerfitätsbibliothet. Im Jahre 1787 wurde ein Zimmer beim
jegigen Gingange, linfs des Gymnaftaldienerd, und im Jahre
1790 ein Theil in der Nähe des vorigen Zimmers (früher Fecht-
fehule) Wohnung des Bibliothefvieners. Im Jahre 1794 wurde
der ehemalige Saal der fleinen (Gymnaftal-) Congregation Bet-
faal, was er noch ift, und im Jahre 1805 wurde im erften
Stod ein fleines Zimmer für den Präfect hergeftellt ; im
Jahre 1823 das Gebäude zur Sicherheit von Feuergefahr mit
Steinplatten gededt u. f. w.
$. 24.
Ueber die Schiefale des Gymnaftums unter dem Jefuiten-
Orden ift wenig befonderes befannt 1), man müßte denn etwa
hieher rechnen, daß bei dem dreitägigen Studentenauszug gegen
die Bayern im Jahre 1703 auch Gymnaftalfchüler fich betheilig-
ten, oder im Jahre 1564 die Studien das ganze Jahr wegen der
Veit, und eben deßwegen im Jahre 1611 wieder ein halbes
Sahr gefchloffen waren 2) u. dgl.
Die öfter erwähnte Gefchichte des Innsbruder Oymnafiums
fpricht insbefonders ziemlich ausführlich von den Congregationen
und Theaterübungen des Gymnafiums.
Die Marianifche Congregation theilte fich in eine größere
für die Afademifer, die fpäter entftand, und in die Fleinere für
die Gymnaftalfihhler vom Jahre 1578, wozu im Jahre 1649
noch der coetus angelicus für Anfänger in den Studien Fam,
für welche der Präfes vorzüglich die chriftliche Lehre betrieb 3).
1) Bom Vorhandenfein der Gymnafialakten, mit Ausnahme jener der
neueften Zeit, weiß die Gymnaftalvorftehung nichts.
2) Der erwähnte Zefuit Danner und P. Melchior Koftlan von Briren
zeichneten fich Durch immerwährenden Befud) von Veftkranfen aus,
wohnten auch außer dem Collegium im Nicolaihaus. Lesterer nahm
au Einfluß beim Magiftrat zur Erbauung der Dreiheiligen Kirche.
3) Die marianifche Eongregation verbreitete fich auch unter die Stadt:
bewohner , und wurde im Sahre 1583 ald Bürgercongregation ab-
gefondert. Letere theilte fih in die Kongregation für Verehlichte
und Sunggefellen. i
I
Durch die Kongregation war unter andern für die Gnmnaftal:
fcehüler eine Bibliothek an Erbauungsbüchern, und wurden auch
andere Werke Behufs des Studiums angefchafft, womit man
arme Studenten unterftüßte.
Bon Schaufpielen nur Einiges. Im Jahre 1576 wurde
die Gefchichte der HI. Katharina durch volle 6 Stunden gege-
ben, wozu der Erzherzog Ferdinand den drei erften Afteurs ihren
Rollen angemeffene Kleider verfertigen ließ, und zur Fortfegung
der Studien ein Stipendium von 70 fl. bewilligte; die Schau:
piel wurde von einem Peter Sanhov in Heroifche Derfe ge-
bracht und wieder im nächften Jahre vor dem Erzherzoge, fei-
nem Bruder Garl und deffen Gemahlin, dann den Herzogen
Wilhelm und Ferdinand von Bayern und vielen andern hohen
Herrfchaften durch 8 Stunden von 200 Afteurs zur lauten all»
gemeinen 'Infriedenheit aufgeführt. Als Kaifer Ferdinand I.
am 2. Februar 1622 das Beilager mit Eleonora, Herzogin von
Mantua, gehalten hatte, wurde am Ende des Jefuitencollegiums
zur Verherrlihung des Einzuges ein ITriumphbogen in Geftalt
eines Berges errichtet, auf deffen Gipfel ein Genius auf einem
fliegenden Adler die Nymphen aus ifren Hainen und die Wald-
götter aus ihren Höhlen hervorrief, den Kaifer zu empfangen.
Obwohl es fehneite, hielt der Kaifer doch fo lange ftill, bis
alle auf dem Berge vertheilten Berfonen ihre Gedichte und Mus
fifchöre vollendet Hatten. Am folgenden Tage wurde im Gym-
nafialfaale vor dem Kaifer ıc. der Hl. Martyrer Gallicanus auf-
geführt, wie er um Erlangung der Prinzeffin Eonftantia, Con-
ftantin des Großen Tochter, wider die Scythen zu Felde 309.
— Bei der Vermählung des Erzherzogs Ferdinand Carl mit
Anna von Medici am 10. Juni 1646, wo wegen des Ablebend
der Raiferin Maria Anna alfe fonftigen Feierlichfeiten eingeftellt
wurden, war doch vom Gymnafium eine WVorftellung — die
Hoffnung des goldenen Zeitalterd —- in Gegenwart des Hofes
und der Prinzen von Toskana und einer großen Menge Zu
fehauer mit 'allgemeinem Beifalle aufgeführt, wmobei felbft die
Blorentiner die Decoration, "den guten Gefang ıc. bewunderten.
— MM —
— Unter den vielen Feierlichkeiten vom Jahre 1765, worin
Innsbrud die Vermählung des Erzherzogs Leopold mit Maria
Ludovica von Spanien gefeiert wurde, war am 10, Junivauch
im großen Öymnafialfaale ein deutfch-gereimtes Schaufpiel —
die ‚gefuchte, ‚gefundene und heimgeführte Braut: in der, Berfon
der Nebefa — dem die a. h. und angefehenften, Herrfchaften
beimohnten.
8. 29.
Wegen des erwähnten Mangeld an Nachrichten begegnen
uns auch. feine berühmten Männer aus dem Jefuitenorden san
diefem Gymnafium, vielleicht wohl auch, weil die Brofefioren
nicht lange am Gymnafium blieben, fondern bei einiger Aus:
zeichnung an die Univerfität oder. anderswohin verfeßt wurden,
Aber, vom MWeltpriefter Michael Renner, welcher; an Diefem
Gymnafium faft ein halbes Jahrhundert magister prineipiorum
war, mag eine furze Erwähnuug gefchehen. Geboren in Meatfch
im Jahre: 1679 oder 1680 wurde ‚er 1704 vom: Nector Euftach
Furtenbach zu obigem Amte ernannt, in welchem er fich Durch
feine Thätigfeit , Unpartheilichfeit, Handhabung der Disziplin,
väterliche Strenge ohne Rüdficht auf Stand und Anfehen, und
befonderd durch feine in Drud gegebenen und ‚öfter aufgelegten
„Srundreaeln der, lateinifchen Sprache‘ vielen Ruhm und Die
allgemeine Achtung erwarb. Er. war zugleich Benefiziat: und
Kaplan im Negelhaus und verfperrten Klofter. Jeder PBrincipift
zahlte ihm jedes Vierteljahr ein Schulgeld von. 1 fl. Das durch
Sparfamfeit bei diefem geringen Einkommen ‚gefammelteBerz
mögen. verwendete er großentheils, auf. milde ‚Stiftungen. Er
wollte fein Lehramt da noch nicht abtreten, alS ex durch Alter und
Krankheit feine Lebhaftigfeit und Kräfte verloren hatte, und fich
öfter zur Klage des Publikums durch einen Subftituten verfehen
lafien. mußte... Den Oymnafialpräfeet, der zu Anfang des Jah:
res 1750 in Gefchäften. der, Nefignation. zu Nenner kommen
wollte, ließ er nicht einmal vor, Daher jener ihm Durch ein eigens
jehmeichelhaftes. Schreiben ‚unter dem 27. April: 1750 den. Entz
— (5 —
fchluß des.Rectors über feine Refignation befannt geben mußte.
Er ftarb am 30. Oftober 1753.
$. 26.
Nach der Aufhebung der Jefuiten theilte dieß Gymnafium
die Schieffale der Gymnafien überhaupt, ohne daß viel. befonde-
res bei demfelben vorfiel.
Im Sabre 1775 3. B. verfahen es in 6 Glafjen 5 Erjefui-
ten und ein Weltprieftert), erftere mit je 350 fl. Gehalt, leß:
terer, Johann Zangerle, mit dem Duatembergeld ald Magister
principiorum ?.)
Die fpäter folgenden Kriegsereigniffe führten auch bei dem
Gymnaftum manche Unordnung herbei. So wurde daffelbe im
Sahre 1796 mit dem 21. Auguft gefchloffen, damit die Schüler
ander Vertheivigung des Vaterlandes Theil nehmen: könnten,
und das folgende Schuljahr wurde um 3 Wochen fpäter eröff-
net; dann als der Feind gegen Sterzingen vorrüdte, am 27. März
unterbrochen, damit auch die Schüler am Landesfturm Theil
nehmen fönnten; die Theilnehmer erhielten. im: Jahre 1798 die
füberne Medaille. Im März des Jahres. 1799 zogen. zwei Stu:
denten = &ompagnien. von 220. und 100 Köpfen, darunter aud
Gymnafiften. aus; weil aber der Feind bereits am 30, März
zurüdgetrieben war , fehrte die erfte Compagnie am 15, April,
die legtere am 17. Mai wieder zurüd. Die Schulen gingen
nun zwar fort, aber Kataloge wurden nicht gedruckt ‚und. dag
Schuljahr am 21. Auguft gefehloffen. Im Jahre 1805, nad)
dem Falle der Scharnig am 4. November, Fam Alles in Ver:
wirrung. Obfchon die Schulen am 8. November begannen , fo
ftellten fich doch wenige Studenten ein; die Schulmeffe wurde
1) Die Erjefuiten waren: Sohann von Zallinger, Sofeph. Stadler,
Lorenz Schmalz, Paris v. Giufiani, Carl Michaeler.
2) Diefer ftarb im Sahre 1816 als Hülfspriefter in Colfaß, wo ihm
der damalige Pfarrer Ruf eine efegifche Grabfchrift feste; die be-
ginnf: Grammaticam |seivit, multos docuitque per annos, decli-
nare tamen non potuit tumulum etc,
—_ 16 —
erft um 8 Uhr gehalten, und den Schülern erlaubt, bei jeder
fi) Außernden Gefahr zu Haufe zu bleiben. Erft im Jänner
1806 war alles wieder im ordentlichen Gang. — Im Jahre
1809 wurde das Gymnafium am 11. April gefchloffen, am
15. Mai der ofterreichifche Schulplan eingeführt, jedoh am
23. Mai fchon wieder nach dem bayerifchen geleget, ja das
Gymnafium vom 25. Mai bis 12. Juni gefchloffen. Am 23:
Suli wurden auch die Gymnaftalfchüler mit den Afademifern zur
Bertheidigung des Waterlands aufgefordert; für Die wenigen
Studenten wurden fchon im Auguft die Prüfungen gehalten,
bei welchen jedoch zwei Profefioren abgingen 1). Die: Elaffen-
verlefung und Drudlegung der Kataloge unterblieb. — Im fol-
genden Jahre erfolgte die gefegliche Einfchreibung erft amı16.
Dezember, obfehon auf Befehl des franzöftichen Generals Drouet
v’&rlon die Schulen am 7. November eröffnet worden waren.
— Auch Kriegsbeiträge wurden von den Studenten öfter ‘ges
fammelt,, 3. B. im Jahre 1793 von dem Oymnafium 284 fl.
Uebrigens ftand dem Gymnafium unter der fgl. bayr. Periode
bis zum Jahre 1809 Nitfche, ehemals Univerfitätsprofeffor der
Philofophie, die er zum Theil noch lehrte, dann Grafjer vor,
der das Directorat, refp. die SBräfeetur auch unter Defterreich be=
hielt, bis im Jahre 1823 Alois Schniger ald Präfect folgte, der
bi8 zum Vebergange des Gymnaftums an die Jefuiten blieb, dort
aber in fein Klofter Stams zurüdfehrte und 1839 zum Abte
erwählt wurde.
$. 27.
Bei der Reftauration der tyeol. Stifte mit a. 5... Ent
fehliegung vom 12. Jänner 1816 wurde ihnen, namentlich dem
Stifte Stams, Wilten und Neuftift — da Marienberg ohnehin
das Oymnafium in Meran verfah, und die Reftauration vom
Stifte Fiecht etwas fpäter erfolgte — zur Pflicht gemacht, die
1) Sud und Gilg, die von Bayern anher verfegt und mit den Uni:
verfitätsprofefforen Albertini und Feilmofer damals nad) |
abgeführt wurden
3
Gymmafien und philofophifchen Lehranftalten des Landes nach
und nach mit Lehrern aus ihrer Mitte zu verfehen, und bis
dieß gefchehe, aus ihren Einkünften zu erhalten, wozu fie nach
dem PBrotofolle vom 1. April 1816 jährlich 9230 fl. 50 fr. zu
bezahlen ' Hatten. Am: Innsbruder Gymnafium waren auch
wirklich mehrere Conventualen des Stiftes Wilten und Schniger
vom Stifte Stams als Religionslehrer, dann ald Präfect an-
geftellt. Allein auf Vorftellungen der Stifte ward unter, dem
20. Aprit 1833 a. h. ausgefprochen, daß die Stifte in Tirol
in Bezug auf Leiftungen nicht ftrenger .al8 die Stifte in andern
Provinzen Defterreichs zu behandeln feien, und durch eine weis
tere a. 5. Entfchliegung vom 17. Dftober 1838 wurde auf Die
Ditte der Tiroler Landftände und auf den Antrag des Stiftes
Wilten und Stams das Innsbruder Gymnafium der Gefell:
fchaft Iefut) in der Art übergeben, daß fie nach ihrem Antrage
die Bezüge der Profefforen eines Gymnafiums dritter Claffe er:
hielten, übrigens fich nach der a. d. Entfchliegung vom 19. März
1836 zu richten fei, nach welcher die Lehrer aus der Gefellfchaft
Jefu der Eonfinsprüfung enthoben find, und nach ihrer Lehr:
weife mit dem Beilage lehren dürfen, daß fie in Betreff des
Umfanges und der Ordnung der Lehrgegenftände nach den T, f.
BVorfchriften fo fich richten, daß die aus dem Gymnafium Aus-
tretenden dafjelbe gelernt haben, was an andern Gymnafien
gleicher Kategorie gelehrt wird, und daß der Uebertritt von ihrem
Gymnaftum zu einem andern und umgefehrt in jeder Elaffe, ohne
Nachtheil der Mebertretenden Statt finden fann. Ferner hatten
fie ein Eremplar ihrer Vorlefebücher vorzulegen, alle für die
Gymnaften vorgefchriebenen Berichte — mit Ausnahme jenes der
geheimen Notizen — Über die Profefforen zu verfaffen, und die
beftehenden Normen über Aufnahme und Entlaffung der Schl-
ler zu beobachten. — Nachdem feit dem Jahre 1839 einzelne
Mitglieder. aus der Gefelfhaft angeftellt worden. waren, wurde
1) Daß die Sefuiten auch Tirol nicht Allen angenehm waren, zeigt die
Piege: Die Sefuiten. in Tirol. Bon einem Tiroler. Heidelberg
1845. —
Se
denfelben im Jahre 1841 das ganze Gymnaftum übergeben, für
dasfelbe jedoch ein Prüfungscommiffär aufgeftellt, - welcher “an
den Übrigen Oymnaften nicht beitand.
Die Koften des Öymnafiums beftritt, wie früher, ‚der
Studienfond , der vald Entfchädignng nur die: jährlichen Imma-
trifulationstaren der eintretenden Schüler von’ beiläufig 60: big
80 fl. erhielt, indem beim Eintritt in das Gymnaftum ein Schür-
fer vom hohen Adel einen Dufaten, ein Wbelicher 2 fl., ein
Studierender des Mitteljtandes 1 fl. und von gemeinem Stand
30 Fr. zu entrichten hat, Arme und Stipendiften aber. frei wa-
von — eine Einrichtung, die, joviel befannt, an diefem, Gym:
nafium fo wie an der Univerfität von jeher beftand.
$. 28.
Als in Folge des Jahres 1848 der Jefuitenorden aufge
hoben wurde, erhielt der Präfert am Feloficcher Gymnafium,
Iohann Mayr 1), den Auftrag, das Gymnaftum in Innsbrud
nach den Vorschriften des neuen Organifationsentwurfes zu organi-
firen. Er that. e8 und warb für daffelbe durchaus neue Kräfte,
nur daß. im ‚eriten Jahre einige Profefioren des ehemaligen philo-
fophifchen Studiums, das wenigftens in feiner frühern Form
ganz aufhörte, mitwirfen mußten. Nach: feinem Austritie, war
es jchiwer in Zirol, wo die meiften Gymnaften von Ordensfor-
porationen verfehen werden, die ihre Kräfte felbjt bedurften, und
von den füdtivolifchen, Gymnaften. fchon. der Sprache wegen fein
Director herbeigezogen werden. konnte, einen geeigneten Director
zu finden, daher das Minifterium felbft den Piariften Siebinger
7) Geboren in Briren 1792, Weltpriefter 1815, dann in Briren, und
jeit 1818 Humanitätsprofeffor am Gymnafium zu Snnabruc, bis er
im Sahre 1840 als Gymnaftalpräfect nach Feldfird verfegt wurde.
Wegen Krankheit mußte er am Ende des Schuljahres 1849 vom
Innsbruder Gymnafium in die Penfion treten, worauf er, da er
fich wieder etwas erholt hatte, proviforifch bei der Organifirung des
Schulrathes an der Statthalterei im Jahre 1850 als Landesfchul-
vath und Öymnaftalinfpector angeftellt wurde; eine ©telle, die
er in Solge feiner Krankheit jchon im Sahre 1852 a; mußte,
worauf er im Sahre 1853 farb.
u
fehiefte,- welcher lange ald Ghmnaftallehrer und legthin als Pro-
fefior ver Gefchichte in Wien gedient halte und nun das Gym-
nafium leitet, an dem nebft ihm eilf Lehrer angeftellt find, von
denen die zwei Neligionslehrer auch andere Fächer verfehen, von
den übrigen aber noch zwei dem Weltpriefterftande angehören,
die Andern Laien find,
S. 20,
Zu den Unterftügungsanftalten des Gymnafiums gehörten und
gehören zum Theil noch: 1) das Nicolaihaus, das feinen Namen
wahrfcheinlich dem erften Rector des Innsbruder Jefuitencollegiums
Nicolaus Lanojus verdanft. Diefer Mann wünfchte fehon bei der
Berufung der Iefuiten zugleich ein Studenteneonviet, und brachte
dann. duch Sammlungen von Haus zu Haus im Jahre 1568
einen feinen: Fond zufammen, mit dem er 30 Studenten unter:
ftüßte.... Erzherzog. Ferdinand. ließ ihm vom: Jahre 1574 die
Hebexbleibfel. feiner Hoftafel- und Jedem der Unterftügten um
einen Kreuzer DBrod täglich verabreichen. Befonvders nahm fich
ihrer auch Bater Georg Erifpus an, der. bei feinem Tode am
15. Dftober 1578 ald Vater ver Studenten bedauert wurde.
Die unterftügten, Schüler wohnten zerftreut in der Stadt, und
famen nur zum Effen in einem Haufe zufammen, bis Erzherzog
Berdinand im Jahre 1587 um 500 fl. ein Haus zu ihrer Woh-
nung Fauftet).. Hiedurch wurden mehrere Wohlthäter gewedt,
fo daß im Jahre 1658 das zweite, im Sahre 1670 das dritte
Haus erfauft werden fonnte, und aus allen drei Käufern: vom
Grunde aus ein Neubau entftand, in welchem eine Kapelle,
dergleichen auch fchon im Sahre 1604 errichtet war, am 20.
September 1683, zu Ehren des hl. Nikolaus, eingeweiht wınde.
Im Iahre 1683 Faufte man ein viertes Haus für Koftgänger
(eonvietores), welches im Jahre 1731 als Haus. des hl. Io-
1) Wohl die nach einer Steuerrolle vom Sahre 1605 von Georg
März Hofmüller und von Hanfens Gartners Erben angefaufte
"„‚Eggbehaugung und Garten, fo fin Herrn Sefuiten armen Scuel:
"Khnaben erpaut worden.“ Bib. iyr.
u —
fephs mit dem Nicolaihaufe zufammengebaut wurde 1)... Die Ge-
fchenfe, welche zum Unterhalte der 30 armen. Studenten ge
macht wurden, erflärte Erzherzog Maximilian im Jahre: 1615
ald ordentliche Stiftung, was Erzherzog Sigmund im Jahre
1663 und Kaifer Leopold im Jahre 1668 beftätigte. Hiezu
famen noch andere Stiftungen 9.
Alle Zöglinge und onviftoren des Inftituts befuchten die
öffentlichen Schulen. Cs ftand unter einem Infpeftor, der das
Defonomifche, Wiffenfchaftliche und Sittliche des Haufes leitete,
und alsı Präfeeten einen Weltpriefter, zugleich Beneficiat des in
der Sefuitenfirche vom Herzog Carl von Lothringen im Jahre
1683 errichteten Kaveribenefiziums unter fich hatte, wozu noch
ein Unterpräfeet und ein Paienbruder ald Defonomen famen. —
Die Hausordnung war genau vorgefchrieben: um 5 Uhr wurde
das Zeichen zum Aufftehen gegeben, um 6 Uhr war Morgen:
gebet und Meffe in der Hausfapelle, dann Frühftüd und Stu-
dium bis 8 Uhr, wo die Schulen begannen, nach denfelben
Privatunterricht und Wiederholung; von 11 bis 12 Uhr Mit-
tagefien und Erholung, für Liebhaber auch Mufifunterricht, von
1) Das ganze Haus Faufte nach der erften Aufhebung der Sefuiten
und Convicte Gub.:-Rath v. Trentinaglia, und von ihm der. Han:
delsmann Unterberger, von welchem es Fäuflich an die wiederher-
geftellten Sefuiten überging , deren Collegium es dermalen ift. Es
ftoßt can das Gymnafialgebäude und durch diefes an die den Sefui:
ten zum Gebrauche eingeräumte afademifche, ehemals Sefuitenfirche.
2) Sardagna (Mfe. in der bibl. tyr.) bezeichnet das Vermögen fo:
1) das durch Almofen aufanmengebrachte Kapital 39,250 fl.
2) Schrottenthal’s Legat v. 3.1593 . . 1000 fl.
3) Sährlicher, Kammerbeitrag auf mer II. Be-
fenl 8, %. 1908 . u. 350 fl.
4) Marimilianifche Be v. an 1615 ji 120 fl.
5) Sander’fches Legat v. . 1701 it .sllun 2000 fl.
6) Doswald'fches Legat HB u ER 3000 fl.
7) Dangl’fches Legat v. . 1731 BET Bes PSCHRRE 3600 fl.
8 Eghen’fihes Legat v. 3.1739. 2 2 2. 4000 fl.
9) Plattner’fches Legat = Seu17A8 ee 1600 fl.
Das Stiftungsfapital für -die Haudtapele
betrug . - e 3050 fl.
für gejtiftete Meilen EN 38 nusfunee, Say 4060 fl.
a
4bi8),2) Uhr Studium im‘ Studierzimmer (Musaeum ), dann
Schule, Hausunterricht und Privatitudiumbis 6 Uhr, von dort
bis‘ 8. Uhr Nachtefien und Erholung, dann Nachtgebet in der
Hausfapelle. «An ‚Erholungstagen wurde eine halbe Etunde
fpäten aufgeftanden und: war von 8 bie. 10) und: 2 bis 4 Uhr
Unterhaltung. » Der Bräfeet hatte. fein Zimmer zwifchen den |zwei
Mufäen ‚und das: Schlafzimmer zwifchen beiden ‚Dormitorien
mit Ausgängen zu beiden-ECeiten. Das Haus Hatte auch eine
gute Bibliothek. Sof. Gretfcher, Matth. Rader und viele an:
dere gefchicdte Männer nahmen an diefer Anftalt Theil.
Bei Aufhebung derjelben wurden Stipendien ‘gebildet, die
noch. für. Studierende der Ghymnafien und der Univerfität‘ bes
ftehen, und zwar:
a) 4zu 100 fl. fohin . ! | 400 fl.
bV 3 zu 70f. . I - x 210 fl.
ce) 4 u50fl. . 2 h ' 1200 fl.
dJ2us0f. . j ; 60 fl.
e) dann für we 7 zu 70 A ' 2 490 fi
N 1250! ‘ h 100 fl.
gu—uL DEI wa 75 fl.
zufammen 44 Stipendien mit 2530 fl.
Hiebei wurden die Familienjtiftungen — Doswald, San:
der, Eghen, Dangl,, Blattner — gewiijenhaft zu ‚Samilienftipen-
dien ausgefchieden, und aus der Marimilianifchen Stiftung erhal
ten nunmehr jährlich. 36. Studierende — die Hälfte vom Gym:
nafium, die andere Hälfte von der Univerfität — je 4 fl, wenn
fie am 3. November dem Seelengottesdienft für den Stifter in
der PBfarrfirche beimohnen 1).
Br} Da das Regelhaus ftiftungsmäßig 14 armen Stubenten
täglich, eine Suppe, ein Brod, und einen Heller. zu. verabreichen
hatte, jo wurde bei der Aufhebung defielben ein Theil des Ver:
mögend zu Stipendien für in Innsbruck Studierende auch aus
1) Zeitfehrift für Tirol und Vorarlberg V.B. ©. 237. — Sinnader's
Beiträge VI. B. ©. 76.
6
se oe
anderen Provinzen ausgefchieven, deren 14 a 54 fl., fohin mit
756 fl: jährlicher Rente beftehen.
3) Die Kaiferin Maria Therefia war fchon im Jahre 1765
entfchlofien, in Innsbrud ein collegium Nobilium gleich jenem
in Wien zu errichten ; verfchiedene Hinderniffe verzögerten Die
Ausführung bis zum Jahre 1775, wo dafjelbe am 15. Dftbr.
(Therefientag) eröffnet wurde. Zur Stiftung wurden. verwen:
det 80,000 fl., die aus dem Vermögen des Bartholomeo Betta
del: Toldo, eines Noveredaners, ausgefchieden wurden, welcher
als Jefuit in Siena mit Veftament vom 25. Novbr. 1745 fein
Vermögen zur Errichtung eines Jefuitencollegiums in NRoveredo
beftimmt hatte, eine Beftimmung, die zu vielen Streitigfeiten
und Verhandlungen theils mit der Schweiter des Teftators, einer
verehlichten Fedrigazzi, theild mit dem Magiftrate von Roveredo
und. den Sefuiten WVeranlafjung gab). Dazu. Famen nod)
Strafgelder eines wegen Unzucht ıc. in Griminalproceß. verfal-
lenen SBetronius, und endlich Beiträge der tirol. Landfchaft und
des tirol. Matrifelfonds. © Aus diefem Gefammtfonde, Faufte
man um 6000 fl. den wetlichen Theil des Jefuitencollegiums,
und adaptirte ihn zum Inftitute, das über dem Eingangsthor
die Auffchrift hatte: Collegium Nobilium MDCCLXXV.
Die Zahl der Alumnen war auf 18 beftimmt, wovon bie
Regierung 10, die tirol, Landfchaft 4, die tirol, Matrifel eben-
falls 4 ernannte. Man nahm jedoch auch Koftgänger (Eonvic-
toren) auf, und zwar nach einem „Avertiffement” vom 24. Juli
1775 gegen jährliche Bezahlung von 275 fl., wozu nod) Uni-
form, Bett, Wäfche und Tifchzeug mitgebracht werden mußte.
Die Uniform war ein hechtgrauer tücherner Rod mit gelbmetal-
lenen Knöpfen, rother tüchener Wefte mit fchmalen goldenen
Treffen und gleichen Beinfleidvern. Die Aufzunehmenden mußten
nicht unter 9 Jahren und in der Religion und den erften Grund-
1) E83 mar insbefondere auch die Frage, ob Teftamente der Sefuiten
nad Profeflen, nach welchen fie aus. der Gefellichaft noch) entlaffen
werden Fonnten , giltig feien.
.
fägen "der Tateinifchen Sprache unterrichtet fein. Alle Zöglinge
befuchten die öffentlichen Schulen, hatten aber auch ihre Haue-
repetitoren und erhielten über dieß Unterricht in der franzofifchen
und italienifchen Sprache, fo wie im Fechten, Tanzen, Zeichnen.
Das Inftitut hatte einen Director, dann mehrere geiftliche und
weltliche Hofmeifter und Repetitoren 1). Als Erziehungsanftalt
wurde es mit 1. November 1784 aufgehoben, und die Zöglinge
gingen auseinander, jedoch erhielten fie noch im Gebäude Un-
terricht, fohin Repetitionen, und machten die Mebungen im Fech-
ten 2c. Der Director blieb aber im Inftitutsgebäude. “Die
Lofalien wurden im Jahre 1786 dem Generaljeminar, und nad
defien Aufhebung der Univerfität überlaflen, al8 Erfat jedoch
wurde im Jahre 1791 das Franzisfanerflofter eingeräumt, das
es noch befigt. Früher hatte das Imftitut eine Zeitlang auch
das Willibald v. Spaurfche Haus in der Silfgaffe gemiethet.
Die erübrigenden Renten wırden bei Aufhebung der ge-
meinfchaftlichen Verpflegung zu 38 Stipendien verwendet, und zwar,
Aa een
un ggg
zu. 14.4: 200 fl. a TE2B0O Fl.
Unter der königlich 'bayer. Haglerung hörte auch der Unter
richt auf. Aber unter der wieder eingetretenen öfterreichifchen
Regierung wurde das Inftitut im Jahre 1826 als Unterrichte-
Inftitut und unter dem 4. Oftbr, 1830 in der urfprünglichen Form
wieder hergeftellt und die Leitung dem Stifte Wilten Üibergeben,
welches diefelbe. (im Jahre 1838 jedoch mit nächfter Leitung von
Weltprieftern) verfah, bis fie auf a. hd. Entfchliegung vom
1) Der erfte Director war der. fpäter nach Wien beförderte Univerfi-
tätsprofeffor und Regierungsrath Soh. Vehem — (geb. in Stodad)
am 8. April 1741, ftudirte theils in Conftanz, theils in Snnsbrud,
wo er Doctor der Philofophie wurde, theild in Wien, wo er 1771
das Doctorat der Rechte erhielt und ald Profeflor. des Kirchenrechts
zu Sunsbruc ernannt wurde. Sm Sahre 1777 erhielt er den Karaf:
ter eines Faiferl, Rathes und 1779 wurde er nach Wien befördert.)
Diefem folgte der Regierungsrath Freiherr v. Buffa, endlich im
Sahre 1783 der Appellationsrath Freiherr v. NHippoliti, der die
dießfällige Penfion bis zu feinem Tode im Sahre 1843 genof.
6*
17. Oktober, 1838. der Gefelffchaft Iefu übergeben: wurde; mo-
rauf auch die etwas veränderten, Statuten unter dem 8. Oftbr.
1842 die a. h. Genehmigung erhielten. — In. Folge a,b: Ent:
Ichließung vom 4. Mai 1848 wurde das ‚Inftitut, wieder aufge
hoben und die Renten zu Stipendien a 300-200 und: 100 fl.
verwendet, Die nur caeteris paribus adelichen ‚Studierenden nach
a. h. Beftimmung vom 13. Novbr., 1849 verliehen werden follen:
4) Daß das unter dem 12. Iuni 1784 eingeführte Schul-
geld zu Stipendien für arme Studenten verwendet wurde, ift
bereitS bemerft worden. Uebrigens fonnten die Stipendien: jure
sanguinis et loci bi8 zum Hofvdefret vom 18. Aug. 1804 auch
mit der Note zweiter Glaffe genoffen. werden.
5) Familienftipendien ausfchlieglih für das Innsbruder
Gymnafium find:
a) das Melling-Stöl’iche vom Jahre 1577 und 1776, ders
malen im Betrage von 89 fl. 56 fr. für Studierende aus der
Familie Stödl1).
b) Das Wolfenfteinifche vom Jahre 1566, dermalen im Be-
trage von 23 fl. 481% Fr. für Bürgersföhne von Innsbrud.
6) In frühern Zeiten pflogen arme Studenten vor den
Häufern der Wohlhabenden das Salve Regina , die lauretanifche
Litanei oder Lieder zu fingen, und fich dadurch einen Unterhals-
beitrag zu verfchaffen, eine fehr verbreitete Gewohnheit, über die
3 B. das Goneit von Sabburg im Jahre 1569 weitläufige
Vorfhriften gab, z.B daß nur Tateinifche Lieder gefungen
werden. Bei der Einführung der Armenanftalt wurde dieß ab-
gejtellt , jedoch ein Beitrag von der Armenfaffe bewilligt , die
jeßt arme Studenten mit Medicamenten verfieht.
7) Im Jahre 1846 ift durch Privatwohlthäter ein gtoßar»
tige8 Convift für. 100 Zöglinge unter, der. Leitung ‚der Jefuiten
in’ das Leben getreten, bei deffen Grundfteinlegung fich der durch-
veifende päpftliche Nuntius Altieri und der Fürjtbiichof, von
Briren: betheiligte ıc., dag aber nach. Aufhebung der: Iefuiten im
1) Zeitfhrift für Tirol B. VI ©. 118 ff.
mW =
Jahre 1848 wieder 'verfchwand. Das Gebäude wurde der
Stadt Innsbriit um 80,000 fl. anfangs mit der Beftimmung
zu einer Realfchule verfauft; die Verwendung diefes Kauffchil-
lings ift den Bijchöfen von Briren und Trient überlaffen ; im
Jahre 1855 wurde das Rofale von einigen Hausbefigern (Lurnus-
Berein) zur Erleichterung der Militär:Einquartirung angefauft.
8) Das früher in Wilten beftandene Conviet wurde vom
Abte Avis Röggl al nicht ftiftungsmäßig aufgelaffen.
I) Privaten der Stadt Innsbruf hatten von jeher durch
Koft und Geldbeiträge arme Studenten unterftügtz jegt werden
folche Unterftügungen großen Theil8 dem Wincenziusvereine ver-
abfolgt, welcher im Jahre 1856 mit 4488 fl. 551% fr. 154
Studenten unter andern durch 11,183 Mittag- und 12,309
Adendefien zur Hilfe Fam, und für noch Mehrere um Unter:
ftügung angegangen wurde, zu deren Nealiftrung er durch eine
öffentliche Bekanntmachung nicht blos die Stadtbemohner, font-
dernnuch die Gemeinden auf dem Lande, denen mit der Zeit
der Nugen: diefer Unterftügungen durch Fünftige Priefter und Be-
amte zumächft, und von denen fo viele arme Studierende nach
Innsbrud fommen, um Beiträge erfucht. Außer dem erzeigen
fi), aber noch viele Bewohner in und um Innsbrud für arme
Studenten durch manigfaltige Unterftügungen fehr mwohlthätig.
B
Hall,
$. 30.
Die, Entftehung des Haller Gymnafiums hängt mit der
Einführung des dortigen Föniglichen Damenftiftes zufammen, das
fein Dafein den drei Töchtern des Kaifers Ferdinand I., Mar-
garetha, Magdalena und Helena, Schweitern , des Erzherzogs
Ferdinand, verdankt. Diefe drei PBrinzeflinnen hatten im Jahre
1564 Gott die ewige Keufchheit gelobt, und wollten fich in das
Klofter der Riedler-Nonnen, vom, hl. Branz-Seraph8-Drden in
München verfchließen, wo ihre Schwefter Maria Anna mit
Herzog Albert V. vermählt war. Dem Antrage widerfeßten fich
aber ihre Brüder, Kaifer Marimilian II, Erzherzog Ferdinand
in Tirol und Erzherzog Karl in Steyermark, und auch die Ziro-
ler Landftände machten dagegen Vorftellungen. Die drei Schwer
ftern erklärten in Tirol bleiben zu wollen, wenn man in dem
von ihnen gewählten Wohnorte auch den Jefuiten eine. Wohnung
bauen würde, da fie befchlofien Hätten, nur Jefuiten zu ihren
Gewiffensräthen zu nehmen. Man nahm den Borfchlag gern
an, und die Prinzeffinnen und Ferdinand fchrieben an den Jefuis
tengeneral Borgias, der dem Wunfche unter der Bedingung zur
fagte, daß die Wohnung der Jefuiten nicht, an jene der Fräu-
lein ftoße, und das Verfprechen der Beichtväter nur auf die
Lebenszeit der Prinzeffinnen gelte. Für die PBrinzeflinnen wurde
fohin das Fönigliche Stift in Hall gegründet, den: Jefuiten aber
das dortigen Schneburg’fche Haus um 2600 fl. 1) erfauft und
zu ihrem Collegium hergerichtet.
Am 5. Dezember 1569, nahmen die zwei PBringeflinnen
Magdalena und Helena (Margaretha, die jüngfte, war, noch
nicht 30 Jahre alt, am 12. März 1569 in Hal, wohin fie
zur Luftveränderung gebracht wurde, geftorben, und in der
Fürftengruft zu Innsbrud zwifchen ihren Gefchwijtern Johann
und Urfula ‚beigefegt), nachdem fie Vormittag in der Hofficche
zu großer Erbauung ihre Andacht verrichtet hatten 2), die Klau-
fur, wozu fie ihe Bruder Ferdinand und der Brirner Weihbi-
jchof Alibrandi begleitete 3).
Bon den Jefuiten famen P. Paul Herzhofer ald Beicht-
vater und der aus Dillingen berufene P. Johann Rabenfteiner
ald Prediger, welche das noch nicht vollftändig ausgebaute, auf
1) So mwohlfeil, weil wegen angeblichen nächtlichen Gefpenftern Wie:
mand gern in demfelben wohnte.
2) Inspectante cum ubere fletu tota urbe oenipontana — fagt die
ofterwähnte, Sefuitengefchichte.
3) Mit ihnen traten 6 ihrer Damen und Kammerdienerinnen, und
eine junge Türfin, welche Canifius befehrt und getauft hatte, in
das Stift.
au =
15 Köpfe dotirte Collegium bezogen 1). Der Stiftbrief wurde
im Jahre 1571 von den zwei Pringeflinnen ausgefertigt, atı8
welchen man 'erfieht, daß bereitS ein eigenes Haus zur Errich-
tung der Iefuitenfchule Hergerichtet war. Denn es heißt darin
unter andern: „Was die Schuelen und öffentliche Studia be
langt, darzue wir eine befondere Behaußung erfauft, mereren
theild von Neuen erbauen, und der Sorietät, nach ausweißung
eines fondern Briefs darüber lautent eigenthümlich übergeben,
und eingeraumt wordet, Ddarbei laffen wir e8 nochmalen ver-
bleiben, und wir wollen der Societät Iefu hier Inen fain Ord-
nung geben, fondern wir ftellen zur Iren freien MWohlgefallen
und Gelegenheit Schuelen allhier zu Halten"2). Dieg von den
Erzherzoginnen gefaufte und für ein Gymnafium hergerichtete
Haus ftand dem Collegium gegenüber 3).
Die Eröffnung der Schulen gefchah am Lufastag 1573 in
Gegenwart des Erzherzog und defien Söhne Andreas und
Karl und eines großen Hofftaated. Im der Kirche wurde das
Veni creator und ein feierliches Hochamt gehalten, dann begab
„man fih in feftlichem Zuge nach dem Öymnaftalgebäude, mo
im befonders gezierten Saale P. Matthias Lochner in einer
Rede die Vortheile der Anftalt für Kirche und Staat entwidelte,
dem Erzherzoge für die hHöchfte Gnade und defien erhabenen
Schweftern für die Wohlthat dankte, und verfündete, daß 192
1) Lipowsky: Geichichte der Sefuiten in Tirol ©. 24. ff. —, Raben:
fteiner hielt am fünften Tage nach feiner Anfunft in der Pfarr:
firche die erfte Predigt mit dem Erfolge, ut libri variarum haere-
seon bene pestilentes, 200 facile aureorum pretio comportati et
luculentis Nammis absumti fuerint. Hist. S. J. Dec. III pag. 216.
E3 hatte nämlich Urban Regius von Pangenargen , früher in Güd-
tirol, dann in Hall, simplicem plebeculam ita dementavit, ut
turmatim ad eum audiendum concurrerent, atque interdum ar-
mata etiam manu, quidquid contra Ferdinandus Caesar edixerit,
in suggestum deducerent.
2) Der Stadtmagiftrat in Hall befist von diefen Stiftbrief eine legale
Abichrift.
3) Bergl. Auszug der Hist. S. J. in superiori Germania vom Sahre
1561 bis 1640 in der bibl. tyr. zum Sahre 1561.
a a
FJünglinge zugegen wären, fich den Wiffenfchaften zu widmen.
Abends nach der Tafel wurde die Feierlichfeit mit einem Trauer:
fpiel — Johann der Täufer — befchloffen, das die Studieren:
den mit Beifall des Erzherzogs und der Gäfte aus allen Stän:
den aufführten!). Der Stadtmagiftrat war fo erfreut,daß er
dem Jefuitenrector eine Danfadreffe überreichte, in welcher dem
Gymnaftalgebäude Befreiung von allen bürgerlichen Laften und
Holz auf Koften der ftädtifchen Comune zugefichert wird:
31.
Bon der Gefchichte diefes Öymnafiums bis zu deflen Auf-
hebung mit ‚der Gefellichaft Iefu gilt, was Aber die, Jefuiten-
Gymnafiten im. Allgemeinen bemerkt. wurde, daher. hier nur
MWeniges zu erwähnen fommt.
Die Eröffnung der Schulen im Jahre. 1573 in welchem
die. Jefuiten zu Ingolftadt die Lehrfanzeln, mit Ausnahme, jener
der. Theologie, andern Männern Überließen, und vorzüglich nach
München, aber aud) nach Hal zogen, gefhah nur mit.3,Claf-
fen, wozu im Jahre 1577 Exzherzogin Magdalena?) eine
vierte für Anfänger. ftiftete. Volftändig wurde das Gymnafium
exit im Jahre 1630, wo als oberfte Clafje die Rhetorik einger
führt wurde.
Die Marianifche Congregation lebte im Jahre 1578 auf,
und im Jahre 1606 wurde auch hier die Bürgercongregation ge-
trennt 3). Sie wird auch hier als einflußreich gefchildert und
hatte nach vollendetem Gymnafialbau einen fchönen Saal.
Im Sahre 1589 wurden die Schulen wegen der Peft auch
1) Sardagna Chift. ftatiftiihe Nachrichten über die Schul: und Stu:
dienanftalten Mic. in der bibl. tyr.) gibt ald Urtag des Öymna-
fiums den ©. Lufastag vom Sahre 1575 an, aber offenbar gegen
die, übrigen Nachrichten , fohin unrichtig.
2) Erzherzogin Helena war am 5. März 1574 geftorben.
3) Der erfte Präfect war P. Martin Zobl, Affiftenten waren der be:
rühmte Stiftsarzt Hippolitus Guarinoni und der Stiftöfapellmeifter
Simon Kolb. Eine Magd fchenkte ihr die durch langen Dienft er:
fparten 25 Dufaten.
= 9 =
in Hall 'gefchloffen, und im Jahre 1611 gingen die meiften
Schüler wegen der nemlichen Plage nach Haus.
Zweimal ftand das Gymnafium in großer Gefahr der Auf-
hebung. Im Yahre 1599 vernahm Erzherzog (nachmals Kaifer)
Ferdinand II., daß Ferdinand I. in Innsbrudf eine Univerfität
habe errichten wollen, was bisher wegen des Türfenfriegs ıc.
unterblieben war. Er fehrieb hierliber dem Erzherzog Matthias
Sohne feines Bruders Raifer Marimilian II. Allein man fand
die Einfünfte des Jeftitencollegiums zu Innsbrud für den Un-
terhalt mehrerer Brofefforen, welche die Univerfität forderte, zu
gering, und größere Ausgaben fonnte die tirol. Kammer nicht
machen. Daher wınde an Kaifer Rudolph II. der Vorfchlag
gemacht, und von ihm, dem feine Brüder die Difpofition
überliegen, genehmigt, das Gymnafium zu Hal mit. feinem
Fonde zur Lehranftalt in Innsbruf zu fchlagen. Als Wilhelm,
Herzog von Bayern, und Grecutor des Teftaments der Stifterin
Magdalena hievon Kenntniß erhielt, ftellte er unter dem 29.
Juli 1599 nachorüdlich vor, wie fehr der Wille der Stifterin,
welche das Gymnafium und Collegium in Hall erbaut hätte,
dadurch vereitelt wurde. Die Vorftellung fand ihre Würdigung,
und die Errichtung der Univerfität wurde auf befiere Zeiten ver-
fhoben ). — Die zweite Gefahr drohte dem Haller Gymna-
fium unter dem Brirner Fürftbifchof Ignaz Graf Künigl (vom
Jahre 1702—1747), der die Jefuiten gegen den Willen des
Domfapitels nach Briven verpflanzen wollte, für welchen Fall
der Kaifer mit Aufhebung des Haller Collegiums, fohin auch
ded8 Gymnafiums drohte).
Die Theaterübungen waren auch bei diefem Gymnafium
häufig. Im Jahre 1606 fand eine Tragödie, S. Theodora V.
et Martyr, fo vielen Beifall, daß fie auf Koften des Salzamte
in publico foro wiederholt werden mußte 3). Als am 11. Oftbr.
1) Hist. S. J. Dec. VI N. 989.
2) Sinnacher’s Beiträge IX. B. ©. 334.
3) Lipowäty: Gefchichte der Sefuiten in Tirol. München 1822 ©. 81.
1607 die Exzhergoginnen Maria Chriftina und Eleonora, Töch-
ter des Erzherzogs Carl von Steyrmarf, in das Stift traten,
gaben die Studenten ein Schaufpiel, in welchem die Stifterin
Magdalena fich und dem Stifte zur Ankunft ihrer zwei Nichten
Glüf wünfht, und ihren Lohn im Himmel zeigt. ı Ihre Mut:
ter Maria, eine geborne Herzogin von Bayern, fünf Gefchti-
fter der Eintretenden: Maximilian als Gubernator von Tirol,
die verwittwete Herzogin Anna Catharina mit, ihren zwei Vöch-
tern, die Gemahlin Ferdinands I., Maria Anna, Herzogin
von Bayern, fammt ihrem Bruder Wilhelm waren zugegen).
$. 32.
Das von der Stifterin für das Oymnafium gefaufte Haus
hatte urfprünglich nicht Die jegige fchöne Geftalt. Diefe. erhielt
es durch den Neubau im Jahre 1707—1710, nachdem das alte
Gebäude durch das Erdbeben im Jahre 1670 fehr gelitten hatte,
Es ift — mar wenigftens bis auf die neuefte Zeit —. viel-
leicht das zwecfmäßigfte Gymnaftallofale der PBrovinz - mit. 3
Stocdwerfen, jedes für 2 Schulen und jede Schule für 60. bis
70 Studenten, mit einer Kapelle von 2 Stodwerfen bequem für
250 Schüler, mit 11 großen Delgemälden, Frescomalereien,
Stofaturarbeiten und Mufitchor. Es hatte auch einen fehr
fchönen Saal, der aber in der neueften Zeit zu Wohnungen für
Hauptfchullehrer verwendet wurde. Bei Aufhebung der Gefell-
fchaft Jefu und des Gymnafiums wurde das Gebäude von der
Stadt gefauft.
Sale}!
Diefe Aufhebung des Oymnafiums und fpäter auch des
föniglichen Stiftes erfolgte natürlich zum großen Leidwefen, der
1) Bergl. Lebensgeihichte der Erzherzogin Magdalena vom Sahre
1625. — Der Eintritt diefer Prinzeffinnen in das Stift veranlaßte
mehrere Beiträge zu Gunften der Sefuiten. Marimilian gab auf
die Vorftellung Wilhelms 3000 fl. und erklärte die Landgüter der
Sefuiten fteuerfrei, Ferdinand 1000 fl. — Der Grunpdftein ihrer
Kirche in Hall ward übrigens von Gotthard Stark, Abt von Wil-
ten, gelegt, und die Kirche im Sahre 1610 geweiht.
= MW
Stadt Hal und deren Umgebung, da ihre hierdurch ein großer
Schaden: zuging, für welchen die beffere Einrichtung der Haupt
fchule nur al8 fehr Feiner Erfag angefehen wurde.
Das Gymnafium erftand jedoch wieder mit Ende des ver-
flofienen Jahrhunderts. Schon im Jahre 1790 wurde bei dem
offenen Landtag eine Vorftelung zur Wiederherftelung Ddiefes
Öymnafiums eingereicht, derfelben jedoch mit der a. h, Ent-
johliegung vom 25. März 1796 wegen des großen Deficits ded
Studienfondes von mehr ald 8000 fl. jährlich Feine Folge ge:
geben, fondern nur auf die Uebernahme der Schule von Seite
der Srancisfaner gegen eine mäßige Nemunerazion jährlich 50 fl.
für jeden Lehrer hingewiefen. Allein e8 waren bereitd Borbe-
reitungen anderer Art getroffen. Der Srancisfaner Emanuel
Jäger!) gab ald Lehrer der in Hal beftehenden Pfarrfingfchule
4—5 Zöglingen Privatunterricht auch in der lateinifchen Sprache,
über welchen fie fih am Gymnafium zu Innsbrudf prüfen laf-
fen mußten. Bei der ausgezeichneten: Gefchielichfeit und dem
unermüdeten Eifer Jägers, ver täglich 6 Stunden in Mufif
= und Grammatif' Unterricht gab, nahm die Schülerzahl bald fo
zu, daß das PBfarrfchullofale nicht mehr zureichte, und zwei
Zimmer de8 ehemaligen Gymnafialgebäudes eingeräumt wurden.
Im Jahre 1796 waren fchon drei Grammatifalclafien eingeführt,
indem Jäger im Jahre 1795 einen Mitbruder und im Jahre
1796 ven Krippfshen Benefiziaten v. Reinhard ald Gehülfen
erhielt. Im Jahre 1797 Fam die erfte, und im Jahre 1798
die zweite Humanitätsclaffe Hiezu, und das ÖGymnaftum war
volftändig. Unter dem 8. Jänner 1801 wurde e8 mit 50 fl.
1) Geboren zu Parwis am 30. Zuli 1762, geftorben am 5. Eeptbr.
1801. Er mar 1788 ein ausgezeichneter Zögling des General:
feminars in Snnsbrum, in welchem damals aud Klofterfandidaten
die Theologie ftudieren mußten, und wurde felbft vom damaligen
Gouverneur, Baron von Waidmansdorf, als Erzieher feines Soh:
ned gefucht; im Sahre 1800 wurde er auch ald Lector der Moral
und Paftoral von der Univerfität in Folge der bezüglichen Prüfun-
gen approbirt.
= =
Remunerazion für jeden PBrofeffor und 206 fl. 14 fr. fir Holz
und sarta tecta aus dem Studienfonde a. 5. genehmigt. Prä-
fect wurde jedoch der Weltpriefter Georg Lechleitner 1), für welchen
ein Fleines Schulgeld (im Gefammtbetrage von jährlich 300 bis
400 fl.) eingeführt wurde. Das Gymnaftum erhob fich fo, daß
im Jahre: 1805 an vdemfelben 165, und vom Jahre 1801: bis
bis 1806 durchichnittlich 149 Schhler ftudirten. &8& zeichnete
fich während feines. achtjährigen Beftandes durch Fleiß und’ Har-
monie. der PBrofefjoren, durch folides Betragen und guten Fort
gang der Studenten befonders in den legten drei Jahren rühm:
lich aus, wurde aber- im Jahre 1807 vom ver eg SM
Regierung ‚aufgehoben.
$. 34.
As Wiederherfteller des noch beftehenden Gymnafiums muß
wieder ein Francisfaner, Gumbert: Schalch, bezeichnet werben.
Diefer, zu Zölz in Bayern;geboren, kam: bei Aufhebung der Fran-
eisfaner in Bayern im Jahre 1802 nach Tirol, und wurde im
Jahre 1809 Pfarrprediger in Hall. Hier begann er Knaben ‘zu
unterrichten, und zwar mit folchem Erfolg, daß feine Schule im
Sraneisfanerflofter unter dem. 12. Juni 1812 vom Generalcom-
miffariate zu Innsbrud als öffentliche lateinifche Vorbereitungs-
clafie, die fich an die vierte, Elaffe der Hauptfchule anreihe, er-
Härt wurde, und Schal von jedem nicht armen Studenten
einen. Gulden monatliches Schulgeld fordern durfte. Im Jahre
1813 beitanden fchon drei Glaffen, und zwar wieder im. alten
Öymnafialgebäude, das beim, Eintritt der öfter. Regierung ganz
für die Schulen gereiniget wurde. Im Jahre 1815 war das
Gymnafium volftändig.
1) Geboren im Sahre 1764 zu Serfaus: hatte er fich früher durch
Privatunterricht in Pfunds ausgezeichnet. — Nach der Aufhebung
des Haller Gymnafiums war er f. b. Sekretär in Briren, trat
1816 in das Stift Stams, wo er 1839 ftarb. Es erfehien von
ihm im Drude: Philosophia theor. Pars I-II und oe
practica vom Sahre 1820— 1839.
rn ie in $. 35.
68 handelte fich um die fürmliche a Difet faftifch
beftehenden Anftalt. Auf Verwendung des Salzoberamts und
Magiitrats in Hall wurde mit, Hofdefret vom, ,23.- Juli 1816
die Anjtalt proviforifch belafen, unter dem. 22. April 1817. aber
definitiv in der Art beftätiget, daß fie, dem wieder, auflebenden
Stifte Fieht übergeben werde, welches bis zur... Stellung
geeigneter Lehrer mit Vräfeet jedem Lehrer des Francisfanerordens
50—100 fl. jährlich bezahlen foll, für. Gebäude, Einrichtung ze,
hätte die Stadt zu forgen. Wirklich ftellte, Fiecht im Jahre ‚1817
einen Katecheten!), dem Schal im Jahre, 1818 auch ‚die Prä-
fectur übergab und nach Bayern zurüdfehtte, wo er ald Pre
diger in Ingolftadt farb. Allein Reibungen und das feit ber
Wiederherftellung zum Schaden der Anftalt verfchiedenartig. zu:
fammengefegte Lehrperfonale, unter dem fich immer. auch wenig-
ftens ein Weltpriefter befand, veranlaßten Verhandlungen, in
Bolge, deren das Gymnafium im Jahre 1824 dem Francisfaner-
orden gegen eine jährliche Remunerazion von 590 fl, R-W. von
Seite des Stiftes Fiecht, übergeben wurde, ftatt: welcher jedoch
wegen neuerlicher Beichwerden, indem Fiecht. wenigftens. Die
Hälfte derfelben der Stadt Hall aufbürden wollte, unter dem
1. Juli 1841 für den Srancisfanerorden eine jährliche Nemune-
tazion von 400 fl. &.-M. aus dem Studienfonde, mit, dem Beir
fage, bewilliget wurde, daß es hinfichtlich des Gebäudes und ver
Regie bei dem frühen Defrete vom Jahre 1817 zu verbleiben habe,
Eeit jener Zeit beftand, das Öymnaftum, von. den Fran:
ciöfanern ‚verfehen,. . unter dem Kreishauptmann von Schwag
al, Dirertor, und bis zum Jahre 1840 mit einem Bergrathe von
dort, fpäter mit dem Stadtpfarrer als Vicedivector fort, bis es in
Tolge des Jahres 1848 als Untergymnafium erflärt wurde, da
der Francisfanerorden um den Eleinen Beitrag jährlicher 400 fl.
ein Erne Opmnaftum nebft jenem zu Bogen nicht ver-
1) ‚Anfelm Holzer, geboren in. Boßen 1776, jpäirkE pros. Benefiziat
in gien;, wo er auch) ftarb.
fehen und die Kommune Hall auch die andern Boßen nicht be-
ftreiten fonnte 1).
$. 36.
Zum Vortheile der Studierenden beftanden unter den $efui-
ten zwei fehr beachtenswerthe Inftitute, das Kapellhaus (auch
Eonvict und Seminar der hl. Katharina genannt) und das
Borgiashaus.
Erfteres wurde von der Erzherzogin Magdalena geftiftet,
welche ein Seminar zur Bildung von Prieftern errichten wollte,
und unter dem 15. Auguft 1586 vom Papfte Sirtus V. ein
Breve erhielt, das fie im Falle der Stodung der Anftalt zur
Annahme von Beiträgen aus geiftlichen Pfründen und Klöjtern
ermächtigte. Im folgenden Jahre faufte fie eine zunächft bei dem
Stifte gelegene Behaufung), und der Bifchof von Briren fchiefte
im Jahre 1588, wo es aber wegen der Peft bald gefchloffen
wurde, 10 und im Jahre 1590 12 Alumnen in dieß Seminar.
Hiezu erhielt die Stifterin von Rudolph II. und ihren Brüdern
Ferdinand und Karl Beiträge, und ließ im Jahre 1588 „eine
fehone Inftruftion und Ordnung für den Kapellmeifter, Sin-
ger und Singerfnaben .. auch eine fchöne Hausordnung, leges
und Satungen für alle die, fo in diefem Haufe wohnen wür-
den, fchreiben“ 3). Die Fundationsanordnung datirt aber vom
18. April 1590, dem Todesjahr der Stifterin, worin fie 10,000 fl.
für 6 Kapellfnaben und 4 Alumnen beftimmt 1.4). Diefes
Snftitut blieb vorzüglich die Mufiffapelle des Stiftes. Die Jüng-
linge, welche wenigftens in der Negel auch ftudirten, fanden
unter Aufficht und Leitung eines Kapellmeifters, und in bie:
eiplinärer und wiflenfchaftlicher Hinficht unter einem ebenfalls
1) Sest ift wieder ein Obergymnafium bewilligt und die fünfte Elafle
eingeführt. Anm. d. R
2) Das dermalige Lokale des Bezirfaamts,
3) Worte aus der erwähnten Lebensbefchreibung der Stifterin.
4) Bergl. Auszug aus der Hist. S. J. — Lipowsty 1. c. ©. 63, —
Sinnadher Beitr. Band VII ©. 658, wo man mehrere Stpreiben
der Stifterin findet.
7 3 Je
ver Mufifi fundigen Kaplan. Gewöhnlich‘ Hatten 12 Studenten
unentgeltliche Verpflegung ; e8 wurden aber auch Convictoren auf-
genommen, die zu unentgeltlichen Alumnen vorrüden fonnten,
fobald fie in der Mufif unterrichtet waren, und Pläge offen
ftanden. Bei ver Aufhebung des Stiftes wurden 6 Studien
Stipendien zu 50 fl., 2 Normalfchulftipendien a 30 fl. gebildet,
und 1200 fl. für den Neligionsfond ausgefchieven, weil die
Stiftung die Verbindlichkeit hatte, einen Jüngling zum Studium
der Theologie nach Ingolftadt zu fchiden.
Zum Borgiashaufe machte den Anfang der Procurator collegüi
S. J. in Hall, Baltafar Trobifius, im Jahre 1621 bis 1627
durch Sammlungen für arme Studenten; e8 Fam jedoch erft
100 Jahre fpäter zur gänzlichen Bollendung.
Bis zum Jahre 1630 hatte das Konvict ©. Viti, wieies
damals hieß, nur ein gemiethetes Haus, in diefem Jahre aber
faufte e8, vorzüglich unteritügt Durch die Schanfung des Ma-
thias Spis von Feldficch, damals. Pfarrer in Defterreich, und
früher Student in Hall, welcher 1600 fl. mit der Bedingung
beitrug , das Gonvict niemals mit dem -Kapellhaus zu vereint:
gen, ein eigenes Haus, und im Jahre 1705 hatte esnebt
demjelben noch 976 fl. an Kapitalien.: Nun erfolgten zwer
Hauptftiftungen: die erfte war jene ‚des Joh. Cafparıv, Troyer,
Canonicus von Innichen, der auf Anfuchen feines Bruders,
damals Procurator des Hafer Collegiums S. J., 10000 fl. hiezu
beftimmte. Da, er fogleich nur. 1250 fl. exlegte, und im Jahre
1719, wo die Stiftung noch nicht in Ordnung war, ftarb, fo
wurde nach mehreren Verhandlungen mit den Erben unter dem
1. Dftbr. 1721 zu Briven beftimmt: Präfeet des Convicts fol
allzeit ein Weltpriefter fein, und für die v. Zroyer’fche FBa-
milie wöchentlich eine Hl. Meffe applieiren;. die-Alumnen jollen beim
Eintritte fchon etwas Mufif verftehen und ferneren Unterricht
darin erhalten ; ihre Aufnahme und Entlaffung ftehe dem, Nector
des Sefuitencollegiums zu; die v. Troyer’fche Familie aber, fönne
zwei arme, taugliche Alumnen ihres Stammes und "Namens
iu
und zwei Andere worfchlagen!). — Die zweite Stiftung‘ war
jene der Maria Sufanna Staudacher, geborne vd. Klebelöberg
zu Ihumburg, im Ganzen von 6450 fl., und ihrer Tochter mit
3500 fl.) in den Jahren 1717 und: 1718. Es ward bejtimmt,
daß der von der erftern geftiftete Kaveri-Benefiziat Präfeet fein,
und nebft‘ der. Verpflegung 200 fl. jährlich erhalten full; die
zweite ordnete verfchiedene Nemunerationen an, auch ward: fehon
damals an einen Vicepräfeeten gedacht, der im» Jahre 1722 in
der PBerfon des v. MWallpach’ichen PBfarrbenefiziaten aufgeftellt
wurde.
Im Jahre 1721 beftand das Bermögen in 21,726 fl.. mit
1083 fl. 48 fr. Renten; darunter das Vitushaus mit 9500 fl.
und 475 fl. Zins, weil ein großer Theil davon vermiethet war,
Dieß im Jahre 1630 gefaufte Haus ftand dem Jefuitencollegium
gegenüber, wurde aber zum neuen Öymnaftalgebäude, nament-
lich zum großen Gongregationsfaal Uberlaffen, wogegen das
Gonvict das Daran ftoßende Brandler’fche Haus erhielt, auf
Koften des Föniglichen: Stiftes im Jahre 1718 adaptirte, und
im Jahre 1721 unter dem Namen „Borgiashaus“ bezog, weil
defien Kapelle diefem Heiligen aus dem Sefuitenorden per
met war.
Im Sahre 1721 wurden auch fehr genaue Vorfchriften für
das Inftitut verfaßt, welche 180 Flein gefchriebene Foliofeiten
füllen, und zwar für den Präfeet, DVicepräfeet, Mufiklehrer,
Bibliothefar, dann (ein "'Compendium der Lehrbücher) für alle
6—7 Präceptoren der 6-7 Öymnafialelaffen, endlich für die
excitalores, curatores fenestrarum, luminum, januarum;, Zifchr
1) Vielleicht trug zu diefer Stiftung auch die Erinnerung an Macca-
'baus v. Troyer, Sohn des Chriftoph dv. Troyer und der Elifabeth
vs. MWinkelhofen, bei, der 1615 ald Student in Hall nad) heilig:
‚mäßigem Wandel ftarb., Sinnacher Beit. VIIL.B. ©. 252: Ein Bru:
Ki dejfelben war Srancisfaner und Verfaffer einer Chronif von
irol,
2) Diefe fegirte im Ganzen 13,000 fl. aber nicht gerade für das Eon:
‚vieh,in Hall.
—_— 7 —
lefev, Tifchpräfeet,; Tifchdiener, zulegt für den Rector und In:
fpeetor collegii :S. J.,. da erfterer, oberfter Worftand, leterer
Dberleiter war, dem der Präfert und BVicepräfeet des Convicts
unterftanden 1). : Die Zöglinge hatten, ein Communzimmer zum
Studieren , ‘je wier-an einem LTifche 5 jeder "Hatte ein eigenes ge-
fchloffenes Bultz —1e8 beitand ein Communrefectorium, je 8 an
einem Tifche mit eigenem Auffeher und Diener, ein Commundor-
mitorium, mit eigenem Bette für Jeden, ein Communzimmer
für Mufif, ein abgefondertes Kranfenzimmer,. Jeder hatte eın
gefchlofienes Armarium für’ Kleider und Inftrumente, und einen
gemeinfchaftlichen Plag für Mantel und Hut. — Im Jahre
1721 zählte das Convist 8 Alumnen, 3 convictores und 3 olla-
rios2), fpäter gewöhnlich 30O—40 Köpfe, im Jahre 1754 hatte
ed 22 Alumnen und Gonvictoren.
-ND Origo, fundationes et regulae domus S. Viti, seu ut posterius
nuncupala fuit, S. Borgiae Halae ad Oenum. Mse. in ver bibl.
tyr. geendet ‚im April ‘1723: — Ein‘ Eonvictor bezahlte am erften
. Tiih (Mittags mit 6, Abends mit 4—5 Speifen) wöchentlih 2 fl-;
am zweiten Tifeh (mit 4 vefp. 3 Speifen) 1 fl. 30 Er.; für Be:
dienung jährlich 10 fl.; für Pritvatzimmer mit 3 enftern 24 fl. ;
N mit 2 Senftern 12 fl. -Trinfgeld wenigjtens: jährlich. 1 fl:; dem
‚- Vräceptor, wenn diefer Mehrere inftruivt, jährlich 6-fl. und eben
fo viel dem Mufiklehrer. — Im Sahre 1722 ging es nicht recht
gut, vorzüglich wegen eines fchlechten Wicepräfectes, fo daß der
Snfpeetor endlich erfuhr‘: totam fere domum corruptam' esse, ...
aliquosque jam. seductos in seminarium diversis e locis venisse,
alios in hoc depravatos fuisse, et quosdam etiam cum daemone
rem habuisse... omnes fere noctu unum cum altero pro lubitu
concubuisse, nec esse, cum quo non dormiisset (aliquis fassus
est.) — Dieß für das neu auflebende Snftitut höchft unangenehme
Ereigniß fuchfe man jedoch möglichft zu verbergen: conclusum,
cum res et delictum sit occultum, ne et ipsi et seminarium diffa-
meretur, diversis ex causis coloratis eos dimittendos esse.‘
1) Quia — fagt das Msc. quotidie offam in olla a collegio accipie-
bant, — saepe salis luridam eorruptam ita, ut omnino non
aut non nisi adigente fame comederent. In seminario servie-
bant et legebant -ad mensam, curabant et portabant luminaria,
aquam, fenestras, partim insuper in musica serviebant. Diefe
Hafeleftudenten müßten alfo ihr Fleifh in der Suppe redlich ver-
dienen. — Webrigens verwechfelt Sinnacher (Regifter B. VID dieg
Snftitut mit dem Kapellhaus. „7
-
ı>
1
Bei der Aufhebung der Jefuiten und des Haller Gymna-
fiums wurde das Gonvict mit dem Nicolaihaus in Innsbrud
verbunden , dann mit diefem aufgehobon. Die Staudacher’fchen
Stipendien — zwei mit 70 fl. und ein drittes mit 43 fl; dann
Die zwei ©. Troyer’fchen mit 64 fl. für Verwandte diefer Familie
und in deren Ermangelung für andere Studierende fchreiben fich
davon ber.
c.
Feldfird.
8.37.
Die Einführung der Jefuiten und fohin die Errichtung des
Gymnafiums in Feldficch erfolgte um die Mitte des XV. Jahr-
hundert, wo auch in Vorarlberg die Folgen der Reformation
um fo fühlbarer wurden, als der Theil um Feldficch unter, dem
Bisthume Chur fand, defien Bifchof Johann Fluggi von Alper-
mont im Sahre 1618 fich flüchten und mehrere Jahre in Tirol
leben mußte: hiezu fam noch der 3Ojährige Krieg, der den Be:
fuch auswärtiger Lehranftalten hinderte.
Schon im Jahre 1618 wurde — wohl unter Einwirkung
des Bifchofs Johann — mit den Jefuiten jedoch vergeblich über
Errichtung von Schulen in Feldfirch unterhandelt. Später un-
terhandelte man mit dem Stifte Weingarten, welchem damals
das fogenannte Priorat in Feloficch gehörte!), namentlich als
1) Dieß Priorat wurde von Hugo ©, Montfort im Sahre 1218 für
die Sohanniter in Serufalem geftiftet.. Sm Sahre 1610 ging. es um
62,000 fl. an das Stift Weingarten über, und die Bermögenhei-
ten verwaltete unter dem Namen eines Priors (daher Priorat) ein
Stiftspriefter. Sm Sahre 1695 verfaufte Weingarten das Priorat
der Stadt Feldfird) um 21,000 fl., und diefe überließ dajfelbe im
Sahre 1697 um 22,000 fl. dem Stifte Ottobayern, melches im Sahre
1781 Gebäude und Kirche in den gegenwärtigen Stand fegen ließ.
Bei der Sekularifation im Suhre 1803 ging es an Delterreich, im
Sahre 1806 an Bayern über, welches den größten Theil der Güter
mit Ausnahme der Kirche, des Wohnhanfes fammt Hofraum und
Garten, und weniger Einfünfte im Lichtenfteinifchen verkaufte, fo
—: 99 _
der Stiftsabt im Jahre 1643 dies Priorat zu befuchen nacı
Feloficch Fam. Allein auch diefe Verhandlung führte zu keinem
erwünfchten Ziele, da die Bürger von Feldfirch bei dem befchrän-
ten Örunde und Boden weder einen Baupla für das Unterrichts-
Iofale, noch Geld zur Beftreitung der andern Ausgaben auf-
brachten, das Stift aber, welches im Schwedenfriege bedeuten-
den Schaden erlitten hatte, den Unterricht nicht umfonft über-
nehmen wollte, indem es nebft dem Prior und dem zum Prio-
rate gehörigen Pfarrer in Tifis noch andere Stiftspriefter hätte
jchifen müffen. Der Magiftrat brach daher die Unterhandlung
mit dem Stiftsabte in einem Schreiben mit der Aeußerung ab,
folche Anftalten müßte man Fürften und Potentaten überlaffen;
die Sache bleibe doch im Alten, bis der liebe Gott andere Mit-
tel an die Hand geben werde.
SIndefien waren die Unterhandlungen mit den Sefuiten,
denen jedoch mancher Bürger der Stadt nicht günftig war, nicht
abgebrochen, und im Sahre 1648 befchloß die Mehrheit des
Raths zum Werger der Uebrigen die Einführung vderfelben 1).
daß die dermaligen Erträgniffe des Privrats Faum zu Erfüllung der
darauf haftenden Stiftungen zureichen. Das Gebäude ift derma-
0. lamen für das Gymnafium gemiethet.
1) Unter dem 16. Dezbr. 1648 fchrieb die Stadt Feldfird (mohl nur
eine Parthei in derfelben) an Erzherzog Ferdinand Carl: »Der
Bifhof Sohann in Chur habe fchon unter der Erjherzogin Clau-
dia Calfo vom Sahre 1632—1646) bei der Stadt um Introducirung
der Sefuiten angehalten, die Stadt aber ohne Norwiffen des Lan:
desfürften nicht confentiren wollen, weil die Stadt zu eng, das
Gemeindewefen gar zu arm fei, und die Benevdiftiner fich erboten,
um fchlechte Recompense die Trivialfchulen zu verjehen. Nach
dem frhmwedifchen Heberfall hätten etliche Bürger und Privatperfonen
fammt ihren Adhärenten die Sadje fo weit gebracht, daß hiermegen
der ganze Rath ıc. Convocirt und mit mehren Votum befchloffen,
die Sefuiten follen 6 oder 7 Schulen aufzurichten eingelaffen wer:
den unter gewiflen. Eonditionen. Die Stadt hätte aber unterfchied:
lihe Bedenken, und bitte, daß. . . contra absentes und inaudi-
tos nicht möchte gehandelt werden.e Das Driginal des Schreibend
ift im Statthaltereiarhiv. — Sm Stadtarchiv von Feldfird) liegt
eine Philippica eines H. Z, vom Februar 1649, worin alles Un-
glück der Zeiten den Sefuiten zugefchrieben und vor ihrer Einfüh-
rung gewarnt wird.
7*
— Wi-
Der Bifchof von Chin’ wendete fich wieder unter dem 14. Jän-
ner 1649 'an den Erzherzog, und diefer fchrieb ihm unter dem
20. Februar, er fei geneigt, den Jefuiten sedem stabilem zu be-
willigen, wenn die Bürger von Feldfich darum anfuchen umd
die Mittel zu ihrer Erhaltung vorhanden feten.
Mit den Iefuiten wär von der Stadt Felofirch die Sache
indeffen dadurch in das Reine gebracht, daß ihnen die Stadt
zur erftenr Anftevfung 18,000 fl. gab, und diefe im Jahre 1649
Lehrer fehickten, "welche die Schulen in einem Eaale des Jeug-
haufes begannen, zu deffen Herrichtung die zz des Erz-
herzogs 300 fl. bewilfiget hatte 1).
Ihre Refidenz bauten die Iefuiten an der MBfrtiihe, in
welcher fie ber dem Mufifchor ein Oratorium mit Altar zu ihrer
Vrivatandacht erhielten. Zu einem fürmlichen A wurden
fie im Jahre 1680 erhoben.
8.38.
Ueber die, Schiefale des Gymnafinms bis zur Aufhebung
de8 Jefuitenordens, fohin durch 124 Jahre ift nur wenig Merk:
würdiges befannt.. E83 wurde, wie der Chronift Bruggert), fagt:
„von der Rudiment an bis an die casus conscientiae oder achten
Schuel löhlich und twohl docirt und die Jugend unterwiefen“.
$..39.
- Nach der Aufhebung des Jefuitenordens blieben ünfarg die
frühern 5 Lehrer mit dem Präfeet Nicolaus Fridl._ Ihr. Gehalt
ar: für den Präfeet 200 fl., für die übrigen Lehrer 150 fl.
1) Die Sefuiten fchrieben dem Erzherzog unter dem 14. Dezember
1650: «Die Schulen hätten mahrfcheinfich mit deffen Eonnivenz
feit 20 Monaten guten Fortgang, doch mangeln zur ‘Perfection |
Sundation und beftändiger Unterhalt 10.» — Diefen aber begut:
achtete Lie Kammer des Erjherzogs nicht, «da die Sefuiten bei dem
Gefuche um den Zeughausfaal, deffen an mehr al 300 fl.
gefoftet hätte, felbft erklärt hatten, Mehreres nicht zumuthen zu
fönnen.»
2) Beichreibung der Stadt Feldkirch. Feldfirch 1685.
— 11 —
Das Gymnalium fchleppte sich fehr armfelig durch, jo Daß.im
Jahre 1779 dem Minoritenprovinzial von Biftorsberg der Auf
trag. zuging, die Lüden auszufüllen, was ihm.aber, unmöglich
war, ; !
Unter. der bayerifchen Regierung, wurde, in) Feldkirch eine
Mittelfchule von 7 Clafjen errichtet, welche im Jahre: 1809 zu
einer Studienfchule herabfanf. ©. 57. $, 17
Bei dem Wiedereintritte der öfter. Regierung wurde in
Teldfirch, ein Gymnafium dritter Glafje errichtet.
Die Schülerzahl war. immer‘ Flein, vom Jahre, 1777 bis
1807 durchfchnittlich 65—66, vom Jahre 1808—1L814: gar nur
58. Seit jener Zeit hat fich die Zahl etwas, — theilmeife zu
mehr als 100 Schüler gehoben.
Nachdem Jahre: 1848 follte 8 anfangs „ein, Gymnaftum
mit alternirenden 4. Elafien werden, jo daß, jährlich Die im vori-
gen. Jahre gegebene. Clafjewegfiele; allein auf wiederholte Wor-
ftellungen: und Beitragsverfprechungen. für den geögern Aufwand
von. Seite, der. Gemeinde wurde ein. vollitändiges DObergymnas
fium »bewilliget , als. welches «8 guoßentheils „von Panel?
verjehen bis 1856. beitand.
„er In diefem ‚Jahre wurde e8 den Jefuiten der veuffchen ro,
vinz, welche in Selofirch. ein Gebäude für, ein großartiges Con-
viet -angefauft hatten, ‚auf Empfehlung des Drdinariats, an wel
ches. fich. der Provinzial des Ordens; wendete, mit dem jährli-
chen. Baufchalbeiträge von 7800 fl. aus ‚dem Studienfonde als
Bejoldung der. Lehrer. mit weiten Bedingungen bezüglich, der
Lehrart ze. übergeben, welche im Wefentlichen denen vom Jahre
1836 ($. 27) gleichen, jo daß ihr Studium der Hauptfache nach
(die, Ausnahmen find, unbedeutend‘, 3.. B...daßı. die Natur:
lehre exit. am Obergymnafium beginne); dem. allgemeinen, Plane
des Gymnafialitudiums entfpreche, die Schüler ‚bei der. VBollen-
dung des Gymnafiums die Maturitätsprüfung zu beftehen. haben,
der, Landesgumnafialinfpector, auch. ihr Oymnafium unterfuche,
und daß. fie.die vorgefchriebenen. Berichte an die Regierung zu
eritatten und. die Lehrbücher anzuzeigen: haben. Die Lehrer find
—_ 11 —
jedoch von der vorgefchriebenen Prüfung zum Lehramt ausgenom-
men. Die Eröffnung des Gymnaftums anfangs DOftober 1856
gefchah mit vieler Feierlichfeit, die in den öffentlichen Blättern
befannt gegeben wurde. Die bisherigen Lehrer wurden theils
penfionirt, theild an andere Öymnafien verfegt, oder, infofern
fie nicht definitiv angeftellt waren, entlaffen.
$. 40.
Die oberfte Leitung der Lehranftalt hatte feit der Aufhebung
der Iefuiten bis 1782 die Negierung in Freiburg, dann jene
von Innsbrud, und in der fönigl. bayr. Periode das General:
Gommiffariat in Kempten. Die Lofalaufficht führte unter der öfter:
reichifihen Negierung der Kreishauptmann von Bregenz als
Director mit einem WVicedirector in Teldfirch, der vom Jahre
1777—1806 der Vogteiverwalter, vom Jahre 1818—1826 der
Präfes des Collegialgerichts, nach deffen Aufhebung der Land»
richter war, bis nach dem Jahre 1848 diefe Einrichtung auf:
hörte. Die PBräfeete waren bis 1806 der erwähnte Erjefuit
Fridl, unter Bayern PB. Gegenbauer von der Mehrerau als
Rector, und vom Jahre 1810—1840 P. Merxfl, ebenfalls von
der Mehrerau, welcher im Jahre 1838 mit der goldenen Me-
daille ausgezeichnet wurde. Nach feinem Tode, im Jahre 1840
trat der gefchiefte und verdiente Innsbruder Humanitätslehrer
Mayr an defien Stelle, und nach feiner Abberufung und fofor-
tigen Benftonirung der namentlich in der Naturgefchichte ausge-
zeichnete Lehrer Stoder, der nun auch im Benfionsftand ift.
$. 41.
Die Erhaltung des Gymnafiums gefchah nach Aufhebung
der Jefuiten großentheild aus ihren eingezogenen Gütern, von
denen jedoch ein bedeutender Theil — man fagt 17,000 fl. —
zum Unterhalt der Univerfität Freiburg verwendet worden fein
fol. — Die Verwaltung hatte nach einer Verordnung vom 6.
Zuli 1779 die ftädtifche Kommune Feldficch, feit dem Iahre 1781
das dortige Rentamt, fpäter wurde fie den Ständen Vorarl
%
(
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|
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|
— 13 —
berg zugewiefen, die wahrfcheinlich den Koftenabgang zu er:
fegen hatten 1). Unter der, wiedereingetretenen ‚öfter. Negierung
floß das Vermögen in, den Studienfond.. Nach einem Fönigl.
bayerischen Minifterialreferipte vom 27. Juli 1813 betrug «8
68,508 fl. 45 fr. R.-W.
$. 42.
Das ehemalige Oymnaftalgebäude ift ein &igenthum der
Stadt Feldfirch, welche es hergeftellt Hat, und für'deflen Er-
haltung, Einrichtung, fo wie für die Lehrbevürniffe, Beheisung,
Reinigung fie forgen mußte. Doch ließ das bayr. Aerar im Jahre
1782 das Gebäude großentheild® und fehr zwedmäßig verbeffern.
In den Kriegsjahren — das erftemal 1798 — wurde e8 häufig
zu Militärgwecfen verwendet und die Schule in Benefiziathäufern
gehalten. — ‘Die Lage des Gebäudes ift zum Unterricht nicht
erwünfcht, da e8 der Pfarrfirche gerade gegenüber fteht, fohin
Seläute, Mufif x. den Unterricht ftören, und 4 Lehrzimmer
dem Lärm des öffentlichen Plabed und der Gaffe ausgefeßt
find. &8 war daher für den Lehrzwed fehr vortheilhaft, daß
im Jahre 1809, wo e8 wieder zu Meilitärzweden verwendet
wurde, das Privratsgebäude v. ©. Johann, welches früher von
der Vogtei benügt wurde, Teer ftand, und von der Stadt zu
Lehrzimmern benüst werden durfte. Seither dient e8 zum Gym:
naftalunterricht, wofle die Stadt früher dem F. f. Aerar, jebt
dem Religionsfond, an welchen das Priorat überging, einen
mäßigen Miethzins bezahlt, und ald Duartiernehmer die Fleinen
Reperationen trägt, wobei die Prioratsficche zum Oymnafials
gottesdienft benüst wird. Das alte Öymnaftalgebäude ift von
der Stadt theilmweife vermiethet, theilweife ald Zeichnungsfchule
und fir die Induftriearbeiten der Mädchen benüst.
1) Nah einem buchhalterifchen Bericht vom Sahre 1804 waren bei
den Ständen Vorarlbergs 67,009 fl. 3%. Fr. aus dem Sefuiten:
Sonde angelegt.
—
$. 43.
In Vorarlberg beftehen mehrere Studienftipendien, als in
einem andern Kreife diefes Kronlandes, nemlich 6015 fie müffen
jedoch öfter nicht gerade am Felofircher Gymnaftum, großentheils
aber von folchen genofien werden, die nach Werwandtfchaft und
Geburtsort Cjure sanguinis et loci) dazu berechtigt find. —
Sehr wohlthätig ift die Stiftung des Andrä Zuetfcher, Pfarrer
zu Göfis,. der mit feinem Bruder: Jofeph, zulegt: Kaplan in
Vaduz, von den Tanten unterftüst in Feldfirch ftudirte, "und
in. feinem Teftamente vom 5. Februar 1805 die Studierenden
großmüthig. bedachte. Er beftimmte 6000 fl. für Studenten des
damaligen Vorarlbergertheild der Diöcefe Chur wie Bezirfsäim-
ter Feldficch, Sonnenberg und Montafon). “Die Gollation Uber:
ließ er dem Gymnafialpräfeet, dem Senior der PBrofefforen und
dem: Stadtpfarrer von Feldficchz die Wahl des Vermögensver-
walters aber, der eine angemefiene NRemuneration erhalten 1
follte, welche im Jahre 1818 auf 100, der jährlichen Rente
gegen Haftung beftimmt wurde, allen Gymnaftalprofefioren.
Wegen mancher, Streitigfeiten trat der Genuß diefes Stipendiums.
erft im Jahre 1820. in das Leben, jedoch mit einer Rente von
mehr. al8 1000 fl. jährlich (da die bisherigen: Intereffen: zum
Kapital gefchlagen wurden), die halbjährig unter die gewählten
Studierenden vertheilt werden. Danfbar wird das PBorträt des
Stifters — von Anton Leu gemalt, in der Gymnafialbibliothef
von Feldfirch aufbewahrt.
D.
Trient.
$. 44.
Daß Trient — die ältefte Stadt Tirols, und von den
früheften Zeiten des Chriftentfums Bifchofsfig auch — vielleicht
am früheften gelehrte Schulen hatte, ift um fo wahrfcheinlicher,
1) Zeitfhrift für Tirol x. 8. VI, ©. 148. 186.
per
%
— 15 —
als .e8: — in der Nähe von Italien gelegen, wo, namentlich im
benachbarten Verona, im ‚Mittelalter die Wiflfenfchaften am
früheften ‚aufblühten — leicht Anregung zu Schulen und Lehrer
erhalten fonnte, und ‚manche für die Wiffenfchaften eingenom:
mene Männer, wie, den Eifterzienfer Heimwich TIL. von Mep
(geft. 1336) , Johann IV. Hinderbach (geft. 1486), Georg IL.
Neidef Cgeft. 1514), Bernard von Eles 26. unter feinen Bifchöfen
zählte. Im XV. Jahrhundert beftand dort bereits eine Buch:
deuderei, aus welcher im Jahre 1476, die Gefchichte) uber
ven Martyrertod des Kindes Simon von Trient vom berühmten
Arzt Tiberinus hervorging, und im Jahre 1482 unter anderm
zwei andere Gedichte deffelben Autors erfchienen t).
‘ Aus den $. 2, angeführten Belegen erhellt auch, daß in
Trient , wenigftens zwei gelehrte Schulen beftanden,, die" Eine
zur Bildung von Geiftlichen, alfo Domfchule, die der Bifchof
und SardinalMadruz den erft entjtandenen Somasfen übergab,
die, ‚Andere eine ftädtifche, in: welcher in jenem Jahrhundert
Bellen und Pincius gelehrt hatten. Die bifchöfliche, Schule, an
welcher auch Auswärtige, nicht blos Klerifer Theil nehmen fonn:
ten, hat nie aufgehört 95 die ftädtifche Schule aber. fcheint in
jener des Jefuitengymmafiums aufgegangen zu fein.
$. 43.
Die Einführung der Sefuiten in Trient, und fohin ‚auch
eines fürmlichen Gymnafiums, und der erfte Beftand derfelben
hat nirgends fo viele Hinderniffe gefunden, wie in Trient 3).
1) Monumenta Ececlesiae tridentinae Vol. II Pars alt. Trid. 1765
pag. 160.
2) Am 10. Sept. 1758 hielt der Profeffor der Nhetorif im bifchöfl.
‚Seminar Sofeph Zuckhi Somasf dem Bifhof Dominicus.-Thun die
Leichenrede. (Bonelli:) Monumenta eccles. trid. Pars IH Vol. U
pag- 259.
3) Nullum »collegium‘ tot/ ae) tam diuturnis 'diffieultatibus , litibus
‚ealumniis insectationibus obnoxium — fagt die, oft, erwähnte Hist.
S. J. in prov. Germ. Sup., aus weldyer, fo weit fie reicht, die
dürftigen Angaben über dieß Gymnaftum aus „Mangel anderer
Quellen vorzüglich genommen: find, |
— 106 —
Ueber diefe Einführung ward wohl ein halbes Jahrhundert
unter den vier aufeinander folgenden Bijchöfen aus der freiherr-
lichen Familie Madruz, deren die drei erften Cardinäle waren, und
ihren Nachfolger fehon al8 Coadjutor hatten, verhandelt.
Ehriftoph Madruz (geft. 1567), der die Jefuiten Claudius
Jajus, der ihm vom Bifchof Dtto in Augsburg empfohlen
wurde, und Jac. Lainius und Alphonfus Solmero , die Paul
II. als Theologen fandte, zur Zeit des berühmten Trientner
Eoncild fennen gelernt hatte, verlangte fchon, für die Societät
Jefu eingenommen, vom Provinzial Ganiftus ein Eollegium der
Jefuiten für Trient. Allein Geldmangel vereitelte den Antrag.
Auch unter feinem Nepoten und Nachfolger Ludwig Madruz,
der den Sefuiten ebenfalls nicht ungünftig war, übrigens für
das SPBriefterfeminar beforgt die Somasfen einführtet), erfolgte
für die Jefuiten nichts.
Erft unter Karl Madruz, und da er fih wie zum Theil
feine Vorgänger häufig in Rom aufhielt, unter feinem Goad-
jutor Emanuel Madruz hatte die Verhandlung — mehr durch
den Trientner Magiftrat als durch die Bifchöfe, die höchitene
ihre Einwilligung zu diefer Einführung gaben — einen Erfolg.
An den Bifchof und Gardinal, fo wie an den Papft felbft
wandte fich in diefer Angelegenheit im Jahre 1614 nicht nur
Marimilian der Deutfchmeifter, fondern felbit Kaifer Matthias,
wobei man den Jefuiten, wie e8 fcheint, ein andered Trientner
Klofter überlafien wollte, was jedoch die congregatio religioso-
rum ordinum für unzuläßig erflärte. AS fic) aber die Stadt
im Sabre 1621 felbft an den Cardinal wandte, und Diefer für
die Aufnahme der Gefellfchaft fich bereitwillig erklärte, wenn der
Fond hiezu vorhanden wäre: fo machte der Magiitrat fogleich
die weitern Schritte, trat mit dem Sefuitenprovinzial Chriftoph
Grinzing, der felbft von Innsbrud nach Trient fam, in Unter:
handlung, und e8 fam mit dem Nector Johann Welz, den der
Provinzial zur völligen Austragung der Sache nach. Trient
1) Monumenta eccles. trid. 1. c. pag. 216.
—- 10 —
fehidte, im Jahre 1624 die Verabredung des wefentlichen In-
halts zu Stande, daß die Jefuiten in der Nähe der Kirche
Maria maggiore einen Bauplag für ihr Collegium erhalten foll-
ten, daß ihnen die Kirche, jedoch ohne pfarrliche Rechte, ein-
geräumt werde, vor der Hand aber die Gefellfchaft ein geräu-
miges, der Stadt gehöriged und von ihr einzurichtendes Haus
und einftweilen auf 5 Jahre jährlich 300 fl. (aus einem der
Stadt Iegirten Vermögen eined Innozenz PBrato herrührend) er-
halte, und Realitäten, jedoch nur folche erwerben fönne, die
früher geiftliche Güter waren. Diefes Uebereinfommen war ohne
Borwifien des Cardinals gefchloffen, welcher anfangs, von fei-
nem Nepoten dem Coadjutor Emanuel und feinem Sefretär
einem Feinde der Jefuitent), Hiezu beftimmt, die Aufnahme der
Sefuiten in Irient angeblich aus Furcht zu großer Koften und
vor Neibungen mit den fech® andern in Trient beftehenden
Mendicantenklöftern verweigerte, aber auf Verwendung des
Kaifers Ferdinand II. und Erzherzogs Leopold nachher feine Ein-
willigung gab.
©o famen endlich die Jefuiten am 25. Sept. 1625 nad
Trient und eröffneten am Fefte der hl. Catharina deffelben Jah-
tes feierlich die Schulen, wobei ein Sefuit im Nathshaufe eine
angemefjene -Rede, der Archiviacon Melchiori, ein befonderer
Gönner der Iefuiten, in der Kirche Maria Maggiore das Hoch:
amt Hielt. Allein auch diefe Eröffnung erfolgte nicht ohne Un-
annehmlichfeiten. Die Jefuiten hatten nemlich nach ihrer Ger
wohnheit am Thore des Schullofald den Katalog der Vorlefun:
gen angefchlagen; Ddiefer wurde aber während der Nacht in
Stüde zerriffen. Wenn nun gleich der Magiftrat dieß fehr hoch
aufnahm, fo wurde die Sache doch für jegt durch den Jefuiten-
Superior vermittelt. Allein al® die Somasfen eine ähnliche
Ankündigung mit dem Wappen der Madruz an der Spike an-
1) Er hatte eine Schrift druden laffen, worin er behauptete: Jesuitas
certissimam esse mortalium pestem, daher man fie nirgends auf:
nehmen foll, mo aequitas et sapientia dominetur.
— 18 —
geheftet hatten, und der Magiftvat diefen Zettel durch den Stadt:
auffeher DBajti ebenfalls wegnehmen ließ, was die Einfperrung
Baitl’s auf Befehl des Koadjutors zur Folge hatte: fo. wurde
dem Coadjutor eine bittere Befchwerdefchrift zugefchieft, der Be-
fuch, der. Somasfenfchule ‚vom Magiftrate sub poena proserip-
tionis verboten, und Vaftl’s Sreilafjung unter, der Drohung
fonftiger. Beitürmung des Schlofjes gefordert. . Auch hier traten
die Jefuiten. in die. Mitte, und nach VBafti’s Brei legte
fich dev. Sturm.
$. 46.
Bei Diefer Stimmung waren die Jefuiten im feiner. benei=
denswerthen Lage; fie ftießen üuherall auf Hindernifje und Ber:
drießlichfeiten, und e8 mußte ihnen erit Wohnung, Kirche und
Schullofale verjchafft: werden.
Als fie im Jahre 1627 von einem‘ gewifjen Daueti eine
Wohnung gefauft hatten, Fam e& nicht nur mit dem Verfäufer
— einem ränfevollen Mann — zu Streitigfeiten, fondernnauch :
die Bürgerfchaft fand den Eriverb eines nicht geiftlichen Gutes
dem Bertrage vom Jahr 1624 zuwider, wobei der -Jefuitenz
Provinzial erklärte, eher Trient zu verlaffen, als -den Vertrag
auch auf den Erwerb einer Wohnung zu. beziehen. — Bezüg-
lich, der Kirche Fam 'e8. foweit, daß man am Feftedes hl. Igna-
tius das Läuten zur Feierlichfeit einftellte, und den Jefuiten nur
eine Kapelle, bei der Kirchthüre zum Gebrauche anmwied. Doch
jtimmte die Hingebung der Jefuiten bei der Beit im ‚Iahre 1630
Viele, befjer für die -Gefelfchaft Zefu.
Das Schullofale war anfangs der Palazzo eivico,..wo |
früher ‚die. Schule war. Das Lofale bei ihrem Collegium. fol
ihnen. um. das Jahr 1690. hergeftellt worden fein. SDb. dieß
aber das jet fo bequeme Lokale. der Kreishauptfchule fehon.in
der jegigen Form war, ift mie nicht befannt. Wenigftens das |
Collegium glich nach einem Protokolle vom Jahre 1701 damals |
noch einem alten Gebäude ohne alle Form für einen. folchen
Zwed, und die, Kirche: einem. Stalle. Alles. befier: zugeftalten
— 109 =
wurde: nach einer" WOjährigen Verhandlung ein daziwifchen Tiegen-
der Pallaft (Casteda) — auf 1500 Nagneft gefchägt — end-
lich im 6445 Ragneft erworben, und dann Collegium, Kirche
und Gymnafium- zur nachmäligen fehr zwecfmäßigen Einrichtung
oa
8.47.
‚ „Bei, der. Eröffnung der, Schulen. hatten Die Jejuiten nur
bei 70 Schüler, aber auch. nicht alle Schulen, indem; die Rhe-
tori exit im Jchre.1627 eingeführt wurde, ‚Bald aber ftieg Die
Zahl auf 100 und ward in der, Regel: 300-400. ‚Da die
Lehrer von Deutfchland famen,: hieß, man fie Fraleman —Frati
allemani.
- Die Einrichtung der Schule war nach der gemöhnlichen
Art der Sefuitenfchulen. Nur beitand in Trient fein Gonvict,
oder eine andere Anftalt zu Gunften der Studenten. Für Prä-
mien beftanden ein’ paar Stiftungen.
$.. 48,
Nach Aufhebung der Jefuiten bis zum Wiedereintritt Ver
öfterreichifchen Regierung und der neuen Organifirung der Gym-
naften fcheint das Oymnaftum in Trient Feine fefte Haltung ge-
Habt zu haben, zumal während der Kriege.
Der Fürftbifchof Chriftopg Gr. Sigo ftellte unter dem
22. Juni 1774 das Gymnafium zunächft unter das Briefterfemi-
har, und ließ e8 — vereint mit demfelben bei den Somasfen
ÖL unter dem Titel „bifchöfliches Gyumnafium“ fortbeftehen. Es
ward jedoch nach öfterreichifehem Fuß mit 5 Clafjen eingerichtet ;
nur die griechifehe Sprache erfcheint in den Katalogen nicht als
Lehrgegenftand ; dagegen ward die marianijche Eongregation nicht
aufgehoben, "und Theaterftüce wurden bis zum Jahre 1796
aufgeführt.
Die Leitung der vereinten Anftalt war einer Commiffion
anvertraut , beitehend aus dem Generalvifar, dem Seolafticus,
dem f. b. Canizler und dem Bürgermeifter der Stadt. Nächiter
— 10 —
VBorftand war der Rector des Seminars. Im Jahre 1779 ex-
feheinen nur 175 Echüler des Gymnafiums. — In den Kriege-
zeiten waren die Schulen oft unterbrochen, in andere Lofalien
verlegt , und überhaupt nicht in gewünfchtem ZJuftande,
Durch die Säfularifation im Jahre 1803 wurde das Gym:
nafium eine Faiferliche Anftalt, die aber biß zum Uebergang an
die Krone Bayerns feine fefte Organifirung erhielt.
Unter diefer Regierung folte Trient eine Mittelfchule mit
7 Glaffen erhalten, und die Profefforen einen Gehalt von je
500 fl., den fie früher in diefer Höhe nie bezogen.
Unter der italienifch-frangöfifchen Regierung war das Gym-
nafium ftädtifch (communale), jedoch nicht genau nach dem ita-
lienifch-frangöfifchen Vorfchriften organifirt, wobei e8 felbft an Lehr-
büchern fehlte.
$. 49.
Zu einer geordneten Anftalt bildete fich das Gymnafium erft
wierer vom Jahre 1816 an, wo ed nur noch 94 Studenten
zählte. Bei der Organifirung, auf welche feit dem Jahre 1818
ernjtlich gedrungen wurde, fehlte e8 an tauglichen Büchern, fähi-
gen Lehrern für einzelne Gegenftände, z.B. die griechifche Sprache,
und an zwedfmäßigen Lofalien. Der Präfeet Luchi vom Jahr
1818—1838 machte fich dabei verdient und erhielt im Jahre
1838 die goldene Medaille, deren Meberreichung er jedoch
nicht mehr erlebte. In diefer Periode vermehrten fich auch die
Schüler, jedoch beftanden in Südtirol und fohin auch bei dem
Gymnafium in Trient immer fehr viele ‘Brivatiften, z.B. im
Jahre 1818 unter 247 Schülern 69, im Jahre 1823 fogar 91.
Das geräumige Jefuitenlofale, in welchem für jede Claffe für 120
Schüler Raum genug war, und auch ein großer Saal: beftand,
mußte im Jahre 1795 zum Militärfpitale überlaffen werden; im
Jahre 1808 war das Gymnafium im ehemaligen Auguftinerge-
baude, im Jahre 1809 durch ein halbes Jahr wieder im alten
Sefuitengymnafium, im Jahre 1813 im weiblichen Waifenhaufe,
im Jahre 1815 im Glarifjenklofter, das zu einem eigenen befjern
— 41 —
Gebäude ganz neu auf Koften des Studienfondes in den 1840ger
Jahren mit einem Aufwand von mehr ald 50,000 fl. hergeftellt
wurde.
est hat Trient ein vollftändiges Oymnafium zweiter Claffe
ganz auf Koften des Studienfondes, indem mit demfelben das
dort beftandene philofophiiche Studium vereiniget worden ift.
$. 50.
‚Bon wohlthätigen Anftalten zu Gunften des trientner Gym-
nafiums ift aus alten Zeiten, ı wie bemerft, nicht Weiteres
befannt.
In den neueften Zeiten entftanden zwei Convicte, welche
auch politifcher Seits unter dem 7. Mai ai 19, Sept. 1834
genehmiget wurden.
Das erfte wurde im Jahre 1830 vorzüglich durch die Ver-
wendung des Pajtoralprofeffors Rigler zur Bildung von Diöze-
fanprieftern unter dem Namen di S. Vigilio gegründet, und nahm
ZJünglinge der Trivial- und Gymnaftalfchulen auf, die unter Lei-
tung eines Nectorsd und Vicerectord, dann mehrerer Präfecten
(meiftens Studierende der Theologie) die volle Verpflegung ge
gen eine Betrauung des Inftitutes monatlich mit 16 bis 18 fl.
erhielten. Das Marimum der Zöglinge war auf 120 feftgefest.
Im Jahre 1844 wurde das Inftitut dem Fürftbifchofe überlaf-
fen, und ging dann ganz ein.
Das zweite Inftitut — bisher in einem gemietheten Lofale
— umterfcheidet fich von dem vorigen nur darin, daß Alles viel
einfacher und insbefonders die Koft fehr gemein ift, daher auch
monatlich nur 8 fl. für-den Zögling bezahlt werden. Brunati,
jest Domberr und Director des Priefterfeminars, machte fich um
die Errichtung deffelben verdient. &8 führt den Namen S.
Simone und ift höchftend auf 50 Zöglinge berechnet.
—_ 11 —=
E.
BEiIKen.
$.''31:
Die Unterrichtsanftalt in Briren kann urfundlich unter allen
Lehranftalten Tirol am weiteften, 'wenigftend in das X. Jahr:
hundert, zurücgeführt werden,. $. 2 und 3. Die Priefter der
Brirner, refp. Sebner Diöcefe mögen da vorzüglich gebildet: wor-
den fein; ed. wurden aber auch fchon in frühern Zeiten auswär-
tige Zöglinge aufgenommen. Die Bildung war wohl nicht aus-
gezeichnet, und ‚in frühen Zeiten von dem einzigen Ecolafticus
beforgt, welcher im Jahre 1256 ermächtiget: wurde, zur Führung
feines Amtes fich.um einen tauglichen, ehrbaren Mann. umzu-
fehen, ‚der. mit Emfigfeit den Gottesdienft, auf dem Chor befuche,
in. der Schule mit Sorgfalt ‚um den. Unterricht. der Sugend in
profaifchen Aufägen. fich annehme, und dem Domkapitel bereit-
willigen Gehorfam leiftel).. Auch ein Vorlefebuh) aus dem XI.
Jahrhundert Tpricht nicht für eine Auszeichnung diefer Schule,
$. 3... Bor, dem Jahre 1442 waren fehr. bedeutende moralifche
Unordnungen eingeriffen, indem fich die Schüler Trunfenheit,
Spiel, Bulerei, nächtlichen Unfug. auf den Gaffen, Tanz im
Advent („an ungehört fach") ze. zu Schulden Fommen ließen,
und jährlich einen Schülerbifchof wähltend. Dagegen traf Bi-
fehof ‚Georg. (geft. 1443) mit, feinem Domkapitel Verfügungen,
aus denen. man unter, andern erfieht, daß damals fchon ein
Schulmeifter und Junfmeifter, Auffiht und Unterricht beforgte,
und acht Schüler, zu.dem Chor auf dem Dom ausgewählt wa-
ven 3). Bür diefe Choraliften ftiftete im XV. Jahrhundert ber
1) Sinnader Betr. IV. Bd, ©. 404.
2) Aehnliche Unfüge, namentlich die Wahl eines Schülerbifcofs, fom-
men im XI. und XI. Sahrhundert bei den Schülern in NRegens-
burg vor, und im Sahre 1358 wurde hiebei fogar ein Domherr
ermordet. Günther Gefchichte der lit. Anftalten in Bayern I. ®.
©. 248.
3) Sinnader 1. ec. VI. B. ©. 361-265.
= 113 —
‚Chorherr Schnabl mit dem Catharina-Benefiziaten Sriedr. Bren-
ner eine Feihfuppe in der Faften und ein anftändiges Mittags-
mahl am Communionstag 1).
Die Erhaltung der Schule gejchah wohl durch Stiftungen,
durch die fürftb. Kammer und durch das Domfapitel, von dem
1442 jeder Domherr jährlich 10 Marf Berner nach des Ka-
pitel8 Gewohnheit zahlted. Zu Gunften der Lehrer wurde auch
ein Schulgeld bezahlt. S. 3.
$. 52.
Im XVI. Jahrhundert erjcheint diefe Schule. verbeflert,
Der Scolaftitus Adam v. Arz legte dem Domkapitel einen
Berbefferungsplan vor, welcher im Jahre 1579 gebilliget wurde,
aus welchem man, unter ‚andern erfieht, daß die Schule in zwei
Glaffen getheilt war, daß das Lehrperfonal' unter dem Scolafti-
fus aus dem Schulmeifter, Junfmeifter (Succentor) und zwei
2ofaten beftand, die im Latein, Stylübungen, befonders im
Brieffchreiben, Gefang und Religion, und zwar für die adelichen
Erterniften befondern Unterricht gaben 3).
1) Sinnader 1. ce. 8. IV. ©. 98.
2) Sinnader I. e. VI. 8. ©. 361 fl.
- 3) Unter sanderm heißt es darin:
a) Abıhora öta usque ad '7mam a magistris scholae praelegatur in
prima classe grammatica,Lupuli, in secunda 'classe Donatus
et Cato oder wie Er. Kapitel peffer rechnet, Alvarus, ut prius
factum est.
b) Majoris locati lectiones probantur,, ut etiam ediscant (pueri)
vocabula,
Ab hora octava usque ad 9nam Magister scholae unacum
locato minore laboret cum Nobilibus et. exteris pueris, qui
chorum non ingrediuntur.
A prandio ab hora 12ma usque ad primam. exerceantur in
cantu a canlore.
A prima usque ad secundam praelegantur 'epp. Ciceronis
majores et exerceantur in compositionibus epistolarum, sicut
summus Scolasticus modum ‚praescripserit.
In majoris locati classe minores epistolae Ciceronis legantur.
A 3tia usque ad 4tam Magister et locatus minor laboret
cum Nobilibus et chorum non ingredientibus.
8
— 14 —
Im Einflange mit diefen Angaben fteht auch die Aeußerung
ded Domfapitels bei der Vifitation im Jahre 1594, aus. wel-'
cher man weiter erfieht, daß die Schülerzahl damals 68 war,
daß darunter fortwährend 8 Chorfchüler die die ganze Verpfle-
gung, ungezweifelt im Schulhaufe hatten, und 36 andere PBrä-
bendijten, die etwa die Nahrung im Sihulhaufe erhielten, end-
ih 24 Grtemiften fich befanden, die befondern Unterricht genofs
fen 1). Die Legtern waren damals noch an Sonn- und Feier-
tagen auch zum Chorbefuch verpflichtet 2).
Der Beitrag der bifchöflichen Kammer für die Chorfnaben
betrug damals 250 fl. jährlich 9.
Die Veneris mane praelegatur Catechismus Canisii et a meri-
die recitetur et disputetur.
Die sabbati recitentur omnes lectiones hebdomedales.
In diebus dominicis et festis chori et fori ab hora 12ma
usque ad 1nam interpretetur evangelium.
i In festis Nativitatis Dmi, Paschalis et Pentecostis solum-
modo per tres dies vacant a lectionibus, in diebus vero
eunieularibus et in vindemiis per octo tantum dies.
1) «Der Alhierigen Schulhaltung halber wirt morgens von 5 Uhr bis
nad) dem Completorio der fchuel durd den fchuel: und Sunkhmai=
fter auch zween ofaten außer der Kirchzeiten vorgeftanden und
außgemwartet, und die Sugent in grammaticalibus und lectione icate-
chetica, jo Wochentlih am Freytag befchieht, instruirt, Die ge:
ftiftete Speis von hoff neben guetwilliger Darraihung eines Er-
würd. IThumbfapitls als teglichen ainer gefhochten Richten dep:
gleichen Särlicher beflaidung wirt den Chorfchuelern in der fchuel
erthailt, deren iiber 40 Armer leutly Stiftsthinder legitime nati
und bonae spei feindt; ıc. ... Der Choralen feindt 8, der übri-
gen armen Sungen, fo ihr Nahrung in der fchuel haben’, 36, und
fremde jchueler, welche fonft die jchuel befuchen, ist 24.> Bergl.
Sinnader Beitr. VI. B. ©. 722.
2) Auf die Anzeige des Schulmeifters, daß einige Nobiles nur die
Schule und nicht auch den Chor befuchen,, entfchied Das Domkapi-
tel im Jahre 1578, daß er «inen ankaig, jo fp da wellen die
jchuel 'befuchen, das fy auch in diebus festivis mit ihren Chor:
vefhen in Chor geen, wie vor Zeiten auch andre Nobiles haben
than».
3) Sinnader Beitr. VI. B. ©. 623.
- Mb =
s. 58.
Im XV. Jahrhundert machte fich der vortreffliche Bijchof
Ehriftoph Andrä Gr. Spauer, von feinem Weihbifchof Feuer-
ftein und dem Domfapitel unterftüst, auch um die Lehranftalt
verdient.
Gleih am Anfang feiner Regierung im Jahre 1601 ging
er das Domkapitel um geeignete VBorfchläge zur Verbeflerung der
Domfchule an. Dieg beantragte 5 Schulen: principia, rudi-
menta, secunda, tertia und suprema Grammatica, von denen
die zwei unteriten von Lofaten, die drei andern vom Schulmeiz.
fter und zwei Brieftern oder Theologen zu verfehen wären. „Sie
follten in Grammaticalibus und Syntaxi neben andern lectioni-
bus, fo bei den Hrn. Patribus Societatis Jesu in Infprugg gelejen
Gedoch die graeca ausgenommen) in dreien unterfchiedlichen clas-
sibus (die erfte und zweite Clafje, in denen der Fleine Lofat
lefen und fchreiben und der größere die Rudimenta lehren foll,
find nicht unter diefe drei gleichfam höhern Clafjen begriffen)
wo ftund vor und zwo ftund nach Mittags informivenz; Und
der Junfmeijter die Jungen alle Tag ain ftund (wie bisher be-
fehehen in cantu chorali et figurali unterrichten; Neben folchen
der Thombprediger oder ein anderer qualificirter briefter zweymal
in der Wochen Catechismum und am Sambftag nach Mittag
das Evangelium explicierent)*. — Im Jahre 1603 wurde in
der Eynode beantragt und vom Bifchof genehmigt: es follen
5 Lehrmeifter unterhalten werden, die zwei unterften nebft der
Koft mit den Schülern jeder 50 fl., der mittlere, jedoch ohne
Koft, 100 fl., die zwei obern jeder 180 fl. jährlich erhalten. —
Die Zahl der Schüler Präbendiften) wurde auf 4O bejtimmt,
die Kleivung und Wohnung erhalten follen), von denen die 10
tauglichiten, mit der Zeit mehrere, ausgewählt, und loco alum-
norum ad ministerium ecclesiasticum gezogen und unterwiefen
werden, und die Nothdurft ıc, erhalten follten (wie e8 fcheint
1) Sinnader Beitr. VI.B. ©. 21. -
8*
— 16 —
Verpflegung und zu den übrigen Bebürfniffen noch etwas
Geld).
Wirklich wurden aud) 5 Glafjen mit 5 Lehrern, einfchließ-
lich des Präfects errichtet, ftatt der Weihenndidaten oder anderer
PVriefter aber gewöhnlich Benefiziaten gegen eine „Ergöglichfeit"
verwendet. — Ueber die Choraliften führte der Junfmeifter, der
den Choral lehrte, und mit ihnen in der Domfchule wohnte,
die Aufficht, auch die Präbendiften erhielten in der Schule ma-
gere Berpflegung, bis fie 1685 in der befchränften Zahl von
22 einem Bürger zur Koft übergeben wurden. — Die 5 Lehrer
befchäftigten fih nur mit den Studien in den 5 Glaffen, an
welchen die bezüglich des Unterhalts nunmehr drei, verfchiedene
Glafien der Studierenden, nämlich die Choraliften, . die PBräben-
diiten und die Erterniften, deren Zahl nun bedeutend muchs,
Theil nahmen. — Dazu famen die Seminariften, nachdem durch
den Bifchof Andrä im Jahre 1607 das Seminar gejtiftet wor-
den war, die aber an der Domfchule nicht mehr Theil nahmen.
Um Bla für die vermehrten Schulclaffen zu erhalten, hatte
Bifhof Andrä von dem Stifte Neuftift ein Haus in der Nähe
der Domfchule im Jahre 1601 und fpäter 1607 ein anderes,
ebenfalls in der Nähe derfelben für das PVriefterfeminar erfauft 2).
Für die 5 Lehrer verfaßte der MWeihbifchof Feurftein. weit-
fäufige, den Jefuitenfchulen nachgebildete Inftruftionen 3), aus
welchen man theilweife vie Unterrichtsmethode, fo. wie die Lehrz
gegenftände abnehmen fann. Zuerft wurde ein Thema diktirt,
und während der Bearbeitung das Hausthema der Schüler vom
1) Sinnader 1. c. ©, 44. C
2) Vergl. Tinkhaufer. Befchreibung der Diöcefe Briren 1. B. ©.
176. — Diefer bemerft noch: die fürmliche Abfonderung der Ehora-
fiften und Präbenviften fei in der Mitte des XV. Sahrhunderts
erfolgt. 1. ce. ©. 172. Doc wohnten im XVI. Sahrhundert nod)
in der Schule nicht nur der Sunfmeifter in abgefonderter Woh-
nung, fondern auch der Schulmeifter mit abgefonderter Defonomie
und die zwei Lofaten, welche mit den Ehoraliften Verpflegung und
Wohnung gemeinfchaftlih und über fie die Aufficht hatten.
3) Mitgetheilt vom Präfeet Forer.
— 17 —
Lehrer verbefiert; dann folgte Erklärung der Regeln oder Elaf-
fifer. Nachmittag wurde das vormittägige Thema corrigivt und
ein anderes über Haus diftirt. In der erften Stunde am Frei:
tag wurde der Gatechismus erflxt, am Samstag das in der
Woche gelernte wiederholt. Einmal in der Woche wurde pro
magistratu. gefchrieben, und die Beften wurden vom Magiiter
CBräfeet) belobt oder auch bejchenft. Behandelt joll werden a)
in der PBrineip: Deutfch und Latein lefen, und grammatifche
Kegeln; b) in der Rudiment: Ciceronis epp. sel. lib. I; nad
Djtern: Pontanus Vol. I, Anfangsgründe der lateinischen und
griechifchen Grammatif; ec) in der zweiten Orammatif: Ciceronis
epp. ad famm.; nach Djtern:: Pontanus Vol. I und Grammatif ;
Nachmittag Syntar und Gretfcher: Rudimenta ling. graec.; d)
in der dritten Grammatif: Ciceronis epp. selectae, Uebungen
in declinationibus et generibus nominum; nach Dftern: Pont. II;
Nachmittag: Introductio Syntaxeos, Uebungen im verborum
praeteritis et supinis, Gretfcher; e) in der vierten Grammatik:
Alvarus Syntax, Projodie- und FigurenzLehre, Gretjcher; dann
bis Dftern: Ciceronis epp. ad famm.; nach Dftern: de amieitia,
Ovidii tristia I. et III. Aesopi fabulae; an Wafanztagen: Pon-
tanus, — Jedem Lehrer wurden verfchiedene Regeln über. Be-
handlung der Schüler, Fleiß, Gebet, Strafen), Beicht ıc. ge
geben. Der Bräfect fteht unter dem Scolafticus, er entfcheidet
nach. der Prüfung mit den Lehrern über Aufnahme und Auffteigen
der, Schüler mit Borwiflen des Scolafticus, ohne welches er. in
der Schule nichts Andern darf, Die „leges ab omnibus, qui
in hoc brix. Gymnasio bonis fungi literis cupiunt, mordicus
observandae beftimmen als Zwed nicht blos Bildung in libera-
libus artibus, fondern omni virlutum genere, fchreiben den Größern,
welche Mitglieder der Rofenfranz-Bruderfchaft fein follen, monat-
liche, den Kleineren fechswochentliche Communion, Allen täg-
liche Anhörung der Hl. Mefle und an Sonn- und Feiertagen
Gegenwart bei dem officium und der Vefper vor.
1) Nulli infiget super plagas 5 aut sex — heißt es unter anderm.
— 18 —
Nach diefer Vorfchrift wäre fohin das Griechifche in Briven
doch nicht ausgefchlofien gewefen ; ob dasfelbe jedoch zur genauen
Befolgung unverändert vorgefchrieben worden ift, weiß ich nicht.
Mac; Ableben des Scolafticus v. Arz fegte das Domfapitel
im Sahre 1608 neue Berhaltungsregeln feft, 3. B. wenigiteng
einmal die Schule zu befuchen ; auch wäre die fchon öfter un:
glückliche Wahl eines PBräfectes der Genehmigung des ganzen
Domfapiteld zu unterziehen.
Die Bifchöfe verfuchten zwar öfter diefe Einrichtung zu Ans
dern, refp. zu vervollfommner ; fo wollte Bifchof Alphons Gr.
Thun, unter dem die marianijche Kongregation eingeführt wurde,
im Sahre 1663 auch die Rhetorif und Poetif einführen, deren
fhon beftellte Lehrer Blafius Berger und Chriftian Heß von
Bruderfchaftsmitteln befoldet werden follten: allein in dem Ka-
taloge fpäterer Jahre erjcheinen nur die oben genannten fünf
Glaffen. Die folgenden Bifchöfe, namentlich Paulin, der den
Iefuiten unter dem 21. Dftober 1683 ein Legat von 20,000 fl,
mit dem Beifate machte, daß fie den Unterricht der ftudierenden
Jugend übernehmen follten; Ignaz Gr. Künigl, welcher im
Jahre 1721 den erften Kurs der Humaniora durch einen Jefui-
ten fogar eröffnen ließ, begünftigten die Jefuiten bei dem Wider:
ftande des Domfapiteld ohne Erfolg, und die unter Bifchof
Ehriftoph Andrä Gr. Spauer gemachte Einrichtung blieb im
MWefentlichen bis auf Leopold Gr. Spauer; und nach Refch
wurde gelehrt: Tateinifche und griechifche Sprache, Briefe- und
Berfefunft, Religionslehre und auch Gefchichte.
$. 54.
Diefer Fürftbifchof Leopold Graf Spauer führte im Jahre
1764 das Seminargebäude im unterm Spitale auf, deffen Ber:
einigung mit dem Seminar eine päpftlihe Bulle vom Jahre
1728 genehmiget hatte. Dadurch fiel vertragsmäßig 1) das an
1) Der Vertrag fteht bei Sinnacher Beitr. IX. B. ©. 582 und wurde
unter dem 28, Gebr. 1751 gefchloffen.
— 119 =
die Domfchule ftoßende Gebäude des bisherigen Priefterfeminars
as jegige Eaffianeums - Lokale) der Domfchule zu, und das
Gebäude der bisherigen Domfchule @er Ehoraliften) wurde nun
aänzlich dem Gymnafium, und zwar durch einen Stod erhöht 1),
überlafien.
Nebit diefen Vortheilen an Raum gewann das Gymnafium,
vorzüglich durch den hHochverbienten Nefch, die zwei oberften
Elaffen, Böetif und Nhetorif, johin nach damaliger Anficht
feine Vollftändigfeit, indem die Princip der frühern Einrichtung,
welche nicht eigentlich zum Gymnafium gehörte, jondern Trivial-
fchule war, wegfiel, und die tertia und suprema grammatica
oder nach einer andern Benennung die Syntaxis major und
minor in eine Glafje zufammenfiel, fo daß das Öymnafium nun
folgende Abtheilungen hatte: 1) PBrincipiaz; 2) Rudimenta; 3)
Grammatifa; HM Eyntaris; 5) Pöetica; 6) Nhetorifa, nur daß
fich die Brineipia jegt fchon mit dem lateinifchen Unterrichte be-
fchäftigte. Die Möetif lehrte Nefh das erftemal im Jahre
1748/49 und die Rhetorif im Jahre 1750/519. Der unermüd-
liche Mann ftand dem Gymnafium vom Jahre . 1742—1761
vor, verfaßte mehrere Lehrbücher, wie ars metrica, compendium
prosodiae , auch Gomödien, die unter der bifchöflichen Regierung
fortwährend aufgeführt wurden. Durch ihm ward auch die mari-
anifche Congregation mit der römifchen vereinigt.
Diefe Einrichtung des Gymnafiums blieb bi zur F. bay.
1) Curante Celsissimo — bemerkt Reich in feinem Tagbuche unter
dem 8. April 1758.
2) Er fchreibt in feinem Tagebuch unter dem 28. April 1748: Mense
Novembri prima jacta sunt fundamenta docendae poesi, pro
primo anno (bei Anfang des Schuljahres) tentabimus; Celsissi-
mus promisit se daturum 40 fl. uti et domum antiquam semi-
narii, capitulum autem ligna et praemia; und im November 1750:
Mense Novembri primo introducta fuit Rhetorica; primus pro-
fessor fui ego Josephus Reschius Episc. Gymnasü Praefectus.
Hoc anno scholastico ego Rhetoricam simul et Poesin docere
debui, ex sola tamen charitate impulsus. — Sieh Sinnader
Beitr. .B. ©. XLVI. — Einen Gehülfen erhielt Refch erft im
Sahre 1752 an dem Acolythus Unger,
HE
Periode, nur daß Bifchof Iofeph Gr. Spauer im Jahre 1784
ganz den öfter. Plan einführte, fohin das Gymnaftum nur 5
Glaffen erhielt. Auch die Vertheilung der Brämien, gewöhnlich
im SHoftheater, dem, jegigen Gonfiftorialfaal, mit Schaufpielen,
blieb mit einiger Unterbrechung feit dem Jahre 179% bis zum
Sahre 1806, n
$. 00.
Unter Bayern hatte Briren bis zum Jahre 1809 eine Mit
telichule, dann nur mehr ein PBrogymnafium. Die Lehrftunden,
bei welchen man früher wegen des Gafjianeums auf den Dom:
gottesdienft Rüdficht nahm, wurden nun von. 8—10 und
2—4 Uhr gefest. Die Befoldung des Nectord war 700 fl.,
jene eines Brofeffors 500 fl.
$. 56.
Unter der wieder eingetretenen öfter. Negierung wurde das
Progymnaftum von 3 Claffen mit a. 5. Entfchliegung vom 14,
März 1816 in ein Gymnaftum dritter Glaffe erweitert, fohin
in diefem Jahre die erfte, im folgenden die zweite Humanitäts-
claffe, endlih im Jahre 1819 die vierte Grammatifalclafie
eingeführt.
Nach dem Reftaurationsdefret der Tiroler Stifte vom 12. San.
1816 Hatte das Stift Neuftift nach Maßgabe, ald e8 zu Lehr-
amtern geeignete Individuum haben wird, in Solge der a. 5.
Entfchliegung vom 14. März 1817 namentlich das Brirner
Gymnaftum zu übernehmen. $. 27. Allein diefe Uebernahme
erfolgte exit, und zwar auch dort nicht gänzlich, im Jahre 18361),
wo dem Stifte nach feinem Antrage die Anftellung von vier
Stiftsprieftern ald Lehrer bewilliget, und die Verwendung. der
bisherigen Lehrer, die alle Weltpriefter waren, in der Geeljorge
oder an andern Öymnaften anbefohlen wurde. Nachdem auch
der Präfeet Forer, ebenfalls Weltpriefter, im Jahre 1844 pen-
1) Het. vom 20. Februar und 20. September 1836.
En
— 11 —
fionivt. wurde 1), fo übernahm. das Stift alle Lehrerftellen, mit
Ausnahme der eines Humanitätslehrers, der noch immer bejteht.
Bei der neueften Öymnaftalorganifation erhielt Briren ein
Dbergymnafium, jedoch ohne Vermehrung der Koften aus dem
Studienfonde, durch die vereinte Mitwirkung des Stiftes Neus
ftift, das neun Lehrer ftelt, der Stadt Briven, welche den an-
deriwveitigen Aufwand übernahm, felbft des Kapuzinerordeng,
welcher dermalen zwei Lehrer dort verwendet, und des Drdinariatg,
das die allenfalligen Lücken mit Weltprieftern ausfült.
$. 57.
Das Unterrichtslofale der Domfchule ftand in der Nähe der
Domfirche und. des Gymnaftums2), an welches vom Jahre 1607 bie
1764 auch die von. Neuftift tHeils für die Domfchule,' theils für
das Briefterfeminar gefauften zwei Häufer ftießen. Das eine diefer
zwei Häufer (das ehemalige Priefterfeminar) ift nun das Caffia-
neum, das andere (die ehemalige Domfchule) ganz zum. Öymnaz
fium verwendet. Die Gymnaftum wurde im Jahre 1833, wo
das feit einigen Jahren ald Gymnafium benügte Caflianeum
diefem ‚reftaurieten Inftitute, zurücgegeben werden mußte, auf
Koften. des Studienfonds mit einem Aufwande von mehr als
8000 fl. Hergeftellt. _
Zum Gottesdienfte wurde früher ein abgelegener Saal im
Gebäude, und feit dem Jabre 1804, jedoch mit einiger Unter
brechung, die Johannisfirche im Kreuzgang, und wird feit 1810
die ehemalige Colfegiatfirche in ambitu verwendet.
$, 58.
Bis zur Säfularifation ftand das Oymnafium unter dem
Proteftorate des jeweiligen Fürftbifchofs, gegen welchen jedoch
das Domfapitel ftandhaft feine Nechte behauptete. Diefes ftellte
1) Hfoft, vom 3. Febr. 1844. Der verdiente, im Sahre 1838 mit
der goldenen Medaille ausgezeichnete: Mann ftarb 1845.
2) Dal Tinkpaufer 1. c. ©. 172.
— M=
die. Lehrer und den Präfeet auf, billige die Lehrmethode,
machte neue Einrichtungen, Überwachte die Schulen und forgte für
das Defonomifum. Es übte feinen Einfluß vorzüglich durch
die Ecolaftici, unter denen Wenger, welcher um das Jahr
1500 ein über 100 Jahr gebrauchtes Lehrbuch verfaßte, und
unter den feit 1571 bi zur Säfularifation befannten 24 Scola-
ftifern Manche, wie Adam von Arz wom Jahre 1572—1609),
Vieger (vom Jahre 1744—1753) fich die Schule fehr angelegen
fein ließen, während Andere fich derfelben wenig annahmen, wie
3: D. Iof. v. Txoyer, der fih vom Jahre 1698—1721 als
Pfarrer von Klaufen durch einen Subftituten verfehen ließ.
Eben’ fo verfchieden waren auch die feit dem Jahre 1600 be-
kannten 25 “Präfeete, unter denen einige Laien waren und
manche fih das Gefchäft nur wenig angelegen fein ließen, 3. B.
Hoeß (vom Jahre 1660--1667), der halbe Jahre nicht in die
Schule Fam. Dagegen waren 3. B. Nefch, Hofer 2. (vom
Sahre 1772—1776) ausgezeichnete Männer.
$. 59.
Außer dem affianeum, welches im Jahre 1751 feine
Drganifation und feinen Namen erhielt, beftand in Briren Feine
Anftalt zu Gunften des Gymnafiums. Die Bafftaneum ging,
wie das Gymnafium und das SPriefterfeminarium, aus der
Domfchule hervor, AMllmählig hatten in Dderfelben nur mehr die
Choraliften, deren im XV. Jahrhundert 8 ausgewählt wurden
und feit dort beftanden, Wohnung und Verpflegung, und ftan=
den im Jahre 1607 in einer eigenen Abtheilung unter der Auf:
ficht des Junfmeifters, während die übrigen PBräbendiften in der
Domfchule nur — oft Ärmliche Koft, ja nicht einmal diefe im-
mer erhielten und fich durch Gaffenfingen, über welches eigene
BVorfchriften beftanden, nachzufelfen fuchten. Die Choruliften
hatten den ganzen Chordienft in der Domfirche, mit Ausnahme
der gewöhnlichen Metten, die VBräbendiften aber nur die Cons
ventmeffe, DVefper und Bomplet zu befuchen. — Bon dem
Gymnafium ganz abgefondert wurde das Inftitut: erft im Jahre
= 183 =
1756. Das alte Briefterfeminarlofal wurde nämlich nach defien
Uebergabe an die Domfchule vorzüglich durch die Verwendung
des allfeitig thätigen Nefch zu einem neuen Gebäude hergeftellt,
in welches nunmehr nicht blos die Choraliften, fondern alle
Präbendiften nicht mehr, wie theilweife früher, blos Koft, fon-
dern auch Wohnung fanden. Im Jahre 1756 wurden 22 Zög-
linge in dafjelbe eingeführt, und ald das Gebäude im Jahre
1767/68 um einen Stod erhöht worden war, und Raum für
40 Zöglinge bot, auch zahlende Zöglinge — Convictoren aufge
nommen. Das Inftitut ftand unter der Aufficht eines Dom-
heren und zunächjt unter einem Negens mit einem Injtruftor
zur Nachhilfe in den Studien; auch war für Unterricht in Mufif
geforgt. — Das Inftitut wurde unter der fgl. bayr. Regierung
zuerft modificirt, dann ganz aufgehoben und das Vermögen zum
fogenannten Stiftungsfond eingezogen. Allein mit a. h. Ent-
fehließung vom 13. April 1826 wurde die Wiederherftellung des
Snftituts befohlen und nach der a. d. Entjchliegung vom 19.
März defielben Jahres das Vermögen zurücgeftellt, das im
Sabre 1836 mit 27,554 fl. 551/45 fr. und einer jährlichen Rente
von 1731 fl. 32 kr. liquidirt wurde. Auch die Statuten er:
hielten unter dem 27. März 1836 die a. h. Genehmigung, und
beftimmen im Wefentlichen, daß 12 Stiftlinge und nebft diefen
auch zahlende Zöglinge beftehen follen, mit der doppelten Be-
ftimmung des Gymnafialftudiums und Domchorbefuche. Die
Stiftlinge find nach Ausfchreibung vacanter Pläge und Prü-
fung aufzunehmen, und fünnen während des ganzen Gymna-
fialftudiums im Inftitute bleiben. Gin Domhere verfieht das
Ehrenamt eines Directors, ein Subdirector, Choralmeifter, Mu-
fillefrer, dann Inftruftoren, Die alle befoldet oder remunerirt
find, geben fich zunächft mit den Zöglingen ab, und der Sub-
| Director und die Inftruftoren wohnen in der Regel im Inftitute.
a in
Roveredo.
$. 60.
Das Gymnaftum in Roveredo verdanft fein Entftehen dem
Zeftamente des Ferdinand von Orefizi, eines gebornen Rovere-
daners, Doctors der Theologie, erzbifchöflichen Conftftorialraths
und Canonicus des Gollegiatftiftes S. Mariae Virginis ad Nives
zu Salzburg, welcher unter dem 9, Juli 1668 fein ganzes Ver:
mögen mit Ausnahme einiger Legate (etiva von 400 fl.) dem
Magiftrate von Roveredo unter den wefentlichen Beftimmungen
legirte, daß 5 Priefter die Gymnaftalgegenftände nach Art der
Jefuiten in Noveredo Iehren, die Präfentation vderfelben dem
Senior der Familie Orefizi, ihre Approbation aber dem Magi-
firate in Noveredo (mobile et speetabile consilium 31 vel 33
voeatum) zuftehe, jeder Profefjor wöchentlich zwei Hi. Mefien
nach der vom Stifter näher beftimmten Intention lefe, und an
EConn- und Fefttagen den Chor der Prarrficche befuche; die
Profefforen der Nudiment und Grammatik follen auch die deutfche
Sprache fönnen. Die Gehalte der Profefforen fegte er in Ab-
ftufungen von 50 bis 200 fl. jährlich feit, wenn nicht um einen
geringern Gehalt gut qualifieirte Lehrer zu befommen wären
(si minoris possunt comparari, tanto melius, dummodo subjecta
sint qualificata). Wenn das Vermögen nicht zureiche, möge
die Realifirung der Stiftung 5 bis 6 Jahre verfchoben werden.
Zuftiftungen wären erwünfcht. Würde die Stiftung nicht an=
genommen , fo Fomme fie dem Spitale zu St. Tomafo zu, das
die Lefung der Stiftmefjen zu beforgen hättet).
Der Wunfch des Stifters bezüglich der Zuftiftungen ging
bald in Erfüllung, indem ein Carl Balter unter dem 29. Nov.
1674 feine Güter, wenige ausgenommen, unter einigen im Jahre
1673 beigefügten Beftimmungen gegen Abhaltung von fechs Aem-
1) Eine Abfehrift des Teftaments Tiegt in der Statthaltereiregiftratur.
= wm =
tern mit Bigil in der Markudfirche dem Orefizi’fchen Stiftfonde
mit dem Beifate abtrat, daß die Stiftung dem Karmeliterflofter
zufallen fol, wenn das Gymnafium 5 Jahre nach feinem Tode
nicht realifirt wäre. Diefe Güter, welche bei 10,000 fl. betra=
gen haben follen, wurden in Folge Magiftratsbeichluffes vom
31. Auguft 1675, in welchem Jahre daher der Stifter wahr-
fcheinlich ftarb,, in Befts genommen. Zu diefem Stiftungsfonde
fam im folgenden Jahrhundert ein Legat des Franz Piamarta
mit 3000 Ragn. (da 1. 4, ce. 10 l’uno) zu Gunften des Salars
der Mrofefforen Hinzu, eine um fo erwünfchtere Gabe, als vom
Jahre 1746—1748 wegen zu geringen Erträgniffes des Fondes
die Rhetorik gefchloffen war ; ferner 20,000 fl. aus dem Betta
del Toldo’fchen Nachlaffe (8. 2I N. 3), welche mit Hoffam-
merdefret vom 23. Septbr. 1774 der Stadt Roveredo für die
Schulen, jedoch nicht gerade des Gymnafiums zugewiefen und
vom Magiftrate unter dem 4. Juli 1775 laut Quittung in
Empfang genommen wurden. Sett beläuft fich der Etiftungs-
fond beiläufig auf 50,000 fl.
$.. 61.
Das Gymmafium wurde, wie man aus der Stiftung des
Balter fchliegen Fann, um das Jahr 1670 eröffnet, und erhielt
die Einrichtung, daß der Arciprete von Roveredo beiläufig die
‚Stelle eines PBräfectes verfah und mit ihm drei der angefehen-
ften Bürger der Stadt (deputati — damals Proveditori genannt)
die Anftalt in der Art leiteten, daß Einer der legtern das Defo-
nomifum beforgte, die zwei andern aber ihre Aufmerffamfeit
auf den feientififchen und moralifchen Zuftand derfelben richteten.
An diefem Amte nahmen wohl immer die hervorragendften Mün-
ner won NRoveredo Theil, 3. B. um das Jahr 1776 Clementi
Fontana, obfchon erft 22 Jahre alt und fein Oheim Saibanti;
\ Erfterer verfertigte eine Auswahl von Cicero’8 Briefen zum Un-
| terricht, umd fchrieb eine Anleitung für Lehrer über die beite
‚ ehrart in den Humanitätsclaffen, die gedrudt wurde. Auch,
— 16 —
er berühmte Tartavotti nahm fich des Ghymnaftums. feiner
Vaterftadt eifrig an.
$. 62.
Im Laufe der Zeit gaben zwer Beftimmungen des Stiftere
Anlaß zu langwierigen Verhandlungen und Modiftcationen.
Die erfte betrifft die Einwirkung des Noveredanermagiitcats
und Areiprete auf das dortige Gymnaftum. Unter. dem ‚27.
April 1776 wurde nämlich dem dortigen Kreishauptmann Die
Oberaufficht über das Gymnafium als Director nach der allge-
meinen Vorfchrift übertragen, dev Präfeft und die Deputati ihm
unterftellt und der Bericht über das Gymnafium abgefordert.
Die Rechte des Magiftrats in Aufftellung der Brofefjoren wur-
den damals noch nicht befchränft, jedoch ward angeoronet, Daß
die Adfpiranten ihre Fähigkeiten auszuweifen hätten. Allein im
Jahre 1780 behielt fich Se. Majeftät vor, die vom Masgiftrate
nach vorläufiger Prüfung. vorgefchlagenen Profefforen zu geneh-
migen. Auch wurde ein eigener ‘Präfect (unter dem 26. Juni ;
1780 ein Socrella) aufgeftellt, fo daß der Erzpriefter Vicedirec-
tor wurde, dem aber die Profefforen nur in geiftlichen, aber
nicht in Studienangelegenheiten untergeordnet waren, in welch’
legterer Hinficht fie unter dem Präfert und Kreishauptmann
ftanden.
Eine andere Schwierigkeit machte die Bejtimmung des Stif-
ter8 bezüglich der deutfchen Sprache, deren Kenntniß er bei den
Lehrern der erften und zweiten Clafje forderte, Im Jahre 1781
wurde verordnet , der Unterricht am Gymnafium full in den
untern Clafien in deutfcher, ftatt in italienifcher Sprache) gege-
ben werben, und nur bis zum Jahre 1783 wäre noch die Auf-
nahme von Schlilern geftattet, denen die Kenntniß der deutjchen
Sprache mangelt. Allein die Ausführung diefer Verordnung
fand, ungeachtet der Unterricht in der deutfchen Sprache auch)
bei der Hauptfehule in Roveredo eingeführt war, Doch ‚fo. viele
Schwierigkeiten, daß auf eine VBorftellung des Magiftrates
unter dem 14, Juli 1783 angeoronet wurde, es fol zwar
—_ 1 —
fein Brofeffor vom Patron. vorgefchlagen werden, welchem die
Kenntniß der deutjchen Sprache mangelt; bei den Schülern aber
werde diefe Kenntnig zum Eintritt in das Gymnafium nicht
mehr gefordert.
In diefem Zuftande blieb das Gymnafium bis zur Regie
rungsveränderung im Jahre 18065 nur wurde bei der Bakatur
einer -Lehrerftelle im Iahre 1805 die Concursprüfung nach der
allgemeinen Vorfchrift ausgefchrieben, fich jedoch von der inzii-
fehen eingetretenen E. bayr. Regierung laut Erlaß vom 12. Mai
1806 mit einer ftrengen Brüfung des vorgefchlagenen Lehrers
begnügt.
$. 63,
Unter der Zwifchenregierung erlitt die Anftalt dreimal einen
gefeglichen Wechfel.
Unter dem 12. Mai 1807 wurde das Gymnafium aufge:
hoben und die Umftaltung defjelben in eine Nealfchule mit drei
Elafjen angeordnet, in welcher doch auch Iateinifche und franzö-
fifche Sprache gelehrt werben fol. Die Lehrer erhielten einen
Gehalt von jährlich 200—400 fl. R.:W. von der Regierung,
welche. .den Gymnafialfond einzog, und die Schule wurde im
Jahre 1808 mit 62 Schülern unter 5 Lehrern eröffnet, deren
Einer — Locatelli — Director war. Aber fchon nach einem
halben Jahre Fam der veränderte Studienplan und die Berord-
nung, daß NRoveredo ein Prognmnaftum nebft Realfchule erhalte.
Die Einrichtung begann im - zweiten Semefter des Jahres
4808 mit 83 Schülern in wöchentlichen 26-30 Stunden für
| jede Claffe, dauerte aber nur bis zum Jahre 1811, wo nad)
franzöfifcheitalienifcher VBorfchrift ein Kommunalgymnaftum einge-
führt wurde, die Stadt jedoch erft mit Defret vom 8. Mai 1813
die Stiftungsrealitäten des Öymnafiums zurüderhielt.
$. 64.
Bei dem Wiedereintritt der öfter, Regierung war die Ber:
wirung an diefem Gymnafium um fo größer, ald der Director
m en
Loeatelli zum Erzpriefter, befördert noch ftiftungsmäßig Präfeet
bleiben wollte und fich doch um die Lehranftalt wenig befim-
mern Fonnte. Die Lehrftunden wurden nicht eingehalten, felbft
unter den Schülern riß Infubordination ein, und zum Weber:
flug. fteitten Patron und Stadt bei einer WBafatur über ihre
Nechte bei Aufftellung der Lehrer.
Erft im Jahre, 1817 trat in Folge Hofdefrets vom 2.
Juli 1816 Ordnung ein, indem ein eigener PBräfeet aufgeftellt
und die ftreitigen Nechte in der Art beftimmt wurden, daß der
Vicedirector Careiprete) mit den geftifteten Bergen und mit der
Aufficht der Profefforen ald Benefiziaten beibehalten werde, der
Patron das Vorfchlagsrecht jedoch nur von 5 PVrofefforen aus
übe; der PBräfeet, ein Grammatifallefrer und ein Humanitäts-
lehrer nebjt dem Katecheten aber auf die gewöhnliche Weife von
der Negierung aufgeftellt werde, und der Magiftrat laut wei-
tern Defrets vom 20. Jänner 1820 feinen Einfluß nehme, zwei
Grammatikallehrer endlich der deutfchen Sprache fundig fein fol-
fen, deren Kenntniß auch für die übrigen Lehrer wünfchensiwerth
wäre. Die proviforifch angeftellten Brofefioren wurden nach
vorgenommener Prüfung definitiv.
Seitdem ging auch bei diefem Gymnafium der Unterricht
ordentlich fort, nur hatte dafjelbe gewöhnlich viele Brivatfchüler,
befonders weil die am Gymnafium zu la Studierenden am
Roveredaner Gymnafium geprüft werden.
est befteht in Noveredo ein Obergymnafium dritter Elaffe,
indem die Stadt der Negierung den NRevers ausftellte, jährlich
dem Studienfonde, welcher auch die Renten der. Orefizi’fchen
Stiftung bezieht , noch 1800 fl. zu bezahlen, und: für Lofale,
Lehrmittel und Diener zu forgen.
Das ehemalige Lofale des Gymnafiums — ein Gigenthum
des Studienfonds, eigentlich wohl der DOrefizifchen Stiftung
— mar zwar gut, aber zu flein, fohin für ein achtelafjiges
Gpymnaftum nicht brauchbar. Die Stadt Faufte daher den gut
gebauten PBallaft:Alberti und verlegte in denfelben auch das
Gymnafium.
- 9) —
Mofithätigkeitsanftalten zu Gunften des Oymnaftums ber
ftanden : zu Roveredo nicht. in im Jahre 1838, entftandenes
Privatconvict des (damaligen Oymnafiallehrers Filippi ging nach
5 Iahren wieder ein. Das Gubernium hat jedoch unter dem
22. Juni 1844 die Errichtung eines andern Privatconvictes —
einer Golonie des Inftituts St. Vigilio in Trient — genehmiget,
welches noch. befteht.
G.
Meran.
$. 65.
Das Öymnafium in Meran entftand in der eriten Hälfte
de8 XVII, Jahrhunderts durch die vereinten Bemühungen des
Stiftes Marienberg, das. fich in Meran zum Unterricht anzufie> -
deln fuchte, der Stadt Meran, welcher, auf. den DBerlujt der
l. f. Refivenz, auf das Aufblühen der, Bogner Märfte bei dem
neuen KRuntersweg ıc., einiger Erfag durch eine Gumnafialan-
ftalt fehr erwünfcht war, und durch, den Wohlthäter Rufin, der
mit. Geldmitteln — dem vorzüglichiten Bedürfniffe — zu. Hülfe
fam.
Schon im Jahre 1709 Hatte Meran mit dem Stifte Ma-
rienberg. einen felbjit vom. Ordinariate Chur, zu dem Vinfchgau
bis. zum Jahre 1819 gehörte, genehmigten ‚Vertrag über. Ein:
richtung eines Gymnafiums in Meran abgefchlofien, der jedoch
aus unbefannten Gründen nicht zuc Ausführung famt).
Als im Jahre 1723 in Glurns unter dem Schuße des Öra-
fen Trapp vom Klofter Bollingen eine Schule errichtet wurde,
nahm man die Berhandlung mit Marienberg wieder auf, und
zwar mit ermünfchtem Erfolg, weil Johann KRufin in die Mitte
trat. Diefer — Sohn eines Brodhüters in Meran, nun aber
1) Manche mögen Sefuiten gewünfcht haben, die fih vom Sahre 1618
ff. verdient gemacht und im Sahre 1632 fogar Schulen errichtet
hatten. Hist. S..J. Dez. X. N. 54. 55.
9
= @ =
churbayerifcher Rammerrath und Freiherr in München’ und in
Meran begütert, wurde wiederholt um Beihülfe zur Errichtung
lateinifcher Schulen in Meran angegangen, und beftimmte'wirk-
lich hiezu und zur täglichen Studentenmeffe mit drei wöchentlichen
Applicationen für feine Familie und gegen einige andere Gebete
unter dem 15. Sept.’ 1724 die Summe von.6000 fl., und faft
um die nämliche Zeit Fam ziwifchen dem Stifte Marienberg und
Meran die Mebereinfunft zu Stande, daß das Stift gegen
jährlichen Empfang von 250 fl. drei Schulen durch Stiftsprie-
fter verfehen joll, wozu die, Stadt das Lofale und die übrigen
Bedürfnifie beforgte. Da man an der I. f. Genehmigung nicht
zweifelte, wurden die Schulen fogleich eröffnet. Allein unter
dem 23. Dezember 1724 wurde die Sperre derfelben und jener
von Glurns befohlen, weil man in Wien nicht gemeint fei, in
Zirol mehrere Lehranftalten eröffnen zu lafien, als gegenwärtig
beftüunden. — In diefer Verlegenheit wendete man fich auf An-
rathen des in Wien befindlichen Johann Radif, eines Sohnes
farrenziehender Eltern, in Obervinfchgau‘ geboren, der fich bie
zum Hoffriegsrath erfchwungen hatte, unmittelbar an den KRaifer,
und da das herabgelangte Majeftätsgefuch von der Regierung unter:
ftüßt wurde, erfolgte unter dem 14. Zuli 1725 die a. h. Entfchliegung,
daß die wegen Docirung von drei Schulen gepflogene Verabredung
zwifchen dem Benediftinerftift Marienberg und der Stadt Meran
gegen dem unbedenklich angefehen: werden, daß tiber diefelbe zu
feiner Zeit weiter gefchritten, die Schulen auch fürhin nicht öffent:
lich fondern in den erponirten religiöfen Zimmern gehalten, die
Patres expositi von num an zu eiwigen Zeiten und fo lange der
mit erwähnter Stadt gemachte Accord dauern wird‘, quatembers
(ich in gratiarum actionem pro conservatione des durchlauchtig-
ften Erzhaufes einen Gottesdienft mit Beiwohnung der ftudieren-
den Jugend celebriren werden; die Oberinfpection der 0.0. Regie:
rung und Kammer vefervirt, auch feineswegs erlaubt fein fol,
aus viefem Haufe... . weder jegt, nach eines Fünftigen locum
pium ‚oder. domum ‚religiosam zu machen, daß jedoch accessus
scholarum nicht allein auf die Stadt Meran und das Wiertl
>
Bürggrafenamt »befchränkt, fondern auch ein’ oder anderer befler
bemittelter und dem Publico ‚nicht überläftiger Scolar conni-
vendo' zugelafien werde. -— Sohin begann die, Schule" im Jahre
1725/26 mit 50 Schülern.
Allein mit: einer: folchen unvollftändigen Winfelfchule war
bald weber dem Stifte, noch, der Stadt gedient. Daher wurde
der. frühere Vertrag im Jahre 1727 dahin: modifieirt , daß: das
Stift „eigene Wohnung erwerben fünne und auch zwei Huma-
nitätslehrer ftelle, dagegen: jährlich. 380 fl. und: 8 Rlafter Länd-
holz'- für. die, Schule erhalte, bis etwa nach Erbauung des
Schullofals. etwas mehr übrig bleibe, Dann wurde: Se. Maje
ftät ) wieder unmittelbar um Bewilligung der. zwei nabgängigen
Schulen. gebeten ‚und diefe Bewilligung unter dem 11. Juni
1727 mit ‚dem Anhange ertheilt, daß „die. bei, der eriten Eon:
geffion; beigefegten. Bedingungen genau beobachtet , von den: Ars
menz, wie. auch von den, Bauernfindern, nur die beften Subjecte,
von; welchen quoad studia und: mores ‚gute Progrefien zu hoffen
find, admittirt, und damit für die erften drei Schulen: fein Ab:
gang von den Hauspraeceptoribus 'erfcheine ‚ ebenfalls die Bür:
gersföhne zur Annahme) der) Praeceptorate verhalten, und.ein
oder. amdered,: was mit Gelegenheit bei der. erften Bewilligung
verordnet wurde, bei Berluft fothaner Conceffton nicht: über:
fehritten werde. *
Bon diefer Zeit wurde das: Gymnafium als öffentlich be-
trachtet und war vollftändig. Rufin: gab, erfreut ‚noch, 2000 fl
und. das. in der ‚Gymnaftalfapelle aufgeftellte Altarblatt 3.
Nun wurde auch das Lofale des Gymnafiums vom Jahre
1727—1730 mit einem Koften von ungefähr 8000 fl. größten-
theild ‚aus der. rufinifchen Stiftung, da anı freiwilligen. Beiträ-
gen, die man erwartete, nicht einmal. 1300 fl. eingingen, herz
gejtellt, wozu Marienberg den Baugrund, der zu feinem Befige
Lebenbrun ‚. dem jegigen Stiftsconvicte. gehörte, bergab. Bis
DE ftellt vor wie'Benedift den Paditus und Maurus don römi:
chen Patriziern zur Pflege und zum Unterricht übernimmt.
g9*
— 12 —
zur Vollendung des Gymnaftalbaues wurden die Schulen größ-
tentheild im Befige Lebenbrun gehalten.
Den Schlußftein diefer ganzen Angelegenheit — die Mebers
fiedlung der Benediftiner als Lehrperfonal in ein eigenes Col-
legium zu Meran erlebte ver Abt Mur, unter welchem die Er-
richtung des Gymnafiums fällt, nicht mehr. Aber fein Nach:
folger Abt Hildebrand begann den Bau des Colfegiums unge:
achtet des Widerfpruchs einiger Stiftsgliever und fämpfend mit
der Bornirtheit des damaligen Meraner Magiftrats, welcher für
die Stadt durch das Collegium Nachtheil befürchtete, mit einem
Aufwande von 1200 fl. aus der Stiftscaffe, und vollendete ihn
unter manchen Schwierigkeiten in der exiten Hälfte des 1740ger
Jahres Auch Fam ihm ein neuer Vertrag mit der Stadt
zu Hülfe. — Da fich feit dem Jahre 1738 wegen der jährlichen
Bezahlung der ftipulirten 380 fl. Streitigkeiten ergaben, fo fam
im Jahre 1744 unter dem 16. Jänner ein neued Mebereinfom>
men zu Stande, nach welchem das Stift für Stellung der Pro-
fefforen ein für allemal 3640 fl. und in den nächften drei Jah:
ven noch 300 fl. erhielt. Dem Stifte wurde ferner der Bau
eines Gonvictes für 60 Zöglinge bewilliget; auch Fan e8 fc)
zur Befeftigung des Studiums mit andern Klöftern verbinden.
Für das Schulgebande forgt die Stadt, welche für Prämien,
Comödien und andere Schulausgaben jährlich 30 fl. verabfolgt.
— Die Stiftmeffen Rufins übernahm das Stift bei einer fpätern,
in den 1770ger Jahren darüber gepflogenen Verhandlung nicht,
weil fie ihm in den DVerträgen nicht überbunden worden waren.
$. 66.
Die Einrichtung ded Gymnafiums war im Wefentlichen
den Jefuitenfchulen nachgebilvet, und das Studium ging, foviel
befannt, ohne befondere Störung fort. Nur die Einführung des
deutfchen Sprachftudiums und neuer Fachgegenftände unter der
Regierung der Kaiferin Maria Iherefia machten einige Anftände,
fo. dag der Kreishauptmann von Triangi unter dem 29. Oftbr.
1766 für den Fall der Nichtbefolguug der höchften Vorfchriften
a in er
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j
— IB —
mit dem Sperren der Anftalt drohen mußte. Da die Oberauf-
ficht über das Gymnafium noch immer ‚der Magiftrat haben
wollte, fo befahl ein eigenes Hofvelret vom 13, Jänner 1775,
daß diefelbe dem Kreishauptmann zu überlaffen fei: Um die
nämliche Zeit wurde: fogar der Gymnaftalprofefior Stadler von
Innsbrud, ein Exjefuit, zur Unterfuchung des Meraner Gym-
nafiums' md Einrichtung deffelben nach den. beftehenden Vor-
fehriften abgefchiekt, eine Commiffion, die derfelbe zur vollen Be-
friedigung vollführte, Insbefonderd munterte nun Abt Dinsl,
der Nachfolger Hildebrand’s, zum deutfchen Sprachftudium auf,
und fchiete auch den PBlacidvus Zobel, der 1777 Profeffor, fpä-
ter PBräfeet und Abt wurde), zu feiner Ausbildung nad Salz-
burg zu den Benediftinern, wie die öfter mit jungen Stifts-
prieftern gefchah, die man, zum Lehramte verwenden: wollte.
Zobel beförderte dann insbefonderd auch das griechifche Spradh-
ftubium. ‚Unter dem übrigen Gymnaftalperfonale dürften befon-
ders Steiner und Langes. eine ehrenvolle Erwähnung verdienen.
Erfterer war ‚als. vieljähriger Brofefior, Präfeet, und auch al8
Gelehrter befonders- von. ven Studierenden: hochverehrt, Dagegen
wegen feiner Satyre in den von ihm verfaßten Studentencomö-
dien bei Einigen ,; die er traf, wohl nicht persona-grata. Er
war. ed auch, der bei dem Auflauf, im Jahre 17622) wegen
des Geldabfchlages durch feine Kaltblütigfeit die Theilnahme der
Gymnafiften mittelft der bedingten Zufage hinderte, den Bauern
die brauchbar Befundenen zu überlaffen, die er aber durch) die
Hinterthüre des Gartens entließ, und den Bauern nur die lei
nern, die unbrauchbar befunden wurden, vorführte,. , Ex farb
1764. Langes war, mit. einiger Unterbrechung unter der bayr.
Regierung, vom. Jahre 1781. bi8 1820 Gymnafialpräfeet, von
den Schhlern eben fo fehr geliebt al8 gefürchtet und allgemein
geachtet. Gerwiß trug er zum guten Ruf, den die Anftalt ge-
noß, vorzüglich bei. — Auch der Lehrer und Präfeet Placivus
1) Starb im Sahre 1815.
2) Bl. Zeitfchrift des Ferdinandeums XI. B. ©. 1 ff-
- m -—
Degefer war ein für die Studierenden fehr beforgterchrwtrniger
Priefter, der im Jahre 1850 mit der goldenen Medaille nebft
Kette ausgezeichnet wurde,’ und. im Jahre 1856 als’ Superior
des Eollegiums im Meran nach mehr als 50 "Dienftjahren im
Lehramte ftarb; Unter dennoch lebenden Männern zierten dieß
Gymnafim Beva Weber, jest Pfarrer in Frankfurt, auch Ver:
faffer einer Gefchichte diefer Lehranftalt, fe, und Albert Ii
ger, jegt Univerfitätsprofeffor in Wien — beide als Schriftftel:
(er gefchäßt und nun fäcularifiet. Auch der dermalige Divertov Pius
Zingerle ft ein 'vielfeitig 'gelehrter Mann, namentlich in ven
alten Sprachen , und Berfafier mehrerer Drudfchriften.
$. 67.
Selbft das philofophifche Studium war fir Der ein
paarmal beantragt und zum Theil eingeführt.
Daszerftemal wurden die philofophifchen Studien, damit
öfter. Unterthanen nicht nach Trient oder Briren ald fremdes
Territorium gezogen, und wenn die Benedictiner oder "andere
Drden pro philosophia taugliche Subjecte vorfchlagen "würben,
die fich der vorgefchriebenen Lehrart fügten, unter dem 3. Sept.
1774 mit der Bemerfung bewilliget, daß nicht alle Lehrer aus
einem Orden fein, fondern allenfalls auch geprüfte Weltprier
fter oder Laien den Vorzug haben follten. "Allein gerade damals
handelte e8 fich um Vermehrung des PBerfonals, fohin der Koften
durch Aufftellung eines veigenen Präfectes, der nicht zugleich Pro-
feffor fein fol, und da die Mittel des Stiftes und der Stadt
zur Beitreitung der Koften des philofophifchen Studiums nicht
zureichten, fo zerfiel nach einer Hofrefolttion dom Jahre 1780
der ganze Antrag wegen Mangels des nöthigen Fondes, weß-
wegen man auf den Yefuitenfond, der ohnehin nicht zureichte,
Anfpruch machen wollte, und wohl nicht wegen einer damals
ziwifchen Mauren und Studenten vorgefallenen Nauferei und
de8 fo unnöthigen Auffehens bei der Unterfuchung und niang
fung einiger Schuldigen.
Das zweitemal wurde" im Iahre 1800 nach Webefiebtung
— 35 —
des Bifchofs von Churnady Meran, die Einführung des ‚phil:
fophifchen . Studiums «und eines. Seminars zur, Priejterbildung
beantragt und..im Jahre 1802: a. H. bewilligt. Man. fonnte
jedoch bezüglich. der’ Koftenbedefung. nicht, fogleich in das Reine
fommen;,, befonders ‘da eine, Biertl-Bonferenz ext nach) Borlage
des. Bedarfs. von. Seite. der, Anftalt,, und nach, erfolgter: Exflä-
zung; der ‚hiebei, vorzüglich, intereflirten Binfchgauer fich ausfpre-
chen. wollte,,.. Da: indeffen das ‚Stift Marienberg. drei, ‚der Bifchof
zwei Lehrer ftellte, die,Stadt, aber. mit.,358 fl... 48. fr. Infteu-
mente, angefchafft hatte, fo trat das. Studium, vorzüglich Durch
den Stiftsabt Zobel, und ‚Seminarfegens: Öottfried ‚PBurticher
befördert, im. Jasre 1805. wirklich, ‚in ‚das, Leben, nahm ‚aber
bei ‚der. eingetretenen „NRegierungsveränderung fchon., wieder im
JIahre.1807 fein Ende. m
OR $. 68,
inter deruk'b. Regierung, wo das. Stift Marienberg auf-
gehoben, „oder mach \einer: andern! ‚Berfion unter ‚Apminiftration
gefegt war, hatte Meran vom Jahre 1807 eine Mittelfchule
mit»7 Glaffen und. 8 Lehrern, die jedoch ‚nicht alle ©fieder des
Stiftes: Marienberg waren, von welch legterem Mehrere und felbjt
der .ehrwürdige Langes nad dem Stifte, Fiecht erilivt wurden,
weil ‚fies das Abfeßungsdocument des Bifchofs von Chur nicht
unterfchrieben. Im Jahre: 1809 diente das Gymnaftalgebäude
dem Militär , und der Unterricht wurde, jo gut es ging, in
den Zimmern: des Benedictiner-&ollegiums gegeben. ı Dann er:
hielt, Meran nur. mehr. eine Studienfchule mit 3 Claffen und 4
Lehrern famınt einem Subreetor „wozu im Jahre. 1813, ein
Mufiklehrer kam. Im: Jahre 1814 trat fchon wieder. der.iter.
Oymnafialplan und eine ‚etwas, größere Schülerzahl ein, dieman
feüher- aus Furcht gänzlichen Auflöfung, der Lehranftalt: ängitlich
fuchte ‚ aber 3..B. im Sabre, 1811 nur auf 30 brachte. Ahein
zur vollftändigeni Organifirung‘ | brauchte e8, nachdem auch das
Stift Marienberg im -Iahreı1817 freilich! fümmerlich wieder 'hers
geftellt: wurde, bereits 40) Sahre....Schwierigfeit, machten die Er:
—_— 16 —
haltungsfoften des vermehrten PBerfonals, wie fo oft bei
diefem Gymnafium und namentlich in den 1770ger Jahren.
Als nämlich im Jahre 1778 befohlen wurde, daß der
Präfeet, der bisher auch eine Claffe al8 Lehrer verfah, Fein
Elaffenlegrer fein dürfe und das Stift Marienberg ein neitee
Individuum, welches dadurch nothwendig wurde, vhne Vergit-
tung nicht ftellen wollte, fo wurde der Aufwand zuerft durd)
Einführung eines Schulgeldes von 3—4 fl. für jeden eintreten«
den Schüler zu Gunften der Stadt gededft, welche dem Stifte
jährlich 180 fl. bezahlen follte. Allein bald darauf wurde von
der Regierung das Unterrichtsgeld mit jährlich 12 fl. behufs von
Stipendien vorgefchrieben, und eine weitere Abgabe der Studen-
ten, und ohne eine folche die Bezahlung der, wie vorgeftellt
murde, armen Stadt an das Stift fam zu hoch. Unter dem
6. September 1786 entfchied nun die Hofitelle, die Befoldung
des Präfectes Fünne feineswegs vom Ulnterrichtögelde beftritten
werden, und Marienberg, das einmal die Bejegung des ganzen
Gymnafiums übernommen habe, Hätte auf eigene Koften den
Präfeet zu ftellen.
Nacdy dem Miedereintritte der öfter. Negierung, wo wegen
der vierten Grammatifalclaffe ein fechster Lehrer, dann noch eın
Katechet nothiiwendig wurde, zeigten fich neue Schwierigfeiten
und entfpannen fich neue Verhandlungen, in Folge deren mit
Hofdefret vom 9. April 1829 fchon die Reduktion des Gymna-
fiums auf 4 Glaffen ausgefprochen,, nachher aber unter dem
10. Septbr. 1830 a. h. bewilligt wurde, daß das Gymnafium
vollftändig hergeftelt und zu diefem Behufe die jährliche Bezah-
lung von 300 fl. R.-W. aus dem Gemeindevermögen der Stadt
Meran erfolge. Hinfichtich des zur Sprache gebrachten Antra-
ged dem Stifte die Providirung des Benefiziums ©. Leonhard in
Meran zur Erleichterung der Stadt zu überlaffen,, wurde das
Benehmen mit dem Drdinariate angeoronet, tweldyes bei 'einer
folgenden Vafatur die zeitliche Meberlaffung diefes Benefiziums
bemwilligte. Da nun die Stadt unter dem 1. Novbr. 1832 bis
zur Ueberlaffung des Benefiziums 300 fl., dann. aber 200 fl.
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117 —
jährlich dem Stifte verabzufolgen übernahm, was die Hofftelle
unter dem 19. Dezember 1832 genehmigte, jo war endlich auch
diefe, Schwierigfeit beigelegt und das Gymnafium feit jener Zeit
vollftändig organiftrt.
Bei der neuen Gymnafialorganifirung wurde die Lehran-
ftalt in Folge Minifterialerlaffes vom 3. Auguft 1849 ein voll-
ftändiges Gymnafium mit 8 Elafien, wobei das Lehrperfonal
bereitwillig vom Stifte Marienberg geftellt wird, für Lehrmittel
und Lofalitäten aber der Fatholifche Verein, der damals beftand,
jest aber wohl die Stadt forgt. Es ift ein Schulgeld einge
führt, daß jährlich beiläufig 800 fl beträgt. Für Lehrmittel hal
fen feither auch Wohlthäter auß.
$. 69.
Marienberg hat in feinem. Befige Lebenbrun fortwähren
ein Gonvict, freilich nicht von 60: Zöglingen nach dem Weber:
einfommen vom Jahre 1744, fondern nur von 15—20 zahlen:
den Studenten.
Nebft diefem Stiftsconviete beftehen in Meran zum Beften
der Gymnafialfchüler andere Stiftungen.
Die ‚wichtigfte ift jene des fchon oben genannten Rabif.
Da man aus feiner Verwendung für die Errichtung des Mera:
ner Gumnafiums, feine Geneigtheit für die Meraner-Studien
und insbefonders: für Herftelluug eines Knabenfeminars Fannte,
fo wurde im SIahre. 1736 ein Deputirter der Stadt in, der
Perfon des Bhilipp Golprainer nach Wien gefchicft, der unter
dem 21. Juli 1736 wenige Tage vor feinem Tode eine Urfunde
des wefentlichen Inhalts erhielt, daß Radif zu einem Seminar
für 6 Gymnafialfchüler in Meran, das unter dem Schuße des
Landeshauptmanns und Marienbergs ftehen fol, 6000 fl. bei
der Tiroler Landfchaft unauffündbar anmweife, fo wie andere
1000 fl. zu gleichmäßigen Kleidern ver Zöglinge. Seiner Wittwe
trug er auf, noch andere 4000 fl. für zwei andere Knaben bei
der Landfchaft anzulegen. Zwei Gtiftlinge folen Nachfommen
feiner Schwefter fein, vier foll Marienberg und Meran wählen,
ZZ
&
-.-ı
alle der Landeshauptmann und der Abt von Marienberg beftätigen,
Verwandte, auch jene in Kärnthen, dann Knaben von PVinfch:
gau (Nauders bis Bafleir) haben Anfpruch auf die Stiftung. —
Diefe Stiftung trat zuerft mit 6, dann mit 8 ®naben’unter
Leitung: eines Weltpriefters, der bis zum Jahre1762%nebft Koft
jährlich, 15 fl. dafün erhielt, und deffen Wirthfchafterin die Wirth:
haft führte, in das: Leben , und nahm auch Koftgänger sauf:
Unter Kaifer Jofeph wurde „die Nente zu Etipendien 55 fl
verwendet, deren wenigftens: im Jahre: 1804. zehn beftanden:
Da im Jahre, 1737, von der Stiftung 3700 fl. in der Schwager
Greditscafie auf Auftrag angelegt werden mußten, litt much 'diefe
Stiftung einen bedeutenden DVerluft. Das Schieffalderfelben
unter der F. b, Regierung ift mir zu wenig befannt, Nachher
wurden 8 Stipendien a 45 fl. gebildet, wobei ein Fleiner Ueber:
ehuß blieb, um die Stiftung der urfprünglichen Einrichtung zu-
zuführen!). Dieß gefchah auch im Jahre 1853, in"welchem
vom Fonde mit "Minifterialbewilligung ein in ver Nähe des
Gymnafiums gelegenes Gebäude gefauft und für das &onviet
unter Oberaufficht des Stiftes DinkienbEg refp: a
tor8 eingerichtet wurde 2).
Eine andere Stiftung machte Heinrich v. Palanfa, Pfar-
ver zu Wering in Defterreich, der in feinem Alter wieder in
fein Vaterland Tirol zurückkehrte, mit Teftament vom 28. Juli
1744, und Codieill vom 22, Zuli 1745 zur Erhaltung von 2
Studenten am Meraner Gymnaftum aus näher beftimmten Far
milien durch Verpflegung bei einem Bürger mit 6000 fl. Da
aber bei feinem Tode das Vermögen nicht in Ordnung war, fo
1) Zeitfhrift für. Tirol und AR N. 8. ©. 123 ff.
2) Diefer Radif foll übrigens. am.-23. Suli 1736 an das Sopann-
Nepomuc-Spital in Wien 1500 fl. als Stiftungsfond für einen
tteolifhen Züngling, vorzüglich aus feiner Verwandichaft, erlegt
haben, der. im Spital: erzogen und gebildet werden ‚soll... Wenn ein
Meraner Stiftling die hohen Schulen zu vollenden auf den Stifts-
plaß verlangt, wäre auf ihn billige Nückficht zu nehmen und mit
dem Abte von Marienberg das Einverftändnig zu pflegen. |
erhielt "die Stiftung "nur 1100WfL., "zu deren) Verwaltung nach
Art der Radiffchen fich die Stadt Meran verbindlich machte,
und fohin die Rente für einen Convictor der Radif’fchen Stif:
tung verwendete, fo lange dieß Convict ‚nicht aufgelöst wurde.
Nac) dem MWiedereintritte der öfter. Regierung wurde Uber das
Vermögen, das nirgends zu finden war, verhandelt‘, und daf-
felbe vom Meraner Magiftrat im Jahre 1821 mit 3123 fl:
hergeftelt,- von deffen jährlichen Rente per: 124 fl. 5 Fri ein
Stipendiutt von 122 fl.24 fr. und eine Duatembermefle a
1 Fl. 31 Fr. bezahlt werden fol. "Der Stiftbrief ift "vom 3.
Jänner 18251).
Ein Anton Weifenhorn, Matter zur Heidenreichftein in
Defterreih aus Vinfchgau gebürtig und während der Studien
in Meran unterftüst, übergab im Jahre 1804 dem Meraner
Mayiftrat an 5%, Banfobligationen ‚50,000 fl. zur Unterftügung
von 6 Zöglingen bis zur Vollendung der Philofophie mit jähr-
lich je 150 fl., und von 6 Mäpchen, je einmal mit 200 fl;
alfenfallige Rentenverminderung (2500 fl.) fol die Knabenftiftung
treffen, und wenn ein Jüngling weniger al3 130. fl." erhalten
Mürde, die’ Zahl der Gtiftlinge fich vermindern. - Verwandte
nach genauer "Beftimmung haben Anfpruch auf die ‚Stiftung.
Von dem Meberfhuß find für Verwaltung, Breifevertheilung,
Reife nach Meran hiezu, Hausarme, für den Schullehrer: in
Matfch und Garneid Beiträge beftimmt. Wegen der befannteu ‘Ba=
piergeloverhältniffe erhielt die Knabenftiftung bisher feinen Antheil:
Bon dem’ Stadteonvicte , Tiber welches "eine Drudichrift
vom Jahre 1756 Nachricht gibt), ift mir nichts Näheres
| » Bol. 1. ce. ©. 1206. — Ber dem Tode des Stifter follte diefe
‚Stiftung 2255 fl. 33 Fr, verhalten; da jedod Palanfa, au, für: die
deutichen Schulen 4000 fl. legirt hatte, melche als jchon bezahlt,
feiner Reduktion unterworfen werden Fonnte, fo wurde der dieß-
fällige Abgang bei der Studentenftiftung in Anfchlag gebradt.
2) Seminarium publicum scolasticumabinelyto senatu Meranensipietati,
‚‚bonis moribus etc. consecratum. — Deiffentliches Stadt: und Schul:
_ Seminar der uralten tir. Hauptftadt Meran vom (ö6/. Magıftrat
affoort der Furcht Gottes rc. errichtet. " Stift Kempten 1756.
u x
befannt. Die Schrift fcheint mehr Antrag und Ermunterung
zur Errichtung eines Seminars von einem für Bildung einge
nommenen Mann, als Nachricht von einem bejtehenden und
fortdauernden Seminar zu fein.
Endlich ftiftete der Gerichtöfanzelift in Meran, Anton
Stainer, unter dem 20. Mai 1830 zu Gunften der Nachfom:
men des Sebaftian Stainer und anderer Verwandten, und nad)
deren Ausfterben der wiürdigften Studenten von Meran und
Schlanders 1000 fl., deren Zinfe beim Mangel geeigneter Stu:
denten aus den bezeichneten Familien zu Kapital zu fchlagen
find. Seine Schwefter beftimmte 45 fl. für Verwaltungsfoften.
Das Stipendium trat: im Jahre 1832 in das Leben.
H.
Bopßen.
$. 70.
Das jüngfte der in Tirol beftehenden Gymnaften ift jenes
von Bogen, welches im Jahre 1781 entitand.
Diefe Stadt hatte nämlich, das Bedürfniß einer lateinifchen
Schule fühlend, fich fchon im Jahre 1778 vergebens um ein
Gymnafium verwendet, erneuerte aber ihr Gefuch, das vom
Kreishauptmann Franzin und vom Gubernium unterftüßt wurde,
mit dem Erfolge, daß die höchft felige Kaiferin Maria Therefia
unter dem 5. Oftbr. 1780 mittelft Referipts der Hoffanzlei er-
Härte: obfchon ohnehin vier Landesfürftliche und zwei fürftbifchöf-
liche, mithin in allen fechs Gymnafien hier Lands fich befin-
den, auch jenes von Meran nur 5 bis 6 Stunden von Bogen
entlegen, dafelbft alfo ein weiteres Gymnafium überflüflig. wäre:
fo willige jedoch a. h. vdiefelbe aus befonderer Gnade über vom
Stadtmagiftrate von Bogen a. u. eingereichte Anlangen in defien
Errichtung allermildeft gegen dem, daß 1) — weil die Einfchrän-
fung auf 3 ©rammatifalelaffen, maffen folche Halbgymnafien
wahre Winfelfihulen wären, niemal zugegeben werden Fönne,
nicht erfagte Grammatifalclafien allein, fondern ein förmliches
_ 11 —
Gymnafium von den finf gewöhnlichen Schulen, wo nicht gleich
zu Anfang, doch wenigftens nad und nad) und mit der Zeit
errichtet ; 2) fofern der Anfang mit drei Iateinifchen Elafjen ge
macht werden follte, auch zugleich für jede Orammatifalclaffe
ein befondern Lehrer und ein eigener beftimmter Präfert aus
dem Francisfanerorden angeftellt, und 3) von diefem Schul:
präfecte fowohl ald von den Lehrern nach den a. h. Schulvor-
fehriften geachtet werden folle. Hierbei wäre jedoch von einem
Beitrage aus dem hierländifchen Studienfonde oder a. h. Aerar
niemal einige Rechnung zu machen.
Mit der unter dem 20. Oftbr. 1780 erfolgten Intimation
diefer a. h. Entfchliegung wurde dem Kreisamte aufgetragen,
von dem Magiftrate vorläufig einen fürmlichen und verläßlichen
Ausweis derjenigen Fonds abzufordern, mittelft welcher nicht
nur das Gnmnafialgebäude herzuftellen, und fortan im zmed-
mäßigen guten Zuftande zu erhalten, fondern auch die erforder
lichen Lehrer und ein befonderer Präfeet und GYymnaftaldiener
zu befolden, und überhaupt ale auf Errichtung eines förmlichen
Gymnafiums anfänglich fowohl als in Zukunft fortan ergehen-
den Koften zu beftreiten und Hinlänglich zu beveden der Antrag
fei, ohne daß das ohnehin aufliegende ftädtifche Aerar oder
fehr befchwerte Bublifum mit wmeitern Auflagen noch mehr ge
drückt werde.
Der Stadtmagiftrat fand zur Realifirung ded Antrages
den gebeihlichften Ausweg darin, „daß mittelft Zufammentragung
der benöthigten. Carati (Aktien) von den hiezu. intereffirenden
Theilen ' ein Kapital von 6000 fl. aufgebracht und mit diefem
das hiezu bereits auserfehene fogenannte Kaftrolhaus erfauft,
und als die genauefte und bequemfte Gelegenheit zu dem Schul
gebäude gewidmet werde, wobei die übrigen jährlichen Exforder-
niffe für die Lehrer, Gymnaftaldiener, Holz x. fo wie zur Ent
richtung der vom obigen Kapital aljährig verreifenden Interef-
fen die Schüler und zwar die Fremden nach einer ganz geringen
Belegung , die ftädtifchen Hingegen nach dem übrigen fich erge-
benden Abgang beizutragen hätten.“ Die Karaten wurden auf
30 zu 200 fl..a 40, verzinslich unauffündbar, jedoch. bei allen:
falligen: Weberfchuß zurlckbegahlbar und auf das Enmmalalae;
baude -Kypothefirt feftgefeßt.
Re;
Das Öubernium hatte Diefe Bevedungsart der Koften unter dem
16. Jän. 1781 mit dem Beifase genehmiget, daß das Öymnaftum un-
ter der Direction des Kreishauptmanns zu ftehen und das beantragte
PBrofefforenperfonal Des Franseisfanerordens fich zur Prüfung
und Beftätigung bei dem Oymnaftaldirector zu ftellen hätte. Was
die Beforgung der, Gymnafialcaffe, die, Eintreibung der Beiträge
und andere dergleichen Gegenftände belange, fünnen folche nach
dem Antrage des Stadtmagiftrates einem jeweiligen Landeshaupt-
mannfchaftsverwalter in Bogen mit Bezug des Hrn. Vropftes
überlaffen werden. Der. Landeshauptmannfchaftsitellvertreter
fand jedoch die Anfinnen nicht annehmbar,. weil bieß dem
Decorum entgegen wäre, da er unter dem Kreishauptmann ftehen
müßte; und da Gavaliere das Privilegium der Freiheit von Cafla-
führungen hätten, deffen er fich nicht begeben wolle.
Eohin wurde zur Beforgung der Öymnafialangelegenheiten
eine, Deputation 'aufgeftellt, die aus. vier Mitgliedern. beftand, an
deren Spiße bis. zum Jahr 1787 Sofeph, dann. deflen Sohn
Zofeph Alois v9. Giovanelli fich befand. Die Gaffegefchäfte: be-
forgte Beter v. Menz. Diefe Commiffion dauerte bis, zur Fal.
bayr,. Periode, wo nur mehr- ein. Defonom beibehalten wurde.
Unter dem 21. März 1781 wurde das Schullofale' um
5000 fl. gefauft, da der Käufer dem Gymtafialfonde: 1000 fl.
überließ, und im September 1781 das Gymnafium vom’ Pro:
vinzialgymnaftaldirector v. Sterzinger eröffnet.
$. 72.
Die getroffene Einrichtung entfprach. der Erwartung voll-
fommen,
Das Schulgeld beftand für Einheimifche in 20 fl.,. für Aus-
wärtige in’ 4 fl. jährlich; vom Jahre 1803 für Einheimifche in
|
|
|
u
24 fl., für Auswärtige ino12.fl.3' endlich im’ Jahre, 1830: fir
Bemitteltesin 12 fl:, für’ minder Bemittelte im 6 fl. , fün Unbes
mittelte in 2 fl. Bis zum Jahre 1804 erhielt das Gymnafium
auch die Hälfte des jährlichen Erträgniffes von’ der Nedoute mit
200—300 fl’, welche" von’ dortan dem Theaterfond zuftelen.
Auch gab es Wohlthäter; fo Überließ 3. B. Anton’ von Azmwang
dem Sonde 600 fl.
’ Die Ausgaben. bejtanden in. Herbeifchaffung der Schulre-
quifiten, Verzinfung der Aktien, Gehalt der Lehrer, je 40 fl.
für Jeden, und für den Präfeet feit dem Jahre 1817 100 fl,
10 Klafter Holz für den Srancisfanerconvent , welcher, fortwäh-
trend, mit einiger Ausnahme unter der, Zwilchenregierung vom
Jahre 1807—1813, wo theilweife auch fein Gymnafium. be-
ftand, die ‚Lehrer ftellte, 40 fl. für den Schuldiener; enplich in
den Ausgaben für das Lofale.
Die Deputation wirthichaftete fo gut, daß bis zum Jahre
1813 nebt der Betreitung der Ausgaben 3620 fl. an ven
Aftien abbezahit waren. — Jegt trägt das Schulgeld bei 900 fl,
jährlich,
u) 8.73. °
Die Studien giengen an diejem Gymnafium bis zur Abtee-
Th an Bayern regelmäßig fort. Die Ed. Regierung
hatte der Stadt Bogen eine Realfchule, mit vier. Clafien. zuge
dacht, welche auch im Jahre 1808 organifirt, aber durch die
bald ausgebrochenen Unruhen unterbrochen wurde. Sogleich
traten wieder die Tateinifchen Schulen an deren Stelle, die auch
Unter der’ italienifchen Regierung beiläufig nach öfter." Fuße als
Eommunalgymnafium fortdauerten, nur dag auch die'italienifche
Sprache gelehrt wurde. Präfeet war ein Exrcanonicus des auf:
gehobenen Collegiatftiftes, Johann Maria v.’Mayıl, den der
Francisfaner Dismas' Tuer, damals als Weltpriefter,, weil die
italienifche Regierung die Orden aufgehoben Hatte, und als Pro-
feffor tHätigft unterftügte. Unter den Lehrern waren auch Welt:
priefter und andere Individuen. So ging das’ Gymnafium an
PR ' 1
die öfterreichifche Regierung über, von welcher e8 ald Gymna-
fium dritter Claffe beftätiget und wieder von dem Francisfaner-
Orden übernommen wurde. In Folge des Jahres 1848: wurde
e8 zu einem Obergymnafium erhoben, indem fir die Lehrmittel
die Stadt mit Hülfe des Schulgelves forgt, die Lehrkräfte aber
der. Sraneisfanerorden liefert.
$. 74.
Das alte Gymnaftalgebäude reichte mit feinen drei Stod-
werfen, einer Breite von 32 Fuß und Länge von 55 Fuß wohl
für 5—6 Glaffen eines Gymnafiums zu, war aber für ein acht-
claffiges Gymnafium um fo weniger genügend und zwedmäßig,
als chen in den 1790ger Jahren an dafjelbe gegen Norden
ein Tanzfaal, im Jahre 1803 ein Theater und unter diefem eine
Stallung erbaut wurde, ihm ein Saal und eine Kirche man;
gelte, al8 welche Die fogenannte alte Pfarre in deffen Nähe
diente, endlich die Störung wegen Geläuts, Unruhe ıc. in ber
Pfarrfirche nicht Hein war. Mit Verwendung des alten Gym-
nafialgebäudes, das verkauft wurde, und mit Hülfe von Wohl
thätern wurde nun ein neues ftattliches Gymnaftallofale in der
Nähe der Deutfch-Drdens-Eomende mit mehr als 30,000 fl.
erbaut, in welchem nunmehr feit dem 22. April 1855 die Schu:
len abgehalten werden. Somohl zum Bau als zu Lehrmitteln
trug der Erzherzog DVicefönig Rainer wefentlich bei, und deffen
erlauchte Wittwe fete die Beiträge großmüthig fort.
$. 75.
Befondere Wohlthätigfeitsanftalten zu Gunften der Gym-
nafialfchüler Hatte Bogen bis auf die neuefte Zeit nicht, jegt
aber befteht dort ein, vorzüglich auf Verwendung des Trientner
Fürftbifchofs Joh. v. Tfchiderer, eines gebornen Bogner, er
richteted Knabenconvict Johanneum genannt, mit einem. ftatt-
lichen Gebäude in der Nähe des Gymnaftums, in welchem Stu-
dierende unter Aufficht eines Weltpriefter8 Unterkunft, zum
Theil auch Koft finden. Das Inftitut wurde unter dem 1. Sept.
1843 von der politifchen Behörde genehmiget.
N
’ Um diefes Oymnafium wachte fich der fchon genannte
Dismas Tuzer, Präfeet vom Jahre 1817—1824, dann 1837
‚bis 1850, und in diefem Jahre mit der goldenen Medaille nebft
Kette a. h. ausgezeichnet, fehr verdient).
Viele Studenten , auch aus entfernten Orten Tirols, mit
denen die Francisfaner in: Verbindung ftehen, finden durch. die
Berwendung diefer lestern und durch die Wohlthätigfeit der Be-
wohner Bogens Unterftügung in ihrer Studienlaufbahn; und
das Gymnafium ijt mit guten Pehrmitteln, Mineralien, phyft-
falifchen Apparaten, felbit Münzen, Büchern 20. gut verfehen.
I.
Lienz; und Alan.
$. 76.
&3 mag hier endlich noch Meldung gefchehen von dem aufs
gehobenen Gymnaftum in Lienz und dem Communalgymnaftum
im Ala.
Der Stadt Lienz hatte die Kaiferin Maria Therefia im
| Sahre 1772 die Errichtung eines Gymnafiums geftattet, da im
Kreife PuftertHal, mit Ausnahme des im Territorio. des dama-
ligen Fürftentfums Briren gelegenen, fohin nicht unter der Fai-
ferlichen Regierung ftehenden Gymnafiums feine Tateinifchen
Schulen beftanden. E& wurde den dort befindlichen Garmelitern
. anvertraut, von welchen e8 bei ihrer Aufhebung im Jahre 1784
| die Francisfaner übernahmen, die von Innsbrud nach Lienz
| verfest wurden. Zum Lofale gab das Fönigliche Stift in Hall
das ihm gehörige Schloß Liebneg Cießt Bezivfgamtsgebäude) her,
|
|
| 1) Geboren zu Interinn im Sahre 1779 und nad) dem Gymnaftalftu-
| dium Francisfaner, verwendete er fich über 50 Sahre faft ununter-
| brochen theild als Profeffor , theild als Präfect an dem Haller und
Bosner Gymnaftium, wobei er noch andere Aemter, wie das theo-
fogifche Lectorat in der Kirchengefhichte ıc. verfah. Er war aud)
wiederholt Provinzial des Ordens und hatte den Ruf eines fehr
‚ Hugen Mannes; ftarb 1856.
10
— Mb O9 —
defien Adaptirung, Einrichtung und Erhaltung die Stadt Lienz
übernahm; doch trug auch die Nachbarfchaft ein Kapital von
2624 fl. 35 fr. R.-W. bei, defen Intereffen auf Prämien,
Lehrbücher und andere Bedürfniffe zu verwenden wären. Das
Gericht Heimfeld machte fich verbindlich, jährlich die 4%), In:
terefien eines Kapitals von 200 fl. zur Unterftügung der Stadt
beizutragen. — Das Gymnafium erhielt fich bis zur Fol, bay.
Beriode, und erft im Jahre 1808 wurden die Nequifiten ver-
fteigert und der Erlö8 dem Lofalichulfond zugewendet. Die
Schülerzahl war niemald groß, im Durchfchnitte Faum 50.
Director war der Kreishauptmann von Pufterthal, Wicedivector
der Stadtpfarrer oder Landrichter, der Vermögensverwalter Die
Rranz’fche Familie. Ein DVerfuch zur SHerftellung des Gym-
nafiums in den 1840ger Jahren mißlang, da Briren nun ein
landesfürftlihes Gymnafium Hat, und Lienz ein folches nicht
beftreiten fann, vielmehr durch dafjelbe Entfchädigung. für die
vielen Unglüdsfälle des Kriegs, Beuers ze. fuchte.
8.07;
Das Gymnafium in Aa verdankt feinen Urfprung einem
Gemeindebefchluß vom 29. Dezbr, 1774, nach welchem es mit
Einftimmung. der Gerichtsbarkeit (Castelbarco) errichtet wurde,
Zur. Bejtreitung der Auslagen war eine Leihbanf angeordnet und
hiezu ein Kapital von 10,000 fl. al8 Widmungsfumme für das
Gymnafium verzienslich angelegt, wozu im Jahre 1807 noch
eine disponible Summe der reichen Gemeinde von 7307 fl. Fam.
Der ganze Fond fanf jedoch wegen Militärausfagen auf 834Lfl.
44 fr. herab, und wurde als Eigenthum der Gemeinde und: nicht
mehr ald Dotation des Gymnaftums angefehen. Unter dem
23. Sept. 1808 machte fi) die Gemeinde zur Errichtung einer
Kealfchule verbindlich; deffen ungeachtet blieb jedoch ftatt der-
felben das Gymnafium, welches von der Gemeindecafje, jedoch
vorzüglich von den Intereffen der erwähnten 8341 fl. 11 fr.
erhalten wurde. Nach dem Wiedereintritt der öfter. Negierung
fam die Errichtung eines fürmlichen Gymnafiums zur. Sprache,
| _ Mn —
‚allein mit allerhöchfter Entfchließfung vom 18. Juni 1816 wurde
‚ mu die Beibehaltung der Anftalt als Privatgymnafium bemil-
‚ liget,. deflen Schüler fich bei einem öffentlichen Gymnafium den
Semeftralprüfungen zu unterziehen haben, wogegen auf Exrrich-
‚tung einer Realfchule Bedacht genommen werden fol. Als
solche -Anftaltı befteht das Gymnafium ähnlich vielen Ghym-
maften der Lombardie fort, da auch im Jahre 184%/43 ein
Berfuch um ftaatsgiltige Prüfungen vom Minifterrum nicht
bewilliget wurde. Früher wurden die Lehrer von der Gym-
‚ nafialdirection auf Prüfung genehmiget, jest gilt für die Anz
\ ftalt die Beftimmung des prov. Gefeges vom 27. Juni 1850
über Privatunterricht.
% $. 78.
Wirft man auf die bisher angeführten gefchichtlichen An-
gaben über die Ziroler Gymnafien einen Nüdblid: fo ergeben
fi aus demfelben unter anderm folgende Refultate.
1) Die Alteften Lehranftalten, in welchen etwas von den
‚ jest in den Gymnaften behandelten Gegenftänden gelehrt wurde,
waren bei den Bifchofsfigen in Briren und Trient, wahrfchein-
| lich in Folge der Anordnungen Garld des Großen. Cie be
\ weten vorzüglich — jedoch nicht ganz ausfchlieglih — Bildung
I Geiftlihen. Nur Wenige und in wenigen Gegenftänden,
‚vorzüglich in der lateinifchen Sprache nahmen an der Bildung
ı 2beil, Mehrere mögen in auswärtigen Klöftern 2. Bildung er:
‚ Balten haben.
| 2) Im XV. und XVI. Jahrhundert gab e8 mehrere Com-
‚ munaljchulen, deren Entjtehung nicht befannt ift.
3) Deffentliche, allen offen ftehende Bildungsanftalten, die
nun auch Öymnaften biegen, wurden erft durch Kaifer Ferdi:
‚nand I. in Tirol eingeführt und hiezu der neu entftandene
‚ Sefuitenorden benüßt.
| 4) Die zwei von ihm und feinen Töchtern errichteten &ym-
‚ nafien in Innsbrud und Hal entfprachen fo gut, daß im XVII.
| Sahrhundert die Stadt Trient und Felofich ähnliche Inftitute
I
|
|
errichteten, und in Noveredo ein Wohlthäter ein Gymnafium
10 *
— MUB
gründete, im XVII. Jahrhundert aber auch andere Städte, wie‘
Meran, Bogen, Lienz, Ala jolche Inftitute, wenn auch nicht unter!
der Keitung der Jefuiten, jedoch nach ihrer Einrichtung zu
erhalten fuchten, und auch die Altern, früher beftandenen Lehr:
anftalten fi) nach den Jefuitengymnafien umbildeten oder ganz!
eingingen, und wie die Übrigen Gemeinde: und Pfarrfchulen!
bloße Trivialjchulen wurden. j
5) Bis Carl VI. regierten fich diefe Inftitute felbit, unab-
hängig von der Negierung, wenigjtens in der feientififchen und.
disciplinären Einrichtung, feit jener Zeit aber übernahm die”
Regierung die Leitung der in ihrem Lerritorium errichteten
Inftitute.
6) Diefe Einmifchung der Regierung hatte vorzüglich die)”
Bermehrung der Unterrichtögegenjtände zur Folge, indem ftatt!
der früher faft einzig bezwecten lateinifchen Sprachfenntnig und
formellen Bildung nach den claflifchen Mlujtern der Römer und
zum Theil‘ der Griechen nunmehr auch gefchichtliche, naturhiftos!
rifche. und mathematiiche Gegenftände, insbefondere aber die!
deutjche, refp. italienische Sprache betrieben wurde.
7) Eine gänzliche Umänderung erfuhr das Gymnajialftus
dienwefen feit dem Jahre 1848 infofern, ald damit das früher
getrennte philofophifche Studium vereiniget wurde, wornach dag)
Symnafium, das früher nur Vorbereitung zu der in der Philos
fophie zu erwerbenden allgemeinen gelehrten Bildung war, nun Hi
diefe höhere gelehrte Bildung, wie fie der gebildete Mann jeden
Standes und Berufes haben foll, in der Art verichaffen fol, I”
daß dem abfoloirten Gymnafiiten ohne weiteres Meittelftuoium |"
der Eintrit in die fogenannten Berufs: CBrod-) Studien offen!
iteht. f
— 19 —
III.
"_ Bergleichende hiftorifcheftatiftifche Bemerkungen über die
Gymnafien in Tirol,
% 79.
Wenn man die etwa vor der Einführung der Jefuiten be
ftandenen, jeden Fall8 fehr unvollftändigen Communal- und. an:
dere Schulen, dann die jest entftandenen Gymnaften mit der
bloßen ten und Stern Glaffe, d. i. mit dem ehemaligen philofo-
phifchen Studium bei einigen Korporationen, 3. B. den Kapu-
einern in Brunnef außer Rechnung läßt: fo waren in Tirol
nur vor dem Eintritte der E. b. Periode mehr Gymnaften als
‚jest, indem dort auch das Gymnafium in Lienz nebft den übri-
gen noch vorhandenen Gymnaften beftand. Allein die Bildung
war defwegen gewiß nicht allgemeiner, theild weil damals die
Studentenzahl geringer war, theil8 weil jest das philofophifche
Studium in die Öymnafien gezogen ift, welches früher nur in
Innsbrud und Trient und bei einigen Korporationen abgefon-
‚ dert beftanden hat.
Ehemald Hatte die Hauptftadt Innsbrudf und jeder der
‚fieben Kreife, mit Ausnahme des Kreifes Oberinnthal, für wels
hen das Gymnafium der Hauptitadt an deffen Grenze gelten
‚mag, ein, und der Bogner Kreis zwei Gpmnaften (Bogen und
ı Meran). Nach den jest beftehenden vier Kreifen trifft e8 für
‚den Trientner Kreis zwei Gymnaften, Trient und Roveredo;
für den Brirner Kreis drei, Briren, Bogen und Meran; für
‚den Innsbruder Kreis zwei, Innebrud und Hall; endlich für
| Borarlberg eines, Feldfirh. 8 bleibt auffallend, dag Hall,
‚ei Stunden von Innsbrud, Meran 6 Stunden von Bosen
‚und Koveredo 6 Stunden von Trient ein Gymnaftum hat, von
| welchen die zivei legtern vollftändig find. Allein Hall und Meran
‚werden von Korporationen erhalten und Welfchtirol' mit mehr
—_— 10 —
ald einem Drittl der Gefammtzahl der Einwohner hat an zw
Gymnafien verhältnigmäßig nicht zu viel, zu gefchweigen, da
für das Gymnafium in Noveredo durch Stiftung und Beitra
der Kommune fehr bedeutend gejorgt wird. Die Vertheilung der
Gymnaften feheint daher gentigend gerechtfertigt. — Vebrigene
heißen die vom Staate erhaltenen Gymnafien — Innsbrud
Trient, NRoveredo, Feldfirh — Staatsgymnafien, die isch
aber bLo8 öffentliche Gymnaften, wozu noch das Privatgymna
fium in Ala fommt, das Feine Autorität hat, wenn deffen Schi
fer nicht an einem öffentlichen Oymnafium geprüft find. |
$. 80.
Vergleiht man. die Zahl der Gymnaften in Tirol unter
Berüdfichtigung einiger andern Verhältniffe mit der Zahl ver
Gymnafien in andern Provinzen der Monarchie, wie fie im
Jahre 1846 und 1854 war, fo ftellt fi in der Hauptfache
folgendes beiläufige Nefultat heraus, bei deilen: Angabe fünl
erftered Jahr Die ftatiftifchen Minifterialtabellen vom Jahre 1846
und für leßteres die öfter. Gymnaftaleitfchrift benüst wurde.
Wenn auch die Angaben nicht ganz genau find, wofüt fie felbft
in den Ouellen, ;. ®. über Ungarn nicht ausgegeben werden,
fo genügen diefelben doch für den vorliegenden Zmerf ‚dieß bei-
läufige Verhältnig anzugeben, Uebrigens wurde die Einwohz
nerzahl, die fich natürlich nicht ganz gleich blieb, nur einmal
aus den Minifterialtabellen angefegt, da die Duelle, aus wel-
cher fie die Oymnafialgeitfchrift vorausfegt, nicht zu Gebote fteht,
wobei die übrigen Anfäte derfelben in der untern. der. beiden’
Bertifallinien ohne Veränderung beibehalten wurden, In Der)
Rubeif: Zahl der Gymnafien, zeigt die erfte Zahl der unten!
Linie die volftändigen, die zweite die unvollftändigen Gymnafien
im Jahre 1854. Die relative Frequenz zeigt das DVerhältnig
zur Einwohnerzahl.
—_ MM —
SE 28 28 |zy |EE|se
Provinzen Ri ws er SE oe E a
so @8| 8 a9 3: |°®
Tirol 492| secors| „8, | ?lszltosasgı 558
Niederöfterr. | 345) 15310341 „85 | 2aael1913791 SaS
Dberöft, mie | 3 | 757 1150
hin | 3321 0676| 3 | 9771290225] "o38
Steiermart | 390] 1023153] 2, | 8001255788] 1194
Kärnthenmit\, ara 4 994 801
| aa 7961431 54, | 5571199086] jogp
Fütentand. | 138 | 507903) 9%, | 2d]1693011 955
Dalmatien | 222| Aısossl 20 | 3251 20903] dee
Böhmen | 904] aaopza2l 2°, | Doddla00445| 44
Mähren mit\ „. 11. 3069 746
ciehen | 475| 2290440] 9, | 2516208222] 304
Gatigin | 1549| 5189004] 421,0. 40811309153|4519
er. er Vrong, IS TER | Tr SD en
den Nebens! 3962 11065705| 44023 [19007 116481] 1988
ländern ’
Militärge. | 6831 1252309) 59, | 22aRrase| Dias
Siebenbürg. | 954) 2193944] 42° | 3700 erzarı 309
Lombardie | 375, 270299 400099 | Sad A158] 335
Beneig | Aral zeusszı] 2°, | 5246| oosısl 734
Summa 11595 37443033] 308 [58214 2815846, Durdı-
151— 107147630 BE
u e
tern 40 mit 915
6, Sins mit
2 Glaffen.
— 12 —
Hieraus erficht man, daß Tirol rüdfichtlich der Seelenzahl
unter allen Provinzen Defterreich8, mit einziger Ausnahme der
Lombarbie und zum Theil Benedigs und Siebenbürgen, am reichlich-
ften mit Gymnaften verfehen ift. Allein in der Lombardie und in
Venedig find jehr viele Communal: und bifchöfl. Gymnafien, in
welchen der Unterricht oft nicht fo gut gepflegt wird wie in den
f. E. Lehranftalten. Anders zeigt fich das Verhältniß, wenn e8
in Bezug auf die Größe der Provinzen betrachtet wird, in wel-
cher Beziehung Zivol allerdings den meiften andern Provinzen
nachfteht. Denn da auf 40 Meilen beiläufig ein Gymnafium
zu ftehen Fommt, fo müßte Tirol bei feinen 492 oder nach
genauern Angaben noch mehreren Duadratmeilen nach dem Durch:
fchnitte über 12 Gymnaften haben.
Mebrigens Ffommt eine Lehranftalt mit der 7ten und 8ten
Clafje allein in feiner Brovinz außer Tirol unter ven Gymnafien
vor. —
$. 81.
Ihrer Beftimmung nach fönnen unfere dermaligen Gym»
nafien eher mit den vor Einführung der Iefuitengymnafien be-
ftandenen Schulen, vorzüglich mit den axtiftifchen Facultä-
ten, al mit den vor dem Jahre 1848 beftandenen Gyms
naften verglichen werden. Denn wie in jenen Schulen eine
zeitgemäße gelehrte Bildung überhaupt angeftrebt wurde, fo
fol auch durd) unfere dermalige Gymnafialeinrichtung eine allge
meine gelehrte Bildung, wie fie der in jedem Stande und Be
rufe darauf Anfpruh Machende haben foll, erworben werden,
eine Bildung, deren Erwerbung nach der frühern Einrichtung
Aufgabe des philofophifchen Studiums war, zu welchem die
Gymnafien die Vorbereitung gaben. Nebft der religiöfen Bil-
dung hatten daher die Gymnaften, vorzüglich die lateinifche, mit:
unter auch die griechifche Sprache, in welcher das gelehrte Wiffen
vorzüglich niedergelegt war, dann die Auffaglehre und endlich die
hiezu nöthige formelle Bildung, bei der man die Erwerbung der wife
fenfchaftlichen Kenntniffe dann leicht zu Stande bringen Fönnte,
— 13 —
beizubringen, und ber Studierende follte das Gymnafium ver
laffen, unverfrüppelt an Körper und Geift, fprachlich und formell
befähigt die Kenntniffe fich anzueignen, welche von einem Ges
lehrten gefordert werden, und voll Eifer fich diefe Kenntniffe zu ver
fchaffen, wobei freilich bald mehr bald weniger von den materiellen
Kenntniffen der ehemaligen philofophifchen Studien, 3. B. der Ge>
fhichte, Mathematif u. f. w. beigemifcht war, was beweift, wie
fehwer und wohl auch unangemeffen eine Einrichtung fei, in welcher
die Vorbereitung fünf bis fech® Jahren dauert, während die
Sache felbit in zwei bis drei Jahren abgethan fein follte. —
est dagegen fangt die gelehrte Bildung fchon in den unterften
Claffen mit Naturgefhichte, Mathematif u. f. w. an, und
wird harmonifch und parallel mit den Fächern des frühern Gym-
nafialftudiums betrieben, fo daß der austretende Öymnafift nun
wirklich ald gebildet durch die Maturitätsprüfung fich auszu-
weifen hat, ohne daß er in feiner Bildung einen Sprung, wie
ed früher vom Oymnafium zur Philofophie nöthig war, zu
machen hätte.
$. 82,
Natürlich Ffann bei der veränderten Beftimmung des Stu
diumd auch bezüglich der Fächer Feine Hebereinftimmung mit dem
frühern Gymnafialftudium beftehen, und man muß dießfalls
das frühere Gymnalial- und philofophifche Studium. zufammen
mit dem jesigen Gymnafialftudium vergleichen.
Das Gymnafialftudium umfaßte vor dem Jahre 1848 in
6 Glafien:
1) Religion wöchentlich 12 Stunden,
2) Latein und Styl 60 £
3) Griechifch Bar cm
4) Gefchichte und Geographie 13° u
9) Mathematif 12 2
6) Alterthümer 3 x
zufammen 18.Stunden in jede Claffe 108 b
— 14 —
Das philofophiiche Studium umfaßte in 2 Iahrgangen:
1) Religion wöchentlich 4 Stunden,
2) PBhilofophie 8 mn
3) Mathematifcim Iten Jahrg.) 7 ’
A) Phyiif Cim 2ten Jahrgang) 8
5) lateinische Vhilologie 4 7
Die waren die Obligatfächer, doch wurden in der Philo-
fophie überall auch Gefchichte in 5 Stunden,
Naturgefchichte in 4 “
Erziehungsfunde in 2 ”
und in größern Anftalten auch mehrere andere Gegenftände, als
Sreifächer gelehrt, nämlih: öfter. Staatengefchichte, Hiftorifche
Hilfswiffenfchaften, claffifche Literatur, griechifche Philologie,
Aefthetif, Gefchichte der Philofophie, Landwirthfchaftslehre,
deutfche, italienifche, flawifche Sprache, von welchen Fächern
Gefchichte für den philof. und jur. Doctorgrad, Gefchichte, claf-
fifche Literatur, griechifche Philologie und Aefthetif für Humani-
tätslehrer 20. vorgefchrieben war.
Zur gelehrten Bildung gehörte alfo nach dem frühern Lehr-
plan ein Studium von 8 Jahren, in welchen und natürlich
mit genügenden Glaffen zu hören waren die Fächer:
1) Religion in wöchentlihen 16 Stunden,
2) Latein und Styl 64 4
3) Griechifch 8
4) Gefchichte und Geographie 13 ( 18) ei
5) Mathematik 19 e
6) Alterthümer RE
N Bhilofophie BWry
8) Ponfif an 12
Zufammen ION U,
Die Fächer des dermaligen Gymnaftalftudiums find:
1) Religion in wöchentlichen 16 Stunden,
D Latein D0 "
a
3) Ghriechifch 28 Stunden,
4) Mutterfprache 25 ®
5) Gefchichte und Geographie m *
6) Philofophie n
7) Mathematif H
8) Naturgefchichte und Phyfif 19 v
Zufammen 489.
wozu noch 2—3 Stunden für die zweite, Landessprache fommen,
Die Freifächer bleiben außer Betrachtung, weil fie in beiden
Planen gleichmäßig vorfommen, nur daß fie bei wenigern Obli-
gatftunden: leichter gehört werben fonnten.
Hieraus ergibt jich, daß
1) die Studierenden nun weit mehr befchäftiget find, ala
früher, indem fie wöchentlih in allen 8 Elafien 54 Stunden,
fohin in jeder Clafje wöchentlich 7—8 Stunden mehr Schulzeit
haben ;
2) daß der Mutterfprache, welche früher mit der. lateinis
fehen betrieben wurde, eine bedeutende Stundenzahl eingeräumt,
wogegen
3) die lateinifche Sprache um 14 Stunden verfürzt ift,
die griechifche aber um 20 Stunden mehr Hat; jedoch begriff
das Latein früher auch die deutfchen Stylübungen; daß endlich
A) der Phnfif, zum Theil auch Mathematif, weit. mehr,
der Philofophie aber weit weniger Zeit zugetheilt ift. Wie weit
man es in diefen Fächern bringen foll, fagt der Organifations-
plan, und zeigen die Lehrbücher, 3. B. in Phyfif: Baumgar-
ten, Gefchichte: Büg, Philofophie: Bed, Mathematif: Moznik.
Im Latein follen die Schüler aus den Elaffifern von Cäfar bis
Horag, und im Griechifchen aus Kenophon, Plato, Herodot,
Homer und Sophofles jede Stelle bei der Maturitätsprüfung zu
erflären fähig fein. Im der deutfchen Sprache wird werigitend
auch BVerftehen des Mittelhochdeutfchen gefordert 1).
1) Wie fhon $. 20 bemerkt wurde, ift diefer Plan noch nicht defi-
nitio, und man hört auch gegen denfelben manche Bedenken, als:
a. die Studenten werden 'zu fehr in Anfpruch genommen, fie
— 156 —
$. 83.
Die Lehrer haben fich von dem Einen Scolafticus der
älteften Zeit mit Einführung ver Glaffen fo vermehrt, daß für
jede Glaffe ein Lehrer und bei den Jefuiten ein Präfect als
Vorftand der Anftalt beftand, der auch nach ihrer Aufhebung
beibehalten wurde. — Im Jahre 1805 wurden aber die Lehrer
aus Klaffenlehrer — Fachlehrer, weil damals die Fächer —
faft in der Zahl der dermals beftehenden vermehrt wurden, fohn
von einem Lehrer nicht die genügende Kenntniß aller Fächer ge:
fordert werden fonnte, — eine Einrichtung, welche al8 der Die-
eiplin weniger zuträglich, und vielleicht auch als zuviel fordernd
wieder aufhörte. $ 18. Nach der jegigen Einrichtung befteht
müjfen verfrüppeln. — Es wird ermwidert, daß fie früher außer
der Schulzeit fich mweit mehr befchäftigen mußten, jekt aber freie
Zeit zu förperlichen Uebungen ıc. hätten;
b) die Fächer wären der Sugend nicht angemeffen, 3. B. Mathe:
matif, Phyfit., — E8 wird ermwidert, dieß hänge von ‚der Lehr:
methode ab, die num vorzüglich auf Anfchauung dringe;
b. das Uebermaß der Fächer beeinträchtige die wichtigften — Latein
und formelle Bildung ıc., namentlich gehöre, um lateinifch zu lernen,
Hauslektüre und auch Hebung im Spreden. — E3 wird ermidert,
auc) hier helfe die Methode nach, Die jegige dringe auf claffifches
Satein; es verftehen fei Hauptfache,
d) mwenigftendg der größere Theil der Studenten fünne das Maß der
Forderungen nicht bezwingen, es ‚entftehe: ex omnibus aliquid.
— 68 wird ermwidert, auch hier müffe tie Methode Einklang her:
ftellen, der fich bei der Maturitätsprüfung zeige.
Fragen dürfte man, mie viele Männer , welche allgemein als
gebildet gelten, wohl die Maturitätsprüfung, 3. B. aus dem Grie-
hifhen, Altveutfchen, Phyfif und Mathematif ıc. mit Ehre beftehen
würden, und ob jest die Studierenden die Forderungen alfgemei-
ner Bildung — nebft der Solidität des Characters, insbefondere
gründliches Urtheil über die im Leben vorfommenden Gegenftände,
und Fertigfeit zum geordneten Ausdrucf der Gedanken in Sprache
und Schrift aus dem Gymnafium mitbringen, — ob wegen des
Zeitgeiftes wirflih fo Vieles in den Naturmwiffenichaften gefordert
werden foll. — Zu bedauern ift die Nothmendigfeit fo vieler Zeit,
die. man auf andere Zweige der Wiffenfchaften verwenden fünnte,
nunmehr auf fremde Sprachen verwenden zu müffen, weil die lateinische
Sprache aufgehört hat das allgemeine: Band der Gelehrten zu fein.
— 17 —
ein Mittelding, indem die Lehrer wohl Fachlehrer find, jeder Elaffe
jedoch zur befondern Ueberwachuug ein Lehrer zugewiefen ft,
welcher in disciplinärer Beziehung den frühern Elafienlehrer ver:
tritt. Statt des ehemaligen Auffteigens mit den Schülern er
hält jeder Lehrer jährlich fein Fach und feine Elafien nach einem
von der Statthalterei (dem Gymnaftalinfpector) zu genehmigen-
den Plan, und bei Staatsgymnaften hat jeder Sprachprofefior
in der Regel 17, jeder andere aber 20 Lehritunden wöchentlich
zu übernehmen, und der Director muß überall auch Lehrer
wenigftens in einigen Lehrftunden fein. Da ein Religionslehrer
für alle Clafjen nicht genügt, zumal auch wöchentlich Exhorta-
tionen zu halten find, für zwei SPBrofefioren aber zu wenig Be
ichäftigung ift, fo follen fie, wenn fie ordentliche PBrofefforen
fein wollen, auch Lehrftunden in andern Fächern auf erworbene
Dualification übernehmen, fonjt aber nur den frühern Religions-
(ehrern im Gehalt gleichgeftellt fein,
Bei einem vollftändigen Gymnaftum ift Die Lehrerzahl wenig.
itens 12, fohin, da früher jedes Gymnafium 8, die Bhilofophie
5 Lehrer zöhlte, um einen Lehrer unter der früheren Lehrerzahl 1).
MWie fich die Lehrer qualificiven müfjen, wurde $. 20 bes
merft. Dualificirte Lehrer fünnen am Staatsgymnaflium um
vacante Lehritellen competiren und an Korporationsgymnaften
verwendet werden.
Da in Tirol 5 Öymnafien von geiftlichen Korporationen
verfehen werden, fo find die meiften Lehrer Ordensgeiftliche. —
Im Ganzen waren im Jahre. 1854 unter den 110 Lehrern mit
Einfchluß der Directoren 89 geiftliche Individuen, darunter 38 Welt-
priefter; verhältnigmäßig weit mehr als in den übrigen Provinzen;
denn in Niederöfterreich waren unter 136 Lehrern 90 Geiftliche,
1) &s verfteht fih von felbft, daß die jegt bei den Univerfitäten be-
ftehende philofophiiche Facultät einen ganz andern Zwed hat als
bei der frühern Studieneinrichtung. Sie dient ald Berufsftudium
der höhern naturhiftorifhen oder mathematischen Wiflenichaften,
oder als Hilfsftudium für Medizin und Rechtsftudium, oder end:
lich ald Vorbereitungsftudium für Gpmnaflallehrer.
— 18 —
darunter 4 Weltpriefter, in Oberöfterreich unter 36 Lehrern 24
Geiftliche mit einem Welipriefter, in Steiermark unter 56 Leh-
rern 20 Geiftliche, darunter 7 Weltpriefter u. |. w.1). — In
Tirol felbit aber war vor dem Jahre 1848 das Uebergewicht an
Geiftlichen noch größer, indem dort an 8 Öymnafien, jedes mit
8 ordentlichen Lehrern und Leitungsindividuen, nur 3 Weltliche
vorfamen.
$. 84.
Ueber die Zahl der Studierenden an den Tiroler Gymna-
fien läßt fich bis zur Sefularifation der Bisthümer nichts ganz
Sicheres angeben, weil e8 viele Brivatichiiler gab, welche nicht
in Berechnung famen, zumal wenn fie zur Theologie übergin-
gen. Bon den öffentlichen in den Katalogen vorfommenden
Schülern zeigt fich in verfchtedenen Jahren folgende Zahl:
Jahr: 1774. 1781. 1790. 1806. 1814,
Zuhl: 940. 1019 584. 1043. 625.
Die Zahl der Studierenden wuchs fohin nach Aufhebung
des Sefuitenordens bis auf Kaifer Fofeph II., nahm aber unter
diefem Kaifer bedeutend ab, wozu vorzüglich das eingeführte
Schulgeld ($. 14) und wohl auch das Mißtrauen auf die Re
gierung beigetragen hatz dann ftieg die Zahl wieder bis zur
fgl. bayr. Regierungsperiode, unter welcher fie aber faft um die
Hälfte abnahm, theil® wegen der gänzlichen oder theilmweifen
Aufhebung der Gymnalien ($. 47) theil8 wegen Erxfchwerung
des Studiums durch die Menge von Gegenftänden, theild wohl
auch wegen Mißtrauend, welches in Tirol gegen die das Stu
dium leitende Regierung beftano.
Dom den einzelnen Lehranftalten war im Jahr 1806 der
Stand der Studierenden folgender :
1) Die Angaben von diefem Sahre find aus der öfterr. Gymnaffalzeit-
Schrift genommen, aus welcher auch andere vorfommende Daten von
diefem Sahre entlehnt find. Spätere Angaben ftehen mir dermalen
(DFftober 1856) nicht zu Gebote.
— 159 —
Ala 24,
Koveredo 44,
Lienz 61,
Irient 65,
Teldfch 99,
Snnöbruf 137,
Meran 150,
Hal 152,
Briren 154,
Bogen 157.
Befonders auffallend ift die jehr Fleine Zahl der Studenten
der welfchtirolifchen Gymnafien, die fich wohl von vielen PBri-
vatfchülern Herjchreiben muß, wogegen die Korporationsgymnas
fin Hall, Bogen und Meran gut befest waren.
Eeit der Drganifirung der Studien nach dem Wiederein-
tritte «der. öfterr. Regierung im Jahre 1817 ftieg die, Zahl der
Gymnafiften bedeutend, und war von dort bis zum Jahre
1843 an den verfchiedenen Gymnafien durc;fchnittlich, und zwar
in Teldfich 103,
NRoveredo 124,
Briren 183,
Meran 184,
Hall 185,
Bogen 185,
Trient 329,
SInnsbrud 369,
überhaupt 1662. Im diefer Beriove tritt vom Jahre 1826 eine _
Verminderung ein, weil dort Strenge in Aufnahme der Studens
ten 2c. befohlen, namentlich eine Aufnahme nach dem 14. Lebens-
jahr verboten wurde. Daher ftand 3. B. im Jahre 1827 die
Zahl auf 1699, im Jahre 1833 aber auf 1426. Nach Auf-
hebung jenes Verbotes wuchs die Zahl wieder, und war 5. B.
im Sabre 1845 auf 1936 öffentliche und 183 Privatfchüler ge-
ftiegen, von welch’ legtern 100 auf das Gnmnafium zu Rove-
redo entfielen 1).
1) Die Angaben find aus Katalogen geihöpft.
zED —
Nach der neuen Gymnaftaleinrichtung nahm die Zahl der
Studierenden wieder bedeutend ab, was fich aus dem größern
Aufwande nicht blo8 wegen der Theurung der Lebensmittel,
fondern auch der vielen Schulbücher und dem Schulgelde, dann
aus den größern Forderungen erflärt, welche man an die Stu:
dierenden macht. Nach $. 80 war die Zahl im Jahre 1854 nur
1627, oder nach Abrechnung von 336 Studenten der Tten und
Sten Elaffe, welche dem ehemaligen philof. Studium entfprachen 1292,
wornach fich von der Durchfchnittszahl früherer Jahre per 1662
eine Abnahme von 371 Individuen zeigt. Früher Fam auf 510
und im Jahre 1845 gar auf 420 Einwohner ein Student, in
dem Jahre 1854 fommt ein folcher auf 528 ($. 80). Im Ver:
gleiche des Jahres 1853 mit dem Jahre 1854 nahm übrigens
die Zahl. der öffentlich Studierenden in Tirol um 60, der Pri-
vatiften um 27, znfammen um 87, in der ganzen Monarchie
aber um 794 ab.
$. 85.
Das PVerhältnig der Studierenden Tirol8 zu den. Stwdie-
renden der ibrigen öfter. Provinzen geht aus $. 80 hHewvor.
Nach der Seelenzahl gibt eg — mit Ausnahme von der Lom-
bardie in feiner Provinz des Kaiferftaats fo viele Studierende,
wie in Tirol. Da im Durchfchnitte in der Monarchie unter 915
Köpfen ein Gymnafialftudent ift, in Tirol aber der 528jte Ein-
wohner ftudiert, fo zeigt fich in Diefer Provinz Die Frequenz
der Studierenden noch immer faft doppelt fo groß, als durch-
fehnittlich in der übrigen Monarchie,
$. 86.
&3 ift fehwer, Die Studierenden nach ihrem bürgerlichen
Stande anzugeben, indem fich die Stände fchwerlich genau un-
terfcheiden lafien; und eine dießfallfige Wergleihung mit den
Studierenden anderer Provinzen ift mir bei dem Mangel geeig-
neter Daten unmöglich. Führt man die Stände auf die vier
_ IM —
Glaffen der Privaten, Beamten, Gewerbe und Bauern zurüd: fo
waren unter den. 1936 öffentlichen Schülern de8 Jahres 1845
am
Gymnafium |Private'Beamte| Gew. |Bauern| Zufam.
re -. 01:48 14-498 1198 g 406
en. ._.v. * | 139 36 70 | 107 352
Boten 36 35 68 65 204
Briren 26 45 81 83 240
Meran | 3 62 73 202
Bun eo a 56 65 80 222
Rover . 2...) 50 21 72 33 176
Sehbfich, : 2.0 ..|.,14 20 47 53 134
Zufammen .. » =. | 367 .| 397 | 580. | 592 | 1936
Aus diefer Zufammenftelung erfieht man, daß die Zahl
der Privaten in Südtirol entfchieden am größten ift. Man darf
vorausfegen — und eine Zufammenftellung von ein paar an-
dern Jahren zeigte e8 auch — daß fich die Verhältnig im
Wefentlichen nicht ändert. Auch nach der neuern Einrichtung
dürfte dieß Verhältnig eben nicht viel anders geworden fein.
Die Bergleichung der Claflificationsnoten bei den Schülern der
verfchiedenen Stände zeigte in ein paar Schuljahren feinen be-
merfenswerthen Vorzug und fein wejentliche® Zurücftehen ver
Schüler eines Standes, daher das Refultat diefer Vergleihung
nicht angeführt zu werben verdient. Wie fich aber die Zahl
der Studierenden von jedem diefer Stände zur fämmtlichen Zahl
derfelben verhält, weiß ich nicht anzugeben.
$. 87.
Aus der Zufammenftellung des vorigen $. ergibt fich
auch vom Jahre 1845 die Frequenz der einzelnen Gymnafien in
Tirol. Laßt man das Kapucinergymnaftum (die Tte und 8te
Elaffe) in Brunee mit 17 Schülern außer Berechnung: fo ftellt
fih im Jahre 1854 die Frequenz der "einzelnen Gymnaften
fo dar:
11
u
Innsbrud 281 darunter 4 Priv.
Meran Aa BU ui‘
Trient 304 vor
Hall 98 " ne,
Bopen 218 : Ar u
Noverdo 271 " Aber
Briren 182 ® =
Teloficch wury Dirig
Zufamwen 1610 darunter 105 Brivatiften.
Unter Berüdfichtigung der im $. 83 angegebene Durch-
fehnittözahl ver Frequenz der Gymnaften und des $ 85 ergibt
fich aus diefer dreifachen Zufammenftellung , daß
1) Innsbruf und Trient die größte, Belofirh und nun-
mehr Hall als bloßes Untergymnaftum entfchieven die Fleinfte
Frequenz hat;
2) die übrigen Gymnaften fich früher ziemlich ‚gleich ftan-
den, jet aber Noveredo bedeutend zugenommen, Briren aber
abgenommen hat, und
3) auch jegt, wie früher immer die Zahl der PBrivatijten
in Welfchtirol entfchieven am größten ift.
Durchfchnittlich trifft e8, wenn man die ganze Zahl der
Studierenden pr. 1610 unter den 8 Gymnafien vertheilt, auf
ein Öymnafium 201.
PVertheilt man die 47,630 Studierende, oder mit MWeg-
lafjung des Bruneder Gymnafiums, die 47,613 Studierenden
der Monarchie unter die 257 Gymnaften, fo entfallen auf ein
Gymnafium 185. Die Tiroler Gymnaften find daher befuchter
als jene der übrigen Provinzen. Doch muß berücfichtiget wer-
den, daß in Tirol nur Hall ein Gymnafium von bloß 4 Claf-
fen hat.
$. 88,
Den Fortgang der Schulen an den 8 Tiroler Öymnafieni. 9.
1854 ftellt folgende Tabelle dar, über welche bemerft wird, daß die
Ste Claffe, bei welcher die Maturitärsprüfung befteht, nicht -einz
x
m Wo
gerechnet ft, daß ferner die zweite Colonne bei jedem Gymna-
fium die Vrocente anzeigt, endlich daß die Privatiften nicht be
fonders ausgedrüct, fondern darunter begriffen find.
e2 85|8|31:
Gymnafium eI51®8|8\& &
n nein Mn
SDLUE ia sena ni | 33 1154 | 38 21723. 250
13 | 62 | 15 1 9
ie en AO TRZO TE ar a 27
17 | 63 b) 1:13
a er 173).
43. 69, | vun naar 27
ee a0 PESWORN. PEORHSSHTIS ET SE ER 1 7 | 164
AB oe. Kst ou
a ne ern e ORT 1.1.22. 7461
171ı68| 1I — | 14
RATEN SE ine 58
26 | 57 | 17 Ir
Bere 305126 23] 230
E 1316| 1|1|—'%
rn 1,0...) 198 120,452 1.4221,095
16 | 68 4 111
Summe der Proc. . . . 1 1281529 | 79 | 5 | 68
Drdfhnit . . x». .116 | 6 91 118
Laßt man Hall, welches bei vier Claffen und wenigen Stu-
denten hei weitem die größte Zahl Vorzugsnoten aufweift,. jo
wie die nichts entfcheidenden dritten Glaffen unberüdfichtigt, fo
zeigt fih, daß die Glaflification bei Trient und Meran am
beiten war, weil fie über das Mittel der Vorzugsclaffen und
unter dem Mittel der. 2ten Claffe und der Ungeprüften fteht,
daß Dagegen aus der. umgefehrten Rücficht Innsbrud, Bogen
und Roveredo zurüdteht.
_ Da von den 47630 "Öymnafiften der Monarchie — mit
Ausfchluß jener der Sten Efaffe, und bei mehreren unbefannten
Noten die 42821 Claffificirten im Jahre 1854 mit
41®
= mM
8877 Borz. 24,113 1., 6144 II., 847 II. EI. 2842 Ungepr.
fohin nach Procente mit
21 Vor. 56 „ Adırond dinad ig Tun 34
fich darftellen, fo fieht man hieraus, daß zwar die Zahl der Stu-
denten mit Vorzug in Tirol bedeutend Fleiner it, was fich, die
nämliche Strenge in Ertheilung der Noten vorausgefegt, wohl
davon herfchreibt, daß der dritte Theil der Gymnafien der Mo-
narchie nur 4 oder 6 Glaffen hat, bei welchen wie in Zirol
das Gymnafium in Hall ausweilt, die Worzugsnoten weit häu-
figer find, daß aber die Zahl der erften Clafien in Zirol bedeu-
tend größer, die Zahl der zweiten und dritten Claffen bedeutend
fleiner, die Zahl der Ungeprüften endlich fast gleich groß ift.
Eine Vergleichung der dermaligen Noten mit den Noten bei
dem Plane vor dem Jahre 1848 Fann billiger Weife nicht vors
genommen werden, da bei den wenigen Gegenftänden die Noten
früher wohl beffer gewefen fein müffen. Doch mögen wenigftens
die PBrocenie vom Jahre 1845 hier ftehen.
zZ
Öymnafien Vorzug) I. €. |. EL. &| &
=
Innsbrud 26 62 8 1 2
Trient . 27 62 8 _ 2
Bogen . 37 93 6 1 3
Briren 24 63 g 1 3
Meran Age ua 23 60 M 1 4
Balklnanun naspsgumm?3g 59 7 1 _
Rover . 24% 33 69 7 —_ 1
TE Re Ne | 62 6 _ _
Zufammen ei ee 58 3 15
Durdfanitt . . | 30 60 7 1 3
Bei diefer Angabe find die fogenannten Accesse ad emi-
nentiam zur erften Claffe gerechnet; werden fie zur WVorzugsclaffe
genommen, fo würden faft um die Hälfte mehr Vorzugeclaffen
und weniger erfte Claffen herausfommen.
Rechnet man diefe Accevdentien zu den Vorzugsclaffen ‚fo
ergeben fich im Jahre 1847 — mit Nüdficht auf die verfehie
— 165 —
denen Fächer — um auch dieß noch anzuführen — folgende
Procente.
Religion || Latein || Mathem. es || Griechifch
Iu IF II I I 1110
"Rah E
BE 3laolaı | 6l— HR \aslaı)6 | ıla
En. fieht man, daß die Noten aus der Religion ohne
Vergleich die beften, die Noten aus dem Latein die fchlechteften,
.
=
m m
IN
2
5
EL 08
08
im Ganzen aber die Noten fehr gut waren, indem zweite und
dritte Claffen mit den Vorzugsnoten und erften Claffen in fei-
nen Vergleich fommen.
$. 89.
Der Erfolg der Maturitätsprüfungen zeigte fich im Jahre
1854 mit Hinweglaffung der nicht zum Öymnaftum gehörigen
Erterniften, wohl aber mit Hinzurechnung der bei dem Gymna-
fium_ eingefchriebenen Erterniften in folgender Art, wobei die
fich zur Prüfung nicht Meldenden oder wieder Zurücgetretenen
den Reprobirten gleich geftelt werden. Die zweite Linie zeigt
die Procente.
MT = S
2.2 ae
Gymnafien = 37 Borzug| Reif Fe
Ss2== 292,5
R 5 & 3
ISnnsbrud 31 4 17 10
13 55 32
en ae 18 | 2 41 5
11 61 28
ee 37 4 29 6
16 78 16
EN a re i$ 12 1 10 1
8 84 8
en 33 5 19 g
15 58 27
Moveredo:.n allen 41 4 24 13
10 58 =
2: Fee 10 1 9 _
10 90
a un 3a it 9 2 7 _
22 78
Summe der Proc... — [105 | 554 | 143
nt . . . . _ 13 69 18
— 166 —
Nimmt man hiebei vorzüglich auf die Vorzugs- und Repro-
bationsnoten NRüdficht, fo erhellt, daß Brunef und nach diefem
Bogen die beften Noten nachweifen, fo wie fich Noveredo und
Briren am wenigften auszeichneten.
Zur BVergleihung des Nefultates der Maturitätäprüfungen
in Tirol mit jenem anderer Provinzen genüige die Bemerkung,
daß in Zirol bei 191 Schülern der VII. Glaffe 153 approbirt
wurden, fohin 80 Brocente die Approbation erhielten, während
in der ganzen Monarchie von 3304 Schülern VIN. Claffe nur
1836, fohin nur 55 Procente approbirt wurden, folglich in
Zirol 20 Procente, in andern Provinzen 45 Procente ohne
Approbation blieben. Darf man beiläufig den nämlichen Ma$-
ftab der Beurtheilung und in andern Jahren ähnliche Refultate
vorausfeßen, und die Maturitätsprüfung al8 NRefultat über die
Beichaffenheit des Gymnafialftudiums anfehen, fo find die Tiro-
fer Gpmnafien ausgezeichnet.
$. 9.
Nachdem nunmehr das philofophifche Studium mit dem
Gymnafium vereiniget ift, fo waren bei jedem Gymnafium die
für Naturgefchichte, Naturlehre und Mathematif nöthigen Lehr:
mittel anzufchaffen, wozu fich bei Gymnafien, welche nicht
Staatsgumnaften find, jene verbindlich machen mußten, welche
zur Erhaltung der Gymnaften verbunden find. Hiezu wird bei
diefen Gymnafien vorzüglich das Schulgeld), bei allen’ das
Einfchreibgeld verwendet, und nebftdem werden Gemeinden und
Wohlthäter in Anfpruch genommen. Am beften ift dießfalls
dad Gymnafium in Boten bedacht, welches durch die Gnade
weiland Sr. faif. Hoh. des Hrn. Erzh. Rainer und deffen in
Bogen verweilenden erlauchten Witiwe2) ungemein viele und vor-
treffliche Lehrmittel an Büchern, naturgefchichtlichen und andern
Gegenftänden erhalten hat. — Für Roveredo und Feldficch, wo
1) Bei den vom Staate ganz oder größtentheils erhaltenen Gymnafien
fließt daflelbe in den Studienfond. Es beträgt in Innebruc für
ein Semefter 6 fl., bei den übrigen Staatögymnafien 4fl- per Kopf.
Mehr als 4 fl. dürfen auch Korporationsgymnaften nicht fordern.
2) Nun auch verblichen. Anm. d. R
EEE.
feine öffentliche Bibliothek befteht,, trägt der Studienfond, wie
früher, zu Bücheranfchaffungen jährlich 50 fl. bei. Den Stand
‚der Lehrmittel können Liebhaber aus dem jährlich gedructen Pro-
gramme der einzelnen Gymnafien exfehen. — Nur Hall liefert
fein folches Programın.
Die Gymnafiallofale find ebenfalls fehr gut, befonders in
Srient und Bogen, wo. in neuerer Zeit foftbare Gymnaftalge-
bäude aufgeführt wurden; nur Innsbrud dürfte dießfalls info-
fern am fhlechteften beftellt fein, ald e8 nicht einmal alle Glaf-
fen unter einem Dache hat, fondern für die zwei obern Claffen
die Lofalien im getrennten Univerfitätsgebäude unterbringen muß.
$. 9.
Nach diefen Bemerkungen befigt fohin Tirol Oymnafien in
genügender Zahl, ja, mit Rüdficht auf feine Bevölferung, meh-
rere öffentliche Gymnafien ald andere Provinzen des Kaifer-
ftaates, und diefelben find fo beftellt, daß ihre Befchaffenheit
fich mit jenen anderer Provinzen nicht nur mit Ehre vergleichen
läßt, fondern faft in jeder Beziehung, namentlich im Erfolg der
Bildung, Vorzüge nachweift. Sichere Nefultate wird jedoch
erft Die Zufunft geben.
Ein großer Vortheil, insbefonders für die weniger wohl-
habende ‚Klafje der Einwohner, zeigt fih, daß nunmehr die all-
gemeine Bildung bei jedem vollftändigen Gymnafium erworben
wird , fohin nicht mehr erforderlich ift, nach vollendetem Gym-
naftalftudium in Innsbrue oder Trient zu ftudieren, bevor der
Eintritt in die Theologie, oder in ein anderes Fadhıftudium ger
schehen fann. Wenn auch bei der frühern Einrichtung diefe Ver-
fegung in neue Verhältniffe den Gefichtsfreis des Zünglings
ungemein erweiterte: fo wurd. doch, um den Koftenpunft nicht
zu berühren, hiedurch oft das Gemüth defielben unfreundlich be-
rührt, und insbefondere der Berufswahl, welche bei den Gym:
nafialftubien auf den geiftlichen Stand ging, der bei den vielen
Klöjtern und Seelforgspoften in Tirol eines reichlichen Nach-
twuchfes bedarf, eine andere Richtung gegeben; während jeßt der
Studierende, welcher den geiftlichen Stand wählen will, gleich
wen
von dem Gymnafium weg in das Diöcefanftudium eintreten Fann,
wenn er nicht Mitglied eines Stiftes oder Klofters werden will, was
er, zum Theil fchon vor vollendetem Gymnafium, zu thun befugt ift.
Zum Beften der Öymnafien wirft aber auch Alles in dem
Lande redlich zufammen. Die Geiftlichfeit gibt einen großen
Theil des Lehrperfonald, und insbefonders Fönnen die Drden
der Benedietiner und Franeisfaner, die mit fo vieler Uneigen-
nüßigfeit, ausgezeichnetem Eifer und rühmlichem Erfolge Gpymna-
fien verfehen, fo wie die Augujtinerchorherren in Neuftift und die
Sefuiten in Feldfirch, wenn gleich diefe für ihre Arbeit bedeutende
Vortheile erthalten, auf den Dank des Landes Anfpruch machen. Die
Ordinariate überwachen nicht blo6 den religiös-moralifchen Un-
terricht und geben die Lehrer der Religion, fondern forgen über:
haupt für die Erhaltung des Fatholifchen Elements in diefen- Ins
ftituten,, wie dieß im frühern Jahrhundert in unferm Lande die
Iefuiten fo glüdlih gethan haben. Die Städte Roveredo,
Bogen, Meran, Briren, würdigen vollfommen das Glück folche
Snftitute in ihren Mauern zu haben, indem fie fih für
diefelben, wie namentlich Roveredo, fo vieles Foften lafien. ft
auch die Theilnahme an den Gymnaften nunmehr mit weit größern
Koften verbunden, fo zeigt fich doch feine bedeutende Abnahme an
Studierenden, die wohl auch in Convicten (nur Hall und Inne-
bruf hat dermal fein’ Convich), durch Stipendien, Lofalwohl-
thätigfeitsanftalten, und. befonders in Deutfchtirol durch Privaten
unterftügt werden. Der Regierung foftet jegt ein Staatögym-
naftum mehr, al8 früher die Gefammtheit' der Gymnaften,, und
ihre Sacye ift e8 überdies, durch eine eigene Infpection, die
nunmehr fein Ehrenamt ift, «fondern aus Fachmännern befteht,
an allen Gymnafien Lehrer, Ksrbücher, Lehrmethode, Lehrmit-
tel €. zu überwachen und für einen tüchtigen Nachwuchs an taug-
lichen Lehrern zu forgen.
Sp it in Tirol durch wechfelfeitiges Zufammenwirken für
die jo wichtigen Anjtalten der höhern Bildung zur Befriedignng
aller billigen Wünfche in ausgezeichneter Weife geforgt.
Sinnförende Drucfehler.-
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[77
[73
sacerdolio jtatt sacerdotis.
Ludimagister ftatt Antimagister.
Schüler ftatt Schulen.
jährlich ftatt täglich.
1615 ftatt 1416.
Tirols jtatt Trrole.
Slurns ftatt Glurvs.
dermaligen ftatt damaligen.
gelehrt ftatt geleertem.
dermaligen ftatt damaligen.
Pater ftatt Peter.
Voten ftatt Votum.
Faif. ftatt bayr.
nach: bejchehen ) zu fegen, und Zeile 11
nad) erpliciren dieß Zeichen zu tilgen.
Verhaltungsregeln für den Nachfolger
feft, 3. B. wöchentlich mwenigftens ıc.
fennen ftatt Fönnen.
geräumigfte ftatt genauefte.
Rleinere DVerjehen wolle der Lejer jelbft verbeffern.
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Beit f hrift
FERDINANDEUNG
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Herausgegeben
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dem Berwaltungs-Ansschnsse desselben.
Dritte Folge.
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Uhtes Heft.
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Innsbrurk, I
Drust der Wagner’fchen Buchdrnderei. A
1839. |
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ZEITSCHRIFT
FERDINANDEUMS
für
Tirol und Vorarlberg.
= ART em
Herausgegeben
von
dem Verwaltungs - Ausschusse desselben.
Dritte Folge.
Achtes Hefk
INNSBRUCK.
Druck der WAGNER’schen Universitäts-Buchdruckerei.
1.5.39.
Beiträge
Geognolie Tirols.
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Adolf Picler. 5
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Mit einer Karte und 30 Profilen.) #
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Innsbruck.
Druck der Wagnerschen Burhdrakerei.
1859.
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Wilhelm v. Haidinger und Fr. v. Hauer,
den unermüdlichen
Forjchern und Freunden
der
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aufrichtiger Weredrung
Herausgeber.
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Vorwort.
Ein günftiger Zufall führte mir, im Frühlinge des
berflofjenen Jahres zwet Aufläße: „Ueber, die Debthaler-
und Selvretta -Mafje' aus dem Nachlafje des Dr. Michael
Stotter, dejjen zu frühen. Tod. die Wijfenfchaft noch) immer
bedauern muß, in die Hände. Der Berfafier jcheint. fie
jedenfalls für den Druck beftimmt zu haben, ob. fie aber
jo wie fie vorliegen, völlig unverändert , der, Brejje: über-
geben werden follten, (äßt fich wohl nicht. mehr ermitteln.
It auch die Geognofie im Laufe des legten Dezen-
gen in mancher Beziehung über den Standpunkt des
bereits im Jahre 18348 verjtorbenen Forjchers, mie das
leicht begreiflich it, Hinausgefchritten, jo enthalten feine
Aufjäße Doch jo viele interefjante Thatjachen, die er theils
durch eigene Beobachtung jammelte, theild den Aufzeicd)-
nungen der Gommifjäre des gengnoftifch-montanijtijchen
Bereines, mie.ich mich bei Ducchficht der Papiere über-
zeugen Eonnte, entnahm, daß die Veröffentlichung derjelben
auch jeßt noch für die Kunde des Vaterlandes von Belang
it, wenn wir auch von der jehmerzlichen. Pflicht. abjehen,
melche das rühmliche Denkmal feines Zleißes, feines erfolg:
teichen Strebens nicht länger im Dunkeln, modern zu
lafien. gebeut.
Bon einem. der eriten. wifjenjchaftlichen . Injtitute
Europas, der E£. £. geologijchen Neichsanftalt mit dem
ehrenvollen Auftrage betraut, die Aufnahme des Wipp-
thales und feiner Verzweigungen durchzuführen, „habe ic)
einen großen Theil der Gegenden, die Stotter bereits
Dducchforjchte, begangen. Unfere Arbeiten können fich gegen-
feitig ergänzen: mir bleibt es erjpart, jo manches nod)
einmal'zu jagen, was bereits vortrefflic gejagt ift; Stotters
Zu
Auffäße dagegen erhalten hie und da eine Berichtigung,
wie fie vom neueren Standpunkt der Wifjenjchaft gefordert
und mir duch eine ruhige Prüfung der Thatfachen auf-
erlegt wurde. Der Lejer wird des Neuen genug finden,
um fich zu überzeugen, e8 jei weder mein Aufjaß noc)
die beigefügte Karte, welche mir das wohlfeile und bei
manchen Peuten doch jo jehmwer wiegende WBerbienft ein
ganzes Buch zu jehreiben erfparen joll, überflülfig; ich
jelbjt darf mir in meinem Gemiljen das Zeugniß geben,
daß ich mit unbefangenem Auge, ohne die Brille irgend
einer Hnpotheje, jet fie auch noch jo genial, zu jehen ver-
juchte und viberall die Autorität der Natur jener der
glänzenditen Namen vorzoQ.
Peicht it e8 geiftreich zu deuten, jchmwer verftändig
zu erklären; wer einmal den Alpen feine Aufmerkjamteit
zugewendet hat, weiß es mit vielleicht mehr Dank, wenn
manches unberührt bleibt, was fich Durch Berechnung aus
unbefannten Größen nicht erheben läßt. Daß ich die Arbeiten
anderer Forjcher, Die vor mir gleiche Wege gingen, fleikig
benußte, wird jeder Einfichtige billigen ; meiner Karte legte
ich die dom geognojtijch - montanijtifchen Wereine heraus-
gegebene zu Grunde, weil jo am Teichteften Vergleiche und
Berichtigungen möglic) find; zahlreiche Profile wurden
beigefügt, welche das PVerftändnig memer Abhandlung
erleichtern und zugleich die von mir vorgebrachten An-
fichten unterftügen follen. ch werde die Mühe, melche
ic) aufgemwendet, für Eeine verlorene halten, wenn e8 mit
gelingt in unferem Ländchen da oder dort einen Freund
der Natur zur Erforfchung ver Verhältniffe unferer herr
(then Gebirgsmelt angeregt zu haben.
Annsbrucd, am .15. D£tober. 1858.
Adolf Pichler:
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Aus
Inhalt.
dem Nacaffe von Michael Stotter .
Die Desthafer-Maffe wine
Die Kette der Danzebelle und gangtaufers i
Die Gruppe des Hochtreibers .
Die Querkette des Gebatjcherfnotens
Die DBennetgruppe . Ä
Das Desthal k
Die Gruppen des Ocherkogels EN PRO r
Der Stubeierfnoten K re
Die Gruppe des Schneeberges.
Die Gruppen der Ulfer-, Hochweiß-, Maftaun- Is Rems-
jpige
‚ Die SB
Nordweftabhang der Längenkette .
Die Ketten am nordöftlichen Keilende
Südoftabhang der Rängenfette . ,
Die Gruppen der Bettipike und des Rorielferhers R
dem Jun und Wippthale von Ei Sr
Mördlich des Snnes
Allgemeines .
Untere Trias a a LEER |
DSB Sande an. ee ne
b. Unterer Alpenfalf .
114
120
131
137
139
139
139
141
141
— VI —
Seite
Dhere Trias. . . . a son ol ee ae na
a. Oberer Alpenfalk DR BEUEIINTUDAFE. BETON
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Der metamorphe Find von Matrei und Navis’ ” 199
Gneis, Glimmerfchiefer, ie ET SEE IT era 0) (1)
Die Anthrasitformation . . + rer:
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- Michael Stotter.
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Dir Bebthaler- Male.
Bom Gebirgsitore der Selvretta gegen Morgen und in der
Are des Alpenzuges ift die Desthaler-Mafje emporgetrieben, be-
rühmt durch die Größe und Pracht ihrer Ferner, berühmt ducch
den Grnft der Bergesnatur, die hier in reicher Mannigfaltigfeit
und ohne ftörende Schärfe aufftellt, was fie an großartigen
Formen zu gejtalten vermag. Diefe Zentralmafje, ganz im Ge-
biete unferer Provinz gelegen, erhielt von fcher und Studer
ihren Namen. Der Umfang tft faft derfelbe, welchen A. Schau:
bach ver Gruppe der Desthaler-Gebirge gibt. Bon der Brenner:
Kapelle bei Refchen 4724 Th. (4828 T.), dem höchften ‘Punfte
am Pafie ver Malferheive, zieht die Gränze der Etfih entlang
ber raum 4647 Th. (4708 3), Mals 3361’ Th. (3371 I),
Eyers 7753'T., Laas 2716 TH., Schlanders 2254 Th. 2291’ T.),
Latich 2053 Th., Naturns 1735 Th. 1617’), Toll 1602 Th.
nach Meran 1074 Th. (1018 T.); Hier verläßt fie diefen Fluß,
begleitet die PBafler bis St. Leonhard 2147' B. und führt den
Waltenbach aufwärts über den Jaufen 6626’ B. in’s Ratfchingfer-
Thal und nach Sterzing 2964 3. Ihre Schranfe gegen Oft
bildet der oberfte Theil des Eifafthales über Goffenfaß 3366 T.
zum Pofthaufe am Brenner 4264’ %., und das Wippthal vom
Brennerfee 4040 gegen Gries 3621’ 2, Steinach 317% &.,
Matrei 3088° 2., unter dem Schönberg 2163° 2. bis Innsbrud
1820° &., Das Innthal endlich über Zirl 1956 %., Telfs
1979 N, Si 2148’ E., Landed 2546 Th. (2643 ©), Nied
2723, Th. (2793 %.), Pfunds 3063° Th. (3030' %.), bis Fin-
termün; 3093’ Th. und der Stillebach tiber gg A273 Th.
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bis zur Höhe bei Rechen vollenden gegen N. und W. die Be-
zeichnung dee Umfanges. Die Desthaler-Maffe ftellt daher ein
faft vegelmäßiges Oval dar, deffen längerer Durchmefjer von
Nefchen auf der Maljerheide bis Schönberg im Wippthale ge-
zogen, bei 11 deutfche Meilen mißt, aus ©. 55 W. gegen
R. 55 ©. fich richtet, alfo. von der Arenrichtung des öftlichen
Alpenzuges um 150 gegen N.-D. abweicht. Diefe Linie ijt für
den Bau der Mafje in mehrfacher Beziehung bevdeutfam; denn
fie zieht fajt ununterbrochen im Gebiete des Gneifes, der hier
die Fernfelsart bildet, und berührt nicht nur die wetliche und
öftliche Ausfeilung derfelben in Langtaufers und bei Neuftift in
Stubei, fondern- fällt auch ziemlich genau mit jenen Punften |
zufammen, an welchen man im Kaunfer-, Bis- und Desthale, alfo
in der Mitte der Maffe, eine vertifale Stellung der Gneistafeln
findet. Da diefe Tafeln und der unmittelbar daran gelehnte Glim-
merfchiefer in geringer Entfernung von diefen Punkten an der Nord-
feite nördlich, an der Süpdfeite füdlich geneigt find, fo bezeichnet diefer
Durchmeffer zugleich die antiklinifche Linie und die Streichungs-
richtung des Kerngebildes, fomit auch die der ganzen Mafie,
In den übrigen Gebirgsftöcden Tirols, wie weit fie uns
befannt find, ftreift die antiflinifche Linie ziemlich genau entlang
der Reihe der höchften Bergipisen, und Ddieje bejtehen aus den
Kerngebilden ihrer Maffe. So tft e8 aber nicht im Debthaler-
ftofe. Die Kette der höchften Gebirge liegt hier weit ab von
der. antiflinifchen Linie gegen ©. Sie wendet fich vom Ge
batfcher-Ferner und der Weißfugel ( Schweinferjoch, hintere wilde
Eisfpise 11,833° A 11,806° Schlagintweit) gegen Oft zur Finail-
fpige, dem Similaun 11,424’ A (11,442 Schlagintweit) der
Karls: und Hochwildfpige und biegt dann nordiwärts zum hohen
Firjt, dem Planfenjoch und Kitfamp. Auc) ift es .nicht die
Kernfelsart der Gneis, welcher diefe Höhen formt, fondern nur
die Derfe deffelben, nämlich der Glimmerfchiefer und feine Be-
gleiter, deren Schichten durchfchnittlich in der 17. bis 18 ©t.
der Bouffole ftreichen und nördlich verflächen. Nur die Gruppe
der Stubeier - Gebirge, welche um den Daun- und den großen
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Bodfogel aus den Gletfcherfeldern bis 10,000 über dem Meeres-
fpiegel auftauchen, wird von diefer Linie durchichnitten und ift
aus Gneis gebaut, der durch die Nichtung feiner fenfrechten
Tafeln im Allgemeinen mit dem Streichen der Maffe überein:
ftimmt. Die Eriftallinifchen Schiefer, welche diefen Gneis zu-
nächft umgeben, fallen davon faft nach jeder Himmelgegend ab.
Im Winacherthale bei Sölden neigen fie fich gegen ©., bei
Brand und Huben im Desthale gegen W., im Sulzthale bei
Lengenfeld, im Gleirjch- und Melachthale nordweitlich, in Ober-
‚berg bei Neuftift gegen N, am Zeibach in Stubei nach N.-D.,
in Gichnig öftlih und im hinterjten Theile von Pflerfch jüp-
öftlib. Die Bergrüden und Thäler, welche von diefer Gruppe
ausgehen, wertheilen fich gleichfalls in ftrahliger Richtung.
Bafleier und Rivnaun ziehen fich füpwärts, Bflerfch, Gfchms
und Stubei gegen Oft; die Seitenthäler von Selrain nordwärtg,
das Sulz und Winacherthal gegen Weit. Die Gruppe der
Stubeier-Gebirge ift daher mit fehr bejtimmten Zügen als ein
| Gentrum der Desthaler-Mafje bezeichnet.
Im jüdweftlichen Theile des Dvals, nahe dem Keilende,
gewahrt man einen ähnlichen Gebirgsfnoten von den Firngipfeln
um das Eismeer des Gebaticher- Ferners und der Weißfugel
gebildet, und ebenfalls Thäler und Bergrüden radienartig aus;
fendend. Langtaufers, Planail und Matfch Tenfen fich gegen
Abend, Schlandernaun gegen Mittag, Schnals und das Fender:
hal gegen Morgen und das Pit-, Kaunfer- und NRadurfchel-
thal nördlich. Der geognoftifche Bau diefes Knotens unter
ftügt aber nicht in gleich entfchievener Weife die Formverhältnifie;
denn jener grobflaßrige, fait granitifche ©neis, in dem wir das
Kerngebilde erfennen, durchbricht nur in den tiefgelegenen Ein-
Schnitten die Schieferdedfe und erhebt fich nur rechts am Ein-
gange. nach Sangtaufers, in Schnals, am Zielbache bei Bart-
bins und ‚bei Winterjtall: unterhalb Send, zu Tag. Das
herrichende Geftein ijt Glimmerfchiefer, öfters gneisartig, jeltener
‚mit Hornblendefchiefer wechielnd, und verbreitet fich gegen DO.
‚bis über die Wildfpige, dem Schlußjtein des Pisthales 11,911° A
#153
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Se
und dem Zimmels 8000’. Er fireicht durchfchnittlich, "wie
gefagt, von W. nach D. und fällt nördlich. Nur in der näc-
jten Umgebung des Knotens finden fich Schichtenverhältnifie,
welche auch vom geognoftifchen Standpunkte für die Anficht
fprechen, daß hier ein zweites Centrum der Desthaler - Maffe
beitehe. Die Schiefer des Schnalferthales ftreichen in die 4.
und 5. St. und verflächen mit 60 bis 700 gegen N. Im
obern Thalgrunde aber, welcher zum Hochjochferner führt, zeigt
fich ein fühliches Fallen umd bleibt in vdiefer Stellung bis zur
Mündung des Vernagtthales jenfeitS des Jochliberganges. Cher
als die Rofner- Grashöfe erreicht werden, ift das Fallen ein
nörbliches geworden. An der Weitfeite des Knotens, im Thale
Matfch nahe am Ferner, neigen fich die Schichten gegen W.
und in Langtaufers gegen N. Es läßt fich daher wenigftene
theilmeife ein Umfreifen des Knotens durch abfallende Schichten
nachweifen. — Der Stubeier- und Gebatfcher- Knoten find durch
eine im VBerhältnig zur Meereshöhe der Berge tief gelegene Ein-
fenfung gefchieden, welche faft gerade von N. nach ©. fi
erfirecft, nämlich durch das Desthal (Si; 2148’ El., Deb
2621’ 8., Umbaufen 3257’ E., Längenfeld 380% 8, Sölden -
4434' 8., Zwiefelftein 4545’ 8.) bis zum Timmelsjoch 8000' 8.
und durch das obere Paffeierthal bis St. Leonhard 2147' 8.
Beide Thäler find aber foiwohl durch das ftufenartige Anfteigen
und dem großen Wechfel in der Breite des Thalgrundes, ald
auch durch die Lage der Gefteinsfchichten, welche ihre Richtung
freuzt, ald Duerthäler charafterifirt, fönnen daher eine Trennung
diefer Knoten in zwei felbftändige Gentralmaffen nicht recht:
fertigen, ‘fondern bezeichnen nur die Gränge, in der die Wirfung
des füdmejtlichen Gentrums jener des nordöftlichen begegnet.
Der Gebatfher Knoten, durch feine meilenlangen
Gletfcherflächen und riefigen Firnfpigen ausgezeichnet, ftrecft oft:
wärts zwei parallele Längenfetten, deren füplichere won der
Weißfugel zum Similaun, der Hochwildfpige bis an das Tim-
melsjoch ziehend, die Zuflüffe der Etfch und des Inne, jomit
das Gebiet des adriatifchen und fchwarzen Meeres, fcheidet;
Sl Ares
merbiwärts enden. ihre Zweige im Rofners Fender und Timmels-
thale, jüdwärts im hintern. Schnale=, Bfoffen-, Pfelderer: und
Baffeierthale. Einige, Einfattelungen diefer. Längenfette werden
zu Sochlibergängen benügt, Der Baß über das Hochjoch
9310. 8. zwifchen dem Neusberg und der Finailfpige führt aus
Schnals in’s Nofenthal, ijt aber gegenwärtig durch das Vor:
rüden des Vernagtferners fehr erfchwert. Der Baß am Nieder-
joch, das Schnalferjöchl, «welcher von Unfer. Frau durch das
‚Ziffen- in.das Spiegelthal und nach end leitet, ift nur wenig
‚tiefer als erfterer und zwifchen der Finailfpige und dem Simis
Taum-eingefchnitten. Bon Obergurgl: über den großen Desthaler-
Berner ins Pfofienthal zu fteigen bleibt tet ein Wagnig und
darf nur wohlgerüjtet und mit aller Borficht unternommen
werden. Weniger gefährlich find die Päffe am Langthalerjoch
und fchwarzen See, welche Obergurgl mit Bfelders und Baffeier
verbinden. Die nördliche kürzere Längenkette zieht zum Proch-
fogel und der Wildfpike und verflächt fich gegen Sölden. E8
‚bejtehen feine Verbindungspfade zwifchen Send und den jenfei-
tigen Thälern. Nur der Rofnerbauer erzählt, daß er vor Jahren
einige Male über den Hochvernagt- und Gebatfcher-Ferner in’s
Kaunferthal gegangen, bei dem jegigen Zuftande der Eisberge
fei aber ein Uebergang unmöglich. Bom Nordiveftabhang diefer
Längenfetie dehnen fich drei wenig breite aber jehr lange Quer:
fetten in der Richtung des Merivians bis an die Nordgränge
dev Mafle, durch den fchönen Fächerbau ihrer Schichtenitellung
ausgezeichnet, und trennen das Radurfichel:, Kaunfer, Pit- und
Desthal Ihre Spigen find mit wenigen Unterbrechungen von
‚Sernern umlagert und erreichen mehr als 9000‘, fo der Glos:
thurn weitlich von der Gebatjcher-2llpe 10,578° AA, der Wild:
‚grathfogel bei Umhaufen 9385’ A.
Dev Stubeier Knoten in Ausdehnung der Ferner und
Höhe feiner Firngipfel ein twlürdiger Nivale des Gebatfcher-
"notens, laßt fich faft nur ald ein Ganzes) darftellen, im In-
‚nern aus Gneis beftehend und von friftallinifchen Schiefern in
großer Mächtigfeit umfreif't. Er findet feine Gränge erft am
1
Djtrande der ganzen Maffe, wo die Gefteine des Sedimentringes
deutlich den Schiefern aufgelagert find. Wird aber die Schichten-
fage diefer Schiefer einer fchärfern Prüfung unterworfen, fo
gewahrt man, daß nur die Schichten zunächft in der Mitte des
Erhebungsgebietes ringsum nach -auffen abfallen, dann aber in
die entgegengefegte Stellung übergehen und ihr Verflächen dem
Gneife zufehren.
Diefe Aenderung in der Schichtenftellung erfcheint befonders
ausgezeichnet an zwei Bergparthieen der kriftallinifchen Schiefer
nördlich und füdlich vom Gentrum der Erhebung, und dürfte
eine Ausfcheidung derfelben hinreichend rechtfertigen. Dapdurch
und durch die Berggruppen des Sedimentringes im Wippthale
erhält diefer Knoten einen engern Umfang, ven weftlich das
Desthal von Umhaufen bis Sölden und füdlich theilweife das
Winacherthal bezeichnen. Die Gfletfcherfelder des Hoch- und
Ihalferners mit ihren Nachbarn unterbrechen die weitere Gränz:
beftimmung bis in den hinterften Theil von Pflerfch; man Ffann
nur wahrnehmen, daß die füdmwärts fich erhebenden Schiefer-
gebirge mit ihren Kalfeinlagerungen zwifchen einem nördlichen
und nordweftlichen Fallen der Schichten fchwanfen.
Das von der Eifenfpise in :Bflerfch nördlich ziehende Son-
desthal jegt die Umgränzung bis Gfchnis, das Piniferjoch
7460’ 8. und das Piniferthal bis Neuftift in Stubei 3106‘ 2.,
endlich das DOberberger- und Sendersthal bis Arams 2747’ 8.
fort. Die Schranke gegen N. zieht von Gries in Selrain 3681’ 2.
nah St. Sigmund 4686’ 2. und Kühthei 6347° 2., wendet fich
gegen das füdlich anfteigende Lengenthal und der Farftrinme ab-
wärts nach Deften bei Umhaufen. Innerhalb diefer Gränzen
das Gebiet des Kerngneifes von den Friftallinifchen Schiefern zu
trennen, fönnte nicht ohne Zwang gefchehen, weil ihr Anftoß
theil8 durch Mebergänge verwifcht, theils unter Vegetation oder.
Schnee und Eis verborgen ift. Worherrfchend -finden wir den
Gneis nur in der;Gebirgsparthie um den Alpeinerferner, welche
von ihren faft unnahbaren Höhen gegen das hintere Stubei,
das Sulzthal, den Langthalerferner, die Alpe Lifens und das
ed
Thal Oberberg abdacht. Der Fernerfogel (10,301' u. 10,117’ Th.)
ober Lifens und die Brennerfpige bei Volderau 9682‘ L. find
die einzigen gemeffenen Höhen in diefem Gletfcherftoce. Won
diefer Mitte jtredft die Schieferhlille ihre Strahlen aus und
fehiebt nach allen Richtungen zwifchen die Thäler Bergrüden,
welche nur orographifch in Gruppen aufgelöft werden fönnen.
Eine diefer Bergreihen, welche vom großen Bodfogel ausgehend
füdwärts zur Schaufelfpige, dem Daunfogel, der hohen Fräule
und hohen Grindl zieht, bildet im weitern Verlaufe zwifchen
Gfehnis, Obernberg und Bflerfch, vereint mit der Sediment-
gruppe des Tribulauns, die Wafferfcheide zwifchen Inn und
Eifaf bis an den Brenner.
Die nördlihe Parthie der Friftallinifchen.
Schiefer, in der Ejcher eine Fortfegung des weftlichen Fächers,
erfennt*), durch eine Schichtenneigung gegen Süd dem Nord-
fallen in ven Seitenthälern Selvains gegenüber ausgezeichnet, um-
faßt die Gruppen des Ocherfogels und Hocheders. Er-
ftere erhebt fich mit fenfrechten Wänden zwifchen Kühthei, Ochfen-
garten 4985’ E., Des und Umhaufen. Legterer fteht am rechten
Innufer von der Mündung des Desthales bis zum Erguffe der
Melach und neigt fich gegen ©. in das Griefer- und Stubeier-
thal. Der Birffogel 8927’ A, das Kreuzjoch 84128, der
‚Hocheder 8827° A und der Roßfogel 8332’ 2. find die hervor-
tragenden Spigen diefer Gruppe. Gneis bildet den Sockel,
‚Glimmerfchiefer das Dach verfelben. — Die füpliche Schiefer-
parthie theilt fich in den Bergrüden, welcher zwifchen dem
Winacher- und Timmelsthale den Wannenfopf und Kitfamp
emportreibt und am Jimmelsjoch mit der füdlichen Längenfette
des Gebatfcher-Rnotens zufammenftoßt, in die Schneeberger-
‚Gruppe den Ringgebilden angehörig und den Gebirgsarm zwifchen
Ridnaun und Pflerfch.
Der Gebatjcher- und Stubeierfnoten und ihre Schiefer:
gruppen werben von einem gemeinfchaftlichen Kranze fevimen-
*) Neues Sahrbuch für Mineralogie ıc. Sahrgang 1845. ©. 539.
ei
tärer Felsarten umgeben, welche fich theild an die gegen die
Peripherie gerichteten Abhänge der Eriftallinifchen Schiefer ir.
theils zu jelbjtändigen Gruppen gejtalten.
Die Ausfeilung des Gneifes, der dem Gebaticherfnoten zu
Grunde liegt, fällt in den Gebirgschden, welcher von der Weiß-
fugel gegen Abend zur Freibrunnerfpige und dem Danzebelle-
fopf 10,042° A zieht, in die Thäler Langtaufers, ‘Blanail und
Matich abdacht, und wegen feiner dichten Pflanzendede geog-
noftifchen Unterfuchungen fein günftiges Terrain gewährt. Kern:
gneis mit fat granitifcher Struftur aus weißem Felvjpath, Druarg
und fchwärzlichen Glimmer zufammengefest, bricht nur um den
Fuß der Ferner im Meatfcherthale und rechts vom Eingang in
das Yangtaufererthal, die Klopniverfpige bildend, hewwor. Hier
jteigt er auch bis am das Ufer des Kefcherfees herab, jeßt quer
über den Baß und trägt jenfeits die Schiefer und jüngern Kalte
des. Piglat und der Gränzberge im Rajenthale. Alle Höhen
vom Danzebellefopf gegen den PBlangran und das Habacher-
Köpfl find, foweit eine Beobachtung möglich war, von kriftallis
nifchen Schiefern geformt. An den Abhängen gegen die Malfer-
heide bemerft man jedoch eine theilweife Ummwandlung derfelben
in Thonglimmerfchiefer, dem am Grauner-End Gyps und Rauch-
wade und darüber jchwarze Kalffchiefer mit grauen, dichten und
magnefiahaltigen Kalfen wechfeind aufgelagert find; Gefteine,
welche wir dem untern *) Alpenkfalf beizählen.
Am Fuße des Gebivges bei Haid und Blaben blicten
wieder Ölimmer- und Hornblendefchiefer unter ver Pflanzen-
defe hervor. Ueber die Echichtenlage der Friftallinifchen Schiefer
in, diefer Bergfette wagen wir nicht zu entjcheiden; denn ‚ed
fonnten nicht fo viele Beobachtungen gejammelt werden, um
daraus eine fichere Beltimmung zu treffen. Wenn aud an
einigen Stellen ein füdliches Streichen und weftliches Fallen
gefehen wurde, was mit dem Baue des Gebatfcherfnotens über:
einftimmte, fo liegen doch zu weite Stredfen von Wald und Feld
*) Mohl dem obern! 4. W.
|
NM —
Daziwiichen, al& daß dieje wereinzelten Abnahmen ohne Zwang
werbunden werden dürften. ntfchievener zeigt fich die Schichten-
lage der beiden Flügelfetten, welche den Bergrüden der Danze-
belle begleiten. Die füdliche ftreicht von der Freibrunnerfpige
zur Bortlesfpige und fenft fich gegen Mals. Sie befteht aus
friftallinifchen, jüdlich fallenden Schiefern. Die nämlichen Ge-
jteine, aber mit nördlichen Verflächen bauen die'Bergreihe, welche
‚fich am Hochglosthurm lört, und zum Schaffopf und zur Gi:
anderfpige zieht, wo mit der Klopaiverfpige oder dem Rauchfopf
der granitifche Gineis unter dem Schiefer erfcheint. Diefe beiden
Slügelketten begrängen daher die jüdweftliche Ausfeilung ver
Desthaler - Mafie.
Nördlich Davon gegen den Inn ift die Gruppe Des
Hochtreibers, welche zwifchen Nauders, Finftermünz und
dem NRadurfchelthale ich erhebt, won der Flügelfette des Schaf-
Fopfes durch das NauderersTicheijoch gefchieden, und gehört völlig
den Ninggebilden an, nämlich jenen Thonglimmerfchiefern, fein-
-Förnigen und fchiefrigen Kalfen, welche wir al8 Umrandung der
Selvretta-Mafle an deren Elhdabdachung fennen. Diefelben
Gebilde umfäumen auch das Nordende der Querfette zwifchen
dem Radurfchel- und Kaunferthjal und gehen bald unmerflich
in kriftallinifche Schiefer über, bald fieht man einen eifenfchüffigen
thonigen Schiefer als Vermittlung zwifchen beiden. Bei Lande
bilden fie die Gruppe des Vennet, durh das Pillerthal
don der zweiten Duerfette zwifchen dem Kaunfer und Pisthale
Holirt. Die dritte Diurrfette zwifchen Bis- und Debthal unter-
‚bricht den Ring der Sedimentgebilde und tritt mit ihren Glim-
mer- und Hornblendefchiefern bis an den Inn. Die Gruppe
des Hocheders füpdöftlich von Silz zeigt an ihrem Fuß bei Stame
wieder einen jchmalen Saum des Thonglimmerfchiefers, der fich
"bei Oberhofen und Flaurling erweitert, bald aber von den mäch-
tigen Diluvial:Maffen um Ranggen und Oberperfuß bedeckt wird.
An der Mündung des Selrainerthales ift diefer Saum nicht
mehr fichtbar, nur Glimmerfchiefer fteht an der engen Schlucht,
und taucht auch hier und da aus dem Dilusium empor, welches
Ya
das Mittelgebirge von Arams und Gögens Übergoß. Der Berg
Iiel bei Innsbruck und die Fläche um Natters und Mutters
von Gieroldbah bei Völs bis Unterfchönberg befteht aus Thon-
glimmerfchiefer, der jedoch al& ein losgeriffener Theil der gleich-
artigen Gefteine jenfeitS der Sill zu betrachten ift.
In der Beripherie der Desthaler- Maffe gegen ©. und
SD. fucht man vergebens den charafteriftifchen Ihonglimmer-
fchiefer, welcher die Nordfeite umvandet. Man begegnet viel-
mehr in der ganzen Stredfe vom Matjcherthal bis Sterzing nur
einem Schiefer, der durch feine mineralogifhen Kennzeichen von
Slimmerfchiefern fich wenig oder gar nicht unterfcheidet und
ebenfo wie diefer in den beiden Längenfetten des Gebatfcher- |
fnotens durchfchnittlich von W. nach D. ftreicht und nördlich
verflächt. Demnach wäre der Gebirgsjtorf an diefer Seite wohl
ziemlich deutlich durch Die Längenthäler VBintfchgau, Paffeier
und Natfchings von der Gindicaria- und Benfer-Maffe gefondert
aber nicht geognoftisch durch Ninggeiteine begränzt. Werben
jedoch die Schiefer am Südabhang der. Degthaler -Maffe, ab-
gejehen von ihrem mineralogifchen Charakter, al8 Glied einer
Gejteinggruppe betrachtet, werden ihre Einlagerungen, ihr Wech-
jeln mit: andern Felsarten geprüft, fo glauben wir eine Ver-
jchiedenheit zwifchen dem Glimmerfchiefer, welcher den Kerngneis
nahefteht, und jenem der Südabdachung zu erfennen, die wohl
beaxhtenswerth fein dirfte. Der Glimmerfchiefer in der Nähe
der Knoten und der antiflinifchen Linie wechfelt häufig mit Horn-
biendefchiefev und eflogitähnlichem Gejtein, und gebt durch
Aufnahme von Feldfpath in glimmerreichen Gneis über. Nirs
gends finden wir Kalfausfcheivungen, und von Erzen faum mehr
als Schwefelfies darin. Andere Verhältniffe zeigen dagegen die
Schiefer an der Peripherie der Mafle. Schon im Meatfiher-
thal it ein förniger weißer Kalk dem Ölimmerfchiefer eingelagert
und wendet fich mit öftlichem Streihen und nörblichem Fallen
gegen das Gadria- oder Strimmthal bei Laas.
An der Hochmeißfpige im Pfoflenthal tritt eine ähnliche
Kalffchicht unter gleichen VBerhältniffen zu Tage und bleibt fo-
— BB u
| wohl an der linfen Seite des Pfelvererthales als auch im Schnee:
berg und im Gebirgsrüdem zwifchen Ratfehings und Nidnaun
abfäßige Lager bildend fichtbar. Die Gebirge des Schlander-
nauner= (befier Schlandrauner-) und Schnalferthales trennen
aljo diefe Kalfzüge, wenigitens gejtattet die geringe Anzahl von
| Entblößungen, welche die Pflanzenderfe und die Schutthalven
übrig lafjen, weder ihre Fortfegung zu erfennen, noch deuten
Gefchiebe auf deren Dafein. Werden dennoch beide Kalfvor-
fommen, troß Diefer Unterbrechung in der Richtung ihres
Streichens, al8 verbunden gedacht und zu einem Zuge ver:
fnüpft, jo würde derfelbe füdmwärts eine Reihe von Berggruppen
ausfcheiden, die zum größten Theil aus Friftallinifchen Schiefern,
und zwar mit allen Kennzeichen des Glimmerfchiefers, bejtehen.
Bergebend fucht man aber in denfelben Einlagerungen von
Hornblendefchiefer. Nur mo der grobflaßrige Gneis aus dem
Thalgrunde fich erhebt, wie in Schnals und Zielthale, oder die
Öranite der Giudicarias und Benfer-Maffe, die die Wafjergränze-
des Desthaleritodes überjchreiten, wie bei Meran und St. Martin
in Pafjeier und mit den Schiefern zufammentveffen, nehmen diefe
auch Feldfpath auf. Einen weitern Auffchluß über die Natur
diefer Schiefer dürften. die Erzlager geben, welche mit gewifler
| Beichränfung wohl feinen geringern Werth bei der Beitimmung
und Charafterijtif der Gejteinsgruppen haben, als die Ber-
fteinerungen. Während der Glimmerfchiefer nördlich des Kalf-
| zuges, wie gejagt, nur Schwefelfies umfchließt, oder nur an der
obern Gränze und in Berührung mit jüngern Felsarten metall:
führend wird, entwickeln die Schiefer der Südfeite eine größere
Mannigfaltigkeit und einen nicht unbeträchtlichen Reichthum an
Schwefelmetallen. Wir nennen hier nur das Vorkommen von
Kupferfies bei TZanas ober Laas und im Pfraunthale bei Fig,
don oferigem Brauneifenjtein (wohl nur. verwitterten Schwefel-
fies) ober Vesan, von Bleiglanz und Blende bei Annaberg in
Bintfehgau, am Schneeberg in Baffeier und bei Telfes im Maz-
teiterthal. Nach unfern Erfahrungen beherbergen nur Thon:
glinmerjchiefer und feine Begleiter folche Erze, Wo immer Diefe
Pe
Felsarten im Umtreife der Gentral-Maffe erfcheinen, und Dies |
gilt auch für ihe Auftreten an der Nordfeite des Degthalerftodes, |
bewahren fie diefe Eigenthümlichkeit fo getreu, daß diefelbe wohl
als ein charafteriftiiches Merkmal angenommen werden Fann.
Wenn wir aus der Erzführung die Natur des Muttergefteins
beftimmen dürften, müßten vdiefe Schiefer faft nothiwendig der
Gruppe des Thonglimmerfchiefers beigezählt werden. Doch diefer
Grund ift nicht der einzige, welcher eine folche Anficht unter
ftügen dürfte; denn diefe Schiefer zeigen das Kriftallinifche ihrer
Gemengtheile nur in der Nähe der Kerngefteine ganz Deutlich, '
in einiger Entfernung davon verliert ich Daflelbe allmählig und
e8 erfcheinen Varietäten, welche mit gutem Recht vem Thon-
glimmerfchiefer beizuzählen wären. Wir erinnern nur an jene
fchwärzlichen Schiefer in PBafleier und bei Sterzing, in welchen
jede Spur des Kriftallinifchen verfchwunden tt. Noch mehr, in
Kivnaun und Pflerfch ftoßen diefe Schiefer an Thonglimmer-
fchiefer, welcher! die Gebirge weftlich vom Brennerpaß bildet,
und gehen ohne Gränze in vdenfelben über. uch die Erzlager
von Annaberg und Schneeberg, in welchen Bleiglanz und
Blende, Kupfer- und Schwefelfies einbrachen, wieverholen fich
im Gebiete des Ihonglimmerjchiefers bei Goffenfaß und im
Thale Annaberg. Wir glauben daher nicht ohne Grumd zu
verfahren, wenn wir diefe Schiefer, troß dem Kriftallinifchen
ihrer Oemengtheile, den Thonglimmerfchiefern beizählen, weil wir
nur Thatfachen zur Vertheidigung diefer Anficht fprechen laffen.
Zur Erklärung der Urfache, welche dem Thonglimmerfchiefer die
friftallinifche Beichaffenheit gab, werweifen wir auf die Lehre der
berühmten Schweizer » Geologen Über die Gejteinsummwandlung
und bemerfen nur, daß dort, mo Diefe Schiefer auftreten, die
Kerngebilde der Debthaler-, Giudicaria- und Penjer-Maffe fehr
nahe zufammenftehen, ja fich fait berühren, und einer Ummwand-
lung von Thonglimmerfchiefer in Glimmerfchiefer weder von
chemifcher noch naturhiftorifcher Seite erhebliche Bedenfen ent:
gegen find. In den Blättern der großen geognoftifchen Karte
von Tirol find jedoch diefe Schiefer als zur Gruppe des Glimmer-
= .: =
fchiefers *) gehörend bezeichnet, weil in diefelben nur die unmit-
telbare Erjcheinung aufgenommen werden follte.
Der Zug diefer Schiefer erftreift fich vom Matfcherthal bis
gegen Sterzing zwifchen den Südabhang des Gebatfcherfnotens
und der Etfch, PBafjer und dem NRatfchingferbache, und wird
durch Duerthäler in mehrere. Gruppen geordnet.
Die Gruppe der NRemsfpige im W. wird von
Matfcher- und Schlandraunerthal umfaßt, jene der Maftauns
fpige vom Schlandrauner- und Schnalferthal. Die Gruppe
der Hochmweißfpige: ift gegen Abend vom Schnalfer- md
Dfoffenthal, gegen Morgen vom Spronfer- und Lasinferthal
begrängt. -Lestere, das Thal Pfelders und der untere Theil von
Bafjeier umfreifen die Gruppe der Ulferfpige Die
legte Gruppe, jene des Schneebergs ‘mit ihren Zweigen gegen
den Jaufen und Sterzing, bildet die Höhen, welche Baffeier von
Ratfchings und Nivnaun fcheiven.
regen Dften trennt ein breiter Wall von Gebirgen die
Desthaler- von der Tauren -Mafle. Die nördlichen Ringgebilve
der Legteren, nämlich die Thonglinmerfchiefer und die ihnen ein-
gelagerten Kalfbänder, biegen aus dem Thale Schmirn und
Bals füdwärts, geftalten die Wände des Brennerpaffes und
die Berge linfs und rechts vom Thale Obernberg fowie- theil-
weiße den Bergrüden zwifchen Nflerfch und Rivnaun, hier mit
en Schiefern der Schneebergegruppe fich verbindend. Zivifchen
Diefem Wall des Ihonglimmerfchiefer8 und dem Gebiete des
nemifee, welcher der Verziveigung des Stubeierjtucdes
angehört, oder vielmehr venfelben aufgelagert erfcheint ein Kalf-
zug, defjen Schichten, wenngleich vorzüglich in der Berührung
mit Glimmerfchiefer fehr verändert, doch zum untern **) Alpen-
Falk gerechnet werden müflen. Diefe Kalfe erheben fi zu be-
deutenden Höhen und bilden nicht nur einzelne Kleine Kappen
den Schiefern aufgefegt, wie am Schleirberg 6986 A, bei
Goffenfaß, fondern auch die größern Berggruppen des
*) Und mit Reht! A. P.
#) Dhbern! A. ®.
m
Tribulaung, der Serlesfpige und der Kalffegel. Erftere
begrängen die Thäler Obernberg, Pflerich und Sondes; die
zweite ragt zwifchen Gfchnig und Stubei empor und wird durch
das Piniferthal von der Habichtipige gejchieden ; die dritte endlich
umfchlingen die Thäler Stubei, Oberberg, Senders und das
Mittelgebivg von Arams, Gögends, Mutter und Greit bei
Innsbrud. Diefer mächtige Kalfitreifen ziwifchen den Ring-
gebilden der Zauren-Mafle und der Ausfeilung des Stubeier-
fnotens wiederholt daher im Großen eine, Erfiheinung, welche
am. füoweftlichen Keilende der Mafie im Vorbilde gegeben ift;
denn der Bergrücden zwijchen Langtaufers und Blanail, der die
Ausfeilung des Gneijes aufnimmt, trägt an den legten Borz |
bergen, gegen die Maljerheide in vderfelben Art eine ifolirte
Barthie des *) untern Alpenkalfes wie der maffige Gneis und feine
Hülle von Eriftallinifchen Schiefern, welche hinter Neuftift im
Stubei am Fuß des hohen Burgftalls aus dem Thalgeunde
auftauchen und das nordöjtliche Keilende darftellen. Keine Gruppe
diefer Kalfberge eignet fich jo trefflich zum Beweife, daß vie
Kalfe dem Glimmerfchiefer aufgelegt find, als. jene der Kalf-
fegel; denn rings um den Fuß derfelben zeigen fich die friftalli-
nijchen Schiefer, und nur in der. furzen. Strede bei Bulpmes,
wo tiefe Schuttmaffen. das Gehänge überfleiven, bleibt e8. zweifel-
haft, ob die Auflagerung völlig ifoliet «oder eben: hier mit den
Kalfen der Serleögruppe verbunden fei.
Die Desthaler-Maffe, die Waflerfcheide zwifchen dem
jchwarzen und adriatifchen Meer, ift durch die Schönheit und Maje-
jtät der Bergformen nicht weniger ausgezeichnet als durch ihren
orographifchen und geognoftiichen Bau, und prangt im gejteigers
ten Maaße mit Allem, was die Alpennatur in Tirol Eigen-
thümliches befist. Beragipfel an 12,000° hoch, welche ohne die
pifanten, fajt Fofetten Zaden der Dolomitfuppen imponirenz
Öletjchermeere von meilenlanger Ausdehnung dort ftare und
unbeweglih, Hier in unheimlicher Negfamkeit thätig den milch-
*) Dbern! A. P.
- # =
weißen Wildbach zu ftauen: Alpenweiden im Schmurfe einer
feltenen Flora; Gießbäche über fchwarzes Gefelfe ftürzend, oder
aus der Staubwolfe hinter dunklen Fichtenjtämmen erfennbar,
und nur tief unten am Eaume der Wälder, am Fuße der Berge
MWohnftätten der Menfchen, Wiefen und fpärliche Felder, die
morgen ein abrollender Stein zerdrüdt, ein Gewitierregen mit
Cihutt überyießt, find die erften Bilder aus diefem Gebirgs-
ftode. Der Thalbewohner arbeitet mit feinen beften Kräften,
fchweißt umd ringt, die Natur fpielt mit feinen Mühen, duldet
heute das aufgedrungene Joch der Kultur, morgen wirft fie es
ab Sie herricht hier, nicht der Menih. Soweit das Gebiet
Diefer Mafle reicht, fteigen die Berge fehr fteil bi8 zur Yirn-
Tegion empor. Wenige Gipfel, felbit noch im Kreife der Ning-
gebilde, genügen fich mit einer Höhe unter 8000‘, viele ragen
dis 10,000‘, einzelne bis 12,000° hinan. Dennoch liegt der
Rand der Mafie tief, (Innsbruf 1820, Meran 1018° T. über
dem Meere) und die höchften PBunfte defielben, an der Scheid-
te bei Reichen 4724 und das Vofthaus am Brenner 4264
immer noch bedeutend niedriger als einige Stellen der Selvretta-
Mafie, 5. B. der Abula-Pag und der Arlberg. Nur am
Saufen ift die Desthaler-Maffe weniger bejtimmt vom PBenfer-
ftorfe gefchieden, an allen andern Orten fteht fie völlig iolirt.
+ Unter den Namen der Berge und Thäler hört man manche
von feltfamen Klang, befonders im fünöftlichen Theile. Sie
Mögen wohl aus der Zeit der Genaunen ftammen. Die größere
Anzahl derfelben ijt deutfchen Urfprungs *%). Im weltlichen
Theile, defien Bewohner noch vor 100 Jahren romanifch fprachen,
find Iateinifche Namen nicht felten.
Um die Thäler und Bergrüden diefer Gentral-Maffe genauer
fennen zu lernen, beginnen wir mit der Fette der Danzebelle in
Langtaufers, und begehen gegen DO. vorridend die nördlichen
Duierfetten des Gebatfcherfnotens, das Debthal mit feinen
na
in |
1") Ueber Dieje ethnographifchen und jprachlichen Verhättuufe Fann
in fi aus den dahin einfchlägigen Schriften ®. Steubs A a Aa».
— 1% ° —
Zweigen, die Radienthäler des Stubeierfnotens: und fehren, die }
Schiefergruppen am Südrande dev Mafje befuchend, an Das
füdweitliche Keilende zurüd.
Die Kette der Danzebelle und Xangtaufers.
Dr
Wenig unter der Brennerfapelle bei Nefchen 4724’ Th,
dem höchiten Punkte der Boftitvage nach Meran, liegen die drei
Seen der Malferheive, der Nefchen-, Mitter- und Heivenfee,
legterer 4520 über dem Meere, alfo nur wenig tiefer ald die
Scheivede, und trennen die Grängberge gegen Engadin vom
waldigen Abhang der Danzebellefette, die jüdlih in das Thal
Planail, nördlich gegen Langtaufers abdacht. Glimmerfchiefer
nahe der Malferheive, dem Thonglimmerfchiefer Ahnlich, bie und
da Feldfpath oder Hornblende aufnehmend, gejtaltet, ‚nach, den
wenigen Entblößungen zu urtheilen, die Bergfeite gegen Planail, ”
den PBlangran, die Danzebelle und umfchließt das Ihälchen
PBlaben. Die Vegetation bekleidet hier jo dicht die Oberfläche,
daß die Stellung der Schichten nur unficher anzugeben ift, und
es wird nicht felten nöthig lange Wege duch Wald und Feld
zu machen um nur ein hervorragendes Felsjtik zu finden, Über
Pe 0. Die NDS, ie
welches endlich noch der Zweifel fich erhebt, ob e6 wirklich an
ftehe, oder nur abgerollt fei. ES dinrfte jedoch ein Verflächen
der Schichten gegen W., wenigftens im vordern Theile der Kette,
229
der Wahrheit entfprechen. Unter folchen Berhältniffen fann
auh von Mineral: oder Erzfunden feine Rede fein, und wir
wifien auch nur, daß 1789 die Belehnung auf ein: Vorkommen
von Bleierz bei Planail ertheilt wurde. — Bei Graun werden -
heilgraue Felfen fichtbar, dahin eilen wir. Am Fuße des Berges,
Pa
welcher an der Süpfeite des Ihaleinganges von Langtaufers
jteht, blickt Glimmerfchiefer, den Bündtnerfchiefern ähnlich, mit
füdöftlicher Sallrihtung hervor, und wechfelt eine halbe Stunde
en)
thaleinwärts im Marmeltbal mit Hornblendefchiefer. Unmittel-
bar darauf liegt höher im diefem Thälchen reiner, weißer Ala-
bajter, geht nach oben in gewöhnlichen: dichten Gyps über und
wird von NRauchwacfe bededt. Legtere verwandelt fich, allmählig
a
Dichter werdend, in grauen Kalfjtein mit vöthlichen Zwifchen-
lagen, der mit unter 400 gegen MW. geneigten Schichten Die
Kuppe des Graunerends bildet. Die Höhen füpöftlich von der
Grauner - Alpe formt Glimmerfchiefer. Hier an der Gefteins-
gränze follten ich nach Ausfage der Bauern Erze finden, es
‚zeigt Sich, aber nur mit Eifenoder überzogener Schiefer. Der
- Gyp3 und die Rauchtvare verlieren fih in der Richtung gegen
den Bojcherbach, um ‚welchen nur Kalfjtein mit verworrenem
Cüpdoftfallen erfcheint. Die geößern Entblößungen geben jedoch
bier befiere Auffchlüffe über feine Natur, als im Marmelthal.
Dolomitifcher, plitteriger Kalf ift von einem fchwärzlichen Kalf-
jteine überlagert, und leßterer wechfelt einige Male mit dunflem
Kalfichiefer. Im nächften Thälchen des. Striegelbaches enden
Die Kalke., Daß Gyps, Rauchwade und Kalk hier über den
Schiefern liegen, ijt außer Zweifel gejegt, auch die Einreihung
derfelben in die Gruppen der Sedimentzone hat feine Schiwierig-
feit, «wenn diefe ifolixte Ralkparthie mit den Lagerungsverhält-
niffen an der Nordfeite des Stanzerthales verglichen wind.
* Dort folgt dem unterliegenden Schiefer rother Sandftein, diefem
Gpps und Rauchwade, und darüber liegen die wechfelnven
Schichten des unteren Alpenfalfes , jchwarzer, dichter Kalfjtein
und Kalffchiefer und magnefiahaltiger Ralf. Bon diefer Schichten-
folge fehlt im Marmelthal nur der wothe Sandjtein. Aber auch
dafüv.ift ein Analogon, wenngleich nicht anftehend, doch in ein-
zelnen Bruchitüden am rechten Ufer des Bofcherbaches zu fehen,
nämlich ein breecienartiges Geftein des Thonglimmerfchiefers, das
zu Mühljteinen verwendet wird.
. Bom Striegelbache ojtwärts bi8 an den Fuß der Ferner
gewahrt man nur gneisartiaen Glimmerjchiefer mit fünweftlichem
‚Ballen. Der Langtauferer + Ferner hinter der Alpe Malagg,
der mit dem Gebatjcher-Eismeere in Verbindung fteht, it gegen-
wärtig im Nückfchreiten und. der Schuttwall bei 200 Schritte
dom untern ‚Ende des langgedehnten Eisftromes entfernt, das
‚6429 3. hoch gelegen. Man: erinnert fich noch im Thale, daß
“der Ferner, der erft vor Kurzem Diefe gewaltige Man vor-
Te
fchob, früher viel tiefer im Hintergrunde des Thales gelegen
und während des VBorrüdens einen Theil der Weivepläge be
deeft habe.
Die Bergreihe am rechten Ufer des Carlinbaches, der nörd-
lichen Flügelfette des Keilendes angehörend, zeigt ebenfalls
Glimmerfchiefer, den wenig mächtige Streifen von Hornblende-
febtefer unterbrechen. Seine Schichten fallen aber ziemlich fteil
gegen N. Ober den legten Häufern des Weilerd Malagg am
Wege, der über das Langtaufererjochb zur Alpe Gebatfch und
in’s Kaunferthal führt, finden fich an der Gränze der obigen
Schiefer binuer Dijthen in blätterigen Mafien mit braunrothem
Duarz und fchöne Kriftalle von Staurolith.
Ein Erzuorfommen im Gfchwellbachgraben außerhalb Hinter:
ficch, das etwa vor 30 Jahren gemuthet wurde, Fonnte nicht
wieder gefunden werden. — An der Mündung des Thales über-
jäen Trümmer eines granitifchen Gneifes den Abhang der Klo-
pairerfpige, und in der Richtung gegen Graun und Refchen
erjcheint bald das Anftehende vefelben.
Der Nordabhang diefer Flügelfette gegen den Zellegbach und
das Nauderer - Tfcheithal unterfcheivet fich im Baue und den
Seldarten nicht von der Abdachung gegen Langtaufers, und jtoßt
an die Thonglimmerfchiefer der Hochtreiber - Gruppe. An ver
Boftitraße von Nefchen nach Nauderd wandernd fann man
eben fo gut die Folge der Schiefer Tibereinander beobachten, als
in jeder andern diefe Kette durchquerenden Richtung. Auf Gneis
liegt nördlich fallender Glimmerfchiefer mit einzelnen Streifen
feines gewöhnlichen Begleiterd. Am Zellegbache tritt in’ Furzer
Strede braunlicher, eifenfhüffiger Quarzfchiefer hervor und ver-
mittelt den Mebergang in die wedhfellagernden Thonglimmer- und
Kalkfchiefer, die gegen Nauders und weiter fich verbreiten. An
dev Gefteinsgränge, welche ziemlich genau vom Zelleßbache be
‚zeichnet wird, erftrecft fich der Erzgehalt des Thonglimmerfchiefers
auch theilweife auf die Friftallinifchen Schiefer. So trifft man
Malachit und Kupferlafur ald Anflug auf Duarz, welchem auch
Sahlerz in geringer Menge eingefprengt ift, im Kompatfchthale,
2» —
dort im Glimmerfchiefer, wo er mit jenem vermittelnden Schiefer
in Berührung fommt, der bier in eine fchmwärzliche und roth-
braune Schichte getheilt ift; dann am Zelfegbache, nahe einem
Horimblendefchiefer, Bleiglanz md Schmefelfies zu Oder ver-
wittert. Auch jenfeits, im Nauderer » Tfcheithale bei der Schaf:
alpe, wurden einige Bauverjuche auf Fahlerz und Kupferfies
unternommen, die hier in einem durch Saalbänder getrennten
Darzgang des Glimmerfchiefers fich zeigen. Die geringe Aus:
beute in diefen hochgelegenen Gruben entfprach aber nicht der
Hoffnung.
Die Gruppe des Hochtreibers.
Der Zelle: und Stillebach bis zu defien Mündung in den
Inn und Lesterer bis Pfunds, dann der Ulrichsbach und der
untere Theil des Nauderer-Tfcheithales bis an den Bergpfad,
der über das gleichnamige Joch an den Zellegbach zurück leitet,
begrängen die Gruppe des Hochtreibers. Die Gipfel derfelben,
welche von der Berthalerfpige nordwärts in der Gomorfpige
(Gmarerfpige), dem Zadererfopf und Hochtreiber emporragen,
find im Berhältniffe bedeutend niedriger al8 die Kuppen des
nahen Glimmerfchieferd, und jenden waldige Vorberge an Die
Waflergränzge. Thonglimmerfchiefer mit durchfchnittlich füdlichem
Ballen von verfchiedener Art und Form, meift fehr Falfhaltig
und bald feinförnige bald fchieferige Kalfe einichließend, oder durch
vorwaltende Talfbeimengung ausgezeichnet und in einen fehieferigen
Serpentin übergehend, baut die Berge diefer Gruppe, und führt
feinem Charafter getreu diefelben Erze, welche wir in den gleich-
artigen Gebirgen jenfeitd des Inns im Spißer: und Stuben-
thale bemerfen. Doch fheint der Metallgehalt nirgends fo be-
teächtlich zu fein, daß er eines größeren Abbaues wert wäre,
obwohl die Anzahl ver Erzfunde nicht gering ift. Cinige Be-
achtung verdiente allenfalls das Vorfommen von Kupferfies im
hintern Theile des Wafferthales bei Nauders, worauf 1807 ein
Unterfuchungsbau angelegt wurde, der aber jest verfallen ift-
Im Graben des Val di geste (Val di castello nicht Waldige
Rs
Steh-Thal), welches von feiner Mündung nahe der neu ange
legten Paßbefeftigung an der Nifolausmauer öftlich anfteigt,
trifft man wieder den MWechjel des Thonglimmerfchiefers mit
jeinen Kalfen und die talfigen oder ferpentinartigen Schtefer,
welche fchon aus dem Spißerthale befannt find. Am obern
Lahnfteich, wo diefe grünen Schiefer mit Kalfen in Berührung
fommen, wurde fchon früher eine 3° mächtige Lagerftätte von
Magneteifenftein, der zuweilen auch in Detaedern exfcheint,
entdeckt, und mit einem Schurfitollen unterfucht, welcher fo wie
das ganze Lager gegenwärtig mit Gerölle überfchüttet ift. Mage
neteifenftein ift Fein gewöhnlicher Begleiter des Thonglimmer-
fchiefers, und erfcheint überhaupt, foweit unfere Kenntniß der
Ziroleralpen reicht, meift mit Sevpentin oder in der Nähe des:
jelben, fo in Bfitih*), Pfunders, Ahın und Windifh- Matrei
Sein Vorfommen in Val di geste macht auch Feine Ausnahme
hierin; denn die grünen Schiefer, welche aus dem Spißerthale
herüberziehen und dort mit dem Serpentin der Fumafpige zus
fammenhängen, unterfcheiden fich mineralogifch und chemifch nicht
von einem fchieferigen Serpentin. Ihre lauchgrüne Farbe, der °
Settglanz, das fettige Anfühlen, die geringe Härte und die
Reaction auf Eifen, laffen hierüber feinen Zweifel übrig. Wir
dürfen daher das Vorkommen diefes Eifenoryd-DOxyduls mit mehr
Grund der eingedrungenen Serpentin - Mafle als dem Thon-
glimmerfchiefer anrechnen. Die Kalkfchiefer, gleichartig mit dem
grünen Schiefer in St. 17 ftreichend und füdlich fallend, erlitten
im Gontacte Feine Veränderung. Im höheren Theile deffelben
Thales Herrfcht der Thonglimmerfchiefer und hält unter dem
Zadererfopf Kupferfies.
Von der Nifolausmauer gegen Finftermünz hinabfteigend
werden der Zug der grünen Schiefer und tiefer die Kalffchiefer
durchquert. Erftere umfchliegen Hornblendefriftalle, Feldfpath,
*) An der Norpfeite des Pfitfcherthales und bei Wiltau ift der
Thonglimmerfchiefer mit Magneteifen fehr weit von jedem Serpentin
entfernt. Den Serpentin in diefen Gebirgen für eruptio zu halten, it
ein Srrthum. 4. ®.
er Mn
Spuren von Piftazit und Rutil, wodurch die Uebereinftimmung
mit dein Vorkommen des Serpentins in andern Orten noch
mehr hervorgehoben wird. Bei Zfchengls, der Mündung des
Schalflbaches gegenüber, durchfegen mehrere füft parallele Gänge
von weißem Kalffpath den fchwärzlich grauen Kalfftein und führen
in ihren Spalten eine vothbraune, erdige, dem Bol fehr ähn-
liche Maffe. Diefen Gängen zieht ein ftollenartiger Bau nach,
der etwa 200 lang if. Ob da außer Bol auch Erze erobert
wurden, ift unbefannt, wenigjtens fteht man jest feine Spur davon.
Der öftliche Abhang der Hochtreibergruppe gleicht dem iweft-
lichen, und auc) die Schichtenlage verändert fich hier nicht. An-
fangs über Gerölle, dann über quarzreiche Schiefer und glim-
merige Ralflagen leitet der Weg von Pfunde in’s Uhichsthal.
Am Sadersbach treten wieder die grünen Schiefer zu Tage.
Ihnen folgt Ralf erft fchieferig mit Glimmerbeimengung, dann
dicht und von Abfonderungsflüften durchzogen. Im untern Theile
d28 Nauderer-Ficheithales nahe der Alpe endet der Thonglimmer-
fehiefer und daffelbe eifenfchüfftge braune Geftein, welches zwi:
chen Nauders und Kefchen die Nähe des Glimmerfchiefers an-
deutet, Hält auch hier diefe Gefteine getrennt. re finden fich
an diefer Seite der Hochtreibergruppe in mehreren Orten, fo
Schwefelfies unter der Gmarerfpige im Gmarerfurgl, Bleiglanz
im Scheiberthale, Rupferfies am Pfotfchenbach, Magnetfies in
der Höhe des Saderbaches u. f. f., erlangen aber nirgends eine
Bedeutung. Die öftlihen Thalwände des Nanderer-, Tfchei-
und Ulrichsthales gehören fehon der Duerfette des Gebatfcher-
fnotens an, und das Radurfchelthai, die Fortfegung des Ulrichs-
thales, feheidet füdwärts bis zur Tfcheier-Scharie, dem Bafle
nad Hinterficch in Langtaufers.
Die Querfette des Gebatfcherfnotens.
Die nördliche Längenfette des Gebatfcherfnotens dehnt fich
don der Hintern wilden Eisfpige zur Hochvernagl- Wand, dem
Borchfogel und der Wildfpige, umd endet ziwifchen Sölden und
in EEE
Zwiejelftein im Desthale. Die größten Ferner Tirolö bedefen
diefelbe in ununterbeochener Neihe. Der Ferner in Hinter
eis und jener des Hochvernagl, der NRofenthaler- und Ver-
nagtferner, der ‘Blattei und Prochferner fenfen fich‘ in das Rof-
nerthal und gegen Fend, der Langtauferers Ferner, der Weißfee-,
viefige Gebatich- und Dehlgruben-Ferner und die mächtigen Eis:
lager wejtlich und öftlich der Wildfpige fteigen in die nördlichen
Thäler nieder. Von diefer Längenfette ziehen drei parallele
Duerfetten mit entjchiedenem Fächerbaue bi8 an das Innufer.
Im Weiten, am Weißjee-Ferner, richtet fich der Hoch-Oloden-
thuen auf, welchen die Jochübergänge aus dem Kaunferihale
nach Langtaufers umjchlingen, und ftoßt nordiwärts an den
Glodenthurn 10,578° A, den das Kaiferjoch 9833’ A mit der
Verbindung zwifchen dem Kaunfer- und Radurfchelthale vom
Kaiferjoch-Serner und der Gamsfpige trennt. Im weitern Zuge
bi8 zur Abdachung gegen dem Inn erheben fich noch der Glod-
hausberg, der Tauferer- und Nauchfopf, die Karlfpige, ver
Gamsfopf und der rothe Schrofen bei Kaltenbrunn. Der Ab:
hang gegen Abend verläuft zwifchen dem Radurfchel-, Plab-,
Bergler-, St. Chriftina- und Sendlerhale in waldige Vorberge,
gegen Morgen ftürzt er teil ind Kaunferthal nieder.
Wie eine Mauer von Gletfchern bedacht ftreift die zweite
Duerfette am Baß zwifchen der Hintern und. vordern Dehl-
grubenfpige beginnend nordwärtd bis an das Pillerthal, und
wirft ihre Fernerbäche links in das Kaunfer-, vechts in das
PBisthal. Im diefer hohen Kette reiht fich Spige an Spiße.
Der Dehlgrube fchliegen fich die Wurmthaler-Spiken, die. Hal:
mesföpfe und der Noftisfopf an, zwifchen welchem und dem
Wapefopf der Halsbrecherifche Verbindungspfad nicht zu empfeh-
fen ift. Gefahrlos ift aber der Mebergang zwifchen dem Schwa=.
ben- und Sonnenfopf, und noch mehr jener am Beifchlfopf
8491’ R. zwifchen St. Leonhard und Feuchten. Mit der Aifens-
fpige endet die Kette. — Der Bau der dritten Duerfette ift
von jenem der zweiten wenig verfchieden. Aus fchmaler Bafts
jteil zu 9 bis 10,000° aufftrebend, die Thaler mit jühen Wänden
*
DE =
begrängend und vben mit Fernen beladen, zieht dieje Kette vom
3öchl 9450' E. zwifchen Mittelberg und den Nattenbach, zu
den Gfchrabföpfen, dem Buifopfe und der hohen Geigen, erhält
am. breiten Kopf eine entblößte Einfattelung, welche Lengenfeld
mit Plangeroß verbindet, erhebt fich aber wieder zur fchwarzen
‚Boramide des Feuerfopfes, und dehnt fich über den Fundesfopf,
hohen Feiler zur Wildgrathipige 9583° A und den Prechenkopf,
wo fie in viele Zweige zerfplittert, deren Wurzeln bi an den
Inn vortreten. . Die Aehnlichfeit in der Form und den Um:
viffen diefer Querfetten, welche dadurch noch gefteigert wird, daß
der verziweigte, weniger jteile Wejtabhang der Glodthurnfette
nicht den Felsarten derjelben, fondern dem angelehnten Thon-
glimmerjchiefer angehört, erftredt fich auch auf den geognoftifchen
Bau, und Lesterer erfcheint in der Gefteinsfolge und der fächer-
formigen Schichtenlage fo gleichartig, daß. die Bereifung eines
der zwijchen ihnen gelegenen Thäler genügen dürfte, um fich
eine naturgetreue Anfchauung der Verhältniffe zu fichern. Wer
aber diefen Theil der Alpen nicht blos um die wechjelnden Yagen
der Schiefer zu zählen befucht, dem bietet jedes einzelne Thal
gejondertes Interefie und überreichen Stoff den Verftant im
Löfen von Räthjeln zu üben und fich im Anblide der groß-
| artigften Naturfcenen zu freuen.
Wir fnüpfen unfere Geleitichaft durch Diefe- Berge an die
Bemerkungen zum Oftabhang der Hochtreibergruppe bei Pfunde.
Die Glimmerichiefer im hintern Radurfeheltfale machen an der
Mündung des Nauderer = Tfcheithales den Thonglimmer- und
Ralficbiefern Plag, und diefe verbreiten fich mit mannigfaltigen
Abanderungen in Farbe und Mengungstheilen vom rechten Ufer
des Mlrichsbaches gegen das Bergler- und St. Chriftianathal,
während die Hintern PBarthieen vderfelben bald Glimmerfchiefer,
bald Gneis zeigen, je nachdem die eine oder die andere diefer
Belsarten aus dem Fächer der Glodthurnfette hervortritt. Es
war unausführbar in diefen waldigen IThälern die” Gränze der
Schiefer genau zu ermitteln und jenes trennende, eifenfchüffige
Geftein zu verfolgen. Daß der Thonglimmerfchiefer im vordern
= m —&
Theile diefer Thäler feine Erzführung nicht einbüße, davon geben
Beweife: die Bauverfuche auf Bleiglanz am Greitererberg ober
den Gfchleigwiefen und in der Bfundfer-Tfchei unter dem Fru-
tiger, auf Bleiglanz mit Kupferfies im Nauchthale und auf
Kupferfies bei der PBlaßeralpe unter dem Gfchneierjoche.
Das Kaunferthal, von feiner Mündung bei Prug erft
gegen Morgen, bei Kaltenbrunn aber füdwärts anfteigend, darf
nicht unbefucht bleiben, wenn man von den rhätifchen Alpen
mehr ald die Einfchnitte der Boftftraße zu fehen wiünfcht. Die
effeftreichften Scenerien des Hochgebirges, die Eiswüfte im Hinter-
grunde, lohnen eine 8 Stunden lange Ereurfion auf befchwerde-
fofem Weg. Dem Geognoften bietet diefes Thal einen belehren:
den Durchfchnitt der Duerfetten und zeigt die volljtändige Ge-
jteinsfolge derfelben gedrängter und bündiger wie im Deb- und
Pisthale. Die beiden Ufer des Faggenbaches, der die Gemäffer
des Thales fammelt, find an der Mündung aus Thonglimmer-
ichtefer gebildet, der nördlich fällt. Der Schiefer ift wie gewöhn:
lich grau, läßt jedoch eine Menge von Abänderungen beobachten,
welche theil8 Farbe, theil8 Beftandtheile und Struftur betreffen,
und ihn bald dem Quarz, bald dem Kalffchiefer ähnlich machen.
Mit folchen Abwechfelungen reicht der Thonglimmerfchiefer
bis eine WViertelftunde vor Kaltenbrunn, blickt aber in der Um:
gebung von Kaund nur mit einzelnen Ruppen aus der mäch-
tigen Diluvialablagerung und dem Acfer- und Wiefenlande
hervor. Die Schuttmaffen beftehen aus Gefchieben und Roll:
jtücfen, welche meift dem ©neis, Glimmer- und Hornblende-
fchiefer des Tchalinnern angehören. Ob diefes Gerölle ale
Moränenveft zu betrachten fei, bedarf noch einer Unterfuchung.
Am Abhang des rothen Schrofens gegen Fendeld und Berned
brechen einzelne Kalfparthien, ähnlich denen, die jenfeits des
Inne bei Ladis getröffen werden, zwifchen den Schiefern hervor.
Man fteht diefen grauen, brüchigen Ralf im erften Thälchen
(inf8 vom Faggenbach und unter den Klofterruinen bei Wiceln.
Auch der dichte Kalk im obern Theile des Pirkigtobl jenfeits am
Kaunferberg dürfte obigen beizuzählen fein. An der Gränze des |
- MM
Thonglimmerfchieferd vor Kaltenbrumn erfcheint ein grünes,
ichieferiges Geitein, das an der Oberfläche durch Veriitterung
nur geringen Zufammenhang hat, und ftatt deutlicher Schichtung
nur eine ungeregelte Zerflüftung zeigt. Ob daffelbe als eine
Metamorphofe des Thonglimmerfchiefers zu betrachten, der Theil:
chen von Hornblende aufgenommen habe, oder dem Diorite anz
zurechnen fei, bleibt in Frage. Gewiß ift, daß es die Stelle
jenes Mittelgefteins zwifchen Thonglimmer: und Glimmerfchiefer
einnimmt, deffen in der Hochtreibergruppe erwähnt wurde. Es
tritt nicht nur an der Thalfohle allein auf, fondern läßt fich
auch den Raunferberg aufwärts verfolgen, erlangt aber feine
große Mächtigfeit. Bald zeigt fich Glimmerfchiefer, der aber
ebenfalls nicht lange anhält und noch vor Kaltenbrunn dem
Gneife Pla macht. Lesterer, mit untergeordneten Lagern von
Hornblendefchiefer, erftrecft fih über Kaltenbrunn hinaus, wo
ein fchmaler Glimmerfchieferzug denfelben unterbricht, und feßt
auf’ gleiche Weife bis gegen Feuchten 4174 8. fort. Der Gneis
ift reich an fchwargem Olimmer und nur undeutlich in Tafeln
getheilt, die eine nördliche Neigung zeigen. Das Dorf Feuchten
fteht wieder im Glimmerfchiefer, der durch «allmähliges Der-
fchwinden des Feldfpaths aus Gneis hervorgeht, und ebenfo
theileinwärts in demfelben fich wieder verwandelt. Bis zu den
legten Häufern des Thales herrfcht nun ein Gneis von Horn-
blendefchiefer durchflochten, deffen Glimmermenge im Verhältniß
zum Selofpath und Duarz mehr zurliektritt, und bie und da
Adern von asbeftartigem Tremolit zeigt. Seine Abfonderung in
Tafeln wird durch die. verworrene Zerflüftung faft unfenntlich,
und nur am weftichen Gehänge des Walzefopfes ift das
Streichen derfelben in St. 7 und fteiles Nordfallen auf beitimm-
tere Weife angedeutet. Bei den Einöphöfen am See wird der
Gneis glimmerreicher und dem Glimmerfchiefer ähnlich, und
zugleich tritt auch eine Aenderung in der Ballrichtung der Ab-
jonderungsflüfte ein. Während die Iafeln eine Diertelftunde
hinter Rlammel fait fenfrecht ftehen; ift die Neigung derfelben
N
am Geiledtberge fchon entfchieden eine füdliche und bleibt diefe
bi8 zur Gebatjcher-Alpe und weiter.
Mit diefer Alpe auf einer Seehöhe von 6309 K, ift ver
Fuß des Gebatfcher-Ferners erreicht, das größte Eisfeld in Tirol.
Seine Firnfare find mehrere Stundenweit umber vertheilt und
hängen an den Gränzbergen gegen das Nofenthal und Lang-
tauferd. Im obern Theile ift das mächtige Gletfcherlager faft
eben, und zeichnet fich durch eine reinliche Oberfläche aus, die
im Spätfommer durch ein ftrahlendes Weiß von andern Eig-
bergen jchon aus der Ferne fich unterfcheidet. Aus diefem Lager
drängt der Eisftrom durch das lange Dehlgrubenthal hervor,
alle Phänomene der Gleticherwelt im großartigen Maaßftabe zur
Schau tragend. Der Uebergang durch das Dehlgrubenthal
über die Scharte in Hintergraslen nach Rofen, ift durch das
Aufblähen und Zerflüften des Eifes fchon feit Jahren unpraf-
tifabel geworden. Von der Gebatfiher-Alpe gelangt man auf
Sochwegen zwilchen der vordern und Hintern Dehlgrubenfpige
nach, Pisthal, am Hochglocenthurn oder Weißen » See vorüber
nach Langtaufers, oder über das Kaiferjoch nach Raburfchel.
Am Wege zum Weißen See 7977’ 8. und dem Langtauferer-
FJoche, deffen Umblie in die Eiswelt auch hochgefpannte Er-
wartungen befriedigt, verliert fich bald der charakteriftifche, frifche
Slimmerfchiefer, und nimmt jenes eifenfchüffige, thonfchiefer-
artige Ausgehen an, das dem Glimmerfchiefer auf den Höhen
der Desthaler-Mafle eigen ift. Diefer Schiefer verbreitet fich
nordivärts zum Hoch-Glodenthurn und Glocthurn, und nur in
der Nähe des Krummgampenfopfel fteigt feinfaferiger Horn-
blendefchiefer mit quarzigen Zwifchenlagen hervor. Hier findet
fich Schwärzlich » blauer Difthen in blätterigen Maffen, einen
Uebergang in Rhätizit darftellend unter den gleichen VBerhält-
niffen wie jenfeitS in Langtaufers.
Am Rüdwege wenden wir die Aufmerffamfeit dem Berg:
männifchen zu. Deftlih von Feuchten ragt der Tfchingleberg
empor und ift an die unerftiegene Verpeiler-Doppelfpise gefnüpft.
= =
Hier foll einft ausgevehnter Bergbau im Betriebe geftanden
haben. Noch fieht man Scheidepläge und Stollenmündungen,
deren in der Umgegend an vierzig gezählt werden, und hört die
Namen Erzfaften, Bocher u. f. f., womit einzelne Höfe bezeichnet
werden. Anichs Karte von Tirol zeigt hier Bergbau auf
Silber an, auf ven Halden trifft man jedoch nur Kupfer» und
Schwefelfies. : Der Bau durchbricht talfigen Glimmerfchiefer,
der von graphitifchen, jchwarzen und etwas alaunbaltigen Schiefer-
ftreifen durchzogen it und mit Hornblendefchiefer wechfelt. Die
offenen Stollen find nur wenige Klafter des MWafjers wegen
befahrbar und in den Niffen der Wände mit Eifenvitriol in
Born eines weißen oder gelblichen Pulver befleidvet. Man
erzählt, daß der Bergbau am Tfchingls vor wenig mehr als
100 Jahren noch reichen Erzgewinn gegeben habe, plöglich aber
fehwand der Bergfegen den fündigen, hochmüthigen Knappen
zur Strafe. DBermuthlich wurde aber der Erzgang zu hoch an-
gefaßt und man verjtand es nicht, das Glüdf in größerer Tiefe
zu fuchen, Sie haben dem Erze den Kopf abgebaut, fagen die
, Thalbewohner nicht unrichtig. Obwohl die Grubenarbeiten in
diefer Gegend fchon lange aufgehört haben, fo hängt doch ver
Thalbervohner noch immer mit Vorliebe an diefem Gewerbe,
und wandert ins Ausland um Knappendienfte zu fuchen, oder
hofft Durch Furze und meilt unglüdliche Schurfverfuche im hei-
mathlichen Thale fich Arbeit und Lohn zu fchaffen. So wurde
eine Lertenkluft an der Nief wetlich von Feuchten eines gold-
haltigen Duarzes wegen verfolgt und wieder verlafen. Aehn-
liches gefchah an der Brunnfteimwand nördlich von Feuchten.
Befonders war e8 aber das Gebiet des Thonglimmerfchiefers
vorne im Thale, in dem mit Eifer den Erzen nachgefpürt wurde,
jo an den Abhängen des rothen Schrofens beim Fendlerfreus,
wo Kupferfies, Bleiglanz und Bitterfalz fich findet, und am
Wieverfcherele, wo in einem mehr als Klafter mächtigen Duarz-
gange Kupfer, Arfenif- und Magnetfies einbricht, oder jenfeits
um Kauns am Schrank unter der Kreuzfapelle, im Birfigtobel,
in der Landerfer-Alpe, in Englet am obern Paterftein, wo Kupfer
un
fies oder Bleiglanz, ober felbft nur Eifenfies zum. Abbaue ver |
(often.
Mit den beiten Hoffnungen wendet aber, der Kauner feine
Blide zum Wildfar hinter der Aifensfpise, dort liege Silbererz
in Menge, und mehrere Gewerfe hätten dort vor Zeiten Reich-
thümer gewonnen. Dann jei die Peit im Thale ausgebrochen,
und hätte die Knappfebaft und den größten Theil ver Bevöl-
ferung Ddabdingerafft. Die Gruben blieben verlaflen und. waren _
bald vergefien. Nur. beiläufig weiß man noch die Stelle, wo fie
offen ftanden. Ießt ift jede Spur verwifcht und man erzählt
nuv davon in Heimgarten neben andern Gefchichten von gold-
jammelnden Venedigern. Mehr lohnend als ein Befuch. des
MWildfars ift der Aufftieg durch den Pirfigtobel, der ein fcbönes
Profil der Schiefergruppe entblößt Ein quarziger Thonglim-
merfchiefer, Dderfelbe, welcher um Kauns aus dem -Gerölle
hervorfteigt, liegt: unten, darauf folgt fchieferiger Kalk in dünnen
Platten, oft mit Erijtallinifch Förniger Struktur, und weicht
wieder einem ausgezeichneten Schiefer, der bald dunfelgrau, bald
lichtgrün ‚gefärbt ift, und im legtern Falle. dem Talffchiefer jehr
gleicht. Beide find deutlich gefchichtet, und ftreichen ‚gegen ©.:D.
und fallen nördlich mit nahe 500. Auf ihnen vuht der fchon
erwähnte Kalfftein ohne erfennbarer Schichtung und Tehnt fich
an jenes grünliche Meittelgeftein, welches den. baldigen Beginn
des Ölimmerfchiefers bezeichnet. - Diefer breitet fich gegen das
Wildfar aus, wo man ebenjo vergebens nach, Spuren: eines‘
Bergbaues, als nach Fundjtüden von Bleiglanz fucht.. Man
erblickt nur wüjtes, wildes Nebereinanderliegen eingeftüuzter Felfen.
Bom Wildfar fan man über die Herba nach Fließ und Lande
fommen, anfangs Glimmer- und später Thonglimmerfchiefer
durchquerend, „oder Liber Das niedrige Joch am Biller. 4455 K.
nach Wens fich wenden, auf welchem Wege man an der Öränze
de8 Glimmerfchiefer eine polirte Kalkparthie, ähnlich jener am
Birfigtobel füpöftlich von Pillen, trifft.
Wir fteigen das Pillerthal abwärts über Glimmerfchiefer
und laffen. einftweilen die nördliche Bennetgruppe unbeachtet, um
Aa
fogleich das eigentliche Bigthalzu befuichen: Wer das Kaunfer-
thal oder das Debthal bereifte, findet im Pigthale nur Befann-
te6; diefelben Friftallinifchen Gefteine, diefelbe Lagerungsfolge und
denfelben Wechjel der Gruppenglieder. . Am Eingange Olimmer-
fchiefer mit. glimmerigen Hornblendefchiefer, ‚tiefer Gneis mit
Hornblendegeftein, endlich eifenjchüffiger, Oltimmerfchiefer, eben-
falls mit Hornbfendeeinlagerung. Doch, die Geftalt und Anlage
de8. Tales ift verfchieden ‚von den Nachbarthälern. Nicht wie
das Desthal von Stufe zu Stufe immer ein neues abgefchloffenes
Ganze daritellend, erhebt fich. die. Thalfohle, fie. iteigt, gleichmäßig
und allmählig an, hat.bei Jerzens. eine Seehöhe von. 3743’.8.,
bei St. Leonhard von 4420. K., ‚bei Blangeroß. von 5264’ 8.
und. erreicht den Fuß des Tafıhach-Ferners mit 684%’ 8. Einige
Berengerungen der überall Fargen Ihalfohle ‚deuten. jedoch auch)
bier die Neigung zur Baffinbildung an, Bemerfenswerth find
die Schichtenverhältnifie. Bis Mittelberg und dem vordern Theil
des Tafchachthales. behauptet fich ein nörvliches Fallen der nicht
ftetS deutlichen Tafelabfonderung. Erjt in der ‚Tiefe des legtern
Hochthales ift die Neigung gegen ©. gerichtet. Was ein Alpen-
thal lieblich und, veizend macht, fehlt dem hinten Visthale ganz-
lich. Es ift ein Thal der Gletfcher und Wafjerfälle, der Berg-
ftünge umd Erobrüche, ein Thal vol Zerftörungsfeenen.
‚Für, das Studium der Eiswelt liegt hier reicher Vorrath,
mehr als ein Dusend Ferner fenden ihre Ströme dem Thale zu
und firnbedecte Spigen, glänzen liberal. _Diefe weniger, aber
einige, Mineralvorfommen verdienen in Seitenercurfionen aufge-
fucht zu werden,
Bon Serzens öftlich Flimmt ein. Fußweg ber Glimmer:
Ihiefer. zur. Jerznev-Alpe empor, und, begegnet im Niegethale
einem Zug von Hornblendefchiefer, der fehon jenfeitS ‚bei Stein
fichtbar wird, geünlich gefärbten Quarz in Neftern umfchließt
und bald dem Gneife. weicht. In. diefem Schiefer zeigt Tich
unter der. Höhe des Precherfopfes eine eifenfchüffige Schicht mit
eingefprengtem Eifenfies. Das Niederjöch! 7566’ FE. gewährt
eine fchöne, und belehrende Runpfchau- in die ftrahlenden Eis-
= mw
flächen des Pisthales, und wer fich damit genügt, der Fann
durch das Walder- in’ Innthal zurückkehren. Von ©&t. 2eon-
hard führt ein Steig dem Schwambache entlang über gneis-
artigen Glimmerfchiefer zu einem Waflerfall und höher zur Alpe
Tiefenbach. Ober der Alpe ift der Glimmerfchiefer deutlicher
ausgeprägt und ein dioritähnliches Geftein trennt deffen Schichten,
doch dürfte daffelbe nur eine WVarietät des gewöhnlichen Hoın-
blendefchiefer fein, und mehr eine lager- als gangartige Bildung
haben. Zwifchen dem Beifchl- und Gallruttfopfe, am PBafle
nah Kaltenbrunn 8391’ ®., taucht Gneiß aus dem Glimmer-
jchiefer hervor; der größtentheild glimmerreich, aber auch an
einer Stelle granitähnlich ift, und hier häufig ranmaten und
fchwarze Ho nblende-Kriftalle aufnimmt. Noch Höher, gegen die
Bergfpise, zeigt der Gneis eine fchöne, bandartige Farbenzeich-
nung im QDuerbruche, welche von fchmalen, parallelen Streifen
eingelagerter Hornblende herrührt. Unter den Gefchieben an
der Thalfohle bei St. Leonhard finden fich vöthliche Andalufite,
ähnlich denen aus Stubei.
Um PBlangeroß geftaltet ein gneisartiger Schiefer beide
Thalfeiten und nimmt linfs, im Graben des Kaibaches, einen
Ihwärzlichen, eifenfieshaltigen Schiefer als Cinlagerung auf,
dem auch Graphit beigemengt ift. Diefer Schiefer ift verwittert,
leicht, und liefert al8 Zerfegungs-Produfte Aaun- und Eifen-
pitriol, welche theil8 aus dem Gefteine hervorblühen, theild auch
im Waffer der hier entfpringenden Duelle aufgelöf’t find. Da
die Einlagerung diefes Schiefers die Maächtigfeit einer Klafter
hat, und der Alaungehalt nicht unbeträchtlich ift, fünnte Diefer
Anftand wohl mit Nursen zur Mlaunbereitung ausgebeutet werden.
Deftlich von PBlangeroß, hoch im Thälchen des Kitlerbaches, die
Gegend heißt Weißmaurach, wird eine verfalfene Grube im
Glimmerfchiefer gezeigt, vor welcher noch eine geringe Menge
von Schwefel und Kupferfies liegt. Im Wafjerthale, an der-
gelben Gebirgsfeite hinter Blangeroß, Toll vor 50 Jahren eben-
jall8 ein Bauverfuch auf Kupferfies gemacht worden fein. Doch
Erofälle haben hier die Schurfitelle verfchüttet. Das Ende des
\
er
Pisthales, bei Mittelberg, feheidet fich gabelförmig in zwei Hoch:
thäler. Südweftlich führt das ZFafchachthal durch Glimmer-
fchiefer mit Lagern eines grünen SHornblenvegefteing derfelben
Art, wie ed an der Gebatfcher » Alpe ericheint. Bald erfüllt der
Strom des Tafchachferners, der aus den Firnfaren am weft
lichen Gehänge der Wildfpige und den Bergfuppen im weiten
Umfreife zu einem mächtigen Lager fich fammelt, die Thalfohle,
und hat gegenwärtig feine Spige bis zu einer Tiefe von 6847’ R.
über dem Meere herabgedrängt.
Am Rückwege, wer nicht über das Joch nach dem Kaun-
ferthale gelangen will, kann der Niffberger 7218 8. bejucht
werden, wo ein eifenfchüfftger Glimmerfchiefer graublauen, dem
Nauchtopafe ähnlichen, Duarz einfchließt. Für den furzen Um:
weg. leiftet der Anblit der Wildfpige und deren Eisfelvder ge-
nügenden Erfas. Südöftlich hinter den Grashöfen von Mittel-
berg, fchon an der obern Holzgränze gelegen, beginnt ein langes
Gletjcherthal, Durch welches der Gletfcher bis nahe ven Häufern
hervorfchiebt.. Ein großer Schuttwall aus Trummern von Glim-
mer- und Hornblendefchiefer beftehend, umgibt fein Ende. Steigt
man am Sußwege empor, welcher über das Jöchl nach Sölden
leitet, jo fieht man den Ferner von Stufe zu Stufe fich erheben,
immer breiter das Thal ausfüllen, und endlich mit vielgetheilten
Karen an der Wildfpise und deren Nachbaren den rothen Ko-
geln, der jchtwarzen Schneide und dem Mittagfogel haften. Bald
lenkt der Pfad felbft auf die Eisdedfe, welche hier die Thalfcheivde
übergießt, und furz darauf ift der Mebergangspunft, das Föchle
9453 8., erreicht, eine ergreifende Anficht der Gletfcher nahe
und fern bietend.
Die Vennetgruppe.
Der Inn von Prus bis zur Mündung des PBisabaches,
das vordere Pisthal und das Pillerthal umfchlingen diefe Kleine
Gruppe, deren Nordabhang den Sedimentgefteinen des Ninges
angehörte. Bon der PBoftftraße nach Imft bei _ betrachtet,
= a =
telft._ der DVennetberg, wie der Rüden diefer Gruppe genannt
wird, eine fchöne, vollig ifolirte Byramide dar, die mit dunfelm
Gefelfe aus einer hellgrünen Wiefenflur aufftrebt. Bon Star-
fenbach aus wird nur ein zerriffener Grath fichtbar, welcher bei
Landef mit dem Krapberge 6957’ 8. beginnt, in nordöftlicher
Richtung fih ausdehnt und gegen Arzl abfällt. Die Thälchen,
welche in vdiefe Kette einfchneiden, find furz und unterbrechen
nur das Mittelgebirge, das wie ein Unterbau den Höhenzug -
umfreift. So einfach die Form diefer Gruppe erfcheint, gewährt
fie doch, geognoftifch unterfucht, mehr Abwechfelung der Fels-
arten, ald die meiften der bisher Befprochenen. Der Weg von
der langen Brüde unter Brennbühel bis zur Mündung des '
Pillerthales gibt einen vollfommenen, naturgetreuen Durchfchnitt
der Pagerungsverbältniffe; wir begehen daher zuerit diefe Strede.
Man fteigt von der Brüdfe zum fchönen, faatenveichen
Mittelgebirge, das die Dörfer Arzl und Wenns beleben. Nach
wenigen Schritten gähnt am Wege das fait verbrochene Mund-
loch eines Stollend. Bergebens jucht man nach Exrzenz es
überrafcht aber hier einen fchwärzlichen Kalfitein- zu finden, der
bald al8 ein dünnblattiger Schiefer fich zeigt. Seine Schichten
jtreichen noch N.D. und fallen flach nördlich. Diefer Kalfftein
ift durchaus anderer Art als jener, welcher um Finftermünz
oder am Nadurfchelthal mit den Thonglimmerfchiefern wechlelt.
Wer das Stanzerthal durchiwanderte, wird fogleich darin Die
Schichten erfennen, welche dort über dem vothen Sanpftein umd
der Nauchwade liegen, nämlich die dunfeln Kalfe und alt
jchiefer des untern Alpenfalfes, und ihre Unterlage in der Nähe
erwarten. Doch während des Aufftiegs durch den Wald nach
Arzl verliert jich der Kalfftein bald unter Gerölle aus dem
Innern des Pisthales, und oben verfchwindet jede Spur eines
Anftehenden unter der Pflanzendedfe. Exft vor dem Dorfe ragt
eine Felöparthie hervor und verfichert, daß die Gefteinsart des
erftiegenen VBorberges fich noch nicht geändert habe. Aber die
MWiefen- und Felverflächen wollen nicht enden, und dehnen jich
weithin ohne Unterbrechung aus. Nur der tiefe Graben, mit
me nenn mn mn nenn _ —
u
welchem der Pigbach das Mittelgebirge durchfchneivet, verfpricht
einem geognoftifchen Forfchen beffere Erfolge. feich hinter Arzl
feitet ein Weg dahin und noch vor die Brüde über die Piga
erreicht ift, tritt fehon der erwartete rothe Sandftein auf. Seine
Mächtigfeit beträgt faum AO Klafter, doc) zeigt er manche Ver-
fehiedenheit in Struftur und Farbe. Meijt find die verbundenen
Theile fehr flein, an andern Stellen aber fo groß, daß der
Sandftein einem Eonglomerate ähnlich wird. Auch fchieferige Abän-
derungen erfiheinen gewöhnlich grün oder grau gefärbt. Der
Geruch verräth Thongehalt; Säuren find ohne Wirkung.
Die Schichten ftreichen gegen W. und verflächen mit 500
gegen S. Thaleinwärts fchließt fich dem rothen Sandfteine ein
grümlicher Thonglimmerfchiefer an, der leicht verwittert, übrigens
dem evftern conform liegt; gegen N. ftoßt er an die fehwärz-
lichen Kalfe. Jenfeits der Brüde findet fich noch der rothe
Sandjtein, verfchiwindet aber während des Auffteigens aus dem
Graben unter einem mergeligen 2etten, der Glimmerblättchen
enthält und wohl dem Diluvium angehört. Bald verhindert
wieder die Vegetation jedes weitere Verfolgen der Gefteindgränge
und erjt füdlich vom Dorfe Wald fteht Glimmerfchiefer mit
glimmerigem Hornblendefchiefer im MWechfel an. Beide fallen
füdlich. Im Thälchen des Walderbaches, öftlich vom Dorfe,
blickt noch an der linken Seite der fchwärzliche Kalf hervor,
während die Gejteine der rechten Seite unter Gerölle verborgen
find. Im nächften Thälchen ijt der Kalf verfchwunden und nur
friftallinifcher Schiefer noch fihtbar. Der untere Alpenfalf endet
alfo mit feiner Verbreitung am rechten Innufer im Walderthale.
Hinter Arzl, gegen Wenns, zieht ein Fleiner Graben vom
weitlichen Gebirge herab; im welchem der rothe Sandftein in
funzen Barthien zu Tage fommt. Er liegt hier ganz in der:
felben Richtung des Streichens wie jener an der Brüdfe und
gränze wie dort an Thonglimmerfchiefer, welcher thaleinmwärts
mehr und mehr feine Eigenthlümlichfeit verliert. Kurz vor Wenns
erfcheint jchon entjchiedener Glimmerfchiefer, bleibt im PBilferthal
3*#
u
das herrfchende Geftein, und bildet auch den Grath des Vennet-
berged. Das Fallen feiner Schichten ift ein firdliches.
In der Richtung des Streichens diefe Steine verfolgend,
erfcheinen die Dichten und fchieferigen Varietäten des untern Alpen-
falfes am WVorrande diefer Gruppe bi$ Jams, und find nur
einmal und in furzer Strede beim Weiler Nevenal vom Thon:
glimmerfchiefer unterbrochen.
Die Ralffchiefer nehmen nicht felten Bitumen auf, fo bei
Schönwies, ja felbft der dichte Kalf verrät) bei Zams eine
folche Beimifchung. Das Fallen der nicht überall deutlichen
Schichtung ift fteil nach N. gerichtet. Der Zug des rothen
Sandfteins fonnte nicht continuirlich hinter dem untern Alpen-
falfe nachgewiefen werden, nur im Zobel bei Spaderf hinter
der Sägemühle findet er fich diefen und Thonglimmerfchiefer
fcheidend und jo wie bei Arzl fteil füplich fallend. An andern
Orten mag ihn die Pflanzenderfe verbergen, doch berühren fich
Kalk und glimmerige Schiefer auch unmittelbar wie hinter dem
Klofter bei Zams. Der Thonglimmerfchiefer hat gegen den
Glimmerfchiefer feine deutliche Orange, fondern zerfließt allmäah-
lig in denfelben. Schichtungsverhältniffe wie in der Vennet-
gruppe, vermög welchen vother Sanditein al Liegendes und
Glimmerfchiefer al8 Hangendes erfcheint, wiederholen fich in
unfern Alpen fehr oft und dürften nur aus dem Fächerbaue zu
erfläven fein.
Die Erzfundftätten am MWeftabhange diefer Gruppe um
Lande verdienen faum aufgefucht zu werden. Sie befräftigen
jedoch unfere Angabe, daß die Schiefer jener Gegend den Ge-
bilden des Thonglimmerfchiefers angehören. Das Diluvial-
Gonglomerat, deffen wir fchon gedachten, erftrect fich auch an
das rechte Innufer und die Kirche von Lande fteht darauf.
An der Boftftrage nach Prug trifft man anfangs Thon-
glimmerfchiefer nah St. 5—6 ftreichend und mit 400 fühlich
fallend. Weiter gegen Fließ entwideln fich aus deffen glim:
meriger Mafle allmählig die Eriftallinifchen Glimmerblättchen
deutlicher und man bemerft- fleine Granaten als Ginfchlüffe.
zu» =
Doch das Winden und Biegen des fehieferigen Beftandtheiles
um Duarzausfcheidungen dauert noch an, und verleiht diefem
Webergangsgefteine das Ausfehen von Thonglimmerfchiefer. Die
Boftftrage durchquert am Gehänge haftend Ddiefes Gebilde und
den Ölimmerfchiefer, welcher darauf folgt, und begegnet unter
Fließ in Neffelgarten einem Schurfverfuch auf Kupferfies. Gegen
die Pontlager-Brüde übergießt Gerölle den. Bergabhang, und
bald ftößt man wieder an Thonglimmerfchiefer, der von der
Mündung des Kaunferthales hieher zieht.
Berläßt man aber gleih am erjten Tobel Hinter Landed
die Straße, um auf das Mittelgebirge von Fließ zu fteigen, fo
erblift man bald eine zwei bis drei Fuß mächtige Quarzaus-
fcheidung, die Spatheifenftein führt. Hart daran erfcheint ein
dioritähnliches Geftein, grünlich, förnig, nur gegen 4 Klafter
mächtig, und weicht wieder dem Glimmerfchiefer. Etwas höher
an der Platten wiederholt fich das fpatheifenfteinhaltige Lager,
und bei den Häufern am Eichholz auch das dioritifche Geftein.
Ueber das Fleine Torffeld, in deffen Abzugsgraben an der Ple-
montwiefe eine fchwache Schwefelquelle entfpringt, lenkt der Fuß-
weg zum Anftieg auf den Krapberg 6957’ 8. und wieder hinab
zur Zamfer Alpe 5634’ 8. nur Glimmerfchiefer überfchreitend,
welcher unter der Alpe in Thonglimmerfchiefer übergeht. Lebterer
bildet den PBugenrain, ein niedriges Vorgebivge zwifchen Landed
und Zams in St. 3 ftreichend und gegen N.-W. fallend, und
nimmt auch hier einen 3 Klafter mächtigen Dioritgang auf,
um welchen aber der Schiefer glänzend weiß und dem Talf-
ichiefer ahnlich fich zeigt. Der Gang ftreicht nad) St. 13 und
fallt mit 360 gegen ©.-D. Das Erzvorfommen am Pugen-
rain, oft gemuthet und eben fo oft wieder aufgegeben, vertheilt
fich in zwei parallele Linien conform der Schichtung verlaufend.
Die untere zunächft bei Lande führt Kupfer- und Eifenfies
mit erdigem Malachit in einem braunen, eifenfchüffigen Streifen
des fait Friftallinifchen Schiefers eingefprengt. Die zweite, etwas
höher im entfchiedenen Bündtnerfchiefer, zeigt Spatheifenftein,
Eifenglimmer und Schwefelfies mit Quarz gemengt, und deutet
a
eher auf ein gangartiges Vorkommen. Die Erze treten an
mehreren Bunften zu Tage, oder fünden fich durch brandiges
Geftein oder durch Ausblühen von Salzen an. Ob fie eines
Abbaues werth find, ift noch unentfchieden. An der Gefteing-
gränze bei Zams nimmt der Schiefer etwas Hornblende auf.
Der daran gelehnte Kalk, dicht, jchwarzgrau oder bläulich, häufig
bituminös, wechfelt bald mit gleichfarbigem Kalffchiefer, defien
Schichten faft aufrecht ftehen. Die Schieferplatten find von
weißen Kalffpathadern jo durchzogen, daß. fie in rhomboidale
Stüde jtch abjondern.
Das Dekthal.
Wer immer die Mühe einer nicht befchwerlichen, Bußreife
oder eines Jochüiberganges nicht fehent und Sinn und Baffungs-
vermögen für das Großartige der Alpennatur mitbringt, wird
im Degthale Befriedigung finden, und was ev jah zu den fehön-
fien &rinnerungen zählen. Es bedarf wahrlich einer Weber:
windung hier nur ein Führer im Gebiete der Steine zu bleiben,
und treu der Aufgabe an der feltenen Schönheit der Thalgegenven,
den ausdrudsvollen Bergformen, ven ftäubenden Sturzbächen
und der Pracht der Eisflächen auf den Höhen vorüber zu leiten,
ohne fie zu vlhmen.
Der Gengnoft und Gfletfceherfundige wird hier oft; feine
Blide vom Gegenftande des Forfchens zum Schmude der Ece-
nerie wenden und fich mit Necht Davon mehr angezogen fühlen,
al8 von den weniger intereffanten Lagerungsverhältniffen, welche
hier nicht von Schritt zu Schritt, wie e8 in manchem andern
Thale Tirols nöthig ift, beobachtet fein müffen.
Desthal bildet den längften und tiefften Einfchnitt in der
gleichnamigen Gentralmaffe, und entblößt die Schichten des
Kerns vollftändig. Wefentlich erfcheinen nur Gefteine aus der
Gneis- und Glimmerfchiefergruppe, aber in fo mannigfaltigen
Abänderungen,. daß die Unterfuchung des Desthales für das
Studium der Friftallinifchen Selsarten die befte Belehrung bietet.
= a
Der den Duerthälern eigenthümliche Stufenbau ift in feinem
andern Thale Zivold jo deutlich entwidelt wie hier, nirgends
find die Bafjins jo geebnet. - Jede Stufe, vom Thaleingange
bis zu den Lagern des ewigen Eifes, bereiten die fteilen, fait
mauergleichen Thalwäande vor. Sie nahen fich von. beiden
Seiten, zwingen den Bach in ein enges Bett und vereinigen
fich endlich, durch einen Felfenviegel, der quer im Ihale liegt.
Jede diefer Schranken fällt jäh gegen den untern Theil des
Thales, und ungejtüm toj’t der Bach über vdiefelbe hinab. Thal:
einwärts ift jie aber die Veranlaffung zu einer faft ebenen
Fläche, die fich mehr und mehr durch Zurücweichen der Berg-
reihen erweitert und bis an die nächite Schranfe ein mit Feldern
und Wiefen bevedtes Dval bildet. Die ganze Länge des Deb-
thales it in fünf folche Stufen getheilt, die in verfchiedener
Seehöhe liegen. Das Innthal bei Si; wird. auf 2148 8.
über dem Meere berechnet, die erfte Stufe bei Des auf 2621,
Die zweite bei Umhaufen auf 3257‘, die dritte -bei Lengenfeld
auf 3809‘, die vierte bei Sölden auf 4434° und die fünfte bei
iviefelftein auf 4545. Jede Thalweite ift fo völlig in fich
abgejchloffen, daß faum die Bergfpigen der nächften zu erbliden
find, und formt einen Kefiel im Gefelfe, in dem ver erjte Anz
blit jogleich das ehemalige Seebeefen erkennen läßt.
Nicht die Geftalt diefer Bafjins führt allein dahin, bald
finden fich auch beftimmtere Belege. Die fait ebene Sohle der
Beden ift oft verfumpft und moorig, und wo fich eine Entblö-
Bung zeigt, erfcheint Gerölle und Sand, welche über die ganze
Ebene und alle Buchten in ziemlich gleichem Niveau angebreitet
find und nicht immer ein ungeordnetes Haufenwerf von Ge:
ichieben, fondern meift wagrechte Lagen von Sand und Fetten
mit geöbern Rollftüfen wechfelnd bilden.
Nicht überall ift die Oberfläche diefes Berfens fo ungeftört
„geblieben, öfters ficht man mächtige Schuttkegel, welche die Wilp-
bäche aus den Seitenthälern herabfchoben, weit in die Ebene
eingreifen. Ob andere Erhöhungen in Form einer niedrigen
Hügelreipe den Moränenreften zugezählt werden dürfen, bleibt
Er De
zweifelhaft, wenigitens fehlen die fchlagenden Beweife. Welche
Urfachen die Seefette entleert haben mögen, ift ungewiß.
Die gefchichtlichen Wege führen nicht bis zu diefen Ereig-
niffen zuriic. Doch läßt fich aus den Lofalverhältniffen fehliegen,
daß Diefe Urfachen faft überall diefelben waren. Ein gewalt-
famer und plöglicher Durchbruch des Sees durch Einftürzen
oder Spalten der Schranke, ift nirgends nachweisbar, und wo
auch Anzeigen folcher Vorgänge beftehen, wie an der Schranfe
des Umhauf’ner- und ZiwiefelfteinerBedens, deuten fie doch auf
eine Zeit, welche die Ballins entleert fand; denn das Niveau
der Geröllablagerung hinter dem Felfendamm ift höher als Die
tieffte Stelle am Einfturz oder an der Spalte, und entfpricht
noch den Neften der Kante oder des Grathes der Schranke.
Man Fan wohl mit einiger Bejtimmtheit annehmen, daß die
Baffins der Seen allmählig durch zugeführtes Material der
Wildbäche angefüllt, und daß die Wafler in eben der Menge
daraus verdrängt wurden, bis endlich das Gefchiebe fo Hoch
wurde, daß es die Kante des Duerwalles und die Oberfläche
des Sees erreichte, Das Beden von Längenfeld befindet fich
noch ungeftört in diefem Zuftande.
MWunderfam find die Bergformen, welche diefe Baflins ein-
fchließen. &8 ift ein vafch emporftrebendes Gefelfe, das fich be-
eilt die Höhe des ewigen Eifes zu erreichen, um noch in fpigen
Pyramiden, welche jede Schneelaft abwälzen, über die Gletfcher-
felder fich zu erheben. Schon in die zweite Thalweite glänzen
einzelne Ferner von den Höhen herab, und mit jeder Stufe
höher treten fie näher und mächtiger heran, bis fie endlich in
der Thalverzweigung hinter dem Ziwiefelfteiner-Beden allein herr
fchend Thal und Berg beveden,
Wir fteigen von Hatmingen nach Brunau oder von Roppen
nah Sautens über die erfte Schranke, welche aus einer Hügel-
fette des grauen, Furzflüftigen Kalfjteines befteht. Diefer ift |
regello8 von Kalkfpathadern durchflochten und gleicht völlig dem
Gefteine, welches jenfeits des Inne den Tfehirgant geftaltet,
felbft bis zur Ginlagerung eines gelben, erdigen Mergels, der
er
als Farbe benüst wird. Diefer Kalk muß daher zur erzführen-
den Schichte des untern Alpenfalfes, welche über den dunflen,
dichten und fchieferigen Kalfen liegt, gezählt werden, obwohl feine
Lage unmittelbar über Gneis, der am Abhange gegen Silz zu
Tage tritt, nicht die gewöhnliche ift. Jenfeits diefer Schranfe
reicht der Kalf an der öftlichen Thalfeite bi8 Brunau, an der
weftlichen verliert ex fich ehr bald unter Gerölle.
Das Beden um Des und Sautend, im Schmude einer
wärmeren Vegetation als felbft die tiefer liegende Gegend bei
Silz, umftehen an beiden Thalfeiten Glimmerfchieferberge, welchen
ichmale Streifen eines glimmerigen KHovnblendefchiefers einge:
flochten find, und werden im ©. und N. vom Gneife begrängt.
Lesterer ift bei Brumau durch einen Bergfturz, der fich vor we-
nigen Jahren ablöfte, aufgedeckt, und geht thaleinwärts bald
in gneisartigen Glimmerfchiefer mit füdlichem Fallen über. An
der MWeftfeite it das Fallen der Glimmerfchiefer - Schichten ein
nördliches, es fehlt Hier aber auch der Gneis am Thaleingange.
Auf Erzfunden in den Gebirgen um Deb find viele Muthungen
in einem Belehnungs-Buche des Berggerichtes zu Schwaz aus
dem fiebzehnten Jahrhundert angemerkt, ofne daß dabei Das
Erz oder deffen Halt genannt ift. SIeßt ift von den meiften
derfelben nicht einmal mehr der Name der Gegend, woher die
Probeftüce genommen wurden, zu erfragen. Nur im Stuefreich
ober dem Weiler Au und am Birchfteinhof bei Habichten finden
fih noch alte Gruben und Spuren, daß hier Kupferfies ge-
brochen wurde.
- Am Aufftieg von Des zur Thalweite von Umhaufen er
Scheint glimmerreicher Gneis theils anftehend, theild in großen,
Iharffantigen Blörfen umbhergeftreut, die von den nahen Gebir-
gen niederftürzten. Bei Dumpen verändert fich diefe Felsart in
granitifchen Gneis mit fchwarzen Glimmer, ehrt aber bald
wieder zur früheren Form zurück und nimmt Hornblendefchiefer
auf. Diefer mit Glimmerfchiefer wechfelnd reicht bei füblicher
Schichtenlage bis an die Schwelle der dritten Stufe und ftoßt
an einen neiszug, welcher in großer Mächtigfeit das Thal
- 2 —
durchquert, und aus dem KRaunfer- und Bisthale heriberzieht.
In feiner öftlichen Fortfegung geftaltet ev den Cingang des
Hairlachthales, in dem der Stuibenbach auf der Höhe eine
natürliche Brücde pafjtrt, deren fchon Efcher gedenkt *), und fich
in fühnem Sturge Über eine Öneiswand wirft. Bis Niederthei
herrjcht Gneis in der Ihaltiefe und an der linfen Seite des
Baches, und verbreitet fich gegen das Gfeirfcher-Jöchl und nach
Selrain. Rechts bededen ihn Glimmer- und Hornblendefchiefer,
welche die natürliche Brüde bilden und hinter Niederthei auch
das linke Thalgehänge formen. Andere Seitenthäler, wie der
fteile Graben bei Deften, und das Lairfch- und Yundesthal
gegen Abend, wiederholen nur die genannten Verhältniffe des
Hauptthales. Wer in Umhaufen nach Eyanftänden fragt, den
weift man an die Mündung des Hairlach-Thales, wo rechts
in Glimmerfchiefer Einlagerungen eines fchwärzlichen graphitifchen
Schiefer mit eingefprengtem Eifenfies fich zeigen. Man hat
diefe Lagerftätte am Ochfenbühel, Glocdenftall und Satteleshügel
mit mehreren furzen Stollen aufgefchloffen, aber wie begreiflich
feine günftigen Erfolge erzielt. Eben fo wenig lohnte fich ein
Schurfverfuch jenfeits der Deb im Wall nördlich von der Alpe
Fundes.
Die enge und lange Schlucht von Maurach verbindet obiges
Baflin mit jenem von Lengenfeld, und durchfreuzt den fihon
früher bezeichneten Gneiszug, defien Gejtein hier fehr verwittert
und aufgelöft ift. Gegen das obere Ende der Schlucht fieht man
hie und. da die Lagen des Gerölles wagrecht auf dem Gefelje
laften. Bon der Höhe des Tauferberges betrachtet erjcheint diefe
TIhalfperre als eine breite, bogenförmige Reihe abgerundeter,
waldiger Hügel, die große Aehnlichfeit mit Nundhödern haben.
Hinter diefer Hügelfette breitet fich die fruchtbare Ebene von
Lengenfeld 11/, Stund lang aus, eine Landjcbaft, die den ernten
Charakter des Desthales am entfchiedenften ausprüct. Die
geognoftifchen Verhältniffe diefes Beckens find an beiden ‚Seiten
*) Neues Sahrb. für Mineralogie und Geognofie. 1845. ©. 539:
nn nn En ee u ee
% er 43 =uL
diefelben. Auf Gneis folgt gneisartiger, dann quarzreicher
Ölimmerfchiefer, endlich bei Lengenfeld Hornblendefchiefer. Co
weit eine Schichtung erfennbar wird, ift Nordfallen die Regel.
Der dunfelgraue, ausgezeichnete Hornblendefchiefer exjtredkt fich
binter Lengenfeld bi8 Hube und weiter, nimmt öfters Feine Öva-
naten und Gifenfies auf und wird dadurch dem Kflogit ähnlich,
io bei Oberried am Kropfbühel u. |. f. Die Hornblende fcheidet
fich. auch. in PBarthieen als grasgrüner Smaraydit aus, und Die
Granaten erleiden manchmal eine bemerfenswerthe Preudomor-
phofe. Während die dodefaedrifche Form noch ziemlich erhalten
ift, und zuweilen jogar die braunrothe Granat-Maffe in einer
dünnen Schale erfennen läßt, ift das Innere mit fleinen Blätt-
chen eines chloritähnlichen Glimmers erfüllt. Häufiger ift die
braune Schale ganz verfhiwunden, und 8 zeigt fich nur der
Glimmer in fugeligen Formen. Diefe Pfeudomorphofen gleichen
daher jenen aus Sachfen und von Difentis*). Am Fuße des Bor:
berges unter Burgftein entfpringt eine jchwache Schmwefelquelle
aus dem Hornblendefchiefer. — Im Dften von Lengenfeld öffnet
fich das Sulzthal, aus welchem der für das Dorf fo gefährliche
Biichbach herabbrauft. Das Sulzthal bietet nicht8 Interefjantes.
Durch, dafjelbe führt ein Fußweg am Dorfe Gries 4038‘ 8.
und der Alpe 6303°®. vorbei über den fait ebenen Langthaler-
Berner nach Lifens in Selvain, und ein anderer unter dem
Bodfogel nach Stubei. Auch das Vollesthal, welches jüdwelt-
lich von Hube anfteigt, wiederholt nur die Lagerungsfolge. des
Hauptthales. Nur der oftmalige Wechfel zwifchen Glimmer-
Hornblendefchiefer und Gneis fünnte für die Mühe eines Be-
juches entjchädigen.. Die oberjte Alpenhütte in diefem Thale,
nahe am. Fuße Des hangenden Ferners, liegt 6632’ 8. hoch.
Nicht jo vafch wie die untere Stufe erhebt fich jene zwi-
ihen Yengenfel® und Sölden. Das Anfteigen vertheilt fich auf
zwei Stunden, doch die Thalengen find nicht weniger fchauerlich.
Hornblendejchiefer. beherrfcht die ganze Schlucht, und geht am
*) Blum, die Pfeudomorphofen dee M. ©. 165 und Anh. ©. 87.
= ME
Ende derfelben, an der Brüde bei Kaifers, in ein maßiges,
fchwarzes Geftein über. Defters wird er durch Aufnahme von
Granaten dem Eflogit ähnlich, oder Ölimmerfchiefer durchzieht
denjelben in wenig mächtigen Streifen, fo an der Brüdfe bei
Brand und bei Winfel. Merkvirdig ift die Veränderung,
welche im Streichen und Fallen der oft undeutlichen Schichtung
vorgeht. Hinter Hube noch ein Streichen nach DO. mit Nord-
fallen; bald darauf dreht fich erfteres gegen ©.-D., und das
BVerflächen gegen N.-D., und hinter der Brüde, bei Brand,
wird das Streichen ein füdliches. Bei Kaifers ftehen die Ta-
feln jenfrecht, in der Ebene von Sölden aber, wo neis her:
vorbliekt und fich über beide Ihalgehänge ausbreitet, ift Das
Streichen wieder ein öftliches, das Fallen aber ein füdliches.
Dies theilt fich anfangs dem darauf folgenden Glimmerfchiefer
mit, der nun in großer Mächtigfeit fich entwicelt, aber ‘noch
vor dem Duerwalle gegen Zwiefelftein wieder nördlich fich neigt,
iwie überall in den Längefetten des Gebatjcherfnotend. Das
‚ Deren von Sölden bildet eine Wiefenfläche an beiden Seiten
von Mittelgebirgen begränzt, an denen die Gehöfte vertheilt find.
Zwei beträchtliche Seitenthäler münden in daflelbe, weftlich das
Rettenbacher- öftlich das Winacherthal. Exfteres, anfangs fehr
fteil, dann aber janft anfteigend, durchichneidet Glimmerfchiefer
und Gneis, und diefer zeichnet fich an der Scheidede nach Pib-
thal, wo er die Hülle fprengt, um ven Gefchrabfopf zu ge-
ftalten, durch grünen Glimmer- und röthlichen Felvfpath aus.
Das Winacherthal zieht, der antiflinifchen Linie parallel, exjt
durch Glimmerfchiefer, fpäter durch eine gneisartige Warietät
deffelben, endlich im Gneife bis zur Fernerdede, und geftattet
zwifchen dem Falfenfogel und der Schaufelipige einen Joch:
übergang nach der Fernerau im hinterften Stubei. Der Weg
geht an 3 Stunden über Gletjcher.
Der Glimmerfchiefer, Hinter Sölden faft ununterbrochen
ausgedehnt, erfcheint bald fo quarzreich wie am Eingange des
Desthales, bald fo eifenfchüffig und gelbbraun gefärbt wie über
all auf den Höhen des Gebatfcher-Knotens. Er it in allen
nr
Berzweigungen des Hintern Desthales verbreitet und fteigt zu
den höchften Berggipfeln hinan. Die Schranfe zwwifchen der
vierten und fünften Thalweite ift niedrig und fchmal und der
ganzen Breite nach gefpalten. Der Grund diefer Spalte liegt .
mehrere Klafter tiefer ald die faft horizontale Oberfläche des mit
Geröll erfüllten Berkens von Zwiefelftein. An der vechten Seite
de8 Baffins ift das Niveau noch wohl erhalten, links aber Hat
der Fender-Wildbach einen tiefen Graben eingeriffen und Das
Material fortgeführt. Die Spalte der Schranfe entftand daher
wohl fpäter und lange nach der Ausfüllung des Ziwviefelfteiner-
Bedens mit Gebirgsfchutt. j
Hier endet Degthal dem Namen nach, und drei Hochthäler
ziehen divergivend bis an die Fernerregionen. Das TZimmels-
thal ftreift nach ©.-D. durch Glimmerfchiefer mit einzelnen
Uebergängen in thonfchiefer- oder gneisartige Varietäten zum
Timmelsjoh und nach PBafleier, die füdliche Längenfette des
Gebatfcherfnotens von der Schiefergruppe des Kitfamps tren-
nend. Gerade gegen Mittag fegt das Gurglerthal die Richtung
des Desthales fort, und fünweftlich windet fich das Fender:
thal hinauf.
Der Weg ins Gurglerthal führt über Glimmerfchiefer,
welcher auf halben Weg von Zwiefelftein nach Obergurgl einen
graphitifchen, fchwarzen Schiefer mit eingefprengtem Eifenfies
aufnimmt. Diefer zieht quer durch das Thal und wird an
beiden Bachufern fichtbar. Zu Obergurgl 5972' 8. findet man
im Haufe des Ruraten Unterfommen und fundige Führer. Man
wage feine Bergereurfion, noch weniger eine letfcherreife ohne
deren Begleitung und folge genau ihrer Weifung. Es find
waere und verläßliche Männer, Männer, denen man unbedingt
vertrauen darf. Sie haben dies erft vor Kurzem bei dem trau-
rigen Unglüdsfalle des Doktor Beffendorfer aus Berlin bewiefen,
der in eine Kluft des großen Debthaler-Ferners ftürzte und erft
nach mehrftündiger, faft übermenfchlicher Anftrengung der Führer
leider jterbend hervorgezogen werden Fonnte. Er wollte fich
> 1
während des Wanderns auf dem Gletfcher nicht am Geile ber
feftigen laffen.
Die erfte Ereurfion geht ins Geisthal füdöftlich von
Gurgel zum Granatfogel. Man überfchreitet Glimmerfchiefer in
mehreren Varietäten mit Streichen nah S.-W. und Fallen
nah N., welcher öfters von jchmalen Lagen eines glimmerigen
Hordblendefchieferd unterbrochen wird. Nahe dem Ferner um-
fchließt der Schiefer braune ranaten, welche theils in einer
quarzreichen Varietät defelben mit tombadbraunem Glimmer,
theil8 in einer graulichzweißen mit ausgezeichnetem Seidenglanz
vorfommen. Die Oranaten find in der Form des Rhomben-
dodefaeders jehr vegelmäßig ausgebildet, und erreichen mitunter
eine Größe von fünf bis fechs Zoll im Durchmeffer. Oft Häu-
fen fie fich fo fehr, daß alle andern Gemengtheile verdrängt
werden. Gigenthlümlich diefem VBorfommen von ranaten ift
das Streden der Geftalt in der Richtung einer der rhomboedri-
ichen Aren. Im graulich-weißen, falfähnlichen Schiefer find
auch faferige Strahlen von fehwarzer Hornblende eingewachfen,
fehr Ahnlich dem Vorfommen am reiner im Zilferthal. End:
lich fol auch Spodumen gefunden werden. Wir fahen nie
Stitfe von diefem Fundorte, wohl aber fennen wir die hübfchen
apfelgrlinen Spodumenfriftalle der Seeberalpe in Pafleier am
füdöftlichen Abhange des Granatenfogels. Gegenüber diefem
Berge erhebt fich die teile unzugängliche Wand des Kirchen
fogels, Krijtalivand genannt, wo fehöne und große Bergfriftalle
gefammelt werden. Der Schiefer enthält hier auch Einlagerungen
von Friftallinifch -förnigem, fchwarzgrauen Kalfjtein mit weißen
Ralkfpathadern und reichlich eingefprengtem Schwefelfies. Durch
beigemengten Glimmer erhält diefer Kalf eine fchieferige Struk-
fur, und findet fich in Trümmern auf dem Ferner, anftehend
an der Kriftalltwand und nördlich am Fuße des Ferners. Diefe
Schiefer und Kalfe erinnern durch ihre phyfifchen Kennzeichen
fehr lebhaft an Thonglimmerfchiefer und defien Begleiter, und
fönnten auch mit gutem Grunde diefen beigezählt werden. Da
— a:
aber die Ermittelung ihrer Gränze gegen den Glimmerfchiefer
auf diefen eis- und jchneebedeten Höhen nicht durchzuführen
war, unterliegen wir lieber ihre Ausscheidung auf der Karte. —
Die nächite Ereurfion gilt dem Rothmoosthale und feinen Glet-
fehern füdlich zunächft am vorigen. Die Felsart ift Hornblende
führender Glimmerfchiefer. Auf einer Höhe von 7156’ 8. ift
die Spige der Fernerzunge erreicht. Das Eis des Rothmoos-
ferners ift feit Jahren in lebhafter Bewegung und bläht fich im
obern Theile eben fo jehr auf ald es thalabwärts vorfchiebt.
Schon bevedt der ©tetfcher eine gute Stredfe der Alpenteide
und übergoß die Stelle, wo vor Kurzem noch zwei Hütten zur
Aufbewahrung des Bergheus fanden.
Der Gletfcher Hat am hohen Firft und defien Nachbarn
feine Firnmagazine. Aus diefem Thale führt ein Steig über
die Gurgleralpe zum Gurgler Eisfee im Langenthal, dem Ziele
der Touristen. Das Langenthal, welches eine halbe Stunde
hinter der Zungenfpige des großen Desthaler-Ferners von Sid-
ojt her in das Gurgelthal mündet, wird an feinem Ausgange
dom Eisftrome verfchlofien und die Wafjer des Thales find da-
her gezwungen fich fo hoch zu ftauen, bis fie durch eine Kluft
des Eijes oder über demfelben einen Abflug finden. Die Größe
und Tiefe des Sees hängt daher vom Aufblähen oder Einfinfen
des Eisftroms ab. Die Eriftenz des Gurgler-Eisfees fennt man
jo lange Hiftorifche Nachrichten zurücreihen. Doch aufmerffam
gemacht durch die Verheerungen, welche der Eisfee im Rofner-
thale nach einem Durchbruche des Eisdammes veranlaßte, fürdh-
tete man, daß auch der Gurglerfee ein ähnliches Unglück bereite,
als im Herbite 1716 der große DesthalersFerner in heftige Be-
wegung gerieth, feinen Eisftrom fehr erhöhte und dadurch dem
See eine ungewöhnliche Ausdehnung und Tiefe gab. Im Juni
des nächiten Jahres war der See an der Oberfläche 2000 Schritte
- fang und 500 breit, und ftellenweife 30 Klafter tief. Im der
ı Nacht vom 29. auf den 30. d8. M. fand das Waffer durch
die Schründe des Eifes einen Abflug und entleerte fich, ohne
—_ 8 —
bedeutenden Schaden in 18 Stunden. Das Anwacfen des
Terners dauerte auch in den darauf folgenden Jahren fort und
zeigte fich im Winter und Frühlinge bemerfbarer als im Sommer,
Obwohl die Wafferanfammlung dadurch von Jahr zu Jahr noch
vermehrt wurde, ereignete fich doch nie ein plößlicher Ausbruch,
fondern der See floß alljährlich im Juni langfam ab. Später
jchmolzen die Eismaffen des Desthaler-Ferners, und der gewöhn-
liche Zuftand fehrte zurüc, mit ihm verfchwand die Burcht. Im
Jahre 1770 erzeugte ein ftvenger Winter und jpäter Frühling
abermals ungewöhnliches Anwachfen des Eifes und der ver
fpätete Abflug des Sees erregte neue Beforgniffe, welche fich
im nächften Jahre noch vermehrten, weil der fehr warme Som:
mer die Gletfcher jtarf angriff, das Seebeden aber jehr hoch
angefüllt war. Doc in beiden Jahren ftrömte das Waffer
über das Eis ab, und fraß fich allmählig ein Bett in dem-
jelben. Seit dem vertraut man der Dichte und Stärke des
Eistammes und ift beruhigt. Im den legten Decennien wuchfen
die Gfletfcher des Desthales andauernd. Der Langthaler- Ferner
vergrößerte fich fo fehr, daß er jest einen bedeutenden Theil des
Seebedfens erfüllt, und der große Desthaler-Ferner gibt an der
TIhalmündung folche Maffen von Eisftücen. dahin ab, daß eine
ganzliche Ausfüllung des Bafling mit Eis zu erwarten ift.
Der See, welcher jegt faum 500 Schritte lang und 150 breit
ift, hat daher feine Neize ein PBolarmeer im Kleinen mit fchwim:
menden Eisbergen darzuftellen, wie die Alten davon rühmten,
zum geößern Theil verloren. Ueber den Langthaler-Ferner kann
man in wenigen Stunden und ohne große Anftrengung nad)
Bafleier gelangen.
Eine Expedition über den großen Desthaler-Ferner ift aber
nur jehr gewandten Bergfteigern und nur in Begleitung meh:
verer tüchtiger Führer ausführbar. Befler zu viel ald zu wenig
der Vorficht. Der viefige Ferner bilder alle Phänomene im glei-
chen Maafftabe aus, und weit Elaffende Schlünde find oft unter
einer trügerifchen Schneebrüdfe verborgen, — Im Sommer 1847
u en
' war die Bewegung diefes Eisftromes jehr gering. Wie es aber
hier zu Lande allgemein befannt ift, befchleunigt fich das Wor-
rüden im Winter und Frühlinge.
| Das Fenderthal, die füdliche und nördliche Längenfette des
Gebatfcherfnotend trennend, ift noch bejonders der Gletfcher
wegen zu befuchen. Bon feiner Mündung bis Send nur eine
enge Schlucht, ermüdet und langweilt das Auffteigen über Glim-
merfchiefer und jelbft das jüdöftliche Streichen und nördliche
Ballen der wenig deutlichen Schichten Anvert fich nicht. Nur
ein Gneisvorfommen, das hinter H. Kreuz quer durch das Thal
zieht, und das Auftauchen eines Gneisgranits bei Winterftall
unterbricht diefe Einförmigfeit in furzen Streden. Jähe, waldige
Zhalwände verbergen die Gebirgshöhen, wo aber der Blid zwi-
fen Einriffen hinauf zu ftreichen vermag, fieht man die. blau-
lichen Eismauern jchon nahe der Thalfohle gerücdt. Nach drei
Stunden eines mühefamen, oft nicht gefahrlofen Weges ift das
‚höchfte Dorf im Desthale und. wohl auch in ganz Deutfchland,
‚Send 6045' ®., erreicht, eine Alpengezend an der Gränze des
Holzwuchfes, wo Gras das einzige Bodenerzeugniß ift. Selbft
auf diefer Höhe wiederholt fich der Baffinbau des Thales, ob-
wohl-in Fleinern Berhältnifien und bildet einen Kefjel, in welchen
Finke das Nieverthal, rechts das Nofenthal münden,
Ein furzer Aufitieg führt in Erfteres und nach einer. Flei-
men Stunde fteht nian fchon mitten im Gebiete der Ferner,
welche rimgsum von den Höhen fich hinabfenfen. An der Oft-
feite liegt der Gletfcher der Firmifan-Spige noch höher als die
Thalfohle, der Schalfferner überfchreitet aber fchon brüdfenartig
die Spieglerache und wird duch das fchwarze Gejchröfe des
Mittmolls von der weißen Glodengeftalt der Similaunfpige und
Deren Eiserguß getrennt. Der Schalfferner ift einer der fchön-
ften Gletfcher, er füllt fein ganzes Thal und fteht in engiter
Berbindung mit dem großen. Degthaler-Ferner. Dr. Schlagint-
‚weit gibt in der. Allgemeinen Zeitung feine tägliche Beiwve-
gung auf 318.3. an. Er nennt ihn fälfchlich Marzell-
Berner. Weftlich fteigt endlich der a zwifchen
u
der Finailfpige und den Schneefuppen des Marzell herab, und
geftattet einen nicht befchtwerlichen Uebergang nach Schnals.
Das Rofenthal leitet anfangs über Grasmatten, ver-
engt fich darauf und bald mündet von Nordoft das Vernagt-
thal in daffelbe. Die Gebirge beftehen aus eifenjchüffigem Glim-
merfchiefer von Hornblendefchiefer durchivebt. Unter den Ge-
fehieben, welche der Plateibach herabtreibt, finden fich Staurolith-
feiftalle und Granaten im Glimmerfchiefer eingewachfen. Wer
die Gfetfcher des Nofenthales Fennen lernen will, wähle den
Bauer zu Nofen, Nifovem Flos, zum Führer. Wie fein Anderer |
weiß er in den Eisbergen diejes Hochthales Befcheid zu geben. |
Er Hat feit Jahren diefe Gebilde beobachtet und ging im Winter
und Sommer oft um zu „lofen Chorchen) was fie fagen’, wie
er fih ausdrüdt.
Wenn Dr. Schlagintweit nicht den bereitwilligen Führer
an Klog fand, fo mag er den Grund davon eher in der Art
feines Berfehres mit den Fendern, als in der Ungefälligfeit oder
dem Stumpffinne derfelben fuchen. Ich Fenne Nifovem ala
einen Mann, der nicht viel aber mit gefundem, frifchem Mutter -
wige fpricht. Wir ftehen an ver Plattei 7470 W., einer
Alpenweide, welche den unterften Theil des Nordabhanges vom
Bernagtthale bildet. Ein weiteres Vordringen an Ddiefer Seite
ift gegenmwärig unmöglich; denn der vereinigte Strom des Ro-
fenthaler- und Hochvernagt-Ferners hat fich quer in das Thal’
gelegt, und die Verbindung mit dem Hintern Theile deffelben ab»
gefchnitten. Wir fteigen den Plateiberg hinauf, und befchauen
von deilen Kuppe 8220 MW. die umliegenden Eisberge.
Senfeits des Nofenthales Tehnt fich zunächft an die Thalleitd-
Spite der Fleine Eisferner, welcher bi8 an die fteile Feldwand
vorgefchoben ift und von Zeit zu Zeit ftückweife von derfelben
abftürzi. Daran reiht fich fühlich der Kreuzferner flach, Faft
eben in feinem obern Lager, fteil mit 460 aber die Zunge in’
Thal Herabtreibend, ohne dadurch Eisftürze zu veranlaffen. Dann
erhebt fich die Pyramide der Finailfpige, zivifchen welcher und
dem Neusberge der Hochjochferner den breiten Sattel ausfüllt.
Bi
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Er ift nur fanft geneigt, reicht bis in die Thalfohle herab, und
ift one Befchiwerde zu erfteigen. Am Grath des Ioches 310’ R.
endet er plöglich und greift nicht in das Schnalferthal über,
eine Erfcheinung, welche er mit den meiften Gletfchern des hin-
teen Desthales gemein hat. Weiter weftlich erbliden wir nur
ı noch die Spigen der Weißfugel und der Kefjelwände, der fchöne
Hintereis- und Kefjelvand - Ferner, die nach ihrer Vereinigung
duch eine deutliche und regelmäßige Gufferlinie getrennt find,
\ Fönnen aber nicht gefehen werden, weil der Rofnerberg, der zwi
‚ chen diefen und dem Vernagtferner emporfteigt, ihn bebedt.
\ Alle die bisher aufgezählten Ferner, jo verfchieden ihre Lage
auch ift, unterfcheiden fich in ihren Erfcheinungen nicht von
\ jenen anderer Gletfcher, und haben eben fo wenig je etwas
' Ungewöhnliches gezeigt, als die nördlicher liegenden Platei- und
Brochferner. Nur das Firngebiet des Bernagtthales macht eine
Ausnahme und äußert Phänomene, welche in der Gletfcherfunde
. bisher ohne Vergleich geblieben find.
Das Bernagtthal befteht aus einem großen, runden Keflel
von teilen Wänden umgeben und im Innern durch den Berg-
vorfprung im Hintergraslen in zwei ziemlich gleiche Hälften ge:
theilt. Die Hälfte gegen Mittag befegt der Nofenthaler-Ferner,
aus drei Firnkaren feine Nahrung ziehend. Die nördliche erfüllt
der Hochvernagt-Ferner. Beide find mit dem Gebaticher - Eis-
meere in Verbindung. Am Fuße von Hintergrasien vereinigen
fie fih, fchieben ihren zahllos zerflüfteten Eisftrom durch das
nicht ftarf geneigte, enge Bernagtthal in gerader Richtung bis
in die Sohle des Rofnerthales, erfüllen diefelbe mit einem Eis-
Damme an das gegenüber liegende Gefchröfe der Zwerchiwand fich
ftemmend, und ftauen dadurch die Abflüffe des Hochioch- und
Hintereis-Ferner zum Rofner-Eisfee auf. Vor drei Jahren ftand
aber feine Zungenfpige noch ganz nahe am Fuße von Hinter:
geaslen, und der untere Theil des Vernagtthales war frei. Der
Eisftrom Hat alfo in drei Jahren einen Weg von mehr als
einer Stunde gemacht. Schon 1840 bemerkte man ein Auf
blähen des Rofenthaler-Ferners in den oberften tagen, das fich
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wu
fpäter auch dem Hochvernagt-Ferner 'mittheilte: Das Vorrüden
der Zungen thalabwärts begann aber erft im Sommer 1848,
Im darauf folgenden Winter bejchleunigte fich die Bewegung
mehr und mehr und erreichte im Frühjahre 1845 eine folche
Schnelligfeit, daß er täglich um zwei bis drei Klafter vorfchob,
und die legten 80 Klafter biß zur Zwerchwand in 12- Tagen
zurüclegte. Am 1. Juni fchloß der Ferner das Rofenthal und
die Anfammlung des Waflers begann. Bierzehn Tage fpäter
war der See 4470 lang, im Durchfchnitte 270: breit und an
den tiefiten ftellen 250 tief. Der Eisdamm hatte fchon eine
Breite von 1700 und eine Höhe von 290 erreicht. Das Wafler
des Sees betrug im Eubifmaaß beiläufig 205,000. Am 14. Juni
Abends zwifchen 5 und 6 Uhr durchbrach der See den Eis-
damm in der Tiefe, wo das fchluchtige Rinnfal des Badyes
nur mit lofen Eistrümmern erfüllt war, und entleerte fich in
einer halben Stunde gänzlich. Diefer plögliche Ausbruch, welcher
in fo furzer Zeit eine folche Waflermaffe nach den tiefen Thal
gegenden fendete, mußte fehr bedeutende Zerftörungen zur Folge
haben. Bon 21 Brüden zwifchen Rofen und Umhaufen waren
nur drei übrig geblieben, Schmieden und Scheunen, welche dem
Bade nahe ftanden, waren fortgeriffen und die Thalfohle bei
Ziviefelftein, Sölden und Lengenfeld hoch mit Schutt bevdedt.
Der Schaden betrug 200,000 fl Seitdem ift die Eismafle des
Bernagt-Ferners noch immer angewachen und liegt num eine
halbe Stunde breit und über 600 Hoch im Rofenthale. Auch
der Abflug der Rofenthalerbäche wurde wiederholt gehemmt und
erneute die Seebilvung. Immer erfolgte aber der Abflug nach
längerer oder Fürzerer Zeit und ohne größere Befchädigung. Im
Sommer 1846 hörte die Bewegung des Rofenthaler = Ferners
auf, die des Hochvernagt-Ferners dauerte noch an, mäßigte fich
aber im legten Sommer nach den Beobachtungen des Dr. Schla=
gintweit fo fehr, daß fie von jener anderer Ferner fich nicht unter-
jcheidet. Er fand die mittlere Bewegung in 24 Stunden für
den Hintereiö-Ferner Zu. . . 2,7 2.3.
und für den Vernagt-Ferner zu 42 „
für den Keflelwand-Ferner zu . 4,5,
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He 5
Man kennt fehon mehrere folche Dscillationen diefes Ferners,
die erfte fällt in das Jahr 1599, die zweite in die Jahre 1677
bis 1682, die dritte zwifchen 1768 und 1772 und die vierte
' zwifchen 1320 und» 1822*). Die Urfache diefer Erfcheinung
wiffen wir nicht zu nennen, und fönnen und auch nicht der Anficht
des Dr. Schlagintweit anfchließen, der Diefe ungeheuren Oscilla-
tionen durch Eisbrüche und Abdgleiten der Bruchftüce leicht be:
greiflich findet.
Die Gruppen des Ocherfogels und Hod)eders.
Durch die Farftrinne bei Umhaufen, das Lengethal bis
Kühthei und Selrain bis an deffen Mündung, wurde. die nörd-
liche Schieferparthie des Stubeierfnotend auf Grund einer füd-
lichen Schichtenneigung, mehr aber noch zur bequemeren. Weber-
ficht, außgefchieden, und durch den Einfchnitt, welchen der Stui-
benbah von Des bis Kühthei macht, in die füpliche Gruppe
des Ocherfogels und die.nördliche des Hoiheders getrennt.
Gegen W. und N. ziehen die Des und der Inn die Gränze.
Die Gefteine der erften Öruppe, in der fich der Ocherfogel und
feine Zweige mit fenfrechten Wänden erheben, find diefelben,
welche am Wege von Des nach Umhaufen bezeichnet wurden,
nämlich Glimmerfchiefer mit Hornblende, und Gneis bei fü:
lichem Schichtenfall.
Die öftliche Abdachung des Ocherfogels zeigt diefelben Ver:
- hältniffe, nur mit dem Unterfchiede, daß. hier Glimmerfchiefer
an Ausdehnung den Gneis überwiegt.
Umfangsreicher ift die Gruppe des Hochebers, eine Längen-
fette, die an den Höhen ober Brunnau beginnend über ven
- Schaffopf, Birfenkogel, Murlfogel, Raucher, Griesfogel, die
Schaflegerfpise zum Roßfogel ober St. Duirin in Selrain
*) MWeitläufigeres über die außergewöhnlichen Erfcheinungen diefes
Sletichers findet man in Walchers ‚‚Bericht über die Eisberge in Tirol“,
und in meinen Heften: ,,Die Gletfcher des DVernagtthales und ihre
Gefchichte.” Innebrud, 1846.
_ MM —.
zieht, fünlich teil in das Stuiben- und Griefertfal abdacht,
nordiwärts aber fich mehrfach verzweigt, und die Hochederfpige '
und den Windek bildet. Weber den geognoftifchen Bau gibt
die Begehung eines Durchfchnittd von Kühthei uber die Stamfer-
Alpe nah Stams Belehrung. Von Kühthei 6347’ E. gegen
das Joch erfcheint gneisartiger Glimmerfchiefer mit vorwalten-
dem Duarz und fein flaßriger Struftur, und hält Barthien von
Hornblendefchiefer, die mitunter ziemliche Mächtigfeit erlangen.
Bom Kreuzioche 8412’ E. abwärts wiederholt fich Obiges
bis zur Stamfer-Alpe 6194 8. Tiefer tritt Gneis mit fehrwar-
zem Glimmer unter den fteil gegen ©. fallenden Schiefern Her-
vor und dauert bis eine halbe Stunde ober Stamd, wo ein
Thonglimmerfchiefer mit fehr deutlichem weftlichen Streichen und
Südfallen zum Vorfchein Fommt, und Granaten umfchließt.
Der Beginn diefes Schiefers fallt in die Nähe der Waldfapelle
ober Stams 2610’ 8. Diefe Gefteinslagen entlang ihrem Strei-
chen verfolgend fieht man den Zug des Hornblendefchieferd ober
der Stamfer-Alpe gegen St. Sigismund im rieferthale fich
wenden, den Gneis aber in der Richtung gegen das Depthal
immer mehr und mehr ausgebreitet, bei Si; bis in die- Thal-
fohle niederfteigen und das thonglimmerfchieferartige res
verdrängen.
Gegen Oft verdünnt fih der Gneigftreifen, feheint unter:
brochen, und blikt am Nordabhange des Grieferthales hervor,
faft parallel zum obigen Hornblendefchiefer verlaufend, jedoch
von diefem durch Glimmerfchiefer getrennt *). Die Schiefer am
Fuße der Gruppe bei Stams gewinnen dagegen oftwärts bald
an Breite und geben bei Pfaffenhofen und Flaurling durch ihre
Erzführung den Beweis, daß fie troß des fcheinbaren Einfallens
unter Gneis doch dem Thonglimmerfchiefer angehören.
Wir fennen aus diefer Feldart und dem angränzenden
Slimmerfchiefer, die von Nies bis Ranggen das Mittelgebirge
*) Der Gneis am Nordabhange bei Gries hat nicht die entferntefte
Beziehung zu dem des Snnthales. U. P.
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— . —
und die untern Theile des Hochgebirgs bilden, mehr als fünf:
zehn, Erzfundftätten, welche. in älterer und. jüngfter Zeit Gruben:
arbeiten veranlaßten. Kupferfies, Fahlerz und Bleiglanz waren
die Gegenftände des fürzeren over längeren Abbaues. Die Aus-
fcheidungen eines reinen, weißen Quarzes, in dem die Erze ein:
brachen, wurden. für Gänge gehalten, oder e8 veizte jelbft nur
der von Eifenfies durchdrungene Schiefer, an defien Oberfläche
allwegs: Alaun und Eijenvitriol ausblüht, nachzufpüren. Wir
nennen nur aus den legten Jahren die Neufunde oder Die
Wiederaufnahme alter Gruben am Warterbach, in der Arzgrube,
am Mitteref zwifchen dem Klaus- und Bläbache bei Pfaffen-
hofen, im Rüfteln und Rebitoll des Oberhofnerberged und unter
den Pferchten in der Flaurlinger-Allpe.
Ueberall vertrieb ungelohnte Mühe die Arbeiter. Auch die
Berfuche, die Gelberdve am Oberhofnerberg oder den, Nlaungehalt
des Schiefer8 auszubeuten, fcheinen Feine günftigern Erfolge ge:
habt zu haben. Im Aufftieg von Flaurling 2349’ 8. zur gleich-
namigen Alpe 5525° 8. und über das Joch am Windel 7928’ 8.
fönnen die Ausdehnungen des Ihonglimmerfchiefers bis gegen
die Holzitatt, defien alaunfchiefer-artigen und graphitifchen Ein-
lagerungen, und der Höhe zu DIE Blimmer- und Hornblende-
f&iefer, welche Streichen und Süpdfallen mit obigen gemein
haben, eingefehen werden. Auch der Rüdweg über die Inzinger-
Alpe 5561’ ®. nach Dberperfuß bietet nichts Werfchiedenes.
Am fchönen Mittelgebirge von Oberperfuß und Ranggen ver-
fehiwinden endlich diefe Feldarten unter einer mächtigen Geröll
derfe, die beim legtern Orte auch eine Lorfgefchichte trägt.
Die obere Gränze der Findlinge ftimmt aber nicht mit der
Oberfläche diefer Diluvialgebilde überein; denn man findet noch
einzelne Blöde von Gneis und eflogitartigem Geftein nur wenig
tiefer al8 obige Alpen.
Der Stubeierfnoten.
Das Thal Selrain und feine Fortfegung, das rieferthal
bis Kühthei, begränzen den Nordabhang des Stubeierfnotend
Zi =
gegen die Gruppe des Hochederd. Von Oberperfuß führt ein
Weg dahin und läßt nur hie und da den anftehenden Glimmers
fehiefer oder einen Streifen des Hornblendefchiefers exblicten.
Geröl und Pflanzenderfe verbergen das Gefelfe.
Man fteigt in das fchluchtige Thal der Melach nieder und
erreicht das Bad Rothenbrunn 2698’ PB. Die Badquelle, welche
aus dem Hornblendefchiefer der öftlichen Thalfeite entipringt, ift
eine erdig falinifche Eifenquelle %. Hinter dem Badhaufe zeigt
fich wieder Ölimmerfchiefer mit nordweftlichem Streichen und
nordöftlichem Fallen, und dauert durch Aufnahme von Feld
fpath, gneisartig werdend, bis zum Dorfe Gries 3691’ P. Hier
theilt die Spite des Freihutjöchels 7831’ PB. das Thal. In
weftlicher Richtung gelangt man über Glimmerfchiefer nach
St. Sigismund 4636’ P. und findet am linken Bachufer fehr
viele Gneisblöce, welche von jenem höher im Gebirge vorüber-
ftreifendem Zuge abrollten,, deflen fehon gedacht wurde. Zii-
hen St. Sigismund und der Häufergruppe Haggen 5080° B.
begegnet auch jener Hornblendezug **) der Stamfer-Alpe, welcher
hier Feine Granaten enthälgund an das Vorfommen beffelben
Gefteind bei Lengenfeld im Desthale erinnert. Er ducchftreift in
feiner Fortfegung das Hochthal des Zirmbaches und erhebt fich
zum Kreuzjoche. Seine Schichten, fowie jene des darauffolgen-
den Glimmerfchiefers, ftehen faft fenfrecht. Des Berbindungs-
weges über Kühthei nach Det wurde fchon erwähnt. Ein an-
derer leitet fudwärts durch das Gleirfcherthal Über das gleich-
namige' Zöchl nach Niederthei und Umhaufen. Im legtern Thale
fteht am Eingange noch Glimmerfchiefer an. Bei den Höfen
zu Gfleivich Hat derfelbe etwas Hornblende und Feloipath auf:
genommen, und entiwicelt fich eine Stunde tiefer zu entfchiedenem
*) Karl von Gerfter: ‚Abhandlung vom Selrainer Gefundbrunnen‘'.
Innsbrud, Wagner 1769. Analysis aquae balneae montis Selrain
Oenip. 1775.
**) Wicht Zug, fondern Züge wechfellagernd mit Ofimmerfchiefer. A. P.
“ er
R _- 1 —
Gneis *), welcher aber fchon vor der Gleirfcher-Alphütte wieder
dem Glimmerfchiefer weicht: Diefer geftaltet den Sattelberg
zwifchen dem Gleirfch- und Melachthale, fteigt zu allen um:
liegenden Iochhöhen hinan, und bewahrt überall ein Nordfallen,
defien Neigungsminfel durch größere Duarzausfcheidungen nur
wenig verrüct wird. Parallel mit dem Gfeirfcher- zieht das
Melachthal von Gries füdwärts, in dem jene Mineralien, deren
Fundort mit Lifens oder Selrain bezeichnet wird, vorkommen.
An der Thalmündung herrfcht Gneis, der oben bald einem
Glimmerfchiefer mit überwiegendem Duarzgehalte Pla macht.
Diefer Schiefer, welcher an beiden Thalfeiten bis eine viertel
Stunde hinter der freundlichen Alpe Lifens hHervortritt, ift das
Muttergejtein der Mineralien.
"Schon faum eine Stunde Hinter Gries, beim Weiler Jui- '
fenau 4155 B., fteigen wir gegen den Juifenberg an der öft-
lichen Thalwand Hinan, um die fchönen und mitunter fehr großen
Andalufit-Rriftalle zu finden, welche auf-der Höhe diefes Berges
und am Schievalbache, unter dem Griesfogel, fo wie an der
Weftfeite der Melach bei Milchgallen und am Schütterbachl vor-
fommen. Der Andalufit findet fih nur Friftallifirt, meift in
thombifchen Prismen von 91,330 mit der Bafis, und Daher
einem quadratifchen Prisma fehr ähnlich; feltener trifft man
Combinationen mit Domen, oder die Seitenfanten der Säule
abgeftumpft. Defters zeigen fich Zwillingfriftalfe, in der Rich-
tung der Prismenflächen verwachfen. Die Kriftalle find zu-
weilen fehr groß. Die Sammlung des Ferdinandeums befigt
eine Säule des Andalufits 7 Zoll Hoch und 2 Zoll breit. Die
Oberfläche ift meift uneben, oft mit Glimmerblättchen belegt und
faft matt. Die Farbe mwechfelt fehr und ift bald gelblich oder
grünlich grau, bald fehmwärzlich oder röthlich bis dunfel violett.
Ebenfo leidet auch die Härte und das Gefüge DVerän-
derungen. Die größte Härte 7,5 zeigen die rothen Varietäten.
*) Sch wage diefes Geftein nicht al8 Gneis zu bezeichnen, meil es
zu wenig Seldfpath enthält. A. P.
a EN ze
Der Andalufit aus diefem Fundorte wurde fcehon mehrmals
analyfirt, nämlich A von R. Bunfen %), B von A. Erdmann *
und C von Brandes ***), und beiteht:
A B C
Kiefelerde. . 40,17 39,99 34,000
Thonerde . .. 58,62 58,60 55,750
Manganoıyd 0,51 — 0,625
Kalferve . . 0,28 — 2,125
Eifenoryp. . — 0,72 3,375
Ballack - 2,000
Talkerde 21... — = 0,375
Rafr . . .— rn 1,000
Die Andalufite find nur im Glimmerfchiefer, oder beffer in
den Duarzausfcheivungen defjelben eingewachfen, nie im Granit
oder Gneis, wie in wmehrern Lehrbüchern der Mineralogie zu
lefen ift, und werden meijt nur aus abgebrochenen Stüden diefer
Felsart gefammelt. Mit ihnen Ffommt am Suifenberg, jedoch
nicht häufig, jene Abart des Difthen vor, welche Buchholzit ge-
nannt wurde, ein Gilicat mit faferig. blätteriger Struftur, mu>
fcheligen Duerbruch, weißer, gelblich-grauer bis ind Schwarze
ziehender Farbe, und fettigem Perlmutterglanze, das nur in
dünnen Splittern fcehwach durchicheinend ift.
Brandes 7) gibt folgende Analyfe:
Kiefelerve 46,0
Thonerde 50,0
Eifenoryd 2,9
Bali wart,
Als Fundort nennt er aber nicht Lifens, fondern bemerkt:
„angeblich von BValtigls“, wo unferes Wifjens nie Buchholit
*) Poggend. Anal. d. Phufie XLVIE., oder Zahrb. der Mineral.
1840. ©. 482.
**) Gromann und March. Sournaf XXXI. ©. 166, oder Zahrb.,
der Mineral. 1845. ©. 206.
#2) Schmeiggersd Sournal für Chemie XXV. ©. 113.
+) Schmeiggers Journal für Chemie XXV. ©. 125.
Fr ER
gefunden wurde. Da aber die beigefügte Befchreibung mit dem
Borkommen am Zuifenberg übereinftimmt, zauderten wir nicht,
diefe Analyfe hier einzufchalten. MWebergänge diefes Minerals
in gewöhnliche Formen des Difthens find nachweisbar.
Dr. R. Blum (Pfeudomorphofen des Mineralreiches, Stutt-
gart. 1843) führt mehrere Ummwandlung-Pfendomorphofen nach
Andalufit aus diefer Gegend an, jo Difthen nach Andalufit.
Formen, wie fie ©. 17 befchrieben werden, find und aus
dem Melachthale nicht zur Anficht gefommen, doch beftreiten wir
deshalb natürlich die Angabe feineswegs. Wohl aber fieht man
Pfeudomorphofen des Glimmers nach. Andalufit in fehönen 5
langen Rriftallen im Ferdinandeum zu Innsbrud, ganz mit der
Angabe ©. 24 des Nachtrages üibereinfommen. Die verworren
liegenden Glimmerblättchen find groß, weiß und ftarf perkmutter-
glänzend, ftellenmweife find aber diefe Kriftalle mit einer braunen,
eifenodferigen Erde bevdeeft und durchzogen. benfo überzeugt bin
ich von der Umwandlung des Andalufit3 in Spedftein. Ich
habe zwar Fein Exemplar gefehen, das in dem Grade verändert
war, wie Seite 70 des Nachtrags bemerkt ift, jedoch nicht felten
geümlich-graue Stüde mit der Härte 3 und darunter, und mat-
tem, erdigem Ausfehen gefunden. "Wil man ein allmähliges
Ummwandeln des Andalufits in Speditein zugeben, jo wären Die
großen Härtefchtwanfungen des Erften erflärlich. Am Schötter-
bachl fol mit Andalufit auch Pinit vorfommen.
Ich Fonnte mich noch nicht überzeugen, daß jene braun-
grauen Kriftalle, welche als PBinit bezeichnet wurden, etwas an:
dered ald Andalufit in der Form des gewöhnlichen rhombifchen
Prisma mit abgeftumpften Seitenfanten feien. Im übrigen
unterfcheiden fich Ddiefe Kriftalle fehr wenig in ihren igen-
fhaften von-denen des Andalufite..
' Bon Juifenau erhebt fi das Thal allmählig bis zum
Strüpfezhofe 4920’ P., hinter demfelben aber fteil gegen ven
Weiler Prarmar 5274 PB, bis endlich die Grasfläche der Alpe
Lifens, deren Meereshöhe Brof. Thuriviefer zu 5120 berechnete,
erreicht ijt. Eine Strede Hinter der Alpe erfcheint Hornblende-
u k
jchiefer mit Häufigem Ouarz und Glimmer, füböftlich ftreichend
in großer Mächtigfeit, und verliert fich wieder bei der Alpe
Längenthal 6256’ Th. (6050 B.), wo zuerft gneisartige Schies
fer, dann am rechten Bachufer Gneis: die Gehänge bis zum ‘
Beginn des Längenthaler = Ferners 7632’ PB. bilvet, über dem
ein Uebergang nach Desthal befteht. Der Gneis Hier mit dunfel
gefärbtem Quarz und Glimmer läßt nur eine Abfonderung in
große, Feilförmige Blöcfe bemerken, aus denen um die Ferner:
zunge eine mächtige Moräne angehäuft ift.
‚Das Gebirge, über welches der Lifner-Ferner ergoffen: ift,
befteht aus Hornblendefchiefer, der vom Langenthal herüberzieht.
Der Ferner endet am Rande einer jenfrechten Feldwand, über
welche die Melach in drei Armen, aus Eisgewölben hervor:
quellend, ftürzt. Im untern Theile ift der Ferner wenig zerz
flüftet, im obern dagegen durch weite Spalten getrennt und in
ein gewaltiges, übereinander gelagertes Stufenwerf getheilt.
Ein Eisrüden 8904 Th. verbindet den Lifner- mit dem
jenfeitigen Alpeiner-$erner. Den Fernerfogel 10,125’ Th. weft
lich vom ©letfcher bildet Glimmerfchiefer mit wenig Feldfpath.
Von Lifens führen zwei Sochmwege rechts und linfs um das
Horn nach Oberberg in Stubei.
Betritt man den öftlichen, fo zeigt fich beiläufig in der
Mitte des Anftiegs links vom Pfade eine Trimmermaffe aus
Bruchftüden von Gneis, Glimmer- und Hornblendefchiefer, unter
welchen other Eifenkiefel, hellblauer Difthen mit Milchquarz
und verhärteter Talk, hübfche Prismen eines braunrothen, glän=
zenden Staurolith8 im Gneifez Würfel von Eifenfied mit gelb-
braunem, faferigen Biltazit und derbem Kalffpath in Horn:
blendefchiefer, Eifenglanz und fehwärzliche Rutilprismen in den
Duarzausfcheidungen des Hornblendefchiefers zugleich mit un=
deutlichen Titanitkriftallen, und endlich braunrothe Granaten und
fhwarzer Glimmer im Glimmerfchiefer fich finden. Aus den
Gefchieben im Bachbette der Melach fammelte man auch Prafem.
Man findet ferner in mineralogifchen Büchern, daß Sfapolit,
Spodumen und GStilbit bei Lifend vorfomme Ich habe
ee
En
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nie. derartiged gefehen und bezweifle die Nichtigfeit der An-
gaben.
- Süplich von der Kirche zu Selrain mündet das: Fatjcher
thal, ein Alpenrevier, im Berge aus Glimmer- und Hornblende-
fehiefer eingefchnitten, und läuft parallel mit dem Thale Lifens,
wohin mehrere Fußwege ber den trennenden Gebirgsarın leiten.
Der Schichtenfall ift ein nördlicher wie überall rechts vom Sel-
rainerthal. Im Glimmerfchiefer wiederholen fich zwar. jene
Duarzausfcheidungen, doch überwiegt fcehon der Glimmerantheil
darin, und umbiegt die blaulichen : Duarzfnoten wellenförmig.
Im untern Theile des Thales am Gehänge des Griesfogels
wurden darin Andalufite, und am SKarljoch brauncothe Graz
naten gefunden. Um nicht denfelden Weg zurüdzufehren, wenn
der Mebergang nach Stubei nicht im Plane liegt, fann über das
Boch, jüdöftlich von der Seealpe, nach Senders gegangen wer-
den, deflen linfe Seite vom Fatfcherthal nicht verfchieden ift. Die
Höhen im hintern Theile der öftlichen Thalwand find aber mit
einem Kalfgebilde in faft horizontalen Bänfen belaftet, welches
beim erjten Anblif an die fahlen und pittoresfen Dolomitzaden
des Faffathales erinnert.
Das Sendersthal begränzt daher den Nordabhang des
Stubeierfnotens gegen die Gruppe der Kalffegel im Sediment-
ringe und jet Diele, Gränze über den Wiedersberg nach Ober:
berg in Stubei und abwärts bis Arams fort. An der Münz-
dung defelben, fowie an jener des Selrainerthales, fteht Glimmer-
fehiefer mit fnotigen Duarzausfcheidungen, nicht felten dem Ihon-
glimmerfchiefer ähnlich. Im diefem Gefteine. bejtanden ehemals
‚mehrere Grubenbauten auf Kupferfies, von Denen die größere
Anzahl bi8 auf die leste Spur verwifcht ift, Wir bemerfen
hier nur, daß nahe beim Schwabenhof vor Rothenbrunn, dicht
ander Melach, Kupfer und Eifenfies in beobachtenswerther
Mächtigfeit bricht, desgleichen am Scheibbadh, an der Griefer
Nordfeite inner Rothenbrunn und im Urferthale. . Die alten
Gruben in Senders liegen nahe der Gejteinsgränze gegen den
Kalk, und feheinen längere Zeit im Betriebe gemefen: zu fein.
u ME
Man hat aber fchon vergeflen, was dort erobert wurde. Auch
am Eingange des Aramerthales, öftlich zunächft an Senvers,
beftand einft Bergbau auf Kupferfies. Die Gruben find ver-
fallen, doch die Halden nicht unbedeutend.
Die Gruppe der Kalffegel, öftlih von Senders,
welche das Innthal von Stubei trennt, umfäumt ein breites,
fchönes Mittelgebirge, deffen Oberfläche 600 bis 1000’ über
Innsbruf gelegen ift, und die Dörfer Arams 2747 2, Birgig,
Gösens, Natterd 2429 L,, Mutters 2571° 2. und Telfes
3054’ 2. trägt. Diefe Terrafje ift zwar nicht wie Ejcher ber
merft *), mehrere 1000%, wohl aber einige 100° Hoch, mit hori-
zontal gelagerten Diluvialfchichten bedecft, welche theils aus
Geröll, theild aus faft reinem Sand und Lehm beftehen.
Ueber diefem Diluvium liegen auf der Oberfläche ver Ter-
vaffe zahlreiche Alpenblöce ver Friftalfinifchen Gefteine, erfcheinen
aber auch wie am Nordabhange der Hochevdergruppe ati. der
Abdachung des Hochgebirges, und verlieven fich erft vauf einer -
Seehöhe von 4000. Nicht überall bildet Glimmerfchiefer das
Geftell diefer Diluvialfchichten. Seine Verbreitung fcheint am
Geroldsbache zu enden; denn die Kuppen nördlich von Nattere
und Mutter beftehen fcehon aus entfchievenem IThonglimmer-
fehiefer und Förnigen Kalfen, die am Rande des Mittelgebirges
durch Steinbrüche abgededt find, und vollfommen mit den Ge
fteinen jenfeit8 der Sill übereinftimmen. Auf viefem breiten
Unterbaue fist das Hochgebirge, unten in Wald und Weide
gefleidet, oben in ein fahles, graues Gezadfe endend, das zunächft
am Wieversberg die Kalffegel und gegen Stubei den hohen
Burgftall 8202’ 2, den Ampferftein und die Seile oder Nodker-
fpige 7610° 2. (7587° A) geitaltet.
Wir gehen längs der Si, welche aus dem füdlich ziehen
den Wippthale faft rechtwinfelig in das Innthal hervoreilt, gegen
MWilten. Im Alluvium am Ufer finden jich rother und Band-
jafpis, Manganfiefel, Serpentin mit Bronzit. Bald begränzt
=) Meued Sahrb. der Min. 1845. ©: 540.
—
68 -
ein waldiger Abhang die Ebene im Süden der Stadt, und bildet
die Stufe zur Fläche des Mittelgebirges. Von ver Thalfohle
‚betrachtet zeigt Diefes Mittelgebirge jehr einformige Umriffe, faum
werden ein paar Thaleinfchnitte oder die Schluchten der Sill
und Melach oder ein vortretender Hügel darin bemerkbar. Oben
ift diefer Abhang beinahe wagredit abgefchnitten, und von der
Nordabdachung des Roßfogels bis ans Volderthal nur ein paar
Mal leicht gebogen. Tros der Einförmigfeit im Baue haben
jedoch Vegetation und Kultur diefen Höhenzug zur. Zierde der
‚Gegend gemacht, verbergen aber auch meift die Gefteine, aus
welchen derfelbe gebaut ift. Wo am Bachufer oder durch Stein:
brüche und Straßenarbeiten das Anftehende entblößt ift, tritt an
der wetlich von der Si liegenden PBarthie ein Thonglimmer-
Schiefer als Herrfchende Felsart hervor und behauptet fich, wie
gefagt, bi8 an den Graben, welcher von WVöls gegen Gögens
zieht. Diefer Schiefer, gewöhnlich grau, verändert jedoch feine
Sarbe öfters in’ Weiße, Dunfelgrüne oder Schwarze, je nach-
dem der Talf-, Ehlorit- oder Graphitgehalt in der. glimmerigen
Mafie feiner Mengungstheile überwiegt, und umfaßt häufige
Ausfcheidungen von weißem Duarz in Adern und Knollen, um
welche die Schieferblätter fich winden. Den Quarz begleiten
nicht felten Schwefelfies derb und Friftallifirt, oder zu Eifenoder
berwittert, ‚gelblicher Spatheifenftein, erdiger Chlorit und weißer
Kalffpath, der am Steinbruche beim Hußlhof die Klüfte im
Schiefer mit Rrijtallen aus fechsfeitigen Tafeln und fehr flachen
Rhomboedern combinirt bekleidet. Im demfelben Steinbruche
findet fih auch grünlich grauer Topfftein, der wohl nur eine
ehr Dichte, talkreiche Schiefervarietät ift. Im Allgemeinen ftreicht
der Thonglimmerfchiefer nordweftlich und fällt mit geringer Nei-
gung füdlich, oft find jedoch feine Schichten fehr gewunden und
deriporren. An mehreren Orten, befonders deutlich am Buge
der neuen Straße unter der Schrofenhütte, wechfeln fchmale
Ralkichichten mit Schieferlagen. Der Kalk ift Eriftallinifch Törnig,
grau und weiß, von fchwärzlichen und braungelben Streifen
durchzogen, wodurch. fein Ouerbruch fehön gebändert erfcheint.
—— Mi
Ienfeits ‚des Geroldsbaches gegen die Melach läßt fich dagegen
in den feltenen Entblößungen nur Olimmerfchiefer als Anftehen-
des erfennen, und unterfcheidet fich auch in der Schichtenlage
durch. weftliches Streichen und. fteiles, nördliches Fallen. Die
Geftalt des ganzen Meittelgebivges wird aber vorzüglich vom
Diluvium bedingt, welches das Gefelfe der beiden Schiefer, über-
jcüttet, und nicht nur die Einförmigfeit des Abhanges und Die
faft wagerechte Linie der Kante erzeugt, fondern die vorfpringen-
den Hügel, wie jener bei Böls, worauf die Kirche des heiligen
Blafius fteht, bildet. Das Diluvium ift je nach den Formen
und der Stellung der Schieferriffe bald jehr mächtig und erfüllt
ganze Thaleinfchnitte, bald nur in dünnen Lagen angebreitet,
oder auch von Felsfuppen überragt. Es befteht größtentheils
aus Gefchieben, welche felten durch ein. lettenartiged Gement zu
einem Gonglomerat verbunden find, nirgends aber mit einem
Sandfteine Aehnlichkeit haben. Meijt liegen die Rollftüde ganz
(ofe übereinander und find von Bänfen aus Sand und Lehm
ohne alle Ordnung durchzogen. Die Gefchiebe gehören wohl
nur den Feldarten des Nordabhanges der Gentral-Maflen an
und. beftehen aus Gneis, Glimmer-, Hornblende- und Thon:
glimmerfchiefer, Eflogit, Serpentin, Diorit, förnigen und förnig-
fchieferigen Kalfen, wie fie im Wippthale und den fühlich vom
Inn liegenden. Thälern Oberinnthals zu Tage treten. Ich
fonnte mich noch nicht Überzeugen, daß diefen Gefchieben auch
Gefteine aus der nördlichen Kalfzone untermengt feien, und habe
vergebend nach folchen gefucht. Ueber diefem Dilivium. ift erft
das erratifche Diluvium ausgeftreut, und fteigt, wie gefagt, weit
höher am Bergabhange hinauf, al® jenes. Die Größe der
Findlinge ift jehr verfchieden, folche vom Umfange einer Kubi
Flafter find fehr felten ziemlich Häufig aber folche von mehreren
Kubiffußen. Die größten beftehen aus einem graumweißen, glims
merarmen: Gneis, welcher mit jenem in Selrain und dem: vor-
dern Theile des Deg- und Pisthales viel Aehnlichkeit Hat. Doch
finden fich auch Gefteine darunter, welche nad) unferer Erz
fahrung nirgends in Tirol vorfommen, fo gewviffe Syenite und
u
Diorite. Seit einigen Jahren werden die Gneisfindlinge fleißig
‚ aufgefucht, und bei Straßen- und Brüdenbauten verwendet, man
weiß auch ziemlich zuverläffig, daß fie an den Kanten der Schutt-
hügel, welche gegen das Thal vortreten, nur wenig unter der
Begetationsderfe zu finden find *).
Bon der Feljenfchlucht bei der Sillbrüde jteigen wir über
Thonglimmerfchiefer zur Militär - Schießftätte 2073° und zur
Höhe des Berg Ifel 2442' &., wo mächtiges Gerölle an den
Bergabhang fich lehnt und den Einfchnitt zwifchen der Kuppe
\ des Jfelberges und den weftlichen Höhen erfüllt. Bon diefem
| Bunfte führt die Straße ins Wippthal.
\ = Lief unten vaufcht die Si zwijchen Wänden des Schiefers,
| der auch am Sonnenbühel und am Wege nad) Natters aus dem
, Schutte hervorbricht. Die Mächtigfeit der Diluvial-Maffen fieht
\ man im Öraben des Gerberbaches zwifchen Mutters und Greit
entbößt. Dben auf der leife gebogenen Fläche des Mittelgebir-
ge8, das wohl eine halbe Stunde breit. ift, find nur Wiefen und
Selder zu überfchreiten.
Wir wenden und von Natters, wo eine befuchte Irinf
quelle (in 16 Unzen Waffer nur 0,425 Gran jchwefelfaure Salze,
Kochjalz, Eifen und Höchft geringe Spuren von Kiefelerde nad)
Bifchoff, enthaltend) am Fuße eines Schutthüügels entfpringt,
über moorige Wiefen durch ihre Elaftieität den Lorfboden ver-
tathend nach Gösens, und fteigen durch das Thal des Wilden:
baches gegen die Seile oder Nocerfpige.
Am Eingang des Thales erfcheint ein quarzreicher Ölimmer:
fhiefer, gegen N.-W. ftreichend und gegen N.-D. fallend. Hier
find die Halden jenes Grzanjtandes fichtbar, vefien beveitd
erwähnt wurde. Diefen durchqueren thaleimvärts zwei Streifen
Hornblendefhiefer. Exit ober der Alpe Lizum beginnt die Kalk
auflagerung und befteht in den unterften Schichten aus einem
. blaufchwarzen, dichten Kalfftein, welcher mit gleichfarbigem Kalf-
\ fehiefer wechfelt und zerftreute Nefter von Schwefelfies und
*) 3. B. zjwifchen Schönberg und Mieders. A. P.
= W=
oferigem Braumeifenftein enthält, in den obern aus einem weißen,
förnigen Dolomit ohne deutliche Schichtung, Wir erfennen
darin die Gefteine des untern Alpenkalfes *) in regelmäßiger
Folge. Die dunklen, fehieferigen und dichten Kalfe find wenig
fichtbar, weil Bruchftücde des Dolomits oder Vegetation fie be-
defen. Doch an der Pfrimeswand, dem nördlichen VBorfprunge
ver Seile, zeigen fich diefe Schichten in deutlicher Entblößung
faft Horizontal auf Glimmerfchiefer liegend. Weder Gyps und
Rauchwarde, noch Sandftein oder Thonglimmerfchiefer vermitteln
hier die Berührung der Gefteine, nur am Abhange gegen die
Mutterer- Alpe fieht man ein braunes, dichtes Geftein, einem
in Verwitterung begriffenen Spatheifenftein nicht unähnlich, das
mit Säuren brauft und eifenhaltig ift, die und da zwifchen beiden
in geringer Mächtigfeit eingefehoben. Die fhieferigen und dich-
ten Ralfe find unverändert. Der Nürfgang fann über die Nocer
höfe (3870° 2. der obere Hof) oder längs dem Holzbache ge-
nommen werden. Beide Wege führen über quarzigem Glimmer-
fchiefer, der felten anftehend ficd) findet, und endlich unter den
Diluvial-Maffen des Meittelgebirges ganz verfchtwindet. Im
untern Theile des Holzbachthales, hinter der Sägemühle, trifft
man noch Glimmerfchiefer. IThalauswärts bevect Gerölle den
Bergabhang-
Beim Weiler Unterfchönberg brechen Kuppen des Thon:
glimmerfchiefers hervor, in welchem nahe dem Gafthaufe in der
Schupfen ein Kalflager, gleichartig mit jenem in Ahrnthal und
zwifchen Igel und Patfch jenfeits der Si, eingefchloffen ift.
Die Gränze des Glimmer- und Thonglimmerfchiefers zieht daher
vom Holzbache um den Fuß der Seile bi8 zum Völfer Graben.
Die füdöftliche Abdachung der Gruppe der Kalffeget fällt
in das Thal Stubei, wohin ein Fußweg durch die fehluchtige
Thalmindung hinter Unterfchönberg führt. Die Rus hat fi
hier durch mächtige Diluvial-Maffen Bahn gebrochen, und nur
jehr fparfam blickt Höher in den Lärchenwiefen oder im Walde
*) Des obern und der Carditafchichten, A. P.
E - 1 —
Glimmerfchiefer mit einzelnen Ruppen hervor. Hinter dem Dorfe
Telfes verfließt das Mittelgebivg mit der Sohle des Stubeier-
thales, und das gewerbefleißige Vulpmes 2894‘ 2., in welchem
mehr als 200 Schmiede in 67 Werfftätten mit VBerfertigung
von Eifenfchmiede - Waaren fürdas In- und Ausland bejchäftigt
find, liegt wenig höher als die Rus auf dem Schuttfegel des
Kalkbaches, der die Gefteine des untern Alpenfalfes hervorwälgt,
und öfters verwäftend über das Dorf fich ergoß. Das Schligg-
thal und feine Verzweigung, das Halfelthjal, durch welches ein
fteilee Fußweg zur Seile und über die Alpe Lizum nach Gögens
leitet, war im fünfzehnten Jahrhundert durch feinen Gold- und
Eifenbau befannt. Die Erze wurden zu Bulpmes verfchmolzen.
Jegt weiß man faum noch die Lage der Gruben zu bezeichnen,
fo fehr ift jede Spur davon verwifcht. Nur am Zufammen-
flufie des Kalch- und Halfelbaches im Süumpfelwalde, wo die
erften Entblößungen der Kalfe aus dem Schutte hevvorftechen,
hat man noch in neuerer Zeit auf Spateifenftein gegraben. Eine
halbe Stunde hinter Vulpmes liegt der Weiler Medrag, wo
eine fehenswerthe Hammerfchmiede und eine Badeanftalt mit
einem Eifenfüurling befteht.
Um einen vollftändigen Durchfchnitt der Gefteinsfolge in
der Gruppe der Kalffegel zu erhalten, ift die Erfteigung des
hohen Burgitalls von Neuftift aus zu empfehlen. Hinter diefem
Dorfe, am Eingange nach Oberberg, taucht eine eigenthlimliche
Gneisart empor. Cie ftellt eine grauliche, wenig Friftalfinifche
Grund-Maffe aus Felofpath, Quarz und *) Hornblende fehr
innig gemengt dar, in welcher fchwarzbraune Glimmerblättchen
zu regelmäßigen jechsfeitigen Tafeln entwidelt gleichartig zeuftreut
find. Diefe Felsart ift ohme Schichtung, hat nur geringe Aus-
breitung und weicht bald einem gewöhnlichen Gneis, der all-
mählig in Glimmerfchiefer übergeht und nordöftlich füllt. Ober
den Bergmähdern ift der Abhang mit Trümmern eines weißen
Kalfes befäet, welcher alle Merkmale des Friftallinifch = förnigen
*) Chlorit. A. P. EB
EEE EEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEREEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEESEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEREEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEHEEEREEEEEEEEEEETEEEREEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEHHEET VE MEET
ei
Kalfes befist. Wenig höher trifft man diefes Geftein anftehend
und bemerft zwei Varietäten, die eine fchön weiß, Fürnig, faft
undurchfichtig und im Bruche fplitterig, die andere blaulich-weiß,
feinförnig, an den Kanten durchfcheinend, im Bruche flach-
mufchelig und von braunen und, violetten "Flecden durchzogen.
Leßtere ift die häufigere und beide brechen in würfeligen Blöden,
von denen die größten nur einige Fuß im Durchmeffer haben.
Man glaubte hier einen tauglichen Statuarmarmor gefunden zu
haben. Doch fchon Herr Domänen » Infpektor Bfaundler be-
merft in der FerdinandeumssZeitfchrift, daß die Cigenfchaft fich
in Stüde von nur fleinen Dimenfionen abzufondern feine tech-
nische Verwendung befchränfe, und daß feine farbigen Streifen,
welche" einen halben bis zwei Fuß von einander entfernt find,
und in deren Richtung das Geftein fich leicht Tpaltet, von einer merz
geligen Lage zwifchen den Schichten des Marmors, die mit
40 Graden füdlich fallen, herrühre. Aufwärts fteigend verliert
fich die Eriftalfinifch-förnige Struftur des Kalfes mehr und mehr,
er wird dicht, dann dunkler und ftatt den mergeligen Zwifchen-
lagen erfcheinen fchwärzliche Kalfichiefer. Die Bergfpige endlich
bildet der dolomitifche Kalfftein wie auf der Seile. Daß alle
diefe Kalfe dem Glimmerfchiefer nicht ein=, fondern aufgelagert
find, und der fürnige Kalf eine Umwandlung des dichten und
jchieferigen untern *) Alpenfalfes ift, wird an wenigen Orten
jo flar als hier.
Wir wenden ung zu den Eifyeireunan welche der Contact
zwifchen Kalk und Glimmerfchiefer bietet. Schon unter. den
Kalftrummern ober den Bergwiefen fiebt man zahlreiche Find-
finge, welche Eifenglanzg und Eifenglimmer enthalten, doch ein
Ausbeißen diefer Erze ift am Südabhange nicht zu beobachten.
Erft wenn der grasbeiwachfene Rücken überftiegen und die fchroffen
Kalfwände erreicht find, zeigt der Ölimmerfchiefer eine ftarfe
Eifenauswitterung, und gegen NW. fich wendend begegnet
man dem Mundloche eines Stollens, der vor mehreren Jahren
*) Dbern! A. W.
3
} 4 =
angefchlagen wurde. Der Stollen durchbricht ein veferiges Ge-
| ftein, defien derbe oder feinförnige Grund -Maffe aus Magnet-
' Eifenftein befteht. Darin find Blättchen von Eifenglanz und
| Duarzförner von fleifchrother und violetter Farbe zierlich ver:
theilt, Slußfpath wurde jedoch unferes Wiffeng hier nie gefunden *).
Diefes Erzvorfommen, 4 bis 7° mächtig, gränzt an odferigen
Schiefer, der Schwefel und Arfeniffies führt und bald dem
Kalte Blag macht. Unter ver Pfriemeswand trennt ein oderi-
ge8, erdiges Gejtein den Schiefer und die dunklen, dichten Kalfe.
Hier aber find nicht nur die Kalfe frijtallinifch Eörnig, fondern
auch das erzhaltige Mittelgejtein hat eine Friftallinifche Struftur
angenommen und zeigt jtatt den Verbindungen des Eifens mit
Kohlenjäure oder Wafjer die Oryde und Schwefelmetalle. Die
Gefteinsgränge zwifchen Glimmerfchiefer und untern (obern)
Alpenfalf ift in der Gruppe der Kalffegel überhaupt. vurd) Erz:
gehalt bezeichnet, nicht allein die bisher angeführten Yundftätten
in Senders, an der Pfriemeswand, im Schliggthale und am
Burgftall bezeugen dieß, fie fönnen noch um eine gute Anzahl
| vermehrt werden. So finden fich auch Spatheifenfteine an der=
. felben ober Telfes am Mann, bei der Alpe Kaiferftadl im Hal
| jelsthal, unter dem Ampferftein, und Kupferfies bei der Stoder-
| alpe am Wege nach Senders.
| Man fönnte an, der Dftfeite des Hohen Burgftalld und
über die Schliggalpe 5128° 2%. nach Yulpmes zurüdfehren, und
| würde ober der Alpe die fcehwarzen Kalkfchiefer abgedeckt finden,
weil dort der Verfuch gemacht wurde, fie zu Dachfchiefer zu
verivenden. Die Beimengung von zum Theil fchon verwittertem
Eifenfies überzeugte jedoch bald von ihrer Unbrauchbarkeit. Am
Jochübergang vom Oberbergerthale nach Senders endet die
| Gruppe der Kalffegel.
Das Thal Oberberg befteht im untern Theile, wo am
| Bürenbade ein ftarfer Gifenfäurling benügt wird, an beiden
Seiten aus gneisartigem Glimmerfchiefer, welcher bis etwa eine
*) Dr. ©. Leonhard Handb. d. topogr. Mineral.
a
halbe Stunde hinter dem Weiler Seduf anhält, und dann von
Hornblendefchiefer verdrängt wirt. Legterer durchquert in fchiefer.
Richtung das Thal und zieht theild über das Gebirge nach
Lifens im Melachthale, theil8 über die Brennerjpige in’s hintere
Stubei. Es ift derfelbe Zug, welcher jenfeits das Mineral
vorfommen ober der Alpe Lifens am Wege nach dem Horn
beherbergt, und viefleit8 in der Villergrube ebenfalls Dijthen,
faferigen PBiftazit, Rutil derb und in undeutlichen Kriftallen und
Titanit umfchließt. Auch Andalufite von rother Farbe werden
aus diefem Thale gebracht, wo fie aber brechen *), konnten wir
nicht erfahren.
Der Hornblendefchiefer wird noch an der Stodla - Alpe
4965’ 2. und der Oberiß-Alpe 5450° 2. fichtbar und reicht bis
zur Alpeiner-Alphütte. Diefem folgt jener grobförnige Gneis,
welcher fchon im Längenthal bei Lifens bejchrieben wurde, umd
trägt die. mächtigen Eislager des Alpeiner > Ferners und feiner
Genoffen, welche die Hochfare der Gneismitte im Stubeierfnoten
ausfüllen, und vom Fernerfogel bis zum großen. Bo: und
Mahlgrubenfogel fich verbreiten. Die Felfen am Fuße des
Ferners 6944' 2. find fehr fchön polirt. Der Gletfcher endet
mit einer gewaltigen Eiswand, wird im fchnellen Anfteigen
breiter, zerflüftet und erreicht fchon an den Eiswänden eine
Meereshöhe von 7744 8. |
Wir umgehen nun das Centrum des Stubeierfnotens an
der füdöftlichen Seite. Von Neuftift bis zur Fernau ift Die
Fortfegung des Stubeierthiales eng und fehluchtig: Bis zum
Weiler Kreßbach 3408° 2. Herrjcht Gneis, der tiefer dem Glim-
merfchiefer ähnlich wird, bald aber jenem Zuge des Hornblende-
fchiefers aus dem Oberbergerthale Blag macht. Hinter der ein-
famen Schenfe zu Ranalt 3758 2. an ver linken Ihalfeite ift
der Feldfpath aus dem anftehenden braunvothen Glimmerfchiefer
ganz gewichen, dafür haben fich aber Öranaten eingenijtet. Die
Wildbäche bringen jedoch von den Höhen nur Stüde von Gneis
*) Sn der Billergrube. A. P.
cd
’
herab, der hinter Schöngelair und bei der Mutterberger - Alpe
auch am Bachufer erfcheint und in fenkrechte Tafeln und Keile
gejpalten mit jenem am Fuße des Alpeiner-Ferners völlig über:
einftimmt. Andere Verhältniffe zeigen die Gebirge der vechten
TIhalfeite. Doch zuerft einen Blid auf die Eisfelver.
Alle Höhen, welche den Hintern Theil von Stubei umftehen,
find in Eis und Firn gehülft, und man zählt mehr als 20 Gfet:
fceher, welche an der Brennerfpige beginnend, und im weiten
Halbfreife die Mahlgrubenfpise, den Bod- und Daunfopf, die
Schauflfpige, hohe Fräule und hohe Grindl berührend, bis zum
Hochglük 9772’ 2%. und der Habichtipise 10348° 2. (10328° Th.)
die Weidepläge der Alpen umgürten. Der-Sulzferner, nördlich
unter dem hohen Fräule, defien Abflug. bei Schöngelair viel-
getheilt über die Glimmerfchieferwand ftürzt, lbergießt mit feinen
- &islagern die größte Fläche unter diefen letfihern. Die Ge:
bivge füplich vom Stubeierthal ziehen vom Grieskogel bei Kaifers
im Desthale zur Schauflipige und fegen in ununterbrochener
Kette und gerader öftlicher Richtung bis zur Gruppe des Tri-
bulauns fort: Sie bejtehen aus Ölimmerfchiefer, der gegen ©.
und D. fällt, und umfaffen mit der Kette der nördlich-fallenden
Schiefer, die vom Öleirfcher-Ferner über die VBillerfpige zum
MWiedersberg fich erftrect, den Gneis des Alpeinerjtocdes wie
die Schale den Kern. An der hohen Grindl löft fich ein Ger
birgsarın, erhebt fich zum Hochglüd- und der Habichtipige, ftoßt
an die Spige der Serled und trennt Stubei von Gfehnig. An
feinem Ausgangspunfte ift: der. Fernerfranz durch das nadte
Gefchröfe der riefigen Wetterfpige und des Mittelberges unter
brochen, und ein mühevoller Uebergang verbindet hier beide
Thäler. Der Fußweg durchzieht Das guasreiche fehnell anftei-
gende Langenthal, defien einziges Geftein brauncother Glimmer-
fchiefer ift, bi8 zue Zungenfpige des Grübel-Ferners, unter
welcher eine ftarfe Quelle ruhig wie Del hervorfließt. Ich fand
bei einem Befuche diefer Gegend im Auguft die Temperatur dier
jer Duelle gleich 2I R.
Wir beachten am Rücwege aus dem Hintern Stubei das
=
rechte Rusufer. Das Vorfommen von Kupferfies und Cyanit
am Beil füdlich ober der Mutterberger - Alpe dürfte faum einen
Befuch verdienen. Intereffanter ijt aber eine Ereurfion in das
Thälchen ober Kreßbach gegen den Hoberberg.
Der Fuß der Berge ift aus Gneis gebaut und wird von
Glimmerfchiefer bedeckt. Auch Hornblendefchiefer vom Zuge der
Brennerfpige wird bei Volderau noch fichtbar. Auf dem Hober-
berge fit aber eine ganz ifolirte Kalffuppe derfelben Gefteinsart
wie an der Seile und wie dort im Contacte mit den Friftallini-
jchen Schiefern erzführend. Doc find es hier nicht Eifen-
jondern DBleierze, welche am Autenberg, in der Ochfenalpe und
jenfeit8 bei der SBinnifer-Alpe Abbauverfuche veranlaßten. Ein
Fund von Kupferfies am Nordabhang des Hochglüd ijt unbe
deutend. Bei Never, einem Weiler mit drei Hammerfchmieden
Neuftift gegenüber, mündet das Pinniferthal, das mit dem Pap
am Pinniferjoch 7460, &. die Ausbreitung ver Eriftallinifchen
Schiefer gegen die Ringgruppe der Serles begrängt, linfs ftrebt
die Riefenpyramide des Habicht, welche Brof. Thurwiefer 1836
zuerjt barometrifch gemefjen *), gegenüber den zasfigen, zerriffenen
Geftalten der Kalfberge empor-
Die Gruppe der Serles, welche die untern Theile von
Stubei und Gfehnig bis an die Sill feheidet, ift faft nur eine
Wiederholung defen, was wir über den Bau und die Gefteing-
folge der Kalffegel-Gruppen bemerften.
Das Hochgebirg, das fich zunächit dem PBinniferjoche im
zerborftenen Kirchdach erhebt, dann den Kamplberg, die Kugel:
wände und den dreizadigen Serles oder Waldrafteripise 8636 X.
formt, figt in ähnlicher MWeife auf dem Unterbaue eines Mittel
gebirges, und läßt fhon aus der Ferne durch üppigen Wald-
boden und Fahles, graues Gefchröfe leicht erfennen, wo der
Schiefer die Grundlage bilde und wo der Kalf fein Gebiet habe.
Das Mittelgebirge, defien Fläche zwar weniger breit aber
inv gleichen Niveau mit jenem zu ZVelfes und Patch fteht, ift
*) Meue Zeitfchrift des Ferdinandeums. B. 6, ©. 73.
’
I - 1 —
natürlich nur fo lange deutlich ausgeschieden, ald die Thalfohle
von Stubei und Wippthal nicht eine mittlere Seehöhe von 3000°
erreicht, was fehon bei Medras 2392‘ 2. und bei Matrei 3088 2.
gefchieht. Seine Oberfläche und feine Abhänge find überall mit
Dilusium übergoffen, faum daß hie und da am Ufer der Rus
oder der Sill das Gefelfe entblöft it. Die fichtbare Unterlage
ift Glimmerfchiefer, der nicht nur am Cingange des Pinnifer-
thales, fondern auch im Graben bei Medrag und bei Schönberg
und Matrei fich noch zeigt. Im den obern Lagen nimmt er
aber eine chloritifche, dem MWegfchiefer jehr ähnliche Natur an«
und ijt in der Nähe der Kalfe faum vom Thonglimmerfchiefer
zu unterjcheiden.
Die Schichtenfolge der Kalfe ift diefelbe wie an der Seile,
In der Tiefe herrfchen die dunflen, dichten und fchieferigen
Barietäten oben die weißen dolomitifchen, deren Trümmer haufig
die Unterlage verbergen. Auch die Kalfauflagerung der Ser-
(esgruppe erweif’t fich an den Gränzen zwifchen ihr und
dem Schiefer erzhaltig, man findet da aber nur Schwefelmetalle.
An der linken Seite des Zeibaches, welcher fteil von der Serles
gegen Medrag abfällt, fieht man im Glimmerfchiefer einen ver
lafienen Stollenbau, der filberhaltige Kupfererze geliefert haben
fol. Iest trifft man dort nur Magnet: und Eifenfies mit
Spuren von Rupferfies. Auch die Lagen des fchieferigen Kalfes,
welche in diefem Thälchen zu Tage treten find von Eifenfies
durchdrungen und an der Oberfläche nicht felten mit Eifenvitriol
und Alaun überzogen. Jm unterften Streifen defjelben ift der
Schwefelfies zu einer mehrere Zol mächtigen Lage concentrirt.
Höher im Thale verwittert diefer Schiefer zu einer fchwarzen
Erde, welche ald Farbe benüst wird.
Don Medrag bis Mieders bededft Gerölle das Anftehende
am rechtfeitigen Berggehänge, und gewinnt bald eine folche
Mächtigkeit, daß feine Hügel in die Thalfohle vortreten und
ebenfo wie jenfeits bei Telfes und Greit ein Mittelgebivg bilden,
auf welchem die Dörfer Mieders 3015 2. und Schönberg 3189’ 8.
liegen. Man geräth in BVerlegenheit die Felsart zu beftimmen,
eo
welche Die waldigen Kuppen füdlich von obigen Dörfern geftaltet,
und ift gezwungen aus den einzelnen Heinen Niffen des Glimmer-
Ichieferg am Wege von Mieders nach Schönberg, oder in den
Gräben des Gries: und Mühlbaches auf das Ganze zu fchließen.
Im fiebzehnten Jahrhundert wurde in diefem Thälchen leb:
hafter Bergbau betrieben, Bleiglanz und Kiefe mögen die Aus:
beute gewefen fein, wenigftens findet man nur davon Spuren.
Die Gruben weiß man nicht mehr zu zeigen, und deutet nur
im Allgemeinen nach den höhern Bergrevieren, wo die Kalke
ihre Herrfchaft beginnen.
Auf der Höhe diefer waldigen Kuppen liegt der Wallfahrts-
ort Waldraft 5054 2%. hart an den trodenen, riffigen Wänden
der Serles, deren ftets fich mehrende Schuttbalden ringsum das
Blateau befleidven. — Bon Schönberg nordiwärts trennt eine
ichmale Hügelfette die Rus von der Si, fie befteht faft nur aus
groben Rolfftüden, Sand und Lehm und erhebt fich an 1000’
über die Thalfohle bei Unterfchönberg 2162’ 2. Beim Anblide
diefes mächtigen Diluviums, das der Sill fchöne Sandpyrami-
den zutwendet, wird man fat unwillfürlich an eine Moräne am
Zufammenftoß von zwei ©letfcherftrömen erinnert.
An der äußerften Spige diefer Hügelfette Hat der Bau der
Stephansbrüfe und die Anlage der neuen SHeeresftraße den
Thonglimmerfchiefer entblößt, in deflen Duarzausfcheidungen
I00 Schritte von der Brüde etwas Gold fich fand. Den
Goldgehalt im Sande der Si fannten fchon die Alten, und
um das Jahr 1630 beftanden an den Ufern derfelben mehrere
Wäjchereien, die befonders in der Nähe des Kererftegs ergiebig
waren.
Bis Matrei ift die Straße im Diluvium eingejchnitten,
das mit der Pflanzendede den Dftabhang der Serlesgruppe fait
ununterbrochen verkleidet. Nur die Schlucht der Sill und der
Hügel, auf welchem das Schloß Matrei fteht, machen eine Aus:
nahme und zeigen hie und da den Thonglimmerfchiefer, welcher
in den jenfeitigen Gebirgen fo jehr fich ausbreitet. ‚An. der
Seite des Schloßhügels, welche der Sill zugeivendet ift, fieht man
Ei Bei
oben einen grünlich grauen, in fchönen Platten brechenden und
fehr Falfhaltigen Schiefer, ganz unten am Bachufer aber Ser:
pentin dunkelgrün, Anthophyllit umfchliegend *%. Er zieht fich
auch gegen Pfons und ift vom Thonglimmerfchiefer durch ein
Gontactgebilde getrennt, welches aus Eleinen Bruchftücen des
Serpentins verbunden durch ein Gement von weißen Friftallini-
fchen Kalfjpath befteht, bald aber fchieferig wird, indem Falfige,
gebogene Blättchen der Breccie fich zugefellen, und endlich in
obigen Schiefer übergeht. Derxfelbe Schiefer blieft auch beim
Markte Matrei hervor, und fteigt thaleinwärts immer höher am
Gebirgsabhang hinauf. Seine Gränze gegen Glimmerfciefer
ift jedoch des Gerölles und der Vegetation wegen nicht aus-
zumitteln.
Ehe Steinach erreicht wird, wechfelt der Thonglimmerfchiefer
mit einem jchwarzen, fchieferigen Kalf, der leicht für den dun-
fein Schiefer des untern Alpenfalfes angefehen werden könnte,
wenn nicht feine feinförnige, Eeiftallinifche Struktur, die Bei-
mengung von Glimmerblättchen und der Wechfel mit glimmerigem,
guarzreichem Schiefer, was noch deutlicher al8 Hier in feiner
Bortfegung jenfeits des Sill bei Dienzens zu beabachten ift, be-
Tehieten, daß er der Gefteinsreihe de8 Thonglimmerfchiefers anz
gehöre. ı Diefelben Gefteine tauchen auch an der breiten Miün-
dung des "Gfchniger-Thales von Stredfe zu Strefe aus dem
Aluvium hervor, und verfchtvinden erft bei Trins unter dem
grotesfen Gefchröfe und den gezadten Spigen. des dolomitifchen
»Kalfes, welcher den Südabhang der Serlesgruppe -bis Gfchnit
und dem SBinniferjoche bildet, wo der röthlich braune Glimmerz
iehiefer der Habichtipige mit fünlichem Streichen und flachen
Dftfallen die Kalfe trägt. Wie jenfeits am Nordabhange ift
auch Hier Die Gefteinsgränge durch Erzfunde bezeichnet, fo 3. B.
durch ein Vorkommen von Antimonglanz in Burgau unter der
*) GStotter macht bei andern Gelegenheiten die Anficht geltend, die-
fer Serpentin fei eruptiv, ja er betrachtet ihn geradezu als das die Al:
pen diefer Gegenden hebende Prinzip. Daran ift wohl in Feiner Weife
zu denfen. 4. ®.
= ©.
Kugelwand und durch die alten Grubenbaue auf Bleiglanz am
Binniferjoch umd in der Ochfenalpe.
Das Gleichartige im Baue der Kalffegel und Serlesgruppe
ift überrafchend, nicht weniger in den Bergformen als’ in der
geognoftifchen Anordnung. , Sie verhalten fich zu einander wie
die vechte zur Iinfen Hälfte eines Ganzen, welches durch den
Gneisfeil *%) bei Neuftift gefpalten wurde. Beide haben den
nach auffen fallenden Ölimmerfchiefer zur Bafis und die Gefteine
des untern Alpenfalfes zur Dede; in Beiden find zwifchen diefen
Erze eingeftreut, und Beide enden an den fernften dem Gneife
gegenüber liegenden VBorbergen bei Wiltau und Steinach mit
Thonglimmerfchiefer und Kalfeinlagerungen, deren aufgerichtete
Schichten dem Olimmerfchiefer entgegen fallen. Der höhere
Theil des Gfchnigerthales trennt den Gebirgsarn der Habicht-
jpige von der wafjertheilenden Kette des Daunfogel® und der
hohen Grindl. Bis an den Fuß des Simingferners und über
das Zrauljoch nach dem Langenthal ift nur ein eifenfchüffiger,
fehr verwitterter Glimmerfchiefer zu bemerfen, der unter dem
Hochglük und der Wetterfpise Kiefe und Bleiglanz enthält und
einft unlohnende Schurfverfuche veranlaßte. Die Thalfohle hinter |
der Lapones-Alpe 44762. eng und fchluchtig, wird beim Dorfe
Gfchnis 37548, zu einem breiten Wiefengrund, aus dem unter
den Pfarrfeldern ein Mineralwafler in drei Quellen entipringt,
und fenft fich gegen Zrins 3745°%. nur wenig, mehr aber bis
Steinach- 3177’. Im der Strede von Gfchnis bis Trins
wechfeln faure Wiefen und benußbare Torffelder mit Kalk: -
gerölfe.
Die Berge an der Südfeite des Ihales gehören theild zur
Fortfeßung jener waffertheilenden Schieferfette, und geftalten die
Weiß und Eifenfpige **), theils zur Ringgruppe des Tribulaung,
Das Sondesthal bei Gfchnig trennt diefelben, und bezeichnet zu:
gleich vie Gefteinsgränze zwifchen Kalf und Friftallinifchem
*) Daß diefe Anficht völlig irrig fei, dürfte meine Abhandlung be:
weifen. AP.
*#) Beide beftehen aus Kalk! A. P.
1
ra Ve
Schiefer. Der Eingang und der untere Theil defjelben befteht
aus Glimmerfchiefer mit einigem Feldfpath, welcher füdöftlich
fällt, und auf halber Höhe des öftlichen Abhanges von Kalfen
überlagert wird. Zunächft am Glimmerfchiefer ift der Kalk fein-
förnig Friftallinifch, weiß, bricht in DIafeln, deren Zufanmen-
fegungsflächen durch parallele Furchen angedeutet find und durch
Berwitterung bemerfbar werden.
Höher aber verliert fich die Friftallinifche Streuftur und die
weiße Farbe, und bald erfcheinen wieder alle jene Gefteine des
untern *) Alpenfalkes, welche die Gruppen der Serles und der
Kalffegel zeigen. Die Oefteinsgränze ijt hier befonders fchon
entblößt und zieht fajt wagrecht thaleinwärts. Noch auffallender
laßt aber die Weitfeite die Auflagerung der Kalfe beobachten,
der Schiefer reicht hier weiter hinauf und jteigt bis an das Joch
mit dem Uebergang nach Pflerfch. Nur die Spige der Golp-
fappe allein ift aus einer Kalfparthie geformt, ‚die ringsum ifolirt
mit hellen, trocdenen Wänden aus dem Alpengrün emporragt.
Auch Hier ift an der Berührungslinie der Gefteine die Exzfüh-
rung nicht vergefien und befonders an der Goldfappe beaibtens-
werth. Der Glimmerfchiefer umfchließt Hübfche Würfel von
Gifenfies, in Spalten erdige Kupferlafur, dann in Duarzgängen
Arfeni- und Magnetfies ; der Kalkfchiefer aber nur Schwefel-
fies. Erjteigt man die infattelung füdlich von der ifolirten
Ralkparthie, um aus dem Sondes in’d Grübelthal zu Ffommen,
jo findet fich) wieder an der Gefteinsgränze ein Schieferftreifen
mit oceriger Auswitterung, der durch Furze Gruben aufgefchloffen
ift, und reichlichen Magnetfies und Bleiglanz zeigt. Die Mäch-
tigkeit der Lagerftätte mißt wohl mehr als eine Klafter. Aehn-
liches Erz fol auch weiter weftlich am Schnabele ober der La-
pones-Alpe abgebaut worden fein. Die Erfcheinungen, welche
die Ralfauflagerung der Tribulaungruppe hier begleiten, ftimmen
daher mit jenen am hohen Burgftall überein.
Die Ringgruppe des Tribulaung ftelt eine von N. nad)
*) Dbern Alpenkalfes und metamorphen Fins. A, D.
- 8 —
©. ziehende Kette dar, welche von Trins bis Pflerfch reicht und
gegen W. in’ Sondesthal, gegen DO. ins Oberbergerthal ab-
dacht. Das prachtvolle Säulenftück des Tribulauns und die
Portmaderfpige ragen in der Linie der Wafferfcheide empor, nord-
wirts reihen fich an diefelbe das Muttenjocdh 784% A, das
Truner- und Steinacherjoch 70468. Die Kalfe fenfen fich in
Sfchnis bis ims Thal herab und veröven daflelbe durch ihre
Irüummer.
Unter dem St. Magdalenaberge und ober dem Guaferhof
zwifchen Gfehnig und Trins follen Kobalterze vorfommen. Im
Sahre 1788 wurde darauf eine Belehnung ertheilt. Fundftücde
von daher jah ich nicht. Unter Trins erfcheint an diefer Thal-
jeite der Thonglimmerfchiefer und verbreitet fich bald gegen das
Steinacher und Trunerjoch füplich ftreichend und weftlich fallend.
Am Fuße der Berge bei Steinach und Gries wechfelt der Schiefer
öfters mit Kalfeinlagerungen, die bald buntfarbig, dicht Fiefelig
und Furzktüftig, bald weiß oder fehmwärzlich grau Friftakfinifch
förnig oder fchieferig und glimmerreich find. Sehr häufig ver
birgt die Pflanzendede diefe Oefteine ; Diluvium findet fich nicht.
Wir fteigen von Steinach in diefe Schieferberge, begegnen zuerft
einem Lager von grauem und röthlichem Fiefeligen Kalfftein, dann
näher der Alpe NRucfjtein 4830’ 2. einem grümlich grauen Thon:
glimmerfchiefer, der weftlich von der Alpe abermals einige braun-
vothe Ralkparthien mit eingefprengtem Kupferfies aufnimmt. Die
alten Gruben, welche hier beftanden, find verbrochen und bis
auf einige Vertiefungen verfchwunden, welche ihren Eingang
andeuten dürften.
Bis an das Steinacherjoch wiederholen fich noch mehrmals
diefe inlagerungen, der grünlich oder blaulichgraue Thonglim-
merfchiefer bleibt aber das herrfchende Geftein und zeigt ein
Streichen in &t. 15 und nörbliches Fallen. Am Sochrüdfen
jelbft, fo wie am gegemüberftehenden, nur durch eine Einfattelung
getrennten Trunerjoche kommt ein fehr fefter, eifenfpäthiger Kalf
vor, der ziemlich deutliche Zufammenfegungsflächen und ein
Streichen nach St. 14 und jehr fteiles Fallen nah ©.,D. zeigt.
r4
-M =
&8 fragt fich, ift diefer Kalk, der feine große Ausbreitung er-
langt, dem Thonglimmerfchiefer ein oder aufgelagert?
Das veränderte Fallen der Schichten dürfte zur Entfchei-
dung eben fo wenig genügen als die mineralogifche Aehnlichkeit *)
diefer Felsart mit den Kalfen der Serles und Seile; denn wir
haben den untern Alpenfalf und die Zwifchenfchichten der glim-
merigen Schiefer fchon in fehr verfchiedenen Variätäten und der
mannigfaltigiten Lage der Schichten getroffen. Es erinnert
zwar der Spatheifengehalt diefer Kalfe an jenes eifenfchüffige,
öckerbraune Contaftgebilde der Pfriemeswand ober Mutters, aber
auch in den Kalfen des Thonglimmerfchiefers ift Spatheifenftein
nichts feltenes. Nur die Erfcheinungen, welche am Oftabhange
bald unter dem Foche fich darbieten, Fünnten vielleicht viefe
- Frage löfen. Im grasreichen, faft flachen Boden find hier
mehrere Gruben aufgeworfen um eine rußfohlenartige fchwarze
Erde, die thonig riecht, in Wafler löslich ift und als fchwarze
Farbe benüst wird, zu erhalten **). Diefe Erde liegt zwifchen
den Schichten einer Sandfteinbildung, die am Bergabhang ziem-
lich weit gegen Noößlach fich verbreitet. Der Sandftein ift grau,
fehr feft, bald grob bald feinförnig aus Duarzitüden beftehend,
die ein thonfchieferartiges Gement verbindet, oder fchieferig und
dann glimmerreich. Er gleicht daher einer Graumwade. Wir
wagen e8 jedoch nicht diefe Benennung beizubehalten, weil wir
die Bedeutung derfelben nach den geologifchen Syftemen nicht
zu rechtfertigen im Stande find, "und wählen daher dafür den
unverfänglichen Namen Thonglimmerfchiefer - Conglomerat oder
Breccie. Wo diefer Sandftein bis jest in Tirol gefunden wurde,
erfcheint er ftetS ald eine Schichte unmittelbar über dem Thon-
Hlimmerfchiefer, und wird entweder von Borphyr in rothem Sand-
fein oder unterem Alpenfalf bededt. Wäre e8 möglich nach-
zumeifen, daß diefes Gonglomerat die Unterlage der Kalfe des
*) Diefe ift fehr gering!
..#) Diefe Erde, der Sandftein und das Conglomerat find. Glieder
der Anthracitformation. Im übrigen verweife ic auf meine Abhand-
fung. A. P.
BR SH
Steinacherjoches bilde, fo würde deren Stellung nicht länger
zweifelhaft fein. Es wollte aber der Vegetation wegen eben jo
wenig gelingen, das Verhältniß der Sandfteine zum Kalf als
am Weftabhange des Seinacherjoches erftern jelbjt irgendwo zu
finden. Wenn wir daher Ddiefen Kalf zum untern Alpenfalf
zählen, haben wir uns faft nur durch die wiederholte Beobach-
tung beftimmen laffen, daß derfelbe in der Nähe feiner großen
Maffe noch mit einzelnen ifoliten PBarthien auf den Kuppen
der Bergfpigen zu figen pflege. — Um über das Berhältnig
diefes Konglomerats zum Thonglimmerfchiefer Aufflärung zu
erhalten, müffen die Gräben und Einfchnitte der Abdachung ge-
gen die Sill begangen werden. Doch auch hier fehlen die Ent-
blößungen in langen Streden und die Profile bleiben unvoll-
ftändig. Man fieht im Graben, welcher fich nach Gries hinab-
fenft, zu oberft einen fchwarzen, eifenfchüffigen, fandigen Schiefer,
defien VBerwitterungsproduft ohne Zweifel jene jihiwarze Erde
ift ), dann grobförnigen Sandftein. Diefem. folgt Thonglim-
merfchiefer mit eingelagertem grauen, zerklüfteten Ralf, endlich
ein grüner und darauf ein fehwärzlicher, fehr Falfiger Schiefer,
defien Schichten nah St. 14 und gegen W. fallen. Xebtere
herrfchen auch an der Thalfohle zwifchen Gries und Steinach)
und führen Schwefelfies in deutlichen Würfel,
Bon Gries leitet ein Weg in das weftlich anfteigende Thal
Dbernberg. Bis zum Dorfe gleichen Namens geftaltet ein
grünlicher oder blaulicher, feidenglänzender Thonglimmerjchiefer
die Thalwande, und umfchließt nahe an der Mündung eine
Ralkparthie, welche aus einer obern weißen, brüchigen und Fieje-
ligen und einer untern grauen, fait fchwarzen, dichten Schichte
beiteht. Die Schichten ftreichen füdlich und fallen flach gegen ®.
Hinter der Kirche von Obernberg 4281’ 2. erhebt fidy mitten
im. Thale ein Hügel, der den Kalfen des Thonglimmerfjchiefers
angehört, wo fich aber das Thal in zwei Arme theilt, welche
den Tribulaun umfchlingen, fteigen die untern Alpenfalfe von
den nördlichen Höhen bis an den Bach herab, und durchqueren
das fünlich ziehende Thal Patrins in fchiefer Richtung fo, Daß
= 1 —
der See fchon an beiden Seiten davon umgeben ift, während
im tiefen Theile der Dftfeite noch glimmeriger Schiefer herricht.
Der untere Alpenkalf, welcher den Tribulaun und feine Nac-
barn geitaltet, bejteht in den unterjten Schichten aus einem
weißen, ganz dichten, nicht Friftallinifchen, im Bruche mufcheligen
Kalfe, wird aber bald grau und völlig dem an der Serles ähn-
lich. Wie an andern Orten ijt auch hier die Gefteinsgränge
erzführen?. Die alten Gruben am Kühberg liegen eine halbe
- Stunde ober dem Dorfe nahe der Gontaktlinie im Kalfe, der
fehr lebhaft an die erzführenden Kalfe am Kogel und Ringen:
wechjel im Unterinnthal erinnert und bald fchwärzlich und dicht,
bald hell und dolomitifch it. Die Gruben, welche am Gehänge
angebracht find und mitunter eine bedeutende Biere erreichen,
verfolgen ein Ganggeitein aus Ralffpath und Baryt 3 bis 4
mächtig, in dem Fahlerz, Bleiglanz und gelbe Zinfblende ein-
geiprengt jind. Die Erze fönnen nur ald PBorbgänge 'benügt
werden, weil fie nirgends in größern VBarthien vorfommen, und
enthalten im Gentner 23 Pfund Blei und 2 Loth Silber. Mit
denjelben trifft man häufig Bergkriftalle und violetten Flußfpath
meift derb, felten in Würfeln mit abgeftumpften Kanten. Diefe
Gangart ftreicht wie die Kalffchichten nady ©., fällt jedoch diefen
entgegengefegt jehr jteil gegen W. Der Sage nad foll diefer
Bergbau einft jehr ergiebig und fchon zur Zeit der Römerherr-
Schaft in Betrieb gewefen fein. Gewiß ift, daß der größte Theil
der Arbeit mit Schlegel und Eifen gefchah. Auch unter dem
Zribulaun finden fich alte, längft verlaffene Bau.
= Bom See im Thale Obernberg gelangt man zur Scheid-
edfe unter der Seilfpige 6770' B. und nach Pilerfch. Anfangs
Ber über‘ . Schichten des hellen, dolomitifchen Ral-
erf iefer bildet die untere Hälfte der Abdachung,
edoch Hinter dem Dorfe bald einem entfchievenen Glim-
Amerfhiefer. Das Thal Obernberg und diefer Jochübergang be-
gränzen ftreng genommen die Ausdehnung des Stubeierfnotend
6
ei
und. der Tribulaungruppe, und Die Bergfette öftlich davon, welche
gegen den Brenner abdacht, gehört chen den Sedimentgebilden
der, Tauren-Mafle an. Sie ift e8, welche mit der Gruppe des
Tribulauns die Eriftallinifchen Gefteine des Desthaler- umd
Zilferthaler » Stockes fcheidet, und die nördlichen und füdlichen
Schiefer enge verbindet. Diefe Bergfette erhebt fich nördlich von
Goffenfag zur NRothfpise und hohen Lorenz, zwifchen welchen
ein. Sochübergang 6801‘ B. nach Obernberg leitet, forme das
Kreuzioch 7190 B. weitlich von der Brennerhöhe, und ftürzt
am Sattelberg mit jähen Wänden in den Brennerfee nieder.
Thonglimmerfchiefer meilt ehr. Falfhaltig, jeltener mit vorherr-
ichendem Quarz, defjen Schichten bald gegen D., bald gegen
W. fallen, geftaltet diefe grünen, weidereichen Kuppen und wech-
jelt mit Kalffchiefern, die am Cingang nach Obernberg, am
Brennerfee, am Aufitieg zum Steinjoch und auch in Obernberg
an mehreren Orten fichtbar werden. Nur an der Norpfeite des
Plerfcherthales von Gofjenjaß gegen den Zribulaun liegt: ein
weißer dolomitifcher Kalk von feinkörniger, faft dichter Struktur,
gegen Säuren nur wenig empfindlich und völlig übereinftim-
mend mit den Kalfen am Fuße des Tribulauns. Er baut die
obere Hälfte diefer Berge und trägt an den Epigen jelbjt wieder
jene Ichwarzen Dachfchiefer, welche in den Gebieten des untern *)
Alpenfalfes fo oft fich, wiederholen. Ob dieje Kalfauflagerung
mit jener des Fribulauns im Zujammenhange jtehe **) oder
nicht, fonnte nicht erwiefen werden. |
Hinter dem Dorfe PBflerfch 39768. find vie Thalwände
an beiden. Seiten aus Glimmerfchiefer gebaut, der ohne, deutliche
Gränze aus Thonglimmerfchiefer fich entwickelt, und hie und da
fleine Barthien von Hornblendefchiefer nebit Schörl umfaßt.
Seine Schichten fallen noc am Buße des Stuben-Ferners gegen
S,-D., über welchem ein wenig betretener Pfad nah Stubei
}
*) Dbern! Die Dachichiefer find metamorphe Earditajchichten. N. 7
=) Sal B
-—
führt Anden: nördlichen 'Berggipfeln fieht man neben dem
Tribulaun auch noch die Eifenfpige mit einer ifolirten Kalthaube
bederft. Die Bergfette an der Südfeite des Pflerfcherthales zieht
in: füdöftlicher Richtung vom Aglsberg zur Rothwand, "geftaltet
am Farner Beil SIIY5HB. eine Verbindung mit Rivnaun und
endet mit der Telfer-Wiefe, dem Roßfopf und Schleirberg 6986‘ A
bei, Sterzing: Ihre Felsarten find: jene der Nordfeite.; Im
hinterm Theile herrfcht, foviel der MWaldftand zu beobachten er-
laubt, Glimmerfchiefer, im vordern Thonglimmerfchiefer mit: weft:
lichem Ballen. Der Allrigbach dürfte ziemlich genau ihre Gränze
bezeichnen. Nur Die Telfer-Wieje und der Schleierberg tragen
eine Krone von untern Alpenfalk in derfelben Weife wie die bis-
ber aufgezählten Berggruppen.
Das Thal Pflerfch ift in der Bergwerfsgefchichte Zirols
viel genannt. Urkunden aus dem vierzehnten Jahrhundert rüh-
men jehon Die ‚reiche Ausbeute der, Gruben um Goffenfaß und
die erfahrenen Bergleute. Der Segen war aber fchon im: vori-
gen Sahrhundert erfchöpft. est tönt dort Fein Hammerfchlag,
fein Bergmannsgruß; die Stollen find verfallen, die Halden
meijt Üübergrünt, faum fennt man noch die Lage der Gruben,
und um fich über das ehemalige Metallvorfommen: zu belehren,
bleibt faft fein anderes Mittel als die eingemauerten Erzftufen
ober, ven Hausthüren in Goffenfaß zu unterfuchen. . Schon eine
viertel Stunde nördlich vom Dorfe beginnen‘ die Halden und
ziehen eine Stunde weit: thaleinwärts. Die Gruben liegen im
glimmerigen Schiefer nahe ver Kalfauflagerung und fcheinen
vorzugsweife zur Eroberung von fülberhaltigem: Bleiglanz be-
teiebem worden zu fein, mit dem Rupfers, Schwefel und Mag-
netfies -jowie Zinfblende, waran die Halden noch reich find, ein-
brachen. Die Gangs oder Lager -Mafje der Erze fcheint aus
Duarz mit Granaten zu bejtehen, wenigjtens deuten die Halden-
trümmer dahin. Von nicht geringer Ausdehnung find die Gru-
ben in Gfchleiev und am Neifenfchuh jenfeits des Baches, wo
ebenfalls grob- und feinförniger Bleiglanz im’ Thonglimmer-
6*
Par DD
jchiefer abgebaut wurde. ‘Die Erze brechen überall nur in Nieren
und Nejtern und ihre Mächtigfeit war fehr unbeitändig *).
Die Boftitraße zieht von Gofienfaß 3366' T. bis Sterzing
2964° TS. dem Streichen des glimmerigen Schiefers entlang, der
ziemlich alfhältig ift, bei Lurr in einem weißen glimmerigen
Duarzfchiefer übergeht und am Fallerbach bei Sterzing Orana-
ten und Stauvolithe aufnimmt. An der Mündung des breiten
Mareiterthales blickt ein grauer Kalfjtein aus dem Diluvium
hervor, das mit Kultur- und Waldboden vie Abhänge der Nord-
jeite bedecft.
Der Kalf ift ven nordweitlich fallenden Thonglimmer-
ichiefer eingelagert, und leßterer erhebt fich bi8 zu den Gipfeln
ver Telfer-Wiefe, wo das längft verlaffene Silber- und Blei-
Bergwerk Kochbüchel nicht weit unter dem aufgelagerten Alpen-
falt umging. Am Hügel bei Mareit, welcher das Schloß
Wolfsthurn trägt, beginnt das Gebiet de8 Glimmerfchiefers, der
fich Über das ganze Thal Rivnaun bis an die Grängberge gegen
Paffeter verbreitet, Tiberall gegen N. verflächt und wie in
Pflerfh Schörl enthält. Nur einzelne Streifen von Horn-
blendefchiefer unterbrechen diefe Einförmigfeit, und beherbergen
ichöne Mineralien. So findet fich unter der Spige des Königs-
hofes am zerriffenen Hochferner eine Lage diejes Gefteing, in
welcher große, grasgeline Zwillinge von Titanit mit Granaten
und Ehlorit vorfommen, während der fehwärzliche und graue
Slimmerfchiefer in defien Nähe plattgedrücte Staurolithe ein;
fchließt.
Vom Dorfe Rivnaun, defien Kirche 4222/ 3. über dem
Meere liegt, gelangt man über den Farner-Beil nach Pflerich,
durch das Lazacherthal zum Schneeberg und nach Pafleier und
über den Glöcberg 7560 B. nach Ratfchinge.
*) Mehreres über diefe Bergwerfe üft zu lejen in $. v. Sperges
„Ziwolifhe Bergwerfsgefcichte.‘” Wien 1705 und Molls Jahrbücher
B. II, ©. 146.
3
Die Gruppe des Schneebergs.
Bisher begegneten wir in den Gebirgen der Selvretta- und
Desthaler-Maffe nur wenige Stellen, welche in mineralogifcher
Beziehung befondere Aufmerffamfeit- verdienten. Die Duerfette
der Schneebergergruppe umd ihre Verzweigung machen aber eine
Ausnahme.
Mit dem Hochferner ftoßt diefelbe an die füdliche Schiefer-
zone des Stubeierfnotens, erhebt fich füdwärts zur Schwarz-
fpiße 8672 3., dem Schneeberge’und der fleinen Kreuzfpige und
biegt gegen DO. zur Umblfpige und dem Saufen. Diefer nur
66268. hohe Pap ijt die einzige Verbindung der Debthaler-
und Penjer-Maffe. Vom Schneeberge geht eine Verzweigung
aus, welche den Höhenzug zwifchen Ridnaun und KRatfchings
bildet, im Glöcberg und der Ainetfpige emporragt und füplich
von Mareit endet. Mit diefem Zweige betritt man ein Terrain,
das jowehl durch die Mannigfaltigkeit der vorfommenden Mine:
ralien al8 auch durch die Schönheit derfelben ausgezeichnet ift.
Aber auch die geognoftifchen Verhältniffe diefer Gruppe bieten
Erfcheinungen, die nicht zu den gewöhnlichen gehören. Wir
befuchen zuerit das Ratfchingferthal.
Dem Fußwege von Gafteig gegen vefien Eingang fol-
gend bemerft man wie fich aus dem Thonglimmerfchiefer
des Mareitertjales allmählig der Glimmerfchiefer entwickelt,
und defien Beitandtheile eine Eriftalfinifche Struftur anneh-
men. Kaum wendet man fich aber in das Thal, fo erfcheint
am vechten Bachufer ein Friftallinifch grobförniger Kalf, der
ein mächtiges Lager bildet. Bald wirft fich diefes Geftein
auf das jenfeitige Ufer und zieht dort in einem zur Thalfohle
parallelen Streifen am Gehänge einmwärts, veicht jeßt bie an
den Bach herab und fteigt wieder zu den Bergfuppen hinan.
Weberali jedoch ift daffelbe deutlich zwifchen Friftallinifchen Schie-
fern eingebettet. Diefen Kalk, ver fehon am Thaleingang, be:
| fonders aber in der Nähe von Flading durch Steinbrüche ab:
geveett ift, bezeichnet fein großes Korn und die im’s blauliche
BE.
jiehende Farbe, noch mehr unterfcheivet ihn aber -die große Em-
pfindlichfeit gegen Säuren vom Marmor oder beffer vom Do-
lomite. des Tribulauns. Nicht felten ft er durch Schwefelfies
verumreinigt. und erhält chen bei faum merkbarer' Berwitterung
des Lepteren. oifergelbe Flecken, die jeine Verwendung zu archt:
teftonifchen. Arbeiten zwar nicht befchränfen, aber. ihn für Bild:
hauer untauglich machen, felbft wenn die grobfürnige, Struktur
fein Hindernig wäre. Der Kalk jowie jeine Unterlage‘ der fri-
ftallinifche oft gneisartige Schiefer fallen jteil nah N. Das it
auch die Urfache, warum der Marmor, an der Abdachung der
Kette gegen Nivnaun nicht zu Tage tritt, Wohl aber zeigt fich
ein ‚ähnliches Gejtein auf der Höhe des Schneeberges an der
Gränze gegen Bafjeier, wo es mit den dortigen Erzlagern in
Verbindung fteht. Wir glauben jedoch beobachtet zu Haben, daß
der Kulfzug an der Nordfeite des Ratfchingjer-Thales nicht un-
mittelbar mit jenem des Schneebergs zufammenhänge, vielmehr
hinter Flading jich. ausfeile und durd) einen Streifen Friftallini-
jcher Schiefer unterbrochen werde. Diejer Streifen zeichnet fich
nicht nur, durch öftern Wechfel von Glimmer- und Hornblende:
fchiefer aus, fondern umschließt aucd; Ausfcheidungen von groß-
blätterigem Chlorit- und weißem Zalffchiefer. Durch Aufnahme
von Feldjpath wird der Hornblendejchiefer dioritartig «und au
Glimmerfchiefer. wird Gneis.. Was aber Ddieje, Schiefer befon-
ders charafterifict, find die unzähligen Oranaten, welche in’ allen
Barietäten derfelben eingejäet find, und einzelne Niffe von Ser-
pentin und Serpentinfchiefer, die hinter Slading und in Valtigle
fichtbar werden. Diefer Zug verbreitet fich einerfeits zwoiichen
dem Schneeberg und den weißen Wänden gegen Baffeier, an-
verfeitö wendet er fich zum Glöcberg und durchquert: die Seiten:
thäler Balmezon und Baltigls, füdliche Arme von Ridnaun.
Seine Mächtigfeit ijt nicht groß. Die Gefteine diefes Schiefer:
zuges find es, welche fo viele und verfchiedene Mineralien be
herbergen. Hinter Flading, wo eine Maffe von Trümmern die
Nähe: des Hornblende- und Chloritfchiefers verfünden, finden
fich, blätteriger Eifenglanz,. derber Magneteijenftein mit Schörl,
nn un
— 00
—
N
= =. -
Zoiftt, blätteriger, fchwarzer Hornblende und Chlorit. Gegen
den Glöckberg anjteigend trifft man asbeftartigen Strahlftein mit
' Serpentin, und jenfeits der Zochhöhe bräunlichen Arinit in Elei-
nen friftallinifchen Parthien und weißliche, fechsfeitige Prismen
des Berplis im gneisartigen Glimmerfchiefer. Reicher ift das
Thal Valmezon ausgeitattet. Der Chlorit- und Hornblende-
ichiefer enthalten hier ‚außer ichwarzen Turmalinen und hüb-
ichen durchfichtigen Granaten auch Feine zierliche Priftalle eines
grünen Durchlichtigen Vefuvians, Beryll und Diopfid, dann
mehrere Zitanerze, nämlich fchwärzlichen NRutil feltener in der
Form von Anatas und Titanit mit Feldfpath auf Hornblende-
ichiefer. Noch mannigfaltiger ift das Meineralvorfommen in
Baltigls, wo Serpentin zu ven Schiefern fich gefellt und eine
eigenthümliche Felsart oder vielmehr Gang-Maffe fihtbar wird,
die aus größern Partien einer fchwarzen, auf den Theilunge-
flächen jtarf feidenglänzenden Hornblende, tombafbraunem Glim-
mer- und ivenig Quarz im förnigen Gemenge bejteht. Diefes
Geftein nimmt die durch ihre Größe und den Einfchuß von Gra-
naten und Duarzförnern befannten Turmaline auf *),, dann
geünliche trübe Apatite, von denen das Ferdinandeum in Jnne-
brutf eine jechsjeitige Tafel mit 11/, im Ducchmefjer bewahrt
und theild derben, theils FEriftallifirten afchgrauen Zoiftt, defien
Analyie Gefffen mittheilt:
Riefelfäure . 2... 40,74
Thonerdei N. 0.0.7 28,94
Balk not „un Sei. 120,0
Eifenoydp . 2 ....5419
Monganorydul. . . 1,78
Salkerdei.: mine „un 34,78.
Mit diefen trifft man auch Magneteifenftein, Eifenglanz
‚und Eifenglimmer, und in den Duarzausfcheidungen des Olimmer-
fchiefers Spodumen in Friftallinifch blätterigen Maffen von grün:
*) Buchholz (Zourn. f. Chemie und Phnftt, II, 45) gibt folgende
wohl unvollftändige Analyfe derfelben: Kiefelerde 35,50, Thonerde 33,25,
Talferde 9,30, Kalkerde 0,50, Eifenorydul 5,10, Verluft 16,35-
u
lich weißer Farbe mit 9.5, und fp. ©. 3,114. Eine Analyfe
deffelben gibt R.. Hagen *):
Kiefelerde ... . 66,136
Thonerde ...... 27,024
Eifenoryd 2 .....0,321
eithion. 2. ..2..8,836
Ratkon. ai i?,688
Diefes Mineralvorfommen und die geognoftiichen Verhält:
niffe, welche e8 begleiten, haben, wie/gefagt, in der ganzen Aus:
dehnung dev Desthaler-Maffe Fein Gegenftüd: denn Talk und
Ehloritfchiefer fehlen in derfelben gänzlich, und Serpentin zeigt
ih nur am Außerjten Saume im Verband mit Thonglimmer-
jchiefer. Das Vorfommen an der Villergrube in Stubei hat
eine fcheinbave Nehnlichkeit, befchranft fich aber allein auf die
Einlagerung von Hornblendefchiefer in Glimmerfchiefer und den
Gehalt von. Zitanfofiilien. Weder Serpentin nod) Talf: und
Ehloritichiefer find dort jichtbar. Im Gebiete. dev Tauren-Maffe
finden fich aber folche Erfcheinungen öfters, fo am Greiner in
Pfitfch,. Prunders und Windifch-Matrei und zwar unter Ver
hältniffen, welche die, Lagerungsfolge und Anordnung diefer Ge-
jteine befier erfennen lafjen al8 dies in den wald» und weide-
bederften Gründen: des Balmezon- und Baltiglerthales möglich
war. Ja fchon unter Sterzing im Hügel zunächit am Schloß-
berge von Sprechenftein fieht man eine Schichtenfolge entblößt,
die an der Straße mit einem feldfpathhaltigen Hornblenvefchiefer
beginnt, dann Serpentin. zeigt und von Thonglimmer: und
Kalffchiefer bedecft wird. Diefe drei Felsarten laffen fich in
ihrem öftlichen Streichen bis in’ Maulfer- und Balferthal ver-
folgen, und verlängert man Ddiefen Zug gegen W., fo träfe |
defien Richtung gerade mit dem Auftauchen verfelben Gefteine
in Baltigls zufammen. Die Bergfette zwifchen Natfchings und
Ridnaun wäre demnach al8 eine Fortfegung der: Ninggebilve
*) Poggen?. Anal. d. Phyi. B. 48, ©. 361. Cine frühere un:
vollftändige- Analyfe von A. Vogel enthalten die Denffchriften der Akad.
dv. W. zu Münden für 1816-17.
u
a m
zwifchen dem Tauren- und PBenferjtod zu betrachten, die fich
hier feilförmig zwifchen die Benfer- und Depthaler-Mafle drängen.
Roch ift eines Mineralvorfommens zu erwähnen, nämlich
des Prehnits, der in der Erlergrube linfs vom Larchenhof hinter
dem ‚Dorfe Ratjchings gebrochen wurde. Schon feit Jahren
ift der ‚Fundort verfchüttet. Das Mufeum in Innsbrud be-
wahrt einige Prachtitücfe von daher mit zolllangen vhombifchen
Prismen des Prehnits, die von rauhen gemwölbten Flächen ums
geänzt und apfelgrün oder von Eifenodfer etwas braungelb ge-
färbt find. Nach Gehlens Analyje *) enthält er:
Kiefeleide . . . 43,00
Zhonerde .0.0..:23,25
Kalferde. . ... 26,30
Eifenowmwd .. . 2,00
Manganoıyp . . 0,25
Talferde u. Natron 4,00
Die Berge an der Südfeite des Ratjchingferthales bildet
Glimmerfchiefer, und am Wege von Ratfchings 4006' B. zur
Jaufenhöhe 6363' &., fo wie jenfeit8 nach St. Leonhard in
Bafleier fieht man nur diefes Geftein, deffen Schichten überall
nördlich fallen, manchmal aber fajt fenfrecht ftehen. Die Duarz-
ausfcheidungen darin am Sterzinger-IJaufenhaus und eine gneie:
artige Lage beim Trattenhof am Waltenbach fünnen nicht in-
terefliven.
Der höhere Theil von Bafleier, für Geognoften ein lang-
weiliges, einförmiges Querthal, trennt in feiner Richtung bie
an das Timmelsjoch die Schneeberger - Öruppe von jener der
Ulferfpige und ver füdlichen Längenfette des Gebatfcherfnotens.
Bon St: Leonhard 2147’ 82. bis Moos führt der Weg entlang
dem Streichen des nördlich fallenden Glimmerfchiefers, weiter
thaleinwärts durchfchneidet er defien Schichten. Gleich hinter
Moos blickt diefes Geftein nur fparfam aus den Geröll-Maffen
der Thaltiefe hervor, denen einzelne Stüde von Cyanit, Zoifit
*) Sahrb. der Mineral. 1841. ©. 284.
= WW =
Spodumen und Zitanit beigemengt find. Am Gehänge des
Hohenbaums erfcheint aber Friftallinifcher Kalf dem Glimmer-
Ichiefer eingelagert, und tritt auch an der Nordfeite des Pfel-
dererthales zu Tage, ohne bis an die Thalfohle herakzufteigen.
Beiläufig auf halben Weg zwifchen Moos und Rabenftein in
der Ebene, See genannt, zeigt fich die Fortfegung vom Zuge
de8 Hornblendefchiefers aus Valtigls deutlich durch Heine und
größere Granaten bezeichnet, welche diefem und dem nahen
Glimmerfchiefer in zahllofer Menge eingejtreut find, und ftreicht
weitwärts gegen die Sechsfpige und den Oranatenfogel. Der
Hornblendefchiefer umfchließt hier auch Duarzlager, in denen
fich Rutil, Magnetfies und Rohmwand findet.
Um Rabenftein steht man endlich Glimmerfchiefer mit
Staurolitäfriftallen. "Demnach ift es faum nöthig zu bemerfen,
daß die Schichtenfolge der Schneebergergruppe an der Dft- umd
Weitfeite Feine WVerfchiedenheit bietet.
Wir befuchen nur noch die alten Gruben am Schneeberg
und das Seeberthal. Bon NRabenftein gelangt man über meijt
bewachjene Abhänge des gramatenreichen Glimmerjchiefers zur
Ebene Seemvos fidweftlich vom Schneeberger Kirchlein, wo ein
fleines Zorflager bereits bemlist wird.
Die Gruben am Schneeberg (beim Himmelreich 5596' 3.)
jtanden jchon vor 450 3. in Betrieb und durchbrechen einen
Slimmerfchiefer, den Forniger Kalk durchlegt. Die einzige bauz
wiürdige Gangfluft jtreicht von DO. nach W. und fällt mit 609
gegen NM. Die Gangart it Duarz oder granatführender
Glimmerfchiefer, wie das Nebengeftein, oft mifcht fich diefem ein
asbeftartiger bräunlicher Tremolit bei. Die einbrechenden Erze
waren (jegt befteht nur eine Halvdenfutterei) grob- und feinz
förniger filberhaltiger Bleiglanz, Kupferfies, der Gangart ein-
geiprengt felten derb, fehmwarze blätterige Zinfblende, die jegt' ger
fammelt wird, Magnet: und Eifenfies. Mit viefen findet fich
edler Granat, Quarz in vumdlichen Körnern, grünlicher Feld-
fpath, Asbeft und Bergholz. Lebteres wurde von M. E Ihau:
*
|
— u _
low analyfirt und. für ein vom Asbeite gänzlich verichiedenes
Kojjil erflärt. Er fand darin:
Kiefelerde - . . 59,585
Eifenowd . . .. 19,442
Talferde = ..2..45,500
Wafler. . . . 10,268
A Kalferde . ... 0,100
" Thonerde x... 0,040.
Berzelius gab dafür die Formel:
3(Mg Si+ H) + (Fe Si? + 2H).
Ein jeltenes Vorkommen in diefen Gruben ijt der förnige
Automolith von dunfelgrüner Farbe. Die Angabe, daß. hier
Glaserz gefunden wınde, wie 3. v. Spergel jagt, Fann ich nicht
bejtätigen. Der Gruben find am Schneeberg jehr viele und
die höchjten liegen faum 50 Klafter unter dem Joche-
Nördlich von der Schneeberger-Kapelle gegen. den Schwarz:
jee. 8259' 3. herrfcht noch Glimmerfchiefer. An der Schwarz
fpige .linfs darüber 8672’ 3., und an der. Gürtlwand, bemerft
man aber die Kalfeinlagerung
Das Seeberthal mündet bei Schönau hinter Rabenjtein
und biegt jüdwärts gegen den hohen Firjt zurück. Wir juchen
darin die. Verlängerung des Hornblendezuges aus ‘PBafleier, und
finden ‚ihn gepaart mit. &hlovitfchiefer: bei ver Anger und Eeeber-
alpe gegen den Seeberggletjcher, das Horn und den Granaten-
fogel fich erhebend. Auch die Mineralvorfommen des Balmezonz
ihales wiederholen sich in demfelben. Bergkeiftall, ‘Beriflin,
Zoijit, Spodumen in hübfchen rhombifchen Prismen, Oranat,
Buchfit, ‚EChlorit, Diopfid, Hornblende, Rutil und Titanit find
bier in mehr oder weniger fammelnswerthen Stüden zu haben.
Auch Kalk, welcher fich jenfeits an der, Kirchenwand. zeigt, er:
fcheint ‚hier. in einzelnen Irummern wieder. Einjt beitand am
Abhang des Granatenfogels ein Bergbau, Jet ‚weiß man
weder. .die Gruben zu zeigen noch das Erz zu nennen, welches
fie,liefexten.
hi
— GE
Die Gruppen der Ulfers, Hohtweif-, Maftaunz
und Kemsfpike.
Die Gränzen diefer Gruppen fowie ihr Bau aus krijtalli-
ichen Schiefern wurde bereits angegeben, ES bleibt nur weniges
hinzuzufügen.
Die Ulfergruppe vom PBfelderers, Spronfer und untern
Baffeierthale umzogen, erhebt jich zunächit am Spronferjoch zum
Grünjoch und weiter gegen N.-D. zur Ulferipige, an der Die
Bergrücken zwifchen dem nördlichen Faltmarer, Sarmezaner und
Saldenerthal und dem füplichen Kolbenthale ausgehen Die
Matatfihfpige weitlich ober St. Martin tritt mit ihrem fteit-
wandigen Vorbau bi6 an den Bug des BBafleierthales bei
St. Leonhard vor. Die Gruppe der Hochweißfpige durch den
Bas am Gruben » Ferner zwifchen Bfelders und Schnals und das
Pfofenthal von der Lüngenfette de3 Gebatfcherfnoteng, und durch
Schnals von den Höhen der Majtaungruppe gefchieden, befteht
aus zwei Bergefetten, welche an der Hochweißfpige beginnend
in D. und W. das bei Bartfehins mindende Zielthal um-
geben. Die öftliche Kette baut die Zichegotipige 9503, Nodi,
Nodlfpige und endet mit der Muttfpige 7842° ober Meran, die
weftliche trägt den MAlplatfcher - Ferner, zieht zur Labachipiße
9765 A und fällt von der Gannafpise gegen Naturns ab.
In geognoftifcher Beziehung unterfcheiden lich beide Gruppen
gar nicht, und e8 genügt das Spronfer- oder Zielthal zu durch-
wandern, um fich zu Überzeugen, daß mur Glimmerfchiefer mit
mehr oder weniger fteil gegen N. fallenden Schichten ihr Ge-
vüfte bildet, daß diefer Schiefer am Südabhang und den untern
Theilen hie und da gneisartig wird, am Nordabhang aber zerz
ftreute Oranaten umfchließt.
Diefe Gruppen Fonnen am Nord» und Südrande umz
gangen werden. Das weftlich anjteigende PBfelders Teitet von
Moos in PBaffeier zum Pag am Gruben Ferner. Won der
Tpalmindung bis an die Hochweißfpige bemerft man an feiner
Norvfeite die Fortfegung jener Einlagerung des Eriftallinifch
nn =
förnigen Kalfes wie am Hahnenfamm, welche bald die Gipfel
der Berge formt, bald wie an der Hochweißfpige nur einen
' Streifen im Glimmerfchiefer darjtellt. Ienfeits des Joches im
weidereichen PBfofenthale erfcheint der Kalk nicht mehr, die fri-
Stallinifchen Schiefer herrfchen allein und werden an deflen
Mündung gegen Schnals von mächtigen Schuttmaffen beverft.
Zwifchen WVorderfaier und Lumbl jieht man al8 Andeutung
ehemaliger Gletfcherausdehnung die fchönften politirten und fchraf-
firten Schliffflächen.
Durch das Bafferthal abwärts bis Meran begegnet man
am Fuße der Ulfergruppe bei St. Martin einem der Benfer-
Maffe angehörigen quarzigen Gneis, der bald in Glimmerfchiefer
übergeht und von Rifftan bis an die Thalmündung mächtigen
Diluvial-Mafien. Erjt an der füdlichften Spige des reben-
reichen Kiechelberges vor dem PBafleirertjore der Stadt Meran
taucht Granit aus der Schuttdedie empor, ein Gejftein, das aus
weißem Feldfpath, Quarz, fchwärzlichem Glimmer und Horn-
blende im fornigen Gemenge bejteht, und mit dem Granite der
nahen Jfingerjpige vollfommen übereinjtimmt. Doch ift feine
Verbreitung nur gering. Man findet ihn an der nördlichen
Ede des Friedhofes und in der Gafie von da bis zum SBaffeier-
thor. Schon einige Schritte außer dem Thore bevedit Glimmers
jchiefer denfelben.
Der Weg, welcher von Meran nach Tirol führt, geht ein
paar Hundert Klafter genau an der Gränze zwifchen Granit und
Schiefer, welche durch Vebergänge etwas verwifcht find. Höher
am bewachjenen Mittelgebirge des Dorfes Tirol zeigen fich nur
wenige Entblößungen, wo aber ein Gefelfe zu Tage tritt, er-
fcheint Glimmerfchiefer mit Nordfallen. Das Schloß Tirol
2066‘ Th., der Glanzpunft im Luftgarten des Landes, ift auf
Diluvium erbaut, deflen Oberfläche wenigftens taufend Fuß
höher als die Mündung der Paffer in die Etfch liegt, und
durch den tiefer mit Sandpyramiden gezierten Graben eines
Wetterbaches vom Dorfe gleichen Namens getrennt.
> Bei Meran, defien Seehöhe an der Pafferbrüde zu 1018’.
u
und 1046' D. B. angegeben wird, endet die Bucht der) Etich,
und um nach Vintfehgau zu gelangen muß die 600° hohe Stuffe
erftiegen werden, welche ein Duerwall “aus Glimmerfchiefer
bildet. Hinter demfelben ift das Thal breit aber moorig, “weil i
ver Schuttfegel des Zielbaches vie Etfch an die Südwand drängt |
und ftauet. Am Wege bis zur Tl 1602‘ Th. und bis Na-
turns 1735° Th. (wir bleiben an der alten Straße) trifft man
nur Diluvium oder Glimmerfchiefer, wo immer der Boden: der
üppigen Begetationsfchichte entfleivet: it.
Das Schnalferthal trennt vor feiner Mündung beiNaturns
bi8 an den Abhang der, Längenfette die Gruppe der Hochweiß-
fpige von jener der Maftaunfpige und erreicht bei Karthaus eine
Meerreshöhe von 4645’ R. und bei Unfer Frau von 5124 R.
In geognoftifcher und mineralogifcher Beziehung ift diefes Thai
jehr unbefriedigend. Olimmerfchiefer ift fajt die einzige Felsart,
welche unter dem Gefchiebe oder den Schuttmafjen bemerfbar
wird, nur am Eingange und bei Ratteis bricht fein- ‚oder grob-
flaßriger Gneis hervor. Bon einer Kalfeinlagerung iftıim gan-
zen Thale nichts zu fehen ; höchitens erinnern noch die Grana=
ten im Glimmerfchiefer unter der Schröfwand 9126‘ A und am
Aufftieg zum Niederjoche an die Lagerungsverhältmmiffe in Baffeier.
Aus dem hinterften Theile von Schnals, welcher zum Hochjoch-
Ferner führt, leitet ein Fußweg dem Lagaunbach aufwärts zum
Safchliöch! 8812’ T. und durch das Schlandraunthal' nad)
Schlanders die Maftaungruppe umgrängend, aus deren Ge:
wirre zerriffener Berggipfel im. nördlichen Theil: die: Maftaun-
und Wiegenfpige emporragen , während die Trunferfpige, der
Grubenberg und der Zerminiger im füblichen Theile gegen
Bintfchgau abdachen. Glimmerfchiefer mit Nordfallen geitaltet
alle diefe teilen Berge und num ein gangartiges Vorfommen
eines granitifchen ‚Gefteins an der Porticheralpe in Schlandraun |
bringt eine Abwechfelung. Der Südabhang diefer Gruppe fpielt |
in. dev ‚Gefchichte, des tivolifchen Bergbaues eine bedeutende |
Rolle, befonders aber: der Schlanderer - Sonnenberg und das |
Besanerjoh, am denen noch eine gute Anzahl von Stollen und |
- #-
breite Halden zu jehen find. Noch lebt. die Sage, daß - hier
Gold in Menge erbeutet wurde. Aus dem Haldenwurf am
. Eonnenberg: wird aber nur dag. Vorkommen von. Bleiglanz und
und, jhwarzer ‚Ziniblende ‚mit Granaten in Quarz, im Beganer-
' graben ‚von, Brauneifenftein ‚und Kiejen, am Zifjerbache von
Kupfer, ,Eifen- und Magnetkies erfennbar. Befjer, aus der
Ferne als. in..der Nähe, können, drei) bi vier ‚parallel, und
faft Horizontal verlaufende Streifen, von voefergelber. Farbe am
trodenen,. faft vegetationslofen Sonnenberg ‚beobachtet ‘werden,
\ welche wohl, auf. eine Erzführung, deuten ‚dürften... Bleiglanz
findet fich, ‚auch. wirklich an. diefen Stellen. Vielleicht daß ein
beharrlich Ducchgeführter Bauverfuch ‚glüdlichen Erfolg hätte.
9 Die, teste Berggruppe der Depthaler-Mafle ift Die der Nemm-
spige, weitlich, von. Schlandraun. shr, Abhang gegen NW.
fallt in. das Matjcherthal., Durch den SalurnsFerner jteht. fie
mit der Weißfugel in Verbindung, jtreeit im Innern den Hoch:
"alt-Ferner, die Schneeboden- und Remmfpige 10,136 A, a8
Rortfcher-, Tannafier- und hohe Kreuzjoch empor und umfaßt
das Gadriathal. Der Frijtallinische Schiefer baut auch hier die
‚Haupt-Mafie Mit ihm erfcheinen Kalklager wie in der Schnee-
berger-Öruppe und nördlicher auch ein Streifen von Hornblende-
und Chloritfchiefer. Oranaten und andere Mineralien fehlen
aber darin. Ueber dem ungeheuren Schuttfegel, den der Strimm-
bach bei Laas hervorwälzte, fteigen wir in das Gadriathal, das
ih 2 St. vor Laas fpaltet. Der öftliche Arm ift mit Trimmer-
Maflen der Schiefer erfüllt, ver weftliche zeigt eine Stunde
tiefer am rechten Abhang ven Friiiallinifchen Kalk von vielen
"Schieferlagen durchzogen und mit diefen gegen N. fallend. Der
Kalf verbreitet fich dem Streichen nach gegen W. bis an den
"Ramm des Gebirges und wird von Glimmerfchiefer ebenfo ge-
‚tragen ald bededt
Im diefem Thale findet man viele Trlmmer eined grani-
tifchen Gefteins, das am Gehänge des Schneebodens in gleicher
Meife wie bei der Kortfcher- Alpe in Schlandraun, aljo gang-
artig anjteht. An der Abvdachung diefer Gruppe gegen die Etich
u -
findet fich nur Glimmerfchiefer, der bei Tannaß ober Eiers
Kupfer: und Schwefelfies führt.
MWeftlich von Schluderns am Eingang des Matjcherthales
tritt die Kalfeinlagerung des Gadriathales mit gleichem Streichen
und Fallen auf, und umfchließt hier Inollenartige Abfonderungen
von Piftazit und Glimmer, Tchaleinwärts an der linfen Seite
verliert fich der Kalf, Glimmerfchiefer mit Streichen nach St. 15
und Fallen nach St. 21 unter 450 wird herrfchend und bald
erjcheint darin ein 3 Klafter mächtiger Gang des granitifchen
Gefteins mit Turmalin nach St. 12 ftreichend und mit 750
nach St. 6 verflächend. Näher gegen die Schloßruine Matfch
ift der Glimmerfchiefer von Streifen eines Hornblende- und
Ehloritichiefers durchflochten und verfchwindet dann unter Schutt
in horizontalen Lagen, die erft am Schloßberge enden. Hinter
dem Dorfe Matfch, foviel die Pflanzendefe noch durchblicen
läßt, folgt Gneis auf Ölimmerfchiefer und reicht bi8 an den
Fuß der Ferner.
Ende.
II.
Die Selvretta- Male.
J —
Wo die Gränzen von Graubündten, Vorarlberg und Tirol
fi) berühren, tauchen die Gipfel eines wilden unwirthlichen
Gebirges aus den Eisfläben auf, den Knoten bildend, aus
welchem mächtige Bergreihen hervorgehen und weithin Dieje
Lande durchftreichen. 8 find die Spigen und Kuppen, welche
den Vermont-Öleticher, den Samthaler- und Fimber-Ferner um:
ftehen, fajt durchaus um 10,000° die Meeresfläche überragen
umd die Mitte einer Central-Mafje geitalten, welche Eicher und
" Stwer Selvretia-Maffe nannten, den Namen des hoben
- vergleticherten Selvretta-Berges am Fluelapaffe in Bündten auf
den ganzen Gebirgsitocd übertragend. Diefelben gelehrten Geo-
logen bezeichneten auch die Waflergränge, welche diejen Berge
\ Inoten und defien Verzweigung umzieht. Im Weiten zieht. der
Schrawbach die Gränze, welcher das Drufenthal vom Schweizer-
thor. 696° E. &. bis Schiers 2096 Hr. Ddurcheilt, dann die
Kandquart über Küblis 2457° Hr. bis 3748' Hr. in Prettigau.
Bon Klofters wendet fich diefelbe über die Höhe von Ober-
Laret 5066‘ an das Landwafler in Davos, folgt diefem bis
zur, Vereinigung mit der Albula bei Filifur 3337, 9., fteigt
über dem Albulapag 7431‘ 9. und erreicht Ponte im Engadin.
Bon hier ift e8 der Jnn, welcher die Süboft- und Oftgränze bie
Lande marfirt und in ziemlich vajchem Gefälle jein Thal durch
og (Braila 5312/ H., Zerneg 4644 St., Süß 4562 St,
|
|
|
|
I.
Tarafp am Salzbrunnen 3863’ p ‚ Martinsbruf 3337 9.,
Finftermünz 3093° Th., Pfunde 3063 Th, Nied 2793 T,
Panded 2643’ ©.)
Bei Landerf beginnt die Nordgränge, welche an der Sanna
und Rofanna durch das Stanzerthal aufwärts über Flivich
3632' A und St. Anton 4314’ ©. zum Arlberg 5415° ©. zieht
und jenfeitS der Alfenz das Klofterthal abwärts über Stuben
4170’ Sch., Klöfterle 3180’ Sch., Dalans 2643° Sch. bis zu
ihrer Mündung in die ZU bei Bludenz 1695‘ Sch. folgt. Die |
nordweftliche Gränze fteift nach Efcher und Studer der ZU auf-
wärts bis Vondans an der Mündung des Nellsthales und |
durch daffelbe zum Schweizerthor. Wenn man aber die Schichten-
jtellung des Bergrücens zwifchen dem Nells- und Almwierthale
berückfichtigt, welche wohl mit der füdlichen Bergreihe, nicht aber
mit jener des NRhäfifons dbereinftimmt, und Felsarten, welche
dem Nells- und Gauerthale heimisch find, im Allwierthale wieder-
auftauchen fieht, fo jcheint e8 zweefmäßiger, die Nordweitgrängze
nicht durch das Nellsthal, fondern von Bludenz durch das All-
wierthal an das Echweizerthor zu leiten und diefen Bergrüden
noch mit der Gentral-Maffe zu verbinden.
In diefer Umgränzung erhält die Selvretta-Maffe die Form
eines unregelmäßigen Dreieds, veffen längfte Seite die Südoft-
gränze bildet. Der längfte Durchmeffer verfelben vom fitdweft
lichen Keilende bei Bergün bis zum nordöftlichen am Aus:
gange des Urgthales füplich von Lande beträgt an 10 veutfche
Meilen und bezeichnet zugleich auch das Streichen des Gebirge:
rüdens, in welchem die höchiten Berggipfel der Gentral-Mafle
dicht gedrängt auftauchen, fowie das Streichen ver Kernfelsart
derfelben, des &neifes, der wechfelnd mit Gilinnmerfchiefer und davon
beveeft diefe Bergriefen geitaltet.
Schon vier Stunden öftlich von Bergim tritt das PM
ende des Gneifes zwifchen den Sedimentgebilven, welche die Kette
des Albulahorns und jene des CSilberberges aufbauen, hervor,
und jäh fteigt die Sealetta mit ihren vertifalen Gneistafeln bis
zum Pafle 8401’ H. hinan, fich an das 9970' 8. hohe)
mb nn nn mm nn m nn
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Schmwarzhorm drängend, welches durch den Einfchnitt des !Oymps
7700°, der Sochfcheide aifchen Aluelathal und Süß, von der
Selvretta geichieven wird. Mit der Tegtern beginnt der lange
Eisrücken, welcher Uber die Gipfel des Feraina- und Sardafca-
Gletjchers zu den Hennebergfpigen ober dem WVermont-Gfletfcher
fich erjireekt, dann im weitern Verlaufe den :Biz Linard 10,990 9.
den Albuinfopf 10,230 Sch., die Radfpige 10,050 Sch., die
Samthaler Fernerfpigen, den Augfteberg und die Hörner des
Fimber-Ferners (Groß Fimberfpige 9420°, 9.) aufthürmt, und
endlich den Roozfopf erreicht. Weber vieje Gletfcherreihe führen
nur zwei Jochlibergänge. Der eine verbindet Engadin durch
Balle Miara Über den hohen Ferner am Albuinfopf mit Mon-
tafon, der andere führt won Ardeg durch das Tasnathal um
den Augfteberg in's Jamthal und nach Galtür, oder über dem
Fimberz Ferner nach Jfchgl in Bagnaun. Am Samnaunerjoche
3159 T. unter dem Noozfopf endet die ununterbrochene Eis-
derfe, welche von der Selvretta bis hieher die Spigen umlagert,
und der Grat des Gebirges, der faft gerade nördlich über dem
Balinfopfe die Greit- und Flimfpige zum Bürfelfopf leitet, wird
niedriger und trägt jüngere Kalffteine auf feinem Nücen. Vom
Lestern lenkt vie Bergreihe wieder nordöftlich zum Gribelles,
Baftnig- und ‘Mlattfopfe, welche durch drei Einfattelungen ge-
trennt find, und eben fo viele Bäffe zwifchen dem untern Theile
von PBasnaun und dem Innthale, nämlich duch das Vignig-,
Gribelle- und Pflattthal, bilden. Der Gneis fteigt nicht mehr
zu diefen Höhen empor, und felbit feine Hülle, der Glimmer-
jchiefer mit Zwifchenlagen eines glimmerigen Hornblendefchiefers,
ift mit deutlihen Charakteren nur am nordweftlichen Abhang
gegen Pagnaun entwidelt, während am Gebirgsgrath ziifchen
der Gribellefpige und dem Spianjoche ein fehieferiges Geftein
ericheint, das den Uebergang des Glimmerfchiefers in den Thon-
Hlümmerfchiefer des Süpabhanges vermittelt. Am Spianjoche
27V A theilt fich der Grath 'gabelförmig und umfaßt das
UÜrgthal. Hier blidt das nordöftliche Keilende der Selvretta-
Maffe, ein entfchiedener Glimmerfchiefer mit nach ” ftreichenden
—_ Ak —
faft jenfrechten Schichten zwifchen den Höhen des Thonglimmer;
oder Bündinerfchiefers hervor, und e8 wiederholt fich alfo hier
die Erfcheinung, welche im Zoursthale am füdwejtlichen Enpe
beobachtet wurde, nämlich das feilförmige Eindringen der Gentralz
Mafle zwiichen den Sedimentgebilden.
Der Gneis und feine Hülle, der Ölimmerfchiefer, bejchräns
fen jich aber nicht allein auf diefen Gebirgsrücden, fondern ver:
breiten fich auch an deffen Abvachung in den nächiten Berg-
gruppen, welche der Mitte der größten Erhebung nahe jtehen,
bis fie fich endlich im Ringe der Sedimentgebilde verlieren.
Unfere Beobachtungen umfaffen nur den vorarlbergifchen
und tirolifchen Antheil diefer Gentral-Mafje. Bon jenem Theile,
welcher zu Graubündten gehört, ift nur die Gruppe der Scaletta
zwifchen dem Albula- und Oymps-:Bafle genauer unterfucht.
Die Gebirge, welche zwifchen Yegtever und. der öfterteichifchen
Gränze liegen, find noch wenig befannt. Vom Stode des Ver-
mont- und Jamthaler-Öletjchers jenken fich an der nordiweftlichen
Abdachung drei lange Quertääler in der Richtung der Radien
bis an die Peripherie der Maffe, nämlich das bündtner’jche
Prettigau, das vorarlbergifche Montafon und das tiroliiche Pab-
naun, und werden ducch. Bergreihen gefchievden. Brettigau
zieht gegen N.-W., beginnt mit den Hochthälern Feraine und
Sardafca an den gleichnamigen Gletfchern, welche fich zum
Montbel-Thale vereinen und bei Klofters 3748‘ Hr. ins Bret-
tigau übergehen. Von hier Fällt das Thal nach Küblis 2457' Hr.
und Schierd 2096° Hr. und mündet bei Malans 1808° 9. Der
Gneisrüden, welcher von den Hennebergipigen am Dermont-
Gletfcher in gleicher Richtuug bis zum Plaßeggenjoch ftreift,
bezeichnet durch feinen Grath die natürliche Gränze zwifchen
Prettigau und Montafon, und hängt durch die Jochjcheide am
Klojterthaler - Gletfcher, Über welchen aus dem Sarvdafcatbale
ein wenig betretener Jochübergang in’s Klojterthal und ‚an-den
oberjten Theil der ZU führt, mit dem Hauptitoefe diefer Central:
mafje zufammen. Diefer Gneisrüsfen ijt von einer Wajler-
gränze umfchlofien, welche im ©. und S.-W. vom Sardafen-
= mM —
thafe bis Küblis in Prettigau durch die Landquart in N.-W,,
durch den Schaniettebach des St. Antonienthales bis zum
Plaßeggenjoche und jenfeits durch das Dilifunathal bis Schruns
in Montafon und endlich in N.-D. durch die JU von Schrung
aufwärts bis zum Klojterthale gebildet wird. Die Schichten des
Gneifes jtreichen wie am Hauptftoce durchfihnittlich von MW.
nab D. Der Bergrüden durchfchneidet daher die Richtung
des Streichens und ift eine Duerfette, die wir vom mittlern
Theile derfelben dem VBalzavenzer-Grathi die Querfette des
Balzavenzer- Örathes nennen wollen *).
Im Innern zerfällt Ddiefe Duerfette durch Längenjoche
und Zäangenthäler in drei Gruppen. Zunächit an dem Klofter-
thaler = Gfletjcher erhebt lich die Stroßfettner= Gruppe,
eine Längenfette, welche von Klojters in Prettigau bis an die
Mündung des Klofterthales reicht und die Strohfettnerjpige
9783' Sch., die Lignerfpige 9231‘ Sch. und die Blatten- und
Kübliferipige 958 Sch. am Duerrüden emportreibt Bon der
Blattenfpige ftreift noch ein Zweig gegen N. über die Hoch:
madererfpige zum Strittfopfe und legt fich zwifchen das Kromerz,
Vermont- und Garnerathal.
Die Felsart diefer Gruppe iit ein grobflaßriger Gneis aus
Duarz, gelblich weißem Feldfpath und Olimmer von weißer,
brauner oder grauer Farbe; nur am nördlichen Abhange des
Strittfopfes gegen Gafchurn wird er dem Glimmerfchiefer ähnlich.
Die Scheivedfe am Hinterberg trennt diefe Längenfette von der
=.
*) In der geologiihen Beichreibung von Meittelbündten (Neue
Denfichriften der allgem. jchmeiz. Gejellihaft ıc., B. 3, ©. 28)
haben Eicher und Studer die Begriffe von Längen: und Querfetten
genau beftimmt und wir folgen ihrer Belehrung. Unter Kette verjtehen
fie eine langgezogene Erhöhung zwifcben amei Thälern; Rängenfette heißt
eine Bergreihe, die der Schihtung der Gefteine parallel zieht, Quer:
fette, welche jenfrecht oder beinahe jenfreht auf das Streichen der
Schichten fteht. Querthäler werden durd) Querfetten getrennt, Längen:
thäler durch Längenfetten. Querthäler, die von dem. Rücken einer
Fängenfette entgegengefeßt ausgehen, ftoßen in einem Querjoche zu:
fammen, Sängenthäler dagegen auf dem Rüden einer Querfette im
Sängenjoche.
_— m =
Gruppe der Rothbühelfpise, welche zwifchen dem Gars
neras, Gargellen- und dem fchweizertichen Küblifertbale gelagert
it.» Sie fteht faft ganz im vorarlbergifchen Gebiete und ift mur
in der Fortfegung des Duerrüdens, aus dem der Hinterberg,
die Rothbühelfpige und der Rinderberg hervortreten, am Grathe,
welcher von diefem ‚gegen das Schlappinerjoch fich niederfenft
und. am Gebirgsarın, der vom Hinterberg nordivärts zur Heim:
fpige zieht, aus Gneis geformt, Der ganze nördliche Abhang
der Heimfpige mit feiner Gabeltheilung, einerfeitd gegen den
Sallafinaberg und der Burgfpige, amdererfeits Über den Balli-
jerafopf zum Schmalgberge und der Materafpise, bejteht aus
einem friftallinifchen Schiefer, der zwifchen Glimmerfchiefer und
Gneis fchwanft und chen die Abdachung des Strittfopfes um
hiüllt, einem Gefteine jehr veich an Glimmer, zwifchen welchem
die fehr dünnen parallelen Lugen eines Gemenges aus Duarz
und Felvfpath kaum fichtbar werden. Der Balzavenzer'- Grath,
welchen der Saummweg ber das Schlappinerjoch 6738° Sch.
durchfchneidet, verbindet die Nothbühel- mit der wejtlichen
Madritfcher- Gruppe, die füplich gegen das: Schlappiner-
thal, das Plaßeggenjoch und Dilifunathal und öftlich gegen das
Gargellenthal abdacht. Der Fußweg tiber das St. Antonijoch
von Gargellen ins St. Antonienthal fcheidet die Gruppe in
zwei natürliche Hälften. Die jüdliche mit der Mapdriticherfpige
und dem Gargellenfopfe gehört noch ganz dem Gebiete des
Sneifes an, welcher hier jehr arm an Glimmer ift, während die
nördliche Hälfte tiber die Nung-, Nobi- und Sarotlafpise an
das Duellenjoch lenfend wieder aus jenem Mittelgefteine zwiz
ichen Gneis und Glimmerfchiefer gebaut ift und am .Nordende
ichon Thonglimmerfchiefer zeigt. |
Mit der Madritfcher-Gruppe endet ftreng genommen diefer
Theil der Selvretta- Maffe, denn Gneis und feine Hülle, die
feiftallinifchen Echiefer, werden im nördlichen Bergrevier von
andern Felsarten bedeeft und tauchen nur hie und da noch
empor. Die Gebirge nordweitlich davon, zur. Sporner-
®ruppe vereint, fallen daher fchon in den Ring der Sediment:
| —h A —
gebilde. Die Sporner-&ruppe neigt jich in S:D. gegen das
St. Antoniens und Dilifunathal und wird im N.-W, durch
- das Drufen: und Allwierthal vom Rhätifon gefchieden. Ueber
dent Duerrüsfen derfelben vom Blapeggenjoche bis zum Schweizer-
1 tbor finden fich mehrere Bälle, welche Brettigau mit Montafon
verbinden. Die Weißplatten trennt das Plaßeggenjoch vom
Dilifunajoche oder dem Bafle in Graben, die Firgele CFornele),
an der lich der Sporner-Öletfcher hängt, erhebt ich zwoifchen
Legterem und dem Druferthal 6693‘ Sch. dem Uebergange von
Schuders in's Gauerthal, und endlich folgt das Schweizerthor
6996‘ E. E., über welches Fußwege aus dem Druferthale über
das Dfenjoch 7429 E. E. in’s Gauerthal, oder ins Rellsthal,
oder endlich um den Lünerjee ins Allwierthal führen. Bon
der Firgele jtreift eine Bergreihe nach Luzien in Pretfigau, und
diefer gegenüber find drei andere unter ich fajt parallel bis an’8
Montafonthal vworgefchoben, die jüdliche zwifchen dem Dilifuna-
und auerthale fchreitet vom Schwarzhorn 7771' Sch. zur
Mittagsfpige und gegen Zichagguns, die nächite zwifchen dem
Sauer: und Nellsthale wendet fich vom Dfenjoch über den hohen
Mann nad VBondans, und die dritte beginnt mit dem Krinajoch
7594° &. E. am Lünerfee 4683' Sch., welcher nahe der Joch:
jcheide und an der Gränze der GentralMaffe liegt, Elimmt zur
Säulenfpige 7173 Sch., Zimpafpige 7263 Sch. und zum
Scyafberge 7770 Sch. hinan und endet gegenüber der Münz-
dung der Alfenz in die ZU. Die Sporner-Öruppe zeichnet jich
durch eine, größere Mannigfaltigfeit von Yelsarten als die
Duerfette des Valzavenzer-Grathes aus, und faft alle Glieder
der nördlichen Sedimentzone, vom Thonglimmerfchiefer bis zum
Dolomite, tragen zu ihrer Ausjtattung. bei.
| Der Thonglimmerfchiefer. Bündtnerfchiefer und Flyfch), ein
fehleferiges Gemenge aus Duarz und einer glimmerigen Mafie,
in der die ‚einzelnen Slimmerblättchen nie fo deutlich und chart
wie im Glimmerfchiefer ausgefchieden find und ihren. eigentlichen
mineralogiichen Charakter zum Theil eingebüßt haben, herricht
in. den tieferen Gegenden des Dilifuna-, Gauer- und Rells-
y
er ER
gränzgt die Ausdehnung des Hauptriidens der Maffe gegen die
Gruppe der VBallülafpige, welche die beiden WVermont-
thäler, der Zeinisbach und das Zeinisjoch (5757 Sch., 594%
Grf. R.) umfaften. Aus diefer Gruppe erhebt fich nördlich von
der Nieverhöhe die Walltlafpise 8700° Sch., von der Zweige
wejtlich zur Grefperfpige und nördlich zuv Balunfpige ziehen.
Gneis, ein graulich weißes Gemenge von Ouarz und Feldipath
mit verfchiedenfarbigem Glimmer, ijt die vorherrichennde Felsart
diefer Gruppe, und nur wenige Streifen von jchwärzlichem
Hornblendefchiefer unterbrechen diefe Einförmigfeit. Seine Schich:
ten ftreichen durchfchnittlich nach DO. und fallen in den höhern
Regionen ftärter al8 in den niedern gegen N. Der vielbetretene
PBaß über das Zeinisjoch, welcher Barthenen mit Paynaun
verbindet, trennt die VBallüla-Gruppe von einer weiten Gebirge:
verzweigung, welche faft ganz in Tirol liegt und fich im zwei
Gruppen auflöfen läßt, nämlich in die weftliche oder Bettfpig-
und in vie öftliche oder Kartelferner- Gruppe Die
Waffergränze, welche viefe beiden Grumpen umzieht, beginnt
weftlich unter dem Zeinisjoche mit dem Werbellerbache, an
welchem man zum Scheidfee auf der ZJochhöhe zwifchen ‘Barzı
thenen und dem Berwallthale fommt, und verfolgt die Rofanna
von ihrem Urfprunge aus diefem Eee durch das Berwall- und
Stanzerthal bis zu ihrer Vereinigung mit der Trifanna bei
Strengen. Von hier bi8 an das Zeinisjoch zurück bezeichnet Die
Trifanna den Umfang. Sie ftehen daher zwifchen dem: hinter:
ften Theile von Montafon, Paznaun und dem Stanzerthale
und Haben eine beträchtliche Ausdehnung. In vrographifcher
Beziehung fönnten diefelben ohne Zwang noch weiter in Ab-
theilungen gebracht werden, doch Die geognojtifchen Verhältniffe,
in fo fern fie bei der wilden, faft unnahbaren Natur der ‚Ger
————
= IM =
birge befannt wurden, rechtfertigen dies nicht, obwohl Kern-
felsarten und Eedimentgebilde, wie die Folge zeigen wird, zu
ihrem Aufbaue beitragen. Mit einigem Grunde fann nur die
Bergreihe, welche durch das Fafulthal mit dem Zochlibergange
unter dem Vertinesberge nach Mathon in Paznaun ausgejchie-
den wird, und von der Vettfpige am Zeinis nordwärts zu den
Höhen des Faful-Ferners und mit einem andern Arm gegen
den Scheidfee ich erftreeft, al gefonderte Gruppe nad) der
Vettfpige genannt gelten, da fie faft nur aus Gneid von
mehreren Zügen eines Hornblendefchiefers durchquert bejteht.
Die KRartelferner-Gruppe zeichnet fich dagegen durch Horn-
bfendejtreifen, welche von ©. nadı N. ziehen, und durch Das
Auftreten des Glimmerfchiefers aus, der an der Nordabdachung
gegen das Stanzerthal ohme deutliche Gränze in Thonglimmer-
fehiefer übergeht. Der Höhenzug diefer Gruppe wendet fich
vom Joche am Vertinesberg nordöftlich zum Eleinern und größern
Rartelferner, zwifssen welchen ein befchiwerlicher Sußweg von
Sich! durch das Meattleinthal in das nach St. Anton an der
Rofanna ziehende Moosthal leitet, und erhebt fich zur Fatlarz,
Madaun- und Hohenever-Spige weitlich von Kappl. Arm legten
Berg fpaltet fich der Höhenzug und umfchlingt das Malfonthal,
das Pettneu gegenüber mündet. Der weftliche Ziveig mit der
Rendl- und Hochforfpige fehiebt fich zwifchen das Moos- umd
Malfontäal, der öftliche jteigt zum Beilfteinfopfe, zur hohen
Spite, vem Welsfopfe und Niffler empor und fendet einen djt-
lichen Ausläufer an die :Peziner-Spige linfs an der Mündung
de8 Basnaunerthales. Neben dem Eleinen Kartel-Ferner macht fich
von Diefem Höhenzug eine andere DBergreihe los, welche über
die Puchelipige, den Fafelfath-Ferner und dem Trolligerfopf nord-
wärts zieht, und das Fafıl- und 'Verwallthal von Moosthal
trennt. Die Gruppe der Madererfpige von den vorigen
weftlich ift gegen Mittag von Berbeller: und Montafonthal,
von PBarthenen bis Schruns und gegen Norden und Morgen
som Silber- und VBerwallthale eingefchloffen. Sie wird durch
das Baltfchevielthal, das von Gefchurn oftwärts ausgegraben
a WM
üft, getheilt., “Die Hleinere füdliche Hälfte beginnt mit dem Ta-
famontberg 5585’ Sch. ober Barthenen, ftreift ber die Strill:
fopfe zum Albonafopf zunächit am Scheidfee und verlängert fich
gegen den VBaltfchavielfopf und das eiferne Thor. Am lestern
biegt die nördliche Hälfte der Gruppe gegen Abend, erreicht die
ihwarze Wand, die Maderer: und Geislerfpige, und fenft fich
zur Einfattelung des Zamangtobls von St, Gallenfirch ims
Eilberthal nieder. Jenfeits vagt nocd) Die Zamangfpige und das
Hochjoch empor, welche gegen Schruns und das Silberthal ab-
dahen.
Die Gefteine der ganzen Gruppe, Gneis, Hornblendefchiefer
und Glimmerfchiefer, wechfeln wiederholt unter fich und find da-
her der Hülle um die Kernfelsart der Mafle beizuzählen. Nur am
Nordabhange der Zamangfpige und des Hochjoches erfcheint
auch fchon Ihonglimmerfchiefer. Wo das Streichen der Schich-
ten in diefen Gebirgen abgenommen werden fann, ift feine
Richtung von W. nach) DO. und ein nmördliches Fallen unver:
fennbar.
Das Silberthal vom gleichnamigen Dorfe längs dem Lig:
bache bis zur Höhe am Pfannenfee, von welchem der Fußweg
in's Berwallthal fich herabneigt, feheidet die Maderer-Gruppe von
der Gruppe des Kaltenbergs, einem vauben eisbededten
Bergrüden, welcher bi8 an die Jochjcheide am Arlberg und die
Alfenz im Klojterthale fich verzweigt, und wejtlich am &hrift-
berge 5250' Sch. dem Ueberberge von Dalaas nach Silberthal
endet. Sie geftaltet daher den Außeriten Vorbau der Selvretta-
Mafie und theilt fich durch das Winterjöchl zwifchen dem untern
Gafflun und Prlunthale in zwei Längenfetten. Die füliche
vom Mult- bis zum Troftberge 7530’ Sch., welcher fehon in dag
Berwallthal hereintritt, ift noch aus Gneis und Glimmerfchiefer
aufgeführt ; die nördliche Längenfette, welche vom Chritberge
zum PBurtfcherfopf, der Lobfpige, dem Kaltenberg 9158 A umd
biß zur Gjtanzipige, dem Beifchelfopf und Arlberg fich aue-
dehnt, beherrfchen dagegen der fedimentäre Thonglimmerfchiefer
und die Uebergänge des Glimmerfchiefers in denfelben, deren
St
Scyichten wieder die gewöhnliche Richtung des Streichens, jedoch
mit einigem Wechfel, behaupten. Die legte Gruppe viefes
mächtigen Gebirgsarmes bildet die Gruppe des Schwarz-
born& weitlich vom Ehriftberge, fajt nur eine Fortfegung der
Dbigen zwifchen dem Silberthale,, ver ZU und Alfenz zum
Tanzfopfe und Schwarzhorn auftrebend. Ihre Süpdabdachung
zeigt den erzführenden Ihonglimmerfchiefer und die Sanpdftein-
gebilde der Sporner-Öruppe, der Nordabhang auch Gyps und
NRauchwade und die dichten und fchieferigen Kalfe. Sie ge-
hört aljo völlig dem Sedimentringe der Maffe an.
Das Dritte guoße Duerthal am Nordweitabhange ver
Selvretta-Mafle iit Basnaun, vefjen höchfter Theil in das Ver-
montthal und die Fortfegung deffelben, das Bieler » Hochthal
übergeht. Bei Galtür hat feine Thalfohle noch eine Meeres-
höhe 495° ., bei Ifchl von 4415’, bei Kappl 3963, T.
und am Ausgange gegen das Stanzerthal von 2898‘. Es
liegt daher viel höher als Prettigau und Montafon und zwar
an. der Mündung fait fo hoch wie das legte Dorf PBarthenen
in Montafon.
Die Gebirge an der Süpfeite, des Pasnaunerthales ge:
hören unmittelbar zum Hauptzuge- ver Mafle und treten nur
ald Duerfetten, welche bald länger bald fürger: find, hervor.
Gefonderte Gruppen in der Art wie folche früher angeführt
wurden, entwickeln fich biev ebenjowenig al& jenfeits am Süd:
oftabhange des Hauptriüdens, joweit ‚derjelbe noch Tirol betrifft.
Bon der Nadipige bis zum Spianjoche zählt man acht folche
Duerfetten, welche zu einander parallel und gerade gegen Norden
verlaufen. Wo fie an die Längenfette ver Maffe ftoßen oder
fie. Durchfreugen, erhöht fich diefe und fehwillt zu Berggipfeln
an, welche die Nachbarn überragen. Am Allgemeinen ninmt
die Höhe der Duerfetten im fat gleichen Maaße mit der Ent-
fernung ‚von der Rreuzungsftelle ab, doc) einzelne Spisen der
Duerfetten mögen noch immer eine Höhe von 9000 bis 10,000’
' erreichen. Die Thäler und Tobl (Thälchen), welche fie trennen,
find ‚unbewohnt. und beherbergen nur Alpen. Die längeren
— 10 —
derfelben liegen im weftlichen Theile, nämlich das Jamz, Xorein-
und Fimbathal. Das Vignig-, (Vichnig-,) Gribella- Pflattz,
Zsgolanz- und Schatterthal im öftlichen Theile find fürzer und
enden an Einfattelungen der Längenfette, über welche Berbin-
dungsmege zwifchen Pagnaun und dem Innthale führen. Alle
diefe Duterfetten vom Vermont: bis an das Schatterthal formt
grobflaßriger Gneis, welcher aber nur am Eingange der Thäler
und im untern Theile der Querfetten in verfchiedenen Formen
zu Tage tritt. Die Höhen beftehen meift aus Glimmer- und
Hornblendefchiefer. Die Schichten des Gneifes und der Schiefer
ftreichen der Mehrzahl nach gegen Oft in St. 4 bie 6, doch
bemerft man nicht felten Abweichungen von diefer Richtung und
ein füdliches Streichen. Es ift Überhaupt febwierig im diefem
vielfach zerfpaltenen Gebirge die Schichtenfläche von den Ab:
(öfungsflüften zu unterfcheiden, felbft wenn man für erftere Die
parallele Lage zur Schieferung als charakteriftifch feitzuhalten
verfuchte. Häufig fieht man Ablöfungsflüfte die Schichten Durch-
freuzen und das Geftein dadurch in rhombifche Stüde getheilt.
Bei Beobachtung der Schichtenlage möchten daher wohl manch-
mal folche Klüfte irregeleitet haben.
Das Fsgolanzthal begränzt in feinem tiefern Theile die
Ausdehnung des Gneifes und die Querfette, welche zwifchen
diefem und dem Schatterthale liegt, befteht aus Glimmerfchiefer
mit eingelagertem, glimmerigem Hornblendefchiefer.
Das nordweftliche Keilende der SelvrettaMaffe, das im
Glimmerfchiefer des Urgthales am öftlichen Abhange des Spian-
joches noch erfennbar wird, umgeben zwei Bergreihen, von denen
die nördliche zum Gamsfopf und zur Giagler- und Thiolfpige
7733’ 8. läuft und gegen Bians und Lande abdacht, während
die öftliche über den. Sattel- zum Schönjöchlberg ftreift und zwi-
hen Flie8 und Ried die Gehänge am linken Innufer bilver.
Auf den Höhen diefer Bergfetten fieht man nody deutlich das
Mebergangs-Geftein in Glimmerfchiefer hervorftechen. An den
Abhängen entwickelt fich aber allmahlig ein Thonglimmerfchiefer,
welcher den Fuß der Berge umfaumt und fogleich wieder erz-
- MM —
führend wird. Im der nördlichen Bergfette ftreicht der Thon-
glimmerfchiefer von der Mündung ver Trifanna bis Lande öit-
lich und fallt füdlich. An der Sonnenfeite der füplichen Berg:
fette von Fließ bis an den Lafairfchbach bleibt die obige Rich:
tung des Streichens, das Fallen der Schichten wird aber ein
nördliches- Die Fächerförmige Schichtenftellung ft daher an
diefem Keilende eben jo fehr ausgeprägt wie am entgegengefegten
in Mittelbimdten. ,
Die Abdachung der Selvretta - Mafje gegen Süpoft fällt
größtenteils in das Gebiet von Engadin, defien geognojtifche
Berbhältnifie uns unbefannt find. Der tivolijche, Antheil beträgt
nur die furze Strecke von der Gränze bei Finftermün; bis zum
Lafairfchtobl zwifchen Prumds und Zöfens, und trennt Durch
einige kurze Bergzweige das Stuben» und Spißerthal. Es ift
bemerfenswerth, Daß dieje Zweige- nicht jene Duerfetten des
VBasnaunergebiets fortjegen, fondern von andern Stellen des
Hauptrücdens ausgehen: Diefe Borfprünge beitehen aber auch
aus andern Yelsarten. Gneis. erfcheint hier faft gar nicht,
Glimmerfchiefer nur felten nahe am Hauptrheen, dagegen find
der Thonglimmerfchiefer und feine Begleiter, die Duarz- und
Kalfjchiefer in vemfelben verbreitet und fließen ohne Gränze mit
Glimmerfchiefer der jenfeitigen Abvachung zufammen. "Bon den
gleichen Gejteinen, welche. bei ‘Pruß und Nied das nordöftliche
Keilende umfafjen, unterfcheiden fie fich aber durch eine wer-
änderte Schichtenjiellung. Sie fallen nur auf den Höhen, wo
fie mit dem Hauptrücfen in Berührung fommen, nördlich, in
den untern TIheilen näher dem Inn aber füdlich und -ebenfo wie
die gleichen Gebilde am rechten Immufer, welche die Debthaler-
Maffe umjchlingen. Zwifchen der Furglerfpige und’ dem Blatt:
fopfe löft jich von’ der Längenfette ein Zweig und fpaltet fich
Dreigabelig zwifchen dem Thälchen des Tfehub-, Lafairfch und
Serfallsbaches. Andere Zweige gehen zwifchen dem Blatt und
Bajtuigfopfe aus, das Serfallfer- vom Stuben: und Spigerthale
frennend. Die Zaderer und Rothfpige und das Kreuzioch
—_ IR —
vagen aus ihnen het A nächfte Bergfette gehört fchon
nad Engadin. 0
Werfen wir noch einen Bi über die ganze Ausdehnung
der Selvretta-Maffe. Ihre Are, d. 5. die Linie von einem
Keilende zum andern fällt ziemlich genau in die Yängenfette, deren
Firngipfel und Gletjcherferner faft gleichförmig um diefelbe ver-
theilt find. Das Gentrum der größten Erhebung bildet der
Albuinkopf, Pis, Linard und die Radfpise, Höhen zwilchen
zehn und eilf taufend Fuß Über dem Meere. Bon diefer Mitte
jenft fich zwar die Längenfette gegen beide Ausfeilungen, aber
nicht jehr auffallend; denn das Schwarzhorn und Spianjod)
erheben fich noch über 9000. Am Centrum erreicht die Kern-
felsart der Mafje, ver Gneis, die größte Ausbreitung und ge-
ftaltet hiex nicht nur defien Gipfel, fondern auch die nächiten
Berggruppen und Querfetten am Nordiweitabhange, welche noch
immer bis zu 9000’ anjteigen. Andere Berggruppen aus wech
felnden Lagen von Gneis, Hornblende- und Glimmerfchiefer 'ge-
baut, umfreifen die Gneismitte, erlangen aber nur eine Höhe
zwifchen 8000 und 9000° und find von den Bergen des Se-
dDimentringed umfäaumt, welche wieder fajt um 1000° niedriger
find. Diefe ftufenartige Abnahme der Höhen ift aber nur nord-
weitlich von der Are bemerfbar, an der entgegengejegten Seite
fällt die Längenfette vafch gegen den Inn. Die Nähe der ries
jigen Desthaler = Maffe befchränfte ihre Ausdehnung. Vom
Gentrum der Erhebung ziehen die Duerthäler Prettigau, Mon-
tafon und PBapnaun in der Richtung der Radien bis an Die
Peripherie.
Die beiden erjteren liegen aber Durchjchnittlich um zwölf
bis fünfzehn Hundert Fuß tiefer al8 das Xegtere. Die Duers
fetten zwifchen ihnen nehmen einen gleichen Verlauf. An der
füdöftlichen Abdachung der Eentral-Mafje find die Thaleinfchnitte
fürz und fteil und die Kernfeldart und ihre Hülle von Friftalli-
nifchen "Schiefern wird durch Sedimentgebilde ganz bevedt.
Leßtere ziehen bis an die Hochfcheide, ja fogar über diefelbe, wie
— 18 —
am Roozfopfe, der Palin- und Greitfpige, ıwo die dichten und
fchieferigen Kalfe des untern Alpenfalfes den Gneis und Glim-
merfchiefer des Fimbathales und Die Sedimentgebilde des Sam-
naunerthales liberlagern.
Die Selvretta » Maffe fteht an ihrem Umfange durch ven
Albulapag mit der Gebirgs-Maffe von Oberhalbitein, durch das
Schweizerthor mit dem NRhätifon und durch den Arlberg mit
den Bergen des Bregenzerivaldes und Lechthales in Verbindung.
Die tiefften ‘Bunfte der Peripherie liegen in Prettigau und
Montafon unter 2000°. Der tirolifche Antheil derfelben hat die
tiefite Stelle in Lande 2463° ©. In der äußern Form ent:
faltet das Hochgebirge nur das Wilde und Umwirthliche, ohrte
das Großartige zu erreichen. In allen Hochthälern erblickt man
grauenvolle Scenen der Zerftörung und eine Dede, welche jede
Brujt beflemmt. Im den unten Thalvegionen allein konnte die
Kultur fi Raum fchaffen, und mühfam anhalten. Die Höhen
bieten nur Alpenweiden und gelichtete Wälder, aus denen das
fahle Gefchröfe hervorbricht. Im diefem Gebirgsitode haben die
‚Romanen, die Latiner, aus den Stürmen der Völferwanderung
fich zurückgezogen und ein Afyl gefunden, und wohnen jegt
neben den allemanifchen Anfommlingen. Daraus läßt fich auch
das Gemifch von latinifchen und veutfchen Namen der Berge,
Thäler und Ortfchaften erklären, von denen manche noch aus
etrusfo -rhätijcher Zeit übernommen wurden.
In der fpeziellen Befchreibung der Selvretta-Maffe be
fchränfen wir uns nur auf den tirolifchen Antheil derfelben.
Das: vorarlbergifche Gebiet hat R. Schmidt und Brof. Friefe
in geognoftifcher und mineralogijcher Beziehung dargeftellt
(©. Vorarlberg nach den vom geogn. mont, Vereine für Tirol
‚ amd Vorarlberg veranlaßten Begehungen, geognoftifch befchrieben
ı son A. R. Schmidt, F. f. Marffcheider und des Vereins Aus-
Ihuß und Commiffar. Mit einem Anhange von Revilione-
u des ZZ. N. Friefe, FE. PBeof. der Naturgefchichte
zu Innsbrud. Imnsbruc 1843). Ueber den bündtnerjchen
erftrecfen fich unfere Beobachtungen nicht ei: wir ver-
weifen daher auf Efchers und Studers Mittheilungen, welche b-
freilich nur die Scalettagruppe alfein betreffen. Dex tirolifche
Antheil umfchließt die Längenfette von der Radfpige: bis im’d
Urgthal mit den beiden Ketten an der Yusfeilung, den Weit-
abhang der Vallülas, Maderer- und Kaltenberg-ruppe und die
Gruppen der Vettipige und des Kartelferners.
Nordweftabhang der Längenfette.
Aus dem Hinteriten Theile Montafons, von Parthenen,
führen zwei Jochtwege Uber Zeinis und die Pieler- oder Rieder:
höhe nach PBaynaun. Wir wählen den Lestern und gelangen
durch das vorarlbergifche Bermontthal im Anblicke der Gletfcher
des Albuinfopfes zur Scheidede. In Gefchieben und anftehend
erfcheint nur quarzreicher Gneis, welcher manchmal Hornblende
an die Stelle des Glimmerd aufnimmt, und fich jenfeits des
Joches in das tirolifche Vermontthal niederfenft. Diefem ent-
lang werden an ver linfen Seite die Felsarten der Balila
Gruppe Gneis und Hornblendefchiefer mit weftlichem Streichen
und fteilem nördlichen Fallen fichtbar. *Lebterer entwidelt fich
am VBermontfee zu größerer Mächtigfeit und fteigt zur Flimm-
fpige empor. In diefem Hornblendefchiefer findet fich schwarze
jtängelige Hornblende . als Ausfcheivung, ähnlich dem Worfom-
men am ranatenfogel in Desthal und am Greiner im
Zemmthale
Am Ausgange des Vermontthales gegen das Zeinisjoch
herrfcht wieder Gneis und geftaltet die Ballunfpige. Er befteht
aus einem graumeißen Gemenge von Quarz und Feldfpath, bie
durch fparfam vertheilte Glimmerblättchen ‘getrennt find; zu=
weilen verliert fich der Glimmer fat ganz aus der Maffe und
das Geftein wird dem Granulit ähnlich. Rects von der Nie
derhöhe blickt der PBieler-Ferner von der Radfeite und dem Sab-
grath herab, und eine Bergreihe verlängert fich von Diefem zum
Henneberg und der Bodmerfpige bis Galtüt, die erite aus jenem
Spiteme von Duerfetten, welche vom Hauptfamme der Central:
=
— 15 —
Mafle gegen Basnaun vortreten. Im diefer Kette, welche öftlich
‚gegen das Jamthal abvacht, herrfcht Gnei8 mit Uebergängen in
Glimmerfchiefer, und Hoörnblenvefchiefer in wenig breiten Zügen
unterbricht Legtern am Henneberg und rechts vom Wermontfee.
Beide ftreichen zwifchen St. 17 und 19 und fallen nörolic,.
Am Oftabhange diefer Kette am Scheibmerberg finden fich.
Duarzftreifen von Eifenodfer braun gefärbt im Gneife, der hier
dem Glimmerjchiefer fehr ähnlich it. Die zweite uerfette,
‚welche das Jam- vom Loreinthale trennt, unterfcheidet fich von
‚der vorigen nur durch ein mehr nordwärts gerichtetes Streichen
der Schichten. Die Gefteine find diefelben. Im Hintergrunde
De3 Jamthales find die Eisflefen des Sapgrathes, der große
‚Samthaler- Ferner mit den Gletfchern des Albuinkopfes in Ver:
bindung, und die Eislager um den Augfteberg und der Fetfchiel-
fpiße, über welche der Weg nach Engadin leitet, ausgebreitet.
Rn das Loreinthal jenft fich der gleichnamige Ferner von der
Gränzfpige herab. Das Fimba: oder Fimberthal, das gegen
Slchgl mündet, begränzt die dritte Duerfette, Die von der Fet-
schielfpige Über die Schwarzwand zum Schamatfch mit der Fern-
icht nach Montafon zieht und in ihrem Baue mit dem der
Dbigen übereinftimmt. Die weftliche Seite des Fimbathales be-
ginnt gleih am Eingange in der Klamm mit zerflüfteten, fajt
fenfrechten Wänden von Gneis, der dem Glimmerfchiefer ver:
wandte: ift. Unter den Rollftücen, welche hier den Abhang be-
Derten, findet fich derber Duarz mit fchwarzen Turmalinfriftallen
und Granaten. In der Kothlade drängt fidy der Hornblende-
fähiefer zwifchen Gneis hervor und das Geftein erhält ein bran-
Diges oferiges Aeußere, das auf Erzgehalt schließen läßt. Die
Schichten jtreichen nach St. 18. Bald darauf erreicht man die
Mähder der Möfnerblais, wohin Schneelawinen Stüdte eines
Weißen verwitterten Felofpathes mit Eleinen glänzenden Eifen-
Heskriftallen bringen.
Bon der’ Bardatfcher-Alpe bis an’8 Engadiner- oder Bet:
fchieler-Zöchl, das in’8 Tasnathal und nach Ardeg führt, wech-
jelt noch einige Male Gneis mit Glimmer- und eig
— 116 —
fchiefer umd ein Zug des Pegtern läßt fich von der Buglerblais
in fchiefer Richtung über den Außern Berglerfopf bis an die
Mündung des Loreinthales verfolgen. Am Fuße des Schamatfch
zeigt fich eine WVarietät von Gneis, welche durch die Form und
Bertheilung des Feldfpathes dem Fruchtgneis des Prof. Nau-
manns nahe fommt.
Die drei genannten Duerfetten unterfcheiden fich aljo in
Betreff ihrer Felsarten und deren Lagerung nicht wefentlich. Der
Gneis formt den Thaleingang, geht ohne deutliche Gränze in
Slimmerfchiefer über und ift von Hornblendefchiefer durchflochten.
Nur das weftliche Streichen der Echichten im Vermont: und
Jamthale windet fich im Lorein-, noch mehr aber im Fimbathale
gegen Nord, während erftere Richtung nur am Thaleingang in
der Kothlade noch erkennbar ift. Diefes veränderte Streichen
fallt aber gerade mit der Beugung de8 Hauptfammes der Cen-
tral-Mafje zufammen, welcher an der Fimberferner-Spige aus
einem nordöftlichen Berlaufe plöglich gegen Norden zum Bürfels
fopf jtch dreht und erft an bdiefem Berge wieder in die frühere
Richtung zurückkehrt. Das Streichen der Schichten verhält fich
alfo parallel zum Zuge des Hauptfammes und fest auch am
Bürfelfopfe und der Beftllfpige rechts von der Deffnung des
Bimbathales wieder in der Richtung der Längenfette gegen
Morgen fort.
Die Bergreihe, welche das Fimbathal gegen D. umgibt,
it jehr werfchieden von der weftlichen. Der Fimbabach kann
von feinem Urfprung auf den wälfchen Böden bis zur Vereini-
gung mit dem Jptbache ald Gränze zwifchen ven Friftallinifchen
Gefteinen unv Sedimentgebilden gelten. Obwohl erftere in den
tiefern Thalgegenden auch am Fuße des rechtfeitigen Gebirges
hervortreten, fo ift doch in dem Fahlen fchroffen Gefelfe der Flim-
und Greitfpige die Kalfmaffe unverfennbar. Von der Par:
datfcher- Alpe aufwärts fteigend trifft man fchon das nächte
Querthal Tönter-Arbes mit Kalftrummern überfchüittet und diefe
überwiegend gegen die Schiefergefchiebe und Serpentinftüde. Ein
Ihwärzlicher Kalfjtein mit Kalffpathadern durchflochten, bei weit-
—_ 17 —
Tichem Streichen und nördlichen Ballen öfters mit dunfelm Kalf-
fehiefer wechfelnd, zeigt fich bald anjtehend und wird yon grauem
Ralfitein und buntem Mergelfchiefer bevedt. Die fehwarzen
Schiefer find hier felten geradblätterig und daher zu Dedplatten
nicht verwendbar. Am Sesfalonjoche wird der aufgelagerte graue
Kalkitein fandig und führt meift undeutliche Berfteinerungen.
Diefe Gefteine erftreckten fich bi6 ober den Alpenfchenfe - Boden
5853° T. am Eingange in das Befilithal, welches über das
Samnauner-Jöhl oder Seblis 815% T. nach Samnaun leitet.
Hier fieht man entfchiedenen Thonglimmerfchiefer, anfangs mit
füdlicher Neigung näher dem oche, jedoch nördlich und unter
obigen Kalfen einfallend. Mit vdiefem Schiefer erfiheint. ein
fanditeinartiges Geftein, deffen grobe Körner durch Gement Der
Schiefermaffe verbunden find, eine Felsart, die an andern Orten
unter beftimmten Lagerungsverhältniffen über dem Thonglimmer:
Schiefer fich zeigt.
Die Sohle des Vefilithales bededfen Trimmer, welche aus
Kalk und Kalkichiefer, Thonglimmer- und Duarzfchiefer, derben
Duarz; und Spateifenftein beftehen, obwohl Lesterer nicht an-
ftehend gefunden wurde. Am Jöchl tritt weißer feinfchuppiger
Gyps zu Tage, in dem fehr fehrwarzer natürlicher Schwefel in
friftallinifchem Zuftande eingefprengt ift. Wie an andern Orten,
wo Gyps vorfommt find auch hier an der Oberfläche Gruben,
Gppsfchlotten, zwei und mehrere Rlafter tief, bemerfbar. Das
Verhalten des Gypfes ijt hier fchmwer zu ermitteln, weil feine
Begränzung gegen die Wechfellager der Thonglimmerfchiefer und
dunfeln, fein Friftallinifchen, glimmerhaltigen Kalfen des BVefil-
Berges unter Vegetation verborgen tft. AS ein Lager in den
- Schiefer fann diefes Gypsvorfommen wohl nicht betrachtet wer-
den; denn nirgends in. Firol wurde eine folche Erjcheinung
wieder beobachtet. &8 dürfte fich vielmehr die Annahme recht:
fertigen, daß dafielbe eine ifolirte Parthie über dem Thon-
glimmerfchiefer bilde, und dem Gyps über dem vothen Sand-
ftein beizuzählen fei.
Der. Gyp8 verbreitet fich jenfeits der tirolifchen Gränge
— 18 —
gegen den Noogberg, erreicht ftellenweife eine Mächtigfeit von
mehr al& zwanzig Klafter und wird von feinen treuen 'Begleitern
der Rauchiwade überlagert. Don Seblis gelangt man ven
Grath ‚verfolgen über den grauen Frijtallinifchen Kalk des Balinz
fopfes, derfelben Art wie am NRoozfopfe, zum Jdtberge oder der
fchwarzen Wand, einer fteilen unerjteiglichen Felfenfuppe des
Duarzichiefers, der aus dem zertriimmerten Kalfgebirge hervor
bricht. . Die Schichten diefes Schiefers, fo weit die veriworrene
Zerflüftung eine Beobachtung erlaubt, ftehen fat fenkreht und
ftreichen parallel zum ©neife, jenfeits des Fimbabaches, alfo
nördlih. Am. Abhange dev Greitfpige herricht auf, der Höhe
dichter grauer Ralkjtein, tiefer nimmt ev grau, gelin oder roth-
gefärbte Mergelichiefer auf und am Fuße des Berges treten
wieder die fchwärzlichen Kalffteine und Kalkfchiefer ‘hervor, mit
welchen Berfuche fie zu Ded- und Schreibfchiefer zu verarbeiten
gemacht wurden. Der Jdtbach begränzt diefe Kalfparthie gegen
Norden und zeigt Gefchiebe von Serpentin und Thonglimmer-
ichiefer. Im Lestern findet fich auch derber Kupferfies, : Das
Anftehende diefer Gefteine verbirgt aber die Pflanzenderfe.
&3 ift immerhin überrafchend den Zug der Friftallinifchen
Belsarten hier in der Längenfette durch Gefteine unterbrochen
zu. fehen, welche ohne Zweifel den Sedimentgebilden beigezählt
werden müffen; denn diefe dichten und fchieferigen Kalfe, die
bunten Mergelfchiefer und der graue dichte Kalfftein der Greit-
und Fleimfpige ftimmen volllommen mit ven Gefteinen der nörd:
lichen Kalfzone in Vorarlberg und Lechthafe berein "und \ge-
hören dem untern Alpenfalf an. Der Serpentin und Thon
glimmerfchtefer mit feiner, Erzführung, welche in’ der Viefe
zwifchen Ralf und gneisartigen Gefteinen eingefchoben fein dürf-
ten, erinnern an ähnliche Borfommen bei Finftermünz, Nauders‘
und in Oberengadin.
Die Unterfuchung des Samnaunerthales betätigt dies auch
und erweift, daß der Thonglimmerfchiefer und die ihm einges
lagerten Kalfe von Finjtermüng durch das Spifferthal bis an
das Sammaunerthal: fich erftreden, und die Lüde ausfüllen,
b u ME
welche durch das plögliche Biegen der Längenfette und die dadurch
bedingte Einbuße an Mächtigfeit entftanden fein mag.
Nördlich vom Jdtbache erhebt fich die fteile Gneiswand des
Bitfchenriff md ijt mit Gerölfe und Dammerde hoch hinauf be-
deeft. An ihrem Abhange gegen den Fimbach bemerkt man einen
ftollenartigen Einbruch auf eine angmaffe, welche aus Quarz:
trümmern durch eine thonige, graphitartige und eifenfchüffige
Maffe verbunden befteht. Zu Tag blüht da Eifenvitriol, ein
Zerftörungsproduft Des Schwefelfiefes, aus. Der Gang ftreicht
von W. nach D., fteht wohl mit dem oferigen Gefteine jenfeits
des Fimbabaches in der Kothlade in Verbindung und erfcheint
öftlich am Zodod - Mathlismahd im Belülfthale unter gleichen
Berhältniffen. a?
Die fünf Heinen Querketten, welche den Nordweftabhang
des Hauptfammes zwifchen dem Fimba> und Schatterbache bil-
den, find von den drei weitlichen im: Baue und der Anordnung
der Felsarten nicht verfchieden, nur das Streichen bleibt ohne
Beränderung gegen Morgen gerichtet. neis gejtaltet den untern
Theil derjelben, verfließt nach oben in Glimmerfchiefer und beide
‚werden von Hornblendefchiefer durchzogen. Die höchiten Theile
der Querfetten nahe am Hauptfamme beftehen, wie fchon ges
fagt, aus den Uebergängen de8 Glimmerfchiefers in Thonglim-
merfchiefer, welchem fich auch. Hornblende beimengt.
Diefe vermittelnden Felsarten beginnen auch bei Kappl das
Nordweitende diefer Ketten mit einem fehmalen Streifen zu um:
tanden, werden aber. bald. mächtiger, verdrängen im I8golanzs
und Echatterthale den neis vollig und überdeden die Blanf:
fpiße- und das Epianjoch. Im Glimmerfchiefer ijt bald der
Duarz, bald der Glimmer überwiegend, und bei See find größere
Barthien eines jilberweißen Glimmers darin zu treffen. Außer
dem Borfommen: eines fchönen weißen Milchquarzes, den der
- Hornblendefchiefer des BVelüllfopfes ober Velil gangartig auf-
nimmt, und einigen Spuren von Kupferfies, welche in einem
Duarggange des Gneifes an der Ajperwand eingefprengt find
— 10 —
und Höher im Gebirge einen Abbau veranlaften, bieten Diefe
Bergreihen fein Intereffe.
Die Ketten am nordöftlihen Keilende.
Am Spianjoche fpaltet fich der Hauptfamm -der Eelvretta-
Mafle in zwei Bergreihen, von denen die nördliche gegen das
Stanzerthal und Landed, die füdliche gegen Prug und Ried fich
ausdehnt. Zwifchen ihnen liegt das Urglthal in der Arenrich-
tung dev Maffe bis an das Innufer fich jenfend und nimmt
das Keilende auf, welches fich durch Glimmerfchiefer von Lagen
eines glimmerigen Hornblendefchieferd unterbrochen bemerfbar
macht. Diefe Gefteine ftreifen im Urgithale und am Schönjöchl
noch immer gegen Morgen bei fteilem faft fenfrechtem Fallen
und verbreiten fich längs dem Grathe diefer Bergfetten, während
die Gehänge derfelben nach außen allmählige Webergänge aus
Glimmerfchiefer in Thonglimmerfchiefer zeigen und Leßterer end-
lich durch Erzgehalt ausgezeichnet, um. ven Fuß des Gebirges
noch allein fichtbar wird. Der fächerförmigen Schichtenftellung
des Thonglimmerfchiefers, welche hier befonders deutlich erfcheint,
wurde bereits oben gedacht. Landeck ift der bequemfte Ort um
Sreurfionen in diefen Bergfetten zu unternehmen. Wir befuchen
zuerft die nördliche Bergreihe vom Spianjoche bis zur Thiol-
fpige, und zwar deren Abhang gegen die Sanna und Trijanna,
um an die Leste jener Querfetten des Hauptfanmmes zwilchen
dem Segolanz- und Schatterthale in Pagnaun anfnüpfen zu
fönnen. Der graue glänzende Thonglimmerfchiefer, welcher die
Borberge am rechten Ufer der Sana von Lande .bi8 zur
Mündung des PBasnaunerthales geftaltet, Hat ein fehr verdrüd-
te8 wellenförmiges Gefüge und enthält in der Zappen bei
Tobadill ein eifenfchüffiges Anfehen. Hier auf einer Höhe von
3521’ 8. ift ein ftollenartiger Einbruch 2 bis 3 Klafter tief
betrieben. Bon Erzen, welche hier erobert wurden, bemerft man
nur Schwefelfies und fein Verwitterungsproduft, Eifenvitriol,
welches die Oberfläche des Gefteins überzieht. in ähnlicher
i re
Berfuchdbau befteht faft auf gleicher Höhe im Blaubachgraben.
Diefer scheint ein fehr fchmaled Farbenflüftchen von erdigem
Malachit und etwas Kupferfchaum verfolgt zu haben, ift aber
fchon feit langer Zeit verlaffen und fteht unter Waffer. Hinter
Tobadill gegen den Gigalertobl, wo fich das Gebirge fchon gegen
Pasnaun neigt, machen fich die Mebergänge des Thonglimmer-
ichieferd in Glimmerfchiefer geltend. Darin bemerft man im
Hintergiggltobl an einem Kiffe ein wenig verfprechendes Aus:
beißen von Schwefelfies «mit Bergkriftall und eine gute halbe
Stunde über der Sägemühle in demfelben Tobl eine mächtige
Einlagerung eines fchieferigen ©efteines von dunkler fchwarz-
\ grauer Barbe, in welchem Spuren von Eifen- und Kupferfies
‚ nebft zarten grünen Talfblättchen fich zeigen. in Stollen, an
der Knappengrube genannt 5177' ®., fchließt diefe Lagerftätte
auf und fann bis 150 befahren werden, obwohl er durch ein
fehe ocheriges Wafjer theilweife verfumpft it. inige hundert
Schritte ober diefer Stelle ift ein fehr quarziger Hornblende-
fhiefer abgedeckt, auf welchem deutlicher Glimmerfchiefer folgt
und bis zur Giggler- und Thiolfpige und dem Schatterbache
nur durch fchmale Lagen eines. glimmerigen Hornblendefchiefers
unterbrochen anhält. Diefer glimmerige Hornblendefchiefer, deflen
wir fchon einige Male erwähnten, unterfcheivet fich durch die
Beitandtheile feines Gemenges vom Hornblendefchiefer, der den
Gneis ducchftreift. Der Felofpath fehlt darin ganz, dagegen
teitt Duarz hervor und wechfelt mit dunfelgrüner oder fihmärz-
licher Hornblende, der häufig ähnlich gefärbte oder braune
Glimmerblättchen beigemengt find. Der Hornblendefchiefer des
Gneifes führt nicht nur Felofpath, fondern nimmt auch folchen
Ölimmer nur an der Gränze beider Gefteine auf. — Eteigt
man von der Alpe Berpeil 6032’ ®. durch den Graben wieder
gegen Tobadill Hinab, jo findet man gelblichen poröfen Kalktuff
auf Schiefer abgelagert, twelcher Blätterabvrüde, Landichneden
und in größern Höhlungen auch Tropffteingebilve enthält. Won
Tobadill wenden wir uns an den öftlichen Abhang der Thiol-
fpige, um die weit verbreiteten Spuren alter Grubenbauten im
— 12 — !
Thonglimmerfchiefer am Zirmed und Arzftüffl, in der Hochriefe —
5623’ 8. und im $nappenwald aufzufuchen, die nuraus über- >
wachjenen Halden, Scheiveplägen, verfallenen Stollen und Pin:
gen erfennbar find. Kupferfieds und merfurhaltiges Fahlerz,
welche mit Spatheifenftein in Quarz einbrechen und noch auf
den Halden zerftreut find, haben diefe Grubenarbeiten in früherer
Zeit veranlaßt.. Die erfte Belehnung auf diefe Erzanftände
wurde fchon 1352 ertheilt und vor vierzig Jahren ftanden diefe
Baue im noch theilweifem Betriebe. Doch wie die Sage erzählt,
hielten die Erzmittel nirgends dauernd an, indem man bald auf
Berfchiebungen ftieß. Lohnend ift die Fernficht auf der 7733’ 8.
hohen Thiolfpige, zu der man auf den Uebergängen des TIhon-
glimmer- in Glimmerfchiefer emporfteigt. Auch im Graben des
ZThiolbaches, welcher nach Lande zurhdführt, begegnet man über
die Schuttmafjen Hinabflimmend an der Süpfeite einem gänzlich
verfallenen Stollen auf derbem Kupferfies, und durchquert auch
hier denfelben graulich weißen feltener grünlichen Thonglimmer:
fchiefer, den häufig Lagen von derbem Quarz mit wenig Spath-
eifenftein oder Barthien durch ein eifenfchüfliges Anfehen aus:
gezeichnet durchziehen. Die Niederungen, welche bei Lande gegen
die Vereinigung der Sanna mit dem Inn vorgefchoben- find,
bedecft ein grauer glimmeriger Sandjtein, der durch Aufbraufen
mit Säuren das Falfige Zement verräth, und deflen Schichten
mit lofem. Sand wechfeln. Er it 40 bis 500 mächtig, liegt
auf Schiefer, welcher hier Molybdänglanz führen fol, und Fann
nur al8 ein älteres Alluvialgebilde des Inns beftimmt werben.
Diefer Sandftein wurde zu Stuben und vergl. verwendet; feine
Unhaltbarfeit an Feuerftelen brachte ihn aber in Meißkredit.
Die füdliche Abdachung diefer Kette fällt gegen das Urge
thal Der Weg dahin geht von Lande anfangs über Thon
glimmerfihiefer. Bald, noch vor Hochgalmig, begränzt denfelben
ein Zug von glimmerigem Hornblendefchiefer, der wenig mächtig
ift und nur undeutlicyes Friftallinifches Gefüge zeigt, aber durch‘
größere Feftigfeit und mäßige Abfonderung von den Nachbars
gefteinen fich unterfcheidet. Weiter gegen Hochgalmig und auch)
u IE
binter diefem Dorfe treten die Üebergänge zum Glimmerfchiefer
‚ bersor und nehmen nicht felten Hornblende auf. Hier ftoßt
‚ man wieder auf ähnliche Grubenbauten wie unter der Ihiol-
‚ fpige, Am Leopold ift der Schiefer an mehreren Stellen mit
, Stollen angebohrt, um die hier eingefprengten Kupferfiefe zu
‚ gewinnen. Diefer Bau erhielt fich nur ein halbes Jahrhundert,
‚ md feit'den legten vierzig Jahren wurden nur Furze DVerfuche
ihm zu bewältigen gemacht. "Auch in der Mutta zeigt man
‚ einen verbrochenen Stollen und darüber in der Wanna finden
\ fi Rollftüde von Spatheifenftein ziemlich häufig. Im Hinter
grunde des Ihales überwiegt der Duarzgehalt im Schiefer, ‘der
mit einer eifenfchüffigen fehr zerflüfteten Oberfläche erfcheint
und gegen das Spianjoch emporfteigt.
Die füdliche Bergfette, welche: vom Spianjoche mit dem
Sattel- und Schönjöchlberge bis an den Inn bei Yadis tritt,
befteht am Abhange gegen das Urgthal noch ganz aus Glim-
‚ merfchiefer, der hie und da Granaten umjfchließt. Unter dem
Schönjöchl durchzieht denfelben eine mächtige Einlagerung von
fhwärzlichem Hornblendegeftein, das bald maffig bald fchieferig
fe. Der Zanbach fließt ganz in einem Graben von Glimmer-
fehiefer, welcher hier nach NO. ftreicht. Rechts von der Mün-
dung des Zanbaches am Nunfe, wo das Innthal gegen Mit-
tag fich Erlimmt, fällt fchon aus der Ferne ein weißes Geftein
auf. Es iit feiter Duarzfeld mit fchieferigem Gefüge von den
Ahmofphärilien gebleicht, welcher hübfche Eifenkiesfriftalle und
\ weißen Talf in Fleinen Blättchen enthält. Er nehört wohl den
‚ Mebergangsformen des Thonglimmerfchiefers an, welche die Bor:
\ berge gegen den Inn bilden und in der Urgenau, am Warfer-
| zain, auf der Dfterwiefe und im Arzthale verlaffene Grubenbaue
‚zeigen. Die Ausbeute an Spatheifenftein, Kupfer: und Schtwe-
felties scheint jedoch der Hoffnung nicht entfprochen- zu haben.
. Den Südabhang diefer Kette bevedfen von Padis bis Serfaus
die Gebilde des Thonglimmerfchiefers durch 'weftliches Streichen
md nörbliches Fallen ausgezeichnet, und entwiceln hier eine
große Mannigfaltigkeit. Gewöhnlich ift diefer Schiefer grau,
%
au MR
wenig glänzend und von Duarzlagen durchzogen. Durch Bor:
herrfchen des Duarzgehaltes wird er zum Duarzfchiefer, aus
welchem 3. B. der fchroffe Felfen von den Ruinen der Burg
Lauderf gefrönt befteht. inige Varietäten verrathen durch ihr
fettiged Anfühlen den beigemengten Talf und werden dadurch
den grünen Schiefern ähnlich, welche Efcher und Studer in
mehreren Orten mit Flyfch fanden. Andere deuten durch Auf:
braufen mit Säuren auf Kalfgehalt. Am Außerjten Rande
diefer Kette, nämlih an der Landftraße von Prus nach Nie,
werden Fleine Parthien eines grauen und brüchigen Kalfes über
älteren Alluvialgebilden auftauchend fichtbar, der den Kalfen
des Epifferthales analog ift. Die wenigen Entblößungen erlau-
ben aber nicht feine Lagerungsverhältniffe verläßlich zu beftimmen.
Bon der Pontlazer-Brüde über den Inn gehen wir nach Ladie.
- Hier fommt Kalfjtein vor und zwar in bedeutender Ausdehnung.
Unter diefem Dorfe ftoßt man auf eine Ablagerung von
Kalktuff, dann tritt Thonglimmerfchiefer von Kalflagen unters
brochen auf, welcher gegen Serfaus und weiter fich ausdehnt
und auch hier feine Erzführung bewährt. Die zahlreichen Gru-
benbauten in der Gegend von Ladis, theild vom Nerar, theils
von Privaten unternommen, wurden aber nirgends mit Aus:
dauer fortgefegt. Meift täufchte man fich in den Erwartungen
und manchmal ließ man von der Arbeit vor einem entjcheidens
den Refultate ab. Noch in den legten Decennien wurde der
Bergbau Hier mit Eifer betrieben. Zeugnig davon geben bie
Anbrüche am Kalvarienberge bei Grundlatfch und in der Ochfen-
leiten zwifchen Oberladis und Serfaus. Iest find ‚nur noch
fehe. geringe Refte von allen diefen Bauten übrig und in furzer
Zeit werden auch diefe unter der Vegetation verfchwinden. Der
Gegenftand des Nachfuchene war Fahlerz, welches die Quarz:
audfcheidungen des Schiefers bergen, und das fich befondere
am Großjtein fehr baumirdig gezeigt haben fol. Das Fahlerz
hat auch hier Merfurgehalt und Quedffilber erfcheint auch felbt-
ftändig al8 Merfurblende und Zinnober im Duarzfchiefer. Um
Ladis gehen auch mehrere Mineralquellen zu Tage, fo im Dorfe
— —
Ladis eine ziemlich Fräftige Schwefelquelle, welche für die wenig
befuchte Badeanftalt gefammelt wird. Weftlich /, Stunde über
dem Dorfe befteht der wohlausgeftattete Badeort Obladis 3334 R.
Reine gejunde Alpenluft und die herrliche Bergesnatur der Um-
gebung begünftigen wefentlich die Heilfcäfte der Badequelle und
des Trinfbrunnens.
Erftere ijt ein Schwefelwafler, welches Eifenodfer abjegt
und führt in zehn Apotheferpfunden :
Schwefelwaflerftoffgas . . . 608.3.
Freie Rohlenfäure . . . . 12,5 Oran.
Kohlenfaures Eifen . . 40 „
Kohlenjaure Kalfere . . . 29,0 „
Kohlenjaure Bittererde . . 43,0 „
Schwefelfaure Kalferde . . 2,0 ',
Schwefelfaure Bittererde . . 310 „
Legtere, der im Lande wohl befannte Pruger » Säurling,
er in derfelben Wafjermenge:
Freie Kohlenfäure . . - . 120,0 Oran.
Koblenfaure Kalftrde. . . 170 „
Kohlenfaure Bittererde . . 50,0 „
Salzjaure Kalk u. Bittererde 30 7,
Schwefelfaure Kalfeıde . . 20,0 „
Schwefelfaure Bittererde. . 15,0 „
Schwefelfaures Nateon . . 120 „
7 Beide Quellen entfpringen fehr nahe beifammen und nebft
ihnen noch eine reine Süßwaffer- und eine fchnell infruftirende
Duelle. Der Quellenterrain beträgt faum mehr als 125 Qua-
drat-Rlafter. Auch bei Entbruf an der Thalfohle fprudelt ein
Ihwacher Säurling aus dem Felfen hervor, der wohl gleichen
Urfprungs mit dem Obladifer Säurling ift.
% Sidoftabhang der Längenkette.
Die Gefteine des Thonglimmerfchiefers, welche die füdliche
Bergfette am Keilende der Maffe bei Ladis und Serfaus bilden,
NR:
gehen unmittelbar in den Südoftabhang der Längenfette über
und es ift nur eine willfürliche Annahme, wenn das: Thälchen
füplich (von Serfaus den Beginn der Lestern bezeichnen soll.
Ein geologifcher Grund, um eine Gränze zu vechtfertigen, - fände
fich exit im Graben des Lafairfchbaches zwoiichen Töfens und
Pfunds, wo das Fallen der Schieferfchichten aus der Jüdlichen
in die nördliche Nichtung fich verändert: Der Theil diefes Ab-
banges, welcher nach Tirol gehört, ‚bietet Überhaupt für Geo-
gnojten wenig Abwechielung und langweilt durch feine Einförmig-
feit. Die Varietäten des Thonglimmerfchiefers und feine Falke
formen die Berge vom Innufer bis nahe dem Hauptfamme,
Duarzlager mit Spatheifenftein und Kiefen find Häufig ein-
gefchoben und haben eben fo oft Spuren von Fahlerz in dünnen
Schnücchen oder Heinen Neftern aufzumeilen. Wir werden Die
wichtigern Bundftellen fpäter ‚angeben. Nur eine Exjcheinung,
welcher, wir im Ringe des Thonglimmerfchieferd um Die Innern
Gebilde der Selvretta-Mafie bisher felten begegneten, macht fich
hier in voller Entwidelung bemerkbar. Es ind die fchieferigen
und feinförnigen, faft dichten Kalfe,, welche bei Prunds und
Finftermünz, im Epifjer- und Samnaunerthal zwilchen den
Schieferfchichten bald mehr bald weniger mächtig fich eindrängen,
und eben” fo leer an Verfteinerungen find als die analogen Kalfe
im Unterinn- und Wippthale. Wo diefe Kalfe vorfommen, nimmt
meift auch der Thonglimmerfchiefer Kalktheile in- fein Gemenge
auf-und. brauf't daher mit Säuren. Die Kalffchiefer enthalten
im Gegentheile oft wieder fo viel glimmerige Mafje, daß eine
Ausjcheidung zwifchen beiden unmöglich wird. Das Fallen der-
jelben ift- in der höhern Gebirgeregion fühlich, näher dem Inn
aber ziemlich jteil nördlich.
Die Gruppe diefer Schiefer lehnt fich durch Kubeig hei
vermittelt an limmerfchiefer, welcher theil8 die Bergipigen,
theil8 den Nordiweitabhang des Hauptfammes bildet.
Vor andern ift der Nothenftein ober Serfaus eines Be
fuches werth. Der Weg dahin führt von Ried über Fig und
Serfaus oder auch von Töfens an der Thalfohle über Serfaus.
2 Ba
a
—_ 117 —
Wer die erftere Richtung wählt, jteigt über einem grünlichen
Sihiefer empor, der ftellenweile dem Talfichiefer oder fchieferigen
Serpentin jehr ähnlich wird, und begegnet öfters Duarzausjchei-
‚Dungen,- welche in Lagern und Knollen von Schieferblättern um-
wunden find. ©leich ober Serfaus 4652’ 8. häufen fich
- Schuttmafien zu Sandpyramiden an, und wenig höher trifft
man eine Ablagerung von Kalktuff, der Thon- und Glimmer-
ehe Sruitin breecienartig zufammenhält. Weiter gegen
die Serfaufer-Alpe werden die Findlinge des Glimmerfchiefers
lreicher, obwohl im Anftehenden der Thonglimmerfchiefer fort-
ert und auch im Lausbache mit Duarzfchiefer wechjelnd an-
alt. Im legten Thale erblict man. fehon aus einiger Ent-
fernung eine oeferige braunvothe Felemafle, „welche am linfen
Ufer des Lausbaches fteil emporjtrebt. Es ift der Rothenftein,
eine Kuppe faft drei hundert Fuß hoch, frei aus dem grünen
Ulpenboden aufragend und nur gegen Abend. mit dem Gebirge
in Verbindung. Schon die Rolfftüde von Spatheifenftein mit
Bahlerzfpuren im Bachbette verfünden das nahe Erzlager, und
‚bald ijt. die fleine Halde und eine Stollenmündung am Fuße
der Beldparthie erreicht. Der Rothentein 6670’ 8, liegt eine
Heine Stunde ober der Holzgränze und bildet. einen Vorfprung
der Surgleripige, deren Firnderfe den Bach fättigt. Der Gruben-
bau, welcher in der erften Hälfte des vorigen Jahrhunderts hier
betrieben und bi8 zum. Beginne der franzöftfchen Kriege fort:
gefeßt wurde, durchbricht ein Duarzlager, das an zwanzig Klafter
mächtig zu Tage ausgeht und von gewundenen Falfigen Schie-
fern getragen wird. Diefelbe Feldart, obwohl nicht unmittelbar
am KRothenjtein zu beobachten, bildet auch das Hangende. Das
Duarzlager ftreicht gegen Nordiveit und umfchließt gelben Spath-
eifenftein, Kalkipath, erdigen Malachit und Fahlerz in Nieren
und Neftern. Der alte unregelmäßige Abbau bejteht aus vier
Horigonten. Die Gruben find befahrbar und erweitern fich mit-
unter in große Berhaue. Die reichern Erzmittel zeigen fich im
aunterjten Horizont an der Gränze de Lagergefteins, wo das
Fahlerz manchmal zwei bis drei Zoll mächtig erfcheint. Zwifchen
—_ 18 —
dem Lagergeftein und zwifchen den talfigen Schiefern im Lie-
genden, welche fehöne Eifenfieskriftalle enthalten, ift eine fehr °
ichmale ES chichte eines fehwarzen Schieferd eingefchoben, durch —
drungen von Fahlerz, Kupfer und Eifenfies, Das Fahlerz
von NRothenftein ift, derb, Dicht, ftahlgrau und ftarf glänzend,
bat ein fp. ©. —= 4,627 und enthält 2,5 Procent Duedfilber.
Der geognoftifich montaniftifche Werein ließ wiederholt die
verlafienen Gruben am Rothenftein unterfuchen und fand, daß
eine Wiederaufnahme des Abbaues empfehlenswerth if. Die
eingefprengten Exje im quarzigen Lagergeftein liefern Bocherze,
welche im Zentner Schlicht, nach einer Probe vom Jahre 184
6 Loth 2 Duintl Silber und 22,5 Pfund Kupfer enthalten.
Ergiebiger ift das Erzvorfommen an der untern Gränze des
Lagergefteins, und eine Fortfegung der Yrbeit im unterften Ho-
rizont und gegen das noch unaufgefchloffene Feld in S.:W.,
welches zu Tage größtentheils mit Pflanzenwuchs befleivet ift
und fich nur durch einzelne Kuppen defjelben Duarzgefteins ver
rath, erfcheint befonders hoffnungsreich. Der Lausbach ift ftarf
genug und hat das nöthige Gefälle, um ein PBochwerf treiben
zu fünnen. Man war anfangs der Meinung, das Erzvor:
fommen fei gangartig, und brachte ziemlich entlegene Punfte,
3. DB. den Masmer und die alten Gruben bei Ladis, damit in
Verbindung. Wenn man aber erwägt, daß e8 zu den Eigen-
fchaften des Ihonglimmerfchiefers gehört, Duarzausfcheidungen
zwifchen den glimmerigen Blättern aufzunehmen, wie dieß faft
überall fo weit fein Gebiet im Lande fich ausdehnt, fichtbar
wird, jo jcheint die Anficht gemefjener, daß das Vorkommen am
Rothentein nur eine mächtige Ausbildung der Duarzlagen sei
und mehr die Natur eines Lagers als eines Ganges habe. Das
Ausbeigen von ähnlichem erzführenden Duarz an mehreren.
Stollen öftlich und weftlich vom Rothenitein dürfte untereinander
faum in unmittelbarem Zufammenhange ftehen, obwohl vie
äußern Berhältnifie fehr viele Uebereinftimmung zeigen.
Bon diefem Erzanftande 21, St. weitlich findet man vie
Gruben am Masmer und Ddiefelben Gefteine und dafjelbe Ver
E
— 19 —
halten. Daß bier der Thonglimmerfchiefer das KHangende des
Dusarzlagers bilde, unterliegt feinem Zweifel; denn im obern
Stollen durchfährt man den Schiefer faft 10 Klafter lang bie
das erzhaltige Gejtein erreicht ift. Das Duarzlager, hier nur
eine bis zwei Klafter mächtig, wechfelt in der Grube öfters in
‚Schiefer und führt Fahlerz, Spatheifenjtein und Kiefe, welche
mit erdigem Malachit, einzelnen Barthien von Buntfupfererz und
Spuren von Kupferpecherz einbrechen. Lebtere und die Kupfer-
und Eifenfiefe durchdringen auch die Schiefermittel. Auch fafe-
iger Rotheifenftein, derber Brauneifenftein und braungelbe Berg-
iftalle begleiten diefe Erze. Mehrere zwedlofe Schurfe wurden
ie in verfchiedenen Zeiten zur Abdeefung der Erzlager angelegt
und auch in den legten Jahren ohne günftigern Erfolg wieder-
holt. Vielleicht, daß die chlovitifchen Schiefer ded Legenden an
tiefern Stollen angefahren einen größern Reichthum von Kupfer-
fie8 liefern würden, wenigitens wollen die gegenwärtigen Be:
figer diefer Gruben eine jolche Beobachtung gemacht haben. Die
obere Grube am Masmer liegt 7849 8. über dem Meere,
immer ein bedeutendes Hindernig für andauernden Betrieb.
Die Thaleinfchnitte füdmweftlich von Serfaus, welche der
Zichub-, Lafairich-, Kerfalls- und Stubenbach durchziehen, unter
fcheiden fich in geognoftifcher Beziehung fehr wenig von den
Berhältniffen, welche der Weg zum Rothenjtein erfennen läßt.
Die Vorfprünge des Gebirges gegen das Thal find aus Thon-
| glimmerfchiefer und feinen Begleitern gebaut, tiefer erhebt fich
\ der Glimmerfchiefer im Wechfel mit Gneis. Nur der Schichten-
, fall, wie fchon bemerkt wurde, erleidet eine Veränderung. Er
neigt fich gegen Süden. Fremd diefen Felsarten ift ein Gyps-
| lager von jehr befchränfter Ausdehnung, das in der Nähe des
Zichubbaches Faum einige Klafter über den Innfpiegel empor:
fteigt. Aus dem Schiefer diefer Gegend wittert an mehreren
Stellen Bitterfalz aus. Hier wühlte man in feiiherer Zeit und
felbjt noch vor wenigen Jahren viel nach Exzen, und Schurfe,
Stollen und Schächte begegnen allenthalben. Ueberall ließ man
aber bald wieder von der unlohnenden Arbeit ab. EN
— 130° —
mit Spatheifenftein und jeltener mit fparfam eingefprengtem
Fahlerz in Duarz, Bleiglanz und fchwarze Zinfblende in Kalf-
jpathadern, Magnet- und Arfeniffies, alle in derbem Zuftande
mit Eifenfies manchmal in hübfhen Würfeln und den gewöhn-
lichen Kombinationen mögen Bauluftige angelodt haben. Nicht
felten fucht man aber auch vergebens in und um der Grube
nach Erzen, welche dort ausgebrochen wurden und findet höch-
ftens faum fammelnswerthe Bergfriftalle und Kalkfpathorufen,
Eifenoder oder ein brandiges Geftein. Nur ein Lager von
Duarz und Kalffpath, das Kupferfies umfchließt, verdiente viel-
leicht einige Beachtung. ES geht etwa 400° ober der Vereini
gung des Stuben- und Serfallsbaches ober Pfunde zu Tage”
und fann einige hundert Schritte in der Richtung von Morgen
nach Abend verfolgt werden.
Hinter Pfunde rüden die Wände des Thonglimmerfchieferg,
der hier feinen Begleitern, den fchieferigen und feinförnigen Kalfen
faft überwiegende Ausbreitung gejtattet, von beiden Seiten jehr
nahe und verengen das Innthal zur Schlucht, welche faum für
Fluß und Straße breit genug ift und zuc Gränge und nach
Martinsbrud in Engadin zieht. An ver linfen Ihalfeite zeigt
derfelbe Kalkitein fleine Höhlen, in denen zierliche Tropfiteine fich
bilden. Die Sammlung Seiner Ercellenz des ehemaligen Landes:
gouverneurs Grafen zu Brandis enthält einige Stüde von die-
fem Fundorte, welche auf überrafchende Weife die Form von
Hutpißen nachahmen.
Das Spifferthal endlich und feine Fortfegung das fehmei-
zerifche Samnaunerthal gehören ebenfalls mit ihren Felsarten der
Gruppe des Thonglimmerfchiefers an und zeigen nur einen oft
wiederkehrenden Wechfel von Kalfen und Schiefern. Lebtere
nehmen furz hinter der Thalmündung Serpentin- Mafje in ihr
Gemenge auf und verändern fich zu jenen grünen Schiefern,
deren Ejcher und Studer gedenken.
Am Eingange in das fchluchtige Samnaunerthal ober Come
patich 5486‘ T. Tiegen wieder Trummer derfelben grimen Schiefer
und Blöde des jchönften Serpentins umbergeftreut. Auf tiroliz
— 131 —
fcher Seite finden fich diefe Gefteine nicht anjtehend, wohl aber
fieht man diefe lauchgrünen Mafjen die Fumafpige bilden und
gegen die Fimberfpige ziehen. Won Erzvorfommen in diefem
Thale ift nur der derbe Magneteifenftein am Nordabhang des
Nagglerwaldes rechts vom Schalflbach befannt.
Die Landitraße verläßt bei Finftermüng das Innthal und
leitet längs dem Stillebach nach) Nauders und Mais in Vintfich-
gau.. Bon Prus bis Finftermüng lehnt fich der Thonglimmer-
fehiefer an die Abvachung der Selvretta-Mafle und bildet Fein
jelbftftändiges Gebirge. Erft zwifchen Obervintfchgau und Un-
terengadin erhebt er fich zu einer Bergfette, welche die Selvretta-
von der Desthaler-Mafle fcheivet und mit dem Orteles in Ber:
Bing tritt.
Rio Gruppen der Vettfpige umd des Kartel:
Ferners.
Verläßt man bei Piansd im, Stanzerthale die. PBojtitrage
nach Borarlderg und wendet fich- linfs zur Brüde über die
Sanna 895 T., fo öffnet fich in füplicher Richtung eine
Schlucht, aus. welcher die Trifanna im wilden Gefchröfe des
Thonglimmerfchiefers Herabbrauf’t. Auf einem Vorfprunge des-
felben Gefteines bewacht hier die Fefte Wiesberg den Eingang
in. das Pasnaunerthal, welches in. jüdweitlicher Richtung (von
PBians in 43/; St. nach Kappl, 67/; St. Ihgl, 9% St. Galtür)
zum Zeinisjoche führt und die Längenfette. der Selvretta-Mafje
und ihre Ausläufer von den Gebirgsgruppen zwifchen der Lri-
janna und Rofanna trennt. Duxcch die ‚Jocbhöhe am Scheidfee
gwifchen dem. vorarlbergifchen Berbeller: und dem tirolichen
Berwallthale werden diefe Gruppen völlig ifolirt und von der
Maverer- und Kaltenberg » Gruppe, geichieden, welche nur mit
ihrer weitlihen Abdachung nach Zivol gehören. Der Abhang
der Maderer = Gruppe vom Albona- bis zum Valjcheviel-Ropfe
befteht aus gneisartigem Glimmer- und Hornblendeichiefer und
endet am Fußwege, welcher zum PBfannenfee und 2 Silber-
— 112° —
thal führt. Mit dem felofpathführenden Olimmerfchiefer des
Troftberges 7530° Sch. nördlich von Diefem Fußwege beginnt
die Kalteberg- Gruppe und der Pflunbach, welcher von Winter-
jöch! herabfließt, zieht die Gränze zwifchen ihm und dem Glim-
merfchiefer des Kaltenbergs 9158° A. Der Glimmerfchiefer
verliert aber weiter nördlich nicht nur an der Gftanzfpige und
dem Albonkopfe, fondern auch am Fuße des Gebirges feine cha-
vakteriftifchen Eigenfchaften. Bald gleicht er einem quarzreichen
Schiefer, bald mifchen fich Talfblättchen feinem Gemenge bei,
endlich nahe dem Arlberg hat er fich völlig zu Thonglimmer-
fehiefer umgeftaltet, der nicht nur eifenführende Quellen entfen-
det, fondern felbjt in allen NRiffen des Gefteines mit Eifenoder
überladen ift. An der Straße über dem Arlberg find Stein-
brüche in diefem Schiefer eröffnet. Am unterften Steinbruche
werden fchöne große Platten zu Bauten gewonnen, im obern
fieht man eine Lage von Talffchiefer fünf Fuß mächtig. Wo
die Straße parallel mit dem Arlbergerbache zieht, ift der glim-
merige Beftandtheil aus dem efteine faft ganz verfchwunden
und e8 bleibt nur ein fchieferiger Duarz über. Süpdmweftlich von
St. Ehriftopp am Arlberg 5223’ Sch. erhebt fich der PBeifchels
fopf aus quarzigen Schiefern gebilvet, weiche auf einer Höhe
von mehr als 6000° Gänge von Eifenglanz durchqueren. Man
fieht noch die Spuren von fünf Schurfen, welche aber bald
verlaffen wurden, weil die hohe Lage und die weite Entfernung
des nöthigen Holzes zu große Hinderniffe einem ausgedehnten
Betriebe entgegenfegten. In der Nähe der Gänge umfchließt
der Thonglimmerfchiefer Hübfche Staurolithe von brauner Farbe.
Die Gruppe der Bettfpige, welche durch den Yoch-
übergang am Vertines und das Fafulthal von der öftlichen
Rartelferner-Oruppe gefondert ift, erhebt fich nördlich von Galtür
und dem Zeinisjoche zum riesfogel und der DVettfpige, und
greift mit einzelnen Kuppen nach Vorarlberg gegen die Fluhfpige
und den Scheidfee. Nordwärts vom Griesfogel zieht aber eine
lange Bergreihe zur Grasfpige und den Gipfeln des Faful-
Ternerd und endet mit den DBlatteriol-Spigen an der Bereini-
—_ 13 —
gung des Verwall- und Fafulthales. Die ganze Gruppe be-
DE a
fteht nur aus gneisartigem Glimmerfchiefer, der von mehreren
gegen D. gerichteten Zügen des Hornblendefchiefers durchfloch-
ten ift. Der glimmerreiche ‚Schiefer erfcheint hier in verfchie>
denen Abarten. Am Zeinisjoche, das auf feinem faft ebenen
Rüden ein Torflager trägt, ift er einem fchieferigen Granulite
ähnlich und faft ohne Glimmer. Am Griesfogel bildet er eine
feinförnige, faft dichte Grundmaffe mit fchwarzbraunem Glimmer,
befonders ausgezeichnet findet er fich aber unter dem Faful-
ferner, wo Die drei Gemengtheile des Gneifes deutlich aue-
gefchieden find, und ebenfo charafteriftiich durch feine vothbraune
Farbe an den Blatteriol-Spigen. Das Streichen der Schichten,
welche beinahe vertifal ftehen und wegen den vielen Abfonderungs-
flüften fchwer zu verfolgen find, ift im vorarlbergifchen Theile
der Gruppe das gewöhnliche weftliche. Im tirolifchen Antheil
macht fich bald ein Einbeugen defjelben gegen Süden bemerkbar
und im Fafulthale und im Griesfogel ift e8 fehon nah St. 11
bis 12 gerichtet, wodurch der Hebergang zur Schichtenftellung
der nächften Gruppe vermittelt wird.
Die Gruppe des Rartel- Ferners nimmt einen viel
größern Raum ein als die Vorige und verzweigt fich vom
Grathe, welcher am Heinen Rartel-$erner nördlih von Mathon
in Basnıaun beginnt und zum großen Kartel-Ferner, der Fatlarz,
Madaun- und Hohenederfpige die Schichten durchquerend im
norböftlicher Richtung zieht, an beiden Seiten in mehrere Län-
genfeiten.
Gegen Basnaun tritt vom feinen Kartel-Ferner die Gras-
fpige hervor und wird durch das Meattleinthal und dem fehr
befchmwerlichen Sochübergange in’8 Moosthal vom großen Kartel-
Berner und feinem Borbaue dem Pezinjoche bei Jfchgl ge-
fchieven. Eine andere Bergreihie lagert fich zwifchen dem Fatlar-
und Sepladthale bei Kappl. An der Hoheneverfpige zerfplittert
diefer Grath. Ein Arm ftreift gegen Morgen zum Beilftein-
joche, der hohen Spike, dem Welsfopfe und Riffler und endet
an der Pezinerfpige rechts vom Cingange des Papnaunerthales.
— 14 —
Der andere geht gegen Norden zur Nendl- und der Hochfor:
fpiße durch das Malfonthal vom erftern getrennt. ine lange
Bergfette, aus der die Kuchelfpige, ver Fafelfath = Ferner und
Trolliger emporragen, legt fich zwilchen das Moosthal, Baful-
und VBerwallthal. Die Feldarten der Vettgruppe, die Varietä-
ten des gneisartigen Olimmerfchiefers mit Hornblendefchiefer,
überziehen in gleicher Schichtenftellung die rauhen zerflüfteten
Gebirge um den Fleinen Kartel- und Fafelfath-Ferner und fteigen
nach Pasnaun herab. Hier entfpringt am Fuße des Gebirges
beim Weiler Ballzur eine Heine Quelle, das Kupferwaffer ge-
nannt, die wenig Eifenvitriol führt und Eifenoder abjegt. Ober
Mathon am Knappenfchrofen fieht man im Hornblendefchiefer
einen unförmlichen Stollen, in welchem Kupferfiefe gebrochen
wurden. Am Bezinjoche darüber und bei Ifchgl findet fich
Hornblendefchiefer mit vielen Granaten von Glimmerfchiefer um-
fchloffen, der an der Gefteinsgränge ebenfalld Granaten enthält
und auch Hornblende aufnimmt. Der Wechfel diefer Gefteine
wiederholt fich am Abhange des Gebirges thalauswärtd bie
Kappl noch oft und erfcheint auch jenfeits im Moosthale unter
gleichen Verhältniffen. Häufig trifft man Uebergänge der einen
Felsart in die andere, indem fich Hornblende zum Glimmer des
Glimmerfchiefers gefelt. Auf den Ablöfungen des Hornblende-
fchiefer8 findet fich nicht felten derber ‘Biftazit, befonders in einem
Streifen defjelben eine halbe Stunde vor Kappl. Derfelbe Schie-
fer nimmt am Feuerfchrofen ober Villgröß einen 3 bis 4’ mäch-
tigen Gang von fchönem Milchquarz auf, der an der Gränge
des. Liegenden und Hangenden Kupfer und Schwefelfies führt.
Ar zwei Stellen wurden furze Verfuche diefe Lagerftätte zu bes
nüßgen gemacht, aber bald wieder wegen Härte des Gefteins und
geringem Halt aufgegeben. Außer Kappl fteht Glimmerfchiefer
mit vielem braunen Glimmer an und zieht gegen den Beilftein-
fopf und. jenfeits in’d Moosthal, Er ftreicht gegen Süd und
fallt weftlih. Doch am Zuße des Beilfteind zeigt er ein dft-
liches Fallen. Die Abhänge find hier ftarf bewachfen und im
Hochgebirge mit Alpenweiden bededt, doch fann man beobachten,
TE u Een u a u u u rn En EEE EEE EEE m
— 15 —
daß beim Weiler Hpldernach und der Alpe Spidur diefer Glimmer-
fchiefer Feldfpath aufnimmt, fich zum Welsfopfe erhebt und in
ben, verfchiedenen Abänderungen darunter zum Fruchtgneis fich
ausbildet. Bald verlieren fich diefe Varietäten und es drängt
fich braunficher Glimmerfchiefer mit glimmerigem Hornblenve-
jchiefer der rechten Seite des PBasnaunerthales entfprechend her:
vor. An der Brüde bei Gföll wird die fcharfe Ausfcheivung
zwifchen Glimmer und Quarz undeutlich und das Geftein zum
Thonglimmerfchiefer, der den Abhang diefer Berge an der Mün-
dung der Trifanna umfaumt. Beim Weiler Wald am Fuße
diefer Schieferhöhen findet fich ®erölle eines blaulich = weißen
Kalfes, der verwitternd mit einer fandigen Rrufte fich überzieht.
Anftehend, aber nur in geringer Ausdehnung, zeigt er fich unter
der Pezinerfpige. Sein Verhalten zum Schiefer verbirgt die
Pflanzendede. Das feinkörnige Friftallinifche Gefüge diefes Kal:
fes, da8 Sandige der venwitterten Oberfläche und einzelne Glim-
merblättchen, die er eingemengt enthält, rechtfertigen aber die
Einreihung diefes Kalfes unter die Glieder der Gruppe des
Thonglimmerfchieferd. Analoge Kalfe werden in der Gegend
vor Innsbruck, bei Brunef und im Zillerthale fichtbar.
Die Abdachung der Kartelferner-Öruppe gegen das Stanzer-
thal ift Durch die Tobl des Klaus- und Malfonbaches und
durch das Moosthal tief eingefchnitten und in Bergreihen ge-
theilt, die fehr jteil gegen die Rofanna abfallen. Der graue
Thonglimmerfchiefer mit öftlichem Streichen und füdlichem Fallen
umrandet diefen Abhang vom Eingange in PBabnaun gegen das
Malfonthal, fteigt aber nicht bi8 auf die Jochhöhe, fondern geht
auch hier unmerflich in Glimmerfchiefer tiber, welcher mit Ein:
fagerungen des Hornblendefchieferd die Spisen und Kuppen
bildet. In feinem Zuge das Stanzerthal aufwärts erreicht er
das Moosthal, welches füpdlich von St. Anton gelegen ift, nicht
mehr. Hier drängt fich der Glimmerfchiefer fchon bis an Die
Ufer der Rofanna heran und befteht aus Duarz mit wenigen
Beldfpath und weißem und fchwarzem Glimmer. Das Streichen
des Glimmerfchiefers ftimmt mit dem des Thonglimmerfciefers
— 165 —
überein. Schon vor dem erften Duertobl ded Moosthaled wird
eine Beimengung von Felofpath im Glimmerfchiefer erfennbar,
die nicht lange anhält. Erft im Hintern Theile des Thales
erfcheint Gneis in entjchievenen Bormen. Diefe Streifen des
Gneifes und Glimmerfchiefers fegen über den Welsfopf und
Beilftein nach Pagnaun und verbreiten fich weftlich nach dem
Berwallthale.
Derfelbe Glimmerfchiefer wie an der Mündung des Moos-
thales formt anfangs die vechte Seite des Verwallthales. Bald
aber wird der Duarz vorherrfchend und die Felsart gleicht
einem Duarzfchiefer. Am Fuße des Trolliger wiederholt fich
die gneisartige Einlagerung in Glimmerfchiefer wie im Mooe-
thale. Im darauf folgenden Glimmerfchiefer findet fich unter
dem Fafelfath - Ferner eine Duarzausfcheivung, welche Spuren
von Fahlerz Kupfer: und Eifenfies umfchließt.
Aus dem
Inu: und Wippthale,
Von
Adolf Pichler.
=)
I.
Aördlid) des Imnes.
Allgemeines.
Das Gebiet, welches ich mir vorgenommen zu fehildern,
it theilweife geographifch, Feinesivegs jedoch geognoftifch von
natürlichen Gränzen eingefaßt. Dagegen ift das Bild, welches
Stotter darftellt, ganz von Linien erfterer Art eingefchloffen,
zum Theil auch von denen zweiter; die Schlucht der Gill umd
der Brennerpaß fan nur der Geograph al8 Scheide betrachten,
nicht der Geognojt, dem fich zunächft vechts und linfs größtentheils
) diefelben Gebirgsverhältniffe zeigen. Die Spalte, in welcher die
Eill ihr Bett grub, mag fie auch noch fo tief gehen, fann nicht
Beranlafiung fein Zufammengehöriges zu trennen. Wir wollen
jedoch nicht vorgreifen.
Unfer Terrain wird durch den Inn in zwei der Größe und
geognoftiichen Befchaffenheit nach völlig ungleiche Hälften zer-
\ Tegt. Die nördliche, mit der wir uns zuerft befchäftigen, um-
faßt einen Theil ‚der Kalfalpen und ift im MWeften durch den
Wildbach des Kochenthales und die Leutafch, im Norden durch das
Karmwendelgebirge, im Nordoften vom Grathe des Birkfor, Küh-
farl, Grubenfor, Hochglüd und Hochniffel, öftlich durch den
Bomperbach begränzt. Die rauhen und wilden Gebirge bieten
den Unfievelungen ‚des. Menfchen und feinen Herden wenig
Raum, ihre hohen Zaden und Kämme find meiftens fehr Fahl,
= m =
wild, zerflüftet und zerfchrunden, nur ftellenmweife von Krumms
holz beveeft ; fie fenden nur zu oft in die engen Hochthäler gro-
bes Steingerölle und verwüftende Lawinen, welche durch fchranz
fenlofe Abholzung noch bedrohlicher werden. Nur Wildfchüg
und Botanifer erfreuen fich hier veichlicher Ausbeute, diefer Fann
von den fteilen Wänden die Braya alpina, Draba aizoides und
pyrenaica nebft andern Seltenheiten holen.
Zwei Flußgebieten, dem der far und des Innes, leiten
unfere Thäler ihre Gewäffer zu. Schluchtenartig eingeriffen find
das Karwendel-, Hinterau-, Gleivfch-, Giefen-, durchichnittlich
weiter das Scharnig- und Leutafchthal. Es ift hier Fein Haupt-
thal, zu welchem fie parallel oder fenfrecht ftehen, wie Radien
eines Kreifes öffnen fie fich nach allen Richtungen der Wind-
vofe. Milder gejtaltet fich das fruchtbare Thal des Innes; diefer
empfängt außer den Wildbächen, die von den Runfen der nahen
Lehiren niederfliegen, die Wäffer des Salzberges und ded Bom-
perloches. So zeigt fich nirgends einheitliche ©eftaltung des
Bodens -oder Negelmäßigfeit im Verlauf der Ihäler, eben fo
wenig als in der Anordnung der verfchiedenen Formationdglieder.
Trias und Jura haben den größten Antheil an der Zufammenfegung
diefer Bergfetten und Stöde, deren gegen das Innthal vorlie-
gende Terrafie aus Tertiärconglomeraten und Diluvialfchutt auf
gebaut ift.
Wir ftellen, ehe wir zur Befchreibung localer Verhältniffe
übergehen, ein Schema der Gefteine in ihrer natürlichen Auf-
einanderfolge voran.
1, Untere Trias.
a. Bunter Sandftein; dafür fann man mit voller Wahr-
fcheinlichfeit die Werfener-Schiefer der öfterreichifchen Geo- |
gnoften Halten.
b. Unterer Alyenfalf — Guttenfteinerfalf der öfterreicht-
fchen Geognoften. Die Betrefaften, welche Hauer und Efcher
von der PLinth bei Neute darin antrafen, ftellen ihn dem |
deutfchen Mufchelfalf parallel.
en nn mer
IF
— 141 —
2. Obere Trias,
Oberer Alpenfalf = Hallftätterfalf der öfterreichifchen
Geologen.
. Earditafhichten= unteres Skt. Cafitan der Schweizer;
öfterd mit jenem wechjellagernd, in den nördlichen Kalfalpen
meift befonvers fchön an der Gränze gegen den untern
Lias entwidelt.
3. ins.
Unterer Lias; dazu der Mitteldolomit = Haupt:
dolomit Gümbels, die Gervillia- oder Köflenfchichten,
Megalodus- oder Dachiteinfalfe, Lithodendronfalfe. Gümbel
rechnet jenen Dolomit zum Keuper, diefelbe Anficht theilt
aus patäontologifchen -Grinden Oppel; die Wienerfchule
betrachtet alle diefe Bildungen ald unteren Lias.
Oberer Lias —= Anether-Schichten.
4. Jura,
Oberer Jura Aptychenfgiefer.
5. Tertiärformation,
Conglomerat mit Pflanzenabdrüden.
6. Diluvium.
7. Alluvium,
Untere Trias.
a. Bunter Sandftein.
Der bunte Sandtein zieht aus dem Pinzgau durch Pramau
und Pillerfee in der Richtung der PBoftftraße gegen Wörgl in
das Innthalz er bildet überall die Sohle des Thales und auf
Hm Tiegt beit Elmau (2564 die Wafferfcheive zwifchen dem
Weißachenbache und der Kigbichler-Ache. Dann legt fich ihm
ein Streifen oberen Alpenfalfes vor und erft von Kropfäberg
_ 1.2 —
bis Schwaz tritt er wieder im Thale des Innes auf der rechten
Seite defielben auf. Nun überfegt er den Fluß, tritt jenoch nie
befonders mächtig dort zu Tage, mo entweder ein tiefer Einriß wie
im Bomperloch und Höttinger-Öraben feine Schichten: bloslegte,
oder wenn fie durch gewaltfame Aufjtauchung emporgequeticht
wurden, was bei der Bintlalm gefchehen zu fein-fcheint. Im
Höttinger-Öraben ift gegen Weiten der legte Punkt, wo. er. jteht,
zwei Stellen des Einrifjes am Kerfchbuchhof verdanfen vielleicht
ihre rothe Farbe und die Trümmer des bunten Sandfteines eher
einem erratifchen Vorfommen. Die Formationen, denen er in
natürlicher Folge aufliegen follte, entziehen fich auf der rechten
Seite des Inn überall dem Blick, fei e8 nun, daß die Spalte
nicht fo tief drang oder daß Geröll, Schutt, Conglomerat alles
verhüllen. Dagegen erfcheint er unregelmäßig über jüngere
Bildungen gelagert und zwar zu wiederholten Malen, fo daß
man mehrere Falten, deren Kümme abgetragen wurden, anz-
nehmen muß. Ja an einer Stelle unter der Bintlalm, wo von
der Rumermur, einem berüchtigten Bergjturz, alles durchein-
ander geworfen ift, durchbricht er den Mitteldolomit.
Die erite Spalte, wo der bunte Sanditein zu Tage fommt,
betritt man im Graben (Profil V.), den der Höttingerbach tief
in Geröll und Conglomerat eingefurcht; wie weit fie nach Djten
oder Weiten zieht, läßt fich, weil alles von Dilupium über
fchüttet it, nicht fagen. Die Schichten ftreichen in h 7 exit
flach gegen Süden geneigt, geht man jedoch im Bette des
Baches ein wenig gegen Norden aufwärts, fo tritt man mit
einem Schritte von den Schichtenflächen auf Köpfe von Schich-
ten, welche unter einem Winfel von mehr ald 700 nördlich
fallen. Darüber liegt Rauchwade, welche anfangs in fchmalen
Streifen mit dem bunten Sandjtein wechlellagert, ohne dag man
jedoch Hier wie anderswo auch nur eine Spur von. Petrefaften
gefunden hätte. Thalab lagert auf diefer Rauchtvade das Ter-
tiär-&onglomerat, ja fie fcheint fogar in diefes durch Aufnahme
von Bruchjtüden anderer Gefteine überzugehen; e8 ift wohl nur
deswegen unmöglich hier Die fichere Gränze anzugeben, weil das
— 13 —
Genient jenes Conglomerates völlig der Rauchwade ähnlich fieht.
Nah aufwärts Hindert Schutt und Geröll des Baches das
Hangende des bunten Sanditeines unmittelbar zu beobachten,
Doch erreicht man bald wieder die Rauchwade und nad) diefer
einen Mergel, welcher einer Glanzfohle nicht unähnlich it und
in griffelförmige Stüde zerfällt. Er fan vielleicht dem Part-
nachichiefer Hauers beigezählt werben. Darauf folgt gut ge-
fchichtet oberer Alpenfalf von grauer Farbe mit vielen und gro-
fen Knauern rauchgrauen Hornjteines, wechjellagernd mit fchwarz-
grauen Carditamergeln. Er ftreicht h6—7 und fällt in 730
nördlich.
An einem Fleinen Waflerfalle erblickt man die Mundlöcher
verbrochener Stollen, wo auf Kupfer und Silber gebaut wurde,
wie dies auch Stüdchen Malahit und Kupferlafur, die man
dafelbft findet, beftätigen. Nach einer fehr fchmalen Lage Car:
ditafchichten hat man einen Streifen Mitteldolomit von geringer
Mächtigfeit vor fich. Oftwärts verliert er fich unter dem Dilu-
vium, jenfeitS der fleinen Wallfahrtsfapelle zum Höttinger-Bild
vereinigt er fich mit einem breiten Streifen defjelben Gefteines
und bildet damit eine nach Dften offene Gabel, in deren Scheitel
wieder bunter Sandftein beginnt. (Vergl. die geogn. Karte.)
Stand unten im Graben ein ächter Duarzfandftein von rother
Barbe an, zwifchen deflen etwa 1/, Fuß mächtigen Schichten
Lagen blaugrauen-oder grünlichen Lettens mit eingeftreuten Glim-
merblättchen fich finden, fo haben wir hier bunte Schiefer, auf
welche völlig die Charakteriftif der Werfenerfchichten paßt, wie
fie die öfterreichifchen Geognoften «geben. Wo Quellen find,
zerjegen fie fich zu einem zähen rothen Letten; waltet der Quarz
über den Thon vor, zerfallen fie-in einen jchön rofencothen
Sand, wie man diejes bei der Schafhütte fehen Fann.
Der jest erwähnte bunte Sandftein ftreicht nach Often fort,
Durchfeßt verdecft von Tertiär-Songlomerat und Diluvial-Schotter
die Mühlauerflamm und verliert fih ober dem Rechenhof unter
dem Rafen. Hier hat er- den Charafter des Schiefer bereits
verloren, e8 fteht ein wohlgefchichteter, feiter, rojenrother Sand-
a
ftein an, der angehaucht durch den Geruch den Thongehalt ver-
räth und auf Kluftflächen Feine waflerhelle Duarzkryftalle trägt.
Da er ziemlich mächtig entwicelt ift, darf man annehmen, daß
die Spalte noch weiter oftwärts unter dem Rafen fortfege.
Zunächft darüber liegt Nauchwade und fchwarzer, weißaderiger,
unterer Alpenfalf, ein Verhältniß, das im Höttinger » Oraben
durch Tertiär-Eonglomerat verdeckt wird, dann Mitteldolomit.
Der obere Alpenkalf mit den Garditafchichten Feilt fich an
der Mühlauerflamm zwifchen den untern Alpenfalf und Mittel:
dolomit aus. (Profil VII.) Wie weit der Streifen des legteren
im Liegenden des bunten Sandfteines nach DOjften ftreiche, Täßt
fich nicht errathen, vermuthlich Feilt er bald aus, denn im
Mühlauer » Graben begegnet man unter dem bunten Sundftein,
in fo fern Vertiär » Conglomerate das Profil nicht verhüllen,
dunklen Kalfen und Carditafchichten. (Profil VII.)
Oberhalb des Nechenhofes zeigt die Karte an der Rumer-
mur die fleine Stelle, wo der bunte Sandftein den Mittel-
dolomit durchbricht. Darüber in der Mitte der Gebirgslehne
gelangt man zu einem zweiten Streifen bunten Sandfteines, der
fich dem Ausfehen der Werfenerfchtefer nähert. Die Stelle, wo
er weftlich beginnt, dedt ziemlich feit vwerfitteter Gebirgsfchutt;
dafiiv fann man fein Streichen ober der Bintlalm, dem Stein-
fopf und der Taureralm bis an die rechte Seite des Thürljoches ver--
folgen, wo ev an der dem Salzberg zugefehrten Wand des Bor-
berges fich verfchmälert und hoch ober dem Salzftocke abbricht.
Die fehr verwicelten Verhältniffe des Liegenden und Hangenden
diefed Zuges zeigen uns Profil VII, IX, X, wobei im erften
auch noch die Verlängerung der unteren Spalte, welche bi8 auf
den bunten Sandftein ging, erfichtlih wird. Diefe Profile
werden am beften darthun, wie fchwierig e8 in den Alpen ift,
zu ficheren Refultaten über die Folge der Gefteine zu gelangen,
wenn man nicht die Erfahrungen in andern, oft weit ent-
legenen Gegenden berüdfichtiget.
Der öftlichfte Punft, wo der bunte Sandftein am linfen
Innufer aufteitt, ift das Vomperloch. Am Eingang in daffelbe
a
rechtö und links des Baches ftehen grotesfe Felfen eines durch
Ralf verfitteten Diluvia-Schotters an und bilden eine fo fchats
tige Schlucht, daß viele Alpenpflanzen, font heimifch in weit
höhern Regionen, 3. B. Rhododendron, hier unten fich anfiedel-
ten. (Profil XV.) Dann erreicht man eine Fleine Kuppe grauen
obern Alpenfalfes (Profil XV.), die wenig über den Boden em-
porfteht und zur Anlegung eines Steinbruches benugt wurde.
Das Diluvium verdedft den untern Alpenfalf und die Rauch-
wade, welche nun folgen follten, und erft eine Fleine Strede auf-
wärts bildet das Gehänge des Baches bunter Sandftein, weiß,
gelblich, grau und grünlich von Farbe, fehr quarzreich und fplit-
terig, worauf zadige Felfen von Rauchwade, fchwarzem Dolomit,
oberer Alpenfalf, dann Earditafchichten, Mitteldolomit, Garvita-
Ähichten und oberer Alpenfalf, der das gewaltige Joch‘ faft ganz
zufammenfegt, folgen. Erwähnung verdient e8 noch, daß der
wilde Kaßbach ober Jenbach bis weit hinauf in’s Achenthal
Blöde bunten Sanpfteines führt, anftehend- trifft man ihn
jedoch nicht. MWahricheinlich ftammen fie von den Höhen am
‚rechten Innufer.
b, Unterer Alpenfalf.
Den bunten Sandftein, anfangs in dünnen Schichten mit
‚ ihm wechfelnd, dedit Rauchtwarfe Profil V.), und diefe der fo-
genannte uttenjteinerfalf. An der vechten Seite der Miühlauer-
‚ Kamm (Profil VII) ift die range zwifchen beiden fcharf aus:
geiprochen, es jprudeln dafelbjt mehrere frifche Duelfen, die in
Brunnenftuben gefammelt werden. Die Rauchwade fönnte man
‚ beffer eine Breccie nennen. in graues oder von Eifenroft gelb
und braun gefärbtes Gement beftehend aus Kalf und Thon, zu
' dem fich mehr oder minder Kiefelerde gefellt, fchließt edfige Bruch-
flüde von Kalk ein, welcher verfchievene Stadien der Ummwand-
| lung zeigt: bald ijt er frifch, bald erdig, oft fehon zu Staub
zerfallen, und wenn diefer irgendivie fortgeführt wurde, fo er:
Scheint das ©eftein porös, zellig, die Wände und Zarfen oft mit Flei-
nem Ralf oder Bitterfpath-Kriftallen bevett. Blöde vonFauftgröße
und darüber enthält die Rauchwarfe rechts ober DE NERRRIONN
— 16 —
Bisweilen liberwiegt das Gement ganz und dann gleicht das
Geftein, einem verhärteten Fetten. Der Kalk ift fchwarzgrau big
Ihwarz, von weißem Frijtalliniichen Kalk allfeitig durchtrlimert,
die Schichten deutlich, jedoch nicht fehr mächtig 5 wie denn die
ganze Bildung — Nauhwade und Kalt — der obern Trias
gegenüber nur geringe Mächtigfeit anfpricht. Bisweilen: ift der
Kalf nur in didern oder dünnern wurmförmigen Wülften, die
an manche Spongien erinnern, innerhalb eines gelben oder
grauen Mergels ausgefchieden und Ddiefes gilt nebft der Farbe
durchichnittlich für ein befonderes Kennzeichen des untern Alpen-
falfes. Es ijt jedoch hier die höchfte Borficht anzuempfehlen;
KRauchwade und dunkle Ralfe, beides nicht zu unterfcheiden von
den. ächten Gebilden des untern lpenfalfes, die Durch ihre
Lage ficher beftimmt find, fommen auch in jüngeren Formationen
vor und die Kalfwülfte im Mergel habe ich jchon ‚gefunden in
Gefellfchaft von Megalodus scutatus, oder Cidaris alata und
Ostrea montis caprilis, von denen legtere-den Garditafchichten,
erfterer dem Lias angehören. Gut gelegene Bunfte diefe Bildung
zu ftupiren, bietet das obere Ende des Mühlauer-Örabens, wo
man alle Glieder in jchöner Aufeinanderfolge und wohl charaf-
terifiet antrifft. (Profil VIL). Im VBomperloch. dert die dunfel-
braune ehr fandige Rauchwade ein furzklüftiger, weißaderiger,
fchwarzer oder fehiwarzgrauer Dolomit, in welchem zwei Streifen
fchwarzen, faft fohlenartigen leicht zerfallenden Mergels ohne Spur
einer Verfteinerung eingelagert find; dann folgt ein mehr maj-
figer, Furzklüftiger, fchwarggrauer Dotomit, die Außenfläche der
Bruchftücde ift erdig, blutvoth oder vothbraun. Die Stellung
diefer Dolomite beweif’t Klar, daß fie den untern AlpenkalE ver-
treten, man würde fie font, da die Farbe Fein entjcheidender
Grund fein fann, wohl dem Mitteldolomite ‚beizählen. An fte
legt fich, unmittelbar der graue, maflige obere Alpenfalf in itei:
len Wänden gegen den Bach. Das, Streichen, diejer Gefteine
ift in. h7, die Stellung faft vertifal. Profil XV.
Dem unteren Alvenfalfe dürften ‚auch die Dunkeln. wohl-
geichichteten Kalfe beizuzählen fein, welche die Sohle und den
— Mm —
_ HBuß der Berge des Karwendelthales zufammenfegen unter dem
Birffor einfchliegen. «Profil VII2’) Die völlige Entfcheidung
diefer Frage ift mehr öftlich zu fuchen, wozu mir heuriges Jahr
leider Zeit und Gelegenheit mangelte.
Dbere Trias.
A a. Oberer Alyentalf.
Im Bergbau am Kogl folgt auf den bunten Sanbftein
eine Breccie von Kalftrümmern verfittet durch die röthliche Maffe
des bunten Sandfteines, darüber liegen fefte graue Kalfe, wo
nefteriweife im blätterigen weißen Baryt die altberühmten Yahl-
erze einbrechen. Diefe Kalfe, denen wir nicht bloß bier, fondern
an zahlreichen andern Punften der Nordalpen begegnen, 'ent-
halten meift Feine-oder wenig Bittererde, die Struftur ift fein-
förnig, fait dicht, der Bruch mufchelig. Sie find mehr minder
von weißen Kalkfpathadern durchzogen, oft zeigen fich größere
oder Kleinere Höhlen, deren Wände von dem wafferhellen und
weißen Scalenvedern und NRhomboedern des Minerals aus-
\ gefleivet find.
Am Grattenberge bei Wörgl erfüllt diefe Höhlen Asphalt,
der bei warmen Sonnenfchein über die Wünde des Steinbruches
abtropft. Bisweilen find auch Eifenfiefe, derb oder in Kriftallen
eingefprengt ; überhaupt gingen im obern Alpenfalf die berüihm-
‚teften Bergbaue Tirols um und auch jegt noch werden nicht
felten Schurfverfuche gemacht, wozu Die Nefter von Fahlerz und
Kupferfies, forwie die durch ihre Zerfegung entftandenen Ma-
fachite, Lafuren und die Robaltblüthe verloren.
Bißweilen erfcheint ihre Fnollige unebene Ablöfungsfläche
don fettglängendem fchwargem Thon überzogen, der fich auch in
das Innere der Schichten hineinzieht. Das Geftein ift in der
Regel Lichter oder dunffer grau, befonders dort, wo e8 maffiger
auftritt, wie an der Martinswand, bei Tragberg, im Thiergar:
ten von NRotähol. Die Mächtigkeit der Schichten ift verichleden.
Bei Thauer, wo man nicht felten im Steinbruche TG ein-
N
gefprengt findet, und im Höttinger-Graben beläuft fie fich bie
auf einen halben Fuß. An beiden Stellen finden fich Ziwvifchen-
lagen und Gänge. eines thonig-quarzigen Öefteines von ölgrümer
Barbe, welches in flache fcharffantige Stüdfe zerfällt.
Eine intereffante Varietät unferes obern Alpenfalfes ift ein
Knollenfalf, der an mehreren Punkten ftets wohlgefchichtet vor-
fommt. So bei der Murtinswand an der Poftftraße unweit
des Martinsbüchels. Die Schichten find jteil aufgerichtet, an |
ihrer Oberfläche uneben von rundlichen Knauern und Knollen
von der. Größe einer Nuß bis zu der einer Fauft. - Sie find
eingebettet und überzogen von, einer. thonigen,, bisweilen fait
emailartigen Mafje, welche leicht in rhomboidale Stüde zerfällt.
Ihre Farbe ift grau, grün oder auch ziegelroth; tritt etwas
Glimmer und Quarz auf, fo fünnten Splitter derfelben leicht mit
manchen Varietäten des bunten Sandfteines verwechfelt werden.
Schlägt man einen Knollen auseinander, fo befteht er aus dich:
tem, lichtgrauen oder vöthlichen Kalf, Won Betrefaften finden
fich undeutliche Bivalven, die man vielleicht auf eine Halobia
oder Monotis deuten Fann. Dafjelbe Gejtein findet man am
Achfelfopf und Salzberge.
Wendet man fich vom Herrenhaufe zum Wildangergebirge
und jteigt über die Steinblöcfe in der Nunfe, wo Brinzinger
in feinen fehr fchägbaren ‚‚geologijchen Notizen aus der Um-
gebung des Salzbergwerkes zu Hall in Zirol” irerhümlicher:
weife eine Aufbruchsfpalte vermuthet, durch welche das Salz:
gebilde emporgejtiegen, fo beobachtet man die Schichten des grauen
hornfteinreichen Snollenfalfes in h 4 faft vertifal ftehend; gegen
Norden weichen fie etwas gegen Nord ab, abwärts zum Thürl-
joch geht das Fallen allmählig in ein füdliches über. Zwifchen
den Schichten des Kalfes (Profil X.) befinden fich 2—3 Fuß
dDife Lagen eines grünlich-grauen fpeitfteinartigen Minerales,
welches parallel der Schichtung, zerflüftet, einen flachmufcheligen
Bruch und faft dichte Struftur befigt, Es ift an den fcharfen
Kanten durchfcheinend, riecht angehaucht jtarf nach Thon ohne
jedoch an der Zunge zu Fleben, brauf’t mit Salgfäure nicht, ft
— 19 —
mild anzufühlen, durch Kalf rigbar und zerfällt an der Luft zu
einer plaftifchen, zähen, leicht Enetbaren gelblichen Maffe, die man,
wie mir gefagt wurde, ald Walfererde benügt. Das Geftein
enthält Segen von Glimmerblättchen und Duarzförner, denn e8
zieht auf Glas feine Krigeln. Don Betrefaften fieht man,
außer den fchlecht erhaltenen Neften einer Bivalve wie an der
Martinswand, nichts. Wielleicht gehören auch die Kalfe der
Kerfcehbucher Steinbrüche unweit der Sranawitter-Plamm hieher.
Sie haben eine fehr dunkle Farbe, auf den thonigen Lagen be-
merft man nebft Blättchen weißen Glimmers auch Zeichnungen
ähnlich Fucoiden. Die Knollen und Senauer verdanfen ihren
Urfprung theilweife bis zur Unfenntlichfeit verdrüdten Ammoniten,
unter denen einige nach Fr. v. Hauer Aehnlichfeit mit Amm.
binodosus aus den DVenetianer-Alpen haben. Auch Orthoceren
befige ich von dort, fowie einige Nefte von Gafteropoden und
Brachiopoden. Durchfchnitte von nerinitenftielen find nicht
felten, wie man fie auch häufig bei Achten obern Alpenfalfen
bemerft. Die Betrefaften laffen zwar faum eine Beftimmung
zu und Sprechen daher auch nicht gegen meine Anficht: daß es
oberer Alpenfalf fei, die fchiwarze Farbe des Gefteines ift ein zu
untergeordneted Merkmal, um entfcheidvenden Werth zu haben,
duch die Lagerungsverhältniffe — mir wenigftens fcheint das
Anftehen des bunten Sandfteines im Graben dahinter etwas
zweifelhaft — läßt fich auch nichts feftftellen. Die Schichten
find nahezu fenfrecht aufgerichtet und ftreichen wie faft überall
in dem von mir begangenen Terrain der nördlichen Kalfalpen
in h7. Am Martinsbüchel fallen fie bei gleichem Streichen
unter 650 gegen Sübden.
Daß der obere Alpenfalf eine dunfle, ja fogar fehwarze Farbe
haben könne, befonders in der Nähe der Carditafchichten oder wo
er mit ihnen wechfellagert (Profil IV.), — denn die Anficht, daß
diefe nur als fein Dach an der Gränze gegen den Mitteldolomit
vorfommen, zwingen mich neuere Beobachtungen aufzugeben, —
davon Fann man fich mehrfach überzeugen. "Fährt man von
Kranawitten nach Zirl, fo fieht man beim erften Steinbruche in
—_ MR —
h4, 65 N. ziemlich mächtige Schichten eines dichten, dunkel;
grauen, ja jchwarzen Marmors durchfegt von einzelnen Adern
weißen Kalkfpathes. - Bisweilen enthält das dunkle Gejtein
Zwifchenlagen eines grauen oder gelblichen Mergels, wodurch
auf. dem Duerbruch gebogene Streifen und Wellen entftehen.
Geht man in den Wald, fo findet man, daß das Liegende und
Hangende diefes dunfeln Kalfes aus demjelben grauen Kalfe
bejteht, der gefchichtet oder, mafjig-die Martinswand zufammen-
fegt. E8 fehlen in: jenem dunfeln Kalt auch nicht lichte Zivi-
Ichenfchichten.
Den ganzen Compler unterlagert, wie man 'diefes mit
voller Wahrfcheinlichfeit vorausfesen Fann, der Mittelvolomit,
den. man am Eingange der Kranmvitter-Klamm unter dem Dilu:
vial-Schotter verliert: » (Profil 111.)
Befuchen wir die Mühlauer -Rlamm. (Profil VIL) "Die
Pfeiler am Eingange derfelben bilden die grotesf vorfpringenden
Abftürze des Tertiir- &onglomerates. Hat man die" Schlucht
betreten, fo fieht man, bald an der linfen Seite: des Baches
einen ‚Felfen obern Mlpenfalfes. Er ift dunfelgrau, hie und da
von weißen Adern durchzogen, an: untern Alpenfalf mahnend ;
fo. ftreicht ev am Abhange ober, dem Meühlauer-Bad häufig von
Diluvialfand überfchüttet fort bi6 zu den Klippen ober ver
Kettenbrüde und den Rain bei Büchfenhaufen. Zumächit dar-
über find wohl charafteriirte Carditafchichten, dann jchieferige
dunfle Mergel, graue am der Oberfläche bräunliche Sandfteine
je. nach dem Antheile filberweißer Glimmerlamellen leichter ‘oder
ichwerer in Platten fpaltbar. Dann folgt wieder Kalf, der bei
einem zadigen Belfentbor den Charakter der Rauchwade an-
nimmt und ganz zu einer DBreccie zerwürgt it. Zahlreiche
Autfchflächen deuten auf gewaltfame Berfchiebungen, die wohl
aus dem Metamorphofirungsprozeß des Gefteines hergeleitet
werben fönnen.
Eingefchaltet find Parthien eines grauen erdigen Kalfes
mit Heinen weißen Adern, der leicht in ein rauhes Pulver zerfällt,
welches: unter dem Mifroffop Rhomboederchen ausweif’t. "Diefer
— SI —
Ralf ift fehe dolomitifch, denn überall effloreszirt Bitterfalg,
auch Kryitällchen von Gyps fehlen nicht. Die braune Farbe
zeigt den Eifengehalt und fo ift die chemifche MWechfelzerfegung,
die hier vor fich ging, begreiflich. Der Garditamergel fo wie die
Breccie ftreicht weitwärts unter dem Diluvium bis Weierburg.
Zunächft find Sarditamergel und grauer Kalf, darüber ein mäch-
tiger Zug Garditafchichten, Mergel und Sandftein von dem-
felben Charakter und mit den gleichen ‘Betrefaften wie weiter
öftlich bei Garzan, die Flächen des Sanfteinfchiefers find beverft
von zahlreichen nicht bejtimmbaren Bflanzenreften. (Profil VI.)
Eigenthümlih ift der Kalf, den wir nun zu betrachten
haben. Die Schichten find entweder mehrere Fuß mächtig oder
‚ziemlich dünn, in legterem Falle Elingen die Platten unter dem
Hammer. Das Oeftein ift fchwarz, etwas thonig, auf dem
Bruche fplitterig, man möchte e8 wegen der Nähe des bunten
Sandfteines darüber wohl für untern Alpenfalf halten, wenn
| nicht noch vielmal Garditamergel und Sandftein und zulegt, bie
das Zertiär = Conglomerat, über das" zahlreiche fchöne Duellen
ftürzen, und Geröll alles deckt, oberer Alpenfalf fich regelmäßig
anfchlößen. Ober dem Gonglomerat erfcheint der bunte Sand-
‚ Stein; daffelbe: det alfo, wie fich vorausfegen läßt, unteren
‚ Alpenfalf und Rauchwade. (Profil VII.) Die Gefteine ftreichen
in der ganzen Schlucht h 6—7 umd fallen anfangs 28—34 s,
dann richten fie fich mehr und mehr auf; der bunte Sandftein
‚fällt bereits flach Nord. Und das Liegende? — Am Eingange
‚der Mühlauer-Klamm jtehen, wie gefagt, Bfeiler aus Tertiär:
"Eonglomerat, geht man etwa taufend Schritt über den Sand-
Hügel füdöftlich, fo gelangt man vor Arzl zu Steinbrüchen
@Profil VIN,5.), welche in bräunlichem Mitteldolomit angelegt
find. Die Klüfte des ehr brüchigen Gefteins‘ find mit einer
dünnen Lage weißen Bitterfpathes überzogen, al&'wären fie in
Milch getaucht: Das der Mitteldolomit nicht das tieffte Ge
‚itein fein kann, verfteht‘fich won felbft; fo wie nach oben durch
Baltung und andere 'gewaltfame Brozefie nein faum erklärbarer
Wechfel der Gefteine ftatt hat, muß" das auch in der Tiefe unter
— 12 —
der mit Schutt überderften Thalfohle des Innes der Fall fein,
biß der bunte Sandftein unmittelbar an ältere Formationen an:
ichließt, Der Grund fo verwidelter VBerhältniffe ift ' jedenfalls
fchwer zu ermitteln, am einfachften wäre e8 mit der Hhpothefe
abgethan: daß die Gentralalpen durch eine große Spalte Ffeil-
förmig emporgeftiegen und durch ungeheuren Seitendrurf die
Ränder, welche aus der Trias und jüngern Formationen be-
jtanden, gefaltet, zerbrochen, auf fich zurlcgeworfen und die
Trümmer wie Eisfchollen über einander gefchoben haben. Ich
will diefe Anficht aus. dem Munde namhafter Forfcher nicht
beftreiten, glaube jedoch, daß die Befchaffenheit der Gefteine zu
der Verwirrung der Lagerungsverhältniffe nicht wenig beigetragen
habe. . Bei Hall und Skt. Martin find große Salzitöde ; Gnps
und Steinfalz werden im Wafjer aufgelöft und fortgeführt;
auf. und mit dem bunten, Sandftein wird Gyps wie in andern
Gegenden nicht gefehlt haben, obwohl jest nichts mehr: davon
zu. entveden ift, wenigftens erlauben die zahlreichen Rauch:
waden einen Schluß darauf. Das Waffer wirkte bei folchen
Berhältniffen nicht bloß mechanisch, chemifche Prozeffe der man:
nigfachften Art wurden eingeleitet, VBolumsveränderungen traten
ein und fo fonnten Schlipfe, Einftürze, Senfungen und Stö-
rungen der Schichten nicht ausbleiben. Vielleicht fann man
auch die Ervbeben, welche unfere Gegend häufig erfchlitterten,
jo daß im Bolfsmunde die Brophezeiung geht: ,‚Innsbrud
verfinft!”” ganz oder theilweife auf ähnliche Urfachen 'zu=
rücführen.
An der Rumermur bei Garzan (Profil IX.) jteht zunächit
Mitteldolomit an, dann ein breiter, Gürtel Carditafchichten:
Mergel, Sandftein und Sandfteinfchiefer mit Petrefaften ; dar-
auf ein Kalf, den in Handftüfen Niemand vom Achten untern
Alpenfalf unterfcheiven wird, dann wieder Garditafchichten, die
Sanpfteine mit gelbrothen Bünftchen von Eifenoryd, dann Mit-
teldolomit, dann Garbitafchichten, wohl Fenntlich aber wenig ent-
wicelt, dann wohlcharakfterilirter oberer Alpenfalt — das Stein-
föpfl links von der Thaureralm; — und in der Senfung Hinter
| — 13 —
| diefem Rauchwade, bunter Sandftein, Rauchwade, fchwarger
Dolomit und bis zum Gipfel weißer oberer Alpenfalf,
| Bei Rattenberg zieht durch den obern AUlpenfalf, welcher
' die Ruine der Feftung trägt, in h7 wenn ich nicht irre, Cardita-
‚ mergel; mit diefem wurden durch den neuen Tunnel auch völlig
\ fehwarze, maffige, etwas thonige Kalfe angebrochen, denen die
‚ auf Ablofungsflächen fenntliche ‚cardita erenata ihren Pla an-
\ weit. Desgleichen findet man auch in der Kranawitter-Rlamm
und hinter der Martinswand mit den Reifenoolithen, welche auf
feifchem Bruche fehwarze Farbe zeigen, reine fchwarze Kalfe mit
| weißen Adern, die, wenn fie in größeren Maffen: vorfämen, zu
‚ architeftonifchen Zweden gewiß brauchbar wären. Außer den
| grauen und fchwarzen Abarten des oberen Alpenfalfes, tritt noch
\ mit jenen durch Webergänge verbunden oder für fich allein ‚ein
lichter Kalk auf. Er ift meift fehr feinförnig, ja faft dicht,
fehneeweiß wie bei Keifcha an der Brandenberger Ache; mit
' einem Stich in’8 Graue an der Arzlerfcharte, Frauhütt, am
Ballbacy und Solftein; oder in’d röthliche auf dem Unug im
Achenthale. An der Oberfläche ift er nicht felten vauh anzu-
fühlen, was von auswitternden Fleinen Kryitallen herrühren mag,
er ift gut gefchichtet, wie man diefes am Unus im Achenthal,
wo feine Schichten im Gegenfaß zu denen des unterliegenden
‚ Mitteldolomites weitlich fallen; gut beobachten fann, oder auch
bei-Lafatfch: Hier find die Schichten fteil aufgerichtet, ja Flaffen
auseinander, wie die Blättter eines Buches, das man auf den
|
|
Schnitt ftellt. Häufig enthalten diefe Kalfe Kleine Blafenräume,
die ziemlich vegelmäßig von Gejtalt fchwerlich ausgewitterten
Grinoiven, eher irgend einem Mineral, das im Laufe der Zeiten
fpurlos verfchwand, zugefchrieben werden können, wenn man fie
nicht auf die urfprüngliche Bildung des Geiteines zurücdführen
will. Auf dem Wege vom Gleirfchthal: zum Stempeljoch find
ı Heine PBarthien von fchönem fleifchrothen Kalk eingelagert ; unter
' der Frauhüitt auf der Südfeite ift ein vauchtwarenartiger, vother,
| zelliger Kalk anftehend ; am Stanerjoche durchzieht den dolomi-
tifchen. Ralf ftellenweife Rauchwade, fo daß man oft an einem
j
|
\
— 14 —
fleinen Stüde beide Gefteinsarten nebeneinander hat. inen
fleinen Gehalt von Bittererde haben diefe faft überall, doch
nähern fie fich auch der Zufammenfegung des Normal-Dolomites,
wie auf den Küämmen nördlich von Innsbrud; fehneeweißer
zucferiger Dolomit fteht am Weftabhang des Solfteins gegen
die Zirler Galtalm. Nicht unintereffant ift e8, daß oft auf
einen obern Alpenfalt, der fehr wenig Magnefia hält, nur durch
eine dünne Zwifchenlage von Garbitafchichten, die mitunter zum
Theil aus reinen Kalfen wie am Unug 'beftehen, der Mittel:
dolomit folgt, in deflen Zufamenfesung viel Bittererde einging,
fo daß man ihn ald Normal-Dolomit betrachten fann. Wenn
ein Metamorphofirungs - Prozeß ftatt hatte, fo Täßt fich faum
erflären, warum diefer an der Gränze des obern Alpenkalfes
ftehen blieb.
&8 erübrigt uns noch von den Betrefaften zu reden, Die
der obere Alpenfalf einfchließt.
Ammoniten, bei Jenbach und der Höttingeralpe, fie find zu
fchlecht erhalten, um genaue Beftimmungen zu geftatten;
die von Jenbach ähneln nach Hauer:
Amm. respondens Quenst.
— Aon Münst.
— Jarbas Hauer.
Orthoceren, drei Arten von Jenbach, deren eine‘ vielleicht
Orthoceras depressum Hauer. Cinen nicht näher beftimm:
baren DOrthoceratiten fand ich bei der Arzlermur.
Natica Comensis Hörn. bei Senbach.
» Meriani Hörn. bei Jenbach.
Nerita Prinzingeri Hörn. Wildanger.
Chemnitzia Escheri Höru. ‘enbach.
’ eximia Hörn. Wildanger.
), tumida Hörn. 7
Rosthorni Hörn. Arzlerfcharte.
Diefe Art habe ich auch im Sleirfch-, Riß-, Hinterau- ur
Achenthal gefunden. Chemnigien, jedoch in weißen blätterigen
Kalkfpath verwandelt untrennbar mit dem Muttergeftein: vers
’
u
- 5 —
wachfen,, auch am Weftabhang des Solfteins. Man könnte fie
wenigftens in dem von mir begangenen Terrain als Leitfoffilien be:
teachten und den obern Alpenfalf darnach auch Ehemnigienfalf heißen.
Halobia Lommeli Wissm. An einem Felfen unter der Arzler-
jcharte.
Monotis lineata Münst. bei Jenbady.
Enerinus lilüformis. Höttingergraben.
m granulosus Münst. Alrzlerfcharte.
Cidariten jtacheln vielleicht von Cidaris alata Münst., im
Höttingergraben.
Nullipora annulata Schafh. Brandjoch, befonders fchön an
der Arzlerfcharte.
Am Brandjoh, auf dem Spedfor und in der Arzlerfcharte
fommen überdied noch mehrere andere bis jegt noch nicht be-
ftimmte, wohl auch wegen der fchlechten Erhaltung faum be-
flimmbare Korallen vor. Die Angabe Brinzingers, daß Halobia
Lommeli im Eibenthale vorfomme, beruht wahrfcheinlich auf
Berwechfelung.
Ueber die Verbreitung des obern Alpenfalfes, jomwie Die
Höhen, zu denen jeine prallen Wände und zadigen Gipfel em-
‚ portagen, können wie ung erfparen zu reden, ein Bli auf die
Karte gibt über beides den gewünfchten Auffchluß. Weber die
‚ benachbarte Zugfpige, dem höchiten Punkte der nördlichen Kalt:
Alpen, liegt ein glänzend ausgeftatteter Auffag der Brüder
‚ Schlagintweit vor, die darin gegebenen geologijchen Daten, in
jo: weit ich die Gegend fenne, haben wenig Werth, eben fo wie
das über das Kaifergebirge mitgetheilte. Dafür verweifen wir
auf die Arbeiten eines gründlichen und fleißigen Alpengeognoften,
er unermübeten f. baierifchen Bergmeifters W. Gümbel.
i b, Earditafchichten.
Wir haben diejelben bereit8 mehrmald mit dem obern
En erwähnt; hat fich diefer in seinem tiefen weiten Meere
abgelagert, jo darf mam fie entweder ald Strandbildungen oder
als jolche bezeichnen, welche fich im Waffer. von geringerer Tiefe
abjegten, wo im unreinen Schlamm, Sand und Letten ein üppiges
—_— 16 —
Thierleben gedieh. Ob der Meeresgrund nach und nach Durch
Abfag von Kalk erhöht, oder durch Hebungen emporgerüdt
worden fei, bleibt aus Mangel fefter Anhaltspunfte, unerörtert.
Daß dort, wo Garditafchichten mit Kalf wechfellagern, der Boden
fich mehrfach fenkte, begreift fich aus der weichen Befchaffenheit
jener von felbft. Es wurde fehon angedeutet, daß die Gardita-
fhichten ihre fehönfte Entfaltung meiftens an der Gränze des
obern Alpenfalfes, die Trias gleichfam abfchliegend erlangten.
Wir wollen nun die verfchiedenen, fehr mannigfachen Varietäten
ihrer Gefteine hier kurz befchreiben.
Steigt man zum Zirler » Calvarienberg empor, fo erreicht
man nach dem grauen obern Alpenfalt einen Steinbruch, wo
ein Eleinblätteriger Mergel untermifcht mit dunfelgrauen oder
braunem etwas glimmerigen Letten, den man zu bydraulifchem
Gement brennt, die Flächen der fteil aufgerichteten, etwa 1/ Fuß
mächtigen Schichten bildet. Sie find beverft von zahlreichen
brüchigen Auftern, Ostrea montis caprilis Klipst. Cöltener trifft
man Isocardien, Peeten und Terebratula vulgaris Münst. Dann
folgen etwa 10 Fuß mächtig in einer tief ausgewafchenen Runfe
fehe dünngefchichtete, weiche, dunfle Mergel und Schieferthon
mit Schnürchen wafjerhellen Gnpfes. Die Abdrüde fleiner
Mufcheln und fpärliche Pflanzenrefte erlauben feine Beftim-
mung. Ein ähnliches Profil Hat man auch in der Nähe, wo
fich Hinter dem Schloß Fragenftein dunfelgraue Mergel mit. |
zahllofen fchlecht erhaltenen Betrefaften und grauem Kalk mehr:
fach wechfelnd wiederhofen. Desgleichen am Hügel von Thauer |
und in der Schlucht dahinter, nur find hier feine Petrefaften, deito
häufiger jedoch Eifenfies.
Zu diefen Mergeln tritt häufig Sandftein und mwechfellagert |
mit ihnen. Er ift von dunkler Farbe, an der Oberfläche grün: |
lich oder röthlichbraun, auf frifchem Bruche licht- bis fchwarz-
grau, feinförnig, in größeren Stücken fchiwer zerfprengbar, wenn
jedoch der Glimmer zunimmt, zerfällt er leicht in Tafeln und |
Platten, auf den Ablöfungsflächen erfcheinen nicht felten Fleine
Körner und Knoten. Er zerflüftet im allgemeinen gern in |
— 1117 —
xhomboidale Stüde, enthält Ralf, fo daß er mit Salzfäure mehr
weniger brauj’t, auch Kugeln und Nieren von Graueifenfieg,
die jedoch meijt verroftet find. Am Hallerfalzberge löfen fich
aus ihm, wenn er vermwittert, Kalfconfretionen in Größe und
‚Gejtalt von Himbeeren. Molusfenrefte find ziemlich. häufig,
Doc meift nur unvollfommene Steinferne, bisweilen hat fich
auch.die caleinirte Schale erhalten, wie am Bergangerl: Undeuts
liche -Pflanzgenfpuren find nicht felten; im SHinterauthale trifft
man auf Stüdchen von Kohle, wie denn auch die fchwarzen fehr
bitumindfen Mergel im Kochenthale bei Telfs erfolglofe Schurfe
veranlaßten.
In dem jenem ähnlichen Sandjteine bei Weißenbach un-
weit Neute, der jedoch nach Gümbel zu den Bartnachfchiefern
gehört, findet man, wie die Handftüde im Mufeum belegen,
Pterophyllum Jaegeri, einen $arın des Keupers. ; Im Gfchnür-
graben, einer für das Studium der Carditafwichten Flaffifche
Stelle, geht der Sandjtein allmählig in Rauchwade über. — Solche
Sandfteine jtehen an bei Telfs, Oarzan (Profil IX.), im La
fatfch (Profil XI.) und SHinterauthal (Profil I), am Unug
und Stripfenjoch unweit Kufitein. Eine eigenthümliche Er-
fcheinung find die fogenannten Riefenoolithe, die zumeift in jener
Etage der Garditafchichten auftreten, welche die Trias abfchließt
und gewifjermaßen den geognojtiichen Horizont gegen den Mittel:
dolomit, bezeichnet. Sie lafien die Struftur nur dann gut
erkennen, ‚wenn. fie der VBerwitterung ausgefegt waren.. Sie zer:
fallen entweder fehr leicht in efige, braune Körner von Erbfengröße
und darüber, die aus Mergel beftehen und durch ein thoniges Ge-
ment verfittet waren, wie in der Zivler $lamm, oder fie find bei we-
nig Thongehalt nur an der Oberfläche gelblich oder braunlich anz
gewittert, wobei die Umrifje der oft nur mohn= oder fenfforngroßen
Körner fehr deutlich find, wie auf den Zirler Mähvern , fie
widerftehen aber mechanifcher Gewalt gleich dem fefteften Kalke,
der. mufchelige Bruch ift- fehwarggrau; natürlich gibt e8 zwi-
chen diefen Extremen Zwifchenftufen.. Bei den. angewitterten
Körnern fann man bisweilen in der Mitte ein Mufchelfvagment
_ 8 = *
beobachten, welches ald Kern allmählig von fchaligen Lagen
Kalt oder Mergel verhüllt wurde. Sehr jchön find diefe
Dolithe am Stripfenjoch bei Kufftein entwicelt; auch am Fall-
bach (Profil XII.) ftehen fie an.
Großen Ruhm erlangten die jchwarzen Kalfe bei Lafatich
(Profil XI.) wegen dem bunten Farbenfpiel der eingefchloffenen
Schalen, befonders von Amm. Joannis Austriae. Sie wechfel
lagern wohlgefchichtet mit den Mergeln und find eigentlich
wahre Mufchelbreceien. Auch am Hirfchanger im Ipthal hinter
dem Salzberg ftehen fie an, opalifiren aber hier nicht. Auf dem
Bruce find fie graufchwarz, die eingefchlofienen Schalen fo feit
mit dem Muttergeftein verwachfen, daß man faum ihre Duer-
fchnitte fieht, erft die WVermitterung befreit fie, und dann find
die abgerollten Blöde von zahllofen zierlichen Korallen und
Mollusfen bevedt, befonders der Cardita cerenata. Bisweilen
find Diefe Kalfe auch blaugrau, an der Oberfläche gelblichgrau
und thonig, 3. B. am Unus, im Gfleirich- und Bomperthale; an
legtern zwei Lofalitäten find fie mit Concretionen bevedt, welche
an die Schlangenwülfte, die man anderwärts für den Mufchel-
falf charafteriftifch hält, gemahnen. Auch hier find PBetrefaften zahl
reich, insbefondere Schalen von Ostrea montis caprilis Klipst. —
Nicht immer treten die Carditafchichten fo leicht Fenntlich auf, wie
wir fte hier befchrieben ; im weißen Thale 3. B., hinter dem Stein-
acherjoch findet man an der Gränze zwifchen Mitteldolomit und
obern Alpenfalf legterem ganz ähnliche weiße oder graue Kalfe,
bie und da mit Heinen Fleden grünlichen oder gelblichen Thones
und fpärlichen Betrefaften. Am Kerfchbuchhof erfcheint an der
obern Gränze des Dolomitftreifens gegen den weißen Kalf
Rauchwade; im Höttinger » Graben (Profil V.) eine Kalfbreccie
mit thonigem Gement von geringer Mächtigfeit.
Eine Zufammenftellung der PBetrefakten, welche ich in’ ven
Sarditafchichten der Nordalpen nach und nach entdedte, dürfte
dem Lefer vielleicht nicht unmwillfommen fein. Bezüglich der von
mir benannten Arten verweie ich auf das neue Jahrbuch für
Mineralogie ze. von Bronn und Leonhard. Jahrg. 1857, &. 689.
— 159 —
rn 1. Korallen.
Solche trifft man nicht felten am Hirfchanger im Ipthale
hinter dem Salzberg, es lafjen fich mit einiger Wahrfcheinlich-
feit die. Gattungen Achilleum, Calamopora, Scyphia
nah Münfter und Klipftein erfennen, eine Astraea fand ich
binter der Zirler Galtalm.
2. Bradiopoden.
Terebratula vulgaris Münst. überall, 3.8. bei Zixl, im Öleirich-
thal, Lafatih und am Salzberg.
Crania Gümbeli. Pichler am Salzberg.
Spirifer, unbejtimmbare Refte nicht felten am Salzberg, bei
Kranawitten und Zirl.
3. Erinoiden,
Pentacrinus propinguus Münst. überall.
® Enerinus granulosus Münst. Salzberg.
# Cidaris dorsata Münst. Falbahb, Salzberg.
1a alata Münst. Gleirichthal.
ni; similis Des. ”
| Sehr lange, glatte und dünne Cidaritenftacheln, mit
I feiner beichriebenen Art ftimmend, im Gleirichthal, Lafatich,
I Zirleralm.
4. Acephalen.
1}
| Pecten decoratus Klipst. Lafatich.
,, formosus Pichler, überall.
— Bruchftüde eines Pecten ähnlich dem P. Helli.
0, Bruchftüde zweier Arten Lima; die eine: mäßig gewölbt,
ftrahlig gerippt, Rippen flach, Rinnen dazwifchen fchmal; Die
andere: Rippen abgerundet und durch ziemlich tiefe, gleich breite
‚Rinnen getrennt. Umriß-und Größe beider Arten gleichen einiger:
u Lima striata,
ondylus, ähnlich obliquus Münst., überall, befonders zu
\ Rafatich.
— 10 —
Ostrea montis caprilis Klipst. überall häufig, doch jeltener
zugleich mit der folgenden, mit der fie in unferen Alpen als
Leitmufchel fir die Carditafchichten betrachtet werden fann.
Cardita crenata Münst, häufig, befonderd am Salzberg. Ih
habe von diefer Art gewiß mehr al& taufend Exemplare in
den Nordalpen gefehen, darunter war aber fein einziges,
welches die Größe der bei Sft. Kaffian gefundenen erreicht hätte.
Cardita (Opis) decussata Münst. Salzberg, Zirleralm.
Nucula expansa Wissm, Zirl, Telfs, Salzberg.
Gervillia bipartita Mer. Stripfenjoch.
Außerdem da und dort fehlecht erhaltene Refte von
Avicula, Cardinia, Isocardia, Modiola, Myopho-
ria ähnlihd Whatleyae, Perna, wahrfcheinlih Bouei,
Pecten, Trigonia.
5. Gajteropoden.
Naticella plicata Münst. Salzberg.
” rugoso carinata Münst. Salzberg.
Turritella conica Münst. Salyberg.
# hybrida Münst, Kranamitten.
Dentaliuw arctum Pichler. Zirleralm, Gleirfchthal, Salzberg,
Vomperthal.
Was noch von Gajteropoden vorliegt, ift zu fchlecht erhal-
ten, um auch nur einen Schluß auf die Gattung zu erlauben.
6. Ammoniten.
Ammonites Joannis Austriae Hauer. afatfch, Salzberg.
” Aon Münst. Salzberg.
Pr floridus Hauer. ,,
Fr robustus Hauer. ,,
Die zulegt genannten find zwar jchlecht erhalten, laffen
jedoch eine ziemlich fichere Beftimmung zu.
7. Wirbelthiere.
Schwanzwirbel eines Ichthyofaurus aus dem Niefen-
volith des Stripfenjoches; im Lafatfch fand auch Efcher von der
Linth den Wirbel eines Sauriers.
— 11 —
Die hier aufgezgählten von mir gefundenen Petrefakten find
theils im Befige des Mufeum, theild in den der f. £. geologifchen
Reichsanftalt übergegangen. Intereffant ift, daß W. Gümbel
heuer im Sommer auch außerhalb der Alpen Skt. Gafftaner
Arten von PBetrefakten im Keuper gefunden hat.
Jura.
N Unterer Lias: a. Mitteldolomit.
Diejes Geftein hat weniger Abarten, als die bis jet er-
wähnten Sormationsgebilde. Der Dolomit, feiner Zufammen-
fegung nach meift Normaldolomit, ift wohlgefchichtet und zer-
klüftet gern vhomboidal, jo daß es oft fchwer ift, ein Hanpdftüc
zu Schlagen. Auf frifchem Bruch it er grau, gelblich oder
bräunlich, feinförnig, manchmal fait dicht und riecht nach Bitu-
men, an der Luft bleicht ev und erhält eine gleichlam ftaubige
Oberfläche. Manchmal it der Gehalt an Bitumen fo groß,
daß die Schichten einen braunen Ueberzug haben, wie 3. B.
im Steinbruch beim Baunzner am nördlichen Ausfluß des
Achenfees.. Hierher zählen auch die bituminöfen Schiefer von
Seefeld, Scharnig und Zirlerchrijten mit den berühmten Fifch-
abdrüden. Ihre Schichten liegen zwifchen denen des Dolomites,
zum Theil mit ihnen wechlellagernd und folgen feinem Streichen
bei einem Süpfallen unter verfchiedenem Winfel in h 6-7.
Da man das Material zur Asphaltbereitung jet in Stollen
bergmännifch abbaut, jo find Fifchabdrüde feltener zu erhalten
als früher, wo die Delbrenner das jogenannte Dirfchenöl ala
Heilmittel für das Vieh aus den Schiefern, welche fie in offenen
‚ Steinbrüchen gewannen, deftillieten.
000 Das Mufeum befigt einiges, mehr die Münfterfche
‚ Sammlung zu München; was jest zufällig an den Tag
kommt, verkaufen die Eigenthümer lieber in das Ausland,
"als daß fie es am eim heimifches Injtitut, von dem fie viel-
eicht noch dazu beffer bezahlt würden, abgeben möchten.
&8 herricht hier leider derjelbe Unfug, wie bei Alterthümern
und Manuferipten, die auch in die Fremde Sechähenne werden.
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— 11 —
Uebrigens gehören Berfteinerungen im Mitteldolomit zu den
größten Seltenheiten ; an der Straße nach Leibelfing fieht man
im $elfen einige Megalodus seutatus, die jedoch wegen der
Kurzktüftigfeit des Gejteines nicht zu erhalten find. Diefer
Megalodus, derfelbe, der im Dachiteinfalf in unzählbarer Menge,
feltener jedoch in den Gervilliafchichten vorfommt, weit dem
Mittelvolomit feine Stelle in der Pormationsreihe an. Der
Mitteldolomit liegt in unferem Terrain bis Kufftein überall
unter den Cavditafchichten und dem obern Alpenfalf, der da-
zwoifchen (Profil II, IN, IV, VAL, VIII, IX, X, Xu, XIVy XV).
Ich hielt daher in dem Auffage: Zur Geognofie der nordöft-
lichen Ralkalpen Tirols, Jahrbuch der Ef. geol. Neichsanftalt
1856, die Anficht unferer älteren geognoftifchen Karte feft und
ftellte iän zum untern Alpenfalf, die Betrejaften jedoch und die
Berhältniffe in anderen Gegenden beweifen, daß hier großartige
und weit ausgedehnte Heberftürzungen und Berfchtebungen ftatt
hatten. Am Weftabhange des Solfteins gegen die Zirleralm ft
noch die. urfprüngliche Lagerung zu: beobachten. An Mineralien
ift diefer Dolomit eben fo arm als an Petrefaften. In der
Nähe der Scharnig bricht man einen fchmugig weißen, ewigen,
weichen Dolomit mit Zwifchenlagen, die einem Gonglomerate
nicht unähnlich find, als Kreide. PBrinzinger bezeichnet ihn ale
regenerivten Dolomit. Ein ähnliches Geftein bricht auch ober
der Kinzacher Mühle am Zunderberg mit einer lichtgelben Rauch-
wade, die faft einem Kalktuff gleicht. Weberhaupt begleitet gelbe
und graue Nauchwace nebjt gelbem und grauen, oder weißen
förnigen Gnyps den Dolomit nicht felten. Der Gyps ift wohl
aus dem Dolomit hervorgegangen, indem er größere und Fleinere
Stüde defjelben einfchließt oder auch bei entitanvener Zerflüftung
die Riffe ausfüllt, wie diefes bereits Morlot befchrieben.
Unterer Lias: b. Öervilliafcichten.
Ein Streifen derfelben zieht von der Walderalm unter dem
FBallbach biß gegen Sft. Magdalena am Salzberg. (Profil XI a,
X, XI.) Sie find vielleicht dem Mitteldolomit eingelagert,
— 18 =
wenigjtens erlauben die Berhältniffe am Salzberg diefen Schluß
(Profil XII); am Falljoch, wo dariiber jüngere Bildungen auf-
treten (Profil XIII, XIV.), fcheinen fie das Dach derfelben zu
fein. &8 find dunfelgraue Kalfe und Mergel, die an der Ober-
fläche gelb verwittern und in der Nähe der Walderalm mancher-
lei Berfteinerungen enthalten. Geht man vom Salzberg nach
Sft. Magdalena, jo führt der Pfad zuerft an Rauchwade und
ihwarzem Kalk vorbei, bald erreicht man den Mitteldolomit,
und kaum hundert Schritt hinter der Kirche auf dem Wege zum
Eibenthal jehr thonige, gelbe, gelblichgraue und rothe Mergel,
die in Fleine Stüde zerfallen und mit Waffer Letten bilden.
Man könnte fie wohl mit auggelaugtem Salzgebirge verwechfeln,
das Landvolf benüßt fie ald Sigillfat (Terra sigillata) für fran-
fe8 Vieh.
Diefe Mergel ftehen nach auswärts mit grauen Kalfen,
welche die Betrefaften der Gervilliafchichten enthalten, in Ver-
bindung. Unter andern habe ich von hier einen Sifchwirbel.
Bis jegt Habe ich im ganzen Zuge der Gervillienfchichten von
der Walderalm zum Salzberg folgende Verfteinerungen ge-
funden:: Lu
Spirifer uncinatus Schafh.
7 Emmrichi Süess.
Spirigera oxycolpos Emmr.
Terebratula pyriformis Süess.
h cornuta ‚Süess.
Rhynchonella fissicostata Süess.
» subrimosa Schafh.
Avicula inaequiradiata Schafh.
Modiola Schafhäuteli Stur.
Gervillia inflata Schafh.
Ostrea Haidingeriana Emmr.
Plicatula intus striata Emmr.
Pecten, Lima, Pinna fchlecht erhalten, wohl
die von Hauer erwähnten Arten.
Sch habe in dem Bisherigen die Gefteine ar „em Bor:
uw
gange und der Autorität der Wienergeognoften in die Yor-
mationen eingereiht, e8 ift jedoch von der Sache felbft nicht bloß
gerechtfertigt, fondern auch gefordert, die Meinungen anderer zu
berücffichtigen. Wir führen die betreffende Stelle aus dem Auf-
fage B. Merians im 2. Hefte der Verhandlungen der Basler
naturforfchenden Gefellfchaft hier wörtlih an: „Wenn wir
@ie Schweizer Geognoften) über vie Lagerungsfolge der Bil
dungen mit den Dejterreichern ganz einverjtanden find, jo be-
fteht gegenwärtig noch eine Verfchiedenheit Über die mehr unter-
georbnete Frage der genauen PBarallelifirung der geologifchen
Bildungen in den DOftalpen mit der im wejtlihen Europa er:
fannten Formationgreihe und der Benennung, die wir den ver-
jchiedenen Abtheilungen gaben. Die Beobachtungen in der
Umgegend von Hall fcheinen ung den evidenten Beweis zu lie-
fern, daß die eigentlichen Sft. Cafttanbildungen (Barditafchichten),
deren nahe paläontologifche Nebereinitimmung mit den befannten
Halljtätter Kalfen (oberer Alpenfald) Her. v». Hauer jchon
langt nachgewiejen, in den untern Keuper einzuordnen jind.
Dachiteinfalf und Köffener-Schichten (Gervilliafchichten), die im
weitlichen Europa gänzlich fehlen, erjt im Süpden allmählig fich
zu entviceln anfangen und in den Djtalpen zu mächtigen Ge-
bilden jich entwickeln, betrachten wir unter der Benennung der
obern Sft. Caffianformationen als ein rein marinifches Aequi-
valent der obern Abtheilungen der im wejtlichen Europa mehr
al8 Land- und Litoralbildung fich darftellenden Keuperformationen.
Der Mangel an Belemniten, die erjt im überliegenden Lias auf-
zutreten anfangen, wäre für diefe Bildungen befonders bezeich-
nend. Die mächtigen Dolomitmafjen von Vorarlberg und Nor:
tivol (Meitteldolomit) wären demnach ‚eine größere Entwirfelung
der im DBergleich freilich fehr wenig bedeutenden, dolomitischen
Schichten des mittleren Keupers von Wejteuropa.’ Merian
jtüst diefe Behauptungen auf paläontologijche Unterfuchungen,
indem er fich bemüht, die Bejtimmungen von Brachiopoden und
Bivalven, wodurch die Dejterreicher ihre Anficht begründen, zu
widerlegen oder zweifelhaft zu machen.
— 15 —
Die Anficht der Schweizer wird verftärft Durch Dr. Alb.
Oppels Unterfuchungen in Schwaben. Er weif’t nämlich die
- PDentität einer Anzahl Schalthierarten des Bonebedfandfteing,
welcher jth in Schwaben-an der Gränze zwifchen Reuper und
unteriten Lias einreift, mit denen der Gervilliafchichten nach
So ift 3. B. auch die bei und im Achenthal nicht feltene Avicula
Escheri Mer. iventifch mit Gervillia striocurva Quenst. aus
Schwaben und Avicula contorta Port. von Londonderry in Ir:
land. Die Geroilfiafchichten find alfo ald Aequivalent des
Bonebed aufzufafien. Weniger ficher fcheint mir vorderband die
die Eintheilung der Schweizer, weil ein fehr wichtiges Foffil:
Megalodus seutatus Schafh. ebenfo im Mitteldvlomit als in den
Gervilliafchichten und Dachiteinfalfen auftritt.
Auch Gümbel rechnet in feinen neueften Arbeiten Mittel:
dolomit, Gervilliafchichten und was damit zufammenhängt, zum
Keuper. Im Gegenfag zu Dppel erflärt Rolle in feinem
Auffag: ‚Ueber einige an der Gränze von Keuper und Lias
in Schwaben auftretende Verfteinerungen. Dctoberheft des Sahr-
ganges 1857 der Sigungsberichte der mathem. naturwiffenfch.
Klafie der f. f. Akademie der Wiffenfchaften” das Bonebed
für eine Schichte des untern Lind und Außert fich über die
1856 von den Oppel und Süeß in den Sigungsberichten der
f. f. AMfademie der Wiffenfchaften veröffentlichte Arbeit‘, daß
fie noch weiter beigetragen habe, den fogenannten oberften oder
gelben Keuperfandftein nebit dem Bonebed in ypaläontologifcher
Hinficht dem unten Lias mehr als dem obern Keuper zu
nähern.” Wir haben dem Lefer die verfchiedenen Stimmen
vorgeführt und wollen feinem Urtheile nicht vorgreifen, wir
hoffen er werde und nicht tadeln, wenn wir uns bei Golorirung
der Karte vorläufig noch den öfterreichifchen Geognoften an-
fchließen.
ec. Dberer: Lias.
0 Er hat fich nur auf einer: Heinen Stuede am Fallbach
(Profil XII 5.) in geringer Mächtigfeit entwickelt: vother Kalf,
— 166 —
in welchem als Seltenheit Spirifer uneinatus und. ein Belemnites
zu fehen it. Darüber liegen anfangs undeutlich gefchichtete
graue Mergel, aufwärts in der Schlucht wird die Schichtung
jehr deutlich. Die Mergel werden fledig, vothlich und graulich,
grün und dann ganz roth. E& find darin Knauer dichten
Kalfes ausgefchieden und mehr minder wächtige, bituminöfe,
fchwarzbraune Mergellagen, denen man auch weiter dftlich in
Runfen begegnet. Auch braunen: Hornftein, Knollen von Grau-
eifenfies und abgerollte Stüde derben PByrolufites fieht man
bisweilen Ich ftehe nicht an, diefe Mergel, in denen ich nur
Belemniten fand, dem obern Lias beizuzählen, da ihnen die
Aptychenfalfe auflagern. Dftwärts von ver Walderalm trifft
man eine Breccie aus Stiden rothen und grauen dichten Kal-
fes; ein Geftein, das in früherer Zeit häufig zu Säulen und
Simfen verwendet wurde. Auch diefes dürfte dem Ling bei-
zuzählen fein.
d. Dberer Jura.
Die Aptychenfchiefer erftresfen fich (Profil XII, XIV.) vom
Tallbach bis zur Walderalm. Sie bejtehen aus gelblich over
vöthlichweißen Kalfen und Mergeln, find nicht fehr compaft und
zerfallen in flache fcharffantige Stüde. Die dünnen Schichten
find fehr verdrüct und gewunden, wie e8 bei diefer Formation
faft überall der Fall ift. An der Walderalm enthalten fie Knol-
len derben thonigen Pyrolufites, der für eine Fabrik in Hall
gefammelt wird. PBetrefakten entdecte ich bis jest nicht, Doch
find fie durch Ausfehen und Lage wohl charafterifirt. Das
Neovcom fehlt auf unferem Gebiete und tritt erft weftlich von
der Leutafch und nordöftlih von der Riß auf.
Zertiärformation.
Diefe nimmt einen Fleinen Raum ein und ift durchaus
Lofalbildung. Das Conglomerat, welches fte vertritt, ragt mit
einzelnen Köpfen, ehe man den Kerfchbuchhof erreicht, aus dem
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Diluvium im Walde, jteht im Höttingergraben an und fegt in
mächtigen vom Gebirge fanft wegfallenden Bänfen das ‘Blateau
zufammen, welches von der Mühlauerkflamm durchriffen fixh
unter neuerem Gebirgsjchutt Faum bis zum Ihaurerfchloffe,
wahrfcheinlich nur bi8 Garzan erftreckt. (Profil V, VI, VII, VIII)
Die Unterlage defjelben ift verichieden: im Höttingergraben bunter
Sanpftein und Rauchwade, bei Mühlau oberer Alpenfalf, ober
Weiherburg find die Unebenheiten der Unterlage: durch glimmer:
reichen Ouarzfand und Zetten ausgefüllt, in dem ich wenige ver-
drücte Refte von Heliv fand. (Profil VI.) &s unterliegt faum
einem Zweifel, die aus älteren Formationen beftehende Unter:
lage habe bereits, als jich das Conglomerat bildete, diefelbe Ge-
ftalt wie jeßt gehabt; und feit den Abfag veffelben feine Her
bung oder anderweitige Störung befahren. Die geringe Nei-
gung der Gonglomeratbänfe nach Süpen ijt wohl aus feinen
andern Gründen, al$ die bei Anlage jeder Schutthalde wirken
zu erflären. Die Bänfe find gegen das Thal fteil abgebrochen’
was fich ald Wirfung der Wafferftrömung, welche der jeßigen
Richtung des Fluffes folgen mußte, darftellt. Auf dem gegen-
über liegenden Mittelgebirge von Amras it feine Spur des
Zertitr-&onglomerates zu entveden, es läßt fich aus dem Nei-
gungswinfel der Bänfe leicht ‚berechnen, daß fie nicht viel über
die Mitte des Thales fich erftecfen fonnten.
Das Gonglomerat befteht aus edfigen oder an ven Kanten
etwas abgerundeten Irümmern ver älteren Formationen der
nördlichen Kalffette, je nach dem Orte überwiegt Kalk oder
Sandftein. Sehr felten bemerft man abgerundete Gefchiebe aus
der Gentralfette, 3. B. Hornblende. Die Bruchftücde der ver:
Ichiedenften Größe find durch ein gelbes oder röthliches, fandiges,
thoniges und Falfiges Gement verfittet, welches hie und da ganz
ausfieht wie Nauchwade. Im Höttingergraben ift zwoifchen den
Bänfen groben Conglomerates eine Lage von 'gelblicher oder
Ihmusig-weißer Farbe, fie fieht aus wie verhärteter Mörtel, in
welchem bald feinerer, bald gröberer Sand eingemengt warb.
Hier wurden Pflanzenrefte entveet, ed gelang mir eine Suite
ee
derfelben zu jammeln. Brofeffor Unger äußert fich über die;
jelben: „‚Diefe Pflanzen find feineswegs jünger al8 die mio-
eänen Pflanzen von Parfchlug. Die Außerft üble Erhaltung
derfelben läßt nur eine beiläufige Bejtimmung der Art zu, doch
jind jedenfalls darumter einige, welche jenen Schluß auszufprechen
erlauben. Im ganzen fcheinen diefe Pflanzen, welche außer
Stengeln meijt Blätter find, unter fehr jtürmifchen Begeben-
heiten in das conglomeratartige Gejtein eingebettet worden zu
fein, was theild aus der Bejchaffenheit des Einfchliegungs-
mittels, theild aus dem Zuftande der Pflanzenrefte jelbft her:
vorgeht, indem Weite mit noch daran fißenden - Blättern und
Blätter meift mit zufammengerollten Flächen vorwaltend anz
getroffen werden. Nur zwei Arten laffen fich mit Gewißheit
beftimmen:
1. Arundo Göpperti Heer. certe !
. Cyperus Sirenum Heer.
. Cyperites canaliculatas Heer.
4 plicatus Heer,
. Persea speciosa Heer.
Ulmus Bronnii Heer,
Carpinus —?
. Acer trilobatum Al. Br. certe !
. Laurinea mit Actinodaphne molochina Nees in Oft:
indien ihrer quirligen Blätter wegen zu vergleichen.
10. Quercus —?
11, Laurus —?”
Es ift eine Landflora, veren Nejte wahrfcheinlich Sturm
und Wolfenbruch von den Bergen, wo jeßt Föhren und Zun-
dern wachfen, herabführte. Diefes Conglomerat wird in vielen
‚ Brüchen gewonnen, weil e8 einen fehr feiten Bauftein liefert,
der dem mürben Thonglimmerfchiefer weit vorzuziehen it. So
find unter andern die Jejuiten- und Pfarrkirche daraus gebaut,
desgleichen die ‘Pfeiler des prachtvollen VBiaduftes, auf dem die
Locomotive Über den Saggen brauf't,
ewan up ww
— 169 —
Dilubium.
Das Diluvium it im Innthale fehr mächtig entiwidelt.
&8 übergoß die älteren Bildungen bis zu einer Höhe von
3000 Fuß und rechts und linfs find noch breite Teraffen übrig,
legte Nefte der alten Thalfohle, in welcher der Inn, als er
noch mächtigere Wogen trieb, fein jebiges Bett vertiefte, So
ift die schöne Hochebene, welche fich mit Wäldern beverft, die
von Üppigen Wiefen unterbrochen find, vom Hallthale bis zum
Bomperloh am Fuße der Kalfalpen Hinzieht, aus Diluvium
zufammengefeßt.
Das Diluvium befteht, wie man fich in den Abrutfchuns
gen an Hügeln, den Einriffen der Bäche und bei den Abgra-
bungen, welche in jüngfter Zeit durch Eifenbahn- und Straßen:
bau veranlagt wurden, überzeugen Fann, aus einem bräun-
lichen oder blauem Letten mit Glimmerblättchen, wie am Arzler:
Kalyarienberg, oder aus lofem Sande, der nur durch eine pär-
liche Vegetation gebunden it, 3. B. bei Weiherburg, oder aus
Schotter mit Gefchieben der verfchiedenften Größe und Zwifchens
lagen von Sand ; wo Wafler durchficerte, welches Kalk aufgelöf’t
hatte, verwuchs beides oft zur Feltigfeit eines Conglomerates,
wie an dem Hügel, der die Ampaffer Kirche trägt, oder auf
dem Borfprunge hinter Egerdach, im. Zimmerthale, vor dem
Badhaufe zu Heiligkveuz und insbefondere am Eingange in das
Bomperloch. (Profil XV.) Bisweilen ift der Schotter bräun-
lich gefärbt und bei geringerer Größe der Gefchiebe durch Eifen-
oryohydrat verfittet, fo bei der Eifenbahnbrüde zu Mühlau oder
im Bahnhof zu Kufitein. Man follte erwarten, daß diefe ger
waltigen Maffen Diluviums, welche namentlich bei Durchftichen
der Eifenbahn entblößt wurden, fofjtle Nefte liefern würden, da
berrfcht , jedoch Die größte Armuth, außer einem Zahne von
Equus fossilis bei Zragberg wurde bisher nichts entdeckt.
Duellen init etwas Eifen und Schwefelwafferftoffgas entfprin-
gen bei Heiligkveuz und Baumficchen und werden dort in aller-
— 0 —
lei Kranfheiten und Zuftänden zu Bädern benüst. Bis 5000 Fuß
gehen die erratifchen Blödfe, jo am Soljtein und den Zirler
Mähdern, auch unter dem Thlrljoch an der Rinne gegen die
Thaurer Alm trifft man fie, felbit auf das Wibmerjoch in Bran-
denberg und nach Achenthal wurden fie geführt, wo man meh-
vere und fehr große in der Nähe ver Scholaftifa, deren treffliches
MWirthehaus fo recht im Mittelpunfte für geologifche und bota=
nifche Ausflüge liegt, fehen fann. Sie beftehen aus verfchie-
denen Arten Gneis, wie er im Stubei und andern Orten der
Gentralalpen vorfommt, und werden fleißig aufgefucht. Man
verwendet fte unter dem Namen Buchiteine, den fie wegen ihrer
Spaltbarfeit erhielten, zu Brunnentrögen, Straßenfäulen und
verfchiedenen architeftonifchen Ziveden.
Das Saulzgebirge.
Ehe wir den Inn überfchreiten, müflen wir den unfern
Bergen eingelagerten Salzitörfen Aufmerffamfeit fchenfen, um fo
mehr, da wir durch Charafterifirung der verfchiedenen Formatio-
nen das Verftändniß der fchwierigen Berhältniffe einigermaßen
erleichtert zu Haben glauben.
MWenn man von Hal aus die zum Salgberg führende
Straße einfchlägt (Profil XI), fo hat man links beim Hadl
große Maffen Diluvialfchotters. Die erjten Felfen, die daraus
hervorragen, beftehen aus obern Alpenfalf, der durch die weiße
Farbe und Chemnitzia Rosthorni Hörn. hinlänglich charafterifirt
wird. Betritt man die Schlucht, fo ragen linf8 die Köfel des
Zunderfopfes, rechts der Bettelminf empor. Um jenen biegt fich
die Schlucht nach Weften und ift dafelbft durch das Thleljoch
abgefchloffen. Er beiteht aus Mittelvolomit, au der Süfeite
zieht fich von der Thaureralm fehräg ein Zug obern Alpenfalfes
an ihm bi8 zu der Stelle beim Hadfl, wo wir ihn bereitd er-
wähnten; an der Nordfeite find beim Klofter Sft. Magdalena
die Gervilliafchichten aufgevedt. Ar feinem Fuß lagern viel-
fältig von Schutt bebeeft, Felfen von fehwarzem Kalfe und
Rauchwade, in nächfter Verbindung mit dem Salgftorfe (Profil Xla).
—_— 11 —
Seine Schichten "erheben fich zu faft fenfrechten Wänden die
etwa in h 8 ftreichen und am Kamme des Berges etwas gegen
Norden neigen, fich aber in der Nähe des Salzberges wenden
und ein fehr fteiles fünliches Verflächen annehmen. Auf der
rechten Seite der Schlucht finden wir ebenfalls dunfelgrauen
Mitteldolomit mit undeutlichen Schichten. Wo diefe dem Auge
erfennbar werden, find fie mehrere Fuß mächtig, ftreichen in
h 8—9 und fallen ziemlich fteil nah Norden. Dort wo fich die
Schlucht gegen Weiten biegt, bemerfen wir am Bettelwurf rechts
eine tiefe Spalte bereit3 im obern Alpenfalf. Es zieht von
Dften genau in der Richtung der Schlucht und des Salzlagers
ein Streifen Garditafchichten herein, Mitteldolomit und obern
Alpenkalf fcharf abgranzend. Linfs des Hallbaches hat man
am Kartelferjöchl obern Alpenfalf, vechts Mitteldolomit, der Bach
bezeichnet die Richtung der Garditafchichten, welche am Berg-
angerl nördlich einbiegen, über den Grath des Kartelferjoches
in das $pthal, wo man viele PBetrefaften findet, fteigen, dort
am Bache wieder jchlingenförmig ummenden und eine Kuppe
Mitteldolomit umfafiend (Profil XTb, 5, 6, 5 und die Karte)
wieder über den Grath zum Hallbache zurückkehren. Aufwärts
gegen das Herrenhaus und Jpjöchl am Mitterbergftollen beob-
achtet man einen andern Zug derfelben.
Doch ift es hier unmöglich den Wirrwar auf die General:
ftabsfarte einzutragen, wir werden daher das Profil XI, b au8s-
führlicher fchildern. Zuvor jedoch fehren wir noch etwas tiefer
in die Schlucht zurüd. Diefe gabelt fich am Kartelferjöchl; in
gerader Richtung läuft die Fortfeung des Hallthales, in wel:
chem der eigentliche Salzberg liegt, rechts Hinein zieht das Ip-
thal. Beide Thäler find tief mit Schotter und Geröll bevedft,
fo daß ein im Ipthale angefchlagenes Bohrloch noch mit einer
Zeufe von 20 Klafter im Schotter ftand.
Das Isthal ift nordöftlich und nördlich vom Spedforgebirge
begrängt, das gegen Weften in die Lafatfch- und Bartofenfpige
und in den Roßfopf ausläuft.
Ueber eine Senfung des Lafatfch führt eim bequemer, felbft
—_ IN —
fahrbarer Weg in den Halleranger, von dem man rechts in das
Vomperloch, linfs nach Tiefenfaften und durch das Hinterau:
thal in die Scharnig gelangt. Die erwähnten Berge erheben
fich mit Fühnen, fchön geformten Spiten alle zu mehr als
7000 Fuß und find fehr fehön gefchichtet, namentlich am Sped:
for, wo die Schichten faft von der Spige in ungeheuren Platten
von mehreren Fuß Mächtigfeit bis an die Thalfohle herabfallen und
dadurch verderblichen Lawinen ven Weg bahnen. Die Schichten
ftreichen durchfchnittlich in h 8—9 und fallen gegen Südweiten.
Im Weiten des Fpthales fenft fich zwifchen dem Roßfopf und
dem Wildangergebirge, das zum Theil mit feinen zerklüfteten
Zaden die füdlihe Mauer bildet, das Stempeljoch (Profil X.)
und geftattet den Uebergang in das Gleirfchthal.
Am Fuße und den Lehren: diefer Berge ift ungeheures
Steingeröl aufgehäuft. Sie beftehen aus obern Alpenfalf, ver
mehr minder dolomitifch eine weiße oder weißlichgraue Farbe
hat und bisweilen vöthliche Barthien einfchließt. Korallen find
nicht felten, al8 Hauptfundort derfelben find befannt: der Bart:
ofen, eine Stelle unter dem fogenannten Gifengatter und die
Bogneralm unweit des Fallbached. Das Wildangergebirge
jchließt in der Fortfegung gegen das Stempeljoch die von une
bereits erwähnten Chemnigien und viele Korallen ein. Das
Geftein ift jedoch fehr brüchig, auf dem Fußjteige vom Iß- zum
Stempeljoch Follern bejtändig Blöce herab und bedrohen den
Sammler, der fich hier auch an dem fchönen Papaver alpinum
und auf dem Stempeljoch: an Petrocallis pyrenaica erfreuen
fann. Wo das Wildanger = Gebirge öftlich abbricht, geht Liber
eine Senfung der Weg fanft anfteigend vom Iß- in das Hall-
thal. Auf ver linfen Seite diefes Sattel erhebt fich gleichlam
als der andere Pfeiler des Thores das Jpjöchl mit feiner Fort:
fegung dem Kartelferjöchl und erzeugt auf diefe Art die firdliche
Mauer bis dahin, wo I- und Hallthal jich vereinigen. Auf
den Sattel fieht man in Entblößungen Saljthon und NRauch-
wace, links fteht ein zadiger Fels aus Dolomit. Die Wei-
tung des IJpthales breitet fich auf dem Salzftordfe aus und ift,
— 1b —
weil der weiche Boden Wafler zurücdhält, jumpfig und mit
üppigem Grafe bewachfen. Kartelfer-, IB und Wildangerjoch
erjtrefen jich zwar im derfelben Richtung, doch ift das Streichen
der fie zufammenfeßenden Schichten verfchieden.
Wir gehen nun von Welt nach Oft zur Erläuterung des
Profil XI b. über. Der Einfchnitt, welcher zwifchen dem Wild-
anger und Isjöchl fich gegen Süvden abfenft, ijt oberflächlich von
Geröl und Schutt erfüllt und trägt nebjt andern Bauten die Woh-
nungen der Kappen, in der Tiefe liegt der Salzftock, der von Stol-
len und Schachten durchfreuzt it. Einen Durchfchnitt deffelben gibt
Prinzinger in feinen geologifchen Notizen aus der Umgebung des
Salzbergwerfes zu Hall Jahrbuch der F. £. geologifchen Reiche:
anftalt 1855. S. 71. Als Dede erfcheint hier Nauchtwade und
darüber im Wejten oberer Alpenfalf. Die Rauchwade ift fan-
dig von: brauner oder röthlicher Yarbe, bald fehr dicht und fein-
förnig, bald blafig, bald breccienartig,; wobei fie oft ziemlich
große Stücke Dolomit von erdigem Anfehen einfchließt, die jich,
wenn das Gejtein im Wafjer zu einem Brei zerfällt, ausfcheiden.
Man benügt fie zum Ausmauern der Stollen, fo weit diefe den
Schotter durchfegen. Am Uebergang in das pthal zeigt fie
deutliche Schichtung. Im Salgftocfe felbjt liegen Anhyprit, Gyps,
Hafelgebirge, Kernfalz und ausgelaugter Thon regellos vurch-
einander.
0 oMeber die» Befchaffenheit des Steinfalzes berichten wir
geößtentheild mit den Worten des Werfes von Libener
und Borhaufer: ‚Die Mineralien Tirols.” Die meijt nur in
der Kernform und felten in der Gombination mit dem Dctaeder
vorkommenden Kryjtalle find theils einzeln aufgewachfen, theils
zu Drufen und Gruppen, zuweilen auch treppenartig verbunden,
mit glatter auch wauher und gefloffener Oberfläche, felten ein-
gewachfen und dann oft fehr verdrückt 5 Erpftallinifche Mafjen,
Plattenförmig, eingefpreugt und derb. Werdrängungspfeudo-
morphofennach Bitterfpathrhomboedern. : Zufammenfegung blät-
terig, :faferig, theild gerade laufend, theils gebogen, auch ftrah:
lig, feinförnig. bis großförnig. Sehr vollfommen fpaltbar nach
x
—_ 14 —
den Flächen der Kernform, Bruch mufchelig. Wenig fpröde:
Durchfichtig bi durchfcheinend. Glas- bis Fettglanz. - Yarblog,
weiß, grau, voth, gelb, blau in verfchiedenen Nuancen, zuweilen
gefledt. Gefchmad angenehm falzig. Im Wafjer leicht löslich,
in feuchter Luft allmählig zerfließend. "Das Steinfalz ift ein-
gewachfen und eingefprengt in den Salzthonen, meift fehr vers
unveinigt, feltener in reineren größeren Mafjen als Kernfalz,
bisweilen beim Anfchlage nach Bitumen riechend. Die mit vorz
fommenden Fofitlien find Gyps, Anhydrit, Eriftallifirter Breunerit,
einzelne Spuren von PBolyhalit und Blödit, Kupferfies, gelber
und rother Schwefelarfenif , Blende und Ausblühungen einiger
anderen Salze, endlich, jedoch jehr felten, Flußfpath in violetten
MWürfeln, derbem Gyps aufgewachfen.
Die verhärteten Salzthone zerfallen an der Luft, fie ent-
halten hie und da Duarzförner und Glimmerblättchen, wodurch
fie ftüchweife Sanpdfteinen ähnlich werden; Schuppen von Eifen-
glanz und auf Kluftflächen vöthliche Duarzkeyjtalle; ihre Farbe
ijt in der Negel graulich-grün oder bisweilen gelblich, röthlich
und violett, auch geflammt.
Am interefjanteften find die PBfendomorphofen von Gyps
und Anhydrit nach Steinfalz, welche bereits Haidinger trefflich
befchrieben hat. Bisweilen find die Salzwürfel theilweife er:
halten, theilweife durch Lehm erjegt, mitunter fcheint es faft
als fei diefer verhärtete Thon in die Kriftallifation einbezogen
worden, etwa wie der Sand bei den Nhombvedern von Fon:
tainbleau. Auch Abgüffe von Thon in Würfelform kommen
vor, bisweilen haben fich im Hohlraume des ausgelaugten He-
vaederd parallel den Flächen dünne Tafeln von Quarz, deren
Oberfläche von Fleinen Duarzfryftallen drufig ift, ausgefchieden, fo
daß von jeder Fläche eine treppenförmige Pyramide in das
Innere ragt. Befonders Beachtung verdienen wohl einige Stüde
verhärteten, quarzigen und glimmerreichen Salzthones, die auf
den Bruchflächen jchwärzliche Fleden zeigen, wie won Blatt
ftücfchen monoeotyler Pflanzen, und ich glaube, man wird fie
auch jo deuten müfjen. Ganz ähnliches zeigen manche Car-
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|
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—- I —
Ditafandfteine, 5. B. von der Mühlauerflamm und dem Hinter
authal. Weberhaupt. find manche Garditajandfteine und Calz-
thone im Ausfehen einander viel näher, als. legtere dem bunten
Sandjtein. —
Wir wenden uns jegt öftlich umd fteigen in der Runfe
hinter dem Mitterberger Wohnhaus zum ISpiöchl empor. Zu
Anfang befinden wir uns auf dem Sulggebivge (Profil XI, b,);
unter dem Gebirgsfihutte von Gypsbroden, welche Stüde Do-
lomites einjchliegen, Salzthonen, IrUummern von Rauchwarfe und
dergleichen begegnen wir nicht jelten mürben. Blöden von Gar:
ditafandftein mit zahlreichen Betrefaften. Darüber fteht ein Ropf
zadiger Rauchwade und ftreicht wie alle Gefteine hier in-h14
fort. (Profil XI b.). Dann erheben fich jenfrecht die Dünen
Schichten eines dolomitifchen Kalfes. (Profil XI.b.), entweder
fehwarz oder grau, im. erjiten Falle mit Förnig Friftallinifcher
Struftur, im zweiten auf dem Bruche matt, undeutliche Spuren
von Mufcheln find nicht felten. Dann folgt (Profil XI b), ein
jchneeiweißer, von außen gelblicher, feinförniger, dolomitifcher
Kalk, der ohne bemerfbare Schichtung in lauter Iafeln und
erfige Stücke zerflüftet, an. der fcharfen Gränze gegen den fchwar-
zen Dolomit it jeine Oberfläche von Autfchflächen geglättet.
Steigt man der Spalte zwifchen beiven Gefteinen füowärts nach,
jo. bemerkt man, daß fich zwifchen fchwarzem und weißem Dos
lomit exit Rauchwade und dann Gnps und Salzthon legt.
i Doch Fehren wir zurüd. Darauf folgen die Carditafibichten
(Profil XI.b.), wie wir fie bereits fennen, fchwarze ‚Furzbriichige
- Mergel und Sandfteine mit. zahlreichen Petrefaften, darunter Die
bereits aufgezählten Ammoniten, etwa 30 Fuß mächtig, oben
ziemlich flach nach Djften fallend. Darüber lagern wieder die
bekannten Salzthone, dann Nauchwade, jchwarze dolomitifihe
Kalte, der trogig vorfpringende Felfenfopf des IHjöchls befteht
aus dem befchriebenen weißen Kalf. Geht: man auf dem Grath
des Joches gegen Dften fort, jo hindert zwar die Rafendede,
daß man die Gränzen genau erfenne, doch erreicht man nad)
- dem weißen Kalf wieder ‚einen Salzitorf, dann Carditafchichten,
- Ib -
weißen Kalk, Garditafchichten, — der eine Arm der erwähnten
Schlinge, dann Mitteldolomit, dann Garditafchichten — der an«
dere Arm, — dann obern Alpenfalf, zu welchem die weißen Kalfe
überhaupt zählen, und jo fehliept am Kartelferjöchl die verwickelte
Reihenfolge ab. Die Höhe unferes Profiles mag etwa 300 Fuß,
die Länge deffelben 1800 Fuß betragen.
Ein Duchfchnitt von Sid nach Nord liegt bereits vor,
wir zeichnen noch einen über das Thürljoch. (Profil X.) Zus
nächit hinter ver Kinzacher Mühle zwifchen Abfam und Thaur
erheben fich fanft Hügel von Diluvialfchotter, defien Senfungen
Torf eingenommen hat. Das erjte fefte Geftein ift oberer
Alpenfalf, darüber dünne Mergelfchiefer der Garditafchichten
wechfelnd mit Bänfen fefteren Mergels; fie ftreichen nach We-
ften, ziehen in der Thaurerflamm aufwärts und biegen dann
wieder fchlingenförmig ‚gegen DOften um, eine Zunge Mittel-
dolomites umfaffend. Darüber wieder ein fehmales Band oberer
Alpenkalf, das bis zum Hadel zieht, dann Carditafchichten, in
deren Nähe ervatiiche Blöce an dem fehr fteilen Rain hängen,
um den richtigen Ausdrucf zu gebrauchen. Dann oberer Alpen-
falE unter der Thaureralm herftreichend; er fteigt nur wenige
Schuh mächtig fehräg über den Grat des Zunderberges und
bricht an defjen Nordwand ab. Dann ein fchmaler Streifen
breccienartige Nauchwade, darunter bunter Sandftein, der in der
Mitte des Abjturzes auszufeilen fcheint, ohne den Salzftocf zu
erreichen. Er liegt im Sattel des Thürljoches, überdedt von
verfittetem Gebirgsfchutt neueren Urfprunges; darunter wieder
Rauchwade und dann fehtwarzer Dolomit, der bis etwa in die
Mitte des Süpdgehänges vom Wildanger emporreicht. Auch die
zadigen Felfen, die man auf dem Wege vom Salzberg zum
Thürljoch rechts hat, gehören dazu. E8 fehlen auch die Kalfe
mit den befannten Wülften nicht. Die Befchreibung des Wild-
angers brauchen wir nicht zu wiederholen. Die Richtungen des
Fallens vrüden Profil und Karte aus; der Zunderfopf zeigt
darnach eine Fächerftruftur.
Aus der Schilderung des Sulzgebirged wird der Xefer
f
entnommen haben, daß hier die verwideltiten Lagerungsverhält-
nifje bereichen. Diefe haben einestheils ihren Grund an den
Kräften, welche die ganze Gebirgefette emporhoben, anderntheils
wird man fie wohl auf Einftürzge und Senfungen zurüdführen
müfjen, welche in Folge der Auslaugung von Gyps- und Salz
thon eintraten, wobei auch nicht zu vergeffen ift, daß die chemi-
ichen PBrozefje, denen die Rauchware ihren Urfprung verdanft,
gewiß manche WVolumeänderung der Gefteine und damit auch
eine Berrücung der Kagerungsverhältnifie einleiteten.
Hoch oben an den Lehnen des Spedfors erblidt man von
Sft. Magdalena aus thurmartig die legten Refte eines Con-
glomerates emporragen, welches aus oft jchuhgroßen Brudh-
ftüden verfittet ift. Nun erfcheint es geradewegs unbegreiflich,
wie fich die Steine, welche vom Grat des Gebirges abrollten,
auf den ftarf geneigten Schichten hätten erhalten Fönnen, wenn
nicht eine Wiverlage gewefen wäre, two fie zur Ruhe gefom-
men fich allmählig ald Schuttbalde angehäuft hätten. Das
gleiche gilt von dem Conglomerat am Thürljoch. Wahricheinlich
reichte einmal das Salzgebirge bis vahin und fanf allmählig
Durch die Auslaugung der Stüse beraubt in fich zufammen,
während die Trimmer jener Schutthalden durch Abfag von
Kalt bereits verfittet waren. Auch auf der linfen Seite des
Berges, jedoch tiefer, fieht man ähnliche Gonglomeratfelfen mit
Hähfreichen Höfen, wo vielleicht ein zweiter Nieverbruch gefchah.
Wir zweifeln nicht, daß im Laufe der Zeiten Diefes Creignig
noch mehrmals eintreten wird und gewiß Aßnliche Bildungen
laßt.
Der Bergbau von Hall war fehon fehr früh tim Betriebe,
er wird zum erftenmal in einer Urfunde von 740 erwähnt, wo
Kloiter Benediftbeuren Antheile zugeiprochen wurden. Doc,
im Jahre 1275 fam er in Auffchwung, wo der fromme
er Nikolaus von Rohrbach aus Defterreich die höchitgelegenen
zgruben eröffnete und durch Fluge Einrichtungen die Salz
gung verbefferte. Seitdem it das Bergwerf ununterbrochen
12
— 11 -—-
— 18 —
im Betriebe und gewährt vielen Arbeitern Nahrung und. Unter:
halt, wenn. fich auch die Ausfuhr in die Schweiz jehr ver:
mindert hat.
Auf der Walderalm tritt ebenfalls ein Salzftor zu Tage,
und auch bier wieder an der Gränze zwifchen obern Alpenfalf und
Mittelvvlomit. (Profil XIV.) Klettert man in der NRunfe, vom der
fich vecht8 der Weg im Zichjadf zur Walvderalm wendet, nicht ohne
Mühe und Gefahr über den Mitteldolomit empor, fo erreicht
man zunächft wild dDurcheinandergeworfene und verworrene Trlm:
mer der Aptschenfchiefer, die man weiter öftlich und. weitlich gar
fhön in ihrer natürlichen Lage über Mittelvolomit und Gervillia-
fehichten beobachten fan. Hat man fie überftiegen, fo tritt man
auf die Köpfe der Gervilliamergel, ber welche jene abgerutfcht
find. Diefe Gervilliamergel fallen in h 7 jteil nach Norden umd
jind durch ihr Ausfehen und die :Betrefaften, darunter Plicatula
intus striata und Ostrea Haidingeri wohl charafterifirt. Dann
folgt etwa 4 Fuß mächtig ein Streifen weißen dolomitifchen
Kalfes, darauf ein Stof ausgelaugter Salzthon, etwa 40 Fuß
mächtig mit Gyps und Rauchwade. inige Schritte öftlich, wo
hinter dem Köpfchen, das aus Aptychenfchiefer bejteht, die Salz-
thone eine Kleine jumpfige Mulde bilden, liegt unmittelbar dar-
über weißer Kalf, der die Runfe wejtlich nicht erreicht. _ Ueber
dem weißen Kalk und hier ober dem Salzthone lagern zunächit
dunfle weißaderige Dolomite und Kalfe, dann eine lichte Klein-
zellige Nauchwade, dann der obere Apenfalt des Walderjoches,
das die öftliche Fortfegung des Spedfor bildet.
Auch an der Nordweftfeite des Blumferjoches trifft man
einen wahrfcheinlich bis auf große Tiefen ausgelaugten Salzitod,
den wir, obwohl ev außerhalb unferes Gebietes ift, der Ergänzung
wegen bier Furz bejchreiben. (Profil XVIL.) Dev Weg von der
Bertifau in die Rig winvdet fih auf der Oftfeite des Blumfer-
joche8 an den in h7—8 ziemlich fteil aufgerichteten Schichten
eines weißgrauen etwas gelblichen Mitteldolomites empor. Auf
dem Grathe erblickt man plöglich fchrattig ausgewafchene Schich-
4
tenköpfe blaugrauen. Kalfes mit Zwifchenlagen dunklen. Schiefer-
thoned. Er enthält die bezeichnende Gervillia inflata. Nach
wenigen, Schritten erreicht man wieder die Dolomite, und nach
einer Stunde in der Runfe. des Blumferbaches den Salzitoek.
Der Bach hat fich fein Bett, in welchem gewaltige Blöde dunf-
fen dolomitifchen Kalfes und Nauchwade liegen, in dem blau-
grauen bisweilen violett geflammten Thone tief eingegraben.
Gyps erfcheint Förnig, faferig, fehuppig in größern und Fleinern
Stüden von allen Farben. Etwas Eifenglanz und Schwefel
fies begleiten ihn. Auch bier erfcheinen die Pfendomorphofen
von Gyps nach Steinfal. Die Würfel haben verfchiedene
Größen, von einer Linie bis zu einem Zoll, find meift wenig
erdrückt, an den Een ausgezogen, fleifchroth, während die Klüfte
des Thones weißer Gyps ausfültt, fo daß fich nicht blos die
Geftalt, jondern auch die Farbe des Salzes im Hafelgebirge
erhalten hat. Steigt man in der Nunfe empor, fo erreicht man
wieder Mitteldolomit, über den der Bach in Wafferfällen her-
abftürgt. Darüber und an der Gränze gegen den obern Alpen-
falf, der den Bellerfor zufammenfegt, bricht der graue Salz-
thon noch einmal zu Tage.
Fragt man nun nach der Stellung, welche die Salzthone
in der Formationgreihe behaupten, fo ift die Antwort nicht ganz
leicht. Bei Billerfee ift durch einen Bach der bunte Sandftein
fehr fchön entblößt. Er enthält Gypsftöde und nach mwohl-
beglaubigter Sage flog auch eine Salzquelle, die fpäter verftopft
wurde. Diejes Salzlager gehört offenbar in den bunten Sand»
I fein. Die fehwarzen Kalfe am Thürljoch (Profil X.) fcheinen
der Lage nach unterer Alpenfalf, der Begleiter des bunten Sand-
— 19 —
| jem einzureihen find, wage ich weder zu bejahen noch zu ver-
j Heinen. Die gewichtige Stimme der Defterreichifchen Geogno-
| widerfpreche nicht. — Wer aber andererfeitS die von mir vor-
12*
j
— 10° — b
getragenen Thatfachen berückfichtigt, wird nicht umhin fönnen,
e8 begreiflich zu finden, wenn die Schweizergeognoften ab-
weichender Meinung find, umd wie Efcher von der Pinth in der
Zeitfchrift der deutfchen geologifchen Gefellfchaft VI. Band, 1854,
©. 519 das Salzgebirge dem Keuper zutheilen. |
II.
Sidlic, des Innes.
Allgemeines,
Wir überfegen den Inn. Das Gebiet, welches wir zu
fchildern unternehmen, ijt veich an Wechfel. der Gebirgsarten,
noch reicher an ‘Problemen, die vielleicht nach langen Jahren,
vielleicht nie ihre Löjung erlangen.
Im Norden bildet der Inn feine natürliche und geogno-
ftifche Gränze, im DOften anfangs der Schwarzbach bei Bill,
dann überfegt fie den Weerberg und zieht dem Grafenbach
und dem Grathe des Hilbold entlang, um fich zum Durerjoch
zu. jenfen, überjteigt den Ferner und mendet fich dem Zamer-
bache zu. Diefer, der Uebergang nach Pfitfch, der Pfitfcher:
bach, der Hühnerfpielberg und der‘ Prlerfcherbach trennen das
Terrain vom Süden; vom Urfprunge des Pflerfcherbaches bie
Oberhofen unmeit Telfs ift die Wafferfcheive der Deb einer:
feitö, andererfeitsS der Melach und Sill die Linie, welche wir
nicht überfchreiten wollen. Diefe Umvifje find, wie gefagt, nicht
überall durch die Natur vorgggeichnet; wir wollen aber dem
Breunde der Natur eine Ueberjicht des Gebietes von Innsbrud
geben, die ihn- bei feinen Ausflügen begleiten foll und müffen
uns daher an Rücdfichten binden, welche uns bei den nädhiten
Arbeiten nicht beherrfchen follen. Der Inn, wie gefagt, ift auf
unferem Gebiet eine geognoftifche Gränze, infofern die Formatignen
— 132 —
auf beiden Ufern vefjelben theils nicht diefelben find, theils, wenn
fie fich auch parallelifiven laffen, fich in verfchiedenen Zuftänden
der Metamorphofe befinden. Yuch die Lagerungsverhältnifie find
andere. Wenn man doch einmal bei der Dypothefe bleiben will,
daß die Gentralalpen aus einer langen Spalte hervordrangen
und diefe Feilförmig dadurch erweiterten, daß fie ihre Ränder
übereinander fchoben, wie ein Fluß im Frühling die Eisdede
fprengt und ihre Trimmer ordnungslos am Ufer häuft, jo läßt
fich — eben jene Hypothefe vorausgefeßt — der Zuftand ber
nördlichen Kalffetten ungezwungen erflären. in Blif auf die
Karte und Profile mit den vielfachen Ueberfippungen und Stö- #
rungen zwingt zur Annahme, daß hier gewaltfame Kataftrophen
ftattgefunden haben müflen. Da betrachtet man dann die dem
Glimmerfchiefer auflagernden Gefteine der Trias und des Lias
als Fegen, welche von der zerfprengten Kalfvede übrig geblieben
find. Prüft man jedoch genatter, fo erhebt fich manches Be-
denfen. Doch wir greifen nicht vor, fonft jeßen wir und dem
Verdacht aus, das als ficher Hinzuftellen, was erft am Schluffe
unferer Arbeit fich als Nefultat aufprängen fol und ohne weitern
Beweis, als den durch die Sache, von felbjt einleuchtet.
Unfer Gebiet einzutheilen und auf überfichtliche Weife' zu
zergliedern ift nicht ohne Schwierigkeit, da jede Gränge dort, mo
innerer Zufammenhang das fcheinbar getrennte verfnüpft, ala
willfürlich erfcheint. Die Sill und der Einfchnitt des Brenners
theilt zwar unfer Gebiet im zwei ziemlich gleiche Hälften, und
man Fann im Allgemeinen jagen, «8 bevrfche vechts Ihon-
glimmerfchiefer, links Glimmerfchiefer; allein fießt man näher
zu, jo greift wechfelnd der eine über die Schlucht auf das Ge:
biet des andern. Wohl am beiten ift es, bezüglich Diefer Ge:
fteine fich an ihre Gränzen vorderhand ohne Nücdjicht auf die
orographifchen Verhältniffe zu Halten und dann die fogenannten
Meberrefte der zerfprengten Kalfvede zu betrachten. Vielleicht
ruft man uns zu: Beginne mit jener Gebirgsart, welche Die
Urfache der ganzen Hebung ift und behandle wie vom Gentrum
ausgehend die Ringgebilde Da muß ich jedoch gleich eine arge
’
— 13 —
Keberei ausfpreihen. Ich wage. nicht der Autorität berühmter
Geognojten entgegen zu treten und laffe die Thatfachen, Die fie
auf andern Gebieten entdecten, in ihrem: vollen Werthe beftehen,
allein man wird es mir nicht als unbefcheidene Kecdheit vor-
werfen, wenn ich meinen Augen vertrauend auf dem von mir
begangenen Terrain andere Verhältniffe erfannt zu haben glaube.
| Nach meiner unmaßgeblichen Anficht ift nicht der Gneis
das hebende Prinzip, fondern er felbit unterlag jener Metamor-
phofe, die überall, wenn auch nicht gleich, wirkte und mußte
fich8 anjtatt zu heben, eben gefallen laffen gehoben zu werden,
wie jene Schiefer, mit denen er conform lagert und deren me-
chaniiche Schiefjale, wenn ich mich jo ausdrüsfen darf, er unter-
febiedslo8 teilte. Mir ift e8 nicht wahrfcheinlich, daß. der
Gnei8 eruptio fei, eben fo wenig, ald daß durch den Gontaft
mit ihm die Gejteine der fogenannten Schieferhülle fich ver:
ändert haben, im Gegentheile jcheint e8 mix, daß fich der Gneis exft
aus diefer durch eine fortfchreitende oder wie immer wirkende
Metamorphofe herausgebildet und entwidelt habe, daß er alfo,
wenn man von Formationen fprechen will, von diefer eigent-
lich, nicht getrennt werden darf. Gneis, Glimmerfchiefer, Thon-
glimmerfchiefer find die Namen von Gattungen, denen wir nicht
immer den der Spezies beifügen Fünnen, dies wäre nur dann
möglich, wenn wir liberall wüßten, aus welcher Formation fie
durch Metamorphofe entjtanden. Sp mögen manche Gneife und
Thonglimmerfchiefev zufammen gehören und als Formation ein
Ganzes fein, wie etwa die Sandfteine und Dolithe der Cardita-
fhichten, während Gneis von Gneis eben fo weit: entfernt tft,
als die tertiären Stinfmergel Härings von den unterliafftfchen See-
felds. Ich befchränfe mich mit ‚meinen Anfichten auf mein
‚Gebiet und e8 fei fern von mix, die Erfahrungen anderer For:
‚scher zu bejtreiten. Nachdem ich diefes noch einmal wiederholt,
"gehe ich an die Befchreibung der einzelnen Abfchnitte des Ter-
‚rains, dem Lefer überlafiend darin die Beitätigung oder Wider-
fegung meiner Anficht zu finden.
rn
Zhonglimmerfdjiefer und Gneis.
Wir wählen Steinah zum Ausgangspunfte und halten
ung vorerft an die Straße. Außerhalb des Dorfes gegen den
Brenner hat man rechts ein nicht jeher Deutlich geichichtetes
Duarzgeftein mit Zwifchenlagen eines weißlichen oder graulichen
talfigen Glimmers. Bald darauf erreichen wir an der Sill den
hier fo mächtig auftretenden Falfigen Thonglimmerfchiefer. Er
ftreicht in h 1-2, fällt 15 W. Das Streichen jcheint hier und
am Eingange in das Padafterthal nur durch lokale Abweichun-
gen bedingt, durchfchnittlich geht 'e8 in Ddiefen Gebirgen von
h5—7. Diefer Schiefer hat im Allgemeinen einen jehr ein
förmigen Chavafter. Wer ihn ftudiven will, thut e8 am beiten
in den Brüchen zwifchen Steinach und Gries. Gr bejteht aus
einem grauen talfigen Glimmer, der zu dünnen, meift fein ger
fältelten übereinanderliegenden Membranen verwachfen fich zwis
hen und um die Linfen und Lagen eines grobförnigen oder
blätterigen, weißen oder gelblichen Kalfes windet. "Eingejtreut
find nicht felten Fleine Blättchen weißen Glimmers; fehr häufig
überfleivet die Membranen ein Hauch Graphites, wodurch das
Seftein eine ganz dunfle Farbe erhält.
An die Stelle des Kalfes tritt oft Duarz und‘ gewinnt
auch völlig das Mebergewicht, fo daß ein allmähliger Mebergang
zu den quarzigen Thonglimmerfchiefern leitet. Wir werden Die:
fen Gefteinen in großer Ausdehnung bei Innsbrud begegnen,
e8 fehlen gerathen, fie auf der Karte auszufcheiden, obwohl wir
aufrichtig bemerfen müffen, daß es nicht möglich ift eine fcharfe
Gränge zu ziehen, ebenio dürfte es vorderhand noch willfürlich
fein, fie gar ald Ausprucf verfchiedener Formationen zu. betrach-
ten, obgleich all diefe Falfigen und quarzigen Thonglimmerfchiefer
mehrere derjelben umfafien dürften und daher nur als Gattung
gelten fönnen. Diefen Gefteinen find oft Würfel und Penta-
gondodefaeder won Schwefelfies eingeftreut, der leicht voftet. Bes
fonders intereffant ift ein Vorfonmen, dem man in den quarz
zigen und Falfiger Thonglimmerfchiefern und auch in jenen,
>
eg 8
welche entichieden zum Lias gehören, nicht felten begegnet. 8
finden fich nämlich größere und Kleinere Nefter Milchquarzes, in
welchem zufammenhangende Maffen großblätterigen gelblich- weißen
Kalfes fteden, der durch die Verwitterung der Oberfläche
bräunlich-roth wird. Bisweilen überwog das Eifencarbonat fo
jehr, daß man die Höhlen nur mit braumvothem Pulver erfüllt
findet. An einem Stide vom Huffelbof zieht fich in den Nıß,
der den Kalf fpaltet, von der Mafle des Duarzes ein Streifen
hinein. und verfittet denfelben. Diefes würde für die Anficht
D. Volgers fprechen, daß der Kalf das Ältere, Duarz das
jüngere ©eftein fei und fich an die Stelle des Kalfes, der durch
Auflöfung entfernt wurde, abgefeßt habe. ft ver Kalk ganz
ausgewittert, fo zeigt der Quarz allerlei zadige und jtängelige
Figuren oder erfcheint ganz zerfreffen und diucchlöchert.
Wichtig find die Kalfe und Kalffchiefer, welche bejonders
in der Nähe des Brenners mächtig auftreten. Sie find fehr
fryftallinifch, grobförnig von grauer oder weißer Farbe und laflen
fich nach Richtung der eingeftreuten Glimmerblättchen leichter
oder jchwerer in fchöne Tafeln fpalten. Der Glimmer it in
der Regel filberweiß oder braun und im deutlichen Blättchen
ausgefchieden oder in zufammenhängenden Häuten. Auch Fleden
von Graphit zeigen die Spaltungsflächen. Beifpiele aller Art
finder man in der Nähe des Brennerpofthaufes. Am Eingange
des Oberbergerthales hinter Gries find zu beiden Seiten Des
Baches Steinbrüche angelegt, wo man Straßenfchotter gewinnt.
(Profil XXL) Unter der Dammerde beobachtet man ein Kalflager
etwa 1 Klafter mächtig. Das Geitein it ohne deutliche Schichtung
fchneeweiß, jehr feinförnig und fo furzflüftig, daß es leicht in
Kleine jcharffantige und ecige Stüdchen zerfällt. Darunter liegt,
bein 3 Klafter mächtig, ein wohlgefchichteter, feinförniger, licht-
Bis Dunfelgrauer Kalk, er it Das Dach eines grünlich-grauen
faltigen TIhonglimmerichiefers. Der ganze Complex ftreicht in
h412—1 und fällt unter 10-15 W.
Des Duarzfchiefers werden wir zu feiner Zeit gevenfen.
Ein untergeordnetes DVorfommen fei bier noch erwähnt. Auf
= 8 >
der linfen Seite der Sill bei Gries bemerft man einen Felfen,
der aus leicht in Platten fpaltbarem grünlich-grauen Schiefer
beiteht. Diefe Farbe rührt theils von der Art des Glimmers,
theils won Epidot her, welcher fich lagenweife im Geftein ver-
theilt findet. Gin ähnliches Worfommen von Epidot in Tihon-
glimmerfchiefer ift aus dem Lahnbachgraben bei Schwaz befannt.
In diefen Schiefern ift das Navis, Padafter, Schmiern und
Vals, der Brennerpaß mit dem Venna- und Griesbergthal
und Hinterdur ganz oder zum Iheil eingefchnitten, auch
den Südabhang des Steinacherjoches gegen Trins fegen fie
aufammen.
Wir find bereits biß zu den grünen Schiefern bei Gries
und dem Steinbruch gelangt. Segen wir den Weg fort, fo
erreichen wir Winaders — rechts und linfs einen Thonglimmer-
fchiefer, bei dem der Sum; ven Kalf faft verdrängt hat. Der
Bach, welcher aus der Schlucht am Dorfe herworbricht, führt
nur Gerölle aus Thonglimmerfchiefer hie und da mit einem
Stüdf Duarz untermengt. Grft eine Stredfe einwärts fieht man
am linken Bachufer eine Feine PBarthie gefblich-weißen Kalf.
Das Dorf Obernberg liegt an der Vereinigung zweier Thäler, das
zur Rechten fenkt fich in die Kalfmaffen des fchönen Tribulaun-
jtocfes, das zur Linken führt zu einem See, defien Forellen und
Salblinge fich des beiten Nufes bei den Gourmands erfreuen.
Diefer See ift durch Moränen aufgeitaut und in zwei ungleiche
Hälften getrennt, fowie auch die Hügel, auf deren einem die
Kirche fteht, aus Blöcen gethürmt fcheinen, welche die Gletfcher
vor fich her fchoben. Wenn wir den See umgehen, jo bemer-
fen wir leicht, daß er ganz im quarzigen Thonglimmerfchiefer
eingebettet ijt, die mächtige Schutthalde am Fuße des Tribu-
laun verhülft die Gefteinsgränzge. Man kann von hier aus
ohne viel Befchwerde nach Pflerfch gelangen, wir Fehren jedoch
zuriuef md jteigen in das grasreiche Frolfenthal, welches fich
eine Bierteljtunde vor dem Dorfe zum Kreuzjoch aufzieht. Am
Eingange defielben treffen wir einen mafliven, febr quarzreichen
Thonglimmerfchiefer, der durch fein Gefüge an manche Sand-
— 17 -—
fteine gemahnt, der Gompaß deutet dort, wo man ihn verwen-
den fann, auf b7, 260 N. Rechts und linfs Frönen die Höhen
kleine PBarthien jchneeweißer feinförniger Kalfe, die abgerollten
Blöce verfperren dem Bach faft den Ausgang. Auch weiter
oben ijt ein Stocd derfelben dem Thonglimmerfchiefer eingelagert ;
obgleich fie den Tribulaunfalfen, welche größtentheils Liafitich
find, jeher gleichen, wagen wir doch nicht, fie einzureihen, da
außer ‘der petrographifchen Aehnlichfeit, die in den Alpen ehr
trügen fann, Fein Merkmal ihren Rang entfcheidet. Sie wurs
den daher einftweilen als zum Thonglimmerfchiefer gehörig colo-
riet. Bis zum Jochübergang und eine Strede jenfeits hinunter
fteht nur Thonglimmerfchiefer, plöglich aber (Profil XXV.) Tehnt
füch ein feinförniger, Furzblätteriger, grauer und gelbiich-weißer,
dolomitifcher Kalf an venjelben, und zieht in einer Neihe von
Hügelföpfen gegen Weiten. Wir fönnen ihn weit über zwei
Stunden bis zum Tribulaun verfolgen, von dem er unweit
Pflerich abzweigt. Das Liegende ift Thonglimmerfchiefer und
dann weißer Duarzfchiefer, der fich nach den eingeftreuten Glim-
merlamellen leicht fpalten läßt. Er ftreicht mit flachem Nord-
fallen in h 6-7, fowie das Geftein, welches jest in geringer
- Mächtigfeit folgt und durch Ausfcheivung filberweißem Glim-
mers einem Glimmerfchiefer jo ähnlich wird, daß man es in
Handftücen jchwerlich unterfcheiden wird. Ihn unterteufen
graue und weiße Kalffchiefer, wie wir fie fchon befchrieben. Das
Streichen geht bei flachem Nordfallen allmählich in h 5 über,
darauf folgt ein dunkler Falfiger Thonglimmerfchiefer mit Sleden
eifengrauen Glimmers, dann wieder fehr Falfreicher grauer
Thonglimmerfchiefer, auf dem man in den Brennerpaß gelangt,
wo er in h4 ftreicht. Ihn unterteuft Duarzfchiefer und diefen
‚wieder grobförniger Kalf und Kalkfchiefer, veflen ungeheure
Platten jodann das gegemüberliegende Gchänge des Pafles, wo
die Straße fomit über die unter dem Schotter liegenden Schich-
tenföpfe geht, bilden und abwechfelnd mit Falfigem Thonglimmer-
ihiefer bi8 zum Scheitel des Nornberges 8555‘ aufiteigen, der
bereits in das Pfitfch fchaut und fich auf Gneis ftügt. Diefe
Pr 78
Kalfe ftreichen weit nach DOften, wir begegnen ihnen im Benna:
tbal md an der Saralpenwand, in Vals bei Bleiva, wo fie
überall ald Marmor gebrochen, am Bache in Platten zerfägt
und für architeftonifche Ziwecfe verwendet werden. Aus diefer
Schilderung dürfte fich ergeben, daß man den Einfchnitt des
Brennerpafjes wegen der Continuität der Gefteine auf der rech-
ten und linfen Seite fchwerlich al8 geognoftifche Gränze in dem
Sinne Stotters betrachten fann, Könnte Jemand hier ein:
wenden, e8 ändere ja in der Nähe des Bafles das Streichen,
jo folg’ er nur der Sill, welche die Gränze angeblich fortiegt,
er wird. beiderfeits mit Ausnahmen, welche jedoch nur die Regel
bejtätigen, gleiches Streichen finden. Zu den Ringgebilven
welcher Gentral-Maffe gehören: Die Gebirge zwijchen Schmirnerz
bach, Sill, Inn und Boldererbach, die durchfchnittlich eine ahn-
liche Richtung zeigen, wie die Kalfalpen nördlich, vom Inn und
die Gräthe des Sellrain® Oder ijt vielleicht im Binnifer- umd
Sondesthal eine Gränze zu fuchen, weil hier das Streichen
confequent von Weften nach Norden abweicht? Es Fann dem
Geognojten nichts angenehmer fein, ald wenn. er einen von
Rahmen natürlicher Gränzen eingefaßten Gebivgsabjchnitt be>
handeln darf, wie Stotter, nur foll man fie einem Spitem zu
Liebe nicht wieder in erfünftelte umjchaffen.
Abwärts gegen den Brennerfee hat man diefelben Gejteine,
der Ralffchiefer an der Weitfeite von der Bolt wurde bereits
gedacht. Dafielbe Geftein fällt vechts und linfs in dem moo-
figen Einfchnitt hinter dem Padaunföpfl in h4—5 unter
40—50% N. In abgerofften Stüden find Nefter von Milch:
quarz. . Ebenio im Balferthal, wo fich der Bach am Eingange
durch geoße Schuttmaffen, vielleicht Nejte von alten Morä-
nen, durchwindet, während im Hintergrund Torf und faure
MWiejen liegen. Im Thalfeffel, von dem vadienartig enge Seiten:
thäler auslaufen, bemerft man rechts hinter dem legten Haufe
mehre Züge von grauem grobförnigen Kalk und Kalffchiefer in
h 5, welche ziemlich große Würfel von Eifenfies beherbergen.
Die Alpeinerfchlucht it in Gneis eingefchnitten, Ddefjen Ent-
— 19 —
wicelung aus dem Thonglimmerfihiefer, wovon bald eingehender
die Rede fein wird, ganz gut zu beobachten it. Auf dem
Grath der Hohenmwart fällt der Gneis in h5 unter 28 N, jen-
jeits am Wildlahner ftreicht der Thonglimmerfchiefer wieder
in h 7.
Auf dem Anftieg zur Alpe Bleida hat man zuerft Falfigen
Thonglimmerfchiefer, der in nicht8 von dem typifchen der andern
Seite bei Steinach verfchteden ift. Bald jedoch nimmt er
Schuppen und Häute filberweißen, jtarf glänzenden Glimmers
auf, der endlich das Uebergewicht erlangt. Dazu gefellt fich
Duarz und e8 treten Schwefelfies, Granaten und Feine Dctae-
der von Magneteifen auf, fo daß man ein Geftein vor fich hat,
welches man abfolut al Glimmerfchiefer bezeichnen darf, das
jedoch relativ von dem ächten Glimmerfchiefer der Alpen wie
bei Kematen und Sellrain auf den erften Bliet dadurch u
unterjcheiven ift, daß der Glimmer dort in zufammenhängenden
Lamellen und Häuten, bier in fefteren Lamellen und Blättern,
alfo mehr individualifirt, erfcheint. In Fleineren Parthien ent-
hält er einen Schiefer, vorwiegend aus fehr gut entwickelten
fehwarzem Glinmer und dünnen Lagen Fryftallinifchen Kalfes
beftehend. Diefe Gefteine unterteuft geobforniger, grauer und
weißer Kalf und Kalfjchiefer, ein wahrer Cipollino, wechfellagernd
mit. Falfigem Thonglimmerfchiefer, in welchem hier wie überall
die Kalkichiefer Ubergehen. Diefe Gejteine fegen die Saralpen-
wand mit ihren füdwärts gefehrten jchroffen Abjtürgen, — den
Köpfen der Schichten, welche unter 30 W in h 5 ftreichen, — zuı-
- fammen. Dann folgen wieder Schiefer von dunkler Farbe;
Duarz ift an die Stelle des Kalfes getreten, den grünen fehr
feinförnigen Glimmer und Chlorit durchtwirfen ftarf glänzende,
- dünne Hornblendenadeln, bis man endlich einen fehr wohl charaf-
teriiirten Hornblendefchiefer mit feinen Körnern von Gramat
gleichmäßiger Lagerung vor fich hat Er erreicht gegen Nord-
often das Alpeinerthal nicht und Feilt im Weiten, fo weit Stein-
gerölle und Rafendede einen Schluß erlauben, vor dem Urfprung
der Sill aus. Diefer Hornblendefchiefer enthält Nefter von
— 1% —
Duarz und Ghlorit mit Eifenfies, Adular und Turmalin. Ex
liegt auf einem Streifen weißen oder gelblich-weißen Duarz-
ichiefers, dev nach der Richtung der jilberweißen Glimmer-
blättchen leicht in ebene Tafeln fpaltet. Der Duarz ift fehr
feinförnig. Das Gejtein geht endiich durch Zunahme des weißen
Slimmers, dev oft von dem braunen, welcher. fich Dazugefellt,
faft verdrängt wird, in eine Art Glimmerfchiefer Über.
Der graulich oder gelblich-weiße Quarz it zwifchen den
Blättern und Membranen des Glimmers in dünnen. Lagen aus-
gejchieden, fo daß das Gejtein auf dem Duerbruch feingebändert
erfcheint. Bereits beobachtet man hie und da ein feltenes Körn-
chen Feldfpath. Allmählig nehmen diefe runden Körner, die ein
dünnes. perlmutterglängendes Häutchen weißen Glimmers ein-
hültt und um welche jich die Lagen des Schiefers biegen, an
Zahl und Größe zu, die Körner und Knoten entiwiceln fich zu
Kyfiallen in Form der Karlsbader Zwillinge oft von 2—3 Zoll
Länge. »Diefe Kryftalle find weiß, oft gebrochen, die Stüde
verfchoben und wieder verfittet. So findet man fie ausgemwittert
am Uebergange vom Benna nach Pfitfch, in diefer Gegend zeigt
fich auch Duarz in Prismen ausgefchieven. Bei Ueberhand-
nahme des Felvfpathes verliert das Gejtein die Schichtung ‚und
fchieferige Struftur, wird mafjig, zerflüftet in Blöden und hat
den vollftändig ausgeprägten Charakter eines Granitgneifed. Das
fpezififche Gewicht diefer Gefteinsart wird in den Erläuterungen
zur geognoftifchen Karte Tirols auf 2,7 beziffert, ob diefe Be-
rechnung für die Wiffenfchaft irgend einen Werth Habe, Taffe: ich
dahingeftellt. ES feßt gefrönt von fchimmernden Gfetfchern den
Gebirgsgrath zufammen, al deiien Hauptjtor nördlich vom
Zamerbach die Durer- und Schmirnerserner zu betrachten find.
Auf diefen Föchern, die, wohl ducchichnittlich eine Höhe. von
9000 Fuß und darüber erreichen, ift e8 häufig zweifelhaft, ob
jie aus anftehendem Feljen bejtehen; wild und regellos liegen
gewaltige Gneisblöcde und fcharffantige Irimmer mit gefährlichen
Löchern dazwifchen übereinander und bedrohen leicht aus dem
Gleichgewicht gebracht den einfamen Wanderer, der fich in diefe
«
—- 1 —
Wüjten verliert. Oft vagen fie in grotesfen Geftalten empor,
denen die Bhantafie des Volfes allerlei Namen verlieh, jo z.B.
die Krarenträger, neben denen man in’s Pfitfch gelangt. Stotter
zweifelt, ob dieje Zerjtüidelung eine Folge der Verwitterung fei,
weil fie zu ausgedehnt fei und jo tief greife, Die Stüde, in
jehr Fühnen Stellungen übereinander liegend jeien zu wenig au-
gegriffen. Er hält diefe Zerftücelung für eine urfprüngliche mit
der Erhebung verbundene. Diefe Anficht hat- vieles für ich,
doch jcheint diefe Zeritörung auch durch die Mafien-Struftur der
Gebirgsart: bedingt. Am Abhange gegen Pfitfch dauern diefe
Gneistrümmer lange am und erfchweren den Weg; ver Ueber:
gang von Pfitich ins Zamthal windet fich durch diefelben. WBom
Süpdabhang des Gebirges laufen jenkvecht auf diefen zadige und
zerborftene Gräthe aus und enden auf einem :Blateau, das fich
bis Kematen wejtlich exjtreckt, fchöne Almen und Mähver trägt
und von vielen Wafjeradern durchfurcht it. Man wandert auf
dem jteilen Pjade in's Ihal über die Schichtenföpfe derfelben
Gebivgsarten, jedoch in zahlveicheren Gejteinsvarietäten, auf deren
Blächen man bergan fletterte. (Profil XXIV.) Der Gneis geht
allmählig in eine Art Glimmerfchiefer über, die wir bereits fen-
nen; dann folgt der Hornblendefchiefer; die Hornblende tritt
mehr zurück, filberweiger Glimmer mengt fich, ein und bildet. einen
-fehr fchönen Duarzfchiefer mit Kornern von Magneteifen und
Sranaten. Auch ein Zug grobförnig Fryftallinifcher Kalk und
Kalkjchiefer, jedoch von geringer Möächtigfeit, fehlt nicht.
Diefer Hornblendezug Feilt ebenfalls wie die nördliche gegen
Weiten bei Kematen aus; weiter reicht der Duarzichiefer.. Er
beiteht. aus weißem oder von Eifenroft braun gefärbtem, fein-
förnigem Duarz und filberweißen. fat metallifch glänzenden Ya:
gen Glimmers, bisweilen find Lamellen defjelben lebhaft fpan-
grün wie von Chrom oder Kupfer. Wenn er verwittert, zer
fällt ee zu einem feinen Duarzmehl, das man am- Meilebad)
| ‚gut bemerken fann. Alte diefe Gefteine fallen unter verfchiedenem
| Winfel gegen Nord in h5—6. Die weitere Entwicfelung ihrer
zahlreichen Varietäten. ftudirt man am beften in. der Rinne des
_— 12 —
Oberbaches, und wenn man linfs von demfelben ber Joch in
das Haupenthal Flettert und von da über Paviz und das
Pritfcherjoch nach Skt. Iafob zurückkehrt. Wie jebr man fich auch
bie und da beftimmt fühlen fönnte, ohne Berlicfichtigung der
allmähligen Webergänge Handftüde und Varietäten Diefes jehr
fenftallinifchen Thonglimmerfchiefers für Glimmerfchiefer zu er |
fläven, fo hat man hier Gelegenheit, den Achten Ölimmerfchiefer
unmittelbar zu vergleichen. Diefer fteht in ungeheuren-Bafeln
und Wänden am der Iinfen Seite de8 Baches, defien Bett hier
haarfcharf die Gefteinsgränge bezeichnet und fteigt zu den mäch-
tigen Kämmen und Zaden der Gameftettemwand empor. Er
ftreicht in h 5—-6 unter SON, meift jedoch fenfrecht. Erft tief
hinten am Gliederbache beginnt ein fteiles füdliches Fallen, von
dem ich freilich nicht fagen fan, wie lange e8 anhält, da
meine Unterfuchung fich nicht fo weit füdwärts erftredte. - Dem
Glimmerfchiefer untergeordnet find Hornblendegefteine und ein
Schiefer innig gemengt aus Duarz, feinen Hornblendenadeln,
Glimmer, Chlorit und einzelnen Oftaederchen von Magnet-
eifenerz. Uebrigens fanıı man auch Hier oft genug Stüdfe
finden, deren Charafter als Achter TIhonglimmerfchiefer nicht
zweifelhaft ift. Eine Varietät zeichnet fich dadurch aus, Daß die
Häute des eifengrauen Glimmers furze Falten nach jeder Nich-
tung eigen, die fich bisweilen garbenförmig verbinden. Zunächit
dem Bache fieht das Geftein ganz dem Thonfchiefer ähnlich,
birgt jedoch Fleine Granaten, Magneteifen und Hornblende, welche
in Hüllen eines fchmußig-weißen Ouarzes ftedt. Die Spalt:
barfeit wird erleichtert durch Zwifchenlagen eines prächtigen
broncefarbigen Glimmers. Am Pfitfcherjoch bemerft man faft
jenfrecht in h5, 120 die Tafeln eines Schiefer von filber-
grauer oder bräunlicher Farbe und mildem Seidenglanz, durch
denfelben find Linfen fchivarzbraunen Glimmers: zahlreich. aus:
geftreut, deren Spaltungsrichtung die Zufammenfegungsflächen
des Schiefers unter fehiefen MWinfeln fehneidet. Am Webergang
in das Haupenthal ift ein gut ausgeprägter Thonglimmerfchiefer
mit weißem oder grauem Duarz, braumem und weißem Glimmer,
—_ 18 —
langen garbenförmig vereinten SHornblendebüfcheln und jehr
großen fchwarzeothen Granaten. Dann fieht man wieder Lagen
feiderglängenden weißen Thonglimmerschiefers, defien Bältelung
auf eine Stredung in die Länge deutet, mit braunem Glimmer,
Hornblende und lichteothen, höchftens erbfengroßen Granaten.
Lestere find zwar fehr Hein, aber befonders wohl ausfryftallilict
in. den Schichten des weißen oder braunen Duarzfchiefers. Alle
dieje Gejteine find reich an Eifen; auf dem Bfitfcherjoch und
am Abftiege dejjelben findet man Duellen, deren Wafjer Durch
den ehe unangenehmen Gefehmad und die braungelbe Färbung,
welche ed dem Boden auf lange Stredfen verleiht, feinen Metall-
gehalt verräth. Eine oder die andere diefer Quellen verdiente
vielleicht Anwendung zu Bädern. Abgeftürzte Blöde Strahl: ,
ftein trifft man vor der PLavizalm, Diefe Gejteine ftreichen
weit in’d Zilferthal und ihe öftliches Ausfeilen ift noch uner-
mittelt, da fie die Geognoften der ülteren Karte nicht unter
ichieden. Vielleicht umfafjen fie im Often den Gneis, wie im
Weiten am Mebergange des Schlüffeljoches, wo fie den Gneis
der Wildfeefpige vom Glimmerfchiefer des Hühnerfpielberges und
der Rellswand trennen. In diefem Falle wirde man den Gneis
ald Kern einer eigenen Gentral-Mafje im Sinne Efcherd und
Studerds — der Durer-Maffe — bezeichnen fönnen, obwohl
die Anficht Stotters von einem Feilförmigen Empordrängen dei:
felben, welches die Schieferhülle zerfprengte, durch die fehr ges
ördneten Lagerungsverhältnifie gründlich wivderfprochen wird.
Die Brofile von Griesberg und Bennathal nördlich, forwie
von den Bächen, welche das Joch jüdlich in’s Pfitfch jendet,
follen und nicht weiter befchäftigen, da fie fich, eine Ge-
fteinsvarietät auf oder ab, völlig gleichen. Auf der vrechs
ten Seite des DVennabaches, che man die Mühlen in die:
fem Thale erreicht, fteht ein Duarzfchiefer mit jehr fpar-
famen Feldfpathfrnftallen und einigen über fauftgroßen Roll-
ftüen von Quarz, um welche fich die Schieferlagen herum»
biegen.
Erwähnen müffen wir noch eine ‘Barthie ur: die fi
= Mm =
auf dem Duerriegel von Hinterdur zum Kafererthal aus dem
Ihonglimmerfchiefer entwicelt. (Profil XXVII.) Auf den fa
figen Thonglimmerfchiefer folgtin h 7, 300 N Duarzfchiefer, auf
diefen ein grünlich-grauer Schiefer innig gemengt aus Ehlorit
und Duarz, dazu gefellen ih allmählig Duarzkörner, Feldfpath
und Glimmerfchiefer, bis das Geftein erjt den Charakter eines
porphyrartigen und dann eines Granitgneifes hat, bei dem jede
Spur von Schichtung verfchwindet. Das Geftein mag eine
Mächtigfeit von SOO—1000 Fuß haben und Feilt, che e8 beiver-
jeits die Thalfohle erreicht hat, aus. Auf der Gegenfeite wie
derholt fich diefelbe Gefteinsreihe. Selbft in dem förnigen Kalfe
(Profil XXVIH, 6, 1, 6.) ift eim Streifen diefes Gneifes "ein:
gelagert. ‘ES dürfte wohl fchwerlich Jemanden geben, der diefen
Gneis auf Rechnung des Blutonismus fegte, alle Verhältniffe,
fowohl der Lagerung ald auch die allmähligen Uebergänge, fpre-
chen mit Entfchiedenheit für einen Melamorphismus, wahr
fcheinlich aus derfelben Formation, welcher der Thonglimmer-
fchiefer mittelbar angehört.
Nachdem wir die Falfige Hauptvarietät des Thonglimmerz
fchiefers befchrieben, wenden wir unfere Aufmerkfamfeit der quar-
zigen zu, deren typifche Bormen durch die Steinbriche vom
Huffelhof bis Amwas vielfach zugänglich find. Sie ift dünn-
fehieferig, der Glimmer hat fich ‘zu feidenartig glänzenden, oft
mit Graphit überzogenen und fein gefältelten Häuten verwoben,
zwifchen denen in Dicferen oder dünneren Lagen jich der meift
milchweiße oder grauliche Quarz verbreitet. Der Glimmer' ift
eifengrau, felten jilberweiß, wo das Geftein grimlich ift wie um
weit des Brodenhofes, geht auch wohl Ehlorit in die Zufam:
menfegung ein. An der erwähnten Localität find die Ablofungs-
flächen mit zerftreuten Blättchen tombadfbraunen Glimmers be-
jeßt. Bisweilen erfcheint der Quarz in größeren Linfen, milch-
weiß, mit dunfelgrünem fchuppigen Chlorit, Barthien nefterweife
einbrechenden Spatheifenjteines veranlaßten ‚öfters "wergebliche
Schurfverfuche, wie bei Bill. Selten traf ich Schuppen fpargelz
grünen Talfes in den Wiltauer Brüchen, obwohl das Aus:
— 19° —
jehen manches diefer Schiefer nicht zweifeln läßt, daß unter
feinen Gemengtheilen auch talfartige Mineralien zu fuchen feien.
Den fogenannten verhärteten Talf vom Huffelhof erwähnt be
reits Stotter. Neccefforifche Beftandtheile find Kleine :Benta-
gondodefaeder von Eijenfies, Magnetitoftaederchen, eingefprengter
Kupfer und auf Kluftflächen Arfenfies. Aus der Gegend
von Amras erhielt ich auch größere Stüdfe Magnetfies mit
Duarz.
Don größerer Wichtigkeit ift das Vorfommen des Kalfes,
der entweder als Eipollin, wie wir ihn bereits fennen, 3.8. an
den Lanferföpfen auftritt, oder lagenweife mit Duarz wie an
der Straßenbiegung unweit der Schrofenhütte oder in mächtigen
Stöfen, wo die Schichtung fehr zurüiektritt, wie bei Ampaß
oder auf dem fchönen Feljenfopf im Ahunthal gegenüber der
Stephansbrüde. Der Kalk ift ziemlich feinförnig, weiß, blaulich,
graulich oder gelblich, er bricht in eigen Stüden und wird
gerne ald Straßenfchotter verwendet. — Im Wiltauerfteinbruche
tritt plöglich eine Linfe jeher compaften grünen chloritifchen Schie-
fers, beidem die Schieferung faft verfchwindet, auf underreicht eine
Mächtigfeit ‚von mehreren Fuß. ingeftreut find viele Fleine
Schwefelfiesfryftalle und glänzende Dftaederchen von Magnet:
eifenerz. Darüber beginnt im gleicher Mächtigfeit Schiefer an-
derer Art. Der Glimmer ijt jülberweiß und umfchließt jehr
flache, faft tafelartige Linfen Quarz und etwas feltener Fleine
Körner eines weißen Feldfpathes. Das öftliche Ausfeilen diefer
Gefteine verbirgt die Nafendere. Das Vorfommen gemahnt fait
an den Gneis de8 Duverjoches. Diefe Schiefer verflächen hier
durchichnittlich in h7 nach Süden, jo am Eingange des Watten-
und Bolderthales, an den Lanferföpfen; faft der nämlichen Rich:
tung folgt jedoch auch der Glimmerfchiefer bei Birgis, und am
Nordabhang des Nopfogels, der, Thonglimmerfchiefer und Gneis
bei Slaurling im Kanzthale; bald fegt jedoch das Fallen, wie
man der Karte und den Profilen entnehmen kann, um; meiftens
felbft ehe noch die Mitte der nördlichen Lehnen der Bergreihe
erreicht ift, welche das Innthal im Süden tr wird es
— 16 —
ein nördliches. Diefe Fächerbildung erfcheint Hier ganz unabhängig
von den Gneisftöden, welche felbft, wie die PBrofile, zeigen dem
Hangenden und Liegenden regelmäßig und ohne Störung ein-
georonet, foweit ihre Schichtung erfennbar ift, nördlich. fallen.
Die Gebirge, welche diefe Steinart zufammenfegt, find meijt
janft gerundet, an den Lehnen mit Wäldern und- Üppigen waf-
ferreichen Almen bededt ; auf dem Grathe jedoch, der fich lang |
in weichen Pinien hbinftredt, liegen gewaltige Steinblöde über-
zogen von bunten Flechten und wüften Schutt. In der durch»
fegnittlichen Höhe der Gebirgsfümme und Spigen, zu denen fich
der Thonglimmerfchiefer erhebt, herricht große Mebereinftimmung,
indem die meijten nur 7000-8000 Fuß erreichen. Das Ge:
ftein ift mürb, wegen der vielen Spalten der Verwitterung preids
gegeben und daher oft tief verfault; befördert diefes die Wege:
tation, fo erleichtert e8 andererfeits Abrutfchungen und erfchwert
fo Berg. und Straßenbau.
Die Barietäten in Bezug auf Farbe, Menge und Ab»
änderung der Beftandtheile und Schieferung, welche an einigen
Stellen auch transverfal ift und daher das Gejtein in längliche,
fantige Bruchftüce zerfällt, und die Erzführung übergehen wir,
da wir fonft manches wiederholen müßten. Wir erfteigen dafür
das Mittelgebirge gegen Süden, dem faft zu gleicher Höhe auf
der linfen Seite des Innes das Plateau entfpricht, welches vom
Achlelfopf beginnend bis zum Womperbach fich dehnt. Das |
Grundgeftell deffelben ift biß Birgig Glimmerfchiefer und von |
da abwärts TIhonglimmerfchiefer. Es ift durchfurdht von zahle |
reichen Thälchen, deren der Hauptfette parallele oder nur unter |
einem Spigen Winfel abzweigende Richtung durch tiefe Ein- "
riffe bezeichnet wird, wo fehr häufig die Schiefer oder das Eonglo= |
merat des Diluvium fchöne Felfenvorfprünge formen. Die Sohle
erfrifchen Bächlein und Quellen, an den Seiten ift Wald oder "
Bergmahd, den Scheitel der Scheivewände übergoß Diluvium. "
Die anmuthige Hochebene, welche die Lanferföpfe (2988° &.) T
feönen, zieht fich bis an die Lehne des PBatjcherfofels. Einer: e
jeitö erheben fich darauf niedere Kuppen grauen Thonglimmer-
u
— 11 —
fehiefers, amdererfeitö vertieft e8 fich zu Mulden, welche von
Waffertümpeln und Torf erfüllt find. Der Eleine tiefe See
unter den Lanferföpfen wird im Sommer häufig von Stäbtern
befucht, die fich in feinen Wellen evfrifchen wollen. Diefes
Mittelgebivg ift ein Lieblingsaufenthalt der Innsbruder, deren
leider jehr gefchmadlofe Villen Hier zerftreut find. Zahlreiche
Dörfer — Altrans(2290'B.), Igelsl2733' 2), Lans( 2595’ S.),
Batfch (3129' 2), Tulfes (2945 2.), Vi (2507 3.) fehmücden
daffelbe. Durch die romantifche Silfehlucht ift es von
dem hiftorifch berühmten Berg Ifel (2073 8) getrennt.
Bon geld führt mäßig amfteigend ein freundlicher Weg
nach dem berühmten Wallfahrtsort Heiligenwaffer 4020‘ 2.)
Wenn man von hier bergan fteigt, erreicht man einen Schag,
wo ein Kleiner Feld Ihonglimmerfchiefer aus dem Boden ragt.
Die Zufammenfegungsflächen find, wie man ed auch in den
Steinbrüchen bisweilen beobachtet, fein gefältelt, jedoch braum,
hie und da fogar regenbogenfarbig angelaufen. Auch der Quarz
ift nicht mehr milchweiß, fondern lichter oder dunfler vothbraun.
Weiter oben trifft man Blöde eines Gefteines, welches fich dem
Slimmerfchiefer nähert, da weißer Glimmer felbftftändiger her-
vortritt. E8 enthält in großer Menge Staurolith, 1a—3 Zoll
lange Prismen, öfters fchiefe Durchfreuzungszwillinge. Auf dem
Duerbruc find fie gelbbraun oder bläulich-grau. Sie treten bei
Derwitterung des Muttergefteines Enotig hervor und find oft
ganz in, Ölimmer eingewidelt, der auch in das Innere fort
feßt. Es jcheint alfo der Beginn einer Pfeudomorphofe
zu fein. Ihre chemifche Zufammenfesung entfpricht nach
Angabe des Hauptprobirers am Salinenamt zu Hal Heren
Anton von. Kripp nahezu jener der Gotthardftaurolithe. Auch
im Achten Glimmerfchiefer der Lizum findet fich neben
[hwarzem JIurmalin und Andalufit braunrother Staurolith.
Die Prismen, an denen die Duerflächen auftreten, find jedoch
feifcher, glatt und nie fo groß wie am PBatfcherfofl. Nebft
- Staurolith enthält der Schiefer des Patfcherfofels hie und da
hanf- und erbfengroße Körner Farminrothen Granates, an denen
ac "=
die Prdftallifation felten deutlich wird. Alle diefe Gefteine, die
ven Abhang jo überdefen, daß man faum ein "Anftehendes
findet, find vom Grathe des Berges abgeftürzt, Blöde davon
verivrten jich felbjt His Vomp am linfen Ufer des Innes. Bis
zur Holggränge und darüber veicht der Tbonglimmerfchiefer im
Ausfehen dem der Wiltauer Steinbrüche ähnlich, auch ein Zug
Kalffchiefer muß hier vorhanden fein, da man noch die Refte
eines Kalfofens fteht, obwohl man dies Gejtein anftehend nir-
gends beobachtet. Auf der Spige des Batfcherfofels liegen
Blöcde, die man in Handftüden nur durch fefundäre Merfmale,
unterftügt von langen Reihen Beobachtungen, vom Achten Glim-
merjchiefer unterfcheiden Farm. Der Glimmer ft filber= over
gelblich-weiß, vegello8 umd Dicht zeritreut find Linfen braunem
Slimmers, bisweilen zeigt fich auch ein Korn von Granat.
Mitunter ift das Geitein jehr eifenfchüfjig, größere "Stüdfe
Brauneifenerz find auf der unebenen, mit Trimmern überfchütteten
Kuppe des Berges, der jüdlich fteil abftürzt, nicht jelten. Auf
dem Glungezer, Hahnenburger "und Rofenjoch gewinnt der
Duarz über den. Glimmer das. Mebergewicht, fo daß fich Die
Gefteine, welche von verroftetem Eifenfies oft bräunlich gefärbt
find, fajt einem Dutarzjchiefer nähern. Die Ausdehnung des
quarzigen Thonglimmerfchiefers erfieht man aus unferer Karte.
Deftlich ftreicht er gegen Zilferthal und Pinzgau, wo auch die
Gramvadfe auftritt, nördlich teitt er nur bi8 an den Inn, eine
breite Thalfohle fcheidet ihn von den triafjifchen Gebirgen jen-
jeits des Flufies und hindert uns jein VBerhältnig zu diefen
fenmen zu lernen, jüplich läßt fich jeine Gränze gegen die Falfige
Barietät nicht beftimmen, im Weften greift er mehrfach über die
enge Schlucht der Sill, der Geroldsbach bei der Gallwieje ent-
blößt ihn und die zugehörigen Kalkfchiefer an feinen bei:
ven Ufern.
Die Sillfehlucht it ein enges Spaltenthal, welches. jeine
Geftalt einer Berftung verdanft und vielleicht durch Erofion
eriveitert wide. : Dem MWaffer allein fann diefer Ri nicht! zus
gejchrieben werden, dem widerfpricht die Befchaffenheit der Wände,
— 19 —
und. die Richtung derfelben. Das. Wafjer wäre der Geiteins-
gränze gefolgt oder hätte fich ganz im weichen, milden Thon:
glimmerfchiefer eingegraben, e8 würde in der Richtung des ge:
vaden Stoßes das Diluvium gegen den alten Hohlweg durch.
beochen und nicht fait vitffliegend um. den Sporn des Ifelberges
den Ausweg in die Ebene gefucht haben. Davon fan fich
jeder. durch den Augenfchein überzeugen. Des Streifens Tihon-
glimmerfchiefer “bei: Bolling und Flaurling gedenken wir, wenn
wir, das :Brofil von Sft. Sigismund zum Kanzbach befprechen.
Die Gränze gegen den Ölimmerfchiefer ift dort, mo Geröll und
Rafendede die Unterfuchung nicht hindert, beftimmt auss
gefprochen ; fo bei Sft. Peter an der Ellbognerftraße, wo inner:
halb weniger Schritte das Geftein durch Entwicelung großer
Blätter filberweißen Glimmers wechfelt. Den Thonglimmer-
fehiefer mit dem Achten Glimmerfchiefer zu verbinden ift Durch:
aus nicht zuläffig, es find ein- für allemal: ganz verfchiedene
Gefteinsarten, welche man. in ihrer ‚großen Ausdehnung nie ver:
fennen: wird; untergeoronete Parthien, die fich dem Charakter
des: einen oder andern nähern, entjcheiden nicht, denn felbit hier
wird ein‘ gelibtes Auge felten zu täufchen fein. Die Entjchei-
dung, two fowohl die Falfigen als die quarzigen einzureihen find,
it Faum-angebahnt, gejhweige denn die Trage fpruchreif, wenn
jich auch. an einigen Stellen die VBermuthung,' daß fie zum
Theil wenigjtens ziemlich. jung jind, nicht abweifen läßt. Diefen
Stellen wenden wir uns, jeßt zu.
Der metamorphe Lias von Matrei und Navis.
Der Pfad von Steinach nach Dienzend geht am Fuße des
aus Falfigem -Ihonglimmerfchiefer zufammengefesten, Bentelftein
über Diluvialhügel, welche.nach Angabe der ‚älteren geognoftifchen
Karte ein Kalkichiefer ducchbricht.. Hinter, der Kirche von Dien-
zens ift durch die Habrif in Matrei ein jchönes. weißes Duarz-
geftein aufgefchlofien, das zustechnijchen Zwecken verwendet moird.
Auf der linfen Seite, de8 Baches find Tannenwälder ; das An:
er DR =
ftehende ift ein in h 7 fteil aufgerichteter Falfiger Thonglimmer-
ichiefer. Bald erreicht man nacheinander mehrere Vertiefungen,
die vom Kamm des Berges niederfteigen und durch fteile Felfen-
gräthe gefchievden Quellen und Bäche anfammeln. Der Thon:
glimmerfchiefer ift hier fo Falfreih, daß das Waffer überall
mächtige Bänfe Tuffes, der felbjt für architeftonifche Ziwvedfe
ausgebeutet wird, abfegte, und Rhododendron hirsutum fo üppig
gedeiht, wie wir e8 faum auf den Alpen nördlich des Innes
je gefunden. Bei der Kirche von Navis theilt fih das Thal in
zwei Arme, zwifchen denen vom Kreuzjoch ein fehmaler Grath
mit steilen Wänden abzweigt. Er bejteht aus einem grauen,
etwas ’dolomitischen Kalfe mit Lagen eines fchwärzlich-grauen
falfigen Schiefers, der feinem Thonfihiefer auf den erften Blick
ähnlich in dünne ebene Platten jpaltbar ift, die vielleicht gar wohl
zum Dachderfen brauchbar wären. Sie fünnen durch Metamorphofe
entftanden fein: entweder aus den Mergeln der Cardita- oder
Gervilliafchichten; wir werden von beiden ©efteine vorweifen,
die einander völlig gleich find und nur bezeichnet werden können,
wenn man genau weiß, woher jie ftammen. Wenn wir ung
hier für Pins entfcheiven, jo gefchieht e8 deswegen, weil wir bie
jegt metamorphe Trias nur auf dem linfen Sillufer trafen,
während die nahen Iarnthaler Köpfe aus Lins beftehen. Der
Weg in dem linfen Seitenthälchen geleitet über Falfigen, oft von
Eifenoryohydrat bräunlichen Thonglimmerfchiefer, der durchfchnitt-
lich in h 7 jteil Nord fällt, an der Dalamaalm vorbei zu einem
Bödele, aus welchem einige niedrige Felfenköpfe von lebhaft
braunrother Barbe emporfireben. Das Gefteim ift maflig, von
Ankerit und Spatheifenftein zufammengefest, in veichlicher Menge
ift manchmal Bahlerz eingefprengt, durch Defien Zerfegung
Kupfergrün fich bildet. In den SBrotofollen des geognoftifch-
montanifchen Vereins lefen wir darüber: ,,In diefem ! Kalk:
gefteine wurden einft Bergbauverfiche auf Kupfererze gemacht.
Man findet nämlich in der fogenannten Kuchel mehrere alte
Stollen und Anbrüche auf eine Lagerftätte von Kalffpath mit
Schwerfpath, worin Kupferfics und Fahlerz eingefprengt vors
— MM —
fommen, angelegt. Die ganze Lagerftätte hat eine Mächtigfeit
von vier Schuhen, darauf ift ein 40 tiefer und 30 weiter Ver:
hau angelegt, während man auch von der Seite und ricdwärte
mehrere nur einige Schuh tiefe jtollenartige intriebe beob-
achtet. Im Kalfgefteine neben dem Gange, welcher fehr flach
liegt, famen fchöne reine Quazkryftalle vor. Die Erze, welche
fih da gewinnen ließen, wären als PBochgänge jedenfalls zu
benügen.’‘
MWohl werth; eines Befuches, auch für den Touriften ge-
wöhnlichen Schlages, find die Tarnthaler Köpfe, noch reicher
belohnen fie den Botanifer, für welchen hier Dianthus glacialis,
Saxifraga biflora und die veizende ‘Androsace glacialis wachjen
und den Geognoften, dem fich hier unabweisbar die Weberzeu=
gung aufvrängt, daß die Serpentine in diefem Theile der Alpen
Produkte der Metamorphofe und nicht des Plutonismus feien.
(Profil XXVI.) Zunächft über dem Bödele ruhen in großer
Mächtigfeit die Schichten eines grauen Fryftallinifchen, etwas
dolomitifchen Kalfes, der ganz durchtrümert ift von Adern und
Neftern weißen Kalfes und Bitterfpathes. Bisweilen haben
diefe Kalfe völlig den Charakter einer Breccie ; fie beftehen aus
efigen Stücfchen lichter oder dunkler grauen Kalfes von ver
jchiedener Größe, Neftern und Adern von Milchquarz durchfegen
das Geftein nach allen Richtungen, auch Schuppen talfigen
Schiefers finden fich ein; auf dem Grathe des Joches wechfel-
lagert e8 auch an einer Stelle mit Schiefer. An der Ober:
fläche abgerollter Blöcke, welche lang dem Einflufje der Athmo-
Iphäre zugänglich waren, zeigen ftch durch die Abwitterung vie
verfchiedenen Gemengtheile fehr deutlich. Diefes merfwürdige
Geftein begegnet uns auch noch an verfchiedenen anderen Bunf-
ten unter ähnlichen Berhältnifien, jo am Wege nach Dur beim
- Barbenfattel, wo es mitten aus dem. Falfigen IThonglimmer-
fchiefer Hewvortritt, oft durchflochten von Parthien defjelben und
große Broden Kalt und Duarz einfchließend, daß man noth-
wendig die hier zunächit anftehenden Schiefer der gleichen For
| matiom zuvechnen muß. Endlich an der Dftfeite des Pfuner-
- Mm —
joches, wo fie bejonders mächtig auftreten, und am KHilbolo,
hier mit fehr feinen Kryitallen von Eifenfied. An den Tarnı-
thaler Köpfen wechfellagern diefe Kalfe und Breccien mit Schich-
ten dunfelgeauen Förnigen Kalfes, der unter dem Hammer: Flingt,
mit Kalfjchiefern ähnlich dem Thonfchiefer ftellenweife feidenglängend
und großen Bänfen grauen thonigen Kalfes, der von feinen
jeidenglängenden Häuten fchiefergrauen Glimmerd durchiwoben
ift. Alle diefe Gefteine zeigen mehr oder minder deutlich Petre-
faftenrefte, fei es nun auf dem Durchfchnitt oder ausgewittert
an der Oberfläche. Wir Haben-einen metamorphofixten untern
Lias vor und Die Bünfe grauen Kalfes find erfüllt von
Lithodendron, an der Oberfläche find die Stielgliever eines Pen-
tacrinus, der auch in den Gervilliafchichten bei Lienz und ans
derswo zu beobachten ift; Gervillia inflata deutlich am Umriffe
fennbar und feltener Belemniten, bisweilen gut erhalten, bis:
weilen zerbrochen und die Bruchftüde verfchoben, jedoch fehr
leicht Fenntlich am Gefüge ihrer Subftanz. Diefen Kalfen un-
tergeordnnet tritt ein Sanditein auf. Duarzfand, Duarzförner,
Stüdfe von Schiefer, Duarz und Kalk find durch ein fehr veich-
lich vorhandenes, ftarf eifenfchüffiges, Falfiges Gement, weswegen
das Geftein mit Salzfaure lebhaft brauft, mehr oder minder
feft verbunden, manchmal erfcheint e8 im Ausjehen der Rauch-
wace ähnlich, zerfreffen, verwittert und von Höhlen durchzogen:
Wir begegnen diefem Geitein an verjchiedenen weit entlegenen
Punkten, z.B. hinter dem Matreier Schloßberg, in der Schlucht
bei Pfons und in der Klamm bei Dienzens, wo e8 überall in
mächfter Beziehung mit dem Schiefer fteht, deffen Beichreibung
hier beigefügt wird. Das Geftein twird gebrochen und zu Reib-
fand verwendet.
Die Schiefer, welche nun folgen, zeigen eine folche Mannig:
faltigfeit der Zufammenfegung, Struktur und Farbe, daß es fait
unmöglich ift für fie gemeinfame Merkmale aufzuftellen. Manch:
mal find e8 ächte Thonfchiefer ohne Spur von Kalk und wahr:
nehmbaren Gemengtheilen, auf den Spaltungsflächen feidenglängend
oder matt, grau, voth, fchwarz und diefe mit Körnchen von
= m —
Eifenfies, welche von grünlichem Asbeft umfponnen find. Bis:
weilen find fie auch roth und grünlichegrau geflammt und leiten
einerfeitö zu Gefteinen über, welche ächtem Thonglimmerfchiefer
zum «Berwechfeln ähnlich fehen, andererfeits zu Kalte und Talk
fchiefern fo allmählig, daß man nirgends fefte Gränzen ziehen
fann. Diefe Kalkfchiefer find von denen des Brenners wefent:
fich verfchieden, der Kalk ift faft dicht, weißgrau oder grünlich-
grau, Die nach einer Richtung geftreiften Glimmerhäutchen find
jeher dünn und fein und daher nur fcehwach glänzend, am Meber-
gang in's Möllsthal durchfpickt von Fledfen eines grauen talfigen
Glimmerd. Bei Matrei: gefellen fih auch verbrüdte Lagen
Duarz dazu. Am Pfunerjoch ift der Kalk grau, feinförnig, Die
unregelmäßig verbogenen Olimmerhäute find eifengrau, wahr:
feheinlich von Graphit, der ihre Flächen Überzieht. Auch Duarz-
fehiefer ‚kommen vor, fo hinter Pfons. Der Quarz ift weiß
oder graulichzweiß, ebenfo' der Glinmmer, durch den diefes fchöne
Geftein eine ausgezeichnete Spaltbarfeit felbft in dünne Tafeln
erhält. Am rechten Sillufer bei Matrei taucht aus’ dem Dilus
vium ein weißes Duarzgejtein ohne Spur von Spaltbarfeit und
Schichtung unregelmäßig durchtwoben von dünnen Lagen eines
geünlichen chloritifchen Minerals. Im Duarzfchiefer felbft ver-
tritt‘ den Glimmer oft ein Talk von ölgrüner Farbe — und das
Gejtein erhält oft völlig den Charakter eines Talffchiefers. Hinter
Pfons fann man einen Thonfchiefer fehen, der von Adern erdi:
gen Ehlorites und weißen Duarzes nach allen Richtungen durc-
telimert ift. Auch Ehloritfchiefer von dunfelgrimer Farbe bie:
weilen mit Eleinen Würfeln von Eifenfies tritt auf, wie denn
Ehlorit überhaupt in diefem und den Achten Thonglimmerfchiefer
fich oft. dem Glimmer zugefellt und felbft überwiegt. Won be-
fonderer Wichtigkeit md meijt jehr charafteriftifch für diefe
Schiefer ift das Auftreten des Talfes. Er ift weiß oder apfel
grün, wie. er aus dem Zillerthale bekannt: ift und jegt mit Quarz
oder Kalk Talkfchiefer zufammen. ı "Leßtere nehmen allmählig
Schuppen von Eerpentin auf, der Talk tritt zur und die
Schiefer werden »Ophjicaleit. \ Diefer fieht Fat aus wie eine
—_ WM —
Breccie, wo in einer Grundmaffe weißen, fürnigen oder faferigen
Kalfes, den bisweilen Adern weißen faferigen Talfes durch:
trümern, edige Stüde grünen oder rothen Serpentines und
ZTalfflocen eingebaden find. Auch der Kalk tritt allmählig zu:
rück oder fchwindet vielmehr zu papierdünnen Blättern zufammen,
ziwifchen denen die Flatfchen des Serpentines mit ihren firiemigen
und ftreifigen aber glatten und glänzenden meift von Pikrolith
überzogenen Begränzungsflächen liegen. Bisweilen hat der
Serpentin eine ftängelige Struftur. Er ift dunfel- bis fchwarz-
grün, enthält ‚hie und da Eifenfies, fehr haufig Schillerfpath
von lichterer Barbe und Perlmutterglanz. Außerdem begleitet den
Serpentin feinfaferiger Asbeft (Ehryfotil), 3. B. an der Silfbrüde
bei Matrei und auf den Tarnthaler Köpfen, wo man ihn zu Spin:
nereien verwenden wollte. Bisweilen ift der Asbeft mit weißem
förnigen Half verwachfen. Große Blöde Serpentin, oft mit einer
faft zolldicten braunrothen WVerwitterungsfrufte, find überall von
den Zarnthaler Köpfen abgeftürzt, Heinere Mafjen hat die Sill
am Matreier = Schloßberg bloßgelegt. Das Waffer, welches in
ausgewafchenen Höhlen derfelben ftehen bleibt, hat einen blut:
rothen Sab, wahrfcheinlich Iöft e8 Eifen aus der Verbindung.
Der Ophicaleit fommt auch auf dem Pfunerjoch vor, bei Pfons
wird er unter dem Namen Matreier Marmor in einem Stein-
bruche bearbeitet und zu architeftonifchem Schmudfe weithin ver
führt. Tiefer in der Schlucht bei Pfons ift dem Schiefer Ar:
jenfieg — das Prisma mit dem Doma — eingewarhfen, berg-
männifche Verfuche hatten feinen Erfolg. Der Serpentin geht
auf der einen Seite wieder in Ophicaleit, diefer in Serpentins
und Zalffchiefer Über, darauf folgen wieder die bereit erwähn:
ten Schiefer, dann Kalfe und Breccien und fo wiederholt fich
der ganze Gompler auf den Tarnthaler Köpfen mehrfach tıber:-
einander. (Profil XXVII.) Der Gipfel derfelben ift öde und
furchtbar wüft, denn auf Serpentin gedeiht das Pflanzenleben
nicht gerne und in den Senkungen fühlt man fich an den Krater
eines Bulfans erinnert. Die Schichten find übrigens nur ftellen-
weile geftört, ducchfchnittlich in h7 nicht ftarf geneigt, das
EEE Eile EEE DB En nn
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Fallen ift, wie auch unfer Profil andeutet ein verfchiedenes.
Die Lagerungsverhältnifje find auf den Tarnthaler Köpfen über-
all flar und einfach, fie beweifen zur Genüge, daß der Ser:
pentin nicht eruptio fein Fann, fondern einer Meine liaf-
fifcher Gefteine den Urfprung verdanken muß.
Die Serpentine bei dem Schloß Matrei und Pfund fowie
die dazugehörigen Ophiealeite und Schiefer find größtentheile
unter einer üppigen Nafendede und Diluvialgeröll verborgen,
doch laßt fich auch hier weder eine gang- noch ftockförmige Mafie
beobadhten, was auf Eruption deuten fönnte, e8 find im ©egen-
theil überall die Serpentine den Schiefern, in welche fie ohne bes -
ftimmbare Gränze nach oben und unten übergehen, gleichmäßig
eingelagert. Die Flatfchen und andere Comprefjionsformen der-
felben laffen wohl eine andere Erflärung als die plutonifche zu,
und den breecienartigen Ophicaleit braucht man aud) nicht für
ein Gontactgebilde zu halten; mit dem PBrocefie der Metamor-
phofe mußten Bolumsveränderungen verbunden fein, welche fich
nur durch Reibung, Duetfchung und andere gewaltiame Wir:
fungen in’d Gleichgewicht fegen fonnten. Schwieriger ift es,
die Gränze gegen die falfigen Thonglimmerfchiefer zu beftimmen.
Wenn auf dem Tarnthal die Verhältniffe geordnet erfcheinen, fo
ift die Verbindung zwifchen dem Lias des Pfunerjoches (83444
und dem in der Thalfohle bei Matrei (3088) unmittelbar an
der Gränze des Glimmerfchiefers nicht leicht Herzuftellen. Auch
die Schichten zeigen Abweichungen. Auf dem Pfunerjoch
fallt der Kalkfandftein in h7 fteil Nord, bei Dienzens der
Thonfchiefer mit Striemen von Bifrolity und der Thonglimmer:
f&hiefer in h 5—6 fteil Süd. Bielleicht find diefe Abweichungen
bedingt durd; den Aufriß der Sillfpalte und der Klamm bei
Dienzend, wozu dann die Erofion noch das ihrige beigetragen
haben muß. Wenn man an die ungeheuren Mafjen Tuff dent,
welcher durdy Auflöfung des Kalfes im Thonglimmerfchiefer in
den Durerthälern vom Joch bis zum Bett des Navijerbaches
abgefegt wurde, jo fühlt man fich wohl zum Schluffe berechtigt,
daß hier nothiwendig Brüche und Einftürze eintreten mußten.
— GE
Die Gränze, welche auf meiner Karte Liasfchiefer und Thon-
glimmerfchiefer trennt, ift der Sache nach willfürlich, da ich
nicht beftimmen läßt, wo die eine Formation aufhört, die andere
anfängt, wenn etwa nicht beide zufammen Glieder einer ein:
zigen find, denn es ift mie nicht unmwahrfcheinlich, daß ein
großer Theil der Falfigen Thonglimmerfchiefer Tiaffifch fei, weil
jedoch fein voller Beweis zuläfftg ift, fcheint es beffer nur das
als ficher auszufcheiden, was ficher ift.
Wir befuchen noch einige Gegenden. Des Wildlahnerthales
wurde bereits bei den Gneifen gedacht; wir geben num hier ein
Brofil von Nord nach Süden. (Profil XIX.) Der Weg von der kirche
nach Hinterfchmien geht über mächtige Schuttmaffen, die Hügel,
auf deren einem der MWallfahrtsort Kaltenherberg dem Pilger
winkt, jind vielleicht alte Moränenrefte, wie deren unzweifelhaft
im Wildlahner vom Bache durchbrochen wurden. Das zunächft
Anftehende ift ein Falfiger Thonglimmerfchiefer, aus dem fich
allmählig Eipollin entwickelt. Darüber oder eigentlich darunter,
denn die Gefteine fallen in h7 fteil N., lagert ein fandiges,
vauchwadeartiges, poröfes Geftein mit unregelmäßigen Lagen
blätterigen Kalfes, dann folgt ein fchmugigweißer, fehr fein
förniger, dolomitifcher an der Oberfläche ftaubiger Kalf von etwa
200° Mächtigfeit, dann Ihonglimmer-, Quarz, quarziger und
falfiger Ihonglimmerfchiefer, Eipollin: die Fortfegung vom
Brenner her, zulest fehieferiger und maffiger Gneis. Iener
dolomitifche Kalf bat Aehnlichkeit mit Gefteinen der metamorphen
Trias und des Pins, die Rauchwade mit den Kalkffandfteinen
des Pins, beide find völlig verfchieden von den geobförnigen
jalinifchen Kalffchiefern, die unter und über ihnen vorfommen ;
ließen auch die Lagerungsverhältniffe eine fichere Deutung zu,
jo witde ich fte unbedingt dem Las einreihen, mit deffen Farbe
ich jte, um fie vorderhand auszufcheiden, bezeichne. Meberjpringen wir
das Kaferthal und fafjen wir dafjelbe Profil (Profil XX VII.) wieder
von Nord nach Süd auf dem Duverjoche, fo ergiebt jich diefe Reihe:
1. Ralfiger Thonglimmerfchiefer.
2. Quarzichiefer in h 7, 300 N.
. Gneis ©. 189.
. Duarzichiefer.
. Thonglimmerfchiefer, quarzig und Falfig.
. Kalffchiefer, gelblich, an Nauchwade gemahnend.
. Thonglimmerfchiefer, quarzig.
. Dutarzfchiefer.
. Thonglimmerfchiefer, quarzig und Falfig.
. @ipollin, ziemlich mächtig entwidelt, auf dem jenfeitigen
Abhange fait jenfrecht, demfelben ift die früher erwähnte
Parthie Gneis eingelagert.
Die einft ftarf befahrene Straße über die Ellbögen von
Pfons nach Hall führt an mehreren Brüdjen vorbei, wo ein
grünlich-grauer Thonglimmerfchiefer mit Kryitallen von Schwefel:
fies aus dem Diluvialjchotter ragt. Wer Luft hat, mag rechte
in das jchattige Arzthal einbiegen, er wird zwar manche feltene
Pflanze pflüden fönnen, aber fich fehwerlich oft nach Mineralien
bücfen.. In h 6-7, 30-400 N. ftreicht hier ein bisweilen eifen-
fpäthiger Thonglimmerfchiefer mit Drufen von weißen Kalf-
ipath, auch Schwefelfies ift reichlich eingeftreut. Wo hier die
Erze gebrochen wurden, welche der Sage nach das Material zu
den Statuen in der Hoffirche lieferten, ijt wohl fcehwerlich aus-
zumitteln. Der Uebergang vom Arz- ins Mühlthal zeigt einen
grünlich-grauen Thonglimmerfchiefer, die Wände des Mühlthales
beftehen aus graulichem Thonglimmerfchiefer, den wir bereits
von Wiltau fennen. Am Abhange des Patjcherfofels und
Glungezer halten wir uns nicht auf, in die wilden Schluchten
des Voldererthales, wo eine Heilquelle jtarf befucht wird, werfen
woirı nun einen flüchtigen Blid. Es ift in Thonglimmerjchiefer
-eingegraben, weiter hinten hat ein furchtbarer Felfenfturz den
Bach zu einen feinen See aufgeftaut, im Anfteigen zum
Grafmarterjoch, wo ein Pfad nach Navis führt, finden wir
Thonglimmerfchiefer mit Lagen von glimmerigem Kalf- und
Spatheifenftein, der auch in das Möllsthal Hinüberzieht und
dafelbft bejchrieben werden foll.
Am Eingange der Schlucht des Wattenthales jteht grauer
SO ımn OD w
— 208 —
oder grünlich-grauer gewöhnlicher Thonglimmerfchiefer, der zii:
chen Volders und Wattens einen Ausläufer tief in die. Au
fchiebt, wo man an der Landftraße alle Varietäten ded Ge-
jteines beobachten fann. Ex ftreicht durchfchnittlich in h6—7
und fällt flach mit 15—200 gegen Süven. Dies Fallen geht
jedoch bei gleichem Streichen allmählig in ein: nördliches über.
Man durchquert bis zum Walchen noch einige Züge Kalffchiefer.
Hier fpaltet fich das Thal. Der linfe Seitenaft erweitert fich
bis zu einem Bergmahd, an welchem von dem Hilbold nieder:
brechend ein Wilobach feine Schuttmaffen aufgethürmt hat. Er
hat mit Ausnahme des Serpentins und Ophicaleites alle für
den metamorphen Lias charafteriftifchen Gefteine mitgefchleppt :
gelblichen Kalffandftein, grünlich-grauen Duarzfchiefer, Schiefer
mit Talk, Kalkfchiefer, die Zufammenfegungsflächen mit Graphit '
überzogen, eifenfchüfjtge, von Graphit gefhmwärzte Thonglimmers
jchiefer, .Kalfe und Kalkbreccien.
Zwifchen der Lanalpe und Lizum wird das Fallen des
Thonglimmerfchieferd wieder ein füdliches. Die Kal und
Seewand, die den Hintergrund diefes Thales abjchließen, bieten
demjenigen, welcher die recht niederfchauenden Tarnthalerköpfe
durchforfcht hat, wenig Neues. Die fchwarzen Schiefer wurden
früher zum Dachdeden gebrochen und vie feinen ölgrünen: Kalk
fchiefer ald Wesfteine verwendet. Bergmännifche Verjuche auf
Spatheifenftein und andere Erze wurden auch hier, wie fat in
jedem Winkel Tirol8 unternommen.
Wir halten uns hier nicht länger auf und fuchen „den
Uebergang in’s Mölsthal, defien Gehänge anfangs aus gemöhn-
lichem Thonglimmerfchiefer beitehen. Hinten, wenn man hinein geht
rechts, erhebt fich der Eifenfor, deffen Befchreibung wir mit den Wors
ten Trinferd aus den Berichten des geognoftifchmontanifchen Ver:
eines mittheilen. (Profil XXIX.) ,‚Im Eifenfor, wo da® eigentliche
Erzvorfommen ift, findet man mitten im Thonfchiefer ein Kalf-
lager bei 2 Klafter mächtig, jedoch theilweife durch Thonglimmer-
fchiefer-Lagen unterbrochen ; e8 ftreicht in h 7 und verflächt unter
circa 300 gegen Norden, Auf diejes Lager, das eine Strede
— 209 —
von 300—400 Schritten am Gehänge hin entblößt ift, find an
3 Bunften ftollenartige Einbrüche angelegt, denn es hängt da-
mit auch die Spatheifenftein-Lagerftätte zufammen. (Profil XXX.)
Da fieht man ald Hangendes der Lagerftätte den Thonglimmer-
fchiefer, unmittelbar darunter eine Kalflage 1 Fuß mächtig, unter
diefer Thonglimmerfchiefer 1/, Fuß mächtig, dann eine 2 Schuh
diefe Kalklage, welcher endlich das circa 1'/, Klafter mächtige
Spatheifenftein-Lager folgt, das wieder Thonglimmerfchiefer zum
Liegenden hat. Merkwürdig ift, daß ein bei 2 Schuh mächtiger
Duarzgang mit arfenifalifchem Schwefelfies die Lagerftätte durch-
feßt. Der Kies ift meift eingefprengt, jedoch auch in derben
Mafjen. Weiter am Abhange fort, dem Streichen des Lagers
nach, fommt man auf den zweiten Einbruch, wo man eine
zechenartige Ausweitung findet, im welcher zwei Pfeiler als
Bergfeften zuriicfgelaffen wurden, die fajt ganz aus Spatheifen-
ftein circa 11% Klafter mächtig beftehen, gegenwärtig it aber
alles zum Theil fchon verfallen, zum Theil dem Einbruche nahe.
Beiläufig 200 Schritte weiter fommt man auf den oberjten
Einbruch, der aber gar nicht in die Tiefe geht; dabei findet man
mehrere Zentner gebrochenen und vorgerichteten Erzes. Diefes
Eifenerzvorfommen ijt jedenfalls fehr beachtungswiürdig und nur
der weiten Entfernung und hohen Lage des Ortes, wodurch
die Transportfoften zu hoch geftellt werden, ift e8 zuzufchreiben,
daß e8 nicht fehon lange der Benugung zugeführt wurde.‘
Wir wenden uns in das Möllsthal zurück und geben von
unten nach oben fein Profil bis zum Joche (Profil XXVI.).
Die Schichten ftreichen zuerft in h4, 40-500 S.0,, am Joche
in h 7, flach S., weiter abwärts h 6 N., bis wieder h 7 gegen
die Kirche von Navis Regel wird.
1. Gemwöhnlicher Thonglimmerfchiefer.
2. Gelblih-weißer, maffiger, feinförniger Kalf etwa 12 Fuß
mächtig.
3. Duarzfchiefer und Duarzgeftein mit Flecfen eines grün-
lichen Minerals, wahrfcheinlich Talf und Chlorit wie
an der SiN bei Matrei. Mächtig —3 Sup.
— 210 —
4. Feinförniger Kalffchiefer, abwechjelnd fchneeweiße und
graue Lagen, wodurch eine auf Duerbrüchen fchöne Ban-
derung entjteht. Dazwifchen eine Lage gelblichen &e-
jteines ähnlich der Rauchwade. Cingefprengt find den
Kalfen Keine Würfel von Eifenfied. Mächtig 6 Fuß.
. Kalk wie Neo. 2, mächtig etwa 4 Fuß.
6. Der bereits befchriebene Kalffandftein mit Andeutungen
von Schichtung. Erreicht vielleicht eine Mächtigfeit von |
mehreren hundert Fuß, Die obere Gränze verhiilit die
Kafendede.
7. Belfenzadfen eines fplitterigen graulich-weißen Dolomites,
nicht unähnlich dem Mitteldolomite.
8. Ralkfchiefer von fchmugig-weißer Farbe mit Fledten eines
graphitifchen eifengrauen Fhonfchieferd. Das Geftein |
wird nach oben einem Falfigen Thonglimmerfchiefer nicht
unähnlih. Auf der andern Seite des Joches findet
man Blöde aller möglichen Arten der Schiefer, Kalte,
Breccien und Sandftein.
or
Gneis, Glimmerfciefer, Hornblendegefteine.
Wir begeben uns auf das Gebiet des Glimmerfchiefers,
welcher vorzugsmeife das linfe Ufer ver Sill beherrfcht. Diefes
Geftein zeigt viele DVerfchiedenheiten je nach der Art: der Ge-
mengtheile, ihrer Berbindung, Mafle und Bertheilung und der
Maffioftruftur, Der Glimmer ift filberweiß, gelblich-grau, graus
braun jelbjt fchwarz, entweder in zufammenhängenden Lagen, Die
auf dem Duerbruch wellig gebogen find, ausaefchieden, fo am
Zeibadh in Stubai, bei Völs und Kematen, im Gleirs- und
Kraspesthal, wobei er bisweilen eifenfchüffig braun ift und
häufig Oranaten, bisweilen Staurolit) und Turmalin. einfchließt,
oder er ijt zu langen ichmalen Streifen verbunden, welche wie
Bänder durch den grauen Quarz ziehen, jo im Stubaiz; mancdh-
mal erfcheint er in. linfenförmigen Slafern von ‚brauner Farbe,
dabei hat Das Gejtein eine. fait mafjige Stuktur, und wenn
— 411 —
zweierlei Quarz: weißer feinförniger und blaulicher fich durch-
flechten, wie 3. B. an einigen Bunften Sellvains, fo Fann man
es wohl mit nei verwechfeln, um jo mehr, wo ein oder
das andere Felpfpathforn, obgleich jo jelten, daß man lang
danach juchen mag, eingeftreut ift. Die geognoftifche Karte
von Tirol hat mehrere foldhe Vorkommen als Gneis colorirt,
befonders in Sellrain, ich wage nur jene Gefteine fo zu be
zeichnen, bei denen Orthoclad ald wefentlicher Gemengtheil
auftritt. Ein Glimmerfchiefer, faft maffig, vorwiegend aus
grauem Glimmer beftehend mit fchwarzen Turmalinprismen, ift
durch den Steinbruch an der Straße von Schönberg nach Maz-
trei erjchloffen. Er enthält große Nefter braunen Glimmers.
Bei den Nodhöfen wechfeln braune Glimmerlagen mit Lagen
erbfengroßer Knoten grauen Duarzes, wodurch die angewitterte
Oberfläche diejes Gejteines pocig wird. Auch die Hornblender
jchiefer müflen hier erlediget werden, da fie mit dem Glimmer-
jchiefer wechfellagern und oft in großer Verbreitung auftreten,
wie an der Weftgränze unferes Gebietes. Der Charakter der:
felben ift im ganzen "ziemlich einförmig : fchwarzgrüne Eryital-
linifche Hornblende wechjelt mit Lagen grauen oder weißlichen
Duarzed und bildet fo Schiefer, oder erhält auch dag Ueber-
gewicht, wodurch das Geftein maffig wird, wie an der Viller-
geube. Granaten von Mohnforn- bis Exbfengröße fehlen faft
nirgends, im Sellrain fand ich Stücde, wo fie mit einem Hofe
lichtgelnen Epidotes umgeben waren. Epidot begleitet vie
Hornblende überhaupt gern, bildet in verfelben Zwifchenlagen
und überzieht Kluftflächen mit lebhaften Biftaziengrün. Selten
find Schuppen von Eifenglanz eingejtreut, ziemlich Häufig derbe
Mafjen von Titaneifen und Nejter von weißem Duar. Schup-
pen von braunem Glimmer fehlen fajt nirgends, öfters verbreiten
‚fie fich jo zahlreich, daß faft die Hornblende verdrängt wird und
nur mehr al8 accefjorifcher Beftandtheil erfcheint. Die Horn-
blendezüge wurden, wo es immer thunfich war, durch Schraf-
firung angedeutet, in manchen Gegenden, 7. B. im Sellrain
und feinen Duerthälern, wiederholt fich aber Ber Fa von
_ 22 —
Hornblende- und Glimmerfchiefer fo oft und nahe, daß der
Sachverhalt, wenn man nicht die Karte mit einem Neb von
Linien durchkreugen wollte, nur andeutungsweife dargeftellt
werden Fonnte.
Die Formen der Gebirge, die aus Glimmerfchiefer ge-
baut find, gleichen denen aus Thonglimmerfchiefer; Abrutfchun:
gen und Brüche find wegen der Mürbe des Gefteind, welches
oft zu einem Mulm erweicht, nicht felten zerftörend für Wald
und Bergmahd und bedrohen die ärmliche Wohnung des Hirten.
Nur der Hornblendefchiefer, welcher den Einflüffen der Ath-
mofphäre befjer wiverfteht, ftreeft ftarre Zaren empor oder fendet
Ausläufer in das Thal, welche mit fcharffantigen Trümmern
beveft find.
Befuchen wir einzelne Gebiete. Die Grundlage des Berg:
ftockeS, der fich in der Serlosfpise (8336 und dem Kirchen:
dach (9034) gipfelt, ift bis zu einer Höhe, von 5200' aus
Glimmerfchiefer mit Streifen Hornblendefchiefer, deren man) vor
Matrei entblößt fieht, zufammengefest. Ex ftreicht hier in.h7,
35085. Am Waldrafter Bach ift der Olimmerfchiefer anfangs
faft maffig und reich an braunrothem Duayz, aufwärts nimmt
der Glimmer zu, er fällt in h 8-9 unter 250SW. Die
neue Straße über den Schönberg windet fich in vielen Früm-
mungen der Sillfehlucht entlang und entblößt Ihonglimmer-
fehiefer, den eingeftreute Glimmerblättchen faft dem Glinnmerfchiefer
nähern, und Diluvialfchotter, welcher am Abhang ‚öfters in
fogenannten Exdpyramiden mit einem größern. Steinblod, an
der Spige emporragt. Exft in der Schlucht des Rugbadjes. jteht
wieder Glimmerfchiefer mit Heinen Granaten an. Weil das
Geftein fo leicht verwittert, trifft man in diefem Gebirgsftode
nur felten Anjtehendes; alles det Nafen und üppige Vege-
tation, und die NRünfte der Bäche füllt der Schutt aus, welcher
von den Kalfföfeln niederbricht. Den Glimmerfchiefer am Zei-
bach haben wir erwähnt und gehen vorläufig am tiefen ‘Binnifer-
thal, welches zwei Hornblendezüge durchqueren, vorbei, um Die
Gefteine zu ftudiren, denen der füdweftliche Zweig des Stubai
— 413 —
eingefchnitten ift. Im der Gegend von Neuftift, vechts und links
des Thales, wird der Glimmerfchiefer undeutlich gefchichtet oder
maffig und ändert auch die Befchaffenheit des Ausfehens. Im
Gemenge überwiegt ein dichter oder feinförniger grauer Duarz
weit den braunen und weißen Glimmer, defien Membranen eine
Streifung zeigen, indem die Blättchen fich in Richtung des
längeren Durchmeffers an einanderlegen, fehr Häufig erfcheinen
nur langgeftrectte Glimmerflafern. Aus diefem Geftein giebt e8
zwei Uebergänge. Cine Art erfcheint bei verfchiwindender Klein-
heit der Gemengtheile dicht und grünlich-grau, was dur) ein-
geftreuten Chlorit bewirkt werden mag, die andere nimmt all
mählig Feldfpathföunchen auf, alle Gemengtheile werden größer,
deutlicher und Fryftallinifcher, und man Hat endlich einen fehr
fchönen Gneis vor fich, defjen erratifche Blöcde durch ganz Unter-
innthal zerftreut unter dem Namen Buchfteine als ausgezeichnetes
Material zu architeftonifchen Zweden gefucht find. Auf dem
Wege von Neuftift zum: Bärenbad fann man alle Varietäten
diefes Gefteines beobachten. Der Felofpath ift ducchfchnittlich
bläulich-weiß und in Linfen oft von mehr ald Zolllänge mit
Neftern von Ölimmer zwifchen den Lagen des Duarzed und
Glimmers vertheilt. Doch erfcheint er auch fleifchroth. Bei
Neuftift Fann man in Höhlungen und Nejtern fleifchrothen Feld:
fpath, weißen Quarz, erdigen Chlorit und Eifenglanz durch-
einandergewachfen finden. Durchgeht man das Thal bis zu
den Fernern, fo gelangt man unmerflich aus Gneis in Ölimmer:
jchiefer und umgefehrt, fo daß fich faum eine Gränze ziehen und
noch weniger behaupten läßt, es feien ©neisfeile emporgedrun-
gen und hätten die friedlichen Thäler auffprengend überall Greuel
der Berwüftung angerichtet. Gnei8 und Olimmerfchiefer ge-
hören hier untrennbar zufammen und nur Vorliebe für eine
glänzende Hypothofe Fönnte jenen’ zu dem gewaltigen Zerftörer
‚machen, der wie der götheifche Seismos im Fauft die Erdrinde
unter frampfhaften Wehen durchbricht. Bei Falbefon rechts am
Bache fällt diefer Glimmerfchiefer, der hier jedoch felten Heine
Granaten einfchließt, in h 7 ‚unter 600 S., innerhalb Ranalt
—_ 24 —
bemerft man Nordfallen. Auf dem Wege von der Mutter
bergeralm zur Wildgrub jteht man Rundhöder und auf der
rechten Seite des Baches hoch oben in den Wänden größere
Nefter weißen Duarzes. Wo ein Streichen abzunehmen ift, geht
es in h 7 mit fenfrechten Schichten, doch tritt auch Hier manche
Verwirrung ein, fo zeigen am Ende des Kefjeld die Gneistafeln
vertifal nach h 11. Die Hornblende tritt in diefer Art Glim- |
merfchiefer fehr untergeordnet auf, nur die Spike des Moos:
berges befteht ganz daraus umd es läßt fich wohl kaum ermit-
telm, wie weit fie unter dem letfchereis weftlich und füdlich
fortzieht. Auch hier find die abgeftürgten Blöce reich an Mi:
neralien, welche die Hornblende gern begleiten; Epidot, Eifen-
glanz, Fitaneifen, brauner Glimmer, Chlorit, Ovanat und bie-
weilen eingefprengt Eifenfies. Ohne fih zu entfchiedenem Gneis
zu erheben greift diefer Glimmerfchiefer über in’ Gfchnig- und
PBinniferthal, wo man auf dem rathe des Joches fehr gut
beobachten fann, wie er allmählig in die aus andern ‚Gegenden
befannten Arten übergeht, ferner Über den Grath der Brenner:
fpige in das Oberbergthal, wo die gern befuchte graßreiche IB-
alm liegt. Er jest einen der höchiten Berge, die Habichtfpige,
zufammen, an deren norbiweftlichen Abhange mehrmals Funde
von Bleiglanz, Kupfer und Eifenfies gemacht wurden. Lebterer
ift wie der Glimmerfchiefer des Stubai öfters in größeren Kryftallen
ausgefchieden, wie mir deren ein Senner zeigte, jedoch in der Mei-
nung, daß es Golverz fei, für befcheivenes Geld nicht verfaufte.
Der fehr befchmwerliche und nicht ganz gefahrlofe Weg durch
das Pangethal über das Trauljoch und von da nach Lappones
windet fich über Glimmerfchiefer empor, das Geftein ift hie und
da eifenfchüfftg und bietet fonft nichts Merfwürdiges. Die Ge-
hänge der Waldfchlucht, welche von Neuftift nordiwetlich gegen
Bärenbad zieht, beftehen aus den verfchiedenen Varietäten des
Sneifes und Glimmerfchiefers, die wir bei Neuftift bereits be-
fchrieben. MWendet man fich vom Bärenbad nördlich, fo gelangt
man auf fteilen Pfaden zum Grathe des Joches. ES ijt ge-
wöhnlicher Glimmerfchiefer, der Abhang und Scheitel zufammen-
— 215 —
fest. Das Dolomitgebirge rechts laffend, welches lebhaft an die
Belfenzaden YUmpezz08 erinnert, gelangt man ofne große An-
ftrengung durch das Sendersthal nach Arams, welches bereits
auf der Diluvialterrafie liegt. Der Charakter diefer Querthäler
— dad Gerolds-, Wieden-, Senders, Faticher-, Melach-,
Gleird- und Kraspesthal — ift ziemlich einförmig; an Länge
feinesiwegs gleich, durchqueren fie den Glimmer- und Horn:
blendefchiefer, welcher unter Nordfallen durchfchnittlich in h 7—8
ftreicht, von Sid nach Nord und jtellen fich fajt fenfrecht auf den
Bogen, den das Sellrain vom Kreuzjoch, dem Zirmbach und
der Melach entlang bis Kematen um den Gebirgsgrath des
Griesfogels, Schaflegerd, Meilfteins und Roßkogels befchreibt.
Wer das Fatfcher- und Melachthal befucht hat, Fann fich den
Weg in die übrigen erfparen. Das Gerolds-, Wieden, Sem
ders- und Fatfcherthal find der Reihe nach an Länge zuneh-
mend in Glimmerfchiefer vertieft, mit dem hie und da ein Horn-
blendezug wechfellagert. Der Glimmerfchiefer ift gewöhnlicher
Art; der Glimmer- meijt überwiegend, der Quarz bisweilen in
bläulich-grauen Linfen, um welche jich die Glimmerblätter wellen-
förmig biegen, ausgejchteden. Betreten wir die Schlucht des
Geroldsbaches, fo ftehen vechts und linfs die faft vertifalen
Schichten eines Schieferd mit filberweißem, tombadfbraunem oder
graufchwarzem Glimmer, dazwiichen Lagen erbfengroßer Duarz-
linfen, welche Glimmer einhüllt, wie an den Nodhöfen. Diefes
Geftein ift jehr compaft. Die Hornblendeftreifen bald 2-3,
bald 14—15 Fuß mächtig, enthalten Feine Granaten und Epidot-
adern. Der Glimmerfchiefer ift an der Oberfläche braun. An
einer Stelle des rechten Bachufers ift eine 3—4 Zoll diee nach
‚oben bald ausfeilende Lage eines jchtwarzen, mulmigen, faft zer-
reiblichen, graphitifchen Schiefers mit Effloreszenzen von Bitter-
und Eifenfalz. Graphit überzieht öfters die Zufammenfegunge-
‚ flächen des Schiefers, eine untergeordnete Lage deffelben, bei der
Ehlorit eintrat, ijt in Handftüden von Thonglimmerfchiefer gar
nicht zu unterfcheiden. Ein ähnliches, aber auch nur unter:
georonetes Borfommen traf ich an der Südfeite des Pinniferjoches
— 2116 —
Die Bergfette nördlich von Sellrain bis zum Murlfopf,
joweit fie in unfer Gebiet reicht, ift zufammengefegt von Glimmer-
und Hornblendefchiefer. Ein Streifen verfelben zieht in h7—8
faft fenfrecht von Sft. Duirin über den rauhen Kopf nördlich
des Meilftein und der Schaflegerfpige gegen das Kreuzjoch. Am
weitlichen Abhange des Rofogeld findet man im filberweißen |
Slimmerfchiefer Granaten, Cyanit, Staurolit) und Turmalin,
Das Vorfommen diefer Mineralien ift jedoch fowohl in Bezug
auf Kryftallifation al8 Farbe nicht jehr fehön.
Wir gehen auf dem Mittelgebirge von Oberperfuß nach
Ranggen und bewundern hier, welch gewaltige Maflen von
Diluvium aufgefchüttet wurden, um Höhen und Vertiefungen
des vorliegenden Mittelgebivges zu einer Zerrafie zu ebnen. Es
ift wohl kaum möglich hier an Moränen zu denken, wenn man :
Ausdehnung und Bau diefer Anfchwenmungen, in denen mit
Mafien groben Schotterd und Gerölles Lagen von Sand und
Kies wechfeln, aufmerffam betrachtet. Doch werden wir ung
jchwerlich eine Borftellung von den Kräften und der Zeitlänge
machen, durch welche und in der fie entitanden. Gegen Norden
fallen fie meift fteil ab, ein Beweis, daß der Inn, welcher, ale
noch die Urwälder ihre Wipfel fchüttelten und vor der Gewalt
ded erwachenden Scirocco die Öletjcher zurückwichen , größere
MWafjermafjen geführt haben wird, allmählig die jegige bei Zixl
jumpfige Ihalfohle ausgewajchen hat. Man gelangt von In-
zingen über das Hundsthal nach Sellrain; Olimmerfchiefer und
Hornblende bieten jedoch nichts Neues, exit wenn man von
Slaurling durch das Kanzthal den Uebergang nad) Sft. Sigis-
mund jucht, wird man durch andere Gejteinsarten überrafcht.
(Profil XVII.) Der Bach fließt durch eine tiefe Schlucht. Es
fällt hier ein grauer, ziemlich Fryftallinifcher Thonglimmerfchiefer
hie und da mit Granaten in h 5 fteil Süd; die Schichten find
gefältelt, ftarf gewunden und verbogen. Der Fußpfad am rech-
ten Ufer zeigt Entblößungen genug, um das Verhältnig zum
Gneis, der das Hangende bildet, zu ermitteln. Nirgends ex:
jcheint der Thonglimmerfchiefer jo eigenthlimlich verändert, wie
— Mi —
im Pfitfch, fondern auf eine ziemlich weite Strede wechjeln
Lagen von bleigrauem Thonglimmerfchiefer mit Gneis, bis endlich
diefer herrfchend wird. Er befteht abwechjelnd aus Lagen weißen, .
förnigen Duarzes und grauen, feltener braunen, ftarf glänzenden
Glimmers, welcher die Richtung der ausgezeichneten Spaltbar:
feit beftimmt. Der bläulich-graue Feldfpath ijt in Linfen oft
von Zolllänge ausgefchieden. Diefes Geftein wird, weil es in
die fchönften Platten bricht, nach Innsbrud verfauft und da-
jelbft Häufig zu verfchiedenen Zweden verwendet. E$ ftreicht in
h6—7 und fällt unter 65—7508. Der Uebergang in den
Glimmerfchiefer erfolgt allmählig, indem die Feldjpathlinfen
fleiner und feltener werden und endlich ganz verfchiwinden. Hinter
der Slaurlingeralm verzweigt fich das Thal; wir lafien den
Hocheder rechts und erflettern über Hornblende und Glimmer-
fchiefer den Grat) vor und. Die vertifalen Schichten machen
bier au h7 eine Biegung in h5, bald ftellt fich jedoch die
frühere Richtung her. Indeß ändert auch das Fallen aus Eid
in Nord. Die Hornblende enthält auch hier Granat, Eypivot,
Milchquarz, Felvfpath, Titaneifen. Der Südabhang zeigt Die
gewöhnlichen Gefteinsvarietäten, nur zwifchen Sft. Sigismund
und Gries ift ein Zug von Gneis eingelagert und auch fommt
nebft zahlreichen andern eine Art Glimmerfchiefer vor, die wir
bei Neuftift erwähnten. Abgeftürzt find Blörfe eines Gefteineg,
welches faft ganz aus grauem, vegellos verwachjenen Feldfpath
beiteht und durch Roften des fparfam eingeftreuten Eifenfiefes
an der Oberfläche gebräunt ift. Alle diefe Gefteine find dem
Glimmerfchiefer unter und eingeordnet, alfo faum davon zu trennen.
Wer Mineralien fuchen will, möge fih in das Gleirsthal
bemühen, defien Wände Glimmerfchiefer und Hornblende in
ftetem Wechfel zufammenfeßt.. Jenem find große Nefter fchnee-
weißen Duarzes eingelagert, der früher gebrochen und zur Glas-
fabrifation abgeliefert wınde. Beim erften AlbI ftreicht in h7
ein märhtiger Hornblendezug gegen das Kraspesthal. Auf ver
linfen Seite, ehe man den Uebergang erreicht hat, erheben fich
vegellos Feljenzaden, hinter ‘denen Blod über Blod abgeftürgt
— 2118 —
liegt. Hier hat man reichlich "Gelegenheit zum Sammeln: In
den Duarzneftern der Hornblende teten Andalufitkrnftalle, die
man jedoch auch weiter weftlich im Wuttgetobel trifft; auch große
Nefter von fechsfeitigen Tafeln grauen, perlmutterglängenden oder
braunen Glimmers find eingeftreut, die Kluft überziehen Kruften
hellgrünen Epidotes. Auch ftrahlige Hornblende ift ausgefchieden,
bie und da weißer Fryftallinifcher Kalt, Turmalin, Titaneifen felbit
in größeren Maflen, ebenfo Schwefelfies, Staurolith und
Syanit.
Hinter Gries vermwüftete ein Bergfturz, der ungeheure Blödfe
eines faft mafjigen Glimmerfchiefers über Felder und Häufer
warf, die linfe Thalfeite. Weiter aufwärts, ehe man gegen
Brarmar, einen beliebten Sommerfrifchort, emporfteigt, ftreicht
der gutgefchichtete Glimmerfchiefer in h 7 und fällt unter 5008.
Unter Brarmar erweitert fich das Thal; diefes moofige Baflin
war vermuthlich einjt ein Fleiner See. Dahinter liegt die Lifener-
alm oder Sft. Magdalena, ein föftlicher Befis des Klofters |
Wiltau, die Schutthügel in der Nähe jind wohl alte Moränen.
Ueber die Mineralien, welche hier aufgefucht und von den Sen: |
nen in den Handel gebracht wurden, möge man Stottere
Monographie: „Die Desthaler - Mafjer nachlefen. Das
Thal durchqueren abmwechfend Züge von limmer: und Horn-
blendefchiefer, die in h 8-9 unter 35—450N. fallen. Hat
man den Hintergrund des Thales erreicht, fo fann man rechts }
dem Semelbach entgegen über Gletfcher den gefährlichen Pfad
ins Desthal fuchen, linfs erjteigt man nicht ohne Bejchwerde
das von Steingeröll überfchüttete Joch, defien Fortfegung, die
Billerfpige, ihre Abhänge gegen die Igalm erjtret. Bom Als
peiner-ferner und dem Thale bis Bärenbad hat Stotter bereits
in ausführlicher Weile berichtet. Ich erwähne nur noch das
Vorkommen von Chloritichiefer mit Schwefelfied an der rechten
Thalwand unweit Eeduf. Der Hintergrund des Melachthales
ift durch die fchöne Phramide des Hoch-Fernerd und die Eis-
ftröme der Kaiferföpfe abgefchloflen. «Profil XVII.) Diefe
Berge beftehen aus maffigem Gneis, der ohne Spur von
— 219 =
Schichtung in ungeheure Blöde zerflüftend, das Material für
die Moränen bietet, welche die Gletfcher vor fich herfchieben.
Diefer Gneis, reich an weißem oder graulichen Förnigen Duarz,
arm jedoch an weißem Orthoflas, den man am Schimmer der
Spaltungsflächen leicht erfennt, ift von parallelen Slafern braun:
lichen Glimmers durchwirft,. Die Commiffüre des geognoftifch-
montanifchen Vereines waren anfangs im Zweifel, ob fie ihn
nicht als Glimmerfchiefer bezeichnen jollten, entfchieden aber für
Gneis, eine Meinung, der auch wir beitreten und für welche
nebjt den Gemengtheilen die Struftur der Bergmaflen fpricht.
Die Ausdehnung diefes Gneijes bis im’8 Desthal und Stubai,
fein VBerhältniß zu andern Gefteinen und jo manches, was noch
für die Wifjenfchaft von Interefie wäre, zu beobachten hindern
die coloffalen Gletfcher, welche felbjt von den Thalbewohnern
faum betreten und nur felten zu Webergängen benußt werden.
Der Glimmerfchiefer des Sondes- und Pflerfchthales ijt fehr
quarzreih und von einigen Sornblendeitreifen durchzogen,
fonft zeichnet er fich durch nichts aus, was befonders hervor:
gehoben zu werden verdient. Auf dem Sattel zwifchen Sondes
und Pflerich jtreicht er in h 9-10, 40% N.O. Jm übrigen
verweifen twir auf Stotter, bemerfen jedoch, daß der Glimmer-
fchiefer in PBflerfch viel weiter am Ihalgehänge gegen Südojt .
reiche, als die ältere Karte angibt. Wo Zufammenhang und
Befchaffenheit des Gefteines jo deutlich fprechen, fcheint die Erz-
führung fein ausreichender Grund diefe Schiefer dem Augen-
schein entgegen zum Thonglimmerjchiefer zu zählen.
Die Anthracitformation.
, Slimmerfchiefer und Gneis — leßterer jedenfalls von dem
in Schmirn, welcher fih aus Thonglimmerfchiefer entwidelt, ver-
ieden — boten uns feine Handhabe, fie irgend einer For-
1 ation anzureihen und wir fönnen nirgends einen Schluß wagen,
velcher Beichaffenheit etwa die Gejteine fein mögen, aus denen
fie umgewandelt wurden. ' Jet erreichen wir feftern Boden.
— 20 —
Im Dorfe Steinach erhebt fich Hinter dem Pofthaufe an
der Gill ein Fels feinförnigen grauen Kalfes; fteigt man über
die Diluviallehnen gegen Plan empor, fo ift das erfte Anftehenve
ein fehr Furzfplitteriger, feinförniger, weißer, vothgefleckter Kalk,
den man ziemlich weit gegen Welten verfolgen fann, wo feine
Farbe grau ift und bei faft fhliger Lage fehr deutlich die Schich-
tung hevvortritt. Auf den Ablofungsflächen erfcheinen. bisweilen
Striemen eines Minerales, das faft in allen Eigenfchaften dem
apfelgrünen Zalf von Zilferthal ähnlich, nur etwas härter ift
als diefer. Man fann bei diefen Kalfen, welche als Straffen-
jhotter verwendet werden, fehr in Zweifel fommen, wohin man
fie zu ftellen hat; wir reihen fie nur vorläufig der Trias ein,
welche auf der Gegenfeite des Thales große Berge bildet, weil
fie weiter füdlich bei Nößlach dem Thonglimmerfchiefer auf
lagern. Freilich führt etwas tiefer der Fußpfad durch eine
Schlucht, deren Seitenwände ein Quarzichiefer zufammenfept,
welcher völlig jenem gleicht, den wir ald Begleiter des liaffifchen
Serpentins hinter Pfons Fennen lernten. Allein die petrogra-
phifche Aehnlichfeit ift ein Merkmal zweifelhaften Werthes, das
nur im DBereine mit anderen ein Gewicht in die Wagfchale
wirft. Wir geftehen in diefen Fällen lieber Unwiffenheit
und Zweifel, anftatt den Lefer irre zu führen. Oteigt man
vom fumpfigen Nößlacher Plateau füdweftlich den Abhang des
Berges empor, jo erreicht man einen Kalfzug, der. faft in ge:
vader Richtung von Süd nach Norden über die breiten Lehnen
zum Joche emporftrebt, defien außerften Gipfel er formt. Wo
Schichtung wahrnehmbar, ift fie faft vertifal. Der Kalk, deffen
Mächtigfeit etwa 20-30 Fuß betragend nach oben allmählig
zunimmt, ift feinförnig, anfangs faft weiß, Fiefelig, eingefprengt
find fleine Nefter Bleiglanz und Fahlerz und ‘Barthien von
Anferit. Am Gipfel fegt diefer mit blätterigem Spatheifenftein
faft ganz das Geftein zufammen, doch erfcheinen auch Kleine
dleden und Lagen von Thonglimmerfchiefer und Glimmerblättchen.
Das Geftein ift durch Verwitterung an der Oberfläche braunroth
geworden. Meberdieß fteht 8 auch bei der Rudalm und an
— 11 —
verfchiedenen anderen Punkten des nördlichen Abhanges aus dem
Boden empor und gemahnt auffallend an jene Köpfchen im Tarn-
thal, deren Erzführung wir befchrieben. Es ift nicht unwahr-
feheinlich, daß diefe Kalfe zur Anthracitformation gehören, fie
lagern am Nordabhange des Steinacherjoches unter und über
den Conglomeraten. Zunächft diefen Kalfen gegen Weiten folgt
auf dem Steinacherjoch eine mächtige Gonglomeratbildung, deren
Ausdehnung nach allen Seiten auf dem breiten, fanft abfallen-
den Berglehnen Wald und Mahd verdeden. Diefes ijt aus
Duarggeröll verfchiedener Größe und Blättchen filberweißen
Ölimmers fo feit verbunden, daß man es fehr gern zu Mühl:
fteinen verwendet. Spuren von Kalf werben durch Salzfaure
nachgewiefen. Seltener find in diefem Gonglomerat Stüdchen
glänzender Anthracit eingefchloffen. Diefes Conglomerat geht
hie und da allmählig in Sandftein und Sandfteinfchiefer über,
und verlieren fich die Dutarzförner ganz, fo dat man einen fehr
glimmerreichen milden Schiefer von grauer oder fchwarzgrauer
arbe mit fchlecht erhaltenen Pflanzenreiten. Oft wird diefer
Schiefer pechfcehwarz und glänzend, er blättert leicht ab und fteht
beim Verfchwinden des Glimmers einer Olanzfohle nicht unähn-
lich. Dadurch verräth er die Nähe der fogenannten Nöplacher-
erde, welche fowohl am Steinacherjoch ald im Balzaming ges
graben und zum Färben des Tabafes in die Aerarialfabrifen
geliefert wurde. Es ijt eine fchiwarze leicht zerbröfelnde, fait
graphitifch ausfehende Erde, die Lagenweife vorkommt und in
jehr einfacher Weife mit Schaufel und Piel zu Tag gefördert
wird. Im den begleitenden Schiefern fommen eine große Menge
Pflanzenvefte vor, wenn auch wegen der Brüchigfeit des Ge:
fteines faum etwas Ganzes zu erhalten ift. Außer mehreren
Arten von Farren glaube ich Annullaria und Sphenophyllum
erfannt zu haben. Die Befchaffenheit der Gefteine ftimmt ganz
mit den Anthracitvorfommen, die man anderwärts auf der
Stangalpe, in Wallis und Tarantaife entderkte, ed Fann daher
über ‚die Stellung Ddiefer Conglomerate fein Zweifel fein. Da
die Gefteine auf dem Steinacherjoche Durchfchnittlich in h11—1
u
vertifal ftehen, jo läßt fich hier über die ordentliche Lagerfolge
nicht ficheres aufitellen, doch jchildern wir das Profil über dem
Grath des Joches von Oft nach Wet, indem wir bei der Si
beginnen. (Profil XXIII.)
1.
. Duarzgeftein.
. Duarzichiefer.
. Kalt in h7, 250 N. Oberer Alpenfalf?
. Ralfiger Thonglimmerjchiefer.
. Ralf und Spatheijenftein, an der Oberfläche rothbraun
oo» ww
10,
11.
12.
13.
Ralfiger Thonglimmerjchiefer.
verwittert,
. Gonglomerat.
. Eipollin, weiß oder gelblich feinförnig.
. Ralf, an der Oberfläche rothbraun mit einem hellbraunen
Geftein, ähnlid) einer Breccie von Rauchwade faft wie
am Mebergange des Mölsthals.
Kalfiger Thonglimmerfchiefer.
Kalk, an der Oberfläche rothbraun verwittert.
Zhonglimmerfchiefer.
Liaffische Kalkfchiefer.
Beflere Auffchlüffe gibt der Trumergraben, den man in
einer halben Stunde von Trins Über alte Moränen und Ge:
birgsfehutt hinfchreitend erreicht. Er zeigt von Nord nah Süv
folgendes Profil: (Profil XXV.)
1
2:
3.
or
Diluvium.
Oberer Alpenfalf.
Garditafchichten in h 7 gegen S. fallend, wohl charaf-
terifivt eva 15 Fuß mächtig. Darüber lagert, was
3. DB. auh am Unug vorfommt:
. Oberer Alpenfalf.
. Kalfjchiefer des Lias, veich an Glimmer, und grauer
Thonglimmerfchiefer.
. Liasfalf, feinförnig, fchneeweiß oder grün gebändert.
. Zhonglimmerfchiefer mit ehr verbogenen Windungen.
Da der Quarz in Körnern und Linfen ausgefchieden
_ 3 —
ift, fteht diefes Geftein manchem Bonglomerat im Auß-
jehen nicht fern.
8. Rother Kalf mit Spatheifenftein; er ift maflig und
reicht auch auf Das andere Ufer des Baches.
9. Gonglomerat, in feinem Fortftreichen gegen Dften ent-
hüllt ed Lagen von Schiefer und Nößlachererve. Hier
wird fie auch gegraben, während man ed auf dem
Steinacherjoch des fchiweren Transportes wegen unter
ließ. Doch find Dafelbit die Gruben noch wohl zu
jehen. Im Balzaming, dem Graben öftlich von Trumer-
bach folgt nun auf das Gonglomerat wieder ein Stod
Eifenjpath und Ralf.
10. Thonglimmerfchiefer von hier bi6 über das Joch gegen
Oberberg. Er ift quarzig und trägt am Muttefopf
wieder liaffifche Schiefer und große Stöde von Eifen-
path und Kalf, welche man von weitem an der röthz
lichen Oberfläche erfennt.
Wenn wir nun die Lagerung der Gejteine, welche den Grath
zwifchen Gfchnig und Obernberg bilden, betrachten, fo erfcheint die-
felbe ziemlich verwidelt, Während wir vorn am Steinacherjoch
ein faft füdnörbliches Streichen der vertifalen Schichten beob-
achteten, zeigt der Trumergraben Südfallen in einer oftweitlichen
Richtung des Streichens. Es muß hier eine Wendung over
Einfnifung erfolgt fein, deren Biegungen die Nafendede ver
hült, Ienfeits des Foches gegen Obernberg fallen die grob-
förnigen grauen Kalfjchiefer in h3N. Wenn uns fchon Die
topographifchen Berhältnifie verwirren, jo geichieht Diefes noch
mehr durch die Fare Aufeinanderfolge der Formationen: Obere
Trias, unterer Lind und gleichmäßig aufgelagert — die Anthracit:
formation. In der Tarentaife find liaffifche, und Anthracit-
bildungen auf das engfte verfchlungen, nach den Andeutungen
berühmter Geognojten ward dafelbit Unzufammengehöriges durc)
die eingreifendften Störungen vereint, Die Schranfe der Zeiten,
welche die geologifchen Stufen trennt, durch. die. Hebungen, bie
den Alpen: ihre, Geftalt verliehen, zerfprengt worden. Andere
_ mM —
dagegen behaupten, daß die Pflanzenabdrüce der Steinfohlen-
periode und des Bias nicht erft nachträglich durch mechanifche
Gewalt zufammengeworfen, fondern gleichzeitig feien. -Diefer
Anficht wiverfprechen die Lagerungsverhältniffe unferes Gebirges
nicht, wer fich zum Gegentheil befennt, muß die gewaltigiten
Brüche, Verfchiebungen und Ueberrollungen annehmen. Wir
berichten einfach die Thatfachen, ohne und zu erlauben in den
Kampf wiffenfebaftlicher Autoritäten drein zu veden. So viel
jeheint wenigftens gewiß, daß unfere Anthracitformation eine
Landbildung fei, während die Gailthalerfchichten auf der Süd-
feite der Alpen dem Meere ihren Urfprung verdanfen.
Untere Trias.
In Stubai links am Hohen Burgftall, vechts am Zeibach,
finden fich Duarzeonglomerate; fie ruhen auf Glimmerfchiefer
und ihr Hängendes ift oberer Alpenfalf, der an der Gerlos
wieder untern Lias trägt. Diefes Geftein, welches Stotter am
hohen Burgftall in feiner Abhandlung befchreibt, it wohl Veruc-
cano. Am Zeibachgraben erreicht diefes Cunglomerat höchftens
eine Mächtigfeit von 20 Fuß und zieht fich auch eine Fleine
Strefe in das Pinniferthal. E8 befteht aus Duarzgeröll ver-
fehiedener Größe und Duarzfand; wenn fich die zahlreichen
Blättchen grauen Glimmerd lagenweife vereinigen, hat das Ge-
ftein große Aehnlichfeit mit manchem Thonglimmerfchiefer, doch
wird e8 von diefem durch die zahlreich eingeftreuten Magnet:
eifenerzförner leicht unterfchieden. Auch Gelbeifenfies tritt bisweilen
eingefprengt oder in größeren derben Maffen auf. Durch die
Verwitterung Diefer Beftandtheile mag jenes vderige Geftein
entjtehen, das man an einigen Punkten, 3. B. dem Pfrimes als
Liegendes der Kalfe beobachtet. Ueber diefem Conglomerat, over
wo es nicht entwicdelt ift, unmittelbar über dem Glimmer-
jhiefer liegt ein dunkler feidenglänzender Schiefer, der mit Salz-
fäure etwas aufbrauf’t. Nach aufwärts wechfelt er mit dunfeln
Kalfen und geht in felbe über, Die Schiefer zeigen hie und da
— u —
Blättchen von weißem Glimmer, auch die Knötchen finden fich
an Stücden, welche durch Aufnahme von Duarzfand völlig den
Garditafandfteinen gleichen, wie im Txrumergraben. Die Schiefer
find aus den Mergeln der Carditafchichten entftanden; in der
Nähe des Pfrimes habe ich Betrefaftenfpuren entdeckt, welche,
wenn auch nicht vollfommen beftimmbar, doch die entjchiedenfte
Aehnlichkeit mit den Durchfchnitten der Cardita zeigen, der man
im den nördlichen Kalfalpen jo häufig begegnet. Auch eine
Bivalve flachgemölbt mit Rippen fieht man bisweilen, fie gleicht
ganz derfelben Art, von welcher Bruchftücde bei Thauer und an-
derwärts vorfommen. Man wollte diefe Schiefer auch fchon zum
Dachderfen verwenden, fie find jedoch durch ihren Gehalt an
Eifenfics der Verwitterung ausgefegt. Sie find nicht an eine be-
ftimmte Etage gebunden, man begegnet ihnen auch höher noch
wechfellagernd mit den Dolomiten. Noch weiter find diefe Schiefer
am Tribulaun metamorphofirt, wo man einen Streifen verfelben,
wahrfcheinlich ald Gränze gegen den Lias hoch oben an den
Wänden föhlig Hinftreichen fteht. Sie vengiren gegen Salz:
faure nicht mehr, gleichen völlig dem Thonfchiefer und ent-
halten zahlreiche Blätichen ftarf glänzenden braunen Glimmers.
Wer noch zweifeln könnte, daß die erwähnten Gefteine den Gar-
ditafchichten angehören, dem zeigen wir auch die Riefenoolithe,
welche an der Gränze gegen den untern Lias erfcheinen, auf
verfchiedenen Stufen der Umwandlung. Wenn man auf dem
Wege von Stubai zur Waldraft rechts in eine Runft, wie fie
von den Wänden der Serlos einbrechen, hineinfteigt, fo findet
man aljobald Garditafchiefer und Blöde von Riefenoolith; die
Struftur der Körner, ihre Umriffe und die Mufchelfragmente,
um welche fie fich bilveten, find völlig deutlich auf der braunen
angewitterten Oberfläche. Auf frifchem Bruche gleichen fie dem
Shonfchiefer, um die Körner, deren Struktur hier“ faft dicht ift,
legen fich feine eifengraue Glimmerhäutchen, die auf Querbrüchen,
wenn die Körnchen Elein find, mafchig erfcheinen. Auch im Pin-
niferthjiale liegen Stüde diefer Oolithe; im Gfehnig ift ihre Me-
tamorphofe noch weiter vorgefchritten, die Struftur ” eben noch
fenntlich, doch ziehen fich feine Adern weißen Kalfes hinein; im
Pflerich find fte faft fchwarz, an den Zufammenfegungsflächen
jelbft graphitifch. Wenn fich diefe Oplithe überall ausmitteln
ließen, wären fie der bejte Horizont um Trias und Las, deren
metamorphe Gefteine fch oft täufchend ‚ähnlich jehen, fcharf zu
trennen; die Befchaffenheit des Gebirges ift jedoch auf lange
Streden nicht zu überwinden und der Geognoft muß‘ fich
öfters begnügen nach Gründen der Wahrfcheinlichfeit zu ent-
jeheiden. Ueber diefen Schiefern und mit ihnen wechfellagernd
ruhen regelmäßig gefchichtete dolomitifche Kalfe. Das Gejtein
verbreitet beim Anfchlagen einen unangenehmen Geruch nad
Schwefelwaflerftoffgas, ift fehr feinförnig, fchneeweiß, bläulich-
grau oder grau mit weißen Adern, ahnlich den Kalfen der Martins-
wand, bisweilen enthält e8 Fleine Kryitalle von Schwefelfies und
weiße Glimmerfchuppen. An der Serlos bemerft man Barthien
fleifchrothen Kalfes, welche denen des Gleirfchthales entfprechen.
Das Geftein ift oft außerordentlich Furzklüftig, 3. B. am Zei-
bach und im Pflerfch der lange Zug vom Brenner bis zum
Tribulaun, fo daß e8 fchwer wird ein Handftück zu schlagen.
&8 fann wohl fein Zweifel darüber walten, daß. es oberer
Alpenfalf fei. Die Spigen des Pfrimes, der Saile, wo
v. Hauer undeutliche Ghemnizienvefte fand, des. Ampfer-
ftein und der Kalffögel, füdwejtlich von Innsbrud und nördlich
von Stubai, gehören diefer- Formation ganz an. Während fich
nördlich die Gränze zwifchen Glimmerfchiefer und Kalk über
4000 Fuß hinzieht, und gegen Weften noch höher fteigt (über |
70009, fenkt fie fich im Stubai tief in das Thal. bis 3000 Fuß.
Es Hat fich daher die Ablagerung von Kalk und Earditafchichten den
bereits vorhandenen Erhöhungen und Vertiefungen des Ölimmer-
Ichiefers »anbequemt, und obwohl. fich metamorphofivende. Ein-
flüfje geltend machten, welche die nahen Kalkgebirge. nördlich des
Inn faum berührten, fo waren fie doch von feinen bedeutenden
Schichtenftörungen begleitet, wie dort, wo alles durcheinander:
geworfen und verfchoben erfcheint. Die Schichten des Ampferfteing
falfen unter einem flachen Winfel gegen Süden, ja find bisweilen
u VER m
faft fchiwebend. Im Gfehnig fallen die Schichten des Kaltes
nördlich von Trind erft unter einem Winkel von 180, dann von
109 füdöftlich, Fudlich im Trumergraben unter 250 gegen Süd»
often. Es läßt fich überhaupt beobachten, daß in den Senfun:
gen und Einfchnitten der Thäler die Schichten diefer Gefteine
fihh mehr neigen, während fie in den Gebirgsftöcken meiftens
nahezu flach liegen, als ob dort Unteriwafchungen das urfprüng-
liche Verhältniß gejtört hätten.
Der Lius.
Es ift jchwer möglich, all. die mannigfaltigen Gefteine nur
annähernd zu fehildern, welche unzweifelhaft dem Lias angehören.
Winde im Tarnthal der Lias durch die Betrefaften nachgewiefen,
fo ijt er hier ‚beftimmt durch die Lagerung über dem obern Alpen-
falk,, durch die Nehnlichfeit der Gefteine mit jenen des Larn-
thales und durch PBetrefaftenfpuren, welche, wenn auch nicht
beftimmbar in Gattung und Art, doch in der Weile des Vor-
| fommens völlig mit denen des Tarnthales ftimmen. Der Lias
ift noch viel mehr verändert al8 die Trias, fo daß man glauben
, möchte, die metamorphofirenden Kräfte hätten von oben in die
Tiefe gewirkt. Es find Schiefer, manchem: Thonglimmerfchiefer
zum Berwechfeln ähnlich, — felbft die eigenthümlichen Nefter aus
; Duarg und großblätterigem eifenfchüffigen Ralkfpath finden wir, —
fchneeweiße oder graugebänderte, ausgezeichnet Fryftallinifche, fein-
förnige Ralfe, die halb durchfcheinend dem Mlabafter ven Vorzug
ftreitig machen, und wenn fie in größeren Stüden zu erhalten
wären, am Werth dem parifchen und carrarifchen Marmor kaum
nachjtünden, graue Förnige Kalkfchiefer mit Schwefelfieswürfelchen,
wie wir fie vom Brenner fennen ; Kalf von röthlicher oder grauer
Farbe mit Schwefelkies, dergleichen wir im Tarnthale und auf
der Mölsjcharte fahen; bunte Kalfbreccien durch weißen Kalk:
fpath auf das zierlichite verfittet. le viefe Gefteine unter:
liegen nicht den Gefegen regelmäßiger Aufeinanderfolge, fte wechfel-
lagern miteinander oder fommen auch nebeneinander vor. —
Nördlich von Trins führt ein bequemer Steig ” „ein Thal,
urn =
zunächft fteht oberer Alpenfalk an, er ift von außen weiß, ftaubig,
auf feifchem Bruche grau in rhomboidale Stüde zerflüftend;
die Schichten von 1—3 Zuß Dide fallen in h 5 unter 180 8.0.;
weiter. oben erheben fich einige Köpfe eines grauen, fplitterigen
feyftallinifchen Kalfes, der unter 100 S. inh 7 jteeicht und vielleicht
bereit dem Lias angehört, deffen Gränze die. Vegetation: ver-
dedt. Wendet man fich linfs,- fo erreicht man herrliche Mähder
bis zum Abfturz der Schluchten des Kirchendaches. Hier findet
man in ziemlicher Ausdehnung einen grauen oder grünlich-grauen
Schiefer mit Du und Kalflagen ähnlich dem Thonglimmer-
fchiefer, unter dem tief unten in der Schlucht faum zugänglich
eine Lage des metamorphen Riefenoolitö8 vorkommt: — zufrieden
auch nur einen Gränzpunft zu haben, dürfen. wir nicht wagen
das Streichen diefes Gefteines zu verfolgen, jo. jehr ung aud)
daran liegen möchte, Lind und Trias auf der Karte jtreng aus-
einander zu halten Kehren wir an den Fuß des Senfeld- zu:
rüd, fo zeigt und eine Wand von unten nach oben diefes Profil.
(Profil XXV11.)
1.. Weißgrauer dolomitifcher Kalk in dien Schichten faft
maffig, (Oberer Alpenfalf).
2. Splitteriger, grauer, wohlgefchichteter, dolomitifcher Kalk.
3. Grauer Kalffchiefer; er flingt unter dem Hammer, ift
fehr Eryftallinifch, von mittlerem Korn und enthält in
feinem Fortftreichen nach Often, wo er mit. dem. weißen
Marmor wechfellagert, Betrefakten, ähnlich denen von
Tarnthal,
4. Wie 2.
. Rother Kalkfchiefer, feinkörnig, Fryftalliniich mit grauen
Schieferfledten ;. ftellenweife übergehend in die erwähnten
Dreccie.
6. Wie 2.
7. Wie 3.
Die Mächtigkeit diefer Bildungen ift verhältnigmäßig nicht
bedeutend, fie beträgt durchichnittlihd 10—12 Fuß. Db. hier
vielleicht nicht auch eine jüngere Formation, etwa die Aptychen-
[>11
—_— 29 —
fchiefer, eingetreten find? Ohne Betrefaften läßt fich auch nicht
einmal eine DBermuthung äußern. Ich möchte es fehr be-
zweifeln. Vielleicht gehört ein Theil der Schiefer von Tarıı-
thal, wo die Belemniten vorfommen, zu den Fledenmergeln.
Dom Grath des Senfels führt ein fehr fteiler Pfad über
wüftes Steingeröll, welches der gelbe Alpenmohn fchmüdt,
nach Pinnis. Man durchquert hier die bekannten Schiefer,
welche auch zum Dachderfen gebrochen wurden. Weiter aus:
wärts findet man rechts eine Stelle, wo man fehr gut die
Gränze zwifchen Glimmerfchiefer und obern Alpenfalf beobachten
fann. Iener — oder genauer — der ihm zugehörige Hornz
blendejchiefer füllt in h 9-10, 510 NO., während diefer dar
über faft flach aufliegt.
Den Rüdweg nach Steinach treten wir über den Zeibach
an, wo wir. den bereits erwähnten VBerrucano fehen Fönnen.
(Profil XX.) An Wänden grauen, Furzklüftigen Dolomites
vorüber gelangen wir nach großer Befchwerde in den Sattel,
von dem man linfs die Serlosfpise befteigen fann, um fich der
herrlichften Ausficht zu erfreuen. Das Geröll, durch welches
wir aufwärts trachten, ift eine Mufterfammlung aller Gefteine:
Ralfe und Schiefer, die der fo vielgeftaltige metamorphe Lias
vereinigt. In der Scharte fallen die Schichten in h7 unter
200 N. Durchfchnittlich liegen fie viel flacher, ja taft jöhlig
und wir wollten nur ein Beifpiel anführen, daß auch lofale
Störungen zu beobachten find. Ja an einer Heinen Stelle, die
man auf den Weg zur Waldraft fieht, bäumen fie fich aus
der fühligen Lage faft fenkrecht auf. Der mächtige Stod des
Tribulaun, fo vecht der Knotenpunkt zwifchen Gfchnig, Sonde,
Dbernberg und Pflerfch, zeigt im Ganzen und Großen diefelben
Berhältniffe; beachtenswerth find die alten Gruben bei Obern-
berg, wo auch eine lofale Störung der Schichten eintritt. Im
Ganzen genommen ift die Lagerung auch hier wenig geftört, wie
man fich im Sondesthal überzeugen fann, wo am Sattel nach)
Pflerfch der gelbliche dolomitifche Kalk, der nach oben rein weiß
oder bläulich erfcheint, nur wenig geneigt auf Glimmerfchiefer
— BO —
liegt, der in h 9-10 unter 400 N.O. fällt. Höchfte Beach-
tung verdienen die Kalkfappen, welche durch tiefe Thaler umd
Eintiffe "von den Hauptitöden getrennt, Berge von limmer-
ichiefer Frönen. So zwifchen Pflerfch und Gfchnig‘ die Eifen-
und Weißfpige, Tegtere mitten unter Gletfchern. Die Gränze
jwifchen Glimmerfchiefer und Kalf, ver fühlige Schichten zeigt,
verläuft auf Höhen von 7—8000 Fuß. Zwifchen 5—6000 Fuß
mag te betragen am Zindefpis, den das Pinnisthal vom Kirchen:
dach trennt und am fagenberühmten Nenigl im Sondesthal,
welches Stotter befchreibt. Solche vereinzelte Kalfföpfe mögen
in den unnahbaren &letfcherfeldern gegen das Winacherthal
noch inanche liegen, fo wie auch die Gebirge füdlich von Pflerfch
am Delferwiefeberg eine Kappe von oben Alpenfalf tragen.
Wir wollen vom rechten Ufer der Sill Umgang nehmen,
wo die Falfigen TIhonglimmerfchiefer die Auffuchung der Gränge
erfehweren, wie weit erjtredft fich aber am linfen Ufer die fo-
genannte Kalfvede, welche bei Hebung der Gentralalpen in
Feen gerifjen worden jein fol, gegen Süden und Weiten?
Alle diefe Kalfparthien waren einjt im gefchloflenen Zufammen
hange, wie der Augenfchein‘ umwiderleglich beweil’t, fie Haben
jich gewiß viel weiter al8 jegt eritredt, wenn fich auch durch
Hebungen Niffe erzeugten, welche dann die Erofion, der man
in den Alpen jo vieles zu Gute fchreiben muß, zu IThälern er:
weiterte. Wenn auch die Schichten der Kalfe fich parallel diefen
Thälern' fenften, oder auch in Folge von Veriverfungen das
Niveau veränderten, wie vielleicht im ©fchnig, fo wiel läßt fich
sorausfegen, daß hier nie eine Spalte bejtand, durch welche
Gentralmaffen empordrängend alles zeriprengten, jo daß nur
einzelne Irummer da und dort als verlorene Zeugen ehemaligen
Zufammenhanges Fleben blieben. Der Grundftod aus Glimmer-
Schiefer muß nahezu diefelben Lagerungsverhältniffe wie jebt -
gehabt Haben, als fih in dem weiten: tiefen Deeanı Trias
und Lias darüber abjeste; die Störungen, welche fein Fallen
und Streichen bedingten, müßten ihre mächtigen Wirfungen be
veitS geäußert haben und ohne gewaltfame Convulfionen nur
ı& ra
mehr einen fchwachen Einfluß auf die Kalfe während oder nach
ihrer Ablagerung gehabt haben, denn wie wäre jonft eine fo
Ei Aufeinanderfolge, die wir faum anderswo in den Alpen
treffen, uns erhalten geblieben? — Das Kalfgebivge liegt auf
Schiefer — wie bereit gefagt — faft Töhlig oder: ift unter
verhältnigmäßig geringen Winfeln geneigt: ‘Daß es fich mit
Glimmerfchiefer anders verhalte, wird unferm Lefer vielleicht
im Gedächtnifle fein. Er fällt bei Arams unter 450, am Ge-
voldsbach unter 650, bei Mutter und am Holzbach unter 350,
bei Matrei unter. 250 und 300, im Binnifferthal unter 200
30 0, 510, im Gfchnig 30 9, in Sondes und am Tribulaun unter
0, 450, 400; im Pflerfch unter 500, und greifen wir auf
‚Das rechte Sillufer, jo fallen die Thonglimmerfchiefer, zunächt
ven Tarnthaler Köfeln, wo der Lias nur wenig geneigt ift, in
Binfeln von 600-900. Daraus dürfte fich ergeben, daß dag
Grundgeftell, auf dem Trias und Lias ruht, viel bedeutendere
Tallwinfel hat, al8 diefe und daher bereits von dem Abfat der-
jelben manchen Störungen unterlegen fei. Wie erklären wir
jedoch die Verhältnifje der Kalfvedke, deren an fich verhältniß-
‚mäßig geringe Störungen, vielleicht größtentheils auf Berftungen
und Erofion zurücdgeführt werden fünnen? Haben wir eine
Infel vor uns, die von den. dämonifchen Fluten des mythifchen
Byriphlegethon verfchont blieb ? — Oder ift e8 eine Brücke, welche
feft und ficher über den Spaltenrig, durch welchen die Gentral-
Maflen empordrangen, gefpannt war? Oder war in den Gen-
wu überhaupt nicht überall diefe Kalkvede vorhanden, welche
Norden und Süden als Kette der Kalfalpen aufgerollt wurde,
fo daß nur in der Nähe des Brenners ein breiter und mäch-
tiger Meeresarın, aus dem fich Trias und Lias ablagerte, Nord
Jund Süd verband, etwa wie der Canal la Manche Nordfee und
atlantifchen Deean? Dpder war e8 eine Bucht? Eines oder
das andere zu glauben fcheint nicht ganz unberechtigt, denn warum
follten fich nur hier Nefte der Kalfvede erhalten haben, wenn
diefe fich einft über die ganzen öftlichen Alpen erftrecte? Die
Theorie der Spalten erleidet Hiev durch Thatfachen manchen
iR e:
Widerfpruch, fo unbeftreitbar fie auch anderwärts fein
vielleicht wirkten auf unferem Gebiete füdlich des Innes Kräfte
der Art, durch welche auch jest ganze Zander allmählig fich
das Niveau des Meeres erhöhen.
Wir nehmen hier vom Lefer Abfchied ; denn über das Di |
luvium, worüber wir noch zu fprechen hätten, bringt Stotter das
nöthige bei. Er hebt hervor, daß in demfelben fühlich wo:
Innsbruf nirgends Geröll der nördlichen Kalfalpen zu fint
fei und glaubt diefes bei anderer Gelegenheit vielleicht dadurch
erklären zu fonnen, daß hier alte Moränen feien, die aus den
Seitenthälern vorgefchoben wurden. Uns genügt es, auf die
Richtung diefer Thäler Hinzumeifen, welche den Wafferftrömen
den Weg vorzeichnete, fo dag Gerölle der nördlichen Kalkalp
wie fie nach Süden gelangt wären, den Wellen hätten entg
jteuern müffen. In den nördlichen Kalfalpen find feine fo
großen Seitenthäler, welche Ströme hätten erzeugen können mäch-
tig genug, die Fluthen, die aus den füplichen Thälern hervor
brachen, aufzuftauen, oder gar zu überwinden.
Ende.
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Gnsennstiene ne — mm
(< Innsbrucker Gegend >) w.--
(Aa. Pichler.)
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=] Chleritachiefer.
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Erklärung der Zeichen
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Herausgegeben
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für
Tirol und Vorarlberg.
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Herausgegeben
von
dem Verwaltungs - Ausschusse desselben.
Dritte Folge.
Neuntes Heft.
INNSBRUCK.
Druck der WAGNER’schen Universitäts-Buchdruckerei.
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GESCHICHTE TIROLS
in der Zeit
Bischof Egno’s von Brixen (1240—50) und Trient
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Di Ereignisse des 13. Jahrhunderts führten in der Ent-
wicklung des politischen Lebens der deutschen Nation einen
entscheidenden Wendepunkt herbei; sie übten auf die Geschicke
Deutschlands im Allgemeinen nnd seiner einzelnen Theile einen
nachhaltigen und tiefgreifenden Einfluss aus, Nicht nur hatte
die gewaltige Niederlage des Kaiserthums in den unheilvollen
Kämpfen unter den letzten Hohenstaufen den Untergang dieses
Herrscherhauses zur Folge; sondern das Reich selbst war von
der bisher eingenommenen Stufe der Macht und des Ansehens
herabgestürzt und für einige Zeit einem Zustand fast völliger
Anarchie und Auflösung preisgegeben. Die Reiche, die bis
dahin unter deutscher Herrschaft standen, trennten sich los, die
Fürsten rissen Reichsgüter und Reichsrechte zum Nachtheile
der Krone an sich, die Einheit begann sich zu lockern, und die
vielheitliche Ordnung fasste Wurzel; bereits fiengen die Keime
neuer politischer Schöpfungen sich zu entwickeln an: so
fallen in diese Zeit die ersten Anfänge der schweizerischen
Eidgenossenschaft; so wurde damals schon der Versuch gemacht
| zur Gründung eines mächtigen Reiches im deutschen Südosten,
Auch in Tirol erfolgte eine wesentliche Umgestaltung der
bestehenden Verhältnisse, wurde eine neue Grundlage für die
„Staatliche Entwicklung des Landes geschaffen. Bis dahin gab
Is weder einen gemeinschaftlichen Namen, noch ein engeres
politisches Band für die verschiedenen Landestheile, es fehlte
noch an einem gemeinsamen Mittelpunkt für deren einheitliche
u
Gestaltung , selbst das weitere Band, wodurch sie sämmtlich
mit Deutschland verbunden waren, schien wieder zerrissen zu
werden. Der Verfall des Reiches und die Lostrennung Italiens
drohte ähnliche Zustände herbei zu führen, wie nach dem
Untergange des weströmischen Reiches in den Stürmen der
grossen Völkerwanderung, als Baiern in den nördlichen Gegenden
und Longobarden in den südlichen herrschten; oder wie zur
Zeit der Auflösung des grossen carolingischen Reiches, als die
Grenzen des ostfränkischen oder deutschen Reiches und des
Königreiches Italien Tirol durchschnitten. Der letzte Kaiser
aus dem staufischen Hause, Friedrich I. , dessen Lieblings-
gedanke war, den Mittelpunkt des Reiches nach Italien zu
verlegen, zeigte schon offen die Absicht, einen Theil Tirols zu
diesem Lande zu ziehen , und hatte daher die Verwaltung des
Bisthums Trient, das durch den ersten deutschen König, welcher
die italienische Krone trug, mit Deutschland vereiniget worden
war, einem italienischen Beamten übergeben. Nach dem Tode
Kaiser Friedrichs II. trachtete der mächtige Ezelin von Romano
das Gebiet von Trient in seine Gewalt zu bringen, er suchte
es durch wiederholte Einfälle heim und hatte sich desselben
schon theilweise bemächtiget; wären die weitaussehenden Pläne
dieses Mannes gelungen, würde Trient vielleicht für immer zu
Italien gehört haben. Diese Angriffe von Süden her, die nach
der Niederlage und dem Tod Ezelin’s für einige Zeit unter-
brochen wurden, erreichten zwar ihren Zweck nicht, sie }
hatten aber dennoch wichtige Folgen, indem sie die Entstehung
einer neuen Macht begünstigten, die von da an die massgebende
im Lande war.
Um diese Zeit erloschen in kurzen Zwischenräumen die
mächtigsten Grafengeschlechter und Graf Albert von Tirol und
seine Erben aus dem görzischen Hause trachteten alle ihre
Besitzungen an sich zu bringen. 'Gelang ihnen dieses , so musste
nicht allein die Lehensherrlichkeit der Bischöfe von Trient und
Brixen, von denen die meisten und wichtigsten Lehen herrührten,
beeinträchtigt werden, sondern es war damit das Uebergewicht
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des Vasallen entschieden und selbst die unabhängige Stellung
der Lehensherren gefährdet. Die Bischöfe mussten daher im
Interesse ihrer Kirchen dieses zu verhindern suchen und es
wurde dem Grafen Egno von Eppan die schwierige Aufgabe zu
theil, erst in Brixen, dann in Trient für die Aufrechthaltung
der alten Ordnung in die Schranken zu treten, Allein die
Zeitumstände waren ihm nicht günstig, erst musste er als
Bischof von Brixen geschehen lassen, dass die andechsischen
Lehen von der Brixner Kirche an den Grafen von Tirol über-
giengen, und dann als Bischof von Trient unter viel misslichern
Verhältnissen den Kampf gegen die verstärkte Macht des
Vasallen abermals aufnehmen. Als er vom Papste zum Vor-
steher der Kirche des hl. Vigilius berufen wurde, fand er sein
Bisthum in den Händen seiner Feinde, und als er nach 5 Jahren
durch grosse Opfer in Besitz desselben gelangt war, sah er
sich genöthigt alle Mittel aufzubieten, um die Angriffe Ezelins
abzuwehren Auf diese Weise waren trotz der ausgebildeten
weltlichen Macht, welche den Bischöfen von Trient zu Gebote
stand, seine Kräfte so gelähmt, dass auch hier dem Grafen von
Tirol der Sieg leicht gelang. Dieser Sieg ist eines der
wichtigsten Ereignisse in der Landesgeschichte ,„ er schuf
einen neuen. Mittelpunkt für die staatliche Entwicklung Tirols.
Wäre die staatliche Gestaltung auf den bisherigen Grundlagen
geschehen, würde sich ein trientnerisches Fürstenthum im Süden
und ein brixnerisches im Norden gebildet haben ; dadurch aber, dass
eine neue Macht entstand, welche bald die grössern und
wichtigern Landesgebiete umfassie und in Folge ihres Ueber-
gewichtes auch auf jene Theile, wo noch die Bischöfe die
Landeshoheit zu wahren vermochten, grossen Einfluss übte, war
- die. Entwicklung eines einheitlichen Ganzen angebahnt; es
- beginnt demnach hier die Geschichte der gefürstelen Graf-
schaft Tirol.
Eine gründliche auf unmittelbare Quellen gestützte Be-
- arbeitung des soeben in einigen allgemeinen Zügen gezeichneten
- Gegenstandes wäre ein sehr interessantes und dankbares
RE
Unternehmen für einen tirolischen Geschichtsforscher. Dieses
zu leisten kann sich jedoch der Verfasser vorliegenden Aufsatzes
nicht anmassen, sein Zweck ist nur, dazu hier einiges Material
zusammenzustellen. Die Aufgabe, welche sich derselbe gestellt
hat, soll sein: eine kurze Darstellung der politischen
Zustände des Landes vor der Mitte des 13. Jahr-
hunderts, der Veränderungen, welche dieselben
erlitten in der Zeit Bischof Egno’s, und der Schick-
sale dieses Mannes, welcher zu den angedeuteten
Veränderungen in nächster Beziehung stand.
I.
Es gibt wenige Länder, in denen die Macht geschichtlicher
Entwicklung, über natürliche Grenzscheiden und nationale Ver-
schiedenheit der Bewohner sich hinwegsetzend , als so über-
wiegendes Element in der Staatenbildung sich bewiesen hat,
wie in Tirol. Nicht war hier durch von der Natur unver-
rückbar festgestellte Grenzen, über welche die Geschichte nur
vorübergehend hinausgehen kann, bestimmt, was zusammengehören
sollte, im Gegentheil ist das Land in seinem Innern schärfer
gekennzeichnet, als an seinen Grenzen; im Herzen desselben
erheben sich die gewaltigen Marksteine der Schöpfung , seiner
Mitte gehört jener mächtige Gebirgszug an, der es in zwei
durch Klima, Vegetation und Windsysteme verschiedene Hälften
theilt, den Lauf der Flüsse nach entgegengeseizten Richtungen,
nach Süden und nach Norden lenkt. Noch weniger als das geo-
graphische Element konnte hier das ethnographische ausschlag-
gebend sein ; denn gerade in dieser Hinsicht zeigte Tirol’seit jeher
eine sehr grosse Verschiedenheit. In den ältesten geschichtlichen
Zeiten finden wir daRasener und Kelten neben einander; während
der Völkerwanderung liessen sich neben den Resten römischer
Provincialen germanische Völker verschiedenen Stammes, Baiern,
Alemannen und Longobarden nieder, und der östlichste Theil
bekam sogar slavische Ansiedler.
— I =
Es erfolgte zwar im Laufe der Zeit eine theilweise Ver-
sehmelzung dieser Gegensätze, allein dennoch erhielten sich
fortwährend zwei Nationalitäten, Deutsche und Romanen, und
noch gegenwärtig werden zwei Landessprachen, die deutsche
und italienische gesprochen. Wie sich trotz dieser Unterschiede
doch ein einheitliches von den Nachbarländern scharf geschiedenes
Ganzes bilden konnte, dieses Räthsel wird sich nur dem lösen,
der die Geschichte zu Hilfe nimmt, der die Beziehungen zwischen
Deutchland und Italien kennt, der sich erinnert, dass einst. für
römische Herrschaft an der Donau und deutsche Herrschaft in
Italien eine wesentliche Bedingung war, dass man die Alpenpässe
in seiner Macht hatte, dass man Herr des nördlichen und
südlichen Zugangs des Brenners war. Wie Rom durch die
Unterwerfung Rhätiens sich den Weg zur Eroberung Germaniens
bahnen wollte1) und im Besitz desselben nicht nur eine wichtige
Bedingung für die Behauptung seiner Eroberungen jenseits der
- Alpen sondern später auch eine Schulzmauer gegen die Einfälle der
- germanischen Völker erkannte, 2) waren auch die deutschen
Könige, als sie nach der Herrschaft über Italien trachteten,
- darauf bedacht, sich des Landes Tiro] in seinem ganzen Umfange
“zu versichern, Daher hat Otto I. schon nach dem ersten
italienischen Zuge im Jahre 951 das Gebiet von Trient von
Italien getrennt und dasselbe nebst den andern italienischen
Marken auf einem Reichstag zu Augsburg seinem Bruder, dem
Herzog Heinrich von Baiern verliehen.
. Von dieser Zeit an blieb dieser ehemals zum Longobarden-
reich gehörige Landestheil bei Deutschland und stand bis zum
Jahre 976 unter dem Herzogthum Baiern und dann unter dem
"Herzogthum Kärnthen, seit dieses von Baiern getrennt war,
bis 1027, in welchem Jahre die Obhut des in Folge der
bestehenden Verhältnisse zwischen Deutschland und Italien so
1) Caesar iter per alpes patefieri volebat wird als Zweck
des Augustus angegeben, als er den Krieg gegen Rhälien anordnete.
2) Der Ostgothen König Theoderich nennt Rhälien „‚munimina
Italiae et claustra provinciae‘* Cassiodorus lib. VII. epist. 4.
— 10 —
wichtigen „Landes im Gebirge“ in die Hände der Bischöfe
gelegt wurde. Als Konrad II. nach Rom zur Kaiserkrönung
gezogen war, fachte sein Stiefsohn, Herzog Ernst von Schwaben,
neuerdings die Flamme der Empörung an, die kurz vorher
gedämpft worden war. Der Aufruhr, an ‘dem sich unter
Andern der mächtige Graf Welf, Besitzer von Grafschaften im
Gebirge, eifrig betheiligte, ergriff bald einen grossen Theil des
südlichen Deutschlands und gefährdete den Rückzug des Kaisers.
Dieser eilte daher rasch aus Italien herbei, um die Empörer zu
bestrafen. Kaum hatte er die baierische Erde erreicht, erklärte
er den Grafen Welf als einen überwiesenen Hochverräther seiner
Lehen verlustig und verlieh am 8. Juni 1027 seine Grafschaft
im Inn- und Eisackthal nebst der Clause unter Säben dem
Bischof Hartwig von Brixen. 1) Einige Tage früher, nämlich
am 31. Mai, hatte der Kaiser zu Brescia, also bevor er noch
Italien verlassen hatte, dem Bischof Ulrich und der Kirche von
Trient die Grafschaft Trient übergeben mit Ausnahme jenes
Theiles von Valsugana, welcher der Kirche von Feltre gehörte. 2)
Am 4, Juni desselben oder des darauf folgenden Jahres verlieh
Konrad dem Bischof von Trient auch die Grafschaften Vinschgau
und Bozen. 3) Die erstere dieser Grafschaften hatte früher zu
!) Sinnacher, „Beiträge zur Geschichte der bischöflichen Kirche
Säben und Brixen“ 2. 365.
*) Bonelli ,„‚Notizie istorico-critiche della chiesa di Trento“
2. 369.
®) Von der Urkunde über diese Verleihung ist noch ein Transsumpt
von 1280 vorhanden und findet sieh gedruckt bei Bonelli a. a. 0. 371.
Das Datum lautet darin auf: Kal. Juni, Ind. X. anno ab incarn.
1028, Chonradi regni Ill, imper. II, Indiction und annus
regni entsprechen dem Jahre 1027, und dieses scheint auch das
richtige zu sein; denn der Ort der Handlung ist „„Mons Ritena
loeus qui dicitur Fontana frigida.‘“ Es ist der Ritten ober
Bozen, über den damals die Strasse führte, dahin musste der
Kaiser im Jahre 1027 um diese Zeit auf der Rückkehr aus Italien
kommen; dagegen kam er im Jahre 1028 nicht in diese Gegend, er
befand sich vom Mai bis zum Oktober in Sachsen (Giesebrecht,
Geschichte der deutschen Kaiserzeit 2. 567). Die Jahreszahl 1028
statt 1027 und annus Imperii ll. statt I. im Transsumpt lassen sich
aus einem Irrthum des Notar erklären, welcher dasselbe gemacht hat,
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Churrhätien gehört, und erstreckte sich bis Pontalt in Engadin
und an der Etsch herunter bis zum Gargazonerbach, der sich
ober Vilpian in die Etsch ergiesst. Grenzen der Grafschaft
Bozen waren der eben genannte Gargazonerbach, dann der
Tinnebach bei Clausen. und auf dem linken Eisackufer der
Breibach, sie reichte also bis an die Grenze des Bisthums
- Brixen, wo die dem Bischof Hartwig verliehene Grafschaft
begann. 1)
Die Verleihung dieser beiden Grafschaften an den Bischof
- von Trient ist von den tirolischen Geschichtsforschern vielfach
bezweifelt worden, und bestimmt wurde von ihnen in Abrede
- gestellt, dass dieselbe jemals realisirt wurde, da in denselben
_ noch in spätern Zeiten weltliche Grafen, wie die Grafen von
Tirol und die von Eppan mit ihren Seitenlinien vorkommen, und
die Bischöfe von Chur in Vinschgau viele Güter hatten; der
Kaiser würde dadurch mit den Rechten dieser collidirt haben. 2)
- Das Erscheinen dieser Grafen in spätern Zeiten ist richtig, es
" frägt sich aber dabei, von wem diese Grafen ihre Grafschaften
hatten, ob unmittelbar vom Reiche, wie gewöhnlich angenommen
wird, oder von den Bischöfen von Trient ; für das erstere lassen
_ sich keine Beweise aufbringen, dagegen ist letzteres auf das
- bestimmteste nachweisbar.
?) Einen ausdrücklichen Beweis für die Ausdehnung der erstern
ö - Grafschaft bis Pontalt gibt eine Urkunde Bischofs Konrad. von Chur
\ von 1283 in Hormayr's kritisch-diplomatischen Beiträgen zur Geschichte
4 Tirols im Mittelalter 2. 258. Die Grenzen der Grafschaft Bozen sind
in der. Verleihungsurkunde Kaiser Konrads selbst angegeben.
3 2) Hormayr in seinen sämmtlichen Werken 1. 254 selzt die
u in das Jahr 1028, und findet ausser der oben erwähnten
"Abweichung zwischen Jahreszahl, Indietion und Regierungsjahren
einzuwenden, dass der Kaiser damals nicht wohl zu Kaltenbrunn auf
‚dem Ritten sein konnte. Zur Aufklärung dessen möge das in der
‚früheren Note Gesagte dienen. Den wichligsten Anstand dagegen
aber findet er darin, dass die kaiserliche Schenkung nie in Wirksamkeit
‚übergieng. Gleicher Ansicht ist auch Kink, „Akademische Vorlesungen
"über die Geschichte Tirols“ 181 Not. 9. Dagegen ist zu bemerken,
dass die erwiesene Verwirklichung dieser Schenkung der sicherste
Beweis für deren Aechtheit ist.
Fi pp
Genauen Aufschluss über das verschiedene Verhältniss der
Trientner Grafschaften gibt uns eine Urkunde vom Jahre 1185 1).
Bischof Albert fragt auf einem Hoftage, welchen er in diesem
Jahre «4 Vadıum Salxedi unweit Metz hielt, und auf dem die
Grafen von Tirol, von Eppan und von Flavon und viele andere
Vasallen zugegen waren, den Grafen Heinrich von Tirol und
Riprand von Pergine, ob es Jemanden erlaubt sei in seinem
Comitate ohne seine Erlaubniss ein Schloss zu bauen, In
seinem Ausspruche unterscheidet der Graf von Tirol Graf-
schaften, die der Bischof allein, oder dieer n Gemein-
sehaft mit einem andern inne habe, oder endlich, die
ein anderer durch ihn und seine Verleihung besitze,
ohne dass er daran einen Antheil habe. Daraus ergibt sich,
dass der Bischof von Trient seine Grafschaften
theils ganz beim Stifte behielt, theils mit einem
andern gemeinschaftlich verwaltete, theils unge-
theilt an einen andern verlieh.
Ganz beim Stifte behielt er den grössten Theil der Graf-
schaft Trient; innerhalb derselben erscheinen nur mit
Grafschaftsrechten die Grafen von Flavon oder Pflaum.
Gemeinschaftlich mit den Grafen von Tirol besass der
Bischof die Grafschaft Bozen. Als Beweise hiefür lassen
sich folgende urkundliche Daten anführen. Im Jahre 1184 er-
klärte Bischof Albert, als der Graf von Tirol ohne seine Erlaub-
niss auf dem Berge Selsi ober Girlan ein Schloss bauen wollte,
vor dem Kaiser „ dass dieser Ort in dem Comitate sich befinde,
der zwischen ihm und dem Grafen gemeinsam sei. 2) In dem
Statute Bischof Konrads von Trient vom Jahre 1190 für Bozen
und Keller war bestimmt, dass von den Strafgeldern zwei
Drittheile dem Bischofe und ein Drittheil dem Grafen von Tirol
1) Sie ist zu finden in dem „Codex Wanyianus“ den Kink
im V. B. der Fontes Rerum Austriacarum herausgegeben hat,
pag. 60.
®) Cod. Wang. 54: predictus collis est situs in eo comi-
talu, qui est communis inter me et predietum comitem.
= Mi
gehören sollten. 1!) Im Jahre 1208 wurden auf Befehl und in
Gegenwart des Bischofs. Friedrich von Trient und des Grafen
Albert ihre beiderseitigen Rechte in der Grafschaft Bozen durch
Zeugen erhoben und aufgezeichnet. ?) Zur Grafschaft Bozen
in ihrem ursprünglichen Umfange gehörte wohl auch die Graf-
schaft Eppan; diese war ebenfalls Lehen von Trient Im
Jahre 1185 belehnte Bischof Albert die Grafeu Ulrich und
Arnold von Eppan mit derselben zur Hälfte, obwohl ihnen nur
ein Drittheil davon gehörte. 3)
| Ganz und ungetheilt scheint der Bischof die Grafschaft
in Vinschgau weiter verliehen zu haben, wesshalb schon
frühzeitig sein Einfluss daselbst geschwächt wurde. Im Besitze
derselben erscheinen wenigstens seit dem 12. Jahrhundert die
Grafen, welche sich nach ihrer Stammburg von Tirol nannten.
Diese waren die mächtigsten Vasallen der Kirche von Trient
und trugen von derselben ausser den angeführten Grafschaften
und andern Gütern und Rechten auch die Schirmvogtei. Dass die
Grafschaft in Vinschgau, auf der zunächst die Grafschaft Tirol
beruht, Lehen von Trient war, wurde noch im Jahre 1283 vom
Bischofe Konrad von Chur bestätigt, als er dem Könige Rudolf
Kundschaft gab, welchem Lande Graf Meinhard von Tirol und
seine Grafschaft angehöre. 4)
Aus dem Gesagten geht hervor, dass das Vorkommen
weltlicher Grafen innerhalb der Grafschaften Trient, Bozen und
_ Vinschgau die im Jahre 1027 geschehene Verleihung derselben
an den Bischof von Trient oder deren Verwirklichung keines-
F wegs ausschliesst, sondern dass die Grafen von Tirol, von
_ Eppan und von Flavon ihre Grafschaftsrechte vom Bischofe
!) Cod. Wang. 100.
2) Die Urkunde darüber in Cod. Wang. 162.
3) Cod. Wang. 62. Investivit ... Episcopus ... comites ad
rectum feodum de medietate comitatus Piani, cuius comitatus
terciam partem tantum eos habere debere dicebat.
*) Horm. Beitr, 2. 258 et quod praedietus comes comitiam
suam, que in dioecesi Curiensi usque in Pontem Altum in
Engadina protenditur ab Episcopatu tridentinensi habeat.
EU
hatten. Es sind überhaupt im Umfang dieses Bezirkes keine
Grafschaftsrechte nachweisbar, welche nicht vom Bischofe von
Trient geliehen wären. Zu den angeführten Comitaten wurde
der Kirche von Trient und ihrem Bischofe von Kaiser Friedrich 1.
im Jahre 1167 noch die Grafschaft Garda verliehen, 1) nach-
dem ihm 6 Jahre früher jene von Trient in ihrer Ausdehnung
bis zum Cismone in Osten bestätigt worden war. ?)
Der Bischof von Trient besass demnach die Grafschaften
nicht allein in seinem geistlichen Sprengel, sondern über denselben
hinaus in Theilen der Diöcesen von Chur und Verona. Es
standen ihm jedoch nicht nur die Grafschafts- sondern auch die
herzoglichen und markgräflichen Rechte zu ; denn die Comitate
Trient, Vinschgau und Bozen wurden ihm übergeben mit allen
Rechten, wie sie die Herzoge, Markgrafen und Grafen vom
Reiche hatten (cum omnibus pertinentüs et utilitatibus ülis,
quibus eum Duces, Comites sive marchiones hucusque
beneficii nomine habere visi sunt — cum districtis, placitis
funetionibus et redibitionibus). Die Bischöfe führten daher auch
häufig den herzoglichen Titel; so heisst, um von den vielen Bei-
spielen nur einige anzuführen, Bischof Gebhard im Jahre 1110
Gloriosissimus tridentine diocesis Episcopus, dux, marchio
et comes ipsius Episcopatus. 3) 1225 belehnte Bischof Gerard
als Dux Marchio et Comes den Jakobin von Lizzana. #)
1233 ertheilte der Erwählte Alderich auectoritate episcopali
Ducatus Marchionatus, Comitatus eine Belehnung. 5) 1237
erlaubte Bischof Alderich tanyguam Dux, Marchio et Comes
terre sue den Brüdern von Wanga auf dem Runkelstein ein
Schloss zu bauen. #) 1244 übergab Bischof Alderich sicwt
ı) Bonelli Notiz. 2. 442.
2) Bonelli Notiz. 2. 417.
®) Ughelli Ital. Sac. 5. 595.
*) Urk. im Trientner-Archiv, das sich im k. k. Statthalterei-
Archiv befindet, Caps. 33 N. 27.
5) Bonelli Notiz. 2. 558.
°) Trient. Arch. caps. 59. N. 140.
4 — 15 —
Dux Marchio, Comes et Princeps den Söhnen Alderichs von
Pomarolo die Hut des Schlosses Vigolo. 1) 41259 belehnte
Bischof Egno tanguam Dux et Marckio — cum septem vewxillis
den Grafen Meinhard mit den Tiroler und Eppaner Lehen, 2)
Der weltliche Sprengel des Bischofs von Trient wird eben-
falls sehr oft als Herzogthum oder Ducatus bezeichnet. Im
Jahre 1191 erklärte Kaiser Heinrich VI., dass Niemand gestattet
sei ohne Erlaubniss des Bischofs ein Schloss zu bauen, Eid-
genossenschaften und Gesellschaften zu errichten @n trödentina
eivitate et in toto Ducatu tridentino. 3) 1198 schwor Oderich
von Arko dem Bischof Conrad zu vertheidigen swum Ducatum,
suum comilatum et suam marchiam. 4) 1231 verkaufte
Graf Ulrich von Ulten dem Bischof Gerhard seine Allode in
Episcopatu tridentino, seu in marchionatu, comitatu et
Ducatu sita, und es werden Orte angeführt, die theils in der
Bozner, theils in der Vinschgauer Grafschaft liegen. 5) 1251 gab
Graf Albert von Tirol seine Lehen an, die er vom Bischofe von
Trient hatte per Episcopatum et Ducatum tridentinum a
Domo nova usque ad Pontem Altum 6) In der Theilungs-
- urkunde vom 10, Nov. 1254 7) werden die Besitzungen des
Grafen von Tirol als in Ducatu tridentino et in Episcopatu
Brichsinensis Ecciesie sita bezeichnet.
Dem herzoglichen Titel entsprachen auch die Rechte. Der
Bischof war in seinem Sprengel durchweg der oberste weltliche
Richter; den Baronen stand im allgemeinen nur die Gerichts-
barkeit über ihre Eigenleute zu oder es war ihnen vom Bischof
nur die niedere Gerichtsbarkeit verliehen, während er sich die
hohe ausdrücklich vorbehielt. Im Jahre 1233 protestirte Bischof
!) Cod. Wany. 381.
2) Hormayr, Geschichte der gefürsteten Grafschaft Tirol. 2. 375.
3) Bonelli 3. pars 2. 39.
*) Trient. Arch. Reg. 57. 5.
5) Horm, Beitr. 2. 360,
°) Horm. Gesch. Tir. 2. 343.
”) Horm, Beitr. 2. 229.
» Gesch. Tir. 2. 350.
—_ HA —
Alderich dagegen, dass ein gewisser Riprand in seinem Comitate
und Ducate Galgen aufgerichtet und einen Strassenräuber auf-
gehängt habe, und erklärte dieses für einen Eingriff in seine
Rechte. 1)
Nur wenigen der Barone war der Grafengerichtsbann ver-
liehen ; im Besitze desselben erscheinen die Herren von Castel-
barco und die von Arco. Im Jahre 1225 belehnte Bischof
Gerhard den Jakobin von Lizzana mit ‚‚comitatu. et consorcio
et districtu hominum Episcopatus et bannis‘“ in Lizzana. ?)
Bischof Alderich zwang jedoch denselben im Jahre 1234 die
Grafschaftsrechte wieder aufzugeben. 3) Um 1244 belehnie
Sodegerius als kaiserlichen Podesta des Bisthums Trient den
Riprand von Arco mit den Lehen des als Reichsverräther
geächteten Panceria von Arco und seiner Brüder et specialiter
de eorum Contea. #)
Der Bischof von Trient bediente sich des geistlichen und
weltlichen Schwertes, er hatte das Recht zu bannen und zu
ächten. Er gebot wie die Herzoge den Grafen und den Grossen
Hof, auf seinen Hoftagen erschienen die Grafen von Tirol, von
Eppan, Ulten und Greifensiein, und die von Flavon, die Herren
von Wanga, Castelbarco, Arco u. s. w., die denn auch sehr
oft als Zeugen in seinen Urkunden vorkommen. Häufig waren die
Lehenstage des Bischofs, auf denen oft Rechtsprüche in Lehens-
sachen gefällt wurden, 5) Von den lehenrechtlichen Urtheilen der
Grafen geschahen Appellatiionen an den Bischof; so appellirte
im Jahre 1230 Graf Heinrich von Eppan von einem Ausspruch
!) Bonelli 3. pars 2. 60.
2) Trient. Arch. Caps. 33. N. 27.
3) Trient. Arch. Reg. 33. 29.
Cod. Wang. 353.
*) Verci, Storia degli Ecelini 3. 348.
5) Solche Tage des Bischofs finden sich mehrere im. Cod. Wang.
so im Jahre 1185 ad vadum Salxedi bei Metz, pag. 57, im J. 1163
zu Formigar pag. 35 u.5.w. Laudamenta der curia Vasallorum
sind noch viele erhalten. Dieselben sind theils gedruckt, theils
noch ungedruckt.
a
der in Gegenwart des Grafen von Tirol und des Grafen Ulrich
von Eppan gefällt worden war, an die bischöfliche Curie. 1)
Ferners war er im Besitz der Zölle, der Bergwerk- und Münz-
regalien. Dem Bischof von Trient stand somit in seinem
Sprengel neben der geistlichen auch eine sehr ausgebildete
weltliche Macht zu, welche vollkommen jener der Herzoge
‚des Reiches entsprach.
Nicht so entwickelt war die weltliche Macht des Bischofs
von Brixen, obwohl er fast dieselben Grundlagen dazu hatte,
_ wie der von Trient; auch er erhielt die Grafschaften in seinem
geistlichen Sprengel, oder doch wenigstens in dem grössern
Theil desselben. Im Jahre 1027 war, wie schon erwähnt
wurde, dem Bischof Hariwig der ehemals welfische
Comitat verliehen worden und zwar ab eo termino, qui
Tridentinum a Brixzinensi dividit Episcopatu,
quosque longissime porrigitur in valle Eniana,?)
d. h. von den Grenzen, welche das Trientuer von dem Brixner
- Bisthum scheiden, soweit sich derselbe im Innthal erstreckt. Die
Ansichten über die Lage, Grenzen und Ausdehnung dieser Graf-
schaft sind sehr verschieden. Resch in seinen Annal. Sab. 3)
wollte Wallis Eniana bei Enn unweit Neumarkt finden und setzte
‚die Grafschaft in’s Trientner Bisthum. Später änderte er seine
Ansicht und erkannte in Vallis Eniana das Innthal. #) Hormayr
sagt, Vallis Eniana sei gleichbedeutend mit Vallis Noricana,
die Grafschaft sei im Norithale gelegen und könne keine
andere als die Grafschaft Bozen sein. 5) Kink 6). eitirt die
Urkunde wörtlich, lässt aber die Stelle ‚‚yuosque longissime
porrigitur in Valle Eniana‘‘ weg, setzt Punkte dafür, und
sagt, die Grafschaft sei im Eisackthale gelegen. Dagegen
ı) Horm. Gesch. Tir. 2. 290,
2) Sinnacher 2. 365. Horm, Beitr. 2. 79.
3) 3. 697 not. 822.
*) In seinem Verzeichniss der Bischöfe von Brixen. MS,
h° 5) Horm. Beitr. 1. 139,
%) Akad. Vorl. 181.
ai sr:
glauben Rossbichler 1) und Sinnacher, 2) dass diese Grafschaft
die Gegend von Brixen, das Norithal, das Wippthal und das
Innthal , soweit dieses zur Brixner Diöcese gehörte, umfasst
habe. Diese Ansicht ist wohl die richtigste. Dass die Gral-
sehaft nicht im Bisthum Trient gelegen und nicht die Grafschaft
Bozen sein konnte, ergibt sich schon aus dem früher Gesagten;
dass aber Brixen im Innthale Grafschaftsrechte hatte, ist später
ganz bestimmt nachweisbar. Die Erklärung von Vallis Eniana
mit Innthal ist wohl die natürlichste. Die Schenkung dieser
Grafschaft wurde dem Bischofe von Brixen später noch mehr-
mals bestätigt, so von Kaiser Heinrich III. im Jahre 1040 3)
und von Heinrich IV. im Jahe 1057. 4) Letzterer übergab im
Jahre 1091 dem Bischof Altwin und seiner Kirche auch die
Grafschaft im Pusterthale. 5) Der Bischof von Brixen war
demnach seit dieser Zeit ebenfalls im Besitze der Grafschaften
seines Bisthums ; aber er verlieh sie nicht nur theilweise, wie
der von Trient, sondern, wie es scheint, alle an: weltliche
Grosse, und zwar ganz oder doch grösstentheils an ein Geschlecht,
Dieses war das der Grafen von Andechs, die auch ausser Tirol,
in Baiern und Franken, grosse Besitzungen hatten, 1173 Mark-
grafen von Istrien wurden und seit 1181 sich Herzoge von
Meran oder Dalmatien nannten. Von Brixen trugen sie ausser
den Grafschaften auch die Stiftsvogtei und die damit verbundenen
Güter und Rechte seit dem Aussterben der Grafen von Mareit,
einer Seitenlinie der Grafen von Eppan Die Vereinigung der
Grafschaften in der Hand eines mächtigen Vasallen ist wohl
ein wesentlicher Grund, warum die weltliche Macht des Bischofs
von Brixen sich nicht so entwickeln konnte, wie die des
Trientner, dieselbe tritt erst mehr hervor, als die Aechtung des
!) Gesch. d. Bisch. v. Brix. 2. 22. MS.
2) Sinnacher 2. 21.
3) Horm. Beilr. 2. 46,
Mohr, Arch. f. d. Gesch, Graubündtens Cod. dipt. 123.
+) Horm. Beitr. 2. 51. Sinnacher 2. 569. Mohr 1. ce. 132.
5) Sinnacher 2. 645. Horm, Beitr. 2. 60.
ti
Markgrafen Heinrich von Istrien, welcher der Theilnahme an
der Ermordung des römischen Königs Philipp beschuldigt war,
dem Bischof Gelegenheit gab, die Andechsischen Lehen einzu-
ziehen. Es scheint damals die Absicht des Bischofs gewesen zu
sein, dem Drucke der Uebermacht eines Vasallen vorzubeugen
und die Lehen beim Stifte zu behalten; denn in den nächsten
Jahren hat er nichts davon vergeben und in dem Jahre 1214
belehnte er den Grafen Albert von Tirol uur mit der Stifts-
vogtei; 1) kurze Zeit hernach jedoch muss er ihm auch die
Grafschaft im Eisackthale verliehen haben, denn bereits um 1225
war Graf Albert dort im Besitz der Grafengewalt. 2) Die
übrigen andechsischen Lehen behielt der Bischof in seiner Hand,
solange sie zu halten waren. Markgraf Heinrich von Istrien,
obwohl er wieder aus der Verbannung zurückkehrte, scheint
dieselben nicht zurückgefordert zu haben; wohl aber machte
nach dessen Tode im Jahre 1225 sein Bruder, Herzog Otto von
Meran, die Ansprüche seines Hauses darauf geltend. Auf dem
Hoftage zu Ravenna im Jahre 1231 musste Bischof Heinrich
auf Bitten und Befehl Kaiser Friedrichs dem Herzoge davon
überlassen, was er noch an Handen hatte, und ihm im Jahre 1232
nach dem schiedsrichterlichen Ausspruche des Propstes Wintherus,
des Decan Heinrich, Hugos von Taufers, Friedrichs von Schönecke,
Wilhelms des Aeltern von Velthurns, Arnolds von Rodank,
Wernhers von Schenkenberg und Wilhelms von Aichach über-
geben die Grafschaft im Pusterthal und das Schloss
St. Michaelsburg, die Grafschaft des untern Innthals,
e Schlösser Matrai und Vellenberg und alles was sein Vater
und sein Bruder im Pusterthale und Innthale besessen hatten;
dagegen versprach der Herzog der Kirche Brixen den Markt
Innsbruck und das Dorf Amras zu geben oder 250 Mark Silber
zu zahlen. Bezüglich der anderen Lehen namentlich der Stifts-
votei, welche der Graf von Tirol besass, sollten vom Bischofe
!) Sinnacher 4. 170. Horm. Beitr. 2. 237.
- 2) Horm. Gesch. Tir. 2. 276,
2*
RB
und vom Herzoge bestellte Schiedsrichter entscheiden. 1) Wie
der Ausspruch derselben hierüber gelautet hat, ist nicht bekannt,
nur so viel wissen wir, dass der Graf von Tirol im Besitze
der Vogtei blieb. Es scheint, dass in Betreff der noch streitigen
andechsischen Lehen sehr bald eine Verständigung zwischen dem
Herzoge und dem Grafen zu Stande kam. Auf welche Weise diese |
geschah, lässt sich wohl daraus erkennen, dass Graf Albert von
Tirol nach dem Tode Herzog Otto’s I, von Meran Vormund
von dessen noch unmündigem Sohne Otto war, ?) ihm dann eine
seiner Töchter zur Gemahlin gab, und 'sich mit ihm gemeinsam
vom Bischofe mit allen ihren Brixner Lehen belehnen liess.
Dadurch war die Vereinigung dieser Lehen in einer Hand in’
nicht sehr langer Zeit in Aussicht gestellt. Der Versuch des
Bischofs die Lehen beim Stifte zu behalten war misslungen, und
auch dadurch, dass sie unter zwei Vasallen getheill waren, wurde ®
keine Erleichterung geschaffen, indem sich diese uuter einander
vereinigten und eine durch gemeinsame Interessen und ver-Ä
wandtschaftliche Bande gekräftigte Verbindung eingiengen.#
Dieser Bund des Herzogs von Meran und des Grafen von Tirol, |
dem auch der zweite Schwiegersohn des Grafen Albert, nämlich
Graf Meinhard von Görz, welcher im Jahre 1237 seinem
Schwiegervater alle seine Lehen von Aglei und Kärnthen über-
trug, 3) sich anschloss, hat nicht nur die überwiegende Macht
der Vasallen im Bisthum Brixen neuerdings befestigt, sondern
er hatte für die Geschicke des ganzen Landes sehr wichtige
Folgen, indem er eine grössere Macht concentrirte, welche
bald die der Bischöfe wesentlich beschränkte; durch ihn- wurde
die Vereinigung aller wichtigern Lehen in der Hand eines
Vasallen vorbereitet,
Graf Albert von Tirol, der keine männlichen Nachkommen,
sondern nur zwei Töchter hatte, liess sich nicht nur von dem einen
ı) Horm, Beitr. 2. 289
:) Horm. sämmtl. W. 3. 366.
») Horm. Gesch, Tir. 2. 330.
| —. U —
| Schwiegersohne die Kärnther und Agleier Lehen übertragen
und sich mıt dem andern gemeinschaftlich mit den Brixner Lehen
| belehnen, sondern er war auch darauf bedacht,‘ seinen Töchtern
alle seine übrigen Lehen zu verschaffen. Im Jahre 1228 liess
er sich vom Bischof Berthold von Chur, den Domherrn und
|
_Ministerialen in dem zu Glurns geschlossenen Friedensvertrage
versprechen, dass sowohl seine alten als seine neuen Churer
Lehen auf seine Töchter übergehen sollten; 1) später liess er
| sich vom Bischof Alderich von Trient die Trientner Lehen auch
|
für die Töchter ertheilen und diese neue Belehnung vom Kaiser
bestätigen. 2)
Es war demnach zu erwarten, dass nach dem Tode des Grafen
Albert von Tirol alle seine Besitzungen, Lehen sowohl als Allode
auf seine Töchter und Schwiegersöhne sich vererben und dadurch
die bisherigen Besitzverhältnisse eine wesentliche Veränderung
erleiden würden. Welche wichtigen Folgen diese Verbindung
von drei mächtigen Grafenhäusern für die Geschicke des ganzen
Landes haben würde, liess zur Zeit ihrer Entstehung sich
wohl noch kaum berechnen; indem sie aber am wesentlichsten
dazu beigetragen hat das Uebergewicht der Macht eines Vasallen
_ über die der Lehensherrn, der Bischöfe, nnd dadurch eine für
die ganze spätere staatliche Entwicklung folgenwichtige Umge-
staltung der bestehenden Verhältnisse herbeizuführen, kann man
sie als den ersten Anfangspunkt eines neuen Abschnitts in
der ‚Geschichte Tirols bezeichnen. ‘Sie entstand ungefähr um
dieselbe Zeit, in welcher Graf Egno von Eppan den bischöf-
liehen Sitz von Brixen bestieg, um den Kampf aufzunehmen für
die Aufrechthaltung der'weltlichen Macht und der Rechte seiner
Kirche. Dieselben hatten ‘unter seinem Vorgänger Heinrich,
‚einem. Herrn von. Taufers , vielen Schaden gelitten; es wurden
damals häufige Klagen erhoben über Verwahrlosung der Güter
und Rechte des Stiftes, über Mangel an öffentlicher Sicherheit
ı) Horm. Beitr. 2. 192.
2) Horm. Gesch. 2. 361.
Ba mp
und Gerechtigkeitspflege, über Fehden und Beunruhigung der
Strassen durch räuberische Ueberfälle. Derjenige. welcher vor
allen dazu berufen war, den Bischof und seine Kirche im Besitz
ihrer Güter und Rechte zu schützen nämlich der Schirmvogt
Graf Albert von Tirol scheint einer der gefährlichsten Feinde
gewesen zu sein. Im Jahre 1220 hatte der Graf in Verbindung
mit Reinpert von Völs, Otto von Welfsberg und anderen
brixnerischen Ministerialen aus den von ihm erbauten Schlössern
Raspensteiu und St. Lambert räuberische Ausfälle gemacht gegen
die Leute des Bischofs, die Besitzungen desselben verwüstet,
der Geistlichkeit grossen Schaden zugefügt und die Strassen
beunruhiget. 1)
Der im Jahre 1229 zwischen dem Schlosse Neuenburg bei
Lienz, der Grenze des Bisthums Trient und dem See bei Mitte-
wald vom Bischof, dem Grafen, dem Domkapitel und den
Ministerialen aufgerichtete Landfrieden 2) vermochte nicht dem
herrschenden Unwesen, das im ganzen Reiche im Ueberhand- .
nehmen war, Einhalt zu thun. Als im Jahre 1236 Kaiser
Friedrich auf seinem Zuge nach Italien durch Brixen kam,
musste er von den Domherrn und Ministerialen Klagen hören.
dass vielfältige Gewaltthätigkeiten und Unterdrückungen verübt
werden, ohne gerechte Abhülfe zu finden und die Rechte des
Stiftes sehr beeinträchtigt werden. Der Kaiser liess sich dess-
halb vom Bischofe Heinrich, der erklärte seines Alters und seiner
Schwächlichkeit wegen nicht im Stande zu sein die herrschenden
Uebelstände abzustellen , die Regalien resigniren, nahm sie in
seinen und des Reiches Schutz und Verwaltung und bestellte
einen Richter, der mit kaiserlicher Autorität allen Getreuen des
Stifts Recht ertheilen und erhalten sollte. 3)
Als kaiserlicher Richter erscheint zu Brixen ein’ gewisser
Hawart, der die Rechtspflege und die weltliche Verwaltung des
Stiftes leitete. Dem Bischofe Heinrich blieben nur mehr die
") Horm. Bir, 2. 174,
2) Horm, Beitr. 2. 170. Sinnacher 4. 219.
®) Horm. Beitr. 2. 321..
= WW
geistliche Macht und zu seinem Unterhalte die Einkünfte des
Schlosses Veldes, dessen Hut dem Herzoge von Kärnthen über-
tragen war, und die beiden Aemter Anrass und Liserhofen.
Er starb im Jahre 1239 wahrscheinlich im Monate November
Sein Nachfolger war Graf Egno von Eppan.
I.
>» Die Grafen von Eppan, 1) die den Namen führten von ihrer
auf einem Hügel ob dem Dorfe Mösiach bei Bozen gelegenen Burg,
waren neben den Grafen von Andechs und von Tirol das mäch-
tigste Grafengeschlecht im Lande. Ihre Besitzungen waren fast in
allen Theilen desselben ausgebreitet, im Innthal und Etschthal
und deren Seitenthälern, sie erstreckten sich bis nach Judikarien
und in das Sarkathal. Sie hatten viele Lehen von den Bischöfen
von Brixen und Trient, darunter von letztern die Grafschaft
Eppan. Zahlreich waren ihre Allode, ihre Eigenleute, Ministerialen
und Vasallen, ihre Schlösser und Burgen; die wichtigsten der-
selben waren Eppan, Altenburg , Greifenstein, Ulten, Andrian,
Königsberg, St. Petersberg in Oberinnthal, Walwenstein und
Arz im Nonsberg, Tenno u. a. m. Die Blüthezeit der eppanischen
Macht war im 12. Jahrhundert; dieselbe begann aber zu Ende
desselben und im Anfange des folgenden Jahrhunderts zu sinken.
Von der Hauptlinie, welche sich immer von Eppan nannte,
- zweigten sich Nebenlinien ab, solche waren die Grafen von
_ Mareit und Greifenstein, die Vögte der Kirche von Brixen
waren, aber schon im 12. Jahrhundert ausstarben, und die
Grafen von Ulten, deren letzter, Graf Ulrich, im Jahre 1248
starb. Der geschichtlich merkwürdigste Sprosse des eppanischen
‘) Ueber die Grafen von Fppan hat geschrieben Hormayr im
2.Bande seiner sämmtlichen Werke und in seiner „Chronik der Grafen
von Eppan, Ulten Greifenstein und Altenburg etc.“ im 5 Bande des
Sammlers für Geschichte und Statistik von Tirol. Mehrere für die
Geschichte der Eppaner wichtige Urkunden sind zu finden im Codex
Wangianus.
ur. BE
Hauses ist Bischof Egno geworden und zwar wegen des mehr
als dreisigjährigen fast ununterbrochenen Kampfes, den er erst
in Brixen dann Trient für die Aufrechthaltung der Rechte und
Besitzungen seiner Kirchen gegen die aufstrebende Macht der
Grafen von Tirol und andere Feinde unter den schwierigsten Ver-
hältnissen zu bestehen hatte. Ueber die früheren Lebensschick-
Egno’s ist wenig bekannt, so viel wissen wir, dass er einige
Zeit Canonikus zu Trient gewesen ist. In dieser Eigenschaft
erscheint er im Jahre 1233 als Zeuge in einer. Urkunde
Bischof Alderichs 1) und gab im Jahre 1235 für sich und den
Grafen Ulrich von Ulten die Zustimmung zur Uebergabe der
St. Lorenzenkirche an die Brüder Prediger. 2) 1236 war er
in Brixen zugegen als der Kaiser dem Bischof die Regalien
abnahm, nannte sich aber hier nicht mehr Canonicus. Im
März. 1239 finden wir ihn beim Kaiser zu Padua. 3) Seine
Wahl zum Bischof von Brixen muss nicht lange Zeit nach dem
Tode seines Vorgängers geschehen sein, denn am 8. April er-
scheint er bereits als Erwählter. 4) Es ist nicht unwahrscheinlich.
dass der Kaiser diese Wahl begünstigt hat. denn diesem musste
damals insbesondere bei seinen neuen Verwieklungen mit der Kirche
und bei der in Deutschland gegen ihn und sein Haus beginnen-
den Opposition daran gelegen sein ihm ergebene Fürsten auf
die bischöflichen Sitze zu bringen. Der Einfluss, den er damals,
unmittelbar durch seinen Richter zu Brixen ausübte, die jüngste
Anwesenheit Egno’s bei ihm in Italien, der enge Anschluss
desselben an die staufische Partei in den -folgenden Jahren
sind Umstände, die eine solche Einwirkung vermuthen lassen, 5)
ı) Bonelli 2, 558.
2) Bonelli 2. 574.
3) Böhmer Regesta Imperi 1198-1254. 182.
*) Böhm. Reg. 385.
°) Diese Behauptung stimmt, allerdings nicht überein mit der
Ansicht Hormayrs, nach der Egno von Natur aus ein Gegner des
Kaisers und der Ghibellinen war, Allein bei diesem Geschichts-
forscher kommt es mitunter vor, dass er nicht seine Ansicht nach
den Thatsachen richtet, sondern diese von seiner vorgefassten Meinung
UNE RE
Im Mai des Jahres 1240 begab sich Egno nach Nördlingen an
den Hof des römischen Königs Konrad, um von ihm die Regalien
zu empfangen. Dieser that in einem Schreiben vom 20. Mai
dem Kapitel, den Ministerialen und Bürgern und allen Leuten
des Bisthums und Herzogthums Brixen kund, dass er Egno,
den einstimmig Erwählten ihrer Kirche, dem sich die Pforten
der Würde von freien Stücken eröffnet haben, mit allen gebühren-
den Ehren empfangen, ihm nach erhaltenem väterlichen Auftrage
die Investitur der Regalien sowohl des Bisthums als
_ des Herzogthums mit Scepter und Fahnen ertheilt, und
ihn, den Fürsten, sowie das Stift Brixen in seinen. und des
Reichs besondern Schutz aufgenommen habe, damit unter dem
Schatten seines Namens die Kirche und alle Personen Friede
und Ruhe geniessen mögen. Der König ‚befahl ihnen in seinem
und seines Vaters, des Kaisers, Namen, dass sie den Erwählten,
den er ihnen zurücksendete, bereitwillig aufnehmen und in
Hinsicht aller Forderungen und Rechte an ihn halten sollten,
auf diese Weise würden sie auch der Gunst theilhaftig werden,
die er ihm bezeigt habe. 1)
In einer zweiten Urkunde erklärte der König nach dem
Ausspruche des Fürsten, Barone und Edlen des Reichs, dass
dem Erwählten nach dem Empfange der Regalien alle Aemter
abhängig macht. Er hat unumstösslich bewiesen, dass die Eppaner
von den Welfen abstammen. Die Eppaner waren daher nicht nur
_ die Erben der welfischen Besitzungen, sondern auch ihrer Gesinnungen.
sie waren; also Feinde der. Ghibellinen und der ghibellinisch gesinnten
Grafen von Tirol. Graf Egno musste daher als Eppaner nothwendig
Anhänger der kirchlichen Partei, und Gegner der ghibellinischen
oder kaiserlichen ‘und des Grafen von Tirol sein. Diese Logik
erscheint jedoch gegenüber den Thatsachen keineswegs stichhaltig,
überhaupt steht die Welfen- und Ghibellinen Theorie, auf die Hor-
- mayr wesentlich die Geschichte Tirols während 3 Jahrhunderten des
Mittelalters stützt, auf sehr schwachen Füssen.
ı) Böhmer Reg. Imp. 258. Eine Abschrift dieser Urkunde ist im
- 937. Bande der Bibl. Tirol. in der Bibliothek des Ferdinandeums.
Veröffentlicht hat sie Resch aus einer Cop. vid. des Brixner Archivs.
Sinnacher 4. 324. gibt sie in deutscher Uebersetzung.
Pr
des Bisthums frei zufallen sollen mit Ausnahme der vier
Erbämter; !) dass allen denen, welche im Kirchenbanne verharren.
die Lehen versagt und mit Recht vorbehalten werden können:
dass der Bischof alle Pfandverschreibungen. Lehenverleihungen
und Veräusserungen bischöflicheu Güter, wozu das Reich und
das Kapitel nicht ihre Einwilligung gegeben hatten, wieder
zurücknehmen könne und solle, Ferners war auf Ansuchen des
Bischofs gesprochen, dass er sich des zweifachen Schwertes,
des geistlichen und weltlichen bedienen möge, dass er nämlich
das Recht habe diejenigen, die 6 Wochen lange im Banne oder
in der Acht verharrten, mit dem andern Schwerte nach Landes-
brauch zu strafen, nämlich die Gebannten zu ächten und die
Geächteten zu bannen.
In einer dritten Urkunde machte der König den Spruch
der Fürsten kund, dass Niemand das Recht habe denen, die
durch das Land oder das Herzogihum des Erwählten von Brixen
reisen, freies Geleit zu geben mit Ausnahme des Kaisers und
Königs, welchen dieses von Reichs wegen zustehe. 2)
Wir finden hier nicht nur den Rechtsspruch König Heinrichs
vom Jahre 1225 für Egno’s Vorgänger, wornach er den Excommuni-
eirten die Lehen vorenthalten und die ohne Einwilligung des
Reichs und des Kapitels veräusserten Güter seiner’Kirche wieder
einziehen konnte, erneuert, sondern dem Bischofe noch andere
wichtige, den herzoglichen entsprechenden Rechte als die
höchste Gerichtsgewalt und das Recht des Geleites zuerkannt
und das Herzogthum ausdrücklich genannt. Wir ersehen daraus,
dass auch dem Bischof von Brixen wie dem von Trient die
!) Inhaber der brixnerischen Erbämter waren der Herzog von
Schwaben als Truchsess, der Herzog von Baiern als Marschall „ der
Herzog von Meran als Mundschenk und der Herzog von Kärnthen
als Kämmerer. Sinnacher 4, 402.
®) Bibl. Tirot. 612 u. 937. Gedruckt ist der 2. dieser Rechls-
sprüche bei Resch, der 1, in Hormayrs Archiv für Süddeutschland
1. 138, in Mon. Boica 30a. 274, und inMon. Germaniae 4. 333.
Auszüge von beiden sind in Böhmer's Reg. Imp. 258.
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|
Fe, re
herzogliche Gewalt zustand. Man wird nun aber fragen, wann
hat der Bischof von Brixen dieselbe erhalten, oder wie lange
hatte er sie inne? Die Beantworlung dieser Frage ist sehr
schwierig, da die nöthigen Anhaltspunkte dazu fehlen. Wir
wissen, wann ihm die Grafschaften verliehen wurden; dabei ist
aber von einer Ertheilung herzoglicher Rechte, die bei Trient
ausdrücklich hervorgehoben wird, keine Rede, auch von einer
spätern Verleihung derselben ist nichts bekannt, es lassen sich
bis zu dieser Zeit keine bestimmten Beweise von ihrem Vor-
handensein finden. Dagegen ist auch nicht nachweisbar, dass
Brixen unter einem andern Herzogthum gestanden habe, im
Gegentheil sprechen manche Umstände dagegen. Wahrscheinlich
hat sich hier die herzogliche Gewalt allmählig entwickelt, was
bei geistlichen Fürsten unter günstigen Bedingungen mehrfach
der Fall war. Dass dieselbe so wenig hervortritt, hat wohl
seinen Grund in den thatsächlichen Verhältnissen, in der Ueber-
macht der Vasallen, welche ihre Geltendmachung verhinderten.
Es kommt der Name ausser in den eben angeführten Urkunden
nur noch zweimal vor, das erstemal im Jahre 1236 in der
früher schon erwähnten Urkunde Kaiser Friedrichs. wo der
Bischof dux et justitiarius terre sue heisst und das zweitemal in
einer Urkunde von 1244, !) worin die Herren von Wanga dem
Bischofe Egno versprechen, ‚‚guod. adiuuabunt manutenere ei
suum episcopalum et comitatum et ducatum‘‘; dagegen in
einer Urkunde von 1254 ist unmittelbar neben dem Ducatus
Tridentinus nur mehr vom Episcopatus Brixinensis die
Rede 2) Auch die herzoglichen Rechte im Einzelnen sind sonst
nirgends so bestimmt hervorgehoben wie hier; es mögen politische
Gründe gewesen sein, welche in dieser Zeit eine so starke
Betonung des Herzogthums veranlasst haben, dieselben lassen sich
vielleicht in Verbindung bringen mit der Politik des Kaisers
+) Horm, sämmtl. Werke 2. LXXVIIL:
2) Horm. Gesch. Tir. 2. 351.
_— 3 —
gegenüber dem wittelsbachischen Hause, welches schon nach
der Aechtung des Markgrafen Heinrich von Istrien seine Macht
im Lande im Gebirge auszudehnen strebte, !) später zur Zeit König
Rudolfs Brixen als zum Herzogthum Baiern gehörig bezeichnete
und möglicher Weise damals ähnliche Absichten hegte; es
erwähnen die Annalen von-Scheftlarn gerade um dieselbe Zeit
Kriegszüge Herzog Otto’s in diese Gegenden gegen den Grafen
von Tirol.
Egno war auf den bischöflichen Sitz von Brixen gelangt
zur Zeit, wo der unheilvolle Zwist zwischen der Kirche und
dem Kaiserthum , welcher bald das Reich in alle Verhältnisse
verwirrende Parteikämpfe stürzte , mit grösster Erbitterung er-
neuert worden war. Er nahm anfangs wie die meisten Reichs-
fürsten eine vermittelnde Stellung ein und folgte dem Beispiele
der deutschen Bischöfe und Fürsten, indem er in Gemeinschaft
mit den Bischöfen von Freisingen und von Eichstädt im April
1240 ein Schreiben an den Papst Gregor IX. richtete, darin
die verderblichen Folgen des unseligen Streites zwischen den
beiden Häuptern der Christenheit darstellte und zum Frieden
mahnte, 2) Als jedoch die angestrebte Aussöhnung nicht zu
zu Stande gekommen und der nach Rom geschickte Friedens-
vermiltler gestorben war, che er seinen Zweck erreicht hatte.
schloss sich Egno enge der staufischen Partei an, er begab
sich im Mai 1240 an den Hof des römischen Königs Konrad,
um von ihm die Regalien zu empfangen, obwohl damals der
päpstliche Legat Albert von Beham die Wahl eines‘ neuen
Königs betrieb, und weigerte sich trotz der wiederholt vom
Legaten an die Bischöfe gerichteten Aufforderungen den über
den Kaiser verhängten Kirchenbann bekannt zu machen. Es ist
zwar von ihm nicht bekannt, dass er die Citationen Alberts
mit Füssen getreten habe. wie der Erzbischof von Salzburg,
‘) Horm. Beitr. 2, 142.
?) Böhmer Reg. Imp. 385.
— . =
oder im Kapitel öffentlich verhöhnt habe, wie der Bischof von
Regensburg, wohl aber hat er im Vereine mit dem Erzbischof
von Salzburg und andern Fürsten die Alpenpässe bewachen
lassen, um die Verbindung des Legaten mit Rom zu verhindern.
- Seine Haltung und seine Ansichten in dieser Hinsicht lassen
sich auch einigermassen erkennen aus einem Brief, welchen
- Bruder Bartholomä aus dem Orden der Prediger zu Trient, der
allem Anschein ein Vertrauter von ihm war und damals beim
Kaiser in Italien sich hefand, im Jahre 1241 an ihn, seine
Domherrn und Ministerialen schrieb. Derselbe erzählt mit
Bewunderung die glorreichen Thaten, die grossen Siege des
Kaisers zu Land und zur See, die Gefangennehmung der Bischöfe
‚und Prälaten, welche sich zum Coneil begeben wollten, und
I
die Absicht Friedrichs sich nach Rom zu begeben. um in der
Hauptstadt der Welt seine Macht und auch seine Milde
zu zeigen. Zum Schlusse sagt er, dass er gehofft -habe zw
ihnen zu kommen, dass er sich aber auf eine Aufforderung von
Seite des Papstes durch einen Cardinal mit dem Kaiser nach
Rom begebe,, weil er dort für den Frieden wirken könne; er
forderte sie auf Gott um Frieden und Eintracht der Christenheit
zu ‚bitten, die besonders damals bei der von den Mongolen
drohenden Gefahr nothwendig waren. 1)
Egno harrte auch da noch auf Seite des Kaisers aus, als
die zwischen diesem und Innocens IV. begonnenen Friedens-
_ verhandlungen erfolglos geblieben waren. der Papst sich nach
Lyon geflüchtet hatte, auf dem dort versammelten Coneil
- die Excommunication des Kaisers erneuerte und dessen Absetzung
aussprach ; als in Deutschland die Opposition gegen die Staufen
allgemein um sich griff, viele Fürsten sich von ihnen abwendeten
und Gegenkönige aufstellen. Im April des Jahres 1245 befand
sich der Erwählte von Brixen beim Herzoge Friedrich von
Oesterreich zu Wien, wohin auch der Bischof von Bamberg im
‘) Horm. goldene Chronik von Hohenschwangau 2. Abth. 70.
En
Auftrage der Kaisers gekommen war, 1) später begab er sich
mit dem Könige Konrad an den Hof Kaiser Friedrichs nach
Verona, wo dieser zum letztenmale eine grössere Anzahl deutscher
Fürsten bei sich hatie. 2) Als im Jahre 1246 Heinrich Raspe, der
von der antistaufischen Partei gewählte Gegenkönig, einen Hoftag -
zu Frankfurt am Main ansagte und dort am 13. August hielt, 3)
war Egno von Brixen einer derjenigen Fürsten, welche nicht er-
schienen, wesshalb er vom päpstlichen Legaten wie die andern
Bischöfe, welche nich zugegen waren, suspendirt und ihm ein
Termin vorgeschrieben wurde, innerhalb welches er sich vor dem
Papst persönlich verantworten sollte. 4) Erst als die staufische
Macht zu sinken begann, trat er wie andere Bischöfe zurück und
söhnte sich mit der Kirche aus; dieses scheint 1247 geschehen
zu sein, denn in diesem Jahre erscheint er das erstemal als
wirklicher Bischof von Brixen.
Ein wesentlicher Grund, wesshalb Egno bis dahin so enge
sich an den Kaiser und die Staufen angeschlossen hatte, war
wohl der, dass er dadurch seine Absichten bezüglich der
Geltendmachung der Rechte seiner Kirche, der Erhaliung und
festeren Begründung der weltlichen Macht derselben gegenüber
dem früher erwähnten Bund der mächtigen Vasallen zu erreichen
hoffte. Daher liess er sich gleich beim Antritte seines bischöf-
lichen Amtes seine Rechte und Befugnisse durch einen Ausspruch
des Königs und der Reichsfürsten ausdrücklich bestimmen und
suchte, als er nach Brixen vom königlichen Hoflager zurück-
gekehrt war, durch Bündnisse mit auswärtigen Fürsten und
mit dem Adel im Lande sich zu stärken zu dem ihm gleich
bevorstehenden Kampfe mit jenem Bunde.
ı) Der Bischof von Bamberg und Egno schlossen dort am
25. April einen Vertrag über die Theilung der Kinder Friedrichs
von Veldes. Bibl. Tir. 966.1. 6. Ueber die damaligen Verhandlungen
zwischen dem Kaiser und dem Herzog, s. Böhmer Reg. Imp. 199 und
Meiller Reg. d. Babenberger 181.
2) Böhmer Reg. Imp. 200.
°) Mon. Germ. 4. 362.
*) Höfler Geschichte Kaiser Fried. I. 411.
Ara
|
Am 12. Juni 3240 schlichtete er einen Streit zwischen
dem edlen Manne Hugo von Taufers und seinem Getreuen
Arnold von Rodank Er liess sich von ihnen endlich versprechen,
dass sie von Michaeli an ein Jahr lang jeden Zwist, der zwischen
ihnen entstehen würde, durch seinen, Wilhelms von Aichach und
Alberts von Voitsberg schiedsrichterlichen Ausspruch entscheiden
lassen würden. Im Falle aber, dass auf diese Weise keine
Ausgleichung möglich wäre, wollte er selbst das Urtheil fällen,
dem sie sich bei Strafe von 100 Mark Silber fügen mussten. 1)
‚Bald darauf schloss er ein Bündniss mit dem Herzoge Bernhard
- von Kärnthen, das von Michaeli an 5 Jahre lang dauern sollte.
Beide Theile versprachen sich gegen jeden Feind und Angreifer
mit Ausnahme gegen Kaiser und Reich zur Zeit der Noth
wechselseitig Hilfe zu leisten, jedoch sollte der Herzog, wenn
er zu Gunsten des Bischofs in's Feld rückte, auf dessen Unkosten
vom Schlosse Neuenburg oder der Lienznerklause durch das
ganze Bisthum, dagegen der Bischof auf des Herzogs Unkosten
- von Schlosse Traburg an, wenn er demselben. zu Hilfe zog,
verpflegt werden. 2?) Am 29. September 1240 schloss Egno
beim eppanischen Schlosse Andrian einen Vertrag mit dem
edlen Manne Volkmar v. Chemenaten folgenden Inhalts: Volkmar
machte_sich verbindlich vom Allerheiligenfeste an 3 Jahre
hindurch, so oft er aufgefordert wurde, dem Bischof mit allen
ihm zu Gebote stehenden Mitteln und Kräften Beistand zu leisten
Sgegen den Grafen Albert von Tirol und dessen Bundesgenossen.
Dagegen versprach Egno ihm bis Ostern einen Handgaul und
100 Mark Silber zu geben und liess ihm dafür von seinem
Neffen, dem Grafen Ulrich von Ulten, die Vogtei im- Oetzthale
| verpfänden. Im Falle aber, dass eine Vergleichung mit dem
Grafen von Tirol schon vor Allerheiligen zu Stande'kommen würde,
sollte derselbe nur 50 Mark erhalten, die übrigen Bedingungen
3 ") Bibl. Tirol. 966. Horm. s. Werke 2. LXXI. Dass dort
die Urkunde irrthümlich auf 1242 gesetzt ist rührt daher, weil das
Datum falsch gelesen wurde.
2) Bibl. Tiroi 612. Horm. s. Werke 2. LXIX.
= a
jedoch sollten aufrecht bleiben. #) Schon im ersten Jahre seines
bischöflichen Amtes war Egno in offenem Krieg verwickelt mit
dem Vogte, dem Grafen Albert von Tirol, und dessen Bundes-
genossen, die seine Schwiegersöhne waren. Der Kampf dehnte
sich aus durch das Eisack- und Wippthal und das Pusterthal. '
Beiderseits errichtete man Burgen und Festungswerke und machte U
Ausfälle aus denselben und suchte sich gegenseitig zu schaden. |
Bis in den Frühling des folgenden Jahres dauerten die Feind- 7
seligkeiten.
Am 20. März des Jahres 1241 wurde zu Brixen in der |
Kapelle des hl. Hartmann endlich ein Friedensvertrag zwischen
dem Bischof und dem Grafen abgeschlossen unter nachstehenden
Bedingungen. Erstens einigte man sich über die Theilung jener |
Dienstleute, die von Seite des Grafen mit Weibern von brixneri- '
schen Dienstleuten und ungekehrt sich vermählt hatten und kam |
überein auch in Zukunft solche Ehen nicht zu verhindern, !
nur sollte keine Partei sich die Dienstleute der andern unrecht-
mässig aneignen. |
Die zweite Bedingung war: Der Bischof muss den Herzog |
von Meran und den Grafen von Tirol mit allen ihren Lehen |
gemeinsam und ungetheilt belehnen die Kirchenvogtei
allein ausgenommen, diese sollte der Eine mit Einwilligung und I
Zustimmung des Andern auf Lebenszeit inne haben, nach dessen |
Tode aber nach Erbrecht auf den andern übergehen. Dagegen Y
versprach der Graf für sich und‘°den Herzog in zwei Terminen
70 Mark Silber als Gratia zu zahlen, welche dem Grafen |
Hermann von Ortenburg gehören sollte 2)
Weiter war bestimmt, die Burgen, die man beiderseits \
während des Krieges errichtet hatte, sollten innerhalb der
Osteroktav gebrochen und niedergerissen werden und zwar die j
Burg Warimberts von Foreis, das Schloss Vitröl in Volnes, |
») Horm, s. Werke 2. LXX. Horm. Beitr. 2, 32,
?) Auffallend ist, dass Kink (akad. Vorles. 279) verade diese |
wichtigste Bedingung des Friedensvertrages weglässt. |
Ei
welches Hugo von Velturms und die Brüder von Tyse oder
Teiss erbaut, dann die Veste Heinrichs von Gufidaun, genannt
Ursenberg, ferners der Thurm auf St. Anastasienberg, den Ulrich
von Räsen baute, und die Veste Sprechenstein im Wippthale,
so wie die Höhle im Matreierwalde (wahrscheinlich der Pass
Lueg). Würden sich die Ministerialen oder Dienstmanuen weigern,
die Burgen zu brechen, woilten der Bischof und der Graf zu-
sammenstehen und sich gegenseitig unterstützen.
Bezüglich der Klause bei Niwenburg oder der Lienzner-
- Klause wurde festgeseizt, dass dieselbe erst zerstört werden
- sollte, wenn der Bischof mit dem Grafen Meinhard von Görz
pe
Friede geschlossen haben würde. Für den Fall neuer Streitig-
keiten zwischen dem Bischof und dem Grafen wurden von
Seite des letztern Conrad Trautson und Rudolf von Räsen,
- von Seite des Bischofs Wernherr von Schenkenberg und Wilhelm
- von Aicha als Schiedsrichter gewählt, die innerhalb 14 Tagen
auf dem Rechtswege oder durch freundschaftliche Uebereinkunft
eine Ausgleichung zu Stande bringen sollten ; unterliessen sie aber
das, so mussten sie vermöge ihres in die Hand des Dompropstes
geleisteten Eides sich- unter dem Geleite und dem Schutze des
Bischofs und des Grafen in Brixen stellen und dort so lange bleiben,
“ bis sie eine Verständigung erreicht hatten. Im Falle aber,
dass sie sich in ihrem Urtheile nicht einigen konnten, sollte die
- Entscheidung dem Grafen Berthold von Greifesbach übertragen
werden und dessen Ausspruch für beide Theile Geltung haben. Zur
Bürgschaft für die Aufrechthaltung des Friedensvertrages ver-
pfändete der Graf in seinem und des Herzogs Namen dem Bischof
für 1000 Mark Silber seinen Hof zu Zeves im Wippthal, all sein
Eigenthum und alle seine Lehen im Pusterthal zn Lunnes (Lienz),
_ Amblach und Montan (hei St. Lorenzen), ferners die Comitia
bei Laian; dieser dagegen seizte dem Grafen und dem Herzog
zum Pfande die Güter und Besitzungen seiner Kirche von der Holz-
brücke an bis zum See im- Walde auf der Seite von Matrei
(Brennersee) mit Ausnahme von Phizze (Pfitsch) und des Zolls
3
—_ 34 —
bei der Stange. Dieser Vertrag wurde von Ministerialen beider
Parteien beschworen. !)
Im folgenden Monat, nämlich am 30. April ie zu Patriarchs-
dorf (bei Lienz) durch Vermittlung des Patriarchen Berthold von
Aglei des Bischofs von Triest und des Grafen Albert von
Tirol auch der Friede zwischen dem Bischof Egno und dem
Grafen Mainhard von Görz zu Stande. Letzterer gab das Schloss
Veldes mit allen dazu gehörigen Rechten mit Ausnahme der
Vogtei darüber dem Bischof zurück, dieser dagegen verpflichtete
sich die bei Neuenburg errichtete Klause zu brechen , die nicht
mehr hergestellt werden sollte. Zur friedlichen Ausgleichung
allenfalls neu entstehender Zwistigkeiten wurden Schiedsrichter
gewählt, nämlich von Seite des Bischofs Reinbert Gerro und
Heinrich von Aicha, von Seite ‚des Grafen Heinrich Vicedominus
von Falkenstein und Volker von Flachsberg, Zur Bürgschaft
für die Aufrechthaltung des Vertrages verpfändeten sich beide
Theile für 200 Mark Silber bestimmte Güter, (und liessen den
Frieden durch ihre Ministerialen beschwören. Die Urkunde
darüber war vom Patriarchen von Aglei, dem Erwählten von
Brixen und den Grafen von Tirol und Görz gesiegelt,?2) In
letzterm Friedensvertrag hat man ein Bündniss gegen den Grafen
von Tirol erkennen wollen; so wird erzählt: 3) Der Friede
zwischen Egno und dem Grafen von Tirol war von kurzer
Dauer, dieser und Graf Ulrich von Ulten sannen auf Schimpf
und Schaden des Bischofs, zogen mit riesigen Spiessen und
Fähnlein gegen Brixen und vertrieben ihn aus der Stadt und
Burg, da floh er gegen Eppan in die väterliche Heimat; doch
dieser Urlug war von kurzer Dauer, es schreckte die Grafen,
dass Egno unter Vermittlung des Patriarchen und des Bischofs
von Triest Bündniss schloss mit dem Grafen von Görz, dem er‘
versprach die Neuenburger-Klause niederzureissen. — Allein
1) Horm. Beitr. 2, 327.
2) Horm. Beitr. 2. 333.
>) Horm. in seiner Chronik der Grafen v. Eppan etc. im 5. Bd.
des Sammlers 73. Kink akademische Vorlesungen 280.
En
—_— 3) —
_ von neuen Feindseligkeiten des Grafen von Tirol gegen den
Bischof findet sich um diese Zeit keine Spur, noch weniger
hat Graf Ulrich von Ulten solche unternommen , denn dieser
nahm um diese Zeit das Kreuz, um gegen die Tartaren zu
ziehen, und übergab seinem Vetter, dem Bischof Egno, für den
Fall, dass er nicht mehr zurückkehren sollte, alle seine Besitzungen
im Oberinnthal und setzte. ihn mit den Söhnen des Grafen Ulrich
von Eppan zum Erben seiner übrigen Güter ein. Wie man aus
einem Friedensschluss, den der Graf von Tirol mitvermittelte,
ein Bündniss gegen denselben herausbringen kann, ist allerdings
nicht leicht zu begreifen. Auch die Motivirung dieser Feind-
seligkeiten durch die ghibellinischen und welfischen Gegensätze
‚und die Ahnenfeindschaft der Tiroler und Eppaner Grafen ist
wie aus dem, was früher gesagt wurde, hervorgeht, nicht haltbar;
dieselben erklären sich aus den thatsächlichen Verhältnissen
zwischen dem Bischof und seinen mächtigen Vasallen, sie
bilden den ersten Akt des Kampfes, den Egno gegen deren
- Macht bestehen musste.
Aber schon dieser erste Akt war zum Nachtheile Egno’s
- und seiner Kirche ausgefallen ; indem er die gemeinsame Be-
a a
lehnung des Herzogs von Meran und des Grafen von Tirol
zugeben musste, war nicht nur die Aussicht, im Falle des Aus-
sterbens des einen Geschlechtes über die Lehen desselben
verfügen zu können, abgeschnitten, sondern es war damit die
- Vereinigung aller Lehen in der Hand eines Vasallen und dadurch
die Uebermacht desselben im Bisthum rechtlich begründet.
.
i
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dı
#
.
Zur Beschleunigung des Friedensschlusses haben wohl die
überall Schrecken erregenden Berichte 1) über das Vordringen der
Mongolen beigetragen. Auch in Tirol griffen manche zu den
Waffen, um gegen die furchtbaren Feinde zu Felde zu ziehen.
So nahm der Vetter des Bischofs, Graf Ulrich von Ulten, das
A Kreuz gegen dıe Tartaren zur Befreiung des Vaterlandes und
E Erhaltung des katholischen Glaubens, vermachte am 5. Juni zu
ı) Horm, gold. Chron. v. Hohenschwangau 2. 68.
3#
= » =
Brixen Egno für 100 Mark Silber, welche ihm derselbe zur
Ausrüstung gab, sein väterliches Erbgut in der Pfarre Silz und
alle seine Besitzungen im Innthale für den Fall, dass er nicht
mehr zurückkehren sollte!) und setzte 14 Tage später in der
St. Paulskirche zu Eppan unter derselben Voraussetzung ihn und
die Söhne des Grafen Ulrich von Eppan zu Erben seiner übrigen
Güter ein. ?) Auch Graf Albert von Tirol machte, ceruce
signatus contra tarltaros, am 20. Juli 1241 eine Schenkung
an das Kloster Pollingen. 3)
Die nächsten Jahre nach den oben angeführten Friedens-
schlüssen scheint der Friede zwischen dem Grafen von Tirol
und dem Bischof nicht gestört worden zu sein; die Urkunden
aus dieser Zeit handeln über Schenkungen an Kirchen, Klöstern
"und Wohlthätigkeitsanstalten. So trat im Jahre 1247 der Graf
zu Gunsten des vom edlen Manne Hugo von Taufers und
seiner Gemahlin der Gräfin Mechtild gestifteten Spitals zu
Sterzing 4) einen Hof zu Aicha ab, damit aus den Einkünften
desselben die in demselben beherbergten Armen und Pilger das
nöthige Feuer sich zu erwärmen und hinlänglich Stroh, um darauf
zu ruhen, erhielten. Der Bischof freite für dasselbe Spital die
St. Marienkirche bei Sterzing von den bisherigen Abgaben an das
Kapitel und übertrug die Verwaltung desselben den Brüdern und
Schwestern von der Ordensregel des hl. Augustins, Ein Streit,
welcher wegen des Schlosses Reifeneck, dessen Ruinen auf einem
Hügel zwischen Sterzing und Stilfes liegen, ausbrach, wurde da-
durch ausgeglichen, dass der Bischof den Grafen damit belehnte, der
es dann Berthold von Trautson verlieh, 5) Allein dieser Friede
‘zwischen dem Bischof und dem Grafen blieb fort und: fort nur
ein Scheinfriede, da der Graf auf jede Gelegenheit lauerte,
neue Güter und Besitzungen an sich zu reissen. Die Ver-
+) Horm, Beitr. 2. 103.
2) Bonelli 2. 579.
°) Horm. gold. Chron. 2. 64.
*) Horm. Beitr. 2. 131.
5) Horm, Gesch, Tir. 2. 340,
rn
hältnisse der Zeit, wo das Faustrecht in der Blüthe war und
Fürsten und Adel wetteiferten, sich des Eigenthums anderer zu
bemächtigen, versiand Graf Albert sehr gut zu seiner Macht-
vergrösserung zu benützen und war dabei von seinen Dienst-
leuten, die ihn in Gewaltthätigkeiten noch überboten, trefflich
unterstützt. Im Vereine mit den Brüdern von Welsberg entzog
er dem Stifte Innichen die Schlösser Welfsberg und Heinfels, wess-
„halb der Bischof von Freisingen, dem dieses Stift gehörte, im Jahre
1245 beim Papste Innocenz Klage führte wegen Beeinträchtigung
seiner Güter durch den Grafen von Tirol und seine Dienstleute.
’
Aehnliches mag auch gegen den Bischof von Brixen beabsichtigt
worden sein; dieser suchte sich daher durch neue Bündnisse zu
stärken.
Ein solches schloss er am 4. November 1244 zu Brixen
in Gegenwart Hugo’s von Taufers und anderer Zeugen mit den
‚Brüdern Friedrich und Beral von Wanga. Beide Theile ver-
sprachen ihr ganzes Leben lang einander mit allen zu Gebote
stehenden Mitteln, allen ihren Besitzungen und Dienstmannen
Hilfe zu leisten gegen Jedermann ausgenommen gegen Kaiser
Friedrich, den römischen König Konrad und die Herren von Taufers;
sie wollten kein wichtigeres Unternehmen beginnen , keine be-
deutendern Geschäfte verhandeln und keine Bündnisse und Ver-
bindungen eingehen ohne wechselseitiges Einversländniss; die
Edeln von Wanga gelobten noch insbesondere, den Bischof mit
Rath und That zu unterstützen in Vertheidigung und Aufrecht-
haltung seines Bisthums, Comitats und Dukats. !)
Ein ähnliches Bündniss scheint auch mit den Herren von
Taufers bestanden zu haben, was man wohl aus der Anwesenheit -
Hugo’s bei Abschliessung obigen Vertrages, der geheim gehalten
werden sollte, und aus der ausdrücklichen Hervorhebung, dass
derselbe nicht gegen die Herren von Taufers gerichtet sein sollte,
- schliessen kann, Der Zweck dieser Bündnisse ist einleuchtend;
er kann wohl zunächst kein anderer gewesen sein, als gegen die
») Horm, s, W. 2, LXXV.
=
Uebermacht des Bundes der mächtigsten Vasallen ein Gegengewicht
zu bilden durch Verbindung mit den Edeln, die sich ebenfalls in
ihren Besitzungen und in ihrer bisherigen Stellung bedroht sehen
mochten. Im Jahre 1248 erneuerte der Bischof den Vertrag
mit Ulrich von Taufers, er erliess ihm die Vergütung alles
Schadens, welchen derselbe und sein verstorbener Bruder Hugo
ihm zugefügt halten, unter der Bedingung, dass er ihm 10 Jahre
lang mit allen seinen Dienstmannen Hilfe leiste gegen Jeder-
mann, ausgenommen gegen das Reich und die Herren von
Wanga. Dagegen nahm Egno den Herrn von Taufers in seinen
besondern Schutz auf, versprach ihm ebenfalls Beistand gegen seine
Gegner und ertheilte ihm das Recht wie die Ministerialen an
den bischöflichen Wahlen und Versammlungen und Berathungen,
die er oder seine Nachfolger halten würden, Theil zu nehmen. !)
Allein weder die Verbindung mit den Edeln, noch die Ver-
mehrung der eigenen Macht des Bischofs mit der Erbschaft des
Grafen Ulrich von Ulten, auf welche die Grafen Friedrich und
Georg von Eppan so wie auf die Schlösser Vatz und Königsberg
verziehten mussten, konnten verhindern, dass die Besitzungen
der Andechser nach ihrem Aussterben an den Grafen von Tirol
übergingen. Im Jahre 1248 starb Herzog Otto II. von Meran
ohne Nachkommen zu hinterlassen und es fielen daher seine
Brixner Lehen vermöge der früher erwähnten gemeinsamen
Belehnung seinem Schwiegervater, dem Grafen Albert von
Tirol, zu. Dieser vereinigte somit wieder alle Lehen, welche die
Andechser einst vor der Aechtung des Markgrafen Heinrich von
Istrien von der Kirche Brixen inne hatten, seine Macht erfüllte
bereits den grössern Theil des Bisthums und seine Erben ver-
mehrten dann dieselbe so, dass dem Bischof kaum so viel
blieb, dass er ein fürstliches Territorium bilden und sich nur
in zerstreuten Gebietstheilen die Landeshoheit wahren konnte.
Aber auch dieses Fürstenthum stand fortwährend unter dem
Einflusse des Landesfürsten, bis es endlich zu Anfang dieses
») Horm. s. W. 2. LXXIX.
a Se
Jahrhunderts ganz aufgehoben und mit der gefürsieien Grafschaft
Tirol vereiniget wurde. Der Versuch Bischof Egno’s gegen-
über dem Bunde der mächtigen Vasallen, die weltliche Macht
der Kirche Brixen wieder aufzurichten und fester zu begründen,
war demnach missglückt. Zwei Jahre nach dem Aussterben
der Andechser erhielt er das Bisthum Trient, um dort den Kampf
gegen dieselbe Macht fortzusetzen bis zu seinem Tode,
III
Egno hatte im Bisthum Trient, zu dem er im Jahre 1250
berufen wurde, einen noch schwierigern Kampf zu. bestehen
als in Brixen; nicht nur sielite sich ihm hier wieder die Macht
des Vasallen, deren Vergrösserung er eben halte geschehen
lassen müssen , entgegen, sondern er hatte noch ‚ganz andere
nicht minder grosse Hindernisse zu überwinden. Diese stehen
im Zusammenhange mit den damaligen Ereignissen. in Italien,
die wir daher kurz berühren müssen. Die Politik Kaiser
Friedrichs II. Italien zum Mittelpunkte seines Reiches zu machen
und dieses in absolutistisehen Sinne zu organisiren, hatte ihn
nicht allein in die gewaltigsten Kämpfe mit den Päpsten, sondern
auch in sehr hartnäckige Kriege mit den oberitalienischen Städten
verwickelt. Diese durch den ‚Kaiser ‚ihre. gegen Friedrich 1.
errungenen Freiheiten bedroht sehend halten ihren alten Bund
erneuert, und Friedrich durch Sperrung der Alpenpässe die
Verbindung mit’ Deutschland abgeschnitten und sich mit seinem
Sohne, dem Könige Heinrich, zur Zeit der Empörung gegen den
Vater verbunden. Um ihren Widerstand zu brechen und sie
ganz unter seine Herrschaft zu beugen, begann der Kaiser nach
der Unterwerfung und Absetzung seines Sohnes den Krieg gegen
sie. Mit deutschen Heeren und Saracenen, die er aus seinem
Königreiche Sieilien herangezogen, !hätig unterstützt von Ezelino
da Romano, dem Erzfeinde aller Städtefreiheit, errang er bald
grosse Vortheile und schlug die Mailänder im Jahre 1237 bei
A ae
Cortenuova so entscheidend, dass sie sich zu unterwerfen ver-
sprachen. Friedrich verlangte unbedingte Uebergabe, die Städte
aber, ehe sie sich auf Gnade und Ungnade ergaben, waren
entschlossen in ihrem Widerstand zu werharren und setzten
ihren Kampf mit dem Muthe der Verzweiflung gegen ihn und
Ezelin fort, dem Friedrich diesen Kriegsschauplatz überliess.
als er selbst in den Kirchenstaat einfiel, um den Papst zu
bekämpfen. Es entspann sich der bitterste Kampf zwischen
den nach Herrschaft strebenden Grossen und ihrem Anhange
einerseits und den republikanisch gesinnten Bürgern andererseits,
In jede Provinz, in jede Stadt war der blutige und gräuelvolle Par-
teikrieg: hineingelragen, er liess Italien Jahrhunderte lang nicht zur
Ruhe kommen und brachte dieses gesegnete Land fast gänzlich an
den Abgrund des Verderbens. Diese Kriege verbunden mit den
unheilvollen Folgen der furchtbaren Kämpfe zwischen dem Kaiser
und der Kirche, welche das ganze Reich in allen seinen Grund-
lagen erschülterten, übten auch im Bisthum Trient eine mächtige
Rückwirkung aus, das schon vermöge seiner Lage davon noth-
wendig berührt werden musste. Das Verfahren, welches Friedrich
bei Beginn des Krieges mit den Longobarden gegen Bischof Alderich
begann, steht ohne Zweifel mit seiner italienischen Partei im Zusam-
menhange. Im Jahre 1236 auf"dem Zuge nach Italien verbot er
zu Trient in Gegenwart der beiden Brüder Ezelin und Alberich
von Romano und des Grafen von Tirol dem Bischofe etwas von
seinen Kirchengütern zu veräussern, 1) und kurze Zeit, nachdem
er dem Bischofe Heinrich von Brixen die Regalien abgenommen
hatte, scheint er ähnliches gegen Bischof Alderich verfügt
zu haben. Schon am 14. Mai 1237 erscheint zu Trient ein
gewisser Roland als vom Kaiser aufgestellter Richter ' und
lässt die Herren von Lizzana schwören, Räuber und Geächtete
aufzugreifen und vor ihn zu führen. 2) Im November desselben
‘) Bonelli 2. 577. Horm, Beitr. 1. 208. Verci, St. d, Ec.
3. 260.
2) Trient, Arch. Reg. 37. 16.
N
Jahres forderte Roland als kaiserlicher Hofrichter und Delegirter
des Lazzarus von Lucca, kaiserlichen Podesta’s von Trient, den
Bischof selbst vor sein Gericht wegen eines Streites mit Nikolaus
von Stenego (Stenico) über die Hut des Schlosses Stenego
und vorenthaltene Lehen, Derselbe jedoch legte Protest ein
und weigerte sich zu erscheinen. 1) Seit 1239 war Sodeger de
Tito, ein Ritter aus Apulien, 2) kaiserlicher Podestä der Stadt
und des ganzen Bisthums Trient. 3) Dieser war fortan in Besitz
der ganzen weltlichen Gewalt des Bischofs, übte die oberste
Gerichtsbarkeit aus und erheilte die Lehen. Nur wenige
Spuren kommen mehr vor, dass dem Bischofe noch weltliche
Rechte zustanden. Es mag sein, dass Bischof Alderich sich
Fehler zu Schulden kommen liess, die zu diesen Massregeln
beigetragen haben, obwohl wir andererseits Beweise von ihm
haben, dass er energisch gegen den räuberischen Adel auftrat
und die Rechte seiner Kirche wahrte; jedoch der Hauptgrund
derselben ist sicherlich in den politischen Plänen des Kaisers
zu suchen. Es lag in seinem Interesse namentlich während der
Kriege in Oberitalien wegen der Aufrechthaltung der Verbindung
mit Deutschland das Bisthum Trient unmittelbar in seiner Gewalt
zu haben und wenn er die Verwaltung desselben einem Beamten
aus seinem 'Königreiche übertrug, so war dieses wohl eine
Einrichtung, die auch den oberitalienischen Städten zugedacht
war, sobald sie unterworfen waren. Damit aber das Bisthum
noch härter die Folgen der staufischen Politik zu fühlen bekam,
- musste dort auch der Einfluss des gefürchteten und mächtigen
_ Ezelin zur Geltung kommen. Dieser hatte, um seine herrsch-
_ . _*!) Trient. Arch. Reg. S17 und 40.17. Aldricus Episcopus
tridentinus presentavit Rolando iudici Imperialis curie el
delegato Lazarii Lucensis potestatis Tridenti pro Imperatore
unam scedulam, qua recusat forum dicti Rolandi tanquam
persone secularis cum uzore et filüs.
2) Chron. Veron. ad ann. 1255 Muratori Script. R. 1.
8. 636. Quidam miles de Apulia exzistens potestas Tridenti.
3) Cod. Wang. 381.
“
a 2
süchtigen Pläne zu erreichen, sich seit 1232 enge dem Kaiser
angeschlossen. Nachdem er im Bunde mit den Montechi den
Grafen von San Bonifazio und seine Partei aus Verona ver-
trieben und sich der Herrschaft in dieser Stadt bemächtigt hatte,
öffnete er dem Kaiser die Alpenpässe und unterstützte ihn kräftig
im Kampfe mit den Städten und unterwarf die Städte Padua,
Vicenza, Feltre, Belluno und Bassano ; Friedrich vermählte ihm
eine seiner natürlichen Töchter, Selvaggia, und überliess ihm,
als er 1240 in den Kirchenstaat einbrach, die Fortführung des
Kampfes gegen die Lombarden.
Ezelin wird in den geschichtlichen Aufzeichnungen von
Zeitgenossen, wo allerdings auch die durch die furchtbaren
Parteikämpfe aufgeregten Leidenschaften mitsprechen, als ein
zweiter Attila, als eine Geissel Gottes, als der grimmigste Ver-
folger der Kirche, der grausamste Feind aller Guten, Unter-
drücker aller Freiheit und als der unverbesserlichste Ketzer
geschildert. Man betrachtete ihn wie den Kaiser als den Vorläufer
des Antichrist, als einen Sendling der Hölle. Salimbene sagt von
ihm : Wie sich Gott einen besondern Freund unter den Menschen,
den er sich gleichmachen wollte, in Franz von Assisi auserkoren
hat, so der Teufel in Ezelin. Man wollte denn auch nach dem Tode
seine Seele zur Hölle fahren gesehen und in seinem Zimmer Schwefel
gerochen haben. Ezelin war ein ehrgeiziger und herrschsüchtiger
Mann, er trug sich mit den weitaussehendsten Planen und war
nicht sehr gewissenhaft in der Wahl der Mittel zu deren Aus-
führung; religiöse Scrupel belästigten ihn dabei nicht, dagegen
war er grosser Fatalist und glaubte sein Schicksal aus den
Sternen lesen zu können, er hatte daher, wie Kaiser Friedrich II.,
Astrologen und Sterndeuter um sich. Kaltblütig und kühn in
seinen Unternehmungen, schlau in seiner Politik wollte er seine
Herrschaft über das ganze oder den grössern Theil von Ober-
italien mit Inbegriff des Gebiets von Trient ausbreiten, namentlich
seit die Macht der Staufen dort völlig geschwächt war. Jedoch
unwahr ist die Behauptung, dass Trient schon seit 1222 in
seiner Gewalt war und dass seit dieser Zeit die Bischöfe nur
— 3 —
mehr im Besitz ihres geistlichen Amtes waren; !) denn diese
‚waren bis wenigstens zum Jahre 1236 iu der Ausübung der
ihnen verliehenen weltlichen Gewalt nieht beeinträchtigt worden,
wovon sich der Herausgeber des Codex Wangianus wohl selbst
überzeugt haben wird und was noch bestimmter aus den bis
jetzt noch nicht veröffentlichten Urkunden hervorgeht. Auch
das ist unrichtig, dass Kaiser Friedrich im Jahre 1240 Ezelin
förmlich zum Herrn von Trient ernannt habe und dass Sodeger
von Tito von da an sein Beamter dort war. Dieser war vom
Kaiser zum Podesta von Trient ernannt, und nannte sich auch
stets per Dominum Friedericum Imperatorem potestas
civilalis et episcopatus tridentini und später nach dem Tode
des Kaisers per Regem Conradum potestas. ?) Wohl aber
machte sich Ezelins Einwirkung seit Beginn des Krieges
Friedrichs mit den Städten, namentlich aber seit er Befehlshaber
auf dem oberitalienischen Kriegstheater war, in dem Bisthum
Trient geltend, Dieses geht unter anderen aus einem Schreiben
von ihm aus dem Jahre 1240 an Sodeger hervor, worin er dem-
selben mittheilte, dass er es für nützlich halte, wenn die Hut der
Burgen Jakobs von Lizzana bestritten werden könnte ohne die
von Trient nach Verona und in umgekehrter Richtung Reisenden
mit Zöllen und Mauten belasten zu müssen ; wäre aber dieses
nicht ausführbar, so sollte man zu Pratalia einen Zoll erheben,
‚jedoch so gering als möglich, in keinem Falle aber sollte man
13 jene Burgen preisgeben, 3)
Der Adel von Trient, der ebenfalls in die herrschenden
Parteibewegungen in Italien hineingezogen und dadurch noch
rebellischer wurde als er bereits war, nahm an diesen Ereignissen
ebenfalls thätigen Antheil, er stellie sich, je nachdem er es
seinen Interessen entsprechend glaubte, auf Seite der einen oder
').Kink ak. Vorl. 317 el sq.
2) 1252 am 1. Dez, ertheilte Sodeger per D. Conradum Rom. .
Regem. potestas eine Belehnung. Trient. Arch. caps. 59. N. 40.
3) Trient. Arch. Reg. 37. 16. Bonelli 3. 2, 64.
= a Ze
anderen Partei, selbst die einzelnen Geschlechter waren in dieser
Hinsicht getheilt. Während die Herren von Castelbarco sich
enge an Sodeger und Ezelin anschlossen, verbanden sich der
durch seine Räubereien berüchtigte Jakob von Lizzana und seine
Söhne mit den Brescianern und dem Grafen von St. Bonifazio,
wesshalb Sodeger von Tito ihn seiner Güter verlustig erklärte
und dieselben Riprand von Arco verlieh. 1) Die Herren von
Arco bekämpften sich unter einander, die Söhne Friedrichs
von Arco, Panzeria und seine Brüder, standen im Bunde mit
den Brescianern ; daher wurden ihnen auch ihre Güter, Grafschafts-
rechte, Allode und Lehen abgenommen und ihrem Oheim Riprand
verliehen. 2) Diese Massregel jedoch bewog sie von ihrem
Bunde mit Brescia abzustehen, sie suchten durch den Grafen
von Ulten und die Herren von Wanga die Vermittlung Ezelins
als des einflussreichsten Mannes beim Kaiser, sie versprachen
sich zu unterwerfen, wenn sie wieder in ihre Besitzungen ein-
gesetzt würden und wollten ihre Burgen, solange der Krieg
mit den Brescianern dauern würde, dem Podesta Sodeger über-
liefern, 3) Das Gebiet des Bisthums Trient selbst war vom
Kriege schwer betroffen ; die Brescianer machten verheerende
Einfälle, desshalb musste Sodeger einem gewissen Bonifazius von
Bellone, der in ihre Gefangenschaft gerathen aber wieder ent-
kommen war, gestatten zu Turano eine Burg zu bauen, um sich
vertheidigen zu können, 4) Die Lage der Dinge verschlimmerte
sich mit der Zunahme der Erbitterung des Kampfes, namentlich
seit die Kirche nach der Absetzung Kaiser Friedrichs Alles
aufbot,- das kirchenfeindliche Geschlecht der Staufen und seine
Partei gänzlich zu vernichten,
Die Aufgabe, welche Egno zu lösen hatte, als er ‚vom
ı) 1243. Febr. 14. geschehen zu Riva. Bonelli 2. 138.
2) Verci hat in der Storia d. Ecelini 3. 348 die Urkunde darüber
(aus dem Archiv der Grafen von Arco) abgedruckt ohne Datum ;
dieselbe wird ungefähr auf das Jahr 1244 zu selzen sein.
®) Horm, Beitr. 2. 340.
“) Horm. Gesch. Tir, 2. 337,
nn —
Papste Innocenz IV. von Brixen auf den bischöflichen Sitz von
Trient übersetzt wurde, war demnach keine leichte. Einer-
seits der mächtige Vasall, der jede Verlegenheit des Bischofs
zur eigenen Machtvergrösserung zu benützen suchte ; anderer-
seits die Stadt Trient und fast das ganze Bisthum in der
Gewalt eines staufischen Beamten und unter dem Einfluss
Ezelins, des grimmigsten Feindes der Kirche, der dasselbe bald
förmlich als sein Eigenthum betrachtete; der Adel selbstsüchtige
- Zwecke verfolgend und widerspenstig, das Land vielfach durch
die Kriege in Italien in’s Mitleid gezogen: das waren die Ver-
hältnisse, unter denen Egno sein neues bischöfliches Amt antreten
musste, Uebrigens zeigt gerade die Verselzung auf diesen
Posten „ dass Papst Innocenz Vertrauen auf seine Kraft
und Ausdauer setzte. Egno, der sich, wie Simnacher glaubt,
im Jahre 1247 zum Papste selbst nach Lion begeben hat,
schloss sich, seit er sich von der staufischen Partei getrennt
hatte, enge an die Kirche an und Innocenz IV, spendete in
einem Schreiben grosses Lob seiner Ergebenheit gegen den
apostolischen Stuhl und erklärte, dass kein Legat kirchliche
Strafen, als Excommunication, Suspension oder Interdiet gegen
ihn verkünden dürfe, wenn er nicht einen ausdrücklichen Befehl
des Papstes dazu vorzuweisen hätte. 1) Die Uebersetzung Egno’s
nach Trient geschah im Jahre 1250 und nicht 1247; denn
1249 erscheint er noch urkundlich als Bischof von Brixen, wohl
aber war er schon früher zum Administrator der Kirche von
Trient bestellt worden. 2) Die Behauptung, dass er schon
. 1247 Bischof von Trient geworden sei, beruht auf einer falsch
datirten Urkunde, deren Jahrzahl im Original nicht mehr lesbar
ist, die aber erwiesen dem Jahre 1264 angehört. 3) Auch die
ı) Sinnacher 4. 359,
. 2) E. Brixinensis Ecclesie Episcopus nec non Administrator
Ecclesie tridentine fordert zu Almosenspenden für die in Noth
lebenden Schwestern von St. Anna zu Trient auf. Bonelli 2. 141.
3) Bonelli2.584 hat dieselbe aus dem im Trient. Arch. befindlichen
"Original abgedruckt und auf das Jahr 1248 geselzt, da diese
Jahreszahl von späterer Hand auf die Aussenseite gezeichnet war.
u
darauf gestützte und noch ausgeschmückte Erzählung Hormayrs, 1)
dass Egno den Antritt seiner Regierung mannhaft bezeichnete
durch sein Auftreten gegen die Herren von Castelbarco, Arco
und Wanga, den Beral im offenen Gefechte niederwarf und
im Thurm zu Salurn verwahrte u, s. w. ist unwahr, und
zwar schon aus dem Grunde, weil er noch 5 Jahre lang gar
nicht in Besitz seines Bisthums gelangte. Daher erliess Papst
Innocenz am 8. November 1250 an ihn und den zu seinem
Nachfolger in Brixen erwählten Grafen Bruno von Kirchberg
und Wullenstetten folgendes Schreiben : Da wir für gut befunden,
Dich ehrwürdiger Bruder (Egno) von der Kirche Brixen zur
Kirche Trient zu übersetzen, und Dich vielgeliebter Sohn
Erwählter der Kirche Brixen vorzusetzen, so verordnen wir «mit
Rath unserer Brüder, weil doch die Stiftsgüter von Trient durch
die Feinde der Kirche in Beschlag genommen sind, dass Du
Sohn Erwählter von allen brixnerischen Stiftsgütern 2 Theile,
Du aber Bruder Bischof das übrige behaltest, und dass ihr auf
diese Weise die Einkünfte beider Bisthümer theilet, doch mit
Abzug jener Abgaben, die anf Erhaltung der Schlösser und
Güter aufgehen, solange bis Du Bruder Bischof zu deinen
Besitzungen gelangt bist. 2)
In Trient aber wurde ein anderer Bischof gewählt; als
solcher erscheint in 3 Urkunden von 4252 und 1254 ein
Ihr Inhalt ist die Resignation eines Lehens nämlich eines Hauses
und Thurms an der Etschbrücke zu Trient durch Albero von Wanga
in die Hände Bischof Egno’s. Die Bestäligung dieser Resignation von
Seite Berals von Wanga, des genannten Albero’s Bruder, geschah
3 Tage später; die beirelfende Urkunde ist gedruckt in Horm. Gesch.
Tir. 2. 391. Das Datum derselben lautet auf 1264 Ind. VI. die
lune XI. exeunte Aprili.
ı) Horm. Chron. der Grafen von Eppan im Sammler 5. 75.
Horm. s. W. 2. 142. Dass die Erzählung Horm. von Feindseligkeiten
zwischen Bischof Egno und den Herrn von Wanga unwahr ist,
ergibt sich auch aus der Urkunde über das Bündniss zwischen Egno
und Ulrich von Taufers, welches nicht gegen dieHerren von Wanga
gerichtet sein sollte. Horm, s. W. 2. XXXI.
2) Sinnacher 4, 400.
A =
gewisser Ulrich von Porta. 1) Egno schlug während der Zeit
seines Exils seinen Sitz auf dem eppanischen Schlosse Andrian
gegenüber von Terlan, wo wir 1251 den Propst von St, Michael,
einen Domherrn und einige Herren aus dem Lägerthale als
Christian von Pomarolo und Gumpo und Sinibald von Castel-
corno bei ihm finden, 2) und in Bozen auf. Im September 1251
befanden sich ausser dem Propst von St. Michael auch schon
mehrere Domherrn bei ihm. 3) Im Juli 1253 war er auf Schloss
Tirol beim Grafen Albert, £) scheint aber bald nach dem Tode
desselben das Land verlassen zu haben. Am 20. April 1254
finden wir ihn zu Venedig, 5) uud am 45. Juli zu Capodistria
beim Grafen Meinhard, dem Schwiegersohne und Nachfolger des
Grafen Albert in der Grafschaft Tirol. 6) Wie im vorigen
Jahre musste er auch jetzt den Beistand seines Vogtes durch
grosse Opfer erkaufen. Erst im Jahre 1255 gelangte er in
Besitz von Trient und seines Bisthums. Ezelin hatte dasselbe
nun ganz als sein Eigenthum behandelt, die Trientner mussten
ihm Zuzug leisten zu seinen Kriegen in Italien. Riprand von
Arco und sein Sohn Wilhelm verkauften ihm im Jahre 1253
") Bonelli 2.142. Horm. Gesch. Tir. 2. 347. Nach dem Friedens-
schlusse am 28. Mai 1255 erscheint dieser Ulrich oder Olrich von
Porta als Decan den Kirche zu Trient. Dass der in Urkunden öfter
vorkommende Decanus Ulricus oder Olricus Ulrich von Porta ist,
wird durch 2 Urkunden bestätigt, wovon die eine vom 10. Juni 1255
(Trient. Arch. caps. 68. N. 38) und die andere vom 15. Jänner
1257 (Trient. Arch. caps. 61 Nr. 24) datirt ist. 1258 aber
erscheint Gotschaleus als Decanus, wahrscheinlich war damals Ulrich
- von Porta gestorben,
2) Trient. Arch, Rey. 37. 16. 1253 Aprti. 14. in Castro
Andriani in Camera Episcopi geschah eine Belehnung. Trient.
"Arch. caps. 59. N. 41.
®) Horm. Gesch. Tir. 2. 343.
4 *) Horm. Gesch, Tir. 2. 345.
5) Trient. Arch. caps. 59. N. 42.
9% 1254 Juli 28 in eivitate Justinopoli belehnte er den Grafen
Meinhard mit den Ultner und Eppaner Lehen, Trient Arch. Reg.
36, 6.
= 8 —
die Hälfte des Schlosses Arco mit allen dazu gehörigen Rechten; 1)
er belehnte. dann damit Sodeger de Tito. 2) Diesem übergab
Riprand von Arco am 18. Mai all sein Besitzihum und alle seine
Rechte in der Pfarre Blegia an der Sarca und am Berge Durone, in
den Pfarren Tione, Boni und Condini. 3) Sodeger, der noch
im Dezemher 1251 sich Podesta König Konrads nannte, erscheint
nun förmlich als Beamter Ezelins. 4) Allein der Podesta sowohl,
als die Adeligen, die nur eigene Interessen verfolgten, waren
nicht geneigt steis ihr Schicksal mit dem Ezelins, gegen den
die Kirche das Kreuz predigte, zu verknüpfen ; die Abhängigkeit
von demselben und seine Herrschaft mochte ‘ihnen drückend
erscheinen, zudem konnten sie hoffen, wenn sie sich jetzt
mit dem Bischofe aussöhnten, von demselben die Bestätigung
ihrer erworbenen Besitzungen und Güter zu erlangen. Die °
Trientner waren der ezelinischen Herrschaft satt; auch in
andern Theilen des Bisthums waren die Gemeinden aufgebracht
und widersetzten sich den Feinden des Bischofs. Anfangs April
kam es zu einer Erhebung in Trient, die Anhänger Ezelins
wurden vertrieben und die Stadt und die Schlösser an Sodeger,
die Herren von Castelbarco und andere Bürger von Trient
übergeben. 5) Dieser Umschwung war es, was Egno den Weg
zu seinem Bisthum eröffnete; am 26. Mai 1255 war er in Tione
und bestätigte den Leuten und der Gemeinde Randena_ ihre
Privilegien, da dieselben zur Zeit der harten Lage und uner-
träglichen Knechtschaft der Kirche des hl. Vigilius und der
Verbannung ihres Bischofs - der- Kirche treu blieben und aus-
harrten im Kampfe gegen die Tyrannen. 6) Zwei Tage später
schloss er zu Arco mit der Gegenpartei Friede, der allerdings
!) Verei st. d. Ec 3. 349.
2) Verei I. c. 357.
3) Horm. Gesch. Tir. 2. 343.
*) Chron. Veron. bei Muratori 8. 636: ‚„‚Existens potestas
tridenti pro domino. Icerino“‘.
>) Chron. Monachi Patavini bei Muratori Script, Rer.
It. 8. 690. Chron. Veron., I. c
°) Trient. Arch. Rey. 8. 5.
N
der Kirche von Trient grosse Opfer auflegte. Egno musste dem
Podestä Sodeger de Tito, den Herren von Castelbarco, Riprand
von Arco, Peregrin von Beseno, Riprand von Cles und allen
Leuten des Nons- und Sulzthales, sowie allen Bürgern von
Trient und Leuten des Bisthums, sämmtlichen Anhängern der vor-
genannten Herren ihre Rechte und Besitzungen bestätigen, den
Podesta Sodeger für sich und seine Nachkommen 'beiderlei
Geschlechtes mit dem Schlosse Stenego und mit seinem neuen
Hause zu Trient, welches ihm im vorausgegangenen Jahre
vom Gegenbischof Ulrich und der Gemeinde verliehen worden
"war, 1) belehnen, und ihn im Besitze alles dessen, was er in
der Stadt und im Bisthum Trient durch Kauf oder auf was immer
für eine Weise erworben hatte, bestätigen. Ferners musste er
dem Podestä versprechen, ihm das Schloss Arco zu überlassen
jedoch mit Vorbehalt der Rechte Panceria’s und seiner Brüder
von Arco, ihn auf Lebenszeit zu seinem Vicar zu ernennen,
ihm aus den Einkünften des Bisthums, einen seiner Stellung
entsprechenden Unterhalt zu geben, aus den Erträgnissen des
Kellers der Stadt Trient seine Schulden zu bezahlen und ihm
die Vergütung alles Schadens, den er und seine Anhänger ver-
übt, ‚nachzulassen. Aldriget und seinen Brüdern von Castelbarco
musste er den Besitz des Schlosses von Castelcorno mit allen
dazu gehörigen Rechten und Einkünften, so lange Ezelin von Romano
leben würde, zugestehen, ferners ihnen versprechen, im ganzen
Lägerthale keine Burgen und Festungswerke errichten zu lassen,
nur das Schloss Lizzana sollte wieder hergestellt werden;
weiter musste er ihnen übergeben Zehenten zu Castellani und
Nogaredo, sie mit dem Schlosse Serravalle, das sie gegen
Ezelin befestigen wollten, und allen Besitzungen des Bisthums
/ in Pomaroli belehnen, den Söhnen Azzo’s von Castelbarco ihre
" Prebenden bestätigen und dem Peregrin von Beseno auf Lebens-
| zeit die Gastaldia Beseno verleihen. Der Bischof versprach
ferner dem Podestä, den Bürgern von Trient und allen ihren
! . ») Horm, Gesch. Tir. 2. 347,
won
Freunden im Bisthum und ausser Landes vollständige Verzeihung
aller zugefügten Beleidigungen zu gewähren, den Bürgern alle’
Käufe , Pfandschaften, Lehen oder Erwerbungen, welche sie
durch den Podestä an Gastaldien, Gütern des Bisthums oder,
irgend einer andern Person gemacht hatten, zu bestätigen, den
Leuten des Nons- und Sulzthales ebenfalls die zugefügten
Beleidigungen nachzusehen, die Häuser der Herrn Arojan Politi
und Riprand von Cles nicht zerstören zu lassen, das vom
Podestä erbaute Schloss Livo nicht ausser das Bisthum zu
Lehen zu geben und vom alten Schosse Livo an bis an die
Grenzen des Gebietes von Breseia keine Festung bauen zu lassen. 1)
Von Arco begab sich Egno nach Riva 2) und von da nach
Trient, 3) wo er am letzten Mai oder in den ersten Tagen des
Juni nach fünfjährigem Exil seinen Einzug hielt und in dem
am Dosso Malconsei erbauten Hause Sodegers von Tito nach
dessen Tode seine Residenz nahm 4) Mit grossen Opfern hatte
!) Vereci, Storia della Marca Trivigiana e Veronese 2.15.
(docum.) theilt den Vertrag nach einer im Trientner Archive be-
findlichen Copie ganz mit, ein Bruchstück desselben ist gedruckt in
Bonelli 2.587 und in Vere’’sStoria d. Ec. 3.377. Letzteres dient
zur Berichtigung des Ausstellungstages der Urkunde. Das von Verei in
der Stor. d. M. T. veröffentlichte Document ist dalirt von die Vereris
septimo intrante Maio, dagegen das Bruchstück, das Bonelli dem
Original entnommen hat, von die Veneris quarto exeunte Maio. Dass
Bonelli richtig gelesen, wird durch die Reg. des trient. Arch. 32. 21
bestäligt. Dass dieser Tag der richtige ist, geht daraus hervor, dass die
Belehnungen und urkundlich documentirten Handlungen Bischof Egno’s
erst nach dem 28. Mai beginnen, dagegen solche mit Ausnahme des
früher erwähnten Privilegiums für die Leute der Gemeinde Randena
vor jenem Tage aus d. J»1255 wenigstens mir nicht bekannt sind.
2) Am 30. Mai belehnte Egno zuRivaRibald von Riva mit seinen
Lehen, Trient. Arch. caps. 60. N. 14.
3) Am 2 Juni belehnte Egno zu Trient die Edlen von. Wanga mit
der Hut des Schlosses Ravenstein ete. Trient, Arch. Reg. 59. 140,
*) Der Tod Sodegers erfolgte zwischen dem 5. und 15. Juni,
Am 5. Juni war er noch zugegen, als Bischof Egno die Leute in
der Pfarre Cloz in seinen Schutz anfnahm. Horm. Gesch. Tir,
2. 353. Am 15. Mai ertheilte Egno ,‚,‚in domo, que fuit D.
Sodegerii de Tito, quondam Potestatis Tridenti, eine Belehnung.
Am 21. Juni geschah „in castro quod edificavit quondam
Sodigerius de Thito, qui fuit potestas Tridenti, in quo nunc
HE
er sein Bisthum erkaufen müssen und konnte sich dennoch
nicht eines ruhigen Besitzes desselben freuen; im Gegentheile
“hatte er noch viele harte Kämpfe zu bestehen, um sich darin
zu behaupten, und musste noch zu wiederholten Malen Trient
verlassen und in andern Städten seines Bisthums einen Zufluchis-
ort suchen, um nicht in die Gewalt seiner Feinde zu fallen.
Zur Zeit, als er jenen für ihn und seine Kirche so nachtheiligen
Vertrag schloss, rüstete sich schon der mächtige Ezelino von
Romano, um den Abfall Trients zu rächen. Der Bischof traf
in Eile alle möglichen Anstalten zur Vertheidigung des Landes
gegen diesen furchtbaren Feind und um die Mittel dazu zu
erhalten -verpfändete und veräusserte er Güter und Einkünfte
seiner Kirche. Am 15. Juni 1255 verlieh er ‚‚considerans in
yuantis mecessilatibus et periculis sit implicatus ipse et
Episcopatus Ecclesie tridentine propter guerram quam ei
faeit assidue potens Ecelinus de Romano et qualiter in
minori detrimento sui Episcopatus et Ecclesie prelibate
posset denarios acquirere, de quibus posset Castra munire,
Balistrarios consoldare et alias multas necessarias expensas
facere,‘“ dem Ulrich dal Ponte den Zoll an der Etschbrücke
zu Trient in Erbpacht und verwendete das dadurch erhaltene
Geld zur Bezahlung der Burghut auf Callimberg, im Schlosse
Silva und im alten Schlosse. 1) Noch in diesem Jahre machte
habitat D. Eyno Dei gratia Episcopus Tridenti die Verleihung
von Privilegien durch den Bischof für die Gemeinde und die Leute
in Judicarien Verei St. d. Ec. 2. 312. Mit diesem neuen Hause
oder Schlosse war Sodegerius am 2. Jänner 1254 vom Erwählten
Olderich (Ulrich) von Porta und die Comune von Trient belehnt
worden. Horm. Gesch. Tir. 2. 347; seit der Bischof in demselben
wohnte, hiess es gewöhnlich ‚nova Domus Episcopi, oder Castrum
novum Episcopi. Später wurde der Name ,„‚Mal-Consiglio‘* in
„Buon-Consiglio““ umgewandelt. Während der Kriege ‚zwischen
dem Bischofe und dem Grafen Meinhard von Tirol bemächtigte sich
letzterer desselben, musste es aber dann nach dem Ausspruche König
Rudolfs dem Bischof Heinrich zurückstellen, und dieser gab es 1277
auf den Altar des h. Vigilius. Bonelli 2, 608.
») Bonelli 2. 637. Nach seiner Angabe ist der Callimberg ober
Trient in der Richtung gegen Civezzano, das Castrum Silvae das
|
| 4*
|
—ı
Ezelin einen verheerenden Einfall durch Valsugana und zerstörte
Schlösser und Dörfer. 1) Im folgenden Frühjahre kehrte der
furchtbare Feind auf demselben Wege wieder und nöthigte den
Bischof Trient zu verlassen und nach Riva zu fliehen.
Diese Einfälle wiederholten sich in gleicher Weise in den
folgenden Jahren, Alles Land, wohin der grausame Tyrann
kam, war verwüstet, die Ortschaften wurden zerstört und die
Bewohner in Noth und Elend gebracht; sie getrauten sich nicht
mehr die Felder anzubauen, da in kurzer Zeit ihre ganze Arbeit
wieder vernichtet war. Der Bischof liess zwar zu ihrem Schutze
die Burgen und Festungswerke wieder herstellen, 2) allein die
Mittel seiner Kirche reichten trotz der vielen Verpfändungen 3)
nicht aus das Land zu vertheidigen; der Papst forderte daher
andere Bischöfe auf, ihn zu unterstützen. Im Februar 1256
schrieb Alexander IV. an den Bischof von Freisingen, er möchte
mit den Einkünften von seinen Besitzungen in der Diöcese
Brixen dem Bischof von Trient beistehen, so oft er von ihm
angegangen würde, und sollte keine seiner Unterthanen zu
Castell della Selva unweit Levico und Castrum Vetus das Castell
Vechio della Brenta.
ı) Circa principium Aprilis tridentini gravissimum iugum
tyrannidis Ezelini a suis cervibus exclusserunt, ad quos oppri-
mendos validum exercitum per Vallem Suganam festinanter
direzxil, qui multa castra et villas eorum tam incendiüs quam
rapinis crudeliter devastavit. Monachus Patavinus bei Muratori.
Script. Rer. It. 8. 690.
2) Das Schloss Vigolo und die ganze Gegend war durch Ezelin
zerstört und verwüstet worden und blieb aus Furcht vor demselben
und seinen Anhängern ungebaut; der Bischof belehnte daher im
August 1256 vor dem Schlosse Belvedere Zordan und Azo die Söhne
des Montenarius von Vigolo mit diesem Schlosse, damıt sie .es wieder
aufbauten und die Leute der Umgegend schützten. Montebello,
Notizie della Valsugana e di Primiero, documena, 12. pag. 21.
>) In Februar 1256 verpfändete er dem Riprand von Arco alle
Einkünfte seiner Kirche in der Pfarre Arco um 2000 Pfund Berner
und liess sich von ihm Hilfe und Beistand versprechen mit allen
Schlössern und Burgen zum Schutze und zur Vertheidigung des
Bisthums, Ducats und Comitats. Werei St. d. Ec. 3.386. Trient.
Arch. caps. 2. N. 13, Trient. Arch. Reg. 30, 13.
|
i
F
|
1
Ezelin übergehen und die Anhänger desselben nicht durch sein
Gebiet ziehen lassen; es handle sich um einen Kampf gegen
den Feind des katholischen Glaubens und der kirchlichen
Freiheit. !)
Gross war die Bedrängniss, in der sich damals die Kirche
von Trient und ihr Vorsteher befanden, Während der
gewaltige Herr von Verona das Bisthum durch seine Einfälle
beunruhigte und Besitzungen desselben an sich riss, benützten
die Erben des Grafen Albert von Tirol, die vor allen berufen .
waren das Stift zu schützen, die bedrängte Lage desselben, den
Bischof zu nöthigen ihnen die wichtigsten Lehen zu übertragen.
Aehnliches thaten auch viele Barone und Grosse, sie verfolgten
ebenfalls nur selbstsüchtige Zwecke und um dieselben zu er-
reichen, scheuten sie sich nicht mit dem allgemeinen Feinde
in Verbindung zu treten. Unter diesen sind vor allen die Edlen
von Castellbarco zu nennen; stets im Bunde mit den Feinden
des Bischofs schwangen sie sich zu grosser Macht empor, so dass
sie fast alle Schlösser und Burgen mit den dazu gehörigen
Gütern und Rechten im Lägerthale an sich brachten. Wie“
bereits oben erzählt wurde , musste ihnen Egno im Friedens-
vertrage am 28. Mai 1255 grosse Zugeständnisse machen, und
ihnen unter anderm versprechen, sie, solange Ezelin leben würde,
im Besitze des Schlosses Casteleorno und der Einkünfte des-
selben zu lassen und keinen Bau von Burgen und Festungs-
werken mit Ausnahme des Schlosses Lizzana im ganzen Lägerthale
- und in Gardo zu gestatten. Auf Castelcorno ?) machten jedoch
._*) Meichelbeck, Hist. Frisinyg. 2. 45. Verci Stor. d. Ec.
3. 384.
2) Im Jahre 1251 am 3. Sept. halte Egno auf dem Schlosse
Andrian die Brüder Gumpo und Sinibald von Castelcorno und ihre
Erben beiderlei Geschlechtes mit dem Dosso ober Castelcorno
genannt „‚in summa turri‘“ belehnt, um ein Schloss zu bauen, und
ihnen auch die ‚„‚regula pratorum‘‘ zwischen Casteleorno und dem
Dosso verliehen unter der Bedingung, dass das Schloss dem
Bischof immer offen stehen sollte. Trient. Arch. Rey. 37. 16.
— 54 —
Jakobin von Lizzana und Sinibald von Casteleorno Ansprüche
und es kam desshalb am 11. Juni 1256 in Trient zu folgendem
Vertrage: In Gegenwart des Bischofs versprachen Aldriget und
Friedrich von Castelbarco in ihrem und im Namen ihrer Brüder
Azzo und Wilhelm den genamnten Jacobin von Lizzana und
Sinibald von Casteleorno, das genannte Sehloss dem Adelperius
von Arco zu übergeben, der es solange in seiner Gewalt be-
halten sollte, bis von Ezelin keine Gefalır mehr drohte; nur
Bartholomäus von Brentonico behielt seinen Antheil am Schlosse,
Jacobin und Sinibald aber mussten in den Häusern unter Castel-
corno wohnen und sollten erst dann davon Besitz ergreifen
können, wenn Ezelin gestorben wäre, oder alle Gefahr von seiner
Seite aufhörte und ein dauernder Friede zwischen ihm und der
Commune von Trient geschlossen werden würde. Beide Parteien,
die Castelbarker sowohl als Jacobin und Sinibald mussten geloben,
sich in keine Verbindung mit Ezelin einzulassen und wechsel-
seitig zusammen zu wirken zur Unterdrückung aller Fehden und
Feindseligkeiten im Lägerthale. Zum Schutze des Schlosses
sollte Adelperius 6 Wächter halten, nämlich 2 auf Kosten des
Bischofs, 2 auf Kosten Jacobin’s und Sinibald’s und 2 auf Kosten
des Bartholomäus von Brentonico. 1)
Ungeachtet des vor dem Bischofe erneuerten Versprechens,
kein Bündniss mit dem Feinde einzugehen, waren die ‚Castel-
barker eine der ersten, welche wieder dem als Feind der
allgemeinen römischen und der Trientner Kirche und als Keizer
gebannten Ezelin sich anschlossen. Im Jänner 1257 befand
Aldriget von Castelbarco, der Hauptmann zu Trient war, sich
beim Bischofe 2), aber im selben Jahre noch wurden er und
seine Brüder Verbündete des Gegners, der sich eines grossen
') Verci, Stor. d. Marca triviy. 2. doc. pay. 17. Trient.
Arch. Reg. 32. 26.
”) Am 17. Jänner erscheint er als Zeuge in einer Urkunde des
Bischofs für die Wittwe und Söhne Hermanns von Tramin. Trient.
Arch. caps. 31. N. 24.
m Ge
_ Theils des Bisthums bemächtigte. Beinahe ganz Val Lagarina fiel
in die Hände Ezelins und seiner Anhänger !) und blieb darin bis
zum Tode des „Tyrannen“. Im Jahre 1258 setzte dieser dort
einen Hauptmann ein und berief eine Versammlung der Edlen, um
- sich mit ihnen zu berathen über die Besoldung dieses Hauptmanns.
die jährlich auf 800 Pfund und darüber angesetzt wurde, und um
die Rechte des Bischofs in diesem Thale und die Rechte der Ritter
I über ihre Gefolgschafts- und Dienstleute ( jus mititum super eorum
macinata el servis) zu untersuchen. Damals waren bei Ezelin
zugegen die Herren Friedrich und Bonifaz von Castelbarco,
Jaeobin von Lizzana, Peregrin nnd Nicolaus von Beseno, Jacobin
und Bubulchin von Gardumo, Friedrich von Paldo und Christian
von Pomarolo. 2) Ausser den Herren des Lägerthales gingen
x noch viele andere zum Feinde über. so unter Andern der Edle
Albertinus Longinus von Campo und sein Sohn Graziadeus. Am
- 9. Jänner 1258 erklärte Bischof Egno den Bertold de Gosso-
0 lengo von Dro als Verräther und Verbündeten von Verräthern
und Ungläubigen aller seiner Güter verlustig und belehnte damit
den Heinrich Soga von Arco. 3) In Valsugana waren die Söhne
- Tiso's von Levico Berald und Bellımax eifrige Freunde und
- Anhänger des Ketzers Ezelin. Auch Riprand, Sohn Odorichs
von Arco, war wieder abtrünnig geworden und hatte sich dem
Feinde angeschlossen; desshalb sprach der Bischof einen Dienst-
mann desselben, Nicolaus von Terlaco, welcher seinen Herrn und
die Partei Ezelins verlassen hatte, nicht nur vom Banne los, *)
sondern erklärte ihn mit seinen Söhnen als „Zberum eivem
Z. ı) 1257. Recensentur bona et reditus Episcopatus trid. in
valle Lagarina, scilicet solummodo eorum hominum, qui non
sunt ad mandata domini nostri domini Ezelini de Romano.
Trient. Arch. Rey. 28. 12.
_?) Trient. Arch, Reg. 37. 23. Verci, Stor. d. Rc. 3.
395, unvollst.
5. #) Bonelli 3. pars. 2, 65.
F *) Am 7, Mai 1259.zu Bozen. Trient.Arch. caps. 21. N. 9,
Bibl. Tirol. 612. 90,
SB
Romanum et hominem Casae Dei S. Vigilü.‘““ 5) Der Herr
von Verona zählte demnach viele Anhänger und Freunde im
Bisthum Trient ; dieselben verfielen nicht allein in die über alle
Bundesgenossen „des Ketzers uud Verfolgers der Kirche* durch
den Papst und seine Legaten verhängte Excommunication, sondern
wurden auch vom Bischofe gebannt und aller ihrer Güter, Lehen,
Allode, Burgen, Schlösser, Dienstleute und aller ihrer Aemter
und Ehren verlustig erklärt. 2) Um die Mittel zum Kriege
gegen seine Feinde und zur Vertheidigung der Stadt und des
Bisthums zu erhalten, musste Egno neuerdings viele Verpfän-
dungen von Gütern und Einkünften seiner Kirche machen; diese
sind besonders zahlreich in den Jahren 1258 und 1259. Am
21. „Jänner verpfändete er dem Nikolaus von Brenta für
300 Pfund, welche er ihm für die Hut des einst den Brüdern
Tiso und Berald von Levico gehörigen Schlosses Brenta und
die Vertheidigung desselben im Kriege gegen Ezelin bezahlen
sollte, das genannte Schloss und alle Güter, Einkünfte und
Rechte der als Rebellen und Feinde der Kirche geächteten Brüder
Berald und Bellimax (Belmasso) von Levico in den Dörfern
Levico und Brenta und in der ganzen Pfarre Caldonazzo. 3) Am
1. März 1259 verlieh Egno demselben Nicolaus von Brenta
für diese 300 Pfund und für neue 400 Pfund, welche sich
derselbe durch Hut des Schlosses Brenta, durch im Kriege
gegen Ezelin geleistete Dienste und dabei erlittenen Schaden
verdient hatte, alle Einkünfte, Güter, Besitzungen und Rechte
der Trientner Kirche im Dorfe Tenne zu rechtem Lehen. 4)
') Am 6. Juni 1259 zu Trient, Trient. Arch. caps. 21. N. 9.
Bibl. Tirol. 912. 88,
?) Omnes fautores ipsius (Ezelini) Heretici sunt velut
intestabiles el infames tam per sedis Apostolicae ac legatorum
ejus quam per speciales sententias Heyeni Episcopi tridentini
condempnati ac priuati sententialiter allodits, feudis, honoribus
castris macinatis et bonis omnibus eis per eundem episcopum
solemniter et racionaliter publicatis et confiscatis. Bibt.
Tir. 612. 88.
®) Montebello, Notiz. d. Valsug. doc. pag. 25. N. 14.
*) Montebello I. c. 25. N, 15,
4
Ba
Am 6. März 1258 verpfändete der Bischof dem Graland von
Salurn für 300 Pfund, welche er ihm für geleistete Kriegs-
dienste schuldig geworden war, einen Weinzins zu Tramin N)
und am 11. November dem Trentino Gandi von Trient das
Schloss Königsberg und zwei Grundstücke zu Tramin für
1500 Pfund, welche ihm derselbe geliehen hatte ‚‚pro meliora-
mento et defensione Civitatis Trid. et episcopatus et ad
Werram faciendam contra E. de Romano et suos
sequaces. ?) Ir
Am 8. Jänner 1259 gab er dem Graland von Salurn mehrere
Weingülten an der obern Etsch als Pfand für 700 Pfund, die
er von selbem zu gleichem Zwecke erhalten hatte. 3) Auch
den Bischof und den Klerus von Freisingen gieng er wieder
um Hilfe-an; allein diese verweigerten sie ihm und wurden
desshalb von den Pröpsten von Au und St. Michael als delegirten
apostolischen Richtern nach Wilten vorgeladen. #4) In den
Jahren 1257—59 musste Egno mehrere Male Trient verlassen
und sich nach Bozen zurückziehen, 5) während die Feinde der
!) Trient. Arch. caps. 2. N. 22.
?) Trient. Arch. caps. 2. N. 24.
Bibl. Tirol. 612. 86.
») Trient, Arch. caps. 2. N. 23.
+) Cod. Wang. 887. Not. 1.
Lang. Rey. Rer. Boic. 3, 106.
5) Dass Egno im Jahre 1257 Trient verlassen musste, ergibt
sich aus der oben angeführten Vorladung, welche vom 15. Jänner
1258 datirt ist, und in‘.der es heisst, dass der Bischof und der
Clerus von Freisingen Episcopo tridentino erulanti iniunctam
sustentationem verweigert haben. In diesem Jahre befand er sich
während des Monats Jänner in Trient, am 11. Februar zu Bozen,
"am 21. Februar wieder zu Trient, am 2. Juni zu Riva, am 8. Juli
in insula D. Clarette, am 22. Juli wieder zu Trient. Im Jahre
1258 war er his Juli wenigstens in Trient, am 1. November zu Bozen,
am 11. November in Castro Egne (Neumarkt), später wieder in
Bozen. Am 8. Jänner 1259 befand er sich in Trient und hatte dort
seinen Aufenthalt bis März; im April und im Mai war er in Bozen,
am 6. Juni finden wir ihn wieder in palacio episcopatus zu Trient.
Seine spätern Urkunden dieses Jahres sind wieder alle in Trient
ausgestellt, nur am 10. September befand er sich apud borgetum
Me
Stadt und des grössern Theils des Bisthums sich bemächtigten.
Dort verübten dieselben wieder grosse Gewaltthätigkeiten und
schonten nicht einmal die Nonnenklöster , namentlich hatten die
mindern Schwestern in diesen Kriegen mit Ezelin und seinen
Anhängern viel zu leiden; daher forderte der Bischof in einem
Schreiben vom 9. Dezember 1258 die Gläubiger auf, ihnen
Unterstützungen zu gewähren, und verlieh denjenigen, welche
ihnen Almosen spendeten einen Ablass. !)
Erst das Jahr 1259 befreite die Kirche von Trient sowie
sanz Oberitalien vom furchtbaren Feinde Derselbe ' wollte
nach der Unterwerfung Brescias (1258) auch Mailand unter
seine Herrschaft beugen ; allein der gegen diese Stadt gemachte
Anschlag misslang. Auf dem Rückzuge ‚wurde Ezelin vom
Markgrafen Azzo von Este, den Ferraresen und Mantuanern, dem
Markgrafen Obert Pelavicino, Buoso von Dovara, den Cremo-
nesen und den zu denselben während der Schlacht übergegangenen
Brescianern gänzlich geschlagen und gefangen und starb in
Folge seiner Wunden, die er sich nicht heilen lassen wollte,
am 27. September 1259 auf dem Schlosse Soncino. Durch diese
Niederlage war die. von ihm gegründete Macht vernichtet; sein
Bruder Alberich vermochte sich nur noch kurze Zeit auf dem
festen Schlosse S. Zeno zwischen Bassano und Asolo zu halten,
fiel dann durch Verrat in die Hände seiner Feinde und wurde
mit seiner ganzen Familie auf grausame Weise hingerichtet.
Diese Wendung der Dinge in Italien hatte zur Folge, dass
die Anhänger Ezelins im Bisthum Trient sich vom Bunde’ mit
Verona trennten und Aussöhnung und Frieden mit dem Bischof
Cunisbergi, wo er sich das Tags zuvor zu Trient vor ihm gemachte
Versprechen Riprand’s von Cles bezüglich der Hut des Schlosses
Königsberg durch dessen Vater Manfredin erneuern liess. Durch die
angeführten Daten, die beinahe alle den Reg. des Trient. Arch. ent-
nommen sind, wird die Behauptung, dass auch nach dem Jahre 1255
das Gebiet von Trient in der Gewalt Ezelins und seiner Anhänger
bis zu dessen Tode blieb und der Bischof während dieser ganzen
Zeit in der Verbannung leben musste, wiederlegt.
») Bonelli 2. 589.
u
suchten, Im Oktober 1859 erschien Aldriget von Castelbarco
bei Eguo in Trient, unterwarf sich ihm und wurde vom Banne
und dem Urtheile, wodurch er aller seiner Güter und Rechte
verlustig erklärt worden war, losgesprochen. Dagegen versprach
er dem Bischofe, der Kirche, der Stadt und der Gemeinde von
Trient, stets nach Kräften gegen alle Gegner und Rebellen,
insbesondere aber gegen den Grafen von Tirol Hilfe zu
leisten. 1) In gleicher Weise wurden Friedrich von Castelbarco,
einen Monat später Azzo von Castelbarco ?2) und am 5. Novem-
Albertinus Longinus von Campo und sein Sohn Graciadeus von
den über sie verhängten kirchlichen und weltlichen Strafen
gelöst. 3) Egno gewährte unter günstigen Bedingungen den
rebellischen Grossen den Frieden, er gab ihnen alle ihre Allode,
Lehen, Ehren und Rechte, welche sie durch ihre Verbindung
mit dem Feinde verwirkt halten, zurück, wenn sie ihm und
seiner Kirche thätigen Beistand leisteten gegen alle Gegner und
keine Empörungen und Feindseligkeiten gegen ihn anzettelten.
Der Grund, wesshalb er die Abtrünnigen so milde behandelte,
lag wohl in der feindseligen Stellung, welche die Grafen von Tirol
ihm gegenüber einnahmen ; durch strenges Verfahren würde er
sie genöthigt haben sich abermals dem Feinde anzuschliessen ;
davon jedoch hoffte er sie durch kluge Nachgiebigkeit abzu-
halten. Allein wenn Egno auf diese Weise die Castelbarker
zu gewinnen und sich ihrer Hilfe zu versichern geglaubt hatte,
so halle er sich getäuscht; denn diese empörten sich kurze
Zeit nachher wieder gegen ihn und waren steis neben dem
Grafen von Tirol seine gefährlichsten Gegner.
ı) Bonelli 2. 593.
Verc. Stor. d, Ec. 3. 413.
2) Cod. dipl. MS. 1614 zusammengestellt und: von 5 Notaren
beglaubigt d. Z. im k. k, Statth. Archiv befindlich und den Titel
führend: Jura et scripturae pertinentes ad feudum et juris-
dictionem quatuor Yicariatum in Valle Lagarina.
>) Bonelli 3. pars 2. 66.
Verei St. d. Ec. 3. 414,
IV.
Durch den Tod Ezelins war das Stift Trient von einem
furchtbaren Feinde befreit worden, die Angriffe von Süden’ her,
unter denen manche Gegenden sehr viel gelitten hatten, hörten
einige Zeit auf; allein nicht so vorübergehend waren ihre Folgen,
denn diese waren von nachhaltiger Wirkung. Nicht nur waren
durch diese Kriege die Kräfte und Mittel der Trientner Kirche
auf ausserordentliche Weise in Anspruch genommen, viele Ver-
äusserungen und Verpfändungen von Gütern und Einkünften
geschehen, nicht nur war der rebellische Geist der Grossen
dadurch aufgeregt worden, sondern durch sie wurden auch die
Grafen von Tirol in der Erreichung ihrer Forderungen und
Ansprüche unterstützt. Gerade zur Zeit, wo das Bisthum fast
ganz in der Gewalt der Feinde sich befand und dann durch die
Einfälle Ezelins hart bedrängt wurde, waren durch das Aus-
sterben von Grafengeschlechtern viele wichtige Lehen ledig
geworden und die Grafen von Tirol trachteten dieselben an sich
zu bringen ; der Bischof aber konnte, um sich nicht noch einen
neuen Feind auf den Hals zu laden, ihr Verlangen nicht ab-
schlagen. Im Jahre 1253, als Trient noch in den Händen seiner
Gegner war, musste er sich den Schutz des Schirmvogtes, des
Grafen Albert von Tirol, dem er früher als Bischof von Brixen
die andechsischen Lehen hatte überlassen müssen, dadurch er-
kaufen, dass er ihn, seine Gemahlin Uta und seine Töchter
Adelheid und Osteca (Elisabet) mit allen Lehen belehnte,
welche einst Graf Ulrich von Ulten von der Kirche
Trient hatte, 1) Diese Belehnung geschah am 15. Juli auf
dem Schlosse Tirol, sieben Tage vor dem Tode des Grafen
Albert. 2) Dieser war der letzte männliche Sprosse der alten
ı) Horm. Gesch. Tir. 2, 345.
?) Der Todestag des Grafen Albert von Tirol war der 22. Juli
des Jahres 1253. Im Jahrestagsverzeichniss des Missale von Ambras
FE Se
Tiroler Grafen. Er hinterliess zwei Töchter, von denen die
ältere, Adelheid, mit dem Grafen Meinhard von Görz, die jüngere
Elisabet, Wiltwe Herzogs Otto von Meran, in zweiter Ehe mit
dem Grafen Gebhard von Hirschberg vermählt war. Diese
waren die Erben aller seiner Besitzungen, Lehen sowohl als
Allode; denn, wie schon früher erzählt wurde, hatte er sich
von den Bischöfen die Lehen, welche nur Mannslehen waren,
auch für die Töchter ertheilen lassen, Ueber ein Jahr besassen
die Schwiegersöhne die von ihrem Schwiegervater hinterlassene
Erbschaft gemeinsam, da sie sich längere Zeit nicht über
deren Theilung einigen konnten. Dieselbe geschah endlich
am 10. November zu Meran nach dem schiedsrichterlichen Aus-
spruche Volkmars von Kemenaten, Ulrichs von Reiffenberg
und Wilhelms von Aichach in folgender Weise: Graf Gebhard
von Hirschberg und seine Gemahlin erhielten alle Allode, Lehen,
Leheninvestituren und Vogteien vom Amte Ulrichs von Schrofen-
stein und vom AmteFliess, d. i. von der Priennerbrücke (bei Zams)
an durch das ganze Innthal in der Richtung gegen Innsbruck
und von da nach Süden bis zur Holzbrücke (Laditscherbrücke ?)
und die Kastenvogtei der Kirche von Brixen mit den damit
verbundenen Rechten. Alles übrige Besitzthum des Grafen von
Tirol von der Priennerbrücke bis Landeck, im. Herzogthnin
Trient und im Bisthum Brixen bis zur Holzbrücke, bis Kärn-
then und Friaul hin fiel dem Grafen Meinhard und seiner
Gemahlin Adelheid zu. 1) Diese waren die Erben der eigent-
$ lichen Grafschaft Tirol und Meinhard nannte sich fortan Graf
von Görz und Tirol. Am 28. Juli 1254 liess er sich vom
Bischof Egno von Trient zu Capodistria nicht allein mit den
Lehen des Grafen Ulrich von Ulten, die schon. dem Grafen
Albert von Tirol verliehen waren, sondern auch mit jenen
heisst es: Decimo Kal. Aug. comes Albertus de Tirol animosus
obiit. Das Chron. Stams. (bei Pez. script. 2. 457) sagt: 1253
in die St. Mariae Mayd. obiit Albertus comes elc,
!) Horm. Gesch. Tir. 2, 350,
» Beitr. 2, 229.
— 2 —
Lehen belehnen, welche einst die Grafen Friedrich und
Georg von Eppan von der Kirche Trient getragen hatten.
Zwei Jahre später, nämlich im Jahre 1256, zur Zeit also,
in der das Stift durch die verheerenden Einfälle Ezelins
hart bedrängt war, kam er nach Trient und verlangte dort
am 29. April in der desshalb berufenen Versammlung des
Kapitels, der Edeln und Vasallen im Namen seiner Gemahlin
Adelheid und seiner Söhne Meinhard und Albert vom Bischofe
die Belehnung mit allen Trientner Lehen des Grafen Albert
von Tirol gemäss der Investitur, welche diesem damit vom
Bischof Alderich ertheilt und von Kaiser Friedrich bestätigt
worden war. Egno erwiederte ihm, dass er sich erst mit
dem Kapitel, den Edeln, Bürgern , Ministegialen und Vasallen
der Stadt und des Bisthums berathen müsse, indem er in
dieser Sache nur nach ihrem Rathe und mit ihrer Zustimmung
handeln könne. Es wurde daher ein Ausschuss von 16 Männern,
nämlich vom Kapitel vier, von den Bürgern der Stadt sechs,
und von den auswärtigen Diocesanen 6 als: Friedrich von
Wanga, Aldriget von Castelbarco, Riprand von Arco, Manfredin
von Cles und die Brüder Heinrich und Konrad von Greifenstein,
gewählt und dem Bischof zur Seite gegeben bei der Untersuchung
über die Rechtmässigkeit der Forderung des Grafen und zur
Berathung, was in dieser Angelegenheit zu thun sei. Diese einigten
sich dahin, dass dem Grafen am 2. Mai die Belehnung in der
Weise, wie er sie verlangt hatte, vom Bischofe ertheilt werden
sollte. 1)
An diesem Tage aber schon um 3 Uhr kamen im neuen
bischöflichen Palaste der Decan, der Archidiacon und mehrere
Canonici zusammen, und gaben in ihrem und im Namen der
anderen Domherrn, der Edeln, Vasallen, Ministerialen und des
Volkes der Stadt und Diöcese Trient, welche beitreten wollten,
folgenden Protest ab:
‘) Horm. Gesch. Tir. 2. 359,
u GE
Wir erklären und protestiren, dass Bischof Alderich, als
er ohne das Capitel zu fragen, was möglich und bei einer so
wichtigen Handlung nothwendig war, dem Grafen Albert von
Tirol die Belehnung mit der Vogtei und mit allen anderen Lehen
von der Kirche Trient sowohl für die männlichen als
für die weiblichen Erben ertheilte, wie aus der öffent-
lichen -und mit dessen Siegel versehenen Urkunde hervorgeht,
dieses thatsächlich und rechtlich nicht thun konnte, durch diese
neue Belehnung die ursprüngliche Form derselben veränderte,
der Kirche einen Schaden von mehr als 100,000 Mark Silber
verursachte und ihre Rechte sehr beeinträchtigte. Wir erkennen,
dass durch diese auch auf die Weiber ausgedehnte Investitur
die Kirche auf böse Weise getäuscht und benachtheiliget wurde;
allein wir wagen dennoch nicht gegen die vom Grafen Meinhard
verlangte Belehnung öffentlichen Widerspruch zu erheben aus
Furcht, dass wir, wenn wir es thäten, der allgemeinen römischen
Kirche jetzt zur Zeit des Krieges mit Ezelin schaden und
Verderben auf unsere eigene Person, auf die Stadt und die
Diöcese Trient leiten würden. Da der Ketzer Ezelin von drei
Seiten und Meinhard von der vierten Seite uns bedroht und
letzterer sehr viele Anhänger unter den Klerikern und Laien in
der Stadt, im Herzogthume und der Grafschaft hat, würden
_ wir, wenn wir die Forderung des Grafen verweigerten, uns,
die Stadt und das ganze Stift ins Verderben stürzen. Wir
sehen ein, dass die Belehnung unter den obwaltenden Um-
ständen geschehen muss ‘und geben auch unsere Zustimmung
dazu, erklären aber, dass dieselbe, wenn sie auch jetzt
formell vorgenommen wird, keine rechtliche Giltigkeit hat
- und dass sich in Zukunft der Bischof und das Kapitel nicht
daran halten dürfen, da Graf Meinhard, welcher die Kirche
schützen sollte, zur Zeit ihrer Bedrängniss eine solche An-
forderung stellt und uns zur Einwilligung zwingt. Alle
_ Anwesenden schworen dann auf die Evangelien, dass sie nur
aus Furcht und Zwang ihre Zustimmung gegeben haben; auch
ne
der Bischof trat diesem Proteste bei 1) und nahm dann an
demselben Tage die Belehnung vor. 2)
Wenn das Kapitel behauptete, dass die von Bischof Alde-
rich. dem Grafen Albert von Tirol ertheilte Belehnung mit den
Trientner Lehen sowohl für die männlichen als für die weib-
lichen nicht rechtsgiltig war, weil sie ohne seine Einwilligung
und ohne sein Wissen geschah, und dass daher Graf Meinhard
auf Grund derselben nicht im Namen seiner Gemahlin, einer
Tochter des Grafen Albert, und seiner Söhne die Investitur
fordern konnte, so: war dieses richtig und in der Wahrheit
begründet; denn bei einem solchen das frühere Lehensverhältniss
ändernden und den Interessen der Kirche so nahe tretenden Acte
war die Zustimmung des Kapitels erforderlich.
Ein anderer Umstand aber, dessen im Proteste keine Er-
wähnung geschieht, war der, dass Kaiser Friedrich II., welcher
zwar selbst im Jahre 1236 dem Bischofe Belehnungen und Ver-
äusserungen von Gülern seiner Kirche verboten hatte, diese
Belehnung bestätigte. Auf diese Bestätigung konnte der Graf
von Tirol seine Ansprüche stützen, wenn er auch die Ungiltigkeit
der Belehnung Alderichs zugeben musste ; ferners kam ihm zu
Gunsten, das die Uebertragung von geistlichen Lehen, wenn
dieselben auch nur Mannslehen waren, bei Mangel an männlichen
Nachkommen auf die Töchter damals ziemlich allgemein war,
obwohl diese Gewohnheit keinen rechtlichen Anspruch gewährte ;
das wichtigste aber war, dass der Bischof und der ihm von
dem Kapitel, den Bürgern und den andern Diöcesanen beige-
gebene Rath die Forderung des Grafen auf Grund der vorge-
wiesenen Urkunden Alderichs und der Kaisers öffentlich als
rechtlich anerkannten und erklärten, dass die Belehnuug geschehen
sollte. Dadurch war die Wirkung des geheimen Protestes,
wenn auch darin die Belehnung als eine erzwungene und daher
nicht rechtskräftige erklärt wurde, sehr geschwächt; er konnte
!) Horm, Gesch. Tir. 2, 361.
2) Bibl. Tir. 817. 27.
’ '
nie die Bedeutung wie eine entschiedene offene Protestation
haben und man konnte davon nur Gebrauch machen, wenn man
die Macht hatte, dem Grafen die Lehen mit Gewalt zu ver-
weigern; er hatte denn auch keinen besseren Erfolg als ein
| Widerruf des Bischofs, durch welchen er die den Grafen Albert von
Tirol und Meinhard von Görz ertheilte Investitur mit den
Eppaner und Ultner Lehen für ungiltig erklärte: Dieser Widerruf
geschah nach dem Tode des Grafen Meinhard, welcher nach dem
Necrologium Stams. am 22. Juli 1258 starb, und zur Zeit als seine
Söhne in Gefangenschaft des Erzbischofs von Salzburg waren, 1)
Am 23. Oktober 1258 versammelte Egno mehrere Domherren und
andere Zeugen im Chore der Kirche des hl. Vigilius und erklärte
in ihrer Gegenwart, dass, wenn er einst den Grafen Albert von Tirol
oder den Grafen Meinhard oder die Gräfin von Tirol mit den Lehen
der Grafen von Eppan und des Grafen Ulrich von Ulten belehnt
habe, er dieses nar aus Furcht, das Bisthum möchte ganz ver-
- loren sein und durch die genannten Grafen und andere mächtige
Männer in die Gewalt Ezelins von Romano gegeben werden,
gethan habe, es aber rechtlich nicht habe thun können. Er
- widerrief daher jene Belehnung als gänzlich ungiltig und übertrug
die genannten Lehen unter dem Namen einer unwiderruflichen
- Schenkung dem heiligen Vigilius, indem er sie mittelst eines
Buches, das er in der Hand hielt, auf dessen Altar legte mit
der Beifügung, dass sie nie mehr auf irgend eine Weise ver-
äussert werden dürften, 2)
j Egno haite den Zeitpunkt, in dem durch den Tod des Grafen
_ Meinhard die Eppaner und Ultner Lehen erlediget waren und
N von dessen Söhnen nichts zu befürchten war, benützen gewollt,
um einen Versuch zu machen, die Vereinigung der. Tiroler
>
u
t) Als Bischof Heinrich von Chur am 12. September 1258 auf
Schloss Zenoberg die Gräfin Adelheid von Tirol mit den Churer
Lehen belehnte, gab er terminum et inducias de Sacramento
fidelitatis faciendi usque ad adventum filiorum suorum
de Captivitate. Horm. Gesch. Tir, 2. 371.
2) Horm. Gesch. Tir. 2. 372.
[211
ni A
Lehen und der seines Hauses in einer Hand zu verhindern; allein
kaum war Meinhard, als Graf von Tirol der zweite dieses Namens
und Sohn des ersten, in das Land zurückgekommen, begab er
sich mit zahlreichem Gefolge nach Trient und verlangte vom
Bischofe in seinem und im Namen seines Bruders Albert die
Belehnung sowohl mit den alten Tiroler als mit den Eppaner
und Ultner Lehen. Egno befand sich jetzt in- nicht weniger
bedrängter Lage als im Jahre 1256; noch lebte der gewaltige
Ezelin und bedrohte Trient, ein Theil des Bisthums befand sich
in seiner Gewalt und viele der Grossen waren mit ihm ver-
bündet; auch Meinhard war nicht der Mann, der freiwillig auf
seine Ansprüche verzichtet hätte, sondern dieselben nöthigen-
falls mit Gewalt der Waffen durchgesetzt haben würde. Der
Bischof und das Kapitel mussten daher die Forderung des
Grafen gewähren , wenn sie sich nicht einen neuen nieht minder
gefährlichen Feind als Ezelin aufbürden wollten. Am 19. Februar
1259 zu Trient in durch Glockengeläute zusammengerufener
feierlicher Versammlung und in Gegenwart mehrerer Domherrn,
des Grafen Berthold von Eschenloh, Ulrichs von Taufers, Berals
von Wanga und sehr vieler anderer Anwesender ertheilte Egno
als Herzog, Markgraf und Graf mit Zustimmung des gan-
zen Kapitels dem Grafen Meinhard in seinem und
im Namen seines Bruders Albert und ihrer Erben
und Nachkommen beiderlei Geschlechts mit sieben
Fahnen dielnvestitur sowohl-mit den altenTiroler
Lehen, welche einst Graf Albert von der Kirche
Trient trug, als mit den neuen d, i. mit den Lehen
der Grafen von Eppan und von Ulten. !)
Der mächtige Vasall hatte abermals gesiegt und zwar war
dieser Sieg, den der Enkel. des Grafen Albert gegen Bischof
Egno zu Trient errang , nicht weniger entscheidend als jener
des Grossvaters zu Brixen. Wie hier durch die Erwerbung der
andechsischen Lehen die Macht des Grafen von. Tirol im Bis-
ı) Horm. Gesch, Tir, 2. 374.
4
. .-—- 61 —
Ihum überwiegend geworden und jene des Bischofs fortan nur
mehr sehr beschränkt war, so wurde durch die Vereinigung der
tirolischen, eppanischen und ultnerischen Lehen der Einfluss des
Grafen in einem grossen Theil des Bisthums und Ducats von
Trient dominirend und jener des Bischofs völlig beseitigt.
Das bisherige Verhälniss zwischen dem Bischofe und dem Grafen
erlitt eine wesentliche Aenderung, von einem Erscheinen des
letztern auf bischöflichen Hof- und Lehenstagen, wie dieses
früher geschehen war, findet sich keine Spur mehr, im Gegen-
theil erscheint derselbe in gleicher Stellung neben dem Bischof;
die Lehensherrlichkeit über jene Lehen, welche der Graf besass,
verior ihre Bedeutung und kam vielfach ganz in Vergessenheit,
nur mit Mühe vermochte die Kirche von Trient die weltliche
Macht, welche ihr geblieben war, zu behaupten. Schon Graf
Meinhard ging mit dem Plane um. das ganze Stift in seine
Gewalt zu bringen, er wird daher ein noch grösserer Feind
als selbst Ezelin genannt. In alten Memoiren, aus denen
Bonelli 1) eine Stelle eitirt, heisst es, dass Meinhard die Ideen
Arnolds von Brescia aufgenommen und behauptet habe, dass
die weltliche Gewalt im Bisthum weltlichen Fürsten und dem
Bischofe nur die geistliche. gehöre. In der That liess sich
Meinhard gegen die Bischöfe von Trient grosse Gewaltthätigkeiten
zu Schulden kommen, er verfuhr gegen sie in ähnlicher Weise
wie sein Bruder Albert gegen den Patriarchen von Aquileja. Schon
bald nach der feierlichen Belehnung müssen die Beziehungen
zwischen dem Bischof und Meinhard sich wieder feindseliger
"gestaltet haben, da Egno den abtrünnigen Grossen, welche sich
mit Ezelin verbunden hatten, unter günsligen Bedingungen den
Frieden gewährte und sich von ihnen Beistand und Hilfe gegen
alle Gegner und Rebellen insbesondere aber gegen den Grafen
von Tirol versprechen liess. Zum offenen. Bruche scheint es
jedoch damals nicht gekommen zu sein und im folgenden Jahre
war das friedliche Einvernehmen zwischen beiden Theile wenig-
,, _
+») 2. 148.
5*
— 68 —
stens äusserlich wiederhergestellt. Im Juni 1260 war Egno mit
dem Bischofe von Chur und mehreren Domherrn beim Grafen
Meinhard auf Schloss Tirol, 1) wohin dieser wahrscheinlich erst
kurz vorher mit seiner Gemahlin Elisabelh, Wittwe König
Konrads IV., mit der er sich im Oktober 4259 zu München
vermählt hatte, 2) zurückgekehrt war.
Auch in den nächsten Jahren scheint der Friede zwischen
dem Bischof und dem Grafen nicht gestört worden zu sein;
Meinhard war damals vielfach mit den görzischen Angelegen-
heiten beschäftigt, da sein Bruder Albert sich noch in der
Hafı des Erzbischofs Philipp von Salzburg befand, 3) auch
!) Am 15. Juni erscheinen Egno, Bischof Heinrich von Chur, der
Archidiacon und 2 Canonici von Trient und der Castellan des Bischofs
neben andern als Zeugen Meinhards bei der Bestätigung der von der
Gräfin Adelheid dem Kloster Steinach gemachten Schenkung der
Kapelle in Morter. Burglechner, Tiroler Adler. Abschrift im Ferdi-
nandeum 2. Th. 1. Abth. 264.
2) Die Vermählung geschah am 6. Oktober. Herm. Alt. Böhmer
F.R. G.2. 515. — Böhmer in seinen Regesten der Wittelsbacher pag.28,
setzt die Hochzeit in’s Jahr 1258; dieses ist jedoch zu berichtigen; denn
wie schon oben erwähnt, befanden sich noch im September 1258 die
die beiden Brüder Meinhard und Albert in captivitate, dagegen
war Meinhard im Oktober 1259 in München und gab dort am 9. Okto-
ber 1259 seiner Gemahlin die Schlösser Michelsburg und Räsen als
Morgengaben. Fontes Rer. Austr. 1. 1. 48.
3) Wie bereits früher erwähnt wurde, befanden sich die beiden
Brüder Meinhard und Albert zur Zeit, als ihr Vater starb, in der
Gefangenschaft des Erzbischofs von Salzburg. Der Vater hatte sie
dem Erzbischofe übergehen als Geisseln für den Grafen Albert von
Tirol, der bei der Belagerung des Schlosses Greifenberg gefangen
worden war. Nach dem Tode des Vaters wurde Meinhard freigegeben,
sein Bruder Albert musste aber noch bleiben, bis ihn ein salzburgi-
scher Ministeriale, Gebhard von Velwen, dessen Hut er: anvertraut
war i. J. 1262 für eine Summe von 800 Mark Silber eigenmächlig
entliess. Chron. Salisburg. bei Pez. Script. Rer. Austr. 1. 363,
364, 369. Ann. S. Rudb. M.@.11796. Die Freilassung des Grafen
ist darin in das Jahr 1263 gesetzt, allein dieselbe muss schon 1262
geschehen sein, da noch in diesem Jahre die beiden Grafen Mein-
hard und Albert auf Schloss Tirol beisammen waren uud dort die
Erklärung abgaben, dass die zwischen dem Grafen Albert und
Offmya. der Tochter des Grafen Hermann von Ortenburg, verabredete
Pa u
nahmen die Beziehungen zum Patriarchen von Aglei und zum
Grafen Gebhard von Hirschberg, mit welch letzterem er in
- Streit gerieth wegen der meranisch-tirolischen Erbschaft, seine
Aufmerksamkeit in Anspruch. Als aber sein Bruder die Freiheit
erlangt hatte und die tirolischen Besitzungen der beiden Brüder
durch die grössere Hälfte des dem Grafen von Hirschberg
im Jahre 1254 zugefallenen Antheils der genannten Erbschaft
vergrösseri worden waren, lenkte er seine Blicke auf die Zu-
stände in Trient, die der Art beschaffen waren, dass sie ihm
bald. Gelegenheit gaben, dort einzugreifen:
Bischof Egnv erfreute sich auch nach dem Tode Ezelins
nur kurze Zeit des Friedens; -der aufrührerische Geist der
Grossen und Vasallen erzeugte von Zeit zu Zeit neue Unruhen
und Fehden , die Unzufriedenheit mit dem bischöflichen Regi-
mente äusserte sich in wiederholten Empörungen. Im Jahre
1262 verübten Pellegrin von Beseno und Sinibald von Castel-
corno Feindseliekeiten gegen Asquin von Varino, Hauptmann
zu Trient; dieser jedoch versprach ihnen in dem am 21. August
zu Trient geschlossenem Vertrage, alle zugefügten Beleidigungen
zu verzeihen, wofern sie von da an sich dem Bischof, der
Stadtgemeinde und dem Hauptmann treu und ergeben erweisen
würden. Egno bestätigte dieses und erklärte, dass er, wenn
Jacomin von Lizzana ohne Erben sterben würde, den’ Sinibald
von Casteleorno mit dessen Lehen zu Tezze im Lägerthale
belehnen wolle. 1) Bald darauf lehnten sich Aldriget von
Castelbarco und -Albertin von Castelnovo gegen den Bischof auf
Ehe wegen zu naher Verwandschaft nieht vollzogen werden könne.
Horm. Gesch. "ir. 2. 379.
ı) Cod. Wang. 390. Alberti, Annali del Principato Ec-
clesiastico di Trento, welche Tommaso Gar vermehrt und mit
Erläuterungen begleitet in seiner Biblioteca Trentina, disp. 12—15
veröffentlicht hat, nennt den Ort statt Tezze oder Teuci di S. Vi-
cencio Torri di S. Vincenzo, pag. 142. Dieses Buch ist mir
zu spät in die Hände gekommen, als dass es hätte für die ganze
Arbeit benützt werden können.
Pa
und gewannen Anhänger unter dessen Unterthanen und nament-
lich auch unter den Bürgern. ‘von Trient. Es bedurfte der
Vermittlung des apostolischen Legaten Albert, ehemaligen
Bischofs von Regensburg, und der Grafen Meinhard und Albert,
die beide nach Trient gekommen waren, um die Ruhe und den
Frieden wieder herzustellen. Am 24. April geschah auf der
Etschbrücke die Aussöhnung zwischen dem Bischofe und der
Gemeinde einerseits und den Rebellen andererseits, worauf
letztere vom Legaten von der über sie verhängten Excommuni-
cation losgesprochen wurden. !) Allein die Herren von Castel-
barco verharrten auch nachher bei ihrer feindseligen Haltung
gegen den - Bischof und seine Getreuen und Freunde.- Am
28. Oktober 1263 vor dem Schlosse Castelcorno versprach
Christian von Pomarolo dem Bevollmächtigten Jacobin’s von
Lizzana, Bonaventura von Gervini, die Obhut des Schlosses
Casteleorno zu Nutzen und Diensten des Bischofs, des genannten
Jacobin und ihrer Freunde zu führen, und yab als Bürgschaft
hiefür Geiseln in die Hände Jacobin’s von Gardumo. Ferner
gelobten Sinibald von Casteleorno und Christian von Pomarolo.
nie ein Bündniss oder irgend einen Freundschaftsvertrag mit
den Herrn von Castelbarco und ihrer Partei zu schliessen.
Dafür wollte Jacobin von Lizzana beim Bischofe erwirken, dass
er den Sinibald von Castelcorno in seinen Schutz aufnelimen
würde, ihn nicht verhielte, nach Trient zu gehen, und dessen
ungeachtet ihn im Besitze aller Güter und Lehen. welche er
besass, als er gefangen wurde, belassen würde. ?) Im Jahre 1265
!) Trient. Arch. Rey. 17. 3.
?) Trient. Arch. Reg. 37. 26. Hier kann auf einen Umstand
aufmerksam gemacht werden, der für die Geschichte des Lägerthales
Interesse haben mag. Es wurde früher erwähnt. dass der Bischof
dem Sinibald von Castelcorno die Lehen Jacomin’s von Lizzana zu
Tezze versprochen habe, wenn letzterer ohne Erben sterben würde.
Am 23. Jänner 1263 legte Bischof Egno die Lehen, welche weiland
Herr Jacomin von Lizzana vom Bisthum Trient besass, auf den
Altar des hl. Vigilius, damit sie nicht mehr veräussert würden, _
Instrumentum ezemplatum et autenlicatum a. Z. notario
4
Be
standen die Leute von Stenico, Campo und Banale in Judicarien
auf und überfielen die dem Bischof treu gebliebenen Leute von
auctoritate H. Episcopi 1278 Cod. Wang. 392. In der Note 3
bemerkt Kink, dass der Bischof das dem Sinibald von Castelcorno
gegebene Versprechen wegen der Lehen Jacobs von Lizzana am
21. Mai 1263 erfüllt habe (er eitirt Trient. Arch. 63. 26), Diese
Belehnung wird in den oben angeführten Annali Alberti’s von Gar
pag. 142 bestäligt.-: Kink sagt weiter, dass Sinibald von Castelcorno
nicht der einzige Erbe Jacobs von Lizzana war, und führt aus einer
Urkunde vom 22, Jänner 1263 folgende Stelle an: Domini de Castro-
barco et omnes alü heredes domini Jacobini de Lizzana jurant
manutenere dominum Episcopum tridentinum. (Diese hätten also
dem Bischof den Eid »seschworen am Tage vor der Uebergabe der
oben bezeichneten Lehen an den hl. Vieilius). Kink fährt dann fort:
Auch dauerle diese Erwerbune (durch Sinibald) nicht lange; denn
da die .Castelbarco seit dem noch im Jahre 1263 ausgebrochenen
Kriege mit dem Grafen von Tirol sich mit letzterem verbündeten, so
übertrug Bischof Egno die Erbschaft von Lizzana am 24. Oktober 1265
an Jacobin von Belvedere. — Demnach war Jacomin oder Jacobin
von Lizzaua schon zu Beginn des Jahres 1263 nicht mehr unter den
Lebenden; dagesen erscheint in der angeführten Uebereinkunft
vom 28. Oktober 1263 mit Christian von Pomarolo und Sinibald von
Castelcorno ein lebender Jacobin von Lizzana. Ich dachte zunächst,
dass im Trient. Arch. Reg. das Jahr verschrieben sei, allein in den
Annali Albertss ist die Jahreszahl 1263 bestätigi. Es lässt sich
aber noch der Fall denken. dass doch ein Irrthum bestehe, der sich
dadurch erklären würde, wenn Alberli nicht die Urkunde selbst,
sondern den Auszug im Trient. Arch. Bey. benützt hätte. — Oder
wären zwei verschiedene Persönlichkeiten gewesen, die sich Jacobin
von Lizzana ‚nannten? — Zu den über diesen Gegenstand angeführten
urkundlichen Daten sind noch folgende hinzuzufügen: Am 7. Juli
1265 belehnte Bischof Egno zu Trient den Makrinus von Roveredo
als Procurator der Frau Fatizina, Tochter Sophiens, die eine Tochter
Jacobins von Lizzana war, und Gemahlin Leonhards, Sohnes Azzo’s von
Castelbarco. mit allen Lehen, welche einst Jacobin von Lizzana vom
Bisthum Trient halte. Trient Arch. caps. 33. N. 33. Bibl.
Tirot. 612. 95. Am 17. Oktober 1272 belelinte der Bischof den
Lunard (Leonhard) von Castelbarco und seine Gemahlin Fancina,
Tochter Sophiens, mit allem, was das Bisthum in Lizzana besass, cum
comitatu et consorcio et districtu _hominum Episcopatus et
cum bannis et jurisdietionibus. Trient. Arch. caps. 33. N. 38
Bibl. Tirol. 612. 106. Am 4. April 1270 hatte Egno Cem ge-
nannten Lunard die Gastaldia in Lizzana verliehen. Trient. Arch.
caps. 33. N. 36. und am 23. Februar 1271 denselben mit dem
—_ m
Bleggio. Egno sandte daher den Friedrich von Arco dorthin,
welcher die Rebellen wieder zum Gehorsam zurückführte; zur
Belohnung hiefür wurde derselbe mit dem Schlosse Ristoro in
Oberjudicarien und mit den dazu gehörigen Zehenten belehnt
und erhielt zugleich den Auftrag, über die Aufrechthaltung der
Ruhe und Sicherheit zu wachen. 1)
Solche fortwährende Unruhen und Feindseligkeiten im
Innern hatten um so verderblichere Folgen, als sie nicht allein
dem Ansehen des Bischofs schadeten, sondern das Bisthum
blosstelten zu einer Zeit, «wo dasselbe von Aussen her von
zwei Seiten von Feinden bedroht war, Durch sie wurde dem
Grafen von Tirol der Weg nach Trient gebahnt und die Stadt
seiner Gewalt überliefert. Auch von Süden, nämlich von Verona
her, erneuerten sich die Angriffe, seit dort die Herren von der
Leiter an’s Ruder gekommen waren. ?)
von seinem Vater ererbten Lehen in Lizzana belehut. Trient. Arch.
caps. 33. N. 37.
!) Alberti, annali etc. v. Gar. 144.
2) Oderich von Bozen schildert ungefähr um 1280 die Regierung
Egno’s mit folgenden kurzen Worten: Item quod post mortem ipsius
domini Fzelini habuit werram cum domina comitissa de Tiroli
et preterea cum filio ipsius domine comilisse, scilicet cum
domino M. comite Tirolensi et cum illis de Verona et de
Castrobarco usque ad caplionem civitalis Tridenti et stetit
absque polentia et regimine usque ad mortem suam. Horm.
Geschichte Tirols: 2. 509. Sammler, 5. 102. Ein Ueberfall Trients
durch die Veronesen wird von einigen Geschichtssehreibern auf
das Jahr 1265 berichtet. Mastino Scaliger soll die Stadt in
Sturm genommen, die ‚Mauern niedergeworfen, alles von Kost-
barkeiten , ja sogar alles von gehauenen Steinen, Holzwerk und
Eisenwerk hinweggeführt haben und zu. Ende des Jahres nach
Verona zurückgekehrt sein. @ir. dalta Corte dell’istorie della
eitta di Verona 2. 13. Verci, storia della Marca trivigiana
1. 143. Horm. Chronik der Grafen von Eppan, Sammler 5. 84.
Auch Kink akad. Vorl. 321 erzählt dieses nach und cilirt Schatzarch.
3. B., S. 272. Dieses Citat ist jedoch kaum richtig, denn beim
Durchsehen des Schatzarchivs konnte die betreffende Stelle nicht
gefunden werden. Ueberhaupt erscheint der ganze Bericht nicht
recht beglaubigt.
Ba SER
In dem genannten Jahre 1265, in welchem die Leute in Judi-
carien rebellirten, empörten sich die Bürger von Trient, vertrieben
den Bischof aus der Stadt und riefen den Grafen Meinhard herbei.
Dieser säumte nicht, der an ihn ergangenen Aufforderung Folge zu
leisten. Im September schlossen er und sein Bruder Albert zu
Sterzing ein Bündniss auf 5 Jahre mit dem Bischof Bruno von
Brixen. Dieser versprach den Grafen während dieser Zeit im
ganzen Bisthum Trient und im Brixner sowie im Churer Bisthum
‚infra montes gegen Jedermann Hilfe zu leisten, ausgenommen
gegen Hugo von Velthurns, den er unter Strafe von 200 Mark
zum Dienste der Grafen verpflichtet hatte. Dagegen machten
‚sich auch diese verbindlich, dem Bischofe beizustehen gegen
„Jedermann „ ausgenommen gegen den Herzog Ludwig von
Baiern. 1) Dieser Bund verdankt wohl hauptsächlich seine
Entstehung den Vorgängen in Trient. Hier erscheint zu Anfang
des Jahres 1266 Nikolaus von Contessa als Hauptmann der
Gemeinde für den Grafen Meinhard von Tirol und befreite am
26. Februar mit Zustimmung des Stadtrathes die Schiffsleute '
zu Trient und alle diejenigen Schiffsleute, die mit ihnen in
Verbindung standen, von allen Abgaben, Thor- und Schloss-
wachen und andern Lasten ausgenommen vom Ausrücken im
Gemeindeheere (excepto de ewercilo communali),; dagegen
"mussten dieselben die erforderlichen Schiffe für den Dienst des
Grafen und der Stadtgemeinde hergeben, nur mit Wein mussten
‘sie nicht ohne Lohn fahren. 2) In demselben Jahre wurden
auch alle Einkünfte und Rechte des Bisthums von den Beamten
“Meinhards zu Trient aufgezeichnet. 3)
$ Nicht allein in der Stadt, sondern auch in einem grossen
Theil des Bisthums geboten jetzt -Meinhard und seine Gewalt-
haber ; der Bischof aber befand sich jetzt wieder in ähnlicher
Lage wie beim Antritte seines Amtes als Vorstand der Kirche
-
2) Horm. Gesch. Tir. 2. 393.
2) Trient. Arch. Rey. 3. 4.
3) Alberti Annali etc. v. Gar. 145.
u
des heil. Vigilius. Gleich nach dem Beginne des Krieges hatte
er sich nach Verona begeben und sich dort einige Zeit auf-
gehalten, 1) Am 1. Dezember d. J. war er in Villa Castelli (in
Fleims?) und schenkte dort in Gegenwart seines Bruders Coneius
der Agnes, Gemahlin Berals von Wanga, eine gewisse Vena,
Tochter Heinrichs Kircher. ?) An einem andern nicht genannten .
Tag belehnte er in Nova als Graf von Eppan den Werner von
Tablat mit einigen Grundstücken in Vinschgau. 3) Zu Anfang
des Jahres 1266 kam er nach Bozen, !) in welcher Stadt er
schon zur Zeit seines ersten Exils sich öfters aufgehalten hatte,
Jedoch jetzt gewährte dieselbe nicht mehr jene Sicherheit wie
damals, weil hier der Graf Meinhard mächtigen ‚Einfluss ausübte.
wenn er auch den grössern Theil des Jahres 1266 sich ausser
Landes bei seinem Stiefsohne Konradin und bei seinem Ver-
wandten, dem Herzoge Ludwig von Baiern, befand. Egno war
im Mai zu Metz 5) und begab sich später nach Riva, wo er
bereits am 13. Juli anwesend war. 6) In diesem Orte fand er
einen Zufluchtsort und residirte hier im bischöflichen Palaste
ungefähr dritthalb Jahre, solange nämlich der Krieg mit dem
Grafen von Tirol und seinen Anhängern dauerte. Nur die bei
weitem kleinere Zahl seiner Unterthanen scheint die Treue und
den Gehorsam gegen ihn bewahrt zu haben, von den Grossen
des Bisthums waren es die Herren von Arco, welche diesesmal
ihren Herrn in seiner bedrängten Lage nicht verliessen. Wie
') Am 51. August 1265 in @uaita Ste. Sezilie de Verona
bezahlte ein gewisser Ubertus für ihn dem Bäcker Veutlura 38'/, Pfund
Berner für Brod und andere Lebensmittel, er war dabei zugegen
und versprach dieses Geld dem genannten Übertus bis Martini zurück
zu geben, Trient. Arch. Rey. 40. 13.
”) Trient. Arch. Reg. 40. 11.
3) Bonelli 3. 2. 67.
*) Hier belehnte er am 3. Jänner Egno von Tramin mit Zehnten
zu Tramin. Trient. Arch. caps 61. N. 23.
5) Am 18. Mai zu Megi de Sto Petro belehnte er Adelpert
von Metz mit den von Arnold Picoli aufgesendeten Lehen. Copia
autent. im Statth. Archive.
°) Trient. Arch. Reg. 10. 12.
A
bereits erzählt wurde, hatte Friedrich von Arco die Rebellen
in Judicarien dem Bischof unterworfen. Am 11. September
war Ulrich Panceria von Arco bei Egno im bischöflichen Palaste
zu Riva und versprach ihm in Gegenwart des Adelperius von
Arco und anderer ewige Wiederlosung der dem Hochstifte
gehörigen Braida (grosses Landgut) zu St. Adelbert und der
Oel- und Getreidezehenten in der Pfarre Riva, !) (In demselben
Jahre vermachte Cubitosa, Tochter Riprands von Arco, den
grössten Theil ihrer Güter und Rechte, namentlich ihren Antheil
am Schlosse Arco, der Kirche des hl. Vigilius, jedoch mit der
Beifügung, dass dieselben, wenn sie je veräussert würden,
den Grafen von Tirol zufallen sollten; ferner machte sie Legate
mehreren Klöstern uud Kirchen und einigen genannten Personen;
dem Archidiacon Olderich und seinem Bruder Ducinaneius be-
stimmte sie ihren Antheil am Schlosse Dreno. Der Rest ihrer
Erbschaft sollte unter die Herren von Castelbarco, Castelecampo,
Castelmadruz, Castelsejano und @uarimbert von: Gajo getheilt
werden, ihre Verwandten, die Söhne Friedrichs von Arco ent-
erbte sie, weil sie ihren Vater und sie selbst gefangen genommen
hatten.) 2)
Am 14. Juli kamen Ulrich von Madruz als Syndicus und
Procurator der Gemeinde Cavedine und Wicoman als Syndieus
und Procurator der Gemeinde und der Leute von Calavino zum
‚Bischof nach Riva und gelobten ihm eidlich im Namen der
genannten Gemeinde Treue, Ergebenheit und Beistand gegen
Jedermann, insbesondere aber gegen die Grafen von Tirol und
‚deren Anhänger. Einen gleichen Eid leisteten die Herren von
Madruz auch für ihre Person. 3) Die Bewohner des Thales
_Fleims weigerten sich ebenfalls den Befehlen des Grafen Mein-
hard zu gehorchen;; allein dieser nahm mehrere Leute von Forno
!) Trient. Arch. Caps. 2. N. 52.
Bonelli 2. 595.
n?) Cod. Wang. 394.
°) Trient. Arch. Reg. 3. 11.
= ir
und Moena gefangen, liess den Fleimsern das Vieh wegnehmen
und nöthigte sie auf diese Weise sich mit ihm zu einigen.
Am 19. April 1267 versammelte sich ein grosser Theil der
Gemeinde und ernannte Bevollmächtigte, welche mit dem Grafen
wegen des Friedens unterhandeln sollten. 1) Auch Ezelin von
Egna scheint versucht zu haben, den Grafen von Tirol Wider-
stand zu leisten, und Feindseligkeiten gegen dieselben unter-
nommen zu haben; allen am 13. September 1266 musste
er geloben bei Strafe von 400 Mark Silber den Grafen und
ihren Ministerialen zwei Jahre lang weder an ihren Ländereien
noch an ihren Burgen einen Schaden zuzufügen oder einen
Ersatz dafür zu leisten, welcher vom Bischofe Bruno von
Brixen und dem Herrn Ulrich von Taufers bestimmt werden
sollte. Dagegen versprachen die Grafen auch ihn nicht zu
schädigen, gaben ihm das Gericht Flenum (Fleims?), das er
von der Kirche zu Trient in Pfand hatte, zurück und nahmen
ihn in ihren Schutz auf, 2) Im Jahre 1267 kamen die beiden
Brüder Meinhard und Albert wieder nach Trient und empfiengen
daselbst am 7. April in grosser öffentlicher Versammlung im
bischöflichen Palaste, bei der neben andern Beral von Wanga,
die Herrn von Castelbarco, Stenego, Campo, Castelcorno.
Madruz, Meiz, u. s. w. zugegen waren, von den Syndikern der
Stadt die Uebergabe des Dosso Malconsey mit allen dazu
gehörigen Gebäuden als Entschädigung für die Kosten, welche
sie bei der Vertheidigung der Stadt und des Bisthums gegen alle
Feinde aufgewendet hatten und noch stets aufwendeten, und als
Ersatz für den Schaden, der ihnen an ihren Häusern und an
ihrem Palaste in der Contrata de Burgo novo zugefügt
worden war, 3)
‘) Horm. Gesch. Tir. 2. 402.
Beitr. 2. 374.
?2) Fontes rer. Austr. 2. 1. 77.
®) Horm. Gesch. Tir. 2. 380. Die Jahreszahl 1264 ist unrichtig:;
die Urkunde gehört in’s Jahr 1267, was sich aus der Indietion. und
dem Umstande, dass in diesem Jahre dies Jovis VII: intrans
Aprilis zusammenstimmen, ergibt,
a
ze # u
'Einen Tag früher, nämlich am 6. April kauften die Grafen
von Sodeger, dem Sohne des frühern Podestä, alle Güter, Rechte
und Schösser, welche derselbe von seinem Vater in der Stadt
und im Bisthum geerbt hatte. Ausser diesen erwarben die
Grafen noch andere Besitzungen im Bisthum durch Kauf;
im allgemeinen ein beliebter Kunstgriff Meinhards, den er
namentlich in spätern Jahren sehr häufig anwendete, war
es, dass er vom Bischofe verpfändete Schlösser und Güter
ablöste, erledigte Lehen sich übertragen liess und andere ihm
passende Besitzungen käuflich an sich brachte. Am 11. Septiem-
ber 1265 zu Bozen übergab Conrad von Greifenstein mit seiner
Gemahlin Adelheid den Grafen Meinhard und Albert alle
seine Rechte im Schlosse Greifenstein, welches ihm am 8. Juli
1257 Bischof Egno gegen einen jährlichen Zins von 150 Pfund
verliehen hatte, 1) trat ihnen das Gericht in der Stadt Bozen
ab und sendete ihnen auch alle Lehen auf, die er von ihnen
selbst besass. 2) Am 23. September verkaufte Heinrich von
Greifenstein den beiden Grafen einige Allode und Trientner Lehen
und gab ihnen ebenfalls seine tirolischen Lehen auf. 3) Am
26. Jänner übergab Friedrich von Greifenstein ihnen einige
Ländereien und Häuser zu Bozen. 4) Am 31. August 1265
im Schlosse zu Ulten verkaufte Gottschalk von Cagno im Nons-
berge dem Grafen Meinhard das Schloss Fondo mit allen dazu
gehörigen Rechten und Gütern, 5) Im Jahre 1267 brachten
die Grafen von Tirol das Schloss Persen in ihre Gewalt. 6)
Im allgemeinen trachtete Meinhard günstig gelegene Schlösser
und Burgen in verschiedenen Gegenden des Bisthums an sich
zu bringen und arbeitele ganz planmässig dahin, seinen Einfluss
und seine Stellung in demselben bleibend zu befestigen, Seit
!) Trient. Arch. Rey. 58. 11.
2) Bibl. Tir. 1103, 154.
3) Bibl. Tir. I. c.
*) Bibl, Tir. 1103, 155.
>) Bibi. Tir. 1103, 154.
°%) Sperges, Bergwerksgesch. 67.
— 1% —
er im Jahre 1265 nach Trient gekommen war und dort als
Schirmvogt die Ruhe wieder hergestellt hatte, verfolgte er den
Plan, wenn nicht das Bisthum sich ganz zu unterwerfen, so
doch dasselbe für immer von seiner Gewalt abhängig zu machen.
Schon früher nämlich zur Zeit des Podesta’s Sodeger hatte Trient
den Befehlen .eines weltlichen Machthabers gehorcht, ein. Bei-
spiel in dieser Beziehung war also bereits gegeben; eine Er-
neuerung desselben war jetzt um so leichter möglich, als das
bischöffiche Regiment, durch Egno wieder hergestellt, sich nicht
ausreichend zeigte, den Angriffen von Aussen und den wieder-
holten Empörungen und Auflehnungen der Grossen, der Bürger
und anderer Stiftsunterthanen im Innern zu begegnen.
Ueber drei Jahre hatten die Grafen von Tirol Trient und
einen grossen Theil des Bisthums in ihrer Gewalt, während der
Bischof, beinahe seiner ganzen weltlichen Macht beraubt, sich
in Riva aufhielt. Um endlich eine Ausgleichung zwischen Beiden
zu Stande zu bringen und das Stift Trient von dem drohenden
Verderben zu erreiten, bestellte der Papst den Bischof von Chur
als Schiedsrichter, dieser aber ernannte den Domdekan Conrad
zu Brixen zu seinem Stellvertreter, Vor ihm erschienen am
19. Jänner 1268 zu Brixen der Pfarrer Heinrich von Ulten als
Abgesandter und Bevollmächtigter des Grafen Meinhard, und
der Priester Ermenrich als Abgeordneter Bischof !Egno’s.
Ersterer verlangte ein Contumazurtheil gegen den Bischof,
weil dieser weder persönlich erschienen war, noch durch
einen Bevollmächtigten sich hatte vertreten lassen Darauf
erwiderte der Priester Ermenrich, dass sich Egno persön-
lich gestellt haben würde, wenn er ohne Lebensgefahr hätte
nach Brixen kommen können; der Bote aber, den er. ab-
geschickt habe, um sicheres Geleit zu erhalten, sei in Bozen
von den Leuten des Grafen gefangen genommen und seiner
Briefe beraubt worden. Darauf erkannte der subdelegirte Richter
mit Zustimmung der Ässessoren, des Propstes von Neustift und
eines Domherrn von Brixen, dass der Bischof durch gesetzliche
Zeugen beweisen müsse, dass er aus dem angeführten Grunde
Re:
uicht erscheinen konnte, widrigenfalls er in contumaciam ver-
urtheilt würde. Der Gesandte Egno’s erklärle sich mit diesem
Ausspruch einverstanden und versprach die verlangten Beweise
zu liefern, wenn ihm und allen Personen, die dabei erforderlich
wären, von Seite des Grafen Sicherheit gewährt würde. Dieses
wurde ihm zugesagt und ihm Geleitsbriefe auch von der
Königin, der Gemahlin Meinhards, verheissen. Der folgende
St. Ulriehstag war bestimmt, an welchem er durch Zeugen die
Wahrheit seiner Aussage darthuu sollte. 1) Jedoch Egno suchte
sich diesem Gerichte zu entziehen, da er es dem.Grafen günstig
gestimmt glaubte, und wandte sich an den päpstlichen Legaten,
Erzbischof Philipp von Ravenna. Dieser erneuerte am 8, Februar
zu Cremona den schon früher gegen die Grafen Meinhard und Albert
als Anhänger Konradin’s ausgesprochenen Bannfluch, erklärte sie,
da sie dem Bischof von Trient die Stadt, Schösser, Burgen, Dörfer,
Ländereien und viele andere Besitzungen entrissen und ungeachtet
der au sie ergangenen Aufforderung nicht zurückgestellt hätten,
aller Ehren, Güter, Lehen, Vogteien , Ländereien und Rechte,
welche sie von der Trieniner oder irgend einer andern Kirche
besassen, verlustig und belegte ihr Land, das zu seinem Legaten
Sprengel gehörte, mit dem Interdicte. 2) Am 3. Juni befand
sich der Legat beim Bischofe zu Riva und wiederholte diese
Excommunikations- und Interdiktssentenz. 3) Indessen führte
£ der Decan von Brixen als Subdelegirter des Bischofs von Chur
- den Process in der Streitsache zwischen dem Bischof von Trient
und den Grafen von Tirol fort, lud beide auf den 7. Mai
nach Trient vor und schickte dem Bischofe mit der Vorladung
auch Geleitsbriefe, Meinhard sandıe zur festgesetzten Zeit den
_ Magister Johannes Hungarus als seinen Bevollmächtigten nach
L Trient; Egno aber, erschien weder selbst noch schickte er einen
Bevollmächtigten. Jedoch auch der Richter war nicht gekommen,
ee nr P)
!) Horm. Gesch. Tir. 2. 404.
2) Horm. Gesch. Tir,. 2. 407.
°) Bibl. tir. 1038, 37.
— 890 —
sondern hatte einen Boten dahin gesandt mit einem Schreiben,
worin er mittheilte, dass er durch Ueberschwemmungen und
Unsicherheit der Strassen in Folge neu ausgebrochener Kriege
verhindert worden sei, am bestimmten Tag in Trient einzutreffen,
und das Gericht auf den 16. Juni nach Brixen verlegt habe. 1)
Aber auch diesesmal schickte Egno nur einen einfachen Boten
und keinen Bevollmächtigten. Am 20. Juni stellte Meinhard |
und seine Gemahlin, die Königin, Geleitsbriefe für die Abgeord-
neten des Bischofs von Trient aus, damit sie sicher nach Brixen
und wieder zurückkommen könnten. Noch zweimal wurde der
Gerichtstermin verlängert, allein von Seite Egno’s erschien kein
Bevollmächtigter und seine Boten brachten wieder ähnliche Vor-
wände wie früher vor; daher wurde er am 26. August in der
Kathedrale zu Brixen vom Decane Conrad als subdelegirtem
Richter des Bischofs von Chur mit Zustimmung der Assessoren
und mehrerer rechtskundiger Männer in contumaciam ver-
urtheilt; das Interdiet, welches er über die Gebiete der Grafen
in der Trientner Diöcese verhängt hatte, und das Verbot; wor-
nach dem Grafen der Eintritt in jede Kirche unfersagt war,
wurden vom genannten Richter kraft päpstlicher Autorität auf-
gehoben. ?) Nach dieser Entscheidung sah sich Egno genöthigt
nachzugeben und mit dem Grafen von Tirol sich zu vergleichen.
Am 31. Oktober des Jahres 1268 übergab er den Thurm und
den bischöflichen Palast zu Riva der dortigen Bürgergemeinde
in Gewahrsam 3) und begab sich dann nach Bozen, wo er am
20. Dezember mit den Grafen Meinhard und Albert Frieden
schloss, Er leistete Verzicht auf jeden Ersatz für alle Schäden
und Unbilden, welche die Grafen ihm und seiner Kirche zugefügt
hatten; dafür gelobte Meinhard in seinem und seines Bruders
Namen dem Bischofe stets mit Rath und That beizustehen und
ihn und seine Kirche zu schützen bei allen ihren Gütern und
Rechten. 4)
ı) Horm. Gesch. Tir. 2. 413,
:) Horm. Gesch. Tir. 2. 418.
3) Trient. Arch. caps. 5. N. 60.
*) Horm. Gesch. Tir, 2. 425.
3
Auch die Herren aus dem Lägerthale unterwarfen sich
wieder dem Bischofe, söhnten sich mit demselben aus und
erhielten von ihm die Investitur mit ihren Lehen. Am 12. Jänner
1269 belehnte Egno zu Gries bei Bozen in Gegenwart der
Grafen Meinhard und Albert von Tirol und Görz, des Grafen
Berthold von Eschenloh und Anderer mit einem Hute, den er
in der Hand hielt, die edlen Herren Friedrich und Wilhelm von
Castelbarco in ihrem und im Namen ihrer Brüder Albert und
Bonifaz mit allen Lehen, welche ihre Vorfahren vom Bisthum
_ Trient hatten. An demselben Tage belehnte er den Sinibald
von Castelcorno mit den Lehen seines Vaters von der Kirche
_ Trient 1) und verlieh am darauf folgenden Tage eben diesem
Sinibald von Casteleorno einen Dosso ober dem Dorfe Bran-
eolino, genannt Becalva, mit der Erlaubniss, darauf ein Schloss
zu bauen, 2) Schon früher noch zu Riva hatte sich Christian
von Pomarolo dem Bischofe unterworfen und ihm Treue und
- Ergebenheit gelobt. Am 15. Februar 1269 empfing) Egno die
Unterwerfung der Stadt Trient. Die Syndiker schworen erst
in ihrem und der ganzen Stadtgemeinde Namen auf die heiligen
Evangelien, von nun an stets den Befehlen der Mutter Kirche und
des Bischofs zu gehorchen bei Strafe von 3000 Pfund Berner,
wofür sie den Grafen Meinhard als Bürgen stellten; alsdann
"wurden sie und andere anwesende Bürger auf Befehl des
"Bischofs der Sitte gemäss mit den Psalmen geschlagen
m hierauf von der Excommunication losgesprochen. 3) Egno
‚blieb jedoch nicht in Trient, sondern kehrte gleich, nachdem
ihm die Stadt wieder den Eid der Treue geschworen hatte,
nach Bozen zurück, wo er in der Nähe seines Schirmvogtes,
des Grafen von Tirol, für längere Zeit seinen Aufenthalt nahm.
In der Stadt, welche ihm so oft die Treue gebrochen und zu
0 ZEN
‘) Trient. Arch. caps. 33. N. 31.
Bibtl. Tirol. 612. 102.
*) Trient. Arch. caps. 33, N. 35.
j Bibl. Tir. 817. 27,
%) Horm. ‘Gesch. Tir, 2. 430,
en
wiederholten Malen sich gegen ihn aufgelehnt hatte, mochte er
sich nicht mehr sicher fühlen, durch engere Verbindung mit
seinem Schirmvogte und unter dessen Schutze hoffte er den
Frieden zu erhalten ; daher machte er demselben in einem am
27. November geschlossenen Vertrage, der von Epiphania an zwei
Jahre lang Giltigkeit haben sollte, sehr wichtige Zugeständnisse.
Kraft derselben sollten alle Einkünfte der Mauten, der Münze
und des Kellers zu Trient und die Pachtzinse nach Abzug der
Kosten für die Besoldung der Hauptleute und der Bewachungs-
mannschaft der Stadt Trient, der Schlösser und Burgen, ferner
die Gerichtsgelder und Steuern aus dem ganzen Bisthum, die
Erträgnisse des Zolles zu Bozen und aller andern Zölle im
Bisthume zwischen dem Bischofe und den Grafen von Tirol
zu gleichen Theilen getheilt werden; dagegen aber mussten
letztere zur Zeit des Krieges auch die für die Vertheidigung
des Bisthums erforderlichen Kosten tragen helfen ; die übrigen
Einkünfte, namentlich die Taxen von Verkäufen, von Vormund-
schaften und von Curatelen fielen dem Bischof allein zu. 1)
Erst in der 2. Hälfte des Jahres 1270 begab sich Egno wieder nach
Trient und freite dort im Kloster St. Michael mit Zustimmung
des Kapitels der Ministerialen und der Bürger die Leute von
Tramin und Margreid von einer ihnen von ihm und den Grafen
von Tirol auferlegten Steuer. 2) Jedoch nicht lange dauerte
sein Aufenthalt in Trient, da die Herren von Castelbarco schon
im October eine neue Empörung anzettelten und im Einver-
ständnisse mit mehreren Bürgern die Stadt besetzten. Egno
flüchtete sich in aller Eile nach Pinedo (Pine), schleuderte
dort den Bannstrahl gegen die Rebellen und belegte abermals
die Stadt und die ganze Diöcese mit dem Interdicte. 3) Von
Pine begab er sich nach Belvedere und sandte von da aus am
25. October dem Propst von St. Michael, den Pfarrern von
») Horm. Gesch. Tir. 2. 434,
:) Trient. Arch. caps. 10. N. 12.
°) Trient. Arch. Reg. 37. 28.
— Bu
Fleims, Cembra (Zimmerthal) und Giovo die Excommunications-
sentenz gegen die Castelbarco zur öffentlichen Verkündigung. !)
Von da gieng er über Tramin, wo er am 29. Oktober sich
befand, 2) wieder nach Bozen zurück.
In dieser Stadt, welche ihm oft während seines vielbe-
wegien Lebens als Bischof yon Trient in der Zeit der Verfolgung
Schutz geboten hatte, brachte er seine letzten Jahre zu. Vom
Dezember 1270 an bis in’s Jahr 1273 sind beinahe alle Urkunden
von ihm (so weit sie mir bekannt sind) in Bozen gegeben, nur
zweimal nämlich im October 1274 3) und im Jänner 1272
finden wir ihn im Kloster St. Michael. #3) Um seinen Schirm-
vogt, in dessen Nähe er sich befand und dessen Schutz er sehr
bedurfte, bei guter Laune zu erhalten, verlieh er ihm erledigte
Lehen und trat ihm andere Güter und Rechte ab. Am 20, März
1271 belehnte er den Hofmeister und Bevollmächtigten Meinhard’s
mit dem durch den Tod des Adelperius von Metz erledigten Schloss
St. Peter zu Metz und den dazu gehörigen Rechten. 5) Am
30, October 1271 belehnte er zu Tramin den Grafen Meinhard
mit dem Dosso St. Lucia im Nonsberg. #) Am 9. Februar
1272 verlieh er ihm Grundstücke zu Bozen und St. Justina,
am 15. Februar die Hälfte anderer Grundstücke, welche
zum Schloss Greifenstein gehörten und die einst Conrad von
Greifenstein von der Trientner Kirche zu Lehen hatte 7), am
3. Mai 1272 einen Zehenten in der Pfarre Lesz (Latsch?) in
!) Trient. Arch. Reg. 37. 28.
2) Dort verlieh er ein Grundstück dem Odorich Luscho von
Tramin in Erbpacht. Trient. Arch. caps. 10. N. 13.
%) Am 7. Oktober gab er den Augustinern die Erlaubniss, in
- Trient ein Convent zu bauen. Bonelli 2. 60.
Am 8. Jänner machte er hier bekannt, dass ihm das Siegel
mit andern Dingen genommen worden sei und dass daher Alles,
_ was mit diesem Siegel gesiegelt würde, keine Giltigkeit habe. Trient.
Arch. Rey. 40. 15.
*) Am 9. Jänner nahm er hier den Verzicht Otto’s von Königs-
berg auf 2 Höfe zu Tramin auf. Trient. Arch, cans. 10, N. 14,
5) Horm. Gesch. Tir. 2. 439.
®) Bibl. Tirol. 820.
DuBibR. Tir 2. c.
6*
= Bu =
der Churer Diöcese, 1) am 15. November Wein- und Getreide-
zehente zu Tramin. 2) Am 23. October helehnte Egno den
Grafen Meinhard, ‚‚ditectum consangineum suum ex speciali
gratia““ und für die treuen Dienste, welche derselbe ihm und
der Kirche von Trient geleistet hatte, mit dem bischöflichen
Gerichte zu Bozen, welches der Graf bisher für 20 Mark in
Pfand gehabt halte. 3) Am 2. Jänner 1273 verlieh er der
Gemahlin Meinhards, der Königin Elisabet,, zur Belohnung für
ihre Dienste das Commune (Almende) und den Wald von der
Clause zu Tramin bis an die Weinberge von Kaltern, 4) wozu
am 12. März die Leute von Tramin ihre Zustimmung gaben, 5)
und am 27. März dem Grafen selbst einen Theil eines Grund-
stückes bei dem grossen Stein zu Tramin , welches Jacobina,
Gemahlin Lanfranchins aufgesendet hatte. 6) Aus den ange-
führten Daten ergibt sich, dass sich Egno sehr freigebig gegen
den Schutzvogt zeigte und ihm theuer die geleisteten Dienste
bezahlte; dieselben beweisen aber auch, dass die Behauptung.
Meinhard habe nach dem im Jahre 1268 geschlossenen Frieden
abermals Feindseligkeiten begonnen und sei mit Fähnlein und
Spiessen gegen Trient gezogen, wnrichtig ist. Dagegen aber
hatte das Bisthum Trient in dieser Zeit von andern Feinden
viel zu leiden ; nicht nur empörten sich, wie bereits erzählt
wurde, die Castelbarker wieder, sondern auch die Veroneser
erneuerten die Angriffe. Zu Anfang des Jahres 1273 rückte
Mastino della Scala mit bewaffneter Macht gegen Riva und
wollte sich dieser Stadt und der umliegenden Gegend bemäch-
tigen. Jedoch Oderich Panceria von Arco vereitelte die Ab-
sichten des Herrn von der Leiter; nicht nur hielt er den Thurm
') Trient. Arch. Reg. 43. 35.
?) Bibl. Tir. 820.
*) Trient. Arch. Reg. 11. 33.
*) Bibl. Tir. 1105, 155.
’) Trient. Arch. caps. 10, N. 15.
Bibl, Tir. 612. 107.
°) Horm. Gesch, Tir, 2. 477.
a
und den Palast zu Riva, sondern vertheidigle auch männlich
und tapfer das ganze Gebiet und nöthigte den Feind wieder
zum Abzuge. Bischof Egno übertrug ihm daher am 20. März
1273 die Obhut des Thurms und des Schlosses zu Riva und
versprach ihm, solange dieselbe ihm anvertraut sein würde,
jährlich 150 Pfund Berner za bezahlen und alle Verbesserungen
und Bauten, welche er an dem Thurme und dem Schlosse für
nothwendig halten würde, zu vergüten. 1)
Wir haben hier einen neuen Beweis, dass die Herren von
Arco ireu zum Bischofe hielten; während die Herrn von Castel-
barco nur darauf sannen, ihre Besitzungen und Güter zum Nach-
theile der Kirche von Trient zur vermehren und dem Bischofe
Verlegenheiten zu bereiten, achtelen und wahrten die Herren von
Arco überall dessen Rechte. Am 7. Jänner 1272 versprach Adel-
perius von Arco für sich und seinen Bruder Panceria dem
Friedrich Spisader, der als bischöflicher Bevollmächtigter nach
Arco gekommen war, dass sie dem Bischof, sobald derselbe
nach Riva oder Arco kommen würde, die Gastaldien von Arco,
Ledro, Nomasio und von Bleggio zurückgeben wollten ungeachtet
der Belehnungen, die er ihnen damit ertheilt hatte, und dass sie
ihm von allen Malefizbussen (bonorum maleficiorum‘) in den
genannten Gastaldien die Hälfte geben würden, ausgenommen
die ‚‚dona de postis et ordinamentis‘‘, welche dem Panceria
von den Leuten des Ledrothales bei Gelegenheit seiner Haupt-
mannschaft zugesagt worden waren. ?)
Nach den Berichten von neueren Geschichtschreibern hätte
sich um diese Zeit Trient wieder empört und den Bischof ver-
trieben ; jedoch dieses findet sich nicht bestätiget; denn dieser
war seit dem October 1270 nicht mehr nach Trient gekommen.
‚Rücksichtlich der Verwaltung derselben Stadt scheinen der Bischof
und der Graf von Tirol übereingekommen zu sein, sie gemein-
schaftlich zu führen, wie denn auch die meisten Einkünfte nach
!) Verci Stor.d. Marca Trivig. 2. 149,
?*) Trient. Arch. Reg. 30. 14,
a -
dem früher Gesagten zu gleichen Theilen getheilt wurden, Sig
bestellten mit einander die Hauptleute und Richter in Trient; es
nannten sich daher z. B. i. J. 1272 Firtedus v. Thacuingestan
und Conrad von Heben ‚‚Capitanei dominorum E. Episcopi
et M. comitis de Tirol oder Bonazunt von Priscina Judex
et Assessor domini E. Episcopi et domini M. Comitis.“
Der Bischof musste desshalb auch zu neuen Einrichtungen, welche
er dort traf, die Einwilligung des Grafen einholen; so gab
dieser im Jahre 1272 seine Zustimmung zur Errichtung eines
Augustiner Klosters in Trient. Der Rath der Gemeinde gestattete
die Ansiedlung der Mönche erst, als die Zustimmung Meinhards
eingetroffen und in öffentlicher Versammlung vorgelesen wor-
den war. !)
Daraus ersehen wir, in welcher Abhängigkeit vom Grafen
von Tirol sich der Bischof jetzt befand und wie sich das frühere
Verhältniss zwischen beiden gänzlich geändert hatte. Während
Egno in Bozen sich ganz unter dem Einfluss des Grafen
befand und seine Forderungen gewähren musste, war in Trient
der Wille Meinhard’s massgebend.
Eben so wie die politische Macht Bischof Egno’s in Abnahme
begriffen war, schwanden auch seine physischen Kräfte. Im
Februar 1273 sollte er sich nach Trient begeben, um den
Grundstein zu dem früher erwähnten Augustiner-Eremitenkloster
zu legen; allein wegen körperlicher Schwäche war er nicht
mehr im Stande dahin zu kommen und es selbst zu thun ; er
musste daher den Provincial-Prior der Augustiner-Eremiten in
der Trevisaner Mark dazu delegiren. 2) Nachdem er noch die
Stiftung der Königin Elisabet, das eben um diese Zeit ent-
standene Cystercienser-Kloster Stams, mit einer Schenkung bedacht
und ihm die Pfarre Mais verliehen hatte, verliess er Bozen und
gieng nach Italien, um dort seine letzten Lebenstage zu beenden,
Zu Padua im Kloster St. Maria delle carceri machte er am
ı) Bonelli 2, 602.
2) Bonelli 2. 602,
— 91 —
25. Mai 1273 schwer krank und im Bette liegend sein Testament,
verordnete darin unter anderm, dass er zu Trient in der Kirche
des hl. Vigilius beigesetzt werden sollte, und legirle dazu aus
seiner Hinterlassenschaft 1000 Pfund Berner, von denen so
viele Güter ängekauft werden sollten, dass ein Priester anständig
Jeben konnte ; dieser Priester war durch den jeweiligen Decan
zu ernennen. 1) Bald darauf starb er, 2)
Werfen wir noch einen kurzen Rückblick auf die Erlebnisse
Egno’s, so finden wir, dass dieselben beinahe fortwährende
ı) Bonelli 2. 604.
2) Gar, Annali etc. da Fr. Alberti 157, setzt den Tod Egno's
gegen Ende des Jahres 1274 und stützt sich darauf, dass er noch im
September d. J. dem Jacob von Favagna als Vormund seiner Neffen
ein Stück Ackerland zu Tramin in Erbpacht gab. Jedoch hier muss
ein Irrthum im Datum sein; denn es wäre doch auffallend, dass
seit dem Mai 1273 bis zu Ende des Jahres 1274 sonst gar keine
Spur, dass er noch unter den Lebenden war, zu finden sein sollte;
ferners erzählt der schon oben angeführte Odorich von Bozen, dass
nach dem Tode Bischof Egno’s die Kirche von Trient 1 Jahr,
3 Monate und 4 Tage vacaul gewesen sei; dieses wäre nicht möglich,
wenn Egno erst zu Ende des Jahres 1274 gestorben wäre, denn
im Jänner 1275 ertheilte sein Nachfolger schon mehrere Belehnungen
in Bozen. Ueber die Ernennung Bischof Heinrichs findet sich in
Horm. Gesch. Tir. 2. 482 ein Schreiben, worin Papst Gregor den
Erwählten dem Grafen Meinhard empfiehlt; dasselbe ist dalirt:
„Lugduni, XII. Kal. Octobris, Pontificatus nostrianno tercio‘“
d. i. vom .20. September 1274 (Annus tereius Pontificatus
Gregors könnte auch dem Jahre 1273 entsprechen ; denn er wurde
am 1. September 1271 gewählt; allein dass dieses Schreiben in’s
Jahr 1274 gehört, geht schon daraus hervor, dass der Erwählte Heinrich
‚als Protonolar König Rudolfs erscheint, der erst am 29. September
1273 gewählt wurde. Hormayr hat demnach die Jahreszahl falsch
angeselzt). Dass Heinrich schon im September 1274 Erwählter von
Trient war, ergibt sich auch aus eınem Briefe, den Papst Gregor am
26. September an König Rudolfschrieb. Böhmer Reg, Imp. 1256-1313,
331. Um diese Zeit war Heinrich als Machtbote des Königs beim
Papste und damals geschah auch sicherlich seine Ernennung zum
Bischofe von Trient. Dadurch erweist sich das Datum jener von
Gar cilirten Urkunde als unrichtig. Die Zeit des Todes Egno’s lässt
sich demnach berechnen, wenn sein Nachfolger Heinrich im Septem-
ber 1274 ernannt wurde und die Kirche von Trient nach dem Ableben
Egno’s 1 Jahr, 3 Monate und 4 Tage vacant war.
— 838 —
Kämpfe mit seinen Feinden waren. In Brixen musste er für
die Erhaltung der Rechte und Güter seiner Kirche gegen die
verbündete Macht des Grafen von Tirol und seiner Schwieger-
söhne in die Schranken treten und nachdem er gezwungen worden
war, dem Grafen von Tirol die andechsischen Lehen der Brixner
Kirche zu deren Nachtheil zu überlassen, musste er in Trient
den Kampf gegen dieselbe Macht neuerdings aufnehmen; allein
hier 'begegnete er noch andern nicht weniger gefährlichen
Feinden. Zur Zeit, wo er vom Papste auf den Bischofssitz von
Trient versetzt war, war die Stadt und der grössere Theil des
Bisthums in der Gewalt des Podesta Sodeger von Tito; dieser
sowie die grössern Vasallen und die Commune von Trient standen
im Bunde mit dem als Verfolger der Kirche und Ketzer gebannten
Ezelin und stellten sogar einen Gegenbischof auf. Als die-
selben vom Herrn von Verona abgefallen waren nnd ihm einen
sehr nachtheiligen Frieden abgenöthiget hatten, gelangte er zwar
nach mehr als fünfjährigem Exil in den Besitz seines Bisihums,
war aber noch über vier Jahre lang von dem furehtbaren
Ezelin und dessen Anhängern sehr hart bedrängt Der Tod
Ezelins im Jahre 1259 befreite ihn von diesem gefährlichsten
Feinde , allein dennoch erfreute er sich nur kurze Zeit des
Friedens; denn bald begannen wieder die Kämpfe gegen die
rebellischen Grossen, namentlich gegen die Herren von Castel-
barco und ihre Anhänger und gegen die aufrührerische Stadt
Trient, wodurch nicht nur diese Stadt, sondern auch der grössere
Theil des Bisthums und endlich der Bischof selbst in Abhängig-
keit von dem bereits übermächtig gewordenen Grafen von Tirol
geriet. Auch war das Bisthum in dieser Zeit neuerdings durch
Einfälle der Veronesen heimgesucht. Von den 23 Jahren, in
welchen er Vorstand der Kirche des hl, Vigilius war, brachte
er kaum 10 in Trient zu. Die ersten 5 Jahre konnte er gar
nie nach Trient kommen und bezog nicht einmal soviel von
den Einkünften seines Bisthums, als zu seinem Unterhalte hin-
reichten; er musste daher theilweise auf Kosten des Bischofs
von Brixen leben. Während der Kriege mit Ezelin musste er
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1}
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\
a ge
sich zu wiederholten Malen aus Trient flüchten, um nicht in die
Gewalt der Feinde zu fallen. Im Jahre 1265 wurde er durch
einen Aufstand in Trient genöthigt, diese Stadt zu verlassen
und residirte vom Jahre 1266 an bis zu Ende des Jahres 1268,
nämlich bis zum Friedensschlusse mit dem Grafen von Tirol
in Riva. Dann schlug er seinen Wohnsitz in Bozen auf, obwohl
Trient im Februar 1269 sich ihm wieder unterwarf ; im Herbst
des Jahres 4270 kam er wieder dorthin, jedoch nur für sehr
kurze Zeit; denn .ein neuer von den Herren von Castelbarco
angezeltelter Aufstand nöthigte ihn wieder nach Bozen zurück
zu kehren. Hier blieb er in Abhängigkeit von dem Grafen von
Tirol bis in April 1273 und begab sich dann nach Padua um
dort sein vielbewegtes Leben zu beschliessen.
In der Beurtheilung Egno’s und namentlich seiner Beziehun-
gen zu den Grafen von Tirol stimmen die tirolischen Geschichts-
schreiber, die sich mit diesem Theile der Landesgeschichte
beschäftigt haben, nicht alle überein,
Hormayr und andere beurtheilen ihn wenig günstig,
erkennen in seinem Streite mit Meinhard das Recht auf Seite
des Letztern und werfen dem Bischof Halsstärrigkeit und Feind-
seligkeit vor, während sie an Meinhard nicht nur Beharrlichkeit
und Muth, sondern auch die Gerechtigkeit seiner Sache bewundern.
Andere aber, namentlich Kink in seinen akad. Vorlesungen, sind
entgegengesetzter Ansicht. Lelzterer sagt, dass Egno mit Stand-
haftigkeit und mit möglichster Mässigung seine Sache verfochten
habe und dass er in seinem Streite mit Meinhard das Recht
auf seiner Seite hatte, indem der Graf von Tirol der angreifende
Theil war und der Bischof nur die Defensive hielt. Bei dem
Grafen Meinhard war, fährt Kink fort, so lang er mit Bischof
Egno in Fähde lag, der Starrsinn seines Willens und die Gewalt-
thätigkeit in der Ausübnng im Grunde grösser, als seine wirkliche
Machf; er war nicht einmal Herr von Tirol, dessen nördliche
Thäler noch dem Grafen von Hirschberg gehörten und über
das Uebrige genoss sein jüngerer Bruder Albrecht den Simultanbesitz
mit ihm. Meinhard erscheint diesem Geschichtschreiber damals
Ea . Mr
noch als ein gemeiner Raubritter, der sich gegenüber dem Bischof
von Trient das Faustrecht zu Nutzen machte. — Diese Be-
hauptungen sind jedoch nicht ganz der Wahrheit entsprechend
und bedürfen wesentlicher Berichtigungen. A
Wie sich aus den im Vorausgehenden zusammengestellten
urkundlichen Daten ergibt, entstand der erste Streit zwischen
dem Bischof und dem Grafen über die tirolischen , eppanischen
und ultnerischen Lehen. Mit den letzteren derselben hatte
Egno schon den Grafen Albert von Tirol belehnt und ein Jahr
später diese und die Lehen der Grafen von Eppan dem Schwieger-
sohn des Grafen Albert, dem Grafen Meinhard dem Aeltern, verliehen.
Als aber dieser aufGrund einer vom Bischofe Alderich dem Grafen
Albert ertheilten Investitur 1) im Namen seiner Gemahlin und
seiner Söhne die Belehnung mit den alten .tirolischen Lehen
verlangte, erkannten zwar der Bischof und das Kapitel die nach-
theiligen Folgen, welche die Erfüllung dieser Forderung haben
mussle, getrauten sich aber dennoch nicht dieselbe zu verweigern
und ertheilten dem Grafen die verlangte Belehnung, erklärten aber
dieselbe in einem Proteste für erzwungen und ungiltig nnd
behaupteten, dass man sich in Zukunft nicht daran zu halten
habe. Dieses Vorgehen wird sich kaum rechtfertigen lassen,
es trug den Charakter der Schwäche und grenzte ziemlich nahe
an Feigheit. Eben so wenig lässt sicht rechtfertigen, dass
Egno die Belehnung ,„ die er selbst den Grafen Albert und
Meinhard mit den eppanischen und ultnerischen Lehen ertheilt hatte,
wiederrief. Wenn nach diesem Graf Meinhard seine und seines
Bruders Ansprüche mit Nachdruck geltend machte, so wird
man ihm desshalb gerade keine grossen Vorwürfe machen
können. Der Bischof und das Kapitel wagten auch nicht, als
der Graf die Lehen seiner Vorfahren forderte, dieses zu ver-
weigern, zumal noch Ezelin lebte. Als aber die von Letzterm
drohende Gefahr aufhörte, mochte Egno die Absicht haben,
!) Diese war geschehen im Jahre 1240. Alberti, Annali ed.
v. Gar 113.
|
|
— Mi =
enischiedener gegen die Grafen aufzutreten, um wenn möglich
das Verlorne wieder zu gewinnen ; dieses ist wohl der eigent-
liche Beweggrund gewesen, als er sich von den Herren von
Castelbarco und Campo versprechen liess ihm gegen den Grafen
von Tirol Hilfe zu leisten; denn dass dieser damals Feindselig-
keiten gegen den Bischof unternommen habe, scheint nicht der
Fall gewesen zu sein, im Gegentheil lag er um diese Zeit einer
sehr friedlichen Beschäftigung ob; denn er feierte zu München
die Hochzeit mit Elisabet, der Witwe König Conrad’s und
Schwester der Herzoge von Baiern, und kehrte erst im folgenden
Jahre nach Tirol zurück. In den folgenden Jahren waren es
die rebellischen Grossen, namentlich die Herren von Castelbarco
_ mit ihrem Anlıange und die Bürger von Trient, welche feindlich
gegen Egno auftraten; Graf Meinhard aber und sein Bruder
verwendeten sich mit dem apostolischen Legaten im Jahre 1263,
um den Frieden zwischen ihm und den Rebellen wieder her-
zuztellen. Erst als in Folge eines neuen Aufstandes der Bischof
sich aus Trient flüchten musste (1265), begab sich Meinhard
dorthin, besetzte die Stadt, behielt sie und einen grossen Theil
des Bisthums in seiner Gewalt und übergab die Leitung der-
. selben einem von ihm bestellten Hauptmann. Jedoch hauste er
dort nicht bloss als kleiner Raubgraf; denn er konnte bereits
eine Macht aufbieten, der keine andere im Lande gleichkam.
Der Verfasser der akademischen Vorlesungen hatte übersehen,
dass ihm und seinem Bruder bereits im Jahre 1263 durch einen
- Schiedsspruch des Herzogs von Baiern beinahe der ganze Antheil
der meranisch-tirolischen Erbschaft des Grafen von Hirschberg
- zuerkannt worden war. Graf Meinhard besass demnach schon beinahe
“die ganze Macht, welche der Graf von Tirol bei seinem Tode
gehabt hatte und hatte noch dazu ausser den Ultner auch die
- Eppaner Lehen gewonnen. Der Umstand aber, dass sein Bruder
Albert darüber mit ihm den Simultanbesitz genoss, war wohl
von sehr untergeordneter Bedeutung; denn er hatte auch mit
diesem die görzischen Besitzungen gemeinsam und beide
Brüder hielten zusammen. Ausserdem hatte er sich auch um
2 We
Bundesgenossen umgesehen; denn wie früher erwähnt wurde,
hatte er im Jahre 1265 ein Bündniss zur gegenseitigen Hilfe-
leistung im ganzen Bisthum Trient und in den Diöcesen von
Brixen und Chur mit dem Bischofe Bruno von Brixen geschlossen.
Am 26. Februar 1267, kurz bevor er wieder nach Trient gieng.
schloss er zu Thauer bei Hall ein Bündniss mit dem Grafen
Gebhard von Hirschberg. 1) Dass er nicht bloss: mehr ein
kleiner Graf war, geht auch daraus hervor, dass er bereits Vör
magnae autoritatis genannt wurde. 2)
In dem Streit, in den er in Folge der Besetzung von Trient
mit dem Bischof geriet, scheint auch nicht alles Unrecht auf
seiner Seite gewesen zu sein, wenn auch der päpstliche Legat
dieses als einen Grund der gegen ihn ausgesprochenen Excom-
municationssentenz anführte; denn das vom Papste bestellte
Schiedsgericht entschied gegen Egno. Nach dem Friedens-
schlusse hatte dieser von Seite des Grafen keine feindliche
Angriffe mehr zu erleiden und residirte von ihm unangefochten
zu Bozen, Allerdings befand er sich damals in völliger Ab-
hängigkeit von ihm und musste nicht allein die meisten Einkünfte
aus dem Bisthum mit ihm theilen, sondern ihm auch viele
erledigte Lehen ertheilen. Diese Abhängigkeit wurde aber nicht
so fast durch _die Gewalthätigkeit Meinhard’s als durch die
im Bisthum herrschenden Zustände herbeigeführt, wo der
Bischof nicht im Stande war sein Ansehen gegen die vielen
Rebellen zu behaupten. Es kann allerdings nicht in Abrede
gestellt werden, dass sich Graf Meinhard Gewaltthätigkeiten
gegen die Bischöfe von Trient erlaubte, allein dieses geschah
mehr gegen Egno’s Nachfolger als gegen ihn selbst. Unter
ihm und durch ihn wurde der mächtige Einfluss des Grafen
von Tirol in. Trient begründet und wenn die spätern Bischöfe
versuchen wollten, diesen Einfluss zu schwächen oder zu be-
seitigen, mussten sie sich auf einen hartnäckigen Kampf gefasst
") Bibl. Tir. 1103. 1514.
2) Cont. Mart. Pol. bei Eceard 1. 1425 ad ann. 1273,
”
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Pe IE 7
m. Bu =
machen. Hier ist eigentlich die Quelle der so oft in der Folge-
zeit zwischen den Bischöfen von Trient und den Grafen von
Tirol ausgebrochenen Confliete
Wenig günstig lautet das Urtheil über Egno von einem
Vertrauten seines Nachfolgers, Bischof Heinrichs ; derselbe nennt
ihn einen Verschwender und Vernachlässiger der Güter des
Bisthums. 1) Dieser Vorwurf bezog sieh nicht allein auf die
den Grafen von Tirol ertheilten Belehnungen, sondern auch auf
die Abtretungen, Verpfändungen und Verleihungen von Gütern
und Rechten der Trientner Kirche an Andere. Solche Ver-
äusserungen waren in der That sehr häufig vorgekommen. Wir
erinnern, dass der im Jahre 1255 mit dem Podesta Sodeger
de Tito, den Castelbarco ete. geschlossene Friede in dieser
Beziehung viel gekostet hatte und dass dann die Kriege mit
Ezelin viele Verpfändungen und Erbpachtverleihungen nothwendig
. machten, um Geld zu erhalten zur Vertheidigung des Bisthums
gegen diesen Feind. Auch in den spätern Jahren waren die
Verpfändungen , Schuldverschreibungen und Lehenverleihungen
sehr zahlreich. Am 25. Juli 1260 ertheilte Egno für 100 Pfund
Berner den Brüdern Dietmar, Reinbert und Heinrich von Boymunt
einen Maierhof in Ried zu Lehen. 2) Am 16. September 1262
verpfändete er Facino Nosterio, Thuresendo Hypothecario
und Benvenuto Corogolla die Münze zu Trient. 3) Diese
Münze verlieh er im Mai 1269 dem Beliot von Drobossatis
von Florenz für 300 Pfund auf 1 Jahr. 9 Am 30. April
!) Es ist dieses der früher erwähnte Odorich von Bozen, der als
Syndieus, procurator et yconomus Venerabilis patris domini
Eaie dei gracia Episcopi Tridentini um das Jahr 1280 in kurzer
ebersicht die Zustände des Bisthums Trient schilderte Er sagt:
Item quod ipse dominus Egheno Episcopus Tridenti fuit dissi-
Ber et negligens bonorum Episcopalium. Horm, Gesch. Tir.
. 510. Sammler 5. 103.
2) Cod. Wang. 389,
’) Trient. Arch. caps. 2. N. 5.
Bibl. Tir. 612. 91. r .
*) Trient. Arch. caps. 2. N. 54.
Bibl. Tir. 612. 103. Bonelli 3. 2. 67. gibt die_ Urkunde
in Auszug, jedoch die Jahrzahl 1263 ist zu berichtigen.
= we
ertheilte er neuerdings auf ein Jahr dem Beliot von Florenz
de Rubafadis die Münze und das Münzamt zu Trient
und gestattete ihm auch zu Meran Münzen zu
schlagen, wennes Graf Meinhard von Tirol er-
lauben würde.1) Um 1266 verpfändete Egno, da er Geld
bedurfte zur Vertheidigung des Bisihums und um dem Haupt-
mann Hugo von Walturnis, genannt vom Stein, den Sold zu
bezahlen, dem Manfredin Gandi für 435 Pfund, welche ihm
dieser lieh, den alten und neuen Zoll zu Trient, 2) Im
Jahre 1269 überliess er für 80 Pfund dem Hildeprand von
Formigar seinen Antheil vom Zoll auf der Brücke von Formigar
auf ein Jahr. 3) Den Herren von Greifenstein hatte er mehrere
Pfandschaften zu Bozen und zu Greifenstein übergeben, die dann
von Meinhard abgelöst wurden; ferner hatte er dem Heinrich von
Greifenstein die Leute auf dem Ritten übergeben; dieser ver-
sprach am 12. April 1263 dem Bischof Wiedererlösung derselben _
für 500 Pfund. 4) Am 27. November 1269 verpfändete Egno
zu Bozen in Gegenwart des Grafen Meinhard dem Graland von
Salurn für 1150 Pfund Berner die Gastaldie Fleims, Diese
hatte schon früher Ezelin von Egna von ihm als Pfand gehabt.
‚Auch die Herrn von Arco besassen von ihm mehrere Pfand-
schaften zu Arco, in Judicarien und im Ledrothale. Solche
Verpfändungen liessen sich noch mehrere anführen, allein diese
genügen, um zu sehen, in welcher Weise gewirthschaftet wurde.
Manche dieser Pfandschaften wurden später zu Lehen gegeben,
So verlieh Egno im Jahre 1272 dem Erhard von Tingestein
6 Maierhöfe auf dem Ritten, welche derselbe bisher für 300 Pfund
im Pfand hatte, als ein für die Nachkommen beiderlei Geschlechtes
erbliches Lehen. 5) In ähnlicher Weise halte er, wie früher
gesagt wurde, dem Nicolaus von Brenta die Schulden gezahlt.
ı) Bonelli 2. 600,
*) Trient. Arch. Reg. 3. 35.
®) Trient. Arch Rey. 2. 53,
*) Trient. Arch. Reg. 2, 51.
°) Trient, Arch. Reg. 57. 71.
En.
Auch ausser dem Bisthum hatte Egno Schulden gemacht ;
wegen solcher wurde er mit Handelsleuten von Siena in einen
Process verwickelt, dessen Schlichtung der Bischof von Castellano
als vom Papste delegirter Richter übernahm. Dieser entschied
gegen ihn und bedrohte ihn auch mit der Excommunication.
Nach dem Tode des Bischofs von Castellano wurde der Bischof
Johann von Padua vom Papste als Richter delegirt. Zu diesem
sandte Egno im October 1266 seinen Capellan Friedrich als
Bevollmächtigten, um ihn zu vertreten, zu vertheidigen und um
Lossprechung von jeder Excommunications-Sentenz zu bitten,
wenn eine solche gegen ihn ausgesprochen worden wäre. 1)
Im Jahre 1269 geschieht noch eines andern Processes Er-
wähnung, den der apostolische Legat, Erzbischof Philipp von
Ravenna, gegen ihn eingeleitet hatte, Ob sich dieser auch auf
den oben erwähnten Gegenstand bezog oder einen andern Grund
hatte, ist nicht gesagt. ?) — Das Geld, welches Ubert de tabulu
majori von Verona im Jahre 1265 dem Bäcker Ventura für
ihn bezahlt hatte und welches er bis Martini desselben Jahres
zurückstellen wollte, konnie er erst im Dezember des Jahres 1270
zurückbezahlen. 3)
Die Finauzen Bischof Egno’s waren demnach nicht gut
bestellt, er befand sich sehr häufig in Geldverlegenheit; allein
es wäre ungerecht, dieses allein der schlechten Wirthschaft des
Bischofs zuzuschreiben ; im Gegentheil waren es die fortwähren-
den Kriege mit den vielen Feinden, welche seine Geldmittel in
!) Trient. Arch. Reg. 40. 6. enthält eine Urkunde vom
14. Jänner 1263 über diesen Gegenstand, eine zweite vom 24. Sep-
tember 1264, I. ce. 39. 1. und eine dritte vom 4. Oktober 1266 1. ce.
39.2
2) Trient. Arch. Reg. 39. 3. Egno schickte einen Gesandten
an den Lesaten und liess ihn durch denselben um: Aufhebung des
Processes bitten. Der Legat schrieb ihm am 25. März, dass er seinen
Gesandten gut aufgenommen habe, dass er ihn grüsse und ihn für
einen treuen Freund der römischen Kirche halten und nichts Böses
von ihm denken wolle.
®) Trient. Arch. caps 26. N. 6.
—. a
ausserordentlicher Weise in Anspruch nahmen und dazu noch
die Einnahmen schmälerten. Egno suchte sich durch Auflegung
grösserer Steuern und Abgaben zu helfen; allein dadurch erregte er
die Unzufriedenheit der davon Betroffenen ; dieses war ein wesent-
licher Grund der so häufigen Empörungen. Auch mit dem deutschen
Orden war er desshalb in Streit gekommen; der Comtur und
die Brüder dieses Ordens führten beim Papste Klage, dass sie
der Bischof von Trient trotz ihren Privilegien mit Forderung von
Zöllen und anderen Abgaben nach Willkür plage und sie beleidi-
gend behandle. In einem Schreiben vom 6. October befahl Papst
Urban IV. Egno von diesem Verfahren abzustehen, widrigenfalls
hätten der Probst von Feltre und der Abt von St. Lorenz bei
Trient den Auftrag ihn zu mahnen und zu zwingen. Am
31. Jänner 1264 schrieb Urban an den Bischof Bruno von
Brixen, dass seine Legaten und Nuntien die Deutsch-Ordens-
brüder, welche die widerrechtlich von ihnen verlangten Bei-
steuern zu zahlen verweigert hatten, excommunieirt haben und
dass der Bischof von Trient zu grossem Nachtheile des Ordens
diese Excommunication an allen Sonn- und Festtagen unter
Glockengeläute und brennenden Lichtern öffentlich verkünden
lasse; er möchte daher denselben auffordern, dieses in Zukunft
zu unterlassen. 1)
ı) Diese Urkunden verdanke ich der gefälligen Mittheilung des
Hochw. P. Justinian Ladurner, der die Güte halte mir seine ganze-
reiche Sammlung zur Benützung; zu überlassen die eben angeführten
Urkunden hat er im deutschen Ordensarchiv gefunden und abge-
schrieben. — Später zeigte sich Egno gegen den Deutschorden’
günstiger gesinnt, indem er nämlich am 30. Dezember 1269 zu Leng-
moos im Deutsch-Ordenshause den Brüdern dieses Ordens zu Sterzing
im St. Marienhospitale auf Bitten und Presentation Ulrichs von
Taufers, des wahren Erben von Eppan, donum Altarium et jus
speciale Capelle Sti. Petri et Ste. Magdalene zu Eppan über-
trug. Orig. im k. k. Statth. Arch, Bidl. Tir. 612, 104. Zwei
Tage später nämlich am 1. Jänner 1270 resignirte Ulrich von Taufers
durch seinen Capellan dem Bischof alle seine Rechte, die weltlichen
sowohl als das Presentationsrecht, auf die St. Magdalena-Capelle im
Schlosse Eppan und die St. Peters-Capelle bei der St. Paulskirche
zu Eppan, Trient. Arch. Reg. 48. 1.
—
Noch erübrigt, ehe wir die Geschichte Egno’s schliessen
einige Verfügungen und Einrichtungen, welche er in Trient und
im Bisthum getroffen hatte, zu erwähnen. Im Jahre 1256
nahm er eine Reformation mit seiner Curie im Palaste zu Trient
vor, bestellte einen gewissen Albert von Piacenza zum Massarius
derselben und wies zur Deckung der Ausgaben und jenes Geldes,
welches er von der Curie erhielt, alle Einkünfte an, welche
sich bis auf die Summe von 100 Pfund beliefen. Von den
übrigen Einkünften der Curie, de tenutis, senteneiis, sollte der
Massarius zu seiner Bezahlung für jedes Pfund 12 Denarien
empfangen, der Richter aber erhielt nur sein Salarium von den
Malefizbussen (de malefieiis). ') Am 28. Juli 1260 traf er eine
definitive Bestimmung wegen des Zeolles, welchen das Kapitel
und Trentino Gandi das Recht halten zu fordern von allen
Leuten von Brescia, aus dem Breseianischen, aus der Lombardie
und der Mark, welche Waaren zu Land oder zu Wasser nach |
Trient brachten und über die Etschbrücke führten, nur die
Leute von Sarmigiano, Insula und Feltre waren von diesen
Abgaben befreit. ?) Am 27, ‚November 1264 bestätigte er ein
Statut der Stadt Trient, wornach jeder, der innerhalb bestimmter
_ Gränzen, nämlich von diesseits Castelir, Bocha de Vella, der Kirche
des hl. Nieolaus, Pontavio und dem alten Schlosse zu Civezzano.
N k E 3
‚ Gegenstände wie Getreide etc.,. welche in den Keller der Com-
_ mune,gehen sollten, zu Wasser oder zu Land gegen Trient
führte und dieselben nicht am selben Tage in die Stadt in den -
Keller brachte, alles, was er mit sieh führte, verlor, Gleicher
rg
Strafe setzte sich auch jeder aus, der einen solchen Gegenstand
in sein Haus nahm und bei sich barg, derselbe musste noch
. dazu 25 Pfund Berner bezahlen. 3)
Egno liess auch Verzeichnisse ‚von Gülern und Rechten
Hl
!) Trient. Arch. Reg. 2. 12.
?) Trient. Arch. Rey. 3. 3.
*) Trient. Arch. Rey. 3. 29.
== 8 —. .
seiner Kirche in verschiedenen Theilen des Bisthums anfertigen
und sich von den Vasallen Verzeichnisse ihrer Lehen geben.
Es war dieses um so nothwendiger, weil in Folge der voraus-
gegangenen Ereignisse viele in fremde Hände gekommen waren
oder Versuche gemacht wurden, durch falsche Urkunden Lehen
zu erschleichen, Sc erschien im Jänner 1264 Rudolf von
Vivaro vor dem Bischofe und verlangte auf Grund einer Ur-
kunde von 1203 die Belehnung mit halb Vallarsa und einigen
Bergen in derselben Gegend (de Media Vallarsa et de ali-
yuwibus Montaneis) ; der Bischof aber erklärte, dass die vor-
gezeigte Urkunde falsch sei und dass der genannte Rudolf kein
Recht auf die bezeichneten Lehen habe, und liess sich dann. von
Christian von Pomarolo alle bischöflichen Güter und Rechte und
Lehen in Vallarsa angeben. !) In demselben Jahre liess er
auch die Rechte seiner Kirche in der Gastaldie Mezzotedesco
aufzeichnen. In den letzten Jahren liess er einen Codex anlegen,
der in ähnlicher Weise eingerichtet war, wie der Codex Wan-
gianus, und ohne Zweifel auch den gleichen Zweck hatte wie
dieser, nämlich die Rechte der Kirche von Trient festzustellen
gegenüber den Vasallen und ein genaues Verzeichniss der
Güter und Lehen zu haben Aus dem Codex Egnonianus theilt
Bonelli einige Urkunden mit, so “die Belehnung, welche der
Bischof am 4 August 1271 dem Siecherius Longus von Metz,
mehreren genannten Herru von Metz und der ganzen Gemeinde
von Kronmetz mit ihrem Gemeindegute ertheilte, welches
folgende Grenzen hatte: nämlich von der Kirche des hl. Christof
hinab bis zur Etsch und vom Noce (ab ayua Noecis) in
der Richtung gegen Metz bis auf die Höhe des Berges
und von der Etsch durch die ganze Ebene bis auf den Berg
und von der Metzer Klause abwärts. Dazu gehörte auch das
Gemeindegut in Cortuna und es war damit das Recht verbunden,
dass Niemand innerhalb der genannten Grenzen ein Schloss
') Trient. Arch, Rey. 37. 2%.
oder Festungswerk bauen durfte. ') Eine andere Urkunde,
welche Bonelli dem Cod. Eyn. entnommen hat, enthält die am
16. Juni 1272 geschehene Verleihung der Gastaldia des Mons
Argentarie und von. Civezzano an Peler und Regret von
Cugnola. ?)
V.
Wir haben im Vorausgehenden zu zeigen versucht, dass bis
um die Mitte des 13. Jahrhunderts die Bischöfe von Trient und
Brixen die mächtigsten Herrn im Lande und die weltlichen
Grafen ihre Vasallen waren und ihre Grafschafts- und viele
andere Rechte von ihnen zu Lehen trugen. In den südlichen
Landesgebieten hatte der Bischof von Trient durch kaiserliche
Verleihung dieGrafschaften erhalten und übte dort auch die herzog-
"liche Gewalt aus, Im Norden besass der Bischof von Brixen die
Grafschaften in seinem geistlichen Sprengel ; auch ihm war die
herzogliche Gewalt zuerkannt, wenn er sie’auch nie zu einer
solehen Geltung bringen konnte, wie der von Trient. Diese
zwei geistlichen Herzogihümer erfüllten bis zu dem eben bezeich-
| neten Zeitpunkte beinahe das ganze Land, das jetzt die gefürstete
Grafschaft Tirol’ bildet In diesen Herzogthümern aber entstand
den besprochenen Zeitabschnilten eine neue Macht, die nicht
ein jene der Bischöfe sehr beschränkte, sondern das Ueber-
wicht im Lande gewann und selbst die geistlichen Fürsten-
ümer, soweit dieselben sich noch zu behaupten vermochten,
in sich abhängig machte. Diese Macht war die der Grafen
A n Tirol. Wir wollen nun im Folgenden noch’ eine kurze
dersicht ihrer Entstehung geben. Die Grafschaft Tirol gieng
1b;
ui
Bl qi
4 E ') Bonelli 2. 151. Diese ist nach seiner Angabe die erste Ur-
" Kunde inCod. Eyn. Dieselbe findet sich auch in Trient. Arch. 58. 38.
2) Bonelli 2, 630,
7*
a ve
aus der Gaugrafschafi im Vinschgau hervor; diese lag im
Herzogthume Trient und war Lehen von den Trientner Bischöfen.
Die Grafen in Vinschgau, die uugefähr seit dem 12. Jahr-
hunderte den Namen von ihrem Stammschlosse Tirol annahmen,
trugen von den Bischöfen noch viele andere Lehen. sie besassen
mit ihnen gemeinsam die Grafschaft Bozen und waren Schirm-
vögte der Kirche von Trient. Der letzte ihres Stammes, Graf
Albert, dehnte im 13. Jahrhunderte seine Macht auch im Brixner
Bisthum aus und wurde im Jahre 1254 mit der Vogtei der
Brixner Kirche belehnt; bald darauf erhielt er vom dortigen
Bischofe eine Grafschaft im Eisackthale.
Entscheidende Folgen für die Machtstellung des Grafen im
Bisthum Brixen hatte die Verbindung, welche Graf Albert mit
dem Herzoge Otto von Meran und dem Grafen Meinhard von
Görz, seinen Schwiegersöhnen, schloss. Durch diesen Bund
wurde nicht allein der Versuch Bischof Egno’s, die welt-
liche Macht seiner Kirche wieder aufzurichten , vereitelt,
sondern der Bischof wurde gezwungen den Grafen von Tirol
und den Herzog von Meran mit allen ihren Lehen gemeinsam
zu belehnen. In Folge dieser Belehnung, die zunächst dem
Herzoge zu Gute zu kommen schien, kamen alle Lehen, welche
einst die Grafen von Andechs von der Kirche Brixen besassen,
nach dem Tode des letzten Andechsers, Herzog Otto’s Il. von
Meran, im Jahre 1248 an den Grafen von Tirol, dessen Macht
von da an beinahe den ganzen Brixner Sprengel erfüllte. Auch
im Bisthum Trient erweiterte Graf Albert seine Besitzungen;
in seinem Lehenbekenntnisse von 1251 gab er an, dass er.von
der Kirche Trient zu Lehen besitze das Schloss und die Salarie
Torre im Nonsberge mit jährlichen Einkünften von 3000 Mark
und dass dasjenige, was er im Bisthum und im Herzogthum
Trient von Neuhaus bis Pontalt, im Nonsberge, zu Nago und
im Lägerthale von der genannten Kirche inne habe, wohl jähr-
lich 20,000 Pfund eintrage. 1) Dazu. erhielt er noch im
') Horm. Gesch. Tir, 2. 343.
— 11 —
Jahre 1253 vom Bischofe Egno die Lehen der Grafen von
Ulten. Ausser den Brixner’und Trientner Lehen besass er auch
Lehen von den Bischöfen von Chur. Zahlreich waren seine
Allode, seine Burgen und Schlösser, zu denen er im Jahre 1239
von Schwicker von Reichenberg das Schloss Trasp mit den
dazu gehörigen Rechten und Gütern kaufte, 1) seine Vasallen,
—Ministerialen und Eigenleute. Auch war er im Besitz von
Bergwerken, die er von den Bischöfen zu Lehen trug, darunter
sind namentlich anzuführen die Salinen in Thauer. Seine Güter
und Besitzungen erstreckten sich bis Kärnthen und Friaul.
Graf Albert von Tirol war im Lande im Gebirge ein gefürchteter
Herr geworden und versuchte im Bunde mit seinem Schwieger-
sohne, dem Grafen Meinhard von Görz, seine Kräfte auch
ausser diesem Lande, namentlich gegen den Erzbischof von
Salzburg (jedoch mit wenig Glück.) ?2) Graf Albert steht in
mehreren Verzeichnissen der tirolischen Landesfürsten oben an,
er wird also darin als der erste tirolische Landesfürst aufgeführt.
Dieser Behauptung, wenn sie auch nicht gerade wörtlich zu
nehmen ist, liegt doch eine thatsächliche Wahrheit zu Grunde,
nämlich die, dass er durch Vereinigung der meranischen Erb-
schaft und der ultnerischen Lehen mit den tirolischen Besitzungen
bereits eine Macht geschaffen hatte, auf deren Grundlage sich
dann die gefürstete Grafschaft Tirol entwickelte. Schon der
Name, der jetzt zur Bezeichnung des ganzen Landes dient,
weist auf ihn als den Schöpfer dieser Macht hin.
Diese blieb jedoch nach seinem Tode nicht vereinigt; denn
seine Schwiegersöhne, Graf Meinhard von Görz und Graf Gebhard
von Hirschberg, der mit der Wittwe des Herzogs von Meran
vermählt war, theilten sich in dieselbe. Die Theilung geschah
am 10. November 1254 zu Meran. Gebhard von Hirschberg
und seine Gemahlin Elisabeth erhielten von der Erbschaft des
ı) Horm. Beitr. 2. 224. j
2) Es würde von allgemeinem Interesse sein, wenn diese Ver-
hältnisse einmal genauer und gründlich untersucht würden.
—_— 18 —
Schwiegervaters beziehungsweise Vaters die Besitzungen "im
Innthale vom Amte Flies und vom Amte Ulrichs von Schrofen-
stein d. i. von der Priennerbrücke an und von Innsbruck aus
in südlicher Richtung bis zur Holzbrücke und die Vogtei der
Kirche Brixen.
Der übrige Antheil der tirolischen Erbschaft, nämlich alles,
was davon im Innthale und dessen Seitenthälern ober der Prienner-
hrücke (bei Zams), im Herzogthume Trient und im Bisthum
Brixen bis zur Holzbrücke, !) in Kärnthen und Friaul lag, fiel
dem Grafen Meinhard von Görz und seiner Gemahlin Adelheid
zu. Nach den weitern ‚Bestimmungen des Theilungsvertrages
durfte kein Theil zum Nachtheile des andern von den noch
nicht empfangenen Lehen etwas an sich ‚zu bringen, sondern
beide sollten dieselben gemeinsam gewinnen und sich über-
tragen lassen; es durfte auch keiner ohne Einwilligung des
andern von den Lehen ausser dem Herzogihum Trient und dem
Bisthum Brixen etwas vergeben, nur die Verleihung der Kärnther
und Friauler Lehen standen dem Grafen von Görz allein zu.
Die Gräfin Elisabeth und 'ihr Gemahl hatten keinen Anspruch auf
die Mitgift und das Besitzihum der Frau Uta, weiland Gräfin
von Tirol ; 2) diese erbten der Graf von Görz und seine Gemahlin.
Erstere waren aber auch nicht verpflichtet, dem Grafen von
Görz die Kosten, welche derselbe für die Auslösung des Grafen
ı) Diese Brücke ist nach Sinnacher 4. 461 nicht die Laditscher-
brücke, sondern die Peiserbrücke zu Oberau zwischen Mittewald und
der Franzensfestung.
*) Diese Frau war die Gemahlin des Grafen Albert von Tirol
und scheint bereits zur Zeit. als die Theilung geschah. nicht mehr
am Leben gewesen zu sein, da sie guondam comitissa de Tirol
heisst. Ihr Tod muss nicht lange vorher erfolgt sein, da sie am 17. Sep-
tember 1253 gemeinsam mit den Grafen Meinhard und Gebhard dem
Deutschorden eine Schenkung ihres verstorbenen Gemahls übergab.
(Mitgetheilt vom Hochw. P. Just. Ladurner.) Im Jänner 1254 schrieb
Papst Innocenz IV. noch an sie, dass er sie in seinen Schutz auf-
nehme. Fontes rer. Austr,. II. 1. 34.
|
|
|
— 18 —
von Tirol aufgewendet hatte und für die Auslösung seiner Söhne
noch aufwenden musste, tragen zu helfen. !)
Die alten tirolischen Besitzungen hatten demnach Graf
Meinhard und seine Gemahlin Adelheid erhalten, dem Grafen von
Hirchberg und der Elisabeth fiel ein Theil der ehemaligen
andechsischen Besitzungen zu. Meinhard und Adelheid pflanzten
auch den Namen des Grafen von Tirol fort und ihre Nachkommen
waren berufen den vom Grafen Albert begonnenen Bau weiter
zu führen und zu befestigen.
Dabei waren sie von den Zeitumständen sehr begünstigt ;
zunächst kamen ihnen dieselben zu Statten bei der Erwerbung
der vom ‘Grafen Albert besessenen Lehen. Dieser war zwar
schon lange vor seinem Tode darauf bedacht gewesen, seinen
Töchtern im Fall seines Ablebens ohne männliche Erben die
von ihm besessenen Lehen zu verschaffen, und hatte sich die-
selben von den Bischöfen auch für die weiblichen Nachkommen
erblich übertragen lassen, so im Jahre 1228 die Churer und im
Jahre 1240 vom Bischofe Alderich die Trientner Lehen. Der
Nachfolger Alderichs in Trient, Bischof Egno und das Kapitel
aber erkannten diese Belehnung nicht als rechtsgiltig an und
behaupteten dass die Tochter des Grafen Albert kein Recht auf
diese Lehen habe; allein unter dem Drucke der Ereignisse, die
wir früher kennen lernten, wagten sie nicht nur nicht dieselben
zu verweigern, als sie Graf Meinhard im Namen seiner Gemahlin
und seiner Söhne verlangte, sondern der Bischof hatte schon
!) Die Stelle lautel: Comes vero Goricie et sui heredes pro
dampnis comitis Tirolis in solutione perceptis et adhuc in solu-
tione filiorum Domini comitis Gorizie percipiendis, ammodo
@ comite de Hierzberch et ejus uzore nullam querant sui
dampni et gravaminis restitucionem. Kink ak. Vorl. 293 über-
setzt die Stelle: Der Graf von Görz halte die Schulden des Grafen
von Tirol zu übernehmen. Dieses scheint uns dahin berichtigt werden
zu müssen, dass es sich hier um die Auslösung der Grafen aus der
Gefangenschaft des Erzbischofs von Salzburg handelte, Wie in einer
frühern Note gesagt wurde, hatte Graf Meiuhard den Grafen Albert
dadurch aus der Haft befreit, dass er seine Söhne als Geisseln
stellte.
— 14 —
früher demselben Grafen die Lehen der Grafen von Ulten und
Eppan verleihen müssen und sah sich im Jahre 1259 genöthigt
trotz des Protestes von 1256 und des im Jahre 1258 geschehenen
Widerrufs der Investitur mit den letztgenannten Lehen die Söhne
der Gräfin Adelheid, die Grafen Meinhard und Albert, sowohl
mit der Vogtei und den andern tirolischen, als mit den eppani-
schen und ultnerischen Lehen zu belehnen und die Erb-
lichkeit derselben für die männlichen uud weiblichen Nach-
kommen anzuerkennen Vier Jahre nach dieser Belehnung
gewannen die Grafen von Tirol und Görz auch die grössere
Hälfte des meranisch-tirolischen Erbtheils, welchen der Graf
Gebhard von Hirschberg und seine Gemahlin Elisabeth er-
halten hatten. Es war nämlich Elisabeth mit Tod abgegangen
ohne Kinder zu hinterlassen; daher beanspruchten die Grafen
Meinhard und Albrecht den Theil von dieser Erbschaft, der ihr
als Tochter des Grafen Albert von Tirol zugefallen war. !)- In
dem Streite, der desshalb zwischen den Grafen von Tirol und Görz
einerseils und dem Grafen von Hirschberg andererseits entstand,
compromittirten beide Theile auf den Herzog Ludwig von Baiern
als Schiedsrichter. 2) Dieser fällte am 13. Jänner 1263 zu Ster-
zing folgendes schiedsrichterliche Urtheil: Graf Gebhard von
Hirschberg und die Kinder von seiner Gemahlin Sophie, einer
Schwester des Herzogs, erhielten die Schlösser Schlossberg,
") Dass die Sache sich so verhielt ergibt sich aus einer Stelle
des Schiedsspruchs Herzog Ludwigs von Baiern ; dieselbe lautet wie
folgt: Dilectus fidelis noster @. Comes de Hirzberch et
sui liberi, quos er charissima nostra germana
Sophya procrea»it seu etliam generabit, et nihil-
ominus ipse comes, si superviwerit, nullis superstitibus liberis,
deinceps pacifice possidebunt ete. Demnach hatte Gebhard schon
eine andere Gemahlin, Namens Sophie. was nothwendig voraussetzt,
dass Elisabeth schon todt war. Dass diese keine Rinder hinterliess,
lässt sich daraus schliessen, dass die Kinder Sophiens dieSchösser etc.
erhalten sollten, welche dem Grafen noch aus der meranisch-tiroli-
schen Erbschaft durch den Schiedsspruch des Herzogs von Baiern
zuerkannt wurden.
®) Bibl. Tir. 1108, 154. Reg. Boic. 3. 196.
= We
Fragenstein, Thauer und die Saline in Thauer mit allen dazu
gehörigen Gütern, Ministerialen, Eigenleuten und Rechten auf
dem linken Innufer vom Bache Telfs (aqua Telfs) an, ferner auf
dem rechten Innufer das Schloss Rottenburg mit allen dazu gehörigen
Rechten und Besitzungen. Alles Uebrige aber, als Schlösser, Dörfer,
Distriecte, Eigenleute, Ministerialen und andere Besitzungen,
welche der Herzog von Meran und der Graf Albert von Tirol
von der Priennerbrücke abwärts durch das Innthal und von
Brixen an durch das Wippthal heraus bis in’s Innthal besessen
hatten, ferner die Kastenvogtei und alle andern Vogteien der
Kirche Brixen und auch jene Güter, welche der Herzog von
Baiern dem Grafen von Hirschberg in dem angegebenen Umkreise
überlassen hatte, wurden den Grafen Meinhard und Albert zu-
gesprochen. Es durfte jedoch kein Theil von den in diesem
Schiedsspruche ihm zuerkannten Gütern etwas verkaufen oder
irgendwie veräussern ausgenommen an den andern Theil. Starben
der Graf von Hirschberg und die Kinder von seiner Gemahlin
Sophie, so erbten die ihnen zugesprochenen Besitzungen die Grafen
von Tirol und Görz ; gleiches galt auch umgekehrt, wenn letztere
mit ihren Kindern mit Tod abgiengen. Dieser Schiedsspruch geschah
in Gegenwart des Bischofs von Regensburg, des Grafen Berthold
von Eschenloh, der Brüder Friedrich und Beral von Wanga und
anderer. 1) Am 19. Juni 1263 belehnte Bischof Hartmann von Augs-
burg im Kloster Pollingen auf Vermittlung des dort anwesenden
Herzogs Ludwig von Baiern und in Gegenwart des Grafen Berthold
von Eschenloh und anderer den Grafen Meinhard in seinem und
seines Bruders Namen, mit allen Lehen, welche einst Graf Albert
- von Tirol von der Augsburger Kirche gehabt hatte, ausgenommen
_ mit denen im Innthale, welche noch vermöge des eben an-
- geführten Schiedsspruchs Herzog Ludwigs von Baiern dem
Grafen von Hirchberg gehörten. 2)
!) Horm. Gesch, Tir. 2. 381.
» Beitr. 2. 311.
2) Horm. Gesch. Tir. 2. 387.
„ Beitr. 2. 250.
= WW
Es war demnach wieder beinahe die ganze Macht, welche
Graf Albert vor seinem Tode besessen hatte, vereinigt und die
Theilung von 1254, welche den vom Grafen Albert begonnenen
Bau zu zertrümmern schien und zwei fast gleich mächtige
Grafenhäuser neben einander setzte, unschädlich gemacht. Da
die Grafen von Tirol schon früher von der Trientnerkirche die
Lehen der Grafen von Eppan und Ulten erworben hatten , ver-
einten sie um 1263 m ihrer Hand den grössern Theil der Be-
sitzungen, welche die drei mächtigsten Grafengeschlechter, nämlich
die Andechser , die alten Tiroler Grafen und die Grafen von
Eppan mit ihren Seitenlinien bis um die Mitte des 13. Jahr-
hınderts gehabt hatten. Diese Macht war aber keineswegs in
todte Hände gekommen „ sondern sehr fruchtbringend angelegt.
Die 1263 geschehene Machtvergrösserung gibt sich schon bei
Nüchtigen Durchsehen der Urkunden der Grafen zu erkennen;
während dieselben vor diesem Jahre sehr selten sind, wer-
den sie von da auffallend zahlreicher. Auch in den Bisthümern
Trient und Brixen zeigte sich bald ihr Gewicht; noch im Jahre
1263 kamen die Grafen Meinhard und Albert nach Trient und
halfen dort zwischen dem Bischofe und den Rebellen Frieden
vermitteln. Im Brixner Bisthum standen sie dem Bischof Bruno
bei in einer Fehde mit Wilhelm dem Aeltern und Wilhelm dem
Jüngern von Aichach bei, empfiengen im August 1264 von diesen,
als sie aus der Gefangenschaft des Bischofs entlassen worden waren,
eine Entsagungsurkunde über ihre Lehen und Pfandschaften,
wogegen sie ihnen ihren Schutz versprachen !), und verlangten
vom Bischofe die Hälfte der Entschädigung, welche die von
Aichach demselben bezahlen sollten. Bruno belehnte die Grafen,
damit sie auf die Güter der von Aichach verzichteten ,„ mit
mehreren Einkünften; allein damit stellte sich Meinhard nicht
zufrieden, er drang so lange in den Bischof, bis dieser seiner
ungestümen Forderung nachgeben und ihm die Einkünfte von
50 Mark anweisen musste. ?) Nachdem die Grafen einmal im
‘) Fontes Rer. Aust. II. 1. 61.
2) Sinnacher 4, 584.
|
u
Lande im Gebirge eine grössere Macht gewonnen hatten, waren sie
sehr thätig, ihre Besitzungen zu erweitern und abzurunden. Bis
jetzt waren dieselben nur noch eine unzusammenhängende Masse
von Kirchenlehen und Alloden ; daraus ein geschlossenes Ganzes
zu schaffen, war fortan das Hauptziel der Politik der Grafen.
Sie giengen dabei mit derselben Klugheit und Planmässigkeit vor,
die wir schon bei ihrem Auftreten in Trient kennen gelernt
haben. Vorzüglich war Meinhard Meister in dieser Kunst, ihm
lag anch stets hauptsächlich die Verwaltung der tirolischen
Grafschaft ob, und er bekam endlich bei der Theilung im Jahre 1271
dieselbe in alleinigen Besitz. Eine solche Theilung war bereits
am 8. Februar 1267 zu Lienz in Gegenwart des Bischofs von
Brixen und der Herzoge von Baiern und Kärnthen von den
beiden Brüdern Meinhard und Albert verabredet. 1) Zur wirk-
lichen Ausführung derselben kam es erst im Jahre 1271.
Am 4. März schlossen die Grafen auf Schloss Tirol hierüber
folgenden Vertrag: Die Klause in Haslach bildete zu beiden Seiten
der Rienz bis auf die Gipfel der Berge die Grenze zwischen den
Grafschaften und Herrschaften der beiden Brüder. Alle Allode,
Lehen, Vogteien und ändern Rechte und Güter diesseits der
Klause gehörten zur Grafschaft und Herrschaft Tirol und diese
erhielt Graf Meinhard, ausgenommen waren davon alle Zölle und
die Münze zu Meran, die sich innerhalb der Grafschaft und
Herrschaft Tirol befanden, ferner die Güter, Schlösser und.
Rechte der Kirche und Stadt Trient und ihres ganzen Bezirkes
und das Schloss Persen; die Einkünfte von diesen wollten sie
zu gleichen Theilen theilen, nur von den Zöllen bekam Meinhard
- 300 Mark voraus; dagegen musste Graf Albert auch die Be-
_ salzung von Trient stellen helfen und mitwirken bei der Befesti-
! gung und Vertheidigung dieser Stadt. Wollte Graf Meinhard
mit dem Bischofe eine Uebereinkunft wegen Rückgabe der
N Ar > -
R, !) Coronini, tentamen genealogico-chronologieum Promo-
vendae seriei comitum et rerum Goritiae 317.
— 18 — £
Stadt Trient und der andern von ihnen occupirten Orte, Schlösser,
Güter und Rechte treffen, durfte er dieses nicht ohne Zustim-
mung seines Bruders thun, Bezüglich Heinrichs von Welfsberg
und Otto’s genannt Welf kamen die Grafen überein, dass die-
selben Ministerialen des Grafen Meinhard sein, ihre Kinder beiderlei
Geschlechts aber getheilt werden sollten. Elisabeth, die Gemahlin
des Grafen Meinhard, trat dem Grafen Albert ihre Ansprüche und
Rechte auf die Schlösser Michelsburg und Rasen ab, die ihr
von ihrem Gemahl als Mitgift verschrieben worden waren. Graf
Meinhard verpflichtete sich, seinem Bruder, solange der Krieg
gegen die Kirche und den Patriarchen von Aquileja dauern
würde, mit 200 bewaffneten Leuten beizustehen und auch, wenn
die Feindseligkeiten eingestellt würden, beim Friedensschlusse
persönlich zugegen zu sein; !) ferners versprach er ihm beim
Erzbischof von Salzburg zu erwirken, dass er sie mit dem
Schlosse Lint belehnen möge; dieses Schloss sollte aber dem
Grafen Albert allein gehören. Dieser erhielt alles was östlich
von der Haslacher Klause lag, alle Allode, Lehen, Vogteien etc.,
welche zur Grafschaft Görz gehörten, und namentlich auch die
Besitzungen in Cadober, die Gerhard von Camin zu Lehen hatte;
Zölle und Geleite dieser Grafschaft wurden ebenfallls getheilt;
die Haslacher Klause gehörte beiden gemeinsam. Jeder über-
nahm die Schulden in seiner Grafschaft; Erbschaften sollten
getheilt werden, dessgleichen auch die Kinder aus Ehen, welche
zwischen beiderseitigen Ministerialen geschlossen wurden. Für
den Fall, dass der eine der Grafen ohne Erben sterben würde,
war festgesetzt, dassalle seine Besitzungen dem andern oder dessen
Erben zufallen sollten. Diesen Vertrag schworen beide Theile
treu zu halten und gaben sich zu dessen besserer Sicherstellung
gegenseitig Bürgschaften, nämlich Graf Meinhard setzte das
') Um ihre Streitigkeiten auszugleichen, wählten am 2. April 1271
die Kirche und das Kapitel von Aquileja einerseits und die Grafen
Meinhard und Albert andererseits den König Stephan von Ungarn
und den Herzog Heinrich von Baiern als Schiedsrichter. Bibl. Tirol.
1103. 184.
— 109 —
Schloss Gufidaun und Graf Albert das Schloss Virgen als
Pfand. 1) Die Uebereinkunft über den gemeinsamen Besitz der
tirolischen Zölle blieb in Kraft bis zum Jahre 1288; in diesem
Jahre überliess Graf Albert seinen Antheil daran dem Bruder
um 590 Mark Berner, jede Mark: zu 10 Pfund Berner ge-
rechnet. 2)
Seit Meinhard durch den Theilungsvertrag mit seinem
Bruder in den alleinigen Besitz von Tirol gekommen war, hatte er
seine Blicke unverrückt auf die Verwirklichung der schon früher
berührten Plane ‘gerichtet, die darauf hinausgiengen, seine Be-
sitzungen nach aussen und innen zu arrondiren, alles was
innerhalb der ihm gehörigen Gebiete sich befand, sich unter-
zuordnen und seine Macht zur herrschenden im Lande zu machen.
Die Mittel, welche er zur Erreichung dieses Zweckes anwendete,
waren verschieden, die gewöhnlichsten bestanden darin, dass
er sich die erledigten Lehen übertragen liess, Pfandschaften
einlöste und alle wichtigern Besitzungen namentlich die der
noch im Lande befindlichen Grafen und Barone durch Kauf an
sich zu bringen suchte.
Eine Zusammenstellung ‘der wichtigern Erwerbungen,
welche er in Tirol gemacht hat, zeigt uns, wie er in dieser
Beziehung vorgegangen ist.
Um 1266 erhielt er von seiner Gemahlin Elisabeth Imst
und das Thal Passeier, welche ihr von ihrem Sohne Konradin
für Verzichtleistung auf gewisse zu ihrem 'Wittum gehörige
') Horm, Beitr, 2. 237, Reg. Boic. 3.364, berichligt aus dem
Original Sammler &. 39 und Fontes Rer. Austr. 11.1.119. Ueber
den gemeinschaftlichen Besitz der Stadt und der Güter der Kirche
- von Trient und des Schlosses Persen und der Haslacherklause wurde
noch eine besondere Urkunde ausgefertigt. Sammler 4. 70. Fontes
Rer. Austr. 1I. 1. 117.
2) Sammler 4. 58. Fontes Rer. Austr., 11. 1. 238. Die in
der Urkunde angeführten Zölle sind zu Lueg (zwischen dem, Brenner
und Matrei), zu Sterzing, Innsbruck, Ruckschrien (unweit Patsch an
der Ellbögner Strasse), Bozen, in Passeier, in der Telle (nicht Zelle,
“wie es in Reg, Boic. #, 388 heisst,) und zu Nauders,
— 10 —
Güter übergeben worden waren, 1) Im darauffolgenden Jahre
am 14, August übergab ihm Herzog Ludwig von Baiern das
neue Schloss St. Petersberg im Oberinnthale. 2) Nicht allein
dieses Schloss, sondern auch die meisten andern Güter im
Innthale und zwischen dem Scharnitzerwald und dem Fern,
welche einst Graf Ulrich von Ulten dem Kaiser Friedrich I.
verkauft und im Jahre 1263 dessen Enkel Konradin seinem
Oheim Herzog Ludwig von Baiern geschenkt hatte, 3) müssen
an Meinhard gekommen sein. Dieser hatte also die meisten °
Besitzungen der Grafen von Eppan und Ulten atı sich gebracht.
Ein anderes im Lande reich begütertes Grafengeschlecht
waren die aus Baiern stammenden Grafen von Eschenloh. Sie
besassen das Schloss und die Grafschaft Hörtenberg in Ober-
innthal — letztere als Lehen von den Markgrafen von Burgau —
und halten ausserdem Besitzungen im Inn- und Etschthale und
deren Seitenthälern. Sie standen meist in sehr freandschaft-
lichen Beziehungen zu den Grafen von Tirol und waren Ver-
bündete derselben in ihren Kriegen; ein Graf Eschenloh wurde
im Jahre 1253 mit dem Grafen Albert von Tirol vom Erzbischof
von Salzburg gefangen genommen. Später erscheinen sie oft
im Gefolge des Grafen Meinhard und kommen häufig in dessen
Urkunden als Zeugen vor. Graf Heinrich von Eschenloh wird
von Meinhard consanguineus et nepos genannt. Er und
seine Gemahlin Leukardis, Edle von Neiffen, verkauften demselben
im Jahre 1269 am 19, Februar 5 Höfe zu Silz, Heimingen
und im Oetzthale. 4) Im October des Jahres 1281 verkaufte
Berthold Graf von Eschenloh dem Grafen Meinhard den vierten
Theil des Schlosses Hörtenberg um 50 Mark Berner, 5) Am
!) Böhmer Rey. Conr. 32.
2) Bibl. Tir. 1103. 154.
>) Horm, Beitr. 2. 108,
Böhmer Reg. Conr, 11.
” Wittelsb. Rey. p, 30.
*) Horm. Gesch. nie 2. 431.
„». Beitr. 2. 252.
5) Bibl. Tir. A 155
Burglechner, Absehr. im 'Ferd 3'Th. 272.
— 11 —
6. Jänner 1286 verpfändete Graf Berthold dem Grafen von
Tirol alle seine Güter im Innthale. 'J Am 3. Juni 1286 ver-
kaufte Graf Berthold mit Wissen und Einwilligung seines
Bruders Heinrich und dessen Sohnes, Heinrich von Neiffen.
seinem erlauchten Herrn Herzog Meinhard die Grafschaft
Hörtenberg, die er vom Markgrafen Heinrich von Burgau zu
Lehen hatte und alle andern Besitzungen im Innthale für 700 Mark
Berner. 2) Im Jahre 1291 genehmigte Herzog Otto von Baiern
- den Kauf des Schlosses Hörtenberg und übertrug dem Herzoge
- Meinhard seine Rechte, er die als Lehensherr auf das genannte
Schloss gehabt hatte. 3) Im Jahre 1292 am 25. November
— verkauften Graf Berchtold von Eschenloh und Grimold von
a we Ze
5
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; Sevelden dem Herzog für 1550 Mark alle Schlösser und
- Güter in Flaon (?), welche sie von Heinrich und Wil-
_ helm von- Egna gekauft hatten, ausgenommen das Schloss
Eppan mit dem dazu gehörigen Gericht und das Erbe von
Romano. 4)
Im Jahre 1284 am 26. Mai entschied König Rudolf einen
neuen Streit, der zwischen Meinhard und dem Grafen Gebhard
von Hirschberg über die Besitzungen im Innthale entstanden
war, >) und am 28. Dezember entsagte Sophia die Aeltere,
|
Gräfin von Hirschberg, in Gegenwart König Rudolfs allen Rechten
und Ansprüchen auf die Güter ihres verstorbenen Gemahls
Gebhard, welche Meinhard im Gebirge besass. #) Im Mai 1284
verkaufte Graf Gebhard von Hirschberg der Jüngere an Mein-
hard alle seine Güter und Rechte im Innthale um 4000 Mark
Silber und resignirte zu dessen (sunsten dem Bischof von
') Bibl. Tir. 1103. 156.
2) Horm. Beitr. 2. 166.
>) Horm. Gesch. Tir. 2. 568.
+) Horm. Beitr. 2. 153.
Bibl. Tir. 1103. 157.
>) Böhmer Rey. Rud. 674, pag. 113.
%) Bibl. Tirol. 113. 15%.
— 12 —
Brixen alle Lehen, die er von der Brixner Kirche besass. !)
Seit 1284 war also Meinhard im Besitz des ganzen Antheils,
welcher aus der meranisch-tirolischen Erbschaft bei der Theilung
von 4254 dem Grafen von Hirschberg zugefallen war.
Ungefähr um dieselbe Zeit brachte er die Besitzungen der
Grafen von Moosburg in Tirol an sich. Am 5. Juli 1282
verkaufte ihm zu München Ulrich von Stein die Güter im Gebirge,
. welche ihm durch den Tod des Grafen Konrad von Moosburg
erblich zugefallen waren 2), und am 30. Dezember stellte ihm
der Herzog Ludwig von Baiern einen Bürgschaftsbrief für die
Aufrechthaltung dieses Kaufvertrages aus. 2) In einer Urkunde
ı) Horm. s. W. 2. CI. Kink, akad. Vorl. 294 bemerkt zu
diesem Kaufe, dass 4000 Mark Silber eine mässige Summe für das
Inn- und Wippthal waren, Allein dabei hat er übersehen, dass schon
im Jahre 1263 der grössere Theil des in Folge der Theilung von 1254
dem Grafen von Hirschberg zugefallenen Antheils dem Grafen von Tirol
zugesprochen worden war, dass damals letzterem nur noch die Schlösser
Schlossberg, Fragenstein, Thaur, Rotenburg und die Saline in Thaur
geblieben waren. Es konnte sich demnach hier nur um die Abtretung
dieser Besitzungen und derjenigen Rechte handeln, welche dem Grafen
von Hirschberg noch zustanden vermöge des angeführten Schiedsspruchs,
wornach keine der beiden Parteien etwas von dem ihm zugesprochenen
Theile veräussern durfte ımd nach dem Aussterben des einen Ge-
schlechtes das andere das Ganze erhalten sollte. — Einen neuen
Beweis, wie ungenau Hormayır in seinen Angaben war, gibt auch
der Umstand, dass er, obwohl er selbst, den Schiedsspruch Herzog
Ludwigs von Baiern in seiner Geschichte Tirols und in seinen Bei-
trägen abdruckte, dennoch in seiner goldenen Chronik von Hohen-
schwangau sagt, dass dem Grafen Gebhard das Innthal bis an.den
Lech und bis zur Brenner-Brücke mit den Haupiburgen Schlossberg,
Fragenstein, Rottenburg, Thauer und der Saline in Thauer, von
Landeck und Flies, dem Amt Ulrichs von Schrofenstein, d. i. von
der Brenner-Brücke bis Innsbruck, hinab blieb. Dabei ist ihm nicht
einmal die Bestimmung des Spruches aufgefallen, dass vier Haupt-
leute des Grafen von Hirschberg, nämlich die in Thauer, Fragenstein,
Rottenburg und Hall, und vier Hauplleute der Grafen von Tirol,
nämlich die in Innsbruck, Vellenberg, Strassfried und Matrei, die
Streitigkeiten zwischen den Ministerialen der beiden Grafen ent-
scheiden sollten. j
2) Bibl. Tir. 966,. 669.
®) Bibi. Tir, 1103. 156.
— 13 —
vom 40. Februar 1283, die ausser von den Ausstellern auch
vom Bischofe Friedrich von Chur und dem Edlen Walter von
Vatz gesiegelt. war, entsagten Rudolf Graf von Montfort als
Vormund der Kinder seiner, Schwester von Matsch und Ulrich
Vogt von Matsch als Erben der Grafen von Moosburg zu Gunsten
Meinhards allen ihren Rechten und Ansprüchen auf das Schloss
- Eyrs und alle andern Güter, welche Graf Konrad von Moosburg
— im Gebirge besass; das Schloss Eyrs sollte Meinhard. durch
die Vögte von Matsch zerstören lassen. Dasselbe durfte nicht
wieder aufgebaut werden. 1) Im. Juni 1283 belehnte Bischof
Emicho von Freisingen seinen lieben Freund Meinhard mit dem
halben Theil der Burg in Eyrs und dem dazu gehörigen Urbar. 2)
Im Herzogthum Trient gewann er zu den Grafschaften und
andern Lehen der Grafen von Tirol und von Eppan auch die
Grafschaftsrechte der Grafen von Flavon, indem er diesen
dieselben nebst andern Gütera in den Jahren 1281-1284 ab-
‚kaufte. 3)
Am 17. October 1273 auf Schloss Ravenstein verkaufte
ihm Agnes, Gemahlin Beral’s von Wanga, eine Gasse zu Bozen. 4)
Im ‚October 1274 zu Gemünd belehnte König Rudolf den
Grafen Meinhard mit den Reichslehen im Innthale, welehe ihm
Albero von 'Wanga aufgesendet hatte. 5) 1287. am. 6. Jänner
bestätigte Albero. von Wanga alle von Pertung von Mais an
Herzog Meinhard gemachten Veräusserungen. 6) Im selben
Jahre kaufte Meinhard von Albero und Mathäus von Wanga,
mit dem er am 6. Jänner d. .J. Frieden geschlossen. hatte, 7)
mehrere Güter in der Pfarre St. Peter bei Tirol für 650 Mark
») Horm. Beitr, 2. 151.
Kopp R. G. 1. 897.
2) Fontes Rer. Austr, Il. 1. 212.
%) Schatzarchiv 2..378. 379.
*) Totam terram et contratam a pomerio Minorum usque
ad portam Vintleri. Bibl. Tir. 1103. 155.
5) Burglechner Abschr. im Ferd. lib. 13. Caput 5. Fol, 128.
°) Fontes Rer, Aust. II. 1. 221.
’) Fontes Rer. Aust. II. 1. 220.
— 14 —
Berner. 1) Am 2. März 1290 übergab Mathäus von Wanga
Meinhard für 700 Pfund Berner alle seine Güter von Cella
(Tell?) bis zum Dorfe Lar (?). 2) Im November 1284 be-
lehnte Bischofe Heinrich von Regensburg den Grafen Meinhard
mit den Leuten und Besitzungen in Pfunds, welche bisher die
edlen Herren von Wanga von seiner Kirche zu Lehen trugen,
und mit den Vogteien in Oberhofen, welche die Grafen von
Eschenloh von derselben Kirche zu Lehen hatten. 3) Am
8. Juni 1266 verlieh ihm Bischof Konrad von Freisingen die
Vogtei des Gutes Lajan; 4) am 14. März 1278 belehnte ihn
Bischof Konrad von Chur mit einem von Schwiker von Reichenberg
aufgegebenen Hofe zu Latsch in Vintschgau 5) und 1284 am
13. September ertheilte ihm Bischof Hartmann von Augsburg die
Lehen in Klamm, welche Albert von Neiffen von seiner Kirche
gehabt hatte. 6). Derselbe hatte ihn am 17. August 1281 mit
allen im Innthale durch den Tod des Grafen von Hirschberg
heimgefallenen Lehen belehnt. 7)
1269 am 12, Jänner übergab Friedrich von Rodank den
Grafen von Tirol das Schloss Rodank und nahm es von ihnen
zu Lehen. $) Am 18. Mai 1271 verordnete derselbe, dass,
wenn er ohne Erben sterben würde, dieses Schloss mit allen
dazu gehörigen Rechten und Gütern dem Grafen Meinhard und
seiner Gemahlin Elisabeth gehören sollte 9), und verkaufte dem
Grafen am 20. Mai d. J. seine Zehenten in Gader und seinen Hof
ı) Mitgetheilt von P. Justinian Ladurner, der diese Urkunde im
Maiser Widdum gefunden.
2) Reg. Boic. 4. 40.
5) Horm. s. W. 2. CV.
4) Horm. Gesch. Tir. 2. 397,
Fontes Rer. Aust. II. 1. 73.
5) Horm. s. W. 2. IC. P
°) Cod. Fera. 1. 177. (Cod. Ferd. enthält 2 Bände Ürkinden-
Abschriften und befindet sich in der Ferdinandenms- Bibliothek. )
) Horm. s. W. 2. C.
°) Horm. Gesch. Tir. 2. 427.
Sammler 4. 51.
°) Horm, Gesch, Tir. 2, 441.
——
nn
- Mi —
auf dem Ritten. 1) Am 20. Juni ‘trat Wilhelm von Aichach
dem Grafen alle seine Rechte auf das Schloss Castelrutt ab. 2)
Ferners kaufte Meinhard im Jahre 1273 vom Deutschorden
das Schloss Zwingenberg, 1280 von Nicolaus von Enn das
Burgstall Alt-Enn, 3) von Friedrich von Greifenstein einen Thurm
zu Bozen mit der benachbarten Gasse, 1284 von Graland von
Salurn das Schloss Salurn, 1286 ©) von Jordan von Thunn das
Schloss Visiaun, 1287 von Nicolaus von Egna alle Güter, die
derselbe am Avisio besass, 1290 von Hugo von Trostberg das
Schloss Trostberg, 1291 von Armold von Tarrant Steinach und
das Schloss Tarrantsberg, 1293 von Albert von Metz das Schloss
Metz und all dessen Rechte in Casteleuco und Castellano 5) Am
5. Juni 1281 löste er dem Kloster Wilten alle Jurisdiktions-
rechte, die kirchlichen ausgenommen, in der neuen Stadt zu
Innsbruck ab. 6) ‘Am 3. Juli 1275 setzte ihn Heinrich Lajan,
um wieder seine Gunst zu gewinnen, zum Erben aller seiner
Allode und Lehen ein. 7) Es liessen sich noch sehr viele
Erwerbungen aufzählen, allein die angeführten genügen um zu
zeigen, welchen Weg Meinhard eingeschlagen hat, um sich zum
Herrn des innerhalb seines Gebietes gelegenen Besitzthums zu
machen. 8) Jnnerhalb seines Gebietes durfte Niemand sitzen,
») Cod. Ferd. 1. 109.
2) Bibl. Tir. 103. 155.
>]...
“1. c. 156.
5) Bibl. Tir. 1103. 157. Vergl, auch Kink akad. Vorl,
352, 353.
°) Horm. Gesch. Tir. 2. 497,
Sammler 4. 265.
’) Bibl. Tir. 1103. 155.
®) Kink akad. Vorl.S.353 bemerkt, dassim Schatzarchiv bei Käufen
von Gütern, Aeckern etc. häufig erwähnt werde, dass dieselben
allenthalben an die Güter des Landesfürsten grenzen. Die Bezeich-
nung Landesfürst ist wohl nicht genau, sie kommt in den Urkunden
nicht vor, sondern ist ohne Zweifet bei Anlegung des Schatzarchivs
von den spätern Zeilen auch auf diese übertragen, es war in der
Urkunde selbst wahrscheinlich die Bezeichnung „Graf, oder Graf von
Tirol, oder Herzog“ gebraucht.
S*+
— 16 —
der ihn nicht als Herrn anerkannte ; daher trachtete er alle Güter
der Grafen und Barone u. s. w. an sich zu bringen und liess
sich vom Könige und den Bischöfen die erledigten Reichs- und
andere Lehen übertragen. Die Edeln und Grossen suchte er
überall von sich abhängig zu machen und für seine Dienste zu
gewinnen und unterdrückte mit Gewalt ihren Widerstand. Von den
Herrn von Taufers ,„ deren Burg Taufers und halben Vesten
Uttenheim und Eppan später, nämlich 4315, sein Sohn, König
Heinrich, von den Grafen von Kirchberg und Agnes von Taufers
kaufte, 1) musste Ulrich am 8. Februar 1293 seinem hohen
Herrn Meinhard unter Bürgschaft des Grafen Albert von Görz
geloben und versprechen, weder heimlich noch öffentlich wider
ihn zu handeln, 2) HEzelin von Egna musste schon 1266 ver-
sprechen, keine Feindseligkeiten mehr gegen die Grafen von
Tirol zu unternehmen und wurde 1269 neuerdings zum Frieden
gezwungen, Im März 1265 mussten die Herrn Friedrich von
Enn, Otolinus Mixione, Nicolaus von Nono, Ulrich von Enn u. a.
Meinhard versprechen, ihm in Allem zu gehorchen, gegen
Jedermann beizustehen, und dafür ihre Güter als Unterpfand
geben. 3) Im Jahre 1278 mussten Wilhelm von Aichach und
sein Sohn Bartholomä, als sie aus dem Gefängniss entlassen
wurden, dem Grafen schwören, vier Jahre lang die Bisthümer
Salzburg, Brixen, Chur und Trient zu meiden und die Lehen auf
diese Zeit dem Grafen zur Verwahrung zu geben. %)
Meinhard war also nach Vereinigung der. Grafschaften,
welche die Grafen von Andechs, Tirol und Eppan von den
Kirchen Brixen und Trient getragen hatten, im Besitz der
Grafengewalt in einem grossen Theile des Landes im Gebirge
und hatte in demselben durch seine Politik ein ‚geschlossenes
Gebiet gebildet, worin er als Herr gebot. Dieses Gebiet mit
') Bibl. Tir. 1103. 158.
:) Cod. Ferd. 1. 205.
°) Fontes Rer. Austr. 1I. 1. 92.
°) Fontes Rer, Austr, II. 1. 200.
— 17 —
der ganzen Masse von Alloden und Kirchenlehen , verbunden
mit einigen Reichslehen, wurde bereits in der Zeit Meinhards
als Grafschaft und Herrschaft Tirol bezeichnet. In der Urkunde
von 1271 über die Theilung der görzischen und tirolischen
Besitzungen lautet eine Stelle: Omnia et singula, que a dieta
j
| Clusa (Haslach) infra versus Tirol et ejus dominium et
eomilatum in allodiüs, feudis, advocatiüs, jurisdictionibus,
homagis, ministerialibus et omnibus alüs ac quibuscungue
bonis et juribus quesilis et non quesitis, cultis et incultis
existunt, ad comilatum et dominium Tirolense
pertineant, dieses alles fiel Meinhard allein zu eweclusis
theloneis et Moneta de Merano, quae infra comitatum
et dominium Tirolense existere dignoscuntur.
Die Grafschaft Tirol beruhte, wie schon erwähnt, ursprüng-
lich auf der Gaugrafschaft im Vinschgau und war Lehen von der
Kirche Trient wie die Grafschaften im Inn- und Wippthale Lehen
von Brixen waren. Noch in der Zeit Meinhard’s wurde dieses Ver-
- hältniss ausdrücklich hervorgehoben ; so liess im Jahre 1280 Bischof
Heinrich von Trient ohne Zweifel auf Veranlassung Meinhard's
die Urkunde über Verleihung der Grafschaften Vinschgau und
Bozen an die Trientner Kirche transsumiren 1) und im Jahre 1283,
als Meinhard vor dem Könige Rudolf beweisen musste, welchem
Lande er angehöre, erklärte der Bischof von Chur, dass der
Graf von Tirol seine Grafschaft in der Diöcese Chur gelegen,
von dem Bisthume Trient besitze. Der Grund, wesshalb damals
diese Lehensabhängigkeit nochmals in Erinnerung gebracht
wurde, war ein besonderer; es musste nämlich Meinhard dar-
thun, dass er weder zum Herzogthume Schwaben noch zum
Herzogthume Baiern oder einem andern weltlichen Herzogthume
gehöre; es wurde dieser Beweis desshalb gefordert, weil um
diese Zeit Meinhard das Herzogthum Kärnthen erhalten sollte und
er als Vasall eines weltlichen Herzogs nicht Fürst hätte werden
") Bonelli 2. 372. Das Originaltransumpt befindet sich im
Trient. Arch. caps. 1. N. 2.
— 18 —
können. In späterer Zeit jedoch geriet auch diese Lehensabhängigkeit
in Vergessenheit. Dieses war um so leichter möglich, da die
Grafen von Tirol noch viele andere Lehen von der Kirche Trient
besassen und bei Belehnungen die einzelnen Gegenstände nicht
genannt wurden, und da die Erblichkeit dieser Lehen, die
Uebermacht des Vasallen, sowie die Politik dabei mitwirkten.
Daher ist es denn gekommen, dass nicht nur die ursprüngliche
Grafschaft Tirol, sondern der ganze Complex von Alloden,
Kirchenlehen, womit nur wenige Reichslehen verbunden waren,
und die andern Güter und Rechte ,„ die vorzüglich unter
Meinhard vereinigt worden waren, schon im folgenden Jahr-
hundert als reichslehenbare Grafschaft Tirol aufgefasst und
verliehen wurde.
‚Bemerkungen über den tirolischen Bundeshrief,
angeblich vom Jahre 1323.
Von P. Justinian Ladurner.
So klein unser Ländchen Tirol auf der Landkarte Europa’s
erscheint, und so leicht es daher scheinen möchte, eine
Geschichte desselben zu schreiben, so besitzen wir dennoch
bis auf gegenwärtige Stunde keine vollständige, eritisch-diplo-
matisch durchgeführte Geschichte unseres Vaterlandes, — So
manche Chroniken, ohnehin grösstentheils bisher noch unge-
druckt, gehen nur bis in’s 17. Jahrhundert und leiden sonst
noch an manchen Gebrechen; ob die im Drucke erschienenen
bis in unser Jahrhundert hinein reichenden Geschichten Tirols
von Seel und Joseph Thaler den Anforderungen zu einer er-
schöpfenden, critisch-diplomatisch bearbeiteten Geschichte ent-
sprechen, überlassen wir dem Urtheile von Kennern.
Das Beste, was in dieser Hinsicht bisher erschienen,
dürften wohl — wenigstens nach unserer Ansicht — Kink’s
academische Vorlesungen über die Geschichte Tirols bis zur
Vereinigung mit Oesterreich sein; obwohl wir hiedurch eben
nicht jede seiner historischen Augaben und jugendlichen Be-
merkungen unbedingt unterschreiben möchten ; allein selbe gehen
nur bis zum Jahre 1363, somit erwarten noch die letzten fünf
Jahrhunderte einen gediegenen Fortsetzer,
Bevor jedoch eine erschöpfende eritisch bearbeitete Geschichte
Tirols nach Wunsch zu Stande gebracht werden kann, dürfte
— 70 —
es — unseres Erachtens — vor Allem noththun,. so manche
irrige historische Angaben und Irrthümer in unserer Geschichte,
— welche sowohl in handschriftlichen Chroniken als auch in
Druckwerken selbst in neuester Zeit noch vorkommen, welche
dann ohne ernstere Critik gläubig nachgebetet und daraus oft
die sonderbarsten Folgerungen gezogen werden, wodurch unsere
Geschichte mehr verwirrt als aufgehellet wird, — zu berichtigen.
Dahin rechnen wir auch die Ansicht unserer Geschichtschreiber
über die Entstehungszeit des berühmten , so häufig erwähnten
Bundesbriefes der sogenannten tirolischen Stände, angeblich vom
Jahre 1323 am Sonntag nach Margareten.
Jacob Andre Freiherr von Brandis führt ihn in seiner
Geschichte der Landeshauptleute S. 44 mit der Einleitung:
„Anno 1523 Haben sich die Vier Steend zu Tirol zu Handt-
habung Irer Freyhaiten Volgeender gestalt verbunden“ — würl-
lich an ; aber in einer solchen Schreibart, dass derselbe vielmehr
das Product des sechszehnten oder siebenzehnten, denn als das
des vierzehnten oder fünfzehnten Jahrhunderts erscheinen muss.
Auch Dr. Rapp in seiner gediegenen Abhandlung über das
vaterländische Statutenwesen setzt diesen Bundesbrief auf das
Jahr 1323 an und äussert sich hierüber folgendermassen: „Am
allermeisten jedoch beurkundet der Bundesbrief vom Jahre
1323, (geben am Suntag nach Margretha Virginis) wie uner-
schütterlich fest sich unsere Väter aller Volksklassen an das
Alte und Nazionale angeschlossen und wie sie mit vereinter
Kraft gegen alle Neuerungen gekämpft haben.“ — Dass ‘jedoch
Herrn Rapp dabei ein gewisses unheimliches Gefühl, es dürfte
mit dem angeblichen Datum dieses Bundesbriefes doch nicht so
ganz seine volle Richtigkeit haben, beschlichen habe, scheint
aus seiner angefügten Bemerkung: „Dieser Brief, worin einige
schon alle vier Stände des Landes organisirt und in voller
Activität wollen gefunden haben (was aber um ein Säculum
zu früh sein möchte) beginnt also“ u. s. w. — hervor-
zugehen.
7
— 11 —
Freiherr von Hormair in seinem historisch-statistischen
Archive für Süddeutschland I. B. S. 77 reiht ihn ebenfalls in’s
Jahr 1323 ein, und sagt davon in seiner gewöhnlichen pathe-
tischen Sprache: „Als nach seinem (Meinhard’s II.) Tod seine
Söhne gemeinschaftlich regierten, ohne seinen Geist, schwach
und uneinig (?), hob der Adel sein Haupt von neuem , und
machte die beschenkte Geistlichkeit und Bürger und Landvolk
auf die Folgen der Gewalt aufmerksam , welche sie mit un-
weiser Hitze Meinharden in die Hände gespielt, und wirklich
versammelten sich im Juli 1323 zu Bozen die Herren,
Ritter und Knecht, Städt, Märkte, Gericht und Thäler der
Grafschaft zu Tirol und der Landschaft an der Etsch und
im Innthale und der drei Bisthümer zu Trient, zu Chur und
Brixen, und schwuren, nicht ferner gefärden zu lassen die Frei-
heiten, Rechte und Gewohnheiten, so sie von ihren Altvorndern
ererbt hätten. Die Bischöfe von Trient, Chur und Brixen und
ihre Domeapitel beschickten zwar diesen Tag durch Briefe und
Bothen, erschienen aber aus politischen Rücksichten nicht per-
sönlich auf demselben. Die Sprache des Bundesbriefes ist
ganz und gar im Geiste der Bünde in den Waldstädten und in
Hochrhätien!* — So Hormair. — Recht ergötzlich ist es erst
zu lesen, wie derselbe Hormair in seinen historisch-kritischen
Beiträgen zur Geschichte Tirols II. B. S. 402, wo er den
fraglichen Bundesbrief abgedruckt liefert, in der beigefügten
Anmerkung sich dreht und windet, um die bedenkliche Stelle
darin: „sich zu halten bei allen Freiheiten, Gnaden, Rechten
und alten Gewohnheiten , die sie von Kaisern , Königen u. s. w.
und von der Herrschaft des löblichen Hauses zu Tirol und
Oesterreich hergebracht haben,“ gleichsam unschädlich zu
machen und den Bundesbrief auf das Jahr 1323 hinaufschrauben
zu können,
Als der eifrigste Kämpe für das Datum 1323 dieses
Bundesbriefes tritt besonders Beda Weber in seinem übrigens
mit Geist und Scharfsinn geschriebenen Werke „Oswald von
Wolkenstein und Friedrich mit der leeren Tasche* S. 66 auf,
—_ 2 —
indem er spricht: „Er (K. Heinrich) wagte selten zu gebieten
und liess sich von diesen Gewaltigen gefallen, was er zu ändern
zu schwach oder zu furchtsam war. Der Zeitpunet schien
günstig, einen entscheidenden Schritt zur Begründnng der
Landesfreiheiten zu thun. Und die Edelherren liessen nicht
lange darauf warten. Sie verbanden sich im Jahre 1323 offen
mit Stadt und Land und hielten in Bozen eine Versammlung
u. s. w. — So weit Beda Weber, der dann seine ganze Ab-
handlung auf diesen Bundesbrief angeblich vom Jahre 1323
gründet, öfters im Verlaufe derselben darauf sich beruft, und
dann emphalisch ausruft: ganz nach den Grundsätzen des ewigen
Bundes vom Jahre 1323! — Wie stünde es aber mit seiner
ganzen Darstellung, wenn es jemand gelänge, — freilich mit
unzarter Hand — die Grundlage und Stütze derselben, den
Bundesbrief vom Jahre 1323 ihm wegzuziehen und um ein
ganzes Jahrhundert später anzusetzen ?
Am bequemsten macht sich die Sache Franz Adam, Graf
von Brandis in seinem Tiroler Ehrenkränzel, indem er angibt,
die Setzung eines Zolles im Kunterswege und andere vermeinte
Beschwerden hätten i. J. 1323 die Stände, zwar nicht gegen
den Landesfürsten, sondern nur gegen seine geldgierigen Rath-
geber in ein enges Bündniss getrieben, — welches er jedoch
gnädigst ohne Blutvergiessen erlöschen lässt! —
Auch der ungenannte Verfasser einer sonst gut geschriebe-
nen Biographie des K. ‘Heinrich im National-Kalender vom
Jahre 1825 nimmt das’ Jahr 1323 als das Geburtsjahr dieses
Bundesbriefes an, führt obige Worte Hormairs buchstäblich an
und setzt am Ende noch die Bemerkung hinzu: »In diesem
Bundesakt liegt der Ursprung der tirolisch-ständischen Ver-
fassung, aber auch ein unrühmliches Denkmal von dem kühnen
Streben der tirolischen Herren, Meinhard’s mühsam errungene
Gewalt zu brechen.“
Unserer Meinung nach die richtigste Ansicht von diesem
famösen Bundesbrief gibt Herr Kink, der in seinen schon er-
wähnten akademischen Vorlesungen S. 410 folgendermassen
-
— 193 —
darüber sich ausspricht, dass entweder der obgenamnte Freiheits-
brief ganz auf einer Mystification beruhe, oder dass ihm eine
andere Jahrzahl gebühre, vielleicht jene von 1423, wo zum
erstenmale die Stände des Landes in feierlicher Versammlung
über ihre Stellung zum Landesfürsten sich aussprachen.
Somit haben wir die Ansichten der vorzüglichsten unserer
vaterländischen Geschichtsforscher, die sich mit dem fraglichen
Bundesbriefe und dessen Datum befassten, angeführt und schreiten
nun zur eigenen Untersuchung. — Es dürfte zwar Manchem
ungeziemend scheinen, dass ein obscurer Seribler sich wage,
in der Geschichte so bewanderten Männern entgegen zu treten;
allein bei aller unserer Achtung gegen selbe halten wir fest an
dem Grundsatze des Weisen: amieus Socrates, amicus Plato ;
sed magis amica veritas! — und stellen die Behauptung auf:
Der fragliche Bundesbrief passt weder dem Inhalte noch der
Form nach auf das Jahr 1323; — ist aber desswegen noch
nicht eine Mystification oder apocriph, wie Herr Kink meint,
sondern existirte wirklich, — gehört aber dem Jahre 1423 an.
Es scheint fast unbegreiflich, wie sonst tüchtige Forscher
unserer vaterländischen Geschichte durch einzelne fehlerhafte
Abschriften dieses Bundesbriefes mit verfälschtem oder mangel-
haftem Datum irre geführt, denselben auf das Jahr 1323 an-
setzen konnten, da doch der Styl und die Schreibart, so wie
- nicht minder der Inhalt einer solehen Annahme geradezu wider-
sprechen, und letzterer mit Tirols Verhältnissen während der
Regierung des K. Heinrich zusammen gehalten den Bundes-
brief als einen wahren Anachronismus hinstellen muss, und
daher bei Manchen Zweifel erregte, so dass sie ihn für apocriph
erklären zu müssen glaubten.
Wer, der nur ein wenig mit Urkunden der verschiedenen
- Jahrhunderte nähere Bekanntschaft gemacht, erkennt nicht in
diesem Briefe die Denk- und Schreibart der Regierungsperiode
- Friedrich’s mit der leeren Tasche? — Gehen wir nun auf den
_ Inhalt desselben über, wie passt doch dieser auf die Regierungs-
periode des K. Heinrich? Es werden da schon die vier Stände
—_ 141 —
Tirols deutlich . unterschieden, wie reimt sich nun dieses auf
das erste Viertheil des 14. Jahrhundert, wo es noch keine
Stände der tirolischen Landschaft gab, *) wo nur der Adel das
grosse Wort führte und nur hie und da ein Geistlicher zu Rathe
gezogen wurde; und die Herrn von der Pfauenfeder, die damals
noch von ihren Trutzburgen nur mit scheelen Augen auf die
emporblühenden Städte herabschauten und den Bauernstand nur
als vile pecus betrachteten, sollten sich nun auf einmal, wie
durch ein Wunder umgewandelt, — und zwar ohne eigentliche
Veranlassung — zu einem innigen Bunde mit den verhassten
Städtern und verachteten Bauern verstanden haben? — Diese
Ansicht kann sich nur in einer Phantasie festsetzen, in welcher,
— wie in der so vieler früheren tirolischen Chronisten immer-
fort das Phantom einer seit vielen Jahrhunderten schon bestan-
denen „ehrsamen tirolischen Landschaft“ herumrumort ! — Obiger
Bundesbrief kann also nur in das Zeitalter des Herzogs Fried-
rich passen, wo durch das Zuthun Friedrichs selbsten der
Bürger- und Bauernstand bereits mit Adel und Geistlichkeit
zur Berathung und Schlichtung der Landesangelegenheiten her-
beigezogen, und der Adel von Herzog Friedrich bereits mit
Hilfe der zwei erstern Stände überflügelt sich gezwungen sah,
aus Politik es zu versuchen, die bereits zum Bewusstsein ihres
Gewichtes erwachten Städter und Bauern durch den Vorwand,
die Landesfreiheiten zu reiten, an sich zu ziehen und so ver-
stärkt durch sie den letzten verzweifelten Versuch zu wagen,
ihre sogenannten alt hergebrachten Rechte und guten ‚alten
Gewohnheiten, oder — deutsch zu reden — ihre arrogirten
Vorrechte mit deren Hilfe zu retten.
Wir sagten oben: Wie sollte der Adel ohne eigentliche
*) Es möchte uns fast bedünken, die Verehrer des hohen Allers
der tirolischen Stände gehen immerfort in einem Circulus vitiosus
herum: im Bundesbriefe vom Jahre 1323 kommen. deutlich die vier
tirolischen Stände vor, also gab es damals schon Landstände, und
weil es damals schon solche gab, so passt der Bundesbrief ganz gut
auf das Jahr 1323,
— 125 —
Veranlassung zur Zeit des K. Heinrich zu einem solchen Bünd-
nisse mit den Städten und Bauern sich haben entschliessen
können? Oder welche wichtige Veranlassung zur Schliessung
eines solchen Bündnisses, das offenbar gegen einen energischen,
tief eingreifenden Fürsten gerichtet war, lag wohl unter der
25jährigen Alleinregierung des harmlosen, gutmüthigen ja
schwachen Heinrich’s vor? welche Vergewaltigungen an den
Rechten einzelner Körperschaften oder des ganzen Landes er-
laubte sich denn der. gutmüthige Heinrich, der immer mehr
zum Geben als zum Nehmen bereit war, und dem der fast gleich-
zeitig lebende Dichter Suchenwirt nachrühmt:
„Der gab mit gebenden handen
Daz man in mannigen landen
Sagt mär (Wunder erzählt) von seiner milde.*
und weiter unten:
Der hat der priefe guten rat,
Sein hertze was mit rainer tat
Insiegel vnd hantfeste.
welche Gründe lagen unter einem so milden Fürsten wohl vor,
dass im Bundesbriefe der grelle Ausdruck gerechtfertigt wäre,
„sich nicht verrer dringen zu lassen“? — Welchen Grund hatte
zur Zeit K. Heinrichs der stolze Adel sich herabzulassen , mit
den. ihm verhassten Städtern und den verachteten Bauern zu
verbinden gegen K. Heinrich, der ja ohnehin schon ganz in
seinen Händen war und sich fast willenlos wie eine Drahtpuppe
von ihm leiten liess ?
Ferner wird in diesem Briefe ausdrücklich von Freiheiten
hergebracht auch von der Herrschaft des Hauses Oesterreich
gesprochen; was — muss man da fragen, — hatten denn die
Herzoge von Oesterreich vor dem Jahre 1323 mit. der Graf-
schaft Tirol zu ihun, und welche Freiheiten konnten sie Leuten
gewähren, welche Unterthanen eines fremden. Fürsten waren,
und ihnen erst im Jahre 1363 unterthan wurden ?
Zudem schwören die Bündner darin: zu beleiben bei den
Freiheiten, Gnaden, Rechten, welche sie und ihre Vordern von
— 16 —
Kaisern, Königen, Herzogen und Herzoginen, Markgrafen und
Markgräfinen, Grafen und Gräfinen der Grafschaft und Herrschaft
des löblichen Hauses zu Tirol und Oesterreich hergebracht
haben. — Nun möchten wir die Vertheidiger der Ansicht, der
Bundesbrief sei im Jahre 1323 entstanden, ersuchen, jene Frei-
heits-, Gnaden- und Rechtsbriefe, welche von den obgenanntan
Fürsten vor dem Jahre 1323 dem ganzen Lande ertheilt wor-
den, uns gütigst bekannt zu machen. Selbst Jacob Andre
Fr. von Brandis, der doch alles hierauf Bezügliche in seiner
Geschichte der Landeshauptleute fleissig gesammelt hat, weiss
bis auf Ludwig den Brandenburger keinen einzigen aufzuführen,
ebensowenig andere tirolische Chronisten und Geschichtschreiber
und auch wir fanden nie dergleichen weder von den ursprüng-
lichen Grafen von Tirol noch von den beiden Meinharden, noch
von des zweiten Meinhard’s dreien Söhnen Otto, Ludwig und
Heinrich ; ausser man wollte etwa die einzelnen Personen oder
Corporationen verliehenen Privilegien darunter verstehen; diese
sind aber hier offenbar nicht gemeint, und selbst diese wurden
von K. Heinrich nie angetastet.
Endlich wird sich in demselben Briefe auf Freiheiten von
Markgrafen und Markgräfinen der Herrschaft zu Tirol gegeben
berufen; die Geschichte aber kennt keinen über Tirol herrschen-
den Markgrafen und Markgräfin, als den bairischen Herzog
Ludwig, Markgrafen von Brandenburg und dessen Gemahlin, die
tirolische Gräfin Margret; diese aber regierten unsers Wissens
wohl doch erst nach dem Jahre 1323.
Schliesslich erinnern wir nur noch daran, wie Hr. Kink ganz
richtig bemerkt, dass weder vor noch nach dem Jahre 1323
irgend ein Ereigniss auch nur leise hindeutet auf eine so wich-
tige Begebenheit, als doch die Vereinigung des Adels, der
Geistlichkeit, der Städte und der Gemeinden gewesen sein
müsste, und es ist kaum glaublich, dass eine solche Vereini-
gung, wenn sie schon im Jahre 1323 stattgefunden hätte,
wieder so ganz spurlos und ohne weitere Folgen eingeschlafen
wäre, um erst ein Jahrhundert später durch die ausserordent-
— 111 —
lichen Ereignisse der darauf folgenden Zeit wieder hervorgerufen
zu werden.
Wenn Beda Weber in seinem oben angeführten Werke
behauptet, der fragliche Bundesbrief mit dem Datum 1323 am
Sonntag nach Margareta Virginis finde sich im Archive der
Landschaft, so ist diess eine seiner vielen Behauptungen, die
wohl :von der Erzeugnisskraft seiner Phantasie, aber nicht von
seiner historischen Treue Zeugniss geben. — In besagtem
Archive befindet sich und befand sich nach dem Zeugnisse
des damaligen Archivars ‚Franz Gassler, der amtlich hierüber
Bericht zu erstatten aufgefordert worden, im Jahre 1791 nur
eine Abschrift davon, worin aber die Jahrzahl nur mit Anno
Domini &c. XXiij am Sonntag nach Margreta Virginis vorkömmt,
das Jahrhundert aber nur durch &c. bezeichnet ist; und eben
‘dieser in so manchen andern Abschriften dieses Bundesbriefes
in andern Archiven vorkommende Umstand mag Einige, die aus
missverstandener Vaterlandsliebe der ehrsamen tirolischen Land-
schaft ein recht hohes Alter zu geben wünschten, veranlasst
haben, ganz willkürlich das Jahr 1323 anzusetzen. Uns aber
gibt gerade dieser Umstand eine neue Waffe gegen die Ver-
‚theidiger dieses Datums in die Hand, denn jeder Kenner tiroli-
scher Urkunden aus dem 14., 15. und 16. Jahrhundert findet
eben in dieser Art der Datirung einen neuen Beweis, dass der
Brief nicht dem 14., wohl aber dem 15. Jahrhunderte zuzu-
- schreiben sei, da in den Urkunden zur Zeit des K. Heinrich
das Jahrhundert nie bloss mit &c. angezeigt und nur die
mindere Jahrzahl namentlich angeführt wurde, wohl aber dieser
Brauch zur Zeit des Herzogs Friedrich und noch mehr in den
folgenden Zeiten häufig vorkömmt.
"Wir glauben hiemit hinlänglich den negativen Beweis, dass
der fragliche Bundesbrief unmöglich dem Jahre 1323 zugewie-
sen werden dürfe und somit auch die daraus gefolgerte Existenz
der tirolischen Landschaft zur Zeit K. Heinrich’s gleich jener
Traum-Bildsäule des Nabuchodonosor auf tönernen Füssen stehe,
2 geliefert zu haben, und gehen nun zu dem positiven
— 18 —
Beweise über, dass derselbe desswegen nicht apocriph.sei, sondern
wirklich existirte, aber im Jahre 1423 verfasst wurde, und
bemerken zugleich hier vorläufig, dass erst durch diesen Bundes-
brief vom Jahre 1423 so manche landesgeschichtliche Begeben-
heit in der zweiten Hälfte des Jahres 1423 mehr Licht so
wie die Landtagsverhandlungen zu Brixen und gegen Ende
November. 1423 zu Meran, wie nicht minder die in deren Folge
gegebene Unterwerfungsacte der verschworenen Bündner des
Adels und die Begnadigungsacte von Herzog Friedrich, beide
an Meran am Freitag vor Thomas Ap. 1423 gegeben ihre volle
Aufklärung erhalten.
Im k.k, Statthalterei-Archive befinden sich mehrere Bände
mit dem Titel: Libri Fragmentorum bezeichnet und unter
diesen ein Band gleichzeitiger Abschriften von interessanten
Urkunden aus der Regierungsperiode des Herzogs Friedrich
und unter denselben auch der fragliche Bundesbrief mit dem
ausdrücklichen Datum i. J. 1423 am Suntag nach Margarete
Virginis. Er lautet buchstäblich also:
„Wir Herren Ritter vnd Knecht, Stett vnd Merkht, Gericht
vnd Teller der Grafschaft ze Tirol vnd der Lantschaft an der
Eisch vnd in dem Intal vnd der drey Bistumb ze Triendt, ze
Kur vnd ze Brichsen die den gegenwurligen brief mit Iren
aignen anhangenden Insiglen besigelt haben oder noch ver-
siglen wurden, oder die sich vnter ander von fleissiger bet
wegen verpunden haben in dem oder andern briefen die auf den
brief lauten, oder die Ir brief mit Iren aignen anhangenden
InsigIn nach dem brief geben oder darauf geben wurden dabei
zu beleiben, was der gegenwurttig brief Innhat vnd darinn ge-
schriben stet, die auch mitsambt den die den Brief versigelt
haben der hernachgeschriben verpuntnuss geniessen vnd dabey
beleiben wellen In aller der mass, als hernach geschrieben
steil. Bekennen wir vnd veriehen offnlich mit dem brief, für
vns vnd all voser erben, daz wir hinfür ewiklich vns vol-
komenlich und genzlich vnd für vnser erben zuainander verpin-
den vnd verpunden haben geloben und versprochen haben mit
— 29 —
vnserm Ayd, den wir zuainander leiblich gesworn haben zu
got vnd den Heiligen in dem gegenwurtigen brief zebeleiben
bestan vnd nicht verrer dringen ze lassen mit leib vnd mit
gut vnd mit allem dem das wir kunnen oder vermögen getrew-
lich an alles geuerd aufsacz aufszug fürwart vnd hinderlist
wider meniclich niemand darinn ausgenomen noch hindan geseezt,
der dawider tet oder tun wolte als hernach geschrieben stet
Nemlich pey allen den freyhaiten gnaden Rechten vnd alten
gewonhaiten So wir vnd unser vordern haben vnd herbracht
haben von kaysern künigen Herezogen vnd Herezoginen Marg-
grauen vnd Marggräuinen Grauen vnd Gräuinen der Grafschaft
vnd Herschaft des löblichen Hauss ze Tirol vnd Osterreich in
dem land an der Etsch in dem Intal vnd den genannten dreyen
Bistumben ze Trient ze Chur vnd ze Brichsen alwegen vnd
alezeit nach ausweisung vnsrer Recht vnd brief die wir darüber
von In haben vnd alter gewohnheit, die wir pey In herbracht
vnd gehabt haben vnd die Sy vns mit Iren brieuen bestett
haben vnd haben also "die gegenwurttige verpüntnuss zuainander
gelobt und gemacht bey vnsern eren vnd wirden vnd dem ob-
geschriben ayde mit solchen fürgedingten bestimbten worten
verpintung vnd aynung ob das were, daz vns oder vnser erben
yemand, in den obgeschriebnen freiheiten gnaden Rechten vnd
alten gewonheiten kainerlei Inuell Hindrung beschwernuss Inbruch,
abprechung oder erstörung let tun wurd, oder tun wolt Vnd
wan wir das ze wissen bracht vnd angerufft haben an die
- egenante vnser gnedige Herschaft der Grafschaft ze Tirol vnd
_ an der Etsch vnd Sy vns das nicht wendet oder wenden will
damit wir bey den vorgenanten freiheiten Rechten gnaden vnd
j alten gewonheiten beleiben, daz wir dann alle vorgeschribnen
darumb mit leib vnd mit gut getrewlichen an alls verziehen vnd
fürwort (fürwart) bey ainander beleiben sullen vnd vns selber
ainander das helfen wenden Retten vnd vnderkommen damit
wir bleiben vod nicht gedrungen werden bey den fürgeschribnen
freiheiten gnaden Rechten vnd alten gewonheiten nach ausweisung
allezeit vnsrer brief vnd alten gewonheiten, und ob das were,
9
— 130 —
daz yemand ainen oder mer vnser den vorgeschribnen kainer-
lay Irrung oder Inuell als vor geschriben stet, besunderlich tet
oder ihun wolte, daz wir dan all obgeschriben bei denselben
oder demselben mit leib vnd mit gut beistendig vnd helfen
sullen als ob es vns gemainklich all antreff, damit er oder die-
selben pey den gnaden freiheiten Rechten vnd Alten gewonheiten
beleiben als vorgeschrieben stet. Aber mit solchen sunderwaren
gedingten verpuntten worten, ob vnier vns vorgeschriebnen
ainer oder mer für dew vnd er gemandt vnd angerufft wirdt,
von vns gar oder ain tail zehelfen vnd zewenden, wer dawider-
tet als vorgeschriben stei oder an der gegenwurttigen ver-
puntnuss brüchig wurde vnd das vnuerzogenlich nicht hülfen
reiten oder schirmen, mit leib vnd mit gut in vorgeschribner
mass an alls geuerd, daz derselb oder dieselbigen maynig
(meineidige) verworffne erlose vnd zenichte leut sein sullen vor
geistlichen vnd weltlichen Rechten vnd an allen den Steiten,
wa der Brief fürkumbt gezaigt oder gelesen wurd vnd sullen
auch der obgenanten freiheiteu gnaden Rechten vnd gewonheiten
fürbass beraubt vnd Ir abgesnitten sein vnd der nichtz mer ge-
niessen weder Sy noch Ir erben, vnd sol vnd mag Sy darin
kainerlay fürwort aufsacz hinderlist noch aufsszug helfen. Auch
sullen wir darumb vor allen Gerichten und Rechten Gaistlichen
und weltlichen alweg gen In das also erlangt vnd behebt haben
wie yecz vorgeschriben stet, wo der brief fürkompt, gelesen
oder verhort würd vnd in solcher mass, daz wir dann vnd
vnser Erben Irem Leib leib vnd gut vnd Iren erben vnser scheden
suchen sullen vnd mügen nach allen vnsern wolgeuallen vnd
allwegen vnsern slechten ainualtigen worten darumb ze glaubn
an aide vnd an beweisung mit ausgenomen fürgesatztem geding,
daz wir all obgeschriben maynen vnd wellen getrewlich vnd
vnderteniklich gehorsam ze sein vnserer egenanten Herschaft
der Grafschaft ze Tyrol vnd an der Etsch vnd alles das ze
tun vnd ze dienen das wir Ir als vnsrer rechten Herschaft vnd
Lantfürsten schuldig vnd gepunden sein allzeit nach vnserer _
obgenanten freyheiten Rechten gnaden gewonheiten vnd brief
— 131 —
laut vnd sag vnd all die zeit vnd weil vnd was die von der-
selben genanten vnserer gnedigen Herschaft vnd lantsfürsten
gehalten wurd nach vnserer brief Recht gnaden freyhaiten vnd
gewonheiten laut vnd sag. Der brief ist geben in der Jartzal
do man zalt nach kristes gepurd vierczehunder Jar vnd in dem
drey vnd zwainzigisten Jar an Suntag nach Margarete virginis.
Somit ist dieser Bundesbrief nicht eine blosse Mystification,
wie Hr. Kink vermuthet; würde er nicht existirt haben, so
würden einen solchen — offenbar gegen ihn und seine Hand-
lungsweise gerichten Brief — gewiss weder Herzog Friedrich
noch auch seine Amtleute erfunden und einregistrirt haben. —
Einen wichtigen Aufschluss über die wirkliche Existenz dieses
Bundesbriefes gewährt uns ein — unsers Wissens noch nie
veröffentlichtes — in derselben Sammlung enthaltenes Schreiben
der Bündner an den Bürgermeister und Rath von Hall folgen-
den Inhalts:
Vnsern willigen dienst sunderlieben Wir lassen ew wissen,
das an vns gelangt ist, wie an ew gekommen sey, daz wir
ain punttnuss gemacht haben, darin man vns grossen vngelim-
phen geit, darauf lassen wir ew wissen, daz wir ain puntinuss
gemacht haben nach dem ansagen, als vns dann vnser gnediger
Her getan hat vnd auch daz die gantz lantschaft angesagt hat
an Meran dabei ze beleiben. Also schickhn wir ew desselben
vnsers punttbriefs ain abgeschrift darinn Ir wol versteen werdet,
was wir vns verpunden haben, wan wir das durch ewr und
vnsern willen getan haben vnd durch des gantzen lands willen,
damit Ir vnd auch wir von vnsern Lantbriefen freyheiten vnd
alten gewonhaiten nicht gedrungen werden, Also haben wir
gebeten, den Edeln und vesten Ritter Hrn Micheln von wolkhen-
stain, daz er sein petschad durch vnser aller pet willen auf
dysen prief gedrukht hat Geben zu Trosiperg an Eritag nach
Galli Anno &e. XXiij.
Von vns allen den dy in der püntnuss sind.
Den erbern vnd weisen, dem Burgermaister vnd dem Rat
ze Hall vnsern guten frewnden.
9*
— 12 —
Aus diesem interessanten Briefchen geht einmal hervor, wo
der eigentliche Sitz der Bündner war, nämlich die wolken-
steinische Hauptveste Trostburg; wer aber die adeligen Haupt-
bündner waren, erhellet aus der Begnadigungsacte des Herzogs
Friedrich und sind sammt derselben nachzulesen in I. A. von
Brandis Geschichte der Landeshauptleute S. 199. Die Haupt-
anstifter aber davon waren die Gebrüder Ulrich und Wilhelm
von Starkenberg, welche auch allein, wegen ihrer fortgesetzten
Widerspänstigkeit von der Begnadigung ausgenommen wurden.
Für's zweite geht aus demselben deutlich hervor „ dass die
Städte zögerten, dem Bunde beizutreten, die Stadt Hall wenig-
stens war noch Mitte Octobers nicht beigetreten und so mag
es wohl auch mit den andern Städten und Gemeinden der Fall
gewesen sein, wenigstens weisst keine Urkunde darauf hin. Ebenso
wenig mögen die eingeladenen Bischöfe demselben beigetreten
sein, denn auf den erledigten Stuhl von Trient war zwar
Alexander, Herzog von Massovien erwählt worden, erhielt aber
erst am 20. October 1423 die päpstliche Bestättigung und nahm
erst am 27. Juli 1424 Besitz von Trient ; der klugeBischof Bertold
von Brixen aber liess sich ebenfalls nicht ein, denn wie hälte er
sonst den Vermittler spielen und auf dem Landtage zu Meran
im November 1423 im Namen der Landschaft den Bund als
ungesetzmässig verdammen können? So standen also die
adelichen Bundner allein, niemand war ihrer Einladung, den
Bundesbrief zu siegeln, gefolgt. — Und dennoch halte der Bund
die traurigsten Folgen; allenthalben im Lande erhob sich ein
wüthender Kampf zwischen den Bündnern und Friedrichs Söld-
nern ; nach dem eigenen Geständnisse der Bündner in ihrer
Unterwerfungsacle, wurde gebrannt, gemordet und geplündert
in Friedrichs Feldlager vor Greifenstein, auf dem Nons und im
Vinschgaue, so wie im Innthale und anderwerts. Da trat der
Bischof von Brixen an der Spitze einiger Abgeordneten der
Landschaft vermittelnd vor den Herzog, der in Folge dessen
einen Landtag nach Brixen berief, welcher aber wohl von
Bürgern und Landleuten zahlreich besucht war, jedoch vom
=
— 13 —
Adel erschienen wenige, von den Bündnern keiner. Auf Bitte
der Landschaft setzte der Herzog einen neuen Landtag nach
Meran gegen Ende November 1423 an.
Bei diesen Landtagsverhandlungen zu Meran am 30. Novem-
ber 1423 klagt der Herzog ausdrücklich: Das grösste Gebrechen,
welches dermal ihm und dem Lande anliege, sei, dass in der
Zwischenzeit, seit er und die Landschaft einander ihre Freiheiten
und Gebrechen angesagt; (das heisst also seit dem Mittwoche
in den Pfingstfeiertagen dieses Jahres zu Meran, (vide Kl. Gr,
v. Brandis Gesch, Friedrichs Urk. 122) etlich im Lande ain
Puntnuss gemacht haben an (ohne) seiner und der Lantschaft
willen und wissen, davon Im und den seinen und gemainem
land grosser geprech auferstanden wär, und noch hinfür grossrer
schad und geprech davon möcht kommen, und pat Im den
geprechen zu wenden, u. s. w. Hier ist nun deutlich auf den
am Suntag nach Margreta 1423 gemachten Bund hingewiesen.
— In Folge dieser Beschwerde des Herzogs erklärten die beim
Landtage Anwesenden nach längerer Berathung vermittelst des
Bischofs von Brixen: „Sidmalen der Punt an willen vnd wissen
des Landsfürsten, in solchem getrauen vnd ansagen, So Sy
ainander getan heiten, gemacht wär, daz es ain geprech wär
wider geschriben vnd gesatzte Recht, und soll auch der pund
ab sein vnd kain Kraft mer haben vnd solt der Pundt-
brief herausgeantwurtt werden, vnd nyemand nichtz
mehr binden, doch ze behalten des ansagens, So vnser Herr
- von Oesterreich der Landschaft ymb Ir Freiheit ynd Sy Im hin-
wider getan haben, vnd auch Irs Freibriefs, daz er In den
bestälten vnd ain tail den andern darumb bestätten sol« u. s. w.
Diesem Spruche zufolge musste also der Bundesbrief dem
- Herzoge ausgeliefert werden, konnte demnach nicht nach Beda
Webers Angabe je im Archive der Landschaft sich vorfinden ;
auch im Statthalterei-Archive findet sich das Original nicht
mehr; vielleicht musste es wie so viele andere interessante
tirolische Urkunden nach Wien wandern.
— 14 —
So von der eigenen Landschaft verlassen und verurtheilt
bequemten sich endlich die adelichen Bündner zur Aufgebung
ihres Bundes und zur Unterwerfung unter Herzog Friedrich am
Freitag vor Thomas Apostellage 1423 vermittelst folgender
Urkunde: „Wir, die nachgeschriben vogt Vlreich von Mätsch
Graf ze kirchperg der eltist. Vogt Vlreich von Mätsch Graf
ze kirchperg der Jüngist. Vinciguerra von Arckh, Pareys von
Lodron. Michel von wolkenstain von Trosperg, Bartholome von
Gufedawn Heinrich von Slandersperg Chunrat von Slandersperg.
Hans vnd Jörg gebrüder von Spawr. Ekhart von Vilanders.
wolfart Fuchs. Hans von Annenberg. Hans von Empts. Peter |
Liebenberger, lienhart von wolkhenstain. Jacob. Sigmund vnd #
vietor von Trautsun. Parczifal von weinegg, Leo vnd Burkhart
gebrüder von Prandes. Hans Zwingenstainer. vlreich Veigen-
steiner. Alphard Goldegger. Balthasar Schekk und Jacomell
von Cumigell. Bekennen und tün kunt für ‘vns vnd all vnser
erben. Alz wir ein Puntnuss zu ainander gemacht haben. vnd
vmb die selbe geschicht, die dem durchleuchtigen Hochgebornen
fürsten Herczog fridreich Herezogen zu Oesterreich &e. vnserem
gnädigen Herren und den seinen von vns vnd den vnsern be-
schehen ist an seinem veld vor Greyffenstain. Auf Nons vnd
In dem vinschgäw. In dem Intal oder das beschehen ist, Ez
sey mit prannt, mit angriffen. oder wie sich das Seyder der
Puntnuss. mit worten oder mit werchen gefügt, gehandelt oder
verlauffen hat, nichts aussgenommen noch hindann geseczt,
an dem egenanten vnserm gnädigen Herren oder den seinen, .
des sich derselb vnser gnädiger Herr. durch bett willeu seiner
Rätte. und der ganzen Lanntschafft; Edler vnd vnedler hat be-
geben. Also geloben und verhaisssn wir, für vns vnd all vnser
erben und alle die vnsern. die von vnsern wegen In der ege-
nannten Sach verdacht oder verwant sein. Das die Sach gegen
den egenannten vnserem gnädigen Herren. seinen erben. dyenern
vnd vndertanen. Vnd gegen allen den die von seinen wegen,
an den egenannten puntnuss oder zugriff verdacht oder ver-
want sein, gantz gericht vnd geschlicht sey. Die in argem nicht
— 15 —
zu euern noch suchen In dhain weys. Sunder das seiner gnaden
ab ze dyenen mit ganczen trewen. Als- wir Im das nach laut
vnser freybrief, vnd von ayd wegen schuldig sein getrewlich
ynd an alles geuerde. vnd ob wir oder die vnsern vns von der
egenannten Puntnuss Stözz oder geschichtwegen Ichts vnderuan-
gen oder vnderzogen hieten nach der Puntnuss. Es sein vesten
Pfandschafft, zünss geltschuld, vrbar. lehen. lewt oder gut, des
entslahen wir uns genczlich. vnd süllen vnd wellen die. die von
der Puntnuss vnd zugriff wegen entwert sind. bey Irer gewer
vnd Rechten beleiben lassen. Ausgenomen ob vom viech oder
ander varender hab. auf dem veld. yemand Ichts genomen sey.
Das ist man nicht schuldig ze widerkeren. Vnd daz all
geuangen. vnd schatzung, die sich von der egenanten zugriff
vnd Puntnuss wegen verlaufen hat, und noch vor hannden sey.
mit sampt den Bürgen beyder seit. ledig vnd ab seyn. auch
on geuerde. vnd geloben also alles das vorgeschriben stet, vest
'vnd stöt ze halten bey guten trewen vngeuarlich. Doch in all
weg aussgenommen vnd hindan geseszt vlreichen vnd wilhalmen
von Starkhenberg , diu in dieser tayding und Richtung nicht
sind begriffen. ‘Vnd dez zu vıkund Geben wir disen brief, mit
voser aller anhangenden Insigeln besigelten. Geben an Meran
am freitag vor Sand thomastag, des hailigen zwelfboten. Nach
Christs gepurd viertzehenhundert und dem drei vnd zwainezigisten
Jarn.* (archiv Goldegg.)
Am nämlichen Tage gab ihnen Herzog Friedrich einen
in ähnlichen Ausdrücken lautenden Begnadigungsbrief, und so
endete nach kurzer aber verderbenbringender Dauer dieser letzte
Adelsbund gegen Friedrich ; uns bleibt es unbegreiflich , wie Frei-
herr von Hormair in seiner schon erwähnten lateinischen Anmerkung
’ zu obigem Bundesbriefe, den er auf das Jahr 1323 ansetzt,
sagen konnte: dieser Bund sei durch das — von Kaiser Max-
milian gegebene — sogenannte 1511jährige Landlibell erst
aufgehoben worden !
Wir glauben hiemit die uns vorgesteckte Aufgabe gelöst
und hinlänglich dargethan zu haben: dass der fragliche Bundes-
— 16 —
brief wirklich existirte, aber nicht auf das Jahr 1323, sondern
1423 anzeizen sei. — Allerdings sehen wir es ein, dass dadurch
ein Lieblingstraum so mancher unserer Landsleute, die so gerne
schon im Beginne des vierzehnten Jahrhunderts die sogenannten
vier Landstände Tirols als wirklich schon bestehend und in
diesem Bundesbriefe auftreiend erblicken möchten, mit un-
sanfter Hand zerstört wird; allein wir halten dafür, dass in
allen Dingen und so auch in der Geschichte- am Ende dem
allgemeinen Besten mit einer — wenn auch noch so bittern
Wahrheit mehr gedient ist, als mit dem süsesten, aber irre-
führenden Wahn!
Biwas über die ursprünglichen Grafen von Tirol.
Vo P. Justinian Ladurner.
Der talentvolle und verdiente Verfasser der academischen
Vorlesungen über die Geschichte Tirols. Hr. Rudolf Kink
schreibt S. 199 von den ursprünglichen Grafen Tirols im All-
gemeinen sprechend: „Die Tiroler (Grafen) allein von allen
Geschlechtern in Deutschland haben selten Kirchengut geraubt,
nie ein Kloster geplündert, sind nie in kirchlichen Bann gefallen.
Es ist daher charakteristisch für sie, dass andererseits weder
die Stiftung eines Klosters noch überhaupt Schenkungen an die
Kirchen von ihnen bekannt sind, obgleich sie sehr reich an Geld
und Gütern waren“ u. s. w.
Fragt sich nun der Forscher, ob es mit dieser so hinge-
worfenen Behauptung seine volle Richtigkeit habe, so muss er
die noch vorhandenen Urkunden zur Hand nehmend diess geradezu
— 137 —
verneinen. Haben die alten Grafen von Tirol wirklich nie Etwas
an Kirchen verschenkt, nie ein Kloster gegründet? — Wir
wollen nur einige Schenkungen anführen. Um’s Jahr 1173
schenkt Graf Berchtold von Tirol dem Kloster Pollingen zwei
Weingüter, einen gutbebauten Hof und zwei Jauch Acker in
Obermais und dazu noch einen Garten. Monumenta boica, 10. B.
— Graf Heinrich von Tirol vergabt im Jahre 1181 für sein
„und seines Bruders Berchtold Seelenheil dem Kloster Wessen-
brunn ein Weingut zu Riffian und ein anderes auf Tirol. Mon.
boie. 7. B. — Und dass sie dabei auch die einheimischen
Kirchen nicht vergassen, dafür zeugt, dass Graf Albert von
Tirol dem Stifte Brixen ums Jahr 1214 das Schloss Sumers-
berg und alle Landgüter,. die er um jenes Schloss herum und
sonst im Bischthume Brixen unterhalb Brixen besass, so wie mehrere
seiner Dienstleute vergabte. Sinnacher 4, B. — Auf seinem
Kreuzzuge in’s hl. Land schenkte derselbe Graf Albert von
Tirol im Jahre 1218 zu Damiate dem deutschen Orden zwei
Viehalpen in Runschile (mihi), und i. J. 1228 führte der
nämliche Graf Albert die auf seinem Kreuzzuge liebgewonnenen
Hospitaliter vom hl. Johannes in das von ihm gestiftete Hospital
zum hl. Medard bei Latsch ein, Eichhorn Episcop. Curiensis.
— Am 29. November 1233 erlässt Graf Albert von Tirol dem
Kloster Steingaden die Leistung einer gewissen Quantität Wein,
welche bisher sein Burggraf aus dem dem Kloster gehörigen
Hofe Dorne jährlich zu fordern hatte und schenkt überdiess noch
demselben Kloster seinen hörigen Mann Egeno sammt_ allen
Rechten. Mon. boic. 6. B. — Im Jahre 1236 schenkt derselbe
Graf Albert dem Kloster Neustift jährliche 12 Fuder Salz aus
seiner Saline in Thaur. Hormair, ‚Gesch. v. Tirol. 2. B.; und
‚als das Spital zu Sterzing durch den edlen Mann Hugo von
Taufers. und dessen Gemahlin, die Gräfin Alhaid am 9. Juni 1241
gestiftet wurde, schenkt auch Albert Graf zu Tirol dazu sein
Gut Aichach auf Tirol (mihi), und noch in seinem Testamente
i. J. 1253 gedachte er dieser frommen Stiftung, indem er der-
selben darin den Stutenhof zu Vilpian vermachte. (mihi. )
— 138 —
Und da wohl auch Töchter zur Familie gehören, so führen
wir bloss zwei Vergabungen von Grafen Alberts Töchter an;
am 30. September 1256 im Schlosse Ulten erlässt Alheid
Gräfin von Görz und Tirol zum Seelenheile ihres Vaters Albert
dem Kloster Chiemsee das Fuder Wein, welches dasselbe bisher
jährlich aus seinem Weingute bei St. Georgen in Obermais den
Grafen von Tirol gezinst. Mon. boie, 2. B. — Und welchem
Forscher der vaterländischen Geschichte ist es unbekannt, dass
das Kloster Steinach bei Meran i, J. 1241 von Alhaid und
Elsbet, den Töchtern Alberts Grafen von Tirol noch bei
Lebzeiten ihres Vaters und wohl mit seiner Zustimmung und
Beihülfe gegründet wurde; K. Heinrich von Böhmen, Graf
zu Tirol behauptet in einer Urkunde vom 25. Juli 1327 geradezu
von diesem Kloster: ‚‚et quia ipsum Monasterium a nostris
progenitoribus est fundatum.““ (mihi.) — Am 16. März 1257
schenkte obige Gräfin Alhaid dem erwähnten Kloster noch das
ihr erblich angefallene Patronatsrecht der St. Vigili-Kirche in
Mortair (Morter). (mihi.) j
Wir glauben nun hinlänglich nachgewiesen zu haben, dass
die ursprünglichen Grafen von Tirol doch auch Etwas an
Kirchen und Klöster gestiftet haben „ und gehen nun zur Be-
antwortung der Frage: „ob selbe nie in kirchlichen Bann ver-
fallen sind* über. — Darüber geben uns zwei interessante
Urkunden Aufschluss. Am 15. März 1254 (Pontificatus
nostri anno undecimo) erlässt Papst Innocenz IV. an einem
Bischof, (der Name des Bisthums ist unleserlich) so wie an den
Propst von Völkenmark ein Schreiben des Inhalts: der Bischof
von Freisingen habe ihm vorgebracht, dass — obschon der
verstorbene Graf (Albert) von Tirol wegen der der Kirche
von Freising zugefügten Schäden in der Excomu-
nication verstrickt dahin geschieden — dennoch sein
Leichnam in kirchlicher Begräbniss beigesetzt worden sei; er
trage ihnen demnach auf, dahin zu wirken, dass der Leichnam
aus diesem Begräbnisse entfernt und auserhalb eines christ-
lichen Friedhofs beigesetzt werde. — Auch sollten sie sich
a Ben TE PD
nahe
— BB —
bemühen, dessen Töchter und Erbinen, die edlen Gräfinen von
Görz und Hirschberg durch Androhung der nämlichen Ex-
comunication dahin zu vermögen, der Kirche von Freisingen
vollständigen Schadenersatz zu leisten. (Abschrift in der Bibi.
di Pauli, aus dem bairischen Reichsarchive). — Sehr wahr-
scheinlich war Graf Albert von Tirol in diese Excomunication
verfallen, weil er dem im März 1239 zu Padua vor Kaiser
Friedrich II. durch die Bischöfe von Salzburg und Passau und
den Grafen Mainhard von Görz gefällten Schiedspruche: er soll
dem Bischofe und der Kirche von Freising wegen der mannig-
faltigen ihnen zugefügten Schäden noch in demselben Jahre
3000 Mark Silber und 25 Fuder Bozner Wein als Schadenersatz
leisten, (Mon. boie. 31. B.) nicht nachgekommen war.
Da sehr wahrscheinlich auch Albert’s Töchter, ungeachtet
der angedrohten Excomunication, der Kirche von Freising
den geforderten Schadenersatz nicht leisteten, so verfielen auch
sie in die Excomunication, wenigstens ganz gewiss die Gräfin
Alhaid von Tirol; diess erhellt ganz deutlich aus der oben er-
wähnten Schenkungsurkunde des Patronatsrechts der Kirche von
Morter an das Frauenkloster in Steinach i. J. 1257; denn
darin spricht der selbe genehmigende Bischof Heinrich von Chur:
Gräfin Alhaid von Tirol und Görz habe ihm diess Patronatsrecht
zu Gunsten der Klosterfrauen in Steinach aufgesendet ‚‚propter
sententiam excomunicationis latam in eanden.““
Wir glauben hiemit Hrn. Kinks irrthümliche Angabe auch
in dieser Beziehung hinlänglich nachgewiesen zu haben; benützen
aber schliesslich diese Gelegenheit, noch einen andern geschicht-
lichen Irrthum in Hrn. Kink’s Vorlesungen S. 282 in Bezug auf
das Sterbejahr Alberts, des letzten der ursprünglichen Grafen
von Tirol, — welcher Irrthum in allen, selbst den neuesten
Druckwerken sich findet, — zu berichtigen, — „Am 22. Juli
1254 starb er (Graf Albert) ohne männliche Nachkommen.
Decimo Kal. Augusti Comes Albertus de Tyrol animosus
obiit, sagt das Missale von Ambras.* — So weit Hr. Kink;
nun nennt das Missale von Ambras wohl den Todestag, aber
— 140 —
nicht das Sterbejahr des Grafen Albert; dieses war aber nicht
das Jahr 1254, sondern das Jahr 14253. — Denn als Papsı
Innocenz IV. am 15. März 1254 obenerwähntes Schreiben er-
liess, war die Nachricht vom Tode und Begräbnisse des Grafen
Albert, und zwar auf Umwegen — über Freising -— sogar
schon nach Rom gedrungen, obschon Graf Albert nach Herrn
Kink’s und anderer Angabe erst am 22. Juli 1254 gestorben
sein soll; nun war es doch damals, wie jetzt, nicht gebräuch-
lich, dass sich Fürsten vor ihrem Tode begraben liessen! —
Zudem bestätiget am 4. September 1253 Graf Gebhard von
Hirschberg eine Bekräftigungsurkunde seines Schwiegervaters
Albert, Grafen von Tirol; gegeben in unserer Stadt Innsbruck,
Mon. boie. 7. B.; somit muss Graf Albert schon gestorben
gewesen sein, da sich seine Schwiegersöhne schon als Gebieter
seines Landes betragen. — Ebenso übergaben am 17. Septem-
ber 1253 im Schlosse Tirol Mainhard, Graf von Görz und
Gebhard, Graf von Hirschberg, Uta, Gräfin von Tirol und
deren Töchter, — als Testamentsexecutoren — dem deutschen
Orden, die demselben vom Grafen Albert schon zu Damiate
geschenkten zwei Viehalpen zu Runschile, so wie den Stuten-
hof zu Vilpian, den er ihm im Testamente vermacht hatte.
(mihi.) — Nebstdem bitten am 4. October 1253 Hr. Ulrich
von Taufers und dessen Mutter Alhaid die Grafen Mainhard von
Görz und Gebhard von Hirschberg um die Erlaubniss, das Spital
zu Sterzingen dem deutschen Orden überlassen zu dürfen, und
erhalten selbe auch von ihnen; wäre nun damals Graf Albert
noch am Leben gewesen, so hätten sie von ihm als Mitstifter
und Landesfürsten und nicht von dessen Schwiegersöhnen diese
Erlaubniss erbitten müssen. — Wir könnten zwar noch mehrere
Beweise, dass Graf Albert schon im Jahre 1353 gestorben, aus
Urkunden anführen, begnügen uns aber nur noch an jenes Schreiben
in Fontes rerum austriac. 1. B, zu erinnern, welches Papst
Innocenz IV. schon am 13. Jänner 1253 an den Propst von
Wilten richtete, worin er ihm aufträgt, die Witwe des Grafen
von Tirol seligen, Uta, welche er mit ihren Besitzungen in
— MM —
päpstlichen Schutz genommen, in seinem Namen die nächsten
drei Jahre hindurch zu schützen. — Aus dem bisher Ange-
führten erhellt demnach deutlich, dass Herr Professor Ficker
vollkommen recht hat, wenn er in seiner gediegenen Vorlesung:
„Wie Tirol an Oesterreich gekommen,“ sagt, dass das alte
Grafenhaus von Tirol im Jahre 1253 ausgestorben
Antiquarische Notiz.
Von P, Justinian Ladurner.,
Während sich ältere Geschichtforscher, wenn sie etwa um
- die Urbevölkerung unsers Tirols sich bekümmerten, ohne ernstere
Untersuchung gemeinhin als solche die Kelten bezeichneten, hat
die neuere Forschung zwei Anhaltspuncte gewählt, die seither
zu erfreulichen Resultaten zur erwünschten Lösung dieser inter-
- ressanten Frage geführt haben. — Hr. Steub, angezogen durch
Pi an)
die sonderbar klingenden Namen der Orte, Berge, Flüsse u. s. w.
glaubte in denselben die Nachklänge längst untergegangener
Völker zu finden; zuerst wandte er sich an das Keltische um
- Aufschluss darüber, fand aber da keinen Bescheid; und nun
ging er das Etruskische um Aufschluss an, und fand in dem-
selben die gewünschte Antwort. — Hand in Hand mit dieser
sprachlichen Forschung gehen die in unserm Jahrhunderte sich
immer mehrenden Funde von Alterthümern, die den längst ent-
schwundenen, einst unsere Gegenden bewohnenden, Völker-
_ stämmen, angehörten. Dahin ist zu rechnen das Gefäss von
Bronze, 1828 in Cembra gefunden, und vom gelehrten "Grafen
— 12 7° —
Giovanelli im 8. Bande der Zeitschrift des Ferdinandeums weit-
läufig besprochen; ebenso auch die merkwürdigen Alterthümer
i. J. 1844 beim alten Schlosse Sonnenburg, und die im darauf-
folgenden Jahre bei Gelegenheit des Baues der neuen Strasse
unweit Matrei gefunden, sowie eine kleine Statue von Bronze, im
Jahre 1846 zu San Zeno im Nonsberge entdeckt. Alle diese deuten,
besonders ihre etruskischen Inschriften, auf die Etrusker hin.
An diese reihen sich die seit dem Jahre 1852 zu Pfaten im
Eischthale gemachten Entdeckungen, worauf wir hier aufmerk-
sam machen wollen.
Auf der Ostseite des Mittelgebirges, welches von dem
merkwürdigen Schlosse Sigmundskron bis nach Gmund sich
erstreckt, zieht am rechten Ufer der Etsch ein sumpfiges Flach-
land hin, zu deutsch Pfaten, italienisch Vadena, lateinisch ad
Vadum genannt. Etwas unter der Mitte des Mittelgebirges
erhebt sich ein steiler Fels, auf dessen Gipfel weithin sehend
die uralte Leuchtenburg thront, während ihr gegenüber auf einem
niederern Felsen die Ruinen des Schlosses Laimburg immer mehr
dem Verfalle zueilen, zwischen beiden hat die Natur ein kleines
Thälchen gebildet, in welchem sich der grosse, der gräflichen
Familie Thunn zuständige, Hof Stadler sich befindet, von "dem
aus durch die Gebirgseinsattelung der Weg in die schöne Gegend
des Calterer-See’s führt. — Dort am Fusse des Felsens, worauf
die Ruine Laimburg steht, nordöstlich am Moose entdeckten
i, J. 1852 zufällig Arbeiter einige Urnen mit sonderbarem Inhalte ;
davon unterrichtet nahm sich die für diesen interressanten Fund
begeisterte Frau Therese, Gemahlin des nun verstorbenen Grafen
Arbogast von Thunn, mit Wärme der Sache an und veranstaltete
auf eigene Kosten unter gehöriger Leitung weitere Nachgrabungen,
die von erwünschtem Erfolge gekrönt wurden, — Beim Fort-
schreiten der Grabung zeigte sich bald auf vegetabilischer Erde
gelagert ein Streif schwärzlicher Erde in der Mächtigkeit von
2 Schuhen, auf dem wieder als Decke vegetabile Erde, Stein-
gerölle mit Gesträuch überwachsen sich lagerte; diess so wie
— 13 —
die gefundenen Gegenstände liessen bald erkennen, dass man es
mit einer uralten Begräbnisstätte zu ihun habe.
In jener schwarzen Erde fand sich nach und nach zwischen
grossen unbehauenen Steinen eine Menge von Urnen von der
verschiedensten Grösse und Form, einige nur etliche Zoll hoch,
‚während andere die Höhe von 1!/, Schuh erreichten; einige
einem abgestumpften Cilinder, andere Töpfen ähnlich, mit und
ohne Handhaben; diese ohne allen Zierrat, andere mit Zierraten
durch Linien gebildet geschmückt; alle aber aus graulich
schwarzem Thone mit weisslichen Kieselsand oder Kalksplittern
durchzogen; nur ein kleines Fragment zeigte sich von feinem
röthlichen Thon mit einer Art Email und kleinen Metallplättchen
verziert. — Den Deckel bildeten bei einigen kleinern Urnen
abgerundete Schieferplättchen, während andere besonders die
grössern von unbehauenen grössern Steinplatten, welche auf
den die Urnen umgebenden Steinen gelegt waren, bedeckt
wurden.
Der Inhalt der Urnen, von denen leider der grösste Theil
sehon zerbrochen oder eingedrückt war, bildeten verbrannte
Knochen, Asche und Geräthschaften der verschiedensten Art,
} von denen man oft den Zweck kaum errathen kann. — Selbe
- bestehen: 1. aus Handhaben von Bein bei Messern aus Eisen,
k 2. aus Messern, Häftchen, Fibeln, Stecknadeln, Nägeln und
Nadeln von Eisen, und 3. aus Messern, Fibeln, Stecknadeln,
" Kettchen, Ringen, einige davon mit Schmelz , Armringen und
- verschiedenen Zierraten aus Bronze, endlich noch einige durch-
> löcherte Kügelchen von Bein. *)
Welchem Volke nun gehörten einst diese merkwürdigen
Ueberbleibsel an? — Den Römern einmal gewiss nicht, diess
*) Einige Stücke dieser Funde wurden dem Schreiber diess
von der Frau Gräfin Therese v. Thunn gütigst überlassen und be-
finden sich gegenwärtig im Ferdinandeum zu Innsbruck, so wie auch
Abbildungen der übrigen Stücke, gefertigt vom hochw. Herrn Pescosta;
die Gegenstände selbst aber befinden sich im Besitze erwähnter Frau
- Gräfin,
e
Y
u HE
zeigte schon die Form der Gegenstände so wie der gänzliche
Abgang von Münzen. Ungeacht alles Untersuchens an den
Urnen und den verschiedenen Zierraten fand sich keine Spur
irgend eines Buchstabens oder Schriftzeichens; bis endlich im
Sommer 1855 glücklicher Weise bei fortgesetzter Nachgrabung
eine behauene Porphyrplatte von 3° 10 Länge, 9° Breite und
5” Dicke, welche ebenfalls für eine Urne als Deckel diente,
— mit einer etruskischen Inschrift zu Tage gefördert wurde,
und so also die bisherigen Zweifel lösste.
Hiezu kamen im vergangenen Sommer noch andere inter-
ressante Stücke, unweit davon gefunden; diese sowie die schon
früher ausgegrabenen haben sehr viele Aehnlichkeit mit den in
einem etruskischen Begräbnisse bei Bologna i. J. 1855 gefun-
denen Gegenständen. (Man sehe hierüber die interessante Schrift :
Di un Sepolereto Etrusco, scoperto presso Boloyna. De-
scrizione del Conte Giovanni Gozzadini). — Geme hätten
wir auch hier eine eingehendere Beschreibung und Erklärung
dieser Funde gegeben, allein es fehlt uns dazu an Geschick
und solidern Kenntnissen, die hiezu erforderlich sind; wir be-
gnügen uns demnach bloss, hiedurch auf dieselben aufmerksam
gemacht zu haben, und verbinden damit den Wunsch, dass
ein in diesen Sachen bewanderter Forscher denselben seine
Aufmerksamkeit widmen und das Resultat der Mitwelt mit-
theilen möge.
BEITRÄGE
TIROL.
DRUCK DER WAGNER’scnzen BUCHDRUCKEREI.
“. . ut
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EM sohwurtzer Kalk.
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EN Kauchwucke u.unt: took. y-
E Viryloriakalk. SSFrberetheng
Dilverriem. =
I .Heurdum.
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£ 2 . ah
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Duft],
GE 0%,
/ Grauer Schiefer.
2 Schwaßzerkulk.
I longlomerat. 5
4# Bunter Surndsteit,
3 Kauchwackeu. u
6 Firgloriakalk. Ki
6’ Dunkle Mergelschi
7 Allurdum. us)
/ Grauer Schiefer.
2 Schwufzer Kalk.
3 Bunter Sandstein:
3” Kadk.
+ Kauchswacke.
5 Virgloriakalke.
3’ Dunkle Mergelsch
6 Alturtum
Entworfen ron Adolf Pichler.
I.
ZUR
GEOGNOSIE TIROLS.
(ZWEITE FOLGE.)
nnnnnn
MITGETHEILT
ADOLF PICHLER.
Mit 1 Karte und 2 Profilen.
jeor.
zu
or
4%
DRUCK DER WAGNER 'scuEN BUCHDRUCKEREL
I. Am Schwazer Bergbau.
R, Allgemeines.
Zu den berühmtesten Bergwerken Tirols gehörte un-
streitig das in den erzführenden Kalken südöstlich von
Schwaz. Es war im fünfzehnten und sechszehnten Jahr-
hundert eine hohe Schule nicht blos in Deutschland son-
dern für Europa, seine Knappen griffen mehrmals in die
Geschichte des Landes bedeutungsvoll ein, reiche Ge-
schlechter gründeten ihren Stolz auf die Ausbeute dessel-
ben und seinen Metallen verdankt ein tirolischer Fürst den
Namen des Münzreichen. Jetzt sind Stollen und Schachte
grossentheils verbrochen und ertränkt, nur die ungeheuren
Schutthalden, die sich lawinengleich niederziehen, und an
denen die Armuth der Enkel von den Ahnen achtlos weg-
geworfene Stufen auskuttet, erlauben einen Schluss auf
die Grossartigkeit ehemaligen Betriebes. Ob der neu in
Gang gesetzte Bau gediegene Hoffnungen gibt oder nicht,
- haben wir nicht zu ermitteln, wir wünschen es wenigstens
und rufen ein herzliches Glückauf! Es wäre gewiss eine
sehr dankenswerthe Aufgabe, die Geschichte dieses alten
i Bergbaues, in soweit die Akten und Plane desselben nicht
beim Mordbrande von Schwaz zu Grunde gingen, ausführ-
lich darzulegen, wir glauben sogar, dass der deutsche
Culturhistoriker eine der wichtigsten Arbeiten unternähme,
i die seit langem eine tüchtige Hand auf diesem Feld be-
f schäftigte, können jedoch nur auf bereits in den Werken
_ von Sperges, Stafller und Weber Gedrucktes hinweisen.
*
ER TE
Unsere Arbeit stützt sich auf zahlreiche eigene Unter-
suchungen und wird sich bemühen, auch die von Trinker
im Auftrag des geognostisch - montanistischen Vereines
gewonnenen und in fleissig geführten Tagbüchern hinter-
legten Resultate mit gebührender Anerkennung zu ver-
werthen. Das Kärtchen ist auf Grundlage der vom geo-
gnostisch-montanistischen Verein herausgegebenen Karte
entworfen. Wir wollen bei Beschreibung der Gebirgs-
glieder die Altersfolge einhalten.
U. Der Thonglimmerschiefer.
Dieses in den Alpen weit verbreitete Gestein, dem in
der geognostischen Folge der Formationen grösstentheils
noch immer nicht seine Stellung angewiesen werden konnte,
ist im Querthale der Ziller nach der ganzen Mächtigkeit
von der Gränze gegen den Gneis, welcher am Schlüssel-
joch ‚beginnend die mächtigen meist übergletscherten Ge-
birge zwischen Falls, Pfitsch und dem Dux bildet und im
Fortstreichen nach Osten noch nicht gehörig untersucht
ist, bis zum erzführenden Kalke von Schwaz und am Kogel
erschlossen. Wir wissen, dass der Thonglimmerschiefer
in der Gegend von Innsbruck beginnt und fast gleichmässig
das rechte Sillufer einhält. Ueber sein Auftreten in. der
von uns jetzt zu beschreibenden Gegend äussern sich die
Erläuterungen zur geognostischen Karte Tirols, denen wir
hier im Allgemeinen nichts beizusetzen haben, folgender-
massen: „Im Innern des Zillerthales in der Nähe .der
krystallinischen Kerngebilde der Tauernmasse bemerkt man
conform zu diesem auch an den Schichten des Thonglim-
merschiefers ein steiles nördliches Einfallen. Dieses er-
streckt sich jedoch ‚nur bis in die Gegend von Zell, wo
der mehr als hundert Klafter tiefe Schacht von Hainzen-
berg schon den Beweis entgegengesetzter Neigung der
Schieferschichten ‚liefert.
ze
Von da dauert unter verschiedenem im allgemeinen
jedoch abnehmenden Neigungswinkel das südliche Fallen
bis an die Mündung des Zillerthales fort, wo der Thon-
glimmerschiefer von Alpenkalk !) begränzt wird, unter
welchem er jedoch ungeachtet der anscheinend ebenfalls
südlich einfallenden Schichten des Kalkes an mehreren
Stellen in der Teufe wieder zum Vorschein kommt 9). Der
Mittelpunkt, nach welchem eine Convergenz der Schichten
sich erkennen lässt, liegt innerhalb der Gränzen des Thon-
glimmerschiefers selbst.“
Was die petrographische Beschaffenheit des Thon-
glimmerschiefers anlangt, so müsste ich bei der Beschrei-
bung desselben all das wörtlich wiederholen, was ich bereits
in den vorjährigen Beiträgen zur Geognosie Tirols ange-
führt habe. Das Gestein hat in seinem östlichen Fort-
streichen von Innsbruck und dem Brenner seinen Charakter
getreu bewahrt. Nur vor Schellenberg, im Oeschelgraben
(Prof. I und I), am Kellerjoch und auch schon bei Pill
in den Steinbrüchen kommt eine Varietät vor ähnlich der,
welche wir bereits in den Wiltauer Steinbrüchen als dem
gewöhnlichen Thonglimmerschiefer eingeschaltet erwähnten.
Wir fügen die genaue Schilderung aus dem Tagebuche des
geognostisch-montanistischen Vereines bei. „Man bemerkt
1) erzführender Kalk, der wohl weder beim unteren noch oberen
Alpenkalk einzureihen ist. A. F.
2) Im Tagebuch des geognostisch - montanistischen Vereines lesen
wir: „Ich begab mich zum Blasistollen. Das Mundloch desselben be-
findet sich im rothen Sandstein, der aber nur bei 40 Klafter durch
den Stollen einwärts fortdauert, dann kömmt man auf eine Art Grau-
_ wacken oder Uebergangsschiefer und auf diesen folgt der lichte erz-
führende Kalk. Das Erzvorkommen scheint in diesem Kalke ein putzen-
weises zu sein. An zwei Punkten hat man in diesem Stollen den
südlichen Uebergangsthonschiefer (Thonglimmerschiefer) schon ange-
fahren. Das Erz, welches auf dem in Betrieb stehenden Feldorie ge-
4 wonnen wird, tragen die Arbeiter von da zur Bergstube hinab, wo es
_ durch trockene Handscheidung im Durchschnitte auf einen Halt von
3—4 Loth Silber pr. Zentner gebracht wird.“
2 5
im Thonglimmerschiefer häufige länglich-runde , weisse
Flecken im Querbruche des Gesteines, wodurch dieses
völlig ein gneisähnliches Ansehen erhält. Diese weissen
Flecken sind auf der verwitterten Oberfläche des Schiefers
besonders auffallend, indem sie da etwas angegriffen, und
dann um so weisser erscheinen. Es ist dieses eine eigen-
thümliche Bildung des Schiefers , in welcher Feldspath-
theile in grössern und kleinern Körnern eingemengt 'er-
scheinen. Dieses Vorkommen erinnert an manche Proto-
gyne, indem auch ein nicht unbedeutender Talkgehalt in
diesem Gestein vorhanden sein dürfte 1). Man findet da,
wo dieses Gestein herrschend ist, auch durchaus grössere
massige Blöcke, als beim gewöhnlichen Thonglimmerschie-
fer zerstreut durcheinanderliegen, wie man es sonst nur
im Gneis- oder höchstens in einem quarzigen Glimmer-
schiefergebirge zu finden gewohnt ist. In diesem gneis-
artigen Thonglimmerschiefer. trifft man in einem Graben
ausser Schellenberg unter der Garstalm einen ockerig aus-
sehenden Zug eines sehr quarzigen Gesteines wahrscheinlich
mit Einsprengungen von Schwefelkies. Hier soll früher
ein :Schurfversuch auf Kupferkies gemacht worden sein,
man sieht jedoch keine Spur mehr davon.“ Die kleine
Parthie eines augitischen Gesteines nächst Schwaz am
Moserstein östlich vom Schloss Freundsberg als Fundort
von Epidot wenig bekannt und der geringen Ausdehnung
1) Im Verhältniss zum Thonglimmerschiefer, wie er in den Wil-
tauer Brüchen so charakteristisch auftritt, hat dieses Gestein ein weniger
krystallinisches Aussehen, weil die glänzenden Blättchen grauen oder
silberweissen Glimmers sparsamer erscheinen, dafür findet man mannig-
fach verbogene Lamellen eines Minerales, das im Thonglimmerschiefer
bei Wiltau nur untergeordnet erscheint und wohl auch schon.'als „ver-
härteter Talk“ bezeichnet wurde, dem es im Aussehen nicht unähnlich
ist, obwohl es einen bedeutend höheren Härtegrad besitzt und mit dem
Nagel nicht mehr geritzt werden kann. Die Farbe ist graulich oder
gelblich-grau. Die Gesteine, welche in der, Gruppe des Thonglimmer-
schiefers zusammengefasst werden, erfordern überhaupt noch eine genaue
allseitige Untersuchung. A. P.
PD
_ wegen in der geognostischen Karte von Tirol nicht aufge-
nommen, sondern nur in den Erläuterungen zu derselben
erwähnt, konnte ich nicht antreffen; wahrscheinlich ist es
nur eine Zwischenlage grünen Schiefers ınit Epidotstrei-
fen, wie wir das auch an einer Stelle bei Gries am Brenner
fanden und bereits schilderten. In diesem Thonglimmer-
schiefer liegen die Bergwerke auf Spatheisenstein, für
welche wir der Vollständigkeit wegen die Data aus den
Erläuterungen zur geognostischen Karte Tirols entlehnen.
Besondere Lagerstätten,
Name ‚deren Mächtigkeit (n. Wien. Ausfüllungsmasse
aa Klftr. mit deeim. Eintheilung| der besondern Lagerstätte,
1°—10'—1,897 Meter), darin einbrechende Erze
Bergbaues. |Streichen u. Fallen, Ausdeh-}| und deren Vorkommen
nung des Grubenbaues.
Heil. Kreuz !)|Gangförmiges Stockwerk mit, Quarz mit Spatheisenstein.
bei Schwaz. einer. Mächtigkeit von O0 |Der Adel zu Tag grösser als
nach W zu5 -10° und von tiefer im Gebirge erstreckt
N gegen S zu 25°. sich auf 40° conform zu dem
Gebirgsabhang von S nach N
Schwazerberg|Gänge mit vorherrsechendem unter 35°.
mit folgen- Streichen nach NW-—-NO
den Grüben- | und NO--SO Verflächen:.
revieren : ?) a. Bertha Liegend - Gang, Quarz mit Thonschiefer
.3—10' mächtig, streicht/durchfahren, worin einst
nach St. 2.14° und ver-|(wahrscheinlich vor Entde-
flächt 45—48 gegen SO.|ckung des Falkensteines zu
Im alten Manne bei 160°| Anfang d. 15. Jahrhunderts)
dem Streichen u. 18° dem|Kupfer- und Silbererze mit
J Verflächen nach ausge-|Spatheisenstein einbrachen,
A. Altzech. ) richtet. deren letztere erst in der
Neuzeit aus den alten Ver-
hauen gewonnen wurden.
b. Bertha Hangend - Gang, Quarz mit mehr oder we-
5—9' mächtig. Streichen|niger aufgelöstem Thonschie-
u. Verflächen mit « über-|fer, ebenfalls in den alten
| einstimmend. Zechen auf Silber- u. Kup-
fererze verhaut, wovon Fahl-
und Gelferzspuren sich noch
finden. Der Spatheisenstein
bricht in der quarzigen schie-
ferigen Lagermasse putzen-
und nesterförmig wie in a.
!) Liefert 5000—6000 Ztr. zu 20%e. Roheisen.
°) Die gesammte Erzeugung am Schwazerberg beläuft sich auf
85,000-—90,000 Ztr. mit 27--28%e. Roheisen.
_ ms
nam ran nm ann ner mn LEER ER in na Dar nd Zn um m 5
Besondere Lagerstätten,
Name deren Mächtigkeit (n. Wiener Ausfüllungsmasse
Klftr. mit decim. Eintheilung| der besondern Lagerstätte,
1°—10' —1,897 Meter), darin einbrechende Erze
Bergbaues. |Streichen u. Fallen, Ausdeh-] und deren Vorkommen.
nung des Grubenbaues.
des
a. Johanm - Liegend - Gang. Quarz mit grobflinzigem
| Mächtig von 1—2'. Strei-|Spatheisenstein auf der Han-
chen nach St. 13.7°. Ver-|gendseite von mildem zum
flächen in Ost unter 48°.| Th. aufgelösten Thonschiefer
Die neuern Baue auf Ei-|durchfahren. — Gelferze bre-
sensteine erstrecken sich/chen mit Spatheisensteinen
auf 85° dem Streichen u.|in absätzigen Schnürchen bis
19° dem Verflächen nach.|4" mächtig, und wurden von
| den Alten verhaut.
|
b. Johann - Hangend - Gang.| Mittelmässig fester mit
von 3—6' Mächtigkeit,|Quarz durchzogener Thon-
einem Streichen nach St.|schiefer am Liegenden mit
20.9°, und einem Verflä-\schmalen absätzigen Spath-
chen gegen NO unter 60°, leisenstein-Fillons. Am Han-
in erster Richtung 50°; in|genden brechen die Eisenerze
letzter 16° neu gewältigt.|mehr nesterförmig zerstreut.
Gelferzspuren selten.
c.
B. Arzberg.
Franeisei-Gang. 3—3'/),°| Körniger Thonschiefer und
mächtig, nach St. 13.11°/Quarz, auch Kalkspath mit
streichend u. durchschnitt-|Spatheisensteinen, theils in
lich unter 26° in Ost ver-|ergiebigen Trümmern, gröss-
flächend. Ist auf 310 Klf.|tentheils aber sehr absätzig
dem Streichen u. 115 Klf.\und von der tauben Ausfül-
dem Verflächen nach aus-|lungsmasse des im allgemei-
gerichtet. nen häufig verworfenen Gan-
ges durchsetzt, Kupferkies
ist selten beigemengt.
d. Carolin- Gang, mit einer| Einbrechende Erze und
Mächtigkeit von 2'—5°,|Gangsausfüllungsmasse ver-
einem Streichen nach St.|halten sich wie beim Fran-
14.5° u. durchschnittlichem |cisci-Gang m. Ausnahme des
Verflächen gegen SO unter)Kalkspaths. Kupferkies fin-
40°. Ist der am meisten|det sich etwas reichlicher
aufgeschlossene Gang mitjeingesprengt.
einer Erstreckung auf 330
Klftr. dem Streichen und
145 Klftr. dem Verflächen
nach.
C. Bruder- |Bruderwald- Spatheisensten-|\ Mürber zum Theil mehr
wald. Gang, 4—6' mächtig, |fester mit Quarz durchfah-
streicht nach St. 2.13% mit|rener Thonschiefer m. Spath-
südöstl. Verflächen unterleisenstein, der bei grösserer
40°; 32° dem Streichen,|Gangsmächtigkeit in Trüm-
11° dem Verflächen nach|mern und Nestern zerstreut
aufgeschlossen. einbricht.
u Br
Besondere Lagerstätten,
Name deren Mächtigkeit (n. Wiener Ausfüllungsmasse
ı Klftr. mit decim. Eintheilung!| der besondern Lagerstätte,
AS 1°—=10'—1.897 Meter), darin einbrechende Erze
Bergbaues. |Streichen u. Fallen, Ausdeh-| und deren Vorkommen.
nung des Grubenbaues.
D. Breitlaub. |Breitlaub - Spatheisenstein-| Aufgelöster in plastischen
Lager bis zu 10° mächtig,|Thon übergehender Schiefer
nach St. 4.6° streichend|mit mürbem gelblich-weissen
und auf 49!/,° gegen SO|Spatheisenstein, theilweise
fallend, auf 110° demjmit Quarz durchfahren. Die
Streichen nach ausgerich-|taube Lagermasse hat auf
tet, von welcher Strecke|der Liegendseite eine licht-
nur 65° fahrbar sind. Teufe|graue, auf der Hangend-
53°, davon 25° bereits|seite zunehmend dunkle
versetzt. Farbe.
Schwader mit}Gänge, amalog denen vom
nachfolgenden] Schwazerberg-
Bergrevieren :
A. Burgund.®)| Bungunder - Spatheisenstein- | Die Spatheisensteine bre-
Gang mit einem Streichen|chen in quarzigem Thon-
nach St. 24.90 und einem|schiefer mit Schwerspath u.
Verflächen in O unter 65°.|Kupferkies. Letzterer scheint
Schon von dem Alten aufjmit Fahlerz in den höhern
150° dem Streichen und|Etagen Gegenstand des alten
64° dem Verflächen nach|Abbaues gewesen zu sein. In
untersucht. der Teufe verliert sich der
Adel bis ‚auf unbedeutende
und sehr absätzige Mittel.
B. Neufund. |Neufunder - Spatheisenstein- | Theils mürber mit 3’ mäch-
Gang von 1'—2!/,°, nach|tigen Lehm - Einlagerungen
St, 2.20 streichend : und|wechselnder , theils mehr
unter 45° gegen SO ver-|quarziger Thonschiefer mit
flächend, ist 300° eben-jabsätzigen Spatheisenstein-
söhlig und 160° thonlägig|trümmern mit einer Mäch-
aufgeschlossen. Gesammt-|tigkeit von 6-8‘, im nord-
Ausdehnung 450° d. Strei-|östlichen höhern Revier mit
‚chen und 215° dem Ver-|Schwerspath, Kupferkies und
flächen nach. Fahlerz gemengt.
Bezüglich des Streichens erwähne ich noch, dass ich
dasselbe am Eingang des Oeschelgrabens h 11,55 W, am
Ausgange desselben h 1,S fast senkrecht fand.
Wohin ist nun dieser Thonglimmerschiefer zu stellen ?
Gehört er zu den Grauwackengesteinen von Dienten und
3) Man berechnet 70,000— 75,000 Ztr. als Erzeug aller zur Schwa-
der gehörigen Gruben mit einem Halt von 27—28°/e. Roheisen.
—. m —
bildet’ ihr Ausgehendes gegen Westen ? Zu Dienten besteht
ein Bergbau auf Spatheisenstein. Allein Spatheisenstein
findet sich auch mit Quarz bei Vill, wie wir bereits in den
vorjährigen Beiträgen angaben, am Weerberg und im Vol-
derthal. Diese Erzführung kann nicht entscheiden. Petre-
fakten, ja auch nur Spuren davon, liegen bis jetzt keine
vor. — Oder ist er nur eine Varietät des Thonglimmer-
schiefers, dieses weiten Gattungsbegriffes, der wahrschein-
lieh gar manche noch unbestimmte Arten von Formationen
in sich schliesst? Ich möchte vorderhand diese Ansicht
nieht unbedingt abweisen.
II. Der Schwazer Kalk.
Ueber dem Thonglimmerschiefer lagert ein mächtiges
Kalkgebilde; die beiderseitige Gränze lässt sich recht gut
im Oeschelgraben ober Schlitters beobachten, angefahren
wurde sie, wie oben erwähnt, am Blasistollen zweimal.
Diese Kalke beginnen rechts vom Lahnbachgraben also-
gleich mit grosser Mächtigkeit und streichen conform dem
Thonglimmerschiefer mit südlicher Fallrichtung gegen We-
sten (Prof. I u. ID), wo sie gleich hinter der Ruine Rot-
tenburg die Thalsohle erreichen und von hier bis Strass
die pralle Felsenwand bilden. Sie sind mehr minder dolo-
mitisch, feinkörnig oder fast dicht, lichtgrau, gelblichweiss,
röthlichgelb und hellroth, bisweilen breccienartig wie im
Oeschelgraben, wo eckige Stückchen durch ein weisses
Kalkcement verkittet sind; eine Art regenerirten Gestei-
nes, wie man sie wohl auch bei anderen Formatienen
beobachtet. Bisweilen erscheint ihre Oberfläche bräunlich-
roth durch Umwandlung des enthaltenen Eisencarbonates.
Das sind die berühmten erzführenden Kalke, die ehemals
den Ruhm und Reichthum von Schwaz begründeten. Das
Fahlerz, welches hier erbeutet wurde, erscheint besonders
an der Gränze gegen den Thonglimmerschiefer putzen-
und nesterweise; hier zumeist im Kalk einbrechend, jenseits
u WI
_ der Ziller mit Baryt. Ueber die Mineralfunde in diesem
- Kalke und dem Thonglimmerschiefer verweisen wir auf das
bekannte Werk von Liebener und Vorhauser ‚‚die Mine-
ralien Tirols.“ Vor mehreren Jahren sandte eine Gewerk-
schaft aus Schwaz an das hiesige Museum einige Stücke
Thonglimmerschiefer, denen Kupferkies eingesprengt war
und erbsengrosse, wasserhelle Krystalle von Analzim in
der Form des bekannten Ikositetraeders aufsassen. Ich
konnte seitdem über dieses Vorkommen nichts mehr in
Erfahrung bringen. Hinsichtlich der Formation können wir
von diesen Kalken mit voller Wahrscheinlichkeit nur das
anführen, dass sie nicht in, sondern unter der Trias einzu-
reihen sind. Bis dahin, wo über ihren Platz fest entschieden
ist, wollen wir ihnen den Namen „Schwazerkalke‘ zur
unterscheidenden Bezeichnung geben. Nicht verschweigen
dürfen wir, dass die Kalkköpfe, die aus dem Thonglimmer-
schiefer, welcher den metamorphen Lias von Navis: trägt,
emportauchen und ebenfalls Fahlerze eingesprengt enthalten,
sehr grosse Aehnlichkeit mit den Schwazerkalken besitzen.
Ebenso erinnerten sie uns stellenweise, namentlich bei
Strass und im Oeschelgraben, alsogleich an die Kalke
rechts am Ausgange des Gschnitzerthales unweit Steinach.
IV. Das Conglomerat.
Zwischen Schwazerkalk und buntem Sandstein lagert
eine Bildung von verschiedener nie grosser Mächtigkeit,
die man am Pauleitengraben (Prof. D) und mehreren an-
dern Punkten beobachten kann, auch am Kogel wurde sie
bereits angefahren. In einer Grundmasse rothen thonigen
Sandsteines sind eckige oder auch an den Kanten etwas
abgerundete Bruchstücke des Schwazerkalkes von ver-
schiedener Grösse, mehr oder weniger häufig, eingekittet. _
Mit dieser Bildung beginnt nach unserer Ansicht die Trias,
deren Gränze hier gegen den älteren erzführenden Schwazer
Kalk überall klar und deutlich ohne alle Verwirrung aus-
zur Di se
gesprochen liegt, wie ein Blick auf das Kärtchen und die
Profile zeigt. Weiter östlich haben wir die Verhältnisse
nur im Vorbeistreifen beobachtet. Der bunte Sandstein,
welcher sich unweit Rottenburg unter der Diluvialdecke
und dem Schutt des Thales verlor, taucht bei S. Gertrauden
wieder auf. Der Fels, auf welchem die Trümmer der Feste
Rattenberg stehen, gehört wohl entschieden dem obern
Alpenkalk, durch ihn zieht ostwestlich ein mächtiger Strei-
fen massigen, sehr thonigen schwarzblauen Kalkes, der an
der Luft bleicht und auf den Ablösungsflächen Körner des
Riesenoolithes mit eingeschlossenen Muschelfragmenten
und die sehr leicht bestimmbare Cardita erenata mit andern
Bivalvenresten zeigt, die wir aus den Carditaschichten
kennen. Wo weiter rückwärts die Gränze zwischen Trias
und Schwazerkalk zu suchen sei, ob sie so deutlich aus-
gesprochen sei wie bei Schwaz, darüber erwarten wir
Aufschluss von einer in Aussicht gestellten Arbeit des
Herrn Baron Andrian, der diese Gegenden für die geolo-
gische Reichsanstalt untersuchte. Ob dieses Conglomerat
bisher überall an der Gränze gegen Schwazerkalk ange-
fahren wurde, wissen wir nicht, die Untersuchung zu Tage
verhinderten meistens Schutthalden und Gebirgstrümmer.
V. Der bunte Sandstein.
Im Pauleitengraben schliesst sich an obiges Conglo-
merat ein dunkelrother, schiefriger sehr glimmeriger Sand-
stein von wenig Mächtigkeit an. Unter diesem liegt ein
lichterer fester körniger Sandstein mit sehr deutlicher
Schichtung h 4—5, der ein oft verworrenes, meist sehr
steiles südliches Fallen einhält. Das Gestein zeigt die-
selben Charaktere, die wir auch anderwärts beobachteten.
Dass es auch bisweilen Quarzgerölle von Haselnussgrösse
einschliesst, wurde ebenfalls bei andern Gelegenheiten be-
merkt. Vor dem S. Antoni- und Erbstollen liegen jedoch
häufig Blöcke eines Quarzconglomerates mit Sandstein-
a er
x
eement, welches, wenn der graue Glimmer vorherrschend
wird, ein fast schiefriges Ansehen erhält und beim Zurück-
treten des Eisenoxydes an manche Grauwackengesteine
erinnert. Es ist wahrscheinlich das aus dem Tagebuch des
geognost. - montanistischen Vereines oben S. 5, Anm. 2
erwähnte Gestein. Mir scheint kein Grund vorhanden, es
von der Trias zu trennen. Auch in dem Nro. IV beschrie-
benen ‚Conglomerat kommen bisweilen Quarzgerölle vor.
IV. Alpenkalk und Rauchwacke.
Auf den bunten Sandstein folgen Kalke vom entschie-
denen Charakter des unteren Alpenkalkes, unregelmässig
durchmengt mit Rauchwacke, ebenfalls der Art, wie sie den
unteren Alpenkalk in andern Gegenden, z. B: in Vomper-
loch, der Mühlauerklamm und auf der Vintlalm begleitet,
bis sie für eine Strecke von beiläufig 50 Fuss abwärts
allein herrschend wird. Streichen und Fallen ist hier nicht
abzunehmen, doch muss man hier die Axe des umgekehr-
ten Fächers suchen, der aufwärts gegen Süden südliches,
abwärts gegen Norden nördliches Fallen zeigt. Die Rauch-
wacke ist eine Bildung späteren Ursprunges, sie greift
einerseits in den unteren Alpen-, anderseits in den Knol-
lenkalk, von dem sie erst grosse und kleine Brocken zu
einer Breecie verkittet. Allmälig werden diese Brocken
zahlreicher und halten sich in der Richtung der Schichten,
bis die Rauchwacke nur mehr in die Quersprünge der
zerspaltenen Schiehten dringt und endlich ganz verschwin-
det. Die Kalkbruchstücke haben ein mehr erdiges Aus-
_ sehen, zerbröseln leicht, ja lassen sich oft durch den
Fingerdruck zermalmen. Aehnliche Eigenschaften mit all-
mäliger Abnahme derselben zeigen auch die Schichten des
Knollenkalkes, bis endlich der feste krystallinische Kalk
ansteht. Schwerer zu deuten ist das Profil II im Graben
gegen S. Margrethen, gerade unter dem neuen Pochwerk.
Da ist dem bunten Sandstein ein Zug weissen krystallini-
m
schen Kalkes völlig ähnlich dem Schwazerkalke, welcher
dort, wo er der Luft ausgesetzt ist, an der Oberfläche
braun oxydirt, etwa 20 Fuss mächtig gleichmässig einge-
schaltet. Auf den Sandstein folgt oben bald wieder ein
schmaler Zug Rauchwacke, die man jedoch nicht mit dem
porösen völlig gleichfarbigen Tuff verwechseln darf, der
nahe dabei im nämlichen Graben ansteht. Darüber liegt
wieder bunter Sandstein und die Folge der Gesteine wie
im Pauleitengraben (Prof. I und IT).
VU. Knollenkalk (Virgloriakalk).
Diesen hat bereits Kudernatsch in seinen „geologi-
schen Notizen aus den Alpen‘ Jahrbuch der k. k. geolog.
Reichsanst. 1852 trefflich geschildert. Er sagt darin von
den „‚dunklen Kalken der Trias“ in den Nordalpen: „‚die
Kalke dieser Bildung sind durch ihre vorherrschend dunkle
Färbung, so wie durch ihre dünne Schichtung ausgezeich-
net; sie sind reich an Bitumen und Kieselerde, das erstere
besonders in den unteren Gliedern, wo förmliche Stink-
steine auftreten, das letztere so ziemlich durch alle Etagen,
mehr augenfällig indess in der obersten Abtheilung, wo
sich die Kieselerde in Form von zahlreichen Hornstein-
knollen und in Zwischenlagen abgeschieden hat. Sehr
eigenthümlich sind auch die höchst unregelmässigen. Win-
dungen und Krümmungen der Schichten, die fast mit jedem
Schritt ein anderes Streichen und Verflächen beobachten
lassen....; nur die oberste Abtheilung besitzt in merk-
würdigem Gegensatz sehr ebenflächig ausgedehnte schöne
Schichtungsflächen‘“ und bildet ‚‚wahre Felstafeln“. —
Kudernatsch beschreibt darauf genau den petrographischen
Charakter der unteren Abtheilung, von der er vorher ge-
sagt hat, dass ihre Gesteine mit den bunten Sandsteinen
wechsellagern. ‚,In der obersten Abtheilung‘“, fährt er
fort, ‚tritt dann ein mehr diekschichtiger, im Bruche un-
ebener grauer Kalk auf, dessen Schichtungsflächen statt
ebenflächig ausgebildet zu sein, voll’unregelmässiger Por-
tuberanzen, Höcker und Wülste erscheinen, zu denen sich
meist noch sehr zahlreiche Hornstein-Coneretionen gesellen.
= ID —
Die zwischen den Höckern gelegenen Vertiefungen sind
oft mit einem sandig-glimmerigen Mergelschiefer ausgefüllt,
der leicht herausfällt. Die Hornstein-Concretionen dieser
Schichten sind theils in der vorhin erwähnten Weise, theils
und vorzüglich aber in grösseren ganz unregelmässig ge-
stalteten Massen ausgebildet und vermehren so ungemein
das Knorrige, Höckerige der Sehichtungsflächen ; sie sind
dann meist wie ausgefressen oder voll feindrusiger unre-
gelmässiger Cavitäten‘ u. s. w. Kudernatsch fand diese
Gebilde an mehreren Orten anstehend, insbesondere bei
Unterkirchen in der Nähe von Lasing, wo sie zahlreiche
Abdrücke von Monotis salinaria führen.: Herr v. Hauer
rechnete zu diesen Kalken auch diejenigen von Reifling,
worin ein Ichthyosaurus gefunden wurde, und machte be-
reits im Jahre 1853 auf die Möglichkeit einer Trennung
derselben von den Guttensteiner Kalken aufmerksam. Ich
habe ihn am Kerschbuchhofe, wo er zahlreiche Petre-
fakten führt, erkannt und beschrieben. Man trifft ihn auch
im Höttingergraben, bei Thaur und am Salzberg zwischen
Lagen grünlichen Wetzschiefers (Beiträge zur Geognosie
Tirols Prof. X. 4. 5.), hier wie dort mit undeutlichen
Resten von Halobia Lomelli, Dass sich auch ächter un-
terer Alpenkalk, der Guttensteiner Kalk der österr. Geo-
logen, bei Innsbruck, z. B. im Mühlauergraben und bei
Vomp finde,; ward bereits in den vorjährigen Beiträgen
zur Greognosie Tirols angeführt. Die Stellung dieser Knol-
lenkalke als unterstes Glied der obern Trias zwischen
unterem Alpenkalk und Partnachschiefern hat Freiherr von
Richthofen in seiner gediegenen Abhandlung ‚Die Kalk-
alpen von Vorarlberg !und Nordtirol“ Jahrbuch der k. k.
geolog. Reichsanstalt 1859 gründlich erwiesen und ihnen
nach ihrem ausgezeichneten Vorkommen am Virglor!a-
passe in Vorarlberg den Namen Virgloriakalk gegeben.
Sie sind das einzige Glied der obern Trias, das auf dem
_ von’ uns geschilderten Terrain und zwar in bedeutender
Mächtigkeit ansteht. Trefllich charakterisirt sieht man sie
beim Weiler Duft h 5; fast senkrecht von da beobachtet
man sie am besten in ihrer ganzen Breite, h 4—5, NW,
_ wenn man den Weg durch den Pauleitengraben besteigt:
_ Doch tritt aufwärts sein Charakter nicht überall gleich
4
Ei
5,
ri
— 16 —
schön hervor, obwohl es nicht an Schichten fehlt, die ihn
sehr erkennbar tragen. Eingelagert sind dem Virgloria-
kalk mehrere Züge schwärzlich-grauen Mergelschiefers, wie
er wohl auch die Carditaschichten zu begleiten pflegt.
Von Petrefakten. war nirgends eine Spur. Dort wo der
Bach diese Schiefer ausgehöhlt und fortgeschwemmt hat,
bildet er einige kleine Wasserfälle.
VU. Das Diluvium.
Das Diluvium reicht auch hier zu beträchtlicher Höhe
empor, und überdeckt alle Terrassen und Vorsprünge,
die ihm einen Halt gewährten. Es hat dieselbe Zusam-
mensetzung wie überall und wurde auf dem Kärtchen stel-
lenweise angedeutet.
II. Die Knochenhöhle bei Kufstein.
Wenn man in das tiefeingeschnittene Thal des Kaiser-
gebirges, durch welches ein kräftiger Bach herausfliesst,
geht, erblickt man von der linken Seite desselben am
steilen rechten Gehänge eine hochgewölbte Höhle im Kalk-
gestein. Klettert .man zu derselben empor, so sieht man
auf der felsigen Unterlage einen Boden aus Gruss und
Steinsplitter. In dieser liegen nun überall Knochentheile
zerstreut und eingebettet. Da die Höhle leicht zugänglich
ist, so sind gewiss alle mehr auffallenden Reste längst
schon entfernt, oder von muthwilligen Buben über die
Wand gekollert worden. Die gewonnene Ausbeute be-
schränkt sich auf Trümmer. Es sind morsche Knochen,
leicht zerbrechliche Zähne und Krallen von Bären, welche
an der feuchten Lippe. kleben, gemischt mit Ueberresten
kleinerer Klauenthiere. Es lässt sich kaum entscheiden,
ob diese Reste diluvial seien ; wahrscheinlich war die Höhle
der Aufenthalt von Bärenfamilien zu einer Zeit, wo das Thal
noch wenig oder {gar nicht bewohnt war. Dakin scheint
auch der Name des Baches: Bärenbach — zu deuten. Die
gesammelten Reste habe ich dem hiesigen Museum über-
lassen.
Hay —
= mM =>
III. Orthoceratiten aus dem obern Lias der
Kammerkar.
Unter einer Suite Petrefakten von dieser Localität
fanden sich auch zahlreiche Orthoceratiten mit randlichem
Sipho, welche sich nach der Verschiedenheit der Formen
in zwei Gruppen bringen lassen, zwischen denen ich keine
Uebergänge bemerken konnte.
Bei der ersten Gruppe nimmt der kreisrunde Quer-
schnitt der Schale langsam zu, der sehr spitze Winkel
beträgt nach sieben Messungen, die zwischen 60 — 90, 5‘
schwanken, im Durchschnitt 70. 30°. Die Kammerscheide-
wände sind hoch gewölbt, jedoch weder durch umlaufende
Reifen, noch durch tiefe Furchen auf dem Steinkerne mar-
kirt, wie dieses die Abbildung Hauer’s Fig. 5—7, Tafel
XXV in dem Werke über die Cephalopoden aus dem
Lias der nordöstlichen Alpen darstellt. Ihr Abstand
variirt bei den verschiedenen Exemplaren gerade so wie
es Hauer beim Orthoceras alveolare in „Neue Cephalo-
poden von Aussee* angibt. Ebenso trifft auch die Schil-
derung des Sipho völlig zu. Die Schale ist dünn, weiss,
während der Kern die rothe Farbe und Beschaffenheit des
Muttergesteines hat. Die Oberfläche erscheint überall, wo
eine Beobachtung möglich ist, völlig glatt. Wie schon
Hauer ausspricht, dürfte dieses Orthoceras kaum von
alveolare Quenst. zu trennen sein. Seine und des folgen-
den Grösse entspricht Hauer’s Angaben.
Bei der zweiten Gruppe, welche ebenfalls eine glatte
Schale und einen kreisrunden Querschnitt zeigt, liegt die
Divergenz der Seitenwände zwischen 130 10° — 190; der
Durchschnitt von fünfzehn Messungen ergibt 150, 50°. Die
Scheidewände sind ziemlich flach gewölbt, die Kammern
niedrig, der randliche Sipho ist zwischen den Scheidewän-
den aufgeblasen, gegen diese zu etwas verengt, meistens
2
= TE
gleicht er völlig der Zeichnung in Hauer’s „Neue Cepha-
lopoden von Aussee“ Fig. 1 Taf. VO. Bisweilen ist der
Längsschnitt mehr birnförmig und die Spitzen der Schenkel
des Siphos scheinen etwas verdickt. Es wird schwer sein
wesentliche Unterschiede von Orthoceras convergens, obwohl
dieses einer älteren Formation, dem obern Alpenkalke
zugehört, anzugeben, ich möchte jedoch dieses Orthoceras
nicht mit alveolare vereinigen, zu welchem in den mir
vorliegenden Exemplaren keine Uebergänge leiten. Beide
mögen immerhin die Namen alveolare und convergens be-
halten; vielleicht könnte man sie näher so bezeichnen:
1. Orthoceras alveolare
$) liassicum.
2. —ı — convergens
ß) liassicum.
Schliesslich erwähne ich noch, dass auf der Kammerkar
auch ein Kruster aus der Gattung Glyphaea gefunden
wurde, den Herr D. Oppel beschreiben wird.
ZUR
IHYPSONETRIE UND OROGRAPHIE
NORDTIROL
£. Pfaundler, Iofef v. Trentinaglia
und
3. Gf. v. Enzenberg.
3%
VERSUCH
einer hypsometrisch - orographischen Skizze aus
dem Gleirsch- und Hinterauthal,
Folgende Skizze, in guter Absicht als Vorversuch
einer weiter auszudehnenden Untersuchung unternommen,
wurde von Leopold Pfaundler, Josef v. Trentinaglia und
Hugo Graf v. Enzenberg im Herbste des Jahres 1859
ausgeführt.
Jedermann erblickt in ihr eine mehr durch regen Fleiss
und guten Willen als durch tüchtige Kenntnisse und ge-
naue Instrumente unterstützte Arbeit.
Diese sollte für’s erste Messungen von vorzüglichen
Höhen im Gebiete der drei grossen Ketten, die nördlich
von Innsbruck gegen Bayern zu liegen, enthalten. Für’s
zweite sollte sie durch Durchschnittszeichnungen die all-
gemeine Form und Vegetationsverhältnisse der genannten
Ketten graphisch darstellen, und durch eine beigegebene
orographische Skizze jene Verhältnisse noch mehr erläutern.
Dass hiebei die geognostischen Verhältnisse unberührt
geblieben sind, ist bei den uns mangelnden Kenntnissen
. und Kräften um so mehr zu entschuldigen, als das erwähnte
Gebiet sich bereits einer sehr gründlichen Untersuchung
erfreut.
Einige Höhenbestimmungen aus dem Gleirsch-
und Hinterauthale.
Höhenmessungen sind von entschiedenem Nutzen für
das Studium der Geognosie, der Pflanzen- und Thiergeo-
graphie, so wie noch mehrerer verwandter Wissenschaften.
Dies noch beweisen zu wollen, wäre Zeitverlust. Es soll
also hier nur noch die Methode beschrieben werden, nach
der die nachfolgenden Messungen ausgeführt _ wurden,
woraus sich dann auch ein Ueberblick über den Grad der
Genauigkeit ergeben wird, welchen dieselben in Anspruch
nehmen dürften.
Alle Messungen sind trigonometrisch; das dabei: ge-
brauchte Instrument bestand aus einem gegen das Ver-
werfen wohlgesicherten Brette, an dessen einem: kürzern
Rande der Länge nach zwei parallele Leisten befestigt
waren, in dem Abstande, dass- zwischen : ihnen. ein fest
anliegendes Prisma verschoben werden konnte. _ Dieses
bildete die Schraubenmutter für eine längs zwischen den
Leisten liegende stählerne Schraube, deren Enden sich in
genau anschliessenden Lagern bewegten. Bei Drehung
dieser Schraube wurde die Schraubenmutter um ein ent-
sprechendes Stück verschoben ; bei einer ganzen Drehung
um die Höhe Eines Schraubenganges, deren ungefähr 25
auf einen Zoll giengen,
Um noch Bruchtheile einer, Umdrehung genau messen
zu können, war an dem einen Ende der Schraube ein
Wellrädchen von ungefähr 2 Zoll Durchmesser, befestigt,
dessen Peripherie in 100 Theile getheilt war.
Es lässt sich nun ‚einsehen, dass sich mit diesem
Instrumente leicht !/y;pu eines Zolles messen liess; die
weitere Einrichtung ist im Voraus zu errathen; auf der
verschiebbaren Schraubenmutter war ein Visir mit einem
feinen Haare befestigt, auf dem gegenüberliegenden Rande
am Eck ein solches mit einem feinen Löchelchen; der
Abstand dieses vom Haare des Visirs war genau gemes-
sen und gleich lang mit der Höhe von 215 Schrauben-
gängen.
Nun wurde das Brettchen vertikal gestellt, eine am
Oberrande befestigte Libelle zum Einspielen gebracht, und
das Haar des Visirs auf einen genau im Horizont befind-
lichen Punkt eingestellt. Daraus ergab sich der Nullpunkt
der Theilung, welche längs der Leisten angebracht die
Anzahl der ganzen zurückgelegten Schraubengänge zählte.
Die Bruchtheile liessen sich am Rande des Wellrades
ablesen. Diese Zahl dividirt durch die obgenannte Distanz
der beiden Visire gab sogleich die Tangente des gemes-
senen Winkels. Dieselbe lässt sich demnach mit, der
Genauigkeit von !/y50u das ist gleich 0,000046, also bis,
auf die Hälfte der fünften Decimale, bestimmen.
Dies entspricht im schlimmsten Falle, d. i. bei den
kleinsten Winkeln (unter 1 Minute) einer Genauigkeit von
10 Sekunden. Ein grösserer Fehler kommt durch das
Visiren mit freiem Auge in die Rechnung, welcher bekannt-
lich zu 20 Sekunden geschätzt: wird; ebenso hoch schätze
ich den Fehler, der durch eine kaum merkliche todte Be-
wegung der Schraube. hervorgebracht wird (welchen man
aber durch ein vor dem Ablesen in immer gleicher Rich-
tung erfolgtes Drehen sehr verkleinern kann). ‚Noch 10
Sekunden endlich gebe ich durch Fehler in der Stellung
ar ie
und Einspielung der Libelle verloren, so bleibt im aller-
ungünstigsten Falle eine Genauigkeit von 1 Minute in der
Messung des Winkels.
So viel vom Instrumente; was nun die Ausmittlung
der Distanzen betrifft, so diente dazu die Generalquartier-
meisterstabs-Karte vom Jahre 1823. Auf dieser lässt sich
eine Entfernung, wenn die beiden Endpunkte genau gege-
ben sind, bis auf 30 Fuss bestimmen.
Leider ist dies nicht immer der Fall, und man ist
dann oft in Gefahr um 100 Fuss in der Messung der Ent-
fernung zu fehlen. Da nun die durchschnittliche Distanz
20.000’, selten 10.000’ oder noch kleiner ist, so folgt
daraus ein Fehler von 0,0015 bis 0,013 der gemessenen
Höhendifferenz. Diese ist durchschnittlich 500 höchstens
1500 Fuss. Hieraus berechnet sich der durchschnittliche
Fehler zu 0,75‘, der grösste zu 19,5’.
Aus dem Fehler von 1 Minute bei Messung des Win-
kels berechnet sich im ungünstigsten Falle ein Fehler in
der Höhe von 6,5’. Im Ganzen ist also der durchschnitt-
liche Fehler kleiner als 8 Fuss, der grösstmöglichste Fehler
—= 26 Fuss. Dieser letztere konnte durch das Mittelneh-
men aus mehreren Messungen noch sehr verkleinert werden.
Es wurde nicht vergessen, die gefundenen Winkel und
Höhenunterschiede wegen der Strahlenbrechung und wegen
der Kugelgestalt der Erde zu corrigiren, wozu ich die An-
gaben in Prof. Böhm’s Logarithmenbuch benützte.
Eine Anzahl der Höhenbestimmungen in der Thalsohle
wurde durch Nivelliren zu Stande gebracht. Das dabei
angewendete Instrument war ein astronomisches Fernrohr
mit Spinnfadenkreuz und Libelle. Bei den mit diesem
Instrumente gefundenen Höhenunterschieden dürfte sich
der Fehler kaum bis zu 1 Fuss erheben.
Sollten durch spätere Messungen bedeutende Fehler
in den nachfolgenden Zahlen entdeckt werden, so müsste
hiervon der Grund in Unrichtigkeiten der Generalstabskarte
=> BB =
zu suchen sein. Vielleicht ist es mir einst gegönnt, mit
einem bessern Winkelinstrumente die nämlichen und andern
Punkte zu messen, wobei ich durch Bestimmung der Hori-
zontalwinkel jene fehlererregende Klippe umgehen kann.
Aus dieser Betrachtung ergibt sich nun, dass sich
diese Messungen in Bezug auf ihre Genauigkeit keineswegs
mit andern trigonometrischen Messungen vergleichen dürfen,
welche mit Hilfe vorzüglicher Instrumente zu Stande ge-
bracht wurden. Doch das findet seine Entschuldigung in
dem Zwecke, den dieselben verfolgen sollten. Der Geo-
meter braucht höchst genaue Resultate, nicht so der For-
scher auf dem Gebiete der Naturgeschichte ; dieser ist mit
- einigermassen genauen Resultaten zufrieden ; aber er wünscht
dafür recht zahlreiche und vorzüglich solche, welche sich
nicht blos auf Spitzen, sondern auf Uebergänge und Thal-
punkte beziehen, welche der Geometer gar nicht berührt,
weil ihm meist nur Bergspitzen mit weiter Aussicht von
Interesse sind. Es wurden daher im obern Gleirschthale
den Bach entlang alle Punkte gemessen, welche etwa
künftigen Forschern auf dem Gebiete der Botanik, Zoolo-
gie oder Geognosie als Anhaltspunkte dienen könnten.
Noch habe ich etwas über die Höhe des grossen Sol-
steins zu bemerken, welche mir zur Berechnung der abso-
luten Höhen aus den Höhenunterschieden als Grundlage
gedient hat.
Sucht man in Trinker’s gesammelten Höhenbestim-
mungen den Solstein auf, so findet man:
Solstein, grosser . 9393.37 Fallon.
® kleiner . 8017.98 A Gen. @.
“ grosser . 9292. Schmidl.
Es sollte also der grosse Solstein um4300’ bis 400°
höher als der kleine Solstein sein, da doch dieser den
_ grossen um dritthalbhundert Fuss überragt! — Man be-
trachte nur einmal das Profil von Frau Hütt bis inclus.
=. a
grossen Solstein unter Nro. III. Eine Namensverwechs-
lung kam mir gleich in den Sinn, und ich fand Gründe
genug dafür, dass es statt „kleiner Solstein* ebenfalls
„grosser“ heissen sollte.
Was die erste Angabe betrifft, so finde ich in Hr
Zeitschrift des Ferdinandeums vom J. 1845 (nicht 1848,
wie in Trinker’s Sammlung zu lesen ist), dass diese Mes-
sung von L. A. Fallon mit einem Theodoliten gemacht
worden sei, dass er aber alle seine damaligen Messungen
um Innsbruck . auf. die falsche Höhe dieses Ortes zu
1347.24 W. F. gegründet habe. Ich finde aber nicht an-
gegeben, ob diese falschen Angaben auf die richtige Höhe
von Innsbruck reducirt worden seien. Ich versuchte es
und bekam keineswegs genaue, aber doch bedeutend besser
stimmende Resultate, nur nicht beim Solstein, da derselbe
sonst die unglaubliche Höhe von 9861 Fuss erreichen
müsste.
Jedenfalls aber sind diese Höhenbestimmungen Fallon’s
weniger zu beachten, gegenüber denen, die. er selbst später
als General im Generalquartiermeisterstabe und Direktor
der Landesvermessung ausführte, und die eben in Trinker’s
Sammlung unter der Gewährschaft: /A\ Genrl. Q. enthal-
ten sind.
Um schnell zuvor die dritte Angabe abzuthun, so
gestehe ich, dass ich dem Herrn Schmidl kein Vertrauen
schenken kann, seitdem er gefunden, dass Igels um 17 Fuss
tiefer liege als Innsbruck. (Trinker’s Sammlung S.36 u. 37.)
Die Messungen des Generalquartiermeisterstabes (resp.
Fallon’s) finde ich umständlich aufgezeichnet in. seinem
eigenen Werke: „Hypsometrie von Oestreich“, dessen I.
Theil 1824 gedruckt wurde. Sie sind höchst genau, es
ist daher kein Grund an der Höhenangabe des Solsteins
zu 8017.98’ zu zweifeln. Es handelt sich nur, ob dabei
der grosse (niederere) oder der kleine (höhere) gemeint
ist, Fallon bezeichnet den letztern.
= m =
Nachdem ich mir nun durch Messungen von Distanzen
auf der Karte und Vergleichung derselben mit den von
Fallon angegebenen, so wie durch Winkelmessungen von
der Mandelspitze und durch solche des Hrn. v. Trentinaglia
von der Seile aus die Ueberzeugung erworben hatte, dass
sich diese Höhenbestimmung nicht auf den kleinen, sondern
auf den grossen Solstein beziehe, dass also die Angabe
von 9393‘ um nicht weniger als 1375‘ zu hoch sei; so
erhielt ich hievon die Bestätigung, als ich durch die Güte
des k. k. Majors Herrn Karl A. v. Sonklar die bei der
allerletzten Landesvermessung gewonnene Höhe des grossen
Solsteins mitgetheilt erhielt.
Diese beträgt 8021,292 W. F., ist also nur um 3,34
Fuss grösser als die früheren.
Alle nachfolgenden absoluten Höhen wurden auf diese
Basis bezogen, nur die Höhe der Mandelspitze, welche
‘“ sich aus Winkelmessungen auf den Patscherkofel und die
Waldrasterspitze berechnet, hat zu ihrer Grundlage die
neuesten Höhenbestimmungen dieser Berge zu 7090.63‘
und 8578.79’.
Damit, für. den Fall, dass einzelne Höhen später cor-
rigirt werden sollten, die davon abhängigen Höhenbestim-
mungen entsprechend reducirt werden können, führe ich
- im Folgenden zuerst alle gefundenen Höhenunterschiede
- und dann erst die absoluten Höhen auf.
Te
Was die Benennungen mancher Bergspitzen betrifft,
so komnte ich sie theils gar nicht auftreiben, theils wurden
sie mir mit, verschiedenen Namen angegeben, ja oft auch
sowohl Berge als Namen auf mannigfaltige Weise verwech-
selt. Ich hielt mich daher meistens an die Generalstabs-
karte. Die darin nicht enthaltenen Namen findet man auf
den von Herrn v. Trentinaglia gezeichneten Profilen, oder
auf der von mir beigefügten Karte zur Uebersicht der
Messungen (Nro. V).
= Mm
Mögen diese Resultate in Ermangelung besserer einst-
weilen zum Studium unserer grossartig-schönen Alpenkette
ein Weniges beitragen !
I. Höhenunterschiede. ')
Amtssäge ist um 3953,51 W.F. tiefer als der grosse Solstein.
9 * 193,62 „ » „m. die Kapelle bei Arzlerkristen
(Fussboden).
e En 218,00 „ » „ die Arzler Alphütte.
= en 285,42 „ » » die Kohlenbrennerhütte.
m 5 460,37 „ » » Bildstöckl rechts am Wege.
» = 471,85, 5 » „ der Weg im Gleirschthal, wo
er vom Bach aus dem Mann-
5 delthal gekreuzt wird.
% x 490,88 „ » „ der freie Platz am Bug des
Thales.
ip K. 543,14 „ »» der Punkt, wo der Gleirsch-
bach verschwindet.
” = 645,92 „ » „ die Brücke vor d. innern Säge.
n 4 658,18 „ >» der Weg am Gatter vor der
innern Säge.
Br = 748,20 „ » „das Bildstöckel links am Wege
vor der innern Säge.
y 4 842,13. „ »y, die innere Säge (Boden vor
der Hütte).
ns ” 926,72 „ » „ die Brücke vor der Samerhütte.
A „ 941,92 ', » » Platz vor der (1858 von La-
winen zerstörten) Samerhütte.
Fussboden der Ka-
pelle bei der Arz-
lerkristen ist um 2825,75 der Sattel westlich von der
Frauhütt (tiefster Punkt).
e » „ der Punkt der hohen Strasse
gegen das Stempeljoch, wo
diese zum erstenmale y. einem
Bächlein geschnitten wird.
S laDayaH » „ derhöchste von der Samerhütte
aus sichtbare P. dieser Strasse.
Samerhütte „ 1061,53
1) Die nähere Bezeichnung der angeführten Punkte ist bei den absoluten Höhen
zu suchen.
29
Samerhütte ist um 2274,29 W.F. tiefer als die oberste Legföhre an der
" 2671,40
Punkt d. hohen Strasse,
wo dieselbe vom
” ”
”
”
”
„
höher
tiefer
„
höher
tiefer
höher
Bächlein geschnit-
ten wird, liegt um 1045,22 W.F. höher
n „ Pogra7a32 ",
» » 584,21 „
5 . 606,92 „
” ” 666,50 „
Jägerkor, tiefster Punkt
des Grates, liegt um 737,02 „
” ” 130,43 ”
” ” 134,53 „
» „ 411,31 „
» ” 415,00 „
” b}) 452,24 „
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Niederes Brandjoch
liegt um 370,50
» TO ZT,
» „ 1738,32 „
” nr: 1.2453,07 175
En n 1174,74 „
a 5. 1208,49,
N an 11459,55. „
Westseite des Backofenberges.
die höchste Legföhre an der
Praxmarspitze.
als die Samerhütte.
als die unterste Wendung der
Strasse.
als die obere Wendung d. Strasse.
als die Baumgränze nördlich von
der Samerhütte.
als die Baumgränze südlich von
der Samerhütte.
als der grosse Solstein.
als Hafelekor.
als die Bergspitze östlich von
den Seegrubenspitzen.
als die östlichste Seegrubenspitze.
zweite
dritte e;
vierte (westlichste) „,
» Widersbergerspitze.
als das hohe Brandjoch, untere
Spitze.
” ”
”
”
ce = obere Spitze.
als die Spitze zwischen hohem
Brandjoch und kl. Solstein.
als der kleine Solstein.
als der Haller Anger im Hin-
terauthal.
als die Kaltwasserspitze.
der kleine Solstein.
Patscherkofel.
Waldrasterspitze.
niederes Brandjoch (zwisch.
Gleirsch- und Manndelthal).
tiefer als die Manndelspitze.
Backofenspitze.
Lavatscherspitze,
Kaskarspitze.
Praxmarspitze.
Gamskarspitze.
Gleirschjoch.
”
”
”
= u er
Niederes Brandjoch
liegt um 931,70 W.F. tiefer als Jägerkar’lspitze.
” E 1201,81 9 en „ Jägerkorspitze (tiefere).
E 3 1137,73, > „ Katzenkopf.
N ni 266,28 „ > „ Spitze unmittelbar nördlich
vom Manndel.
: = 372,52 „ : „. Gleirschspitze,
. Br 400,70 „ nn „ Hafelekor.
Zirmjöchel (Zischen-
kopf) liegt um 1707,42 „ n „ hohe Gleirsch.
> ze 1699,06 „, 5 „ höchste Seegrubenspitze.
Hohe Gleirsch ist um 156,14 „ » „ grosser Solstein.
420.69 „ „ kleiner b5
” » )
ia = 382,63 „ höher .. östl. Sattelspitze.
n 450,44 „ Se „ westl. Er
2 188,05 „ © .„ Sattel westl. von Frauhütt.
rn 28,78 „ a „ westlichste Seegrubenspitze.
= = 128,93 „ 3 „ zweite ”
„ >) 162,83 „ ” ” dritte ”
“= = 195,51 , 5 „. vierte (von Westen).
ur. = 686,84 „ 2, „ langer Sattel zwischen See-
gruben- und Sattelspitzen.
> = 452,45 „. = „ Hafelekor.
is Br 448,64 „ tiefer „ höhere Jägerkorspitze.
“= -. 296,94 „ B „ Spitze zwischen h. Brand-
joch und kl. Solstein.
® = 32 16® a „ h. Brandjoch, obere Spitze.
5 n 206.17 „ » en nn untere „
en 971,04 07, 5 „ Grubenkorspitze.
= e 4938,07 „ > „ Kühekar’lspitze.
= = 792,03 „ = „ Birkkorspitze.
s > 720,95 , e „ Edkorspitze, östliche.
= = 667,76 „ » en > westliche.
M a 91152 in „ Seekorspitze.
s = 312,60 , n „ Riedelkorspitze, östliche.
u Pr 299,14 ', ” k- = mittlere.
ag 5 HR. 0D. HM. n an 5 westliche.
an | 249,48 „ > „ Plaisenspitze.
n y 556,54 „ 4 „ Sonnenspitze.
Aus diesen Höhenunterschieden berechnen sich mit
Zugrundelegung des: v
grossen Solsteins . . 8021,29 W.F. | (Letzte grosse
Patscherkofels. ... . 7090,63 „ Militär-
der Serlesspitze.. . . 8578,79 „ | Triangulirung)
Me
nachstehende absolute Höhen über dem adriatischen Meere.
Zuvor sollen nur noch einige gleich und ähnlich benannte
Berge besprochen werden.
Hohe Gleirsch ist ein leicht besteigbarer Berg am west-
lichen Ende der Kette, die das Gleirschthal vom
Norden begränzt.
Gleirschjoch liegt in der nämlichen Kette weiter gegen
Osten.
Gleirschspitze liegt in der nördlichen Innthalkette zwischen
Mandelspitze und Hafelekor.
Hohes Brandjoch (obere und untere Spitze) EN sich
westlich von der Frauhütt.
Niederes Brandjoch ist jener Bergrücken, der das Gleirsch-
thal vom Mandelthale trennt.
II. Absolute Höhen.
A. Aus der ersten Kette nördlich von Innsbruck.
In der Richtung von Westen nach Osten.
1. Grosser Solstein . . 2° 8021,29 W.F.
2. Kleiner Solstein, höchster Punkt dreh Kette 8274,40 „
2. 8274,84 „
3. 8285,84 „
Mittel 8278,36 „
3. Spitze zwischen dem..kleinen Solstein und 1. .8162,09 ,
hohen Brandjoch (Schneekorkesselspitze) . . 2. 8165,75 „
Mittel 8163,91 „
4..Hohes Brandjoch, obere Spitze . . . ... . 1. 8177,31 „
2: 8152,50 „
er Mittel 8164,90 „
5. Hohes Brandjoch, untere Spitze. . . wow. 1. 8045,96 „
or 2.. 8071,34 5
Mittel 8058,64 „
6. Sattel, westlich von der Frauhütt, tiefster Punkt
(Uebergangspunkt in's aan nö er TON TONTRT
7. Sattelspitze, westlice . . . ee TALENT
"re ne®
8. Sattelspitze, östliche . L zehnte ie) AhTASUED NEE,
9. Sattel, langer, zwischen Besgckben: u . Sattelspitzen 7178,31 „
10. Seegrubenspitze, westlichste . . : . +. . 1. 7736,37 „
2.. 7743,06
Mittel 7739,71 „
11. Seegrubenspitze, zweite. . » » 2. . 1. 7736,22 „
2. 7136.50 „
Mittel 7736,36 „
12. Seegrubenspitze, dritte . 2 2.00 = 1. : 7699,26: 1%,
2. 7702,32 „
Mittel 7700,82 „
13. Seegrubenspitze, vierte (östlichste) . -» - - . 1. 7669,64 „
2. 7695,37 „
Mittel 7682,50 „
14. Widersbergerspitze. . TE TO
15. Spitze östlich nahe an den Beökrubeuipitsn! bern 79
16. Hafolekor.. : ..IMEuER same. ad en Li TAT
2. 7414,69 „
Mittel 7413,70 „
17. Geirschspitze : „ans some lee te. 1398,06 „
18. Manndelspitze . » » 2 m nee ...1. 7392,28 „
2. . TAU,TE ».
Mittel 7402,03 „
19. Spitze nördlich vom Mandel » . . . 2... 7291,82 „
20. Niederes Brandjoch re en En 11:7 100)5 2m
(zwischen Gleirsch- u. Mandelthal) D,.7031:535 „5
3. 7032,08 „
Mittel 7025,54 „
B. Aus der zweiten Kette nördlich von Innsbruck.
In der Reihenfolge Westen nach Osten.
21. Hohe Gleirsch . . . nr net Bra A IBGETEEWaR:
22. Katzenkopf, oberste Bhikee a Te Fe a ET
23. ” untere (südlichere)" - .. "Nr 771998326 25
24. Jägerkorspitze, oberste . . » 2 2 2002000. 8313,79 „
25. a untere . . rl or BB,
26. Jägerkor !), tiefster Punkt a Ooatie nn TORE
—— 4
1) Einige Schritte vor der innern Säge mündet das sogenannte Jägerkar in das
Gleirschthal, ein scharfer Grat schliesst dasselbe und erhebt sich links zur Jäger-
korspitze, rechts zur Jägerkar’lspitze, so benannt vom daneben befindlichen kleinen
Jägerkar.
Pe 3
27. Jägerkarlspitze . . : 2 ey on) 7959,54 WWF:
Be Glamsehloch . . ish malt rer
29. Gamskarspitze ') . . 2 2.22 2m ne 0 8236,26 =,
30. Prasmarspitze . © 2.2.2220 n.n ns 8202,58 „
AR askarspitzeie. yet: Sul ae. net URLS „5
32, Lavatscherspitze.- .. ... =. mie se te neun B7Bn 5
SSHMBACEOIGHSDILZE: . .,.. 9.020.502 me ran nur Bd
C. Aus der: dritten Kette nördlich von Innsbruck.
In der Reihenfolge von Westen nach Osten.
34. Plaisenspitze (bei Schamitz) . . 2.2.2... 8114,63 W.F.
35. Riedelkor, westlichste Spitze . . . » 2%... 8024,07 ,
36. " mittlere 2 a: 10h Bars re
Be östliche Due 0) SORER Ne 5 Sig
Ryan DE A "BAT
39. Edkorspitze, östliche . : .» 2» 222 2020228592,10 „
40 » westlichess , An Hay hnilunanifamen 120859291 R,
AR SENEREDFEDIERE 10.2. Ieizın „fe muöl ze Mani aloer Koenagen BEE TE -u
42. Kaltwasserspitze - : » 2.» . nun .c 0. 8190,80
Au Kuhekar'Ispitzere M.Daaer MIT. DER MUFE E TER N
#4. Sonpenspitze. ‚in Moin, Mala) Mn ab OT uerga2, u,
AS Grubenkorspitze TE EEE 77 BADEN,
Beller Augerin zer. hr , „oo. kun man, rieigndsßbuightN
D. Aus dem Gleirschthale.
In der Reihenfolge von Westen nach Osten
47. Zirmjöchel (Zischenkopf) zwischen Zirlerkristen
und Weingerthal . . . 2. 22.2 2.0.0.2...1. 6140,65 W.F.
2. 6157,73 „
Mittel 6149,19
48. Amtssäge, Platz vor dem Försterhause . . . 1. 4057,73
2. 4067,78 „
Mittel 4062,75 „
49. Kapelle bei Arzlerkristen, der Fussboden . . . 1. 4251,35
2. 426140 „
Mittel 4256,37
1) Diese Namen haben ihren Ursprung von den dort zwischen je zwei Spitzen
befindlichen Karen, dem Gamskar, Praxmarkar und Kaskar.
2) So genannt vom dahinter liegenden Seekar.
50.
51.
52.
583.
54.
55.
56.
57.
58.
59.
60.
61.
62.
63.
64.
65.
66.
67.
68.
69.
70.
= iR =
Arzler Alphütte, Galthütte (Arzlerkristen) 4280,75 W.F.
Kohlenbrennerhütte, Weg daneben 4348,17 „
Bildstöckl rechts am Wege 4523,12 „
Weg, wo er vom Bache gekreuzt wird, der aus
dem Mandelthale kommt; Gränze des Mitteldolo-
mites an Karditaschichten . ä . 21,.,4584,60 cm
Freier Platz bei der Wendung des Thales. wo
rechts der Steig zum Manndel führt 4553,63 „
Punkt, wo der Bach verschwindet (bei grosser
Wassermenge tiefer gelegen) . 4605,89 „
Brücke vor der innern Säge 4708,67 „
Weg am Gatter vor der innern Säge 4720,93 „
Bildstöckel links am Wege ya. 4810,95 „
Innere Säge, Platz vor der Hütte . . . , 4904,88 „
Brücke vor der Samerhütte 4989,47 „
Samerhütte 5004,67
Diese wurde 1858 von einer Lawine zerstört
sodann einige Schritte weiter oben gebaut, sie soll
nächstes Jahr an der alten Stelle von Steinen ge-
baut werden. Auf diese Stelle bezieht sich die
Messung.
Untere Wendung der Strasse, von wo aus sie im
Ziekzack stark aufwärts geht (letzte Bäume auf
der Thalsohle) . . , tar). erh 5378,72 ,„
Obere Wendung der Strasse . . , 5473,83 „
Punkt der hohen Strasse, wo dieselbe von einem
Bächlein geschnitten wird. Sie zieht sich von da
ziemlich eben bis gegen die Alpe. (Nördlich dar-
über zeigt sich ein rother Felsen) . . . . . 1. 6066,20 „
6049,89 „
Mittel 6058,04
Höchster, von der Samerhütte noch sichtbarer
Punkt dieser Strasse .. 6368,94 ,
Höchste ee an der Westseite r Basket
berges 3 Er: 1278,96
Höchste Legföhre an eu RAR 7676,07 „
Baumgränze nördlich von der Samerhütte 5451,12 „
rl südicb „ ” 5391,54 „
„ nördlich von der Arzlerkristen . 5280.00 „
Anmerkung
Anmerkung
Anmerkung
=» =
zu Nr. 10. In Trinker’s Sammlung findet sich auch eine
Seegrubenspitze gemessen zu 7163,40 Fuss unter der Ge-
währschaft: /\ Genrl. Q. Ich fand diese Angabe nicht in
der ursprünglichen Abhandlung, da doch sonst alle darin
verzeichnet waren. Die Angabe ist ganz gewiss falsch, die
Seegrubenspitzen erreichen die Höhe von 7730 Fuss.
zu Nr. 24. Ueber die Bedeutung der in diesen Thälern
häufiger als anderswo vorkommenden Namen: Kor und Kar
findet man Aufschluss in der Zeitschrift des Ferdinandeums
vom Jahre 1846, S. 31. Ich fand die dort enthaltenen
Angaben in der Hauptsache bestätigt, nur bemerkte ich,
dass zwischen Kor und Kar kein scharfer Unterschied ge-
macht, sondern vielmehr das letztere oft für das erstere
gebraucht wird. Kar ist eine Einbuchtung des Gebirges,
Kor (oder auch Kar) heisst der Inbegriff aller der Höhen-
massen, welche das Kar halbmondförmig begränzen. Ein
kleines Kar heisst Kar. Bei den Sennern haben oft nur
die Kare einen Namen, z. B. Jägerkar; fragt man sie um
den Namen der zunächststehenden Spitze, so taufen sie
dieselbe: Jägerkarspitze (oder Jägerkorspitze); sind zwei
Kare in der Nähe, so kann man nacheinander zwei ver-
schiedene Namen hören.
zu Nr. 34, Bei den Bergen im Hinterauthale kann ich
nicht in dem Grade für die Richtigkeit gut stehen, wie bei
den andern, weil Einiges dabei ungünstig war; die Anga-
ben mögen einstweilen als annähernde hier stehen.
Leopold Prfaundler.
3*
Bu: We
Orographische Skizze.
Das Gleirschthal verläuft sich in zwei Richtungen ;
in seiner oberen Hälfte zieht es sich von Ost nach West,
in seiner unteren von Südost nach Nordwest, und wendet
sich bei der Amtssäge unter einem Winkel von 450 gegen
Nordwest. Die erste Hälfte ist meist geradlinig und fügt
sich nur zweimal in die natürlichen Einbuchtungen der
angränzenden Gebirgszüge; die zweite ist nur ganz sachte
gebogen, und durch eine grosse Menge kleiner Querthäler
getheilt und wie gerippt, was durch die äusserst milde
Abdachung der hohen Gleirsch, ostwärts von diesem Thal-
theile bedingt zu sein scheint. Um hier noch die mittlere
Neigung des Thales anzugeben, so beträgt diese als Nei-
gungsquotient ausgedrückt: 1/14:
Von der Amtssäge bis zum Stempeljoch beträgt die
Entfernung in runder Zahl 4500‘, während die Thalsohle
selbst sehr schmal ist, und an einigen Stellen, wie an den
Mühlwänden z. B. höchstens 90—100’ betragen mag. Im
Durchschnitt mag die Breite etwa 450—500° sein.
Der Boden ist ziemlich reich mit Gras und Wald
bedeckt, der sich bis zum Eingang in’s Mandelthal hin-
zieht, und von dort bis zum Stempeljoch nur die steilen
Gelände des Thales bekleidet. Am Ausgang des Thales
in’s Hinterauthal ist das Thalbett rauh und steinig von
thurmhohen Wänden umgeben und besteht blos aus dem
Bachbette.
Das Gleirschthal ist gerade nicht ein Hochthal zu
nennen, da seine mittlere Erhebung von der Mündung in’s
Hinterauthal bis zum Thalschlusse unter dem Taurerjöchl
nicht über 4000‘ beträgt, aber den Namen eines Alpen-
thales, wenigstens in seiner oberen Hälfte, kann man ihm
nicht streitig machen, wofür auch die zoologischen, bota-
nischen und Temperaturverhältnisse sprechen.
= WM
Von Temperaturverhältnissen kann ich hier nur in
Beziehung auf das Auftreten der sporadischen und Lokal-
winde etwas sprechen. Die wenigen Daten gründen sich
auf einige eigene Beobachtungen und auf die durchaus
nicht zu verwerfenden Angaben der Inwohner.
Obgleich das Thal im Norden durch eine gewaltige
Gebirgsmasse, die sich bis an das Stempeljoch zieht, ge-
schützt ist, so ist doch die Abkühlung der Atmosphäre
durch die seitwärts eintretenden Winde, vorzüglich aus der
Richtung der Scharnitz, nicht aufgehoben, im Gegentheile
mögen vielleicht diese Prallwinde, die aus Westen kommen,
mehr Einfluss ausüben, als dies geschehen könnte, wenn
das Thal im Norden durch eine minder hohe Kette ge-
schlossen wäre.
Gewöhnlich streichen Morgenwinde, die von Norden
oder NW. kommen, über das Thal; später verändern sie
die Richtung und streichen von O—W. Nebenbei sei
gesagt, dass daraus auch praktischer Nutzen bei der Jagd
gezogen wird. Förster Ragg versicherte mich, dass er,
wenn er auf die Gemsen gehe, gewöhnlich bis gegen 6 Uhr
warte, wo der Wind umschlage, um so die Thiere vor
dem Winde zu bekommen. Auch hätten diese Lokalwinde
auf Witterungsverhältnisse gar keinen Einfluss. Abend-
winde kommen bald aus Osten, bald aus Westen, jedoch
bedingt der West da gewöhnlich einen Niederschlag.
Die zwei Thäler, die zunächst unserer Beobachtung
unterliegen, sind gebildet durch drei fast parallele im
Durchschnitte 8 _-10 Stunden lange Gebirgsketten; die
nördliche Hinterauthaler-Gebirgskette, die nördl. Gleirsch-
thaler- und nördliche Innthaler -Gebirgskette. Die zwei
erstgenannten Ketten haben ihre höchsten Erhebungen
(Grubenkor mit Rossjoch und Lafatscherspitze) nahe bei-
einander und sind daselbst durch kurze Querkämme unter
sich und mit dem östlichen Ende des nördlichen Innthal-
zuges (Stempeljoch) theilweise vereinigt. Jenseits dieser
se ee
Vereinigungslinie erscheint die erste Kette als Scheidewand
zwischen Vomper- und Stallenthal, die zweite als Gränze
des Innthales gegen das Vomperthal, die dritte endet in den
niedern Zunderkopf. Es ist dies eine durchaus nicht selbst-
ständig auftretende Gruppe, noch viel weniger ein ‚Stock,
wie es von den Oetzthaler- und Stubaiergebirgen etc.
gesagt werden kann, aber es ist eine in Nordtirol, wenig-
stens im östlichen Nordtirol konstante Form von Gebirgen.
Wir finden Aehnliches am Gebirgszuge, der sich vom
Wetterstein und Plattacher Ferner auszieht (der
auch in dieser Beziehung den ersten Platz unter diesen
Gebirgsformen einnimmt), oder am Schönleitenjoch
und Halslspitze an der bayerischen Gränze, oder am
Scharfreiterspitz und Schön-Albelkopf eben-
falls an der Gränze. _Ueberhaupt ist das Auftreten
der abgeschlossenen theilweise radialen Ketten in Nord-
tirol sehr interessant, und im geraden Gegensatze zu
den kolossalen Gebirgskörpern im. Süden. Freilich ist
dabei zu berücksichtigen, dass die Centralbewegung von
der Mitte der Alpen ausgehend, wo sie die grössten (e-
birgsmassen emporgehoben, sich gegen Norden auffallend
geschwächt und blos in der Aufrichtung einzelner Kolosse
noch ihre letzte Kraft versucht hat. Wenigstens scheint
die Hebung gegen Norden mehr wellenförmig gewirkt zu
haben, wie auch die meist parallelen gegen Osten laufen-
den Gebirgsketten darthun..
Wenn es fast bei den meisten Kalkgebirgen der Fall
ist, so ist auch in Nordtirol die Form der Gebirge eine
monoton konstante : Felsenspitzen und scharfe "Grate
mit trostlosen Sandmulden von riesigen Kalkmauern: halb
umringt, bilden fast immer das Revier über 5000°. Im
Gleirschthale zieht sich der ganze nördliche Gebirgszug
in solcher Weise bis zum Lafatscherjoch und über das
Speckkor hinaus fort. ‚Das gleiche finden wir im Hinter-
authal. Gegen Norden fallen diese Gebirge sehr steil ab,
a ER
an einigen Stellen an der hohen Gleirsch, am Katzenkopfe
2. B. fast senkrecht, ja überhängend bis tief in’s Hinter-
authal. An der südlichen Seite ist ihre mittlere Neigung
wechselnd; zwischen 400 und 200.. Diese Verschieden-
heit der nördlichen und südlichen Abdachung finden wir
auch- am Gebirgszuge nördlich von Innsbruck. Auf der
milderen Seite konnte sich dann freilich theilweise und
spärlich Vegetation ansetzen und es konnte sich die
Möglichkeit geben, dass ein Bächlein sein schmales Bett
finden konnte. Solche kleine Rinnsale, die sich hoch vom
Gebirge herunterziehen und durchschnittlich einer schnee-
bedeckten Sandmulde entspringen, trifft man in hinrei-
chender Menge an.
An dem nördlichen Gebirgszuge des Gleirschthales
zählt man südwärts 5 solcher Kessel, am nördl. Gebirge
des Hinterauthales 7—8, aus denen eine Menge Bächlein
hervorkommen.
Solche Bächlein sind im Frühjahr bei der Schnee-
schmelze und bei grossen Hochgewittern die Träger jener
Steinlasten, die die Thalsohle auffüllen und ihre nächste
Umgebung mit Steinmassen. überschütten.
Die Form der Gebirgsrücken ist, wie schon gesagt,
eine fast konstante. Selten trifft man eine sanft gewölbte
Kuppe, ausser dem niedern Brandjoch, einem Ausläufer
des Mandelgebirges, und dem Zirmjöchel, westlich von der
Amtssäge, einem mässig ansteigenden Kopfe, der bis hinauf
mit Krumholz bewachsen ist. Meistens sind die Gebirgs-
rücken scharf ausgezackte Protuberanzen, die sich vorzüg-
lich schön am nördlichen Gebirgszuge des Hinterauthales
zeigen, wo Spitze für Spitze emportaucht, und dann wieder
zu seinem Einschnitte abfällt. Nicht so grossartig und
vielgestaltig zeigt sich der nördliche Gleirsch- und Inn-
gebirgszug, welcher letztere sich eigentlich mehr kamm-
artig fortzieht. Es mag dieses alles nebenbei gesagt sein,
ob es aber ohne Einfluss auf Vegetation bezüglich Bewäs-
- Mi
serung und Inventilation ist, ist zu erweisen. Die Form
der Gebirgsgipfel selbst ist nicht sehr variirend. Meisten-
theils sind es kaum klafterbreite Flächen, manchmal kleine
Plateau’s, die gewöhnlich aus durch Frost und Ungewitter
zersplitterten und zerknitterten Felsenstücken, manchesmal
aus kompakten Felsen und nur sehr selten aus spärlichem
Grasboden mit Steingerölle bestehen, wie am Mandel,
Hafelekor etc.
Eine gewöhnliche Erscheinung im Kalkgebirge sind
auch die fast aus jedem Kammeinschnitte entspringenden
Steingerölle. In grosser Menge zeigen sie sich im Hinter-
authal und vorzüglich westlich von der Edkorspitze. Solche
Einschnitte ins Gebirge sind das Werk des Frostes, Schnees
und der Hochgewitter. In den kleinen höher gelegenen
Mulden und Vertiefungen des’ Gebirges sammelt sich der
ganze von oben gelöste Vorrath an, bis er eine solche
Höhe erreicht hat, dass er entweder selbst in eine tiefere
Mulde oder zu Thal stürzt oder durch das nächste Hoch-
wasser fortgerissen wird. Auf diese Weise entstehen dann
jene grösseren Stein- und Sandkessel, in diesen Gegenden
gewöhnlich Kore oder Kare genannt, die sich, wie schon
erwähnt, im ganzen Gleirsch- und Hinterauthaler-Gebirge
und anderwärts finden.
Erst wo das Gebirge eine sanftere Abdachung erlangt,
und wo diese Schuttmassen mehr zertheilt sind, war es
dem vegetativen Leben möglich fortzukommen. Man kann
daher von der Vegetationsgränze nicht sagen, sie gehe so
und so weit hinauf, denn sie ist von der Form des Gebirges
zu sehr abhängig. Es ist bekannt, dass die Legföhre bis
6000’, ja selbst in seltenen Fällen bis 8000° hinansteigt;
an der südlichen Abdachung der Kühekar’lsspitze im Hin-
terauthal reicht sie nicht einmal bis 4000’ hinan; es lässt
sich daher in dieser Beziehung höchstens sagen, an der Kühe-
kar’lsspitze ist die Holzgränze bei 4000’ unterbrochen, nicht
sie gehe nicht höher.
= us
Diese Gebirgszüge entsenden nämlich Felsenstufen
und Karrenfelder, die oft quer über’s Thal gehen und auf
der anderen Seite ansteigend sich neuerdings an senkrechte
Felsenterrassen anlehnen. An solchen Stellen ist natürlich
von einem Baumwuchse nicht die Rede; höchstens zeigen
mächtige Baumstämme, gegenwärtig vom Blitze verkohlt,
auf den einstigen Bestand von herrlichen Baumschlägen
hin. Diese Schutthalden sind überhaupt das Verderben
der Thalvegetation, indem sie, von der Höhe immer neuen
Vorrath gewinnend, das Zwergholz überschütten und grös-
seren Bäumen keinen Nahrungsboden darbieten. Ausge-
zeichnet in dieser Beziehung sind das Hippenthal zunächst
unter der Frauhütt, und theilweise das Mandelthal hinter
dem Hafelekor. Jedenfalls stehen diese kleinen Thäler
mit ihren eigenthümlichen Formen in ziemlich schroffem
Gegensatze mit den Gebirgsketten südlich vom Innthal.
Er wird besonders ersichtlich, wenn man auf einer guten
Karte die allgemeine Bauart der nördlichen und südlichen
Erhebungen vergleicht. Letztere sind geneigt zur Bildung
von Massengebirgen, erstere erstrecken sich lieber in mei-
lenlangen wenig unterbrochenen Parallelketten.
' Demgemäss muss auch die Thalbildung ganz verschie-
den sein. Südlich vom Innthal münden fast in jedes Thal
Querthäler, von diesen zweigen sich wieder Seitenthäler ab,
jedes von diesen gleicht im Allgemeinen dem Hauptthale,
nur sind seine Dimensionen kleiner.
Eine solche Thalbildung ist bei den nördlichen Ketten
fast unmöglich; sie sind zu schmal, als dass Seitenthäler
Platz finden könnten, es finden sich statt derselben die schon
erwähnten Kore, die gewöhnlich 1000—2000’ höher als die
Thalsohle liegen, und von einem Felsenkranze halbmond-
förmig umgeben sind. Gegen unten werden sie schmäler,
ziehen sich zusammen und bergen gewöhnlich ein Bächlein.
Wenn in Längenthälern die Neigung der Thalsohle
vom Anfange an geringer und gleichmässig ist, so ist es
Fr
in Querthälern, besonders wenn sie kurz sind (und nur hin
und wieder in etwas längeren), wie eben das Hippenthal,
gerade umgekehrt. Besonders einflussreich ist auch der
Gebirgsrücken, von dem solche Querthäler auslaufen. Der
Kamm, der sich vom Brandjoch (nördlich von Innsbruck)
bis zur Arzlerscharte zieht, ist sehr schmal, die Wässer
können sich also anfangs auf den steil abfallenden Abhän-
gen nicht sammeln, um später in breiten flachen Schluch-
ten fliessen zu können. Es ist daher, wenn man auf die
auffüllende Wirkung solcher Gebirgsbäche Rücksicht nimmt,
auch der Anfang des Hippenthales sehr steil, und sogleich
mit schroffen, ja senkrechten Wänden von mehreren 100—
500 Fuss eingerissen und bildet ein förmliches Kesselthal,
dessen Wände von steilen Schrunden durchfurcht werden,
von denen noch steilere Felsengrate herablaufen.
Wie es bei Querthälern sehr häufig der Fall ist, so
bildet auch das Hippenthal einen Miniaturthaldamm, der
einen kleinen meistens ausgetrockneten See über sich liegen
hat. Bemerkenswerth sind auch die Thalstufen, die sich
von diesem kleinen Plateau gegen das Thal ziehen, und
sich dort in eine sanft geneigte Wiesenfläche verlaufen.
Das Gleiche findet sich nach Saussure im Anzaskathale
am Fusse des Monte Rosa und in mehreren Alpenthälern,
und deutet fast allemal auf ein langsames aber stetiges
Wirken von Schlamm und Geröll führenden Bächen hin.
Wahrscheinlich ist auch, dass das Hippenthal in seinem
Anfange ein Ausfüllungsthal ist, das sich immer mehr und
mehr erhöht.
Durch Ueberfüllung des oberen Theiles geschah es
vielleicht, ‘dass der untere weichen musste, und sich die
Fläche bildete. Ganz analoge Fälle finden sich auch an
den Sturzwänden der Ferner.
Einen weit ausgeprägteren Charakter der Thalbildung
durch Auffüllung bietet das Mandelthal, hinter dem Hafele-
kor, dar, ein eigentliches Kesselthal. Dasselbe scheint im
ou
Gegensatze zu anderen ähnlichen Hochthälern nicht gerne
Hochbäche und ihre Wirkung zu dulden. Der grösste
Theil des unmittelbar unter dem Mandelgebirge gelegenen
Plateau’s besteht aus einer Menge von Hügelchen, denen
gleiche Vertiefungen entsprechen. Kommt nun ein Gewit-
terregen und dadurch veranlasste Bäche oder geschmol-
zener. Lawinenschnee, so werden beide nicht lange ver-
bleiben, sondern sich in diesen unzähligen Vertiefungen
verlieren. Wir sehen daher im oberen Mandelthale kein
Rinnsal eines Baches, und erklären uns so, dass das Thal-
bett ziemlich reich an Vegetation ist, da es dem versin-
kenden Wasser nicht möglich war, die Menge Gerölle und
Steine mit sich fortzuführen. Dafür bietet aber das Man-
delthal ein Analogon eines von einer Rand- oder Zirkel-
muräne umringten Fernerplateau’s dar. Rings von den
steilsten mürbsten Kalkfelsen umgeben, kann es wohl nicht
anders sein, als dass sich dort, wo dieses Randgebirge im
Thale aufsteht, ein ganzes Lager von Geröll und Schutt
und Felsentrümmern ansammelte. Vorzüglich trägt der
südliche Abfall des Gleirsch- Brandjoches dazu bei, das
was an den anderen umliegenden Kalkwänden langsamer
vor sich geht, rascher und in grösserem Massstabe aus-
zuführen. ‘Möchte man in dieser Beziehung die Thäler in
eine Reihe bringen, so stehen obenan das Hinterauthal
mit seinen jäh abstürzenden Wänden gegen Süden und
seinen Tobeln, Schlünden und Schutthalden gegen Norden.
(@Ueberdiess erhöht sich das Hinterauthal nicht blos durch
die Verwitterung und Wirkung der Hochbäche im Gebirge,
sondern auch durch die Isar selbst, die im unteren Theile
des Hinterauthales eine ungeheure Menge Schlamm, Geröll
und Steine absetzt, während sie im oberen entgegengesetzt
wirkt.)
An dieses reiht sich das Hippen- und Mandelthal,
das Zirlerchristenthal, das den unermesslichen Felsenwänden
des kleinen und grossen Solsteins seine Auffüllung verdankt,
a
und das Hallthal an seiner westlichen und nordöstlichen
Seite.
Allein oft begnügten sich die tobenden Mächte nicht
blos mit dem Fortreissen von ganzen Schutthalden und
Steintrümmermassen , sondern selbst keck aufragende
Schichten und Spitzen mussten ihr stolzes Haupt beugen.
So hatte ich im Hippenthale Gelegenheit, ähnliches zu
beobachten, wo von den Felswänden des Wiedersberges
wahrscheinlich Felsspitzen heruntergestürzt waren, da der
Boden mit frischer Erde bedeckt und aufgewühlt war, und
die kräftigsten Baumstämme zu Boden geschlagen waren.
Sehr häufig ist aber bei solchen Katastrophen die
Art der Schichtung selbst Ursache der Zertrümmerung.
Stehen nämlich die Schichten aufwärts, hat also das Ge-
birge die Form eines Buches, so liegt es offen am Tage,
dass Frost und Regengüsse Wirkungen hervorrufen, die
sonst Jahrhunderte brauchen. Solche eigenthümliche Er-
scheinungen sind in den Alpengebirgen nichts seltenes; in
den von uns berührten Thälern im grossartigen Massstabe
am Wiedersberge nördlich von den Sattelspitzen der fast
ganz aus solchen vertikal stehenden Schichtenblättern be-
steht, an einer Stelle des Katzenkopfes im Gleirschthale,
westlich von der Kaltwasserspitze im Hinterauthal,-und an
verschiedenen Orten. Durch solche Felsenstürze erhält das
Gebirge eine etwas veränderte Gestaltung, und es bedarf
nicht gar langer Zeit, besonders wenn nasskalte Winter
eintreten, um die Form der Gebirge zu verändern. Es
entstehen auf diese Weise Scharten, Einschnitte und kleine
Pässe im Kamme des Gebirges, die, wo sie sich: gerade
am meisten entwickelt haben, als Uebergangspunkte be-
nützt werden. Solche Passagen finden sich im Gleirsch-
wie im Hinterauthal sehr zahlreich, nur dass sie natürlich
nicht alle als bequeme Uebergangspunkte benützt werden,
da manche von ihnen als lebensgefährliche Pfade höchstens
von Gemsenjägern und Wilddieben aufgesucht werden; so
a
im. Hinterauthal, wo man neben dem Edkor auf einem
kaum handbreiten Felsengesimse in einem Einschnitte des
'Gebirges ins Karwendelthal gelangt, am Seekor, am klei-
nen Grubkor.
Andere bequemere Uebergänge, die auch von Sennern
zum Viehtriebe benützt werden, finden sich in zahlreicher
Menge. Die häufigst begangenen sind: der über das Stem-
peljoch ins Hallthal, wo merkwürdigerweise über die mehr
als 300 geneigte und mehr als eine halbe Stunde lange
Geröllhalde selbst mit Pferden heruntergefahren wird.
Ferners der Uebergang über das Zirlerkristenjoch ins
Ehethal nach Zirl, der vom Lafatschthal ins Vomperthal,
und übers Lafatschjoch ins Hallthal, nebenbei die höher
gelegenen über die Arzelerscharte, Hafelekor und Frauhitt ;
seltener begangen sind der über das Taurerjoch und zwi-
schen den zwei mittleren Seegrubenspitzen.
Manchmal finden sich an diesen Stellen kleine Bäch-
lein und Quellen, die aber durchschnittlich alsogleich ver-
schwinden. Als eine der höchst gelegenen Quellen fast
im ganzen Reviere ist die einige hundert Schritte westlich
unter dem Hafelekor gelegene zu nennen, die noch bei
einer absoluten Höhe von ungefähr 7400° und der mittleren
Kammhöhe von 7500‘ noch reichlich fliesst, und ihre Nah-
rung vielleicht aus einem etwas höher gelegenen Eislager
oder Wasserbehälter im Innern der Seegruben beziehen
mag. Dieses Verschwinden von Bächen und Quellen, das
sich regelmässig im Gleirsch- und Hinterauthal, im Zirler-
kristenthal und fast in. den meisten kleinen Querthälern
und Karen findet, gibt einen neuen Beleg für das, was ich
oben über die Auffüllung der Thäler gesagt. So versinkt
der kleine See im Hippenthal, der Gleirschbach eine Stunde
ober der Amtssäge, der Zirlerkristenbach eine kleine Vier-
telstunde vor seiner Mündung in den Gleirschbach. Ferners
die Isar eine halbe Stunde vor dem Kasten gerade unter
dem Eisenkogel. Ihr Versinkungspunkt ist gewöhnlich
er Te
durch gar nichts charakterisirt, wenigstens fand ich im
Gleirschthale gar keinen Grund, warum der Bach gerade
an dieser Stelle und nieht weiter oben oder unten versin-
ken sollte, da doch das poröse Terrain beide Orte geeig-
net gemacht hätte. Wir vergrösserten den Bach durch
hineingeworfenen Schnee; alsogleich schwoll er mehr an,
und überschritt rasch auch die gewöhnliche Versinkungs-
stelle.
Einige Gebirgsbäche scheinen sich ihr Bett gerade
3—4’° unter der Oberfläche gewählt zu haben; so z. B.
der Bach im Jägerkor (nördlich im Gleirschthal), an einer
Stelle im Mandelthal , unter dem Brandjoch, wo er ganz
nahe unter der Oberfläche fliesst. Aehnliches finden wir
z. B. auch in der Kranebitterklamm, wo der Bach bei der
Hundskapelle hervortritt, nachdem er eine Strecke ober
dem Eingang zum langen Lehner verschwunden; man hört
fast seiner ganzen Länge nach das unterirdische Gemurmel.
Hin und wieder verschwinden sie aber ganz unter der
Oberfläche, ohne später an den Tag zu treten; sie sickern
dann wahrscheinlich tiefer und tiefer bis zu einem grösse-
ren Wasserbehälter, wo sie sich sammeln und die weiter
unten liegenden Bäche und Quellen hervorrufen. So mag
auch vielleicht der kleine See im Hippenthale seine perio-
dische Füllung solchen Gewässern verdanken. So finden
wir gerade am Eingang in die Arzelerscharte, gerade wo
sie vom Wege, der zur Vintlalpe führt, durchschnitten
wird, plötzlich ein kleines Wasserbecken von etwa sechs
Schritte Breite, das offenbar durch solchen unterirdischen
Zufluss ernährt wird, da es nicht stagnirt. Ich stieg höher
hinauf, ohne nur im geringsten auf das Bächlein selbst zu
kommen, ja ich hörte nicht das leiseste Geräusch.
Im ganzen weiten Reviere der nördlichen Kalkalpen
finden wir, wie schon gesagt, das Gebirge auf die mannig-
fachste Weise zerklüftet, zerspalten und zerbröckelt. Wir
kennen natürlich unmöglich die unzähligen Abzugskanäle,
#
— ZB —
unterirdischen Rinnsäle der von oben herabkommenden Ge-
wässer, ja die Behauptung ist nicht zu kühn, dass manches
Gebirge von unendlich viele solcher tiefen Wasseradern
durchschnitten ist; denn wo sollte die ungeheure Schnee-
masse und Regenmasse hin, wenn sie nicht ihren Abfluss
hätte. Solche unterirdische Gewässer arbeiten nun mit
voller Kraft, aber viel langsamer, da sich ihnen mehr
Hindernisse in den Weg stellen als auf offener Bahn. Sie
reiben und schieben und wetzen die kleineren Gesteine ab,
pressen sich durch und reissen, in ihrem Laufe aufgehalten,
kleine Dämmehen weg, um mit verstärkter Kraft den me-
chanischen und chemischen Process fortzusetzen.
So entstehen dann Humuslagen, die immer mit Wasser
gesättigt, ihre chemische Wirkung auf das umliegende
Gestein äussern. Durch grössere Erosionen und Regen-
güsse, durch Schwemmbäche und Gewitter oder Einsturz
entblösst sich die Oberfläche und es wird neuer Raum zur
Humusbildung gewonnen, und die Vegetation steigt all-
mälig hinauf. So sehen wir ein Beispiel solcher unter-
irdisch arbeitenden Kräfte im Zirlerchristenthal am Zirm-
Jöchel, am Wege, der an der Einmündung des Gleirsch-
thales ins Hinterau auf die linke Seite der Isar führt.
Am Zirmjöchel ziehen sich breite Geröllfelder herunter;
plötzlich eine Versenkung, fetter schwarzer Boden und
daneben eine Quelle oder ein Bächlein. Der ganze Thal-
theil von der Zirlerchristen abwärts gegen die Amtssäge
besteht aus solchen verwitterten Gesteinen. Freilich tragen
die ungeheuren Mengen faulenden Holzes auch das ihrige
dazu bei.
Auf die oben erwähnte Weise müsste sich die Vege-
tation sehr hoch in’s Gebirge hinaufziehen, wenn nicht die
immer dazwischen tretenden Hochgewitter und Lawinen
dasselbe verhindern würden.
— AB —
Einiges über Schichtenbildung und Schichten-
Systeme.
Sprechen wir von den Schichtungsverhältnissen in den
Alpen, so betreten wir ein Gebiet, in das zwar viele den
Eingang genommen, wenige aber im richtigen Takte sich
Bahn brechend den Ausgang gefunden. Man möge mich
jedoch dieses Ausspruches halber nicht der Anmassung
und Unbescheidenheit beschuldigen. Meine Arbeit be-
schränkt sich bloss auf Aufzählung von Thatsachen, und
wagt sich durchaus nicht an die Lösung von Problemen,
die tüchtige Kenntnisse und jahrelange Uebung im Erfor-
schen und Untersuchen voraussetzt. Damit jedoch solche
Probleme gelöst werden können, müssen Thatsachen
vorhanden sein, auf die mi dann erst Sätze und Behaup-
tungen basiren darf. Einen kleinen Theil zur Zusammen-
stellung von Thatsachen beizutragen ist mein Zweck.
Wenn wir die herumliegenden Gebirge des Gleirsch- und
Hinterauthales in’s Auge fassen, so fällt uns neben ihrer
Form gewiss auch ihre Struktur in die Augen, und wir
finden in den von uns berührten Ketten gewiss die meisten
geschichtet. Am häufigsten geschichtet zeigt sich uns der
nördliche Gebirgszug des Gleirsch-, weniger der des Hin-
terauthales und des Innthales.. Am deutlichsten erblickt
man die Schichtung am Wiedersberge südöstlich von der
Amtssäge, und zwar an seiner nordöstlichen Seite. Durch-
schnittlich streichen hier die Schichten von SW — NO,
obgleich sie an einer Stelle seiger stehen und plötzlich
fast in die söhlige Form übergehen. Die Schichtung ist
hier so auffallend, dass man glauben könnte, Platte für
Platte ablösen zu können. Gewöhnlich sind diese Platten
im Durchschnitte 1—3’ dick, und da sie ganz bis an den
Grat gehen, so erscheint derselbe auch ganz schartig und
zackig. In der Gesammtausdehnung genommen erscheinen
am Wiedersberge die Schichten gegen Osten mehr und
ee
mehr geneigt, während sie gegen NW ganz seiger stehen,
was mit der Idee einer Hebung des ganzen Gebirges gegen
O fast im Einklang steht. Ueberhaupt zeigt sich sowohl
im Gleirschthale als im Hinterau eine Tendenz der
Schichten gegen W anwärts zu streichen, und nur an
einigen Stellen ist diese durchschnittliche Richtung unter-
brochen,”und sind dieselben verschoben und verkehrt.
In der Kette, die sich nördlich vom Inn hinzieht, steht
der Wiedersberg als fast alleinig geschichtet da, obgleich
sich am westlichen Ende des kleinen Solsteins, an einem
Kamme des Fuchsschwanzes und am Rumerjoch Schichteu
nicht verkennen lassen.
Geht man gegen Norden und Nordosten, so begegnet
man am östlichsten Theile des Brandjoches wieder ge-
schiehteten Gesteinen, und zwar streichen die Schichten
von N südanwärts.. Man wird mir in der eigenen Vor-
stellung von der Gesammtlage und dem Gesammtstreichen
der Schichten in diesem Gebiete billig Nachsicht schenken,
wenn ich behaupte, dass man vielleicht nirgends die theil-
weise Bildung und Hebung von Thal und Berg besser sehe
als hier.
Wahrscheinlich haben sich undulatorische Bewegungen
auch auf das Hinterau fortgepflanzt.
Betrachten wir den nördlichen Gebirgszug des Gleirsch-
| thales, so bemerken wir, dass, am Katzenkopf beginnend,
die Schichten fast horizontal über den kleinen Jägerkar’l-
spitz hinstreijchen. Nur etwas- östlich davon, am Gleirsch-
joch, fallen die Schichten um 50—550 vom Horizont ab.
Vom Jägerkar’lspitz und Gleirschspitz über die Gamskar-
spitz, Praxmarspitz, Kaskarspitz,, Suntekor, Rosskopf bis
| zum Backofen beginnen sie sich zu neigen und streichen
unter einem Winkel von 40-450 mit dem Horizont gegen
"Osten. Der Gebirgszug ist sonst regelmässig und durch-
F wegs geschichtet, so dass es mir leicht möglich war, den-
selben vom Brandjoch aus genau zu zeichnen. Wir können
4
= WW
daher von diesem Gebirgszuge sagen, dass er ein auffallend
concordantes Lagerungsverhältniss besitze. Ausgehend von
dieser Thatsache, könnte über die Entstehung und Weiter-
bildung des Gebirgszuges bedeutender erörtert werden, da
auf der Berücksichtigung dieses geotektonischen Verhält-
nisses viele der wichtigsten Resultate der Geognosie be-
ruhen.
Eine eher discordante Lagerung zeigt das nördliche
Hinterauthaler-Gebirge, wo die Gebirgsglieder unter sich
nur theilweisen Parallelismus- der Schichten aufzuweisen
haben. So finden wir westlich vom Oedkorspitz an drei
kleinen Gebirgskämmen dreimal die Schichtung wechseln
(S. Nr. IV), einmal 50 — 600 mit dem Horizont bildend,
dann 18 — 200 vom Horizont fallend, dann wieder
25—300 gegen den Horizont ansteigend, — was vielleicht
beweisen mag, dass zwischen der Bildung der Gebirgs-
glieder ein bedeutender Zeitraum verflossen, und während
dieses Zeitraumes gewaltsame Ereignisse stattgefunden '
haben, durch welche das eine oder andere ältere Gebirgs-
glied in seinem Schichtenbau und in seiner Lagerung mehr
oder weniger bedeutende Veränderungen erlitten hat.
Dass in dem nördlichen Hinterauthaler-Gebirgszuge
grossartige Hebungen, Stauchungen und Erosionen vorge-
gangen sein müssen, das zeigt nicht bloss die Diskordanz
der Schichtenlager, sondern auch das sehr zerstreute und
verworrene Vorkommen derselben, und die furchtbare Zer-
rissenheit des Gebirgskammes sowohl, als des Gebirgs-
körpers. Von Ost nach West ansteigend und mit dem
Horizont unter einem Winkel von 35—400 geneigt erscheint
noch das Birkkor und die Kühekar’lspitze deutlich ge-
schichtet, im übrigen ist die Gebirgsstruktur ziemlich
analog mit dem nördlichen Gleirschgebirgszuge.
ge u en
er
Erklärung der Zeichnungen.
Die Zeichnungen, die wir als nothwendig hier beige-
geben haben, bestehen aus Vertikalprojectionen, Quer-
durchschnitten und einigen Detailsplänen.
Nr. I zeigt eine Vertikalprojection des Gleirschthales
mit seinem nördlichen Gebirgszuge. Dieselbe wurde von
mir vom Brandjoche (Gleirschthal) aus, wo die gegenüber-
liegende Kette sich am besten präsentirt, so genau als
möglich aufgenommen. Ebenso verzeichnete ich von dort
aus den Gebirgszug vom Sattel der Frauhütt an bis zum
Solstein (niederen).
Die zweite Aufnahme (Nr. IV), und zwar die des
nördlichen Hinterauthaler - Gebirges, machte ieh auf der
hohen Gleirsch, wo ich, da mir Zeit genug und herrliches
Wetter zu Gebote stand, Spitze für Spitze genau mit
ihren Karen und Mulden zeichnete, und die beiläufige
Höhengränze der Legföhre, des Graswuchses und der
Bäume in die Zeichnung aufnahm.
Die Zeichnung Nr. IH ist ein Querprofil des Gleirch-
thales, wobei der Schnitt fast genau von N—S gehend
] vom Jägerkorspitze bis an den Ausläufer des Brandjoches
I gelegt wurde. Als Standpunkt wurde der Punkt der Stem-
peljochstrasse gewählt, wo sich die Strasse plötzlich gegen
Süden wendet und von einem Bächlein durchschnitten wird.
Die in Nr. V angeführten Nummern beziehen sich
auf die bei den absoluten Höhen vorgesetzten.
NB. Was die Benennung der Spitzen anbelangt, so
hielten wir uns strenge an die Karte des k. k. General-
‚| quartiermeisterstabes und an die Aussage des Försters
Ragg in der Amtssäge.
Josef v. Trentinaglia.
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Einige botanische Notizen aus dem Gleirschthal.
Neben diesen Höhenmessungen wurden im Vorbeigehen
einige botanische Notizen gesammelt, und hiebei die in
nachstehendem Verzeichnisse aufgeführten Species ge-
funden.
Dieses kann um so weniger als ein Vollständiges er-
scheinen, da es erstens nur die innerhalb drei Wochen
(19. August bis 10. September) gesammelten Pflanzen
enthält, und da weiters in dieser kurzen Zeit das Gebiet
keineswegs erschöpfend durchsucht werden konnte. Die
in der Thalsohle des Gleirschthales gesammelten Pflanzen
sind im Folgenden so angeordnet, dass ein beigefügtes je
das Vorkommen derselben in der betreffenden Höhenab-
theilung anzeigt. Dabei bedeutet bl. blühend, vblt. ver-
blüht, vblnd. verblühend.. Bezüglich der Nomenclatur
halten wir uns an Hausmann’s „Flora von Tirol“, wo man
nach den Species die Namen der Autoren nachlesen mag.
Die geognostischen Bezeichnungen der Bodenunterlagen
sind Adolf Pichler’s Beiträgen zur Geognosie Tirols ent-
nommen.
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Thalsohle von
” Thalsohle von
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Aconitum Lyeoetonäum . * ..... =
Aconitum variegatum. . * .... = bl:
Aquilegia atrata 00... 20004 * vblt.
Ranunculus nemorosus . N er
Ranuneculus alpestris . .| . ... | *bl
Thalictr. aquilegifolium . | * vblt. |
Hutchinsia alpina . . . BE
Thlaspi rotundifolium . | EN. *
Biscutella laevigata | ” pl. |
Helianthemum_ alpestre
(oelandicum) . * bl. | “bl.
vulgare . Nr 2, |
Viola "biflord uk, Di N ” |
Viola (?) (längst verblüht) N al | r |
Parnassia palustris . * bl. “bl. |
Polygala amara mit var. Ni | |
Benmaniea el | * bl.
Silene inflata 2... |* „5 ' * vblnd. .. * bl.
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Möhringia muscosa . * bl. hl.
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Acer Pseudoplatanus . . | * *
Geranium . * bl. u. vblt |
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Fragaria vesca . . . .| * je!
Potentilla tormentilla .. . | * *
Dryas octopetala A * vblnd. . | * vblt.
Alchemilla vulgaris . .| * M
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Sorbus Chamaemesp. * vblnd.
Epilobium . “
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Rhododendron hirsutum .. | 2... ...,* vblnd.
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Gymnadenia odoratissima vblt. 6400".
Dryas octopetala, vblt.
Ranunculus alpestris, bl.
Silene acaulis, vblnd.
Primula auricula
Soldanella alpina, bl.
Myosotis silvatica
6400—7000'.
5 v. alpestris
Thlaspi rotundifolium
Gentiana uissedfogR. | 7000 _7280'.
» nivalis ? [
C. Zirlerkristenthal.
Gallium Mollugo, bl. (im Bachgries) | 4000.4300°
Gentiana asclepiadea
D. Zirmjöchel (Ostseite).
Primula auricula, eben vblt.
Gentiana ciliata, bl.
Silene quadrifiola, bl. | 4300 — 6150".
Epilobium montanum, bl. |
Gymnadenia odoratissima, vblt.
= u —
E. Mandelthal.
Gentiana pannonica ? 5000-6000’.
Gentiana utrieulosa (auf der Mandelspitze 7402.
n nivalis detto.
Was nun die Gränzen der Waldungen und Legföhren
betrifft, so ersparen mir die auf den Verticalprojectionen
gezeichneten Gränzen alle weiteren Bemerkungen; es wäre
überhaupt schwierig im Gleirschthal diese Gränzen zu be-
stimmen, weil felsiger Boden gar zu oft die Waldbildung
unterbricht. Eine einzige Stelle etwas unter der Samer-
hütte lässt nördlich und südlich zugleich dem Waldwuchs
genügenden Boden zur Verfügung; der durch diese Stelle
geführte Schnitt zeigt (Nr. II) die beiderseitigen Vegeta-
tionsverschiedenheiten.
Die untere Gränze der Pflanzen anzugeben ist sehr
schwer, da dieselben oft sehr tief herabgehen, wo ein
Bach oder eine Lawine z. B. beim Wasserfall unter den
Mühlwänden oder beim Ausgang des grossen Jägerkar’s
den Samen oder die Stöcke selbst herabführt.
Der schmelzende Lawinenschnee, die Nähe des Baches,
der kalte Jochwind, der solche Bachufer doppelt stark
durchbläst, drücken die Isothere an solchen Stellen tief
in’s Thal hinunter. Auf Isochimenen kommt es bei Alpen-
pflanzen, die ganz im Schnee vergraben liegen, nur sehr
wenig an. Aber auch an Isotheren scheinen sie nach
unten zu wenig gebunden zu sein. Eine höhere Sommer-
wärme scheint ihnen häufig nicht zu schaden. So gedeiht
Primula auricula ganz gut am Narrensteige bei Tratzberg,
ja am Isarstrande in der Nähe von München. Die auf-
fallendste Modifikation bei Pflanzen, die durch Natur oder
Kunst in sehr warme Gegenden versetzt sind, zeigt sich
in der Blüthezeit, so dass man diese zur Bestimmung der
durchschnittlichen untern Gränzen benützen könnte.
N —
Dieselbe dauert für Primula auricula von den letzten
Märztagen bis zum September, an dessen erstem Tage ich
im Gleirschthal ein blühendes Exemplar antraf; es war
das letzte unter den zahlreichen Nachbarn, deren noch
vorhandene Kelche mit einzelnen welken Blumenkronen
bewiesen, dass die allgemeine Blüthezeit eben vorüber sei.
Der Annahme einer zweiten solehen — ohnediess bei der
ächten Auricula sehr selten — widerstrebten die "wenig
Schritte entfernten Lawinenreste.
Andere Pflanzen, z. B. manche Gentiana, scheinen
freilich bei einer gewissen Isothere die Gränze ihres Fort-
kommens zu finden; was übrigens vielleicht nicht bloss
von der gesteigerten Wärme, sondern auch andern physi-
kalischen und chemischen Einflüssen, die mit der Höhe
varjiren, herkommt, z. B. von Licht, Elektrieität, Häufig-
keit des Niederschlags ete.
Die obere Gränze der Alpenpflanzen variirt auf der-
selben Strecke weit weniger als die untere, gemäss. der
Natur oben genannter Umstände. Eine Vegetationsgränze
überhaupt findet sich im Gleirschthal nicht, da ‚die Gebirge
die Linie des ewigen Schnee’s nicht erreichen; wohl aber
wird der Pflanzenwuchs durch die Kahlheit des Bodens
sehr beschränkt.
IV.
ZUR
/ KENNTNISS DER. COLROPTEREN
INNSBRUCK,
wunnnnn
JOSER v. TRENTINAGLIA.
Über Coleopteren bei Innsbruck.
Da sich gerade Gelegenheit darbot, so benützte ich
selbe, um einige wenige Daten über das Vorkommen von
Coleopteren um Innsbruck beizufügen.
Dieselben können sich freilich keiner grossen Ausdeh-
nung und Anzahl rühmen, und als solche mögen sie auch
den Nutzen nicht gewähren, den solche Angaben, in’s
Grosse gezogen sonst darbieten; aber was ihnen in dieser
Beziehung gebricht, wird durch ziemlich grosse Genauigkeit
und Richtigkeit der Angaben ersetzt. Ich berufe mich
bloss darauf, dass ich mir die Kenntniss des Höhengangs
der Coleopteren im erwähnten Gebiete, ihres Vorkommens
und der Zahlenverhältnisse durch jahrelange genaue Be-
obachtung, fleissiges Suchen und Führung eines Catalogs,
in den ich jedesmal den Ort, die Höhe und den Tag ein-
trug, gewonnen habe.
Freilich konnte ich manche Arten, die ich gefunden,
nicht bestimmen, jedoch fand ich fast immer die Familie,
in die sie gehörten.
Obgleich ich als Beobachtungsfeld nur den Inngebirgs-
zug von Zirl bis Hall gewählt hatte und die hier vorkom-
menden Käfer behandelte, so glaube ich doch, dürften sich
zwischen hier und dem Öberinnthaler- und Unterinnthaler-
Gebirge jedenfalls Analoga finden lassen, da dasselbe
ziemlich gerne von O—W sich zieht. Ich spreche zuerst
vom Höhengang der Käfer, dann von den Zahlenverhält-
nissen und ganz zuletzt von dem periodischen Erscheinen
und Verschwinden derselben in der ganzen Umgebung von
Innsbruck.
Die Gränze der am höchsten hinaufsteigenden Fami-
lien ist wohl nicht so sehr von der Form des Gebirges,
als vielmehr von dem Vorhandensein der Vegetation ab-
hängig. Man findet oft in trostlosen Kalkrevieren noch
Species, von denen man wahrlich nicht weiss, wie sie
hieher gekommen und wie sie ihr Leben fristen (diess gilt
besonders auch von den ungeflügelten).. Es sind diess
verirrte Exemplare, die nicht viel-darthun, aber hin und
wieder Anhaltspunkte zur Bestimmung der Höhengränze in
die Hand geben, da sich gewöhnlich doch in. der Nähe
Alpenwiesen oder Rasenfleckchen befinden.
(Ich habe hier natürlich einige spezielle Familien, wie
die der Sylphae, Scarabaei, Carabi etc. vor Augen).
Ihr Höhengang fällt fast zusammen und lässt sich
meistentheils über die höchsten Alpenwiesen und Mähder
ziehen. Dass sie sich ziemlich an den Höhengang der
Vegetation halten, erklärt sich auch daraus, dass erwähnte
Familien sich grösstentheils im Dünger aufhalten und
daher auch an jene Plätze gebunden sind, wo das Alpen-
vieh hingelangt.
"Wieder andere Familien richten sich nach dem Höhen-
gang der Wälder, wie die Familien der Bupresti, Bostrichi,
einige Gattungen von Cerambices, Fam. Rhinosimi etc.,
|
|
|
|
.
[7
= ® =-
und ihre Gränze lässt sich daher mit der des Baumwuchses
ziemlich gleich ziehen.
Andere Familien halten sich an üppige Wiesen und
an die Thalflora, ihre Gränze fällt mit der der Thalflora
zusammen.
Das Vorkommen wieder anderer Familien hängt von
dem Vorkommen gewisser Bäume und Sträucher ab, die
bloss im Thale und an bestimmten Orten sich finden; ihre
‘ Verbreitung wird sich dann nach der dieser Bäume halten.
So sehen wir den Höhengang sowohl, als auch das Vor-
kommen der Käfer ziemlich abhängig von dem der Vege-
tation; nur dürfen wir nicht glauben, dass ein abnormes
Vorkommen von Pflanzen, Sträuchern und Bäumen allemal
auch ein abnormes Hinaufsteigen der Käfer bedinge. So
konnte ich über einer Höhe von 3500° nie Gattungen von
Hellodes, Capnodis, Ancilocheira, Scydmaeni, die sich sonst
regelmässig in Nadelwaldungen aufhalten, finden, obgleich
sich Nadelwaldungen ziemlich weiter hinaufziehen. Ich
kann daher fast mit Sicherheit behaupten, dass sehr viele
Familien oder Gruppen von Familien an eine gewisse
Höhe gebunden sind, und darüber nicht hinaus gehen.
- Von verflogenen Exemplaren ist hier natürlich nicht die
Rede.
Unter den im Innthale vorkommenden Familien steigen
folgende am höchsten hinauf:
Fam. Scarabaei, Fam. Silphae, Fam. Carabi, Fam.
Lathridis und Staphilini.
- Ich‘mochte ‚auf was immer für einer Höhe sein, sei es am
\ östl. Grate des Rumerjoches 6700‘, sei es ober den Zirler-
_ mähdern 6000— 7000‘, wo Vegetation war, fand ich gewiss
eine’ oder die andere Gattung dieser Familien.
= m =
Unter der Familie der Scarabaei fanden sich vorzüglich:
J Gattung Onthophagus mit 4 Arten.
5 Aphodkus Asapgka,
| R Troa Ar!
”
Unter der Familie der Sölphae fanden sich:
Gattung Silpha mit 3 Arten.
- = Necrophorus „ 1 „
| = Colon 2
”
Er
Y
Unter der Familie Carabi fanden sich vorzüglich:
Gattung Nebria mit 2 Arten.
” Carabus al 15
5 Dromius nu
= Anchomenus Bü
= Poeeilus SEE >
> Feronia SWOO-ER.
“4 Amara „ #? „ schwer zu bestimmen,
| , Harpalus Pa RE
> Stenolophus Yalnag
Trechus ndlikeres
| Bembidium 2.3
”
Jedenfalls die zahlreichste Familie im Gebirge.
Unter der Familie Lathredii fanden sich:
| Gattung Dathridius mit 1 Arten.
” Corticaria n 2
Unter. der Familie Staphilin? fanden sieh (sehr schwer
bestimmbar):
| Gattung Tachiusa mit 3 ? Arten.
= Homalota ING e
n Oxypoda n? ”
R Tachporus „ ? a
- Staphilinus
\ % Phylonthus.
Alle diese aufgezählten Familien und Gattungen finden
sich noch zwischen 7000’ und 4500".
| 5 Xantholinws (ich konnte bloss die Arten bestimmen)
en
Zunächst daran reiht sich die Familie der Cerambices,
auch eine der gattungsreichsten. Sie steigt so ziemlich
gleich mit der doldentragenden Flora, überhaupt den
Pflanzen und dem Laubholz hinauf. Ihre höchste Gränze
erreicht sie wohl unter den Zirler Gebirgsmähdern 5000,
und an den Alpenwiesen ober Mühlau und Arzl.
Am zahlreichsten finden sich:
Gattung Clytus mit 1 Art.
| Agapanthia nn |
| 14 Pachyta
vw 8
Grammoptera Ss
Daran reiheu sich folgende den Uebergang von der
Alpen- in die Bergregion so zu sagen bildende Familien:
Familie Byrrhi mit 1 Gattung und 4 Arten
£ Bostrich „ 1 = a
” Chrysomelae „ 6 5 Hund y
Coceinellae „ 2 u ze
Cleindelae „ 1 5 Be
Alle diese aufgezählten Familien sind in einer Höhe
von 4500—3000’.
Mehr an die Bergregion scheint sich die Familie der
Bupresti, Nitidulae und .Donaciae zu halten.
Die Bupresti sind im Gebirge, so weit ich’s durch-
sucht hatte (bis 2500’ herab), höchstens durch 2—4 Gat-
tungen vertreten. Wie weit sie hinaufgehen, ist wohl
schwer anzugeben, da diese Familien meist schwer be-
stimmbare Gattungen und Arten enthalten, was mich eben
hinderte, weiteres darüber zu sagen.
Den Uebergang von der Bergregion in die Thalebene
bilden folgende Familien :
Familie Aystri mit 2 Gattungen und 5 Arten
= Telephori 2 ” UN
> Cleri at = N
s Cistelae at = En
„ Cyphones 1 » 2: m
5*
ee
Dürfte man die Familien nach ihrer Vertheilung in
verschiedenen Höhen zusammenstellen, so möchte ich fol-
gende Tabelle beifügen :
Fast gar nichts; nur einzelne Species, die sich von den
; hie und da vorkommenden Alpenpflänzchen nähren.
8000’. | Anno 1858 5. Sept. am grossen Solstein
Aphodius Fam, Scarabaei, und
‚Feronia „ Carabi gefunden.
7000’. | Fam. Scarabaei ?_ Fam. Carabi.
6000°. Scarabaei - Carabi N
NR) . ” 2 unbekannte Familie.
5000° „. Scarabaei, „ Carabı, Fam. Silphae,
t „ Staphilini, „ Elaterides,
| „ Scanabaei, „. Carabi, „ Süphae,
„ Staphilin, „. Cerambices, „ Zlatheres,
4000'. „ Lathridü, „ Burrhi, „ Bostrichi,
I» Chrysomelae, „ Coceinellae, „ Cieindelae ? ?
„ Seawabaei, „. Carabı, „. Stüphae,
„ Staphilini, „ Cerambiees, „ Elateres,
„ Lathridü, „ Byrrhi, “„ Bostrieh,
3000'. „ Chrysomelae, „ Coceinellae, „ Micetophagt,
„ Dermestae, „ Malachti, „ Cleri,
„ Oureulionides, ,„ Donaciae, „ Helopes,
„. Oistelae, „ Oieindelae, „ ‚Ditisci,
„. Searabaei, „ Carabi, Silphae,
„. Staphalim, Cerambices, Elateres,
„ Lathridüi, „ Byrrhi, Bostrichi,
\ „ Ohrysomelae, „ Coceinellae, „ Micetophagi,
„ Dermestae, „. Malachi, „. Olen,
2000'. „ Oureulionides, .. Donaciae, „ Heloges,
„ Cistelae, „ Cieindelae, „ Dikiseci,
„ Hydrophili, „ Hustri, „ Telephor:,
„ Cyphones, „. Gyrini, „ . Tenebriones,,
„ Blapes, „ Cantharidi, „ Pirochroae,
„ Bupresti. „ Nitidulae, „ Oryptophagt.
FE 108
Als ich vor zwei Jahren die Ehre hatte, zu der Samm-
lung phänologischer Beobachtungen Einiges beizutragen,
las ich in der Beilage der Wiener Zeitung, dass derlei
Beobachtungen einen entschieden grösseren Nutzen bieten
würden, wenn sie durch Zahlen ausgedrückt wären.
Ich hatte schon einige Jahre früher Cataloge geführt,
in die ich fleissig alle gefundenen Familien mit Gattungen
_ und Arten eintrug, jedoch wagte ich es nicht diese An-
gaben zusammenzustellen, und daraus Verhältnisse und
Folgerungen zu ziehen. Erst jetzt, wo mir eine grössere
Reihe von Beobachtungen und vollständigere Sammlungen
von Innthaler Käfern zu Gebote standen, konnte ich, ohne
der Idee nachzuhängen, eine doch so schwierige Aufgabe
richtig lösen zu können, einen kleinen Versuch anstellen.
Natürlich werden sich viele 'Familien finden, von deren
- Vorkommen ich gar nichts weiss, und in dieser Beziehung
würde die Zusammenstellung bedeutend wunrichtig sein;
für’s erste jedoch beschränkte ich mich nicht bloss auf
die Gebirgsfauna, sondern berücksiehtigte im gleichen
Maasse die Thalsohle, so dass ich im nämlichen Verhält-
nisse die im Gebirge vorkommenden Familien und Gat-
- tungen mit ihren vermehrten Thalgattungen zusammen-
> stellte, und so, wenn auch sehr mangelhafte, doch nicht
- falsche Resultate gewann. Für’s zweite wollte ich in die-
sen Angaben nur die wichtigsten Gebirgs- und Thalfami-
_ lien aufnehmen, da eine erschöpfende Zusammenstellung,
ohne unklar zu werden, zu schwierig war. Zuerst möchte
ich die Zahlenverhältnisse der Käfer im Gebirge bis 3000°
herab, und zuletzt die der ganzen Umgebung Innsbrucks
in einem Umkreise von 3—4 Stunden angeben:
— 0
Zahlenverhältnisse der Käfer im Gebirge.
In einer Höhe von 3000-8000’ ergaben sich:
Familie Cieindelae 1 Gattung 3 Arten
„ Carabi 11 u 47
„ Ditisei Re PEN GE;
„ Silphae 3 nud SJürz
„ Staphilini Br ? 20)
Pe Cerambices 16. „ SDR,
„ Elateres 13 a 41
„ LDathridü I, 5
„ Byerhi TR 10,
„ Bostrichi 2 Guns
„ Chrysomelae 15270), TOD
„ Coccinellae 4 29
„ Micetophagi Ziulle ah,
„ Dermestae 4 A 13
„ Scarabaei 7 y 165%
„ Malachii 317. .0% 13,
„ Oleri 3 be Hrn
„ Cweulionides DIR ER TEEN
„» Donaciae 1 z 306,
„ Helopes 1 er Birth
„ Cistelae 2 gi 4 5
Am gattungsreichsten zeigt sich also:
Fam. Carabi, Fam. Ohrysomelae u. Fam. Ourculionsdes ;
am ärmsten:
Fam. Donaciae und Fam. Helopes:
Im Ganzen finden sich also:
21 Familien mit 114 Gattungen und 414 Arten.
>
Die Gesammtsumme um Innsbruck besteht also:
ohne die des Thales speciell zu schreiben.
Familie Cieindelae 1 Gattung 4 Arten
„. Carabi 28 u 115 5
„ Dytisei 4.70 1312B8R
„ Hydrophili 4 Y 11 2
» yrimi 1 » 2 »
» Sylphae 5 x 11 an
» Nitidulae 4 = 13 r
» Oryptophagi 5 2 16
„ Lathridiü 2 ” 14 ie
Micetophagi 1 5 SPHit.,
„» Dermestae 2 > 7 En
» Burrhi 2 e 12 =
Hystri 4 4 11 ”
Scarabaei 26 ” 70 A
» Bupresti 9 17 =
„ Elateres 18 is 72 5
» Telephori 5 an 17 c=
» Malachi 3 5 15
„ (leri 5 R 10 FR
» Anobü 3 % 9 &
„ Bostrichi 3 7 12 lan!
» Cureulionids 23 5 102 ®
» Cerambices 28 Rn 70
» Donaciae 1 a5 10 >
Chrysomelae 20 is 1131, 15
S
» Coceinellae 5 30 =
» Temebriones 2 a
» Opatri 1 » 2 ”
„ Blapes 2 ” 3 ”
„ Helopes 1 - 35
» Cistelae 3 n 5 Er
» Cantharides 3 en 6 Rs
» Oedemerae 3 E 7 +
» Purochroae 1 AR 2 5
„ Seydmaeni 1: = 4 =
„ Clavigeri 1 ” 1 n-
„ Staphalim‘
[2
9)
S
-
jeN
©
S
EN
9
_.
u
Im Ganzen also besteht die Gesammtzahl der Käfer
um Innsbruck aus,
37 Familien mit 220 Gattungen und 945 Arten.
Daraus lassen sich nun folgende Verhältnisse und
Vergleichungen zwischen der Gebirgs- und Thalfauna an-
stellen :
Im Gebirge Im Thale | Gattung | Arten
[ Boraszoe |: 2 | Cieindelae l=l:l | =: 1,8
Carabi : Carabi I De) =1:%6
Dytisei = Dytisei = bin — rn
Silphae = | Silphae I=1: 14 =1: 23
» | Zathridii S | Zaridi | = -— = 1:33
= Dermestae & Dermestae — Zurdd = 13:4
A Byrrhi ir Burrhi = tl; 12
- | Scarabaei 5 | Scarabaeı = 11m =1:4
3 en = J Elateres = 1:54 =1:2
A | Malachii e) Malachii = ui — 1:42
a Oleri 3 | Oleri =1:,00) =1:2
Bostrichi 2 Bostrichi —= 1 = 1:2
= | Cureutionides & Cureulionides = 1: 143 —=1:2
a | Cerambieides = Cerambieides = 1714 —
Donaeiae = Donaeciae — —=1:3
Chrysomelae R Chrysomelue = ini re a
Coceinellae = Coccinellae =eiduna = 1:13
| Stapnizni | R Staphidini Ns = 1:25
Daraus ergibt sich Folgendes:
Die Anzahl der Familien im Gebirge verhält
sich zu der im Thale, wie 1: 22.
Die Anzahl der Gattungen im Gebirge verhält
sich zu der im Thale, wie 1238.
Die Anzahl der Arten im Gebirge verhält sich
zu derim Thale, wie 1: 3,6.
Mir —
Hieraus könnte man, wenn auch nicht mit Sicherheit,
doch mit viel Wahrscheinlichkeit folgern, dass sich die
Familien am wenigsten, die Arten am meisten im Gebirge
verlieren, und von den meisten Familien sich dort bloss
Repräsentanten finden.
Schliesslich möchte ich noch das Resultat 5jähriger
phänologischer Beobachtungen angeben.
Der besseren Uebersicht halber ordne ich alles nach
Monaten, wie folgt:
Monat
Jänner
Familie Scarabaei 2 Gattungen 5 Species | Anno
Februar » Carabi ] = wer;
Anno 1858 bloss eine Gattung von Scarabaei und
2 Arten.
+ jr Familie Cieindelae } Gattung 1 Species
2 y Carabi 3 3 5 A
im $ Silphae 1 4 Mei;
2; 3 Scarabaei 3 4 ee:
März = | $ Cureulionides 1 4 I a
$ Staphilini 2 d ee
Anno 1855 und 1856 zeigten sich nur die Fam. der
Carabi und Scarabaei.
Anno 1858 zeigten sich auch Elateres.
‘ Familie Cieindelae 1 Gattung 2 Species
$ Carabi 3 3
_ ” Cleri 1 y E ”
5 2 Dytisei 1 en ie
- “ Sılphae 1 - 2 9 ”
. = Scarabaei 4—5 „ I 2
April |3| ” ZEilateres 2.4 93”
m w Cureulionides 1 4 RE
% Coccinellae 1 „f in,
Staphihini 2 R| We:
”
Anno 1855 und 1856 fast gleich.
Anno 1857 zeigten sich weniger Carabi und keine
Coceinellae.
*
. A
Familie Cieindelae 1 Gattung 3 Arten
4 Carabi 5 = RER
= “. Dytisei (212%, Taıhy
s % Sylphae 2 5durt
@ | A Burrhi * 1 sruäiägr
kam) 3 Scarabaei 5 24 20
Monat | R se Elateres 3 f: 3 ®
Mai x Cwreulionides 4 3 SER
a & Cerambieids 2 DE,
< % Chrysomelae 1 : Di
| „ Coceinellae EN BUN,
A Staphilini 5 = 197
Anno 1857 und 1858 erschienen fast keine Cerambices.
Familie Oteindelae 1 Gattung 4 Arten
| ” er R „ Br 9) b))
ä ytisci ? ’
.ä r Hydrophili 3 8 \ 5
3 ” Sylphae 4 T 7 E2
"&b 23 Nitidulae 1 “ Dr m
27 re Dathridii 1 m 7 N
& „ Dermestae 1 ” 1 ”
2 „ Byrr ‚hi 1 » 2,
& 4 Buystri 1 a Se
E- b Scarabaei 13 n HEN’,
N E ” B up westi 2 ” 7 ”
| = ” Elateres 7 a 45
S Tte Telephori Br. N
Juni S x Malachii 1 N DRS:
jr | e Cleri 2 22 D.FS
2 4 Bostrichi 2 a; 5
- 5 Cureulionides 14 14 le
B R Cerambicides 12 $ 35:
= 3 Donaciae 1 £ 12.
= E Chrysomelae 12 h 55T
F K Coceinellae 2 N 129 77
& = Tenebriones 1 a5 De
5 Opatri 1 ” ee
3 „... Blapes FL ons Dunn
< = Helopes 1 2 17
= Cistelae 1 5 2
| Clawigeni au re
| "> Staphiim 13 \ Piz
Familie Ckcindelae 1 Gattung 4 Arten
+ ” Carabi 15 » 30%
2 ” erscı 3 & I er
r - x ydrophili 3 A en
Juli e N Grein nr. RE
>! = Sylphae 4 = au
rg „ Mitidulae fh and 8,
„ı Oryptophag 2% &.
De, m
Familie Datridü
1 Gattung 6 Arten
| n Micetophagi 1 5 1
| n Dermestae 1 e: 3
| = Burrhi 1 5oR
| u Huystri 2 „ 5 de
Scarabaei 17 m 2 San
| „ Bupresti 6 E 12: 8
r = Elateres 14 5 60. 35
| % Telephori 3 > 2 a
” > Malachü 2 = Ee.:
L Cleri 3 3 6 =
5 $ Anobü 1 2 2lu1f
Kr „ Bostrichi 2 INS
Monat | Pr } > Ciweulionides 19 “ Er
o ] e Cerambices Sum 60.5
Iulı =] A Donaciae 1 ® 1,
n Chrysomelae 15 5 0 „
= Coeccinellae 2 5 20,7 3
| rn Tenebriones 1 e Zn
# Opatri 1 : BR --
„ Blapes Korsiy Asch,
x Helopes 1 F 1,55
u Cistelae 2 & 2.
3 Cantharides 2 = 4 „
7 Oedemerae 2 = Daher
Seydmaeni 2» Ya Bis 5
Clavigeri 1 E TV. .&
„ Staphilini 1 gar
Anno 1856 und 1857 gleich; anno 1858 zeigten sich
wenigstens um 9—10 Familien weniger.
| Familie Cieindelae 1 Gattung 2 Arten
er Carabi 14 5 Da
m Ditisei 4 = 12,54
„ Huydrophili 3 5 ren
Gyrini 1 > E28
Pr Sulphae 5 M 10
5 Dermestae 2 > Nr
+ » 2
En Byrrhi 2 E 3
7 „ Huystri Me 17.2
3 | „ Searabaei 3, 62 „
August |” „ Bupresti ee 14.8
eo] , Zlateres 6. 4,
= „ Telephori 2; 1374
I = Curculionides 20 = Eae
< - Cerambices 25 =%E EINE
zu Donaciae 1 DE a
3 Chrysomelae 12 n ARTE
ia Coccinellae 1 a ur
z Blapes 1 = Kr
a Cistelae 2 5 4 55
= Cantharides 3 e 6
Staphilini 20 - 100,
Anno 1356 und 1858 gar keine Cantharides und wenig
Bupresti.
= wen
' Familie Carabi + Gattungen 10 Arten
„ Ditisei Ei RER
Monat ] „ Sulphae 2 4
A 5 Hystri 1 403
“ September „ Searabaei a | 29
; Elateres 5 h 3,
Staphilini g a Te
| Familie Sylphae 1 Gattung 1 Art
Oktober L Scarabaei 2 ı 4 Arten
| Staphilini 5 A Syrrmg
November } Familie Staphilini l Gattung 2 Arten
Ohne die daraus zu ziehenden Resultate zu wieder-
holen, bemerke ich bloss, dass im Monat Juli sich immer
am meisten Familien und Gattungen gezeigt, und dass,
wenn sie da nicht erschienen, später ihr verspätetes Er-
scheinen nicht durch mehrere Gattungen ersetzten. Gegen
den Herbst verschwinden Familien und Gattungen viel
schneller (um %,) als sie im Frühjahre erschienen sind.
Josef v. Vrentinaglia.
ZUR
FLORA TIROLS.
VON
Dr. CHRISTIAN BRÜGGER.
Ar
KITZIABI ‚ad
VORWORT.
Der Ausschuss des Ferdinandeums übergibt den
verehrten Mitgliedern der Anstalt und allen Freunden
der Wissenschaft das Bruchstück eines botanischen
Werkes von Herrn Dr. Brügger.
Unvorgesehene Zufälle haben seit längerer Zeit
den Abschluss des Druckes gehemmt. Der Schluss
dieser trefflichen Arbeit soll unmittelbar veröffentlicht
werden, wenn das Manuscript, wie wir es im Interesse
der Wissenschaft aufriehtig wünschen, fertig vorliegt.
Innsbruck 12. März 1860.
Der Ausschuss des Ferdinandeums.
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0081 sı£M ‚SI Asantdssel
emsbnsaihryT ob aaudyaauk ol
Classis 1.
Dicotyledoneae. .
I. Thalamiflorae.
Ranunculaceae Juss.
1. Atragene alpina L. Unter-Engadin: awi-
schen Strada u. Remüs 3300 — 3700° Thonschiefer (Brügg.) -
Ober-Engadin: auf dem Albula (J. Gesner! Mor!); bei Bevers
(Krätt.); ob Cellerina auf Kalk 5400 — 5600’ (Brügg.) ; ober-
halb: St. Moritz am Wege nach der Celleriner - Alp (Kalk)
bis an 6000° (Mor! Brügg.); bei Sils — wo Kalk auftritt —
5600 — 5800’ (Dr. J. G. Brügger in Samaden). Münster-
thaler Berge (schon nm’s J. 1565 Joh. Bauhin! Rösch)).
Im benachbarten Mittel- Bünden: in Avers u, Ferrera bis
3900° herab (Mor! Brügg.); bei Bergün (J. Schlegel) ; Al-
veneu auf triass. Kalk u. Dolomit 3700° (Mor! Dr. Kriech-
baumer! Brügg.) ; Churwalden auf kalkreichem Thonschiefer
auf dem „‚obern Berg“ 5000’ u. am „‚Kebelischüggeli‘‘ 4500°
(Brgg.); steigt aber in den Felsklausen des Passes ‚„‚Schyn‘‘
- bis 3000° u. im Thale Domleschg sogar bis 2200‘ bei Schloss
Baldenstein au der Albula (Brügg.), bis 2000° bei Rothen-
brunnen (Mor!) u. der Fürstenauer-Zollbruck (Brgg.). St.
‚Antönien-Thal, am NW-Rande der Centralmasse des Selvretta,
1
2 Ranunculaceae
im nordöstl. Bünden (Hegetschw‘!) ; um Luzein im Prätigau
(Storr!). Dieser u. der Standort bei Rothenbrunnen scheinen
in der Schweiz die äussersten Vorposten gegen NW zu sein;
der Rhein u. Hinterrhein — in der südwestl, Verlängerung
des obern Stromlaufes des Lech’s, der in den bayrischen u.
nordwestlichen Tiroler-Alpen ihre W u. NW-Grenze bildet
(vgl. Sendtner ‚‚Vegetverh. Südbayerns“ p. 198 u. 722, Bar.
v. Hausmann Fl. v. Tirol p. 3) — stellen in Graubünden die
NW-Grenze dar für den Verbreitungsbezirk dieses schönen
alpinen Schlingstrauchs‘, der auch in den rhätischen Central-
alpen mit Vorliebe das Kalk- und kalkreiche Schiefer-Gebirg
bewohnt u. westwärts erst an der äussersten südwestlichen
Ecke der Schweiz (am Mt. Saleve b. Genf) am West-Rande der
nördl. Kalkalpen-Zone wieder auftaucht. — Die seltene Va-
rietät mit weisser Blüthe an der Südseite des Splügen: nach
B. Dick!
2. Thalictrum aquilegifolium L. 3. atro-
purpureum (Jacgq.) v. Hausm. die kleinere, gedrungenere,
bunte Alpenform (Th. a. 3., alpigenum m. hb.). Unter-
Engadin: bei Fettan 5000. Ober-Engadin: um Silvaplana,
Surleg, Sils 5600 — 5800° nicht selten. Im benachbarten
Hochthale Avers über Juf 6600 — 6800° (Brügg.); ob Hin-
terrhein im Rheinwald 5—6000° (Mor!). Die Art (Form
der Ebene u. Bergregion) zunächst am Bergünerstein u. am
Eingang in’s Ferrera-Thal ob Bärenburg 3800 — 4000° u. a.
0. (Brgg.), im Bergell (Mor!).
3. Th. alpinum L. Unter-Engadin: im Hinter-
grunde des Scharl-Thales am Pass (Joata) nach Münsterthal
_ (Tschierfs) häufig, von Muret i. J. 1837 zuerst u. später auch
von Andern gefunden ; ‚auch unter der Buffalora-Spitze auf
der Seite vom Ofen (Fuorno)‘‘ zwisch. Zernez u. Münsterthal
(Mor!). Westlicher noch nicht beobachtet. (Die Standorte
im angränzenden Tirol: Wormserjoch, Paznaun ete. vgl. in
Bar. v. Hausm. Fl. v. Tir. p. 4 u. 1394). Findet in unserm
Gebiete seine SW Vegetationslinie. -
Ranunculaceae 3
4. Th. foetidum EU. Unter-Engadin : von Pfunds
durch die Finstermünz u. an der linken Thalseite bis Martins-
bruck 3200’ gemein , sodann zerstreut bis Tarasp (Brügg.)
— 'Tarasper - Schloss 4650° (Richter J. Lorez in Chur) —
u. Ardez (,,Steinsberg, bei der Brücke über den Inn*“‘: Dr.
Jac, Papon v. Chur) 4600°. Wormserjoch u. Vintschgau
(Hausm.). Im anstossenden Mittel-Bünden: in der Viamala
hinter Thusis auf Thonschiefer mit Kalk 2500 — 2900’ nebst der
var, 9. glabrum Koch!; dann weiter oben im Hochthale Avers:
beim Ausgange von Val-di-Lei unterhalb Campsut 4800’
(Kalk) und bei der Brücke über den Averserbach unterhalb
Cresta 5570‘ Thonschiefer (Brügg,). Weitere Standorte aus den
rhätischen Alpen und der übrigen Ost-Schweiz sind nichtbekamnt.
>. Th. sylvaticum Hoch. Unter- Engadin:
an der Grenze bei Finstermünz 3000’, von Martinsbruck bis
Remüs u. Schuols 3800’ da und dortin Gebüschen, auf Thon-
schiefer (Brgg.).
Eine hinlänglich ausgezeichnete Pllanze „„mit 2— 5‘ hohem, hin
u. her gebogenem , verhältnissmässig dünnem, oben weitschweifig-
verästeltem Stengel, saftgrünen weichen (wie bei T. aquilegifol.)
verkehrteiförmig-keiligen vorne eingeschnittenen Blättchen der viel-
fach zusammengesetzten Blätter, rundlichen Blattstielen, “Ausläufer
treibender Wurzel, sitzenden, geraden „ längsfurchigen Früchten‘*
elc., welche nach den Diagnosen von Koch u. F. Schultz am ehesten
obigen Namen verdiente. Da ich jedoch nur Fruchtexemplare (Ende
August) u. diese nur vorübergehend beobachtet habe, werde ich die
Pflanze behufs genauerer Untersuchung u. Vergleichung nicht aus dem
Auge verlieren, — T. sylvaticam Koch wurde von F. Schultz auch
im Centralalpen-Gebiete Kärnthens bei Heilig-Blut gefunden.
6. Th. mimus L. Koch. Oberinnthal: zwischen
Ried u. Tösens. Unter- Engadin: um Fettan und in Val-
- Tasna 4800 — 5000. Ober- Engadin: um Bevers u. Sama-
- den, Cellerina, 5300 — 5500’, St. Moritz 5500 — 5800’ ge-
mein, Silvaplana u. Campfer 5700 — 5900’ (Brügg.). Hier
nicht selten auch mit einem an der Basis beblätterten Stengel,
welche zufällige ‘Abänderung Koch ,‚,Th. Jacquinianum‘‘
“ 41*
4 Ranunculaceae
nannte, Im angränzenden Mittelbünden: unterhalb Campsut
4800‘ u. Cresta (neben Th. foetidum !) »5600° in Avers;
zwisch. Tinzen u. Rofna 4000‘ im Oberhalbstein (Brügg.).
Vertritt in der Höhe von 4—6000° das ,‚Th. sylvaticum‘
der Bergregion.
%. Anemone Hepatieca EU. Steigt bis in’s
Ober-Engadin: in Weidengebüsch ob St. Peter bei Samaden
wenig zahlreich SO c. 5500° (Engelhardt Brügger!).. In
Mittelbünden beobachtete ich sie selbst bis 5000° in lichter
Bergwaldung am ‚‚obern Berg“ zu Churwalden:
s. A. vernalis L. Ober-Engadin: um den Sauer-
brunnen von ‚St. Moritz 5480‘ (Dr. J. G. Brügger in Sama-
den); um Surleg bei Silvaplana 5600 — 5800° von mir, auf
dem Piz-Hot (Granit) über Samaden bei 8000° von Moritzi
beobachtet; eine var. böfloru (fore altero serius evoluto) fand
s. Z, Lehrer Engelh, Brügger einmal im Walde zwisch. Cresta
u. St. Moritz 5400 — 5700‘. Im benachbarten Oder-Vintsch-
gau: Alpen bei Prad etc. (Hausm.).
9. A. sulfurea EL. Häufig auf Gneis, Horn-
blende u. Granit im Ober-Engadin: ‚im Arvenwald bei St,
Moritz‘ 5500 —7000° (Heg!), um die Sauerquelle von St.
Moritz (Dr. J. G. Brügger) , um St. Moritz u. Campfer (Dr.
Luzius Brügger), Surleg bei Silvaplana N 5600 — 6000° von
mir beobachtet; hier überall ohne die weissblühende A. alpina
L. Dessgleichen im angränzenden Vintschgau (um Prad,
Laas etc. vgl. B. v. Haysm. 1. c. p. 10). Auf den mergelig.
Thonschiefer-Gebirgen Mittelbündens (z. B. um Churwalden,
in den Maiensässen auf Brambrüsch an den Spontisköpfen
südwestl. über Chur, am Heinzenberg, Piz-Beverin, 5 — 6000°)
findet man die schwefelgelbe und die weissblühende Alpen-Kühen-
schelle zahlreich neben u. durcheinander wachsend, ohne die ge-
ringsten Debergänge von der einen in die andere (wie solche
etwa von dem blauen Crocus vernus in den weissen bei uns
in allen Schattirungen überall häufig sind) bemerken zu kön-
nen; A. sulfurea ist aber bei weitem die häufigere. Aehnlich
2
.
2
“
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Ranunculaceae 5
verhält es sich (auf der Schlern- u Rittner-Alpe) bei Bozen
nach B. v. Hausmann, in Vorarlberg (am Zeinerjoch zwisch,
Paznaun u. Montafon auf Gneis u. Glimmerschief. nach den
geolog. Karten, in der Dornbirneralpe auf Kreide-Kalk) nach
Pfr. Rehsteiner u. Dr. Sauter. In den bayrischen u. Algäuer-
Alpen wächst nach Prof. Sendtner — im schweizer. Jura nach
Moritzi, bloss die weissblühende Pflanze; aus dem nördlichen
Bünden und den übrigen nordöstl. Schweizer-Alpen kenne ich
ebenfalls nur diese und weder Exemplare noch hinlänglich
gesicherte Angaben von A, sulfurea; auch Hegetschw. hatte
letztere „‚bloss auf Urgebirge‘‘ gefunden. — Nach Sauter soll
eine Form (Puls. grandiflora Hoppe) der weissbl. A. alpina L.
auch am Pizlat (Kalkgebirge) an der Grenze des Unter-
Engadins vorkommen.
Gestützt auf "diese Thatsachen: wonach A. sulfurea L. einen
eigenthümlichen von demjenigen der A. alpina L. (Pulsat. alba u.
Burseriana Rchb.) unabhängigen Verbreitungsbezirk hat, indem jene
auf den kiesel-, kali- (u. thon-) reichen kristallinischen Gebirgs-
massen der Centralalpen — diese auf den kalkreichen neptunischen
Gebirgen der sog. „Kalkalpen“-Zone ihr Verbreitungscentrum zu
haben scheint, ohne dass die eine oder die andere Form — sowenig
als die ihnen nothwendigen jeweiligen Mineralstoffe (wovon Kalk
für A. alpina L., kieselsaure Alkalien oder Kieselerde für A. sulfurea
L., als vorherrschende Bodenbestandtheile, Lebensbedingung zu sein
scheinen) — ausschliesslich auf eine dieser beiden Zonen beschränkt
wäre; wornach ferner auf dem, sowohl in orographischen, physikali-
schen und chemischen als auch in den davon abhängigen Vegetations-
Verhältnissen als vermittelndes Bindeglied zwischen „‚Neben“*(Kalk)-
Zong u. „„Mittel(Gneis)-Zone‘* erscheinenden, kalk- u. quarzreichen
Thonschiefer-Gebirge (Mittelbündens) beide „‚„Formen‘* unter gleichen
äussern Verhältnissen neben einander wachsen, ohne im mindesten
ihre Eigenthümlichkeiten einzubüssen, welche ausser der constan-
ten Farbenverschiedenheit der Blüthen auch in den verschiedenartigen
Wurzelblättern (mit stumpfern breitern Läppchen) u. der dichtern
Behaarung des Fruchtschweifes bei A. sulfurea L., bestehen — —:
Ä im Hinblicke auf alle diese wichtigen Momente glaube ich, nach dem
heutigen Standpunkte der Pflanzengeographie u, Systematik, in Linne’s
A. sulfurea eine von A. alpina L. spezifisch verschiedene, hinläng-
ee" Ranunculaceae
lich begründete ‚eigene Art anerkennen zu müssen. Analoge, bis-
her grösstentheils verkannte Verhältnisse bei andern Pflanzengattungen
(z. B. Papaver, Draba, Geranium, Anthyllis, Erigeron, Galeopsis etc,)
werden wir im Laufe dieser Arbeit noch öfters zu betrachten haben.
Die Pflanzenart, wie jedes organische Wesen, will in ihrem Gesammt-
auftreten in dem grossartigen tausendfältig in einandergreifenden
Organismus der Natur, in ihrem Gesammitverhalten zu den unendlich
mannigfach und, mächtig auf‘ sie wirkenden Faktoren und den .da-
durch bedingten. Verhältnissen der Aussenwelt, kurz in ihrer ‚ge-
sammten Zebendigen Erscheinung als Zebender abhängiger Mikrokos-
mus im Zebendigen Reiche der Natur — aufgefassi u. be-
griffen sein, um richtig beurtheilt werden zu können. Am wenig-
sten gewiss liegt das Wesen der Art in jenen einzelnen oft so
minutiösen, nur allzuoft rein zufälligen u. willkürlich gewählten, nach
wenigen todten, Jahre lang im Staube der Herbarien begrabenen,
zerquetschten, gebrühten, zerbrochenen, zerknickten, zerfressenen,
gebratenen u. auf alle mögliche Weise verunstalteten u. verstümmel-
ten Exemplaren oder ganzen u. halben Bruchstücken von einem, wer
weiss unter welchen günstigen od. ungünstigen „ Verhältnissen auf-
gewachsenen Pflanzenindividuum zusammengekünstelten , sog. „,we-
sentlichen‘‘ oder diagnostischen ‚Kennzeichen der Art‘“, die sich mit
ihrem trügerischen Scheine „‚logischer Schärfe‘ u, „„mathematischer
Gewissheit‘“ in den Büchern meist viel besser ausnehmen „als sie in
der lebenden Natur — die so wenig scharfe Grenzen als „‚Sprünge
macht‘ — sich bewähren. Wiewohl eine gewisse Richtung — für
welche der Gesammt-habitus einer Pflanze nicht existirt — in der
heutigen systematischen Botanik zu glauben scheint, jene „‚Kenn-
zeichen‘“ allein bedingen den Werth oder Unwerth der Pflanzen-
species — : meine gewonnene Ueberzeugung hält es mit dem Er-
fahrungssatz des grossen Schweden: ,,‚Species dabit characterem,
non character speciem !**
10. Adonis aestivalis EL. Unter - Engadin
(Pol!): bei Sins u. Tarasp (Lorez), bei Schuls (Krält.), um
Fettan 4900° (Hr! Roland!). Vintschgau: bei Taufers 3700°
(Viehweider!). _Mittelbünden: bei Tiefenkasten, im Dom-
leschg u. anderwärts (Brügg.).
11. Ranunculus pantothrix DE. Ist mir
im ‘obern Innthale in folgenden Formen vorgekommen :
P} -
Ranunculaceae 7
a. R. paueistamineus Tausch. Koch! Florib. mi-
norib., staminib. 5— 12, ovariorum capitulum superantibus,
receptaculo subgloboso. — Oberinnthal: in einem Wasser-
graben auf den Sumpfwiesen am rechten Innufer bei Prutz
2750, d. 23. Augst. 1853.blüh., (Brügg.). Der „‚R. aqua-
tilis°‘, welchen Prof. Heer im Ober-Engadin angiebt , sowie
eine Pflanze, die ich bloss steril am Ufer des Campferer-
See’s 5560 bei der Halbinsel (,,il Piz‘‘) fand, müssen hieher
oder zu den folgenden Formen des R. pantothrix DC. gezogen
werden. Im anstossenden Mittelbünden findet man diese Form
an der Julierstrasse in Gräben am Ausgange des Marmelser-
Riedes im Oberhalbstein ec. 5000’ (Brgg.); u. in halb aus-
getrockneten Teichen auf der Lenzerhaide 4600’ eine forma
terrestris.
b. R. (Batrachium) micranthus (Brgg. mse.).
„‚Floribus minimis, staminib. ovariorum capitulum subaequan-
tibus superantibusoe, receptaculo conico ; carpellis junioribus
laevibus, subpilosis, stigmatib. sublinearibus“‘. Von R. Rionü
Lagger (nach der Diagnose in „,Flora‘“ 1848 No. 4) scheint
unsere Pflanze nur durch die sehr kleinen Blüthen, etwas län-
gern Staubgefässe u.- glattern Früchtehen — also etwa in
gleichem Grade wie jener von R. paucistamineus Tsch, —
verschieden zu sein. — In Wassergräben im Ober-Engadin:
am Inn bei Samaden 5300’ in grosser Menge, d. 16. Sept.
1853 eben in schönster Blüthe mit jungen (kaum reifen)
Früchten (Brgg.).
c. R. oligocarpus (Brgg. mss.). „‚Flor. e minoribus
Batrachiorum; staminib. sub — 10— 12 ovariorum capitulum
subaequantib. superantibusve,, receptaculo ovato — econico ;
carpellis. reticulato — subrugosis hispidis glaberrimisve, in
capitulo 20— 45, stigmatib. oblongis 1. oblongo — lanceo-
latis; alabastris globosis; foliis Jongepetiolatis.‘“ Ein weiteres
Bindeglied zwischen R. paucistamineus u. R. Rionii, von
welchem sich unsere Pflanze durch die längern Staubfäden
(welche bei R. Rionii kürzer als das Köpfchen der Frucht-
s Ranunculäceae
knoten), die wenigern Carpellen der Fruchtköpfchen (bei R.
Rionii oft 80 —90 in einem capitulum , während ich bei R.
oligocarpus gewöhnlich nur 20 — 30 nie mehr als 45 Frücht-
chen in einem Köpfchen vereinigt fand). die Narben (B. Rionii
hat ‚‚stigm. linearia‘“) u. Blüthenknospen (die .‚alabastra‘‘
von R. Rionii werden ‚‚depresso-globosa‘‘ genannt) hinläng-
lich unterscheiden würde, wenn diese Merkmale sich als be-
ständiger erwiesen als diejenigen , wodurch man R. paueista-
mineus, R. Rionii, R. Drouetti, Godronii u, a. zahlreiche
ähnliche Formen dieses polymorphen Batrachien - Geschlechts
künstlich zu ‚‚Arten‘‘ stempeln wollte, als ob sich die Natur
solche Gesetze (resp. ,„‚Diagnosen‘‘) vorschreiben liesse —
von denen, die sie von ihr zu empfangen u. zu lernen hätten.
Diese Form beobachteie ich im Ober-Engadin: in Wasser-
tümpeln zwisch. Ponte u. Bevers ; ob Samaden 5400 — 5500’
in Gesellschaft von Polygonum amphibium 3. coenosum den
27. Aug. 1853 blüh., den 16. Sept. mit Blüthen u. zahl-
reichen Früchten ; im Leg-Uvischel u. dessen Ausfluss bei
Surley nächst Silvaplana 5570’ noch den 6. Octob, 1854
schön blühend.
Eine wahrscheinlich hieher gehörige, durch den Standort modi-
fizirte' Pflanze ‚mit stumpfkantigem, röhrig-aufgetriebenem , etwa 2°
langem ‚schwimmendem Stengel, sehr kurz gestielten Blättern, deren
„‚lobi filiformes‘“ sich‘ ausser Wasser nicht (wie bei den vorigen)
pinselartig zusammenlegten, sondern (wie etwa bei R. paucistamin.
/? terrestris) starr nach allen Seiten auseinanderstanden (ohne , wie
bei R. divaricatus , eine kreisrunde Blattfläche darzustellen) u. von
gelblich-grüner Färbung des Krautes (das bei b. u. c. saftig-dunkel-
srün)‘* — — beobachtete ich bloss im Fruchtzustande (d. 27. Augst.
u. 16. Sept. 1853) spärlich in seichten Tümpeln zwischen Bevers u.
Samaden,5300° in Gesellschaft von Ran. reptans, Callitriche vernal.
alpina, Alopecurus fulvus. — Es: ist beachtenswerth, dass — während
sonst durch das ganze Pflanzenreich Alpenformen u. alpine Arten
sich von ihren Schwestern u. Verwandten des Tieflandes durch
grössere ansehnlichere Bliüthen (wenn auch auf Kosten der Vege-
tationsorgane) durchgängig vortheilhaft auszeichnen, — dieses Gesetz
bei unsern in den höhern Regionen (des Engadins) angesiedelten
i Ranunculaceae 9
wasserbewohnenden Batrachien eine auffallende Ausnahme erleidet,
indem diese, eben durch ihre ausserordentlich kleinen Blümchen (zu
denen sich nur bei R. oligocarpus meist ein ebenso schmächtiger
Leib gesellt) gegenüber. ihren Schwester - Formen der Ebene (R.
pantothrix (genuin.), R. aquatilis (heterophyli.), R. divaricatus u.
fluitans) zuerst am meisten auffallen. Aber diese Ausnahme steht
nicht vereinzelt da. Bei der Alpenform der Aygrophilen Parnassia
palustris (mit 2—3mal kleinern Blüthen u. kaum fingerslangem
Leib); die ich auf den Hochmooren am St. Moritzer -See 5500‘
schon am 22. Aug. 1850 blühen sah, wiederholt sich dieselbe; auch
von Prof, Sendtner (vgl. dessen ‚‚Vegetvhltss. Südbayerns‘‘ p. 290)
beobachtete Erscheinung! — Dessgleichen bei Ranunculus reptans L.
u. a. wasserliebenden Pflanzen.
12. Banuneulus rutaefolius L. (Callian-
themum coriandrifolium Rchb.). Ober-Engadin: auf dem
Levirone (dem Bergübergang von Camogask nach Livino) auf
Humus mit kalkiger Unterlage 7 — 8000’ (Mor! Hr!); auf dem
Septimer (Haller!).
Letztere Angabe bedarf um so mehr der Bestättigung ‚.als der
grosse Haller seldst nie in Graubünden Pflanzen gesammelt hat, son-
dern dieselben durch seine Schüler u. Freunde (J. J. Huber, J. Dick,
Ab. Thomas) von daher erhielt, wobei bisweilen wohl leicht Unrich-
tiskeiten in den speziellen Lokalitäts-Angaben mit unterlaufen konn-
ten. ‘Alle bekannten Standorte von R. rulaefolius sowohl im Schwe-
sterland Tiro2 (vgl. B. v. Hausm..l. e. p. 15) als in der übrigen
Ost-Schweiz (in Mittelbünden : auf dem Weisshorn bei Chur (Heg!)
u. in der Alpe Arosen am Piz-Beverin (Felix!):; in den südlichsten
St. -Galler-Alpen: im Calfeuser -Thal (Sal.-M!), u. den Walliser-
Alpen liegen — soweit wir sie kennen — im Kalkgebirge oder.
doch auf einem kalkigen Substrat: R. rutaefolius L. ist also Kalk-
pflanze d. h. er braucht zu seinem Fortkommen einen kalkreichen
Boden (dessen vorwaltender Bestandtheil kohlensaurer Kalk ist), wie
man ihn am ganzen, in Choritschiefer, Serpentin, Glimmerschiefer
u. Gneiss eingeschniltenen Septimer (,‚Mons septimus“)-Pass kaum
findet. Die nächsten bedeutenden Kalkmassen treten östlich von
diesem altberühmten Alpenübergange auf: in dem hohen zerklüfteten
'Gebirgskamme, der sich von demselben — nördlich über dem Silser-
See — zu seinem ebenbürtigen Nebenbuhler, dem noch von Celti-
schem’ Sonnengottes-(Joul’s)dienst träumenden Julier-Berg , hinzieht
10 Ranunculaceae
und, seitdem unser unermüdliche treffliche B. Studer mit seiner all-
bekannten Gründlichkeit u. Klarheit die ebenso verwickelten als in-
teressanten geognostischen Verhältnisse dieser Gebirge erschlossen
hat, unter dem Namen der ‚„@ravesalvas-@Gruppe‘‘ bekannt ist —
bei dem hoch auf einer Terasse des südlichen Abfalls derselben etwa
6100° hoch gelegenen Hof Gravesalvas (oder ‚‚Cräves-alvas‘‘, wie
man in Sils spricht, d. h. „„weise Geröllhalden“‘, die sich in grosser
Ausdehnung bis an die Ufer des Silsersees herabziehen), zu welchem
man vom „‚Hospiz‘‘ auf dem Septimer (7140°) auf beschwerlichen
Gebirgspfaden neben dem kleinen dunkeln Longhin - See vorbei —
der schon von den Alten mit besonderer Vorliebe als die eigentliche
Innquelle, nahe an Zuflüssen des Rheins u. des Po, gefeiert wurde
— in 2—3 Stunden gelangt. In noch etwas grösserer Entfernung
stösst man vom-Septimer-Uebergange westlich in.den Gebirgen von
Avers (ob Juf und Cresta) auf die ersten Kalklager, die sich weiter
gegen das mittlere Bünden hin zu mächtigen Kalkgebirgen entwickeln,
Auf Grävesalvas, den Averser- und den südl. Unter-Engadiner-Alpen
würde man wohl nicht erfolglos den R. rutaefolius suchen.
13. R. slacialis EL. Höhere Ober-Engadiner-Alpen :
z.B. im Beverser-Thal (Krätt.) u. anderwärts ; auch die Form
R. gl. holosericeus Autor. (Dr. Killias in Chur). In den
benachbarten Alpen von Poschiavo, wo die Pflanze unter dem
Namen „‚Erba da Camosch‘‘ (Gemskraut) allgemein bekannt,
u. getrocknet als „„magenstärkendes‘‘ Hausmittel zu Theeauf-
güssen gebraucht wird! (nach Apotheker S. Bernhard in Sa-
maden, dessen Gefälligkeit ich zugleich eine Probe dieses
„„Gemsen‘‘-Thee’s verdanke). Münsterthaler-Alpen am Um-
brail (Mor.). In den angränzenden Tiroler-Alpen: an der
Wormserjochstrasse, im Vintschgau, bei Ladis etc. (Hausm.).
Auch in den St. Galler- u. Glarner-Alpen.
14. R. roseus Hegetschw. (Fl. d. Schw. p.
540.) Ober-Engadin: ,,‚im Geröll in den Alpen oberhalb St.
Moritz gegen den Julier‘‘ (Heg!); auf den Moränen des
Cambrena-Gletschers beim Weissen-See (,‚Leg-alv‘‘) auf dem
Bernina 7 —8000' Gneiss (Brügg.). Am Prassignola-Pass
auf der Averserseite (Mor.), u. in Gletschergerölle des Selv-
retta (Dr, Killias). Mit weisser Blüthe auf dem: Laviruns
Ranunculaceae 11
(oder Levirone) (Heg!). — Eine schöne bis !/,’. hohe: viel-
u. grossblüthige Pflanze mit starkem Wurzelhaarschopf, kahlen
langgestieltenp doppelt 3zähligen Blättern, keilförmigen Lappen
u,,schmalen lanzettlichen Läppchen derselben — die sich da-
durch u. durch den eigenthümlichen habitus,. von R. glacialis
hinlänglich u. auf gleiche Weise unterscheidet, wie R. Traun-
fellneri Hop. von. alpestris, oder wie R. Villarsii von mon-
tanus,
15. R. alpestris L. Engadiner-Alpen auf kalk-
haltigem Boden 6 — 8000’, z. B. auf der Höhe (7200°) des
Albula-Ueberganges‘, u: wohl noch vielfach in dieser Region
zu finden. Vintschgau an der Grenze: in Schlinig am Sur-
sass; am Wormserjoch bei Franzenshöhe (Hausm !). — Eine
variet.:: . commutatus (fol. caulin. indivis. integerrimo),
schon öfters mit R. Traunfellneri verwechselt (ef. Moritzi Fl.
d. Schw. p. 181), besitze ich ebenfalls vom Albula,: wo sie
Lehrer Krättli in Bevers sammelte. Auch auf den übrigen
Bündner-Alpen varirt R. alpestris auf gleiche Weise. Reichenb.
(B. exc.) nahm sogar das ungetheilte Stengelblatt (,,f. cau-
lin. 'integerr.‘“) für diese Art als Norm in die Diagnose
auf.
— R, Traunfellineri Hop: an der Gränze des
Gebiets: auf dem Wormserjoch (Funk!). Wohl auch im
Engadin verbreitet aber bisher übersehen u. verwechselt, was
wie es scheint auch anderwärts der Fall (vgl. v. Hausm. Fl.
Tir. p. 1396 — 97). .,Verhält sich wie R. roseus zu gla-
cialis... oder überhaupt wie die verlängerte keilige Blattform
zur rundlichen mit stumpfen Läppchen. Uebergänge gibt es
genug‘* (Hegetschw. Fl. d. Schw. 1840 p. 5401).
— R. erenatus W. RK. (R. alpestris a. Baum-
garten). „„Auf den höhern Alpen Graubündens gegen das
Veltlin‘* mithin in unserm Gebiet (nach Hegetschw !). Da
fragliche ,,Art‘“ (auf Alpenkalk u. Dolomit) nach Bertoloni
Fl. it. in den benachbarten Breseianer-Alpen u. nach B. v.
Hausmann (Fl. v. Tir. p. 1396) in denen von Süd-Tirol
12 Ranunculaceae
(Judicarien, wo Fried. Leybold auch Uebergänge' zu R. al-
pestris beobachtete) wächst, u- von Prof. Schur in Hermann-
stadt, von Bar, v. Hausm. u. Leybold für eine Form des
vielgestaltiigen R. alpestris angesehen wird : — so wäre ein
Zweifel an Hegetschweiler's Angabe _ ebenso ungerechtfertigt
als es dagegen höchst wahrscheinlich ist, dass R. crenatus
auf den Kalkgebirgen von Laviruns, Casanna, Livino, Fraela,
Umbrail u. Münsterthal an passenden Lokalitäten da u. dort
noch blühen möge, aber bisher meist verwechselt oder über-
sehen wurde.
16. R. platanifolius EL. Ober- Engadin: am
südl. Ufer des Silser-See’s zwischen St. Maria u. Isola (am
Ausgang des Thales Fedoz) bei 5800 —6000° auf Kalk (d.
19. Aug, 1850 blüh.: Brügg.). Münsterthal: am -Umbrail
(Mor!) ;: Wormserjochstrasse unter Franzenshöhe (Hausm !).
In Avers zwisch. Canicül u. Campsut am Bach aus Val-di-
Lei c. 4800 — 5000 auf Kalk (Brügg.). — Keineswegs durch
den tiefern Standort bedingte Form von R. aconitifolius L.,
der in unveränderter Gestalt ‘in Mittelbünden noch bei 4000’
(Churwalden) u. sogar an Bachufern bis 1840° (Chur) herab
vorkömmt; — wohl aber dessen nach dem typus von R. Vil-
larsii, Traunfellneri, roseus, gebildete forma angustisecta,
die zudem auf Kalkboden vorzugsweise — vielleicht aus-
schliesslich — zu wachsen scheint u, auch in Tirol (nach v.
Hausm.) die gewöhnliche u, verbreitetste ist. Eine von Dr.
Custer beobachtete variet. wird nur 3—4° hoch (R. pl.
nanus Cust.).
17. RR. päsnnsckfeliun EZ. Ober-Engadiner-
Alpen (Bovelin!): Munt Padella ob Samaden 7 — 8000’ Kalk
SO (Krätt.). Auf den südöstl. Kalkgebirgen des Gebiets :
im: Walde ‚‚Tranter Motta** am Ofen (Forstinspektor Coaz!);
am Umbrail (Hr '!); auf Gerölle der Stilfseralpe, u. Wormser-
joch auf der Schweizer- u. welschen Seite (Dr. Tappeiner !).
— Andere bestimmt nachgewiesene Standorte aus der Ost-
Schweiz sind nicht hekannt; das Innthal stellt hier die unser
’_u„ vu
Ranunculaceae 13
Gebiet durchschneidende NW Vegetationslinie dar, die vom
Solstein (nördlich von Innsbruck) durch das obere Innthal nach
den südl, Walliser- u. Waatländer-Alpen, Piemont verläuft.
18. R. pyrenaeus L. Unter-Engadin : Fimber-
joch gegen Paznaun (Rehsteiner!). Obder-Engadin (Dr. Gir-
tanner!): Beverser- u, Samadener-Alpen (Krätt!) ; Alpwiesen
oberhalb St. Moritz. 6— 7000’ (Heg!); auf dem Maloja u,
der Forcola (Furkel-Pass von Avers zur Septimer-Höhe) nach
Moritzi!; auf, dem Bernina (Haller!), im Bernina - Heuthal
(Nägeli!). Dann auf dem Umbrail (Pol!); Wormserjoch
(Funk !), Alpen bei Stilfs (Tappeiner '). Davos auf dem Dörflis-
berg (Forstinspektor Coaz in Chur!). — Sehr selten auf den
Alpen der nordöst!. Schweiz (nördl. Bünden, südöstl, Glarus).
19. R. repians L. Ober-Engadin: an sumpfigen
Stellen des linken Innufers zwischen Ponte u. der Au (,,a las
Angias“‘, ad Alnos) 5270‘ häufig, mit einer grössern Form
bis gegen Mitte Sept. noch blühend (Brügg.); seichte Pfützen
zwisch. Bevers u. Samaden 5290‘ (Lorez, Krätt., Brgg.); am
Wege von Cellerina nach dem Roseg-Thale etwa 1 Std, hinter
dem Dorfe in seichten Tümpeln 5450’ d. 23. Aug. 1850 blüh.
(Brügg.); am See von St. Moritz 5480‘ (v. Sal-M|). — R.
Flammula L., womit man diese Art mehrfach vereinigt hat,
ist in Graubünden selten u. mit Bestimmtheit nur in der sog.
Rheinebene (um Chur) nicht über 2500’ beobachtet worden ;
in den höhern Regionen scheint er ganz zu fehlen u, nur im
. Ober-Engadin erst bei 5200 — 5500° durch R. reptans L.
vertreten zu werden, der auch im benachbarten Vintschgau bei
Mals u. am Haidersee 3300 — 4500’ beobachtet wurde (v.
Hausm.). Wirkliche Uebergangsformen fand ich noch keine,
— Ranuneulus Thora L. in ‚Graubünden: im
Prättigau, u. um den Sauerbrunnen von St. Moritz‘* von
Muralt angegeben, aber von Niemanden sonst ‘dort weiter be-
obachtet. Letzterer Standort hat sehr wenig Wahrscheinlich-
keit für sich, da diese Kalk-Pflanze weder. weiter östlich noch
westlich in den Central-Alpen sich findet, sondern auf dem
14 Ranunculaceae
südlichen Kalkalpenzuge (,‚Nebenzone‘‘ Stud.) von Croatien
her durch Untersteiermark , das Bellunesische , das südöstl. u.
südlichste Tirol, die Provinz Como bis zum Mt. Generoso
verbreitet ist; dann , westlich nach Ueberspringung der Cen-
tral-Alpen (,‚Mittelzone‘* Stud.), weiter auch in den Kalk-
alpen der nördl. Nebenzone u. auf dem Jura in der süd-
westl. Schweiz wieder auftritt. Oestlicher (als in den Alpen
von Bex) auch in der nördl. Kalkalpenzone sonst noch nicht
beobachtet. Wenn im Engadin vorhanden, daher am ehesten
im Kalkgebirge, z. B. am Albula, Umbrail, Münsterthal etc.
zu finden.
20. R. auricomus UL. Ober-Engadin : auf Wiesen
der Thalsohle um Bevers u. Samaden 5280 — 5400’ (Krätt. hb!).
Auch Ul, v, Salis-M. fand ihn „in Graubünden“. In der
nordöstl. Schweiz (Kant. Glarus, Zürich, Thurgau , Schaff-
hausen) von Heer, Hegetschw., Kölliker, Stein, Laffon u. A.
beobachtet.
21. R. montanus L. Ober- Engadin allgemein
verbreitet: z. B. um Silvaplana u. Surlei 5600’, im Sept.
1853 einzelne blühende Expl. (Brügg.), auf der Albula-Höhe
7200‘ (Mor!). Am Wormserjoch, u. benachbarte Monta-
foner- Alpen (Hausm !). — Der R. Gouani Wild. auf der
Alpe Tillisun in Montafon (Custer!).
R. Viiarsii DC. im benachbarten Vintschgau am Godria bei
Laas 6000‘ (Tappeiner!); dann um Meran, Bozen u. weiter im süd-
lichen Tirol verbreitet (v. Hausm, Fl. v. Tir. S. 19, 139%). In’ den
bayrischen u. 'bes. den Algäuer - Alpen 5 — 7000° (Sendtner Veget.
Südbayerns S. 727; in den Appenzeller- u. St. Galler-Alpen (Brügg.
Enum. der nordöstl. Schweiz. Fl. msc.). In den rhätischen Alpen
(Sal-M!). In Mittelbünden : auf. Waldtriften in Churwalden z. B.
bei Zalez, NW exponirt, c. 4500’ (Brügg.) u. anderwärts. Däher in
den Engadiner-Alpen, woher ich keine Exemplare oder sichere An-
gaben kenne, wohl nur übersehen oder mit R. montanus verwechselt.
22. R. lanuginosus L. Ober-Enyadin : Schlucht
des Julier-Bach’s bei Silvaplana 5700’. Jenseits des Albula
bei den Hüttenwerken von Bellaluna im Walde gegen Filisur
Ranunculaceae 15
3500’; u. im übrigen Mittelbünden (Chur, Thusis, Hein-
zenberg, Churwalden) 2 — 4500 verbreitet.
23. R. nemorosus DÜC. Ober-Engadin : Lär-
chen- u. Arvenwälder um St. Moritz, Campfer u Silvaplana
5600— 6000’; Sils u. Grävesalvas bis c, 6500°. In Mittel-
bünden: bei Ausser-Ferrera 4000‘ (Brügg.), auf der Lenzer-
haide u. im Prättigau (Mor !). Vintschgau:: am 'Fuss des
Piz-Lat u. bei Laas (Tapp !).
— R. polyanthemos L. im nahen Vintschgau :
auf feuchten Wiesen bei Göflan ec. 3700° (Tappeiner!).
R. pygmaeus Wahlenbg. (R. Tappeineri Bamberger.)
Ein zollhoher 1jähriger Bewohner Lapplands (mit den kleinen gelben
Blüthen unseres R. sceleratus, fast nierenförmigen, 5spaltigen, wäh-
rend der Blüthezeit kaum vom 1blüthigen Stengel überragten, Wur-
zelblättern, kahlen rundlichen, die Blumenblätter überragenden Kelch-
blättchen ete.), aus der Section ‚‚Hecatonia‘‘. Seit dem J. 1847 nun
an mehreren Stellen der östlichen Centralalpen Tirols am Rande
der Firne in einer Hölle von 8— 9000° aufgefunden — soll er nach
einer unverbürgten Angabe (in Kittel's neuestem Taschenb. der
deutsch. Fl. S. 1345) selbst „‚auf den höchsten Alpen der Schweiz“
wachsen, was allerdings nicht unwahrscheinlich, aber soviel ich weiss
doch noch nicht thatsächlich nachgewiesen ist. — Er wird wohl
auch in den rhätischen Central-Alpen, zumal auf den, sowohl
ihrem Vegetationscharakter nach als in. geologischer Beziehung ‘den
Ostalpen beizuzählenden Hochgebirgen des östlichen Bündens, na-
mentlich der östlich vom Albula sich erhebenden Centralmasse des
Selvreita, an ähnlichen Standorten gewiss nicht ohne Erfolg aufge-
sucht werden. Die nächsten Fundorte im östlichen Nachbarlande
liegen auf granatenreichem Glimmerschiefer - u. Gneiss-Gebirge der
gewaltigen Oetzthaler -Ferner: ‚‚auf fetter schwarzer Erde am
Rande eines kleinen ‚Gletschers, gesellig wachsend ohne eigentliche
Rasen zu bilden, in Gesellschaft von Androsace glacialis , Gentiana
bavarica 3. imbricata Schleich. Heg., Saussurea alpina etc. auf dem
Schnalserjöcht‘‘ den 16: Aug. 1852 vom Pharmazeuten Bamberger
(aus dem Cant. St. Gallen) gefunden; daselbst ‚‚am Hoch - Joch-
Ferner*‘ 8000’ auch vom Pharmazeuten Fried. Leybold später ge-
sammelt u. mir mitgetheilt.
.
16 Ranunculaceae
24. Caltha palustris L. Geht im Ober-Enyga-
din an die obere Grenze der Alpenregion hinauf: bei den
uralten „„Marmelsteinen‘ auf der Höhe des Julier - Passes
7120° sah ich sie den 21. Sept. 53. blühen. Beim Gotthard-
hospiz 6380° sah sie Moritzi. In den Schweizer-Alpen bis
gegen 6500‘ (Hegetschw!). Am Ritten bei Bozen wenig-
stens bis 5000‘ (B. v. Hausm!), In den bayrischen Alpen
bis 5480’ (Sendtner !).
25. Aquilegzia vulgaris E. Oberinnthal: bei
Finstermünz, u. im Vintschgau bei Churburg (v. Hausm. Fl.
Tirol S. 29). Eine Pflanze im Fruchtzustande, die keine ge-
naue Bestimmung mehr zuliess, verfolgte ich von Pfunds durch
die Finstermünz in’s Unter-Engadin bis über Martinsbruck
hinauf; 1 vereinzeltes blaublühendes Exemplar (von A. vul-
garis) fand ich dann unter zahlreichen Fruchtexemplaren - in
Gebüschen vor Schuols 3800’ d. 26. Aug. 1853. Ohne
Zweifel wächst aber auch im Engadin A. atrata Koch. , die
ich in Mittelbünden (Domleschg, Chur), um St. Gallen
(hier keine A. vulgaris !), später um München u. Bad Kreuth
(an Koch’s Originalstandort, noch den 18. Aug. 1853 einzelne
blühende Expl.) gesammelt habe, u, die um Bozen bis 5400’
u. in die Seiser-Alpe (nach v.- Hausm.) in Südbayern bis
über 5600° (nach Sendtner) hinauf steigt.
26. Aquilegia alpina L. Ober-Engadin (Dr.
Girtanner !): beim Auslauf des Roseg (dsch)-Gletschers hinter
Pontresina 6500— 7000” (Hegetschw !), im Thale Feet (Fex)
ob Sils 6000 — 6500’ (Hr, Perini von Sils!). Somit auf die
Centralmasse des Bernina beschränkt. — Dann weiter. durch
das südwestliche (auf Urgebirge) , mittlere u. nördliche (auf
Kalkgebirge, aber selten) Bünden, die Glarner- u. St. Galler-
Alpen (um Pfäfers: schon C. Bauhin !) zerstreut. Oestlich
vom Rhein, der Landquart u. dem Albula noch nicht beobachtet ;
südwestlich aber von der Lombardie an durch die ganze Alpen-
kette bis Piemont u. Savoien verbreitet. Ihre NO u.O Vegetations-
linie geht also durch Nord- u. Mittelbünden, u. das Engadin.
Ranunculaceae 17
Uebrigens kann ich nicht umhin, in A. alpina eine, nach allge-
meinen durch das ganze Phanerogamen - Reich geltenden Ge-
setzen, durch die eigenthümlichen oder potenzirten Einflüsse des
hohen alpinen Standorts hervorgerufene u. bedingte — wenn auch
im Laufe der Zeiten permanent gewordene — Alpen-Form von A.
vulgaris L. zu erblicken, mit verkleinertem Leib d. h. beschränkter
Ausbildung der vegetativen Sphäre (verkürztem 1— 4 selten 6blüthi-
gem Stengel), dagegen sehr vergrösserlen lebhafter gefärbten Blüthen
(d. h. vorzugsweise entwickelter reproduktiver Sphäre). Auch andere
Arten dieser un. anderer @altungen variren zu sehr mit geraden u,
gebogenen Spornen (z. B. A. pyrenaica DC. u. deren von F. Schultz
u. Schott unterschiedene Formen) u. mehr oder weniger getheilten,
schmälern od. breitern Blattlappen , als dass man durch solche Merk-
male Arten begründen könnte, Reichenb. Fl. exe, beschreibt zudem
A. alpina L. mit ‚‚calcaribus (demum) apice uncinatis‘“ -— und
alle von mir untersuchten blüh. Exemplare aus Graubünden u. solche
(vom Mery) aus Savoien hatten auch wirklich steis gebogene an der
Spitze mehr oder weniger kackige Spornen. Somit bleiben nur sehr
relative Merkmale übrig, um A. alpina von A. vulgaris zu unterscheiden.
27. Delphinium Consolida L. Unter-En-
gadin (Mor!): um Remüs u. Schuols bis ec, 4000° (Brügg.),
Thonschiefer. Vintschgau bei Laas 3700’ (Hausm).
28. Aeonitum Napellus LE. Unter-Engadin:
zwisch. Schuols u. Feitan 4500 — 5000’ (Brgg.) u. durch
alle Engadiner-Alpen bis über 7000’ (Julier-Säulen) gemein,
wo — wie in ganz Bünden — der Eisenhut mit seinen un-
zerirennlichen Gefährten dem Rumex alpinus. Senecio cordatusu.
Urtica dioica, ein nie fehlender Begleiter der Sennhütten u.
ihrer Umgebungen (des „‚Sässes“, „,‚Stavel‘‘) ist. Eine
hübsche Form (A. Napellus Dod. Rehb. 3. bicolor Brgg.
hb.) mit 1—2’ hohem ‘Stengel, dichter einfacher Traube,
aufrechten kraus-flaumigen Blüthenstielen u. Axe, kopfförmigen
Spornen , behaarten Staubfäden, weiss uw. blau gescheckten
Blüthen, über halbkugelig-gewölbter am Rücken ganz weissen
nur vorne bläulich angeflogener Haube — beobachtete ich
(19. Aug. 1850 u. 9. Sept. 1853 blüh.) am Sösersee 5600’
zwisch. Sils (Baselgia) u. dem Vorgebirge unterhalb Grävesalvas.
2
18 Ranunculaceae
29. A. variegatum L. (A. Cammarum Jaey.
Rehb. von Autt. helv.) Oberinnthal: ich traf es zuerst an
der Chaussee oberhalb Ried c. 2800’ u. von da an häufig
über Pfunds , Finstermünz, Martinsbruck bis Remüs 3780‘ im
Unter-Engadin, dann allmählig seltener, bis es bei Schuols
4000’, mit dem häufigern Auftreten von A. paniculatum Lam.,
endlich ganz verschwand. Im Ober-Engadin, im übrigen
Bünden u. in der nordöstl. Schweiz keine Spur von dieser —
dafür um so häufiger die folgende Art.
Das „,„A. Cammarum‘* von Moritzi, welches dieser in Mittelbünden
(Bizockel, Tschiertschen) angibt, ist das A. paniculatum Lam.; das
eigentliche A. variegatum L, hat er nur in Gärten gesehen u. auch
Hegetschweiler bemerkt (Fl. d. Schweiz S. 524), es werde meist in
Gärten gezogen. Dass leizterem auch keine speziellen Standorte der
wildwachsenden Pflanze aus der Schweiz erinnerlich waren, geht
aus seiner sehr allgemeinen Angabe: „‚auf den Alpen sehr selten‘“
— hervor, da doch für solche Seltenheiten genauere Slandorts-An-
gaben in einer „Flora d. Schweiz‘‘ weder uninteressant noch über-
flüssig scheinen. Mir sind aus der Schweiz — mit Ausnahme des
Unter-Engadins — weder Exemplare noch glaubwürdige Angaben
von einem wildwachsenden A. variegatum L. (Cammarum Rchb,)
bekannt. In den östlichen Alpen dagegen ist die Pflanze durch ganz
Tirol (bis in die Alpen; im angränzenden Hoch-Vintschyau bei
Graun gegen 4700° nach v. Hausm.), Salzburg, Kärnthen etc. ver-
breitet. In Südbayern: in der Ebene häufiger als A. Napellus u.
durch den ganzen Alpenzug verbreitet, aber im westlichen Stocke
(Algäuer-Alpen) — wo nach Sendtner (Veget. v. Südbayern S. 199)
ihr Verbreitungsbezirk seine Westgrenze findet — viel seltener als
im östlichen u, durch das (dafür im östl. Stocke sehr seltene) A.
paniculatum verdrängt; Prof. Sendiner setzt nach zahlreichen genauen
Barometermessungen in den bayrischen Alpen die obere Grenze von
A. variegatum zu 5970’ p. M. an. Darnach könnte diese Art, da die
Vegetationsgrenzen sich in unsern Centralalpen durchschnittlich um
500 — 1000° höher erheben als in den nördlichen Kalkalpen
Bayerns, in den Engadiner-Alpen noch bis 6500 — 7000’, somit im
ganzen Ober-Engadin bis zur Arvengrenze vorkommen. Da diess
nun nicht der Fall, so kann das Verschwinden der Pflanze bei Schuls
(kaum 4000° ü. M.) nicht eine vertikale (Regionen-) sondern®nur
eine horizontale Verbreitungs-Grenze bezeichnen. Ihre westlichsten
Ranunculaceae 19
bekannten Standpunkte sind nach B. v. Hausm. in den nördl. Kalk-
alpen Vorarlbergs: der Hohe-Freschen hinter Feldkirch; in den südl.
Kalkalpen Tirols: die Thäler des Mt. Baldo. Verbindet man diese
beiden Punkte durch eine Linie, so durchschneidet dieselbe in der
That das Unter-Engadin bei Schuls von NW nach SO; u. die in den
Algäuer-Alpen westliche Vegetationslinie gestaltet sich hier somit
in eine SW um — fast parallel mit dem durch Mittelbünden , über
Albula, Casanna u. den Ortler von der nördlichen Nebenzone aus
quer das ganze Alpensystem übersetzenden Streifen von Sediment-
gesteinen, der nach Studer die geologische Grenze zwischen den
Schweizeralpen u. den Ostalpen darstellt.
‚30. A. paniculatum Lam. (A. Cammarum
Moritzi Pfl. Grb.) begrüsste ich im Oberinnthal zuerst in
einzelnen Vorposten: mit voriger in Gebüschen an der Strasse
von Ried nach Tösens u. Pfunds; dann da u. dort im Unter-
Engadin bis Remüs (aber viel seltener als voriges), von da
gegen Sins u. Schuols allmählig häufiger u. zuletzt, ganz die
Stelle von A. variegatum vertretend, allein weiter hinauf nach
Fettan, Ardez, Guarda u. s. w. Ist durch das ganze übrige
mittlere u, südwestliche Graubünden, die nordöstl. Schweizer-
Alpen häufig von 3— 6000’ u. darüber; übrigens östlich u.
westlich durch die ganze Alpenkette verbreitet, Vintschgau:
im Laaserthale (Tappeiner !).
31. A. Lycoctonum UL. Ober- Engadin : über
St. Moritz, bei Sils u. Gravesalvas c, 6100° von mir bemerkt.
In der Nachbarschaft: bei Trafoi c. 5200‘ am Wormserjoch
u. im Laaserthale (B. v. Hausm, Fl. v, Tir.); in Avers am
Bache aus Val-di-Lei zwisch. Campsut u. Canicül c. 4800‘
(Brügg.). Alle diese Standorte befinden sich auf Kalk- od,
Thonschiefer-Gebirge.
Hybride Aconiten:
— A. variesato - paniculatum mihi (A.
“ Engadinense Brügg. olim): „‚nectariis ungue subarcuato ob-
liquis, fructib. junior. parallelis vel divergentibus; casside
eonieo -rotundata*“. Schwankende Mittelgebilde zwischen den
2 genannten Arten; doch in Gestalt, Stellung u. Dimensions-
2*
20 Ranunculacede
verhältnissen der Blüthentheile (der „,Helm‘‘ ist etwas höher
als breit) mehr dem A, variegatum (paler) dagegen durch
den meist verlängerten oben äsligen Stengel u. fast rispigen
Blüthenstand mehr dem A. paniculatum (mater) sich nähernd.
Solche Exemplare, die man dem habitus nach u. dem heuti-
gen Stand der Diagnosen gemäss unmöglich zu einer der ver-
wandten Arten stellen konnte, fand ich (Ende Aug. 1853)
vereinzelt u. spärlich unter einer grossen Menge von A. pa-
niculatum u. damit vermischt wachsenden A. variegalum in
Gebüschen im Unter-Engadin : vor Schuls c. 3700° Thon-
schiefer. Da ich sonst überall die beiden Stammpflanzen als
zwei gut charakterisirte, streng geschiedene (schon durch den
habitus u. die eigenthümliche Verbreitung), wenn auch innerhalb
ihres Speziescharakters vielfach varirende Arten kennen ge-
lernt, die da wo sie allein d. h. die eine ohne die andere
(z. B. in Mittelbünden das A. paniculatum ohne variegatum —
in Oberbayern um Kreuth nach meiner Erfahrung das letztere
ohne das erstere) wachsen, nie solche ,,„Mittelformen‘‘ od. die
geringsten Andeutungen von Uebergängen zeigen: — so kann
ich nicht umhin, das A. Engadinense von Schuls für ein Ay-
brides Erzeugniss zu erklären, das einer Befruchtung des A.
paniculatum durch den Blüthenstaub des — von NO her dem
Stromlauf des Inns bis Schuls gefolgten u. hier mit der ver-
wandten Art zusammentreffenden — A. variegatum seinen
Ursprung zu verdanken scheint.
— A. Störkeanum Bichb., das ich nach meinen
diessjährigen Beobachtungen in Vorarlberg (um Schröcken
3700 — 4300’ beobachtete ich gegen Ende Aug. 1854 da u.
dort, zwischen zahlreichen theilweise fructifieirenden Exempla-
ren von A. Napellus u. so eben schön blühenden oder ihre
Blüthen entwickelnden von A. paniculatum Lam., vereinzelnte
eben blühende u. Früchte ansetzende Mittelformen , die der
Diagnose von A. Störkianum Rchb. Koch. entsprachen) nun
auch für hybrid ansehe: A. Napello-paniculatum (m. msc.),
wurde von v. Hepperger im tyrolischen Oberinnthal bei Ladis
Ranuneulaceae 21
(e. 3700) beobachtet (daselbst auch A. paniculatum u, Na-
pellus). Ohne Zweifel wird man diese Form bei näherer
Untersuchung auch im Engadin u. übrigen Graubünden, wo
man sie wie anderswo in mancherlei Abänderungen (wovon
eine var. bicolor mit weiss-blauviolett gescheckter Blüthe viel-
fach als ‚A. variegatum‘‘ angesprochen wird) häufig in Gär-
ten cultivirt, noch hie u. da unter den Stammtarten wild-
wachsend finden. Bar, v. Hausmann, der A. Störkianum Rchb,
wild im Gebirge um Salurn u. Botzen (Fl. v, Tirol S. 32)
fand u. von dort in seinen Garten neben A. Napellus u. pa-
niculatum pflanzte, bemerkt, dass es hier um 14 Tage später
als ersterer, u. 14 Tage früher als letzterer blühe, aber immer
unfruchthar bleibe. Aehnliches beobachtete Prof. Sendiner
in den Algäuer-Alpen, wo er es immer in Gesellschaft von f
A. Napellus u. paniculatum bei 3650 — 4500° (ohne A. va-
riegatum) fand. An hundert Stellen, wo eine dieser Stamm-
arten allein wuchs, suchte auch ich immer vergeblich nach
A. Störkianum Rehb. Dass die Eisenhüte der Alpen durch
ihren farbenreichen duftenden Blüthenschmuck zahlreiche In-
sektenschwärme herbeilocken, die, indem sie sich des reichlich
abgesonderten Honigsaftes der Blumen u. des Blüthenstaubes
bemächtigen , eben dadurch bei dem eigenthümlichen Bau der
Aconitum-Blume zu sehr thätigen Beförderern der gegenseiti-
gen Befruchtung derselben werden müssen — weiss jeder be-
obachtende Naturfreund. Es wäre daher nur auffallend, wenn
diese so verbreitete, formenreiche, u. in solcher Individuen-
menge auftretende Pilanzengattung bei uns nicht noch mehr
Bastardformen aufzuweisen hätte als die besprochenen.
32. Actaea spicata EL. Im bayrischen u. ganzen
tirolischen Innthal (nach Sendtner u, v. Hausmann). Im
Unter-Engadin bis Tarasp c. 4000° (Mor!), u. wohl noch
weiter bis zur Höhe von Guarda u, Zernez. Im benachbarten
Vintschgau. bei Glurns u. Laas etc., am Ritten bei Bozen
bis ce. 4800’ (Hausm!). In Südbayern bis 4383’ steigend (Sendtner).
Im südwestl. Bünden nach Moritzi bis c. 4500‘ bei Splügen.
22 Berberideae
In Mittelbünden: bis c. 4300° NO in Churwalden (,,im
Stättli‘“).
33. Paeonia offieinalis L. (P. peregrina Mill.
Koch syn.). An Felsen in der Klamm bei Finstermünz ce.
3000‘, Kalk u. Thonschiefer, nach v. Hausm ! (FI. v. Tir.)
u. Sauter! (,,Flora‘* bot. Zeit. 1852). Scheint der nörd-
lichste isolirte Vorposten dieser über die Kalkgebirge der
südl. ,‚„Nebenzone‘“ vom Bannat bis zum Lago maggiore
verbreiteten Pflanzen, deren NW Vegetationslinie, von Finster-
münz zum Mt. Generoso bei Lugano gehend, mit dem obern
Stromlauf des Inns u. dessen gedachter südwestlicher Ver-
längerung fast zusammenfällt. Oestlich geht ihre Verbreitungs-
grenze von Finstermünz schief über Meran u. Bozen, Val-
sugana, nach Krain, Friaul, Istrien — also von NO nach
SW, weniger steil als die westliche. — In der Verbreitung
von P. corallina Retz. zeigen sich ähnliche Verhältnisse (vgl.
Sendtner Veget. Südbayerns S. 199).
Berberideae Vent.
34. Berheris vulgaris EL. Durch das ganze
Unter-Engadin (Finstermünz , Martinsbruck, Remüs, Schuls,
Tarasp etc.) verbreitet; im Ober-Engadin noch bei Scanfs
5100‘ beobachtet. — In Südtirol geht dieser Strauch (nach
B. v, Hausm.) einzeln bis 5300‘ am Ritten b. Bozen. In
Südbayern (nach Prof. Sendtner) bis 4374'. In Mittelbünden
bei c. 4600‘ auf der Lenzerhaide.
Papaveraceae DC.
35. Papaver pyrenaicum Willd. DC. Mor!
Unter-Engadiner-Alpen: in Val-d’Assa (Coaz!) , Ober-En-
gadin : auf Casanna (Rösch ! Hr!), auf demLaviruns (Heer! Mor!),
in Prünella(Krätt !), im Bernina-Heuthal 7—8000’ ü. M. (Bovelin!
Muret!); am Weissensee auf dem Bernina 6870° (Hr! Muret!
GP. ZEEEESESERSEENRRIE EN
Papaveraceae 23
Mor. Nägeli), daselbst im Geschiebe bis an die Moränen des
Cambrena-Gletschers c. 7000’ in Menge, noch den 26. Aug.
1850 blüh. (Brügg.). Am Umbrail (Hr! 1837) u. Wormser-
joch (Koch syn!). Alle diese Standorte liegen , mit Aus-
nahme des Cambrena - Gletschers, in dem mächtigen , die
Schweizer-Centralalpen von den Ost-Alpen trennenden Kalk-
gebirge des südöstl. Bündens. Aber auch im Geschiebe des Cam-
brena-Gletschers — der nach den geolog. Karten ganz im
Gneissgebirge läge — muss Kalk vorkommen (vielleicht von
einem durch den Gletscher verdeckten u. daher unbekannten
Urkalklager herrührend?), da man darauf auch andere be-
währte Kalkpflanzen (z. B. Saxifraga stenopetala Gaud., die
anerkanntermassen zu ihrem Fortkommen einen kalkreichen
Boden braucht) schon fröhlich blühend fand. Wächst in den
Tiroler-Centralalpen ebenfalls nur auf Kalkgebirge, mit einer
einzigen Ausnahme auch auf Porphyr (der wohl kalkhaltig ?)
an der Sarnerscharte bei Bozen (nach v. Hausm.). In den
Alpen westlich vom Bernina u. nordwestlich vom Inn noch
nicht beobachtet, dessen oberer Lauf somit die das südöstl.
Bünden durchschneidende NW Vegetationslinie darstellt.
P. alpinum L. (a. albiflorum Koch. P. Burseri Crantz.)
dagegen ist über den ganzen nördl. Kalkalpenzug von Wien bis
Savoien — mit einer kleinen Unterbrechung zwisch. Rhein u. Reuss
— verbreitet; in den eigentlichen Centralalpen aber — wenigstens
der Schweiz u. Tirols — noch nicht mit Bestimmtheit nachgewiesen.
Diese Verhältnisse, verbunden mit dem keineswegs unwichtigen Far-
benunterschied der Blüthe (natürlich ziehe ich das sogen. ‚‚weiss-
blühende P. pyrenaicum‘“‘ zu P. alpinum L.) u. wohl noch andern
_ an der Zebenden Pflanze aufzufindenden bessern Merkmalen als die
bisher angegebenen, (denn mehr od. weniger gespaltene u. behaarte
Blätter, schmälere, spitze od. breitere stumpfe Blattläppchen sind hier
wohl nicht beständigere Kennzeichen als bei den Ranunculaceen),
scheinen mir die von Reichenb., Moritzi, Hegetschw. u. A. befür-
wortete Trennung des P. pyrenaicum W. (flaviflorum Kch,. P.. auran-
tiacum Lois.) von P. alpinum L. (albiflorum K.) hinlänglich zu be-
gründen. Interessant ist hier die Analogie mit Anemone alpina L.
u. deren ebenfalls gelbblühenden Urgebirgsform A. sulfurea L. —
24 Fumariaccae
ein Fingerzeig zur Beurthetlung dieser u. ähnlicher wahrscheinlich
von chemischen mehr als von physikalischen Momenten abhän-
gigen — wohl nichts weniger als rein „‚zufälligen‘‘ Farbenabänder-
ungen der Blüthen” Welch’ wichtige Aufschlüsse wären hier von
zahlreichen genauen quantitativ-chemischen Boden- u. Aschen-Ana-
Iysen zu erwarten! — Die dem Engadin zunächst liegenden, einzigen
aus den rhätischen Alpen bekannten Standorte von P, alpinum L.
(albifiorum) finden sich im nördlichsten Bünden auf Kalk: Rnhäti-
kongebirge (Coaz!), Scesaplana u. Camperton-Joch (Rehsteiner!).
36. Papaver EKhoeas EL. Oberinnthal: bei
Pfunds gemein u. im Unter- Engadin zerstreut bis Schuls
3800’, (Brügg.), Tarasp (Mor!) u, Lavin 4450’ (Hr!). —
Im übrigen Graubünden noch nicht gefunden. In der nördl.
Schweiz häufig, z. B. um St. Gallen ohne folgendes.
37.P. dubiumm 3. Unter- Engadin: zwischen
Remüs u. Schuols c. 3700° (Brgg.). Im angränzenden
Vintschgau: bei Tartsch u. Castelbell (Hepperger!); u, im
benachbarten Mittelbünden allgemein verbreitet bis an die
obere Grenze der Bergregion.
P. Argemone L. im Vintschgau: einzeln auf Aeckern bei
Taufers c. 3800’ (Viehweider!); im WVeztlin (Mor!) ; wahrscheinlich
auch im Unter-Engadin noch zu finden. Braucht einen kieselreichen
kalkarmen Boden (Sendiner). In Oberbayern, Nordtirol zerstreut,
in der Ost-Schweiz selten (Zürich, Chur, Bonaduz).
Fumariaceae DC.
— CTorydalis fahacea Pers. Im angränzenden
Vintschgau: im Taufererthal, dann bei Tschengels u. Laas
(Tappeiner!). Wohl auch innerhalb der Grenze im Münster-
thal etc.
38. Kumaria officinalis L. Untier-Engadin:
an der Grenze zwischen Pfunds u. Finstermünz eine variet.
„mit zugespitzten (nicht haarspitzen) Kelchblättichen u. bei
der frischen Pflanze (unter der Lupe) der Länge nach fein
‚Crueiferae 25
gefurcht-gestrichelt erscheinenden Früchtchen“. Ober-Enga-
din: Aecker ob Samaden 5400 — 5700’; daselbst in einem
kleinen Kartoffelfeld eine Form, die in ihren jüngern Frücht-
chen eine F. Wirtgenii Koch! (nach dessen Diagnose) — im
völlig reifen Zustande aber eine gewöhnliche F. offieinalis
darstellte; dann am Rande des letzten Gerstenfeldes bei Cam-
pfer 5700° SO, Hornblendegestein (Brügg.). Steigt in Süd-
bayern nur bis 2600’. (Fumaria Wirtgenii Koch. fand ich
bei Chur u. Vättis).
39. FE. Vaillantii Lois. Unter - Engadin: bei
Remüs u. Schuls, dann bei Fettan 4900’, Ardez (Steinsberg)
4600° bis gegen Guarda an Acker- u. Wegrändern (Brügg.).
Ober-Engadin: in Menge auf Gräbern im Kirchhof bei St.
Peter ob Samaden 5570’ von mir beobachtet , auf Schutt in
der Nähe von Campfer 5670‘ von Hr. Bornemann aus Berlin
gesammelt. — Im benachbarten Vintschgau: an Zäunen bei
Schlanders u. Loretz (Tappeiner!). In der Lombardei (Baron
Vine,. Cesati!). —- Im östlichen Südbayern, in Nordtirol- u.
Vorarlberg, in der ganzen übrigen Ost-Schweiz noch nicht
beobachtet ; tritt westlich vom Engadin, erst nach Ueber-
springung der ganzen Centralalpenzone „am Sal&ve bei Genf
‚wieder auf, u. wurde dann neuerdings an mehreren Stellen
des Jura von da bis Aarau u. Schaffhausen aufgefunden. —
Die Engadinerpflanze hat meistens 1 —_ 2’ lange, ‘schlaffe, hin
u, her gebogene , verworrene weitschweifig ästige Stengel,
wodurch sie ein ungewöhnliches Aussehen erhält; doch be-
sitze ich solche Formen auch aus Schwaben u. fand im
Unter-Engadin ebenfalls ganz einfache, blos spannelange Pflanzen.
Cruciferae Juss.
40. Nasturtium offieinale ER. Br. Ohne
Zweifel im Unter-Engadin, aber nicht nachgewiesen. Im
Vintschgau die var. siifolium Rehb. : bei Glurns u. Laas c.
3700° (Tappein!). Im benachbarten Mittelbünden: bei An-
2% Cruciferae
deer 3100° u. Alveneuer-Bad 3000’ häufig u. a. ©. Erhebt
sich in Südbayern bis über 5600’.
41. N. palustre DC. var. 3. montanum n.:
diffuso-ramosum, prostralum, spithameum vix semipedale, foliis
omnibus subaequaliter pinnatifidis, siliculis ovato - oblongis |.
oblongis pedicellos subsuperantibus, — Im Oberinnthal: an
trockenen Strassenrändern bei Landeck c. 2650', Glimmer-
schiefer; im Ober-Engadin: bei Bevers u. Samaden 5500’
auf Granitgebirge, von mir gesammelt. Im mittleren (Ober-
halbstein: im Geschiebe des Tobels zwisch. Reams u. Salux
c. 4000°; Lenzerheide: am Ufer von See’n 4600°) u.
westlichen Bünden (am See auf dem Bernhardin 6500‘:
Pfr. Felix!), auf Thon- u. Glimmerschiefergebirge, nicht un-
ter 4000’, ebenfalls nur diese Form beobachtet, die in ihrem
ganzen habitus von der gewöhnlichen Form der Ebene (a.
erectum m., pedale et ultra, subsimplez l. superne subramo-
sum, foliis caulinis inferiorib, sublyratis , silicul, oblongis),
wie ich sie an Gräben u, Teichen um St. Gallen (bis 2500’)
u. München (in Südbayern bis 2450’ steigend : _ fand,
bedeutend abweicht.
N. sylvestre R. Br. ?. dentatum Koch. syn. sammelte ich
in trockener Chaussee-Gräben bei Wattens c. 1800° im Unterinn-
thal. Die species in Südbayern bis 1610° (Sendtner!), auf Schutt
um Innsbruck 1820‘ (v. Heufler!), bei Feldkirch (Dr. Custer!),
Chur sehr selten 1850° (Mor!), Weesen am Wallensee 1320’ etc.
Lombardei (Cesati!). Südtirol zerstreut (Hausm.).
N. pyrenaicum R. Br, jenseits der Wasserscheide des
Maloja im Bergel! — der südwestlichen Verlängerung des Enga-
dins — nach Moritzi! Auch in transalpinen Thälern des westlichen
Bündens u. bei Clefen. Die-Pfanze ist südlich — von Piemont her
durch Ober-Wallis, Oberitalien nach dem Bannat u. Siebenbürgen
verbreitet. In Tirol, Südbayern, der nordöstl. Schweiz fehlt sie,
wie auch im übrigen Graubünden. Ihre NO Vegetationslinie scheint
in die SW Grenze des Engadins zu fallen.
42. Turritis slabhra L. Unter-Engadin (Mor!):
Vulpera nächst Tarasp u. bei Schuls 3700 — 4000‘ (J. Lorez),
Cruciferae 27
zwischen Ardez u. Guarda c. 4900’ (Brügg.). Auf Thon-
schiefergebirge.
43. Arabis alpina L. Alpenregion des Enga-
dins, auf kalkhaltigem Boden wohl allgemein verbreitet; von
dort herabgeschwemmt auf Flusskies. Im Ober - Enyadin:
auf den Albula; und bei St. Moritz am See 5475’ (Brügg.);
bei Bevers (Krätt.).. (Nach B. v. Hausm. sogar bis ins Un-
terinnthal: auf Innkies bei Schwaz 1700‘,)
44. A. sagittata DC. Oberinnthal: an sonnigen
° steinigen Strassenborden stellenweise von Landeck bis Ried.
Dann im Unter-Engadin: an steinigen Stellen von Ardez
nach Guarda, SO, Kalk 4900’, nebst deutlichen Uebergangs-
formen (fol. caulin, basi obtuso-auriculatis ]. cordatis) zu A.
hirsuta Scop., zu der sie wohl als eine vom Standort be-
dingte Modifikation zu ziehen ist. Denn A. hirsuta Scop. ist
sonst — wenigstens bei uns im mittleren u, nördl. Bünden,
in der nördl. Schweiz, in: Tirol u. Südbayern — eine wahre
Wiesenpflanze. Auch um Chur hahe ich A. sagittata DC. an
steinigen Strassenrändern gesammelt. (Sie wurde ferner um
Zürich, in Südtirol, der Lombardei etc. beobachtet.)
45. A. hirsuta Scop. Wohl durchs ganze Un-
ter-Engadin bis gegen 5000° verbreitet. Im benachbarten
Vintschgau: auf Wiesen bei Schlanders u. vielfach ander-
wärts in Nord- u. Südtirol bis an die Voralpen (nach v.
Hausm,). In Südbayern bis 4384° (Sendtn.), in Appenzell
(Wildkirchle NO) bis 4500’ steigend. Durch’s ganze nörd-
liche u. mittl. Bünden bis in die Bergregion verbreitet.
46. A. eiliata R. Br. a. glabrata Koch. Durch
die Engadiner-Alpen 5— 7500‘ zerstreut. In der Nachbar-
schaft: auf der Stilfser-Alpe im Vintschgau (Tappeiner!).
In Mittelbünden da u. dort, z. B. zwischen Conters u. Tiefen-
kasten im „‚Stein‘‘ (Crap-sees) bis 3600’ herab (auf Dolomit).
”. hirsuta Koch. (CA. alpestris (Schl.) Rchb.). In Grau-
bünden häufiger als die ganz kahle Form, Ober-Engadin:
um St. Moritz, Silvaplana u. Sils 5600@-6000’, Granit u.
28 Cruciferae
Kalk, u, im benachbarten Avers 4500 — 5500°, Kalk u.
Thonschiefer (Brügg.). Stilfseralpe im WVintschgau mit vo-
riger var, (Tappein!), — Auf Flussgeschiebe oder Bergabhängen
bis in die Rheinebene bei Thusis 2300’ u, Chur 1800’ herab.
A. saxatilis All, Voralpen des benachbarten Vintschgaus:
bei Laas u. Schlanders, im Gebüsche am Godria bei 4000° von Dr
Tappeiner gefunden, auch anderwärts in Südtirol ($. Bar, v. Hausm.
Fl. v. Tir. p. 50). Da die NO Vegelationslinie dieser südwestlich
verbreiteten Pflanze (Piemont, Unterwallis, Genfer- u. Solothurner-
Jura) — von Solothurn nach Laas u. Predazzo in Fleims — Grau-
bünden zu durchscheiden scheint, so würde man im Münsterthal, in
Poschiavo, Bergell u. den südwestlichen Thälern Bündens — wohl
auch in Tessin — wahrscheinlich nicht ohne Erfolg darnach suchen.
A. petraea Lam. eine östlich verbreitete Art, deren W Ve-
getationslinie von Bayern (Muggendorf, Weltenburg) nach dem
Vintschgau geht, wo sie in einer Höhe von 4000° von Isser ehen-
falls bei Laas gesammelt wurde (B. v. Hausm. ]. c. $. 52).
4%. Arabis Halleri L. Ober-Engadin: bei Ce-
lerina 5350° in einigen Exempl. gesammelt (Mor!), daselbst
auf den Wiesen nördlich vom Dorf in zahlloser Menge schon
Ende Mai u. Anfangs Juni (1850 —52) blühend (Krätt.).
Nach der Heuerndte kaum zn finden. — Ebenfalls eine öst-
lich u. südlich verbreitete Art, deren NW Vegetationslinie
von Salzburg über Kitzbüchl, Unterinnthal , Innsbruck, Ober-
innthal gehend, das südöstliche Bünden — parallel mit. dem
Inn oder mit dessen Lauf zusammenfallend -— durchschneidet
u. gerade südwestlich nach dem Lago maggiore, Piemont etc,
verläuft. Die Pflanze mag wohl noch auf mancher: stillen
Wiese des Engadins, Münsterthales, in Poschiavo u. Bergell
fröhlich blühen — aber den Botanikern, die selten so früh
diese Gegenden besuchen, verborgen geblieben sein.
48. A. pumila Bacg. Ober- Engadin (Krätt.):
ich habe sie vom Albula, Prof. Theobald in Chur aus dem
Bernina-Heuthal ; Moritzi fand sie an der Stilferstrasse, wo sie
bei ‚‚Franzenshöhe“ c. 6900’ auch Bar. v. Hausm. angibt.
Diese Standorte li@®en alle auf dem das Engadin u. die Cen-
Cruciferae 29
tralalpen quer durchsetzenden merkwürdigen Kalkgebirgsstrei-
fen. In den Kalkalpen der nordöstl. Schweiz, Tirols u.
Bayerns ist diese Art weit mehr verbreitet u. viel häufiger
als in den rhätischen Centralalpen (z. B. in Mittelbünden),
wo sie nur an wenigen Stellen (auf Kalk od. Dolomit beob-
achtet wurde.
49. A. bellidifolia Jacg. Ober- Engadin:
am Albula 6— 7000’; in Sphagnum-Polstern des kleinen
Hochmoores am Leg-Uvischel bei Surlei nächst Silvaplana c.
9570, Am Valetta-Pass (Stallerberg) neben dem Septimer
bei 7000’ u. bei der Walfahrtskapelle von Ziteig! 7520’ auf
. dem Gebirge über Salux im nahen Oberhalbstein, Thonschiefer.
Auf gleicher Gebirgsart auch anderwärts in Mittelbünden
(Brügg.); Vintschgau: im Moose im Naudererthale (Tappein !).
Montafuner - Alpen (Custer!). Am Braulio (Umbrail) in
Valtellin (Rainer !).
50. L. everuiea Hänke. Höhere Enyadiner-Al-
pen: am Flüela (Theobald!), Ofenberg (Papon !); Scanfser-Thal
(Coaz !), Levirone auf Kalk (Mor!), Albula-Höhe 7200’ Kalk
(Krätt. Brügg.), Bernina-Heuthal , Dolomit, (Theob !), Silva-
planer-Alp über Surlei gegen Rosetsch c. 7000’, nach den
Karten Granit, (Collaborator Wagner von Wiesbaden); am
Valetta-Pass neben dem Septimer 7500 — 8000° auf grünem
Schiefer (Brügg.). Benachbarte Gebirge: am Wormserjoch,
u. in Paznaun (nach B. v. Hausm.); Rhaeticongebirge (Sce-
saplana: nach Moritzi.) In Mittelbünden: Churwalder-Alpen
(Augstberg auf Thonschiefer: Mor! Brügg. — Weisshorn
u. Brüggerhorn auf Dolomit: Papon !— Faulenberg auf Thon-
schiefer: Schleg!), Alveneuer- u. Bergüner-Alpen, auf Kalk
u. Dolomit (Brügg. Theob.). — Also auch in diesem Gebiet
auf Kalkgebirge am häufigsten (11), selten auf Thonschiefer
(3), noch seltener auf Glimmerschiefer u. Gneiss? (2), u.
nur imal auf vermeintlichem Granitgebirge (vielleicht auf Ur-
kalklagern ?).
w
30 Cruciferae
>51. Cardamine alpina Willd. Engadiner-
Alpen in der Schneeregion : auf dem Flüela (Mor ! Theob!);
Albula, Bernina 7 — 8000° u. Valetta - Pass 8000° (Brügg.).
Mittelbünden: Alveneuer- u. Churwalder - Alpen (Brgg.).
Am höchsten Punkte der Wormserjochstrasse 8600’ (Hausm N).
Montafuner- Alpen (Tillisun, Todtenalpe) u. Fimberjoch (Cu-
ster u. Rehsteiner!).
32. C. resedifolia L. Unter-Engadiner-Alpen:
am Fimberjoch (Rehst!). Benachbarte Alpen von Monta-
fon (Custer!), Vintschgau u. am Wormserjoch (Tappein! B.
v. Gundlach !). Ober-Engadin: Albula 6—7000°;, im Walde
zwischen St. Moritz u. Pontresina 5500 — 5700° (Mor. hb.);
um St. Moritz 5700 — 6000° im Juni blüh. (Dr. Luz. Brüg-
ger); am Bernina-Pass 7000’ (Brügg.); auf Flussgeschiebe
im Rosetsch- Thale (Mor.); bei Silvaplana u. Surlei, auf
Hornblende, Syenit u. Gneiss, am Fuss des P. Pülaschin
Granit 5600 — 6000°, am Julier u. auf Grevesalvas häufig
6— 7000’ (Brügg.). In Mittelbünden : bei der alten Schmelze
von Ferrera in Felsgerölle bis 3900’ W herabsteigend. Ihre
Heimath ist die Alpenregion,
33. C. impatiens L. Unter-Engadin : bei Schuls
c. 3700° (Roland! Mor. Pfl. Grb. S. 38). Mittelbünden:
bei Thusis (Viamala 2500 — 3000%) u. am Bizokel bei Chur
bis gegen 4000° (Mor. Brügg.). In den bayrischen Alpen
bis über 4700° (Sendtner).
54. C. pratensis IL. Ober-Engadin: um St. Mo-
ritz 5500 — 5700° (nach Ul, v. Salis-M !). Im benachbarten
Oberhalbstein: bei Stalla u. Marmels 5000 — 5500’, dann
auf der Lenzerhaide beim See 4600’, von mir bemerkt. In
tiefern Regionen wohl auch in unserm Gebiet allgemein ver-
breitet. In Südbayern bis c. 4700° (Sendtner).
55. C. amara L. Im Engadin u. andern Berg-
thälern Bündens viel häufiger als Nasturtium officinale — wo-
mit es bei uns, wie anderswo, ebenso häufig verwechselt wird.
Geht bis zur obern Grenze der Alpenregion: so bei den
Cruciferae 31
Juliersäulen 7100‘ (Brügg.). Beim Gotihard-Hospiz 6380°
(Mor!). In Südbayern bis 5210° (Sendtn !). — Die Form
mit steifhaarigem Stengel:
B. hirta Wimm. et Gr. Ober-Engadin: um St. Moritz
u, anderwärts (Brügg.); nahe der Grenze : in Ober-Vintsch-
gau bei Graun 4600’ mit der species (Hutter!),
y. subalpina Koch! caule petiolis pedunculisque hir-
sutis, petalis apice purpureis — in Mittelbünden in Chur-
walden 4 — 4500’ (Brügg.). *
C, asarifolia L. Von Hegetschweiler (Fl, d. Schw. S. 642)
„auf dem Albula! Im Engadin (Moritzi)!“* angegeben. Moritzi selbst
erklärte ein Jahr später (1839) diess für eine „‚irrige Angabe‘*, zu
der er keine Veranlassung gegeben habe (Pfl. Grb. S. 38). Die
Sache verhält sich also wie mit Ranunculus Thora — mit dem C.
asarifolia auch die südliche Verbreitung gemein hat. Doch nähert
sich ihre N Vegetationslinie, die von Welschtirol u. dem Bresciani-
schen durch .das untere Veltlin (Morbegno), die Gebirge am Comer-
See (um Lecco) nach Piemont geht, mehr unserm Gebiete.
56. Sisymbrium offieinale Seop. Auf der
Grenze : bei Finstermünz (Seelos!) c. 3000’, u. im Vintsch-
gau (Hepperger !). Nach Moritzi in Graubünden „überall bis
in die höhern Bergthäler“. Ich habe es in der Ost-Schweiz
nur in der Ebene, nicht über 2500‘, bemerkt. In-Südbayern
bis an den Fuss der Alpen 1850° (Sendtn.).
57. S. Sophia L. An der Grenze des Unter-
Engadins : zwisch. Pfunds u. Finstermünz, dann weiter oben
bei Remüs u. Schuols 3700’; selbst im Ober-Engadin noch
um Wohnungen u. Ställe von St. Moritz 5750° (Brügg.).
Münsterthal: bei Münster 3870’ (J. Rhiner v. Schwytz). Mittel-
bünden: selten in Churwalden bei 3900‘, Chur, Domleschg etc.
— In Südbayern nicht über 1610’ bemerkt (Sendin!). In der
nordöstl. Schweiz : unter überhängenden Kalk -Felsen beim
Wildkirchle in Appenzell 4570° NO von mir gesammelt, An
Felsen in Südtirol bei 5000° (Leybold !). In der südwestl,
Schweiz: in den Alpen über Bex sogar über 6500’ — eben-
falls im Schutze überhängender Felsen — von Charpentier
32 ; Cruciferae
gesammelt ; die Exempl. fand Rehb, (fl. exc. p. 689) selbst
durch nichts als durch ihre Kleinheit verschieden.
S, pannonicum Jaeg. im nahen Vintschgau bei Laas,
nach Facchini! — Da diese Pflanze von Ungarn u. Siebenbürgen her
durch Oesterreich bis nach Ligurien u. der südwestl. Schweiz (Wallis)
zerstreut ist, so hälte man in den südl. Thälern Bündens dieselbe zu
suchen. Im übrigen Tirol u. Vorarlberg, in Südbayern u. der nördl.
Schweiz nicht beobachtet; aber im Elsass, der Rheinpfalz etc,
58. S. strietissimum IL. Oberinnthal: Gebüsch
u. Strassenränder zwisch, Tösens u. Pfunds 2900’ (Brügg.),
bei Pfunds u. Finstermünz (Hepperger ! Seelos!). Unter-
Engadin , auf Thonschiefer mit Kalk, bis Fettan 5000’
u. Guarda 5100‘ hinauf: um Martinsbruck , Strada, Re-
müs, Schuols, Guarda von mir, um Remüs u. Fettan von
Heer, um Sins von Dr. Papon u. von Andern in diesem Ge-
biete gesammelt, wo die Pflanze so häufig ist, dass sie
keinem durchreisenden Botaniker entgehen kann. Im Vintsch-
yau: bei Mals,, Eiers, Prad, Laas, u. bei den Bädern von
Bormio (Hausm!); häufig in Poschiavo (Mor!), Valtelin
(Gaud!). Ohne Zweifel auch im Münsterthal, u. vielleicht im
Bergell. — Ist dieser südöstl. Ecke der Schweiz eigenthüm-
lich, Von Ungarn u. dem Elbe-Thal her durch Oestreich,
Salzburg, Kärnthen, nach dem südl. Tirol verbreitet, tritt diese
Pflanze oberhalb Ried ins Innthal ein u. verlässt dasselbe bei
Guarda mit dem Auftreten der — das bisherige kalkreiche
Thonschiefergebirge verdrängenden , kristallinischen Gebirgs-
arten am südöstl. Rande der Selvreita-Masse. Setzt dann,
jenseits der Eisfelder des Bernina, dem Südfusse der Schwei-
zer-Centralalpen entlang durchs Veltlin, Tessin (?), Piemont
(hier am Südabhang des grossen St."Bernhards-Berges sich
wieder bis auf wenige Stunden der Schweizergrenze nähernd)
nach Savoyen, und bis Nizza fort. Die das Engadin durch-
schneidende Vegetationslinie scheint hier eine NWN, Man
hat diese Art aber auch in der Rheinpfalz, in Nassau, in der
Wetterau, u. in Bayern (um Regensburg an Kalkfelsen) spo-
radisch beobachtet. |
Cruciferae 33
59. Erysimum strietum Fl. d. Wett.
Oberinnthal: von Pfunds 3000° bis zur Grenze bei Finster-
münz. Dann häufiger an der Strasse durchs Unter-Engadin:
zwisch. Finstermünz u. Martinsbruck linke Thalseite, Remüs
u. Schuls (Brügg.), bei Ardez (Papon), Guarda 5100° (Mor.
Brügg.), Lavin (Hr! Pap!), Süss u. Zernez (Muret! Brügg.)
4600°. Auch Ul. v. Salis-Marschl. fand es im Unter-Engadin.
Selten im Ober-Engadin: am Bergvorsprunge zwisch. Samaden
u. Celerina 5400’ (Mor. Brügg.) mit Stipa pennata. Wächst
bei uns immer an steinigen felsigen Stellen. In der übrigen
Ost-Schweiz, Tirol u. Vorarlberg, in Bayern südl. der Donau,
Salzburg u. Kärnthen nicht beobachtet. Aber in der Lombardei
u. der südwestl Schweiz; dann im mittleren, westl. u. östl,
Deutschland. Die bekannten Standorte aus dem obern Imn-
thale liegen alle auf der linken Thalseite; stellt der obere
Inn wohl eine SO Vegetationslinie dar?
60. E. canescens Roth. Bei St. Maria im
Münsterthal (Mor! Fl. d. Schw. S. 159. Uebergänge von
E. rhaeticum zu E, canescens im Vintschgau zwisch, Eiers
u. Laas (Hepperger! Seelos!). Wohl auch in Poschiavo.
Fehlt in der übrigen Ost-Schweiz, Vorarlberg, Nordtirol,
Südbayern u. Salzburg. Die NW, das südöstl. Bünden durch-
schneidende Vegetationslinie kommt vom östl. Deutschland
her durch Oesterreich, das südl. Tirol u. geht durch die Lom-
bardei nach dem Wallis.
61. E. rhaeticum DC. (inclus. E. helve-
tiecum Koch). Oberinnthal: bei Imst (Hausm!), dann
an steinigen felsigen Plätzen, um Gebüsch an der Strasse von
Landeck bis Prutz sehr häufig, 1 —2’ hohe Pflanzen mit fast
geruchlosen Blüthen , meist grünkantigen Schoten, mit oder
ohne sterile Aestchen u. Blätterbüschel in den Blattachseln
(also E, rhaeticum nebst helveticum nach Koch!), ja nicht
selten beiderlei Stengel (d. h. beide Koch’sche ‚‚Arten‘‘) aus
einer u. derselben Wurzel (Brügg.); bei Pfunds (als E. hel-
veticum, Hepperger u, Seelos!). Von da an wird die Pflanze
3
34 Cruciferae
durch das ganze Engadin bis Samaden vermisst, aber durch
das ebenfalls bei Pfunds 3000° ins Innthal eintretende u. dem-
selben bis Samaden folgende E. strietum vollständig ersetzt.
Im Vintschgau: bei Mals 3300°, Eiers, Laas u. Glurns im
Taufererthale (als E. helveticum u. rhaeticum: Hausm!). Im
Münsterthal (Mor!); Veltlin bei Morbegno (Schl!). In den
transalpinen Thälern des südwestl. Bündens; — aber nicht
mehr in Mittelbünden (wo sie ‚‚bei Thusis ?°* Schleicher ge-
funden haben wollte), überhaupt nicht mehr im Flussgebiete
des Rheines. Die Form E. rhaeticum ist besonders über den
ganzen südl. Theil des alten Rhätiens (doch besitze ich auch
aus dem wallisischen Nikolaithale Exemplare mit Blätter-
büscheln in den Blattwinkeln) — die Form E. helveticum
Autt. über den ganzen Zug der Centralalpen (doch mehr auf
deren südlicher Abdachung) von Steiermark bis Piemont ver-
breitet. Ihre N Vegetationslinie streicht von Steiermark her
über den Grossglockner nach Landeck (Imst ist wahrschein-
lich nur ein sekundärer Standort), biegt sich beim Eintritt
ins obere Innthal u. demselben folgend —in eine NW um;
setzt dann vom Ober-Engadin aus (wo es als Alpenform von
5400° an erscheint) in fast rein westlicher Richtung durch
Misox, Calanca, Tessin ins obere Rhonethal (Brig etc.) über,
um mit demselben sofort wieder die frühere südwestl. Rich-
tung zu verfolgen.
62. E. pumilum Gaud. (CE. alpinum Hegeischw.
Fl. d. Schw. S. 650). An der Grenze des Unter-Engadins :
bei Nauders (Sauter!) u. auf der Malserheide (als E. Chei-
ranthus Koch. Hepperger u. Seelos!). Ober- Engadin: bei
Samaden (als E. helveticum: Hr! bei Wegelin Enum. fl.
helv.), daselbst, nicht weit von den letzten Exemplaren des
E. strietum entfernt, fand auch ich die ersten grössern Vor-
läufer des E. alpinum, das weiter oben besonders um Campfer,
Silvaplana, Sils u. bis zum Maloja 5600 — 6000’ häufiger (an
felsigen steinigen SO Abhängen, auf Hornblende, Syenit,
Granit) u. gewöhnlich in charakteristischer, während der
Cruciferae 35
Blüthezeit kaum fingerslanger, später sich etwas verlängernden,
Zwerggestalt (E. pumilum Gaud.) auftritt (Brügg.). — Die
grossblüthige kurzstengelige Alpenform der vorigen Art, die
auch wie dieselbe u. noch häufiger mit nackten Blattwinkeln
varirt (E. Cheiranthus Koch!). In der subalpinen Region
geht sie durch grössere Mittelformen in vorige über. Der
Griffel ist meist (wie bei E. rhaeticum) 11/, —2mal , selten
3mal oder nur so lang als die Breite derSchote (in letzterem
Falle heisst sie E. Cheiranthus Koch.). Auf ein einzelnes u.
dazu noch so veränderliches Merkmal (wie die Griffellänge
u. sterile Aestchen) gegründete Arten stehen auch bei diesem
genus nicht fester als bei andern. Ich stimme daher Moritzi
(Pfl. Grb. S. 39 u. Fl. d. Schw. S. 158) u. Bar. v. Haus-
mann (Fl. v. Tirol S. 66) völlig bei, wenn sie dieses u. E.
rhaeticum , helveticum ,„ Cheiranihus Koch als Formen einer
Art (E. Cheiranthus Pers. syn.) auffassen.
63. Brassica campestris DC. Mor! (Fl. d.
Schw. S. 163). Unkrautartig im Getreide: im Unter-Enga-
din u. Ober-Engadin (Mor!): um Bevers (Krätt.), zwischen
Celerina 5350’ u. St. Moritz am Rande von Aeckern , Ende
Aug. reife Samen tragend (Hegetschw! als ‚‚B. praecox W.
K.‘‘) ; daselbst fand ich sie, im Aug. 1850, am Strassenbord
bei Cresta, u. in einem kleinen Gerstenfelde beim Mayensäss
(Acla) Statz 5560° zwisch. St. Moritz u. Pontresina,; dann
selten an Schultstellen u. Flussgeschiebe bei Silvaplana u.
Surlei 5600‘ (über 6000° Schweiz. M.): Brügg. Im benach-
barten Poschiavo u. Davos (Mor!), u. durch ganz Grau-
bünden soweit die Aecker gehen, doch nicht leicht unter
3000°. Ihr eigentlich wildes Vorkommen kann man, bei der
grossen Verbreitung u. Massenhaftigkeit des Auftretens in
diesen Hochthälern, wo man die Kohlarten nur aus Setzlingen
zieht, die man sich aus den tiefern Gegenden holt, u. daher
absichtlich nicht zur Blüthen- u. Fruchtentwicklung kommen
lässt — hier unmöglich in Zweifel ziehen. Moritzi hält un-
sere Pflanze sogar für die ‚‚Stammrage aller cultivirten u.
3*#
36 Cruciferae
botanischen‘‘ Kohlarten unserer Gegenden — was wohl weniger
ausgemacht erscheint.
— B.oleraceaL. a. acephala DC. (,Köhl“,
Blattkohl, Krauskohl; ‚‚Wearsas‘‘ im Ober-Engadin), und
2. eapitata DC. (,,Kabis‘*, Kopf-Kohl; ‚Giabügsch‘
im Ober-Engadin); beide gehen im Engadin mit dem Roggen-
u. Kartoffelbau weit über 5000° hinauf in die Alpenregion.
So in Gärten von Sils 5600° u. Silvapiana 5626’, „,Köhl‘‘
auch noch zu St. Moritz 5740',
y. gongylodes L. (Kohlraben, Kropfkohl, Rübenkohl ;
„„Collarabis‘*) — findet man noch in den meisten Gärten des
Ober-Engadins von Scanfs bis Sils u. St. Moritz, 5000 —
5750°, angepflanzt, mit weisseu u. gelben Rüben, Rettigen,
Petersilie u. Sellerie, Scarzoneren, Endivien , Salat (Lattich),
Spinat, Mangold etc. (B. caulo-rapa Heg.).
ö. botrytis L. (Blumenkohl, Carfiol, Broccoli; „‚Car-
difiols‘‘) — gedeiht noch im Oder-Engadin: bei Zuz 5300°,
Samaden 5400°; ja in günstigen Jahrgängen, wenn die Setz-
linge vom Bodengewürm in Ruhe gelassen werden , sogar zu
Silvaplana 5600‘, u. zu St. Moritz 5740‘, der höchstgelegenen
Ortschaft des Engadins, noch sehr schön u, gut im Garten
der Fräul. Bawier.
— B. Rapa L. ?. rapifera Koch. (.,Räben‘“,
weisse Rüben; ‚‚Rävas‘‘). In Gärten des Ober-Engadins
bis über 6000°, mit Spinat, Mangold, Salat, Schnittlauch.
Bei Cresta in dem benachbarten Hochthale Avers (Mittelbün-
den) gedeiht sie noch bei 6160° mit Salat, Mangold u. Erbsen.
Die trefflichen Silser Rüben sind im Ober-Engadin berühmt;
von der ausserordentlichen Schmackhaftigkeit der weissen u.
gelben Rüben von Silvaplana 5626‘ habe ich mich selbst
vollkommen überzeugt; überhaupt zieht man in Bünden die
Rüben u. Räben höherer Gegenden denen des Tieflandes (Chur,
Thusis) bei weitem vor. Sie gewinnen mit zunehmender
Höhe des Standortes an Qualität, was sie an Quantität ver-
lieren. Weniger scheint das von den Kohlrübenarten zu gelten.
Cruciferae 37
— B. Napus L. ?B. esculenta Koch. (Bodenkohl-
" raben,, Speckrübe,, Kohlrübe, Dorschen, schwedische Rübe).
B. Napobrassica Heg. Mit den eigentlichen Kohlräben noch
hie u. da in den Gärten des Ober-Engadins bis etwa 5500’ ;
zu St. Moritz 5750’ gedeihen sie nicht mehr.
Der Reps (B. Napus «. oleifera Koch.) wird als Oel-
pflanze in Bünden, meines Wissens, nur in der sog. Rhein-
ebene, nicht über 2000’, gebaut.
64. Sinapis arvensis L. Ein überall, auch noch
in der Bergregion, gemeines Ackerunkraut , das im Engadin
etwa bis 4300° sich erhebt, somit auf die untere Thalstufe
des Unter-Engadins (bis Schuls u. Tarasp) beschränkt sein
mag. In Mittelbünden: jenseits des Albula bei Bergün c.
4200° u. in Churwalden bis ec. 4500 SW etc. von mir; in
Tirol auf dem Brenner 4130’ von L. v. Heufler, in Südbayern
im Mittel bis 3020‘ von Prof. Dr. Sendtner, beobachtet.
— Erucastrum Pollichii Schimp. uw.
Spenn. Nahe der Grenze im Oberinnthale: am Wege
von Serfaus (4600°) nach Pfunds (3000%) Ende Juli 1852
von Hepperger u. Seelos aufgefunden. Nicht weiter in Tirol.
Aber in der Donauzone Südbayerns bis. 1625’ (Sendtner!),
Bodenseegegend bei Constanz (Höfle!), Kant, Zürich (Kölliker !)
Schaffhausen {Laffvn!), in der westlichen u. südwestl.
Schweiz (Mor! — Rchb! als „‚E. inodorum Rchb.‘‘); das
wohl hieher gehörige E. montanum Heg. im Liviner - Thal
(Tessin! oder Veltlin?) nach Hegetschw.; E. Pollichii nicht
in der Lombardei (Cesati !). Aber in Möttelbünden : auf Fluss-
geschiebe des Rheines u. seiner Zuflüsse im Thale Domleschg
2000— 2200’ (Brügg.). Die SO Vegetationslinie dieser Art
geht von Unterösterreich (Koch!) aus über Pfunds u. Thusis
in fast gerader (südwestlicher) Richtung durch das tessinische
Livinenthal u. die südwestl. Schweiz (Genf). — Der Ver-
| breitungsbezirk von E. obtusangulum Rehb..hat eine andere
Gestalt, geht weniger weit östlich, greift aber weiter nach
Süden (Südtirol, Lombardei).
38 Cruciferae
— Diplotaxis muralis DC. Foliis glabris vel
subglabris! Oberinnthal: an der Strasse von Landeck nach "
Prutz 2650-2760 an mehreren Stellen Ende Aug. 1853
von mir beobachtet. Im gleichen Sommer hatte ich die näm-
liche Pflanze zu München (an der Kasernstrasse auf Kies nahe
bei der alten Pinakotheke) gesammelt u. an beiden Orten von
gleichem ausgezeichneten habitus befunden, wodurch — so-
wie durch eine verschiedene Verbreitung — dieselbe sich so-
gleich als eigene Art charakterisirt. Von Uebergängen keine
Spur! — Auch bei Innsbruck (v. Heufler!) "u, in Südtirol (v.
Hausm!); Lombardei; südwestl. u nordöstl. Schweiz (Zürich:
Dr. B. Wartmann), Constanz, Ulm etc. In Graubünden
habe ich sie nur in Thusis 2300° beobachtet, um so häufiger
aber die folgende. f
— BD. tenuifolia DC.’ Um Innsbruck z. B, häufig
gegen Ambras. Oberinnthal: im Dorfe Silz 2100, u. spär-
lich auf Schutt bei einer Häusergruppe zwisch. Landeck u.
der Pontlazbrücke c. 2700° (Brügg.). — Nicht um München
— aber in der Donauzone. Südtirol häufig, Lombardei, Tessin,
südwestl, Schweiz; im schweizer, Rheinthale von Thusis 2500
an abwärts; Bodensee-, Rhein- u. Maingegenden, Belgien etc.
65. Alyssum ealyeinum L. Im Ober-Enga-
din (5200 — 5500’) habe ich es im Sommer 1850 gesammelt.
Im benachbarten Oberhalbstein, Bergün u. Belfort 3000 —
5000’, u. weiter durch das mittlere u. vordere Bünden ziemlich
verbreitet. Im tirolischen Innthal bei Zirl, Innsbruck, Ratten-
berg; am Ritten bei Bozen bis 5000‘ (Hausm!). In Südbayern 1
nicht höher als 1860° beobachtet (Sendtner); ebenso sucht -
man es in der nordöstl. Ecke der Schweiz: um St. Gallen
(2090°) u. im Appenzell — vergebens. Dafür aher im Thurgau,
Constanz , Zürich, Schaffhausen, Bregenz etc.
66. Draha aizoides EL. Alpen des Ober-Enya-
dins auf Kalk: auf dem Albula, in der St. Moritzer Alp u.
a. O. bei 6—7500° ü, M. Dann am Wormserjoch u. auf
Kalkgerölle bei Graun im Vintschgau nach B. v. Hausm.
Cruciferae 39
Auch auf dem Pizlat (Kalk) an der Grenze des Unter-Enga-
dins — mit Dr, nivea Saut,
— D. Zahlbrucekneri Host., die Hochalpen- u, zugleich
Kiesel- (Urgebirgs-) Form der vorigen alpinen Kalkpflanze, in einer
Höhe von 7500 —9000° an verschiedenen Stellen der östlichen Cen-
tralalpen vom Steiermark, Salzburg, Kärnthen u. Tirol vom Glockner
zum Ortler angegeben; so im benachbarten Vintschgau im Laaser-
thale (Tappeiner!). Dass sie auch auf den Hochgebirgen des Enga-
dins (östlich vom Albula u. Bernina gewiss — mit Ranunculus pyg-
maeus u, manch andern Bürgern der östlichen Alpenflora) vorkomme,
ist um so wahrscheinlicher, als sie in den west?. rhätischen Central-
alpen an den Quellen des Rheins wirklich nachgewiesen ist. Ich be-
sitze Blüthenexemplare aus den Alpen des Rheinwalds von Pfr. Felix
gesammelt; auf der Höhe des Valserjochs 7770‘ auf glimmerreichem
Boden habe ich selbst am 11. Sept. 1851 Blüthen- und Fruchtexem-
plare gefunden, ganz übereinstimmend mit solchen vom Grossglockner.
Nach Hegetschw. wäre sie ja überhaupt „‚auf den höhern Alpen‘“
der Schweiz ‚‚nicht selten‘ — die speciellen Standorte anzugeben,
unterlässt er aber leider auch hier. — Dass übrigens Pflanzen tieferer
Regionen bei ihrem Vorkommen in bedeutend höheren mit dem all-
gemeinen habitus nicht bloss einzelne Merkmale od. ‚‚diagnostische
Kennzeichen‘‘ — sondern oft auch ihre chemischen Bodenbedürfnisse
verändern, so bei uns wenigstens öfters aus „‚Kalkpflanzen“ zu
„Kieselpflanzen‘“ werden: dafür wird uns die Flora des östl. Rhätiens
noch zahlreiche sprechende Thatsachen liefern.
6%. D. tomentosa Wahlenb. Unter-Engadin:
angeblich am Pizlat (Kalk) zw. Remüs u. Reschen; Ober-
Engadin: auf dem Albula u. Bernina 6— 8000’ (Mor.);
daselbst auch nach Krättli; auf dem Wormserjoch nach dem
Moritzi’schen Herbar. (als „‚Dr. hirta*‘*) u. B. v. Hausmann !
Mittelbünden: an Kalkfelsen in Avers unter Campsut in enger
Thalschlucht, NO exponirt, bis 5000‘ herab; dann in der
Alpenregion auf kalkhaltigem Boden durch das übrige Grau-
bünden zerstreut, häufiger aber in den nördl. „‚Kalkalpen‘‘
der Schweiz, wo diese Art der Schwede Wahlenberg (tent.
de clim. et veget. helv. 1813) zuerst unterschied.
— Draba nivea Sauter (,‚Flora‘ 1852 No. 39),
vom habitus der vorigen, von der sie sich (nach Sauter)
40 Cruciferae
durch die im trockenen Zustande schneeweissen , "grossen,
verblüht oft gelblichen Blumen, die glatten oder flaumhaarigen
Blüthenstiele u. Schötchen, mit einem dicken kreiselförmigen
Griffel, die steiflichen glatten Stengel u. grünen (glatten, sel-
tener flaumhaarigen) Kelchblättchen , auffallend unterscheiden
soll, erhielt Dr. Sauter in mehreren Exemplaren die auf dem
bei 8900’ hohen „„Kalkgebirge Pitzlat‘‘ im Unter-Engadin
in einer Höhe von 6— 7000’ gesammelt wurden vom Berg-
arbeiter Cajetan Freyberger im J. .1851.
B. v. Hausm. (Fl. v. Tir. S. 1405) hält sie für eine Form von
D. tomentosa, die auch in Südtirol: am Wormserjoch u. am Schlern
vorkomme. Am Piz-Lat wurde die Pflanze später auch von Andern
gefunden, u. von gewisser Seite schon für eine Aybride Form —
sogar zwisch. D. aizoides (!!) u. tomentosa — erklärt. Dass sie
wenigstens letzteres, nämlich ein aus D. aizoides durch Bastardirung
mit einer andern Art entstandenes Erzeugniss, nicht sein könne —
da die von Sauter beschriebene Pflanze mit D. aizoides, abgesehen
vom Standorte, gar nichts mehr gemein hat als jede andere Art od.
Form der Rotte Leucodraba DC. — ist leichter zu beweisen, als zu
sagen: was sie eigentlich sei. D. nivea ist jedenfalls einer weitern
Aufmerksamkeit sehr zu empfehlen. Man hat überhaupt die zahl-
reichen Draba-Formen der Alpen bisher zu sehr nur nach getrock-
neten — todten — Exemplaren der Herbarien studirt u. beurtheilt,
— dagegen noch viel zu wenig an ihren verschiedenen natürlichen
Standorten im Freien beobachtet, um schon jetzt im Falle zu sein,
die wenigen guten Arten von den durch Regionen- u. Boden-
Verhältnisse bedingten Unterarten (subspecies) oder den durch die
Standörtlichkeit u. andere Zufälligkeiten hervorgerufenen u. modifi-
zirten Formabänderungen (Varietäten), und diese hinwieder von
den durch gegenseitige Bastardirung (der oft beisammen wachsen-
den Formen) erzeugten (hgbriden) Gebilden mit Bestimmtheit zu
unterscheiden. Letztere mögen aber bei dieser — wie bei den mei-
sten artenreichen weit verbreiteten Gattungen der Blüthenpflanzen,
wohl viel häufiger in der freien Natur vorkommen als man bisher
glaubte, und so auch bei diesem genus vielfach — vielleicht zum
grössern Theil — die endlosen Synonymen-Register u. die heillose
Verwirrung bei den Autoren verschuldet haben.
Cruciferae 41
— „D. stellata Jacq.‘‘“ Wormserjoch: Anhöhen
beim Posthaus (Funk! im J. 1826). Alpenregion auf dem
Wormserjoch (Stelvio), Veltliner-Seite (Moritzi Fl, d. Schw.
S. 148).
Das betreffende Blüthenexemplar habe ich im Moritzi’schen Herbar.
zu Chur selbst untersucht. Es trägt auf seiner, mit den Worten:
„„Verificirt nach dem De Candalle’schen Herbarium‘* bestempelten
Etiquette die Jahrzahl 1832 u. den Standort ‚‚vom Stelvio“, mit -
der ursprünglichen Ueberschrift ‚‚„Draba frigida Saut.‘“, die von
einer spätern Feder durchgestrichen u. von Moritzi’s Hand durch den
Namen ‚‚Draba stellata Jacq.‘* ersetzt wurde. Von dieser ursprüng-
lichen Bestimmung rührt offenbar die Angabe Moritzi’s (in den Pf,
Graub. S. 40 im J. 1839 erschienen) her von einer ‚Dr. frigida
Saut.‘“ — mit „‚bedeutend grössern Blumen‘“ als die Pflanzen der
übrigen Bündner-Standorte (er nennt nur: Splügen u. Ursern-Thal
(Gaud.), u. Val-Livino (Heer) —, die er „,auf dem Stelvio‘* ge-
funden habe. Dass seine später zu D. stellata Jacgqg. gezogene
Pflanze (in der Fl. d. Schw. u. der erneuerten Ueberschrift im herbar.)
vom Stelvio — von derjenigen Jacquin’s — u. füge ich noch hinzu:
Koch’s — durch behaarte Blüthenstiele abweiche u. hierin mit
der von Hegetschweiler (Fl. d. Schw. 8. 632 als ‚Dr.
austriaca Cranlz,“ mit den Synonymen: „D. stellata Jacq.
u, hirta ejusd. Flor, austr. t. 432°) beschriebenen übereinkomme,
der seine Exemplare ebenfalls aus Graubünden u. Wallis besass, —
darauf hat schon Moritzi aufmerksam gemacht. Auch Reichenbach
(4. exc. p. 666) bemerkt in der Diagnose seiner D. stellata Jacg.
nichts von einem „oberwärts nebst den Blüthenstielen kahlen Sten-
gel‘‘; sondern einfach: „,stellato - pubescens““. Rchb. führt dabei
_ auch einen Walliser-Standort an (Vallöe de Bagnes nach Gaud.), —
Aber noch ein anderes Bedenken drängte mir Moritzi’s D. stellata
auf. Sein Exemplar vom Stelvio steht in voller Blüthe — hat noch
gar keine Früchte, um daran das Hauptmerkmal , das alle Autoren
in der Diagnose von D. stellato Jacq. vorzüglich betonen, die cha-
rakteristische Länge des Griffels, nur einigermassen erkennen zu können ;
man weiss auch nicht, welche Form u. Bekleidung die Schöttchen
hätten. Es scheint auf humusreichem Boden (ohne Glimmerblättchen),
nicht in Felsritzen, gewachsen zu sein; denn an den Stämmchen sind
keine abgestorbenen Blätter, kaum Reste derselben, zu bemerken.
Dadurch u, durch den laxern habitus: die lockeren Räschen u. Ro-
42 Cruciferae
setten, die grössern weniger dicht filzigen — noch grün durch-
scheinenden — stumpfen äussern u. spitzlichen innern Blätter der-
selben, den schlankern längern (3—4‘) schlaffern Stengel, der aber
nebst Blüthenstielen u. den dunklen Kelchblättchen von viel zahl-
reichern (kurzen) Stern- u. längern ästigen Haaren (von der Länge
des Stengeldurchmessers) fast zottigfilzig erscheint, endlich durch die
grössern (den Kelch 2 — 3mal überragenden) langbenagelten gelb-
lichweissen (im trocknen Zustande) Blumenblätter (die Traube ist
etwa Sblüthig , fast ebensträussig) — — unterscheidet sich Moritzi’s
Pflanze von der damit verglichenen D. tomentosa Wahl. (aus den
Appenzeller-Alpen), zum Theil auch von den verwandten D. frigida
u. D. nivea Saut. Moritzi hat seine Draba — wie die Pflanzen
überhaupt — mehr nach dem habitus bestimmt u. dieselbe anfänglich, mit
Hülfe des De Candolle’schen Herbar’s, als Form zu D, frigida ge-
zogen; mit ächten authentischen Exemplaren von D, stellata Jacg.
— einer sonst die Kalkalpen Oesterreichs, Steiermarks, Salzburgs u.
des südöstl. Tirols bewohnenden Art — konnte ich sie leider noch
nicht vergleichen. Indess können gewiss auch hier nur fortgesetzte
Nachforschungen am Original-Standorte die Frage über die Iden-
tität u. Aechtheit der species zum Abschluss bringen.
68. D. frigida Saut. Ober-Engadin : eine lockere
weniger filzige Schattenform bei Bevers N (Krätt.); in der
Celeriner-Alp (Mor. hb. als ,,D. tomentosa‘* in den Pfl, Grb.
S. 40); um Silvaplana an Gmeiss- u, Granitfelsen: an der
bewaldeten Höhe Crestatsch S 5800’, am M. Pülaschin S
6000’, in der Alp überSurlei gegen Rosetsch N 6500’ (Brügg.);
in Val-Livino (Hr !). In Mittelbünden: unterhalb Cresta in
Avers an Thonschieferfelsen mit folgender NO 5600’; dann auf
gleicher Gebirgsart in den Churwalder- (Brüggergerberg), Safier-
(am Pass nach Vals 6—6500') u. Obersaxer-Alpen (Hizeckerkopf)
von mir gesammelt. Auf dem eigentlichen Kalkgebirge habe ich
sie in Graubünden, der nordöstl. Schweiz u. Vorarlberg vergebens
gesucht; sie fehlt nach Sendtner auch in den Algäuer- u.
bayrischen Alpeu. Aber auf Verrucano im südöstl, Glarus
(nach Heer!). Sie erscheint uns demnach als Kiesel-Form
der kalkbewohnenden D. tomentosa Wahkl., zu welcher die
Form „‚mit behaarten Schötchen“‘ (Koch!) vielleicht den
Uebergang bildet. Exemplare mit etwas verlängerten Griffeln,
Cruciferae 43
die den Uebergang zu seiner D. stellata machten, besass He-
geischweiler. Derselbe spricht von „‚weniger behaarten Ge-
stalten‘‘, die der D. Johannis Host. sehr nahe stehen. Auch
Bar. v. Hausmann u, Fr, Leybold haben in Südtirol Ueber-
gänge zu D. Johannis beobachtet u. halten sie nicht für ver-
schieden von derselben, letztere wachse mehr an freien unbe-
rasten Stellen. Ich habe jedoch in Avers beide neben ein-
ander an der gleichen Felswand gesammelt wo folgende.
— D. Traunsteineri Hop. Koch! Im benach-
barten Hochthale Avers; an einem Thonschieferfelsen bei der
Brücke unterhalh Cresta NO c. 5600’ in Gesellschaft der
vorigen u. folgenden, Unsere Pflanze scheint eine Mittelform
mit verlängertem Griffel (oder Hybride?) zwisch. den beiden
bezeichneten „‚Arten‘*, mit den Wurzelblättern der D. frigida
— aber den Frucht-Trauben von D. Johannis.
69. D. Johannis Host. Ober-Engadin: Albula
beim Weissenstein (Mor!); Bernina -Heuthal (Mor. hb.),
Wormserjoch (Mor!) u. Vintschgau (Hausm!). In Avers
unterhalb Cresta mit vorigen, u. Formen mit zerstreuten be-
haarten Blüthenstielen u. Stengeln aber von übrigens unver-
*ändertem habitus, die wie es scheint ebenfalls den Uebergang
zu D. frigida bilden. In Mittelbünden zerstreut. Selten in
den Glarner- u. St. Galler-Alpen. Uebergangsformen zu fol-
gender (D. lapponica W.) theilte mir Hr. Fried. Leybold mit
aus Südtirol (vom Schlern).
‘0. D. Wahlenberzii Hartm. (D. flad-
nizensis Wulf.). Unter-Engadiner-Alpen (Hr!). Wormser-
Joch, Suldnerthal am Ortler u. anderwärts im Vintschgau nach
B. v. Hausm. Selten in Mittelbünden (Parpaner-Rothhorn :
J. Lorez; Kulm des Heinzenbergs (Lüsch-Alpe) die Form P.
heterotricha Koch! D. lapponica W.: Brügg.). (Häufiger in
den Glarner-, nördl. Bündner-, St. Galler-, Appenzeller- u.
Montafoner - Alpen bei 6—8800N. Eine Uebergangsform zu
D. Johannis scheint D. intermedia Heg. (aus den Appen-
zeller-Alpen: Custer !) darzustellen.
44 "Cruciferae
1. D. incana L. Koch! Auf dem Aldula in
Graubünden (Koch syn!). Sonst auf Kalk in Südtirol u.
den Berner- Alpen. (D. bernensis Moritzi!). Am Albula-
Pass herrscht Kalk; er liegt zugleich in der geraden Linie
(S SW) vom Schlern zum Ganterisch bei Thun, — Aus
jährigen Exemplaren dieser Art besteht, nach Bar, v. Haus-
mann, die folgende,
— D. Thomasii Koch, (D. confusa Mor. Pf.
Grb. p. 40). An der Stilfserstrasse oberhalb Worms „‚auf
thonhaltigem Felsenschutt‘* im J. 1832 von Moritzi gesam-
melt; Wormserjoch (Koch syn.!); im Vintschgau: im Mat-
scherthale, Voralpen bei Laas, auf Glimmerschiefer bei Tarnell
c. 3500’ (Tappeiner!), u. sehr häufig an Felsen ausser Re-
schen gegen Nauders (Seelos u. Hepperger!). Letzteren
Standort nach den Karten ebenfalls anf glimmerreicher Ge-
birgsart. Dessgleichen mehrere andere Standorte aus Südtirol
(Pflersch, Buchenstein) u. Wallis (Nikolaithal).
Bestehen vielleicht reellere wichtigere Unterschiede zwischen dieser
Kieselpflanze u. der Kalkform — als die von Koch angegebenen ?
Ist die wahre D. Thomasii Koch od, stylaris Gay. oder confusa
Ehrh. vielleicht eine dem Urgebirge eigenthümliche — von der
Draba bernensis der Kalkalpen verschiedene, immer noch nicht richtig
erkannte u. gehörig umschriebene Art ?
— Armoracia rusticana Fl. d. Wett.
(Meerrettig). Blühen sah ich ihn noch in Gärten zu St.
Moritz 5700° (Ende Aug. 1850), In Mittelbünden : wild-
wachsend um den Teich von Alvaschein 3050‘ nach Moritzi ;
in Gärten noch häufig in Churwalden bei 4200‘. — Verwildert
um St. Gallen bei 2500‘ (Brügg.); in Südbayern cult. bis
2890’ (Sendtner) ; im östlichen Tirol wild bei 4500’ (Hausm.).
— Lepidium sativum L. (Gartenkresse). Ich
fand sie, mit der Gartenmelde (Atriplex hortensis L.), noch
gepflanzt bei dem hoch über dem Silsersee am Südabfall des
gleichnamigen Gebirges gelegenen Hofe Gravesalvas im Ober-
Engadin c. 6100‘.
Cruciferae 45
2. Cochlearia(Kernera)saxatilis Lam.
Unter-Engadin:: zwisch. Finstermünz u. Martinsbruck, linke
Thalseite 3—4000° (Brügg.); bei Schuols (Krätt.).,. Im
nahen Ober-Vintschgau bei Graun (Hutter!). Eine Varietät
„mit leierförmigen Blättern“ an der Stilfserstrasse (Mor!);
am Wormserjoch (v. Gundlach !). Ober-Engadin : bei Samaden
(Krätt!), am Septimer (Scheuchzer!). Im benachbarten Oberhalb-
stein am Crap-sees 3500’ auf Dolomit, u. anderwärts in Mittel-
bünden, auch auf kalkreichem Thonschiefer (Viamala) ; geht mit
dem Rhein bis Trübbach 1490° (Brügg,). Häufiger in den
nördl. St. Galler- u. Appenzeller-Kalkalpen. — Auch bei uns
nie auf kalkfreier — übrigens aber sowohl auf psammischer
als pelischer Bodenart.
73. Camelina sativa Crantz. Unter-Enga-
din: unkrautartig im Getreide um Remüs, Schuols 3700’, u.
eine var. panicula glaberrima: bei Zernez 4600‘. Aber weder
hier, noch um Chur, noch in der nordöstl, Schweiz, sah ich
die Pflanze so häufig u. in solcher Individuenmasse auftreten
wie in den Saatfeldern Oberbayerns (z.B. im Thale der Am-
mer); u. doch steigt sie dort, nach Sendtner, nicht höher als
2150’.
«4. Thlaspi arvense UL. Unter-Engadin: bei
Zernez 4600’; Ober-Engadin : bei Samaden 5300’ u. selbst
am Rande des letzten Gerstenfeldes bei Campfer 5700’ (Brügg.).
In Südbayern nicht höher als 1860° (Sendiner), aber ungleich
häufiger als bei uns in der östl. Schweiz. In Südtirol am
Ritten bis 5000’ (Hausm.).
75. Thlaspi Salisii Brügg.: „‚Radice multieipite,
caespitibus brevibus confertis, Caule ramoso, firmo, 1/,; —1
pedali. Foliis caulinis lanceolato -oblongis, cordato - sagittata
basi sessilibus , (nervosis) subcarinatis, remote subdentatis,
glaucescentibus ; awillis ramulos (fructiferos 1. steriles) vel
foliorum fasciculos gerentibus. Racemo fructifero elongato;
siliculis obcordato -oblongis gibbis, basin versus attenuatis ;
loculis 4— 5spermis; alis valvarum antice latitudinem locula-
46 Cruciferae
menti aequantibus; siylo brevi, sinum emarginaturae dimidium
subaequante. Seminibus obovatis substriatis. Antheris sem-
per luteis“. — () — IL? Nor. Juni. (T. alpestre Autt.
rhaet. non L. nee Koch! — T. perfoliatum var. Brügg.
ap. Sendtn. Südbayr. p. 612).
Ober-Engadin (Ul. v. Salis-M! Mor!) 5— 6000’ an son-
nigen felsigen Abhängen , lehmigen od. sandigen Wegborden
u. Rainen, auch auf Feldmauern (aus granitischem Gestein):
Bevers, Samaden u. Celerina 5200—5400° (Brügg.), Pontresina
5570’ (Mor. hb.); Bernina (Haller!); um St. Moritz, häufig
bei Campfer u. Silvaplana 5600 — 6000’, SO (Brügg.). Im
anstossenden Mittelbünden: um Marmels 5000° im Oberhalb-
stein, Chloritschiefergebirge mit Gabbro u. Serpentin (Brügg.):
auf Davos (Mor.). Nie auf Kalkboden oder unter 4500’ be-
beobachtet. — Mehrere andere für ,,T. alpestre‘“ angegebene
Standorte aus der subalpinen u. untern alpinen Region der
Centralalpen, besonders von Wallis (Nikolaithal),, Tirol u.
Kärnthen — sind noch weiter mit unserer Art zu vergleichen;
denn es ist sehr wahrscheinlich, dass dieselbe auch über die
rhätischen Alpen hinaus verbreitet sei, u, möglich dass sie
anderswo ebenfalls verwechselt wurde.
— T. Salisii repräsentirt in diesen Regionen u. Gegenden den
— durch die besondern Einflüsse u. Verhältnisse des Standorts mo-
difizirten — typus des, die Ebene u. Hügelregion bewohnenden T.
perfoliatum L., zu dem ich es auch (nach Fruchtexemplaren) an-
fangs als blosse „Alpenform“ stellte. Doch erhebt sich T. perfoliatum
in Südbayern nicht über 2100° (Sendtner), in Südtirol u. Graubün-
den (im Rheinthale um Mayenfeld, Chur, im Domleschg) kaum über
2500°, im Innthale selbst nur bis Imst 2280° (v. Hausm!) — u.
wurde zudem in diesem ganzen Gebiete nur auf kalkhaltiger , meist
sogar auf kalkreicher Bodenart beobachtet: während dagegen T.
Salisii erst um 3000‘ höher als Imst im Innthale bei Samaden — u.
auch in Mittelbünden erst etwa 2000° über den höchsten Standorten
von T. perfoliatum — auftritt, in der ganzen dazwischenliegenden
obern Bergregion aber sowohl die eine u. andere Art als auch Zwi-
schenformen zu fehlen scheinen. T. Salisii wächst zudem nur auf
kieselreichen, jedenfalls kalkarmen (vielleicht auch kalkfreien?)
Cruciferae 47
Verwitterungsprodukten des Urgebirges, u. steht somit zu T. per-
foliatum auch im Verhältnisse der Kieselform zur Kalkform, ähn-
lich wie Draba Zahlbruckneri zu D. aizoides, D. frigida zu D. to-
mentosa, Hutchinsia brevicaulis zu H. alpina, oder wie Thesium
alpinum zu Th, tenuifolium, Galeopsis intermedia zu G. Ladanum etc.
Ausser dieser Verschiedenheit der Verbreitung, des Standorts u. der
Bodenbedürfnisse, weicht aber T. Salisii von T. perfoliatum noch
ab: durch die mehrjährige vielköpfige Wurzel u. den desshalb ge-
drungenern robustern habitus, den festern, steifern,, zweimal so
dicken (gerieften) wenig ästigen oder einfachen Stengel — gewöhn-
lich gelangen nur 1 —3 obere Aeste zur Blüthen- u. Fruchtbildung,
die übrigen bleiben unentwickelt; den gedrängteren Blüthenstand ;
die schmälern längern, mehr lederarlisen, stärker benervten (durch
den meist stark hervorspringenden Rückennerv gekielten), weniger
umfassenden Blätter, welche sammt Stengel, Achse, Schötchen u.
Kelch stärker bläulichgrün bereift (glaucescentia), u. manchsmal
(besonders unterseits) violettlich überlaufen erscheinen ; Alles diess,
sowie die spätere Blüthezeit (Juni, Juli) u. die etwas grösseren
Blüthen — Folge des hohen alpinen Standorts mit seinen kürzern Vege-
tationsperioden, mit stärkerem Lichteinfluss u. Insolation, vermindertem
Luftdruck, daher erhöhter Lebensthätigkeit, concentrirterer Säfte-
mischung, beschleunigter Entwicklung der reproduktiven Sphäre.
Von den gleichen Ursachen abzuleiten sind daher wohl auch: die
fast noch einmal so yrossen (verkehri-eiförmigen eiwas zusammen-
gedrückten) Samen von T. Salisii, die bei der Reife unter einer
scharfen Loupe etwas uneben — besonders gegen den Nabel hin fein
gestrichelt erscheinen (die von T. perfol. dagegen kleiner, rundlich,
glatt); u. vielleicht auch die mehr in die Länge gezogene „ (daher
schmäleren etwas keilförmigen) Schöttchen, (lanzettlichen) Scheide-
wände u. Griffel. — Von dem zunächst verwandten ‚,T. alpestre
L.‘“ Koch’s u. der meisten deutschen u. französischen Autoren (wie
ich es z. B. aus der Gegend von Aachen besitze), mit seinen zahl-
reichen in neuester Zeit von Einigen zu eigenen Arten erhobenen
Formen wie T. Gaudinianum Jordan., 1. sylvestre Jord. elc.,
unterscheidet sich unsere rhätische Pflanze ausserdem: durch den
meist ästigen vobusten 4— 12’ hohen Stengel, die reichlichere
Blüthen- u. Fruchtentwicklung (ich zähle an einem 1’ hohen Expl.
an die 200 Schöttchen u. Blüthen); die länglich-lanzetten od. läng-
lichen, mit herzpfeilförmiger Basis sitzenden, entfernt (fast geschweift)
gezahnten, vorne ganzrandigen, zugespitzten etwas gekielten Stengel-
48 Cruciferae
blätter (mit abstehenden Oehrchen), wovon die untern stumpflich u.
bisweilen an der Spitze kaputzenförmig; die mit sterilen Aestchen
od. Blattbüscheln versehenen Blattachseln ; die rundlichen, elliptischen
od. verkehrteiförmigen, in einen langen Blattstiel zusammengezoge-
nen (ganzrandigen od. schwach entfernt -gezähnelten) Wurzel-
blätter; die länglich verkehrt-herzförmigen an der Basis fast keil-
förmigen Schöttchen „ mit meistens 4- bisweilen 5- (selten 3, 2,
od. sehr selten 6-) samigen Fächern , deren Höhlung vorne unge-
fähr so breit als die vorgezogenen Flügellappen , u. mit kürzerm
Griffe , der bei reifen Früchten meist nur bis zur Hälfte der tiefen
Ausbuchtung (zwisch. den Flügellappen) emporreicht u. etwa! — 's
so lang als die Scheidewand (dissepiment) wird (bei T. alpestre nach
Rehb. '/, so lang als die Scheidewand; nach Koch, u. Godron et
Grenier Fl, de France p. 145, so lang oder länger als die Aus-
buchtung); dann durch die Samen, Bläthezeit, Verbreitung — u. auf
den ersten Blick: durch die Blüthen mit bleibend gelben Antheren
wie bei T. perfoliat. (die Kelchblättchen häutig berandet, die Blumen-
blätter weiss keil-spatelförmig, so lang od. etwas länger als die
Staubgf.) — kurz durch einen völlig verschiedenen besonderen habitus.
Auf letzteres Merkmal hat, vor etwa 16 Jahren, bereits unser ver-
ehrte, um Rhätiens Flora so hochverdiente Landsmann, Hr. Hauptm,
Ulysses v. Salis zu Marschlins, aufmerksam gemacht; ihm sei daher
diese ausgezeichnete, besonders im Hinblicke auf andere Arten dieser
Gattung bestimmt genug charakterisirte, aber bisher verkannte Bür-
gerin der rhätischen Alpen-Flora gewidmet!
‘6. Biscutella laevigata L. Unter - Enga-
din: Fermunt-Alpen (Pol!), in einem Tobel an der Strasse
von Guarda 5000° nach Süss 4500° (Brügg.), nach den
Karten reines Amphibolitschiefergebirge. Ober-Engadin: ob
St. Moritz (Kalk) 5800—6500° von mir (1850) u. Richter
J. Lorez (4851) gesammelt; auch um Silvaplana u. im Rosetsch-
Thale, auf Urgebirge. Ebenfalls auf Hornblende - u. Glim-
merschiefergerölle in Mittelbünden: auf der Lenzerhaide ob
Parpan 4650 — 4800° (Brügg.). Die Pflanze galt sonst für
kalkstet, oder doch kalkhold, in ihrem Boden Kalk verlangend,
kalkdeutend.
7. Hutchinsia alpina R. Br. Ich habe
diese an einen kalkreichen Boden gebundene Pflanze, die in
Cruciferae 49
der Alpenregion der Kalk- und kalkhalttgen Schiefergebirge
des mittleren u. nördl. Bündens gemein ist, im Ober-Engadin
bloss am Albula 6 — 7000’ (Kalk) gesammelt. Auch aus der
unmittelbaren Nachbarschaft des Engadins fehlen — wenigstens
die Angaben. Wenn daher die Schweizer-Floristen von ihrer
allgemeinen Verbreitung ‚‚durch’ die ganze Alpenkette‘* spre-
chen, so ist darunter wohl nur das Kalk- u. jüngere Schiefer-
gebirge zu verstehen — oder aber die Angabe zugleich auch
auf Hutchinsia brevicaulis Hop., deren Kiesel- u. Hoch-
alpenform, zu beziehen.
Wirklich habe ich die letztere, von Rchb. u. Koch anerkannte
Art, die in den bisherigen Schweizerfloren nicht aufgeführt wird, auf
der Westgrenze der rhätischen Centralalpen: am Adulagebirge, der
Wiege des Hinter-Rheins, bei 8000° auf glimmerreichem Boden, dann
in den Valser- Alpen gen Safien u. am. Tambohorn bei 7 — 8000’
ebenfalls im westi. Rhätien, selbst gesammelt, u. schöne Rasen mit
sehr glimmer- u. quarzreicher anklebender Bodenart aus den Rhein-
walder-Alpen von meinem Freunde Pfr. J. Felix erhalten — ganz
übereinstimmend mit Exemplaren aus den Centralalpen Tirols. Da
dieselbe nun auf entsprechender Bodenart der höhern Alpen durch
das ganze östliche Schwesterland verbreitet ist, so würde es minde-
stens höchst auffallend sein, wenn H. brevicaulis Hop. nicht auch in
den Engadiner Hochalpen noch zu finden wäre. H. alpina steigt auf
Flusskiess in Glarus bis 1400° (Heer), in Südbayern mit der Isar bis
München u. Landshut 1218° (Sendtner).
«Ss. Capsella Bursa- pastoris Mönch.
Ober-Engadin : um Samaden, auch in Aeckern, 5300 — 5500’;
dann (fol. pinnatifid.) bei Silvaplana 5630’ u. St. Moritz 5750°
(Brügg.) ; eine interessante Alpenform (,‚,var. alpina minima‘‘) _
wurde im Camogasker-Thal, also ebenfalls über 5500, von Heer
beobachtet (Mor. Pf. Grb. S. 41; Wegelin Enum. fl. helv.
1837 p. 47). Wormserjoch noch über 8600’: am höchsten
Punkte der Strasse, kaum zollhoch (B. v. Hausmann FI. v.
Tir. S. 8%). Dagegen in Südbayern nicht über 4315’
(Sendtner),
— €. paueiflora Koch. Nahe der Bündner-
grenze an der Stilfserstrasse: in Trafoi bei den 3 Brunnen
4
50 Cruciferae
u. bei Franzenshöhe 5000 — 6800’ (Facchini!); u. weiter
durch die Voralpen- u, Alpenregion von ganz Südtirol ver-
breitet; auch in der Lombardei. Ist demnach im Münster-
thal (vielleicht auch in Poschiavo) wahrscheinlich nicht ohne
Erfolg, aufzusuchen.
— €, procumbens Fries. Im nahen Vintschgau: an der
Strasse zwisch. Eiers u. Laas 2700 — 3700‘, an nassen Rainen (Tap-
peiner!). Diess scheint der südöstlichste Standpunkt ihres Ver-
breitungsbezirkes, dessen SO Grenze von Nizza her durch das westl.
Ligurien, Piemont, in einem der Biegung der Alpenkette entsprechen-
den Bogen nach Laas zieht; hier plötzlich nach N umbiegt u. nun
als reine O Grenze nach Thüringen (Frankenhausen) verläuft. Fehlt
im übrigen Tirol, Bayern, Salzburg, Kärnthen, Lombardei. Es ist
wahrscheinlich, dass die leicht zu übersehende Pflanze noch mehrere
verborgene Standorte, namentlich in den weniger durchforschten Ge-
bieten der östl. Schweiz (z. B. im Unter-Engadin, Poschiavo) zähle.
°9. Aethionema saxatile BR. Ber. (Thlaspi
peregrinum C. Bauhin). In den rhätischen Alpen (schon
C. Bauhin ! dann Pol!). In dem, geographisch zum Engadin
gehörigen, wormsischen Liviner-Thal (Hr!); auf der Höhe
des Berges (Alpisella-Pass nach Studer 7110‘, Triaskalk),
der von Livino nach St. Giacomo di Fraela führt, auf der
Livinerseite, in Felsschutt, (Muret 1837 in Mor. hb.).
Wormserjoch, auf der italienischen Seite (Hausm!). Andere
Standorte aus Graubünden u. solche aus der nordöstl. Schweiz
sind nicht bekannt. — Von Piemont u. dem Jura nach Dal-
malien u. dem Bannat, zerstreut.
— Senebiera Coronopus Poir. (Cochlearia Coronopus
L.) „auf dem Umbrait‘“ (Pol!). Bedarf gar sehr der Bestätigung ;
wahrscheinlich beruht die Angabe auf Verwechslung (mit Cochlearia
saxatilis var. fol. Iyratis Mor?). Denn fragliche Art ist durchaus
eine Pflanze der Ebene u. des Seestrands, die sich in unsern Gegen-
den kaum so hoch als der Weinstock erhebt (in Südbayern z. B.
bis 1300°: Sendtner). Nun reicht aber das über 9000° hohe Gebirg
Umbrailg mit seinem Fusse kaum in die Bergregion hinab (einerseits:
S. Maria im Münsterthal 4250’, Münster 3880‘; jenseits: Bormio
3800’, das Bad 4100‘); und die beiden Flüsse, denen er seinen
Cruciferae 51
Wassertribut spendet, Eisch u. Adda, schmücken ihre sonnigen Thal-
gehänge erst in weiter Entfernung mit lieblichen Rebgeländen: im
Vintschgau von Schlanders (2200°), im Veltlin von Grosio (c. 2500”)
an abwärts. — Auch wurde in Tirol u. der östlichen Schweiz noch
keine Senebiera beobachtet; aber S. Coronopus in der Lombardei, in
der westl, Schweiz, den Rheinlanden von Constanz u. Basel an ab-
wärts, Nassau etc,
SO. Neslia paniculata Desv. Unter-Engadin:
an der Strasse von Ardez nach Guarda 4700 — 5000° in
Aeckern (Brügg.). Im Vintschgau bei Laas c. 3700’ (Tap-
pein!). In Mitteldünden ziemlich häufig von 2000° bis
4000°: um Alveneu, Malix, Rotels im Domleschg , Ilanz
(Brügg.). — In Südbayern nur bis 2940’ von Prof. Sendiner,
in Südtirol am Ritten noch um Kematen 4415’ von B. v.
Hausmann beobachtet. In der nordöstl. Ecke der Schweiz
(um St. Gallen, in Appenzell) u. in Vorarlberg noch nicht
gefunden; auch bei uns in Graubünden sah ich sie nie in
solcher Menge u. Häufigkeit wie in den gesegneten Saatge-
filden Südbayerns um München, Fürstenfeld, Deining etc.
— Raphanus Raphanistrum BE. Geht in
Graubünden so hoch als die Cerealien gepflanzt werden
(Mor.); müsste demnach im Engadin mit den höchsten Ger-
sten-Aeckern bis gegen 6000’ ansteigen. Ich kenne jedoch weder
Angaben noch Exemplare aus diesem Gebiete, dem sie aber
gewiss nicht fehlt. In Mittelbünden sammelte ich die weiss-
blühende Abänderung (Raphanistrum arvense Rchb,) auf den
sonnigen Wexponirten Bergterassen des Thales von Churwal-
den noch in den obersten Getreidefeldern beim Hof Zalez c.
4500°; im westl. Bünden (Tavetsch) gegen 5000’: Moritzi!
In Südbayern (Algäu) bloss bis 3640’ (Sendin.), am Bitten
in Südtirol aber bis 5000‘ (Hausm.).
— Raphanus sativus EL. (Rettig). Die var.
a. radicula Rchb. (Radieschen, Monatrettig; im Ober-Enga-
din: ‚‚Ramolats‘‘“) wird noch in den meisten Gärten des
Ober-Engadins bis an 5800‘, je nach Lage u. Jahrgang mit
besserm oder geringerm Erfolg gepflanzt. So zu Sils 5570‘,
4*
52 Cistineae
Silvaplana 5626‘, u, besonders zu St. Moritz 5740' SO das
einer sehr günstigen sonnigen u, geschützten Lage sich er-
freut. — In Südbayern fand Professor Sendtner die am höch-
sten gebauten Reltige bei NW 4660° (im Höllenthal an der
Zugspitze) noch „‚ausgezeichnet‘*,
Cistineae Dun.
81. Helianthemum alpestre Rcehh. H,
oelandiecum a.—ß. Koch!). Unter-Engadin : im Tobel Val-
Tasna bei Fettan c. 5000’, Thonschief. mit Kalk (Brügg.).
Wormserjoch, Arlberg u, Rhaetikonkette (Hausm!). Ober-
Engadin: in der Celeriner-Alp bei 7000‘ (Kalk), u. auf dem
Albula u. Bernina von mir gesammelt. In Mittelbünden auf Kalk:
in den Alveneuer- u. Churwalder-Alpen (Stetz, Brüggergerberg,
Joch, Gürgeletsch), Lenzerheide etc. 5—8000’ ; häufiger aber auf
den nördl. Kalkalpen (Calanda, Glarner-, St. Galler- u. Appen-
zeller-Gebirge). — Ist bewährte Kalkpflanze d. h. braucht stets
einen an kohlensaurem Kalk reichen Boden um zu gedeihen ;
daher ihr häufigeres Vorkommen in den ‚‚Kalkalpen‘‘ der
Nebenzone u. ihr Beschränktsein auf die bekannten kalk-
führenden Gebirge in der kristallinischen Mittelzone.
2. H. srandiflorum DC. mit goldgelben bis
pomeranzenfarbenen Blumen. (Letzteres H. grandiflorum #3.
auranliacum m. hb.). Häufig auf Granit, Syenit, Hornblende,
an SO u. $. exponirten felsigen od. steinigen Gehängen im
Ober-Engadin von 5200 bis 6000‘, auf Alptriften wohl gegen
7000’: so bei Bevers, zwisch, Cresta u, St, Moritz, um Sil-
vaplana von mir, zwisch. Silvaplana u. Sils von Moritzi
beobachtet.
Unsere Pflanze stellt die, durch den verkürzten, breit- u, eben-
blätirigen, 1-armblüthigen Stengel mit den viel grössern. lebhafter d.
h. bestimmter ‚gefärbten Blumen , hinlänglich charakterisirte , ‚nach
bekannten Gesetzen gebildete Alpenform u. zugleich die Kieselform
Violarieae 53
dar von H. vulgare Gärtn., welches in der Ebene u. Bergregion
auf kalkreichem (oder jedenfalls kalkhalligem) Boden seine Heimath
hat. Letzteres scheint im Innthal schon bei Imst 2500’ zurückzu-
bleiben; denn von da an bis ins Ober-Engadin habe ich weder selbst
eine Spur davon bemerkt noch eine bezügliche Angabe erhalten,
Gründe genug, wie ich glaube, um unser H. grandiflorum wenigstens
formell (als subspecies) zu trennen u. ebensogut als selbstständige
Erscheinung zu behandeln, wie z. B. Hutchinsia brevicaulis, Draba
Zahlbruckneri, Erysimum pumilum (E, Cheiranthus Koch), Cardamine
alpina, Papaver pyrenaicum,, Thalictrum minus, oder wie selbst die
prachtvolle Alpen-Akelei, die mit ihren herrlichen , bezaubernden,
freudigblauen, gespornten Blumen doch den wissenschaftlichen Bota-
niker nicht verleiten sollte , sie für „bessere Art‘“ zu halten als das
niedrige, auf den Boden hingestreckte „ genügsame „ unscheinbare,
daher vernachlässigte, orangefarbene Sonnenröschen. der gleichen
Heimath u. Bildung.
— H. polifolium Koch. (H. apennimum Gaud.) habe ich
in Graubünden in der Nähe von Chur: am Südabhang eines Dolo-
mithügels (ce. 2000‘) bei Ems gesammelt. — In Südtirol, wo es auf
Kalk sehr verbreitet, geht es bis an die Alpen hinauf u. hat an sol-
chen höher gelegenen (sowie an etwas feuchten) Orten breitere,
linealisch-längliche, weniger zurückgerollte Blätter, (var. @. oblongi-
folium Koch.) als auf tiefern heissen Lagen ( ?. angustifol. Kch, mit
-Jinealischen am Rande stark zurückgerollten Blättern) nach B. v.
Hausm. Fl. v. Tir. S. 95. Auch in der Lombardei, Tessin, südwestl.
Schweiz etc.
Violarieae DC.
s3. Viola pinnata UL. Ober-Engadin, 5500 —
7000° nur auf Kalk: im Camogasker- Thal u. Bernina-Heuthal
(Mor!), über Samaden am M. Padella (Krätt.), bei St. Moritz
(Hegetschw ! Mor!), in der Celeriner-Alp (Theobald!). Auf
dem nahen Kalkgebirge Mittelbündens: an den Felsgründen
des Bergünersteins 4200’ (Gaudin!), auf gewaltigen herab-
gestürzien Kalk- u. Dolomitblöcken, auch im Gerölle, um
Alveneu u. Schmitten 3700 — 4100° (Brügg. Sept. 52).
54 Violarieae
Münsterthal: am M. Umbrail (Haller!), auf dem ,‚M. Nom-
bre‘‘ (?) über Wormserbad schon nach J. Bauhin (ums J.
1565) ; auf Kalkgruss am Steige vom alten zum neuen Bade
von Bormio, 4150 — 4400’ (Hausm !), Stilfserjoch (Facchini !);
Voralpen im Vintschgau bei Laas auch auf „‚Glimmerschiefer‘
(Tappeiner !).
Letzterer Standort liegt nach den Karten allerdings auf dem Glim-
merschiefergebirge der Oezthaler-Gruppe. Da aber V, pinnata nach
allen bisherigen Erfahrungen — auch in unserm Gebiete — zu ihrem
Vorkommen nolhwendig einen (kohlensaur.-) kalkreichen Boden
braucht, so kann letzterer wohl nur von einem Kalkglimmerschiefer
(wie er auch, mit Cipollin, grauem u. grünem u, Glimmerschiefer
verbunden, in den Umgebungen des Grossglockners, u. vielfach in
Bünden auftritt), oder kalkreichem Thonschiefer, oder von noch
verborgenen Einlagerungen von Urkalk herstammen. Auf letztere
deutet auch sonst mit grosser Wahrscheinlichkeit hin das Vorkom-
men so zahlreicher, von verschiedenen Botanikern in der Umgegend
von Laas (am Godriaberg, Laaseralpe), Schlanders, Naturns uw. Meran,
dann besonders in den südl. Seitenthälern des Wintschgaues (Ulten,
Martell, Laaserthal) beobachteter, bewährter Kalkpflanzen — wie
Atragene alp., Arabis alpina, hirsuta, petraea u. A., Aconitum Ly-
coctonum, Corydalis fabacea, Rhamnus pumila,, Gypsophila repens,
Cherleria sedoides, Anthyllis Vulneraria, Dianthus Carihusianorum,
Coronilla Emerus, Cotoneaster tomentosa, Viburnum, Lantana, Gen-
tiana ciliata, Tofjeldia calyculata, Luzula glabrala, Melica ciliata ;
Gentiana acaulis L., Veronica urticaefolia, Prunella grandiflora, Or-
chis militaris, Carex humilis, digitata, ornithopoda ; Ranunculus pla-
tanifol., Papaver pyrenaicum, Alyssum montanum, Helianthemum
vulgare Gärtn., Saponaria ocymoides, Dryas octopetala, Rhododen-
dron hirsutum, Draba aizoides, Pinus Mughus Scop. u, vieler anderer ;
in Martell u. Ulten speciell: Papaver pyrenaicum, Anemone baldensis,
Diauthus Carthusianorum, Orobus vernus, Campanula pusilla, Erica
carnea, Rhododendron hirsutum, Gentiana nivalis, Maianthemum
bifolium, Lilium Martagon. — Sie alle deuten auf eine Folge von
Kalkmassen, welche anf der Südseite des Vintschgaues den Kalk des
Ortlers mit dem der Mendel b. Bozen — somit, vermittelst des vom
Kalkgebirge Mittelbündens über Albula, Casanna u. Wormserjoch
herstreichenden Kalkstreifens, die nördliche Kalkalpenzone mit. der
südl. Nebenzone — in eine (noch unerkannte) ununterbrochene Ver-
Violarieae 55
bindung setzen, u. zugleich die Oezihaler-Gebirgsgruppe von der
östlichen Fortsetzung der kristall. Seegebirge trennen mögen — eine
Vermuthung, welche schon Studer, auf gewichtigere geolog. Gründe
gestülzt, aussprach. — Was Viola pinnata betrifft, so kann es auf-
fallen, dass sie, die Kalkpflanze, in der ganzen nörd!. Kalkalpen-
zone vom Genfersee bis Salzburg, nur einen einzigen bekannten
Standort zähle (am Südabhang des Calanda über dem bedrohlen Fels-
berg, nach Moritzi!). Der Grund liegt in einer Verbreitungsgrenze
dieser auf den südl. Kalkalpen u. den Kalkmassen der Mittelzone
von Krain u. Friaul bis Piemont verbreiteten Art. Ihre NNW Ve-
getationslinie verläuft vom Grossglockner her über den Kamm der
Tiroler Centralalpen , durch das Kalkgebirge des Unter-Engadins u.
Mittelbündens (Thal der Albula), nach dem Rheinwald (Hinterrhein-
thal) ; u. setzt von da weiter nach dem untern Rhonethal (Mt. Fouly
bei Marlinach) fort. Der Standort am Calanda erscheint als ein über
diese Linie vorgeschobener — isolirter — Vorposten an der äusser-
sten Südgrenze der nördl. Nebenzone.
s4. Viola palustris I. Auf Bergsümpfen mit
granitischer Unterlage im Ober-Engadin: am St. Moritzer-
See 5480° (Dr. Luzius Brügger) ; im Roseg-Thal 5600— 6300’
(Pap!); auf dem Bernina (Haller!). Hochvintschgau : im
Langtaufererthale (Tappein !). — In Graubünden noch nicht
tiefer beobachtet. In Südbayern ebenfalls in Hoch- d. h.
Kiesel- Mooren, von der Donauniederung bis gegen 5400’
(Sendtner). 1!
s5. VW. hirta EL. Ober-Engadin: auf granitischem
Boden noch bei Sivaplana in Lärchwaldung 5800‘ (Brügg.).
Vintschgau : von Meran bis Mals 3400’ (Tappein!). In den
tiefern Regionen Bündens (um Chur, Thusis) auf Wiesen u.
Waiden gemein, aber auch bis über 4500’ ansteigend in
Mittelbünden: in Churwalden (über Pradischier, SO), auf
der Lenzerhaide ete. — Geht längs des Inns bis Passau:
am rechten Innufer 880°, steigt in Südhayern kaum über 3300’
(Sendtner).
S6. W. collina Bess. (V. umbrosa Hop.). Ober-
Engadin: auf dem Julier, vielleicht bis 7000° (Sal-MN.
_Vintschgau: in Gebüsch zwisch. Prad u. Tschengels (Tapp!);
56 Violarieae
am Ritten bei Bozen noch bei 4600’ (Hausm.). Mittelbün-
den auf Flysch u. mergel. Thonschiefer: häufig in Hecken,
Gebüsch an Abhängen, Waldschlägen, an Waldrändern bei
Chur (Lürlibad , Mittenberg,, Foral ete,) u. Ems 2 — 3000°,
im Domleschg (Ortenstein,, Paspels, Rietberg, Hasensprung),
bei Cazis auch auf Kalksinter, Thusis (Schlosswald, Tagstein,
Bovel, Ehrenfels, Johannisstein, Craschenna etc.) 2400 —
3500’ gemein, und in Schams. Um Thusis auch, jedoch
sehr selten wie bei voriger, einzelne Expl. mit Ausläufern
(var. stolonifera: Brügg.) — aber keine Uebergangsformen
zu V. hirta oder odorata, alle 3 sind in meinen Augen aus-
gezeichnete Arten. — Erhebt sich in Südbayern bis 2750’
(Sendin.).
ss. V. arenaria DC. Ober-Engadin auf kalkhaltig.
Boden am Mott-Maria bei Sils 5600° S zwisch. Celerina u. Sa-
maden 5300‘, dann am Albulabei Ponte c. 5500’ (Brügg.).
Hier, sowie auf mageren, subalpinen Triften Mittelbündens
(Lenzerhaide 4600’ neben V. hirta ohne V. sylvestris; Churer-
Mayensässe am Bizockel c. 5000, O exponirt, fl. violaceo, et
albo, d. 6. Juni 1850 blüh.; Pradischier in Churwalden 4500°
etc.), dann bei Thusis u. Cazis, neben V. Riviniana 2400—
3000’, u. an der „‚Halde‘‘ am Mittenberg bei Chur 2500’
neben V. hirta in sehr ausgeprägter eigenthümlicher Gestalt
ohne die leisesten Uebergänge, gerade so wie ich sie auf
der Garchingerhaide b. München fand, Dagegen in den Auen
am Rhein bei Chur namentlich um die Plessur-Mündung,
sowie in den Isarauen b. München, auf sandigem od. kiesigem
Boden (der reich an Kalk), habe ich sie nebst (vielleicht
hybriden ?) grössern kahleren Formen (mit etwas spitzlichen
obern Blättern, verschmälerten Neben - u. Kelchblättern,
grössern Blumen) gesammelt, die den Uebergang zu der —
in der Nähe an begrasten mehr beschatteten Stellen blühen-
den — V. sylvestris (u. Riviniana) zu machen schienen.
Aehnliches beobachtete auch Bar, v. Hausmann (FI. v. Tir.
S. 1408) bei Bozen, u. hält daher mit Hegetschweiler, Ber-
Violarieae 57
toloni, Döll , Moritzi , Neilreich u. a. die V. arenaria DC.
für die Sandform der V. sylvestrts; sie gehe in Südtirol
auch in die niedern Alpen. In Vintschgau: bis Graun u.
Reschen, etwa 4600° (Tappeiner!). Bleibt nach Sendtner in
Südbayern schon unter 2000° zurück.
SS. VW. sylvestris Lam. Vintschgau : bei Prad
(2920°) u. Martell; aber im Oetzthal noch bei Fend 5880’
(Glimmerschiefer?), nach B. v. Hausm. In Mittelbünden
häufiger als V. canina: von der Thalebene des Rheins (um
Chur, Thusis, im Domleschg , Schams, häufig) bis zu 5500’
2. B, auf Brambrüsch am Bizokel in Bergwiesen mit V. cal-
carata (Mor! Brügg. d, 6. Juni 1850 blüh., V, montana
Moritzi Fl. d. Schw.). In den bayrischen Alpen nach Sendt-
ner bis an 4300. Ohne Zweifel auch durch das ganze Un-
ter-Engadin — mit V. canina L., die nach Hausm. in Süd-
tirol am Ritten ebenfalls bis 5300’ hinauf vorkömmt — ver-
breitet ; beide sind um Innsbruck u. im Unterinnthal ete.
s9. Y. eanina EL. Ober-Enyadin bis 5800’: bei
Bevers (Krätt!), bei Silvaplana u. Campfer, auf granitischem
Substrat, an freien SO Abhängen od. in lichter Lärchwaldung
(Brügg. — Fruchtexemplare mit verkürzten festeren purpurn
überlaufenen glänzenden Stengeln, kleinern breiteren fast
lederigen stark benervten Blättern: var. alpicola m. hb. —
Folge des alpinen Standorts !)
— VW, Schultzii Bill. und V. strieta Hor-
nem. nebst Uebergangsformen, wurden- von B. v. Hausm.,
' Dr. Tappeiner u. Fried. Leybold an verschiedenen Stellen im
tirolischen Etschland bis in die Voralpen beobachtet ; nament-
lich im Vintschgau: auf feuchten Wiesen bei Schlanders
2200’ u. Schluderns 3000’ beide in Gesellschaft (Tapp!).
Ersterer hält sie übrigens (Fl. v. Tir.), sowie die ebenfalls
tiefer unten im Etschland vorkommende V. elatior Fries,
“mit Hegetschweiler (der V. Ruppii All., persicifolia Rehb.,
‚sylvestris Lam., mit V. Allionii, arenaria u. seiner V, montana
als subspecies unter der „‚Rage‘‘ (Urspecies) von V. canina
58 Violarieae
vereinigt, Fl. d, Schw. S. 242—43), Döll (rhein. Fl.) u.
Neilreich (Fl. v. Wien) — für blosse Formen von V. ca-
nina L., die durch zahlreiche Uebergänge verbunden werden,
— VW. mirabilis U. ebenfalls im angränzenden
Vintschgau: zw. Prad u. Tschengels (2680 — 2920) von
Dr. Tappeiner gefunden. In Mittelbünden: um Chur 1900 —
2500° ziemlich häufig (Lürlibad, Mittenberg ob St. Luzi,
„„Todtengut“, Foral u. Plankis, sind mir vorgekommene
Standorte), u. im Domleschg (Nieder-Juvalta: Mor! — Or-
tenstein: Brügg,) kaum über 2500’, mergel. Thonschiefer-
bildg. — Scheint in den nördl. Kalkalpen (im Algäu bis
4510° S nach Sendtner) somit weit höher zu steigen als im
Central-Alpengebirge. Die Pflanze gilt für „‚Kalkdeuter.‘‘
90. V. biflora L. Unter - Engadin: linke Thal-
seite c. 3100° zw, Finstermünz u. Martinsbruck (Brügg.).
Vintschgau: bei Laas u. Glurns, u, an der Wormserjoch-
strasse (Hausm.). Ober-Engadin: Bevers vom Thal bis in
die Alpen (Krätt!), bei St. Moritz (Dr. Luz. Brügg.), Cam-
pfer, Silvaplana u. Sils (Brgg.), bis an die obere Grenze der
Alpenregion (so auf der Albulahöhe), In Mittelbünden nicht
nur in der Thalsohle von Churwalden 3800 — 4300’ häufig,
sondern selbst in dieRegion des Weinstocks herab: an quelli-
gen buschigen N od, O exponirten Orten bei Chur (gegen
Araschgen u, den Rossboden etc.) u. im Domleschg.
91. V. tricolor U. a. vulgaris Koch. Oberinn-
thal: bei Imst (Hausm.). Vintschgau: bei Laas (Tappein!).
In Mittelbünden von 2000° bis über 5000’ häufig aufgedüngten
Wiesen : bei Chur (St. Lärien), Cazis, Thusis, im Domleschg ;
ja in subalpinen Thälern, wie Churwalden , oft im buntesten
Farbenschmuck weite Wiesenflächen überziehend (so rings um
meine stille Heimath. „‚im Ried‘‘),
Aehnliches beobachteten Sendtner u. v. Hausmann in Südbayern u.
Nordtirol, während sie Rchb., Koch, Hegetschweiler u, mehrere
andere Floristen nie in Wiesen wachsen lassen. Um St. Gallen
fand ich sie auch wirklich nur auf Schutt od. Brachfeldern.
Violarieae 59
B. V. arvensis Murr. Ober- Engadin: Aecker um
Samaden 5300 — 5700’, in einem kleinen Gerstenfeld bei Statz,
u. in St. Moritz 5750‘ (Brügg.) auf grauitischer Unterlage.
Mittelbünden: im Rheinthale von Chur bis Thusis 1800 —
3000° auf Aeckern nicht selten. Viel häufiger aber in der
nordöstl, Schweiz (um St. Gallen 2000—2500°); u. in Süd-
bayern (z. B. um München), wo sie sich aber nur bis 3940‘
erhebt (Sendin.), Wohl auch in dem getreidebauenden Unter-
Engadin verbreitet.
92. VW. alpestris Hegetschw. (Fl. d. Schw.
p- 245.) Die lebhaft- u. grossblumige, verkürzte einfachere,
2 — mehrjährig gewordene (in Folge der abgekürzten Vege-
tationsperioden des hochgelegenen Standorts) Alpenform der
vorigen Art, die wie dieselbe mit einfarbig-gelben, oder zwei-
farbigen (violett-gelben) od. dreifarbigen (violett-gelb-weissen)
od. endlich auch ganz blauvioleiten, kleinern od, grössern
Blumen mit etwas kürzerm od. längerm Sporn varirt — u.
sich durch gar nichts anders auszeichnet als wie andere Al-
penformen von den Formen der Ebene u. Bergregion. Beim
Uebergange dieser letztern in die Alpenregion an mittleren
Standorten d. h. in der subalpinen u. untern alpinen Region
— findet man denn auch häufig genug Mittel- u. Ueber-
gangsformen zwischen beiden subspecies. Solche grössere
subalpine den Uebergang zu V. tricolor vermittelnde ‘mehr
kleinblumige Gestalten stellen die V. sawatilis Schmidt. vor,
während die eigentliche mittlere Alpenform — gleichsam die
Norm — V. Zutea Huds. (wenn die Blüthen einfarbig gelb)
cd. V. sudetica Willd. (wenn gelb u. violett bunt — beiderlei
Blumen übrigens nicht selten auf derselben Wurzel!), eine
niedrigere auffallend grossblüthige Form (mit ganz gelben od.
seltener ganz blauen Blumen) — aber V. grandiflora Vill.
genannt wurde. Auch kann V. tricolor L. unter Umständen
selbst im Thale 2jährig werden (V. lutea y. multicaulis Koch ?),
u. gelbe Blüthen annehmen. Man kann daher wohl im In-
teresse der Pflanzengeographie, u. um ein vollständiges Bild
60 Violarieae
vom Wesen u. Leben einer Pflanze zu erhalten , diese — so
gut wie andere, keineswegs „‚bessere‘‘ Alpenformen od. von
ähnlichen äussern Einflüssen bedingte Unterarten — formell
trennen, nimmermehr aber als eigentliche Art ansehen. Uebri-
gens ist es Hegetschweiler, welcher auch hier diese Verhält-
nisse zuerst richtig aufgefasst u. nicht nur klar genug aus-
gesprochen, sondern auch in der That V, tricolor, arvensis,
alpetris nebst ihren Modifikationen, u. selbst V. heterophylla
Bert. (die Felsenform) als Varietäten (od. Subspeeies) unter
der ‚‚Rage‘“ (Art od. Urspecies) von V. tricolor L. (Sutera
trie, Heg.) — vereinigt hat; doch man wollte s. Z. sich
nicht die Mühe geben, ihn zu verstehen. Nachgerade finden
nun aber viele seiner Ansichten von den verschiedensten Seiten
her immer mehr ihre Bestätigung — wenigstens von den Bo-
tanikern, die die Vegetation unserer Gegenden in der freien
lebendigen Natur — nicht im Staub der Herbarien u. Biblio-
theken allein — kennen gelernt. So zieht denn auch Prof.
Schur (in seinem Sertum flor. Transylvan.) V. lutea, saxa-
tilis u. grandiflora als varr. zu V. tricolor, u. Bar. v. Haus-
mann (Fl. v. Tir. S. 1409) stimmt ihm hierin völlig bei.
a. subalpina m. (NV. saxatilis Schm. Rehb.) 5—6000’.
Tritt im Ober-Engadin häufig auf mit dem Verschwinden der
V. tricolor, um St, Moritz (mit violetten obern u. gelblich-
weissen untern Blumenbl.) 5500 —5800° (Heg!); um Brail,
Cinuskel, Zuz (Gartenunkraut), Bevers, Samaden, Celerina, St.
Moritz, Campfer, Silvaplana u. gegen Sils, meist einfarbig-
hochgelblüh. auf granitischer Gebirgsart, 5100 — 6000’, an
Acker-.u. Strassenborden, steinigen Abhängen (Brügg.). Mittel-
bünden: in Bergün (0. P. Buol), im nahen Davos bei Ober-
Laret 5100’ (Coaz!). Malserhaide im Hoch- Vintschgau
(Sulp. Kurz aus München), Auch in den appenzellischen
Kalkalpen : beim Sämtiser-See (3800) nach Fröhlich!
?. alpina m. (V. lutea Huds. Rechb. forma concolor,
V. sudetica W. Rchb. forma ‚bicolor) 6 — 7000. _Wormser-
joch u..Suldenthal (Hausm!); an der Wormserjochstrasse ge-
Violarieae 61
sammelte Expl. theilte mir auch J. v. Zallinger (cand. med.
aus Bozen) mit. Ich besitze sie auch vom Stockhorn in den
Berner-Kalkalpen.
Die ‚‚V. grandiflora Vill““ Rehb. (CV. lutea a. Koch.)
auf Bergspitzen, u. an sonnigen Lagen mehr der obern Al-
pen: auf dem Julier im Ober-Engadin (Hr!); ebenfalls am
Wormserjoch (Hausm!). Dann auf den Schweizer - Alpen
um die Finsteraarhorn-Gruppe.,
Reichenbachs ,,V. grandiflora‘‘ soll ganz gelbe Blumen haben; die
von Heer scheint dagegen ganz blauvioleite Blumen mit etwas längern
Spornen gehabt zu haben (Heg. Fl. d. Schw. S. 245), und Kochs
V. lutea @, grandill. soll eben so oft mit zur Hälfte violetten zur
Hälfte gelben oder auch ganz blauvioletten Blumen vorkommen.
Daraus geht hervor‘, dass alle Formen von VW. alpestris Heg., so
gut wie V. tricolor L. u. V. calcarata L.. mit blauen u. gelben
Blumen so variren, dass darauf kein Speziesmerkmal gegründet wer-
den kann, u. wären bei ihr die gelben Blüthen auch häufiger als bei
andern. Ein ebenso lrügliches Merkmal: bieten die gefingerten Ne-
benblätter dar, die von den fiederspaltigen od. leyerförmigen nur
scheinbar u. durch. keine scharfe Grenze geschieden sind, indem sie
durch Axen - Verlängerung, — ebensogut wie folia digitata in f.
pinnata (z.B. bei Dentaria) oder Sternraare in ästige od. quirl-
ständige Blälter in wechselstäneige, doldige Blüthenstände in eben-
sträussige u. traubige — allmählig in solche übergehen , oder um-
gekehrt : fiederspaltige durch Verkürzung ihrer Axe in gefingerte
sich verwandeln können ; wie das auch meine Expl. von V. alpestris
a, subalp. aus dem Ober- Engadin vollkommen beweisen, so dass
man in vielen Fällen kaum zwisch. stipula pinnatiflda u. palmatifida
zu entscheiden vermag. Letztere erscheinen immer mit einem magern
Leib (durch die deprimirenden alpinen Einflüsse od. sterilen, trocke-
nen, felsigen Boden hervorgerufen) verbunden, erstere mit feltem
Körper (an reichlichgenährten Formen , die auf lockerem, damm-
erdereichen , fruchtbarem Boden gewachsen). In Folge des die ve-
getative Sphäre (in Maass u. Entwicklung) der Pflanzen so sehr be-
schränkenden Einflusses der Aöhern Alpenregion kann aber, auch
auf einem an sich fruchtbaren Boden, durch Verkümmern oder gänz-
liches Verschwinden oder Verschmelzen der Seitenläppchen aus einem
leyerförmigen od. fiederspaltigen Nebenblatt ein 4-, 3-, 2theiliges
oder ungetheiltes (beiderseits gezähntes od. ganzrandiges) entstehen.
62 Violarieae
So bei V. calcarata, V. cenisia u. a. welche in der Natur diese
Uebergänge zeigen — gerade sowie aus gefiederten Blättern (von
Caradamine resedifolia u. Anthyllis Vulneraria z. B.) ganze (von C.
alpina u. Anthyllis alpestris) oder aus ästigen Haaren (z. B. bei An-
drosace) Gabelhaare u. einfache Härchen sich bilden, oder wie über-
haupt zusammengesetzte, am Rande eingeschnittene, schärfliche, rauhe
Blätter einer auch das Tiefland bewohnendeu Pflanze auf bedeutenden
Alpenhöhen einfacher , ungetheilt, ganzrandig u, glatt zu werden
pflegen. — Das wichtigste Moment zur Trennung von V. alpestris
könnte — wenn einmal genauer bekannt — vielleicht die, Gestalt
ihres Verbreitungsbezirkes abgeben, welcher nieht mit dem von V. tri-
color L. zusammenfällt. Denn in Vorarlberg uw. Nordtirol, in Süd-
bayern, Salzburg u. Kärethen hat man diese Alpenpflanze noch nicht
beobachtet u. auch in der nordöstl. Schweiz nur die subalpine Form
(Glarus? u. Appenzell). Sie scheint von den Vogesen u, dem Jura
her über die nördl. Kalkalpen der Schweiz, mit dem Kalkgebirge
durch Mittelbünden u. über das Wormserjoch auf die südl. Alpen
Tirols übergehend, eine NO Vegetationslinie zu beschreiben; allein
weiter östlich tritt sie sowohl in den Sudeten als in Siebenbürgen
wieder auf. Man möchte daraus fast schlieasen, es hier mit zwei
verschiedenen Formen (Kalk- u. Urgebirgspflanze?) zu thun zu
haben. Aehnlich verhält es sich mit V. calcarata L. u. V. Zoysii
Wulf.
93. Viola Julia Brügg. (V. tricolor L. var,
y. V. nivalis Brgg. hb.). Perennis, caule valde abbreviato
simpliei; folis inferioribus rotundatis ovatisve, superiorib,
oblongis lanceolatisve, (omnibus petiolatis), remote subcrena-
natis; stöpulis lineari — lanceolatis subspatulatisve, bidentatis
vel trifidis, remote subeiliatis; sepalis oblongo — lanceolatis
(acutiusculis) membranaceo — marginatis remote serrato —
fimbriatis; calcare sepalorum appendices paulo superante. —
Corolla violacea calyce duplo major, petalis tribus inferiorib.
basi (lateralibus albidä, ınfimo luteä) albide — barbatis, stria-
tis. — Aug, flor.
Ober-Engadin: auf hohen Alptriften am Julier-Pass, in der
Alpe Julia u. bei der Uebergangshöhe, Granitgebirge 7 —
8000’; a. 1854 noch bis Mitte Sept. einzeln blüh. (Brügg.).
Nach einigen unvollständigen Expl. zu urtheilen (die ich als
ns 2er Se
Be en ne
al
m
u
1
4
u
Vilarieae 63
V. Comollia bestimmt sah) wahrscheinlich auch im nahen
Mittelbünden: in den Hochalpen von Bergün.
Dieses schöne, meines Wissens noch unbeschriebene Veilchen des
Hochgebirgs gehört (mit V. alpestris, alpina u. Comollia) zu den
„Brevicalcaratae‘‘, der alpenbewohnenden ,‚Violae tricolores‘“
(Rolle „,‚Sutera‘‘ Heg. — Melanium DC, non R. Br.), u. ist wohl
nur als eine vom Standort bedingte — nach Analogie von Cardamine
alpina, Hutchinsia brevicaulis, Sileneexscapa, Cerastium glaciale, Gen-
tiana brachyphylla u. alpina, Myosotis nana L., Saxifraga Rudolphiana u.
a. gebildele — verkleinerte fast stengellose Hochalpenform (forma
subacaulis imbricata) dieses typus zu betrachten, — wenn nicht die
Früchte, die ich noch nicht untersuchen konnte, wichtigere Unter-
schiede darbieten sollten. Denn die kleine Gestalt, die im Verhält-
niss zur übrigen Pflanze grosse (wenn auch in Wirklichkeit nicht
viel grössere als die von V. tricolor vulg.) in frischen lebhaften
Farben prangende Blume, die verbreiterten daher stumpfern (am
Rande kahlen schmalhäutigen) Kelchblätter, die weniger eingeschnitte-
nen kleinern Blätter u, einfachern kahlern Nebenblätter, der einfache
sehr verkürzte Stengel (welcher vom Blüthenstiel an Länge weit
übertroffen wird) u. ‚die ausdauernde Wurzel, — wodurch sich V.
Julia hauptsächlich von VW. tricolor L., u. grösstentheils auch von
V. aipestris Heg., unterscheidet, sind als Folgen der, die Vege-
tationsorgane deprimirenden , die Blüthensphäre aber begünstigenden
Einflüsse des hohen Standorts nahe der Schneegrenze — zu erklären,
wie ich oben mehrfach angedeutet habe. Bei unserer Hochalpen-
pflanze ist die in V. alpestris a. subalpina begonnene , in .’. alpina
gesteigerte Beschränkung der vegelativen Sphäre bis ins Extrem
fortgeführt; die Begünstigung der reproduktiven Organe scheint aber
schon in der obern Alpenregion, bei V. grandiflora (u. andererseits
bei V. calcarata), ihren Culminationspunkt erreicht zu haben. Ob
sich V. Julia zugleich , gegenüber den bodenschwanken oder zum
Theil kalkliebenden Formen von V. tricolor u. alpestris, als Kiesel-
pflanze bestätige, wie ich vermuthe, müssen fortgeseizte Beobach-
tungen u. Untersuchungen zeigen.
Ob V. Comollia Mass. (auf den „Veltliner Gebirgen‘‘ vorkom-
mend), von der sich unsere Pdanze (nach Koch) besonders durch
die nicht ganzrandigen Blätter, wovon die oberen länglich bis
lanzeit, dann durch die 2zähnigen oder 3spaltigen mehr lanzeitlichen,
da u. dort fein gewimperten Nebenblätter (mit langen linealen
Zähnen od. seitlichen Zipfeln, der mittlere breiter) u. die stets
64 Violarieae
kahlen (nur schwach entfernt gesägten od. kurzgefranzten) Kelch-
blätter — schon hinlänglich, u. ähnlich wie jene von V. alpina,
V. cenisia oder V. nummulariaefolia All., zu unterscheiden scheint ;
— ob V. Comollia auch als eine durch äussere Einflüsse erzeugte
Form von V. tricolor L. angesehen werden darf, wage ich nach den
unvollständigen kurzen Beschreibungen u. mangelhaften Standorts-
angaben — die man von derselben bisher kennt — nicht zu ent-
scheiden. Die für dieselbe angegebenen Unterschiede von V. tricolor
L. liessen sich wenigstens alle aus einem sehr hochgelegenen Stand-
ort erklären — als eine ähnliche Umwandlung wie sie die meisten
Hochalpenformen erfahren. Sollte sich dieselbe daher nicht noch
anderweitig von V. tricolor u. V. Julia auszeichnen — also mit
letzterer auch den gleichen Standort theilen, so wäre es wohl nicht
unpassend: V. Comollia u. V. Julia unter dem gemeinsamen Namen
»»V. nivalis‘“ mit erweiterter Diagnose (als Hochalpenpfilanzen von
V. tricolor L.) zu vereinigen. Vorderhand aber mögen V. Julia u.
V. Comollia zum Zwecke näherer Erforschung alpiner Vegetations-
verhältnisse — neben Y. alpina Jacg. (von der sich unser Veilchen
von Julia durch die freien nicht linealen stipulae, die länglichen od.
lanzettlichen Blätter am vorhandenen kurzen Stengel u. durch das Vor-
kommen auf rhätischem Urgebirge unterscheidet) — neben V. Ce-
nisia L. (der Hochalpenform von V. heterophylla Bert. ?), wovon
V. Julia durch den verkürzten Stengel, die entfernt gekerbten Blätter,
die niemals 4-theiligen Nebenblätter u. den viel kürzern Sporn sich
kennzeichnet, u. neben zahlreichen ähnlichen Alpen- u. Hochalpen-
pflanzen — immerhin als gleichwerthige, gleichberechtigte Formen
gesondert aufgeführt werden.
— V, rothomagensis EBesf. nach Koch. (V.
tricolor 2. hirta v. Hausm. Fl. Tir. S. 103). Im nahen
Oberinnthal in der obern Bergregion: bei Ladis von Bar. v.
Gundlach gefunden; in Südtirol sehr selten am Ritten. bei
Bozen (bei 3700‘, Porphyr) nach B. v. Hausm. In Nord-
Rhätien fand ich sie selbst in feinem Kalkgeröll am Kunkel-
serpass ob Tamins 3500 — 4000’, S, Anf. Sept. 1854 mit
Blüthen u. Früchten ; in Möttelbünden: häufig am Passe Schyn,
auf steinigen Triften 3400— 3800’ S, Kalkboden (Brügg.).
Sonst „‚auf trockenen Wiesen u. cult. Orten im Lim-
burgischen‘‘. Dürfte sich wohl auch in unserm Gebiete bei
näherer Untersuchung noch finden.
Violarieae 65
Uebrigens sind die von der Behaarung u. Gestalt der Neben-
‚blätter genommenen Merkmale nichts weniger als beständig od.
dieser Form eigenthümlich — u. vielleicht diese selbst nur eine Va-
riet. des so vielgestaltigen u. veränderlichen als gemeinen u. ver-
breiteten Stiefmütterchens (V. tricolor L.). Denn Döll, v. Hausm.
u. der Verf. fanden sowohl den mittleren Lappen der Nebenblätter
von V. tricolor L. ebenfalls öfters ganzrandig (z. B. bei Sontag im
vorarlbergischen Walserthal u. bei Thusis, mitunter Expl. mit ganz-
randigen u, gekerbten Lappen zugleich: Brügg. 54), als auch ich den
Stengel der gewöhnlichen auf Wiesen wachsenden Form desselben
(um Chur, Thusis) ebenso häufig mehr oder weniger kurzhaarig wie
völlig kahl beobachtete.
— V, tricolor hortensis Autor. (,‚Pensee‘‘, ‚‚Denkeli*‘),
nebst der srossblumigen V. altaica hort., sah ich noch in den
höchstgelegenen Blumengärlen des Engadins blühen zu St. Moritz
5700° S, Pontresina u. Sils — im prächtigsten blauen, violetten u.
braunen Farbenschmelz von allen möglichen Nuancen u. zierlichster
Zeichnung. —
94. V. calcarata L. (Repräsentirt die „‚Longi-
calcaratae‘‘ unter den „‚Violae tricolores alpicolae‘‘, den typus
der letztern bis auf die auffallend langbespornte grosse herr-
liche Blume — ihr Erkennungszeichen — völlig wiedergebend).
— Schmückt alpine Wiesen u. Waiden des Kalkgebirges in
unserm Gebiete von 5500’ bis gegen S000’. Inngebiet: häufig
auf den Alpen des Ober-Engadins (Krätt!), um Samaden u.
St. Moritz (Dr. J. G. Brügger!); am Albula (beim Passüber-
gang 7150) u. Julier von mir gesammelt. Etschgebiel : am
Umbrail, Wormserjoch (Weg nach Taufers, u. östlich über
Franzenshöhe) u. in Langtaufers (nach v. Hausm.).
Auf dem Kalk- u. kalkreichen Schiefergebirge Mittelbündens
wohl allgemein verbreitet (ich habe sie unter den Spontisköpfen, auf
dem Dreibünden- u. Heinzenberg, in den Churwalder-Alpen, auf dem
Joch, am Gürgaletsch, in Urden etc. gesammelt), aber schon gleich
nach der Schneeschmelze allgemein blüh. (bei 5600° O u. SO schon
mit Anfang, bei 6000° Mitte Juni; in den höhern Alpen im Juli
allgemein, je nach Lokalität u. Jahrgang wohl auch bis Anf. Sept. —-
z. B. auf der Albula-Höhe a. 1850 d. 3. Sept. — noch blühend zu
finden) — daher wohl an vielen Orten, auch in unserm Geb., nur
I
66 Resedaceae
übersehen. Auf dem Rhaeticon-Gebirge u. am Arlberg (Custer !
Rehsteiner!); in den Glarner - u. Appenzeller - Alpen 5800 — 7700‘
(Hr ! Dr. Wartmann, Arnold Linden). Algäuer-Alpen ausschliess-
lich auf Dolomitgestein 5500 — 6500° (Sendtner!). Vom Genfer-Jura
n. Piemont her durch die Kalk - u. Schieferalpen bis zu den Eisch-
quellen u. zum obern Lechthal verbreitet, Ihre O0 Vegetationslinie,
vom Obermädele -Joch in den Algäuer-Alpen über das Steinjoch
(nordwestl. über Imst) u. Langtaufers (an der Westgrenze der Oez-
thaler-Ferner) zum Ortller verlaufend, fällt zum Theil in die Ost-
grenze unseres Florengebiets. Nicht weiter in Südtirol beobachtet.
ß. flawa Koch. Die gelbblühende, wahrscheinlich von
gewissen Verhältnissen der Bodenmischung abhängige, Form
der vorigen, wurde im Hochvintschgau: in Langtaufers mit
voriger von Dr. Tappeiner gefunden. In Mittelbünden: auf
dem Weisshorn (Schleich! Heg!), in den Churer-Alpen (Pa-
pon!), am Gürgeletsch (Brügg.) — z. Thl. ebenfalls mit der
species. Im südöstl, Glarus (Hr!). — Ob sie weiter ‚östlich
verbreitet sei als V. calcarata L., ist sowenig ausgemacht als
die Frage: ob V. Zoysi Wulf. der Krainer-Alpen u. unsere
Pflanze identisch od. verschieden seien. Im ersteren Falle
würde auch die verschiedene Verbreitung für ihre Trennung
von V. calcarata L. sprechen.
Ordo. VII. Resedaceae DC.
— BReseda Luteola L. Durch ganz Vintschgau :
z. B. bei Eiers 2700’ (Hausm!), bei Laas (Tappein!).. Bei
den Bädern von Bormio 4150‘ (Hausm!). In Mittelbünden
einzig beim Bad Rothenbrunnen 2000‘ im Domleschg beob-
achtet.
— Beseda odorata L., in Gärten des Engadins bis St. Mo-
ritz 5700° 8.
Droseraceae 67
Ordo. IX. Droseraceae DC.
95. Drosera rotundifolia L. Ober-Engadin
5500 — 5600‘: auf dem Torfgrunde unweit Pontresina, jen-
seits der Brücke die nach St. Moritz führt; u. in der Nach-
barschaft: am Schwarzensee auf Davos gegen 5000’ (Mor!).
Beides sind auf Urgebirge liegende Hoch- d. h. Kiesel-Moore.
In Südbayern in Hochmooren gemein, aber kaum über 3800’,
kalkfeindlich (Sendtner). In den tiefern Gegenden Bündens
dagegen fehlend.
96. D. longifolia L. Ober-Engadin: auf Torf-
grund am Stazer-See c. 5540° (Heer in Krätt. hb.). Ebenfalls
Hochmoor mit Vacein. Oxycoccos, Sedum villosum, Carex pauci-
flora, Sphagnum. — Sowenig als vorige — u. D. obovata M.
K., die ich auf Obersaxen (,,Lorisboden‘‘)im westl. Rhätien, ohne
die Gesellschaft von D. rotundifolia, fand -— in Graubünden
unter 4000’ beobachtet; — während alle 3 Arten in Süd-
bayern nicht über 3900’ hinauf gehen (nach Sendtner).
97. Parnassia palustris L. Auf feuchten
Wiesen u. Waiden im Herbst blüh.: im Unter - Engadin
(Brügg.); Ober- Engadin häufig (Krätt!); Wöntschgau bei
Laas (Tappein!); Mittelbünden : bei Savognin u. Salux im
Oberhalbstein, Schyn-Pass, Churwalden etc. allgemein ver-
breitet, in den schattig-feuchten Schluchten der Viamala (wie
auch um Pfäfers-Bad) auch an Felsen (von Kalk u. Schiefer).
ß. alpina (P. alpina Brgg. hb.): pusilla 2 — Apollicaris,
foliis multoties minoribus ovatis basi minus profunde cordatis
petiola subaequantibus ; Nloribus minutis sepalis Janceolato —
oblongis sub - 3nerviis, petalis ovato - oblongis calycem 2-3plo
superantibus sub-5-7nerviis; nectariis obcordato - cuneatis
7-12radiatis; staminibus corollä paulo brevioribus. — Caulis
gracilis, angulosus, sub-solitarius; rhizoma oblique descendens,
fuscum , foliorum reliquiis obsitum (squamosum), pro ratione
validum. (Flor. mens. Jul. Aug.)
5*
68 Droseraceae
Ober-Engadin: auf glimmerreichem Boden, u. in Hoch-
Moor, auf der Südseite des Sees von St. Moritz 5500-_6000°
N, den 22. Aug. 1850 blüh. (Brügg.). Dann auf dem Schiefer-
gebirge Mittelbündens: z. B. auf den Saluxer- Alpen in
Oberhalbstein, Churwalden u, anderwärts , bis zur Schnee-
region ansteigend.. Im westlichen Bünden: Alpen ob Nu-
fenen (Pfr. Joh. Felix!). In der Alpe Ranasca am Panixer-
Pass bei 6 — 7000’ auf Glimmerboden d. 26. Aug. 1851 blüh.
Wahrscheinlich auch in den höhern Appenzeller-Alpen (nach
Fröhlich !); u. in Südbayern bis an 7150’ (Sendtner Veget.
Südb. S. 290).
Eine — durch das im Verhältniss zur Kleinheit der Pflanze an-
sehnliche Rhizom, aus dem meist nur ein einziger kaum fingerslanger
sehr dünner Stengel u. wenige sehr kleine (wohl 8—10mal kleiner als
bei der gewöhnlichen Parnassia) an der Basis seicht- oder kaum
herzförmige Blättchen entspringen, dann durch die 4— 5mal kleinere
Blüthe (von der Grösse derjenigen der Saxifraga bryoides) mit
stumpflichern, gewöhnlich 3nervigen Kelchbl., u. schmälern,, wie
letztere weniger (gewöhnlich 5-) u. schwächer nervigen Blumen-
blättern (die bei P. palustris genuina mehr rundlich od. rundlich-
eiförmig u., sowie die Kelchbl. , von viel stärkern u. zahlreichern
(9 —15-—17) Adern durchzogen sind) u. mit nach der Basis mehr
verschmälerten Nektarien, sowie endlich durch Blüthezeit u. Standort
— von ihrer Schwesterform der Ebene u. Bergregion hinlänglich
ausgezeichnete Alpenform, die wohl, wenn sich die von mir gefun-
denen oder andere Kennzeichen durch weitere Beobachtung als con-
stant u. zur Untercheidung brauchbar erweisen sollten -— gleich wie
hundert andere minder oder mehr ausgezeichnete oder beliebte Alpen-
von ihren Schwesterformen — wird von Parnassia palustris L. (als
eigene Unterart) getrennt werden müssen, wenn man endlich auch
in der systemat. Botanik einmal zu einem Zogischen Verfahren ge-
langt. Dass übrigens die Formveränderung , die auch diese Pflanze
bei ihrer Erhebung in höhere Regionen erlitten, sich gleichfalls durch
die veränderten Verhältnisse des Standoris aufs einfachste u. natür-
lichste erkläre, brauche ich hier wohl nicht zu wiederholen, da Par-
nassia alpina ganz nach den bekannten Geselzen der Alpenformen
gebildet ist u. nichts Ungewöhnliches zeigt — bis auf die Kleinheit
der Blume u. die frühere Blüthezeit gegenüber P. palustris. Aber
Droseraceae 69
auch diese scheinbare Anomalie ist die natürliche Folge des Standorts.
Denn unsere Parnassia ist eine Herbstpflanze, die daher beim bekann-
ten frühern Eintritte herbstlicher Witterung (Nachtfröste etc.) u. bei
der Kürze der Vegetationsperioden in den Alpen, auch ihre Blüthe
dort früher entfalten muss — wenn sie noch im gleichen Jahre zur
Fruchtentwieklung gelangen soll — als ihre Schwester im Tieflande,
die damit nicht so zu eilen hat wegen spätern Eintritts u, längerer
Dauer des Herbstes daselbst. P. alpina muss daher an Stoff opfern,
was sie an Zeit gewinnen will — u. zwar in dem Verhältnisse mehr
denn andere Alpenpflanzen, als ihr eine kürzere (weil erst mit dem
Herbst eintretende) Entwicklungszeit für die Blüthensphäre zugewiesen
ist, u. um so mehr, als durch die besondern Verhältnisse ihres Wohn-
orts -—- (auf alpinen Sümpfen an der Nordseite der Gebirge, statt
auf trockenen sonnigen freien Alpenhöhen) — der General - Faktor
in der alpinen Pflanzenwelt, dem diese vor Allem die Begünstigung
ihrer Blüthensphäre verdankt, die mächtigere Einwirkung der Son-
nenstrahlen (als erwärmend u. leuchtend) bedeutend alterirt, viel-
leicht neutralisirt wird. Daher wohl auch die kleinen Blumen anderer
in die Alpenregion ansteigenden, wasserbewohnenden od. nassen
Boden liebenden Pflanzen (worauf ich schon oben bei den Ranuneu-
laceen hingedeutet), indem schon der Standort seldst eine bedeutende
Beschränkung der Insolation in sich schliesst u. grössere Wasseran-
sammlungen, Sümpfe, Moore u. dgl. auch nie auf Berggipfeln oder
hohen Alpenkämmen (sondern in tiefern Einschnitien, Mulden,
Thälchen u. Thälern, auf Plateaus, breiten Bergrücken, Terrassen
besonders der Nordabhänge) sich finden.
Während aber andere mehr- bis reichblüthige Pflanzenarten des
Tieflandes, wenn sie auf Alpenhöhen gelangen, die nothwendige
Stoffverminderung dadurch ausführen, dass sie oben nur eine einzige
oder wenige Blülhen ausbilden (welche dann wohl grösser oder doch
so gross als in der Tiefe sein können): kann die schon in der
Tiefe einblüthige Parnassia diesem Geselze nicht anders nachkommen,
als indem sie in den Alpen um so weniger Stoff auf diese einzige
Blume verwendet — also kleindlüthig wird, u. das um so mehr,
je weniger ihr besonderer Standort sie den, zur vorzugsweisen Ent-
wicklung der reproduktiven Sphäre reizenden, intensivern Einflüssen
der Wärme u. des Lichts — aussetzt. — Ein wichtiger Grund für
die Trennung der P, alpina wäre ihr Vorkommen auf Kieselboden,
wenn sie auch anderswo an einen solchen gebunden u. überhaupt
bodensteter, kalkfeindlicher als P. palustris erscheinen sollte.
70 Polygaleae
Ordo. X. Polygaleae Juss.
98. Polyzala vulgaris L. Im Münsterthal
(Hausm. Fl. v. Tir. S. 109) — also über 3800°. In dem
an das Ober-Engadin gränzenden Thale Bergell, jenseits der
Wasserscheide des Maloja, nm Casaccia 4500° (Mor! Pfl.
Grb.). In Mittelbünden: von der Thalebene des Rheins bis
in die Voralpen (Chur, Thusis: Crateig 3000° O u. Seissa
4000‘ NO auf Mergelboden, Lenzerhaide b. gr. See 4600‘,
Churwalden): Brügg. — (Am Ritten bei Bozen geht sie nach
v. Hausm. bis wenigstens 5200’; in Südbayern kaum über
3600° hinauf (Sendtner).
— P. comosa Schk. Im benachbarten Mittelbün-
den bei 2—3800° (auf Thonschiefer) nicht selten: so im
Oberhalbstein bei Tinzen u. Savognin, dann im Rheinthale
um Thusis u. Chur (z, B. an der „„Halde‘“ beim neuen Stein-
bruch) von mir gesammelt, Im Vintsehgau bei Göflan (nächst
Laas), im Oberinnthal bei Tarrenz ete. (Hausm,). Wohl auch
im Unter-Engadin. — In der nordöstl. Schweiz, bis an 3000‘
(z. B. um St. Gallen, Trogen) u. in Südbayern (hier jedoch
nicht über 1800’ nach Sendtn.) häufig, vorzüglich aufLehmboden.
P. arenaria Moritzi (Fl. d. S. 85) — das Produkt eines
dürftisen Sandbodens (auf periodisch überschwemmien Stellen am
Genfersee) — eine 2— 5° hohe Zwergform von P, comosa Schk.
mag mit einer ähnlichen Zwergform vom typus der P. amara L. —
die aber Produkt des Hochalpenklimas — verglichen werden, zum
Beweise dass oft von den scheinbar verschiedensten Einflüssen ähn-
liche Formen erzeugt werden können, die daher nur mit steter Be-
rücksichtigung ihrer jeweiligen äussern Verhältnisse richtig zu beur-
theilen sind. Da dieser Fall nicht vereinzelt dasteht, so scheinen
einerseits ein kaltes, aber mehr u. gleichmässig feuchtes Hochalpen-
klima mit grösserer Intensität der Sonnenstrahlen u. fruchtbarem
Boden vereint — andererseits ein gemässigles Landseeklima mit einem
sehr dürftigen weniger intensiv besonnten (weil horizontalen, im
Thale gelegenen) Boden verbunden. unter gewissen Umsländen in
ihrer Einwirkung auf die Pflanzenformen als ähnlich wirkende Grös-
sen betrachtet werden zu dürfen,
Polygaleae 711
99. Polyzala amara L. y. austriaca Reichb.
nebst d. uliginosa Rehb. WVintschgau: am Godria bei Laas,
bei der Latscher Brücke, bei Eiers; Nauders 4100’ (Dr. Tap-
peiner!). Mittelbünden: alle Formen um Thusis häufig, zum
Theil bis an 4000 steigend; die P. ramosa Heg. (P. austriaca
Rehb.) in Churwalden auf Kalkboden 3800 — 4200. Die
P. uliginosa Rehb. (amara Autt.) im Ober-Engadin: an son-
nigen SO exponirten Abhängen bei Silvaplana bis 5600‘ auf
Hornblende u. Syenit selten; Mittelbünden: in Schams u.
Oberhalbstein, bei Thusis, im Domleschg, um Chur (z. B. am
Mittenberg über St. Luzi c. 2300°) u. Churwalden: Brügg.
Ohne Zweifel auch im Unter-Engadin u. Münsterthal.
100. P. alpestris Rehh. Ober- Engadin: am
Albula ob Ponte 5500 — 6000’, u. bei St. Moritz c. 6000
(Brügg.). Beide Standorte auf Kalk. In Mittelbünden auf
kalkreichem Schiefergebirge: häufig auf Bergwiesen u, Triften
in Churwalden 4—6500° (Kebelbödeli, Alpboden, Stetz, Lär-
chenböden, Ried-Halden, Zalez, Gadenstättli, Tschuggen, Ru-
fenen, Brüggergerberg, Götzenberg, Buol’sche Alp etc.); auf
dem Dreibündenberg u. der Lenzerhaide (Mor! Brügg.);
Mayensässe von Thusis: an O Gehängen gegen die Schluchten
der Viamala bis 2800‘ herab in unveränderter Gestalt (so am
Crapteig, auf Seissa ete.), u. anderwärts; auch auf Marmor-
lagern ‚an der Nordseite des Splügen 5 — 6000°. Nirgends
sah ich sie aber häufiger u. ausgeprägter als in den Kalk-
alpen von Appenzell bei 4— 5500’: z. B. an den Thalge-
hängen am stillen Sämtisersee, u. besonders auf den aussichts-
reicheu Höhen des Alpsiegels schon den 22. Juni (1851)
blüh. u. weite Strecken in ein schönes frisches Blau kleidend.
Auch in Südbayern auf Kalk u. Dolomit, 3600 -- 5600’
(Sendtn.); im nordöstl. Tirol auf Thonschiefergebirge, u. vor-
züglich auf Kalk 3_—-5000° (Hausm.). Die übrigen für die
Schweiz angegebenen Standorte (Alpen bei Bex, M. Gemmi,
Saleve: Mor!) liegen ebenfalls im Kalkgebirge.
12 Polygaleae
Stellt in der untern Alpenregion (4 -— 6000‘) auf Kalk den typus
der P. amara L. dar, u. kann als die kalkstete d. h. kalkreichen
Boden brauchende Alpenform derselben angesehen werden — mit
mehr auf die Ausbildung der reproduktiven Sphäre hingerichteter
Lebensthätigkeit, nach Analogie von Viola alpestris, Dianthus alpinus,
Alyssum alpestre, Thlaspi Salisii, Myosotis alpestris, Erysimum pu-
milnm, Aster alpinus, Gnaphalium norwegicum, Scabiosa lucida. Cus-
cuta alpicola, Rumex arifolius etc. gebildet.
Der feuchtere sumpfige Standort der Ebenen-Form wird der Al-
penpflanze ‘durch das-feuchte Alpenklima vollständig ersetzt; letztere
kommt daher auf ganz trockenen Wiesen, Triften u. selbst auf Stein-
gerölle vor. Die Folge davon: mehr ausgebildete obere Stengel-
blätter, kräftigere Wurzeln u. Wurzeläste, zahlreichere festere Sten-
gel ohne Blattrosetten — d. h. eine ähnliche Umwandlung wie die
der einjährigen Wurzel (anderer Ebenenpflanzen) in eine mehrjährige
ausdauernde (der Alpenformen). Die breiteren mehr lederigen Blät-
ter, die grössern „ lebhafter (entschiedener) ‚gefärbten, gewöhnlich
dichter gestellten Blüthen u. spätere Blüthezeit von P. alpestris gegen-
über P. amara I. u. uliginosa Rehb. — sind bekannte gewöhnliche
Auszeichnungen der Alpenformen u. Folgen des höhern Standorts.
Durch die mehrbeblätterten aufrechtern Stengel u. stärkere Wurzel,
die Blüthen, die grössern daher deutlicher — fast wie bei P. calcarea
Schultz. — aderigen Kelchfiügel (mit gegen die Spitze meistens ana-
stomosirenden 3 Hauptnerven u. mehr od. weniger netzig-ästigen
Randadern) — nähert sich aber P. alpestris Rehb. in gleichem Maasse
der P. vulgaris als sie sich von P. amara entfernt, so zwar dass man
sie wohl mit keiner von beiden vereinigen kann, ohne deren Diag-
nose zu gefährden u, das Artenthum beider in Frage zu stellen. Doch
hat P. alpestris eine bittere Wurzel u. scheint ‚‚Kalkzeiger‘‘ —
einen möglichst kieselfreien Boden verlangend — was mehr für den
typus der P. amara L. zu sprechen scheint. In Folge des trockenen
Standorts ist auch die flaumige Behaarung besonders des oberen Stengel-
theils u. der Achse—die bei P. amara u. uliginosa sehr zerstreut u.
spärlich erscheint od. ganz verschwindet — deutlicher, mehr zeilig od.
gleichmässig entwickelt. — Es wird daher auch hier am zweckmäs-
sigsten sein, das was die Natur gesondert hat nicht chaotisch u.
willkürlich durcheinander zu mengen, — sondern die verschiedenen,
durch verschiedene Faktoren bedingten Pflanzen-Formen — gerade
um deren Wechselverhältniss kennen zu lernen — zu trennen: um
so mehr, als P. alpestris schon durch ihren habitus sich auf den ersten
Blick hinlänglich kennzeichnet.
Polygaleae 73
P. alpestris 3. frigida m. hb. (an P. alpina Poir.
-P. amara 6. alpina DC. prodr. I. 325 Gaud. fl. helv. IV.
446°): minor, foliis inferioribus mediisque obovatis (subae-
qualibus), superioribus ovalibus oblongisque, summis racemum
congestum paueiflorum (fl. coerul.) subaequantibus vel di-midio
brevioribus ; rachi pilis erispulis (sub lente) puberulis. fl. Jul. Aug.
In der obern Alpenregion des Ober-Enyadins : beim Albula-
Uebergang. u. in den Alpen über St. Moritz bei 6—7200'
(Kalk) noch Mitte Aug. 1850 blüh.
Eine durch den Einfluss des höhern ‚Standorts mehr deprimirte,
kleinere, etwa 3 Zoll hohe Alpenform, welche den Uebergang zu
der zwerghaften etwa zollhohen Hochalpenform dieses typus,
die sich bei weiterer Nachsuchung in unserm Geh. auch noch finden
dürfte, gewissermassen vermillelt. Letztere:
P, glacialis (Brügg. hb.) besitze ich aus der Schneeregion
der Watliser Centralalpen: in glimmerreichem Geschiebe eines
Gletscherbachs um den ‚‚schwarzen See‘‘ am Fuss des Matterhorns
über Zermatt (nach d. geolog. Karten: Thonschiefergeb.), mit
Arenaria Marschlinsii K., Trifolium saxatile, Senecio uniflorus, Phy-
teuma humile etc. gesammelt (Anf. Aug. 1851 blüh.). Sie scheint
Kieselpflanze, u. stellt sich theils hierin sowie besonders in ihrem
sanzen Wuchs u. habitus andern bekannten Hochalpenpflanzen: wie
Draba Zahlbruckneri, Hutchinsia brevicaulis, Arenaria multicaulis,
Cerastium glaciale, Thlaspi cepeaefolium, Moehringia sphagnoides, den
Gletscher-Weiden, u. ihren obengenannten Begleiterinen ete. würdig zur
Seite.—Die untere Hälfte der Pflanze hat sich bereits ganz in den schützen-
den Erdboden verborgen; die etwas bittere, (im Verhältniss) feste
Wurzel ist oben etwas verdickt u. in sehr kurze Aeste getheilt, aus
welchen die verkürzten (1 — 2‘ langen), niederliegenden unterwärts
holzigen, bis etwa zur Mitte unterirdischen stark benarbten Stengel-
chen entspringen, die nun von da an, wo: sie sich aus dem sandigen
Boden erheben u. gewöhnlich in wenige (1, — 1’ lange) Aestchen
theilen, sammt diesen mit nach obenhin kleiner werdenden, ziemlich
zahlreichen, dicht gestellten, etwas dicklichen kahlen Blättchen u.
deutlichem krausen Flaume bekleidet sind; von den Blättchen sind
die untersten grössern, fast roseltig gestellten, stumpf, verkehrteiförmig
oder rundlich-verkehrteiförm., 2— 3° lang u. 1— 2‘ breit, — da-
gegen die obern kleinern mehr entfernten meistens mehr od. weniger
spitzlich, ovallänglich od. eilanzettförm. Stengel u. Aeste endigen
74 Polygaleae
mit einem kopfförmigen, aus wenigen (6-—- 10) kleinen Bläthen
bestehenden rundlichen od. halbkugeligen Bth.-Träubchen, wel-
ches oft kaum die obersten Stengelblättehen überragt; die häutigen
Deckblättch. sind (wie bei P. alpestris u. uliginosa) halb so lang
als das Bthstielchen. Die Blüthen eiwa so gross od. wenig, kleiner
als die der P. uliginosa, von hellblauem .od. blassröthlichem Ansehen
(auch P. alpestris kommt mit rothen Blüthen vor): die Blumenkrone
blässer ins Weisse, die Keichflüyel so lang als dieselbe od. wenig
länger, gewöhnlich lebhafter gefärbt, elliptisch, von 3 nicht ana-
stomosirenden Nerven durchzogen, wovon der mittlere (wie bei
P. uliginosa u, alpestris) gesätligt-grüne, stärker (fast kielartig)
hervortritt, nach vorne wenige schwache Aestchen entsendet od. ganz
einfach ist, die seitlichen viel schwächern (wie auch bei P. uliginosa
zur Blüthezeit), bisweilen fast verschwindenden u, dann nur am
Grunde angedeuteten, gewöhnlich nach vorne in wenige feine Adern
sich theilen. Der käutige Rand der kleinern, äussern Kelchblätt-
chen nur eiwa halb so breit als deren krautiger Lheil (bei P.
amara, uliginosa u. alpestris so breit als derselbe). Reife Früchte
noch unbekannt. — Man sieht aber leicht, dass P. glacialis, wie
eigenthümlich sie in ihrer Zwerggestalt beim ersten Anblick auch
aussehen mag, doch nur ein Produkt ihres besondern Standorts ist,
dass alle ihre Eigenthümlichkeiten nur davon abzuleiten u. als ähn-
liche (fortgeführte od. beschränkte) Formwandlungen anzusehen
sind, wie sie schon P. alpestris grösstentheils erfahren — u. über-
haupt wohl alle Pflanzen der Ebene, wenn sie in die Hochalpen an-
steigen, zu erleiden pflegen. Auch bei dieser Formenfolge, wie bei
den Violae tricolores, culminirt die Ausbildung der Blüthensphäre
bereits in der Alpenregion (in Polygala alpesiris), u. geht von da
mit zunehmender Höhe des Standorts wieder abwärts bis, zur oder
unter die Stufe der Ebenenform; — während die Entwicklung der
unterirdischen Vegetationsorgane mit der Erhebung der Pflanze im
geraden, die der oberirdischen Theile (Stengel, Blätter, Aeste), da-
gegen im umgekehrten Verhältnisse zu stehen scheint. Diese Ten-
denz geräth aber in den Hochalpen mit dem, durch die ausserordent-
liche Kürze der Vegetations- (Sommers-) Zeit gebotenen, Gesetze
der allgemeinen Stoffverminderung gewissermassen in Collision, wo-
durch in Bezug auf die ubsolute Quantität allerdings einige Modifi-
kation eintreten muss, ohne dass jedoch das Verhältniss der, (mehr
entwickelten) vegetativen zur reproduktiven Sphäre eine Störung er-
litte. Das Resultat davon sind diese gedrungenen, mehr unter als
über der Erde lebenden, vegetäbilischen Eskimos der Hochalpen-
Polygaleae 75
region (z. B. von Dianthus, Cerastium. Aretia, Cherleria, Gentiana,
Polygala, Salix, Silene, Draba, Hutchinsia), die wegen so oft bedroh-
ter späten kurzen Blüthezeit zur Erhaltung ihres Geschlechts mehr
auf die längere Dauer od. Vermehrung der Wurzel angewiesen
sind. Dagegen erinnern uns die schönen grossblumigen Lichtkinder
der Alpen-Flora, die eigentlichen mittleren Alpenformen, mehr an
die Erscheinung heiterer , lebensfroher , geistig u. körperlich eben-
mässig entwickelter, kerngesunder Aelplergestalten.
Ohne Zweifel von dergleichen Pflanze hat Hr. Fischer-Ooster (in
der bot. Zeitschr. ,‚Flora‘* 1854 No. 7) eine kurze Diagnose ver-
öffentlicht unter dem Namen ,‚Polygala serpyllifolia*, u. dabei kei-
nen Anstand genommen, dieselbe — obgleich ihm nur wenige ge-
trocknete Expl. vorlagen, die Vulpius ebenfalls in Zermatt am Roth-
horn gesammelt hatte — ‚‚für eine gute Art zu halten‘‘. Hinsichtlich
der Blumen, meint er, stehe sie wohl der P. depressa Wender. (P.
serpyllifolia Weihe-P. serpyllacea Rchb. exe.) am nächsten, unter-
scheide sich aber durch die beinahe runden Blätter u. die „‚fein be-
flaumten Aeste‘‘. Hiegegen ist Mehreres einzuwenden. Binmal
kann sie den Namen „‚serpyllifolia‘“ nicht führen , weil er schon
längst von verschiedenen Autoren mehreren andern Arten dieser
Gattung beigelegt wurde. So giebts zwei Polygalae dieses Namens
aus Ostindien (P. serpyllifolia Poir, diet. u. P. serpyllifolia Wight
ap. Wallich.-P. Vahliana DC. prodr, I. 326 a. 1824); dann zwei
Namensvetler aus der deutschen Flora (P. serpyllifolia Al. Braun,
von Gaudin A. helv. IV. 447 mit P, alpestris Trachsel non Rchb.
(P. oxyptera Rehb.?) verglichen; u. P, serpyllifolia Weihe, welche
Rchb. in fl. exc. p. 351 — wegen des schon an andere Arten ver-
gebenen Namens — in P. serpyllacea umtaufte, die jetzt nach Koch
meistens P. depressa Wenderoth genannt wird). Eine nochmalige
öte Auffrischung eines solchen, so oft gebrauchten u. missbrauchten
(Species-) Namens in der gleichen Gattung ist gegen alle, in den
Erfahrungswissenschaften geltenden Regeln, u. wurde in der Wissen-
schaft von jeher mit Recht durch gänzliches Ignoriren bestraft. So-
dann. begreife ich nicht, wie man unsere Polygala mit P. depressa
vergleichen kann, der sie aus der ganzen Formenreihe von P. amara
L. gewiss am wenigsten gleicht (mehr noch die P. alpestris Rchb.).
Gerade im Blüthenstand u. im Blüthenbau weichen sie am meisten
- von einander ab; da P. depressa durch sehr zerstreutstehende (in
seitensländigen Trauben) grössere Blüthen mit längern Flügeln,
deren Nerven (wie bei P. vulgaris) vorn ineinanderfliessen u. gegen
den Rand seitliche Adernetze bilden, — sich am meisten von dem
76 Polygaleae
typus der P. amara L. auszeichnet, den sie in den tiefern Regionen
— wie P. alpestris auf den Alpen — mit demjenigen der P. vul-
garis L. gewissermassen zu verbinden scheint. Würde P. depressa
in die Alpen steigen —- was aber bisher noch nirgends beobachtet
wurde — so müsste zudem ihre Traube (nach allgemeinen Gesetzen)
viel weniger u. grössere, gefärbtere Blüthen haben — als bei
P. glacialis der Fall. Dagegen sind eben die verkehrteiförmigen,
stumpfen untern Blätter (die aber bei P. depressa anders gestellt u.
kleiner sind — worin sie mit P. alpestris wieder ühereinkommt) —
nebst den niedergestreckten ästigen Stengeln (die übrigens bei P.
depressa mehr ansteigend , von unten an beblältert u. oberirdisch —
auch so gut beflaumt sind als bei P. amara u. alpestris) — die ein-
zigen Merkmale, wodurch sich die beiden verglichenen Arten einander
etwas nähern, doch nicht mehr als andere aus dieser Verwandtschaft
— auch abgesehen von P. alpestris. Man wird aber auch hier , wie
überall, Verwandtschaft, Stellung u. Werth der Arten nicht nach
einzelnen, sehr geringfügigen Merkmalen (wie etwas dichter od.
entfernter stehende Flaumhärchen, mehr spitzliche od. mehr stumpf-
liche Blättchen) — sondern von einem höhern wissenschaftlichern Stand-
punkte aus — nach ihrer ganzen äussern Erscheinung , besonders
nach ihrem Verhältnisse zu Boden u. Klima als den allgewaltigen Re-
gulatoren der Pflanzenwelt — zu beurtheilen haben. Wenn man
diesen Maassstab anlegt, wird man wohl über die Verwandtschaft u.
Stellung der P. glacialis zu P. alpestris — mit der sie durch die
Mittelform var. 3. frigida verknüpft wird — u. vermitlelst dieser zu
P. amara, wie ich sie oben angedeutet habe, keinen Augenblick in
Zweifel sein können,
Diese Berichtigung, sowie obige genauere nach meinen Expl. ent-
worfene, die bisherige kurze Diagnose mehrfach erweitern , berich-
tisen u. vervollständigen sollende Beschreibung einer interessanten
noch wenig bekannten Alpenpflanze — glaubte ich hier um so eher
geben zu sollen, als es zur richtigern Beurtheilung von P. alpestris
Rchb. u. ähnlicher Formen dienen kann, u. Irrthümer in der Wissen-
schaft wohl nie zu früh oder am unrechten Ort aufgedeckt werden.
101. Polyzala CThamaehuxus L. 0Ober-
Engadin: häufig in Wäldern (Krätt!), bei Bevers 5300° nach
Heer (Mor. Pfl. Grb. 43). — In den Schweizer-Alpen nach
Moritzi bis zu 6700‘. Auf Kalk- u. Schiefergebirge mit Kalk
in Mittelbünden gemein, von der Thalebene des Rheins 1700’
Polygaleae 77
bis in die Alpen an 6000° (um Chur, Thusis, in Domleschg,
Churwalden, Belfort, Bergün, Oberhalbstein, Schams, Rheinwald
ete.). —- AmRitten in Südtirol bei 5400’ (Hausm.), in Südbayern
— wo sie am Inn selten — bis 5083’ (Sendtn.). — Ohne
Zweifel in unserm Gebiete auf Kalk allgemein verbreitet, da
sie in den ringsum angränzenden Floren nirgends fehlt, wo
sie den ihr nöthigen kalkhaltigen Boden findet.
B. rhodoptera (Brügg. litt.): corollä luteä sepalis la-
teralibus (alis) roseo - purpureis, — eine schöne, wahrschein-
lich von klimatischen u. Bodenbedingungen abhängige Form
der vorigen.
In Mittelbünden auf (kalkhaltigem) Thonschiefer: in den
Churer-Mayensässen am Bizockel 4—5000° NO u. O (d. 6.
Juni 1850 blüh.); dann an den östlichen Thalgehängen von
Churwalden gegen Runkalier hin bei 4—4500° W u, SW,
mit Gentiana excisa (d. 29. Mai 1849 blüh.). Beides um-
gränzte Stellen, wo keine gewöhnliche Chamaebuxus. Nach
Pfr. J. Felix auch im Rheinwald: bei Nufenen e. 5000
mehr an sonnigen Stellen! Dann sah ich Expl. aus der Wie-
ner-Flora; nach Prof. Sendtiner in den südlichen Kalkalpen
häufig; angeblich auch im Ct. Tessin (Lugano). — In den
Kalkalpen u. dem Molassegebiet der nordöstl. Schweiz u. Süd-
bayerns habe ich an hundert Stellen vergeblich darnach ge-
sucht, auch keine Expl. von daher gesehen; dagegen ist die
Form mit mehr od. weniger purpurner Blumenkrone u. weissen
Kelchflügeln (a. leucoptera) dort — wie in den rhätischen
Alpen — allenthalben unter der gewöhnlichen P. Chamaebuxus
zu finden.
Schon diese wenigen Thatsachen weisen darauf hin, dass P. rhodop-
tera in ihrer Verbreitung (die mehr südlich scheint) mit der ge-
wöhnlichen Chamaebuxus nicht übereinstimme u. daher werth sei, von
den Botanikern einer nähern Beobachtung gewürdigt zu werden —
um so mehr, da man noch weit entfernt ist, über solche u. ähnliche
in der freien Natur so häufig vorkommende Farbenwechsel der Blu-
men (z. B. bei Anemone Hepatica, Erica carnea — beides Kalkpflanzen,
die auf unsern kieselreichen Kalk- u. kalkführenden Thonschiefern
78 Sileneae
häufig mit weissen Bl. variren) im Klaren zu sein. Nur durch un-
ausgesetztes Beobachten u. Sammeln möglichst zahlreicher Thatsachen,
— durch vereinigte Anstrengung der Pflanzenphysiologen, Syste-
matiker u. Pflanzengeographen — sind solche schwebende Fragen
ins Reine zu bringen; — am wenigsten gewiss durch bequemes
„Darüberhinweggehen““ oder hochmüthiges beliebtes Achselzucken
über dergleichen „alltägliche Naturspie'e‘‘, — deren Regeln aber
Niemand kennt. Mag der Ignorant immerhin nur Gesetzlosigkeit u.
Zufall darin erblicken u. in seiner After-Weisheit solches Bemühen
als „Spielerei“ belächeln — der Gang der Wissenschaft wird da-
durch sowenig gestört als der ewige Lauf der Gestirne. Der wahre
Forscher aber, welcher bescheidenen einfältigen Sinnes der Natur u. dem
Heiligthume der Erkenntniss sich naht, er bemüht sich möglichst, die ge-
ahnte Gesetzmässigkeit, die durch das ganze Reich der Natur, vom
Gebirgssystem bis zum kleinsten Kristall in der Pfanzenzelle, vom
Regenbogen bis zur schillernden Schuppe des Schmelterlingsflügels,
vom Morgenroth u. vom rothen Schnee der Alpen bis zum einfach-
sten chemischen Reagens u. Prozess — wie ein goldener Faden sich
hindurchzieht, — auch im scheinbar Gesetzlosen, im Farbenschmuck
wie im Bau unscheinbarer Vegetabilien nicht weniger als im ganzen
Meisterwerke der Schöpfung, zu erkennen u. jene ewigen Gesetze
darzulegen.
Ordo. XI. Sileneae DC.
102. Gypsophila repens EL. Oberinnthal:
zwisch, Ried u. Pfunds (Brügg.); an der Strasse bei Pfunds
u. Finstermünz (Hepperger u. Seelos!). Väntschgau: bei
Laas (Tapp!). Ober - Engadin: bei Samaden u.. Bevers
(Krätt!), mit rosenfarbenen Blüthen bei Isola am Silsersee
5700° auf Kalk (Brügg.). Mittelbünden: in Churwalden am
Urden-Pass ob Parpan im Kalksteingerölle bei 7500’ SW, die
wenig- u. grossblumige, gefärbtere, verkürzte Alpenform mit
gedrungen - ebensträussigem Blüthenstand , breitern stumpfern
Blättern, steifern Stengeln mit sehr verkürzter niederliegenden
Stengel-Basis, und dichte Rasen bildender starken Wurzel (@.
Sileneae 79
alpigena: Brügg. hb.); dann längs der Gebirgsbäche in die
Berg - Thäler herab (z. B. Churwalden 3800%), bis in die
Thalebene des Rheines auf Flussgeschiebe (an der Plessur u.
dem Rheine bei Chur 1800 — 1750’, bei der Mündung der
Lanquart 1600° unterhalb Malans, dann am Rhein bei Trüb-
bach 1480 — 1500‘, u. am Bodenseeufer). Je tiefer hinab,
desto mehr verlängern sich Stengel ,„ Stengelbasis, Blätter, u.
desto. weitschweifiger, reichblüthiger, lockerer der Blüthen-
stand etc. Uebrigens auch bei uns, wie anderwärts,, stets
auf kalkhaltiger Unterlage (gröberem od. feineren Kies).
Dagegen wächst die nur in der Ebene u. Hügelregion heimische,
schwächliche, einjährige, ästigrispige, rauhstengelige, kleinblumige,
schmalblätirige @. muralis L. — die in unserm Geb. noch nicht
beobachtet wurde u. kaum vorkommen dürfte (sie steigt in Süd-
bayern nicht über 1500°: Sendin.; im west?. Bünden im Thal des
Vorderrheins bis 2500‘; in Südtirol am Rilten um 3500’: Hausm.)
— auf möglichst kalkfreiem Sandboden (in feuchten sandigen öf-
ters überschwenimten Aeckern, mit reichlichen Glimmerblätichen u.
Quarzkörnern, in Gesellschaft von Centunculus minimus L, zwisch.
llanz u. Truns unkrautartig: Brgg.); verhält sich somit zu voriger
els Kieselform.
„&. fastigiata‘“ in den rhätischen Alpen: auf dem Sep-
timer u. Maloja von Scheuchzer, auf der Scesaplana von Rösch an-
gegeben, u. seither von allen Floristen nachgeschrieben bis auf Mo-
ritzi — beruht ohne Zweifel, wie Letzterer (Pfl. Grb. 44) schon be-
merkt, aufIrrthum u, Verwechslung. Denn — abgesehen davon, dass
diese Art sonst von Niemanden mehr an jenen Stellen noch über-
haupt in Bünden gefunden werden konnte, — hat G. fastigiata L.
sonst ihre Heimath in der flora campestris niedriger Sandgegenden
u. einen nordöstlichen Verbreitungsbezirk (Norddeutschland, Sach-
sen, Thüringen, Schlesien, Lausitz, Galizien, Böhmen, Mähren, Un-
garn, Siebenbürgen ete.), dessen S Grenze von Mainz nördlich
der Donau nach Siebenbürgen zu verlaufen scheint. Aus den be-
nachbarten Floren der Schweiz, Südbayerns, Tirols (mit Vorarlberg,
Salzburg, Kärnthen), der Lombardei — sind wenigstens keine Stand-
orte bekannt, Höchst wahrscheinlich wurde die oben genannte Al-
penform von @. repens L. — wegen des weniger niedergestreck-
ten Stengels mit mehr einerseitswendigen stumpfern Blättern, u, der
80 Sileneae
nach dem Gipfel zusammengedrängten Blüthen. deren Griffel u.
Staubgefässe übrigens kürzer als die Blumenbl. aber aus dem Schlunde
hervorragen (Rchb. fl. exc. schreibt der G. repens selbst eine pani-
cula subpubescens zu, was mir noch nie vorgekommen) — für eine
„„@. fasligiata‘“ (deren Namen ja zu passen schien) genommen, was
beim Bestimmen nach dem damaligen Zustande der botan. Diagnostik
eben leicht geschehen konnte. Diese Vermuthung erhält dadurch
eine gewisse Bestätigung, dass wirklich G. repens L. in der Um-
gebung des Maloja-Passes (Isola, wo ich die Pfl. selbst gesammelt,
ist nur 1 Stunde vom Maloja-Wirthshaus entfernt) wächst, u. ohne
Zweifel auch auf dem ganzen Kalkgebirge des Rhaetikon, da sie auf
Flussgeschiebe der zum Theil dorther kommenden Lanquart in solcher
Menge auftritt (auch rings im benachbarten Kalkgebirge Nordhündens.
Vorarlbergs, Appenzells etc. allgemein verbreitet ist) — während
Rösch (in seiner Aufzählung Bündner’scher Bergpflanzen, Alpina Il.
115 a. 1807) keiner andern Gypsophila (ausser G. fastigiata) aus
jenen Gegenden erwähnt.
103. Tunica Saxifraga Scop. Unterinn-
thal: um Rattenberg u. Kropfsberg, Schwaz (Hausm.); ich
fand sie häufig bei Schwaz, besonders auf Mauern an der
Strasse nach Pill, u. stellenweise bis Volders gemein. Dann
um Innsbruck (ich sammelte sie ober Höttingen); bei Reut
ober Zirl S bis 3300’ (Sendtner!); weiter durch Oberinnthal
verbreitet: bei Silz, Imst, von Landeck über Prutz , Ried,
Pfunds bis Finstermünz eine der häufigsten Strassenbord-
Pflanzen (Brügg.). Bei Pfunds auch mit satt rosenfarbener Bl.
Dann im Unter-Engadin nicht weniger häufig: von Martins-
bruck über Remüs, Schuls, Ardez, Guarda S 5000’ (häufig),
bis Lavin u. Zernez 4700° — der Strasse entlang von mir
verfolgt. Bei Zernez auch nach Mor. (Pfl. Grb. 44). - Weiter
oben — im ganzen Ober-Engadin — keine Spur! — Vintsch-
gau bei Laas (Tappein!)., Geht am Ritten bei Bozen bis
4000° (Hausm.). Wahrscheinlich auch im Münsterthal,
Poschiavo u. Bergell. (In der Lombardie: Cesati!). — Im
Rheingebiet Rhätiens: etwa 2 Std. östl. von Chur bei Ca-
stiel im Thale Schanfigg ce. 3600’ S (Mor!) — der einzige be-
kannte Standort. Vorarlberg: bisher nur bei Bludenz (Cu-
ster!). Nicht in der nördl. Schweiz.
Bere a Bu
Sileneae 81
Die Pflanze scheint einen kieselhaltigen Boden zu brauchen, ohne
dass ihr jedoch auch eine grössere Menge Kalk in- derselben scha-
dete‘; auf ‚kieselfreiem Boden nicht ber bachtet. — Ihre Verbreitung
ist östlich (vom Rhein) u. südlich; deren W. Verbreitungsgrenze
verläuft von Thüringen über Augsburg, Bludenz u. Castiel nach dem
obern Engadin (Zernez bezeichnet wohl nur eine Regionengrenze —
denn der c. 300° höhere Standort an den sonnigen Südabhängen bei
Guarda ist der höchste mir bekannt gewordene); biegt sich nun in
eine NW — nach Tessin (Lugano) gehende — dann im weitern
Verlaufe — ‚durch. Unterwallis, nach. Genf — in eine: N: Grenzlinie
um.ı. (Die, Standortsangaben. für Hessen. u. Oberschwaben scheinen
noch der Bestätigung zu. bedürfen). Diese z. Thl. in die Westgrenze
unsers Florengebiets fallende — Rhäten: mitten durchschneidende —
Vegetationslinie, verbunden mit den eigenthümlichen Bodenbedürfnissen
u. der Regionenverbreitung der Art, erklären uns deren häufiges
Auftreten im untern Engadin — u. ihr Verschwinden; jenseits der
Wasserscheiden vom Selvretta zum Septimer. Die Vorposten Castiel
u. Bludenz beweisen aber, dass auch hier — wie bei den zahlreichen
übrigen in ‚unser kleines Florengebiet fallenden Vegetationslinien —
„die begrenzenden Momente für Pfanzenbezirke bei weitem entschie-
dener durch Flüsse‘‘ (bei Tunica durch Rhein u. Rhone) ,‚als durch
Wasserscheiden bezeichnet werden‘ — ein Gesetz, das Prof. Dr.
Sendtner in den bayrischen Alpen zuerst gefunden hat (Veget, v.
Südbayern S. 226).
— Bianthus barbatus BE. (,,Buschnägeli‘)
eultivirt, findet; man noch schöne Spielarten im Ober-Engadin:
Gärten von Zuz, Bevers, Samaden, St. Moritz 5700’, Pontresina,
Sils.etc. (In Südbayern gelingt dessen Cultur nur bis 3300’ nach
Sendin.). Verwildert bisweilen um Chur einzelne Expl. (im Stein-
bruch:: Mor ;; im Foral e. 2000’ an einem Gebirgsbach d. 14. Juli
1848: Brügg.). — Die wildwachsende Pflanze , auf Berg-
wiesen, u. Alptriften von Galizien u. Ungarn her durch Steyer-
mark, Krain, Kärnthen, das südöstl. Tirol (vom Grossglockner
durch. Fassa u. Fleims) , die Lombardei nach Piemont, ver-
breitet — nähert sich, mit _der von. der. Seiseralpe durchs
' Veltlin verlaufenden NW Vegetationslinie, der Südgrenze un-
sers Florengebiets, nun
he; ö
hy Igel»,
f u! Dry
3 Sileneae
104. D. Carthusianorum L. Innsbruck u.
Imst (Hausm!); Seefeld in Nordtirol bei 3600° (Sendtn !).
Unter-Engadin an der Landstrasse (Rösch!): von Finster-
münz (an der linken Thalseite) bis Martinsbruck u. Remüs
3— 3800’ SO, nicht selten (auf Kalkboden), auch einblüthig
(Brügg.). Münsterthal: bei St. Maria am Wormserjoch
(Tappein !).
Eine „Kalkpflanze‘‘. die aber nicht nur im ganzen mittleren u.
nördl. Rhätien — sondern merkwürdigerweise im ganzen Querschnitt
der nördl. Kalkalpenzone zwischen Lech u. Reuss (wenigstens in
Vorarlberg, Appenzell, St. Gallen, Glarus, Nord-Bünden, Schwy7.),
u. selbst im Molassegebiet von Bregenz bis zur obern Thur gänzlich zu
fehlen scheint — auch in Südbayern (wo sie, wenigstens auf der
Hochebene Oberbayerns gemein, doch nur bis 2450’ steigt nach
Sendtn.) das eigentliche (Kalk-) Alpengebirge ängstlich flieht. Da-
gegen scheint sie über ganz Tirol, vom Thal bis in die Alpen, ohne
Unterschied der Gebirgszone auf passenden Bodenarten zerstreut; desgl.
in Kärnthen, Salzburg, der Lombardei u. Westschweiz angegeben.
Der Grund jener räthselhaften Erscheinung scheint also weder in
Bodenbedürfnissen noch in einer allgemeinen horizontalen od. ver-
tikalen Verbreitungsgrenze gesucht werden zu dürfen.
105. D. atrorubens All, (nach Koch u. Gaud.).
Unter-Engadin: bei Guarda S c. 5100’, Hornblendegestein.
Ober-Engadin: auf Granit an sonnigen reich begrasten stei-
nigen Rainen um Silvaplana, besonders häufig am Fusse des
M. Pülaschin über der Strasse nach Sils, u. bis gegen Grä-
vesalvas 5600 — 6000° SO (Brügg.). Im benachbarten
bündner’schen — aber zum Fluss- u. Florengebiete des Po
gehörigen — Thale Poschiavo am Südabhange des Bernina
(nach Expl, von Krättli). Wahrscheinlich gehört der im
(gleichfalls transalpinen) Bergell auf Urgebirge angegebene
„D. Carthusianorum‘‘ auch hieher. — Die nämliche Pflanze
habe ich im westl. Rhätien: am centralen Adula-Gebirgs-
stock (zahlreich an S Abhängen auf Gneiss bei 5500 — 6000‘
über Zarfreila im Hintergrunde des, zum Rheingebiet gehöri-
gen, St. Peter-Thales) selbst gesammelt, u. aus dem Rhein-
Sileneae 83
wald (auf Chloritschiefer bei 5 — 5500‘ SO von Pfr. J. Felix
um Nufenen gesammelt) — sowie auch aus dem obern Wallis
erhalten. Moritzi fand sie in nördlichen 'Thälern (ÜUrsern,
Tavetsch) der Centralmasse des Gotihards. — Fehlt im übri-
gen (mittl., nördl.) Rhätien , der nördl. Schweiz, Vorarlberg,
Nordtirol, Südbayern, Salzburg — wie es scheint, dem gan-
zen nördl. Kalkalpenzuge vom Leman bis Wien.
B. paueiflorus (Brügg. mss.): humilior, dense caes-
pitosus, foliis rigidulis, caulibus 2—4 pollicar. (obli-
quis) superne tetragonis 1 — 8 floris (vulgo 2? —4—6 fl.),
florib. capitatis. :
Ober-Engadin: auf sonnigen sterilen Waiden u. Triften
an der Nordseite des Silser-Sees von Baselgia bis Grävesalvas
(5580 — 6000’ S, SO) die vorherrschende Form, auf Thon-
schief., im Augst. blüh. (Brgg.). (Eine ähnliche Form be-
sitze ich von Zermatt im Wallis).
Diese interessante Pflanze dürfte am ehesten für die Alpenform von
D. Carthusianorum L. angesehen werden — wenn es eine solche
überhaupt giebt — wie Hegetschweiler meinte, dessen D, atrorubens
am meisten unserm D. paucißorus zu entsprechen scheint. Um so
eher, als D. Carthusianorum auch in der Ebene (z. B. um München)
nicht selten mit 10— 12 blüthigen Köpfchen (Büscheln) varirt —
welcher variet. unsere 6— 8 blüth. Expl. von D. pauciflorus ent-
sprächen — u. das von der relat. Länge der Blumenbl.-Platte ge-
nommene Merkmal sich auch bei demselben als unbeständig -erweist.
Doch kann man bei uns von eigentlichen Uebergängen nicht spre-
chen, da in dem Zwischenraum von Remüs bis Sils (4 — 5500’) noch
keine dieser Formen beobachtet wurde. Daher wohl eher eine vom
Standort erzeugte magere dürftige Form des wohlgenährten sonst
auf fruchtbarem Boden wachsenden D. atrorubens. — Dagegen ent-
spricht unser eigentliche, durch das rhätische Central-Alpengebirge
- allgemein verbreitete D. atrorubens All. keineswegs der obener-
wähnten Ansicht Hegetschweiler’s — die auch Moritzi (Fl. d. 8. 106)
zu theilen scheint — obgleich er in diesen Gegenden bei 5 — 6000‘
den typus des D. Carthusianorum vertritt. Denn abgesehen davon,
dass zahlreichere u., kleinere Blumen den gewöhnlichen Attributen der
Alpenformen gerade zuwider laufen — spricht dagegen: vor Allem
6*
3 Sileneae
die verschiedene Verbreitung des D. atrorubens u, der Umstand, dass
nicht nur letzterer anderwärts (z. B. im südl. Tirol) auch in der
Tiefe vorkömmt (um Bozen 800‘, Trient, Roveredo) sondern D. Car-
thusianorum in Tirol auch. in die Alpen zu steigen scheint — ohne
dass sich der eine in den anderen verwandelte. Nach obigen "That-
sachen erscheint uns D atrorubens All. vielmehr als eine farbige über
die südliche Hälfte des Alpensystems (über Istrien nach Piemont u.
Ligurien) verbreitete Kieselform — gegenüber dem nördlich verbreilelen
kallkbrauchenden D. Carthusianorum L. — somit als eine unter dem Ein-
flusse von Klima (besonders einer grösseren Wärmenmenge u. In-
tensität des Lichtes) u. Boden zugleich stehende Formverschiedenheit.
Damit steht in enger Verbindung ihr Vorkommen im transalpinen
Gebiet auf kristallinischer Gebirgsart der ‚‚Mittelzone‘‘, sowie an
den der Sonne u. den Südwinden am meisten ausgesetzien südlich
exponirten Bergabhängen in den benachbartesten Alpenthälern der
nördlichen Abdachung (darum fallen alle ihre bei uns bekannten
nördlich vom Haupikamme der Alpen gelegenen Standorte in die
Gegenden der tiefsten Gebirgseinschnitte — der besuchiesten bekann-
testen Alpenpässe: Bernina, Maloja, Splügen, Bernhardin, Lukmanier,
Gotthard, Simplon — dieser gewaltigen Fönstrassen , die für die
Vegetation nicht minder als für die wandernde Thierwelt u, den
Menschen „‚mit seinen Plagen‘“ von so grosser Wichtigkeit), — oder
auf kieselhaltiger Bodenart in der südl. „Nebenzone‘‘ (sog. südl.
Kalkalpenzug). Aehnliche — aber noch weniger beobachtele u. ge-
kannte — Verhältnisse haben wir bereits oben (bei Polygala rhodop-
tera) betrachtet. — Die von Istrien her im Bogen durch das südl.
Tirol (Meran), mitten durch Rhätien (am Südrand der Selvrettamasse
u. am Nordrande der Bernina-, Sureta-, Adula- u. Gotihard-Gruppe
vorbei), dann durch das Ursernthal u. Wallis verlaufende N Vege-
tationslinie. dieser Pllanze — erreicht in unserm Geb. im Innthale
bei Guarda, wo sie zum erstenmale den Hauptkamm der Central-
Alpen übersprungen, ihren nördlichsten Punkt (sporadisch ?).
— D. Seguierii Will. (D. collinus W. K.). Bei
Brusio 2500 — 3000’ in der benachbarten transalpinen bündner’-
schen Thalschaft Poschiavo, von Muret gefunden (Mor. Pfl. Grb.
44). Ich sah selbst Expl., die vor Jahren angeblich „‚am
Bernina‘* gesammelt wurden. — Im Veltlin (Heg.); im südl.
Tirol gemein, am Ritten bei Bozen bis 3600’ (Hausm.); in
Südbayern nicht über 2100° (Sendtn.). Eine südlich u. öst-
Sileneae >85
lich verbreitete Art, deren NW Vegetationslinie, von Piemont
her (Aosta-Thal) am Südfusse des M. Rosa vorbei durch Tessin
(Lugano), Veltlin u. Puschlav nach Meran gehend, die Süd-
grenze unseres Gebiets streift, dann beim Ueberspringen der
Central-Alpen eine mehr nörd}. Richtung gewinnt, worin sie
über Tölz, München, Regensburg nach Böhmen u, Sachsen
(Voigtland, Dresden) fortsetzt.
106. D. deltoides L. Im tirolischen Innthal :
Rattenberg , Zillerthal, Innsbruck (Axams u. Grinzens) nach
Hausm. Verschwindet von da an aufwärts im obern Innthal
— um erst bei Fettan (Hr!) wieder in dasselbe einzutreten.
Dann durchs übrige Engadin häufig bis gegen 5500°:
über Ardez 4800’ gegen Guarda (Brügg.), bei Guarda 5100’
(Mor!), Lavin u. Süss (Hr! Brügg.) 4400 — 4500°, von
Zernez nach Brail häufig, auf Amphibolitschiefer, 4600 — 5000’
SO (Brügg.), bei Brail 5100’ häufig (Heer! Papon!); Obder-
Engadin: bei Cinuskel 5000‘ (Muret), Sulsanna 5200 (Mor),
etwas ob Bevers 5300’ (Krätt.). Von da bis zum Maloja
nicht mehr beobachtet. Münsterthal: bei S. Maria 4280’,
auf Verrucano; Vintschgau : in Schlinig, Langtaufers, bei Matsch
u. Mariaberg (Tappein. u. Hofmann!). Auch im Rheingebiet
Rhätiens nur in der obern Berg- u. untern Alpen - Region
(3000 — 5000’) beobachtet: am nordwestl. Rande der Selvretta-
masse, auf Davos u. bei Klosters (Rösch! Mor!); bei Andeer
— am Nordrande des Sureta-Gebirgsstocks (Mor.); u. bei
Obersaxen u. Brigels (Brügg. Mor.) — am Ostrande der Cen-
tralmasse des Gotthards u. Finsteraarhorns. Immer auf kiesel-
reicher, möglichst kalkfreier Bodenart. — Nicht weiter in der
" Schweiz — ausser im Tessin von Heg. angegeben. (Dann
angeblich inPiemont: All!; der Lombardie: Cesati!; in Süd-
u. Nordtirol — nicht in Vorarlberg: Hausm!: in Kärnthen
Pacher! ; in Südbayern, in der Ebene nicht über 1560’ u. stets
schon von der Alpenkette entfernt, wie in Franken u. der
Rheinpfalz: Sendtner!; in Nassau: Rudio! etc,).
86 Sileneae
Scheint mit einer N NW Verbreitungsgrenze (Brigels — Klosters
— Selrain — Innsbruck) — durch den Lauf des Vorder-Rheins u.
Inns angedeutet — das rhätische Florengebiet zu durchschneiden, von
Innsbruck oder Rattienberg an aber eine veränderte Richtung; (von
SO nach NW) zu verfolgen. -—- Nach ihrem Auftreten in unserm
ganzen Florengebiete erscheint diese Pflanze nicht bloss als „„Kiesel-
deuter*‘, wofür Schnitzlein u. Frickhinger dieselbe ansahen — sondern
in ihrem Sinne als eigentlicher ‚„Kieselzeiger‘‘, einen kieselreichen
möglichst od. gänzlich kalkfreien Boden brauchend, als wahrhaft
kalkfeindlich: Kalk scheint ihr Gift. Daraus erklären sich ihre
eigenthümlichen Verbreitungsverhältnisse im obern Innthal, ihr Fehlen
auf den kalkreichen Schiefer- u. Kalksinterbildungen der tiefern
Thalstufe des Unter-Engadins (von Feitan abwärts) u. auf der gan-
zen das Thal südlich begrerzenden Kalk-Gebirgsketle (von Camogask
bis Nauders), sowie die sehr auffallenden Lücken in ihrer Verbreitung
im Ober-Engadin: von Capella bis Bevers (durch den, vom Kalkge-
birge Mittelbündens her über den Albula quer das Innthal durch-
setzenden u. sich mit demjenigen des Unter-Engadins u Münsterthals
verbindenden, breiten Kalkstreifen bewirkt), und dessen plötzliches
Verschwinden mit dem Auftreten des Kalks in der ziemlich durch-
suchten Gegend um Samaden, Celerina u. St, Moritz; — da-
gegen deren häufiges Vorkommen auf den kristallinischen Gebirgs-
arten der Centralmassen (so bei Ardez u. Cinuskel hart an der
Grenze des Kalks, dem sie fehlt); dann wieder ihr Fehlen in den
tiefern Thälern Mittelbündens, dem Kalkgebirge nördlich von Inns-
bruck u. dem Kalkboden um München — während sie doch bei
Augsburg u. Ulm wieder vorkömmt. Doch soll damit klimatischen
Faktoren u. physikalischen Zuständen des Bodens keineswegs lo
Einfluss abgesprochen sein,
10%. Dianthus alpinus L. In der südöstlichen
Ecke des Geb.: am Wormserjoch (Isser bei Hausm. Fl.
Tir. S. 1151); am Ortler (Sauter bei Reichenb. exc. 8081).
Nach diesen Beobachtungen glaubenswürdiger neuerer Botaniker
trage ich nun auch kein Bedenken, den „D. alpinus, squamis
calicinis omnibus tubum aequantibus‘‘, welchen unser ehrwürdige
Landsmann Decan Pol schon vor ‚70 Jahren auf dem Umbrail
(Münsterthal) angiebt — hieher zu ziehen, trotz dagegen er-
hobenen Zweifeln.
Sileneae _ 837
”
Diese Nelke, vielleicht bloss die verkürzte, geglättete, einblüthige,
gross- u, freudigblumige Kalk-Alpenform der vorigen u. die verlängerte
(grossblumige) mittlere Alpen- u. Voralpenform der folgenden, ist
von Unterösterreich durch Steyermark, Kärntben, das deutsche Süd-
tirol (Pusterthal) zum Wormserjoch verbreitet u. scheint an den
Adda-Quellen ihre W-Grenze zu finden. Vielleicht aber auch west-
licher — nur übersehen od. verwechselt. Warum sie daher absolut
nicht auch auf dem ostrhätischen Umbrail — sogut wie am Nachbar
Ortler — wachsen könne, sehe ich nicht ein. Im Gegentheil macht
die sonstige Uebereinstimmung dieser beiden altbefreundeten Grenz-
nachbarn in geognostischen u. Vegetations-Verhältnissen — die oben
angeführte Angabe Pols um so wahrscheinlicher , als das von dem-
selben angeführte Merkmal (,,K.Schuppen so lang als die K.röhre‘*)
nur auf D. alpinus L. — u. nicht aufD. glacialis, wofür die Pol’sche
Pfanze erklärt worden — sich beziehen kann (denn D. neglectus
Lois. ist weder im südl. Tirol, noch in unserm Geb. , noch über-
haupt in den rhätischen — u. Schweizer - Alpen mit Bestimmtheit
nachgewiesen; ich habe ihn vom M. Cenis) —, als ferner auf der
Einsattlung zwisch. Ortler u. Umbrail sowohl D. alpinus als glacia-
lis gefunden wurden u. Vegetationslinien, wie wir oben bemerkt,
überhaupt kaum durch Wasserscheiden (sondern meist durch Flüsse,
hier die Adda) bezeichnet werden, u. endlich die Flora des Umbrails
von neuern Botanikern noch viel zu wenig durchsucht worden ist,
um geradezu behaupten zu können: D. alpinus L. komme daselbst
nicht vor, weil sie bisher nur D. glacialis in jenen Gegenden gefunden.
108. D. slacialis Hänke. Ober-Engadin, in
den höhern u. höchsten Alpen bei 8000 — 9000°, auf, Gras-
plätzen mit kalkiger Unterlage, selten. Piz-Padella über
Samaden (8900°): in der Samadener-Alp unweit des kleinen
Sees (Mor. hb.), Samadener Schafalp (Krätt.); daselbst auch
mit weisser Blume (Engelhard Brügger!). Im Thale Fer
(Feet) hinter Sils (Bovelin! bei Wegelin Enum. fl. helv.
1837 p. 51). Auf dem Levirone (Lavirum) am Uebergang
nach Livino (8700°): Mor. Pfl. Grb! — Auf den Kalkalpen
von. Val- Livino kei 8000° CHr! bei Wegelin Enum.)
Münsterthal u. Oberveltlin: auf dem Umbrail (Braulio)
(Rainer !) auf dem Wormserjoch (J. v. Zallinger). Mittel-
bünden: auf dem Brüggerhorn (Dolomit u. Kalk, c. 8000‘)
88 Sileneae
— zwisch. Churwalden u. Erosa (Tausend! bei Mor. Pfl.
Grb.) ; ich habe in dessen herbar. die betreffende Pflanze ge-
sehen. Dann auf dem ,,‚Weisshorn‘‘ (der Churer-Alpen ?)
auch mit weisser Blume (Heg!). Angeblich auf dem Ca-
landa (?), u. Tödi im westl. Bünden (Heg! bei Wegelin
Enum. p. 51). Sonst nirgends in der Schweiz. Aber durch
Central-Tirol (vom: Ortler zum Gr. Glockner), Kärnthen, Salz-
burg — verbreitet, angeblich auch auf Urgebirge (wohl nur
Urkalk od, Kalkglimmerschiefer ?). Ausser dem Gebiete der
Central - Alpen — wenn auch hier bloss auf Kalkboden —
doch nirgends beobachtet. sowenig als in der untern Alpen-
region. Verhält sich hierin wie Papaver pyrenaicum W.
Somit eine der Schneeregion der Ostatpen eigenthümliche Pflanze
— wie D. alpinus L. der Alpenregion, als dessen zwerghafte, dick-
wurzelige, dichtrasige, fast stengellose, kleinblumige Hochalpenform.
sie recht wohl angesehen werden kann —- , die, wie jener, in den
rhätischen Alpen: am Brüggerhorn (an der Rabiusa) — oder, wenn
die frühere Hegetschweiler’sche Angabe richtig wäre, am Tödi (an
der Reuss) — ihre W Verbreitungsgrenze erreicht. Beide stellen
in diesen Höhen u. auf Kalk wohl nur den durch den Standort mo-
difizirten typus des D. deltoides L. dar, welcher sich in gün-
stigen Fällen in diesem Geb. bis ‘in die untere Alpenregion er-
hebt, u. dessen horizontale Verbreitung im Alpensystem auch keines-
wegs gegen unsere Ansicht spricht (denn sein Vorkommen in Tessin
u. Piemont bedarf noch neuerer Bestätigung sogut als das Fehlen
von D. alpinus u. glacialis). Es ist diese Formenfolge mit den be-
kannten: Vertretern ähnlicher Gesetze aus andern Pfanzenfamilien zu.
vergleichen — wie Arenaria Marschlinsii (Moritzii u. serpyllifolia):; Poly-
gala glacialis (alpestris, amara) ; Viola Julia (alpestris, tricolor) ; Carda-
mine alpina (resedifolia, hirsuta); Draba Zahlbruckneri (aizoides,
aizoon); Myosotis nana? {M. alpestris, sylvaüica); Poa laxa (mon-
tona, glauca, nemoralis); Avena subspicata (distichophylla, alpestris
Heg., flavescens); Festuca Halleri (alpina, violacea, ovina); Carex
irrigua (subalpına, Iımosa); Carex Vahlii? (atrata, aterrima, Bux-
baumii); Gentiana brachyphylla (verna,, aestiva), G, alpina (execisa,
acaulis); Erigeron uniflorus: (alpinus, ‚alpestris), Solidago minuta
Vill. (alpestris , Virgaurea) etc. Und wir hätten hier den seltenern
Fall, dass einer Kieselpflanze des Tieflands mit ihrem Steigen ins
u ee
Sileneae 89
Hochgebirg ein kalkhaltiger oder kalkreicher Boden zum Bedürfniss
wird, — während wir bisher meist das umgekehrte Verhältniss ein-
treten u. in den Hochalpenformen gewöhnlich sehr ausgesprochene
stelige Kieselpfanzen sahen (was ohne Zweifel mit der bedeuten-
deren Erhebung der. kristallinischen (Ur-) Gebirgsarten im Alpen-
system zusammenhängt).
— D, ehinensis L. (Chineser-Nelke) in Gärten bisweilen,
im Ober-Engadin: bei Zuz 5300° SO, u. in den sorgfältig gepflegten
schönen Blumengärten von Pontresina selbst bei 5580° SW auch in
ungünstigern Jahrgängen noch zur Blüthe gelangend.
109. DB. sylivestris Wulf. (Koch. Gaud.)
Um Innsbruck mehrfach (Hausm.) — daselbst (von Süden her)
ins Innthal eintreiend: von Oberbayern her das Innthal hinauf-
_ wandernd. begrüsste ich diesen alten Bekannten aus Rhätien zuerst
bei Zirl. dann bei Imst und Mils; immer häufiger werdend an der
Strasse von Landeck bis Prutz. u. durch das ganze Engadin
bis zu des Inns Ursprung am Septimus mons. Unter-Enga-
din(Mor!): bei Martinsbruck. Remis, Fettan, zwisch. Ardez u.
Guarda 5000° (Brügg.). Ober-Engadin (Mor!) : um Samaden u.
St. Moritz auf kalkhalt. Gestein; bei Campfer u. Silvaplana 5600—
5900°SO auf Syenit, Hornblende, Granit (am Fusse des M. Püla-
schin); am Crestatsch 5900’ SO. bei Surlei auf Gneiss,; bei
Sils (St. Maria) an Kalkfelsen — von mir bemerkt. In der
Alpenregion am Septimer (Mor!). Benachbartes Mittelbün-
den: in Avers (unterhalb. Cresta 5600° SW), Ferrera u.
Schams, Oberhalbstein, Bergün „ Belfort — meist auf Kalk-
u. Dolomitgestein. — (UVebrigens durch ganz Bünden u. die
Kalkalpen der nördl. Schweiz ete. verbreitet; bei Hohenems
u. Oberried mit einer N Vegetationslinie ins Rheinthal ein-
fallend, über Kamor u. Wildkirchle, die Glarner- u. Schwyzer-
Alpen nach Westen fortseizend).
Obige Thatsachen lassen die, sonst. kalkliebende Steinnelke in
unserm Geb. als sehr bodenschwank erscheinen. Doch. ist wahr-
scheinlich auch bei diesem Iypus — wie bei D, Carthusianorum —
eine Kieselform von der Kalkform zu unterscheiden „ worüber wei-
tere Beobachtungen entscheiden werden. Wenigstens stellen alle von
mir auf kristallinischer Gebirgsart (in der Val-Tasna bei Feltan
9” Sileneae
auf Hornblende, dann um Campfer, Silvaplana u. Surlei) gesam-
melten Expl. keinen eigentlichen D. sylvestris (wie er in Nord- u.
Mittelbünden vorkömmt) sondern die Form D. Scheuchzeri Rchb.
exc. et icon. dar. Diese ist nach Bar. v. Hausmann auch (in Süd-
tirol) um Bozen u. am Ritten — auf Porphyr — die vorherrschende,
während der eigentliche D. sylvestris W. Rehb, ie. vorzüglich im
nördl. Tirol (auf Kalk) vorkömmt. Auf kieselreicher Bodenart fand
ich D. Scheuchzeri auch in Mittelbünden : in Churwalden (bei Ma-
lix 3500° SO), u. herabgeschwemmt bis 2140‘ auf Rheinsand b.
Thusis. — Ich vermuthe in ihm daher die mehr in den Central-
Alpen verbreitete Kieselform des D. sylvestris, u. möchte dieselbe
den Erforschern alpiner Vegetalionsverhältnisse sehr zur genauern
Beobachtung empfehlen. Das Merkmal des doppelt - spitzzäh-
nigen Blumenblattrandes finde ich übrigens nicht beständig u, zur
Unterscheidung von D. sylvestris kaum brauchbar; ich habe zahl-
reiche Expl. aus Mittelbünden, welche die Uebergänge vom gekerb-
ten oder stumpflich gezähnten zum spitzzähnigen u. doppelt-spitz-
zähnigen tiefer eingeschnittenen Rande der Blumenblätter deutlich ge-
nug darthun. Man hat nach besseren Kennzeichen zu suchen.
— D. frigidus Koch. (D. sylvestris y. suba-
eaulis K. syn.) — die dickwurzelige, dichte kleine reich-
blüthige Rasen bildende, fast stengellose Hochalpenform der
vorigen — fand ich im Ober-Engadin: in den Alpen über
St. Moritz bei 7— 8000’, Mitte Aug. 1850 blüh, — Weiter
zu beobachten !
Diese höchst interessante — mir sonst nirgends vorgekommene —,
Form nähert sich bereits in mehrerer Hinsicht so dem D. neglectus
Lois. (vielleicht entsprechende Form des D. Seguierii?), dass sie
wohl schon öfters zu Verwechslungen und namentlich zur Angabe
jener piemontesischen Alpenpflanze auf dem rhätischen ,,M. Um-
brail‘“ (Gaud.) und den ‚‚Glarner Alpen‘‘ Veranlassung gegeben
haben mag.
Aehnliche verkürzte 1-blumige 2-3‘ hohe Gestalten von,D. syl-
vestris können zwar (wie bei den Polygaleen) auch in tiefern Re-
gionen durch einen sehr dürftigen ebenfalls stark besonnten Boden
erzeugt werden; — doch zeigen solche Verkümmerungsformen nie
jenen ausgeprägten eigenthümlichen habitus, jene starke Entwicklung
der unterirdischen Theile, jene dichte Rasenbildung, jenes lebhafte
Colorit, jene gedrungene Textur und Bau aller Theile, wodurch sich
Sileneae 9
Hochalpenformen so auszuzeichnen pflegen: und kann man meist
beim Uebergange des Standorts auf einem bessern Boden eine stetige
Reihe von Uebergangsgsestalten zur gewöhnlichen Form des typus
beobachten. Solche Zwerggebilde aus einem heissen Klima fand
Moritzi auf periodisch überschwemmten Ufersand am Genfersee (Dian-
thus sylvest. v, arenarius Mor, hb.) — mit seiner Polygala arenaria,
Ranunculus replans L., Myosotis palustris S. caespititia DC. -—; ich
auf dürren sterilen südlich exponirten Felsvorsprüngen (Dolomit) bei
der Ruine Belfort (e. 3700”) in Mitfelbünden, Ende Juli blüh.
— D. Caryophylilus L. (.,grofels,‘* „„‚Nägeli‘‘).
Wohl die am häufigsten u. in den zahlreichsten Spielarten cultivirte
Zierpflanze unseres Gebiets, wo ihr in allen Dörfern u. Höfen,
bis zu den höchsten menschlichen Wohnstätten noch ein be-
hagliches stilles sonniges Plätzchen im Garten (so noch zu St.
Moritz 5700’), oder vor den Fenstern ihrer sorgsamen schönen
Pflegerinnen gerne eingeräumt wird.
Die wildwachsende Stammpflanze, die sich nur durch einfache,
schwächer riechende, einfarbig -röthliche bis weisse Blumen und
durch grössere Rauhheit des Blattrandes (der gewöhnlich bis zur
Spitze, bei der Culturpflanze nur an der Basis, mehr oder we-
niger feingesägt-rauh erscheint) und untern Stengeltheils unter-
scheidet — was natürlich mit ihrem dürren felsigeu Standort zusam-
menhängt, — hat einen besondern Namen erhalten: D. caryophyl-
loides Schult. (wovon der wildwachsende D. caryophyllus M. K.
und Rchb. exe, nicht getrennt werden kann), und kommt auch im
(nördl.) rhätischen Florengebiete vor: an der rechten Thalseite des
Rheins von der Plessur zur Lanquart 1600 — 2200° (am Fusse des
Mittenbergs um St. Luzi bei Chur, SW: Brügg.; — Marschlins und
von. der obern Zollbruck nach Zizers (D. Caryophyllus: Rösch!).
Meine Expl. von Chur, Ende Juni 1848 blüh., haben zum Theil
völlig glattrandige Blätter — stellen also einen eigentlichen D. Caryo-
phyllus nach Koch’s Diagnose dar; — doch an demselben Stock
auch einzelne mehr oder weniger rauhrandige, zum Beweise der
nahen Verwandtschaft beider Formen. Diess scheint sein nördlIch-
stes Vorkommen; sonst dem Südrande der Alpenkeite, entlang von
Dalmatien nach Piemont verbreitet, in Krain und im südl. Tirol sich
den Central-Alpen nähernd, welche er in Rhätien zuerst überspringt.
Scheint sich streng an Kalkboden und tiefere Regionen zu halten.
Vielleicht doch nur eine besser genährte von einem wärmern Klima
92 Sileneae
bedingte Form des vielgestaltigen D. syivestris Wulf., von dem er
durch einen robustern längern deutlich vierkantigen rauhern Stengel
(der nie einblüthig), breitere flachere, slaltere, 3—-Önervige Blätter,
breitere Kelchschuppen und conisch-bauchige (nach der Spitze zu-
sammengezogene) Kelche,, feiner gekerbte breitere kürzere Platten
der Blumenblälter (also mehr ausgebildete vegetative Organe), sowie
durch ein eigenthümliches bläulichgrünes Ansehen abweicht. Auch
dieser verwandelt, in einen lockeren bessern Boden („„Schultboden
im Garten‘‘) verpllanzt, seine einfachen Blülhen in gefüllte. wie
Bar. v. Hausmann gezeigt hat (Fl. v. Tir. 1056).
— D. eaesius Um, Der Vertretter desD. sylvestris im Nor-
den der Alpenkette — wurde auch auf der südöstl. Grenze unsers
Gebietes auf dem Umbrail angegeben (Comolli Fl. comens.). Da
diese kalkliebende Art sonst noch nirgends in den Alpen — ge-
schweige der „‚Miltelzone,‘* welcher das genannte Kalkgebirge ange-
hört — (sondern auf der Molasse, im Jura etc.) gefunden wurde,
und ihre SO Vegetationslinie — soviel bekannt — dem Fusse des
nördlichen Kalkalpenzuges entlang vom Salzburgischen über München,
Bregenz und Rheineck (hier bis auf 2 Stunden der N Vegetations-
linie von D. sylvestris sich nähernd), Kt. Zürich, Burgdorf, zum
Genfersee und Jura verläuft: so muss jene Angabe — als wahrschein-
lich auf Irrthum beruhend — bis auf weitere Bestätigung billig be-
zweifelt werden.
110. D. speciosus Rchb. (D. superbus, grandi-
florus Heg. Fl. d.S.) — die noch weiter zu beobachtende wenig-
u. grossblumige (Central-?) Alpenform des D. superbus L.
der Ebene (u. Kalkalpen?), von dem sie sich wie alle ana-
logen Formen durch verkürzte steifere Stengel u. härtere,
festere (nelkenartige) Blätter, purpurn gefärbte kürzere Kelche
mit etwas schmälern u. längern Schuppen, frischere viel grösere
Blumen (mit breiterm Mittelfeld u. feineren Fransen der we-
niger tiefgetheilten Blmblätt.) u. den höhern, an sich trocke-
nen Standort unterscheidet —: in den Bündner - Alpen. bei
5 7000‘ (Heg!). Ober-Engadin häufig auf Triften in
Waldungen 5—6500', stets auf kieselreicher Bodenart (während
D. superbus L. eine solche mit vorherrschendem Kalk verlangt):
um Bevers u. anderwärts (Krätt!), um Samaden, St.Moritz (Quelle),
Sileneae 9
Silvaplana, Campfer u. Surlei — Granit, Gneiss, Hornblende —
(Brügg.). Dann auf Thonschiefer im angränzenden Mittel-
bünden: Bergwiesen u. untere Alpen in Avers (so ob Crott
am Wege nach Cresta, NO 5500’), Oberhalbstein, Churwal-
den (häufig) etc. — Mit weisser Blume: auf dem Maloja
(Scheuchzer!); am rechten Innufer bei Bevers 5230’ auf über-
schwemmten Plätzen, Mitte Aug. 1850 blüh. (Brügg.). Die-
ses Expl. vom feuchteren Standort hat zugleich einen 7blüthi-
gen Stengel -—- aber die Blumen um so kleiner (kaum so
gross wie die desD. superbus) — übrigens auch braun- purpurn
überlaufene obere Stengeltheile u. Kelche. — Sonst in den
Alpen von Südtirol u. Krain verbreitet,
Der eigentliche D. superbus L. Rehb. im Geb. noch nicht beob-
achtet; scheint im Innthal schon bei Innsbruck zurückzubleiben,
rund auf den Kalkalpen in Südbayern über 6100’ zu steigen.
In der nördl. Schweiz häufig, in Bünden bei Chur (Bizockel-
berg, an der Strasse nach Malix am Waldrand 2700‘ NO,
auf Mergelboden).
111. Saponaria ocymeides L. Von Kärn-
then u. Pusterthal her mit einer NO Vegetationslinie bei
Schwaz das Innthal erreichend, u. bis zu den Isarquellen
fortsetzend, schlägt sie von da an eine fast südwestliche Rich-
tung durch das Wallenseebeckeu nach dem Jura ein.
Enyadin: von Finstermünz bis Martinsbruck linke Thal-
seite 3 — 4000’ SO (Brügg.), bei Tarasp 4000° (Mor!), von
Ardez nach Guarda 5100‘ SO u. im Camogaskerthal auf Kalk
bis 7000° SW (Brgg.), bei Bevers 5300° (Krätt!), alpine
Region des Engadins (Mor!). Mittelbünden: jenseits des
Juliers im Oberhalbstein bis Stalla 5500’; häufig in Belfort u.
Domleschg (Brügg.); in Bergün (Hr. O. P. Buol) bei Wiesen
u. Klosters u. bis in die Alpenregion von Prätigau (Dr.Killias!).
Vintschgau : Wormserjochstrasse, Trafeierthal, Kortsch ete,
(Hausm.). — Nach meinen Erfahrungen nie auf einem kalk-
freien Boden, am häufigsten u. schönsten auf möglichst reinem
Kalkboden.
94 Sileneae
112. Silene nutans L. Ober -Engadin hin u.
wieder im Thale (Krätt!); um Samaden u St. Moritz, u.
in Val-Fex bei Sils 5300 — 6050' (Brügg.) einfachere ver-
kürzte Gestalten. Dann im Oberhalbstein (z. B. bei Molins
4700°), in Ferrera, Schams; Belfort etc. In Südbayern’'steigt
sie bis um 6000’ (Sendtner), desgl. im nördl. Tirol (v.
Heufler). Auf Alpen in Südtirol (Ritien u. Seiseralpe, 4 —
6500°) sind die Blumenbl. nicht selten rosenrolh, manchmal
auch tiefroih (v. Hausm.).
— 8, Otites Sm. Oberinnthal: zwisch. Prutz u.
Ladis (Hepperger!). Vintschgau: bei Mals 3300’ (Hepperg !),
Goldrain (Tappein!); dann durchs südl. Tirol weit verbreitet,
selten auf Gebirgen z. B. am Ritten bei 3700‘, nach Hausm.
Obiger Standort ist der einzige, erst seit 1852 bekannte aus dem
ganzen Innthal; im ganzen Rheingebiete Rhätiens, in Vorarlberg und
der nördl. Schweiz (ausser im Ct. Schaffhausen) nicht gefunden;
wohl aber in den Rheinlanden, Nässau, Baden, Bayern, Nord- und Ost-
Deutschland, Oesterreich; Lombardei, südl. Schweiz (transalpin. Bün-
den: Sal-M!). In der Schweiz scheinen Rhein- und Rhone-Thal
Verbreilungsgränzen (SW, NW) anzudeuten.
113. 8. inflata L. (.,Klöpfen‘‘, ‚‚Klöpferli‘‘).
Ober-Engadin : häufig in Wiesen der Thalsohle u. bis an die
obere Grenze der Alpenregion, so noch ziemlich häufig auf der
Höhe des Albula-Ueberganges 7150’ in kalkhaltigem Boden. Im
angränzenden Mittelbünden (z. B. Churwalden, Chur), Tirol u.
in der nördl. Schweiz vom Thale bis in die Alpen, über 7000’, in
zahlreichen Abänderungen. In der Alpenregion (5—7000°) der
Stengel kürzer (einige Zoll hoch) und niedergestreckt, 1—3blü-
thig, die Blätter kleiner breiter, die Wurzelköpfe genähert,
rasenbildend — also nach bekannten Regeln zur Alpenform un -
gebildet = 3. alpina Heg. Hr. (Cucubalus alpinus Lam,),
deren Boden- u. Verbreitungsverhältnisse noch zu wenig er-
forscht sind. Diese fand auf dem Wormserjoch schon Funk!
— 8, noctiflora L. Jenseits des Albula: bei Bergün
4270’ S, u. in Belfort auf Aeckern (Brügg.); dann vielfach
anderwärts in Möttelbünden: Thalebene des Rheins von Chur,
Sileneae 95
Ems bis Thusis, Domleschg , Ianz, auch in Hanf- u. Mais-
feldern; dann in Bergthälern: Malix, Churwalden in Gersten-
u. Kartoffelfeldern 4000‘ N, Maladers, Prada, Tschiertschen, in
Schams, Lugnetz eic. von mir bemerkt.
Das bündnersche mergelige Thonschiefergebirge scheint dieser, auch
anderwärts Lehm- und Mergelboden liebenden Ackerpflanze recht
wohl zu behagen. In der nördl. Schweiz, Vorarlberg und Südbayern
zerstreut; im Innthal — sowie in ganz Nord- und Central - Tirol
und Kärnthen noch nicht gefunden; im Etschthal erst bei Bozen
und Trient angegehen. Ein grösserer Kieselgehalt des Bodens scheint
ihr (bei uns) eher schädlich, eine gewisse thonig-kalkige Mischung
desselben unentbehrlich.
114. 8. saxifrasa L. Im obern Veltlin (Mor!):
bei Bormio (Hausm.). Stelvio ‚,‚ai roccamenti‘“ (J. Ryhner
von Schwyz, 10. Oct. 1851). Am Südabhang des Bernina :
in der bündner’schen Thalschaftı Poschiavo (Muret!) — wo
mehrere Kalklager auftreten.
Diese im südlichen Kalkgebirge verbreitete strenge Kalkpflanze
streift unser Geb. mit ihrer nördlichen (etwas nach NW geneigten)
Verbreitungsgrenze, die in einer geraden — der Axe des Alpen-
systems ziemlich parallelen — Linie an der südlichen Abdachung der
Centralalpen von Kärnthen her über Lienz (Ost-Tirol) und Bormıo
zum Simplon zieht.
115. S. quadrifida L. Unter - Engadin: im
Scarl-Thal (Muret! bei Mor. Pfl. Grb.); Münsterthal: am
Umbrail (Braulio: Comolli! Fl. com.). Ausserdem in Bünden
nirgends mit Bestimmtheit nachgewiesen; aber nahe der N
Grenze: an der Nordseite des Calanda, in den St. Galler-,
Glarner- u. Appenzeller-Alpen häufig.
Ebenfalls eine stetige Kalkpflanze, die, in den nördlichen und
südlichen Kalkalpen (Nebenzonen) sehr verbreitet, mit dem Kalkge-
birge hier an der Westgränze der Ost-Alpen - wie am Gross-
Glockner — in sporadischem Vorkommen mitten in das Central-
Alpengebiet hineinreicht.
116. S. rupestrisL. Tirolisch. Innthal: rechte
Thalseite von Rattenberg zum Oezthal, bis in die Alpenregion
verbreitet, u. in Paznaun (nach Hausm"). Unter - Engadin
linke Thalseite: vom Beginne der obern Thalstufe ob Schuls
96 Sileneae
4500’ — über Fettan, Val-Tasna, Guarda, Lavin bis Süss, Zernez
u. Brail (Brügg.).. Wormserjoch bei Franzenshöhe 6700’
mit weissen u. rosenrothen Blüthen (Gundlach !). Ober-
Engadin auf „,plutonischen Massen‘‘ bis über 6000” (Mor!)
Bevers vom Thal bis in die höhern Alpen (Krätt!); um Sa-
maden, St. Moritz, Silvaplana, in V. Fex, u. am Julier (Alpe
Julia) bei 6600° S von mir gesammelt (auf Hornblende,
Gneiss, Granit). In der Nachbarschaft : jenseits des ‚Maloja
im Bergell (Mor.); in Avers u. Ferrera 3800-—-6000° auf
Thonschief. u. Protogyn (z. B. bei Cresta) ; in Oberhalbstein,
Chloritschief. (bei Molins 4700) : in Bergün 4200‘, Verrucano
— u. anderwärts (auf kieselreicher Bodenart) in Bünden mir
häufig vorgekommen ; auf Davos (Mor!).
Erweist sich somit auch in. unserm Gebiete als ausgezeichnete, das
reine Kalkgebirg sorgfältig meidende Kieselpflanze, und Vertret-
terinn der vorigen im eigentlichen Urgebirge — ohne jedoch, so wenig
als vorige Kalkpflanzen von der Mittelzone, und so wenig als ein
Kieselboden — von den Nebenzonen des Alpensystems ganz ausge-
schlossen zu sein. So ist sie im Verrucano -Gebirge der nordöstl.
Schweiz zwischen Linth und Rhein 1450 — 6900’ noch ziemlich
häufig (Brügg.); selten auf Hornstein und Thonmergel in den bayri-
schen Alpen 4780- 6470° (Sendtn.); gemein auf Porphyr in Süd-
Tirol um Bozen, bis 7750‘ (Hausm., )
— Eine Hochalpenform von S. rupestris L., (S$. nivalis
m. herb.), habe ich im Ober-Engadin: in den Alpen über St.
Moritz 7 — 8000° auf Saluvergestein (Stud.), Mitte Aug. 1850
blüh. in wenigen Expl. gesammelt, Sie ist durch den dicht-
rasigen Wuchs , die sehr verkürzten sieifen xollhohen ein-
blüthigen Stengel, die kleinen härtlichen schmalen (finealen
od. lineallanzeitlichen) Blätter ,„ wovon nur 2—3 Paare am
Stengel stehen u. die untern stumpflich sind, u. die gefärbten
kleinern Kelche von der halben Länge der Blumenblätter: (bei
S. rupesiris..sind letztere nur um 1/, länger als der ’K.) —
von dem typus des Tieflandes hinlänglich ausgezeichnet; aber
noch weiter im Leben zu beobachten.
A
Sileneae 97
117. S. acaulis L. In den Alpen unsers Geb. von
5900° an aufwärts wohl sehr verbreitet. Am Wormserjoch
(Hausm!). Ober-Engadin: auf den Alpen grosse Steine über-
ziehend (Krätt!); auf dem Albula (auch weissbl.), den Julier-
u. St. Moritzer-Alpen, in V. Fex auf Kalk ete., u. herabge-
schwemmt auf Bach-Geschiebe bis 5600° u. tiefer (Brügg.).
Im nahen Mittelbünden: stellenweise in Avers (bis 5500’
NO herab auf Triften unterhalb Cresta), den Schamser-, Ober-
halbsteiner-, Alveneuer- , Churwalder-Alpen (so am Joch,
Brüggergerberg , Götzenberg , Stetz-Alp, schlaffere verlängerte
Gestalten auf den „‚Lärchenböden‘‘ u. im ‚‚Kohlhüttenwald‘*
mit der rauhhaarigen Alpenrose u. andern Bürgern höherer
Regionen in grossen Colomien an NO Gehängen bis 5000’
herunter, — u. auf dem Dreibündenberg „ 5500—7500°) ete.
gemein, selten auch weissblühend (am Joch u. in’s Buolen-
Alp). Desgl. in den nördl. Kalkalpen der Ost-Schweiz von
4—8000', Südbayerns 5350—7900° etc.
Von H. v. Mohl (verm. bot. Schrift, S. 425) wird diese Art unter
die bodenvaygen Pflanzen gestellt. Ich habe die eigentliche S. acaulis
der Alpenregion nie auf einem absolut kalkfreien reinen Kiesel-
boden — am häufigsten und schönsten immer auf kalkreicher Unter-
lage, im reinen Kalkgebirge beider Alpen-Zonen, angetroffen und
vermuthe daher, dass ihr ein Boden mit vorherrschenden Kalktheilen
Bedürfniss sei; — wo sie auf kieselreicher kalkfreier Unterlage an-
gegeben wird, mag man wohl die folgende (Kiesel- und Hochalpen-
form) dafür genommen haben,
118. S. exscapa All. Hez. Durch den dich-
teren verkürzten, mehr in den Boden zurückgedrängten, are-
tienartigen Rasenwuchs (mit kätzchenähnlichen Stämmchen),
die kürzeren kleineren steifern mehr an den Boden gedrückten
@übrigens wie bei voriger am ganzen Rande, nicht bloss an
der Basis, aber zerstreuter spärlicher feiner gewimperten)
Blätter, den sehr kurzen unter der (2—4mal längeren) Blume
bisweilen geflügelten Blüthenstiel, den kreiselförmigen (nach der
Basis verschmälerten, bisweilen fast keulenförmigen) Kelch, die
2mal kleinern etwas blässern (spätern) Blüthen u. die kür-
7
98 Silenede
zern (ovalen, den Kelch kaum überragenden) Kapseln — von
voriger leicht zu unterscheiden , deren Stelle sie auf Kiesel-
boden, besonders in der Schneeregion (der Central-Alpen ?)
7500. bis 9800‘ vertritt.
Auf den Alpen des Ober-Engadins: höher oben als vorige
(Krätt!); ich habe auf den Höhen um den Weissensee auf
dem Bernina bei 8000‘ (Gneiss) sehr schöne ausgeprägte Ge-
stalten (Ende Aug, 1850 blüh.) gesammelt, u, am Granitkegel
Piz-Hot hinter Samaden bis c. 9800’ SO hinauf verfolgt.
Auch in Mittelbünden: auf den Gräten der Rothhorngruppe
östl, über Churwalden (krystallin. Gebirgsart) ete.
Mit‘granitischem Geschiebe vom Bernina u. Julier in’s Thal
hinabgeführt — so im breiten Sändbeete des Flazbaches bis
an den Inn bei Celerina 5300’ mit Carex incurva u. andern
Kiesel- u. höhern Alpenpflanzen; so auf Geschiebe des Julier-
baches bei Silvaplana 5600’ wo sie Ende Aug. (1853) erst
zu blühen begann — erhielten sich ihre Charaktere bis auf
die etwas verlängerten Blätter und Stämmchen, wodurch ihr
Rasenwuchs etwas lockerer wurde.
Wenn man andere, keineswegs mehr ausgezeichnete Hochalpen-
od. Kieselformen : wie Hutchinsia brevicaulis, Draba Zahlbruckneri,
Gentiana brachyphylla, Saxifraga Rudolphiana, Erigeron uniflorus,
Cardamine alpina etc. mit eigenen Namen versieht und als besondere
„„Arten‘“ aufführt, — sehe ich nicht ein, warum und wie man bei
S, exscapa eine Ausnahme machen und sie als kaum erwähnens-
werthe Varietät (bei S. acaulis) unterschieben kann. Unser He-
getschweiler, der die Flora der Alpen aus eigener: lebendiger An-
schauung. kannte, ist sich hierin consequenter geblieben als andere
Floristen.
119. Lychnis alpina L. Alpirifien des Ober-
Engadins, in der Schneeregion zerstreut: Scanfser- u. Camo-
gasker-Thal (Coaz!); Val-Casanna u. in Lavirum am. kleinen
See (Krätt!); Levirone (Lavirum)-Pass „ Bündnerseite 7500
8500’ (Mor. hb. Brügg.); Liviner-Thal, Bernina, Julier (Mor!
Pfl. Grb.), Valetta-Pass (J. Lorez, Schlegel!) u. Alhbula
(Huber! bei Hall: hist. stirp, 922. — Papon!)
Sileneae 99
Jenseits der Wasserscheide im anstossenden Mittelbünden :
Stulser-Alpen in Bergün (Pfr. Andeer!), u. auf der Piz-Beverin-
Kelte. _ Diess sind die äussersten bekannten Standpunkte gegen
NW in der Ost-Schweiz. Höchste. Tiroler- Alpen (Hausm.).
an. der Gränze Graubündens (Koch syn!)
Mit Recht bemerkt schon Moritzi, diese Art sei nicht an den
Granit gebunden; ja ihre bekannten Vorkommensverhältnisse in
den Alpen führen sogar zur Vermuthung, es möchte ihr eher ein ge-
'wisser (vorherrschender ?) Kalkgehalt des Bodens nothwendig sein.
Alle angeführten Fundorte in unserm Geb. liegen entweder (grössten-
theils) in dem mehrfach genannten mächtigen Kalkgebirge von Mit-
telbünden zum Ortler u. involviren also, für eine nur an hohen Ge-
birgeskämmen wachsende Pflanze, schon einen möglichst kalkreichen
Boden: — oder fallen in die Gegenden der bedeutendern, namentlich
die Höhen des Granit- od. Schiefergebirgs einnehmenden zerstreuten
Kalkmassen des Ober-Engadins (so am Bernina, Julier, Valetta-Pass)
u. schliessen einen gänzlich kalkfreien Boden jedenfalls aus. Das
Gleiche gilt von sämmtlichen bisher angegebenen west-schweizerischen
(Walliser-) u. Tiroler Fundorten. Die N-Vegetationslinie des alpinen
Verbreitungsbezirks dieser auf den höchsten Gebirgsstöcken über die
Mittelzone des Alpen-Systems von Kärnthen nach Piemont zerstreuten
Pflanze, durchschneidet Central -Rhätien in ihrem fast geradlinigen
Verlaufe vom Grossglockner zur Gemmi (den Alpen nördlich über Leuk
im Wallis, am Westrande der Finsteraarhorn-Masse). Im Kalkgebirge
der südl. Nebenzone nicht nachgewiesen; sie scheint — obwohl kalk-
bräuchend — doch auf den Kalkboden der Centralalpen beschränkt, wie
Dianthus glacialis, mit dem sie zugleich die hohe Heimath (Schneeregion)
gemeinsam hat. Der Grund mag also wohl in der zu geringen Ele-
vation der Nebenzone liegen. -— Lychnis alpina lieferte zugleich aus
der Familie der Sileneen ein weiteres Beispiel von einer kalkbrau-
chenden Hochalpenpflanze, welche den Typus einer kieselbrauchen-
den Tieflandspflanze — hier L. Viscaria L. vertrilt,
Denn alle Merkmale, wodurch man sie von letzterer unterscheidet :
so der kurze glatte Stengel, der dichte kopfige Blüthenstand , die
besondere Färbung und Textur, selbst die undbekränzten 2-spaltigen
Biumenblätter — sind als natürliche Folgen des nivalen Standorts
anzusehen, als welche wir sie (ausser dem letztern Merkmal) bereits
kennen gelernt. Der klebrige Ring unter den obern Gelenken des
Stengels ist auch bei L. alpina durch eine verschiedene Textur ı.
ke
100 Sileneae
dünklere Färbung jener Stellen wenigstens angedeutet ; aber der ge-
ringere Säftereichthum, der concentrirtere Zustand derselben sowie
des ganzen Organismus — lassen es nicht zur Ausschwitzung jenes
klebrigen Stoffes kommen. Aehnlich erklärt sich die Verwandlung
der ungetheilten bekränzten Blumbl. vonL, Viscaria in die halb-2spal-
tigen unbekränzten bei L. alpina: aus dem bekannten für die Hoch-
alpenpflanzen geltenden, durch die Kürze ihrer Vegetationsperioden
gebotenen (hier durch den sterilern Kalkboden unterstützten?) Ge-
setze der allgemeinen Stoffverminderung , die sich vor allem auf
unwichtigere Theile u. mehr auf die Grösse u. Fülle als auf die Zahl
der Blumen erstreckt, damit dadurch ein anderes höchst wichtiges
Naturgesetz — das der, ohnehin in den Hochalpen so vielfach gefährdeten,
Fortpflanzung (der Art) — nicht beeinträchtiget, und um so mehr
die gehörige Ausbildung wichtigerer edlerer Theile (namentlich mög-
lichst zahlreicher Saamen) begünstiget werde. In Folge dieser Ge-
selze beschränkt L. Viscaria in ihrer höhern Heimath nicht bloss das
Maass ihrer, ganzen oberirdischen Leiblichkeit, selbst. des Blüthen-
schmuckes nach Möglichkeit — wie andere Hochalpenpflanzen auch —
sondern hut noch ein Uebriges, indem sie, sich des zierlichen aber
entbehrlichen Schuppenkranzes der Blumbl. beraubt (an dessen Stelle
nur ebensoviele Höckerchen an jedem Blumenbl. übrig bleiben) u.
die, im Typus wohl ursprünglich vorgezeichnete Trennung (wofür
die 10 Stgf. u. die 10 Schuppen des Kranzes , sowie die Analogie
bei den Gatlungsgenossen sprechen) der — in Folge üppiger Nah- |
rung u. grössern Säftereichthums zu je zwei völlig verwachsenen -—-
Blumenblätter wieder eintreten lässt. : Dadurch ist sie nun zu jener
Hochalpengestalt geworden , welche Vater Linnaeus ‚‚Lychnis al-
pina‘‘ getauft hat,
L. Viscaria L., von Passau 900° (auf Gneiss: Sendtn.) an be-
sonders im ganzen tirolischen Innthal (auf Thonschiefer u. Verru-
cano) bis Imst, im Etschland von Trient 600° bis Meran herauf
(namentlich auf Porphyr um Bozen, bis 4500° sich erhebend: Hausm,)
verbreitel, — dürfte wohl auch in unserm Geb. (Unter - Engadin u.
Münsterthal, dann in Poschiavo) noch zu finden sein. Oder es müss-
ten die Punkte Imst u. Meran den Verlauf einer von Südbayern her-
streichenden durch das transalpine Rhätien (Misox) nach dem untern
Wallis fortsetzenden NW Vegetationslinie andeuten; wirklich ist die
Pflanze im ganzen Rheingebiete der Schweiz u. Vorarlbergs (vom
Jura bis zum Inn) noch nicht nachgewiesen (aber jenseits des Rheins
angeblich in Schaffhausen). Auch diese Verhreitungsverhältnisse kön-
nen unsere oben ausgesprochene Ansicht über L. alpina nur bekräftigen,
Sileneae 101
120. L. Flos-cuculi L. Ober - Engadin 5200
bis 6000°: Sumpfwiesen bei Ponte (Brügg.), Auwiesen bei
Bevers (Krätt!), am Bernina (Brgg.). Mittelbünden: im Ober-
halbstein bei Rofna, Marmels u. Stalla auf Sumpfwiesen
4300—5500° (Brügg.); auf Davos sehr häufig 45005000‘
(Rösch!). WVintschgau: bei Graun 4600’ (Hutter!), Schlan-
ders 2260’ (Tappein !).
Alle diese Standorte liegen im Granit-, Gneiss-, Chlorit- od. Glim-
merschiefer-Gebirge, auf einem in jedem Falle kieselreichen Boden.
Im übrigen mittleren u. westl. Rhätien, auf dem Kalk - u. kalkhal-
tigen Thonschiefergebirge, noch nicht beobachtet, obwohl.es an
passenden Standörtlichkeiten keineswegs fehlt. Aber im nördlich-
sten, in's Kalkalpengebiet- der Nebenzone eingreifenden, Theile Bin-
dens tritt sie in den „Riedern“ (Wiesenmooren nach Sendtner) des
Rheinthales 1600-1800‘ wieder auf: bei Zizers (Mor!), Untervatz
(Professor C. Wolf) — was mit ihrem Vorkommen in 'der Nord-
Schweiz, Vorarlberg, Nordtirol u. Südbayern (von der Ebene bis
4000‘, in Wiesen- (Kalk-)mooren gemein, in Hoch- (Kiesel-)mooren
nur bei Eintritt der Cultur durch kalkführende Beschlämmung: Sendtn.)
im Zusammenhange steht. Bestehen also wohl wesentliche Unter-
schiede zwisch. der auf Kalkboden der Nebenzone im Tieflande — u.
der auf Kieselboden der Central-Alpen vorkommenden Pflanze?! od.
ist L. flos-cuculi bodenvag?? —
121. L. Flos-Jovis Lam. In den rhätischen
Alpen (schon Conrad Gesner! u. J. Bauhin! a. 1561 — 65).
Unter-Engadin (Pol! vor 70 Jahren): an dem sonnigen stei-
nigen Bergabhang von Ardex nach Guarda mit dem Horn-
blendegestein der Selvrettamasse, so beim Weiler Boschia, so-
gleich zahlreich auftretend 4800 — 5140° SO (Brügg.), gegen-
über Guarda (Papon), beiLavin 4400’ an Wegen (Heer! Coaz!),
Zernez u. Brail (J. Lorez). Ober-Engadin: an einer Stelle
über Bevers 5300‘ (Mor. Pfl. Grb!), Beverserthal links im
Walde (Krätt.). Viöntschgau: bei Taufers, Mals u. am Wege
nach Schlinig, Suldenerthal etc. (Hausm. Fl. Tir. 130).
Eine sonst auf der Südabdachung des Alpensystems westl. von der
Eisch verbreitete Art, die in unserm Geb. bei Guarda ihren äusser-
sten Punkt gegen NO erreicht, nachdem sie von Fouly her über
Zermatt u. Locarno mit einer NW Vegetationslinie bei Bevers in’s
102 Sileneae
Innthal eingetreten. Hält sich bei uns streng. an ‚die krystallinische
Gebirgs- u. kieselreiche Bodenart, in der Höhe von 4—6000'.
122 L. vespertina Sibth. Unter - Engadin:
Wiesen bei Schuls (Krätt!), von Schuls nach Fettan am Wege
3700 — 4500° SO, u. bis Zernez 4550’ hinauf. (Brügg.).
Mittelbünden : am Bergünerstein c. 4000° SW, bei Bellaluna;
in Belfort, Domleschg, Rheinthal von Bonaduz bis Chur
(Zizers, Mastrils, Ragatz etc.) häufig an Hecken, Gebüsch,
Wegen; in der Bergregion (2500—4000’) viel seltener (Brgg.).
Vintschgau: bei Rabland nächst Meran (Tappein!). Auch bei
uns, wie nach Hausm. um "Bozen und Kitzbüchl, nur mit
weissen Bl. beobachtet. Bleibt in Südbayern nach Sendtn.
schon bei 2450’ zurück.
123. L. diurna Sibth. «.,Pfändmayen‘‘ in
Churwalden). «Oberinnthal bei Imst u. Ladis (Hausm.). In
Bergwiesen des Engadins (so noch im Aug. blüh. um Sils
St. Moritz, Samaden, Zuz ete.) u. Mittelbündens (Oberhalb-
stein, Belfort, Churwalden, Schams etc.) gemein, bis zur Wald-
grenze ansteigend u. oft weite Strecken in’s schönste Roth
kleidend. In der Ebene u. Hügelregion (Chur, Araschga,
Domleschg, Thusis) immer nur an besahatteten oder feuchten
Stellen, in Baumgärten, Gebüschen, ‘an. Waldrändern ; Quel-
len etc, ‘In den höhern Regionen, wo ihre Blumen in feuri-
germ Roih erglühen, wird ihr der feuchte Boden durch das
gleichmässig. feuchte Klima ersetzt (in. Form, von. Thau, Ne-
bel, Regen etc.), u. sie kann nun daselbst auf einem ‚an u.
für sich ganz trockenen Boden gedeihen.
Durch ganz Vintschgau von Meran, Schlanders bis Graun
4600’ (Hausm.).
Es muss bemerkt werden, dass ich die ganze Inflorescenz dieser
Pflanze bei uns — sowohl in der Tiefe als in den Berg- u. Alpenthälern
— fast immer nicht bloss von gegliederten Haaren zottig sondern auch
zugleich von zahlreichen kürzern u. längern Drüsenhaaren klebriy
finde (var, glandulosa m.) — ein Merkmal, das Koch nur der L,
vespertina zuschreibt u. das daher zur Unterscheidung beider Formen
nicht zu gebrauchen ist (um so weniger, da L. vesperlina im Nor-
Alsıneae 103
den? auch drüsenlos vorzukommen scheint nach der Diagnose bei
Rchb, exe. p. 825). Man.halte sich an die Kennzeichen der Kapsel,
des Standorts, der Blülhezeit (die für L. diurna in der Ebene u. Hügel-
region schon im April — für L. vespertina nicht vor Juni beginnt).
der vorherrschenden Blüthenfarbe, des Wachens und Schlafens etc,
124. Agrostemma Githago L. Oberinnthal
bei Imst (Hausm.); Unter-Engadin, meist unter der Roggen-
saat: z.B. um Schuls, Sins an 4500° ; selbst noch im Ober-En-
gadin: in Gerstenfeldern ob Samaden (Plazzett) 5500 S u. ob
Celerina (in Prosignum) bei 5600 SW vereinzelte kleine ein-
blüthige Exempl. Mitte Septemb. noch blüh. (Brügg.) In den
tiefern Regionen Bündens gemein (Sal-M!): so bei der obern
Zollbruck, Chur, Malix in Churwalden etc. von mir bemerkt, —
(Im Algäu bis 3515’ im Gerstenfeld (Sendtner); in Südtirol
bei Bozen (selten im Thale) gemein auf dem Gebirge z. B.
um Klobenstein 3712‘ (Hausm.).
Ordo XU. Alsineae DC,
125. Sagina procumbens L. Unter-Engadin:
Sirassenbord bei Brail 5090’ Hornblendegestein. Ober-Engadin :
Sumpfige Innufer (Viergias, Suotsass) bei Samaden 5280’, auf
Wiesenplätzen bei St. Moritz 5460-—-5750° SO, glimmeriger
Thon- u. Sandboden ; um Silvaplana häufig, 5550-5800: in
moorigen Wiesen (auf Granit) über dem Dorfe gegen den Julier u.
an thonigen Grabenrändern gegen die See-Enge — an beiden
Stellen mit S. saxatilis Wimm. vermischt wachsend, dann
auf Moorboden (Kieselmoor, auf Gneiss) bei Surley 5570‘ u.
anf granitischem Sand an der Strasse nach Sils (Brügg.).
Mittelbünden : Lenzerhaide am grossen See 4600’ (Mor !),
daselbst Nordufer auf glimmerreichem Sandboden; thonige
Wegränder u. feuchte Triften in Churwalden (Thonschief.)
nicht selten 3750—4500’ (Brgg.); bei Thusis (Mor!), das.
thonige Brachäcker (auf glimmerreichem Thonschief.) um Tag-
stein 2800’. (Im westl. Rhätien: St. Peterthal von Vals nach
104 Alsineae
Zarfreila am Rothenberg 4000 — 5500° Thonboden , Gneiss:
Brgg.). Nach Dr. Tappeiner in ganz Vintschyau gemein,
auch auf Alpen z. B. bei Laas überall mit S. bryoides Fr,
Man ersieht aus diesen Daten, dass S. procumb. (nach Schnitzl. u.
Frickh. ‚‚Kiesgldeuter‘“) auch bei uns an keinen besondern physi-
kalischen — wohl aber an einen bestimmten chemischen Zustand
des Bodens, an einen vorherrschenden Kieselgehalt desselben gebun-
den — also strenge Kieselpflanze ist, — gleichgültig, ob ihr dieser
Kieselgehalt durch einen reinen od. lehmigen Sand-, einen sandigen.
lehmigen od. mergelisen Thon-, od. durch einen auf Kieselboden
ruhenden Humus- (Moder-, Torf-)Boden geboten wird. Daraus er-
klärt sich ihr häufiges und hohes Vorkommen -in unsern Central-
Alpen, dagegen ihr Fehlen nicht nur im Kalkgebirge unsers Geb.,
sondern in der ganzen Thalebene des Rheins im nördl.'Bünden (z. B.
bei Chur), sowie ihr tieferes selteneres Vorkommen im Geb. der
nördl. Kalkalpen (in Südbayern nur bis 3656‘, auf Wiesen- (Kalk-)
mooren nur bei kieselführenden Beschlämmung beobachtet: Sendiner).
In St. Gallen 2080° sah ich sie selbst mit dem trockensten Strassen-
pflaster sich begnügen — nur um des Kieselgehalts willen.
— 8, hryoides Fröl. Vintschgau: überall mit
Voriger z. B. bei Laas, Meran (Tapp!); um Bozen dessgl.,
bis in die Alpen nach B. v. Hausm., der sie für Varietät
der Vorigen ansieht, da man oft an einem Expl. ganz kahle
und schwach gezähnelte, fein gewimperte Blätter finde. Ein-
mal fand ich bei Silvaplana i. Ober-Engadin unter S, pro-
cumbens eine Pflanze mit einzelnen schwachgezähnelten Blät-
tern, nach der ich später vergebens wieder suchte.
Sonst beobachtete ich S. bryoides im Thonschiefergeb. Mittel-
bündens (b. Thusis), u. besonders vielfach im Flyschgeb. des Kalkal-
penzuges zwisch. Lechu. Thur (Gross-Walserthal, Gamser-u. Grabser-
berge) bei 2—-4500° gewöhnlich an ausgehauenen Waldplätzen (an Stellen,
wo Holzhaufen lange gelegen) u. zwar ohne S. procumbens. Die un-
tern grössern Blätter waren an dem sehr schmal-durchsichtigen Rande
(unter der Loupe besehen) stets deutlich fein-gezähnelt-yewimpert,
die den Blüthen zunächststehenden kleinern jüngern aber öfters nur
mehr od. weniger rauh od. nur an der Basis gewimpert; die Biu-
menbl. eiförmig od. rundlich-eiförmig, spitz od. spitzlich, mehrmals
kürzer als der Kelch; Wuchs wie bei $. procumbens — mit der sie
Alsineae 105
auch die Bodenbedürfnisse zu theilen scheint; (a. 1854 noch ‚Anf.
Sept. blüh.).
126. 8. saxatilis Wimm. Wormserjochstrasse
(Funk!). Ober-Engadin: auf dem Wege von Celerina zum
Rosetsch-Thal (sandiger Thonboden) 5400—5600’ ; um Silva-
plana und Surlei gemein, auf granit. Sand, Lehm oder Torf
5550—6000° (Brügg.). Benachbartes Mittelbünden auf Thon-
schiefer sehr verbreitet: in Avers (z. B. bei der Kirche von
Cresta 6100, bei Campsut 5200), Churwalden von 3750‘ N
bis in die oberen Alpen, Voralpen bei Thusis bis 3500‘ N
herab, (dann am Splügen 6— 7000’, Lugnezer-Alpen, Panixer-
Pass etc.) ; in Belfort bis 3000° herabgeschwemmt: auf glım-
merreichem Sandboden in den Albulaauen beim Alveneuer-
Bad (Brgg.).
Stimmt in den Bodenbedürfnissen mit unserer S. procumbens überein.
Meine Exempl. aus Graubünden haben meistentheils Kapseln von der
doppelten Länge des Kelchs — wie sie auch Haller hist. stirp. seiner Nro.
862, u. Gaud. u. Hegetschw. ihrer Spergula saginoides L. zuschreiben
— und scheinen somit die Form /3. macrocarpa v. Hausm. (Sper-
gella macroc. Rchb. ic. — welche dieser selbst auch „auf dem
Bernhardin“ angibt) darzustellen. die auch im südl. u. östl. Tirol
beobachtet wurde.
12%. Spergula arvensis L. Ober-Engadin:
Aecker bei Bevers 5300° (Krätt. mss.); sehr häufig in Ger-
stenfeldern ob „‚Isla-glischa‘‘ zwisch. da u. Samaden ce. 5500’
SO, seltener um St. Peter (unter ..Crapp-sassellas‘‘) bis an
5700° SW (Brügg.). Im benachbarten Prätigau: häufig in
Aeckern bei Klosters 3700° (Dr. Killias!). Moritzi u. ich
fanden sie auch in subalpinen Gegenden des westl. Rhätiens ;
dagegen hat man dieses Ackerunkraut bei uns merkwürdiger-
weise in den tiefern Gegenden (z. B. um Chur, in der
Rheinebene) noch nirgends beobachtet — während sie anderswo
eine Bewohnerinn des Tieflands ist, u. z. B. in Südbayern nach
Sendtner kaum über 3300’ (bei südl. Exposition im Algäu
bis 3669‘), in der nordöstl. Schweiz (so im Schilzthal. hinter
106 Alsineae
Flums, südl. vom Wallensee, gegen die Alpe Maschalon, auf
Verrucano!) bis eiwa 3700° SO ansteigt.
Ihr höheres Vorkommen in Bünden erklärt sichz.Thl. einfach schon aus
dem bekannten höhern Ansteigen. fast sämmtlicher: wildwachsenden u.
angebauten Gewächse in diesem Geb., namentlich der Cerealien, deren
Cultur im Engadin ‚erst etwa 4— 600° höher alsBevers u. Samaden ganz
aufhört. Sie geht auch in Südtirol am Ritten (Porphyr) noch gegen Ke-
maten 4500” hinauf nach v. Hausm. Ein anderer Grund aber liegt beidiesen,
wie bei andern kalkfeindlichen Kieselpflanzen unsers Geb. —z. B. den
Drosera-Arten — in ihren Bodenbedürfnissen, die zugleich als
Hindernisse ihres Vorkommens im rhätischen Tieflande (wenigstens
der nördl. Abdachung) u. einem, grossen Theile des mittleren Ge-
birgslandes (dem Kalk- u, grauen Schiefergeb.) anzusehen sind.
Spergula arvensis braucht nämlich , nach den Beobachtungen von
Schnitzlein u. Frickhinger, Bogenhard, Sendiner, einen kieselreichen
möglichst kalkarmen Boden, u. scheint selbst einen noch weniger grossen
Kalkgehalt desselben vertragen zu können als Sagina procumbens.
Diese Bedingungen erfüllt aber nur. der granit. Sand-, Lehm- od.
Thonboden der in den kristallinisch. Centralmassen od. in dem an-
sränzenden (glimmerreichen) Thon- u. Chloritschiefergeb, gelegenen
Hochthäler, — nicht aber der Kalk- u. Mergelboden der übrigen
gelreidebauenden Gegenden des miltl. u. nördl. Bündens.
128. Lepizonum rubrum Wahlb. Ober-
Engadin selten, 5400—5600°: auf granit. Sand- u. Lebm-
boden von Celerina zum Rosetsch-Thal, auch auf alten Feld-
mauern bei Pontresina (Brügg.). An der Südseite des Ber-
nina-Passes (in Poschiavo): J. Lorez. Mittelbünden sehr
selten: auf der Lenzerhaide c. 4600’ wurden von Dr. E. Kil-
lias in Chur wenige Expl. gefunden.
Fehlt sonst im tiefern mittleren u. im nördl. Bünden,. sowie im
ganzen Molasse- u. Kalkalpengeb. der Ost-Schweiz, Vorarlbergs,
Südbayerns,. Nordtirols; aber im Centralalpengeb. von Tirol, Salz-
burg u. Kärnthen, sowie der Schweiz u. Savoyen’s zerstreut. Diese
Verhältnisse erklären sich ebenfalls aus den Bodenbedürfnissen, worin
diese Art mit Voriger ziemlich übereinstimmt, indem sie wie die-
selbe Kieselpflanze ist, übrigens aber sowohl auf Torf, dessen
ihonige Unterlage kalkfrei (bei Wasserburg am Inn 1500:
Sendtner), als auf thoniger, lehmiger od. sandiger — stets kalk-
freier kieseliger Bodenart beobachtet wurde, zum Beweise: dass diese
Alsınede 107
Kieselpflanzen nicht den Sand- od. Thonboden als solehen — sondern
nur die chem. Bestandtheile desselben brauchen, werden sie ihnen in
dieser oder jener Form geboten. Eine augenscheinliche thatsächliche
Widerlegung der einseitigen physikalischen Bodentheorien, welche der
chemischen Zusammensetzung des Untergrundes jeden direkten Ein-
fluss auf die Verbreitung der verschiedenen Pflanzenarten absprechen
— dagegen dem mechanischen Einflusse desselben die Hauptrolle in
den -Verbreitungsverhältnissen einräumen wollen.
129. Alsine lanceolata M. u. K. (Facchi-
nia lanceolata Rehb. D. Fl.) Berge zwisch. Bünden u. Veltlin
(Heg!). Im südöstlichen Kalkgebirge unsers Florengeb., an
den Grenzen Graubündens, sehr selten: Vintschgau in Schlinig
„ober der Wand‘ (Tappein !); in den Wiesen (,,prati‘‘) von
Livigno (Massara!); Ober-Engadin: an Kalkfelsen auf dem
Levirone (Lavirum) unweit des Uebergangspunktes (8700‘)
nach Val-Livigno (Mor. 'hb. u. Pfl. Grb!) — die. var. . con-
densata Koch. (Aren. cherlerioides Vill.); im Scanfser-Thal
(Val-Müschems), nahe unter der Waldgränze auf Kalkboden
(Krätt. mss.) — die var. a. lara Koch. — #
Eine auf der Südabdachung der Alpen von Krain, durch Südtirol,
die Lombardei nach Piemont verbreitete. alpine Kalkpflanze,.die
von Süden her mit dem, für den Pflanzengeographen nicht weniger
als für den Geologen so interessanten, Kalkgebirge von Hochvintsch-
gau (u. Südtirol) durch Oberveltlin über Casanna im Ober-Engadin
bis an den Inn vordringt, der hier (wie der Standort von V. Mü-
schäms — im Norden der. Wasserscheide von Casanna — beweist)
ihre, vom Grossglockner ‚über Sterzing durch unser Geb. nach dem
Südfusse des St, .Bernhard (Aosta-Thal) ‚fast: geradlinig u. parallel
mit der Hauptaxe des Alpensysiems verlaufende NW Vegetations-
Linie bezeichnet.
130. A. biflora Wahlenb. Koch! (Arenaria
sphagnoides Mor. Fl. d. S. = Stellaria biflora L. nach DC.
Herb. Mor. Pfl. Grb ! = Sabulina biflora Rehb. nach Mor. |. c.).
Wormserjoch: bei der 4ten Station, wo man nach Umbrail
u. Münsterthal ablenkt — .c. 7760’ (Mor. hb. u, Pfl..Grh.).
Ober-Engadin: ebenfalls auf. dem. Levirone aber auf Rasen
unweit des Uebergangs — 8700‘ (Mor. Pfl. Grb !), auf dem
108 Alsineae
%
Levirone (Lavirum) auch von Prof. Heer beobachtet; Piz-Pa-
della (8800°) ob Samaden (Rehsteiner!). Angeblich am Cam-
brena-Gletscher auf Bernina (wo auch Papaver pyrenaicum u.
andere kalkbrauchende Pflanzen vorkommen u. mich schon
früher auf verborgene Urkalklager schliessen liessen, als Fort-
setzung der Kalkmassen von Val-del-Fain);, u.. auf dem Kalk-
gebirge des Unter-Engadins um Tarasp — aber noch weiter
zu bestätigen. Mittelbünden : auf. dem. ‚Strela-Pass : 7330°
(Kalk) — zwisch. Davos u. Schalfick —: (Mor! Fl. d.
Ss. 115).
Wenn diese unsere streng an das Kalkgebirge (der Mittelzone)
gebundene Hochalpenpflanze wirklich mit der hochnordischen Art —
deren Namen sie führt — identisch ist: so überspringt sie nicht nur
ganz Deutschland. sondern merkwürdigerweise das ganze nördl.
Kalkalpengebiet, um (von Norden her) am Strela zuerst das Central-
Alpengeb. zu betretten u. mit unserm’ Florenbezirk ihre S Verbrei-
tungsgrenze zu erreichen, die vom Piz-Padella (od. Bernina) einer-
seits über’s Wormserjoch nach Gröden in Südtirol, andererseits nach
den Algen von Bex u. Fouly — geradlinig verläuft. In den Alpen scheint
sie bei uns ihr Verbreitungscentrum zu haben, da in Tirol ein ein-
ziger — in den westl. Alpen nur zwei Standorte genannt werden.
131. A. laricifolia Wahlenh. Ober-Enya-
din: am Silser-See (ad lac. Siliensem): schon Haller !, bei Sils
(Mor!), an den sonnigen steinigen mehr od. weniger begrasten
Abhängen über der Strasse (Su. SO 5550—5900’ , Granit-
boden) von Silvaplana bis Sils (Baselgia) u. gegen Maloja
hin, ziemlich häufig (Brügg. Aug. 1850—55.). Poschiavo:
von Brusio (2400,) bis hoch über Cavaglia (4400°) am Süd-
abhange des Bernina (Dr. Brandis aus Bonn). Oberveltlin:
2 Std. unterhalb Worms (Mor!). Wormserjoch u. Vintsch-
gau: am Matscherberg bei Mals, am Godria bei Laas eic.
(nach Hausm.).
Eine von den Karpathen her durch die Centralalpen. (durch Steyer-
mark, Tirol, die Lombardei. Schweiz) nach Piemont verbreitete
Kieselpflanze, die mit einer — durch den Stromlauf des Inns an-
gedeuteten — NW Vegetationslinie (vom Oetzthal durch Matsch
u. am Südfusse der Grävesalvas-Gruppe vorbei nach Misocco) durch
Alsineae 109
unser Geb. streicht, dann aber nordwärls dem-Tieino zum Gotthard
folgt, u. durch Wallis.nach Westen fortsetzt. — Die Ober-Engadi-
ner. Pfl. stellt: die Sabulina striata Rehb. exe. vor u. ist oberwärts
drüsenlos hehaart, Die drüsig-behaarte breitblumige Alsine Liniflora
Heg., (Aren. linifl. L. nach Gaud. Bertol. Sabulina laricifolia. Rehb.),
die wir nicht haben, scheint die Kalkform u. Vertretterin der
vorigen im westl. Jura u. den südl. Kalkalpen (von Piemont nach
Kroatien), sie ist z. B. in Südtirol u. der Lombardei verbreitet.
132. A. verna Bartl. Keh! Unter- u. Ober-
Enyadin vom Thale bis in die höchsten Alpen auf Kalk,
Granit, Gneiss etc. häufig: um St. Moritz, Silvaplana, Sils u.
Grävesalvas 55006000’, am Albula, Lavirum, Julier, Ber-
nina, Roseg-Thal, in den St. Moritzer- u. Zuzer-Alpen 6—
8600’ ‚(Brügg.), Bernina-Heuthal über 8000‘ (Nägeli). Be-
nachbartes Mittelbünden in Avers, Oberhalbstein von 8200°
bis Stalla. 5500’, Bergün u. Belfort (bei Alveneu auf freien
Anhöhen bis 4200° herab , Kalk), Alpen von Churwalden
gemein 5— 8000 (Brgg.). Oberveltlin: beim Wormserbad
c. 4200' Kalk — als „A. recurva‘‘ in Pfl. Grb. 46 —
(Mor. hb.). WVäntschgau: Sulden u. Laaserthal (Hausm.).
Nach diesen Daten u. nach ihrem Vorkommen. auf den verschie-
densten 'Gesteinsarten auch in den Nachbarfloren — würde sich A.
verna als „bodenvag“ qualificiren. Es mögen aber diese u. überhaupt
die meisten ‚sog.bodenyagen Alpenpflanzen — wohl nur in unsern
Büchern als solche existiren, wegen noch mangelhafter Erforschung
uw. Kenntniss ihrer‘ verschiedenen Formen u. Bodenbedürfnisse in
ihrer :nothwendigen Wechselbeziehung zu einander u. zu den, bisher
nicht gehörig gewürdigten, Verbreitungsverhältnissen. Wirklich
zeigt schon: in unserm kleinen Florengebiete der Formencomplex vom
Typus der A. verna (Race der Alsine verna Heg. , wozu vielleicht
auch A. recurva Wahl. gehört?) eine solche Mannigfaltigkeit je nach
Elevation u. Bodenbeschaffenheit des Standorts, wie wohl wenige
andere Alpenpflanzen. Unter den von mir in ‘unserm Geb. bisher
genauer ‚beobachteten Formen lassen sich etwa folgende, als. unter
dem ‚Einflusse von Klima u. Boden stehende subspecies (..Arten“ —
wenn man will) hervorheben.
a) Als. whaetiena Brügg. (A. verna - alpestris m. herb.;
A. Villarsii Heg. ex parte? non M. et Kochz an huc. „Aren. Vil-
110 Alsineae
larsii“ Gaud. fl. helv.'quoad loc. rhaet. „in monte Casanna Raetigo-
viae*: Ar. austriaca Rösch? —). Tota plus'minus glanduloso-pilosa
(praeeipue inflorescentia):; caespitibus laxis Procumbentibus, turionibus
adscendentibus, caulibus erectiuseulis rigidulis gracilibus subramosis (3)
- 5 - multiflorisque elongatis; foliis glabriusculis subeiliatis Iineari-
bus obtusiusculis vel acutiuseulis 3-nerviis, in axillis saepe tentiori-
bus fascieulatis, caulinis lanceolato-linearibus vel lanceolatis, superne
decrescentibus, patulis I. recurvis, internodio multo brevioribus;
bracteis ovatis ‚sepalisque ‚margine> late membranaeeis;' floribus Ion-
gissime-strietoque pedunculatis cymoso-subpaniculatis; sepalis avoto-
lanceolatis acutiusculis, nervis Jateralibus curvatis; petalis brevissime
unguiculatis ovalibus (basi subattenuatis) — capsuläque ovalä ]. ovato-
oblongä calycem (vix tertia parte) excedentibus.
Ober-Engadin 5600 — 7000° auf Granit u. Gneiss: am Bernina
hinter Pontresina u. im "Roses - Thal (gegen Ende Aug. 1850 mit
Blüthen u. Früchten), zwisch. Sils u. Silvaplana mit A. larieifolia, 'w.
am P, Griotschuols über Zuz. In Bergün: bei Latsch u. Stuls, auf
dem bunten Sandstein und Glimmergestein von V: Tisch' u. Luors bis
4250° NW herab; Oberhalbstein auf grünem Schiefer 4800 —
6C90°: zwisch. Molins u. Stalla; ferner in Mittelbünden auf Glimmer-
schiefer u. Gneiss der Rothhorngruppe bei 6—-7000°W : in Churwal- _
den am östl. Grat (beim. „Runden - Tschuggen“) ete. — von mir
(Mitte Sept. 1849 noch blüh.) gesammelt.
Noch nie auf Kalk od. Kalkboden' beobachtet; sie scheint strenge
Kieselpflanze u. Vertretterin des Typus in’ der untern u. mittlern
Alpenregion (bis zur od. etwas über die Waldgränze) auf krystallin.
Gebirgsart (Kieselboden). Durch den lockeren Rasenbau der A.
austriaca M. et K., die Inforescenz' u. Behaarung von A. Villarsii
M. K. (in ihrem allgem. Habitus, abgesehen von der Behaarung,
hat sie auch ziemlich viel Aehnlichkeit ‚mit A. 'striela) , aber die viel
kleinern Blüthen der A. verna u. recurva auf den’ verlängerten I(6—
10°) Stengeln u. durch die oben angegebenen Merkmale hinlänglich
ausgezeichnet, um‘ einer 'weitern' Beobachtung empfohlen werden
zu dürfen.
b) A. Gerardi Wahlenb, carp. (Sabulina — Rchb, exe.,
A. caespitosa Hey., A. verna f3. alpina Koch; an haec '„Aren,
caespitosa s. saxatilis** Pol et Rösch in „Alpina“ I. 116%). Oder-
Engadin in den Alpen bei 6—-7500° auf Kalk: so am Albula, Ber-
nina, \in den Alpen über St, Moritz, Grävesalvas ele, Mittelbünden
auf kalkreicher Gesteinsart im gleicher Höhe: in: Avers. Oberhalb-
Alsineae 111
stein,, Churwalden (Joch-Alp, Augstberg, Götzenberg, Dreibünden-
berg) etc. in mancherlei Abänderungen. Dann habe ich sie aus West-
Rhätien: vom Lukmanier‘, u. Panixer-Pass (auf kalkiger Unterlage
6—7000°) 5 sie ist ferner durch die Kalkalpen der nordöstl. Schweiz
bis ‚Appenzell verbreitet, dann durch Vorarlberg, Südbayern, Nord-
tirol. u. 5, w. , Sie scheint. die — im, Gegensatz zu voriger — an den
Kalk gebundene; mittlere (grossblumige etc.) Alpenform des Typus.
ec) A. subnivalis Heg. (Fl. d. S. 422). Hieher gehört die
Pf, aus dem Bernina-Heuthal bei 8500° von Nägeli (in Mor. hb.);
ich habe sie in: den Alpen über St. Moritz um 8000‘, dann auf
der Höhe. des, Passes ‚(Giuils u. Valetta) zwisch. Avers u. Stalla
bei 8100‘, . auf dem .höchsten Kamme des Dreibündenberges (der
„Grossfluh“) westl. über Churwalden mit Cherleria sedoid. bei
7500-7940‘, u. am Walserjoch (westl. Bünden) 7700’ gesammelt.
Sie wächst also auf grünem, grauem, u. glimmerigem Thonschiefer:
auf einem. kieselhaltigen’ jedenfalls kalkärmern Boden als vorige,
für deren Hochalpenform sie schon Heg. erklärte. Hiedurch, so-
wie. durch. ihren ‚ganzen Habitus, worin sich' namentlich die Expl.
vom Bernina u. Valserberg; schon ziemlich ‚der ‘A. recurva Wahl.
nähern, deutet sie den Uebergang (von A. Gerardi) zu, leizterer,
wohl, auch von Klima,u. Boden abhängigen Form an. — (Man ver-
gleiche diese Reihe mit analogen aus den Gattungen Viola, Polygala.
Dianthus, Cerastium, Arenaria etc.)
133. A. reeurva Wahlenh. Ober-Engadin:
auf dem Bernina (Mor !), das. auf trockenen felsigen Alp-
wriften (mit glimmeriger Krumme u. häufigen Feldspattheilchen
— aber ohne Spuren von Kalk — wie, meine grossen dichten
Rasen-Expl. von daher: beweisen) in sehr: ausgeprägter Ge-
stalt häufig nördl. u, östl. vom Weissensee (Leg-alv) bei 7—8000’
(Ende Aug. 1850. blüh.: Brügg.); im Hintergrund des Camo-
gasker-Thales (,,‚Prünas‘‘ — die Alp nach Studer 7080‘, im
Gneiss- u. Granitgebirge) von Krättli, u. in V. Lavirum am
Piz-Casanella S500—9000° SW (sand. Lehmboden auf Glim-
mergestein) häufig von mir gefunden, Münsterthal: auf dem
Fräla (Haller!) ; am Wormserjoch u. im Vintschgau (Hausm!).
Scheint wie unsere A.'rhaetica, u. A. laricifolia für deren Hoch-
Atpenlorm mau A. recurva ansehen kann — einen kiesel- (kali-?)
reichen kalkfreien Boden zu brauchen „dem sie (bei ihrem hohen
112 Alsineae
u. felsigen Standort) wohl nur in ‘den Centralalpen finden dürfte.
In der That hat man sie in den nördl. Kalkalpen der Schweiz
(wenigstens östlich von der Reuss) u. Bayerns noch nicht gefunden;
u. die meisten Angaben aus dem übrigen reinen Kalkalpengeb. dürften
auf Verwechslung mit den nahe verwandten A. subnivalis Heg..
sedoides F. od. A. Gerardi beruhen, von denen sie bloss durch
die von Koch angegebenen Merkmale kaum zu unterscheiden (denn
auch diese u. andere Formen der A. verna haben, wie Hegetschw.
richtig bemerkt, bisweilen Blumen- u. Kelchbl. — welch’ letztere
man übrigens sehr selten 7-nervig findet — wie A. recurva): — wohl
aber durch den eigenthümlichen Habitus, den dichten festen Rasen-
bau mit den schwarzen Wurzelästen u. Blattresten, die auffallend ge-
krümmten fast büschelig gestellten u. einerseitswendigen „ härtlichen
Blätter der Schosse, die drüsig-behaarten Stengel u. Blüthenstiele,
Colorit, Textur etc. leicht wieder zu erkennen, wenn einmal im
Leben gesehen. Die Blumenbl. fand ich’ an der lebenden Pflanze:
länglich-eiförmig od. eiförm.,. an der abgerundeten od. bisweilen
fast etwas herzförm, Basis in einen sehr kurzen Nagel zusammenge-
zogen, u. stets elwas (/),—"/) länger als der Kelch. —
134. A. rostrata Koch. Unter- Engadin auf
Hornblendegestein: auf herabgestürzten Blöcken über Ardez
an der Strasse nach Guarda, u. bei Lavin stellenweise in
Menge 4400-—5100° (Brügg.); am Wege von Lavin nach
Guarda an Felsblöcken (Krätt!). Oberveltlin: bei den Bädern
von Bormio — c. 4400° — (Hausm!). Vintschyau: am Godria
bei Laas (Tappein!). —
Ohne Zweifel gehört hieher die ‚‚Aren. fasciculata ‚“* welche
Mor. (Fl. d. S. 114.) „bei Steinsberg (Ardez) im Unter-Engadin*
u. „beim Wormserbad* angibt. Denn Aren. fasciculata Jacq. - Als.
Jaequinii Koch. ist eine kalkliebende Pflanze des Tieflandes, u. Als.
rostrata wohl deren kieselbrauchende Alpenform, die sich nur
durch die rasenbildende ausdauernde Wurzel, kürzere ansteigende
halb-strauchartige bisweilen röthliche Stengel, grössereKahlheit, längere
Blumen- u. etwas breitere Kelchblättchen (letztere oft etwas länger
als die Blumenbl.) auszeichnet, was alles bekannte Folgen des höhern
Standorts sind. Wirklich stellt Mor. seine Pfl. unter die peren-
nirenden, nennt ihre Kelchbl. lanzett, den Stengel 2-6” hoch etc.,
was Alles für Als. rostrata K. spricht. Diese, eine Pflanze der
Hornblende-, Serpentin- u. grünen Schiefer -Gesteine, erreicht —
I
Alsineae 113
nachdem sie mit einer NW Vegetationslinie von Piemont her durch
das südl. Wallis in’s Innthal unsers Gebiets eingetreten — an
den sonnigen S u. SO Gehängen bei @uarda ihren nördlichsten
Punkt; setzt dann in südöstl. Richtung nach dem Vintschgau fort,
wo sie bei Laas ihre O Grenze zu finden scheint.
— A. Jaequinii Koch. (A. fasciculata Heg.)
Vintschgau: dürre sonnige Hügel und Kies der Etsch bis
Glurns — 2580‘ (Tappein! bei Hausm. Fl. Tir. 139. Nach
Letzterem im südl. Tirol weit verbreitet, aber wie es scheint
nirgends weiter hoch in die Bergregion hinaufsteigend; in
Südbayern auf lehmigem u. kalkreichem Boden nur bis 1600’
nach Sendtner).
135. Cherleria sedoides L. Vintschgau:
Laaserthal (Tappein!), auf dem Contault bei Mals ober Marien-
berg (Hofmann!). Münsterthal: auf dem Umbrail (Pol!
Sal-M!); am höchsten Punkte der Wormserjochstrasse 8630‘
(Hausm.). Ober-Engadin, Schneeregion: am Albula unter
Crasta-mora (9100°): Krätt!; in V. Chiamuera u. Lavirum am
P, Casanella, P. Vauglia, dann am P. Padella u. P. dellas-tres-
sruors über Samaden u. Celerina, 8—9000° auf Kalkboden ;
am SO Abfalle des Piz-Hot (W von Samaden) in kleinen ve-
getabilischen Inseln sogar bis an 9700° auf kalkhalt. Granit;
auf der Höhe des Valetta-Passes zw. Stalla u. Avers bei
8100’ auf kalkhaltigem grünen Schiefer, u. in den höhern
Alpen von Churwalden auf mergel. Thonschiefer (z. B. auf
dem Stetzer-Grat 7000-7940’): Brügg.
In den Glarner-Alpen nach Heer bei 5100-8700‘, in den bayeri-
schen nach Sendiner voo 5832—7938’ auf kalkreicher od. rein kal-
kiger Unterlage; auch mir in der Ost-Schweiz niemals auf kalkfreiem
Boden vorgekommen, so dass ihr ein gewisses Quantum kohlens.
Kalk im Boden jedenfalls unentbehrlich scheint, woraus sich ihr sel-
teneres Vorkommen im Ober-Engadin u. auf den Feldspathgesteinen
der Central-Alpen überhaupt erklärt.
— Moehringia muscosa L. Vintschgau : bei
Laas (Tapp). Mittelbünden stets auf Kalk, Dolomit od.
kalkhaltigem (grauem od. grünem) Schiefer von der untern
8
114 Alsineae
Alpenregion bis in die Rheinebene herab: im Oberhalbstein
bei den Mühlen (Molins) 4650’, am Crapp-sees 3500’; in
Belfort bei Surava, Alveneu u, Schmitten; um Tiefenkasten,
Obervaz u. sehr häufig im Schyn; in Churwalden (1. B.
Pradafenzerwald, in den Steinen, Kopfi, Wyti, häufig) ; unter
der Ruine Haldenstein am Fuss des Calanda u. bei Rothen-
brunnen im Domleschy um 2000°; sehr häufig um Thusis:
von 2200° bis in die Voralpen eine Zierde aller schattigen
steinigen N, NW, NO Abhänge (Ehrenfels u. Johannisberg,
Viamala an der Strasse, Crapteig, Bovel, Taubenstein u. Tag-
stein etc.) ; auf Ober-Mutien bei 5800 — 5900° NW neben
M. polygonoides im Gerölle in unveränderter eigenthümlicher
Gestalt (nur die Blüthenstiele 1-blüthig, bisweilen seiten-
ständig, die Kelchblätter etwas breiter — aber nicht weniger
spitz als gewöhnlich, die Blätter bis 2 Zoll lang, der Stengel
mehr niederliegend, ausgebreitet ästig — wie meistens bei
der subalpinen Pflanze — var. alpestris: Brügg.)
Gehört zu den Kalk brauchenden Pflanzen — gleichviel ob ihr
derselbe in dieser od. jener Form geboten wird: in pelogenem
(Mergelschiefer, Kalk), psammogenem (Dolomit, grauer Schiefer),
pelo-psammogenem (grüner Schiefer „ — Gneiss?) — kalkhaltigen
Gestein — im trockensten Dolomitgerölle od. auf von Feuchtigkeit
triefenden Schieferfelsen! — Die ersten Blüthen habe auch ich bisweilen
— u. zwar im Tieflande — 5-zählig gefunden (wie Hegetschw.
Fl. d. S. 424). In Südbayern reicht ihre vertikale Verbreitung von
2000-5125‘ (nach Prof. Sendtner).
136. M. polysonoides WM. et KM. Vinisch-
gau: Schlinig, Laaserthal u. Sulden (Tappein.). Im Gebirge
um Tarasp im Unter-Engadin an schattigen N Gehängen bis
5000° herab auf Bachgeschiebe Ober- Engadin: auf der
Albula-Höhe 7 — 7200‘ (Brügg.); Mortiratsch, Tschierva
u. Roseg (J. Colani). Mittelbünden: Alpen von Oherhalb-
stein, bei Ober-Mutten in Lavinenzügen bis 5700° NW
herab, schlaffere mehr verlängerte Gestalten (neben voriger);
Alpen von. Alveneu u. Churwalden (Joch, Brüggergerberg,
Augstberg, Weiss- u. Brüggerhorn, Stetz „im Thäli‘‘, auf den
Alsineae 115
„‚Lärchenböden‘“ in Rüfenen bis 5500‘ NO) gewöhnlich bei
6500—8000°’, häufig (Brügg.). Stets auf Kalk, Dolomit,
kalkhaltigem Thon- od. Mergel-Schiefer, übrigens in gröberem
od feinerem Gries u. Steingetrimmer. Varirt 3. puberula:
tota crassior, caulibus (minus laxis) superne, pedunculisque
(demum reflexis) puberulis; capsulis seminibusque majoribus,
foliis (basi eiliatis)) lanceolato -linearibus acutiuseulis. Ha-
bitus fere Stellariae cerastoides L. s. Cerastii trigyni Vill. —
(Möhringia cerastoides Brügg. hb.) Ulterius observanda! —
Oberhalbstein: in den Saluxer - Alpen um Ziteil (Wall-
fahrtskirche, nach Studer 7520'). auf verwitterndem mergeligen
grauen Schiefer 7 — 8000’ (Brügg.).
M. polygonoides ist eine ausgezeichnete Art, die mit M. muscosa
zwar in den Bodenbedürfnissen (an kalkhaltigem Gestein) übereinstimmt
u. zum Theil wohl deren Stelle in den mittleren u. höheren Alpen
vertritt — dessenungeachtet für deren blosse Alpenform aber, un-
möglieh gelten kann. Denn weder die regelmässige Fünfzahl ihrer
Blüthentheile — gegenüber der typischen Vierzahl bei der vorigen
— noch die meisten übrigen Merkmale, wodurch sich M. polygonoi-
des auszeichnet (die verschiedenen Saamen u. Kelchblätter, die ge-
wimperten kurzen Blätter, die bisweilen behaarten (seiten- od. auch
endständigen) Blüthenstiele, die schwächlichern Stengel — gegenüber
den etwas steiflichen der M. muscosa etc.) sind gewöhnliche Attribute
der Alpenform, die sich einfach aus dem höhern Standorte erklären
liessen ; — oder man müsste der Natur Gewalt anthun u., allen pflanzen-
geographischen u. physiologischen Erscheinungen u. Erfahrungen entge-
gen, etwa auch Sagina saxatilis, Potentilla aurea L.. Gentiana germanica
od. obtusifolia für die Alpenformen von $. procumbens, P. Tormentilla,
G. campestris etc. erklären, wollen. In der That hat man auch in
der freien Natur noch keine Uebergänge von der einen zur andern Art
beobachiet (denn die bekannte Erscheinung mehrzähliger einzelner
(erster) Blüthen bei M.: muscosa ändert die Regel nicht, sowenig als
z. B. beim gewöhnlichen Hollunder — Sambucus nigra L. — das
Vorkommen von 40 Proc. 4-zähligen Blüthen an einer einzigen
Trugdolde hindert, denselben in die 5te Linn. Klasse zu stellen u.
seiner Blume einen 5-spaltigen Saum zuzuschreiben, weil letzteres
doch die Regel bleibt); — im Gegentheil aber schon beide Arten
— wie oben bemerkt — neben einander am gleichen Standorte ihre
8+
116 Alsineae
wesentlichen Verschiedenheiten und Eigenthümlichkeiten unverändert
beibehalten, u. weder M. muscosa bei ihrem Ansteigen in die Alpen-
region in eine M. polygonoides sich verwandeln (vide Obermutten)
— noch letztere beim Herabsteigen in die Bergregion (in Südbayern
auf Kies der Alpenbäche bis 3100 u. 3000° herab: Sendtner) in
eine M. muscosa wusarten gesehen. Diese Thatsachen werden
durch die Beobachtung einzelner, ihren normalen natürlichen 'hei-
mathlichen Verhältnissen entrissenen , kränkelnden Gartenexemplare
— die sich in diesem abnormen Zustande wohl abnorm verhalten
mussten — nicht im mindesten entkräftet, u. wäre es daher wohl noch
viel weniger naturgemäss: M. muscosa u. polygoneides in eine ein-
zige „Art“ zu vereinigen — als beide in verschiedene Gattungen
(Moehringia u. Arenaria od. Sabulina) zu vertheilen.
— MW. sphagnoides Rchb. ic. (Arenaria sph.
— Fröl. non Mor., Ar. polygonoides /3. nana Gaud.). Eine
zwerghafte Hochalpenform der vorigen mit dichteren Rasen,
stark gekielten 3-kantigen härteren dichter gestellien — mehr
od. weniger ziegeldachlichen — Blättern, mehr endständigen,
kürzer gestielten kleinern Blüthen,, den oft gefärbten»Kelch
mehr überragenden Blumenblättern u. Kapseln — im habitus
der Alsine biflora Wahlb, sehr ähnlich, aber durch die Früchte
u. kahlen Blüthenstiele sogleich zu unterscheiden. (Hieher
wohl Moritzis Ar. polygonoides Fl. d. Schw. 115). — Auf den
Alpen in Vintschgau (v. Frölich bei Rehb. exc. 790). (Joch
Lattemar bei Bozen: Hausm!). Mittelbünden : um die Plessur-
Quellen in den Alpen von Alveneu bei 8000‘ , u. in gleicher
Höhe am Brüggerhorn östlich von Churwalden, von mir ge-
sammelt (Ende Aug. u. Anf. Sept. 1848 u. 49 mit Blüthen
u. Früchten); annähernde Formen habe ich vom Gürgaletsch
u. Joch, — Die Kennzeichen, u. besonders die Boden - u.
Verbreitungsverhältnisse dieser Pflanze bedürfen noch einer
weitern Beobachtung. Braucht sie vielleicht einen kiesel-
haltigen Boden? —
136. b. Arenaria serpyllifolia L. Vintsch-
gaw: bei Glurns, Montani u, Schlanders (Tapp.). Unter-
Engadin: um Vulpera u. am Wege nach Scharl bis 4500° (die
Alsineae - 117
fast drüsenlos behaarte Form); Mittelbünden verbreitet,
meist mehr od. weniger drüsig-behaart (A. viseida Lois. Heg.):
im Oberhalbstein (z. B. an den Mauern des alten Schlosses
Reams (Riom) bei 3800°), im Schyn, in Churwalden,, bei
Chur (St. Luzi, St. Antönien etc.) zerstreut, im Domleschg
u. um Thusis (Tagstein, Hohen-Rätien, Garschenna bis 3500’
etc.) gemein — besonders gern u. häufig an u. auf erratischen
Blöcken (Protogin, Granit, Gneiss) oder in deren Nähe u. auf
deren Verwitterungsprodukten (Brügg.); bei Klosters 3700‘ im
Prätigau (Mor. 'hb.).
Ist nach meinen Erfahrungen eine kieselbrauchende Pflanze , der
zwar ein gewisser (nicht zu grosser) Kalkgehalt des Bodens nicht
schadet, die aber am häufigsten u. üppigsten auf kieselreicher
Unterlage (übrigens sowohl auf Thon- u. Lehmboden — z. B.
um München, um Herisau — als auf sandigem oder compactem
felsigen Boden — z. B. auf „bunter Nagelfluh“ um St. Gallen,
in Appenzell u. Ober-Toggenburg — dagegen auf Kalknagelfluh
oder kalkreicher Molasse daneben — so um St. Gallen — ver-
sebens gesucht —; auf Verrucano in Glarus, bei Flums, im Vorder-
rheinthal; auf Thonschiefer u. Feldspathgesteinen oder daraus erbau-
ten Mauern vielfach in Bünden etc.) gefunden wird. Auf reinem
Kalk, Dolomit, Kalkmergeln — habe ich sie noch nie gesehen.
137. Ar. Moritzi Brügsg. (Ar. serpyllif.
viscida Mor. Pfl. Grb. 46 et hb.; Ar. Marschlinsii Mor. Fl.
d. Schw. 113 quoad loc. Engadin.; A. serpyllifol. ß. alpestris
Brgg. hb, — an A. viscida Hall. fil.? non Lois.). Basi suffru-
ticulosa, caulibus sub caespitosis (rarius subsolitariis) adscenden-
tibus firmulis strietiusculis, superne conferte trichotomo-ramosis
subeymosis— cum pedunculis capsulam subaequantibus calyeibus-.
que glanduloso - pilosis et puberulis ; foliis ovatis s. ovato-
oblongis laeviusculis 3—7nerviis glanduloso - ciliatis; sepalis
'ovalis s. ovato-oblongis , acuminatis, 3-nerviis, petala ellip-
tica paulo superantibus, interiorum margine membranaceo an-
gustiore (1/,—?/; latitudinem partis sepali herbaceae lanceo-
latae aequante); capsula ovato-turgida s. globoso - co-
nica calycem excedente; .seminibus reniformibus ' seriatim
118 Alsineae
murieulato - granulatis nitidulis. — Caules 2—6 pollicares
(foliis approximatis), subrubentes, puberuli superne viscosi,
duriores quam Ar. serpyllifoliae, herba caeterum laete viridis
graminicolor, inflorescentia densa pauciflora fastigiata viscide
puberala, antherae rubellae; semina fere Silenes rupestris, sed
minus compressa; habitus Ar. Marschlinsii Keh. et A.
serpyllifoliae L. quasi intermedius, — ®) RB IL?
Ober-Enyadin auf granitischer oder anderer glimmer- u.
feldspathreichen Unterlage 5100-6200’: Sandboden bei Sa-
maden jenseits des Inn u. im Rosetsch- Thale (Mor.); um
Celerina u. St. Moritz, grössere Formen auf Mauern, Weg-
u. Ackerborden um Brail, Samaden u, Ponte (Brügg. — im
Aug. 1850—53 mit Blüthen u. Früchten).
Die Alpenform der Ar. serpyllifolia L., die daher — wenn die
Hochalpenform (A. Marschlinsii) u. ähnliche Produkte alpiner u.
nıvaler Standorte: wie Alsine rostrata, A. Gerardi u. recurva, Aqui-
legia alpina, Lychnis alpina, Dianthus speciosus, Viola lutea (alpestris),
Hieracium incisum , Myosotis alpestris, Thlaspi Salisii, Parnassia al-
pina, Polygala alpestris, dann Draba aizoides u. Zahlbruckneri, Hut-
chinsia brevicaulis, Dianthus glacialis, D. frigidus etc., welche schon
öfters erwähnt wurden, als eigene „Arten“ aufgestellt u. behandelt
werden — consequenterweise ebenfalls als gleichwerthig getrennt
werden muss, sobald sich sichere Merkmale zur Unterscheidüng dar-
bieten. Durch die eiwas längern Blumenblätter, den schmälern häu-
tigen Rand u.. den breitern (lanzettl.) krautigen Theil der innern
Kelchblätter , welche kürzer als die Kapsel sind; durch die glattern
härteren (kaum warzigen — die Bl. von A. serpyllif. sind mit zahl-
reichen kleinen weissen warzenartigen Bläschen besetzt) u. deutlicher
— bis 7-nervigen, starker drüsig-bewimperien, mehr genäherten
Blätter ; durch die meist zahlreich aus dem Wurzelkopf entspringenden,
an.der Basis etwas holzigen, oft rasenartig gestellten, festeren steiferen
aber verkürzten u. erst nach oben hin in eine gedrängte armblüthige
fast büschelige Scheindolde aufgelösten Stengel; sowie durch die
hellere freudiggrüne Farbe des Krautes (welche an den Stengeln oft
von einem dunklen Purpur übergossen erscheint) u. die reichlichere
drüsige Bekleidung besonders des oberen Stengeltheiles sammt der
Inflorescenz (welche, von zahlreichen längern drüsentragenden Haaren
klebrig, noch dazu mit einem kürzern, krausen, mehr od. weniger die
Alsineae 119
ganze Pflanze bedeckenden, weissen Flaume bekleidet erscheinen) —
endlich durch den besonderen Habitus: u. Standort — lässt sich A.
Moritzii sogleich erkennen u. von A. serpyllifoliaL. u. ihren Formen
des Tieflandes leicht unterscheiden. Auch, durch einen dürf-
tigen (felsigen, stark besonnten, trockenen, dem ganzen Unge-
stüm des gewaltig hereinbrechenden Föhnstromes ausgesetzten) Boden
(auf der Höhe des Johannissteins bei Thusis c. 2900’) erzeugte
Zwergformen der Ar. serpyllifolia (der var. y, tenuior Koch
beizuzählen) zeigen noch vereinzelnte, schwächliche, hin u. her
gebogene Stengel ,„ entfernter stehende, schmälere, fast nervenlose
oder nach vorn undeutlich 1—5nervige dicht-klein-warzige, drüsen-
los bewimperte Blätter, sehr spärliche Drüsenhaare u. Blüthen (2—5),
einen breiteren weisshäutigen Rand u. schmälern fast linealen krau-
tigen Theil der innern Kelchbl., u. kugelige Kapseln von der Länge
des Kelchs — als hinlänglich bezeichnende Unterschiede gegenüber
unserer Alpenpflanze. Nicht weniger bestimmt unterscheidet sie sich
auch von der folgenden Hochalpenform dieses Typus, wie unten
zu ersehen, — A. Moritzii sei den Manen des Verfassers der ersten
Flora Graubündens geweiht, der unsere Pflanze zuerst erkannt hat!
dem Andenken eines ächten Rätiers u. Forschers , dessen Verdienste
um die Wissenschaft die Botanische Welt gerne anerkennt! —
138. Ar. WMarschlinsii Koch! _ (A. serpylli-
folia 3. alpina Gaud. sec. Kch.). Dignoscitur a praeceden-
tibus (secundum specimina e regione nivali Alpium Vallesiae):
Caulibus pollicaribus, minus numerosis, magis procumbentibus,
1—7-floris; foliis ovato-lanceolat. s.-oblongis 1—3-ner-
viis (laevibus, eglandulosis, eiliatis); sepalis (subconcavis)
ovato - lanceolatis s. lanceolatis subulato - attenuatis petala
ovata superantibus — capsulam oblongam s. ovato- oblongam
superantibus subaequantibusve, interiorum margine membranaceo
angustissimo (1/),—1/, latitudinem partis sepali herbaceae
aequante); seminibus reniformi - subrotundis minoribus lae-
viusculis (sub lente subtiliter granulato - scabriusculis, non
seriatim granulatis); indumento omnino eglanduloso sub-
villoso, herbä denique flavo-virente.
Schneeregion der Centralalpen, vom Montblane zum Glock-
ner zerstreut. Südöstliches Rhätien : Wormserjoch u. Salend-
120 Alsineae
ferner (Koch syn. u. ,‚Flora‘“ 1841. II!), Wormserjoch
(Tapp! Hausm. Fl. Tir. 143). Wohl auch auf den Hoch-
alpen des Engadins noch zu finden. (Ich habe sie von Zer-
matt im Wallis: um die Schwarzseekapelle , auf glimmerhal-
tigem Boden, im Sommer 1851 gesammelt: Dr. B. Wartmann).
139. Ar. multicaulis L. Wulf. Rehb!
Heg! (A. eiliata:- a. Wahlenb. helv., Gaud., Mor. Pfl. Grb.
ex parte, . frigida Koch). Ober-Engadin: auf dem Albula
bei 7— 7200’ auf glimmerhaltigem Boden (d. 3. Sept. 1850 noch
blüh. : Brügg.). Mittelbünden : Oberhalbsteiner- (um Ziteil)
u. Alveneuer- Alpen bei 7 — 8000’ auf Thonschiefer u. Ver-
rucano; Alpen von Ober-Vaz u. Churwalden an der Ost-Seite
des Dreibündenberges (Lavuz, Stez ete., 7000-7900’, Thon-
schief.), u. in glimmer- u. kieselhaltigem Steingerölle auf der gan-
zen Kette vom Rothhorn zum Gürgaleisch gewöhnlich bei 7—
8000’, anN Abhängen auch wohl bis gegen 6500‘ herab (Brügg..),
Augsiberg am Pass nach Urden (Mor.). Eroser-Alpen gegen
das Rothhorn (Killias), (Im westlichen Rhätien habe ich
sie am Valserjoch bei 7600’ auf glimmerreichem Boden mit
Hutchinsia brevıcaulis, Draba Zahlbruckneri u. Androsace gla-
cialis etc, gesammelt).
Auf den Kalkalpen des nördlichen Bündens, der nordöstl. Schweiz,
Vorarlbergs, Bayerns habe ich diese Pflanze vergebens gesucht, auch
bisher keine Expl. oder Angaben von daher zu Gesicht bekommen,
welche ihr ‘Vorkommen in diesem Geb. bewiesen. Dafür wächst
aber dort nicht. selten im Kalk- und Dolomit-Gerölle der untern: u.
mittleren. Alpenregion (4000—6600°) die durch einen gänzlich ver-
schiedenen Habitus (nicht unähnlich der A. serpyllifolia, aber schon
durch die Amal grössern Blüthen sogleich kenntlich) ausgezeichnete
A. ciliata L. Wulf. Rehb. Heg. (Haller hist. stirp. helv. tab. XVII.
fig. med. sinist. — A. ciliata a. Koch, Mor. Pfl. Grb. loc. „Calanda“,
ß. multicaulis Wahlb. et Gaud.), welche — bei 4000° — schon um
Mitte Juni zu blühen beginnt (so am Sämtiser- See im Appen-
zell d. 22. Juni 1851 blüh.: Brügg., am Kronberg bei 5000° d.
7. Juli 1850: Arnold Linden) — während A. multicaulis in den viel
südlichern rhätischen (Central-) Alpen (bei 7—8000°) kaum vor Anf.
Aug. Dessenungeacht, u. obgleich die beiden „Arten“ von Keinem,
Alsineae 121
der jede einmal lebend am natürlichen Standort beobachtet, verwech-
selt werden können — auch nie eine Spur von Uebergängen mir
zeigten — (denn die lockersten Rasen der A. multicaulis Wulf, von
den tiefsten Standorten mit verlängerten Stämmchen u. 1—2blüthigen
Stengeln — haben keine grössere Aehnlichkeit mit den mehr ver-
kürzten u. gedrängten Formen der A, ciliata L. von den höchsten
Standorten, u. zeigen übrigens dieselben Unterschiede — wie die
Expl. von den extremsten Punkten): — so sprechen doch ihre Vor-
kommensverhältnisse u, diagnostischen Kennzeichen dafür, dass
A. ciliata u, multicaulis von Klima u. Boden abhängige For-
men eines u. desselben Typus seien, den erstere auf reinem Kalk-
boden der unteren und mittleren Alpen — leiztere auf kieselreichem
Boden der höheren Alpen- u. Schnee-Region vertritt (der aber in
den tiefern Regionen dieser Gegenden zu fehlen scheint — denn dass
A. serpyllifolia einen andern Typus darstelle, beweisen wohl A. Mo-
ritzii u. Marschlinsii, ihr Vorkommen in gleichen Höhen mit A. ci-
liata u. die ungewöhnlich grossen Blüthen der letzteren, die sich aus
dem Standorte allein nicht erklären liessen ; dagegen scheint die nor-
dische A. gothica Fries auch dem Typus der Ar. ciliata anzugehören,
da ihr die Blüthen derselben mit den Blältern der A. serpyllifol.
zugeschrieben werden). Die, von Reichenb. u. Hegetschw. (Fl. d.
Schweiz 426) gut bezeichneten, Unterschiede unserer A. multicaulis
— denen nur die „weniger warzigen Blätter“, die „oft purpurn ge-
färbten Kelche“ derselben , u. etwa die kürzern „Blumenblätter“
(gewöhnlich „von der Länge des Kelchs“) der A. ciliata noch bei-
zufügen sind — lassen sich alle den Umwandlungen beizählen, welche
Pflanzen tieferer Regionen beim Ansteigen in die höhern und höch-
sten Alpen gewöhnlich zu erleiden pflegen, u. uns Moehringia sphag-
noides, Arenaria Marschlinsii, Alsine subnivalis, Silene exscapa etc.
grösstentheils schon wiederholt gezeigt haben.
Die Angabe: A. eiliata L. Koch. im Vintschgau (Laaser-
thal, auf der Hochwart u. in Schlinig: Tapp! Hausm, Fl.
Tir. S. 144) — scheint, nach Obigem, auf Kochs var. B. =
A. multicaulis Wulf. sich zu beziehen.
140. Ar: biflora L. Unter-Engadin an kahlen
Bergjochen (schon Pol!). WVintschgau: im Laaserthal, am
Griankopf u. Hochwart (Tapp!). Ober-Engadin 65—9500’
verbreitet: auf dem Lavirum (Levirone) u. Bernina (Mor!);
P. Languard u. Mortiratsch (J. Colani); zwisch. dem
122 Alsineae
Weissensee u. Cambrena - Gletscher am Bernina bei 7—
8000° auf wahrscheinlich kalkhaltigem (wie oben pag.
23 schon angedeutet) Geschiebe mit Papaver pyrenaicum; in
V. Fex (Silseralp-Sura) bis 6400° NO herab auf gemischter
Bodenart (Brügg.) ; Septimerberg (Scheuchzer!), auf der Höhe
des Passes zwisch. Avers u. Stalla (Giuils, Valetta,. Staller-
berg) bei 8100‘ auf keineswegs kalkfreiem (mit Säuren auf-
brausenden) grünen Schiefer; auf Kalkgeb. in den Alpen über
St. Moritz, in V. Saluver, am P. dellas-tres-sruors u. Padella
— 8600’, auf kalkhalt. Granit am Piz-Hot bis 9500° SO
(Brgg.); auf dem Scaletta ca. 8100° (Mor! Krätt.), Scaletta-
Gletscher (Killias!). Ferner in Mittelbünden bei 7—8000':
auf schneewasserbefeuchtetem dolomitischen Sand sehr schön
u. zahlreich in den Alveneuer-Alpen, u. am Weisshorn über
Churwalden (Brgg.); dann im nördl. Bünden: Alpen von
St. Antönien — im Kalkgebirge auf der schwankenden Grenze
zwisch. Mittel- u. Nebenzone — (nach Richter J. Lorez) ; am
Schlapinerjoch zw. Klosters u. Montafun (Kill!). — Im
westlichen Rhätien vom verstorbenen Pfr. Felix (Alpen von Nu-
fenen — grüne Schiefer mit Kalklagern) u. vom Verf. (an
der Nordseite des Tambohorns 6500—7500’ beim Splügen-
Uebergang, auf glimmerigen aber zugleich kalkhaltigen Ver-
witterungsprodukten grauen Schiefers) beobachtet,
Eine zierliche, wahrscheinlich zugleich katk- u. kiesel(kalı ?-)
haltige Bodenarten verlangende, ausgezeichnete Art der höheren
Alpen- u. Schneeregion, die an passenden Lokalitäten (sie liebt
allerdings einen feuchten, sandigen, griesigen Boden, u. vor Allem
die Nähe der Gletscher u. Schneefelder — als ein ächtes Hochalpen-
kind! — an „Felsen“ aber habe ich sie nirgends gesehen) durch die
Central-Alpen von Piemont nach Steyermark verbreitet — dagegen
im ganzen nördl. (u. südl.?) Kalkalpenzug zu fehlen oder doch nur
auf dessen äusserste in die Central-Alpen eingreifende Grenz-Punkte
beschränkt zu sein scheint. Ihre NW Grenzlinie geht vom Montblanc
über den Fouly, die Furka, den Tödi, die Sulzfluh, den Patscherkofel (bei
Innsbruck), und Geisstein (b. Kitzbüchl) nach dem Salzburgischen etc.
141. Stellaria cerastoides L. (Cerastium
trigynum Vill., C. stellarioides Hartm, Heg.). Vintschgauer-
Alsineae 123
alpen (Tapp!); am Ortler u. Wormserjoch: bei den hölzernen
Gallerien (Hausm.). Unter-Engadin: am Scharljöchl (Pass
von Scarl naeh Münster) 7—7200° Thonboden auf Gneiss u.
Verrucano (Brügg.). Ober-Engadin : Levirone (Mor.), Alpen
nm St. Moritz (Bovelin!); in V. Lavirum am P. Casanella bis
8500’, am Bernina-Pass häufig auf feuchten thonigen Alp-
trifien um den Weissensee (Leg-alv) c. 7000’, dann auf
ähnlicher Bodenart um die Passhöhen des Albula, Julier,
Stallerbergs u. am P.-Hot bei 7--9000° (Brügg.). Mittel-
bünden auf gleicher Bodenart u. Höhe: Oberhalbsteiner-Alpen
(um Ziteil), Dreibündenberg (Churwalder-Alpen, z. B. auf
Stez bis 6500° O herab: Brgg.), Augstberg (Mor.) etc. Auf
Granit, Gneiss, grauem u. grünem Schiefergebirge.
Von Unger als „schieferstet“, von H. v. Mohl als „urgebirghold*“,
von Sendiner am richtigsten als Tronpflanze — welcher ein Kalk-
gehalt des Bodens nicht nothwendig, aber auch nicht nachtheilig ist
— oder Kieselpflanze im weiteren Sinne bezeichnet (Veget. v. Süd-
bayern S. 408), als welche sie meine Beobachtungen auch durchaus
bestätigen, Ihre vertikale Verbreitung in den bayrischen Alpen reicht
nach Letzterem von 5300 bis 7100°.
142. St. nemorum 1. Ober-Engadin: bei Be-
vers (Krätt.), feuchte Waldungen südlich vom St. Moritzer-
See zwisch. den Sauerbrunnen u. Statz 5480—5530' N selten
(Brügg.). Mittelbünden häufig auf grauem Schiefer u. Kalk
2500—5000°: Oberhalbstein (z. B. im Walde am Crapp-sees
3500), Churwalden (Parpan, Gadenstättli, Stättli, Kopfi,
Stockboden, Klosterwald, Pradischier etc. 4—5000%), am Bi-
zockelberg b. Chur, Johannisberg bei Thusis an schattigen
NW Gehängen bis 2500’ herab, Untermutten u. a. O.
In der Voralpenregion häufig im Schatten der Hütten u. Ställe,
oder auch auf ganz freien quelligen hochbegrasten Plätzen „ tiefer
unten in schattigfeuchten Gebüschen u. Wäldern; doch unter 2500‘
bei uns noch nicht beobachtet. Ein humoser feuchter Boden auf
kalkiger Unterlage scheint ihr am besten zuzusagen, womit auch ihr
viel massenhafteres Auftreten in den nördl. Kalkalpen (z.B. im Ap-
penzell im Sämtiserseethälchen, auf der Siegelalpe, am Seealpsee etc.)
124 Alsineae
u. ihr höheres Ansteigen daselbst (in ‘den bayrischen Alpen bis
5725°: Sendtner) zusammenhängt. Dass aber dabei der mechanische
Einfluss des Kalkes nicht die Hauptrolle spiele u. die physikalischen
Eigenschaften desselben ihr nur Nebensache— die chemischen aber
die Hauptsache seien: das beweist ihr verbreitetes Vorkommen auf
unsern grauen kalkhaltigen Thonschiefern, die sich von den Glim-
mergesteinen — in welche sie vielfach übergehen — in der physikal.
Beschaffenheit gewöhnlich wenig oder gar nicht unterscheiden ; u. nicht
weniger die Ober-Engadiner-Standorte auf Feldspath- u. Hornblende-
Gesteinen, die. aber keineswegs völlig kalkfrei — wie schon der
Kalkgehalt der St. Moritzer-Sauerquellen beweist. *)
143. St. media Will. Steigt im Ober-Engadin
bis hoch in die Alpenregion : am Bord der Julierstrasse stellen-
weise bis gegen den „‚Julia‘‘-Säss 6700‘ SO, oberste Gersten-
felder bei Samaden u. Celerina, innerste Wohnungen u. Ställe
in V. Fex 6120° SW, u. bei 6050’ SO um die Hütten von
Grävesalvas ob Sils (Brügg.). Uebrigens allgemein im Geb.
verbreitet auf bebautem Boden, Aeckern, Wegen u. Schutt
um Wohnungen.
In Südtirol ‘noch an Alpenställen und -Städeln der Rittneralpe
(Hausm,); in den bayrischen Alpen nur bis 5300‘, auch um Senn-
*) In 1 Pfund Wasser der alten Quelle fanden Dr. Kaiser u. Ca-
peller („Die vorzügl. Sauerquell. in Graubünd.“ 1826) 2,90 Gran
kohlensaur. Kalk — Dr. v. Planta u. Dr. Kekule (chem,
Unters. .d. Heilquellen zu St. Moritz.“ Chur. 1854) aber 5,579
Gran desselb. Miner. Nach den letztgenannten Chemikern ent-
hält ein gleiches Quantum Wasser der concentrirteren neuen (im
alten Innbette, 200 Schritte von der alten entfernt) vom Badarzt
Dr. J. G. Brügger zuerst näher beachteten, auf dessen wiederholte
Anregung hin u. unter dessen Leitung im April 1853 endlich
gefassten u. hierauf einer genauern chem, Prüfung unterworfe-
nen Trinkquelle (vgl. dess. „Notizen üb. d. Neufassung d. alt
berühmten u. üb. die neu entdeckte Sauerquelle zu St. Moritz“,
im „Bünd. Monatsbl.“ Jg. 1853 Nro. 6) — sogar 6,844 Gran
kohlens. Kalk. Und diese letztere, in einer Minute 2°, Liter
Wasser liefernde, Quelle sprudelt — in einer Tiefe von 1',,
Klaftern — „unmittelbar aus den Ritzen eines ächten feinkörnigen
Granits“ am Fusse des Berges Rosetsch , dessen Granitkörper
äusserlich. weit, u. breit kein Kalklager aufweist.
Alsineae 125
hütten, u. „verlangt: viel Stickstoff unter den Bodenbestandtheilen“
(Sendtn.)
144. St. sraminea EL. Münsterthal: häufig
bei Fuldera u. Cierfs (auf Verrucano) 5—5200' ; Ober-Enga-
din: auf trockenen Wiesen um Samaden u. Bevers, dann um
den See von St, Moritz c. 5500’; Mittelbünden: in Schams
u. Avers bis 5500’, in Churwalden 4--5000° (nicht gemein,
um Parpan, Runkalier etce.), um Thusis u. am Heinzenberg
nicht unter 2500° u, gerne in der Nähe erratischer Granitblöcke
auf deren Verwitterungsprodukten (Brügg.). Vintschgau:
bei Schlanders (Tapp! — am Ritten bei Bozen bis 5000’:
Hausm.; in Südbayern von der Ebene bis 4300’: Sendtn.).
Im: Tieflande an feuchten oder beschatteten Stellen (Gebüsch,
Hecken) — in der Höhe‘ auch an für sich ganz‘ trockenen unbe-
schatteten Standorten, weil reichlichere u. regelmässigere 'atmos-
phärische Niederschläge dort die’ nöthige Feuchtigkeit liefern. Sie
liebt — ‚wie Sendtner sehr richtig bemerkt — eine kieselige Boden-
mischung , woraus ihr. häufigeres Vorkommen und ‚höheres An-
steigen in den Hochihälern der rhätischen Central-Alpen (während
sie in der bündner’schen Thalebene des Rheins zu fehlen — oder
doch sehr selten zu sein scheint) — wie bei mehreren schon be-
sprochenen Familiengenossen — genügend sich erklärt.
145. St. Frieseana Seringe. (St. longifolia
Fries. Novit.). Ober - Engadin auf Hornblendegestein c.
5430° N: in sehr schattigem feuchten Gebüsch der waldigen
Drachenschlucht Chiarnadüras — unter dem Innfall bei Punt-
Sela am Ausfluss des St. Moritzer-Sees (mit Poa nemoralis
montana u, deren monsirositas ,‚spongiosa“, d. 18. Aug. 1850
noch blüh, : Brügg.).
Meine Pflanze stimmt mit verglichenen Expl. aus der Gegend von
Königsberg u, mit solchen aus dem Centralalpengeb. Tirols vollkom-
men überein. Eine neue Bürgerin.. der Schweizerflora, die, sonst
das Kind einer nordischen Heimath, in den Sudeten u. in den ösil,
Centralalpen sporadisch wieder auftritt, wo sie — über den Abschnitt
vom Glockner zum Bernina zerstreut — in Ost-Rätien bei St. Moritz
nun den westlichsten u. zugleich höchsten bekannten Standort hat.
Scheint auch in Tirol nur auf Feldspath - u, Glimmerstein oder Por-
126 Alsineae
phyr vorzukommen — somit ebenfalls einen kieselreichen Boden zu
verlangen.
146. St. ulisinosa Murr. Ober- Engadin
an Quellen u. Wassergräblein 5000—5300°: bei Brail an
der neuen Strasse gen Zernez (Hornblende), u. am Inn zwisch.
Ponte u. Bevers (Granitboden): Brügg.; bei Samaden (Mor!
Grb. 47). Die variet. apetala (Koch) im untern Vintschgau
(Tapp I).
In Südtirol verbreitet, vorzüglich auf Gebirgen-u. bis in die Alpen
(Hausm.) — in Südbayern bis 4320° steigend (Sendt.). Im mittleren
u. nördl. Bünden nicht beobachtet; aber im transalpinen (Mor!) u.
westlichen Rhätien (Obersaxen u. Vals 4—5400°: Brügg.). In der
nördl. Schweiz u. Vorarlberg zerstreut (auch in Kieselmoor mit
Andromeda z. B. bei Schönengrund 2600‘ im Appenzell: Brgg.).
Eine Kieselpflanze, die einen ‚möglichst kalkfreien Lehm- od.
Thonboden liebt,
— Malachium aquaticum Fries. Jn Mittel-
bünden: bei Bellaluna u. Filisur c, 3400‘ S, Tiefenkasten,
Solis c. 3300° SO, Thusis (Viamala im Walde unter dem
„verlornen Loch‘‘, Garschenna bis 3400’ SW etec.), Chur (z.
B, vor dem „Schalficker-Thörli‘‘, am Wege zum Rossboden
in Hecken etc.) von mir beobachtet; dürfte im untersten En-
gadin wohl noch zu finden sein.
Erhebt sich in Südbayern nur bis 2450’ (Sendtner) —; aber im
Appenzell angeblich noch bei 3720’ im damals ausgetrockneten Säm-
tisersee (im Octob. 1834: Fröhlich!); ich fand (im J. 1851) in
letzterer Gegend nur die ähnliche Stellaria nemorum — u, zwar sehr
häufig, wie oben ($. 123) bemerkt.
— Cerastium slomeratum Thuill. Mit
telbünden : auf dem ,‚Johannisberg‘“ bei Thusis 2800’ (glim-
merreicher Thonschiefer) s. selten (Brügg. Sept, 54); ,‚am
kleinen See auf der Lenzerhaide‘“ (Mor! Pfil. Grb. 47).
Dieser nächste u. höchste bekannte Standort aus der Nach-
barschaft unseres engern Florengebiets — dem sie aber
(namentlich dem uniern Münsterthal u. Unter - Engadin)
kaum fehlen wird — liegt in der Höhe von 4600—4750’,
auf Thonschiefer,, in einer mit zahlreichen Blöcken u. Trüm-
Alsineae 127
mern von Horblende, Gneiss u. andern krystallin. Gesteins-
arten der östlich darüber sich erhebenden Rothhornkette ganz
übersäeten Wald- u. Waidegegend , weit entfernt von jeder
durch Cultur geschaffenen Lokalität.
Unter ähnlichen Aussenverhältuissen — aber auf Culturland (Aeckern
u. diese umgebenden Wiesen) — ist diese Pflanze im westrhätischen
Centralalpengeb. (zunächst an od. auf den Grenzen der krystallinischen
Gebirgsmassen des Adula u. Gotthard — gegen die über das mitt.
Bünden sich ausbreitende Thonschieferzone) mir vorgekommen: jm
St. Peterthal od. Vals am „Platz“ 3850‘ (Thalstation), u. auf Ober-
saxen c. 4000° NW, an beiden Orten auf einem glimmerreichen
möglichst kalkarmen Lehmboden in Gesellschaft anderer sog. Kiesel-
pflanzen. Seltene vereinzelte Expl. wurden bei Chur gefunden;
häufiger u. mehr verbreitet ist diese Art in der nordöstl. Schweiz:
bes. im Molassegeb. (z. B. auf den lehmigen od. thonigen Aeckern
um St. Gallen 2080 gemein), auf den Alluvionen des Rheinthals (von
Malans 1700° u. Fläsch an abwärts); auf den bunten Schiefern u.
Sandsteinen (Verrucano) des Seezgebietes (so in Getreidefeldern ob
Portels bei Flums gegen Maschalon im Schilzthale) sah ich sie bis
zu 3700°SO ansteigen ; und in gleicher Elevation auch (in Kartoffel-
feldern mit südl. Lage um den „Schröcken“) in Vorarlberg auf
liassischem Lehmboden. Diese Beobachtungen lassen sie, ganz über-
einstimmend mit denjenigen Sendtners in Südbayern (hier nur bis
2000° heobachtet), als Kiesel-(Thon-)pflanze — d. h. an eine
kieselreiche Bodenmischung gebunden -- erscheinen. Daraus erklären
sich denn — wie bei den zahlreichen andern die gleichen Bedürfnisse
theilenden Familiengenossen — wohl zur Genüge die scheinbaren
Anomalien ihrer Verbreitungsverhältnisse im räthischen Florengebiete.
Auch in den ringsangränzenden Floren ist C. glomeratum weit sel-
tener u. in vertikaler wie horizontaler Richtung weniger verbreitet
als das gegen Klima und Boden gleich indifferente gemeine C. tri-
viale, das auch mit seiner Polargrenze weiter nach Norden vorzu-
dringen — während ersteres dagegen mehr gegen Süden z. B. bis Abys-
sinien sich auszubreiten scheint. — Im tirolischen Innthale wurde C.
glomerat. einzig zu Innsbruck (als Gartenunkraut), im Etschlande
— wo dafür von Meran abwärts das nahe verwandte C. brachype-
taltum Desp. um so häufiger — nur an einer einzigen Stelle bei
Bozen gefunden (Hausm.), u. ist nach Letzterem der höchste bekannte
tirolische Standort: bei Kitzbüchl 2400° im 'Thonschiefergeb,
128 Alsineae
14%. Cerastium triviale Link. VUnter-
Engadin (Dr. Papon!). Vintschgau: Wiesen um Schlanders
(Tapp!). Ober-Engadin: die Voralpenform (var. alpestre
Heg.) um Samaden (Champagna,, Planetsch ete,), St. Moritz,
Silvaplana u. Surlei 5300—5800° auf Wiesen u. Triften, an
Wegrändern (Brügg,). Die eigentliche Alpenform (C, ı. 6,
alpinum Koch.) am Scarljöchl (la Cruschetta) 7140’ zwisch.
Scarl u. Münster, auf Gneiss u. Verrucano (Brügg.); auf dem
Albula u. Julier 6—-7000° (Mor. hb., Brügg.). In Mittel-
bünden gemein auf Wiesen, Mauern, Aeckern um Chur, Thu-
sis u. Churwalden (vom Thale bis in die Alpen zu 7000’
W) etc. (Steigt in Südbayern bis 7000’: Sendtn. , in Süd-
tirol um Bozen bis 7700’: Hausm.).
b, €. gramineum (Brgg. hb.): caule gracili tenui
stricliusculo, sub 5-pollicari paueifloro, pilis elongatis arti-
eulatis patentibus sparsis — ut tota planta — plus minusve
hirsuto et puberulo, basi purpurascente glabriusculo, superne
— pedunculis calyeibusque glanduloso - pilosis; folüs
lineari-lanceolatis (inferiorib. oblanceolatis in petiolum
attenuatis) internodio brevioribus superne decrescentibus —
cum bracteis longe ciliatis ; his infimis herbaceis, superioribus
sepalisque margine membranaceis; peduneulis fructiferis ca-
Iycem subaequantibus subhorizontaliter patentibus, petalis
capsuläque subexsertis; herbä Zaete viridi; stamin. 10.
Ober-Engadin: 5500—6000’ in Waldsümpfen auf Granit-
geb.: am Munterütsch zwisch. Bevers u. Samaden, u. am
Fusse des Rosatsch um den Sauerbrunnen von St. Moritz
(Ende Aug. 1853 mit Blüthen u. Früchten: Brügg.).
148. €. pedunculatum Gaud. Alpen des
schweizer. Innthales (Heer!) ;, Ober-Engadin: auf gemisch-
ter Bodenart (kalkig. Substrat) in der Einsatilung zwisch. P.
Padella u. Piz-dellas-ires-sruors (Dreischwesternhorn) über
Celerina c. 8500° mit Arenaria biflora, u. auf Granitboden
am Piz-Hot hinter Samaden selten bis 9500‘ S mit Saxifr.
Seguierii u. exarata (Brügg.); auf dem Julier (Tausend); in
nt
Alsineae 129
der Nähe: bei der Höhe des Ueberganges von Stalla über
Valetta u. Giuils nach Avers 7600—8100° O in feinem Gries
(von Serpentin u. grünem Schiefer) neben Poa laxa, Hut-
. chinsia brevicaulis u, C. glaciale Gaud., auf den ersten
Blick von letzterem sich auszeichnend u. in Hunderten von Expl.
stets seinen eigenthümlichen Habitus bewahrend (den 18. Sept.
54 einzeln noch blühend) ; dann in ungef. gleicher Höhe in
der Alp-da-Surlei gegen Piz-Castellatsch u, V. Rosetsch
(Granit u. Gneiss), ebenfalls mit C. glaciale, Achillea nana,
Carex nigra; und (auf Gneiss, Hornblendegestein) in Menge
um die Berghütte 8070’ auf der Höhe des Scaletta-Passes
(Brügg.); auf dem Levirone od. Lavirum (Nägeli!). Ober-
Veltlin: angeblich auf dem Braulio od. Umbrail (Comolli fl.
com!). Mittelbünden : in Davos auf dem Porphyr des Kum-
merhubels bei 7500-8000‘ SW (gegen Ende Aug. schon
grösstentheils in Früchten) zahlreich von mir beobachtet.
In den nördl. Alpen der Ostschweiz habe ich es einzig auf glim-
merhaltigem Boden der Tödi-Kette am Panizer-Pass 7430' — auf
schwankender Grenze zwisch, Mittel- u. Nebenzone — mit Androsace
glacialis u. Saxifr. Seguierii gesammelt; sonst weder Expl. noch
glaubwürdige Angaben von daher, oder aus den Vorarlberger- u.
bayrischen Alpen erhalten. Auch die westl. angeführten Standorte
liegen alle in den höhern Regionen der Central-Alpen (von Wallis,
Savoyen, auf Chloritschiefer mit Serpentin, auf Protogin u. Gneiss)
oder in deren unmittelbaren Nähe (Alpen über Bex — der nord-
westliehste Standpunkt in der Schweiz, wie am Panixer-Pass der
nordöstlichste).
Wiewohl, wegen mangelhafter Beobachtung u. häufiger Verwechs-
lung od. Vermengung, die Vegetationslinien dieser Art sich noch
nicht genauer feststellen lassen: so geht doch schon aus obigen
Daten des Bestimmtesten hervor. dass C. pedunculatum Gaud. in
seiner ‚Verbreitung mit C. latifolium L. (zu dessen zahlreichen
von äussern Einflüssen abhängigen Formen man es bisher meistens
zu zählen pflegte) nicht übereinstimme. Dadurch, und durch sein
semeinschaftliches Vorkommen unter den gleichen Verhältnissen
neben der letztgenannten Art u. ohne die mindesten Uebergänge
— sowie nicht minder durch den Habitus u. gewisse morphologi-
9
130 Alsineae
sche u. physiologische Eigenthümlichkeiten — legalisirt sich "Gau-
dins Cerastium hinlänglich als selbstständige, an einen kieselreichen
Boden der höheren Alpen- u. Schneeregion (bes. der Centralalpen)
gebundene Vertreterin eines wahrscheinlich zwischen C. triviale Lk. u.
C. latifolium L. mitten innestehenden besonderen Typus. Ob dasselbe
in seinem Boden nicht zugleich auch mehr od. weniger Kalk verlange
(wovon weder der grüne Schiefer von Giuils u. Valetta, noch die granit-
u. gneissähnlichen Gesteine von Roseisch u. P. Hot — ganz frei sind, wie
ich mich selbst direkt überzeugt u. schon mehrfach. angedeutet habe)
— u. ob dieser Typus nicht auch in tiefern Regionen der Alpen durch
bekannte oder unbekannte Formen vertreten sei —: mögen forige-
selzte Beobachtungen zeigen. — Die von den Autoren (Gaud.,
Rchb.. Heg.) angegebenen wichtigeren Kennzeichen fand ich in der
Natur bestätiget u. hinlänglich constant. Ein gutes u. wichliges
Unterscheidungsmerkmal bieten auch die Samen des €. pedunculatum
dar, welche 4—5mal kleiner als die von ©. Zatifolium L. — aber
gleich diesen von einem breiten durchscheinenden Rande umzogen
(beflügelt) sind, wodurch sie von den gleichgrossen des ©. strietum
u. ©. triviale alpicolum — oder den kleinern des C. triviale genuin.
u. C. arvense sogleich zu erkennen. Uebrigens sind sie nierenförmig.
hell röthlich-braun (fast lederfarben), etwas rauh u. uneben (unter
einer scharfen Loupe ziemlich gleichmässig u. fein schwach bekörnt
erscheinend) — während ich die Samen von C. latifolium L. bei
gleicher Vergrösserung regelmässig grobgekörnt u. (diese Erhaben-
heiten selbst wieder) zugleich zierlich fein gerunzelt , — diejenigen
von €. triviale mehr rundlich, dünkler, deutlicher erhabener u. re-
selmässiger bekörnt, — diejenigen von C. strietum u. arvense aber
am Rande von säulchenartigen Wärzchen zierlich bekränzt finde.
Die Kapsel ist an allen meinen Fxpl. des C. pedunenlat. cylindrisch,
etwa 2-mal so hoch als breit, über der Basis um ein Geringes er-
weitert (un. hier am breitesten), in der Mitte kaum merklich gebogen,
die Zähne an der Spitze ganz umgerollt. Auch blüht unsere
Pflanze in gleichen Höhen früher als C. latifolium u. glaciale,
dessen Hochalpenform ich daneben od. allein im Sepiemb, stets in
schönster Blüthe u. noch ohne Früchte traf, während C. pedune.
grösstentheils schon in Früchten stund. Letzteres zeichnet sich auch
(gegenüber C. glaciale subacaule) durch einen viel lockerern Rasenbau
aus — und besonders durch die kleinern, wegen des zusammenschlies-
senden Kelchs gZockig erscheinenden Blumen , deren länglich-keil-
förmige spitz ausgerandete petala kaum mit '/; den Kelch überragen.
Alsineae 131
149. C. latifolium WE. Höhere Alpen im Vintsch-
gau u. am Wormserjoch (Hausm!). Ober- Engadin: am
Westabfall („blais«“) des Piz d’Esen östl. von Scanfs, 7—8000’
Kalk, (Pfr. Tramer); am Albula (bes. häufig im Kalkgerölle
vom See auf der Uebergangshöhe bis gegen den Weissenstein)
65— 7150’ auf Kalkboden in mehreren Formen (mit bis 4—5‘'
langen 2—5blüthigen Stengeln: Brügg.); Alpen um Bevers,
Albula (Krätt.., — Die seegrüne Form: 3. glaueum Heg.
Gaud. habe ich in der Alpe Salüver üb. Celerina gegen Valetta
hin bei 8000’ auf kalkreich. Boden gesammelt. Die Species
im benachbarten Mittelbünden: Alpen von Davos (Weiss- u.
Thiejerfluh, Kalkgrind),, Alveneu u. Oberhalbstein (z. B. um
Ziteil); am Augstberg (hier auch ©. glaueum), und Weisshorn
ob Parpan u. der Chureralpen (zum Signal 8175‘), in Urden,
auf dem Mattlishorn (7590) ob. Peist u. a. O.; in Inner-
Prätigau: am Geisshorn über Saas, Mädris- u. Rätschenhorn
(Ascheriner - Alp.) ete. bei 6500—8500° stets auf Kalk u.
kalkhaltigem Schiefer.
Häufiger auf den höheren Kalkalpen der nordöstlichen Schweiz:
Galanda bis 8600° (C. Wolf), Scesaplana bis 9130° (Rösch! Mor !),
Rhaelicon - Alpen (Rehsteiner!), Glarner-, St. Galler- u. Appen-
zeller-Alpen bei 7—9000‘. Desgl. in den bayrischen Alpen 6550—
8300, nur auf Kalk oder Dolomit beobachtet (Sendiner).
150. €. slaciale Gaud. (C. latifolium Pool
herb.) Höhere u. höchste Alpen des Engadins u, der Nachbar-
thäler, auf Granit, Gneiss, Glimmerschiefer u. andern kieselrei-
chen möglichst kalkarmen Gebirgsarten allgemein verbreitet,
am häufigsten im Gerölle der Gletscher u. für deren Umgebung
charakteristisch, Tritt in zwei durch Regionenverhältnisse be-
dingten Hauptformen auf, die durch Uebergangsformen verbun-
den werden,
a. larum (C. glutinosum Heg? non Autt.) die verlängerte,
lockere, schlaffere, 1—2blüthige Form tieferer Standorte von
6300— 7600’ : so über der Waldgrenze in der (Manaser-) Alp
Pragiand in V. Tiatscha am Muttler (zw. Remüs u. Samnaun):
g*
132 Alsineae
am Rosetsch- u, Cambrena-Gletscher (Bernina), in V. Lavirum
u. in den Alpen über St. Moritz (hier schon von Hegetschw.
a. 1825 gefunden s. Beitr. 247), dann im Dischmäthal (beim
Dürrenboden 6235‘ NO auf Hornblendegestein) und in Arosa
(auf den Serpentinlagern zw. dem Weiss- u. Brüggerhorn) von
mir gesammelt; bei den Raveschseen in den östl. Bergüner-
Alpen (Pfr. Joh. Candrian in Latsch).
ß. subacaule (C. subacauleHeg.) die verkürzte, gedrungene,
compacle, 4blüthige Hochalpenform, von 7600’ bis zur Pha-
nerogamengrenze. Unter-Engadin: am Muttler u. Stammer-
spitz bei 8—9000° am Pass von Remüs nach Samnaun , auf
grauem Schiefer, Im Ober - Engadin bis 10,000°: so auf
dem P. Languard b. Pontresina u. am Granitkegel Piz-Hot
hinter Samaden in geschützten Felsspalten stellenweise bis zum
Gipfel nebst Aretia glacial.; am Piz-Castellatsch u. Passe von
Silvaplana nach Rosetsch bei 8000’ mit C. pedunculatum; im
benachbarten Oberhalbstein am Valetta-Pass 7600—8100° in
gleicher Gesellschaft auf grünem Schiefer mit Serpentin. Auch
anderwärts in Mittelbünden: auf Hornblendegestein , Diorit,
Jaspis etc. der Rothhorngruppe, so in Arosa am Weisshorn-
gipfel (Westseite, auf Quarzit u. Gneiss) u. Plattenhorn (7880°),
auf dem Gipfelplateau des Schwarzhorns über Churwalden
8300° SO grosse Rasenpolster bildend neben Gentiana gla-
cialis, im Schatten überhängender Felsen an NW Gehängen
tiefer herabsteigend, u. von da (mit Unterbrechung) über die
ganze Kette zum Rothhorn u. den Alveneuer-Alpen (hier auf
Verrucano) verbreitet (Brügg.).
Auf kieselreichem Gestein auch in den höchsten Glarner- u. St.
Galler-Alpen (Sandgrat am Tödi 8700°: Nägeli!, Kärpfstock 8620°:
Heer ! — Graue -Hörner über Pfäfers 8787’, Verrucano: von Dr.
Alb. Custer in Rheineck gesammelt u. mir gütigst mitgetheilt). Ist
die Kieselform der vorigen Kalkpflanze, u, hat in den Centrai-
Alpen — wie jene in den „Kalkalpen“ — ihre grösste Verbreitung.
©. glaciale verhält sich also zu C. latifolium ähnlich wie Aronicum
Clusii (inclus. glaciale): A. scorpioides Koch, oder wie Silene
exscapa: 8. acaulis; Arenaria multicaulis Wulf.: A. ciliata L.; Al-
Alsineae 133
sine rhaetica: A. Gerardi: Draba frigida: D. tomentosa; Geranium
lividum: G. phaeum; Pedicularis rostrata: P. Jacquinii; Androsace
obtusifolia: lactea etc. Die dZosse „Hochalpenform“ kann es nicht
sein, da C. glaciale (a. laxum) einerseits noch in der oberen Alpen-
region des Engadins verbreitet ist, andererseits aber auch C. latifo-
lium in den nördl. sog. Kalkalpen bis zur höchsten Grenze der Gefäss-
pflanzen ansteigt. Ein gutes Unterscheidungsmerkmal (gegenüber C.
latifolium) geben auch die viel kleineren glatteren Samen des C.
glaciale ab.
151. C. alpinum L. Alpen des Engadins sehr
selten: auf dem Ofen, Albula (Mor!); Alpen um St. Moritz
(Heg! Beitr. S. 247); in Mittelbünden: auf dem Strela
(Muret! nach Moritzi), Die übrigen Angaben sind mit fol-
sendem zu vergleichen.
Die bezeichneten Standorte fallen sämmtlich auf jenen so merk-
würdigen (schon mehrfach besprochenen) Kalkgebirgsstreifen , der
von der nördl. Kalkzone aus, zwischen den rhätischen Centralmassen
hindurch, über Albula u. Ortler sich mit den südtirolischen Kalk-
gebirgen zu verbinden strebt. Im nördl. Kalkalpenzug der Schweiz:
von der Gemmi zum Kamor u. Rhaeticongebirge zerstreut u. etwas
häufiger.
152. €. lanatum Lam. Ober- Engadin : am
Passe von V. Lavirum nach V. Federia, Livinerseits , auf
einem röthlichen Lehmboden 8000-8600’ SO mit Alchemilla
pubescens u. Leontod. Taraxaci (Brügg.); am Piz-Languard
bei Pontresina (Joh. Colani), Granit u. Gneiss; in Val d’ Eschia
am Piz-Kesch bei Madolein 6800—7600° Glimmer- u. Thon-
schief, , in der Alp Salüver bei Celerina auf gemischter Bo-
denart 8500’ S selten mit C. pedunculatum u. Saxifr. planifol.,
dann am Julier, u. am benachbarten Valetta-Pass auf kiesel-
reicher Bodenart 7— 8000’ von mir — am Pass „zwischen
Avers u. Stalla“ auch von Muret gesammelt. Mittelbünden :
auf Quarz-, Glimmer- u, Hornblendegestein der Gebirgskette
vom Gürgaletsch zum Rothhorn östlich über Churwalden 7—
8300‘, besonders häufig an den westl, u. südwestl. Gehängen
des Schwarzhorns mit Artemisia spicata, auch auf Serpentin-
134 Alsineae
gries in den Chureralpen am Haltji u. bis zum Gipfel-Kamm
des Brüggerhorns (Brügg.). — Oberinnthaler- u. Vintsch-
gauer-Alpen, um Laas (Hausm !).
Selten in den höhern Alpen der nordöstl. Schweiz (Glarner- u.
St. Galler-Alpen) auf kieseligem Boden in Gesellschaft anderer Kie-
selpflanzen. Spielt somit (in der oberen Alpen- u. unteren Schnee-
region) die Rolle der Kieselform gegenüber dem jedenfalls eine
kalkreiche Bodenmischung verlangenden C. alpinum (der mittleren
Alpenregion); beide zeigen auch ähnliche Verbreitungsverhältnisse
wie die analogen Formen des Typus von C. latifolium, von dem
sie sich aber schon durch die gänzlich verschiedenen (kleinern, unbe-
flügelten, unberandeten, nierenförmigen, ähnlich wie die des C. tri-
viale bekörnten) Samen auszeichnen, sich dadurch. sowie durch ihre
ganze äussere Erscheinung, als Formen eines eigenthümlichen — dem
C. triviale ebenso nahe (als dem C. latifolium) verwandten — Typus
(@v. C. alpinum) zu erkennen gebend.
— Cerastium ovatum Hoppe. Im benach-
barten Tirol: Oberinnthaler- u. Vintschgauer-Alpen (Sauter
u. Facchini! in B. v. Hausm. Fl. v. Tir. 153).
Eine noch wenig gekannte Pflanze der Ostalpen — wach Facchini
bloss ausgezeichnete Form des vorigen Typus u. mit C. lanatum
etwa auf gleicher Linie stehend — die von Steyermark u. Krain her
durch Kärnthen über den Glockner nach Central-Tirol (hier auf den
Alpen des östl. Pusterthales am häufigsten) verbreitet. in den Mün-
sterthaler - u. Unter-Engadiner-Alpen , wohl nicht erfolglos, auf-
gesucht werden dürfte. Ihre Bodenbeziehungen sind noch. nicht
aufgehellt.
153. Cerastium arvense 2. im tirolischen
Innthale bis Imst 2300‘ herauf zerstreut (nach Hausm'!) In
unserm Geb. wurden folgende Formen beobachtet :
b. Poolianum (C. Poolianum Brügg. hb. — ,.C. repens“*
Pool im ..N. Sammler für Bünden“* 1804 S. 83): caulibus
1/a—1 pedalibus gracilibus (foliisque tenuioribus) — rigidulis
subvillosis. apicem versus simul cum inflorescentia _lota dense
glandulosis viscosis; foliis anguste-lanceolatis utrinque alte-
nuatis (acutiusculis), axillaribus faseiculatis linearibus; bracteis
margine eircumciliatis sepalisque late membranaceis; cyma
Alsineae 135
paueiflora (trifurcata s. trichotoma) patula ; floribus seminibus-
que minoribus.
Unter-Engadin ‚,‚an steinigen Orten‘ (vom sel. Decan Pool
schon a. 1782 beobachtet!): um Tarasp ce. 4000‘, an son-
nigen steinigen Wegborden um Ardez, Lavin u. Süss 4400—
4700° auf grauem Schiefer und Hornblendegestein (Brügg.).
Ce. alpicoltum Bıgg. (C. arvense Mor. Fl. d. Schw. 143
quoad loc. rhaet.): totum plus minusve pilosum superne
glanduliferum, dense caespitosum , turionibus abbreviatis,
caulibus adscendentibus firmulis 2— 5 pollicar. 1—3(—8)-
Noris, foliis lanceolatis utrinque altenualis, in axillis inferior.
pleramque tenuioribus fasciculatis ; floribus seminibusque ma-
joribus. (Hieher wohl C. strietum canum Heg. Fl. d. Schw. 432).
Unter- Engadin : häufig im obern Searl- Thal von der
Mündung des V. Seesvenna (bei Scarl 5600°) bis zur Grenze
am Pass nach Taufers u. Münster (la Cruschetta 7140°) , auf
Gneiss, Granit u. Verrucano ; dann am Ofenpass in der Thal-
mulde vom Wirthshaus (igl Fuorn) bis Sür-Som (Buffalora)
3600—6600° auf Verrucano (Brügg.). Wormserjochstrasse
bei Trafoi 5--6000° Thonglimmerschief. (Hausm)).
Ober-Engadin, an steinigen Halden, Felsen, Wegen, Mauern
im Thale u. auf Alptriften bis fast zur Schneegrenze 5 —8000°,
häufig u. ebenfalls‘ stets auf kiesel(kali-)reicher Unterlage:
Samaden u. Bernina (Mor. hb.); um Cinuskel u. Brail, in
Val d’ Eschia b. Madulein bis 7500‘, im vordern Camogasker-
thal (V. Chiamuera, auf herabgestürzten Gneiss- u. Granit-
blöcken mit Pinus Cembra) , bei Bevers, Samaden (Sassellas,
Suottsass), Celerina (S. Giann, Crasta), Pontresina, St, Moritz.
im Roseg- Thal, über der Sauerquelle von St, Moritz am
Rosatsch, am Julier (Alpe Julia), auf Maloja, u. bis zur Pass-
höhe des Stallerbergs (ce. 8000%) von mir beobachtet.
Im benachbarten Mittelbünden, ferners : in Bergün auf Feld-
mauern (aus Feldspathgestein) bis ce, 4300’ Thall. ; im Oder-
halbstein (auf Chlorit, Gabbro, Serpentin, u. daraus erbauten
Feldmauern) noch häufig bis Sur u. Molins 4500° NO; in
136 Alsineae
Schams ob Bärenburg am Eingange der Roffla c. 3500‘ NW
ebenfalls auf krystallinischer Gebirgsart (Brügg.). Dann weiter
oben im Rheinwald (vom Thal in die Alpen) häufiger (Pfr.
Felix).
In der Ebene, Hügel - oder untern Bergregion des ganzen rhä-
tischen — sowie überhaupt des ostschweizerischen u. vorarlbergischen
Rheingebietes bis zum Bodensee — ja wesiwärts bis Schaffhausen
u. zum untern Töss-Thal — hat man sonderbarerweise — mit Aus-
nahme seltener sporadischen aus den Alpen herabgeschwemmten
Exemplare (so einmal €. strietum canum Heg. in der Au bei Chur
auf Rheinsand 1730) — weder ein ächtes C. arvense noch irgend
eine Form dieses Typus beobachtet. Aus Bodenverhältnissen allein
lässt sich diese Erscheinung bei dieser Art nicht erklären. Denn
C. arvense der Ebene wird einerseits als bodenschwank bezeich-
net, anderseits ist es auf den kalkreichen Bodenarten der süd-
bayrischen Hochebene z. B. um München (auf. Nagelfluh . Kies-
u. Lehmboden, nach Prof. Sendtners u. meinen eigenen Beobach-
tungen) — sowie im ganzen Zuge des Jura von Genf bis Schaff-
hausen (nach Gaud., Heg.. Mor.. Thurmann u. A.) — eine
allgemein verbreitete häufige Pflanze: während eben solche Boden-
arten auch in dem bezeichneten Rheingebiete die vorherrschenden
sind. Noch weniger scheint das auffallende Fehlen od. Ver-
schwinden dieser Art südlich vom Bodensee mit Temperatur-(Regio-
nen-)Verhältnissen zusammenzuhängen , da dieselbe doch in Süd-
bayern u. in Nordtirol zur oberen Grenze der Hügel- od. untern
Bergregion, also über die Höhe von Ilanz od. Thusis ansteigt, und
schon auf der Hochebene Münchens (1570—1780° , der Thurmknopf
der Frauenkirche nach Sendiner sogar 1896’) die Höhe des Rhein-
thales bei Chur (1700—1900°, St. Martinskirche Boden nach Coaz
1844°) erreicht, auch die mittlere Jahres- (+ 9,4° C. nach 6j. Beob.
1850-55) u. Sommer-Temperatur (+ 17,72° C.) von Chur*) zwi-
schen derjenigen von München einerseits u. Genf oder Schaffhausen
anderseits (beides bekannte Standorte dieser Pflanze) ungefähr die
Mitte zu halten scheint. Sehr beachtenswerth ist, dass C, arvense in
Südbayern (nach Sendtner) gegen die Alpen zu selten u. über 2450°
nicht mehr angetroffen — auch nicht durch €. strietum ersetzt
*) Aus den von Hrn. Pfr. Herold (nach täglich 3maligen Beob-
achtungen) im „Bündn. Monatsbl.“ mitgetheilten monatlichen
Mitteln berechnet.
Alsineae 137
wird, wie dagegen letzteres in den (Kalk-)Aipen der nordöst!.
Schweiz u. zum Theil Vorarlbergs der Fall. — Aus Allem dem
möchte man fast abnehmen, dass unser C. arvense alpicolum, welches
in den Centralalpen, wenigstens vom Gotthard zum Glockner, bei
4—8000° allgemein verbreitet — übrigens von C. arvense der Ebene
nur durch die gewöhnlichen Auszeichnungen der Alpenformen unter-
schieden scheint — als eine von letzterer in ganz Deutschland ver-
breiteten Pflanze — deren S Verbreitungsgrenze sich längs des Nord-
randes der Alpen von Salzburg. nach Genf verfolgen lässt — ver-
schiedene, selbstständig verbreitete Art anzusehen sei. — Die Angaben.
wornach C. arvense L. auch in der Ebene südlich der Alpen (in der
Lombardei etc.) vorkäme, mögen sich wohl auf eine od. mehrere
der zahlreichen übrigen Formen beziehen , wodurch dieser Typus im
südl. Europa vertreten wird (C. sulfruticosum L., laricifolium Vill.,
repens L., insubricum Moretti., tomentosum L, etc.). Der Umstand,
dass in den transalpinen (zum Po-Gebiet gehörigen) Thälern Rhätiens
noch kein U. arvense gefunden wurde, u, das Vorkommen des zwi-
schen diesem u. C. repens L. Rehb. od. C. insubricum Moreit. gleich-
sam in der Mitte stehenden C. Poolianum im Unter - Engadin —
scheinen obige Ansicht zu unterstülzen.
154. ©. strietum Hänke (nach Koch !), Unter-
Engadin: auf Kalk im vordern Scarlihal (Schmelzboden c.
5500°), u. jenseits der Grenz- u. Wasserscheide im Avigna-
Thal (Tauferer- Alpen, Mangiz bis 5600° herab mit Aster
alpinus auf Kalkblöcken). Ober-Engadin: steinige Thalge-
hänge (hier schon vor 1783 vom sel. Decan Pool beobachtet)
u. Alptriften 5500 7500° auf Kalkboden, nicht selten: bei
Scanfs (Pfr. Tramer); häufig oberhalb Zuz (in den „Maien-
sässen‘*) u. in Val d’ Eschia 55007000‘, im äussern Camo-
gasker-Thal (V, Chiamuera), um Samaden (Kalkofen, Planetsch,
N-Abhang von Muotas), am Albula u. in der Celeriner- Alp
(Laret) über St. Moritz, sowie im Vordergrunde von V, Fex
bei Sils von mir gesammelt. Mittelbünden: am Fianell u. P,
Beverin, in Schamser- u. Oberhalbsteiner-Alpen (um Ziteil u.
Sur), Alpen von Alveneu u. Churwalden (Buolen-Alp, Brüg-
gerberg, Rundtschuggen, Joch- u. Steiz-Alpe) häufig, in Bergün
u. in Davos (westl. Gebirge, obere Staffelalpiriften gegen die
138 Alsineae
Weissfluh) — stets auf Kalk, Marmor, Mergel- od. kalkreichem
grauen Schiefer od. andern kalkhaltigen Gesteinsarten u, deren
Verwitterungsprodukten in der Höhe von 6-7000° (Brügg.).
Montafuner-Alpen: Weisse-Wand (Custer!); am Rhaetikon
(Rehsteiner !),
Wegen bisheriger gewöhnlichen Verwechslung od. Verschmelzung
mit der Kiesel-(Kali-)Form €. arvense alpicolum, als dessen Ver-
treterin auf Kalkboden (Kalkform) unser €. strietum erscheint, lässt
sich seine Verbreitung durch die ganze Alpenkette noch nicht genauer
verfolgen. Schon der grosse Haller hat (hist. stirp, helv. a. 1768)
unsere Pflanze (unter Nro. 892 als „Myosotis foliis linearibus glabris“)
von den Formen des C. arvense (seiner Nro. 889 Myosotis foliis
linearibus lanceolatis — in der Beschreibung nennt er sie semper
subhirsuta, certe ciliata —, pelalis calyce duplo longioribus) —
unter dessen Standorten er ausdrücklich auch das (mit seiner Thal-
sohle schon ganz in der subalpinen Region u. im Urgebirge ge-
legene) Ursernthal erwähnt — , vorsichtig getrennt. u. davon eine
bessere Beschreibung als Abbildung (tab. XIV. fig, 1 — in welcher
jedoch unsere Pflanze nicht zu verkennen) geliefert. Ueber ihre Ver-
breitung sagt er: sie sei in den (Schweizer-)Alpen überall häufig ;
Haller kannte vorzüglich die westliche Alpenflora. Hänke selbst fand
sein C. strietum im südöstl. Tirol: „auf allen Alpen um Lienz“ —
in welcher Gegend Kalk u. kalkhaltige Schiefer die vorherrschenden
Gesteinsarten, worauf dasselbe auch in den rhälischen Alpen ge-
wöhnlich vorkömmt. Auf ähnlicher (kalkiger od. kalkführender)
Gebirgsart wird es von Unger u. Traunsteiner bei 6000 in den nord-
‚östl. Tiroler-Alpen (um Kilzbüchl) angegeben, — und ist von diesen
Punkten aus (nach v. Hausm.) auf beiden Seiten der tirol. Central-
kette bis zum Brenner hin verbreitet, in den Alpen des Unter-Inn-
thals (nördl. über Rattenberg 4800—6500°7) -—- wie westlicher am
Rhaeticon — den Südrand der nördl. Kalkalpenzone berührend, aber
auch da u, dort, so in dem (von zahlreichen Urkalklagern durch-
setzten) obern Ziller-(od. Zemm-)thale — wie so vielfach (mit dem
Kalkgebirge u. dessen Flora) in den osirhätischen Alpen zwisch den
Etschquellen u. dem Hinterrhein — mitten ins Gebiet der Centralalpen
eindringend —: während es, im Querschnitte zwisch. Rhein u. Linth
(so in den Grabser-Alpen auf der 7-Churfirsten-Kette bei 5—6000°
NO in Gesellschaft einer untadelhaften reinen Kalkllora: Brügg.; in
den Appenzeller- u. Glarner-Alpen: Frölich! Heer!) auch über das
Alsineae 139
eigentliche Kalkalpengebiet ausgestreut erscheint. — Sein verticaler
Verbreitungsbezirk scheint — nach bisherigen Beobachtungen — in
unserem Geb. sich (um 500—1500°) weniger nach Tiefe u. Höhe
auszudehnen als derjenige der Kieselform (C. arvense alpicolum).
Bei solcher Verschiedenheit in der ganzen Lebenserscheinung dieser
beiden Formen liegt es wohl im. Interesse sowohl der Pflanzen-
Geographie als der -Physiologie: die Beziehungen derselben — heisse
man diese nun species, subspecies oder varietates — zu Klima u,
Boden einer gesonderten nähern Untersuchung u. Betrachtung zu
würdigen, gerade um die zwar anerkannten — weil unverkennbaren
— u. geahnten, aber ebenso wenig gekannten als allgemein u. plan-
mässig. erforschten — Einflüsse dieser mächtigen äussern Agentien auf
die Vegelabilien u. deren Formwandlungen mehr kennen zu lernen.
— Im Hinblicke auf die hier besprochenen Formen von Cerastium.
Alsine u. einiger verwandten Gattungen mag denn wohl die keines-
wegs müssige Frage erlaubt sein: ob die mehr entwickelte (haarige
oder drüsige) Bekleidung (dieser alpinen Kieselpflanzen od. Kie-
selformen gegenüber den entsprechenden (drüsenlos- u. schwachbe-
haarten, od. sanz kahlen) Kalkpflanzen od. Kalkformen gleicher
Typen, Gattungen, Familien (?) — bloss zufällig? — oder aber die
nothwendige natürliche Folge ihrer jeweiligen Aussenverhältnisse.
ihrer eigenthümlichen Bodenbedürfuisse , Nahrung — wie diese die
Grundbedingungen ihrer Existenz — also stetig u, gesetzmässig ? —
Für die Wahrscheinlichkeil des Letztern sprechen: das häufige
Wiederkehren dieser Erscheinung in der bier bereits behandelten
Abtheilung des Pflanzenreichs, sprechende Analogien in vielen der
übrigen dikotyledon. Familien (z. B. Geraniaceen, Rosaceen „ Saxi-
frageen, Rhinanthaceen, Primulaceen, Papaveraceen, Ericaceen, Com-
positen: bei Erigeron, Crepis, Senecio, Hieracium etc,), sowie die in
der Natur nach allen Richtungen hin herrschende wunderbare Ordnung
u. Gesetzmässigkeit. Ist diese durch hinreichende unmittelbare Natur-
beobachtung auch einmal hierin mil Gewissheit erkannt — dann reihen
sich daran weitere Fragen von grösster Wichtigkeit u, Tragweite: Wie
weit reicht die Macht dieser äussern Einflüsse einerseits, u. diese Ab-
hängigkeit der Pflanzenformen anderseits? Ist es möglich — u. dann
nothwendig, dass — sowie reine kieselige Bodenarten durch alle mög-
lichen procentigen Mischungen hindurch allmählig in reine Kalkböden
übergehen — ebenso entsprechende stuffenweise Uebergänge in der
Bekleidung — wie in andern morphologischen Erscheinungen — der
darauf wachsenden u. ihrem Einflusse preisgegebenen Pflanzengebilde
140 Alsineae
entstehen u. damit parallel gehen? — — somit unter gegebenen
Verhältnissen die eine Form in die andere — z. B. die Kieselform
C. arvense alpicolum in die Kalkform C. strietum — sich verwandle ?
— — Weit entfernt, hier mehr versuchen zu wollen als die An-
regung u. Untersuchung solcher Fragen, zu deren Lösung es reich-
licherer u. vielseitigerer Erfahrungen bedarf als uns jezt noch zu
Gebote stehen, — möchte ich nur mein bescheiden Scherflein dazu
beitragen „ indem ich einige hierauf bezügliche "Thatsachen — von
dem Verf. an Ort u. Stelle aufgezeichnete Beobachtungen über Be-
kleidungsveränderungen von Cerastium strietum Hk. nach verschie-
denen Boden- u. Gebirgsarten — hier anführe, deren Beweiskraft
zu Gunsten der lelztern Ansicht ganz dahingestellt sein lassend. —
Gewöhnlich hat diese Pflanze kahle Kelche, Stengel u. Blätter,
letztere höchstens an der Basis schwach gewimpert, die Blüthen-
stiele (von abwärts gebogenen kurzen drüsenlosen Haaren) mehr
od. weniger behaart. Wechselt aber:
a) „mit ganz drüsig - behaarten Blüthenstielen.“ So auf der
7-Churfirsten-Kette (Kreidebildung) im Kt. St. Gallen: im Hinter-
srund der Grabser-Alpen unter der Kammhöhe der „Tscherlacher
Niedere“* bei 5600° NO auf kieselführendem Kalk — vereinzelt in
Gesellschaft einer etwas getrübten Kalkflora mit Luzula spadicea.
Aira montana, Salix relusa, Gentiana punctata, Rhododendron fer-
rugineum, Erigeron uniflorus, Gnaphalium norvegicum , Trifolium
badium etc.
b) „Stengel oberwärts nebst den Blüthenstielen drüsig - be-
haart,“ Solche Expl. oberhalb Zuz im Ober-Engadin gegen die
Alpen Belvair u. Eschia 5500-6500 SO u. S auf Triaskalk (nach
Studer) u. kalkreichem grauem Schiefer — mit häufigen Gneiss- u.
Granitblöcken — u. Viola alpestris (saxat.), Alsine rhaetica, Lych-
nis diurna /3. glandulosa ete. Eine ähnliche Varietät in den Appen-
zeller-Alpen nach Fröhlich !
c) „Blüthenstiele sammt der Basis des Kelchs mehr od. we-
niger drüsig, der Stengel kahl mit einer herablaufenden Flaumlinie
oder auch ganz flaumhaarig (öfters 1blüthig), die Blätter kahl od.
an der verschmälerten Basis bewimpert,“ So auf dem „grauen
Schiefer“-Geb. Mittelbündens: in Churwalden auf Stetz 6—6500° O
auf kalkreichem Lehmboden — mit vorherrschenden Kalkpflanzen u.
einzelnen eingestreuten kieselbrauchenden (z. B. Silene rupestris,
Erigeron uniflorus) *).
*) Diese Abänderung sammelte (vor etwa 80 Jahren) auch ‚Im
Ober-Engadin der sel. Decan Pool, in dessen Herbarium sich
Lineae 141
d) „Blüthenstiele u. Kelchbasis drüsenlos behaart, Blätter be-
wimpert übrigens ganz kahl nach der Basis verschmälert.“ Diese
Abänderung ebenfalls in Churwalden, am östlichen Grat: in’s Buolen-
Alp bei 6—7000° W auf gemischtem Boden (Kalk, kalk- u. glim-
merhaltige Schiefer) mit einer ebenso gemischten Flora z. B, Ane-
mone alpina u. sulfurea.
Auf die zum Theil auch diese Frage berührende Erscheinung : dass
viele Typen u. Gattungen unserer Alpenflora, welche mehrere Ge-
birgsetagen nach einander bewohnen, mit den Standorten zugleich
auch ihre chemischen Bodenbeziehungen wechseln — namentlich öfters
im Tieflande durch Kalk- im Hochlande durch Kiesel-Pflanzen, auch
wohl umgekehrt vertreten werden — darauf habe ich in dieser Ar-
beit schon wiederholt u. mit Nachdruck hingedeutet.
Für die systematische Botanik aber möchte ich hier den Rath
wiederholen : die Hornkräuter u. übrigen Mierengewächse — sowie
sämmtliche artenreichen- weit verbreiteten Gattungen u. Familien der
Alpenflora, deren Lebenserscheinungen noch lange nicht erschöpfend
beobachtet u. erkannt sind, in Zukunft wieder mehr in freier Natur,
nach dem Leben u. dessen Aeusserungen in kräftig pulsirender Ge-
birgswelt in reiner Alpenluft, — statt in dumpfer Zimmer-Atmo-
sphäre im Staube der Bibliotheken u. Herbarien nach todten Indi-
viduen od. deren Partikeln u. Schattenrissen — zu studiren, u. auf
solchen Grund ihre Urtheile u. Bauten zu gründen. Dort auf jenen
lichten freien Höhen reichen der alternden kränkelnden Schwester
Systematik die jüngern so hoffnungsvoll aufblühenden Töchter der
scientia amabilis — Phyto -Geographie u. Physiologie — freundlich
die hülfreichen Hände; in ihrem Vereine wird sie dort neu erblühn
u. erstarken — während hier einsames Welken u. Verkümmern bei
Danaidenarbeit ihr bevorsteht! —
Ordo XII. Lineae DC.
155. Linum catharticum L. Unter-Engadin:
in Bergwiesen gegen die Alp Primarans (5320’) ob Remüs, u.
die bezügliche Pflanze unter dem Namen „C. strietum L.“ (mit
dem Citat von Haller’s Myosotis Nro. 892, u. Scheuchz. alp.
2. p. 130.) noch vorfindet,
142 Lineae
bis zur Waldgrenze (7000° NW) in der Alp Pragiand in V.
Tiatscha (gegen Samnaun) auf kalkhalt. Schiefer; um, Vul-
pera u. im vordern Scarlthal am Wege bis nach Scarl 5600’.
auf Kalk- u. Dolomitsand u. Gerölle; dann bei Zernez (la
Serra, Champ-sech, am Wege nach dem Ofen); Münster-
thal: auf Kalkboden bis Sür -Som (Fülderaberg) 6660°, u.
am ganzen Buffalora-Pass. Meist auf gleicher Bodenart auch
im Ober-Engadin: noch üppige bis 5° hohe Expl. oberhalb
Zuz u. gegen Val d’ Eschia über 6000’; kleinere gedrängte Formen
in .Val-Chiamuera (Kalk) hinter Camogask. gegen P. Vaüglia
bis an 7300° SW (Brügg.); bei Bevers u. im :Beverserthal
bis über die Waldgrenze (Krätt!); bei Samaden am linken
Innufer (auf kalkhaltigem sandigen Lehmboden), u. in der
Alpe Saluver (am P. Padella) ob Celerina um 7000’ S
(Brgg.). — Inner-Prätigau (so um Serneus, in St. Antönien
bis Rüti 4500°) auf eocenem Flysch, dann auf den mächtigen
Kalk-, Dolomit- u. Schiefer-Gebirgen von Mittelbünden ge-
mein: in Schanfik (Funday: Waldgrenze bei Sirassberg 5900‘),
Davos (beim Schwarzensee 4700°) u. Bergün (häufig im Kalk-
u. Dolomitgries am Weg zum Weissenstein am Albula 4300—
6000°%), dann in Belfort (Alveneu, Surava) u. im Thalgrund
von Tiefenkasten (Cursera, Prada, Müsteil), auf den kalkfüh-
renden grauen Schiefern in Schams, Domleschg (Viamala,
Garschenna, Johannisstein, Tagstein, von Sils und Thusis bis
Rothenbrunnen u. Realta, bei 2—2500’ in der‘ letzten Decade
des Mai, bei 3500° SW um Mitte Juni aufblühend), am Drei-
bündenberg (Feldis) u. Heinzenberg hoch in die Mayensässe
gegen 6000'.
In der Berg- u. Hügelregion (Thusis, Fürstenau, Chur etc.) immer
auf mehr od. weniger feuchten Triften, Waiden, Wiesen, Riedern.
(mit mergeliger od. lehmiger Unterlage) — während in der Alpen-
region auf an sich ganz trockenen (permeablen) Bodenarten, wie
andere feuchtigkeits-liebende Pflanzen des Tieflands auch; nie jedoch
in unserm Geb. auf einem Boden beobachtet, dem man allen Kalk-
gehalt absprechen könnte — wohl aber u. nicht selten auf möglichst
kieselfreiem Kalkboden (Alm- u. Sinterbildungen). — Erhebt sich
auf den bayrischen Kalkalpen im Mittel bis 6275° (Sendtn.).
Lineae 143
— L. usitatissimum L. (.‚glin““im Ladinischen ;
Flachs) sah ich cultivirt in Samnaun bis zum hintersten
Weiler 5700° SO; im Unter- Engadin : häufig um Strada,
Remüs, Sins, Schuls, Tarasp (Vulpera, Fontana), Fettan,
Lavin, Zernez; im Ober-Engadin noch etwas bei Zuz 5300—
5500° SO, — weiter oben aber nur mehr als Zierpflanze in
Gärten; der noch vor wenigen Decennien berühmte Flachsbau
von Sils 5600’ *) existirt jetzt nur mehr in der Litteratur u.
der Erinnerung der Einwohner. Einer ähnlichen Abnahme des
Ackerbaus im Ober-Engadin seit Anf. dieses Jahrhunderts
begegnen wir bei den Cerealien; die Ursachen liegen ohne
Zweifel vielmehr in socialen als physikalischen Verhältnissen.
Im obern Bergell ist der Flachs ein Hauptprodukt des Feld-
baus. Im Hochvintschgau bis Haid, Graun 4600-—-4800',
Taufers; im Münsterthal von Münster 3850° bis Fuldera,
Cierfs 5200 — 5500’ S u. Lü 5900° SW — wächst viel u.
schöner Flachs. Weniger im Rheingebiet Mittelbündens: au
der Oberlanquart bis Klosters u. Pany, c. 4000’ Thall. u.
4200° SO, in Davos bis 4800° O u. 5000° W (Platz, Mon-
stein), in Bergün bis Latsch 5000-5300’ S noch gut gedei-
hend; im übrigen Albula-Bezirk, in Schams, Domleschg, am
Heinzenberg ,„- in Safien etc. bei 3—5000’, wird er wenig u.
z. Thl. mehr des Samens wegen gepflanzt. In Avers würde
er, frühern Versuchen zufolge, noch zu Campsut 5200° SW
ziemlich gut fortkommen. — Verwilderte Expl. traf ich an
Wegborden od. im Getreide in Samnaun bei Raveisch (5490’
SO) u. Plan, im Unter- Engadin bei Strada, Schuls (Val-
Chialschina), Zernez 4600‘ u. in Churwalden bei Malix
3500’ 0.
*) Man pflanzte — jedoch nur zum Hausgebrauch — i. J. 1808
noch ziemlich viel in den Gärten zu Maria (weniger in Silva-
plana 5620° u. Campfer 5650°); aus */, Quartane Leinsamen auf
20—30 Klafter Boden erhielt man c. 7 Pfund reinen Flachs u.
ebensoviel Werg. Damit er desto feiner würde, erntete man
ihn vor der Samenreife. (Notizen von Hrn. Hauptm. Bansi.
mitgeth. im „N. Sammler“ f. Bünden. Jg VI. 297).
144 Malvaceae
In West-Rhätien geht diese Cultur im Rheinwald bis Hinterrhein
etwas über 5000° S, in Lungnez bis St. Peter in Vals ce. 4000’ Thall.,
in Tavetsch (am Vorderrhein) bis Chiamut um 4900°S. — Im Verrucano-
Geb. des südöstl. Glarus wird nach Heer bis 4500 (an Südabhängen)
Flachs angebaut; im Kalkalpengeb. Südbayerns dagegen nach Sendt-
ner nur bis 3600‘, im angränzenden Nordtirol bis 3660, — hat aber
dort gerade in den obersten Grenzen seiner Cultur, freilich auf tief-
sründigem vortrefflichen Boden, seine üppigste Entwicklung (Sendtn.).
Im Porphyrgeb. Südtirols (am Ritten im Gebiete von Bozen, wo
seltener gebaut) nach v. Hausmann bis 4800’; die vorzüglichste
Sorte Flachs , die dem Brabanter nicht viel nachstehen soll, wird
auch in Tirol in den Thälern der Centralalpen od. deren unmittel-
baren Nachbarschaft, bei 2-3500° auf den fruchtbaren Alluvien des
Gneiss-, Thon- u. Glimmerschiefer-Geb. erzeugt, u. soll die jähr-
liche Ernte dort um 18,400 Centner (die des, mehr im südl. Landes-
theil gebauten, Hanfes nur etwa den 4ten Theil davon) betragen. —
Für das Inn- u. Etschgebiet der rhätischen Centralalpen ergiebt sich
als mittlere obere Grenze für den Flachsbau die Höhe von 5500—
5600’, für das Rheingebiet etwa 5000‘, je nach Gunst der Lage etwas
höher od, tiefer. Auch der Umstand, dass dieselbe im gemässigten
Europa (bis zum 64° nördl. Breite) besser gedeiht als im Süden —
empfiehlt den Anbau dieser etwas feuchtigkeitliebenden Pflanze für
unsere Berggegenden, namentlich auf den Verwitterungsprodukten
krystallinischer (Feldspath-, Glimmer-, Thon-) Gesteinsarten.
Ordo XIV. Malvaceae R. Br.
— Malva Alecea L. Oberinnthal: bei Ladis (um
3000°2); Vintschgau: bei Mals 3300’, u. an der Grenze des
bündnerschen Münsterthales bei Taufers 3720° (Hausm. Fl.
Tir.); eine Form: M. fastigiata Cavan. auch bei Laas 3616’
(Tapp ).
Im Rheingebiet Nord-Rhätiens kaum bis 2500° (Rhäzüns, Bonaduz,
Chur: Mor! Brgg.. Untervatz: Krätt.). in Südbayern nur bis 1860‘
(Sendtn.).
Malvaceae 145
— M. sylvestris L. Schiefergeb. Inner-Prätiyaus
(bis Telfsch ob. Küblis, 3300° SW) u. Mittelbündens: im
Schanfik bei Maladers (3100° SO) u. Castiel sogar bis 3700’ S;
im Albula-Bezirk selten an Acker- u. Wegborden von Tiefen-
kasten nach Alvaschein 3050° SW, im Domleschg (Scharans.
Rietberg, Canova c. 2500); um Chur (Lürlibad), u. im Rhein-
u. Landquartthale des nördl, Bünden häufiger.
Ueber die ganze nordöstl. Schweiz, bis 2600° (Gräplang b. Flums,
Gamserberg: Brügg.; Heiden, Teufen: Frölich!), u. Vorarlberg
89°)
(Röns hinter Feldkirch: Brgg.) verbreitet; in Südbayern bis 2450‘
(Sendtn !!).
156. M. vulgaris Fries. (M. rotundifolia Autt.
— „Malvgia‘“ im Ladinischen, ‚‚malgias‘‘ in Bergün, „‚mal-
vangs‘‘ inSchams, „‚(feglia) maniocca od, meniocca‘‘ im Ober-
halbstein u. Oberland (Lungnez); ,‚Pappelikrut‘‘, ‚„„Käslikrut‘*).
„Kaspappl“* (Unterinnthal bei Wattens); Unter - Engadin bei
Remüs u. Manas bis 5000’ S, in Gärten von Fettan 5090° SO,
u. um Tarasp (z. B. am Schlossberg bis zuoberst 4630’: Brügg.);
Ober-Engadin unkrautartig in u. um Gärten: zu Bevers (Krätt.
im Juli blüh.). Celerina 5320’, Samaden 5400’ SO u. Pon-
tresina 5580° SW (d. 10. Sept. 55 blüh. u. frucht. : Brügg.).
Im benachbarten rhätischen Rheingebiet überall häufig, höchste
beobachtete Punkte: Telfsch ob Küblis, Maiensässe (Darnatel,
Salunas, Salvatorta) von Peist um die Hütten c. 4900’ SO,
Davos am Platz 4800’ O, u. Bergün in Gärten 4280’ Thall..
Tinzen im Oberhalbstein 3980’ (Strassenbord bei der Errbrücke),
Obervaz A050‘ SO und Solis 3650° NO (aber nicht mehr zu
Unter-Mutten), Zillis u. Andeer in Schams auf Schutt bei
3100° (d. 28. Juni 55 blüh. u. frucht.), Scheid 4030’ SO u,
Churwalden in Gärten wenigstens 4000’ N (Brüggershus, Ried,
Hof). — (Steigt nach Sendtner in Südbayern nur bis 2800).
Die Pflanzen höherer Standorte haben auch bei dieser Art bedeu-
tend grössere Blumen, bei dafür kleinerm Leib: namentlich zeichnen
sich diejenigen des Ober-Engadins aus: dnrch Blülhen fast von der
Grösse derer von M. sylvestris mit Blumenblättern von der 3—4fachen
10
146 Tiliaceae
Länge des Kelchs — zum Beweise, dass auch Unkräuter u. Ruderal-
pflanzen von den Einflüssen der Aussenwelt (bes. des Klimas) nicht
emanzipirt sind.
— MM, erispa L, sah ich noch in den Gärten Ober-Engadins :
zu Celerina u. Pontresina 5580° SW (10. IX. 55 blüh. u. frucht.) ;
in Prätigau (Luzein) u. Mittelbünden in Gärten: Davos (Dörfli
4800°), Churwalden (im Land 3800‘ Thall.), zu Savognin (3810) im
Oberhalbstein, im Domleschg (um Thusis , Cazis, Realta) bisweilen
auf Schutt verwildernd. am Heinzenberg zu Masein c. 2800‘, Sarı
3700 0,
— Althaea rosea Cav. (,„Stockrosen“, „Herbstrosen“)
ein Hauptschmuck der ländlichen. Gärten unsers Geb. , bis hoch ins
Ober-Engadin noch die grösste Blüthenpracht entfaltend: in Zuz
5300°, Samaden 5400, Pontresina 5580° SW, doch zur Sils (Maria)
5600, in zwar gut geschützter aber weniger dem direkten Einflusse
der Sonnenstrahlen ausgesetzten Lage im horizontalen Thalgrund auf ”
kalkhaltigem. Boden, hatte sie am 8. Sept. dieses späten Jahr-
ganges (1855) noch keine Blüthen entwickelt (während doch zu
gleicher Zeit zu Poniresina, auf Granitlboden, schon blühend).
Mittelbünden: kommt sie im Oberhalbstein (zu Savognin 3810 S),
in Schams (zu Andeer 3100‘ Thallage), in Churwalden (,,im Land‘
3800° O) noch gut fort.
— Lavatera trimestris L. nach B. v. Hausm. im Vintsch-
gau an der Strasse, bei Laas (3600°) am Lorelzhofe, ‘um Meran,
wohl: nur verwildert. Eine noch verwandte Pflanze blüht nicht selten
in. den Blumengärlen Ober-Engadins (Samaden , Pontresina „ Sils)
bis 5600’. r
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