ee ER FT ul FOR THE PEORLE FOR EDVCATION FOR SCIENCE LIBRARY OF THE AMERICAN MUSEUM OF NATURAL HISTORY Januar—Februar 1881. Zeitschrift für die (desammten Naturwissenschaften. Originalabhandlungen und Berichte. Redigirt von Dr, C. 6. Giebel, Professor a. d. Universität in Halle. Dritte Folge. 1881. Band VI (Der ganzen Reihe LIV. Band.) Mit 1 Tafel. ® Berlin, Verlag von Paul Parey. 1881. Ef ® Die diesem Hefte beigegebene Tafel XV. gehört Zum November-Dezember-Heft 1880. Erz iv AR zn . S: Per 7 ISEUN AD I DZ N Am ..: A Anzeige.) Die diesjährige zweitägige Generalversammlung sind wir zufälliger Hindernisse wegen genöthigt zu verta dagegen wird die eintägige an einem noch zu ‚bestimmen- den Sonntage in Bitterfeld gehalten werden. PEN s Der Vorstand. ki Inhalt. Original-Aufsätze. Karsch. Neue Juliden des Berliner Museums, als Prodromus einer Juliden-Monographie . . DEE Luedecke, O., Die Krystallformen einiger Salze des Ätropins, Daturins und Hyoscyamins . „102 Schmidt, E, Ueber Alkaloide der Belladonnawurzel und dos Stechapfels: mens. , BO Zörner, E., Bau und Entwicklung des Peritoneums nebst Be- schreibung des Bauchfells einiger Edentaten. Taf... .. 10 Berichte, Baumert, Nachweisung von Cumol in verschiedenen Petroleumsorten und über die oxydirende Wirkung der Luft auf das he 197. Bestandtheile des Lupinensamens. 209 Verschiedene Mängel der Pflanzenanalyse. 218, Lupinin der gelben Lupine. 215. ! g, The er able physical agents. 190. er ll! 366 3eyschlag, F., Sphenophyllum im Rothliegenden, 187. von Fritsch, Devonpetrofacten. 193. Eifler Petrefaeten. 198. Geologische Verhältnisse in Marokko. 201, Petrefacten des Kohlenkalks von Sumatra. 208. Ueber Japan von Rein. 214. Hermann, Ausfüllung von Gypsformen. 208. Herzfeld, Phosphorsäure- Bestimmung. 213. Jung, Tardigraden. 190 Er © Luedecke ‚©. Krystallform des Magnesiums. 19. Be, — Darste lung von Skorodit. 196. BT) — Darstellung von Leucotephrit. 198. N Br,’ — Neues grossartiges Vorkommen von Antimonoxyd, 200, Kir AEHLER — Thonschiefernädelchen sind Rutil, 206. a de — Metamorphosen der Zinkmufleln. 207. PS Sr ER — Eruption des Mauno Loa 9. Nov. 80. 218. PERF 9 Ri Bu % ar Ne? aA? Mes‘. y EEE We > FETRITTNKUSEIN N ERATURALLISIU Zeitschrift für die Gesammten Naturwissenschaften. Originalabhandlungen und Berichte, Redigirt von Dr. C. 6. Giebel, Professor a. d. Universität in Halle. Dritte Folge. 18581. Band VI. (Der ganzen Reihe LIV. Band.) Miv 4 Tafeln, 21 Holzschnitten und 1 Porträt. Berlin, Verlag von Paul Parey. 1881. Inhaltsverzeichniss. Original-Abhandlungen. : Seite v. Coblenz, H. Entwicklungsgeschichte der innern weib- lichen Sexualorgane beim Menschen im Zusammen- hange mit pathologischen Vorgängen mit Taf. I . 313 Br das papillaere Kistom Ä N na) Giebel, ein Lebensbild, mit Abbildung ER 614 Karsch, Neue Sulıden des Berliner Museums, als Pro- dromus oiner Juliden-Monograpbie . . . ..... 1 Kramer BP. Weber: Milben. Rat: IEE:-u.. IV... 5 A102 —— Ueber die Prineipien der Ianelnenin der Gama- eiden».... © 638 Lehmann, R. Neue Beiträge z zur en albensnuhest ln in anstehendem Gestein in Norwegen . 463 Luedecke, 0. Die Krystallformen einiger Salze des‘ Atropins, Daturins und Hyoseyamins . 88 102 Riehm, G. Studien an Cestoden. Taf. V u. vi \ 545 Rühl, euer zu einer des Stickstoff- ak RR 221’ Schmidt, E. Alalade der El ne und des Stechapfelsamens N EEE RR EN ANSHD) Senff, Zum Studium gepaarter an SE 371 Zörner, E. Bau und Entwicklungsgeschichte as Bar near nebst Beschreibung des Bauchfells einiger Bdentaten! = Mierkat. 1% 2.0... 00 002002, ee Berichte. Atenstaedt, D. Ueber schädliche Farben. 532. Baumert, Dr. Nachweisung von Cumol in verschiedenen Petroleum- sorten und über die oxydirende Wirkung der Luft auf das Petro- leum. 197. Bestandtheile des Lupinensamens. 209. Verschiedene Mängel der Pflanzenanalyse. 213. Lupinin der gelben Lupine. 215. Bestimmung des Lupinins in den Lupinen. 457. Einfluss des Stickstoffs der Düngemittel auf die Pflanzen, 459. Wasserstoff im Steinsalz. .459. Ueber Phosphoreseenz. 532. aa IV Baumert, Dr. Verhalten des Bleis gegen Petroleum. 648. _ Bildung neuer Namen auf dem Gebieteder beschreibenden Natur- wissenschaften. 652. Beeg, The imponderable physical agents. 190. —- Maschine zur Erzeugung gekühlter Luft, 646. — Corrodirtes Dampfventil. 648. Beyschag, F., Sphenophyllum im Rothliegenden. 187. Bischof, Ludwig II. bei Stassfurt. 544. Biedermann, Dr., Cotfein. 462, Bossetti, Natur der chemischen Elemente. 455. “— — Ueber ein Mittel gegen den Kesselstein. 459. — Phosphorigsäure Anhydrid. 650. Brass, Dr. ‚Entwicklung imeBi. 582) — Entwicklung im Ei. Fortsetzung. 542. — Entwicklung im Ei. Fortsetzung. 543. Dunker, Ueber den Einfluss der Rotation der Erde auf den Lauf der Flüsse. 454. » — Dasselbe. 653. ; von Fritsch, Devonpetrefacten. 19. — Eifler Petrefacten. 198. — Geologische Verhältnisse in Marokko. 201. — Petrefaeten des Kohlenkalks von Sumatra. 208. — Ueber Japan von Rein, 214, — Versteinerungen aus Palaestina, 366. — Brief von Fraas über dasKohlenkalkvorkommen von Libanon. 369. — Röth in der Umgegend von Halle, 453. — Soole des Buntsandsteines. 459. — Erdbeben. 539. — Mastodonten von Rippersroda. 542. -— Siüsswasser-Schnecken im Kimmeridge, 542, — Beobachtungen an südthüringischen Gesteinen. 646. — Brandleitetunnel. 649. — Pentacrinus caput medusae und Kohlenkalkpetrefacten, 651 Hermann, Ausfüllung von Gypsformen, 208. Herzfeld, "Phosphorsäure- Bestimmung. 213. — Bestimmung der zurückgegangenen Phosphorsäure, 461 — Drehungsvermögen einiger Zuckerarten. 366, — legt Steinbeil vor. 453. — Einwirkung der Diastase auf Stärke. 646, Jung, Tardigraden. 19%, Kirchner. Permente der Milchsäuregährung. 366. Be — Gayalkalb. 649. ; Liebscher, Leben und Sitten der Japanesen. 540. — Leben und Sitten der Japanesen, 542. — Leben und Sitten der Japanesen. 544. — Agarieus, Gensing und Reisseultur in Japan. 644, — Kupferemailarbeit in Japan. 648. Ludwig, Gammarus puteanus. 453. - — Schwarze Hausratte in Greiz. 207, Luedecke, O., Krystallform des Magnesiums, 19. — Darstellung von Skorodit. 196. — Darstellung Leucotephrit. 198. Neues grossartiges Vorkommen.-von Antimonoxyd. 200. Thonschiefernädelchen sind Rutil. 206. — Metamorphosen der Zinkmuffeln. 207. — Eruption des Mauna Loa 9. Nov. 80. 213. — Formen einiger Salze des Atropins und Daturins, 365. — Ausbruch des Mauna Loa. 367, = Y Luedecke Dr., Krystallformen der Feuerblende von Andreasberg. 369. — Geologische Speeialkarten. 458. 3 — Metevrit von Soko-Bania. 458. —- Misy vom Rammelsberg. 460. — Zink-Aluminit von Laurium. 460. -—— Serpierit von Laurium. 460. — Barytkalk-Carbonat trimorph. 461. — Mellit, künstlicher, 451. — Dumortierit. 541, — Harztour. 611. _ EN Lnnune von Brechungsexponenten anrhombischen Krystallen. 415. — legt Gold-, Silber- und Diamantstufen vor. 637. Meyer, Ueber Illitium annisatum. 455. Meyer, Hesperidin. 543. Petry, Excursion nach Nordhausen, 454. Polko, Gewächshäuser. 531. Riehm, Bandwürmer. 366. von Schlechtendahl, Eichengallen. 652, Schmidt, E., Steinsalzkrystalle. 19%. — Verflüssigung des Ozons. 199. über Ozon. 213. Methylehloroform. 214, Bestandtheile des Darns. 214. Blausäurebildung aus gelbem Blutlaugensalze. 365. Vorkommen von Alkohol im Boden, in den Wässern und der Atmosphäre. 367. — Bestandtheile des Tabakrauchs. 367. — Synthese des Coniins, 453. — Atomgewicht des Platins. 454, — , Freies Fluor im Fluorit von Wölsendorf. 457. N Ueber in den Leichen vorkommende Alkaloide, 458. legt Petroleumärten vor. 645. Synthetische Darstellung der Bernsteinsäure. 647. Wasserleitungsrohr von Ratten zerstört. 647. Schröder, Wirkung der Wiekersheimschen Flüssigkeit. 213. — Farbe der Vogelfedern. 462. — Saatkrähenschnabel 366. — Pendelbewegung, 611. — Merkwürdige Hundskamille. 462. — Theoretische Hydrodynamik v. Auerbach. 649. — Müller, am Neste, 655. Sehubring, Dr. Hallesche und Frankfurter Ausstellung. 544, — Telegraphiren der Wetterkarten. 544. -Senff, Gepaarte Säuren. 366, Senf, Papierteller mit arseniger Säure. 543. Taschenberg, Prof., Spilographa alternata, 453. — Knochenwurm. 19. — Phyloxera in Frankreich, 206. — bespricht Erichson, die Naturgeschichte der Insecten Deutsch- lands. 648. — Raupe der Wintersaateule auf Rüben. 650. Tetzlaff, Cortex Quebracho. 187. Teuchert, Dr., Carnallitbohrkern. 611. — Ueber die Hallische Ausstellung. 454. — legt Nickel vor. 645. — legt Monas prodigiosa vor. 651. es . iR Neue Juliden des Berliner Museums, als Prodromus einer Juliden- Monographie, Von Dr. F. Karsech (Berlin). Trotz des erfreulichen Zuwachses von Bearbeitern, welche in den letzten zwei Jahrzehnten den Myriopoden ihre besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben, ist das Studium derselben immer noch eines der schwierigsten in der grossen entomologischen Republik geblieben. Der grösste Widerstand und das unangenehmste Hinderniss einer gewissenhaften Bestimmung der Formen liegt natürlich auch hier, wie in allen zoologischen Diseiplinen, in der trost- losen Mangelhaftiskeit der älteren — und zum grössten Theile auch noch der neueren — Beschreibungen. Diag- nosen, wie sie beispielsweise Butler (ef. Ann. and Magaz. of Nat. Hist., 4. ser., XVII, 1876, pp. 445—446 und Philosoph. Transact. Roy. Soc. Vol. 168, Extra-Vol., pp. 498 — 499) fabrieirt — die nicht einmal so gediegen sind als die ihrer Zeit genügenden, aber veralteten eines Fabrieius — stellen alle Juliden dar und gelten eben deshalb für keinen. Vor Allem ist in einem so sehr polymorphen, wenn auch noch so beschränkten Gebiete, wie dem der Myriopoden, eine gleichmässig oberflächliche Behandlung nicht geeignet, den Spielraum der Phantasie begrenzende Bilder dem geistigen Auge zu entwerfen, und die Verschie- denartigkeit einer richtigen Behandlung geht hier so weit, dass fast jede Familie eine durchaus abweichende Methode der Darstellung verlangt — von den beiden grossen alten - Gruppen der Diplopoden und Chilopoden ganz ab- - gesehen. Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss, Bd. LIV. 1881, 1 2 Die Chilopoden erscheinen vermöge ihrer Lebens- führung specifisch ungleieh weiter verbreitet und artenärmer zu sein — im Verhältniss zu den übrigen gleich individuen- reichen Gruppen der Gliedertbiere, während für die Diplo- poden der umgekehrte Fall eintritt. Ob daher der von Kohlrauseh (Journal des Museum Godeffroy, Heft XIV, 1879, pp. 51—-74) eingeschlagene Weg der Simplifieirung der zahlreichen Formen (Nominal-Arten) auf im Verhält- niss nur sehr wenige Arten auch für die Diplopoden der richtige wäre, möchte schon a priori sehr zu beanstan- den sein. Die Juliden wenigstens zeigen in specifischer Hinsicht eine im Ganzen ausserordentlich geringe Verbrei- - tung und wenn auch wirklich einzelne, Europa und Amerika, Afrika und Asien oder Amerika und Asien (Spirbolus laetus Nob., Spirobolus Goesi v. Por.) gemeinsame Arten sich finden: so will das gegenüber der Verbreitung der Chilo- poden äusserst wenig besagen und steht ganz im Ein- klange mit dem, was ich bereits anderweitig als Ergebnisse der bisherigen Forschungen für die Glomeriden dar- sestellt habe. Die Schwierigkeiten der Bestimmung liegen aber noch ferner in der nothwendigen Vorsicht bei Behandlung der Objecte selbst. Für die Mehrzahl der Gattungen ist eine zuverlässige Determinirung kaum oder nicht ohne Zerlegung des Objeets möglich. Für Alloporus v. Por. sind allerdings die Seitenporen, für Stemmijulus &erv. die Augenformation ausserordentlich charakteristisch — wie diese ja auch bei Spirobolus und Spirostreptus einen ausgesprochenen Charakter zeigen, indem sie bei diesem gemeinsam mit Julus nach dem Innern des Gesichts hin der Länge nach abgeschnitten erscheinen, bei jenem spitzwinkelig in das Gesicht hinein- ragen. Als (secundäre) Gattungscharaktere haben auch vielfach und nicht ohne Grund die Fühler (bei Spiro- streptus 2. B. meistens sehr schlank, bei Spirobolus kurz und gedrungen), sowie die Lage der Seitenporen (bei Julus, Spirostreptus, Alloporus, Glyphijulus fast ausnahmslos auf dem Endsegment, nur bei Spirobolus in der Regel auf dem Mittelsegment der Ringe befindlich) gegolten; I alle diese Merkmale jedoch stellten sich durch weitere Ent- Q 9) decekungen als nicht stichhaltig und daher unmaassgeblich heraus. Obwohl aber auf diese Weise die kritische Grenze der genannten Genera keineswegs aufgehoben, nur scheinbar und für das oberflächliche, mit dem Urtheil schnell fertige Auge verwischt wird; so glaubte ich doch diesen Verhältnissen in der Namengebung der Species (z. B. Paeromopus Iysiopetalinus, Spirostreptus spirobolinus, Spiro- bolus spirostreptinus) Rechnung tragen und Ausdruck geben zu dürfen. Allein eine zweifelsohne scharfe Scheidung zwischen Julus und Parajulus, Spirostreptus und Glypki- julus und so fort setzt stets eine theilweise Zerstörung oder Auflösung des Objects, zum mindesten Abtrennung einiger Körperringe voraus. Zu diesen misslichen Umständen tritt noch ausserdem in der artenreichsten Gattung Spirostreptus - für die Untergattung Nodopyge ein ausgeprägter Hete- romorphismus der Geschlechter einer Anzahl von Arten hinzu, der zu mannigfachen Deutungsversuchen Ver- anlassung gibt, bis nun aber zu wenig Beachtung fand. In dieser Hinsicht scheint mir beispielsweise, dass — so voll- ständig heterogene Charaktere beide Formen auch zeigen und so weniges charakteristische beide gemeinsam besitzen — Spirostreptus cephalotes Noges (Zeitschr. f. wissenschaft. Zoologie, XXXI, 1878, p. 165, 5) als Weibchen zu Spiro- streptus macrotis Gerstaecker (Gliederthierfauna des San- sibar-Gebietes oder: Baron Carl Claus von der Decken’s Reisen in Ost-Afrika, 1873, Wissenschaftl. Theil, IH, 2, pp- 509—510, 4) gehört. Jener wurde nur im weiblichen, dieser nur im männlichen Geschlechte beschrieben und von zahlreichen Stücken, welche das Berliner Museum aus Zan- zibar besitzt, ist die Form cepAalotes stets weiblich, ma- erotis stets nur männlich. In den Längen- und Dicken- Dimensionen, in der Färbung und Skulptur stimmen zu Be- legen für die Richtigkeit meiner Conjeetur beide Formen übrigens ganz genau überein. Bei Spirobolus kommt ein Abtheilungscharakter eigener Natur vor: eine stets in der Paarzahl vorhandene, auf das vorderste verdeckte Rückensegment mehr oder minder zahl- reicher Körperringe beschränkte, hinten verbreitert abge- flachte und hier oft mit sehr feinen oder sehr starken Quer- 1* 4 oder Bogen-Riefen versehene, rundliche oder halbmondför- mige Vertiefung von stark wulstigem Vorderrande, welche bei trockenen Stücken ohne Loslösung der Ringe nur dann - erkennbar ist, wenn man die Thiere spiralig aufgerollt con- ‚servirt. Dieses seiner Bedeutung nach unbekannte Organ, für welches ich, seiner raspelartigen Gestalt wegen, den technischen Namen „Scobina“ vorschlage, das bei be- stimmten Arten auf gewissen und einer genau beschränkten Anzahl von Körperringen sich findet, ist, zu einer Gruppi- rung der Formen an erster Stelle verwendbar, zuerst von v. Porath (Bihang till K. Svenska Vetenskaps Akademiens Handlingar, IV, 1876, No. 7. p. 30 ff.) bemerkt und syste- matisch benutzt, als: „foveae 2 semilunares dorsi plurimorum . segmentorum“ kurz, aber ungenügend charakterisirt, als- dann von Voges (loc. cit., p. 188, 32) bei seinem Sprro- bolus cupulifer als „krugförmige Vertiefung“ sehr allgemein beschrieben worden. Die gesetzmässige Vertheilung der : Scobina auf gewisse Ringe und die verschiedene Form derselben hat bislang noch keine Beachtung gefunden. Bei den sämmtlichen afrikanischen Spirobolus- Arten scheint die Scobina absolut zu fehlen, bei den amerikanischen, asiatischen und australischen kommt sie häufig vor, fehlt aber auch bei anderen ebenso oft gänzlich. Leider ist sie von den vor v. Porath’schen Autoren ganz und gar über- sehen worden, so dass ein Identifieirungsversuch mit älteren Beschreibungen ohne Untersuchung der Typen für die Gat- tung Spirobolus von vornherein riskant erscheint. Diese ihrer Funktion nach unerklärten Organe erinnern in ihrem Bau an die bei den Trilobiten, besonders der Gattung Asaphus, Brongniart, vorkommenden „Pander'- schen Organe“!,) gleichfalls räthselhaften oder vieldeuti-- gen Gebilden, die aber hier im Gegensatze zu Sperobolus stets an der innern Seite der Pleuren gelegen und äusser- lich nieht wahrnehmbar sind. Bei den Juliden scheinen sie keineswegs dem allerdings naheliegenden Zwecke zu 1) Vergl. v. Volborth, Memoires de l’Academie imperiale des sciences de St,-Petersbourg, VHe Serie. Tome VI, 1863, No. 2, pp. 44—45. 5 dienen, eine festere Verbindung der einzelnen Kör- perringe herzustellen, da den Vertiefungen entsprechende Leisten auf der Unterseite des hintersten Segmentes der die Scobina bedeckenden Ringe wenigstens in der Chitin- schieht nieht vorhanden sind. Merkwürdig ist es aber, dass bei zwei Arten (Spirobolus parcus und undulatus nob., No. 109— 110) in beiden Geschlechtern der Hinterrand der Dachringe zwei den beiden Scobinen entsprechende, nach hinten eoncave, starke Ausbuchtungen zeigt, wie sie sonst nicht vorkommen. — Sollten vielleicht die Scobinen Lock- töne zur Brunstzeit zu erzeugen dienen? In Anbetracht der Gattungen der artenreichen Juli- denfamilie erscheinen die im Folgenden nicht weiter be- handelten Zysiopetalum Br., Blanijulus Gerv., Trachyjulus Ptrs. hinreichend scharf charakterisirtt. Wenn jedoch Humbert (Mem. Soc. Phys. et d’Hist. Nat. Geneve, XVIIL, 1866, pp. 43— 46) mehreren Endringen der Gattung Trachy- Julus im entwickelten Zustande die Bebeinung abspricht und ein gleiches Verhalten auch für Glyphijulus Gerv. ver- muthet: so befindet er sich nach meinen Erfahrungen für beide Fälle im Irrthume. Ein Mangel der Bebeinung meh- rerer Endringe kommt bei reifen Juliden, so weit bis jetzt die Beobachtungen reichen, lediglich der afrikanischen Gattung Julomorpha v. Por. (Oefvers. Kgl. Vet.-Akad. För- handl., XXIX, 1872, No. 5, pp. 13—14) vom Cap der guten Hoffnung zu, vorausgesetzt, der Autor habe wirklich völlig entwickelte und unverletzte Thiere vor sich gehabt; er beschreibt nämlich Mann und Weib, nieht aber auch die Geschlechtsorgane. Betreffs der Gattung /sodaies Menge (Neueste Schriften der naturforsch. Gesellsch. in Danzig, IV, 1851, 4. Heft, pp. 6—7) muss ich schon, da ich selbst sie nicht kennen gelernt habe, auf v. Porath (Oefvers. kgl. Vet.-Akad. Förh., 1869, No. 6, p. 648 und Stuxbeig, ebenda, 1870, No. 8, p. 905) verweisen. Parajulus Humbert et Saussure scheint mir in der von den Autoren neuerdings (in Mission scientifique au Mex., VI, 2, 1872, pp. 933—95) gegebenen Fassung nicht haltbar zu sein. Bei einem von mir auf Julus (Parajulus) diversi- frons Wood (Proceedings of the Academy of Natural Sceien- 6 ces of Philadelphia, 1867, pp. 45— 44) gedeuteten Texaner im Berliner Museum finden sich beim Manne zwischen dem vordersten stark verdiekten Beinpaare des Collum (als welches im Folgenden stets der erste, auf den Kopf folgende, nicht segmentirte Leibesring bezeichnet wird) und dem Genitalapparat nur 5 Beinpaare, von denen je 2 auf den fünften und sechsten, 1 auf den vierten Ring kommt, wäh- rend der zweite und dritte Ring ieer ausgehen — also zusammen 6 Beinpaare an den 6 vordersten Leibesringen; beim Weibe dagegen im Widerspruch mit Humbert und Saussure, befindet sich je 1 Beinpaar am ersten, dritten und vierten, je 2 Paare am fünften und sechsten, keines nur am zweiten Körperringe — zusammen also 7 Beinpaare an den 6 vordersten Körperringen — genau wie bei Julus Linnd. Als essentielles Merkmal für beide Geschlechter müsste demzufolge dieser Charakter fallen, und kann als solehes nunmehr die höchst frappante, starke Anschwellung der Collumbeine des Mannes, welche jedoch ihre bein- förmige Bildung keineswegs eingebüsst haben, in Ver- bindung mit der gedachten Zahl und Vertheilung der 6 Vorderbeine bezeichnet werden, während weitere, beiden Geschlechtern gemeinsame Charaktere mit Hülfe reicheren Materiales, als das mir vorliegende, noch aufzusuchen sind. Den beiden Gattungen Julus und Parajulus nahe steht ein merkwürdiger, in seinem Habitus vielfach an Zysiope- talum gemahnender, californischer Julid, auf den ich ein eigenes Genus gründen zu müssen glaube, von dem aber leider nur ein einziges entwickeltes Männchen vorliegt, Die Siebenzahl der Beinpaare an den 6 vordersten Leibes- ringen scheidet es von Parajulıs, aber das Beinpaar des Collum ist stark verdickt, jedoch nicht beinförmig wie bei Parajulus geklieben, sondern zu einem gegen das wie bei Julus gebildete Gnathochilarium gerichteten, langen, formlosen Stummel umgebildet, gleichsam verlängerte Fortsätze bildend, wie deren an der Wurzel der regel- mässig ausgebildeten Vorderbeine bei Sperobolıs, aber rudi- mentär, gleichfalls vorkommen. Andere essentielle Cha- raktere liegen ferner in der Formation der Augen und der auffälligen Länge der Beine und Antennen (vergl. No. 2, 7 Im Uebrigen habe ich, neben Stemmijulus (Gerv.), die bislang noch gänzlich problematische Untergattung Glyphr- Julus (Gerv.) (in Hist. Nat. Ins., Apt., IV, 1844, p. 170, sub No. 83) sehärfer zu umgränzen gesucht und zu einem mit den übrigen adoptirten Gattungen gleichwerthigen Genus erheben zu müssen geglaubt. Ob ein gleiches auch für Acanthojulus Gerv. (loc. eit., pp. 173—174, sub 88) an- gezeigt ist, muss der Zukunft zu entscheiden überlassen bleiben. Von Unter-Gattungen wurden die beiden Abthei- lungen Nodopyge und Odontopyge für die grosse Gattung Spirostreptus schon aus praktischer Forderung festgehalten ; doch verdient bemerkt zu werden, dass Odontopyge hier im alten Brandt’schen Sinne lediglich, nicht in dem emen- dirten v. Porath’s verstanden ist; C. O. v. Porath sibt nämlich in Oefvers. kgl. Vet.-Akad. Förh., XXIX, 1872, No. 5, p. 27 für sein Subgenus Odortopyge als Charakter: „Segmentorum margo postieus limbo adjectitio pectinulato instructus“ an; einen derartigen Limbus des Hinterrandes der Ringe vermag ich bei keinem der von mir geprüften, zum grössten Theile typischen, Odontopyge aufzufinden (O. Kollariv Br., — dimidiatus und ornatus Ptrs., sugullatus, pardalis, scaliger und suavis Gerst.) und vermuthe daher, dass die von v. Porath (ioe. cit., pp. 40 --43) beschriebe- nen caffrarischen Species einer besonderen Unter-Abtheilung angehören und demgemäss Odontopyge dimidiatus v. Por. als eine von Odontopyge dimidıiatus Ptrs. durchaus verschie- dene Art auch einen anderen Artnamen erhalten müsse. Gesetze über die geographische Verbreitung der Juliden lassen sich bei den derzeitigen lückenhaften Kennt- nissen keine aufstellen: sicher scheint nur, dass Lysiopetalum und Julus (mit Blanijulus Gerv. und Unciger Brandt) den Norden Europas, Afrikas, Asiens und Amerikas bewohnen, dass letztere in Nordamerika noch eine nicht seltene Form in Parajulus ausbildet und dass von Julus auch der alten und neuen Welt gemeinsame Arten existiren; so be- sitzt das Berliner Museum völlig übereinstimmende Exem- plare des Julus sabwlosus Linn. aus ganz Europa und ausserdem von Portorico. sSpirobolus und Spirostreptus in seiner Nodopyge-Form haben bereits Vertreter aus allen Theilen aller Welttheile ausser Europa gestellt, während Odontopyge bis heute durchaus auf den afrikanischen Con- tinent beschränkt blieb. Die nunmehr erst in 2 Species bekannt gegebene, eigenthümliche Gattung Alloporus zeigt merkwürdigerweise gleichwohl eine sehr ausgedehnte Hei- math, indem die eine Art Südafrika (Caffraria), die andere merke (Montevideo) angehört. Trachyjulus blieb auf Ceylan beschränkt, @/yphijulus scheint der Inselwelt (ile de France, Bourbon, Zanzibar) eigenthümlieh zu sein, Stemmi- Julıs Amerika (Columbien, Portorico) ahsschliessich anzUu- gehören. Auf das Vorkommen ganz vereinzelter Arten über ent- fernte Gebiete wurde bereits oben hingewiesen; es existiren aber auch andrerseits Arten, welche in eng zusammengren- zenden Gebieten durch bestimmt ausgeprägte, auf einen mehr oder minder engen Raunı beschränkte Formen ver- treten sind. Von grossem Interesse scheinen mir diesbezüg- liche Beobachtungen der Herren Dr. Gundlach und Con- sul Krug zu sein, deren gefällige Mittheilung ich letzterem verdanke und die ich hier deshalb wiedergebe. Derselbe schreibt: „Im westlichen Theile der Insel Porto-Rico (also „im von Mayaguez) kommt meines Wissens nur eine EA vor und wird dort ‚Gungulen‘ genannt. Man be- „hauptet, er könne a giftigen Saft ausschwitzen, der „Kinder und Hunde, die ihm zu Nahe kämen, erblinden „mache, was aber nach meinen Erfahrungen völlig unwahr „ist. — Dieser Julus ist immer schwarz-braun, die Ab- „theilungen haben einen gelben Rand, Fühler und Beine „sind hell-violett oder rosenröthlich. — Ich habe denselben „bis am westlichen Ufer des Quebradilla-Flusses gefunden; „am östlichen Ufer desselben (obgleich er an der Stelle nur „8—10 Fuss breit war und beide Ufer bewachsene Kalk- „Berge bilden) nur einen grauen Julus, mit schwarzem „Rand der Abtheilungen, Fühler und Beine ebenfalls schwarz. „Diesen letztern habe ich auch auf der Südseite der Insel „gefunden, diese ist jedoch durch einen hohen Gebirgszug „von Mayaguez-Distriet getrennt. „Dr. Gundlach, der 1!/, Monat auf der östlichen . ER SA ER F » s, „des Quebradilla-Flusses zubrachte, fand dort nie den Julus „von Mayaguez, sondern nur den grau-schwarzen; ich finde „in seinen Briefen noch folgende Notiz vom 14. Mai 1876: „Wie Sie wissen, ist der Gungulen von Mayaguez schwarz „mit gelbem Rand der Abtheilungen und hellen, gelblich- „röthlichen Beinen, dieser hört sonderbarer Weise am Que- „bradilla-Flusse auf, wie Sie mir schon sagten. Hier an „der anderen Seite finde ich nur einen grauen, dessen „Augen, Fühler und Beine auch Hinterrand der Abtheilungen „schwarz sind.“ — Später schreibt mir Dr. Gundlach von „Utuado (Centrum der Insel) aus den 6. Juni 1876: „Ich „habe noch andere Julus gefunden. In Aracibo und Vega „Baja ist er grau, fast weiss, Stirn rosenfarbig, das grosse, „hinter dem Kopf befindliche Schild ist vorn gelblich, auf „demselben und auf allen Abtheilungen (von der 7. an) ein „other Fleck; Beine grau mit orangefarbener Spitze.“ In der That liegen hier sehr auffallende Farben- Varietäten einer und derselben Species vor. Denn nach den dem Museum gesendeten Exemplaren lassen sich die sämmtlichen Stücke nach allen plastischen Merkmalen nicht von Spirobolus arboreus, Saussure, unterscheiden, ; gemäss dem typischen Stücke, welches das Berliner Museum von diesem (aus St. Thomas) besitzt. Auch haben wir es nich etwa mit Sexualdifferenzen zu thun; denn von der rothge- - fleekten Varietät des Centrums der Insel wurden beide Ge- schlechter im entwickelten Zustande eingesandt. Auch ist zu bemerken, dass die beschriebenen Farben aller Varietäten im Alkohol erhalten bleiben. Es wird deshalb angezeist sein, die auffallendsten Varietäten nominell zu kennzeichnen und bezeichne ich die westliche schwarze Form mit röthlichem Hinterrand der Ringe und röthlichen Beinen als var. Krugü, die weissgraue Form des Centrums mit rothem Rückenfleck der Ringe und orangefarbenen Tarsen der Beine (welche bis auf die Rückenflecke mit der Ost-Ufer-Form des Quebradilla über- einstimmt) als var. Gundlachi,;, während der einfach scherbengelben, typischen Form der Name arboreus Sauss. verbleibt. Da die Juliden alles in allem genommen sehr gute 10 x plastische Merkmale darbieten, so wäre, um in dem Laby- rinthe der Beschreibungen sich zurechtzufinden, eine sorg- fältige Artentabelle ein nicht allzu schwierig zu spinnender Faden; allein die Lösung dieses Problems würde gegen- wärtig, so lange noch keine umfassenden Typenstudien vor- liegen, nur ein mangelhafter, vielleicht sogar verwirrender Versuch bleiben; — beschränkt auf das dem Beobachter gerade vorliegende. Material leistet sie dem künftigen Monographen erhebliche Dienste und erscheinen mir in dieser Richtung die vorzüglichen Arbeiten von ©. O. v. Po- rath durchaus mustergültig zu sein. Den Schluss der Einleitung möge eine kurzgefasste Uebersicht derjenigen Gattungen bilden, denen die in diesem Aufsatze diagnosirten und systematisch angeordneten 125, nach meiner Schätzung noch unbeschriebenen Arten, deren Typen das Berliner Museum theils getrocknet, theils in Alkohol eonservirt aufbewahrt, angehören: A. Ueber der Fühlerinsertion jederseits ein aus zahlreichen Ocellen zusammengesetztes Ange . . 2 2 75 B. Ueber der Fühlerinsertion jederseits ein einzelnes oder zwei einfache gewölbte runde Augen. . Stemmijuluıs. 1. Augen aus mindestens je fünf (5) Querreihen von Ocellen bestehend; Collumbeine des Mannes bein- föürmig . . - Re Augen aus je nur a 6 Once von Ocellen gebildet; Collumbeine des Mannes stummelförmig Paeromopus. 2. Seitenporen am sechsten (6.) Im (inel. collum) be- Sinnend. ar N Seitenporen schon am aller (5.) Ringe beginnend Alloporus. . Die drei vordern Ringe mit höchstens je einem (1) a cn, NN De N Der dritte Ring 2 zwei ee) Beinpaaren G/yphizulus. 4. Die drei vordern Ringe mit je einem Beinpaare. 5. Einer der zwei oder drei vordern Ringe beinlos; zwischen Kopf und Genitalapparat beim Manne 6 oder 7 Beinpaare, deren vorderstes nicht, oder nur wenig verdickt . ... 2.2.2 „ee Er EEE 5. Nur die drei (3) vordersten Ringe mit je einem Bein- paare, das vierte beinlos, das fünfte und sechste mit je zwei (2) Beinpaaren . . . . .. Spirostreptus: Die Afterklappen überragen mit spitzem Rücken- fortsatz den Endring . . Spir. Odontopyge. Die Afterklappen mit rundem, den Endring nicht überragendem Rücken . .sSpir. Nodopyge. Die fünf /5) vordern Ringe mit je einem Beinpaare, nur das sechste mit je zweien. . . ‚Spirobolus: Basaltheil der a onne Scobina . . Sperobolus, 8. Str. Basaltheil einiger oder der meisten Leibesringe mit Scobina . . Räinoericus, nov. subgen. Stemmijulus (Gerv.) nob. Synonym: Stemmiulus, Gervais, Ann. Soc. Ent. Fr., 2. ser. D, 1844, Bull. p. 28; Ann. Se. nat., 3. ser., U, p. 70; Hist. Nat. Ins., Apt., IV, 1844, p. 200. 2 Habitu Julidarum generali, oculis simplieibus, supra in- - serfionem antennarum utringue singulo (secundum Ger- vaisium) vel duobus, convexis, magnis, rotundis. 1. Stemmitulus compressus, nob., 2 ad., parvus, glau- eus, collo flavido-limbato, anulis postice Aavo-marginatis, pe- dibus pallidis, antennis nigris; facie subglabra, oculis utringue 2 magnis, superiore paullo majore, pone et paullo supra antennas sito; collo lateribus sensim angustatis, mar- gine laterali antico paullo convexo, angulo postico sub- acuto, suleo marginali sat profundo singulo utrinque; anulis compressis, antieis supra convexis, posterioribus costa media bene expressa longitudinali perfecta, lateribus tantum suleo transverso bene expresso, dense longitudinaliter striatis et suleis pauecis, late sejunetis, obligquis, anteriora versus con- _ vergentibus insuper ornatis, poris minimis subdorsalibus, fere medio partis anulorum haud obtectae sitis; anulo ultimo haud mueronato; pedibus sat longis, antennis longissimis, anulum sextum subsuperantibus; anulis 41-42); long. corp. ca. 17 mm. 12 . Exemplum singulum siecatum e Portorieo. (Krug!) Bemerkung: Ob die vorliegende, ganz extraordinäre Art wirk-. lich ein echter ea lus im Sinne Gervais ist, bleibt immerhin zweifelhaft, da St. bioculatus Gervais (loe, eit.), abgesehen von der geringen Zahl von nur 2 einfachen Augen nur ganz ordinäre Cha- raktere, nach der Beschreibung zu urtheilen, besitzt. Gleiehwohl zog ich vor, die Art bei Stemmijulus unterzubringen und darnach den Be- sriff der Gattung zu dehnen, um die Zahl der Gattungen nicht unnütz zu häufen, bis weitere verwandte Arten entdeckt werden, Paeromopus, nov. gen. Habitu Julidarum ordinario, ocellis oeulorum seriebus utrinque 3 tantum transversis compositis, oculis interiora versus angulum acutum formantibus, angulis suleo trans- verso conjunctis, antennis pedibusque longissimis, anulis quasi bipartitis tantum, segmento basali a segmento medio haud visibiliter segregato (ut et in genere Julo) collo in mare appendicibus erassis haud pediformibus sat longis in- structo, pedum paribus inter caput et appendices genitales (appendieibus colli exceptis) 6, metatarsis pedum pelma munitis, anulorum parte media impressionibus lateralibus ormnata (an semper?). spec. typ-: 2. Paeromopus Iysiepetalinus, nob., g ad., subniger; facie subglabra, paullo impresso-punctata, fronte suleo medio longitudinali et suleo, medio interrupto, transverso subtus limitata; collo lateribus rotundatis, suleis postieis lateralibus” abbreviatis et dorso punetis majoribus impressis sparso; anulis anticis suleis medio_dorsi obsoletis, punctis profundis impressis, ceterum leviter segmentatis, parte media dorso linea media impressa, lateribus impressione subprofunda latiore, subtusque singula vel 2, dorsali in anulo 19 inci- piente, ceterum cum parte basali leviter, dorso transverse, lateribus subtusque oblique striatis, parte postica longitu- dinaliter suleata, poris lateralibus subdorsalibus, et punetis - impressis majoribus sparsa; anulo ultimo postice angulato, paullo rugoso, supra subcarinato, valvulis analibus convexis, r parvis, rotundatis, haud marginatis, subsuleato-rugosis, an- tennis collum et anulos 4 anticos superantibus, anulis ea. 80, long. corp. 150 mm. Tr 13 Exemplum singulum in spiritu vini asservatum e Cali- fornia (Forrer!). Die Art erinnert durch die auffallende Länge der Beine und Fühler lebhaft an die Arten der Gattung Zysvopetalum, weicht aber schon durch die Julus-gleiche Bildung des Kopf- _ theils erheblich von Zysiopetalum ab. Alloporus, v. Porath. ‘€. 0. v. Porath, Öfvers. Kel. Vet. - Akad. Förh. XXIX, 1872, No. 5, 43; Bihang till K. Svenska Vet. Akad. Handl, IV, 1876, No. 7, p. 45 (charact. emend.). 3. Alloporus impatulus, nob., d', 2, ad., suberassus, elongatus, fuscus, pedibus antennisque stramineis; elypeo rugoso, fronte striolata, sulco longitudinali medio; collo la- teribus sensim angustatis, subtus subtruncatis, in cf antice producetis, margine laterali antico excavato, plicis utrinque quinque sat crassis (in cf et 2); anulis profundius segmen- tatis, parte basali stris multis concentrieis, parte media posticaque striis subtilissimis punetisque impressis sparsis subrugosa, parte postica anulorum anticorum profundissime, mediorum posticorumque minus profunde subtus sulcata, poris lateralibus infra laterum medium in parte postica sitis; anulo ultimo rugoso, postice angulato, valvulis anali- bus subeonvexis, versus margines sensim compressis; antennis in @ marginem anuli tertii posticum attingentibus, in f anulum quartum superantibus; anulis in 2 60, in d’ 58. Exempla duo adulta ex Acera (Ungar!). 4. Alloporus Porathi,nob., ', nigro-ineanus, pedibus, an- tennis flavo-brunneis; fronte sulco longitudinali brevi, ocu- lorum angulis internis sulco tenui transverso conjunctis, elypeo glabro; collo lateribus rotundatis, sulco marginali, duobus postieis utrinque longitudinalibus, antice abbreviatis et sulco quarto perfecto superiore; anulis subglabris, pro- funde segmentatis, subtus suleatis, parte postica dorso le- vissime longitudinaliter rimosis; anulis 37, postieis in exem- plo singulo deficientibus. Africa mer. or. (A. Merensky!) 14 Glyphijulus (Gerv.) nob. Syn,: Glyphiulus, Gervais, Hist. Nat. Ins, Apt., IV, 1844, p. 170. („sous-genre — — 3 cause de son bouclier seulpte!®) Habitu generis Spirostrepti Brandt gnathochilario ejus- dem instructus, sed anulo tertio haud pari pedum singulo. sed duobus munito; collo anulisque tubereulis erassis vel costis cireum vestitis. 5. Glyphijulus scalatus, nob., 9, Q, nigritus, pedibus, antennis brunneis; fronte rugosa, elypeo subglabro; collo lateribus sensim angustatis, rotundatis, plieis longitudinalibus crassis eircum perfectis ornato, anulis haud latiore; anulis profunde segmentatis, parte basali profundius concentrice striata, parte media cerasse rugosa, parte postiea costis altis in anulis 10—/o longitudmalibus ca. 24 perfeetis, in po- sticis medio longitudinis eircum plus minus profunde exeisis vestita, poris in costae ala parva inferiore paulo pone mar- ginem partis posticae anticum sitis; anulo ultimo postice subtruncato, cerasse granuloso, valyulis analibus crasse gra- nulosis, costis marginalibus altioribus, marginibus subdenti- eulatis. Mombassa (Hildebrandt!) 6. Glyphijalns magus, nob., 2, gracilis, subniger, parte “ basali anulorum mediaque un flavis, pedibus an- tennisque brunneis; facie subglabra, fronte leviter rugosa; collo anulis sequentibus haud latiore nee crassiore, lateri- bus latius subtruneato-rotundatis, plieis costitormibus 2 mar- sinalibus utrinque perfectis et margine postico eircum suleis, plicas formantibus, antice valde abbreviatis longitudinalibus; anulis vix visibiliter segmentatis, parte basali dorso subti- liter, ventre erassius subconcentrice dense seriata, conveva, media subrugosa, p. postica serie eirculari singula costarum perfectarum ca. 60 vel pluribus armata, margine antico inter costas paullo longitudinaliter plicato; poris minoribus in medio laterum segmenti postieci, paullo pone marginem anticum sitis, anulo ultimo granuloso, postice subtruneato, valvulis analibus econvexis, granulosis, costa altiore subacuta marginibus parallela submarginali utrinque; pedibus brevir aan 19 bus, tenuibus; antennis versus apicem dilatatis, artieulis ultimis brevissimis, anulum quartum subattingentibus; anu- lis 49. Patria: haud indieata. Julus (Linn). Syst. Nat., X, I, 639. —? Parajulus, Humbert et Saussure, Mission seientifique au Mexique, VI, 2, Paris, 1872, pp. 993 —95; Julus, Humbert . et Saussure, loc. eit., p. 91. — Vergl. ferner das in der Einleitung gesagte. A. Die Seitenporen sitzen vor der Ringfurche des Hintersegmentes der Ringe. 7. Julius curiesus, nob., 2, erassior, graeilis, glaucus, pedibus et clypeo testaceis, antennis nigris, facie glabra, collo lateribus sat late rotundatis, anuli secundi margines ventrales subattingentibus; anulis profundius segmentatis, parte anteriore glabra, posteriore suleis sat densis longitu- _ dinalibus eircum ornata; poris magnis, vix supra medium laterum et in parte anteriore prope et ante sulcum eireu- larem in sutura paullo retrorsum angulata sitis; anulo ultimo postice angulato, valvulis analibus paullo prominentibus parum convexis, pilosis; antennis anulum secundum supe- rantibus; anulis 47; long. corp. 36 mm. Exemplum singulum siecatum e Portorico (Moritz!). B. Die Seitenporen sitzen auf dem Hintersegmente der Ringe. a. Der Endring überragt mit seiner flachen Spitze die Analklappen nicht oder kaum. 7 Endring die Analklappen nicht überragend. * Hintersegment der Ringe dorsalwärts einge- stochen punktirt. 8. Julus fucatus, nob., graeilis, fusco-brunneus, collo flavo-bimbato, anulorum margine postico late flavo, dorso anulorum collique vitta latiore longitudinali perfecta sub- rubra ornato; facie glabra, collo lateribus late rotundatis, subtus truncatis, marginibus utrinque bisuleatis; anulis pro- funde segmentatis, sparse impresso-punctatis; poris parvis fere medio laterum paullo pone suleum eireularem in parte posteriore sitis; anulo ultimo impresso-punctato, postice striis longitudinalibus subtilibus rugoso, angulato-rotundato, val- vulis analibus convexis, marginibus paullo compressis; an- tennis anulum secundum haud superantibus; anulis49; long. corp. ca. 38 mm. Exemplum singulum siceatum e Columbia (Moritz). ** Hintersegment der Ringe dorsalwärts längsgestreift. 9. Julus pubescens, nob., gracilior, brunneo-fuseus, subunicolor; facie glabra, fronte sulco medio plus minus bene expresso foveisque 2 inter oculos; collo lateribus an- gustatis subtruneatis, anuli secundi margines ventrales haud attingentibus, sulco marginali perfecto singulo, ruperioribus- que abbreviatis postieis longitudinalibus; anulis profunde segmentatis, parte anteriore glabra, posteriore striis longitu- dinalibus sat dense positis ornata; poris magnis marginatis, in parte pousteriore pone suleum eircularem in sutura retror- sum angulata supra medium laterum sitis; anulo ultimo postice acuto mueronem valvulas anales haud superantem formante, pubescente, valvulis analibus valde convexis, ro- tundatis, densissime pubescentibus; antennis anulum quin- tum attingentibus; anulis ea. 55; long. corp. 40—50 mm. Exempla in spir. vini conservata e Bosnia: Serajevo (v. Möllendorf!). Species Julo vario Fahr. finitima, sed differt jam anuli ultimi formatura. ++ Der Endring überragt mit seiner flachen Spitze die Analklappen nur wenig. * Hintersegment der Ringe mit dorsalwärts durch- laufenden Längsfurchen. 10. Julus Steini, nob., 2, crassior, fuseo-brunneus, collo pallidius limbato, anulorum margine postico subtesta- ceo, valvulis analibus de dum flavis, nigro-maeulatis; facie subglabra, fronte suleo longitudinali et foveolis 2 inter oculos; collo lateribus latius rotundatis, angulo postico subrecto, suleo marginali utrinque singulo, anulo secundo paullo brevioribus; anulis profunde segmentatis, parte an- \ } Y ‚N J 3 1 } ie. 17 teriore glabra, posteriore striis longitudinalibus sat dense positis perfecetis ornata; poris lateralibus minoribus paullo. supra medium laterum pone suleum concentrieum in sutura retrorsum angulata partis posterioris sitis; anulo ultimo pubescente postice acute angulato, apice valvulas anales valde convexas, rotundatas, dense pubescentes vix super- ante; antennis brevibus, collum paullo superantibus; anulis ‘ea. 52, long. corp. 45—50 mm. Exempla sieccata e Dalmatia (J. P. E. Fr. Stein!). == Hintersegment der Ringe dorsalwärts mit hinten abgekürzten Längsfurchen. 11. Julus hungaricus, nob.!), 2, erassus, fusco-brun- neus, unicolor; facie subglabra, fronte suleo medio longitu- dinali foveolisque 2 sat profundis inter oculos, collo lateribus late rotundatis, angulo postico subreceto, suleis postieis or- natis, marginem anuli secundi ventralem haud attingentibus; anulis profundius segmentatis, parte anteriore subglabra, posteriore striis dorso postice plus minus abbreviatis, sat subtilibus, haud dense positis ornata, in anulis anterioribus obsoletis; poris lateralibus magnis, marginatis, paullo supra medium laterum pone sulcum concentricum in sutura retor- sum angulata partis posterioris sitis; anulo ultimo pubescente postice acute angulato, apice valvulas anales valde con- vexas, rotundatas, dense pubescentes vix superante; pedibus brevioribus, antennis brevioribus, anulum tertium haud attin- sentibus; anulis ca. 56; long. corp. ca. 80 mm. Exempla siccata ex Hungaria: Mehadia (J. P. E. Fr. Stein!). b. Endring in einen die Analklappen mehr minder überragenden, runden Dorn ausgezogen. 7 Hintersegment der Ringe dorsalwärts glatt. 12. Julus rasilis, nob., f, 2, glaber, tenuis, nitidus, fusco-brunneus, unicolor; collo lateribus sensim rotundatis, 1) Leider habe ich die mehrfach angezeigten Aufsätze Tömös- vary’s zum Vergleiche mit der vorliegenden Art nicht zu erlangen vermocht. Zeitschr. f, d. ges. Naturwiss. Bd, LIV. 1881, 2 18 apieibus rotundatis, margine laterali antico paullo eoncavo, suleis 2 marginalibus utrinque, inferiore postice furcato; anulis profunde segmentatis, glabris, parte posteriore (basali et media haud evidenter suturata) subtus et lateribus usque ad poros laterales longitudinaliter sulcata; poris majoribus supra medium laterum paullo pone suleum eircularem in parte posteriore anulorum sitis; anulo ultimo in spinam subacutam rectam, valvulas anales, plus minus superantem producto, valvulis analibus paullo convexis; antennis anu- lum tertium attingentibus; anulis ca. 48; long. corp. ca. 27 mm. — Maris pedes colli antiei paullo incrassati spe- ciem ad genus Parajulum referre videntur, sed in multis alterius generis exemplis in collo et anulo tertio et quarto pedum par singulum, in anulis quinto sextoque paria duo et in singulo anulo secundo par nullum inveni. Specimina plura in spir. vini condita e Puebla (Bercken- busch!). ++ Hintersegment der Ringe dorsalwärts längsgefurcht. © Collum mit Seitenfalten. Längsfurchen der Hin- tersegmente der Ringe dorsalwärts nicht ganz durchlaufend; die Seitenporen fast rückenständig. 13. Julus Caesar, nob., Q, crassior, sat gracilis, fusco- brunneus, subunicolor; facie subglabra, elypeo striis paueis et foveis utringue 2; collo subglabro, lateribus sensim an- gustato-rotundatis, anuli secundi margines ventrales haud attingentibus, is abbreviatis, plicas 3 marginales forman- tibus; anulis profunde segmentatis, parte anteriore striis subtilibus irregulariter sculpturata, parte posteriore suleis longitudinalibus, in dorso sat densis, marginem postieum haud omnino attingentibus, in lateribus subtusque attingen- tibus densiusque positis ornata; poris lateralibus subdorsali- bus, paullo pone suleum circularem in sutura retrorsum en et parte postica sitis; anulo ultimo mueronem val- vulas anales dense pubescentes convexas, rotundatas, paullo superantem acutissimum formante, dense pilosum; antennis?, pedibus medioeribus; anulis 60; long. corp. ca. 70 mm. Exemplum singulum siccatum e Portorico (Moritz). EN “ | | | \ | 19 OO Collum nur mit Seitenfurchen; Längsfurehen der Hintersegmente der Ringe durchgehend; die Seiten- poren ziemlich in oder wenig über der Mitte der Seiten gelegen. >< Vorderer Ringtheil mit concentrischen Furchen- strichen. * Hinterer Ringtheill mit schmalen dorsalen Längsfurchen ohne Länsskiele. 14. Julus aerieulus, nob., gracilior, subniger, nitidus, pedibus, antennis brunneis; facie glabra, collo lateribus an- gustatis, margines anuli secundi ventrales subattingentibus, angulo postico rotundato, margine laterali antico curvato, sulco parallelo postieisque abbreviatis paueis signatis; anu- lis profunde segmentatis, parte anteriore striis curvatis sub- concentrieis, posteriore suleis longitudinalibus eireum; poris lateralibus majoribus in parte posteriore paullo pone sul- cum eircularem in sutura retrorsum angulata supra medium laterum sitis, anulo ultimo postice spina valvulas anales superante directa acuta producto, valvulis analibus valde eonvexis, marginibus paullo compressis, dense pubescentibus; antennis anulum quartum superantibus; anulis 47; long. eorp. 37 mm. Exemplum singulum in spir. vini asservatum ex Japo- nia (Dönitz!). ** Hinterer Ringtheil mit breiten dorsalen Längs- furchen und starken Längskielen oder Rippen. 15. Julus lusitanieus, nob., 2, gracilior, glaucus vel cinereus, pedibus flavis, antennis, capite, collo, anulo ultimo, valvulis analibus subnigris vel infuscatis; facie glabra, collo lateribus sensim angustatis, angulis subtus subacutis, sulco marginali suleisque antice abbreviatis posticis, anulo secundo multo brevioribus; anulis profunde segmentatis, parte ante- ‚riore striis subeoncentrieis, lateribus obliquis, subtilibus sat dense positis, parte posteriore suleis profundis satque latis, costas longitudinales formantibus sat dense vestita; poris sat magnis in parte posteriore sitis; anulo ultimo spina longissima, apice acuta, paullo superiora versus directa, IF 20 pilosa, valvulis analibus convexis, pilosis, marginibus parvis, crassioribus, suleo limbatis, rotundatis; pedibus longioribus; antennis anulum quartum subattingentibus; anulis ca. 47; long. corp. 40—45 mm. Exempla siecata e Lusitania (Hoffmansegg!). Species Julo terrestri Linn. simillima, sed sculptura partis anulorum anterioris, brevitate antennarum ete. etc. facile distinguenda. ><>< Vorderer Ringtheil glatt oder fast glatt. *= Analklappen mit deutlichem Hinterrande; Anten- nen den fünften Ring an Länge überragend; Collum lateralwärts furchenlos. 16. Julus caucasieus, nob., 2, caeruleo-fuseus, pedibus flavis, antennis nigris; facie subglabra, collo lateribus an- sustatis, margines anuli secundi ventrales fere attingentibus, subtus angulo subacuto paullo rotundatis, sulco marginali haud expresso; anulis profunde segmentatis, parte anteriore subglabra, posteriore dense longitudinaliter suleata; poris fere medio laterum pone sulcum circularem in parte poste- riore sitis; anulo ultimo spina longiore subacuta, valvulis analibus convexis, marginibus bene expressis, pubescenti- bus; antennis’perlongis, anulum quintum superantibus; anulis ca. 58, long. eorp. ca. 45 mm. Exemplum in spir. vini asservatum e Caucaso (Borschom). *#= Analklappen stark convex ohne Hinterrand; An- tennen den fünften Ring an Länge kaum erreichend; Collum lateralwärts gefurcht. 17. Julus tonginus, nob., 2, gracilis, brunneus, sub- unicolor; collo lateribus sensim angustatis, rotundatis, mar- ginem anuli secundi ventralem subattingentibus, margine postico suleis, antice abbreviatis, longitudinalibus, 6— 7; anulis profundius segmentatis, parte anteriore glabra, posteriore dense longitudinaliter, sed sat subtiliter sul- cata, licet striata; poris sat magnis, in parte posteriore fere medio laterum pone sulcum ceircularem sitis; anulo. ultimo piloso, spina postica acuta, valvulas anales lon- gius superante, valvulis analibus pilosis, valde convexis; ir 2 21 antennis anulum quintum subattingentibus; anulis ca. 50; long. corp. ca. 30 mm. Exemplum singulum in spir. vini ex Hongkong (E. vw. Martens)). Spirostreptus, Brandt. Bull. des Nat. d. Moscou, VI, 1833, p. 203; — Peters, Reise nach Mossambique, V, pp. 535 u. 548; — Gerstaecker, Gliederthierfauna d. Sansibargeb., 1873, pp. 507—515; — Humbert, Mem. Soc. Phys. et d’Hist. Nat. Geneve, XVII, 1866, pp. 46— 55; — de Saussure et Hum- bert, Mission scientif., VI, 2, 1872, pp. 68—65; — v. Porath, Öfvers. Ksl. Vet.-Akad. Förh., XXIX, 1872, No. 5, pp: 22—24; Bih. K, Svenska Vet.-Akad. Handl., IV, 1876, No. 7, p. 38; — Voges, Zeitschr. f. wissensch. Zool., XXXI, 1878, pp. 155 -—-160 ete. ete. Subgenus Odontopyge, Brandt. A. Die Dorsalzähne der Analklappen überragen den Endring nicht. a. Rücken der Ringe ungefleckt, mit durchlaufender Längsbinde; Analklappenzähne abgerundet. 18. Spirostreptus (Odontopyge) mitellatus, nob., 2, crassior, rubro-brunneus, vitta lata dorsali perfecta brunnev- fusca, lateribus irregulariter infuscatis, capite brunneo, collo brunneo, rubro-limbato, pedibus fuseis, tarsorum apice flavo; fronte glabra, sul&o medio tenui longitudinali, angulis ocu- lorum internis suleco profundo conjunctis, clypeo rugoso; collo lateribus rotundatis, utrinque bisulecatis; anulis pro- funde segmentatis, subtus sulcatis, dorso postice irregula- riter levissime dense longitudinaliter rimosis; anulo ultimo leviter rimoso, submucronato, valvulis analibus compressis, apieibus superioribus rotundatis parvis; anulis 49. Exemplum singulum siccatum e Zanzibar (Hilde- brandt!). b. Rücken der Ringe gefleckt, ohne durchlaufende Binde. Analklappenzähne spitz. 19. Spirostreptus (Odontopyge) maculatus, nob., 2, gracilior, ceinereo-niger, clypeo, pedibus, antennis flavis, dorso seriebus quatuor, 2 lateralibus et 2 mediis macularum flavarum subrotundarum, collo vitta lata fava margini antico 22 parallela, et macula laterali flava subsemilunari, valvulis analibus flavis, elypeo flavo, fronte fusca, glabra, sub- sulcata, oculorum angulis internis sulco profundo conjunctis; elypeo rugoso; anulis profunde segmentatis, subtus suleatis, dorso postice levissime rimosis; valvulis analibus a sis, apicibus acutis; anulis 50. Exemplum on in spiritu vini conditum e Wito (Fischer!). B. Die Dorsalzähne der Analklappen überragen den Endring. a. Die Ringe sind dorsalwärts glatt. 20. Spirostreptus (Odontopyge) acutus, nob., dd, gracillimus, dorso vitta lata flava, lateribus nigro-maculatis, suboculatis, anulorum margine postico Havo-brunneo; fronte suleo ordinario, glabra, clypeo glabro, anulis glabris; sub- tus plus minusve suleatis, profunde segmentatis; eollo late- ribus rotundatis, margine ventrali subtruncato, bisuleato; anulo ultimo submucronato, valvularum analium compres- sarum apieibus superioribus porrectis subacutis; anulis 59. Exemplum siceatum e Pungo (Homeyer!). b. Die Ringe sind hinten dorsalwärts skulptirt. * Die Dorsalzähne der Analklappen sind an der Basis verdiekt; die Randfurche des Collum ungegabelt. 21. Spirostreptus (Odontopyge) tumidens, nob., cd, flavus, anulis postice late nigris; fronte suleo ordinario brevi longitudinali, elypeo glabro; collo lateribus latis, sub- truncatis, utrinque bisulcatis; anulis profunde segmentatis, parte postica leviter et irregulariter rugosa, subtus sulcata; anulo ultimo flavo, submueronato, supra sulco sat profundo medio transverso; valvulis analibus subcompressis, margini- bus postieis sulco tenui parallelo, apieibus dorsalibus acutis, sat longis, basi tumidis; anulis 57. Exemplum in spir. vini asservatum e Scriba Ghattas, Djur (Sehweinfurth!). #* Die Dorsalzähne der Analklappen an der Basis nicht geschwollen; Randfurche des Collum gegabelt. 22. Spirostreptus (Odontopyge) furcatus, nob., 9, 23 pallide brunneus, anulorum margine postico, antennarum articulis 2 ultimis infuscatis; fronte suleo ordinario, angu- lis oculorum internis suleco tenuissimo conjunctis; elypeo subglabro; collo lateribus 'rotundatis, utrinque bisulcatis, suleo marginali postice bifurcato; anulis subtus profunde suleatis, dorso levissime longitudinaliter postice rimosis, profunde segmentatis, anulo ultimo rugoso, submucronato, supra carinato, valvulis analibus subcompressis, apieibus dorsalibus longis, acutis, paullo eurvatis, marginibus postieis suleo parallelo instructis; anulis 63. Exemplum in spir. vini conditum ex Acera (Ungar!). Bemerkung: Ueber Odontopyge v. Porath vergl. das in der Einleitung gesagte; — offenbar gehört auch Spirostreptus binodifer Voges (Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, XXXI, 1878, p. 176, 18) in die Untergattung Odontopyge. Subgenus Nodopyge, Brandt. Seetio I. Der Endring ist in eine, die Analklappen mehr oder minder weit überragenden Spina ausgezogen . (Mueronati, Br.). A. Das hinterste Segment der Ringe dorsalwärts glatt. a. Die Bauchgruben quer und stark verlängert. * Antennen bis zum 4. Leibesringe reichend (J'). 23. Spirostreptus (Nodopyge) opinatus, nob., d, ci- nereo-testaceus, marginibus anulorum postieis plus minus infuscatis, pedibus testaceo-flavis, versus basin valde infu- scatis (in altero exemplo concoloribus); facie glabra, fronte sulcata; anulis profundius segmentatis, parte anulorum ba- sali concentrice striata, postica dorso glabra, subtus et la- teribus longitudinaliter suleata, ventre fovea profunda utrin- que transversa elongata; collo lateribus latius truncatis, an- gulo laterali antico rotundato, paullo producto, sulco lato marginali et sulco singulo abbreviato utringue profundo, bene expresso, postice; anulo ultimo spina subgracili, paullo superiora versus apice directo, valvulis analibus paullo con- vexis, galeiformibus (i. e. marginibus compressis), antennis anulum tertium subsuperantibus; anulis inter caput et val- vulas anales ea. 65. Tenasserim (Philippi!). 24 == Antennen das Collum nicht überragend (2). 24. Spirostreptus (Nodopyge) foveatus, nob., 9, in- eano-testaceus, pedibus testaceis; facie glabra, fronte sulco profundiore; anulis profundius segmentatis, parte basali con- centrice striata, media fovea ventrali transversa subelongata profunda breviore, parte postica subter et lateribus'longi- tudinaliter sulcata, dorso glabra; collo lateribus rotundato- truncatis, sulco marginali profundo et singulo abbreviato postico; anulo ultimo spina longa, paullo superiora versus apice direeto, valvulis analibus convexis, subgaleiformibus; antennis collum haud superantibus longitudine. Anulis 53. Rosobosa prope Manillam (E. v. Martens!). b. Die Bauchgruben sind oval und klein. + Clypeus rauh-rissig. 25. Spirostreptus (Nodopyge) constrietus, nob., 2, sracilior, pone collum valde constrietus, subniger, parte anulorum media, pedibus, antennis rubro-brunneis; fronte slabra, suleo medio, elypeo rugoso; anulis profundius seg- mentatis, parte basali concentrice striata, postica dorso gla- bra, nitida, subter suleis ordinartis longitudinalibus signata; collo lateribus anguste truncatis, margine laterali antico paullo exeiso, suleo marginali et suleis abbreviatis 2—3, plus minus bene expressis; anulo ultimo spina longiore su- periora versus apice directo, valvulis analibus galeiformibus; antennis anulum tertium vix attingentibus. Java (E. v. Maitens!). | 7r Gesicht ganz glatt. © Analklappen stark convex, nicht helmförmig, d.h. ohne flache Ränder. *= Collum seitlich abgerundet, Antennen bi: Collum kaum überragend. 26. Spirostreptus (Nodopyge) erassanus, nob., Cd, fusco-testaceus, anteriora versus infuscatus; facie subglabra; anulis evidenter, sed haud profunde segmentatis, glabris, parte postica subter suleata; collo lateribus rotundatis, paullo interiora versus productis, sulco lato marginali sul- 25 cisque imperfectis nonnullis subinordinatis obliquis; anulo ultimo spina crassa, valvulas anales valde convexas paullo superante; antennis collum vix superantibus; anulis 65. Makassar (v. Martens!) == Oollum breit abgerundet mit spitzem Hinterwickel, Antennen bis zum 3. Leibesringe reichend. 27. Spirostreptus (Nodopyge) repandus, nob., dd, erassior, fuscus, parte anulorum media testacea, pedibus rubro-brunneis; facie glabra, fronte sulco medio ordinario; anulis profunde segmentatis, glabris, subter suleatis parte postica; collo lateribus latius rotundatis, angulo postico sub- acuto, sulco marginali lato, suleisque abbreviatis utrinque 2 subparallelis postice; anulo ultimo spina brevi apice su- periora versus direeto sulco transverso basi limitata, val- vulis analibus convexis, postice sulco profundo marginali instructis, antennis marginem posticum anuli secundi attin- sentibus, anulis 60. — Exemplum juvenile foenimeum om- nino testaceum, ceterum vix- diversum videtur. Kepatiang, Sumatra (E. v. Martens!) &C® Analklappen helmförmig. >< Collum seitlich verschmälert abgerundet mit ee seits nur 1 Furche; Ringe sehr seicht segmentirt. 28. Spirostreptus (Nodopyge) astrietus, nob., Q, brevis, crassior, testaceus;' facie glabra, nitida, fronte sulco medio brevissimo, elypeo foveolis 6 arcum brevem formantibus; anulis leviter segmentatis, glabris, opaecis, subtus plus minus suleatis; collo nitente, lateribus sensim angustatis, rotunda- tis, sulco marginali utrinque singulo; anulo ultimo spina superiora versus apice directo, longa, valvulis analibus 'galeiformibus; antennis collum paullo superantibus longitu- dine; anulis 51. Zanzibar (Hildebrandt!). ><>< Collum jederseits ausser der Hauptfurche mit Nebenfurchen; Ringe tief segmentirt. * Collum seitlich ziemlich breit abgerundet, mit etwas concavem Vorderrande und etwas vorgezogener spitziger Hinterecke. 26 | 29. Spirostreptus (Nodopyge) lemniscatus, nob., 2, fuseo-testaceus, dorso linea media fusca longitudinali; parte anulorum postica nigra, pedibus brunneis; facie glabra, sulco frontali obsoleto; anulis glabris, profunde segmentatis, parte postica subtus tantum longitudinaliter sulcata; collo lateri- bus sat late rotundatis, margine laterali antico paullo exeiso, angulo postico paullo producto, subacuto, margine postico excavato, sulco lato marginali suleisque 2—5 profundis interruptis utrinqgue; anulo ultimo spina brevi paullo supe- riora versus apice curvato, valvulas anales galeiformes con- vexas vix superante, sulco transverso profundo basi limitata; pedibus brevioribus; antennis marginem anuli secundi posti- cum haud omnino attingentibus; anulis ea. 57. Labat, Lumbok (E. v. Martens!). #2 (Gollum seitlich breit und einfach gerundet. 30. Spirostreptus (Nodopyge) faleiferus, nob., ), 2, crassior, in @ valde, in f' pone collum minus constrietus, cinereo-fusceus, dorso linea nigra media longitudinali, parte anulorum media incana, pedibus antennisque flavis; facie convexa, glabra, fronte sulco medio longitudinali; anulis profunde segmentatis, parte anulorum basali striis concen- trieis, media glabra, postica subtus tantum suleata; collo lateribus late rotundatis, sulco marginali profundo et suleis abbreviatis irregularibus tenuibus antice posticeque; anulo ultimo spina longiore, apice superiora versus directa, val- vulis analibus galeiformibus, antennis in 2 collum haud superantibus, in f anulum quartum subattingentibus; anulis 69— 171. Borneo: Singkawang, Montrado (E. v. Martens!). Exemplum foemineum alterum e Bengkajang (E. v. Mar- tens!) singulum anulis 69 inter caput et valvulas anales, antennis longioribus, marginem anuli tertii posticum sub- attingentibus, a forma prineipali deseripta differt, eui varie- tati nomen Spir. simplus var. dedimus. B. Das hinterste Segment der Ringe dorsalwärts skulpirt. a. Mittelsegment der Ringe dorsalwärts glatt. 7 Ringe seicht segmentirt, Antennen bis zum 5. Körperringe reichend. 27 31. Spirostreptus (Nodopyge) amietus, nob., (', gra- eilis, einereo-fuseus, anulorum margine postieo dorso rubro, pedibus antennisque testaceis; facie convexa, glabra; anulis evidenter, sed haud profunde segmentatis, subtus suleatis, parte basali striis paueis concentrieis, parte postica striis obliquis sat densis ornata; collo lateribus rotundatis, suleis marginalibus profundis utringue 2 perfecetis et abbreviatis paueis postice; anulo ultimo spina longa, superiora versus apice directa curvata, valvulis analibus galeiformibus; an- tennis marginem anuli quarti postieum attingentibus, anulis ca MT. Bornea: Bengkajang (E. v. Martens!) Tr Ringe tief segmentirt, Antennen höchstens den zweiten Körperring kaum überragend. *= Rücken der hintersten Ringsegmente sehr fein un- regelmässig gestreift. 32. Spirostreptus (Nodopyge) allevatus, nob., JS‘, fusco- testaceus, parte anulorum postica fusco-brunnea; facie gla- bra, fronte suleo ordinario medio longitudinali, striis obliquis brevibus rubrugosa; anulis profunde segmentatis, parte ba- sali striis concentrieis, postica subtus suleata, dorso striis levissimis, vix ullis, irregularibus subrugosa, sublevigata; eollo lateribus latius truncatis, angulo antico rotundato, sulco marginali profundo lato suleisque abbreviatis postieis utrin- que 2; anulo ultimo spina acuta superiora versus apice di- recta curvata, basi dorso suleis profundis transversis limi- tata, valvulis analibus minus convexis, subgaleiformibus; an- tennis anulum secundum vix superantibus; anulis inter caput et valvulas anales 59. Siam (Jagor et Schetely!). =*= Rücken der hintersten Ringsegmente mit tiefen Längsstreifen versehen. 33. Spirostreptus (Nodopyge) caudieulatus, nob., C, 2, Havo-brunneus, subinfuscatus, gracilis; fronte elypeoque glabris; anulis profunde segmentatis, parte media glabra, nitida, postica dorso profunde longitudinaliter striata, sub- tus suleata; collo lateribus rotundatis, sulco singulo utrinque 28 ; u profundo longo perfeeto marginali; anulo ultimo spina brevi porreeta subacuta, valvulis analibus sat convexis, glabris, sulco marginali instructis utringue; antennis eollum paullo tantum superantibus, anulis ca. 60. | Ceylan: Rambodde (Nietner!). Forma Spirobolo crebristriato Hmbrt. seulptura valde similis, sed haud dubie Spirostrepti generis species. b. Mittelsesment der Ringe dorsalwärts skulptirt. f Collum und Stirn eingestochen punktirt; Antennen das Collum nicht überragend (9). 34. Spirostreptus (Nodopyge) spirobolinus, nob., 2, erassior, niger, pedibus antennisgue rubro-brunneis; fronte impresso-punctata, elypeo valde rugoso; anulis profunde seg- mentatis, parte media dorso impresso-punctata, parte postica antice impresso punctata, postice subglabra, nitida, subtus longitudinaliter sulcata; collo lateribus rotundatis, suleo mar- ginali profundo lato utrinque singulo, dorso sparse impresso- punctato; anulo ultimo impresso-punctato, subrugoso, spina valvulas anales convexas, postice inerassatas, impresso-pun- ctatas, paullo superante; antennis collum haud superantibus, anulis 51. Hantam: Africa meridion. (Meyer!) jr Collum nieht punktirt, Stirn glatt oder rauh-rissig; Antennen das Collum überragend. *= Gesicht glatt, Ringe tief segmentirt. 35. Spirostreptus (Nodopyge) horridulus, nob., Q, brunneus, pedibus ‚pallidioribus, brunneo-annulatis; Da glabra, fronte suleco profundo medio; anulis profunde seg- mentatis, parte anulorum basali concentrice striata, media longitudinaliter striata, parte postica subtus suleis ordinariis, dorso leviter et densissime longitudinaliter striatis; collo lateribus paullo productis, rotundatis, margine laterali an- tico parum exciso, sulco profundo marginali et abbreviato postico altiore; anulo ultimo parum rugoso, spina sat longa subporrecta, apice acuta, basi suleis transversis limbata, val- vulis analibus eonvexis, sulco marginali profundiore; an- 29 ‚tennis anuli secundi marginem posticum haud omnino attin- gentibus. Java (Goering!). ** Stirn rauh-rissig, Ringe seicht segmentirt. 36. Spirostreptus (Nodopyge) contemptus, nob., brun- neo-fuscus, pedibus rubro-brunneis; fronte subplana, sulco medio longitudinali, rugosa, elypeo subglabro; anulis eviden- ter, sed haud profunde segmentatis, parte basali concentrice striata, media rugosa, parte postica subtus sulcata, lateribus dorsoque subgranulosa, rugosa; collo lateribus late rotun- datis, margine laterali antico paullo exciso, suleis utrinque 2 subperfectis, dorso rugoso; anulo ultimo rugoso, spina valvulas anales vix superante subobtusa, valvulis analibus parum convexis, marginibus late compressis, rugosis; anten- nis anuli secundi marginem posticum attingentibus. Oeylan (Nietner!). Exemplum juvenile flavo-testaceum verisimiliter ejusdem speciei: Oeylan (Hoffmeister!). Spirostreptus Lankaensis Hmbrt. huie speciei sine dh valde 'affinis est, sed illa „par de tres-fines stries irregulieres (sur tous les en et un peu tortueuses, tres-rapprochees les unes des autres“ a specie nostra sculptura satis differre videtur. Sectio IL. Der Endring besitzt keine die Analklappen überragende Spina, endet mit spitzem oder stumpfem Winkel oder erscheint hinten der Quere nach gerade abgeschnitten (Immucronati, Brandt). Subsectio I. Heteromorphi nob. Das Collum der ' ist seitlich mehr oder minder stark ausgezogen, beim 2 dagegen nicht oder kaum über den Unterrand des zweiten Ringes hinausreichend. In diese Gruppe zählen von beschriebenen Arten: Havifilıs, semilunaris und stylifer Ptrs., macrotis Gerst. JS (2: cephalotes Voges (?), Wahlbergi, eristulatus und Heros v. Porath; pyrrhozonus Gerst., bildet zur folgenden Gruppe den Uebergang. Spir. Petersi und ezcavatus sind nur fraglich hier untergebracht. 30 A. Collum beim seitlich der ganzen Länge nach flach griffelförmig ausgezogen. a. Griffelende spitzig abgerundet. * Vorderer Seitenrand des S'-Collum schwach aus- sebuchtet; Collum des 2 seitlich breit abge- rundet; mit je 4 Bogenfalten. 37. Spirostreptus (Nodopyge) eycenodes, nob., cf, 9, testaceus, anteriora et posteriora versus infuscatus, parte anulorum postiea subnigra; facie glabra, sulco frontali medio longitudinali ordinario; anulis profundius segmentatis, parte anulorum basali concentrice striata, media leviter et dense impresso-punctata, postica subtus suleata, dorso antice dense et leviter impresso-punctata, postice glabra; collo in d' la- teribus productis, styliformibus, rotundatis, margine laterali antico excavato, utrinqgue quadri-plicatis, in 2 simplieiter rotundatis, quadri-plicatis sulcogue postico, antice valde abbreviato inter plicam tertiam et quartam; anulo ultimo rotundato-angulato, valvulis analibus convexis, marginibus suleo sat profundo limitatis; antennis f et Q marginem anuli quinti posticum ann. anulis f' 59, 2 54 inter caput valvulasque anales. Acera (Ungar!). == Vorderer Seitenrand des J'-Collum tief ausgebuchtet, die Seiten mit je 3 Bogenfurchen. © unbekannt. 38. Spirostreptus (Nodopyge) Petersi, nob., ', cras- sus, fuscus; clypeo profundius exciso, foveis 5 ornato et striis longitudinalibus tenuibus subrugoso; anulis profunde segmentatis, parte postica subtus longitudinaliter sulcata, dorso postice glabra; collo lateribus sat produetis, margine laterali antico profundius excavato. Species figura et magni- tudine Sp. gigas Ptrs., cum quo magnam similitudinem ha- beat, sed collo lateribus multo magis producto, margine late- rali colli antico multo profundius exeiso et praeeipue for- matura elavorum externorum appendieum maris genitalium, in Spvrostrepto gigas partes duas, interiorem sub pyriformem, exteriorem angustiorem, paullo longiorem, apice extus cur- vatam, acutam, in specie nostra corpora duo compaecta con- al torta subannuliformia formantium haud diffieile distinguenda. — Exemplum singulum e Tette (Peters!), b. Griffelende des cf breit abgestutzt, mit 5 Bogenfalten und tief ausgebuchtetem Vorderrande; © unbekannt. 39. Spirostreptus (Nodopyge) excavatus, nob., /,, fu- sco-brunneus, nitidus; facie subglabra, elypeo striis inordi- natis paullo rugoso, supra marginis incisuram foveolis 4, fronte glabra sulco medio longitudinali et transverso, oculorum angulos internos conjungente tenui; anulis profun- dius segmentatis, parte basali striis concentrieis, parte postica altiore, convexa, glabra, subtus suleata; collo lateribus valde produetis, styliformibus, margine laterali antico valde ex- cavato, subter late truncatis, utrinque quinque-plicatis; anulo ultimo postice angulato, mucronem brevem, basi sulco trans- verso limitatum, valvulas anales convexas marginibus com- pressis instructas haud superantem postice formante; an- tennis?, anulis 61 inter caput valvulasque anales. Brasilia. B. Nur der Vordertheil der Seiten des Collum beim J' in einem (kürzern) Griffel ausgezogen, der hintere Theil scharf abgesetzt. a. Vorsprung des J'-Collum breit und stumpf, Seiten beim © breit abgestutzt. 40. Spirostreptus (Nodopyge) Hildebrandtianus, nob., cd, ©, rubro-brunneus, antice posticeque infuscatus, parte anu- lorum postiea nigra; fronte sulco medio, elypeo subrugoso; ‚ anulis evidenter, sed haud profunde segmentatis, parte basali concentrice striatis, media densissime et levissime impresso- punctata, parte postica densissime sed leviter impresso pun- etata et irregulariter longitudinaliter rimosa, tali modo ru- gosa, subtus tantum sulcata; collo in © lateribus late rotundato, utrinque triplicato, in £' paullo producto antice, utringue biplicato sulcoque superiore late sejuncto; anulo ‚ultimo postice subangulato, valvulis analibus convexis, mar- ginibus late compressis rugosis; antennis in @ anuli secundi, in cf tertii marginem posteriorem paullo superantibus; anulis 60 () — 62 (Q) inter caput valvulasque anales. Nossi B& (Hildebrandt!). ‚82 b. Vorsprung des J-Collum verdünnt abgerundet zu- laufend; Seiten des Q-Collum stark verschmälert zu- laufend und rundlich-spitz endigend. 41. Spirostreptus (Nodopyge) digitulatus, nob., c,, erassus, pallide testaceus, parte anulorum postica posteriora versus infuscata, anulis linea media dorsali tenui fusca; clypeo margine inferiore foveolis 10 ornato et supra in- cisuram mediam punctis minutissimis impressis sparso, facie medio striis inordinatis paullo rugosa, fronte glabra, ocu- lorum angulis sulco tenui conjunetis; anulis profundius seg- mentatis, parte basali concentrice striata, media minutissime et densissime impresso-punctata, postica minutissime et den- sissime impresso-punctata, subtus tantum longitudinaliter suleata; poris lateralibus subventralibus; ceollo glahro, lateri- bus parum rugosis, rotundato-productis, subdigitulatis in , utrinque 6-sulcatis, margine laterali antico sat profunde ex- cavato; anulo ultimo postice rotundato-angulato, valvulis analibus convexis, marginibus rotundatis, sulco profundo parallelo limitatis; antennis marginem anuli quinti postieum subattingentibus; anulis 52. Foeminam defectam colore paullo infuscato, celypeo profundius sulcato, collo lateribus minus producto, utrinque quinque-plicato, seulptura haud diversam ad eandem spe- ciem refero. Seriba Ghattas: Djur (Schweinfurth!) Ü. Seiten des Collum beim £ von denen des © nur wenig abweichend, ohne besonderen Vorsprung, nur ein wenig gerundet vorgezogen mit ausgebuchtetem _ Vorderrande und zahlreichen Randfalten und -Furchen, beim © breit abgeschnitten. : a. Ciypeus kaum runzlig; Antennen beim @ bis zum 4., beim (' bis zum 6. Ringe reichend. 42. Spirostreptus '(Nodopyge) heterothyreus, nob., S', 9, fuscus, pedibus in J testaceis, in Q brunneis; elypeo parum rug0so, fronte suleo medio oeulisque (saltem in Q) sulco transverso conjunctis; anulis profundius segmentatis, parte basali concentrice striatis, media subtilissime et dense im- presso-punctata, postica subtus suleata, dorso anticee n Q | u 33 ‚subtilissime impresso-punetata, postice glabra, in ' margine antico suleis valde abbreviatis longitudinalibus limitato, crassius denseque impresso-punetata; collo lateribus in conice producto, margine laterali antico excavato, plieis utrinque 3 sulcoque profundo superiore, in @ subtruncato, plieis 3 et 1—2 abbreviatis, sulcoque superiore instructis; anulo ultimo postice rotundato-angulato, valvulis analibus convexis, marginibus late compressis; antennis Q-ae mar- sinem anuli tertii, f'-is anuli quinti postieum subattin- sentibus; anulis 59—61 (S) vel 61—64 (Q). St. Martha (Tetens!). b. Clypeus grob gerunzelt; Antennen des © bis zum 7., des f' bis zum 8. Ringe reichend; Seiten des Collum beim © im Winkel abgerundet. 43. Spirostreptus (Nopodyge) montivagus, nob., cd), O, gracilis, niger, facie, antennis, parte anulorum media testaceis, pedibus brunneis; fronte sulco ordinario, clypeo valde rugoso; anulis sat profunde segmentatis, parte postica altiore, convexa, subtus sulcata, striis brevibus punctisque im- pressis dense et subtiliter subrugosa; collo lateribus late ro- tundato, in f' paullo magis anteriora versus producto, utrinque trisuleato; anulo ultimo postice angulo rotundato, valvulis analibus convexis, marginibus latius eompressis; antennis O-ae anuli 6-ti, d'-is anuli 7-mi marginem posticum sub- attingentibus; anulis ca. 71. Somali: Meid Hildebrandt!). e. Gesicht eingestochen punktirt; Antennen bis zum 5. Ringe reichend; Seiten des Collum beim @ im vor- deren Winkel spitz. 44. Spirostreptus (Nodopyge) cavicollis, nob., J', 9, fuscus, subniger, graeilis; facie impresso-punctata, fronte sulco profundo longitudinali ordinario; anulis levissime segmen- tatis, parte anulorum basali concentrice striatis, postica sub- tus suleata, dorso et lateribus striis levissimis longitudina- libus irregularibus punctis impressis minutissimis opaca; collo lateribus late truncato, margine laterali antico pro- funde exeiso, plieis utringue 4 et sulco profundo superiore _ Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIYV. 1881. 34 instructo; anulo ultimo angulato-rotundato, valvulis analibus convexis, marginibus sat late compressis; antennis anuli 4ti marginem postieum subattingentibus; anulis 66. — Foemina huius speciei partem anulorum mediam pallidiorem, sub- testaceam habet, frontem sat dense impresso-punetatam, elypeum valde rugosum, collum margine laterali antico minus profunde exeisum, utrinque 4- au m plieis 2 supe- rioribus postice furcatis. Puerto Cabelio (Martin!). Subsectio II. Homemorpbi nob. Männchen und Weibehen zeigen keine abweichenden seeundären Charaktere; das Collum der Männer ist seitlich nie lappen- oder griffelförmig ausgezogen oder hat verwandte Charaktermerkmale mit dem Weibe ge- meinsam. Doch mussten in diese Gruppe vorläufig noch einige zweifelhafte Arten aufgenommen werden, von denen nur Weiber oder nur Männer vorlagen, so dass die eine oder andere bei genauerer Kenntniss viel- leicht zu den Heteromorphen versetzt werden wird. A. Analklappen stark eenvex mit convexen von dem Basaltheile nicht abgesonderten Rändern. a. Seiten das Collum gerundet; * vorderer Seitenrand convex, 5—6 abgekürzte Rand- furchen. 45. Spirostreptus (Nodopyge) mellitus nob., Q, gra- cilis, tenuis, glaber, nitidus, incanus, collo fusco, pallide limbato, parte anulorum media omnino, postica antice late fusea, capite, antennis, pedibus fulvis, anulis Tinea dorsali media et laterali utrinque longitudinali fusca; facie glabra; collo lateribus late rotundatis, margine laterali antico valde convexo, angulo postico subreeto, suleis marginalibus 6—7, superioribus 2 antice abbreviatis; anulis profunde segmen- tatis, glabris, parte basali striis concentricis ornata, media posticaque subtus longitudinaliter suleata; poris magnis in medio fere laterum parte fusca partis posticae propius mar- gini antico et paullo infra lineam lateralem fuscam sitis; anulo ultimo postice subangulato-rodundato vel magis sub- truneato, valvulis analibus valde convexis, haud marginatis; ey R 2 35 antennis longissimis, anulum 6-um attingentibus, pedibus longioribus; anulis ca. 62; long. corp. ca. 60 mm. Sierra Geral (Hensel!). == Vorderer Seitenrand ziemlich schwach concav ;-jeder- seits nur 2. Bogenfurchen. 46. Spirostreptus (Nodopyge) rotundanus, nob., 9, gracilis, fusco-testaceus, lines media dorsali tenui fusca, pedibus antennisque magis brunneis; facie glabra; anulis profundius segmentatis; collo lateribus sensim rotundatis, utrinque 2-suleato; parte anulorum basali concentrice striata, media posticaque subtus suleatis, dorso et lateribus striis subtilissimis inordinatis longitudinalibus vix rugosis; anulo ultimo angulo postico subacuto, valvulis analibus parum convexis, marginibus rotundatis; antennis marginem anuli quarti posticum vix attingentibus; anulis 71. Rio Janeiro (Martius!)). 'b. Seiten des Collum stumpf, der Länge nach gerade abgeschnitten; * Vorderer Seitenrand concav, jederseits eine breite Randfalte und einige sehr kurze Furchen am Hin- terrande. ; 47. Spirostreptus (Nodopyge) trunculatus, nob., ©, testaceo-fuseus, parte anulorum postica postice infuscata; facie glabra, fronte sulco ordinario; anulis profundius seg- mentatis, parte media granuloso-rugosa, postica convexa altiore, subtus sulcata, antice striis punetisque impressis inordinatis rugosa, postice glabra, nitente; collo lateribus haud producetis, subtruncatis, angulis antico et postico sub- acutis, suleo marginali et suleis eurvatis superioribus ab- breviatis postieis, plus minus obsoletis; anulo ultimo postice angulato, haud mucronato, valvulis analibus subglabris, paullo convexis, postice rotundatis, haud marginatis; an- tennis collum haud superantibus; anulis 71. Java (Jagor!). ** Vorderer Seitenrand gerade, jederseits 2 lange Bogenfurchen. 3% 36 48. Spirostreptus (Nodopyge) Tschudii [Stein i. litt.], d', 9, gracilis, pallide testaceus; facie convexa, glahra, fronte sulco medio ordinario; collo lateribus late truncatis, angulo antico subacuto, unaibns utringue bisuleatis; anulis profundius segmentatis, glabris, parte anulorum postica subtus longitudinaliter suleata; anulo ultimo postice rotundato-angulato, valvulis analibus convexis, marginibus rotundatis, haud marginatis; antennis collum vix superanti- bus; anulis 62—63 inter caput squamasque anales; long. corp. ca. 57 mm. Peru (v. Tschudi)). B. Analklappen convex, mit stark convexen, durch eine tiefe Parallelfurche scharf abgesetzten Rändern. a. Seiten des Collum breit gerundet, ohne Vorder- ecken. * Jederseits 4 starke Bogenfalten am Rande; An- tennen des f' bis zum 7. Ringe reichend, des O bis zum 6. 49. Spirostreptus (Nodopyge) paris nob., d, & erassus, pallide vel fusco-testaceus; facie glabra; cole la- teribus subtruncato, late rotundato, plieis planis utrinque 4 vel 5, duabus inferioribus postice furcatis; anulis profunde segmentatis, parte basali striis profundis concentrieis, postica convexa, alta, subtus sulcata, cum parte media dorso glabra, anulo ultimo postice subtruncato, medio vix angulato, val- vulis analibus convexis, marginibus sulco sat lato et pro- fundo limitatis; antennis maris marginem anuli 6-ti posticum subattingentibus, foeminae anuli 5- ti; anulis ca. 68. Liberia (Benson!)). ** Jederseits nur 2 lange Bogenfurchen am Rande; Antennen nicht bis zum 5. Ringe reichend. 50, Spirostreptus (Nodopyge) abstemius, nob., , Q, graeilis, subniger, pedibus antennisque rubro-brunneis; facie valde convexa; collo lateribus late rotundatis, utrinque bisuleatis; anulis profundius segmentatis, subglabris, parte postica subter suleata, dorso et lateribus levissime longitu- dinaliter striolata et subtilissime punctulata; anulo ultimo BY . postice angulato-rotundato, valvulis analibus convexis, suleo marginali lato sat profundo; antennis maris anulum tertium superantibus, foeminae anuli tertii marginem posticum sub- attingentibus; anulis ca. 50. Patria incerta, verisimiliter: Cuba. b. Seiten des Collum stumpf, d. h., der Länge nach gerade, oder quer abgeschnitten; T Quer abgeschnitten, d. h., die Vorderecke stark vortretend und spitz; jederseits 2 spitzwinklige Furchen und 2 (getheilte oder abgekürzte) Bogen- furchen. 51. Spirostreptus (Nodopyge) coruseus, nob., Q, gra- eilis, niger, pedibus antennisque brunneis, parte anulorum postica antice pallida; facie subglabra, sulco frontali medio; collo lateribus oblique truncatis, angulo anteriore promi- nente, suleis utringue 2 marginalibus profundis medio an- gulatis singuloque postico, antice valde abbreviato et quarto superiore minus abbreviato; anulis profundius segmentatis, dorso suleo medio tenui longitudinali, parte anulorum basali concentrice striata, postica glabra, subtus tantum suleata; poris magnis paullo pone marginem anticum fere medio la- terum sitis; anulo ultimo angulo postico paullo rotundato, valvulis analibus convexis, sulco marginali profundiore; an- tennis marginem anuli tertii postieum subattingentibus; anulis 67. Peru (Finsch!). ir Seiten des Collum gerade abgestutzt. © Vorderecke gerundet, jederseits 7 oder mehr Bo- genfalten; Ringe dorsalwärts eingestochen punktirt. 52. Spirostreptus (Nodopyge) mathematiceus, nob., ©, graeilior, testaceus, parte anulorum postica postice in- fuscata, dorso vitta lata media longitudinali plus minus bene expressa fusca; facie glabra; collo lateribus angustato-ro- tundatis, multiplicatis, plieis 6—8 instructis; anulis haud profunde segmentatis, densissime et subtiliter impresso- punctatis, parte postica postice magis sparse punctata an- ticeque eingulo punetorum majorum singulo ornata, subtus 38 suleata ; anulo ultimo rugoso, postice angulo subaeuto, val- vulis analibus convexis, sulco lato haud profundo marginali; antennis anuli ve, marginem posticum subattingentibus; anulis ca. 56. Brasilia (Kikartz!). ©O© Vorderecke spitz; Ringe .dorsalwärts rissig. * Collum jederseits mit 6 (Bogenfalten bildenden) Furchen; Ringe nieht tief segmentirt. 53. Spirostreptus (Nodopyge) thalpogenitus, nob., 9, sracilior , testaceus, parte anulorum postica infusceata; facie glabra, fronte suleo medio ordinario; collo lateribus angu- stato-truncato, angulo antico subreeto, suleis 6 utrinque 6-plicato; anulis haud profunde segmentatis, nitidis, parte postica subtus sulcata, strüs irregularibus longitudinali- bus dorso lateribusque subtilissime rugosa; anulo ultimo postice subtruncato, valvulis analibus valde convexis, sulco lato marginali, marginibus haud compressis; antennis mar- ginem anuli quarti posticum superantibus, anulis ca. 55. Pungo (Homeyer!). ** Oollum mit jederseits nur einer Bogenfurche; Ringe tief segmentirt. 54. Spirostreptus (Nodopyge) amputus, nob., /', gra- eilis, testaceus, anteriora et posteriora versus.et parte anu- lorum postica infuscatus; facie glabra, fronte sulco medio ordinario; eollo lateribus truncatis, angulo antico acute,. margine utr nque sulco singulo; anulis profunde segmentatis, parte basali concentrice striata, postica subtus suleata, dorso striis tenuibus irregularibus longitudinalibus rugosa; anulo ultimo rugoso, postice angulato-rotundato, valvulis analibus rugosis, marginibus rotundatis, sulco lato parallelo lim- batis; antennis anuli tertii marginem posticum subattin- gentibus; anulis 61 inter caput squamasque anales. Lahat, Lumbok (E. v. Martens!). C. Analklappen von den Rändern bis zur Basis ein- fach comprimirt. a. Seiten des Collum abgerundet, ohne Vorderecke; 39 >< jederseits eine bis zwei Randbogenfurchen. An- tennen bis zum vierten Körperringe reichend, Mittel- und Hintertheil der Ringe dorsalwärts rauh-rissig. 55. Spirostreptus (Nodopyge) marus, nob., Q, crassior, ineanus, anteriora versus infuscatus, anulis postice infuscatis, linea dorsali media longitudinali fusca, margine anulorum postico anguste-rubro, pedibüus antennisque stramineis; facie glabra; collo lateribus late rotundatis, suleis profundis utringue 2 late sejunctis marginalibus; anulis sat profunde segmentatis, parte basali concentrice striata, media punetis impressis striisque subtiliter rugosa, postica, subtus longitu- dinaliter suleata, omnino dense et sat crasse rugosa; poris minoribus paullo infra medium laterum propius margini seg- menti anteriori sitis; anulo ultimo angulo postico rotundato, valvulis analibus parum eonvexis, haud marginatis, subcom- pressis; antennis brevioribus, anulum tertium haud superan- tibus; pedibus brevibus; anulis 48; long. corp. ca. 70 mill. Sierra Geral (Hensel)). .><>< Collum mit jederseits 3—4 Bogenfurchen oder Falten. © Mittel- und Hintersegmente der Ringe dorsalwärts fein dieht längsgefurcht. 56. Spirostreptus (Nodepyge) sculpturatus, nob., 9, sracilis, brunneus, collo fiavo-limbato, anulorum margine postico flavo, pedibus antennisque testaceis; facie subglabra; collo lateribus sensim angastatis, margine laterali antico eonvexo, angulo postico subrecto, suleis marginalibus utriu- que 3, plicas fiavas formantibus; anulis profundius segmen- tatis, partibus media posticaque striis subtilissimis longitu- dinalibus densissime ornatis, parte postica subtus longitu- dinaliter suleata, lateribus usque ad poros striis abbreviatis vel punetiformibus antice; poris sat magnis, pone sulcum in sutura retrorsum angulata fere medio laterum in parte postica sitis; anulo ultimo subglabro, nitido, postice late rotundato, vix angulato, valvulis analibus subglabris, nitidis, paullo prominentibus, convexis, versus margines sensim paullo eompressis; antennis anulum sextum subattingentibus; anulis 40 58; long. corp. ca. 55 mm. — Exemplum alterum masculum siccatum, pallidius, subtestaceum, linea dorsali lateralique utrinqgue fusca longitudinali sculpturaque, jam deseripta, attamen crassiore ornatum marem ejusdem speciei existumo, gquam varietatem Sperostreptum albulum var., denominamus. Portorico (Krug!). ©C© Mittelsegmente der Ringe dorsalwärts glatt. 7 Hintersegmente dorsalwärts eingestochen punktirt, Endring hinten spitzig, Collumseiten mit je 3—5 Bogenrandfalten. 57. Spirostreptus (Nodopyge) punctulatus, nob., cd, sracilis, brevis, fusco-brunneus; facie glabra, fronte sulco medio longitudinali profundo et oculos conjungente trans- verso subobsoleto, tenuissimo; collo lateribus rotundatis, plieis 3 perfectis, 1—2 abbreviatis et suleo superiore utrin- que; anulis profunde segmentatis, parte basali concentrice striata, media dorso glabra, postica subtus sulcata, densius et subtilissime impresso-punctata, cingulo punetorum majorum. singulo transverso margine antico; anulo ultimo impresso- punetato, postice subrugoso, parum transverse suleato, angulo postico subacuto, valvulis analibus dense impresso-punctatis, subeompressis; antennis anuli quarti marginem posticum vix attingentibus;, anulis 58. San Fernando de Apure (Sachs!). ir Hintersegmente der Ringe dorsalwärts fein längs- und querrissig, Endring hinten gerundet, Collum jederseits mit 4 Randfurchen. 58. Spirostreptus (Nodopyge) atratus, nob., (, gra- eilis, ater, collo flavido-limbato, pedibus antennisgue brun- neis, anulis antice et margine postico flavis; facie glahra, elypeo foveolis 6 supra incisuram mediam, fronte sulco medio longitudinali et infra sulco transverso oculorum an- . gulos internos conjungente limitata; collo lateribus rotundato, glabro, utringue sulcis 4 ornato; anulis profundius gegmen- tatis, parte media glabra, postica altiore, striis inordinatis levissimis curvatis et longitudinalibus punctisque minimis crebris impressis, leviter rugosa; anulo ultimo postice an- 41 gulato-rotundato, valvulis analibus subcompressis, parum rugosis, haud marginatis; antennis anuli quinti marginem postieum subattingentibus; anulis 59 inter caput squamasque anales. Nossi B& (Hildebrandt!). b. Seiten des Collum stumpf, d. h., der Länge nach gerade abgeschnitten; >< Vorderecke gerundet. 7 Antennen den Hinterrand des Collum kaum er- reichend; Seiten des Collum mit nur einer voll- ndizen Bogenfurche; len in der Mittel- linie sehr genähert. 59. Spirostreptus (Nodopyge) amphibolius, nob., J, brunneo-fuscus, subunicolor; facie glabra, fronte sulcata, oeulorum angulis internis spatio brevissimo sejunctis; collo leviter rugoso, lateribus late rotundatis, subtruncatis, sulco utringue marginali perfecto suleisque abbreviatis posticis 6—8 superioribus; anulis profundius segmentatis, parte ba- sali minutissime concentrice striata, media rugosa, postica, subtus sulcata, rugosa punctisque impressis minimis Sparsa; anulo ultimo mucrone, squamas subcompressas, non galei- formes, haud superante, rotundato instructo; antennis colli marginem posticum vix attingentibus; anulis 72 inter caput valvulasque anales. Lahat, Lumbok (E. v. Martens!). 11 Antennen das Collum weit überragend; Seiten des Collum mit je drei perfeeten Bogenfurchen; Augen von der Mitte des Gesiehts um mindestens ihren Durchmesser entfernt. 60. Spirostreptus (Nodopyge) julinus, nob., f, gra- eilis, parvus, pallide testaceus, anulis lines media dorsali longitudinali fusea; facie glabra, sulco frontali ordinario; collo lateribus late rotundato-truneatis, utrinque trisuleatis; anulis profundius segmentatis, parte postica, subter suleata, striis subtilibus longitudinalibus subirregularibus sat dense ormata; anulo ultimo postice angulato-rotundato, valvulis analibus convexo-compressis; antennis longioribus, anulis 42 50. — Foeminam, quam ad eandem speciem referendam censeo, colore fuseiore, magis brunneo, vel caesio differt et partes anulorum posticas paullo impresso-punctatas ostendit. — Exemplum tertium, forsitan ali speciei tribuendum, sed juvenile, omnino pallidum, ocellis pallidis primo aspeetu caecum videtur esse et parte anulorum postica subglabra colloque lateraliter multisuleato sat late sejunetum. Anjoani (Hildebrandt!). ><>< Vorderecke der Seiten des Collum spitz oder ziemlich spitz; f Seiten sehr breit abgestutzt mit geradem oder querem Vorder- und Hinterrande; Ringe dorsal- wärts fast glatt. 61. Spirostreptus (Nodopyge) plananus, nob., 9, crassior, fusco-testaceus, pedibus antennisque pallidioribus; facie glabra, elypeo lateribus tantum subsuleato, fronte sulco medio ordinario profundo; collo lateribus latissime truneatis, margine laterali antico subreeto, haud excavato, utrinque quadri-plicato et sulco singulo supra plicas perfecto plieisque 2 antice valde abbreviatis postieis inter plicas duas superne sitas; anulis profundius segmentatis, parte basali eoneentriee striata, postica, subter suleata, subglabra; anulo ultimo an- gulo postico rotundato, valvulis analibus compressis, mar- ginibus sensim subacutis; antennis anulum ar. superan- tibus; anulis 65. Guiana (Schombursk!). fr Seiten des Collum verschmälert abgestutzt, mit stark concavem Vorderrande und rundem, stark convexem Hinterrande; Ringe dorsalwärts unregel- mässig rissig. 62. Spirostreptus (Nodopyge) arcanus, nob., 9, gra- eilior, fusco -testaceus, linea fusca dorsali media longitudi- nali, pedibus antennisque pallidis; facie subglabra, elypeo foveolis quatuor supra incisuram mediam, fronte sulco ordina- rio medio longitudinali; collo lateribus angustato-subtruneato, angulo antico subreeto, suleis quatuor utrinque quinque-pli- cato;anulis haud profunde segmentatis, parte media subglabra, 45 postica, subtus sulcata, striis irregularibus brevibus subti- lissimis quasi rugosa, suleoque subobsoleto eoncentrico sub- partita; anulo ultimo subtiliter rugoso, postice angulato, valvulis analibus subrugosis, subeompressis, marginibus haud marginatis; antennis longioribus, anulis 70. Patria: ignota. D. Analklappen helmförmig, d. h., an der Basis con- vex, mit flachen, nicht durch eine Furche begränzten, jedoch scharf abgesetzten schmalen oder breiten Rändern. a. Collum seitlich stark- verschmälert mit einfach zugerundeter Spitze. >< Clypeus gerunzelt. = Collum seitlich mit je 2 bogisen Randfurchen, vorderer Seitenrand quer, Hintersegmente der Ringe schwach rissig. 63. Spirostreptus (Nodopyge) Chamissoi, nob., 9, gracilior, caesius, capite, collo, pedibus, antennis testaceis, parte anulorum postica margine postico fusco-testaceo; fa@ie glabra, .clypeo rugoso; collo lateribus angustato-rotundato, utringue bisulcato; anulis profundius segmentatis, parte ba- sali striis concentrieis, postica, subtus suleata, striis minu- tissimis longitudinalibus irregularibus subrugosa; anulo ul- timo postice subtrunecato, medio vix angulato, valvulis ana- libus convexis, marginibus paullo compressis, erassioribus; antennis brevioribus, quarti anuli marginem posticum haud attingentibus, anulis 59. Radak (Adelbert v. Chamisso!). == Oollum seitlich mit je 4—5 Bogerfurchen, einfach abgerundet, Mittel- und Hintersegmente der Ringe dicht eingestochen punktirt. 64. Spirostreptus (Nodopyge) ampussis, nob., 2, gra- eilis, niger; fronte subglabra, elypeo rugoso; collo lateribus latius rotundato, sensim angustato, suleis marginalibus utrin- que 4 (vel 5); anulis profunde segmentatis, parte basali longo, strüs concentrieis signata, media brevissima, punetis impressis subtiliter rugosa, parte postiea longa, subtus longi- 44 tudinaliter suleata, lateribus dorsoque striis longitudinalibus abbreviatis basalibus, posteriora versus punetis impressis dense signata; poris lateralibus minimis paullo infra medium laterum et sat longe pone marginem anticum in parte postica sitis; anulo ultimo valde rugoso, postice angulato-rotundato, valvulis analibus convexis, marginibus anguste compressis, parum rotundatis; antennis anulum tertium haud superan- - tibus. Exemplarium duorum defeetorum numerus anulorum manet dubiosus. Puebla (Berekenbusch!). ><>< Gesicht ganz glatt; vorderer Seitenrand des Collum stark concav, jederseits 3—10 Randfurchen. 65. Spirostreptus (Nodopyge) confragosus, nob., 2, gracilis, fusco-incanus, subeaesius, anulis margine postico, pedibus, antennis, capite flavis, dorso linea longitudinali fusca ornato; facie glabra, sulco frontali obsoleto; collo glabro, lateribus angustato-rotundato, margine laterali an- tico exeavato, plieis marginalibus tribus utrinque subper- feetis et circa 7 postieis, antice valde abbreviatis; anulis profundius segmentatis, parte basali concentrice striata, media punctis impressis subtiliter rugosa, postiea, subter profunde suleata, punetis impressis et striis profundis sub- inordinatis rimosa vel cerasse rugosa; anulo ultimo submu- cronato, mucrone obtuso squamas anales marginibus com- pressis convexas haud superante; antennis anulum quartum vix superantibus; anulis 65. Costa Rica (Polakowsky!). b. Collum seitlich der Länse nach breit gerade ab- gestutzt. >< Clypeus sehr gerunzelt. 66. Spirostreptus (Nodopyge) specificus, nob., 2, gra- eilis, fuseus, anulis postice pallidioribus; elypeo valde ru- 8080, fronte suleo medio longitudinali et sulco profundo transverso oculos conjungente; collo lateribus late truncato, subrotundato, suleis 3—4 marginalibus, 2 antice abbreviatis postieis et singulo superiore, valde curvato perfeeto utringue; anulis haud profunde segmentatis, parte basali concentrice 45 striata, postica, subtus suleata, margine postico eireum striis _ longitudinalibus, antice abbreviatis, sat dense positis sign- ata, ceterum glaberrima; anulo ultimo postice angulo ro- tundato, valvulis analibus convexis, marginibus late com- pressis; antennis marginem anulum tertium vix superanti- bus; anulis 67. Guayaquil (Reiss!). ><>< Gesicht glatt oder fast glatt. 7 Antennen bis zum siebenten Körperringe reichend (2); Ringe dorsalwärts glatt. 67. Spirostreptus (Nodopyge) lingulatus, nob., fuseo-testaceus; facie glabra; collo lateribus late truncato, plieis utrinque 4, margine laterali antico vix emarginato, subrecto; anulis profunde segmentatis, parte basali concen- trice striata, postica alta, convexa, subtus sulcata, dorso subglabra; anulo ultimo angulo postico subaeuto, suleis pro- fundis transversis dorso limitato, valvulis analibus con- vexis, marginibus late compressis; antennis anuli 6-ti mar- ginem posticum attingentibus; anulis 64. — Appendieum maris genitalium pars flagelliformis apice rotundato filo ser- pentis linguam imitante instructa. Congo („Gazelle“!). 71 Antennen nur bis zum dritten Körperringe reichend (2); Mittel- und Hintersesmente der Ringe dorsal- wärts skulptirt. 68. Spirostreptus (Nodopyge) meracus, nob., 2, gra- cilior, elongatus, testaceus, parte anulorum postica brunnea; facie subglabra, fronte sulco medio longitudinali; collo 1a- teribus truncato, angustato, suleis utringue quinque (binis abbreviatis); anulis haud profunde segmentatis, sulco dor- sali medio perfecto longitudinali, parte basali eoncentrice striata, media dense impresso-punctata, postica, subtus sul- cata, striis longitudinalibus subtilibus punetisque impressis dense et subtiliter rugosa; anulo ultimo subtiliter rugoso, _ postiece angulato, valvulis analibus convexis, marginibus late y RAR: FELSEN 46 compressis; antennis anulum secundum vix superantibus; anulis ca. 60. Brit. Guyana. jr Antennen das Collum kaum überragend ((); nur das Hintersegment der Ringe dorsalwärts skulptirt. 69. Spirostreptus (Nodopyge) altieinetus, nob., cd, fu- scus, pedibus antennisque subflavis; facie glabra, fronte sulco medio; collo lateribus subproducto, late truncato, angulo antico subrotundato, sulco marginali suleisque ca. 3 posticis abbreviatis superiora versus sitis, margine laterali postico sat excavato; anulis profundius segmentatis, parte basali concentrice striata, postica altiore, convexa, subtus suleata, striis subirregularibus longitudinalibus punetisque impressis minimis dorso sparse rugosa; anulo ultimo muerone bre- vissimo, valvulas anales haud superante, rotundato, basi dorso sulco lato plano limbato, valvulis analibus convexis, subgaleiformibus; antennis collum longitudine vix super- antibus; anulis 69 inter collum squamasque anales. Malacca et Rumbia (Jagor!). c. Collum seitlich breit abgerundet, oder gestutzt mit gserundetem Unterrande. >< Antennen das Collum nur wenig überragend (©). (Vergl. plicaticollis nob., dessen Antennen nicht er- halten sind.) 70. Spirostreptus (Nodopyge) biplicatus, nob., 9, crassior, pallide-testaceus, pedibus, antennis, capite, collo, parte anulorum postica, valvulis analibus rubro-brunneis; facie glabra, nitida, brevi; collo laevi, lateribus late rotun- datis, marginibus utrinque plieis 2 perfectis curvatis; anulis profunde segmentatis, punetis impressis parvis dense ornatis, plane subrugosis, parte postica subtus sulcata; anulo ultimo postice rotundato, subangulato, valvulis analibus convexis, marginibus compressis; antennis collum paullo superantibus; anulis 52 inter caput squamasque anales. Brasilia (Gorez!)). ><>< Antennen wenigstens bis zum vierten a reichend. 47 y Collum seitlich breit abgerundet mit nicht vor- springender Vorderkante. ‘+ Gesicht runzlich. * Hintersegmente der Ringe dorsalwärts glatt. 71. Spirostreptus (Nodopyge) plicatulatus, nob., 9, erassus, fuscus, parte anulorum media flava, linea dorsali et laterali utringue longitudinali fusca, pedibus antennisque brunneis; elypeo rugoso, fronte suleo medio longitudinali; collo iateribus late rotundato, subter subtruncato, plieis tri- bus perfectis utrinque plieisgue abbreviatis longitudinalibus et obligquis brevissimis permultis subinordinatis; anulis pro- fundius segmentatis, parte basali concentrice striata, postica plana, glabra, nitida, subtus tantum suleata;' anulo ultimo angulo postico rotundato, valvulis analibus convexis, mar- ginibus late compressis; antennis anulum quintum em antibus, anulis 64. Ataba (Schweinfurth)) == Hintersegmente der Ringe dorsalwärts skulptirt; © Mittelsegmente der Ringe mit skulptirt, Collum seitlich mit je 4—8 Bogenfurchen. 72. Spirostreptus (Nodopyge) christianus, nob., Q, gracilis, fuscus; fronte sulco ordinario, elypeo parum ru- £080; collo lateribus latius rotundato, suleis utringue 4 per- feetis et eirca 4 antice abbreviatis inclusis vestito; anulis profundius segmentatis, parte basali striis nonnullis concen- trieis, media posticague antice striis subtilibus longitudina- libus dense positis subrugosa, parte postica postice sub- glabra, subtus suleata; anulo ultimo postice angulo rotun- dato, valvulis analibus basi convexis, marginibus late com- pressis, subplanis, subacutis; antennis anulum quartum super- antibus, anulis ca. 60. Jerusalem (Petermann!). ©O© Mittelsegmente der Ringe glatt, Collum_ seitlich mit je 3 flachen Falten. 73. Spirostreptus (Nodopyge) acutanus, nob., Q, gra- eilior, fuseus; facie subrugosa, sulco frontali obsoleto; collo lateribus late rotundato, suleis utrinque tribus, plicas sub- 48 planas latas formantibus; anulis vix profundius segmentatis, parte basali concentrice striata, postica, subtus sulcata, striis subtilissimis punctulisgque minutissimis sparsis parum rugosa, nitida; poris lateralibus infra medium laterum sitis; anulo ultimo postice subtruncato, angulo medio obsoleto rotundato, valvulis analibus convexis, marginibus paullo compressis; antennis anuli quinti marginem posticum attingentibus, anulis 63. Aegyptus (Hemprich et Ehrenberg)). +-+ Gesicht glatt oder fast glatt. «) Endring hinten quer abgestutzt mit mittlerem stumpfen, die Analklappen jedoch nicht überragen- den Schwänzchen (bei mangelnden Antennen mit zweifelhafter Stellung). 74. Spirostreptus (Nodopyge) plicaticollis, nob., ©, crassus, brevis, fuscus; facie subglabra, fronte sulco ordi- nario, inter et juxta antennarum foveam foveolis duabus profundis, elypeo parum rugoso; collo lateribus latius ro- tundato, plieis utrinque 4 perfectis et 3—4 antice abbreviatis ab illis inelusis; anulis profundius segmentatis, parte basali striis nonnullis coneentrieis, media densissime et subtilissime impresso-punctata, parte postica, subtus suleata, antice den- sissime, postice sparsius impresso-punctata, margine antico dorso et lateribus suleis, postice abbreviatis nonnullis lon- gitudinalibus signata; anulo ultimo postice truncato, mu- crone rotundato brevissimo medio, valvulas anales convexas, marginibus paullo compressis, subgaleiformes haud super- ante; antennis?, anulis 51. Sn, Ghattas: Djur (Schweinfurth)). #) Endring hinten im Winkel abgerundet. * Antennen den vierten Leibesring kaum erreichend; Hintersegmente der Ringe dicht eingestochen punk- tirt und sehr fein rissig. 75. Spirostreptus (Nodopyge) alligans, nob., 9, gra- cilior, brunneo-fuscus; facie subglabra, suleo frontali obso- leto; eollo lateribus latius rotundato, plieis utrinque binis marginalibus et sulco profundo superne et intervallo majore 49 - suleis 2 imperfectis, saepius interruptis; anulis profundius segmentatis, parte basali striis nonnullis concentrieis, media, posticaque, subtus sulcata, striis subtilibus punctisque im- pressis minutis sat subtiliter rugosa; poris lateralibus in ipso medio laterum et fere medio segmenti postici sitis; anulo ultimo angulo postico rotundato, valvulis analibus convexis, marginibus latius compressis; antennis brevioribus, - anuli tertii marginem posticum vix attingentibus, anulis 61. Madagascar sept. oecid. (Hildebrandt!). *= Antennen den vierten Leibesring überragend; Hin- tersegmente der Ringe mit nur einer vorderen Ring- reihe von Punkten, sonst kaum rissig. 76. Spirostreptus (Nodopyge) micus, nob., cf, gra- eilis, brevis, fusco-testaceus, antice et postice infuscatus, pedibus antennisque stramineis; facie glabra, sulco frontali obsoleto; coilo lateribus latius rotundato, utrinque quadtri- sulcato; anulis profunde segmentatis, subglabris, parte postica, subtus leviter sulcata, margine antico punctis raris majoribus seriem singulam transversam formantibus, dor- soque striis irregularibus subobsoletis parum vel vix rugosa; anulo ultimo postice angulo rotundato, suleis signato, val- vulis analibus convexis, marginibus latius leviter compres- sis; antennis anulum quartum superantibus; anulis 51. Mayotte Hildebrandt!). y) Endring hinten spitzwinklig. * Körperringe dorsalwärts längsrissig und einge- stochen punktirt. 77. Spirostreptus (Nodopyge) chirographus, nob., ©, gracilis, elongatus, fusco-testaceus, partibus anulorum postieis vitta lata flava transversa pone medium, pedibus pallidiori- bus; facie parva, subglabra; collo lateribus rotundato, pli- eis quatuor utringue; anulis haud profunde segmentatis, parte media posticaque striis longitudinalibus punetisque impressis densissime rugosa, et postica, subtus sulcata, in- super impressionibus longitudinalibus suleiformibus poste- riora versus notata; poris lateralibus infra medium laterum tuberceulo parvo longitudinali in parte postiea sitis; anulo Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss, Bd. LIV. 1881. 4 ‚DOR _ultimo rugoso, postice angulum subacutum formante, val- vulis analibus convexis, rugosis, marginibus paullo com- pressis, erassioribus; antennis anulum tertium superantibus; anulis 57. Columbia (Moritz!). *%* Körperringe dorsalwärts glatt. + 78. Spirostreptus (Nodopyge) galeanus, nob., 9, gra- eilis, fuseus, capite, pedibus, antennis, parte anulorum media pallidis, collo flavo limbato, parte anulorum postica flavo marginata; facie subglabra, collo laevi, lateribus sensim angustatis, rotundatis, utrinque bisuleatis; anulis pro- funde segmentatis, glabris, parte postiea subtus suleata; anulo ultimo angulo postico subacuto, valvulis analibus con- vexis, galeiformibus, marginibus late compressis; antennis anuli tertii marginem posticum vix attingentibus, anulis in- ter caput squamasque anales 65. \ Caracas (Gollmer!). Tr Collum seitlich breit abgerundet mit Vet Vorderkante. —- Collumseiten vorn spitzwinklig mit tief econcavem Vorderrande; Clypeus runzlig. 79. Spirostreptus (Nodopyge) angulicollis, nob., 9, crassus, aterrimus, pedibus fusco brunneis; facie elongata, elypeo medio profundius exeiso, supra 7-foveolato et striis irregularibus puncetisque impressis paullo rugoso, fronte glabra, suleo medio longitudinali; collo lateribus late rotun- dato, angulo antico acuto, margine laterali antico subex- cavato, utrinque plieis binis suleisque binis perfectis et plieis multis inordinatis abbreviatis inter sulcos et plicam superiorem; anulis profundius segmentatis, parte basali stris concentrieis subtilibus, media, posticaque antice,. minutissime et densissime subirregulariter longitudinaliter striata, parte postica posteriora versus subglabra; anulo ultimo postice subtruncato, vix angulato, rugoso, valvulis analibus minu- tissime subrugosis, convexis, marginibus paullo com- pressis; antennis anulum quintum superantibus; pedibus densissime setosis; anulis 65. Africa mer.-or. (A. Merensky!). = 51 (Species Spir. gigas Ptrs. finitima esse videtur, sed dif- fert jam elypeo rugoso, in hac specie glabro, punetis im- pressis minutissimis sparso, et foveolis tribus tantum supra ineisuram mediam signato, et imprimis parte anulorum po- stiea glabrata, in hae sat erasse rugosa etc., etc. An forsitan eadem species ac Spir. gigas Porath?) ++ Collumseiten vorn gerundet mit geradem oder nur schwach coneavem Vorderrande. &) Gesicht glatt, oder nur eingestochen punktirt. *= Hintersegmente der Ringe dorsalwärts glatt, die hinteren durch eine Querfurche, namentlich in den Seiten, gleichsam getheilt erscheinend. 80. Spirostreptus (Nodopyge) subpartitus, nob., dd, fuseo-testaceus, gracilior; facie subglabra, sulco oma ordinario; collo lateribus late rotundatis, plieis binis et sulco superne profundo utrinque; anulis profunde segmentatis, parte basali concentriee leviter striata, postica glabra, sub- ter suleata, in anulis posterioribus multis sulco laterali-dor- sali transverso medio plus minus bene expresso, saepius profundo, quasi partita; anulo ultimo sulco postico trans- verso profundo subpartito, mucronem valvularum analium margines haud attingente rugosum formante, valvulis ana- libus convexis, marginibus paullo compressis; antennis anulum quartum superantibus; anulis 55. Africa merid.-or. (A. Merensky!). =* Hintersegmente der Ringe längsrissig und einge- stoehen punktirt. 81. Spirostreptus (Nodopyge) naar neh5“c2, erassus, fusco-testaceus; facie subglabra, suleo frontali Od nario, elypeo sparse impresso-punctato; collo lateribus late rotundatis, margine laterali antico paullo emarginato, late- ribus antieis paullo productis, plica marginali lata subbi- plieata utrinque suleisque binis perfeetis et tribus antice valde abbreviatis superne instructo; anulis profundius seg- mentatis, parte basali striis concentrieis profundis, media subtilissime rugosa, postica subtus profunde, lateribus pro- fundius, dorso leviter longitudinaliter suleatis, strüs et pun- etis impressis omnino subtilius rugosa, opaca; poris in ipso 4* 52 laterum medio, tumulo sat parvo partis postieae sitis; anulo ultimo angulo postico rotundato; valvulis analibus eonvexis, marginibus subcompressis; antennis anulum quintum super- antibus; anulis inter caput valvulasque anales 62. Seriba Ghattas: Djur (Schweinfurth!) ß) Gesicht runzlig. * Hintersegmente der Ringe dorsalwärts zerstreut eingestochen punktirt. Antennen fast bis zum ‘siebenten Ringe reichend. 82. Spirostreptus (Nodopyge) ponderosus, nob., 9, crassus, fuscus; facie longa, plane et sparse rugosa, sulco frontali ordinario bene expresso; collo lateribus, antice paullo productis, rotundato, margine laterali antico paullo excavato, plieis tribus angustis subperfectis et tribus antice abbreviatis utrinque; anulis profundius segmentatis, parte basali striis crebris concentrieis, media impresso-punctata, subrugosa, postica convexa, subtus suleata, lateribus suleis postice abbreviatis, dorso sparse impresso-punetata, nitente; anulo ultimo postice subtruncato, valvulis analibus con- vexis, marginibus subecompressis; antennis marginem anuli sexti posticum fere attingentibus; anulis 52 et 53. Dur Roserer Hartmann). == Hintersesmente der Ringe dorsalwärts fein unregel- mässig zerstreut rissig; Antennen nur bis zum sechsten Ringe reichend. 83. Spirosireptus (Nodopyge) anctior, nob., Q, cras- sus, versus collum anctior, fusco-brunneus vel niger; facie rugosa, fronte glabra, sulco ordinario longitudinali bene ex- presso; collo lateribus late rotundatis, margine laterali an- tico paullo excavato, utringue quadripliecato; anulis pro- fundius segmentatis, parte basali striis profundis concentrieis, - postiea, subtus sulcata, stris irregularibus minutissimis spar- sis paullo rugosa, subglabra; poris lateralibus infra medium laterum sitis, anulo ultimo rugoso, postice subangulato-ro- tundato, valvulis analibus convexis, marginibus subeom- pressis, subaeutis; antennis longioribus, marginem anuli quinti postieum attingentibus; anulis ca. 56. Abyssinia (Steudner!). 53 Bemerkungen: Der in dem Sitzungsbericht der Ge- sellschaft naturforschender Freunde zu Berlin vom 18. Mai 1880, Nr. 5, p. 78 beschriebene Julus anguinus von Olinda (Hawai-Ins.) gehört in die Gattung Spirostreptus, Subgen. Nodopyge Brandt, und zwar zu den Immucronati (Brandt), Zomomorphr, Abtheilung A. Gervais eitirt in Histoire nat. d. Insect., Apt., IV, 1847, p. 196, n. 137 unter „Jules dont on ignore la patrie“ einen Julus Andipodarum, Spirostreptus Antipodarum, New- port, mit der Bemerkung: „M. Newport n’a encore publie que le nom de cette espece.“ In den Annals and Magazine of Natural History, XII, 1844, p. 270 findet sich allerdings unter Nr. 15 nur der Name ohne Hinweis auf eine frühere Besehreibung und ohne Vaterlandsangabe des Thieres, dessen Type das British Museum aufbewahrt. Indessen wurde Spirostreptus antipodarum Newport gleichwohl sehon früher beschrieben und zwar in Dieffenbach’s Travels in New Zealand, I, 1843, p. 270, Nr. 31 als „Inhabits New Zealand.“ Da das Werk wenigen zugänglich sein möchte, folgt hier der wortgetreue Abdruck von Newport’s Be- schreibung: „Brown, with the head smooth, and deeply excavated at the sides behind the antennae; first segment with the side triangular, subacute without plicae, anterior portion of each segment substriated diagonally, and mottled with orange; posterior portion almost smooth, with ‘very faint longitudinal striae. Preanal scale short, rounded.“ „These speeimens are in their immature state, and have but 35 segments to the body, the adult number being about 50, and the length of the individual form 1Y, to 2 inches.‘“ G. Newport. Spirobolus, Brandt. Bull. des Nat. d. Moscou, VI, 1833, p. 202; — Peters, Reise nach Mossambique, V, pp. 547—548; — Humbert, Mem. Soc. Phys. et d’Hist. Nat. Geneve, X VIII, 1866, pp. 55—57; — de Saussure et Humbert, Mission scient, VI, 2, 1872, pp. 74—75; — v. Porath, Oefvers. Kgl. Vet. Akad. Förh., XXIX, 1872, No. 5, pp. 14-15; Bihang till K. 54 Svenska Vetenskaps-Akad. Handl., IV, No. 7, 1876, pp. 30--38; — Gerstaecker, Gliederthierfauna d. Sansibargebietes, 1873, pp. 515—516; — Voges, Zeitschr. f. wissensch. Zool., XXXI, 1878, pp. 155—160 etc. I. Basalsegment aller Ringe glatt oder von feinen Ring- furchen mehr minder dicht durchzogen, ohne paarige dorsale grubenförmige Vertiefungen (Subgenus Spi- robolus, s. str.). A. Die Seitenporen sitzen auf den Hintersegmenten der Ringe. a. Die Analklappen stark convex ohne abgesetzte Ränder, Antennen das Collum nicht überragend. * C]ypeus jederseits mit 2 Grübchen. 84. Spirobolus globulanus, nob., Z', 2, minimus, eis, gracilis, brunneo-niger, pedibus antennisque favis vel pal- lide brunneis; facie glabra, elypeo vix exeiso, foveolis utrinque 2 (vel singulo tantum); collo lateribus late rotun- datis, sensim angustatis, anuli secundi margines ventrales fere superantibus, margine laterali antico subrecto, sulco marginali, margine laterali postico paullo excavato; anulis profunde segmentatis, parte basali subglabra, media con- vexa dorso ceingulis inverse sSeriatis punctisque impressis ornata, parte postica altiore valde convexa, glabra, nitida, subtus tantum longitudinaliter suleata; poris minutis, evi- denter in parte postica et fere medio altitudinis laterum atque longitudinis segmenti postiei in elevatione quadam minuta sitis; anulo ultimo glabro, postice rotundato-angulato, val- vulis analibus glabris, convexis, marginibus simplieiter ro- tundatis; antennis brevissimis, colli marginem posticum er a a anulis in en 44, in Q 42, long. corp. . 55—40 mm. Anjoani et Mayotte idee 85. Spirobolus Brandti (Stein i. lit.), nob., adultus?, tenuis, subtestaceus, unicolor; facie glabra, elypeo sulco longitudinali subpartito, foveolis utrinque 2; collo lateribus rotundato, sensim angustato; margines anuli secundi ven- trales attingente; anulis evidenter segmentatis, parte basali subglabra, media dorso subeoncentrice striata, lateribus subtusque striis curvatis subobliguis, p. postica glabra, nitida, 55 convexa, poros laterales parvos paullo pone marginem an- tiecum fere medio laterum ferente; anulo ultimo submucro- nato, apice rotundato, valvulis analibus convexis, subglo- bosis; antennis?, anulis? Peru (v. Tsehudi!). Species incertae quidem sedis, secundum fragmenta multorum exemplarium in spiritu vini asservatorum minus accurate descripta, hune tamen locum obtinere videtur, quum scobinam anulorum plurimorum partis basalis lb on conspicerem. == Clypeus jederseits mit 3 (oder 4) Grübchen. 86. Spirobolus vulvanus, nob., f', 9, minimus, gra- eilior, niger, parte anulorum postica flava; facie subglabra, elypeo sulco partito, utrinque foveolis 3 (vel 4), inter an- tennas seriebus 2 subobliquis impressionum subtus diver- gentibus; collo anuli secundi margines ventrales attingente, lateribus angustato-subacuto, margine laterali antico subex- cavato, sulco marginali sat profundo; anulis haud profunde segmentatis, partibus aeque longis, p. basali eoncentrice striata, media, subtus curvato-striata, striis longitudinalibus punetisque sparse impressis subtilissimis subrugosa, parte postica paullo convexa, subtus sulcata, punctis impressis sparse signata, dorso sulco medio longitudinali sulcoque laterali; poris (saltem simulate) pone marginem posticum partis mediae fere medio laterum sitis; anulo ultimo im- presso-punctato, postice late-rotundato-producto, valvulis analibus impresso-punctatis, valde convexis vulviformibus; antennis collum haud superantibus; pedibus brevibus; anulis ca. 43; long. corp. ca. 50 mm. Puebla (Berekenbusch)). b. Analklappen helmförmis, d. h. mit comprimirten Rändern, Antennen wenigstens bis zum dritten Leibes- ringe reichend. * Mittel- und Hintertheil der Ringe dorsalwärts längs- gestreift. 87. Spirobolus spirostreptinus, nob., C', 9, testaceus, pedibus antennisque flavis, vitta media dorsali et laterali- 56 bus longitudinalibus utrinque singula anulorum lata fusea; facie glabra, elypeo suleo longo medio, foveolis ntrinque 2; collo anuli secundi margines ventrales haud attingente, margine laterali antico paullo excavato, lateribus sensim angustatis, subacute rotundatis, sulco marginali utrinque singulo; anulis profundius segmentatis, parte basali glabra, media rugosa, postica valde convexa et alta, poros paullo pone marginem anticum supra medium laterum ferente, lateribus dense subsulcata, supra striis longitudinalibus ru- gosa; anulo ultimo submucronato, valvulas anales paullo superante, mucrone basi subsuleato, valvulis analibus con- vexis, marginibus anguste compressis; antennis longis, anu- lum tertium superantibus; anulis ca. 40. Rambodde: Ceylan (Nietner!). Species Spirobolo Taprobanensı Humbert affınis, sed seulptura dorsi, antennis elongatis facile distinguenda; in Spiroboh Taprobanensıs exemplo ceylanico Musei Beroli- nensis — ut recte judicata sit — anuli saltem decimi tertii scobinam utrinque latam conspexi. == Mittel- und Hintersegment der Ringe dorsalwärts glatt. 88. Spirobolus dissentaneus, nob., 9, fHlavus, parte anulorum media incano-caerulea, postica fusca, margine postico flavo; facie glabra, elypeo sulco partito, foveolis utringue 2;‘collo anulo seeundo, antice subtus valde ex- eavato, multo breviore, lateribus angustatis, subacutis, mar- gine laterali antico paullo excavato, fere subrecto; anulis profundius segmentatis, glabris, parte media posticaque sub- ‘ tus longitudinaliter. sulcatis; poris sat parvis, saltem simu- late in parte postica elevata sitis, sed sulco tenui subanu- lari posteriore sejunctis; anulo ultimo angulo postico sub- acuto, valvulis analibus convexis, marginibus late subcom- pressis; antennis anulum tertium subattingentibus; anulis ca. 47; long. corp. ca. 50—60 mm. Minahassa (E. von Martens!). B. Die Seitenporen sitzen auf den Mittelsegmenten der Ringe. 57 a. Clypeus mit jederseits wenigstens 3 Grübchen. «@) Gesicht dicht rissig oder eingestochen punktirt. = Clypeus jederseits mit 3 Grübchen; Ringe dorsalwärts eingestochen punktirt. 89. Spirobolus exquisitus, nob., /, 9, niger vel sub- niger, erassior: facie sulco medio tenui, stris obliquis pun- etisque impressis ornata, clypeo foveolis utringue 3 magnis; collo impresso-punctato, lateribus marginem anuli secundi ventralem haud attingentibus, sensim angustatis, rotundatis, margine laterali antico subrecto, sulco profundo marginali; anulis profunde segmentatis, parte basali concentrice striata, media dense, postica subtilius impresso-punctata, dorso le- viter longitudinaliter striata, subtus rimosa; poris minutis, prope marginem partis mediae posticum ante suleum sat profundum longitudinalem partis posticae, fere medio la- terum sitis; anulo ultimo angulo postico rotundato, valvulas anales marginibus paullo compressis convexas, impresso- punctatas haud superante, impresso-punctato; antennis col- lum paullo superantibus; anulis in f' 50, in © 51; long. corp. © 110, J' 90 mm. Peking (Brandt (Q)!, v. Möllendorf (N))). == O]ypeus jederseits mit 4 Grübchen; Ringe dorsal- wärts sehr fein gestreift. 90. Spirobolus detornatus (L. Koch, i. litt.), nob., ©, erassior, brevis, fuscus, pedibus pallidioribus; facie suleo profundo subpartita, striis lateralibus obliquis sat dense si- gnata, clypeo foveolis utrinque 4; collo anuli secundi mar- gines ventrales attingente, lateribus angustatis, rotundatis, margine laterali antico sat profunde excavato; anulis haud visibiliter segmentatis, levissime striolatis, subtus suleatis; poris lateralibus minimis, in parte media supra medium altitudinis laterum sitis; anulo ultimo angulo postico rotun- dato, valvulis analibus valde convexis, postice rotundatis; ‚antennis collum haud superantikus; anulis 45. Viti Levu {e Museo Godeffroy). f) Gesicht ganz glatt. Basalsegment der Ringe ohne Ringfurchen. * Ringe dorsalwärts kaum sichtbar segmentirt, Endring hinten fast spitzwinklig. 91. Spirobolus multiforus, nob., Q, subgracilis, par- vus, fusco-brunneus, collo, antennis, pedibus, margine anu- lorum postieco, valvulis analibus pallide - brunneis; faeie glabra, elypeo foveolis utringue 4—5; collo glabro, lateri- bus sensim angustatis, latius rotundatis, margines anuli se- eundi ventrales subattingentibus, suleo marginali instructis; anulis glaberrimis, medio dorso haud visibiliter, lateribus paullo, subtus evidenter segmentatis, parte basali mediaque glabra, postica subtus longitudinaliter suleata; poris majori- bus fere margine partis mediae posticaeque longe supra medium laterum sitis; anulo ultimo postice subacuto, val- vulas anales convexas vix superante; antennis collum haud superantibus; anulis 39; long. corp. 25 mm. Portorico (Krug)). == Ringe dorsalwärts ziemlich tief segmentirt; Endring hinten kaum winklig. 92. Spirobolus octoporus, nob., /, 9, gracilis, testa- ceus, anteriora versus infuscatus, pedibus flavis; facie gla- bra, elypeo sulco partito, foveolis utrinque octo, magnis in- structo; collo lateribus angustatis, subacutis, parum rotun- datis, margine laterali antico excavato, margines anuli secundi ventrales haud attingentibus; anulis profundius seg- mentatis, parte postica brevi, media punctis magnis im- pressis arcum subconcentricum formantibus limitata, subtus sulcata; poris in parte media paullo supra medium laterum et paullo ante marginem posticum sitis sat magnis; anulo ultimo postice vix- angulato, valvulis analibus valde con- vexis, marginibus rotundatis; antennis anulum tertium attin- gentibus; anulis ea. 50; long. corp. ca. 40 mm. Atapupu (E. von Martens!). tr Basalsegment der Ringe mit feinen Ringfurchen ver- sehen; Mittel- und Hintersegment der Ringe dorsal- wärts glatt. 93. Spirobolus mundulus, nob., 9, gracilis, fusco-brun- neus, collo flavo-limbato, anulorum parte postica pedibusque 59 tlavidis; facie glabra, haud sulcata, elypeo foveolis utrinque 4 (vel pluribus?); collo lateribus margines anuli secundi ventrales attingentibus, sensim angustatis, subacutis, sulco singulo marginali; anulis haud profunde, sed evidenter seg- mentatis, subglabris, parte basali, scobina carente, concen- trice striata, partibus media posticaque subtus tantum longitu- dinaliter, in anulis anterioribus profunde suleatis, in poste- rioribus subsuleatis; poris in anulo sexto (poro primo paullo ptofundiore sito) incipientibus, parvis, fere medio laterum et medio partis mediae anulorum sitis; anulo ultimo glabro, postice rotundato, valvulis analibus vix prominentibus, valde convexis, haud marginatis; antennis collum vix superanti- bus; anulis ca. 60, long. corp. ca. 40 mm. Prom. Bonae Spei. b. Clypeus mit jederseits 2 oder nur einem Grübchen (dieses bei olympiacus und impudieus). &) Endring in ein die Analklappen mehr minder über- ragendes längeres oder kürzeres Schwänzchen aus- gezogen. . T Schwanz des Endrings lang, dornartig, spitz endigend und mit der Spitze nach unten ge- richtet. 94. Spirobolus Vogesi, nob., ©, erassus, brevior; caesius, nitens, pedibus antennis, spina anuli ultimi strami- neis, clypeo, valvulis analibus stramineo-marginatis; facie- glabra, sulco tenui profundo longitudinali subpartita, elypeo utringue foveolis 2; anulis levissime segmentatis, glabris, parte basali concentrice striata, media subtus subsulcata, postica saltem anulorum posticorum eanalieulis longitudi- nalibus subplanis plus minus obsoletis ornata; poris laterali- bus longe supra medium laterum sitis, minimis, fere medio segmenti medii anulorum; collo lateribus abbreviatis rotun- dato, sensim angustato, margines anuli secundi ventrales haud attingente, sulco marginali instructo; anulo ultimo spina erassa longiore, apice inferiora versus direeta, acuta, valvulis analibus convexis marginibus leviter compressis; antennis collum vix superantibus; anulis 45; long. eorp. ca. 95 mm. | Neu Hannover („Gazelle“!). N 2 N ER: 60 (Durch den gebogenen Schwanz erinnert die schöne und leicht kenntliche Art einigermassen an Spirostreptus hamifer Humbert, in Mem. Soe. Phys. et d’Hist. nat. Geneve, XVIIL, 1866, pp. 52—53, Pl. IV et V, £. 22 von Ceylan). ir Endring mit kurzem, stumpfem, die Analklappen nur wenig überragenden Schwänzchen. *= Collum seitlich breit abgerundet. 95. Spirobolus caudulanus, nob., ©, testaceus, uni- eolor, gracilior; facie subplana, glabra, clypeo sulco par- tito, foveolis utrinque 2 et striis transversis punetisque im- pressis versus latera sparso; collo versus latera sensim an- sustiore, late rotundato, subtruncato, margine laterali an- tico subrecto, angulo rotundato, sulco sat profundo marginali; anulis haud visibiliter segmentatis, opacis, striis longitu- dinalibus subirregularibus punctisque impressis minimis mi- nutissime rugosis, scobina carente parte basali glabra; poris lateralibus medio laterum paullo infra suleum tenuissi- mum lateralem longitudinalem sitis, sat magnis, marginatis; anulo ultimo mucrone crasso obtuso, valvulas anales valde convexas marginibus late compressis paullo superante in- structo; antennis collum haud superantibus; anulis 52; long. corp. ca. SO mm. Siam (Schetely!). *#= Collum seitlich fast spitz zulaufend. 96. Spirobolus punctiplenus, nob., Q, graecilis, fusco- testaceus; facie glabra, suleo tenui subpartita, elypeo utrin- que foveolis 2; collo anulo 'secundo angustiore, lateribus angustato, subacuto, margine laterali antico recto, sulco profundo marginali instructo; anulis profundius segmentatis, subtus antice striatis, postice suleatis, scobina carente parte basali glabra, parte postica altiore, striis irregularibus lon- gitudinalibus eircum reticulato-rugosa, antice et parte media postice punctis impressis dorso sat crassis ornata; poris la- teralibus in parte media paullo ante marginem posticum et fere medio laterum sitis, majoribus; anulo ultimo muerone obtuso, valvulas anales. marginibus breviter subcompressis 61 convexas paullo superante instructo; antennis collum haud superantibus; anulis ca. 50; long. corp. ca. 50—60 mm. Amboina; Kepatiang, Sumatra; Kupang, Timor; Banda -(E. von Martens!). ß) Endring die Analklappen nicht überragend, ohne Schwänzchen. T Analklappen einfach convex mit gerundeten, zu- meist nicht abgesetzten Rändern. >< Mittel- und Hintersegment der Ringe mit schiefen Kielen, deren mittelste auf dem Rücken mit nach ie offenem Make zusammen- neigen. 97. Spirobolus signifer, (L. Koch i. litt.), nob., 9, crassior, brevis, pallidus, vel magis infuscatus, pedibus an- tennisque flavis, collo flavo limbato, anulis maculis 2 ante- rioribus et 3 posterioribus alternantibus ornatis, anulo ultimo et valvulis analibus flavis, fusco-maculatis; facie glabra, elypeo foveolis utringue 2; collo margines anuli secundi haud attingentibus, lateribus late-rotundatis, margine laterali antico convexo; anulis haud visibiliter segmentatis, parte basali glabra, media posticaqgue dense et cerasse longitu- dinaliter subeostatis, costis mediis dorsalibus angulum vel magis arcum postice apertum formantibus; poris lateralibus parvis fere margine partis mediae postico supra medium laterum sitis; anulo ultimo muerone obtuso valvulas anales convexas haud superante; antennis collum haud super- antibus; pedibus brevibus; anulis ca. 38; long. corp. ca. 80 mm. Viti Levu (e Museo Godeffroy). ><>< nel der Ringe eingestochen punktirt, Hintersegment längsgestreift. * Gesicht seitlich der Quere nach gestreift; Ringe _ mit nur seitwärts angedeuteter Segmentirung. 98. Spirobolus comorensis, nob., /, ©, erassior, bre- vis, brunneo-fuseus, pedibus vix pallidioribus; facie sulco interrupto subpartita, striis obliquis plus minus rugosa, ely- peo foveolis utrinque 2 instructo; collo margines anuli se- eundi ventrales subattingente, lateribus angustatis, rotun- 62 datis, margine laterali antico subreeto, suleo marginali in- structo: anulis simulate haud segmentatis, segmentatione la- teribus tantum sulco abrupto indieata, parte basali subglabra, media dorso punctis sparse impressis, subtus et lateribus striis eurvatis obliquis signata, postica, haud altiore, striis subtilibus longitudinalibus sparse munita, subtus tantum sul- cata; poris parvis supra medium laterum submarginalibus in parte media sitis; anulo ultimo impresso-punctato, an- gulo postico rotundato, valvulis analibus sparse impresso- punetatis, simplieiter rotundatis; antennis colli marginem posticum vix attingentibus; anulis ca. 43; long. corp. ca. 45—50 mm. Mayotte (Hildebrandt!). (Von den Comoren besitzt ausser den hier beschriebenen Arten (Nr. 84) das Berliner Zoologische Museum auch Exem- plare des Sperobolus lumbrieinus Gerstaecker (Mayotte Hildebrandt!), dessen kurze Diagnose (d, 9,) folgende: elypeo foveolis utringue 2; collo, margines anuli secundi ventrales subattingente, lateribus valde angustatis, acute ro- tundatis, margine laterali antico paullo excavato, sulco pro- fundo marginali; anulis profundius segmentatis, parte ba- sali scobina carente subglabra, media posticaque impresso. punctatis striisque rugosis; poris parvis laterum medio paullo infra et ante suleum lateralem partis postieae sitis; anulo ultimo sparse impresso-punctato, angulo postico rotundato, valvulis analibus convexis, sparse impresso-punetatis, mar- ginibus tenuibus impressione plana marginali limitatis; an- tennis anulum tertium attingentibus; anulis ca. 50 ©) — 51 (C); long. corp. ca. 60 mm.) **= (Gesicht glatt, Ringe tief segmentirt. : 99. Spirobolus decoratus (L. Koch i. litt.), nob., 9, testaceus vel infuscatus, gracilior; facie glabra, sulco medio subperfeeto longitudinali suleisque transversis obsoletis in- ter antennas, clypeo foveolis utringue 2; collo anulo se- cundo multo angustiore, lateribus sensim. angustato, sub- acuto, suleo marginali bene expresso, margine laterali an- tico paullo excavato; anulis profunde segmentatis, subgla- bris; poris magnis ante marginem segmenti medii posticum 63 in laterum medio sitis, parte basali scobina carente con- centrice striata, media margine postico lateraliter paulloque supra poros laterales striis brevibus subpunctiformibus no- tato, parte postica convexa, altiore, subtilissime et sparse striata, subtus subsulcata; anulo ultimo postice angulo ro- tundato, valvularum margines haud superante, sed attingente, valvulis analibus valde convexis, suleo sat profundo mar- ginali; antennis collum haud. superantibus; anulis 56. — In exemplo altero, eodem loco invento, verisimiliter ejus- dem speciei, valvulae anales sulco marginali omnino carent, sed simplieiter convexae videntur. Viti Levu (e Museo Godeffroy')). ><><>< Mittel- und Hintersesment der Ringe dorsal- wärts glatt (Färbung dunkel, der Rücken der Ringe mit 2 parallelen, durchlaufenden, weisslichen Längs- bändern geschmückt). 100. Spirobolus bivirgatus, nob., ©, caeruleo-niger, collo margine antico posticoque late flavo (vel subalbido), anulorum dorso vittis 2 latis haud interruptis longitudinali- bus albidis ornato, anulo ultimo postice, antennis, pedibus albidis (vel flavis); facie glabra, elypeo foveolis utrinque 2; collo lateribus sensim angustatis, latius rotundatis, suleo marginali instructis, margines anuli secundi subattingentibus; anulis profundius segmentatis, subglabris, parte basali sco- bina earente glabra, p. media lateribus et subtus striis cur- vatis obliquis, p. postiea paullo altiore, subtus longitudina- liter sulcata; poris lateralibus fere medio laterum prope et ante marginem partis mediae posticum sitis, majoribus, mar- ginatis; anulo ultimo sparse et subtiliter impresso-punctato, angulo postico paullo rotundato, suleo dorsali transverso, valvulis analibus simplieiter rotundatis, impresso-punctatis, marginibus haud limitatis; antennis colli marginem posticum vix attingentibus; anulis ca. 42; long. corp. ca. 35 —40 mm. Anjoani et Madagascar (Hildebrandt!) (Die schöne kleine Art scheint den Spirobolus formosus und Zessellatus Porath (Öfversigt af Kongl. Veterskaps- Akademiens Förhandl., XXIX, 1872, No. 5, p. 16, pp. 18, 3 und 21, 7 (Caffraria und Cap. bon. Spei) am ähnlichsten, 64 dem ersteren am nächsten verwandt zu sein; da die Ringe beider dorsalwärts skulpturlos sind, lässt sich die ober- flächlichste Unterscheidung dieser Arten zunächst nur auf die Verschiedenheit der Zeichnung und Färbung begründen, welche bei Spir obolus zwar im Allgemeinen ungemein variüirt und alle denkbaren Uebergänge aufweist, für die vorliegen- den Fälle aber einen ausgesprochenen und für Spürobolus überhaupt ganz ungewöhnlichen Charakter zeigt, vielmehr an gewisse Arten der Gattung Julus (sabulosus ete.) er- innert.) ++ Ball ren helmförmig, d. h. mit zusammenge- drückten Rändern. >< Basalsegment der Ringe glatt. 7 Gesicht gerunzelt. 101. Spirobolus olympiacus, nob., 9, giganteus, sub- gracilis, brunneo-fuscus, pedum apice antennisque rubro- brunneis; facie striis obliquis et transversis rugosa, elypeo paullo sed latius exeiso, suleo profundo medio longitudinali, fovea utrinque singula, sulco late sejuncta; eollo paullo re- tieulato-rugoso, lateribus angustatis, rotundatis, marginem anuli secundi ventralem productum compressum haud attin- gentibus, sulco marginali profundo; anulis, antieis subtus haud depressis, profundius segmentatis, parte basali scobina carente glabra, p. media posteriora versus minutissime et sparse impresso-punctata, striis curvatis obliquis sparse or- nata, p. postica parum convexa, altiore, striis irregularibus an ns punetisque impressis sat crasse et dense rugosa, subtus suleata; poris magnis marginatis, ante mar- ginem posticum partis mediae paullo supra medium laterum et ante sulecum sat profundum lateralem longitudinalem partis posticae sitis; anulo ultimo reticulato-rugoso, pseudo- mucrone crasso obtuso, basi transverse sulcato, valvulas anales marginibus late compressis basi valde eonvexis, galei- formibus, reticulato-rugosas haud superante;.-antennis collum haud superantibus; anulis 57; long. corp. 215 mm. Nossi Be (Hildebrandt!). 65 Tr Gesicht glatt. © Ringe dorsalwärts durchaus glatt. 102. Spirobolus juloides, nob., /, gracilior, brunneus, collo flavo-limbato, anulis postice late flavis, pedibus an- tennisque flavis; facie glabra, elypeo suleo medio, foveolis utrinque 2; collo glabro, lateribus sensim angustatis, subtrun- catis, sulco profundo marginali, margine laterali antico paullo excavato; anulis profundius postieis minus segmen- tatis, parte basali scobina carente glabra, p. media subtus suleata et striüs curvatis postieis usque ad poros signata, p- postica altiore convexa, glaberrima, nitida; poris late- ralibus paullo ante marginem posticum in medio fere la- terum sitis majoribus; anulo ultimo postice subacuto, val- vulas anales marginibus paullo compressis convexas haud superante; antennis anulum fere tertium attingentibus; anulis 49. Samar (Jagor!). OO Ringe dorsalwärts eingestochen punktirt. = Collum seitlich gerundet. 103. Spirobolus phranus, nob., 2, gracilis, brevis, pal- lide testaceus; facie convexa, glabra, elypeo suleo subpar- tito, foveolis utrinque 2 instructo; collo lateribus sensim an- gustatis, rotundatis, margine laterali antico excavato, suleo sat profundo marginali, anulis evidenter sed haud pro- funde segmentatis, parte basali scobina carente glabra, media posticague dorso sat dense et cerasse impresso-pun- etata, p. postica insuper longitudinaliter striata, p. media subtus et lateribus striis obliquis minutissimis, p. postiea subtus suleis longitudinalibus erebris et suleo singulo late- rali medio; poris sat magnis ante et prope marginem par- tis mediae posticum fere medio laterum sitis; anulo ultimo impresso-punctato, angulo postico rotundato, valvulis anali- bus convexis, marginibus leviter ecompressis; antennis col- lum paullo superantibus; anulis ea. 51. Bangkok (E. von Martens)). **= Collum seitlich spitzig zulaufend. 104. Spirobolus punetidives, nob., S, 2, brunneus, pedibus fusco-testaceis, gracilior; facie a aypı foveo- Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss, Bd. LIV. 1881. 5 66 lis utringue ordinariis 2; collo impresso-punctato, anulo seeundo angustiore, lateribus angustatis, subaeutis, paullo rotundatis, margine laterali antico paullo excavato, sulco profundo marginali; anulis profundius segmentatis, parte basali scobina carente glabra, p. media crasse et dense, postiea altiore antice subtilius impresso-punetata, subtus sul- cata; poris prope marginem partis mediae posticum et ante suleum longitudinalem partis posticae sitis, minutis; anulo ultimo angulo postico rotundato, valvulis analibus impresso- punctatis, convexis, marginibus leviter compressis; antennis anulum tertium attingentibus; anulis in d' et 2 50; long. corp. ca. 60 mm. Saigon (Doenitz!). ><>< Basalsegment der Ringe concentrisch gestreift. + Mittelsegment der Ringe fein eingestochen punktirt. 105. Spirobolus biconicus, nob., f, inerassatus, an- teriora et posteriora versus sensim valde angustatus; capite, pedibus, valvulis analibus brunneis, collo nigro, anulis in- canis, margine postico late nigro; facie glabra, elypeo suleo obsoleto, utrinque foveolis 2 parvis; collo parvo, angustiore, margines anuli secundi ventrales fere attingente, lateribus valde angustatis, angulo postico subrecto, margine laterali antico paullo convexo, sulco singulo marginali ordinario; anulis simulate haud segmentatis, parte basali seobina earente striis subeoncentrieis, subtilibus interruptis, haud_ perfeetis, p. media dorso sat sparse et subtiliter impresso-punetata, lateribus striis obliquis curvatis, p. postica (nigra) subtus sulco subeireulari abrupto obsoleto limbata, glabra, nitida, subtus tantum suleata; poris magnis marginatis subdorsalibus prope marginem partis mediae (incanae) sitis; anulo ultimo postice angulato, valvulis analibus, marginibus paullo com- pressis, convexis, subgaleiformibus; antennis anulum tertium fere attingentibus; anulis 44; long. corp. ca. 70—75 mm. Mauritius. fr Mittelsegment der Ringe dorsalwärts glatt, Hinter- segment glatt mit breiten, flachen Längseindrücken. 106. Spirobolus adipatus, nob., /, Q, compactus, fu- NY ig scus unicolor; facie glabra, sulce partita, elypeo foveolis utringue 2; collo margines anuli secundi ventrales haud attingente, lateribus latius rotundatis, sulco marginali ob- soleto; anulis vix segmentatis, parte basali scobina carente concentrice striata, media subtus profundius longitudinaliter sulcata, p. postica late et plane longitudinaliter subcanali- culata, dorso ceterum glabro; poris lateralibus in parte media paullo supra medium laterum sitis, magnis, marginatis in angulo sulecorum: ceircularis et longitudinalis lateralis; anulo ultimo submucronato, angulo postico rotundato, val- vulis analibus convexis, marginibus late compressis; antennis collum haud superantibus; anulis 52 (Sf) — 53 ®). Salawatti („Gazelle‘!). irr Mittel- (und Hinter-)Segment der Ringe fein längs- gestreift, Hintersegment ohne (oder mit nur schwachen) Eindrücken. * Collum seitwärts breit abgerundet. 107. Spirobolus impudieus, nob., f', 9, erassus, brun- neus; facie glabra, sulco profundo partita, elypeo prope suleum utringue fovea singula; collo margines ventrales anuli secundi haud attingente, lateribus late rotundatis, sul- co marginali instructis; anulis vix visibiliter segmentatis, parte basali scobina perfecta carente concentrice striata, p, media striis densis subtilibus longitudinalibus rugosa, medio densius striolatis, p. postica glabra, subtus subsuleata; poris lateralibus magnis, late marginatis, in angulo sulei longitu- dinalis et marginis posterioris partis mediae sitis, subdor- salibus; anulo ultimo postice pseudo -mucrone rotundato valvulas anales haud superante, basi sulco transverso limi- tato, valvulis analibus convexis, marginibus parum com- pressis; antennis .foeminae collum haud, maris paullo super- rantibus; anulis ca. 51. Dodinga et Ternate (E. von Martens!). ** Collum seitwärts verengt, mit etwas concavem Vor- derrande. 108. Spirobolus caelatus, nob., 0, 9, graeilis ((’) vel cerassior (Q), tenuis, rubro-testaceus; faeie glabra, fronte et 5* 68 elypeo sulco brevi longitudinali, elypeo utrinque foveolis 2; collo glabro, lateribus angustatis, rotundatis, suleo margi- nali utringue singulo, margine laterali antico leviter exca- yato, anuli secundi margines ventrales attingentibus; anulis vix segmentatis, parte basali scobina carente striis trans- versis curvatis, subconcentricis, parte media et postica sub- tus et lateribus longitudinaliter subsuleatis, dorso striis sub- irregularibus longitudinalibus minutis sat erasse et dense rugosis, in mare subglabris; poris lateralibus minutis, fere medio laterum prope et ante marginem partis mediae posti- eum sitis; anulo ultimo angulo postico subaeuto (Q), vel submucronato, rotundato (C'), valvulis analibus basi con- vexis, marginibus late compressis, galeiformibus; antennis in f' collum longe, in 2 haud superantibus; pedibus lon- gissimis; anulis 51 (P)—55 (A). Neu-Hannover? et Segaar Bay, Neu-Guinea („Gazelle ') N. II. Basalsegment mehr oder weniger zahlreicher Ringe mit je einem Paare runder oder transverser Ver- tiefungen auf dem Rücken, hinter denen zumeist ein dreieckiges oder trapezoidales, mattes mehr oder minder stark raspelartig-quergestreiftes Feld liest. (Subgenus: Rhinocericus nob.) A. Die Scobina liegt nur auf den Ringen 8-12, ziem- lich frei, indem die Pe hinten stark aus- gerandet sind. 109. Spirobolus (Rhinocricus) pareus, nob., d, 9, suberassus, fusco-testaceus; facie glabra, sulco interrupto, elypeo oh utrinqgue 2; collo lateribus sensim angusta- tis, latius rotundatis; anulis haud visibiliter segmentatis, subglabris, parte basali subtus striis abbreviatis transversis, dorso glabra, in anulis 8—12 scobinis latis transversis, parte opaca plana valde rimosa ornato, p. media subtus longitudinaliter striata, postica suleata, margine postico anu- lorum 7— 11 supra scobinas profundius exeisa, p. media posticaque segmentorum posticorum plus minus longitudina- liter plane subcanalieulata; poris magnis, marginatis, vix supra medium laterum in parte media prope marginem 69 posticum sitis; anulo ultimo angulo postico rotundato, quasi Submucronato, valvularum analium marginem haud attingente, valvulis paullo convexis, subcompressis, haud marginatis; antennis collum haud superantibus; anulis 43 (J' et 2); long. corp. 80 (Q)— 115 (cf) mm. Portorieo (Krug)). (Auf diese Art scheint sich Dr. Gundlach’s Notiz zu beziehen: „Sodann fand ich in Vega Baja noch eine im Verhältniss dicke Art: einfach braun, alle Abtheilungen nach hinten zimmtfarbig, der Saum selbst geiblich, Fühler und Beine rosenfarbig oder schmutzig -rosa.“) B. Die Scobina reicht vom 8., 9.. oder 10. bis zum 25. Ringe oder noch weiter hinab. a. Die Scobina endigt auf dem 25. Ringe breit, und liest ziemlich offen, da die Deckenringe oberhalb derselben ziemlich breit ausgerandet sind. 110. Spirobolus (Rhinoerieus) undulatus, nob., cd), fuscus, compactus, facie glabra, sulco subpartita, elypeo foveolis utringue 2 instrueto; collo margines anuli secundi ventrales haud attingente, lateribus latius rotundatis, sulco haud profundo marginali; anulis vix segmentatis, parte basali subtus subsuleata, dorso glabrata, scobinas in anulis decimo (vel jam 90 vel 8vo?), usque ad 25um latis ferente, p. media glabra, poris paullo supra medium laterum sitis, magnis, late marginatis, in anulo sulcorum, p. postica sub- tus et lateribus longitudinaliter sulcata, impressionibus (vel eanalieulis) longitudinalibus planis, in anulis anticis margine postico supra scobinas anuli sequentis obteceti parum exca- vato, undulato, ita ut anuli obtecti areae basales subtrian- sulares 2 transversae sulcatae visibiles maneant; anulo ultimo submueronato, angulo postico rotundato, valvulis analibus basi convexis, marginibus paullo compressis; an- tennis collum haud superantibus; anulis 50. — Tarsis pedum maris adulti pelma saltem simulate carentibus. Viti Levu („Gazelle“!). b. Scobina den grössten Theil der Ringe charakteri- sirend, die Deckenringe am Hinterrande niemals aus- serandet. 70 e@. Endring mit dornförmigem, langem spitzen Schwänzchen. 111. Spirobolus (Rhinocrieus) laetus (M. B.), nob., d, 9, gracilior, nitens, testaceus-vel testaceo-fuseus, vel fusco-maculatus; facie glabra, elypeo sulco medio brevi, utrinque foveolis 2; collo glabro, margines anuli secundi ventrales subattingente, lateribus sensim angustatis, rotun- datis, sulco marginali brevi; anulis evidenter sed haud pro- funde segmentatis, dorso omnino transverse, lateribus obli- que subreticulato-striato; poris majoribus in angulo in- feriore anteriore sulei longitudinalis lateralis marginisque segmenti medii postiei sitis; anulo ultimo spina longa, val- vulas anales subcompressas longius superante, apice paullo assurreeta instructo; antennis collum paullo superantibus; anulis 44 (9)—46 (ld). Poris anuli sexti primis in foemina multo profundius sitis. Exempla permulta ex America singulamque. ex Asia in Museo Berolinensi. Columbia (Moritz! et Otto!); Caracas (Gollmer! et Ernst!); Puerto Cabello (Martin!); Brit. Guyana (Schom- burgk!); Ternate (E. v. Martens!). (Ernst gibt an, dass die Art „in den Bergwäldern (von Caracas) sehr häufig“ sei.) 8. Endring in ein rundes, kurzes, stumpfes, die Anal- klappen wenig überragendes Schwänzchen ausge- zogen. 112. Spirobolus (Rhinoerieus) angusticollis, nob., 2, erassior, brunneo-obseurus, pedibus pallidioribus, parte a lorum postica flava; facie suleo interrupto, striis transversis punctisque sparse impressis paullo rugosa, elypeo foveolis utringue 2; collo angusto, anulo secundo multo angustiore, lateribus, suleo marginali carentibus, latissime rotundatis, vix paullo angustatis; anulorum parte media parte postica suleo subeireulari profundo latoque limitata, parte basali concentrice striata, in anulis 90—360 scobina, fossam lon- giorem transversam, in anulis posterioribus abbreviatam, paullo curvatam antice limbata instructa, parte media glabra, p- postica brevissima, nitida, punctis impressis sparsis et 1 striis abbreviatis subtilissime rugosa, subtus parum longitu- dinaliter sulcata; poris magnis marginatis,: prope suleum eireularem posteriorem in parte media fere medio laterum sitis; anulo ultimo eaudicula sat longa subeylindrica, val- vulas anales plus minus superante, striis punctisque im- pressis sparsis paullo rugoso, valvulis analibus sparse im- presso-punctatis, valde convexis, marginibus anguste sed valde compressis; antennis collum haud superantibus; pedi- bus brevioribus; anulis ca. 43; long. corp. ea. 70—80 mm. Puebla (Berekenbusch!)) y. Endring hinten mit kurzem flachem, die Analklap- pen nur wenig überragendem Mucro.. rt Ringe tief segmentirt, Gesicht gerunzelt, Hinter- theil der Ringe dorsalwärts flach gekielt, Mittel- theil glatt (Antennen fast bis zum vierten Ringe reichend (() ). 113. Spirobolus (Bhinocericeus) gracilipes, nob., , gracilior, subniger; facie sulco nullo, striis obliquis subtili- bus. paullo rugosa, elypeo vix exeiso, foveolis utrinque 2; collo irregulariter paullo rugoso, lateribus late rotundatis, vix angustatis, margines anuli secundi ventrales haud attin- gentibus; anulis profundius segmentatis, parte basali glabra, in anulis 90—290 foveis 2 rotundis parvis ornata, parte media glabra, subtus longitudinaliter striata, p. postica longitudinaliter et subirregulariter plane subcostata, subtus suleata; poris minoribus, simulate in parte postica margina- liter et apice antico sulei longitudinalis lateralis fere medio laterum sitis; anulo ultimo mucrone depresso, valvulas anales paullo superante, apice rotundato instructo, valvulis paullo convevis, marginibus late subcompressis; pedibus longissimis; antennis longis, anulum quartum subattingenti- bus; anulis 40—42; long. corp. ca. 60 mm. Cuba. jr Ringe kaum segmentirt, Gesicht glatt (Antennen höchstens bis zum dritten Ringe reichend). * Mittel- und Hintertheil der Ringe dorsalwärts glatt; Antennen (Z') nur bis zum zweiten Ringe reichend. 72 114. Spirobolus (Rhinoerieus) facatus, nob., /, eras- sior, subeinereus; facie glabra, sulco interrupto subpartita, elypeo foveolis utringue 2; collo margines anuli secundi ventrales attingente, lateribus rotundatis, sulco marginali, postice subangulatis; anulis haud visibiliter segmentatis, glabris, parte basali scobina longa sed angustissima pluri- morum anulorum, p. postica subter longitudinaliter sulcata, poris fere medio laterum prope partis mediae marginem posticum, ante suleum lateralem longitudinalem partis posticae sitis, pone poros sulco insuper laterali subeireulari; anulo ultimo muerone paullo rotundato valvulas anales, parum convexas subeompressas, paullo superante; antennis collum haud superantibus; pedibus u anulis 44; long. corp. ca. 60 mm. Caracas (Gollmer!). *%= Mittel- und Hintersegmente der Ringe dorsalwärts netzartig skulptirt; Antennen (2) bis zum dritten Ringe reichend. 115. Spirobolus (Rhinoericus) flavocinetus, (M. B.), nob., 2, gracilior, fuscus, collo Havo-limbato, parte anulorum postica basalique antice, pedibus, antennis, valvularum marginibus flavis; facie glabra, elypeo foveolis utringue 2; eollo lateribus margines anuli secundi ventrales haud attin- gentibus, late rotundatis, sulco haud profundo marginali; anulis vix visibiliter segmentatis, parte basali glabra, ex maxima parte scobinata, parte media posticaque stris lon- gitudinalibus sat densis plus minus reticulato-rugosis, p. media lateribus subtusque oblique late striata, p. postica subtus tantum longitudinaliter sulcata; poris sat magnis marginalibus partis mediae fere medio laterum sitis; anulo ultimo mucrone plano apice rotundato, basi sulco transverso limitato, valvulas anales marginibus compressis convexas paullo superante; antennis anulum secundum haud superan- tibus; anulis ca. 44; long. corp. ca. 60 mm. Caracas (Gollmer!). ö. Endring die Analklappen nicht überragend. Clypeus in der Mitte sehr tief eingeschnitten. 75 116. Spirobolus (Rhinocricus) exeisus, nob., 2, sub- crassus, gracilior, niger, unicolor; facie striis transversis paullo rugosa, elypeo profunde exeiso, foveolis utrinque 2, ineisura fossam antennarum altitudine attingente; collo late- ribus late rotundatis, sulco marginali carentibus, margines anuli secundi ventrales haud attingentibus; anulis haud visi- biliter segmentatis, subglabris, parte basali mediaque subtus paullo longitudinaliter striatis, postica suleata, p. basali in anulis 90— 260 (vel 270?) scobinata, fossis 2 subsemiluna- ribus dorsalibus curvatis, antice apertis profundis ornata, marsine anulorum posteriore haud emarginato; poris magnis, marginatis, longe supra medium laterum in linea sulei late- ralis longitudinalis partis posticae, ante marginem partis mediae posticum sitis; anulo ultimo angulo rotundato, val- vulas anales marginibus late subeompressis paullo convexas haud superante; antennis collum haud superantibus; anulis 53; long. corp. ca. 140 mm. Jamaica (Jamrach!). j Ciypeus schwach eingeschnitten. >< Hintersegment der Ringe dorsalwärts längsgekielt. 117. Spirobolus (Rhinocricus) carinatus, nob., 9, caesio-fuscus, pedibus antennisque flavis, collo flavo-limbato, anulis postice flavo-marginatis; facie subglabra, sulco sub- partita, elypeo foveolis utringque 2; anulis vix segmentatis, parte basali glabra, in anulis 90 — 230 scobina, parte opaca postice acute producta, instructa, parte media subglabra, subtus et lateribus paullo quidem supra poros in tumulo quodam simulate partis posticae sitos, longitudinaliter sul- cata, p. postica carinis longitudinalibus sat altis ornata; collo lateribus margines anuli secundi ventrales fere attin- gentibus, sensim angustatis, rotundatis, sulco marginali tenui; anulo ultimo submucronato, angulo postico late rotundato, valvulis analibus convexis, marginibus paullo compressis; ‚antennis collum haud superantibus; anulis 36. Viti Levu (e Mus. Godeffroy). ><>< Hintersegment der Ringe dorsalwärts rissig oder eingestochen punktirt. \ 74 © Hintersegmente der Ringe rauh- -rissig, Ringe nicht sichtbar segmentirt. 118. Spirobolus (Rhinocricus) callosus, (L. Koch, i. litt.), nob., c’, ater; facie glabra, sulco subpartita, cc foveolis ne 2; anulis haud visibiliter segmentatis, subtus sulcatis, subtilissime reticulato rugosis, seobinis in anulis 90— 280 parte basali, angustis, postice opaecis, in anulis postiecis subpunctiformibus parvis; poris magnis, mar- ginatis, lateralibus subdorsalibus; collo margines anuli se- cundi ventrales haud attingente, lateribus late rotundatis, sulco marginali tenui; anulo ultimo submueronato, angulo postico subacuto-rotundato, valvulis analibus convexis, mar- ginibus paullo compressis; antennis collum vix superantibus; anulis ca. 56—58. — Pedum maris adulti tarsis pelma si- mulate carentibus. — Filum maris adulti genitale subreetum, breve, baud intus apice eurvatum. Pelew-ins. (e Mus. Godeffroy). © Hintersegment der Ringe dorsalwärts eingestochen punktirt, Ringe (wenigstens seitwärts) deutlich seg- mentirt. f Endring hinten spitz; Ringe 8—23 mit Scobina. 119. Spirobolus (Rhinocricus) erepidatus | Pelmato- Julus erepidatus, L. Koch i. litt.], nob., f ad Q, fusco-brun- neus, gracilior; facie glabra, sulco subperfecto longitudinali medio; anulis lateribus evidenter, dorso leviter segmentatis, subtus sulcatis, parte basali eoncentrice striato et suleis longitudinalibus spatio lato sejunetis signato, in anulis 80— 230 scobina instructa, parte media posticaque punectis impressis sparsis irregularibus: leviter rugosis, poris latera- libus submediis in angulo suleorum erueiformium in parte media sitis; collo anulo secundo multo angustiore, lateribus late rotundatis, sulco marginali tenui; anulo ultimo apice angulato, subacuto, valvulis analibus econvexioribus; antennis collum haud superantibus; anulis 55. — Foemina singula, verisimiliter haud adhuc adulta colore pallide testaceo differt. — Filum maris adulti genitale longum, valde intus curvatum. Port Mackay (e Mus. Godeffroy). 75 ++ Endring hinten stumpf; Ringe 9—33 mit Scobina. 120. Spirobolus (Rhinoericus) scrobiculatus, nob., g, 2, erassus, niger (vel in junioribus testaceus); facie suleo perfecto et striis transversis reticulato-rugosa, elypeo foveolis utrinque 2; collo lateribus late rotundato, sensim angustato, margines anuli seeundi ventrales haud attin- gente; anulis haud profunde segmentatis, nitidis, parte basali subtiliter subeoncentrice striata, dorso anulorum 90 basi foveis 2 parvis poriformibus, in anulo 100—830 foveis 2 profundis arcuatis, antice concavis, postice depressione subtriangulari opaca limitatis, parte media posticaque sub- tus sulcatis, dorso subglabris, nitidis, subtilissime et minu- tissime impresse -punctatis, poris lateralibus magnis, mar- sinatis, in angulo sulcorum cruciformium supra medium laterum sitis; anulo ultimo mucrone obtuso, valvulas anales paullo convexas haud superante; antennis collum vix su- perantibus; anulis ca. 57 (in 2). Amboina (E. v. Martens! et „Gazelle“); Kajeli, Buru (E. v. Mart.)). ><><>< Hintersegment der Ringe ganz oder fast glatt. + Ringe ringsum sehr tief segmentirt. 121. Spirobolus (Rhinocricus) segmentatus, nob., 9, erassus, brunneus, pedibus antennisque testaceis; facie glabra, sulco subperfecto medio longitudinali, elypeo utrin- que foveolis 2; collo lateribus sensim angustato, late rotun- dato, margines anuli secundi ventrales haud attingente, sulceo marginali obsoleto; anulis profundissime cireum sesmentatis, subglabris, vix parum rugosis, subtus vix sul- catis, parte basali concentrice striata, in anulis 8—300 scobinata, p. postica lateribus sulco subdorsali profundo longitudinali subpartita; poris lateralibus in parte media lineaque sulei longitudinalis fere angulo sulcorum sitis, majoribus, haud evidenter marginatis; anulo ultimo reti- eulato-rugoso, postice subacuto, valvulas anales retieulato- rugosas, paullo econvexas, subcompressas haud superante; antennis collum vix superantibus; anulis 42. Luzon (Jagor!). Bl 80 76 ++ Ringe deutlich, indessen nieht besonders tief seg- mentirt. © Mittelring concentrisch gestreift; Seitenporen sehr klein. 122. Spirobolus (Rhinocrieus) miniatipus, nob., d,, crassior, brevis, incano-fuseus, collo rubro-limbato, anulorum- margine postico rubro, dorsi medio macula majore antice rotundata, anulo ultimo postice rubro, pedibus brunneis, tarsis solis rubris; facie glabra, sulco subpartita, elypeo foveolis utringue 2; collo lateribus anuli secundi margines ventrales haud attingente, late rotundato, sulco obsoleto marginali utrinque; anulis profundius segmentatis, parte basali ex maxima parte scobina sat parva instructa, p. media striis concentrieis, lateribus curvatis, obliquis,. p. postica glabra, subtus tantum vix sulcata; poris lateralibus minimis prope marginem partis mediae posticum et in angulo sulei partis posticae longitudinalis sitis; anulo ul- timo angulo postico subacuto valvulas anales marginibus anguste et paullo compressis convexas vix, sed simulate, superante; antennis collum vix superantibus; anulis 43; long. corp. ca. 45 mm. Nova Granada (Goudot!). ©C© Mittelsegmente der Ringe glatt; Seitenporen gross und von einer Ringfurche umgeben. 7 Analklappen stark convex mit durch eine tiefe Furche abgesetzten convexen Rändern; Seitenporen im Winkel der gekreuzten Furchenstreifen im Mittel- segmente oberhalb der Mitte der Seiten gelegen. 123. Spirobolus (Rhinocricus) brevipes (L. Koch, i. litt.), nob., £', 2, brevis, subgracilis, fuscus, pedibus an- tennisque pallidioribus; fronte subglabra, inter antennas paullo transverse subsuleata, sulco subperfecto longitudinali medio, clypeo utringue foveolis 2; collo anulo secundo multo angustiore, lateribus rotundatis, suleo brevi marginali instructis; anulis sat profunde segmentatis, glabris, subtus tantum sulcatis, parte basali concentrice striata, scobina angusta, elongata in anulis ca. 11o—280 instructa; poris 77 ' magnis, latius marginatis, supra medium laterum in angulo sulcorum eruciformium partis mediae sitis; anulo ultimo postice angulato, valvulis analibus valde convexis, sulco - profundo marginali; antennis collum haud superantibus; anulis 52(2)—54(); long. corp. ca. 70 mm. Rookhampton et Queensland (e Museo Godeffroy). aa Analklappen ziemlich compress oder wenig convex mit compressen Rändern. Seitenporen im Mittelseg- mente der Ringe eher unter- als oberhalb der Mitte der Seiten und weit ausserhalb oder unterhalb des Winkels der gekreuzten Furchenstriche gelegen. * Die Poren liegen nur wenig unterhalb des vor- deren unteren (rechten) Winkels des (gelben) Sei- tenkreuzes. 124. Spirobolus (Rhinocricus) Duvernoyi !), nob., 2, brunneus, nitens; facie glabra, sulco longitudinali sub- perfeeto, elypeo foveolis utrinque 2; collo lateribus sensim angustatis, rotundatis, anuli secundi margines ventrales fere attingentibus, suleo marginali bene expresso carentibus; anulis evidenter, sed haud profunde segmentatis, glahris, anulis 80—200 parte basali scobinatis, parte media subtus striata, p. postica subtus sulcata, postice dorso et lateribus longitudinaliter subeanaliculata; poris magnis late margi- natis, ante et juxta marginem partis posticae in parte media paullo infra suleum lateralem sitis, poro primo anuli sexti ceteris multo profundiore; anulo ultimo submucronato, pseu- domucrone sensim angustato, basi dorso suleis sat profundis nonnullis transversis limitato valvulas anales haud superante, valvulis parum convexis, subcompressis, marginibus crassio- ribus, paullo magis late subcompressis, suleis profundis 1) ef. Duvernoy: Fragments sur les organes de generation de divers animaux in Memoires de l’Academie des Seiexces de l’Institut de Franee, XXIII, 1853, pp. 115—127, 129—131, Pl. I. Der Autor scheint die hier en Art vor sl gehabt zu haben, obwohl von der Scobina bei ihm nicht die Rede ist; von Spirobolus ler Voges (Zeitschr. f. wiss. Zool., XXXI, 1878, pp. 188—9, 32) unter- scheidet sie sich Baupteachlich. durch ins I ande. Seiten des Collum. 78 margini parallelis limitatis, (antennis imparibus) anulis 50; long. corp. ca. 155 mm. Cuba (Otto)). (In Portorico haben die Herren Dr. Gundlach und Consul Krug diese Art nicht gefunden.) ##= Seitenporen tief unterhalb des vorderen unteren (rechten) Winkels des (gelben) Seitenkreuzes gelegen. 125. Spirobolus (Rhinocricus) fundipudens, nob., cf, erassus, brunneo -fuscus, collo pallidius limbato, anulorum parte postica postice pallidius marginata, pedibus anten- nisque testaceis; facie subglabra, sulco interrupto, elypeo foveolis utringue 2; collo lateribus sensim angustatis, late rotundatis, anuli secundi margines ventrales haud sed fere attingente; anulis subprofundius segmentatis, parte basali striis concentrieis et in anulis 90 (vel jam oetavo?) — 250 scobinis 2, in anulo 14o latissimis, parte opaca postice ro- tundata, transverse striata instructa; p. media glabra, sub- tus longitudinaliter striata, p. postica glabra, subtus longi- tudinaliter sulcata, anulis postieis parte media posticaque dorso plus minus plane longitudinaliter subeanaliculatis; poris magnis marginatis, prope et ante marginem partis mediae posteriorem fere medio laterum, sed longe infra suleum lateralem partis posticae mediaeque longitudinalem plus minus obsoletum sitis; anulo ultimo mucrone basi dorso transverse sulcato, obtuso, valvulas anales haud superante, valvulis paullo convexis, marginibus late subcompressis, rugosis; antennis collum haud superantibus; anulis 45; long. corp. ca. 170 mm. — Appendicum genitalium maris partes externae crassae, fundiformes, decussatim positae. St. Martha: Nova Granada (Tetens!). An forsitan masculum speciei prioris, cum qua maxi- mam similitudinem habeat? Für die afrikanischen Swirobolus- Arten wurde bereits das beständige Fehlen der Scobina angegeben, so dass also alle im Berliner Museum befindlichen Spirobolus-Typen dieses Continents und seiner Inseln der Untergattung Spirobohts 79 im engeren Sinne angehören. Von den übrigen im Berliner Museum befindlichen Spirobolus- Arten kann Folgendes con- statirt werden. Es gehören zu Spirobolus, 8. str.: nach typischen Stücken: mexicanus, SaUssure, (parte anulorum basali eoncentrice striata, media posticaque sulco dorsali medio longo, media et postica antice impresso- punctatis, postica postice glabra), und colubrinus, L. Koch. nach gedeuteten Stücken: carnifex, Fahbric., marginatus, Say und uneigerus, W 00d. zu BRhinocricus: nach typischen Stücken: mazimus, L., Brandt, (seobina postice subacuta, parte anulorum basali concentrice striata); Olfersii, Brandt, (anuli saltem undeeimi scobinam bene expressam observavi); Aztecus, SaUSS., (parte anulorum basali concentrice striata) und costatus, L. Koch, (scobina lata, parte opaca postice nd anulorum 8i—38i). nach gedeuteten Stücken: erebristriatus und Taprobanensis Humb. (ef. No. 87.), cras stcornis, laticaudatus und arboreus Sauss. (= ? caudatus Newp.), über diese Art ist die Einleitung vorliegenden Aufsatzes zu vergleichen. Ueber die Alkaloide der Belladonnawurzel und des Steehapfelsamens. (Atropin, Daturin und Hyoscyamin.) Von Prof. Ernst Schmidt. Das Atropin, welches als der wirksame Bestandtheil der Belladonnapflanze fast gleichzeitig von Mein!) und von Geiger und Hesse?) entdeckt wurde, ist zuerst von Planta°) mit der ebenfalls von Geiger und Hesse‘), und zwar aus dem Stechapfelsamen isolirten, mit dem Atro- pin gleich zusammengesetzten Base, dem Daturin, bezüg- lich seiner Zusammensetzung und seiner Eigenschaften ver- glichen worden. Das Resultat dieser vergleichenden Unter- suchungen fasst Planta im nachstehenden Sätzen zu- sammen: „Die Analysen des Atropins und Daturins, sowie be- sonders die durch die Analysen der Goldchloriddoppel- verbindungen erhaltenen Zahlen lassen kaum einen Zweifel mehr über die gleiche Zusammensetzung und über die Iden- tität beider Basen. In der That deuten alle Verhältnisse darauf hin, sowohl die Gleichheit beider in ihren physio- logischen Wirkungen, als auch das ganz gleiche Verhalten gegen Wasser, Weingeist und Aether, die Löslichkeit und schwierige Krystallisirbarkeit ihrer Salze und die Schmelz- punkte, die beinahe auf dem Grad zusammentreffen.“ 1) Annal. d. Ch. 6, S. 67. 2) Annal. d. Ch. 5, 8. 43; 6, S. 44; 7, 8. 269. >) Annal, d. Ch. 74, 8. 252. 4) Annal. d. Ch. 7, 8. 272. RN za, sl Obschon den Planta’schen Untersuchungen die bis in die jüngste Zeit fast allgemein acceptirte und auch in den Hand- und Lehrbüchern der Pharmacie und der Toxicologie entwickelten Ansicht über die Identität von Atropin und Daturin zu verdanken ist, so hat es doch nicht an Beobach- tungen gefehlt, welche mit den Planta’schen Ansichten nicht in Einklang zu bringen sind. So giebt bereits Sou- beiran!) an, dass das Daturin nur isomer, aber nicht iden- tisch mit dem Atropin sei, indem es leichter als Atropin krystallisire und seine salzsaure Verbindung durch Pla- tinchlorid nicht gefällt werde, dagegen mit Goldehlorid einen weissen Niederschlag gebe. Ebenso macht auch Ehrhardt?) auf Verschiedenheiten in der Krystallform der beiderseitigen Salze dieser Basen aufmerksam. In noch präciserer Weise, als letztere beiden For- scher, spricht sich A. Poehl:) gegen eine Identität von Atropin und Daturin aus, indem er angiebt, durch Ver- suche einestheils constatirt zu haben, dass das Atropin optisch inactiv, das Daturin dagegen optisch activ, und - zwar linksdrehend sei, anderntbeils den Nachweis geführt zu haben, dass Atropinsalze mit Platinchlorid einen Nieder- schlag geben, während Daturinsalze durch dieses Reagens nicht gefällt werden, dass umgekehrt dagegen die Daturin- salze durch Pikrinsäure gefällt werden, während dies bei den Atropinsalzen nicht der Fall ist. Auf Grund dieser Beobachtungen gelangt Poehl zu der Annahme, dass die Ursache der Verschiedenheit, welche die Atropinpräparate häufig in der physiologischen Wirkung zeigen, nur durch _ einen grösseren oder geringeren Gehalt derselben an Datu- rin bedingt wird. Diese mannigfachen Widersprüche, welche sieh in che- mischer und noch viel mehr in physiologischer Beziehung in der Literatur über das Atropin und das Daturin finden, haben mich veranlasst zu einer vergleichenden Untersuch- ung der Eigenschaften und der Zersetzungsproducte dieser 1) Handwb. v. Fehl. S. 901. 2) N. Jahrb. d.- Pharm. 1866. 3) Chem. Centrbl. 1878, S. 107. Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. 6 er beiden Basen, für die ich zur Unterscheidung ihrer Ab- stammung zunächst die bisherigen Namen Atropin und Da- turin beibehalten will. Da auch Herr A. Ladenburg sich mit dem gleichen Gegenstande beschäftigte, und einen Nachweis der Identität des Daturins und Hyoseyamins in Aussicht stellte!), so theilte ich als vorläufiges Resultat dieser seit mehr als zwei Jahren mich beschäftigenden Untersuchungen in den Berichten d. deutsch. chem. Gesell- schaft 1880, S. 370 und f. mit, dass es mir bis dahin nicht gelungen sei eine chemische Verschiedenheit zwischen dem käuflichen Atropin und Daturin nachzuweisen, und dass das gleiche Verhältniss auch zwischen den selbst darge- stellten Basen obzuwalten schiene, ohne dass jedoch, wie ich ausdrücklich bemerkte, die Untersuchungen mit letzte- ren Materialien, ebenso wie die optischen und krystallo- graphischen Vergleiche zu jener Zeit bereits zum Abschlusse gediehen waren, sondern noch einer weiteren Mittheilung ‚vorbehalten bleiben sollten. Immerhin musste es mich über- raschen in dem nämlichen Hefte der Berichte der deutschen chem. Gesellschaft 1830, S. 380 eine Mittheilung der Herren Ladenburg und Meyer zu finden, in welcher diese For- scher auf Grund ihrer Versuche, namentlich die constatirte Uebereinstimmung in dem Aussehen und in den Schmelz- punkten der Golddoppelsalze, glaubten die Identität von Daturin, Hyoseyamin und Duboisin behaupten zu dürfen. Dieser Widerspruch zwischen den Beobachtungen von Ladenburg und Meyer und den meinigen fand kurze Zeit darauf durch Herrn Ladenburg?) insofern eine Er- klärung, als er nachwies, dass in der Atropa Belladonna mindestens zwei Alkaloide, nach ihrem spec. Gewiehte als schweres und leichtes Atropin benannt, enthalten seien, von denen das schwere mit dem von Mein, sowie von Geiger und Hesse entdeckten Atropin, das leichte mit dem in den Bilsenkrautsamen enthaltene Hyosceyamin identisch ist. Auch in der Datura stramonium sind nach Ladenburg diese beiden Basen enthalten, nur herrscht in dieser Pflanze 1) Ber. d. d, chem. Ges, 1880, 8. 256. 2) Ber. d. d. chem. Ges. 1880, S. 909, “ 83 das leichte Alkaloid: Hyoseyamin, im Gegensatze zur Bella- donna wesentlich vor. Im weiteren Verfolge meiner vergleichenden Untersuch- ungen der in der Wurzel von Atropa Belladonna und in den Samen von Datura stramonium enthaltenen Alkaloide, bin ich zu Resultaten gelangt, welche meine früheren, an den käufliehen Basen gemachten Beobachtungen vollkom- men bestätigen, die aber auch andererseits im Einklange stehen mit den letzten Untersuchungen Ladenburgs, in- dem es auch mir gelüngen ist in den Basen, welche aus den betreffenden Pflanzentheilen selbst dargestellt waren und in Rohmaterial von Atropa- und Daturalkaloiden, für deren Ueberlassung ich Herrn H. Trommsdorff in Erfurt zu besonderem Danke verpflichtet bin, das gleichzeitige Vor- handensein von Atropin, bezüglich Daturin, und von Hyo- seyamin nachzuweisen. | Ladenburg hat den Nachweis des Vorhandenseins von Hyoscyamin in den Basen der Atropa Belladonna und der Datura stramonium durch Isolirung eines bei 159° C. schmelzenden Golddoppelsaizes, welches in dem Aussehen — glänzende, gelbe Blättehen — der Zusammensetzung und dem Schmelzpunkte: 159° C., mit der entsprechenden, aus Hyoscyamin dargestellten Verbindung übereinstimmt. In Anbetracht der geringen Unterschiede, welche die freien Basen in ihrem Aeusseren, den Schmelzpunkten, den meisten Salzen und dem sonstigen Verhalten zeigen, Unterschiede, die durch kleine Verunreinigungen noch wesentlich ver- wischt werden, habe ich früher und auch jetzt zur weiteren Charakterisirung und Unterscheidung der in der Belladonna- wurzel und in dem Stechapfelsamen enthaltenen Alkaloide ‚die Platindoppelsalze benutzt, welche, wie ich bereits (. ce.) mittheilte, sich in messbaren Individuen erhalten lassen. Herr Dr. OÖ. Lüdecke hat die Güte gehabt sich der Unter- suchung der optischen und krystallographischen Eigen- schaften der von mir aus jenen Basengemischen darzestell- ten Platindoppelsalze zu unterziehen; die hierbei erzielten Resultate haben, in Uebereinstimmung mit der auf der Eigenschaft der Golddoppelsalze basirenden Beobachtungen Ladenburg’s, den Nachweis geliefert, dass in der Wurzel 6* 84 von Atropa Belladonna und in den Samen von Datura stramonium, neben Atropin auch Hyoseyamin vorhanden ist. Da die Platindoppelsalze des Atropins, Daturins und Hyos- cyamins sich nicht in der Zusammensetzung unterscheiden, auch in dem Aeussern und in den Schmelzpunkten kaum merkliche Abweichungen von einander zeigen, so erschien mir der angedeutete Weg hier als der einzige, welcher eine sichere Entscheidung in dieser Frage ermöglichte. Ich benutze die Gelegenheit, um Herrn Dr. OÖ. Lüdecke für seine vielen Mühwaltungen, die er mit der Untersuch- ung jener Krystalle gehabt hat, auch an dieser Stelle mei- nen verbindlichsten Dank auszusprechen. In dem bereits früher von mir untersuchten Atropin und Daturin (1. e.), welches ich von der chemischen Fabrik H. Trommsdorff in Erfurt in wohl ausgebildeten, spiessi- ‘gen, bis zu 0,5—0,8 Ctm. langen Kıystallen erhielt und welches ich in der gleichen Qualität aus verschiedenen käuflichen und selbstdargestellten Präparaten durch wieder- holte Umkrystallisation aus verdünntem Alkohol abschied (Schmelzpunkt 115—115,5°), ist es mir nicht möglich ge- wesen, weder auf dem oben angedeuteten Wege, noch durch Ueberführung in die Golddoppelsalze, Hyoscyamin nachzu- weisen, so dass diese Alkaloide, entsprechend meinen frühe- ren Angaben (l. c.) entschieden als einheitliche, und zwar identische Körper zu betrachten sind, um so mehr, als es nicht gelang durch häufiges Umkrystallisiren weder das Aussehen derselben zu ändern, noch den Schmelzpunkt: 115—115,5° C. zu erhöhen. Darstellung des Atropins und Daturins. Zur Darstellung des Atropins diente gemahlene Bella- donnawurzel, zur Gewinnung des Daturins zerkleinerter Stechapfelsamen. Das Verfahren, welches zur Abscheidung dieser Basen aus den betreffenden Pflanzentheilen zur An- wendung gelangte, stimmte im Wesentlichen mit dem über- ein, welches bereits von Mein, sowie auch von Geiger und Hesse (l. e.) benutzt wurde. Die Reinigung der beiderseitigen Alkaloide geschah zunächst durch fraetionirte Fällung der concentrirten Lösung der schwefelsauren Salze N NE ST w ‚85 mit kohlensaurem Kalium und weiter durch Umkrystallisa- tion der abgeschiedenen Base aus verdünntem Alkohol. Letztere Operation gelangte derartig zur Ausführung, dass das Alkaloid in reinem Alkohol gelöst, die Lösung hierauf mit Wasser bis zur eben beginnenden, bleibenden Trübung versetzt und schliesslich die so erzielte Flüssigkeit nach Zusatz einer kleinen Menge Alkohols der freiwilligen Ver- -dunstung bei gewöhnlicher Temperatur überlassen wurde. Dieses Verfahren der Umkrystallisation habe ich mit den abgeschiedenen Krystallen und der restirenden Mutterlauge alsdann so oft wiederholt, bis die Basen in Gestalt von glänzenden, spiessigen, scharf bei 115 — 115,5° C. schmel- zenden Individuen resultirten. Aus je 108 selbst darge- stellten Rohatropins wurden auf diese Weise 5—6g obiger Krystalle erhalten; 103 Rohatropin, welches mir durch Herrn Trommsdorff gütigst zur Verfügung gestellt wurde, lieferte etwas über 68. Bei den Rohdaturinen waren die Ausbeuten an reiner, mit obigem Atropin identischer Base, etwa die gleichen, wie die aus den Rohatropinen. Ich be- merke jedoch, dass die krystallographische Prüfung der Platindoppelsalze, welche aus den anfangs öligen, allmälig krystallinisch erstarrenden Mutterlaugen dargestellt wurden, ergab, dass letztere noch beträchtliche Mengen von Atropin, ‚bezüglich von Daturin enthielten, welehe vermuthlich nur durch die vorhandenen Beimengungen anderer Basen an der Krystallisation gehindert wurden. In den mir vorliegenden, aus Belladonnawurzel und aus Stechapfelsamen dargestellten Rohbasen bestand somit die Hauptmenge aus Atropin, bezüglich dem damit identi- schen Daturin vom Schmelzpunkte 115—115,5° C. Dieses Mengenverhältniss scheint jedoch kein constantes zu sein, wenigstens giebt Ladenburg an, dass in der Datura stra- monium im Gegensatze zur Belladonna das leichte Alkaloid: Hyosceyamin, wesentlich vorherrsche. Atropin und Daturin von Trommsdorff schmolzen übereinstimmend bei 115,5°C.; den gleichen Schmelzpunkt: 115—115,5° C., besassen die reinsten, selbst dargestellten, sowie die aus den gut krystallisirten Platindoppelsalzen ab- geschiedenen Basen. Ladenburg giebt für Tromms- 86 dorff’sches Atropin ebenfalls den Schmelzpunkt 115,5° C. an, für reinstes Handelsproduct dagegen 113,5°C. (Ber. d. d. chem. Ges. XII, 942 u. 943). Atropine von Gehe, Schuchardt und aus hiesiger Sammlung schmolzen bei 112,5° C.; Atropin von Merk bei 113° C. Nach je zwei- maliger Umkrystallisation erhöhte sich der Schmelzpunkt. dieser Präparate auf 114,5° C. Daturin aus denselben Be- zugsquellen schmolz bei 105—106° C., nach zweimaliger Umkrystallisation aus verdünntem Alkohol bei 113,5 — 114,5 C., nach dreimaliger Umkrystallisation bei 115— 115,50 €. Selbst dargestelltes Daturin schmolz anfänglich bei 113,50 C., nach weiterer Reinigung aber bei 115° C. Den gleichen Schmelzpunkt erreichte ein anfänglich bei 114—114,5° C. schmelzendes Präparat, welches ich der Freundlichkeit des Herrn Apotheker Dr. Hornemann hierselbst verdanke. Nach diesen zahlreichen Beobachtungen kann der Schmelz- punkt des reinen Atropins und Daturins wohl als bei 115 bis 115,5°C. liegend angesehen werden. Atropin und Daturin vom Schmelzpunkte 115—115,5° ©. Die Basen, welche ich zu den vergleichenden Unter- suchungen als Atropin und Daturin verwendete, und zwar sowohl die käuflichen, als später auch die selbstbereiteten, schmolzen übereinstimmend bei 115—115,5° C. Wie be- reits früher erörtert (Ber. d. d. chem. Ges. XII, S. 370), ist es mir nicht gelungen zwischen diesen Basen eine che- mische Verschiedenheit nachzuweisen. Eine gleiche Ueber- einstimmung zeigt sich auch in dem optischen Verhalten, sowie in der Krystallform der aus jenen Basen dargestellten Platindoppelsalze. Beide Basen sind in ihrem Aeusseren nicht von einander zu unterscheiden: sie bilden mehrere Mm. lange, glänzende, durchscheinende, säulenförmige oder spiessige Krystalle, welehe bei der Betrachtung mit der Lupe und unter dem Mikroskope durchaus keine Verschiedenheit erkennen lassen. Auch in dem Verhalten gegen Lösungsmittel, wie gegen Wasser, Alkohol, Aether, Chloroform, Petroleumäther und Benzol, ebenso in der Art ihrer Abscheidung aus verdünn- 87 tem Alkohol, konnte eine Verschiedenheit nicht beobach- tet werden. Die Analysen der über Schwefelsäure getrockneten Basen lieferten vollkommen übereinstimmende Resultate und führten zu der Formel C!’H#NO°. 1) 0,214g Atropin lieferten 0,552g CO? u. 0,1598 H?O, 2) 0,23328 2 is 0,6018 CO? u. 0,1738 H2O, 3) 0,2248 Daturin , 0,577g CO? u. 0,1668 H?O, 4) 0,2588 r x 0,6668 CO? u. 0,1908 020. In Procenten ausgedrückt: berechnet für gefunden CHH»BNO> r: 2. , 4. C. 70,58 10,55. ..220,29 2:70,25° 70,40 H. 7,96 8,15 8,24 8,23 8,18. Reactionen. Da sowohl Soubeiran, als auch Poehl (l. e.) angeben, dass sich die Lösungen der Salze des Atro- pins und Daturins gegen Platinchlorid, Goldehlorid und Pikrinsäure verschieden verhalten, so habe ich nicht allein das Verhalten jener Basen gegen die erwähnten Reagentien in den Bereich meiner Untersuchung gezogen, sondern auch noch das gegen einige andere der allgemeinen Alkaloid- reagentien, ohne dass sich jedoch dabei irgend welche Verschiedenheit gezeigt hat. In 0,5 C. einer im Verhältnisse von 1:100 bereiteten salzsauren Lösung beider Basen erleidet durch Platinchlorid- lösung (1:20) keine Fällung, ebenso wenig durch einen Tropfen Pikrinsäurelösung. Ueberlässt man jedoch die mit Platinchlorid versetzten Lösungen einige Zeit sich selbst, so scheiden sich in beiden monokline Krystalle von Atropin- bezüglich Daturinplatinchlorid ab. Fügt man ferner von der Pikrinsäurelösung mehr als einen Tropfen zu, so ent- steht in beiden Lösungen ein starker gelber Niederschlag, der beim Stehen sich in gelbe Krystallblättchen verwandelt. Lösungen von Goldcehlorid, Quecksilberjodid-Jodkalium, Phosphomolydänsäure, Phosphowolframsäure, Cadmiumjodid- Jodkalium und Jod-Jodkalium verursachen in der Lösung des salzsauren Atropins und Daturins (1:100) starke Fäl- See ; lungen. Der rothbraune, durch Jod-Jodkalium verursachte Niederschlag Eh sich alsbald in blaugrüne, metall- glänzende Blättehen eines Perjodids. In je 0,5 Cem. der 1:1000 verdünnten salzsauren Atropin- und Daturinlösung erzeugten Platinchlorid und Pikrinsäure keine Fällung mehr, wohl aber die übrigen, im Vorstehenden erwähnten Reagentien. Bei einer Verdünnung von 1: 10000 (je1 Cem.) gaben nur noch Jodjodkalium und Phosphomolybdänsäure Fällungen; Phosphowolframsäure verursacht nur eine schwache Trübung, wogegen die übri- gen, im Vorstehenden erwähnten Alkaloidreagentien keine Veränderung mehr hervorrufen. Dieselben Erscheinungen, wie bei einer Verdünnung von 1:10000, lassen sich auch noch in einer solchen von 1:100000, für je 1 Cem. Lösung, beobachten. Werden Atropin und Daturin in einem Glasröhrchen mit cone. Schwefelsäure so weit erhitzt, dass sich die Mischung braun zu färben beginnt, und alsdann ein gleiches Volum Wasser zugefügt, so tritt bei beiden Basen ein cha- rakteristischer, aromatischer, an Schleenblüthen und an Spiraea erinnernden Geruch auf. Optisches Verhalten. Die Angaben, welche bisher über das optische Verhalten des Atropins in der Literatur vorliegen, weichen wesentlich von einander ab. Die Ent- decker des Atropins, Mein, sowie Geiger und Hesse, ebenso Planta, welcher Atropin und Daturin mit einander verglich und sie für identisch erklärte, machen nach dieser Richtung keinerlei Angaben. Erst Buignet!) beobachtete, dass das Atropin optisch activ, und zwar linksdrehend ist, wogegen Poehl (Il. ce.) fand, dass diese Base ohne Einfluss auf den polarisirten Lichtstrahl ist und daher auch nicht mit dem optisch activen, linksdrehenden Daturin identisch sein kann. Die meisten Lehrbücher beschreiben das Atropin entsprechend der Angabe von Buignet als eine schwach linksdrehende Base; Flückiger?) giebt indessen an, dass das Atropin nur als Salz in Wasser gelöst die Polarisations- 1) Jahresb. 1861, S. 49. 2) Pharmac. Chemie. ‘39 ebene schwach nach links drehe, dass dagegen letzteres nicht mit der wässrigen Auflösung des reinen Alkaloids (1:35) der Fall sei. Die optische Prüfung der verschiedenen käuflichen und selbst dargestellten Atropine, welche ich im Laufe der letz- ten Jahre Gelegenheit hatte zu untersuchen, ergab, dass diese Basen sämmtlich optisch activ waren, indem sie ohne Ausnahme den polarisirten Lichtstrahl schwach nach links ablenkten. Die Prüfung selbst geschah mittelst eines Ventzke-Soleil’schen Apparates, unter Anwendung ver- dünnt-alkoholischer Lösungen (gleiche Theile Alkohol von 96 Proc. und Wasser) der freien Base; bei einer Concen- tration von 1:10 und einer Rohrlänge von 200 Mm. Es wurde hierbei die Beobachtung gemacht, dass das Drehungs- vermögen des Atropins sich in dem Maasse verminderte, als letzteres an Reinheit zunahm, so dass die Ablenkung, welche das schön krystallisirte, bei 115—115,5° schmelzende Trommsdorff’sche Präparat hervorrief, am schwächsten war, im Vergleiche mit den Atropinen von Schuchardt, Gehe, Merk und dem der hiesigen Sammlung — unter obigen Bedingungen zeigte das Trommsdorff’sche Präparat eine Ablenkung von 1—1,1%° —. Das selbst dargestellte Atropin zeiste den gleichen Drehungswinkel wie das Trommsdorff’sche Präparat. Es lag nach diesen Beobachtungen die Frage nahe, ob die beobachtete schwache optische Activität dem Atropin wirklich eigenthümlich sei, oder ob dieselbe nur durch eine geringe, selbst die Bildung grosser Krystalle vom Schmelzpunkte 115—115,5° nicht beeinträchtigende Bei- mengung verursacht werde. Um diese Frage zu entscheiden, schied ich die Base aus dem durch mehrfache Umkrystal- lisation gereinigten, gut krystallisirten Platindoppelsalze ab, krystallisirte sie hierauf aus verdünntem Alkohol um und unterwarf alsdann die wiederum bei 115—115,5° C. schmel- zenden Krystalle einer abermaligen Prüfung. Die Stärke der Ablenkung war jedoch die gleiche geblieben, wie sie früher bei den reinen Basen beobachtet worden war. Es kann daher wohl angenommen werden, dass das Atropin eine optisch active, und zwar schwach linksdrehende Base ist. 0) Ueber das optische Verhalten des Daturins liest nur die bereits erwähnte Angabe von Poehl vor, wonach diese Base im Gegensatze zum Atropin schwach linksdrehend sein soll. Das Daturin von Gehe, von Scehuchardt, von Merk, von Hornemann und das selbst bereitete drehten bei meinen Beobachtungen sämmtlich, je nach dem Grade der Reinheit, schwächer oder stärker nach links. Im Gegen- satze hierzu erwies sich ein Trommsdorff’sches gut kry- stallisirtes, bei 115,5° C. schmelzendes Daturin als optisch inactiv; eine spätere Sendung eines gleichreinen Präparates drehte dagegen, ebenso wie das Atropin, den polarisirten Lichtstrahl schwach nach links. Das aus dem umkrystalli- sirten Platindoppelsalze abgeschiedene und durch Umkrystal- lisation aus verdünntem Alcohol gereinigte, selbst dargestellte Daturin lenkte unter den im Vorstehenden erörterten Be- dingungen den polarisirten Liehtstrahl ebenso weit nach links ab, wie dies bei dem Atropin der Fall war. Das Trommsdorff’sche Präparat zeigte hierbei ein wenig schwächeres Drehurgsvermögen. Nach diesen Beobachtungen dürfte auch das Daturin wohl als eine optisch active Base zu bezeichnen sein, deren Drehungsvermögen von dem des Atropins keine irgendwie wesentlichen Verschiedenheiten zeigt. Es steht dieser An- nahme allerdings die beobachtete Inactivität des einen der Trommsdorff’schen Daturine entgegen, welche jedoch vielleicht nur durch besondere, sich meiner Beurtheilung entziehende Umstände verursacht worden ist. Ein Zusatz von Salzsäure änderte das Drehungvermögen- der verdünnt-alkoholischen Atropin- und Daturinlösungen nicht merklich. Doppelsalze. Platindoppelsalze. Ueber die Platindoppelsalze des Atropins und Daturins sind in der Literatur kaum An- gaben vorhanden. Nur Planta erwähnt, dass der pulverige Niederschlag, den Platinchlorid in Atropinlösung erzeugt, sich sogleich harzartig zusammenballe und daher ein voll- ständiges Auswaschen nicht gestatte.e Von dem Platindop- pelsalze des Daturins giebt derselbe Forscher an, dass es sr % Bi. ee eh nicht in einer zur Analyse geeigneten Form erhalten werden könne. Ich habe, entgegen diesen Angaben die Beobachtung gemacht, dass die Platindoppelsalze des Atropins und Da- turins sich leicht in sehr schönen, wohlausgebildeten, durch- sichtigen Krystallen erhalten lassen. Zur Darstellung dieser Doppelsalze ist es nur erforderlich die Lösung der salz- sauren Salze (etwa 1:100 verdünnt) mit Platinchloridlösung zu versetzen und die so erzielte verdünnte Lösung frei- willig an der Luft verdunsten zu lassen. Auf diese Weise habe ich vom Atropin- und Daturinplatinchlorid Krystalle von mehreren Mm. Durchmesser erhalten, welche weder im Aussehen, noch in der Art der Abscheidung, noch in der Zusammensetzung, noch in den Schmelzpunkten: unter Zer- setzung bei 207— 208° C., irgend welche Verschiedenheiten beobachten lassen. Herr Dr. O. Lüdecke hatte die Güte die auf diese Weise gewonnenen Platindoppelsalze des Atropins und Da- turins optisch und krystallographisch zu vergleichen und constatirte auch hierbei, wie bereits oben erwähnt, ihre ‘volle Identität. Beide Salze krystallisiren im monoklinen Systeme. Die Einzelheiten dieser krystallographischen Be- stimmungen sind in der nachstehenden Mittheilung von Herrn Dr. O. Lüdecke enthalten. Bei der Analyse dieser Platindoppelsalze ergaben sich folgende Resultate: Bei 100° C. verlieren die Salze nichts an Gewicht. 1) 0,2818 Atropinplatinchlorid lieferten 0,4228 CO?; 0,127 & H?O und 0,0561 g Pt. -2) 0,2668 Atropinplatinchlorid lieferten 0,05308 Pt. 3) 0,3186g8 “ " 0,06308 Pt. 4) 0,2958 Daturinplatinchlorid lieferten 0,4458 002; 0,1368 H°O und 0,05842 Pt. | 5) 0,3298g Daturinplatinchlorid lieferten 0,0653g Pt. 6) 0,5048 A N 0,0610g Pt. 92 In Procenten ausgedrückt: berechnet für gefunden (C1’H2®NO>HC1)2+ PtC1! 1 2 3 ie SE C. 41,19 40,96 — — 15 — — H. 4,84 502 — — 52 — — Dt. 19,3 19,96 19,92-19,77. 19,73 238020,06 Vorstehende Daten führen somit scharf zu der Formel (C!’H®NO3HCI)?-+ PICH, Golddoppelsalze. Die Golddoppelsalze des Atro- pins und Daturins sind von Planta, dureh tropfenweises Eintragen je einer concentrirten Lösung der salzsauren Salze in eine verdünnte Goldehloridlösung, in Gestalt gelber, pulveriger Niederschläge dargestellt worden. Ich habe diese Doppelsalze in analoger Weise gewonnen, wie die Platinverbindungen, sie jedoch nicht wie diese in wohl aus- gebildeten Krystallen erhalten können, sondern sie nur in Gestalt von gelben, glanzlosen Blättchen oder Nadeln in rosettenförmiger Gruppirung oder in moosförmiger Ver- zweigung zur Abscheidung gebracht. Beim Erhitzen mit Wasser schmolzen Atropin- und Daturinchlorid zu öligen Massen zusammen. Der Schmelzpunkt wurde beiderseits bei 136— 138° C. ermittelt. Es stimmen diese Beobach- tungen mit den Angaben überein, welche Ladenburg be- züglich des Atropingoldsalzes macht. Als Schmelzpunkt dieses Salzes giebt jener Forscher 135—137°C. an, während er den Schmelzpunkt des isomeren Hyoscyamingoldsalzes bei 159° C. ermittelte. Planta giebt an, dass das Atropin- goldchlorid bei 155° C., das Daturingoldehlorid bei 90 bis 100° C. schmelze. Wenn ich in meiner ersten, vorläufigen Mittheilung über Atropin und Daturin (l. ce.) die Eigenschaften dieser Gold- salze nicht eingehender beschrieb, so hat dies seinen ein- fachen Grund darin, dass ich diese Salze im Vergleich mit den gut krystallisirenden Platindoppelsalzen von geringerer Beweiskraft für die Identität von Atropin und Daturin hielt, als wie mir dies für jene der Fall zu sein schien. Die Analysen dieser beiden Salze führten übereinstim- mend zu der Formel C1’H3NO3HC1 + AuCl. 93 1) 0,2758 Atropingoldcehlorid lieferten 0,327g CO2; 0,1018 H?O und 0,0859g Au. 2) 0,2808 Atropingoldehlorid lieferten 0,08705 8 Au. 3) 0,2928 Daturingoldchlorid lieferten 0,345g CO2; 0,1098 H?O und 0,0909 Au. 4) 0,3138 Daturingoldehlorid lieferten 0,0988 Au. In Procenten ausgedrückt: berechnet für sefunden C’H2NO3HC1-+ AuCl? it 2 3 4 C. 32,45 Bo nn. H. 3,82 4,08 — 4,14 — Au. 31,29 3124. 3,12 2,19, 91,58 Spaltungsproducte. Bei der vollkommenen Uebereinstimmung, welche die bei 115—115,5° C. schmelzenden Atropine und Daturine in ihren Eigenschaften zeigten, war zu erwarten, dass auch die Spaltungsproducte dieser beiden Basen sich als identisch - erweisen würden. Der Versuch hat diese Vermuthung be- stätigt. Nach den Untersuchungen von Kraut!) wird das Atropin durch längeres Kochen mit Barythydratlösung in Tropin und Atropasäure im Sinne folgender Gleichung ge- spalten: C1!’H3NO3 — CYH!NO + C°H302. Ueber das Verhalten des Daturins unter den analogen Bedingungen lagen bisker keine Angaben vor. Der Ver- such hat gelehrt, dass auch bei letzterer Base sich die Spaltung in ganz gleicher Weise vollzieht, wie bei dem Atropin, und dass die dabei auftretenden Producte identisch sind mit dem aus Atropin erzeugten Tropin und der Atropa- säure. Die Spaltung seibst wurde durch 12—1dstündiges Kochen der freien Basen mit wässeriger Barythydratlösung bewirkt. Die Abscheidung des gebildeten Tropins und der entstandenen Atropasäure geschah entsprechend den An- gaben Kraut’s (1. c.). 1) Annal. d. Chem. 133, S. 89. 94 Die aus beiden Basen abgeschiedenen Säuren zeigten weder in dem Aeusseren, noch in der Art der Abscheidung, noch in der Zusammensetzung, noch in den Schmelzpunkten: 106,5° C., Verschiedenheiten, so dass es keinem Zweifel unterliegen kann, dass die aus Daturin gewonnene Säure mit der aus Atropin entstehenden Atropasäure identisch ist. Die Analysen beider Säuren führten übereinstimmend zu der Formel C°H°0?. 1) 0,2098 Atropasäure (aus Atropin) lieferten 0,5588 CO? und 0,1088 H?O. 2) 0,217g Atropasäure (aus Daturin) lieferten 0,5782 CO2 und 0,1122 H?O0. In Procenten ausgedrückt: berechnet für sefunden 0>°H>0? T. 2. Dee 291 172,81 72,64 N. No, 5,15: 108 Eine gleiche Hebro wie zwischen jenen beiden Säuren, waltet auch zwischen den aus Daturin und Atropin erhaltenen Tropinen ob. Beide Tropine resultirten aus wasserfreiem Aether als seidenglänzende, in Wasser, Alkohol und Aether leicht lösliche, hygroskopische Nadeln, . welche bei 63° C. schmolzen. Kraut giebt für Tropin aus Atropin den Schmelzpunkt 61,2° C. an. Die Zusammen- setzung dieser beiden Tropine habe ich wegen ihrer hygros- kopischen Eigenschaften nicht ermittelt, wohl aber die ihrer Platin- und Golddoppelsalze. Die Tropinplatinehloride, aus Atropin und Daturin dar- gestellt, scheiden sich in gleicher Weise, entsprechend den Angaben von Kraut (l. c.) und von Lossen!) über das Tropinplatinchlorid des Atropins, in grossen rothen, wohl- ausgebildeten Krystallen ab, die in der Art der Abscheidung und dem Aussehen keine Verschiedenheit erkennen lassen. Beide Salze schmelzen unter Zersetzung bei 198—200° C. Die Zusammensetzung beider Verbindungen ergab sich als (C>SH3NOHCN?+ PtCl*. Die Analysen lieferten folgende Daten: 1) Annal. d. Chem. 131, 8. 49. Re a) b 95 Bei 100° C. fand keine Gewichtsabnahme statt. 1) 0,5493 Tropinplatinchlorid (aus Atropin) lieferten 0,3558 002; 0,1468 H?O und 0,0983g Pt. 2) 0,285g Tropinplatinchlorid (aus Daturin) lieferten 0,2888 CO2; 0,122g H?O und 0,0804 Pt. In Procenten ausgedrückt: berechnet für sefunden (CSHBNOHCTPICH 1: 2. C. 27,65 21,14 27,56 H. 4,61 4,65 4.75 Pb 23,42 23,30.,728,24. Die Golddoppelsalze beider Tropine scheiden sich bei langsamer Verdunstung in grossen, gelben, tafelförmigen Krystallen ab, welche weder in ihrem Aeusseren, noch in ihren Schmelzpunkten — sie schmelzen unter Zersetzung bei 210— 212° — noch in ihrer Zusammensetzung irgend welche Unterschiede zeigen. Bei längerer Aufbewahrung verlieren die Krystalle beider Tropingoldchloride ihre Durchsichtigkeit. Die Analysen beider Salze führten zu der Formel CSH5NOHCI+ AuCl. Bei 100° verlieren beide Salze nichts an Gewicht. 1) 0,3448 Tropingoldcehlorid (aus Atropin) lieferten 0,2518 C02; 0,111& H?O und 0,1405g Au. 2) 0,3058 Tropingoldchlorid (aus Daturin) lieferten 0,2228 CO2; 0,1012 H?O und 0,1258 Au. In Procenten ausgedrückt: berechnet für sefunden CSHBNOHCI-+ AuCcl3 ie 2 C. 19:97 19,89 19,85 H. >33 3,98 3,68 Au. 40,92 40,84 40,98. Nach den vorstehenden Beobachtungen, welche in der untenstehenden Tabelle nochmals übersichtlich zusammen- gestellt sind, kann es keinem Zweifel unterliegen, dass die bei 115—115,5°C. schmelzenden Alkaloide der Belladonna- wurzel und des Stechapfelsamens, welche in den von mir untersuchten Materialien die Hauptmenge des daraus isolir- ten Basengemisches ausmachen, in jeder Beziehung iden- tisch sind. 96 Atropin. | Daturin. Zusammensetzung: C17H23NO3 CI7H23NO3 Kıystallform: |glänzende, säulenför- desgleichen mige oder spiessige, farblose Krystalle Schmelzpunkt: 115—115,50 C. 115—115,5° C. Optisches Verhalten: | schwach linksdrehend |schwach linksdrehend Platindoppelsalze: monokline Krystalle: | monokline Krystalle: (CTHSNOSHC1)PtCH, | (C’H®NO3HC1)PtC1#, Schmelzp. 207—208° C. | Schmelzp. 206—2080C. Golddoppelsalze: glanzlose, rosettenför- desgleichen mig gruppirteBlättchen 3 C7H23NO3HC1-+ AuCi3, Schmelzp. 136—1380C. Spaltungsproduete Atropasäure vom desgleichen durch Barythydrat: | Schmelzp. 106,50 ©. u. Tropin v. Schmelzp. 639 C. Tropinplatinchloride: | (CSHSNOHCI)PtCH, (CSHBNOHCI?PtCI, Schmelzp. 198—2000 ©. | Schmelzp. 198—2000 C, Tropingoldehloride: | CSH5SNOHCI-+ Au0l, | CSH5ENOHCI-—+ Au], Schmelzp. 210—2120C. | Schmelzp. 210—2129 C. Untersuchung der Mutterlaugen. Von den Mutterlaugen, welche bei den wiederholten Umkrystallisationen der verschiedenen, von mir im Laufe der Zeit untersuchten Atropine und Daturine resultirten, habe ich nur die der selbst dargestellten Basen, im Verein mit denen, welehe das Trommsdorff’sche Rohatropin und Daturin lieferte, untersucht. Bei der freiwilligen Verdunstung hinterliessen diese Mutterlaugen einen öligen, allmälig krystallinisch erstarren- den Rückstand, welcher nach dem abermaligen Lösen in verdünntem Alkohol und Verdunsten noch eine kleine Menge nadelförmiger, bei 112—113° C. schmelzender Krystalle lieferte. Die Menge letzterer Krystalle vermehrte sich noch ER ; Re: Re, 97 etwas, nachdem der gesammte, nur schwierig krystallisirende, klebrige Rückstand in Salzsäure gelöst, die filtrirte Lösung durch kohlensaures Kalium gefällt und die anfänglich ölig abgeschiedene, nach längerem Stehen in der Kälte krystal- linisch erstarrende Basen von Neuem durch freiwilliges Verdunsten ihrer Lösung in verdünntem Alkohol zur Kıy- stallisation gebracht wurde. Die auf diese Weise noch ge- wonnenen Krystalle erwiesen sich als Atropin, bezüglich Daturin, indem der Schmelzpunkt derselben sich nach noch- maliger Umkrystallisation auf 114—115° C. erhöhte. Zur weiteren Charakterisirung der in den letzten Mut- terlaugen noch enthaltenen Basen, führte ich die Gesammt- menge derselben in Platindoppelsalze über, indem ich die etwa im Verhältnisse von 1: 100 verdünnte salzsaure Lösung mit Platinchlorid versetzte und sie alsdann der freiwilligen Verdunstung an der Luft überliess. Hierbei schieden sich nach einiger Zeit, sowohl in der Atropin-, als auch in der Daturinmutterlauge zunächst monokline Krystalle aus, welche in ihrer Form vollständig mit denjenigen der im Vorstehen- den beschriebenen Doppelsalze des Atropins und Daturins vom Schmelzpunkte 115 —115,5° C. übereinstimmten. Bei weiterer Verdunstung resultirte alsdann je eine reichliche Krystallisation eines Platinsalzes in rosettenartiger und knospenförmiger Gruppirung, welches jedoch wegen der ge- krümmten Flächen der Einzelindividuen nicht zur krystal- lographischen Bestimmung geeignet war. Bei der Umkry- stallisation aus heissem Wasser änderte sich die Form dieser Platinsalze nicht wesentlich. Der Schmelzpunkt: 207 bis 210° C., und die Zusammensetzung derselben: (C!’H2NO> HO1)?PtCl, wurden übereinstimmend mit dem Atropin- und Daturinplatinchlorid ermittelt: 1) 0,321g Atropinplatinchlorid lieferten 0,0648 Pt. 2) 0,2558 Daturinplatinchlorid lieferten 0,051g Pt. In Procenten ausgedrückt: berechnet für gefunden (C17H3NO3HC1)PtC1! 1. 2. Et. 19,93 19,94 20,0. Um diese Krystalle in eine Form zu bringen, welche Zeitschr. f. d. ges. Natuxwiss. Bd. LIV. 1881. 7 98 die Untersuchung ihrer optischen Eigenschaften mittelst des Polarisationsmikroskops und die Bestimmung ihrer Krystall- form gestatteten, liess ich die kalt gesättigte Lösung der- selben auf Objectgläsern freiwillig verdunsten. Die hierbei resultirenden Krystalle sind alsdann durch Herrn Dr. O. Lüdeceke einer optischen und krystallographischen Prüfung unterworfen worden, als deren Resultat sich ergab, dass dieselben aus einem Gemenge monokliner Krystalle des Atropin-, bezüglich Daturinplatinchlorids und trikliner Kry- stalle des Hyoscyaminplatinchlorids bestanden (vergl. die folgende Mittheilung des Herrn Dr. OÖ. Lüdecke). Zur Erkennung des Hyoscyaminplatinchlorids war es erforderlich diese Verbindung aus Hyoseyamin direct dar- zustellen und sie in gleicher Weise einer optischen und krystallographischen Untersuchung zu unterwerfen. Es diente hierzu käufliches, aus der Fabrik von H. Trommsdorff: be- zogenes Hyoseyamin, welches eine weisse, krystallinische, bei etwa 105 C. schmelzende Masse bildete. Das hieraus dargestellte Platindoppelsalz liess sich leicht, entsprechend der Darstellung des Atropin- und Daturinplatinchlorids, in wohl ausgebildeten triklinen Krystallen erhalten, welche in ihrem Aeusseren und in den Schmelzpunkten kaum merk- lich von den Platindoppelsalzen des Atropins und Daturins abweichen. Die Zusammensetzung des so gewonnenen Hyo- seyaminplatinchlorids ergab sich, in Uebereinstimmung mit den von Ladenburg!) über die Isomerie zwischen Hyoscya- min und Atropin gemachten Angaben als (C1’H%NO>HC])? PtCl:: 1) 0,291 g Hyoscyaminplatinchlorid lieferten 0,4398 CO?; 0,131 g H?O und 0,0579 g Pt. 2) 0,3193g Hyoscyaminplatinchlorid lieferten 0,0639 g Pt. In Procenten ausgedrückt: berechnet für gefunden (CH®NO3HC1)2PtO1! 1 2 C. 41,19 41,13 — H. 4,84 5,00 = Pt. 19,93 19,90 20,01 1) Ber. d. d. chem. Ges. XIII, 8. 254 39 Als dieses Hyoscyaminplatinchlorid unter den gleichen Bedingungen, wie die im Vorstehenden beschriebenen Pla- tindoppelsalze der in der Mutterlauge von Atropa Bella- donna und Datura stramonium enthaltenen Basen zur Kry- stallisation gebracht wurde, schied es sich in Formen aus, die in optischer und krystallographischer Beziehung voll- kommen mit denen übereinstimmten, welche jene Mutter- laugen neben Atropinplatinchlorid lieferten. Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, dass die Basen, welche diese beiden Doppelsalze lieferten, identisch sind, oder dass die Mutterlauge des Rohatropins und Rohdaturins auch Hyo- scyamin enthält, wie bereits von Ladenburg auf anderem Wege constatirt wurde. Neben den monoklinen Krystallen des Atropin-, be- ‘ züglich Daturinplatinchlorids und den triklinen des Hyos- eyaminplatinchlorids fanden sich unter dem Platindoppel- salzen, welche aus den Mutterlaugen der Rohbasen darge- stellt wurden, aueh mikroskopische sechsseitige Tafeln, die entweder dem regulären oder dem hexagonalen Systeme angehören. Ob das Auftreten dieser Krystalle durch das Vorhandensein eines weiteren Isomeren des Atropins oder durch das einer andern Base bedingt wird, habe ich vor- läufig nicht ermitteln können. Bei der mikroskopischen Prüfung der auf Objectgläsern verdunsteten wässerigen Lösung des aus Hyoseyamin dar- gestellten Platinsalzes fanden. sich neben den triklinen Krystallen dieser Verbindung auch monakline Krystalle in beträchtlicher Anzahl, welche in ihrer Form eine grosse Aehn- lichkeit mit dem des Atropinplatinchlorids zeigten. Ob die betreffende Base indessen wirklieh Atropin ist, habe ich vor- läufg nicht näher untersucht, um nieht mit den Arbeiten Ladenburg über das Hyoseyamin zu collidiren. Aus den letzten Mutterlaugen der Platindoppelsalze, in welche die Rohbasen der Atropa Belladonna und der Datura stramonium schliesslich, wie oben erörtert, überge- führt waren, schieden sich je beträchtliche Mengen dunkel- roth gefärbter Krystalle eines Platinsalzes aus, welches nach Entfernung des überschüssigen Platinchlorides durch Waschen mit Aether-Alkohol und darauf folgende Umkrystallisation aus 7* 100 Wasser eine Gestalt annahm, die eine grosse Aehnlichkeit zeigte mit der des Topinplatinchlorids. Die Vermuthung, dass in letzteren Krystallen das Doppelsalz des Tropins vor- läge, wurde nicht allein durch den Schmelzpunkt, sondern auch durch die Analyse bestätigt. Letztere ergab Zahlen, welche vollkommen mit der Formel des Tropinplatinchlorids in Einklang stehen: 1. 0,301 g des aus der Atropa B. bereiteten Salzes lieferten 0,0855 g Pt. 2. 0,287 g des aus der Datura st. bereiteten Salzes lieferten 0,081 g Pt. berechnet für gefunden (CSH35NOHC])?PtC1* L. 2. rt. 28,42 28,34 28,22 Zur weiteren Identificirung der aus jenen Mutterlaugen abgeschiedenen Tropine mit denen, welche durch directe Zersetzung von reinem Atropin und Daturin durch Kochen mit Barythydrat gewonnen waren, habe ich erstere, nach Abscheidung des Platins durch Schwefelwasserstoff, in die Goldsalze verwandelt. Auch diese schieden sich in der gleichen, tafelförmigen Gestalt aus, wie letztere dem Tropin- soldehlorid eigenthümlich ist. Da auch Schmelzpunkt: 210—212° C., und Zusammen- setzung: CSH!5>NOHCI+ AuCl3), mit letzteren übereinstimm- ten, so kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass in den letzten Mutterlaugen der Rohbasen von Atropa Bella- donna und Datura stramonium je nicht unbeträchtliche Mengen von Tropin vorhanden sind, welche ihrerseits eines- theils die Krystallisationsfähigkeit des Atropins, bezüglich Daturins, vermindern, anderntheils bei ungenügender Reini- gung der letzteren sicherlich auch von Einfluss auf die phy- 1) 1. 0,245g des aus Atropa B. bereiteten Goldsalzes lieferten 0,100 & Au. 2. 0,260 g des aus Datura st. bereiteten Goldsalzes lieferten 0,1065 g Au. In Procenten ausgedrückt: berechnet für gefunden CSH!5NOHCI-+-AuCl3 Y; 2. Au 40,92 40,80 40,96 101 siologische Wirkung der aus jenen Basen bereiteten Salze sein müssen. Es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass die verschie- denartige Wirkungsweise der im Handel befindlichen Atropin- sulfate zum Theil auch mit auf eine kleinere oder grössere Beimengung von Tropinsulfat zurückzuführen ist, welches bei ungenügender Reinigung der als Ausgangsmaterial be- nutzten freien Base, sich leicht dem Atropinsulfate beimengen kann. Das in den Atropa- und Daturabasen vorkommende Hyoscyamin, welches, soweit bis jetzt die Versuche reichen, mindestens sehr ähnlich, wenn nicht ebenso, wie das Atropin wirkt, dürfte kaum von Einfluss sein auf die Wirkungsweise der käuflichen Atropinsulfate. Die von Pöhl gemachte Annahme, dass die verschiedenartige Wirkungsweise der käuflichen Atropine zurückzuführen sei auf einen wech- selnden Gehalt derselben an Daturin, ist durch den im Vor- stehenden erbrachten Nachweis der Identität von Atropin und Daturin widerlest. Auch die Gefahr der Verunreini sung des Atropinsulfats mit dem Sulfate des Belladonnins falls letzteres sich noch als ein einheitliches chemisches In- -dividuum erweisen sollte, ist ausgeschlossen, sobald zur Darstellung des Atropinsulfats nur eine Base zur Anwen- dung gelangt, die durch wiederholte Umkrystallisation zu- nächst in farblose, spiessige, bei'115—115,5° C. schmelzende Krystalle verwandelt ist. Ob dies in den letzten Mutterlaugen des Atropins und des Daturins aufgefundene Tropin zum Theil bereits in den betreffenden Pflanzentheilen vorhanden ist, muss ich dahin- sestellt sein lassen. In diese Mutterlaugen ist es wahr- scheinlich in Folge einer theilweisen Zersetzung von Atropin und Hyoscyamin, welche bei den langwierigen Umkrystalli- sationen aus verdünntem Alkohol, trotz sorgfältiger Ver- meidung jeder Erwärmung, stattgefunden hat, erst hinein- gelangt, umsomehr als es gelang durch Extraetion des letzten Rückstandes der Mutterlaugen mittelst Ammoniak, Ansäuren des Auszuges mit Salzsäure und Ausschütteln letzterer Flüssigkeit mit Aether, ein Gemisch aus Tropa- säure und Atropasäure zu isoliren. Letztere Säuren fanden sich auch in je einem der käuflichen Atropine und Datu- 102 rine als solche vor, wenigstens konnten der mit Salzsäure angesäuerten Lösung: durch Aether nicht unbeträchtliche Mengen davon entzogen werden, während letzteres bei den übrigen Präparaten entweder gar nicht oder doch nur in sanz verschwindenden Maasse der Fall war. Halle a. S., December 1880. Die Krystallformen einiger Salze des Atropins, Daturins und Hyoscyamins. Von Dr. Luedecke. 1) Das Atropin- und Daturinplatinehlorid. Die Krystallformen des Atropin- und Daturinplatin- chlorids gehören dem monoklinen Krystallsystem an und beide sind isomorph. In Figur 1!) ist ein Krystall in parallel perspectivischer Projection dargestellt. Die Flächen s und s stellen die Säulen astyg 109°%5%, 139°%78 Kies Fig. 2. &» P. 110dar, welche beim Atropin platinchlorid 109051,7° und beim Daturinplatinchlorid 109°48,3° misst; an letzteren findet sich auch » P2; die Fläche d ist —P © 101; p ist die hintere Hemipyramide + P.111. An beiden Salzen ist 1) In Figur 1 ist abweichend von der sonst gebräuchlichen Me- thode r = 3 und s = 12 genommen, weil beis = 2 p rechts nicht sichtbar geworden wäre. 105 p:d rechts — p:d links und d:s rechts = d:s links. Die ‚Winkel differiren an beiden Salzen nur etwas. ') Fundamentalwinkel am Atropinplatinchlorid Daturinplatinchlorid Se SEEN 109%48,3 BY — 138058,8° 138%2,7 s:p — 115%46,2° 116°26,1° Daraus findet ich ß 76031,4° 76°14,0‘ a:b:c = 0,7229:1:0,4037; 0,7219:1:0,3928. Die aus diesen Dimensionen berechneten weiteren Com- binationskanten stimmen hinreichend mit der Rechnung überein. 2) Die Krystallformen des Hyoseyaminplatin- chlorids. Diese Krystalle sind von 3 Flächenpaaren begrenzt, die unter drei verschiedenen Winkeln aufeinanderstossen: Auch hier (Fig. 2) ist ein Winkel 109%55,0°; die beiden an- dern sind 99%48,0° und 139%48,0°; die dritte Fläche ist also nicht grade auf die beiden ersten, welche man den Daturinplatinchloridkrystallen entsprechend zu © P wählen könnte, aufgesetzt. Die Auslöschungen liegen auf allen 3 Flächen unsymmetrisch zu den Kanten; die Krystalle scheinen demnach triklin zu sein. 3) Die Krystallformen des Atropins und Daturins. Die Basen selbst krystallisiren in kleinen feinen Nädel- chen, die nur selten !/, Millimeter Dieke erreichen und an den Enden stets nur unvollkommen ausgebildet sind; einige Kryställehen zeigten eine Combination von © P mit einem Pinakoid; der Säulenwinkel (oder Combinationskantenwinkel von © P zu dem vorhandenen Pinakoid betrug) bei den beiden Basen 115038,5° (D) und 115%40,0' (A); an den srösser messbaren Krystallen waren nur 2 Flächen hin- 1)In einer frühern kurzen Mittheilung sind Je Salze anders auf- gestellt. 104 reichend gross entwickelt, um den Winkel messen zu können; bei 350 maliger Vergrösserung zeigten viele kleine Krystalle der Abstumpfungsfläche die Säule entwickelt; sie zeigten in dieser Fläche der Auslöschungen parallel der Combinationskante zur Säule; ebenso zeigten alle Krystalle, welche nur die Säule ausgebildet zeigten, die Auslöschungen parallel der Säulenkante; dies konnte hinreichend scharf controlirt werden, da die Doppelbrechung sehr stark ist. Sah man bei gekreuzten Nicols und Entfernung der Oculars (Objecetiv 7 Hartnack) durch das Mikroskop, so konnte man ein treffliches Bild der optischen Axen, welche in der Basis, die niemals ausgebildet ist, liegen, beobachten; bei beiden Basen sind diese Erscheinungen vollkommen dieselben, so dass an ihrer Identität nicht gezweifelt werden kann. Bau und Entwickelung des Peritoneum nebst Beschreibung des Bauchfelles einiger Edentaten. Von Dr. Ernst Zörner. Die Lehre vom Bauchfell, die Erforschung seines Ver- laufes und seiner Beziehungen zu dem Inhalte der Baueh- höhle und namentlich die Ergründung seiner Entwicklung hat von je, wie die reichhaltige Litteratur über diesen Punkt zur Genüge beweist, zu den schwierigsten Aufgaben der Anatomie gehört. Trotz der zahlreichen Forschungen, die sich in den letzten Jahrzehnten allerdings mehr auf ein- zelne ganz ceircumscripte Details gerichtet haben, sind die Akten hierüber noch lange nicht geschlossen. Gelang es doch vor kurzem erst Toldt (Nr. 58 des Autorenverzeich- nisses) bezüglich der Anatomie und sogar der gröberen Anatomie einige interessante und für die Auffassung des Peritoneum bedeutsame Entdeckungen zu machen. Noch viel mehr aber liegt unsere Kenntniss von der Entwickelung dieses Gebildes im Argen; theils giebt es hier grosse, em- pfindliche Lücken, theils unvereinbare Widersprüche. — Es kann nun bei der Kostbarkeit und Seltenheit des Mate- rials, das besonders für die entwickelungsgeschichtlichen Studien nothwendig ist, und bei den für den Anfänger un- überwindlichen Schwierigkeiten der Forschung selbst nicht Zweck der vorliegenden Arbeit sein, wesentlich Neues her- beizubringen, sie soll das Vorhandne nur zusammenfassen, die bestehenden Widersprüche in klares Licht setzen und dunkle, unaufgeklärte Punkte hervorheben. Gelingt es ihr dadurch zu neuer Forschung anzuregen, so ist ihr Zweck erreicht. Anatomie des Bauchfells. Erklärung des Begriffes. Unter dem Bauchfell versteht man die innerste Aus- kleidung der Bauchhöhle, eine seröse Membran, welche einen 106 geschlossenen, nur beim Weibe am orifieium tubae internum und, wie ich noch hinzufügen möchte, an der Oberfläche oder, sit venia verbo, Ausführungsfläche des Ovarium durch- brochenen Sack mit innerer glatter und äusserer rauher Oberfläche darstellt. Da derselbe den Flächeninhalt der Bauehhöhle an Grösse bedeutend übertrifft, sind die Con- tenta derselben, namentlich der Verdauungstraktus und seine Adnexa, gewissermassen in ihn hineingedrückt und erhalten von ihm mehr oder weniger vollständige Ueberzüge. Den Theil des Bauchfells nun, welcher den Wandungen der Bauchhöhle glatt anliegt, pflegt man als parietales Blatt des Bauchfells zu bezeichnen, während die durch die hin- eingedrängten Eingeweide faltig hervorgestülpte und die äussere Fläche derselben überziehende Partie das viscerale genannt wird. Die Organe, welche so tief in den Bauch- fellsack hineingesenkt sind, dass sie, abgesehen von einer kleinen, dem Eintritte der Gefässe entsprechenden Stelle, vollständig von ihm umhüllt werden, heissen intra peri- toneum gelegen, während man unter organa extra peri- toneum sita die Gebilde versteht, die der Aussenseite des Bauchfelles platt anliegen oder doch nur wenig in dasselbe hineingedrückt sind. Im Allgemeinen gehören zur ersten Klasse Magen, Leber, Milz, Jejunum und Ileum, Colon transversum, S-Romanum und beim Weibe auch Ovarien und Uterus, zur letzteren Zwölffingerdarm, Pancreas, Colon ascendens und descendens, Rectum und die Harnorgane. Luschka (Nr. 37.) erklärt diese Eintheilung für ganz un- logisch, da in Wahrheit sämmtliehe Organe ausserhalb des Bauchfells lägen. Ich muss ihm in dieser Beziehung voll- ständig Recht geben, zumal das Verhalten des Bauchfells zu den einzelnen Gebilden stellenweis ein so wechselndes ist, dass ein strenger Unterschied bezüglich der Eintheilung eigentlich nicht gemacht werden kann. So lassen sich z. B. am Coecum die verschiedensten Abstufungen hinsichtlich seiner peritonealen Bekleidung finden, auch Colon asceu- dens und descendens haben einen bald mehr bald weniger vollständigen Ueberzug, und nach Bochdaleck’s (Nr. 3.) Un- tersuchungen zeigen sich oft recht beträchtliche Theile der Milzoberfläche vom Peritoneum entblösst, so dass man auch 107 bei ihr manchmal unschlüssig sein könnte, welcher Klasse von Organen sie einzureiben sei. Indessen wird man doch unter allen Umständen gut thun, die alte Benennung und Eintheilung beizubehalten. Jeder weiss, was er dar- unter zu verstehen hat und eine Veränderung der Nomen- elatur pflest, wie sich das schon oft genug gezeigt hat, nicht gerade zur Förderung des Verständnisses beizutragen. In Folge dieses Hineindrängens der Organe in den Bauchfellsack erhält derselbe eine äusserst complieirte Ge- stalt. Es bilden sich eine Menge von Buchten und Höhlen, deren Verhalten bei beiden Geschlechtern so ziemlich das- selbe ist. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass beim Weibe durch die Lagerung der Geschlechtsorgane im kleinen Beeken eine Einstülpung mehr bedingt wird, während sich bei männlichen Individuen in einem gewissen Entwieklungsstadium beiderseitig eine in den Hodensack hineinführende Ausstülpung vorfindet, die sich späterhin in der Regel zu einer besonderen Höhle abschnürt. Auf das Verhalten der einzelnen Recessus und die Beziehungen des Bauchfells zu den verschiedenen Organen werde ich bei der Betrachtung seiner Entwicklung zurückkommen. Den Verlauf des Peritoneum zu beschreiben kann nicht im Plane dieser Arbeit liegen, zumal eine Menge zutreffender und eingehender Schilderungen desselben vorhanden sind; ich erwähne nur die von Arnold, Hansen, Hyrtl, Huschke, Henle wald Meyer .(Nr. 1, 77,:28,:27,' 19,742). Gröbere Anatomie. Schreien des Bauchitells. Die soeben skizzirte Auffassung des Peritoneum ist so alt als sein Name. Schon Galen (Nach Citaten aus Nr. 8) lässt die Gedärme, ausserdem auch Magen und Milz ringsum von ihm überzogen sein (Exuo0Tov Twv Zvreowv Uno Tov egı- orovalov zura zUnlov EEmFev EVczenvov Tregılaußavowe- vov 0)0v) und fasst das Mesenterium als eine Falte, eine Dupplikatur des Bauchfells auf, in welcher die Venen zu den Eingeweiden treten (pA&ßac Üno dırrkod ou megırovaiov rregıhuupwvouevac). — Dieses „dırrloüv To megırovauov‘ hat späterhin viel Verwirrung angerichtet; es gab in Folge falscher Auffassung, wie Heister (Nr. 8) in seiner Ueber- 108 setzung der Douglas’schen Abhandlung über das Peritoneum richtig vermuthet, zu der Meinung Veranlassung, als habe Galen das Peritoneum aus zwei Lamellen bestehen lassen. Dem zerlesenden Messer des Anatomen war es nämlich gelungen, hinter den Muskeln der vorderen und seitlichen Körperwandung, besonders in der Gegend der Blase und in der Nähe der Nieren in grösserer Ausdehnung Membra- nen zu präpariren, die von der innersten Auskleidung der Bauchhöhle, dem eigentlichen Peritoneum, deutlich geschie- den waren. Man fasste sie als äussere Lamelle des Bauch- fells auf und hielt dieses im Anschluss an Galen’s dsrrAovv zo zregırovauov für doppelschichtig. Eine Folge dieser Anschau- ung war es, dass man die uropoetischen Organe, da sie sich zwischen dem eigentlichen Bauchfelle und der äusseren Lamelle befinden, als in duplieatura peritonei gelegen be- zeichnete. — Das war die Ansicht der meisten alten Au- toren wie Bauhin, Hensing, Highmor, Riolani, Santorini, Spigelius, Verheylen, Wrisberg. (Nr. 32.) €. J. M. Langen- beck vertheidigte sie in einer Schrift, die viele zutreffende Bemerkungen über den Leistenkanal, die Hüllen des Hodens und die Leistenbrüche enthält, zu Anfang dieses Jahrhun- derts auf’s Lebhafteste, ja Fr. Arnold lehrt noch, dass das parietale Peritoneum aus einer inneren serös-cellulösen und einer äusseren fibrösen Lamelle bestehe, betont aber dabei, dass man die Niere als zwischen den beiden Schichten, jedoch nicht als im Sacke des Peritoneum gelegen bezeich- nen müsse. Eine kleine Anzahl älterer Autoren z. B. Cowper, Realdo Colombo, Vidus Vidius lassen das Peritoneum nur an ge- wissen Stellen doppelt sein, z. B. unterhalb des Nabel. Im Gegensatz zu allen diesen gab es auch einige, welche die Verhältnisse riehtig erkannten. Ich nenne hier ‚nur Namen wie Ruysch, Boerhav Winslow, Haller und Dou- glas (Nr. 3). Letzterer namentlich giebt eine vollständig klare Beschrei- bung der Beziehungen der einzelnen Organe zum Peritoneum und erörtert, gestützt auf die Untersuchungen Malpigbi’s und Cowper’s, dass das Peritoneum nur aus einer einzigen Schicht bestehe, und dass das, was die anderen als äussere IT” 109 Lamelle bezeichnen, weiter nichts sei als ein Theil jenes zellisen, an vielen Stellen fetthaltigen Gewebes (substantia cellularis s. vesicularis s. membrana cellulosa), welches alle Organe des Körpers einhülle und sich continuirlich. durch denselben verbreite. Er erkennt sonach, dass zwischen der Schicht, welche bis dahin als die äussere bezeichnet worden war, und der inneren, dem eigentlichen Perito- neum, hinsichtlich der Zusammensetzung ein wesentlicher Unterschied besteht. Ganz ebenso fassen, um von jüngeren Autoren einige zu nennen, auch Lauth und Huschke die Sache auf. In der That ist jene lamina externa peritonei der Alten, wie das namentlich der Umstand beweist, dass sie in die tunica vaginalis communis testis übergehen soll, nichts anderes als die fascia transversa oder endoabdominalis, wie sie Luschka besser benannt wissen will. ‚Wenn letzterer sagt: „An einzelnen Stellen (des Bauch- fells) jedoch tritt als lamina peritonei externa im Sinne (. J. M. Langenbeck’s eine von der fascia transversa unab- hängige fibröse Lamelle auf, weiche sich namentlich im Bereiche der Nieren als selbständiges Blatt abhebt, hinter diesem Organe hinwegzieht und sich um die grossen Ge- fässstämme der Unterleibshöhle herum verliert,“ so ist da- sesen zu bemerker, dass auch diese Lameile mit dem Bauchfelle nichts zu thun hat, da sie ja auch den Charakter einer Fascie zeigt. Histologie. Seiner Struktur nach ist das Peritoneum eine an ver- schiedenen Stellen verschieden starke, von Bindegewebe und elastischen Fasern gebildete Membran, die an ihrer Oberfläche eine einfache Lage platter polygonaler Zellen trägt.. Diese Zellen nun sind das Charakteristische des Bauchiells.. Sie sind meist unregelmässig fünfeckig und enthalten breite, rundliche Kerne, die durch Behandlung mit Hämatoxylin deutlich werden. Kleine Protoplasma- körnchen, welche sich neben den Kernen an der aufsitzen- den Fläche der Zellen in geringer Anzahl finden, scheinen dieselben an die unter ihnen gelegenen Schichten zu heften. Ihre freie Oberfläche ist glatt und eben, dagegen sind ihre 110 schmalen Seitenränder gezackt oder besser fein gezähnelt. Zwischen den einzelnen Zellen findet sich eine in Wasser lösliche Eiweisssubstanz, die durch salpetersaures Silber- oxyd schwarz gefärbt wird und so die Mosaik der Zellen schön hervortreten lässt. Wo mehrere derselben zusammen- stossen, lassen sich oft kleine bald eckige, bald mehr rund- liche Zwischenräume erkennen, die nach Krause (Nr. 31) theils als Schallplättchen, theils als wirkliche Oeffnungen (Stomata) zu betrachten sind. Im letzteren Falle sind sie mehr rundlich und enthalten nur jene Eiweisssubstanz, die nach Behandlung mit Argentum nitrieum schwarz erscheint. — Im Gegensatz zu Klein (Nr. 83, 84), Recklinghausen und Krause leugnet Sappey (Nr. 91) die Existenz der Stomata ganz. Bizzozero (Nr. 65.) und Salvioli behaupten in ihrer neuesten Arbeit, dass sie als präexistirende Oeff- nungen nur am Zwergfellperitoneum alter marastischer In- dividuen vorkämen und bestätigen so die Behauptungen Alferow’s und J. Arnold’s.. Mir scheint die Streitfrage noch nicht völlig entschieden zu sein. Denn wenn man bei In- jJektionsversuchen auch wirklich Durchtritt von Formele- menten durch das Peritoneum gesehen hat, so beweist das noch nichts, da ja die durch die Versuche bedingte chemi- sche oder mechanische Reizung eine Entzündung des Bauch- tells und in Folge derselben ein Auseinanderweichen der Zellen veranlasst haben könnte, während im normalen Zu- stande noch keine präformirten Oeffnungen da zu sein brauchten. — Den oben erwähnten Schallplättchen misst Klein die Bedeutung junger Endothelzellen bei. Nach Biz- zozero und Salvioli finden sie sich nur da, wo das darunter liegende Bindegewebe Lakunen enthält. Epithelbelag der Geschlechtsdrüsen. Bis vor kurzem war man der Ansicht, dass das Ver- halten des Endothelbelages in allen Theilen der Bauch- höhle dasselbe sei, und noch in Luschka’s 1863 erschiene- nem Lehrbuche (Nr. 37) finde ich diese Darstellung. Waldey- er’s (Nr. 63.) Verdienst ist es gezeigt zu haben, dass an den Geschlechtsdrüsen, am Eierstock und am Hoden, die zellige Bekleidung stellenweis eine andere ist. Am Ovarium fällt 111 die matte, fein chagrinirte und wegen 'der zahlreichen, dieht darunter verlaufenden Blutgefässe etwas röthliche Färbung schon dem blossen Auge auf als etwas von der übrigen Peritonealauskleidung verschiedenes. Bei mikro- skopischer Untersuchung finden sich hier kleine feingranu- lirte, schmale Cylinderzellen oder doch wenigstens kubische Zellen, die sich durch eine zackige Linie von dem eigent- lichen Peritonealendothel scharf abgrenzen.. Romiti (Nr. 90.) hat diese Beobachtung Waldeyer's bestätigt entgegen der Be- hauptung Kapff's (Nr. 82), der einen wesentlichen Unterschied zwischen Eierstockbelag und Auskleidung der übrigen Bauchhöhle leugnet und nur zugiebt, dass ersterer etwas höhere Zellen zeige als letzterer. Ganz ähnlich soll es am Hoden sein. Er soll auf dem grössten Theil seiner Oberfläche ein Pflasterepithel tragen, das sich wie am Ovarium durch eine ‚scharfe Grenzlinie von dem nur die Uebergangsstelle vom Hoden zum Neben- hoden überziehenden Peritonealendothel scheide. Hardin (Nr. 81) jedoch leugnet das ab; er will einen Unterschied zwischen den Belagzellen des Testikels und den übrigen Zellen der tunica propria nicht bemerkt haben. So viel ich weiss, ist er bis jetzt noch nicht widerlegt worden. Dagegen bestätigt auch er die Beobachtung Fleischl's, dass die Morgagnische ungestielte Hydatide, das Homologon des weiblichen Eierstockes, mit einem flimmernden Cylin- derepithel bedeckt sei. Solches Flimmerepithel findet sich nach Luschka auch noch auf der Bauchfellfläche des Morsus diaboli in der Nähe seiner Ränder, wo ein allmählicher Uebergang des- selben in das Endothel stattfindet. Diese so interessanten Abweichungen finden ihre Er- klärung, wie wir unten sehen werden, in der Entwicklung dieser Organe. Uebrigens kommen, wie ich hier beiläufig bemerken will, von den Endothelien abweichende Belag- zellen auf dem Peritoneum mancher Thierklassen noch anderweitig vor. So trägt die Bauchhöhle der Fische, mit Ausnahme der Knochenfische, in ihrer ganzen Ausdehnung oder doch wenigstens in einem Theile permanent Flimmer- 112 epithel, und nach einer Beobachtung Thiry’s bekleidet sol- ches die Unterleibshöhle des Frosches zur Zeit der Eireife. Epithel oder Endothel? Der so viel gebrauchte Name Endothel als Bezeichnung der Belagzellen der Bauchhöhle ist von His (Nr. 21) ein- geführt worden und zwar lediglich aus entwicklungsge- schichtlichen Rücksichten. Er unterschied nämlich echte, vom oberen oder vom. unteren Keimblatte abstammende Epithelien, welche die äussere und innere Körperoberfläche - überziehen und sich am Aufbau der Drüsen betheiligen, und unechte, die ihre Herkunft vom mittleren Keimblatte herleiten und Höhlen austapeziren, welche durch nachträg- liche Spaltung dieses Keimblattes entstanden sind. — Dieser Grund ist jetzt natürlich nicht mehr stichhaltig, seitdem eine ganze Reihe entwicklungsgeschichtlicher Erfahrungen gezeigt hat, dass die Keimblätter, wie das Götte (Nr. 11) ausdrücklich hervorhebt, für die Gewebsbildung gleichsiltig sind, und dass der Grund besonderer Gewebsbildung in der Beziehung des Zellenmaterials zu seiner jeweiligen äusseren Umgebung zu suchen ist. Wollte man jetzt noch dem Ge- sichtspunkte folgen, den His im Auge hatte, so müsste man den Belag des Eierstockes, der ja auch von der Ausklei- dung der embryonalen Bauchhöhle herstammt, und die Flimmerzellen der Tuben als Endothel bezeichnen, was Forster (Nr. 76) für das Keimepithel in der That auch vor- geschlagen hat; und andererseits müsste man die Zellen des Endocard’s, die Götte und einige andere Forscher vom inneren Keimblatte abstammen lassen, Epithelien nennen. Wie Henle (Nr. 19) richtig betont, kann sich der Name Endothel auch nicht auf eine von anderen Zellenformen morphologisch besonders verschiedene Art beziehen. Denn einerseits ist zwischen den Zellen des einfachen Pflaster- epithels der Schleimhäute und der inneren Auskleidung der Peritonealhöhle absolut keine Differenz, und andererseits sind die unregelmässig polygonalen Endothelzellen der se- rösen Säcke den mehr länglichen Belagzellen z. B. der Lymph- und Blutkapillaren ziemlich unähnlich. — Die Bezeichnung hat nur in sofern Sinn, als sie sich en Se > 7 er. Sn Be Po: 113 auf die innerste Auskleidung einer physiologisch wohl- charakterisirten Organengruppe bezieht, des Gefäss- und Lymphsystems nämlich, dem ja die serösen Höhlen auch zuzurechnen sind. Aus diesem Grunde ist der Name auch beizubehalten, aber lediglich in der bezeichneten Ausdehnung anzuwenden. Dagegen würde es nur Verwirrung stiften, wenn man die Benennung Endothel, wie Ranvier und späterhin Neumann und Grunau (Nr. 87) vorschlugen, für alle einschichtigen Plattenepithelien, auch die vom oberen und unteren Keim- blatte abstammenden anwenden wollte. Bindegewebige Grundlage. Die bindegewebige Grundlage des Peritoneum besteht nach Bizzozero’s und Salvioli’s Untersuchungen aus mehre- ren deutlich unterscheidbaren Schichten. Zunächst unter dem Endothel stösst man auf eine struktur- und kernlose, feinkörnige und zartfaserige Haut, die Membrana limitans. Dieselbe ist für gewöhnlich undurchbrochen und zeigt nur am centrum tendineum kreisrunde und ovale Löcher. — Unter ihr kommt die sogenannte Stützschicht, welche aus breiten. netzförmig durchflochtenen und nur spärlich von elastischen Fasern umsponnenen Bindegewebsbündeln be- steht, deren Maschen den Löchern der membrana limitans entsprechen. Dann folgt die eigentliche Matrix der Serosa, bestehend aus einer Netzschicht, in welcher die Lymphla- kunen gelagert sind, und aus einer Grundschicht, welche die äusserste Grenze der serösen Membran bildet. Die straff- durchflochtenen Bindegewebsfasern der Netzschicht und die der Grundschicht enthalten hier und da Bindegewebskerne und sind von elastischen Fasern umsponnen, die am vis- ceralen Theile des Bauchfells sehr dünn sind (seröse Fasern, Krause), während sich am parietalen Theile stärkere finden. — Ganz ähnlich stellt Toldt die Verhältnisse dar, nur ist er nicht geneigt, Bizzozero’s membrana limitans als geson- derte Schicht anzusehen. Denn in allen Fällen, wo es ihm gelungen ist, sie darzustellen, vermisste er die ober- flächliche Bindegewebsschicht (Bizzozero’s Stützschicht). Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV., 1881. 8 114 Subserosa. Unter der geschilderten Grundmembran der Serosa liegt ein lockeres Bindegewebe, die Subserosa, welche am parietalen Bauchfelle meist besser entwickelt ist als am vis- ceralen. Sie enthält bald mehr, bald weniger Fettzellen, während die Grundschicht ganz fettlos ist. An der Darm- wandung schrumpft das subseröse Gewebe zuweilen zu einer mikroskopisch kaum wahrnehmbaren Lage zusammen, und an einigen Stellen, wie z. B. an der Leber, geht es ganz _ verloren; die bindegewebige Grundlage des Bauchfells ver- schmilzt dann völlig mit der fibrösen Hülle des betreffenden Organs, so dass es den Anschein gewinnt, als sei das letz- tere blos von einer Schicht Endothel überzogen. — Nerven des Peritoneum. Mit Blut- und Lymphgefässen .und Nerven ist das Peri- toneum recht reichlich versehen. Die letzteren bestehen aus blassen, kernhaltigen Fasern und verlaufen mit den Gefässen. Sie stammen ab vom nervus phrenicus, von den rami intercostales abdominis, dem nervus vagus und ner- vus sympathieus. Ueber ihre Endigungen ist noch sehr wenig bekannt. Bis jetzt sind mit Sicherheit erst am Me- senterium der Katze Endigungen (Vatersche Körperchen) nachgewiesen worden und ausserdem am Mesocolon der Katze und des Kaninchen. Möglich ist es, dass auch bei den übrigen Säugethieren ähnliche Endkolben vorhanden sind, indess bis jetzt sind noch keine nachgewiesen; nach Finkam (Nr. 75) wenigstens sind die Gebilde, die Jullien am omentum majus für Nervenendapparate hielt, nichts anderes als Netze elastischer. Fasern und protoplasmatische Bindegewebszellen. Blutgefässe des Peritoneum. Die Blutgefässe des Peritoneum stammen alle von den Arterienverzweigungen ab, welche die von ihm umhüllten Organe versorgen. Sie bilden dicht unter dem Endothel ein polygonalmaschiges Capillarnetz. Namentlich zahlreich sind die oberflächlichen venösen Verzweigungen, welche sich theils zur Vena cava inferior, theils zum Stromgebiet der vena portae hinbegeben. dan Lymphgefässe des Peritoneum. Besonders reichlich ist das Bauchfell mit Lymphge- fässen versehen. Im subserösen Bindegewebe, besonders am Darm und den breiten Mutterbändern, verlaufen grössere Stämme dieses Systems, und dicht unter dem Endothel, noch über den Gefässkapillaren, in den Maschen des Binde- gewebes finden sich feinere Lymphnetze, die nach einigen, wie z. B. Recklinghausen, durch die Stomata mit der Bauch- höhle in offener Kommunikation stehen sollen. Im Netz scheinen übrigens auch kleine Lymphfollikel vorzukommen. Wenigstens hat Klein (Nr. 34) Gebilde dieser Art aus dem Netze des Hundes, der Katze, des Kaninchens und des Meerschweinchens beschrieben, und die von Kölliker er- wähnten Lymphkörperchenhaufen aus dem omentum majus des Menschen lassen sich nach dieser Analogie jedenfalls auch als Lymphfollikel auffassen. Appendices epiploicae. Es ist num noch einiger Eigenthümlichkeiten zu ge- denken, durch welche sich einzele peritoneale Gebilde aus- zeichnen. Am Diekdarme finden sich mehr oder weniger entwickelte fettgefüllte Wucherungen des Peritoneum, die appendices epiploicae. Luschka (Nr. 31) vergleicht die- selben mit den plicae adiposae der Gelenke. „Aehnlich „wie diese,“ sagt er, „sind es raumerfüllende, sich zunächst „zwischen die Haustra des Diekdarms hineinlegende Aus- „wüchse.“ Ihre Form ist bald kolbig, bald blattartig ge- lappt. Sie können, wie er weiterhin angiebt, in seltenen Fällen degeneriren und durch Abschnürung zu freien Kör- pern der Bauchhöhle werden. Villi peritoneales. Weniger in’s Auge fallend sind die villi peritoneales, endothelbedeckte Wucherungen des peritonealen Bindege- webes, wie sie sich auch an anderen serösen Häuten, so z. B. an der Pleura und dem visceralen Ueberzuge des Hodens finden. Luschka, der manchmal, namentlich an der Pleura, Nerven in ihnen gefunden hat, hält sie für ‚die Anfänge pseudoligamentöser Verwachsung. Sie kommen g#F 116 hauptsächlich am scharfen Leberrande und am margo ere- natus der Milz vor und stellen kleine weissliche, bald ein- fache, bald blattartige Zöttehen dar, die erst beim Flottiren im Wasser deutlich erkennbar werden. Omentum majus. Ueber die Bedeutung des grossen Netzes war man lange im Unklaren, bis es endlich zu Anfang dieses Jahr- hunderts J. F. Meckel und Joh. Müller gelang, seine Ent- stehung aus dem Mesogastrium zu erklären. Bis dahin hielt man es für eine selbstständige Wucherung des peritonealen Gewebes. Douglas (Nr. 8) z. B. erklärt es für ein Produkt de: membrana cellulosa, jenes Bindegewebes, welches das Peritoneum von aussen umgiebt. Sömmefing (Nr. 56) be- trachtet es als ein selbstständiges Organ, das zur Fettab- lagerung und vielleicht auch zur Fettsekretion diene. Aber auch noch nach J. Müller glaubten manche Anatomen, wie ich hier beiläufig erwähnen will, diesem ebenso räthsel- haften wie für die Oekonomie des menschlichen Körpers überfiüssigem Gebilde eine physiologische Bedeutung bei- messen zu müssen. Sagt doch noch Huschke (Nr. 27) hier- über: „Die Folge der Lage und Fettsekretion des Netzes ist, dass es den Därmen ihre Wärme erhält und ihnen eine schützende Decke ist, bei den Bewegungen der Bauch- muskeln.“ * Hinsichtlich seiner histologischen Beschaffenheit zeigt das Netz einige nicht unbeträchtliche Abweichungen vom sonstigen Verhalten des Peritoneum. Sein Endothelbelag stellt nicht, wie sonst überall am Bauchfelle, eine zusam- menhängende Platte dar, sondern zeigt, den maschen- artigen Durchbrechungen des Netzes entsprechend, Lücken. Die Zellen überziehen nur die stärkeren Bindegewebsbalken, welche sich netzartig überall hin verästeln. Nach Krause’s Angabe besitzen die feineren Bindegewebsbälkchen nur Endothelkerne; wahrscheinlicher ist es aber wohl, dass diese Kerne nicht Ueberreste von Endothelzellen, sondern Kerne von Bindegewebszellen sind. — Die eigentliche bin- degewebige Grundlage des Netzes ähnelt nach Toldt in der Nähe des Magens bezüglich ihres Verhaltens den übrigen £17 Darmgekrösen, deren genauere Beschreibung weiter unten folgt. Mit der wachsenden Entfernung von seiner Ansatz- linie an der grossen Curvatur verliert sich diese Aehnlich- keit immer mehr; endlich fangen die Bindegewebsfibrillen der ursprünglich undurchbrochenen Platte an, mehr und mehr auseinanderzuweichen; man findet sie nur in der Nähe grösserer Gefässe gut entwickelt. — Das Netz enthält viel Fett, feine, vom plexus coeliacus stammende Nervenfasern, eine grosse Anzahl von Gefässen, welche aus den arteriae gastro-epiploicae dextra et sinistra herkommen, und einzelne von der arteria colica media. Seine spärlich vorhandenen Saugadern führen zu den Lymph- drüsen der grossen Magencurvatur. Die geschilderten Ver- hältnisse gelten natürlich nur für den Erwachsenen; in früheren Altersstufen sind dieselben, wie wir gelegentlich der Entwicklung dieses Organes sehen werden, beträchtlich hiervon verschieden. Omentum minus. Das kleine Netz zerfällt in das lisamentum hepato- duodenale, welches die Ausführungsgänge der Leber und Gallenblasse, vena portae und arteria hepatiea enthält, und. das lisamentum hepato-gastricum, an welchem sich nach Toldt (Nr. 58) zwei ihrem Verhalten nach sehr verschie- dene Partien deutlich erkennen lassen. Der obere Theil (pars condensa, Toldt) liegt zwischen Oesophagus, Cardia, Zwergfell und dem hinteren Theile der linken Leberfurche, wo er fast die ganze Länge des ductus venosus Arantü be- rührt und nach vorn zu unmittelbar an das ligamentum hepato-duodenale stösst. Nach oben hin senkt er sich in das ligamentum coronarium hepatis ein. Er ist sehnenartig glänzend, fest und derb, besteht aus einer mittleren con- sistenten Bindegewebsschicht, in welcher netzartig verstrickte Abzweigungen des nervus vagus, Aeste der arteria coro- naria sinistra und einzelne Saugadern verlaufen, und aus einem dünnen, aber deutlich erkennbaren Peritonealüber- zuge. — Der untere Theil, die zarte, lockere, durchsichtige pars - flaceida, haftet am kleinen Magenbogen, geht nach unten 118 Bi ohne scharfe Grenze in das ligamentum hepato-duodenale über, nach oben mit einer deutlich ausgeprägten, nach links und unten concaven Linie in die pars condensa; das liga- mentum venosum berührt sie nirgends. Ihr Verhalten ähnelt dem des Netzes in den unteren Partien, d. h. sie besteht nur aus einer Schicht netzartig durchflochtener Binde- gewebsfibrillen, die beiderseits von einer Endothellage be- deckt sind. Ihr Bindegewebe soll in alle drei Lagen der pars condensa übergehen. Mesenterien. Bis vor kurzem war man gewöhnt, die Gekröse als zwei Bauchfellblätter aufzufassen, welche die Gefässe und Nerven des Darmes zwischen sich nehmen und, das Einge- weide selbst überziehend, in einander übergehen sollten. Nach Toldt ist das wesentliche Constituens der Mesenterien eine zusammenhängende, feste, gefässführende Bindegewebs- schicht, die auf beiden Seiten einen vollständig entwickel- ten Peritonealüberzug hat, welcher durch spärliches, straffes, subseröses Gewebe fest mit ihr verbunden ist. Diese Ent- deckung ist, wie Toldt angiebt, keineswegs neu. Schon Thomas Warthonus hatte diese Anschauung und Verheyen, Bartholinus, Euler und Haller bestätigten sie. Auch Ruysch (Nr..8) scheint nach einem bei Douglas angegebenen Citate diese Anschauung gehabt zu haben. In neuerer Zeit war diese Auffassung in Vergessenheit gerathen, nur Ran- vier erwähnt einmal beiläufig, dass das Gekröse möglicher- weise aus drei Blättern bestehe. Toldt’s Verdienst ist es somit, die richtige Anschauung vom Verhalten der Mesen- terien wieder zur Geltung gebracht zu haben. Nach ihm enthält die membrana propria alles Fett, die Blutgefässe und die Nerven, während der Peritonealüberzug ganz fett- los ist. An einzelnen Stellen, namentlich‘ in der Nähe grösserer Gefässe, lassen sich an der Mittelschicht drei Lagen unterscheiden, eine mittlere derbe, fettlose und zwei seitliche lockere, welche Fettkugeln und Lymphknoten ent- halten und deren Bindegewebe in die Trabekeln und die Rindenschicht dieser letzteren übergeht. Der Peritoneal- belag der Gekröse kann nun auf der einen oder der an- 119 I deren Seite verloren gehen und zwar, wie Toldt annimmt, durch Verklebung mit benachbarten Theilen, vielleicht aber auch, wie wir weiter unten sehen werden, aus anderer Veranlassung; die membrana propria bleibt jedoch dabei bestehen. In solchen Fällen wird dann aus einem freien Gekröse ein fixirtes, wie das z.B. am mesocolon ascendens und descendens der Fall ist. Bauchfellfalten. Ausser diesen regelmässig vorhandenen peritonealen Gebilden finden sich noch andere, die hinsichtlich ihres Vorkommens, namentlich aber hinsichtlich des Grades ihrer Ausbildung und ihres Verlaufes mehr oder weniger variüiren. Manche von ihnen können zuweilen ganz fehlen, zuweilen so schwach entwickelt sein, dass sie sich erst durch starkes Anziehen der Organe, zwischen welchen sie ausgespannt sind, deutlich erkennen lassen, während sie in anderen Fällen auffallend scharf ausgeprägt sind. Ihr Inhalt ist ein äusserst verschiedener; einmal bestehen sie lediglich aus Peritonealduplikaturen, die etwas Bindegewebe ent- halten, ein anderes Mal führen sie Gefässe und haben dann die Bedeutung von Gekrösen, endlich können sie auch glatte Muskelfasern enthalten. Nur der letzten Art kann man mit Recht die Bedeutung wirklicher Bänder beilegen, wie z. B.-dem lig. ovarü, dem lig. uteri rotundum, der pliea recto-uterina ete. Dagegen tragen z. B. die Bänder der Leber und der Milz sicher recht wenig dazu bei, diese Organe in ihrer Lage zu erhalten, und Luschka (Nr. 37) und Rüdinger (Nr. 55) haben unzweifelhaft Recht, wenn sie meinen, dass lediglich der intra-abdominale Druck diese Organe fixire. Entwickelung des Bauchfelles. Spaltung des mittleren Keimblattes. Der Beginn der Entstehung des Peritoneum, wenn man dasselbe im weitesten Sinne als die innerste Auskleidung der Leibeshöhle auffasst, fällt zusammen mit dem Eintritte 120 einer Spaltbildung des mittleren Keimblattes, durch welche die seitlichen Partien desselben in eine obere Schicht, die Hautfaserplatte, und in eine untere, die Darmfaserplatte, getheilt werden, während in der Mittellinie eine compakte Zellenmasse des Mesoderms zurückbleibt, Remak’s Gekrös- oder Mittelplatte. Die Theilung erfolgt schon sehr früh, beim Hühnchen, wie Kölliker angiebt, bereits am Ende des ersten, beim Kaninchen etwa am siebenten Tage, und ist nach His, ähnlich wie die Bildung der ersten Blutgefässe, vielleicht als Folge des Auftretens einer flüssigen Inter- zellularsubstanz anzusehen. Aus den beiden symmetrisch zur Mittellinie gelegenen Spalten, welche von einigen For- schern auch als Cölom bezeichnet werden, entwickeln sich nun die grossen serösen Höhlen des Körpers, die Pericar- dial-, Peritoneal- und Pleurahöhle. — Nach einigen For- schern haben sie auch Antheil an der Bildung der Ur- wirbelhöhle, während andere, z. B. Kölliker, das leugnen und die Urwirbelspalten selbstständig durch Verflüssigung der innersten Zellenmassen entstehen lassen. Abschnürung der Pericardialhöhle. Auch die Auffassung der Beziehungen zwischen dem Spalte des Mesoderms und der späteren Pericardialhöhle sind nicht bei allen Forschern dieselben. Nach His (Nr. 23) z. B. reicht diese Spaltung des Mittelblattes in Haut- und Darmfaserplatte nicht bis in die Kopfgegend. Hier fehlt die Darmfaserplatte als selbstständige Anlage, dagegen theilt sich die Hautfaserplatte in ganz analoger Weise. So be- steht die Leibeshöhle aus einer vorderen beiderseits von rein animaler, und einer hinteren von animaler und vege- tativer Muskelanlage begrenzten Cavität. Aus der vorderen Spalte wird der Herzbeutel, aus der hinteren die Peri- tonealhöhle, und die Grenze zwischen beiden ist die An- lage des Zwergfells. So annehmbar nun diese Ansicht auch erscheint, namentlich deshalb, weil sie die Entstehung der quergestreiften Muskeln des Herzens, die Bildung des Zwergfells und die Innervirung dieses nach der gegebenen Beschreibung in der Halsgegend vorgebildeten Organs dureh einen Halsnerven recht ungezwungen erklärt, so wenig hat 121 sie bei den meisten Forschern Anklang gefunden. — In der That giebt sie auch gar keinen Aufschluss darüber, wie die ursprünglich mit den übrigen Eingeweiden in der hinter dem Zwerchfell gelegenen Cavität befindlichen Lungen nun mit einem Male vor dasselbe kommen, wenn es eben, wie His behauptet, als vollständig ausgebildete Scheide- wand mit dem Herzen zusammen auftritt. Deshalb scheint nun auch die Ansicht der meisten anderen Autoren, wie z. B. Oellacher’s (Nr. 88), Götte’s, Kölliker’s und in neuester Zeit Cadiat’s viel annehmbarer zu sein, dass Pericardial- und Pleuroperitonealhöhle aus einer einheitlichen Anlage, nämlich aus jener Spalte des mittleren Keimblattes hervorgehen. Der vor dem aditus anterior im Bereiche des Kopfes und vorderen Halsab- schnittes, unmittelbar unter dem Schlunde gelegene Theil würde dann als die Anlage des Herzbeutels aufzufassen sein. Natürlich ist auch diese anfangs doppelt, wie es ja nach Dareste’s und Gasser’s jetzt wohl allgemein acceptirter Darlegung die Anlage des Herzens ebenfalls ist, doch nähern sich die beiden Hohlräume allmählich bis zur Be- rührung, worauf die Scheidewand schwindet und eine ein- zise Cavität zu Stande kommt. Anfangs communieirt der Herzraum vermuthlich noch durch zwei zur Mittellinie sym- metrische Spalten mit der Pleuroperitonalhöhle, aber end- lich tritt eine vollkommene Trennung oder Abschnürung ein, wahrscheinlich in ganz ähnlicher Weise, wie das später- hin beim Verschlusse des Proressus vaginalis der Fall ist. Pleuroperitonealhöhle. Wie der Herzbeutel, besteht auch der hinter dem aditus auterior gelegene Antheil der primitiven Körperhöhle ur- sprünglich aus zwei seitlichen Spalten, die zu einer ein- zigen zusammen zu fliessen beginnen, sobald die rinnen- förmige Darmanlage sich zum Rohre schliesst, der Dotter- sack sich abschnürt, die Amnionfalten über dem Rücken des Embryo zu verschmelzen anfangen und der Nabel sich bildet. Dieser Zustand tritt schon sehr frühzeitig ein, nach Kölliker beim Hühnchen etwa am fünften Tage, beim Men- schen, soweit sich dies bei dem geringen Material so junger 122 Embryonen hat constatiren lassen, Jedenfalls schon am Ende der zweiten oder doch in der dritten Woche. Trennung der Pleuroperitonealhöhle in Brust- und Bauchraum. — Bildung des Zwerehfells. Es bleibt nun, ehe wir uns mit der Entwicklung der Bauchhöhle selbst und dem Auftreten ihrer Auskleidung näher beschäftigen können, noch ein Punkt zu erörtern übrig, nämlich das Zustandekommen der Trennung zwischen Pleura- und Peritonealraum. Diese noch sehr wenig auf- seklärte Frage steht in engstem Zusammenhange mit der nach der Entstehung der Mediastinen, der Beziehung der Pleurahöhlen zum Herzbeutel und der Bildung des Zwerch- fell. — Die Ansicht von His, dass das Zwerchfell als Grenze zwischen einer vorderen nur von der animalen Muskelplatte, und einer hinteren, oben von der animalen, unten von der vegetativen Platte umgebenen Spalte vor- gebildet sei, ist wie oben dargethan, deshalb zu verwerfen, weil sie das Verhalten der Lungen zu diesem Organe nicht berücksichtigt. Die meines Wissens neuste Veröffentlichung über diesen Gegenstand ist die von Cadiat (Nr. 6). Nach seiner Dar- legung scheidet sich die hintere Wand des Herzbeutels durch eine horizontale Falte in eine obere Partie, welche sich zu einer vorn offenen Rinne einbiest, um die beiden seitlichen Mediastinalblätter zu geben, und eine untere, welche das Oentrum tendineum des Zwerchfells bildet, bei den Säugethieren nach hinten weiterwächst und einen voll- ständigen Abschluss zwischen Pleura- und Bauchfellraum zu Stande bringt. Die Lungen liesen anfangs hinter dem Herzen, erweitern jedoch durch ihr Wachsthum die Pleura- räume so, dass diese endlich vor dem. Herzbeutel zusam- menstossen und das Herz zwischen sich nehmen. Gegen diese Darstellung lässt sich ein meiner Ansicht nach recht schwer in’s Gewicht: fallender Einwand erheben. Beim Foetus und Neugeborenen ist der Herzbeutel nur lose an das Zwerchfell angeheftet, ja selbst beim Erwachsenen findet man diesen Zustand noch manchmal (Nr. 37. B. I. p- 395), und bei einer ganzen Anzahl von Säugethieren tritt 123 die Hülle des Herzens überhaupt nie in nähere Berührung mit dem Diaphragma, sondern bleibt stets durch einen Lungenlappen von ihm getrennt. Das dürfte offenbar nicht der Fall sein, es müsste sich vielmehr immer eine untrenn- bare Verwachsung zwischen Herzbeutel und Centrum tendi- neum finden, wenn Cadiat’s Behauptung von der Bildung des Zwerchfells durch einen Theil der Herzhülle richtig wäre. Viel wahrscheinlicher ist es, dass sich dasselbe, wie Kölliker und auch Klebs z. B. glauben, von den Seiten des Rückgrates her im Anschluss an die zur Bildung des Brust- beins nach vorn ‘wuchernden Rippen entwickelt, und dass die beiden seitlichen Partien endlich in der Mitte zur Ver- wachsung kommen. Für diese Annahme spricht unter an- derem auch das Vorkommen von Defekten im Zwerchfell, die sich besonders gern in seiner Mitte zeigen und nach Klebs (Nr. 29.) so zu erklären sind, dass bei zu starker Krümmung des Embryo Herz und Leber zu eng aneinander sedrängt werden, und dass dadurch das Hineinwachsen des Zwerchfells zwischen sie verhindert wird. Wäre Cadiat’s Theorie richtig, so würde diese Defektbildung nicht zu verstehen sein. | Mediastinen und Pleurahöhlen. Ueber die Entstehung der Mediastinen und das Zu- standekommen der beiden von einander gesonderten Pleura- höhlen sprechen sich die meisten Autoren gar nicht näher aus. Kölliker (Nr. 30 p. 868) sagt hierüber nur: „Die Pleura entwickelt sich in derselben Weise wie das Bauch- fell, und sind die beiden Pleurahöhlen da, bevor ihre seröse Auskleidung nachzuweisen ist.“ Dagegen scheinen mir einige Abbildungen (Nr. 30 T. 214, 215, 216 auf pag. 295—297) welche er von Durch- schnitten durch die Herzgegend zehntägiger Kaninchenem- ‚bryonen giebt, recht geeignet, das Zustandekommen der beiden Peurahöhlen zu erklären, wenn man diesen Zeich- ‚nungen eine andere Deutung beilegt, als es Kölliker selbst thut. Man sieht nämlich an den bezeichneten Durchschnitten, dass die Leibeshöhle in der Gegend des Vorhofes in drei 124 Abschnitte zerfällt, einen vorderen grösseren und zwei kleinere hintere. Kölliker meint nun, dass dieses Verhält- niss durch die Verbindung der seitlichen Theile des Herzens mit der seitlichen Leibeswand zu Stande kommt, da, wo diese eine starke Vene, die Vena jugularis enthält, und fährt fort (Nr. 30. p. 295): „Ich nenne diese Substanzbrücke, die natürlich dem mittleren Keimblatte angehört und wahr- scheinlich als eine ursprüngliche Bildung anzusehen ist, Mesocardium laterale, und lege auf dasselbe Gewicht, da es einmal zur Ueberführung von Gefässen aus der Haut- platte zum Herzen dient und ausserdem den untersten Theil der Halshöhle in drei Räume scheidet, die ich die hinteren und die vordere Parietalhöhle nenne.“ Er rechnet die hinteren Abschnitte also offenbar noch zur Höhle des Herzbeutels selbst, meiner Ansicht nach sind sie dagegen nichts anderes als die Andeutungen der Pleu- rahöhlen, eine Auffassung, für welche schon ihre Lage in der Nähe der jetzt auftretenden Lungenanlagen spricht, und ich stelle mir ihre Entstehung folgendermassen vor: Das Herz, welches anfangs unmittelbar unter dem Kopfe liegt und mit der vorderen Wand seiner Hülle an die vordere Hirnblase angeheftet ist, entfernt sich allmählich, Hand in Hand mit dem vermehrten Wachsthum des Hals- und Brusttheiles weiter vom Kopfe, mit dem es jedoch immer noch dadurch in Verbindung bleibt, dass der obere Theil seiner äusseren Hülle, wie Cadiat angiebt, zur Scheide- wand der grossen Halsgefässe wird. | Bei dieser Gelegenheit drängt es sich in die hinter ihm gelegene Pleuroperitonealhöhle ein und schiebt die Mitte der vorderen Grenze der Leibeshöhle als eine nach hinten convexe Hervorwölbung vor sich her. Da nun das Herz hinten durch das Mesocardium postieum an die Medianlinie der hinteren Körperwand fest angeheftet ist, eine Anheftungs- linie, die mit dem Herabrücken des Herzens auch etwas nach unten rückt, und vorn in ziemlich beträchtlicher Aus- dehnung mit der primitiven vorderen Körperwand, der Membrana reuniens inferior Rathke’s verbunden oder, besser gesagt, verwachsen ist, müssen seitlich und etwas nach hinten vom Herzbeutel Spalten übrig. bleiben, welche der a a 125 Pleuroperitonealhöhle angehören und als vordere Recessus derselben angesehen werden können. Diese spaltförmigen, durch den Herzbeutel getrennten Räume, welche hinten mit - dem grossen Raume der Bauchhöhle und vermittels desselben auch mit einander communieiren, sind die Vorläufer der Pleurahöhlen und, wie ich glaube, identisch mit jenen Räumen, die von Kölliker als hintere Parietalhöhlen be- zeichnet werden. Kölliker’s laterales Herzgekröse ist dann weiter nichts als die äusserste Grenze der Anhaftung des Herzens an die vordere Körperwand, welche vielleicht durch hier verlaufende Gefässe faltig aufgehoben wird und die Grenze dadurch noch stärker hervortreten lässt. Möglicher- weise verlaufen diese Falten von den Seiten her schräg nach der Mittellinie der hinteren Körperwand und sind als Ausläufer des hinteren Herzgekröses anzusehen, zu welchem sie Venen hinleiten, die sich dann von dort aus in den Sinus venosus hineinsenken. Als wirkliche laterale Gekröse könnten sie, glaube ich, nur dann aufgefasst wer- den, wenn sie Substanzbrücken darstellten, mittels deren Gefässe der Leibeswand zu den seitlichen Theilen des Herzens gelangten. Das ist aber weder aus Kölliker’s Ab- bildung ersichtlich, noch sonst wahrscheinlich, vielmehr ist anzunehmen, dass alle Gefässe einzig und allein durch das hintere Herzgekröse in das Herz einmünden. Um nach dieser Abschweifung auf die Lungen, die erst unterhalb des Herzens in der Nähe des Magens liegen, wieder zurückzukommen, so wachsen diese wahrscheinlich in die oben bezeichneten Räume hinein und vergrössern sie allmählich, indem sie ihre Wandungen nach oben und nach vorne vor sich herschieben, so dass die beiden Höhlen end- lich das Herz ganz zwischen sich nehmen. So sind die Mediastinalblätter nichts anderes als die von der Lunge vorgedrängten, ursprünglich der hinteren Peripherie des Herzbeutels, beiderseits vom Herzgekröse, anliegenden Theile der Auskleidung jener spaltförmigen vorderen Recessus der Pleuroperitonealhöhle. Beide Brustfellräume würden nun unterhalb des Her- zens dauernd in Communication mit einander bleiben, falls sie nicht durch die Entstehung des Zwerchfells von den / er 7. a REN... . Ar 126 Seiten her und die Verschmelzung seiner ‚beiden Partien untereinander und mit der unteren Fläche des Herzbeutels, eine vollständige Isolirung und Abschnürung von einander und von der Bauchhöhle erführen. — Ob in den Fällen, wo der Herzbeutel mit dem Zwerchfelle überhaupt nieht in Berührung kommt, eine solche Communication stattfindet, darüber habe ich nichts angegeben gefunden. Wenn dann in der That, wie ich es für wahrscheinlich halte, die Me- diastinen nicht bis zum Zwerchfell hinabreichten, sondern die Pleurahöhlen unterhalb des Pericardium in einander übergingen, so würde das gewiss ein genügender Beweis für die Richtigkeit meiner Annahme sein. : Die geschilderten Vorgänge finden schon sehr früh statt. Nach Kölliker vermag man bereits in der fünften - Woche beim menschlichen Embryo eine Scheidewand zwischen Lungenanlage und den Organen des Unterleibs zu erkennen, welche jedoch um diese Zeit die Lungen noch als ein trichterförmiger, mit der Convexität nach unten ge- richteter Sack umgiebt und nur vorn zwischen Herz und Leber eine horizontale Platte darstellt. Histologische Differenzirung der Wandungen der Pleuroperitonealhöhle. Die Endothelien, welche wir oben als das Hauptmerk- mal oder doch wenigstens als eins der wichtigsten Kenn- zeichen des Bauchfelles und der übrigen serösen Häute kennen gelernt haben, sind übrigens nicht von vorn herein vorhanden. Ursprünglich besteht die Auskleidung der spaltförmigen Leibeshöhle aus jenen rundlichen kernhaltigen Zellen, welche die Seitenplatten aufbauen, aber bald be- sinnt das homogene Gewebe des Mittelblattes sich zu diffe- renziren. Aus der Darmfaserplatte bildet sich die Mus- kulatur des Eingeweidetraktus, die Hülle und das inter- stitielle Gewebe seiner Drüsen, sowie seine Serosa, und die Hautfaserplatte, die mit den Urwirbeln in Contakt ge- rathen ist, scheidet sich in die Muskulatur der Cutis, die Lage der organischen Rumpfmuskeln und die seröse Aus- kleidung der Leibeshöhle. Das erste Auftreten einer deut- lich charakterisirten Zellenschicht als innerste Auskleidung SR Fe: B 127 der Bauchhöhle will Kölliker am hinteren Ende eines Hühnerembryo bereits am vierten Tage beobachtet haben. Wenn das aber auch, wie er es selbst für möglich hält, auf einem Irrthume beruht, so ist es doch jedenfalls sicher, dass die geschilderten Vorgänge in einer nicht viel späteren Zeit stattfinden. Der erste zellige Be des Bauchfells besteht nun, wie Waldeyer (Nr. 63.) gefunden hat, aus eylindrischen, epithel- artigen Zellen von der Form, welche nach der oben ge- sebenen Beschreibung am Ovarium bleibend ist. Ob die persistirenden platten Endothelien aus diesen Zellen durch Veränderung der Gestalt hervorgehen, oder ob sie ganz neue Gebilde sind, welche erst nach dem Untergange der cylindrischen Epithelien zum Vorschein kommen, ist noch unentschieden. Egli (Nr. 74) bekennt sich zur letzteren Ansicht, während His und Kölliker der ersteren anhängen, der ich ebenfalls den Vorzug geben möchte. Denn es liegt ja viel näher, die Umwandlung der cylindrischen Zellen in die platte Form durch den Druck der Theile auf einander und durch die von den Wachsthumsverschiebungen bedingte Reibung, also auf eine allmähliche Veränderung ihrer Form hinauszuführen, als an das Verschwinden der einen und das plötzliche Auftreten einer ganz anderen Zellenart zu denken. — Aber auch zugegeben, dass die primitiven Zel- len wirklich verschwinden, so ist doch wohl anzunehmen, dass erst wieder Zwischenformen entstehen und vergehen müssen, bis es zum Auftreten und zur allgemeinen 'Ver- breitung der definitiv bleibenden kommt. Die Natur liebt eben die allmählichen Uebergänge und macht keine plötz- lichen Sprünge. Für eine allmähliche Umwandlung scheint mir übrigens auch die Beobachtung Riedels (Nr. 89.) zu sprechen, der bei jungen Embryonen eine Vergrösserung der Endothel- zellen beobachtet haben will, von welcher bei älteren Föten und neugeborenen Thieren nicht die Rede sei. Man könnte dem Versuche, diese Vorgänge auf mecha- nische Ursachen zurückzuführen, die Thatsache entgegen- halten, dass das Ovarium sich doch unter ganz denselben Druckverhältnissen befinde, und dass sein Zellenbelag nichts- 128 destoweniger immer die cylindrische Form beibehalte. Doch ist dieser Einwand nicht stichhaltig. Denn wenn das Epithel des Eierstockes auch wirklich denselben Ursprung hat wie das Peritonealendothel, was ja nach den zahlreichen neueren Untersuchungen über diesen Gegenstand kaum zu bezweifeln ist, so kommen für dasselbe doch noch ganz andere Lebens- bedingungen in Betracht als für die Auskleidung der übrigen Bauchhöhle. Hier ist ein beständiges Werden und Wachsen, die ganze Drüse sammt ihrer Oberfläche, die ja nichts an- deres darstellt als die nach der Bauchhöhle sich öffnende Pforte derselben, ist in fortdauernder Entwicklung begriffen, der Zellenbelag der Oberfläche betheiligt sich selbst an der Bildung der Eier und der Follikel; nach alledem ist es nicht wunderbar, wenn auch das Epithel hier eine grössere Energie und Widerstandsfähigkeit zeigt und den mechanischen Einflüssen des Druckes und der Reibung besser Widerstand zu leisten vermag als die Auskleidung der übrigen Bauch- höhle, die schon sehr früh aufhört, sich weiter zu ent- wickeln und für die ganze Dauer des Lebens zu einer fast absoluten Unthätigkeit verurtheilt ist. Interessant wäre es übrigens zu untersuchen, ob das Ovarialepithel, nach langer Unthätigkeit des Organs, z. B. nach dem Aufhören der Ge- schlechtsfunktionen, nicht auch mehr und mehr den Charak- ter des übrigen Peritonealbelags annimmt. Man sollte das fast glauben, doch habe ich positive Angaben darüber nicht gefunden. Beiläufig will ich hier noch erwähnen, dass mir das eigenthümliche Verhalten des Eierstockepithels gegen- über dem sonstigen Bauchfellüberzuge eine treffliche Illu- stration für folgenden Ausspruch von His zu sein scheint: „Die Form einer Zelle kann nicht als eine durch die innere Organisation allein bedingte, somit specifische Eigenschaft angesehen werden, sie ist eine Funktion einestheils aller- dings der Organisation, anderntheils aber der auf die Zellen wirkenden äusseren Kräfte.“ Druck und Reibung sind wahrscheinlich auch die Fak- toren, auf welehe die Ausbildung der übrigen Bestandtheile des Peritoneum zurückzuführen ist. Natürlich fällt auch hierbei das Verhalten der von ihnen überzogenen Organe sehr in’s Gewicht, und so erklärt es sich, warum z. B. der 129 seröse Ueberzug der Leber seiner feineren Struktur nach sich etwas anders verhält als der des Darmes oder der - Leibeswand. Alle diese kleinen Verschiedenheiten aber können als Beweise für die Behauptung Kölliker’s und Rathke’s in’s Feld geführt werden, dass das Bauchfell nicht als einheit- liche Membran entsteht, dass es vielmehr in einzelnen Theilen von den Gebilden produzirt wird, welche in der Unterleibshöhle ihre Lage haben oder dieselbe begrenzen. Entwicklung des Bauchfells im Anschluss an den Verdauungstraktus. Anlage des Gekröses. Ich gehe nun zur Betrachtung der weiteren Ausbildung des Bauchfells und der Entstehung seiner wichtigsten Liga- mente und Falten über nnd zwar zunächst, soweit sie zum Verdauungsapparate gehören. Oben wurde schon ange- führt, dass auf einer sehr frühen Entwicklungsstufe (beim Hühnchen am zweiten Tage) die Primitivanlage des Darm- traktus durch eine in der Mitte des Keimes unterhalb der Chorda und der grossen Gefässe verlaufende Falte oder besser Platte mit dem Hautfaserblatt verbunden ist. — Nun entfernt sich der Darm mehr und mehr von der Chorda, und zugleich schnürt sich dann von der Mittelplatte eine schmalere Schicht unterhalb der grossen Gefässe ab, welche beim Huhn am fünften Tage schon ganz deutlich als Ge- kröse zu erkennen ist. — Mit dem Auftreten der histo- logischen Differenzirung in den übrigen Theilen des Körpers beginnt auch diese homogene Masse sich zu sondern. So - besteht das Gekröse des Menschen nach Toldt schon in der vierten Woche aus runden bis spindeligen, kernhaltigen Zellen, zwischen denen Blutgefässe verlaufen und welche segsen die Bauchhöhle hin durch eine Schicht kubischer Epithelien begrenzt sind. Allmählich ordnen sich die eylindrischen Zellen zu drei Schichten, eine mittlere, die Membrana propria, und zwei eigentliche Bauchfellschichten. Späterhin flachen sich die Epithelien ab, und bereits im Anfang des vierten Monats zeigt das Mesenterium im wesent- Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss, Bd. LIV. 1881. I 130 lichen den Bau, wie wir ihn oben vom Erwachsenen be- schrieben haben, nur enthält es noch keine Fettgewebe. Dieses beginnt erst vom 5. Monat an sieh zu bilden. Differenzirung einzelner Gekrösabschnitte. | Der vorderste, dem Rachen und Oesophagus ent- sprechende Darmabschnitt, sowie der hinterste, das spätere Endstück des Reetum, sind zu allen Zeiten gekröslos. Das Mesenterium tritt erst hinter der Herzanlage auf an der Stelle, wo sich schon frühzeitig der Magen als eine Aus- buchtung des sonst gleichweiten Darmrohres bemerkbar macht. Es ist anfänglich genau in der Mittellinie der hinteren Leibeswand angeheftet und überall gleich kurz, zeigt jedoch sehr bald und zwar Hand in Hand mit der Differenzirung einzelner Darmabschnitte wesentliche Breiten- unterschiede. Am grössten ist seine Ausdehnung in der Gegend des Mitteldarmes, von welchem sich das Dotter- bläschen allmählich abzuschnüren beginnt. Es stellt hier in der vierten Embryonalwoche eine langgezogene, spitz zu- laufende Platte dar, welche an ihren beiden längsten Seiten den absteigenden und den rückläufigen Schenkel des noch in der Nabelschnur gelegenen Mitteldarmes trägt, während die schmalste Seite vor der Wirbelsäule angeheftet ist. Nach vorn ist es durch ein gekrösloses, der späteren Flexura duodeno-jejunalis entsprechendes Stück von dem ziemlich breiten Mesenterium des Magens und Duodenums streng ge- schieden, nach hinten aber geht es weniger scharf in das des Enddarmes über. Dieses erscheint als eine Platte von der Gestalt eines rechtwinkligen Dreiecks, an dessen Hypo- tenuse der Darm angeheftet ist, dessen grösste Kathede vor der Wirbelsäule verläuft, während: die kleine die Ueber- gangsstelle in das Mitteldarmgekröse abgiebt. Jeder dieser drei Mesenterialabschnitte entspricht, wie leicht zu ver- stehen, dem Verästelungsbezirke eines der grossen Gefäss- stimme des Darmtraktus, der oberste gehört der Arteria coelica an, der mittlere der arteria mesenterica superior und der untere der arteria mesenterica inferior. Wir wollen nun die Entwickelung jedes der drei Ab- schnitte im Einzelnen verfolgen, um über die so compli- 151 eirte Anheftungsweise der Därme und die Entstehung so manches räthselhaften peritonealen Gebildes Aufschluss zu erhalten. Gastroduodenalgekröse. Der vorderste Gekrösabschnitt wird als Mesogastrium bezeichnet, vermittelt jedoch nicht die Anheftung des Magens allein, sondern auch die des Duodenum an die hintere Leibeswand. Nur der Uebergangstheil des letzteren in den Dünndarm, die spätere Flexura duodeno-jejunalis, entbehrt des Gekröses und ist sehr früh schon mit dem straffen Bindegewebe der Gegend des Ursprungs der arteria coeli- aca und arteria mesenterica superior durch feste Gewebs- züge verbunden, welche sich post partum, wie Treitz ge- zeigt bat, sogar in organische Muskelbündel, den M. suspen- sor duodeni, verwandeln. Das Vorhandensein eines Duode- nalgekröses beim Menschen ist von Toldt zuerst betont und nachgewiesen worden, doch war das Vorkommen des- selben beim Thiere schon Schenk und Bochdalek bekannt, und bei Huschke und Kölliker finde ich wenigstens An- deutungen über seine Existenz beim Menschen. Anfangs verläuft das gemeinsame Magenzwölfinger- gekröse genau in der Medianlinie des Leibes. Wenn aber die convexe Ausbiegung des Magens, der spätere Fundus, sich nach links wendet, was schon in der ersten Hälfte des zweiten Monats geschieht, zieht es in seinem oberen Theile von der Mittellinie der Wirbelsäule ebenfalls nach links hinüber, wodurch seine ursprüngliche linke Wand natürlich zur hinteren, die rechte zur vorderen wird. Da das Duodenum mit dieser Drehung des Magens nach links zugleich eine Verschiebung nach rechts erleidet und eine nach rechts convexe Krümmung bildet, an deren concaver Seite sich der untere Theil des Magenzwölffingserdarm- sekröses inserirt, muss dieser Abschnitt natürlich von der Mittellinie nach rechts hinüberziehen. Das Gekröse des Vorderdarmes wird mithin die Gestalt einer fächerförmigen Falte haben, welche von der Mitte der Wirbelsäule aus- geht und mit einer oberen nach links convexen Biegung am Fundus des Magens und einer unteren nach rechts con- 9* 132 vexen am Duodenum inserirt. So fand Toldt die Ver- hältnisse bei sechswöchentlichen Embryonen. — Um die- selbe Zeit sind die Anlagen der Milz und des Pancreas schon deutlich erkennbar. Das letztere, welches Kölliker schon in der vierten Embryonalwoche nachgewiesen hat, entsteht vom hinteren Umfange des Duodenum und muss daher selbstverständlich im Gekröse desselben liegen. Sein Kopf bleibt auch in demselben, während der übrige Theil bald in die untere Partie des Mesogastrium hineinrast. Die Milz bildet sich in der Nähe des Magens aus dem Blastem des Mesogastrium, woher ihre Beziehungen zu den Derivaten desselben, dem grossen Netz, dem ligamentum sastro-lienale, phrenico-lienale u. s. w., auf welche wir noch näher eingehen werden, leicht verständlich sind. Entstehung des OÖmentum majus. Im Beginn des dritten Monats hat der Magen schon ungefähr die Stellung erhalten, die wir beim Erwachsenen finden, d.h. sein. Fundus hat sich gesenkt. Nun geht das Mesogastrium nicht mehr straff von der Wirbelsäule nach dem grossen Magenbogen herüber, sondern hängt als schlaffe Falte von ihm herab. Diese Falte hat J. Müller zuerst richtig als Anlage des Omentum majus gedeutet. Die Insertion des Mesogastrium selbst verändert ihre Lage, indem sie in ihren oberen Theilen immer mehr von der Mittellinie hinwegrückt und einen schrägen Verlauf annimmt. Die Ursachen dieses Vorganges sind noch nicht dagewesen. J. Müller führt ihn auf die Querstellung des Magens zurück und denkt an eine mechanische Verschie- bung, während Toldt eine partielle Verlöthung des hinteren, früher linken Blattes des Mesogastrium mit der hinteren Leibeswand annimmt. Trotzdem Toldt eine grosse An- zahl von Gründen hierfür herbeibringt, möchte ich mich eher zu Müller’s Ansicht bekennen, und eine durch mecha- nische Einflüsse oder besser gesagt, durch Wachsthums- differenzen bedingte Lageveränderung annehmen, bei der allerdings nicht nur die Querstellung des Magens, sondern auch noch andere Umstände, z. B. das Wachsthum des Zwerchfells, der Bauchwand und der Nieren eine Rolle ge- 133 spielt haben könnten. Was mich veranlasst hat, Toldt’s auf zahlreiche Untersuchungen gestützter Behauptung nicht beizupflichten, will ich unten auseinandersetzen, wo von dem Wachsthumsmodus der Bauchfellgebilde, wie ich ihn mir vorstelle, die Rede ist. Verstreichen des Duodenalgekröses. Zugleich mit der Schiefstellung der Haftlinie des Meso- gastrium an der Rückenwand tritt auch eine Veränderung in der Anheftungsweise des Duodeum und zugleich natür- lich des in seine Concavität eingeschlossenen Pankreas- kopfes ein. Der Zwölffingerdarm nimmt nämlich jetzt schon die von W. Braune beschriebene ringförmige Gestalt an, welche dadurch bedingt wird, dass der Pylorus etwas herab- sinkt, und dass sich auf diese Weise sein Anfangsstück der Flexura duodeno-jejunalis nähern muss. Hand in Hand hiermit fängt das Duodenum an, seine freie Beweglichkeit einzubüssen und sich sammt dem Pankreas eng an die rechte Hälfte der Rückenwand anzulegen. Wahrscheinlich ist diese Veränderung auf Wachsthumsdifferenzen zurück- zuführen, bei welchen hauptsächlich die Vergrösserung der rechten Niere und die Flächenausdehnung der rechten Leibeswand eine Rolle spielen, ähnlich wie oben bei der Verschiebung des Mesogastrium schräg nach links hin. Als ein Produkt dieser Verziehung des Mesoduodenum glaube ich auch das manchmal vorhandene ligamentum duodeno- renale deuten zu können. Anheftung der Milz an das Zwerchfell. Mit der Zeit vergrössert sich nun die Falte des Meso- gastrium oder des Omentum majus immer mehr und hängt immer tiefer von der grossen Magenkurvatur herab. Sie besteht nun aus einer vorderen, von diesem Magenbogen herabsteigenden Platte, welche in eine rückläufige hintere, schräg an der Rückenwand inserirende übergeht. In den oberen linken Theil des Netzes eingeschlossen und zwar das ursprüngliche linke Blatt des Mesogastrium etwas über- wuchernd, liegt die Milz, die anfangs in keiner Verbindung mit Zwerchfell und Colon transversum steht und sieh somit 134 ganz ähnlich verhält, wie ich es bei Fleischfressern z. B. beim Iltis und der Katze als bleibenden Zustand gefunden habe. Wenn aber die Verschiebung der Haftlinie des Mesogastrium oben noch weiter nach links vorrückt, muss es bald dahin kommen, dass sie das Zwerchfell erreicht, wodurch die beim Erwachsenen bestehende Anheftungsweise vorberei- tet wird. Beziehungen des Omentum majus zum Mesocolon transversum. Der untere Theil der Haftlinie des Magengekröses nimmt allmählich eine beinahe horizontale Richtung an und liest am Ende des vierten Monats ganz in unmittelbarster Nähe und fast parallel der Ausgangslinie des Mesocolon transversum, welches bereits seine bleibende Lage oberhalb des Dünndarmes quer von links nach rechts eingenommen hat. Bald tritt nun das Mesogastrium mit dem Mesocolon transversum in engste Verbindung, welche von rechts nach links und von oben nach unten in der Weise fortschreitet, dass es schliesslich den Anschein hat, als wenn die hintere, rückläufige Platte des grossen Netzes, die ursprünglich an der hinteren Körperwand festsass, jetzt von der vorderen Fläche des Colon transversum ausgehe. In der That nahmen auch viele Autoren an, dass beim Erwachsenen, denn erst bei diesem erreichen die beschrie- benen Entwicklungsvorgänge ihre Vollendung, die rück- läufige Netzplatte, am Colon angelangt, auseinanderweiche, den Quergrimmdarm zwischen sich nehme, ihm bei dieser Gelegenheit seinen Peritonealüberzug gebe und dann, die obere und untere Platte des Mesocolon transversum bildend zur Rückenwand ziehe. Dieser Ansicht waren z. B. Lauth (Nr. 35), Meyer (Nr. 42), Bochdalek (Nr. 5). Andere wieder, wie Meckel (Nr. 40, 41), Huschke (Nr. 27), Arnold (Nr. 1), Luschka (Nr. 37), meinten, dass es sich hier nur um eine Verklebung der hinteren Fläche der rückläufigen Netzplatte mit der oberen Lamelle des Mesocolon transver- sum handele, und einzelne behaupten sogar, dass sich selbst beim Erwachsenen das Netz vom Mesocolon ablösen und bis zur hinteren Körperwand verfolgen lasse und erst dort 135 in das Quergrimmdarmgekröse umbiege. — Die Wahrheit liegt auch hier in der Mitte. Allerdings ist das Netz beim Erwachsenen fest mit dem Mesocolon verbunden und geht anscheinend in den serösen Ueberzug desselben über, doch war es ursprünglich von ihm völlig getrennt, nur lagen die Haftstellen beider einander so nahe, dass sie bald in un- mittelbare Berührung treten mussten. Stellt man sich vor, dass an der Berührungsstelle eine Wachsthumshemmung eintrat, während alle anderen Theile der beiden Gebilde gleichmässig weiterwuchsen, so ist es leicht erklärlich, dass die Umschlagsfalte der hinteren Fläche des grossen Netzes zum oberen Blatte des Mesocolon von der Rückenwand immer weiter nach dem Darme selbst vorrücken, ja endlich ganz verschwinden musste. Den Grund für diesen Vorgang könnte man wohl in dem Zuge suchen, welchen das herab- hängende Netz und das wachsende Colon transversum auf die Falte üben oder vielleicht auch in dem überwiegenden Wachsthum des Colon transversum und seines Mesenterium sesenüber dem des grossen Netzes. — Bei dieser Gelegenheit will ich noch der Beziehungen gedenken, in welchen Körper des Pankreas und Mesocolon zu einander stehen. - Der erstere lag, wie oben erwähnt wurde, anfänglich im untersten Theile des Mesogastrium ; bei dem faltigen Herabsinken des letzteren bleibt er in die rückläufige hintere Platte desselben eingeschlossen, kommt sammt dieser in Berührung mit dem Mesocolon transversum und erhält, wenn die Umschlagsfalte von Netz zu Mesoco- lon in der oben angedeuteten Weise verstrichen ist, seine beim Erwachsenen beobachtete Lage, nach welcher es scheint, als sei er zwischen die Blätter des Quergrimm- darmgekröses an der Haftstelle derselben eingeschlossen. Beziehungen der Milz zum Mesocolon. Da die enge Vereinigung zwischen Netz und Mesocolon sich bis ganz nach links hin zur Flexura coli sinistra er- streckt, muss es, wenn diese Biegung an der linken hinte- ren Körperwand fixirt worden ist, zu bänderartigen Ver- bindungen zwischen dieser Flexur, dem unteren Milzende und dem Zwerehfell kommen. So entsteht das von Phoebus 136 (Nr. 46) entdeckte ligamentum pleurocolieum oder besser phrenico-colinum, welches Huschke zuerst richtig als ein Derivat des grossen Netzes erkannt hat. Omentum ceolieum Halleri. Anfänglich reicht die Haftlinie des Mesogastrium nicht über die Mittellinie der Rückenwand hinaus. Ist es aber erst einmal mit dem Mesocolon in Verbindung getreten, so wird es beim Vorrücken desselben nach rechts immer weiter nach dieser Richtung hin verzogen, ja das rechte Ende -des grossen Netzes haftet schliesslich sogar an der Flexura coli hepatica und an den obersten Partien des Colon ascendens fest. Selbstverständlich wird bei dieser Wanderung oder besser Verziehung seiner Insertion nach rechts auch die Uebergangsstelle des rechten Netzendes zur Pylorusgegend des grossen Magenbogens weiter nach rechts verschoben, und so muss diese Uebergangsfalte über das Gekröse des Duodenum und dieses selbst allmählich - hinwegwandern. Diese Verschiebung ist höchst eigenthüm- lich, steht indessen, wenn man an das Hinabsteigen des Hodens und die Verziehung seines Gekröses denkt, durch- aus nicht vereinzelt da. Uebersicht über die vom Mesogastrium abstam- menden Gebilde. Ueberblieken wir noch einmal die Veränderung der Haftstellen des Mesogastrium, dessen Ansatzlinie, die grosse Magenkurvatur, konstant bleibt, so sehen wir, dass aus einer geraden, vor der Mittellinie der Rückenwand ver- laufenden Linie ein weiter Bogen geworden ist, der von der Gegend der Cardia links nach dem Zwerchfell und von da zur Flexura coli sinistra hinzieht, längs des Colon trans- versum bis zur Flexura coli hephatica, ja bis zu den obe- ren Theilen des Colon ascendens hinläuft und von dort über das Duodenum hinweg zur Pylorusgegend des grossen Magenbogens geht. Hier, rechts, gehen Ansatz- und Haft- stelle natürlich ohne scharfe Grenze in einander über, ebenso wie links in der Gegend der Cardia. — Von dieser Haft- und Ansatzlinie hängt nun der grosse Netzbeutel vor 137 den Eingeweiden herab. — In der Gegend der Milz werden einzelne Abschnitte desselben, also Abkömmlinge des gros- sen Netzes, als besondere Bänder aufgeführt. Diese sind das ligamentum phrenico-gastrieum, welches ich als den Anfangstheil des Mesogastrium ansehen möchte, weiterhin das ligamentum gastrolienale zwischen Magen und Milz, das ligamentum pleurocolicum und phrenico-colieum zwischen Zwerchfell, Milz und Colon. Dasselbe sollte eigentlich besser unterschieden werden in ein ligamentum phrenico- lienale und colieolienale. Den Namen ligamentum phrenico- eolieum verdient eigentlich nur die zwischen Zwerehfell und Colon ausgespannte Falte, welche von Hensing als lig. colieum sinistrum superius bezeichnet worden ist, und die, wie Huschke schon hervorhebt, mit dem Netze und der Milz gar niebts zu thun hat, sondern in Folge der Fixation des absteigenden Grimmdarms an die hintere Leibeswand zu Stande kommt. Histologische Entwicklung des Netzes. In den frühesten Entwieklungsstadien, bis zur vierten Woche hin, besteht das Mesogastrium, wie alle anderen Gekröse, nach Toldt's Angabe aus einer beiderseits mit Epithel bekleideten gefässhaltigen Lage von runden bis spindeligen Bindegewebszellen. Erst nach und nach ordnen sie sich zu den bekannten drei Schichten, welche in der elften Woche schon deutlich erkennbar sind. Eine Aus- nahme macht nur der das Omentum constitairende Theil des Magengekröses, welcher immer auf eine einfache Binde- gewebsschicht beschränkt bleibt. Die ersten Vorläufer des Feitgewebes sind im fünften Monate zu erkennen als grosse, kugelige, im Bindegewebe zerstreute Zellen mit scharfer. Begrenzung, trübem, feinkörnigem Inhalte und scharf con- tourirten Kernen, in deren Nähe Fetttröpfehen liegen. Verschmelzen der Netzplatten unter einander und Lückenbildung. Während des postembryonalen Wachsthums gehen mit der bursa omenti majoris noch weitere Veränderungen vor sich, welche in der Verwachsung ihrer beiden Platten und in Lückenbildung bestehen. Die letztere tritt nach Toldt schon zwischen dem ersten und vierten Lebensjahre ein und ist, wie er sagt, „die Folge einer der Flächenausdeh- nung der Netzplatten parallel gehenden Rarefication des Gewebes an jenen Stellen, welche zwischen den stärkeren Bindegewebszügen gelegen sind.“ Diese Rarefication beruht, wie er weiterhin angiebt, darauf, dass nur die gefässum- spinnenden Bindegewebszüge an Stärke zunahmen, während die zwischen ihnen gelegenen Partien an Flächenausdehnung weit mehr gewinnen, als ihrer lokalen ee entspricht. — Mir scheint diese Deutung bei weitem den Vorzug zu verdienen vor der Theorie Ranvier’s (Nr. 48.), der die Lücken von einer Durchbohrung der früher undurchbroche- nen Membran durch lymphoide Körperchen herrühren liess, und selbst vor der Klein’s (Nr. 34.), der eine Verflüssigung: der Kittsubstanz zwischen den Fibrillen behauptete _ Eine ähnliche Lückenbildung, die vielleicht auf ganz analogen Vorgängen beruht, findet sich übrigens, wie ich hier beiläufig erwähnen will, an den Gekrösen einiger Fische, z. B. der Petromyzonten, Cyprinen und Sygnathen, bei welchen die Gefässe frei von der Rückenwand nach dem Darme hinverlaufen, nach J. Müller’s Vermuthung jedoch in einem früheren Entwicklungsstadium ebenfalls in einem zusammenhängenden Gekröse enthalten waren. Hand in Hand mit der Rarefication des Omentum findet in der ersten Zeit post partum eine Verwachsung der beiden Netzplatten statt, die ursprünglich einen durch Aufblasen darstellbaren Hohlraum enthielten. Diese Verklebung ist, wie ich vermuthe, als eine Folge. der Lückenbildung selbst anzusehen. Letztere wird nämlich von einem Auseinander- weichen des Endothelbelages begleitet, und nichts ist nun leichter verständlich, als dass Bindegewebsfasern der einen Platte, die ihrer Bedeckung beraubt sind, mit solchen der anderen in Contakt treten, dass sich Gefässramifikationen ‚zwischen beiden bilden, dass der Rest des Endothels dann vollends schwindet und eine unlösbare Verwachsung der Schichten eintritt, die nicht einmal ihre früheren Lagen mehr erkennen lässt. 159 Vielleicht ist auch die völlige Funktionslosigkeit dieser Lamellen, welche ohne irgend welche erhebliche Verschie- bung einander dicht anliegen, als unterstützendes Moment anzusehen. Die Verwachsung beginnt am Omentum coli- eum und erstreckt sich schliesslich auf den ganzen Theil des ursprünglichen Mesogastrium, welcher von dem Colon transversum herabhängt. Nach Vollendung dieses Vorganges ist das Colon transversum durch eine lisamentöse Brücke, welche als ligamentum gastrocolieum bezeichnet wird, mit der grossen Magenkurvatur in direkte Verbindung ge- treten. — | Wie wir gesehen haben, stellt die Entwicklung des ursprünglichen Magengekröses ein seltsames Gemisch von Wucherung und Artrophie dar. Bis zu seiner völligen Aus- bildung herrscht bei ihm die Tendenz zur Flächenausdeh- nung vor und erst in späteren Epochen gesellt sich dazu ein Schwinden seiner Bestandtheile.. Das betrifitt nament- lich seine untere Region, das eigentliche Netz, welches, wie wir bei der histologischen Beschreibung desselben be- reits erwähnten, den Charakter eines Gekröses gänzlich verliert; dieser bleibt nur der oberen und allenfalls der Insertionsstelle der unteren Partie des ursprünglichen Meso- gastrium gewahrt; denn nur in den Milzbändern und an der grossen Kurvatur verlaufen die bedeutenderen Gefässe, welche zur Ernährung des Magens und seiner Anhangs- drüsen dienen. — Entstehung der Leberbänder und des. Omentum minus. Noch schwieriger als die Veränderungen, welche das Mesogastrium erleidet, ist die Entstehung und Weiterent- wicklung der Leberbänder und des kleinen Netzes zu erklären und zu verstehen. Zwar weist schon ihr ana- tomisches Verhalten zu dem Magen und seinem Gekröse darauf hin, ihr Werden und Wachsen zu dem der letzteren in engste Beziehung zu bringen, aber gerade diese Be- ziehung ist so schwer zu erklären, dass unsere Kennt- nisse auf diesem Gebiete noch sehr lückenhaft sind. Die Ursachen hiervon sind die frühe Entstehung der Leber, 140 welche die Untersuchung sehr erschwert, und die vielfachen, fast verwirrenden Beziehungen ihrer Gefässe zum Herzen, Darm, Dottersack, Allantois u. s. w., welche es erklärlich erscheinen lassen, dass Längs- und Querschnitte hier nicht ausreichen, um uns ein vollkommen klares Bild von dem Verlaufe der einzelnen Falten zu geben. Die Zahl der Autoren, die sich betreffs des vorliegenden Punktes über- haupt aussprechen, ist, wie nach dem Angeführten leicht verständlieh ist, nicht sehr gross. — Ueber die Entstehung und entwieklungsgeschichtliche Bedeutung des ligamentum coronarium und suspensorium habe ich nirgends auch nur eine Andeutung gefunden und betreffs des Omentum minus nur kurze, flüchtige Bemerkungen. So sagt z. B. Huschke: „Das Omentum minus ist die Folge der Trennung der Leber ‚von ihrer embryonischen innigen Verbindung mit dem Magen.“ Ganz ähnlich lässt sich auch Hennieke (Nr. 20.) hierüber aus, und selbst Kölliker begnügt sich in neuster Zeit mit der Bemerkung, dass das kleine Netz mit der Entwicklung der Leber vom Duodenum aus entsteht. Erst Toldt hat vor Kurzem diese Verhältnisse einer eingehen- deren Untersuchung gewürdigt, als deren Resultat er die Behauptung aufstellt, das Omentum minus sei als Fort- setzung des Mesocardium postiecum zu betrachten. — Auf Grund einzelner Andeutungen bei Kölliker und nach Vergleichung von Toldt’s Angaben mit Zeichnungen von Kölliker und Götte glaube ich diese Behauptung be- stätigen zu können, nur scheint es mir, als ob man mit Recht geltend machen könnte, dass Toldt die Betheilisung des Duodenum und seines Gekröses beim Auftreten dieser Falte zu sehr ausser Augen gelassen habe, und dass seine Erklärung deshalb an Einseitigkeit leide. Beiläufig will ich hier noch erwähnen, dass Toldt auch einen Durchschnitt durch Magen- und Lebergegend eines menschlichen Embryo veröffentlicht, auf welchem es er- - scheint, als ob sich vom Magengekröse rechts ein gekrös- artiges Blättehen abspalte, das zur Leber hingeht. Eine Erklärung dieser Beobachtung giebt er jedoch nicht. 141 - Entwicklung der Lebervenen. Um zu einem richtigen Verständnisse dieser Verhält- nisse zu gelangen, muss man die Entwicklung der Venen mit in Betracht ziehen, welche mit der Leber in Verbindung treten. Von menschlichen Embryonen sind hierüber nur wenige und äusserst lückenhafte Beobachtungen vorhanden, dagegen sind die Forschungen an Säugethieren, namentlich an Kaninchen, ziemlich ausreichend, um die vorhandenen Defekte ergänzen zu können. Ich folge hier im Grossen und Ganzen der Darstellung Köllikers. Nach ihm verlaufen bei zweiwöchentlichen menschlichen Embryonen die Venae umbilicales in der Wand der noch weit offenen Bauchhöhle, also ganz im Seitentheille des Embryo, nach vorn. Ihr gemeinsamer Stamm mündet in den Hauptstamm der Vena omphalo- mesenterica ein, welcke an der Bauchfläche des Vorder- darmes in das Mesocardium posticum übertritt und sich so in das Herz ergiesst. Die Wurzeln der letzteren kommen von der vorderen Fläche des Dottersackes und sind weiter- hin mit der Wand des Vorderdarmes verwebt. Es ist klar, dass in dieser Periode ein Zusammenhang zwischen Meso- eardium und dem gemeinsamen Darmgekröse besteht. Letzteres fängt da an, wo das erstere aufhört, und das Herzgekröse, welches an der Ventralläche des Oesophagus- antheiles des Darmes haftet, geht über seine Vorderfläche hinweg etwas nach hinten in das seine Hinterfläche mit der Wirbelsäule verbindende Mesenterium über. Wenn nun von der Vorderfläche des Darmes aus oder von irgend einer. Seite seines Gekröses eine Falte aufgehoben wird, so muss auch diese selbstverständlich im Zusammenhange mit dem Mesocardium posticum stehen. In dieser Be- ziehung ist also Toldt’s Darsteliung, welche Verhältnisse dieser Art von einer allerdings etwas späteren Entwicklungs- stufe schildert, durchaus zu bestätigen, dagegen ist aber hervorzuheben, dass diese Falte, wie ich weiter unten dar- legen werde, genetisch mit dem Mesocardium in keinem Zusammenhange steht, dass sie nicht aus diesem, sondern aus dem Gekröse des Darmes entstanden ist. — 142 Vorläufig wollen wir die Entwicklung der oben ge- nannten Venen weiter verfolgen. Bei Embryonen der fünften Woche, bei welchen die Leber natürlich schon vorhanden ist, haben sich nach Kölliker die Verhältnisse in sofern ge- ändert, dass die rechte Vena omphalo-mesenterica ver- schwunden ist, und dass die linke, von der linken Seite des Duodenum her hinter dem Pylorus hinweg zur rechten Seite des Darmes gelangt, ein Vorgang, dessen Zustande- kommen noch völlig räthselhaft ist. Auch die rechte Vena umbilicalis ist verschwunden, die linke dagegen so unver- hältnissmässig gewachsen, dass die Vena omphalo-mesen- terica, die ursprünglich viel bedeutender war, jetzt nur ein Zweig derselben zu sein scheint. Die Nabelvene ist nun schon in Verbindung mit dem Leberparenchym getreten, von ihm umwachsen worden und sendet zu- und abführende Venen zu ihm. Ihr Hauptstamm geht jedoch daran vorbei und bezeichnet den späteren Duetus venosus Arantii. Schliesslich tritt die Nabelvene zum Herzeu und zwar mit der Vena cava inferior zusammen, die jetzt bereits vor- handen, aber der Vena umbilicalis gegenüber nur schwach entwickelt ist. Im ferneren Verlaufe vergrössert sich die Vena cava inferior bedeutend, rückt näher an die Leber heran und nimmt endlich die Venae hepaticae revehentes selbst auf. Der Mesenterialast der Vena omphalo-mesen- terica gewinnt die Oberhand über den Dottersackzweig, der nach Abschnürung des Dottersackes schliesslich ganz ein- geht. Nach seinem Verschwinden wird der Stamm der Mesenterialvene, die sich noch in die rechte Vena hepatica advehens ergiesst, als vena portae bezeichnet. Mit der Verödung der Vena umbilicalis post partum werden die venae advehentes zu Zweigen der-venae portae und der Ductus venosus Arantii zum ligamentum venosum. Entwicklung der Leber. Die Leber selbst entsteht an der ventralen Seite des Vorderdarmes da, wo Magen und Duodenum an einander grenzen, als eine Ausstülpung des Intestinalrohres nach der Gegend des Herzens hin, Am menschlichen Embryo, bei welchem sie schon in der zweiten Hälfte der dritten Woche 145 sesehen wurde, ist ihre Entwicklung in den frühesten Stadien noch nicht genauer beobachtet worden, dagegen ist dieselbe an Thieren, namentlich an Kaninchen ziemlich genau untersucht. An zehn Tage alten Embryonen der letzteren fand sie Kölliker im Zusammenhang mit der vorderen Körperwand (und vielleicht auch mit dem vorderen Umfange des Dottersackes?), also eine Art vorderes Leber- sekröse vorhanden. Wie lange diese Vereinigung, die mit der späteren Verbindung der Leber und der vorderen Leibes- wand durch das lig. suspensorium und ligamentum teres schwerlich etwas zu thun hat, bestehen bleibt, giebt er nieht an, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass sehr früh, vielleicht schon mit der allgemeinen Verbreitung eines wohlcharakterisirten Epithels in der Bauchhöhle und der weiteren Abschnürung des Dotterbläschens, eine Trennung eintritt. Für das Verstöndniss der Entwicklung der Leber- bänder, namentlich des lig. coronarium, ist schliesslich noch ein Vorgang wesentlich; es ist dies die Entstehung des Zwerchfelles, die, wie oben erwähnt, ungefähr in dieselbe Zeit fällt. Durch sie wird erst der vollkommene Anschluss der eigentlichen Bauchhöhle hervorgebracht, und der Aus- breitung der Leber nach der vorderen Rumpfhöhle hin ein fester Widerstand entgegengesetzt. Entstehung des Omentum minus und ligamentum hepato-duodenale. Mit Berücksichtigung der geschilderten Vorgänge kann man sich ungefähr folgendes Bild von der Entwicklung der Leberbänder machen, das vielleicht in seinen Einzelheiten der Wahrheit nicht ganz entspricht, in seinen allgemeinen, sröberen Zügen indessen wohl zutreffend ist: Die Leber entsteht von der Ventralseite des Duodenum und wuchert, den Peritonealüberzug dieses Gebildes und weiterhin auch des Magens und ihrer Gekröse emporhebend, nach vorn gegen das Herz zu, indem sie sich immer an der Vorder- fläche des Darmes hält. Dort in der Herzgegend, wo das Zwerchfell eine vollkommene Scheidewand zwischen Peri- toneal- und Brusthöhle zu Stande bringt, trifft sie die Vena 144 umbilicalis, welche jetzt schon aus ihrer ursprünglichen Lage in der Seitenwand des Leibes nach der Mittellinie des- selben gerückt ist, was als Folge der zunehmenden Ab- schnürung des Dottersackes und der vollkommeneren Schliess- ung der Bauchhöhle angesehen werden muss. Mit dieser Wanderung der Vene ist auch die Falte, in der sie ge- borgen war, und die, wie oben erwähnt wurde, ursprüng- lich zum Mesocardium hinzog, nach der Mittellinie verschoben worden. Da das Ende der Vena omphalo- mesenterica, welche sich in die Vena umbilicalis ergiesst, jetzt rechts vom kleinen Magenbogen dahinläuft, muss der Stamm der Vena umbilicalis auch rechts von diesem liegen. Wenn nun die Leber mit der Nabelvene zusammentrifft, drängt sie die letztere nach rechts und etwas nach unten, woher es kommt, dass dieselbe an die untere und hintere Fläche dieses Organes gelangt und von hier aus ihre Aeste. in das- selbe hineinsendet. Die Berührungsstelle hat man etwa da zu suchen, wo späterhin die Vena cava inferior verläuft, und wo die Venae hepaticae in diese einmünden. Von hier aus wuchert die Leber nun über die Venen und Magen und Darm frei in die Bauchhöhle hinein. Durch ihren Ausführungsgang bleibt sie mit dem Zwölffingerdarm und der rechten Wand des Gastro-duodenalgekröses in steter Verbindung, zieht durch ihr Wachsthum die rechte Wand des Mesogastrium nach rechts hervor und bildet so eine Art Recessus dieser Wand. Die Falte der rechten Gekrös- platte wird noch vergrössert durch die Drehung der grossen Magenkurvatur nach links, namentlich aber durch die Quer- stellung des Magens. Dieser kann die Leber, da sie an. der hinteren Leibeswand in Folge ihrer engen Verbindung mit dem Ende der Vena umbilicalis (resp. Vena cava inferior) festhaftet, nicht folgen und es muss sich‘ daher zwischen kleiner Kurvatur einerseits und der Lebervene in ihrem ganzen Verlaufe an der unteren Leberfläche, dem späteren Ductus venosus Arantii, andererseits eine binde- gewebige Platte ausspannen. Der freie Rand derselben wird von der Vena omphalo-mesenteriea ausgefüllt, die ja ursprünglich in ihrem Verlaufe zur Vena umbiliealis in die rechte Wand des Gastro-duodenalgekröses eingebettet lag, BR AR A Te Re r “ u Pe 3 145 und die natürlich jetzt der Lageveränderung des Magens ebenfalls nicht folgen kann, eben weil sie an der Ein- trittsstelle der Vena umbilicalis in die Leber in erstere mündet und daher ebenfalls an die Leber fixirt ist. — Die zwischen kleiner Kurvatur, Ductus venosus Arantii und der Vena omphalo-mesenterica, der späteren Vena portae, aus- gespannte Bindegewebsplatte, das Omentum minus, ist so- mit als ein Abkömmling der rechten Platte des Magen- zwölffingerdarmgekröses (resp. des serösen Ueberzuges dieser Darmtheile) anzusehen. — Das ligamentum hepato-duodenale, welches Vena por- tae, Ausführungsgang der Leber und Gallenblase und Arteria hepatica einschliesst, ist weiter nichts als der nach vorn und rechts hin sehende freie Rand der Falte. Kleiner und grosser Netzbeutel. Aus obiger Darlegung ergiebt sich ganz klar die Stel- lung, welche wir dem kleinen Netzbeutel, d.h. dem Raume hinter dem Omentum minus, anzuweisen haben. Derselbe ist nichts anderes als ein Recessus der rechten Wand des Mesogastrium, eine Auffassung, die auch Herr Prof. Welcker immer betont. — Sein Zustandekommen ist ganz allein ab- hängig von der Entwicklung der Leber; er würde auch ohne die Drehung des Magens nach links und die dadurch bedingte Wendung des Mesogastrium nach dieser Seite vor- handen sein. Letzterem Vorgange verdankt allein die Bursa omenti majoris ihr Dasein, welche als eine Aussackung des ganzen Mesogastrium anzusehen ist. Uebrigens ist die genetische Verschiedenheit beider Höhlen, die auch Toldt bestätigt, anatomisch, wie schon Huschke hervorhebt, durch das ligamentum gastro-pancreaticum angedeutet. Dieses "stellt eine an der Rückenwand von der Gegend der Cardia zum Pancreas verlaufende Falte dar, welche die hintere Um- wandung der Communicationsöfinung zwischeu kleinem und grossem Netzbeutel abgiebt. Die vordere Grenze dieser Oeffnung ist der kleine Magenbogen. Die Entstehung des lig. gastro-panereatieum steht wahrscheinlich mit der Quer- stellung des Magens in engstem Zusammenhange. Zeitschr. £. d. ges. Naturwiss. Bd. LIY. 1881. 10 146 Entstehung des lig. suspensorium. Durch die weitere Entwicklung der Leber wird die Vena umbiliecalis immer weiter von der vorderen Körper- wand abgedrängt, bleibt jedoch dadurch mit ihr in Ver- bindung, dass ihr peritonealer Ueberzug zu einer sichel- föormigen Falte ausgezogen wird, in deren freiem Rande die Vene selbst verläuft; so entsteht das lig. suspensorium, das auch beim Erwachsenen noch das ligamentum teres, die verödete Nabelvene, mit der vorderen Bauch- und unteren Zwerchfellswand in Connex bringt. Ligamentum coronarium. Die retroperitoneale Haftstellle der Leber hinten am Zwerchfell, die ursprünglich auf die Gegend der Vena cava beschränkt war, gewinnt durch das Wachsthum dieser Drüse nach der queren Dimension immer mehr an Ver- breiterung. So entsteht das Ligamentum coronarium, die Umschlagsfalte des parietalen Peritoneum der concaven Zwerchfellsläche und der hinteren Körperwand auf den stumpfen Rand der Leber. Man könnte dasselbe, da es mit dem kleinen Netze links in engster Berührung steht, nöthigenfalls noch als einen Ausläufer des ursprünglichen Gastroduodenalgekröses deuten. Es stellt kein eigentliches freies Band dar, da von der Leber hinten ein ziemlich breites Stück ohne serösen 'Ueberzug ist; erst durch Ab- drängen der Leber vom Zwerchfelle lässt sich die Falte gut zur Anschauung bringen. Lig. hepato-colicum und hepato-renale. Durch das excessive Wachsthum der Leber werden auch noch Theile der hinteren Körperwand faltig aufge- hoben. So entstehen das ligamentum hepato-renale und hepato-colieum, welche sich von der unteren binteren Fläche des rechten Leberlappens und zwar von der Gegend der unteren Platte des Ligamentum coronarium her zur rechten Niere und der Gegend der Flexura coli-dextra hinziehen und manchmal accessorische Pfortadern enthalten. Das ligamentum hepato-colieum hängt meist mit dem rechten Ende des grossen Netzes, dem Omentum colicum Halleri, 147 zusammen und geht unten oft in die Ausläufer des liga- mentum gastro-duodenale über, als dessen Verlängerung es erscheint. Ligamenta triangularia. Die Ausbildung der Leberbänder ist zu verschiedenen Entwicklungszeiten eine verschiedene und steht in engstem Zusammenhange mit den Grössenverhältnissen dieses Organs. Am Ende des ersten Drittels der intrauterinen Entwicklung hat dasselbe ein so enormes Volumen, dass es fast die ganze Unterleibshöhle ausfüllt. Späterhin jedoch bleibt es im Wachsthum dem übrigen Körper gegenüber etwas zurück; namentlich betrifft das den linken Lappen, der an Grösse dem rechten ursprünglich gleich kam und den Magen völlig bedeckte. Dieses Zurückbleiben des linken Lappens gegen- über dem rechten beruht nach Toldt und Zuckerkandl (Nr. 92) nieht blos auf einem verhältnissmässig geringeren "Wachsthume desselben, sondern auf einem wirklichen Schwinden von Lebersubstanz, was durch das Vorkommen von Blut- und Gallengefässen im ligamentum triangulare sinistrum hinreichend bewiesen ist, und hat nach His (Nr. 93) seinen Grund in einem ganz festen Entwicklungsgesetze, welches er dahin formulirt, dass die Leber immer nach der Richtung des mangelnden Widerstandes hin wachse und überall da atrophire, wo letzterer vorhanden sei. Der Grund für die Verkümmerung des linken Leberlappens sei im zu- nehmenden Wachsthum des Magens zu suchen. Durch die starke Entwicklung des Magens wird nun nach C. E. E. Hofmann (Nr.25.) das lig. suspensorium hepatis, das ursprünglich mehr in der Nähe der Mittellinie verlief, etwas weiter nach rechts verdrängt. Dasselbe legt sich ferner, wie Luschka (Nr.37) angiebt, so um, dass es den linken Leberlappen in einer Art von Tasche aufnimmt. In Folge des Schwindens der Lebersubstanz wird auch das ligamentum coronarium deutlicher ausgeprägt, nament- lieh aber sein rechtes und linkes Ende, das lig. triangu- lare dextrum et sinistrum. Von diesen ist das letztere be- sonders gut ausgebildet, enthält, wie schon oben erwähnt, Blut und Gallengefässe und manchmal sogar abgesprengte | 10% I LEE var. nr EL E =, Dre a. re aa $ 148 Leberläppchen. Es stellt nach v. Brunn (Nr. 5.) anfänglich, wenn der linke Lappen noch weit nach links himüberreicht, eine rechteckige Falte dar, deren rechter Winkel von ihrer Insertion am stumpfen Leberrande einerseits, und anderer- seits von der Verbindungslinie zwischen der äussersten Ecke des letzteren und dem Zwerchfelle, also von dem freien Rande der Falte gebildet wird. Je weiter nun diese Ecke nach rechts hinüberrückt, desto stumpfer wird der Winkel und desto länger der freie Rand der Falte, die beim Er- wachsenen manchmal bis in die Gegend der Milz hinüber- zieht. Bursae phrenico-hepaticae und Recessus hepatico-renalis. Nach v. Brunn hat diese Falte übrigens die Gestalt eines |, dessen horizontale Platte an der Leber haftet, und dessen senkrechte den freien Rand darstellt. Vor und hinter der Platte entstehen nun mehr oder weniger tiefe, ziemlich eon- stante Recessus, die Bursae phrenico-hepaticae anterior und posterior, welche sich durch eine nach v. Brunn wahr- scheinlich pathologische Verklebung ihres freien horizon- talen Randes mit dem Zwerehfell manchmal noch mehr ver- tiefen und deutlicher ausbilden können. Auch rechts ist eine Bauchfellgrube vorhanden, die Luschka Recessus hepatico-renalis nennt; sie wird oben vom Ligamentum triangulare dextrum, unten vom lig. hepa- torenale begrenzt und nimmt das rechte Ende des soge- nannten stumpfen Leberrandes auf. Mittel- und Enddarmgekröse. Nabelschleife. . Ich wende mich nun zur Betrachtung der übrigen Ge- krösabschnitte.. Bei der oben gegebenen Uebersicht und Eintheilung der Mesenterien war auf eine Entwicklungs- stufe des Darmes rekurrirt worden, welche denselben schon in fast vollendeter Abschnürung vom Dottersacke zeigte. In einem etwas früheren Stadium, welches dem Anfange oder der Mitte der dritten Woche entspricht, ist die Com- munication zwischen beiden noch sehr weit, dagegen sind 149 Vorder- und Enddarm bereits geschlossen. Allmählich schnürt sich der Mitteldarm indessen mher und mehr von dem Dotterbläschen ab, schliesst sich zugleich und wächst zu der oben beschriebenen winkelig gebogenen Schlinge aus, die an ihrer Spitze mit dem Dotterbläschen durch einen Gang communieirt, und die, was Meckel und Oken zuerst als normalen Zustand erkannt und beschrieben haben, zum grössten Theile im Nabelstrange gelegen ist. Der obere oder absteigende Schenkel dieser Schleife entspricht, wie wir weiterhin sehen werden, dem späteren Jajunum und Anfangstheile des Ileum, der untere oder rückläufige dem Ende des Ileum und dem Colon ascendens. Trennung der Nabelschleife vom Dotterbläschen und Drehung derselben. In der sechsten Woche ist nach Toldt der Zusammen- hang zwischen Dotterbläschen und Mitteldarm schon völlig unterbrochen. Als Andeutung des Zusammenhanges sieht man über die Spitze der noch im Nabelstrange gelegenen Schleife hinaus ein winziges Fädchen ragen, das indessen nicht als Rest des Dotterganges, sondern als ein Ueber- bleibsel der verödeten Arteria und Vena omphalo -mesen- terica aufzufassen ist. Fernerhin bemerkt man jetzt, dass das Colon descendens sammt seinem Gekröse etwas weiter nach oben, nach der linken Niere zu, hinaufgerückt ist, und dass die beiden Schenkel der Nabelschleife nicht mehr unter, sondern neben einander liegen und zwar so, dass der absteigende rechts, der rückläufige, in welchem das Coecum als eine nach vorn gerichtete Ausstülpung _ siehtbar wird, links gelegen ist, und dass hier das Gekröse des Mitteldarmes unmittelbar in das des Enddarmes über- geht. Durch diesen Vorgang wird, wie Toldt mit Recht hervorhebt, jene eigenthümliche Anordnung des Darmkanals und seiner Gekröse angebahnt, durch welche es kommt, dass der anfangs unter dem Dünndarme gelegene Dick- darm als Colon transversum schliesslich oberhalb des erste- ren fixirt wird. Schon in der ersten Hälfte des dritten Monats sieht man nämlich, dass der absteigende Schenkel unter dem rückläufigen liegt, und dass der der Flexura 150 eoli lienalis entsprechende Theil des Enddarmes noch wei- ter hinaufgestiegen ist und jetzt beträchtlich höher liegt als die Flexura duodeno -jejunalis. Gründe für die Drehung der Nabelschleife. Früher war man geneigt, die Drehung der Nabelschlinge oder die Aufstellung des Diekdarmes, wie man den Vor- gang auch wohl zu bezeichnen pflegt, als eine Folge der Nabelschnurdrehung aufzufassen, die ja auch gewöhnlich von links nach rechts geht, indessen schon Kölliker be- zweifelt das, und Toldt hat dafür eine Erklärung gegeben, die den Prineipien des Wachsthums weit mehr entspricht und die mir aus diesem Grunde ganz annehmbar erscheint. Nach ihm ist diese Lageveränderung des vorderen Dick- darmabschnittes einzig und allein das Ergebniss „der Wachs- thumsvorgänge, welche sich am ganzen Darm und an seinen Gekrösen abspielen.“ (Nr. 58, pag. 14.) Der Darm wächst nämlich unverhältnissmässig mehr in der Längen- dimension als der Körper des Embryo, wodurch ein Miss- verhältniss zwischen der Haft- und Ansatzlinie seiner Ge- kröse bedingt wird, das einestheils durch Faltung der Ansatzlinien, anderentheils durch Verschiebung der Haft- linien ausgeglichen werden kann, die dann oft ganz im Zickzack verlaufen, wie man De manchen Su dungen mit sofern commune sehen kann. In Folge der festen Anheftung der Flexura duodeno- jejunalis spielen sich diese Vorgänge an dem über ihr ge- legenen Darmabschnitte ganz unabhängig ab von denen am mittelsten und untersten. Am obersten wird dadurch zu- nächst die ringförmige Gestalt des Duodenum und höchst wahrscheinlich auch die Wendung des Fundus nach links bedingt, am mittleren äussern sie sich in einer Verlängerung der Nabelschlinge, welche zur Folge hat, dass die Basis dieses dreieckigen Gekrösabschnittes jetzt verhältnissmässig _ viel kleiner erscheint, als seine beiden Schenkel, und am untersten führt sie zu einer Verlängerung der Haftlinie seines Gekröses nach oben. Durch diese Verschiebung nach oben wird zuerst eine Querstellung der Haftlinie des Mitteldarmgekröses verursacht, welches unmittelbar in das 151 Mesocolon descendens übergeht, und im weiteren Verlaufe kommt das rechte Ende der jetzt horizontalen Basis des Mesenterium commune für den Mitteldarm sogar nach oben hin zu liegen, und diese nimmt wieder eine vertikale Rich- tung an. — Bei dieser Halbdrehung, die natürlich ganz allmählich vor sich geht, ändern sich auch die Beziehungen der beiden Platten des Mesenterium zum Peritoneum parie- tale der beiden Körperhälften. Anfänglich ging jede der beiden äussersten Schichten des Mittel- und Enddarm- sekröses in den Bauchfellüberzug der gleichnamigen Körper- hälfte über; hat aber die Haftlinie der Nabelschleife erst eine horizontale Stellung erreicht, so zieht das Bauchfell der ursprünglichen linken Platte über die Flexura duodeno- jejunalis zum hinteren oberen Theile der Bauchhöhle hin, die ursprüngliche rechte zur rechten unteren Partie der hinteren Körperwand und von hier aus auf die rechte Schicht des Mesocolon descendens. Nach Vollendung der Drehung haben sich die Verhältnisse so gestaltet, dass die ursprüngliche linke Platte des Mitteldarmgekröses unten nach dem Peritoneum parietale der rechten Körperhälite hinabzieht und oben ebenso wie die ursprüngliche linke Schicht des Uebergangstheiles vom Mitteldarmgekröse zum Enddarmmesenterium sich zur oberen Partie der Rücken- wand hinbegiebt, während die ursprüngliche rechte Seite der Nabelschlinge nach links hin uno continuo auf die rechte Seite des Mesocolon descendens übergeht. Weitere Ausbildung des Dünn- und Diekdarms; Differenzirung der einzelnen Abschnitte des letzteren. Die Drehung der Nebelschlinge ist schon zu Anfang des vierten Monats vollzogen. Zu Anfang des dritten Mo- nats werden die ersten Dünndarmwindungen im absteigen- _ den Schenkel der Nabelschlinge sichtbar, und bald darauf - tritt dieselbe aus dem Nabelbruche in die Bauchhöhle zu- rück, was mit der jetzt eintretenden vollkommenen Ver- schliessung derselben und der Verengerung des Nabels zu- sammenhängt. In der zweiten Hälfte desselben Monats kommt auch die Flexura sigmoidea zum Vorscheine, und zu- 152 gleieh beginnt der Dünndarm immer mehr an Länge und dem Colon gegenüber auch an Dicke zuzunehmen. Die Schlingen des Jejunum und Ileum häufen sich in dem rech- en und mittleren Theile der unteren Bauchgegend an, während der linke vom S-Romanum eingenommen und die obere Partie des Abdomen von der Leber ausgefüllt wird. Vielleicht ist die enorme Entwicklung der Dünndarmschlingen, die natürlich den Ort aufsuchen, wo sie den wenigsten Widerstand erleiden, auch ein Grund für die Lagerung des Dickdarmes über ihnen, quer durch die obere Bauchgegend. Dort reicht er mit seinem rechten Ende, dem Coecum, im dritten Monate nur bis zur Mittellinie, rückt jedoch im vierten und fünften Monate bis zum rechten Hypochondrium hinüber. Im vierten Monate tritt, wie schen oben erwähnt das grosse Netz mit dem Mesocolon transversum in Be- rührung, und zwar schreitet dieselbe von der Mittellinie und von oben nach unten und links fort. Da nun im wei- teren Verlaufe die Verbindungsstelle zwischen Netz und Mesocolon auch immer weiter nach rechts hinüberrückt, eine selbständige Wanderung des Netzes nach dieser Rich- tung hin aber nicht gut denkbar ist, bleibt nur die An- nahme übrig, dass es von dem nach rechts hinüberziehenden Colon mit fortgeschleppt wird. Hieraus ergiebt sich nun wieder, dass das bleibende Colon transversum nicht aus dem Dickdarmantheil der Nabelschlinge, sondern aus ihrem Uebergange in das ursprüngliche Colon descendens hervor- _ seht, weleher jenem Darmstücke entspricht, das nach Voll- endung der Drehung der Nabelschleife von der Mittellinie des Leibes zur Flexura coli lienalis hinzieht, und dass ferner- hin das Mesocolon transversum aus 'der Uebergangsbrücke vom Mesenterium des Mitteldarmes zum Gekröse des ab- steigenden Grimmdarmes sich herausbildet. Aus dem hinter- sten Theile des rückläufigen Nabeldarmes gehen nur das Coecum und das Colon ascendens des Erwachsenen hervor; sie erreichen ihre endgiltige Lage, von der rechten Niere abwärts nach der Fossa iliaca dextra hin, erst in der zweiten Hälfte des Foetallebens. Fixirung des Colon descendens und Colon ascendens. Bis zum Anfange des fünften Embryonalmonates sind des Mesenterium eommune für den Dünndarm und den An- fangstheil des Diekdarmes, sowie das Mesocolon descendens noch frei beweglich und gehen ohne scharfe Grenzen in einander über. Das erstere kehrt seine ursprüngliche linke Seite der rechten Partie der hinteren Leibeswand zu, während die ursprüngliche rechte nach vorn sieht, das letztere liegt mit seiner linken Fläche der linken Hälfte der hinteren Leibeswand an. Während das Gekröse des Mitteldarmes sich ganz exorbitant vergrössert hat, ist seine Anheftungs- stelle, welche dem Ursprunge der Arteria mesenterica supe- rior entspricht, so gut wie gar nicht gewachsen. Dieser Haftpunkt, wie ich ihn nennen möchte, setzt sich nach unten hin in die genau vor der Mitte der Wirbelsäule verlaufende Haftlinie des Mesocolon descendens fort. Mit der Vergrösserung der Gekrösgefässe muss natür- lich die Ursprungsstelle des Mesenterium commune sich all- mählich verbreitern und aus dem Haftpunkte eine Hatft- fläche werden, deren bogenförmiger Saum zur Ausgangs- stelle wird unten für den Gekrösantheil des Dünndarmes und oben für den des vordersten Colonabschnittes. Ebenso muss sich mit der Grössenzunahme des absteigenden Grimm- darmes und der damit verbundenen Diekenzunahme seiner Gefässe auch die Haftlinie seines Gekröses verbreitern. Hierdurch scheint mir die Anheftung des Colon descendens, und durch den analogen Vorgang an der Wurzel des Mesen- terium commune auch die des Colon ascendens eingeleitet zu sein. Diese beginnt mit dem fünften Monate und schreitet von oben nach unten und lateralwärts vor. Am Colon descendens beruht sie wahrscheinlich auf einer Wachsthumshemmung der Umschlagsfalte von der lateralen Wand des Gekröses zur linken Körperwand gegenüber der . Membrana propria des Gekröses und seiner rechten peri- tonealen Decke, in Folge deren diese Umschlagsfalte immer weiter nach aussen geschoben wird, bis die Ausdehnung des Darmes selbst ihren letzten Rest absorbirtt. Diese An- Ina heftung erstreckt sich jedoch nicht auf die Flexura sig- moidea, welche immer ein bewegliches Gekröse behält. In ähnlicher Weise wird auch vom Mesenterium eommune die entsprechende Umschlagsfalte nach rechts hinüber ver- schoben in der Ausdehnung des dem Mesocolon ascendens zugehörigen Gekrösantheiles. Der Vorgang ist hier ganz der nämliche, nur geht mit'ihm das Herabrücken des Colon ascendens Hand in Hand, durch welches die Herstellung der bleibenden Verhältnisse erst ermöglicht wird. Auch hier bleibt einem Theile des Darmes von variabler Ausdehnung, nämlich dem Coecum und manchmal auch einem Stücke des Colon ascendens, seine Beweglichkeit erhalten, während das äusserste Ende des Ileum in wechselnder Ausdehnung gewöhnlich fixirt ist. Links ist nun aus der Haftlinie des Mesocolon descendens eine Haftfläche entstanden, welche sich von der Mittellinie aus oben bis zur Flexura lienalis und unten bis zur Gegend der linken Darmbeinschaufel er- streckt, und ebenso rechts aus dem Haftpunkte des Mesen- terium commune eine Haftfläche, welche man sich begrenzt denken kann durch eine Linie, die oben von der linken Seite des zweiten Lendenwirbels nach der rechten Niere, rechts von der rechten Niere zur rechten Darmbeinschaufel, unten von der rechten Darmbeinschaufel zur rechten Sym- physis sacro-iliaca und links von der rechten Symphysis sacro -iliaca zur linken Seite des zweiten Lendenwirbels hinzieht. Die Verbindung zwischen den beiden letzten - Punkten markirt die Haftlinie des bleibenden Dünndarm- mesenterium, die des Mesocolon transversum entspricht den oberen Grenzen der Haftflächen des Mesocolon ascendens und descendens und die des $.-Romanum dem bogenförmigen Uebergange von der unteren Grenze der Haftfläche des ab- steigenden Quergrimmdarmgekröses zu der in der Mittel- linie befindlichen Ausgangsstelle des Mesorectum. Gründe für die Fixirung des Colon ascendens und descendens. Die Gründe für die eben beschriebenen Erscheinungen sind schwer zu ermitteln. Luschka (Nr. 37) führt die An- heftung der vertikalen Diekdarmgekröse auf die Ver- v RE» 0 e‘ 155 grösserung der Körperwand zurück und meint, dass das derselben zugekehrte Peritoneum viscerale des Colon de- scendens und ascendens zu ihrer Auskleidung verbraucht werde. Diese Ansicht hat auch Treitz, nur hebt er noch hervor, dass die Verstreichung des Mesocolon ascendens und descendens und das Herabrücken des aufsteigenden Colon zur Fossa iliaca dextra wesentlich mit bedingt werde durch den Descensus der Geschlechtsdrüse und das da- durch verursachte Verschwinden der Plica genito -enterica, welche in das laterale Blatt beider Gekröse hinzieht. Diese Meinung theilt auch Roser, während Waldeyer hauptsäch- lich das Wachsthum der Nieren als ätiologisches Moment hervorhebt. Wahrscheinlich kommt hier keine der ge- nannten Ursachen allein in Betracht, vieimehr glaube ich, dass die definitive Anheftung der Gekröse ein Resultat der vereinisten Wirkung aller ist, und dass möglicherweise noch das Wachsthum des Darmes selbst und die Vergösserung der Beckenhöhle hierzu beitragen. Am wenigsten annehmbar erscheinen mir die Erklär- ungen Langer’s (Nr. 35) und Toldt’s (Nr. 58), dass die end- siltige Befestigung der Gekröse einem Verlöthungsprocesse des Endothelbelages gewisser Theile ihrer lateralen Lamellen mit dem serösen Ueberzuge der Bauchhöhble (und zwar in der oben als Haftfläche beschriebenen Ausdehnung) ihre Entstehung verdanke. Jedoch will ich jetzt hierauf nicht näher eingehen, da ich unten wieder darauf zurückkommen werde. — Gegen das Ende der Foetalzeit hat die Anheftung der Gekröse an die Rückenwand ihren Abschluss erreicht, und Mesocolon ascendens und descendens sind bis zu ihrer Ansatz- stelle an den Darm angeheftet, von dessen hinterem Umfange wie wir oben bereis erwähnten, sogar ein Theil (nach Luschka meistens ein Drittel) ohne Bauchfell ist. Doch ist dieses Verhalten keineswegs constant. Nur so erklärt sich der auffallende Widerspruch, dass viele Autoren, wie Sappey, Langer (Nr. 35) und Arnold (Nr. 1), dem aufsteigenden und dem absteigenden Grimmdarme einen vollständigen serösen Ueberzug zusprechen, während Huschke, Hyrtl, 156 Quain-Hoffmann, Luschka und andere eine nur theilweise peritoneale Umhüllung zugeben. — Durch Entwicklungsstörungen bedingte Gekrösanomalien. Nach Lesshaft (Nr. 36.) kommt bei jeder sechsten Leiche ein mehr oder weniger entwickeltes Mesocolon descendens vor. Wenn nun diese Ziffer vielleicht auch zu hoch ge- griffen und Toldt’s Behauptung sicher nicht anzuzweifeln ist, dass durch das Abziehen des Colon descendens von der Körperwand, namentlich bei mageren Individuen, ein Theil des serösen Ueberzuges derselben mit aufgehoben werde und alsdann ein freies Mesocolon vortäuschen könne, so kommt ein solches doch sicher in vereinzelten Fällen vor und stellt einen geringen Grad von Bildungshemmung dar. Am Mesocolon ascendens sind solche Entwicklungs- ' störungen noch häufiger, was bei der ursprünglich weit freieren Beweglichkeit dieses Gekröses nicht wunderbar ist. Die speziellen Gründe für solche Abweichungen von der Norm lassen sich nicht immer mit Sicherheit eruiren, für einzelne Fälle indessen mit leidlicher Gewissheit feststellen. So glaube ich Treitz (Nr. 60.) Recht geben zu müssen, wenn er die Anheftung des ganzen Darmkanals vom Pylo- rus bis zum Rectum an einem einzigen in der Medianlinie entspringenden Gekröse auf die mangelnde Fixirung der Flexura duodenojejunalis zurückführt. Wo diese dagegen . vorhanden ist und Dünndarm und Colon dennoch an einem einzigen Gekröse so befestigt sind, dass ersterer über dem letzteren zu liegen kommt, wie das Gruber (Nr. 12 —16.)- einige Male constatirt und beschrieben hat, da ist höchst wahrscheinlich ein mangelhaftes Wachsen des Colon descen- dens und seines Gekröses während der ersten Monate als Ursache anzunehmen. Dasselbe rückte nicht früh genug über die Gegend der Flexura duodenojejunalis hinauf, um die Drehung des noch im Nebelstrange liegenden Mittel- darmes zu veranlassen; dieser gelangte daher in der ur- sprünglichen Anordnung, d. h. die absteigende Schlinge über der rückläufigen, in die Bauchhöhle zurück, und Inte- Stinum tenue und Colon entwickelten sich deshalb an einem 157 zusammenhängenden Gekröse in: der vorher erwähnten An- ordnung. — Am schwierigsten sind jedenfalls die Fälle zu deuten, wo bei normaler Lage des Colon transversum und descendens, fehlender oder mehr oder weniger vollständiger Ausbildung des Colon ascendens zwischen Fossa iliaca dextra und rechter Niere das Verstreichen des auf- und absteigen- den Quergsrimmdarmgekröses ganz oder theilweise aus: geblieben ist. Das Fehlen des Descensus testiculi, welches Roser (Nr. 52.) für Hochstand des Coecum wenigstens als Ursache annimmt, mag hier zuweilen die Schuld tragen, vielleicht aber auch eine zu beträchtliche Ausdehnung oder Schlaffheit der embryonalen Bauchdecken, die eine nach allen Seiten hin gleichmässige Entwicklung aller Gekrös- schichten gestattete. — Ursachen der Recessusbildung. Recessus duodeno-jejunalis. Eine Folge der Lage- und Anheftungsveränderungen des Darmes und seiner Mesenterien ist die Bildung einer ganzen Anzahl von Falten und Gruben. Dies gilt zunächst von dem schon in den ersten Embryonalmonaten vorhan- denen Recessus duodeno-jejunalis, welcher eine vom dritten Lendenwirbel, dem Pancreas, der linken Niere und der Aoıta begrenzte Vertiefung darstellt und von einer halb- mondförmigen Falte, der Plica duodeno-jejunalis, überwölbt wird. Der freie Rand derselben sieht nach rechts und etwas nach oben, sie verliert sich oben in das untere Blatt des Mesocolon transversum, unten in den Bauchfellüberzug des Zwölffingerdarmes und geht mit ihrem convexen Rande in das rechte Blatt des Mesocolon descendens über. — Treitz (Nr. 59.) und späterhin Eppinger (Nr. 9.) erklärten das Zustandekommen dieses Gebildes durch eine Verschie- bung des Mesocolon transversum nach rechts und durch eine gleichzeitige Bewegung der Flexura duodeno -jejunalis nach rechts und unten, welche durch die Verkleinerung der Leber bedingt sein sollte. Braune (Nr. 70.) hat bereits gezeigt, dass dies unmöglich der Fall sein kann, da die Flexura duodeno-jejunalis schon in frühester Zeit fest an 158 die Rückenwand angeheftet und daher einer Lageverände- rung nicht fähig ist. Ebenso hinfällig ist Waldeyer’s Ansicht, der für das Zustandekommen der Falte und damit auch der Grube die Anordnung und den Verlauf gewisser Blutgefässe als Aetio- logie ausgab, dabei jedoch übersah, dass diese Gefässe oft in der Basis und nicht im freien Rande der Falte verlaufen, wie es doch sein müsste, wenn seine Annahme richtig wäre. Ich möchte mich Toldt’s (Nr. 58, p. 14—-15) Meinung an- schliessen, der sich hierüber folgendermassen äussert: „Der obere Rand der gemeinschaftlichen Gekrösplatte, d. h. der Theil entlang der Ansatzlinie des vorderen Diekdarmabschnit- tes, wird in Folge der Dislokation des Blinddarmes nach rechts und unten nothwendig in einen grösseren Grad von Span- nung versetzt, welche sich als Zugwirkung auf das freie Mesocolon descendens überträgt; in Folge dessen wird das letztere zum Theil über die Flexura duodeno-jejunalis weg- gebogen und neben derselben zu einer vorspringenden Falte erhoben. Das Vorspringen der Falte gerade an dieser. Stelle findet darin seine Erklärung, dass die Zugwirkung des gemeinschaftlichen Gekröses, mit Rücksicht auf die weit nach hinten gerückte Lage der Flexura coli lienalis, sich nicht nur nach rechts hin, sondern auch zugleich nach vorne geltend machen muss.“ Die Plica duodeno-jejunalis setzt sich nach Toldt’s An- gaben in der frühesten Embryonalzeit sogar bis zum unteren Schenkel der Flexura sigmoidea fort, den sie etwas in die Höhe hebt. Allmählich jedoch verstreicht diese Erhebung, nachdem sie noch eine Zeit lang in das fixirte Berıa descendens ausstrahlte. Ligamentum mesenterico-mesocolieum. Die Entstehung des ligamentum mesenterico -mesocoli- cum, welches vom Ende des Dünndarmgekröses zum Ueber- sange des Mesosigmoideum in’s Mesoreetum hinüberzieht, hängt wahrscheinlich mit dem Herabrücken des Coecum und der Anheftung des Mesocolon ascendens und des untersten Ileumendes zusammen, doch vermag ich über das Wie keinen näheren Aufschluss zu geben. \ RN U Ne Ba Y 2, k 159 Recessus intersigmoideus. Den Recessus intersigmoideus, welcher an der An- heftungsstelle des linken Blattes des Mesosigmoideum sich nach unten hin öffnet und hinten vom parietalen Bauch- felle, vorn von dem frei über ihn hinwegziehenden Meso- colon descendens begrenzt wird, keineswegs aber, wie Waldeyer (Nr. 62.) meint, in den Blättern des S-Romanum- Gekröses, oder, wie Luschka (Nr. 37.) angiebt, zwischen den Lamellen des Mesocolon descendens gelegen ist, wollte "Waldeyer auch auf das Verhalten gewisser Gefässrami- fieationen zurückführen, was mir ebensowenig stichhaltig zu sein scheint wie bei der Fossa duodeno-jejunalis. Toldt ist der Ansicht, er werde dadurch hervorgebracht, dass die Verklebung des Mesoeolon descendens mit der linken Bauch- wand in der Rinne zwischen Niere und Wirbelsäule unter- bleibe. Mir scheint die Hypothese von Treitz die annehm- barste zu sein, bei dem es heisst: „An dem Punkte des Darmes, auf welchen der Zug unmittelbar wirkt, geht eigentlich das Mesocolon voraus, denn die Plica genito- enterica ist ja ein Theil seines äusseren Blattes, dagegen wird jener Theil des Mesocolon, der zwischen den Schenkeln der in Entwicklung begriffenen S-Schlinge liegt, nicht so schnell herabrücken können, vielmehr wegen der Adhärenz an die hintere Bauchwand in der Höhe hängen bleiben, und wird sich an der unteren Fläche des Mesocolon eine trichterförmige Einstülpung oder Grube bilden, deren Spitze nach oben gerichtet ist.“ Recessus eoecalis und subeoeealis. Die Entstehung der Peritonealtaschen am Coecum, der Fossa subcoecalis und coecalis, die von Waldeyer (Nr. 62.) und Langer (Nr. 34.) genau beschrieben worden sind, hängt jedenfalls mit dem Verstreichen des Mesocolon ascendens zusammen, doch vermag ich nicht, Näheres hierüber anzu- geben; übrigens soll nach Langer die erstgenannte Grube nur dann vorkommen, wenn Coecum und Colon ascendens in grosser Ausdehnung von Bauchfell bekleidet sind, die andere aber nur dann, wenn die Uebergangsstelle des Dünn- 160° darmes in den Diekdarm auf weitere Strecken an die Bauch- wand angelöthet ist. Recessus paracolieci. Die kleinen Recessus paracoliei, welche Toldt an der lateralen Seite des Colon descendens und ascendens in variabler Höhe und Anzahl fand, und die er auf ein stellen- weises Unterbleiben der Anlöthung des Gekröses bezieht, lassen sich auch mit dem Verstreichen der Gekröse, wie ich es oben beschrieben habe, allenfalls in Einklang bringen. Der Grad desselben ist ja ein sehr variabler, wie das schon aus der verschiedenen Ausdehnung hervorgeht, in welcher der Blinddarm und das Anfangsstück des Colon transver- sum angeheftet sind. Vielleicht können diese Gruben aber auch pathologischen Verklebungen ihre Entstehung ver- danken. Recessus ileo-coeealis. Ganz unabhängig von der Lageveränderung der Darm- gekröse bilden sich die von Luschka (Nr. 38.) und Waldeyer (Nr. 62) genau beschriebenen Recessus ileo-eoecales superior und inferior aus. Ihre Entstehung ist in Zusammenhang zu bringen mit der Einmündung des Dünndarmes in das Colon ascendens und den Beziehungen, in welche der Pro- cessus vermiformis zu ihnen tritt. Letzterer ist das End- stück des Blinddarmes, das im Diekenwachsthum diesem gegenüber zurückgeblieben ist, während sein Längenwachs- thum gleichmässig Schritt hielt. Eine Folge davon mag es wohl sein, dass es verschiedene gefässführende Falten auf- gehoben hat, welche zum Mesenterium des Dünndarmes und zum Blinddarme hinziehen, und deren eine, die Pliea ileo- coecalis, wie Luschka gezeigt hat, sogar organische, in die Längsfaserschicht des Diek- und Dünndarmes ausstrablende Muskelfasern aufzuweisen hat. Von diesen Falten werden in hier nicht näher zu beschreibender Weise die erwähnten Recessus eingeschlossen. Die näheren Umstände der Bil- dung der Falten sowohl wie der Gruben bedürfen noch sehr der Aufklärung. 161 Ineonstantes Vorkommen der Recessus. Alle die erwähnten Recessus, abgesehen von den letzt- genannten, gehören nicht zu den constanten Bildungen des Bauchfelles. Am regelmässigsten kommen noch der Reces- sus duodeno-jejunalis und intersigmoideus vor. Die Gründe, welche ihr Zustandekommen verhindern, sind im höchsten Grade dunkel, was bei den mannigfachen Einflüssen, die für ihr Auftreten jedenfalls massgebend sind, gar nicht zu verwundern ist. Manchmal mögen sie auch anfangs vor- gebildet, im weiteren Verlaufe aber durch Wachsthumsver- schiebungen benachbarter Theile wieder ausgeglichen und zu Grunde gegangen sein. Ausser diesen zu dem Darmkanal und seinen Gekrösen in nächster Beziehung stehenden Taschen kommen mitunter noch Vertiefungen des parietalen Bauchfells vor, die noch viel inconstanter als die oben erwähnten und durchaus als zufällige Gebilde zu betrachten sind. Das gilt z. B. von Biesiadecki’s (Nr. 68.) Fossa iliaco-subfaseialis. Dieselbe ‚ liegt zwischen M. iliacus und dessen Fascie und wird her- vorgebracht durch eine stärkere Entwicklung des M. psoas minor, dessen fächerartig in die Fascie ausstrahlende End- sehne den unteren Theil jener so verstärken kann, dass dadurch ein Rand aufgehoben wird, welcher die erwähnte Grube überdeckt. Entwicklung des Bauchfells im Anschluss an den - Urogenitalapparat. Betheiligung desMesoderm unddesPeritoneumam Aufbau der Harn- und Geschlechtsorgane selbst. An dem Aufbau der Harn- und Geschlechtsorgane be- theilist sich das mittlere Keimblatt in noch weit ausgedehn- terem Masse als an dem des Darmkanals und seiner An- hangsdrüsen. Denn während die letztgenannten Organe ihre epithelialen Elemente vom Endoderm, und nur ihre musku- lären und bindegewebigen vom mittleren Keimblatte er- hielten, liefert dieses auch die Epithelien des Urogenital- apparates. Diese Erscheinung ist um so auffallender, als Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIY. 1881, 11 162 die Epithelien desselben weder in ihrer Gestalt noch in ihrem Verhalten irgend welche Abweichungen von denen zeigen, deren Herkunft auf das Eetoderm oder Endoderm zurückzuführen ist, und als z. B. im Eierstocke Dermoid- eysten vorkommen, welche Bildungen von ganz derselben Form enthalten, wie sie das obere Keimblatt producirt. Es hat daher auch nicht an Versuchen gefehlt, die Epithelien des Urogenitalsystems vom oberen Keimblatte abzuleiten. So behauptete noch Hensen (Nr. 18.) in einem 1876 er- schienenem Aufsatze diese Ableitung als die einzig richtige, allerdings ohne thatsächliche Beweise beibringen zu können. Indessen die zahlreichen in den letzten Jahren erschienenen und auf Untersuchungen aller möglichen Wirbelthierklassen basirenden Arbeiten von Bornhaupt, Egli, Fürbringer, Gasser, Götte, His, Kölliker, Pflüger, RomitiÄ, Waldeyer und von anderen lassen keinen Zweifel darüber, dass sowohl die primären als auch die bleibenden Harn- und Geschlechts- drüsen in allen ihren Theilen vom Mesoderm abstammen, und dass sich auch die innerste Auskleidung der Pleura- peritonealhöhle nach ihrem Auftreten aktiv am Aufbau der- selben betheilist. Allerdings ist unsere Kenntniss der ersten Entwicklungsstadien der genannten Organe vom mensch- lichen Embryo noch recht unvollständig, doch wird man schwerlich fehl gehen, wenn man von ihm ganz analoge Verhältnisse annimmt. | Der Urnierengang entsteht durch die Ablösung einer Zellenmasse von den Seitenplatten. In ihn wuchern Zapfen des Peritonealepithels hinein, die Urnierenstränge, die sich abschnüren und die Urnieren- oder Segmentalbläschen bil- den. Aus diesen und dem Urnierengange entsteht der Wolff’sche Körper oder die Urniere, von welcher sich die bleibende Niere ableitet. In sehr früher Zeit, beim Hühn- chen schon am fünften Tage, bemerkt man auf den Wolff- schen Körpern eine Anhäufung und Schichtung des Peri- tonealepithels, Waldeyer’s Keimepithel, aus dessen lateralen Partien die Müller’schen Gänge hervorgehen, während die. medialen zur Entstehung der Geschlechtsdrüsen beitragen. Dieses Keimepithel, welches aus cylindrischen Zellen besteht, die etwas höher sind als die der übrigen Bauch- 163 höhle, wollte Waldeyer (Nr. 63.) von der sonstigen Peri- tonealanlage scharf getrennt wissen. Kölliker und mit ihm viele Andere erkennen diesen Gegensatz nicht an; ersterer hebt hervor, dass ähnliche Zellen sich auch in der Gegend der Lungen, des Herzens, der Leber, des Pancreas und der Beckenhöhle angehäuft finden, und dass es zwischen ihnen und der gewöhnlichen Zellenform allmähliche Uebergänge giebt. Unter Betheiligung des Keinen el: und des Wolff- schen Körpers bilden sich die Geschlechtsdrüsen in der Weise aus, dass beim Weibe das erstere, beim Manne der Einfluss des letzteren überwiegt. Auf diese Verhältnisse näher einzugehen ist hier nicht der Ort, da diese Derivate der innersten Auskleidung der Bauchhöhle in ihrer weiteren Entwicklung mit dem eigentlichen Peritoneum nichts mehr semein haben. — Gekröse und Bauchfellfalten der Urniere._ Nur die äussere peritoneale Hülle dieser Drüsen kann uns hier interessiren, und ihr Verhalten zum Bauchraume in den verschiedenen Entwicklungsstadien wollen wir daher eingehender betrachten. — Ursprünglich liegt der Wolff’sche Kane: in der Ge- krösplatte Remak’s verborgen, ohne in die Leibeshöhle hin- einzuragen. Allmählich aber wölbt er sich vor und erhält nun ein Gekröse, das nach Kölliker beim Menschen in der siebenten bis achten Woche sichtbar wird.. An der Drüse selbst ist es nicht sehr ausgebildet, strahlt dagegen nach oben und unten hin in kleine deutlich erkennbare Falten aus. Die obere derselben, Kölliker’s Zwerchfellsband der Urniere, zieht nach dem Diaphragma hin und endigt mit zwei bis drei Ausläufern. Längs des Ausführungsganges des Organes, der vom unteren Ende desselben entspringt, erhebt sich eine andere kleine Falte, Waldeyer’s Plica uro- genitalis, und endlich strahlt eine kleine Erhebung von dem ' unteren Ende zur Leistengegend hin aus, in welcher später- hin das Gubernaculum Hunteri (resp. Ligamentum uteri ro- tundum) deutlich erkennbar wird. — Auch an den Geschlechtsdrüsen tritt mit ihrer ausge- 11% 164 prägteren Entwicklung ein Gekröse auf, das Mesorchium oder Mesoarium, welches nach oben hin durch eine kleine Erhebung in die Gegend des Zwerchfellsbandes der Urniere sich fortsetzt, nach unten hin einen Ausläufer zum Aus- sangspunkte des Leistenbandes jenes Organes hinsendet. Gubernaeulum Hunteri. Mit der Rückbildung und dem Verschwinden der Ur- niere verlieren sich auch die Ligamente derselben bis auf das Leistenband, das nun zu den Genitalorganen, deren _ Ausbildung immer mehr fortschreitet, in nähere Beziehungen tritt, die je nach dem Geschlecht verschieden sind. Beim Manne geht der an Grösse zunehmende Hode eine enge Verbindung mit der Plica inguinalis und dem in ihr ent- haltenen Gubernaeulum Hunteri ein. Dieses stellt nach Kölliker einen ursprünglich blos aus zelligen Elementen bestehenden runden Strang dar, in welchem sich späterhin neben Bindegewebe glatte und quergestreifte Muskelfasern erkennen lassen, und haftet mit seinem unteren Ende im Processus vaginalis, oder vielmehr an dessen hinterer unterer Peripherie. Dieser besteht aus einer den Leistenkanal durch- setzenden und den Hodensack auskleidenden Hervorstülpung des Bauchfellsackes. Descensus testieuli. Das Gubernaculum Hunteri spielt entschieden eine wichtige Rolle bei der als Descensus testiculi bezeichneten Lageveränderung des Hoden. Ursprünglich liegt dieser nämlich an der vorderen Seite der Urniere neben den Len- denwirbeln, beginnt jedoch schon sehr früh nach der Ingui- nalgegend hinabzusteigen, in deren Nähe er bereits am Ende des dritten Monats anzutreffen ist. Bei diesem Her- abrücken verstreicht natürlich auch die Falte, welche das Mesorchium und seine Ausläufer an der hinteren Bauchwand bildeten. Gegen das Ende der Foetalzeit tritt er in den Leistenkanal ein und rückt dann allmählich immer tiefer hinab, bis er um die Zeit der Geburt oder doch kurz, nach derselben seine definitive Lage im Serotum erhält. Alsdann liegt er der hinteren Wand des Processus vaginalis an, diese 165 leicht hervorwölbend, und von dem Ligamentum Hunteri ist nur noch ein kleiner, am hinteren unteren Umfange des Hodens anhaftender Rest wahrnehmbar. Gründe des Descensus testieuli. E. H. Weber schildert das Leitband des Hodens als hohlen Sack, in welchen der Testikel durch Muskelwirkung hineingestülpt werde. Diese Erklärung des Descensus ver- wirft Kölliker und setzt an ihre Stelle die von Cleland ge- gebene, nach welcher diese eigenthümliche Erscheinung auf Wachsthumsdifferenzen zu beziehen ist in der Weise, dass die Grössenzunahme des Gubernaculum mit der des übrigen Körpers nicht gleichen Schritt hält, und dass in Folge davon der Hode, der wegen seiner festen Anheftung an das Scrotum seine Lage zu diesem nicht ändern kann, längs der stärker wachsenden Partien eine Verschiebung nach unten erleidet. Das Gubernaculum hat hierbei nur die Aufgabe, die Richtung der Bewegung anzugeben oder besser die Beziehungen des Hodens zu seinem definitiven Aufent- halte zu fixiren. Neben dieser Thätigkeit glaubt ihm Köl- liker jedoch noch eine andere Funktion zuschreiben zu müssen, nämlich die, dass es auf den Hoden schliesslich auch einen wirklichen Zug ausübe, dass es beim Herab- rücken desselben zum Theil wirklich aktiv thätig sei, eine Thätigkeit, die man jedoch weniger auf Muskelwirkung, als auf eine Schrumpfung nach Analogie der Narbencentraktion zurückführen müsse. Nur durch letztere Funktion, meint er, sei das Durchtreten des Testikel durch den Leisten- kanal zu begreifen. — Kölliker’s Auffassung scheint mir im Ganzen die richtige zu sein, nur glaube ich, dass die Schrumpfung des Gubernaculum nur eine sehr unterge- ordnete Rolle spielt, und dass selbst das Hinabtreten durch den Processus vaginalis als einfache Folge von Wachsthums- verschiebungen begreiflich ist. Verschliessung des Processus vaginalis. Nach Vollendung des Descensus bleibt der Processus vaginalis noch eine Zeit lang offen. So besteht zum Bei- spiel beim Neugeborenen gewöhnlich noch eine Communi- 166 kation zwischen der Bauchhöhle und dem Sacke der Tunica vaginalis propria. In der Regel schliesst er sich jedoch bald nachher vollständig, und von dem Kanale, der einst die Verbindung beider Höhlen vermittelte, ist beim Er- wachsenen als letzter Ueberrest nur ein bindegewebiger Faden im Samenstrange zu entdecken. Ueber die Gründe dieser Trennung ist, soviel ich weiss, noch nichts bekannt. Denkbar wäre es, dass der durch die Schwere des Hodens ausgeübte Zug den Zusammenhang des Processus vaginalis mit dem Bauchfelle allmählich löste und ersteren zu einem dünnen Strange auszöge. Eine andere Möglichkeit ist die, dass durch die mechanischen Insulte, welche die den Lei- stenkanal begrenzenden Muskeln bei ihrer Bewegung auf diesen ausüben, eine leichte adhäsive Entzündung des sehr empfindlichen Bauchfelles bedingt wird, in Folge deren die einander dicht anliegenden Blätter des Processus verkleben. Descensus ovarli. Eine ähnliche Lageveränderung wie der Hode erleidet auch das Ovarium, doch ist dieselbe nicht so deutlich aus- geprägt. Es bewegt sich ebenfalls von der Seite der Len- denwirbel nach dem grossen Becken zu. Die Gründe für diese Wanderung sind unzweifelhaft denen des Descensus testieuli analog. Dass die Richtung der Bewegung hier eine etwas andere ist, hat seinen Grund in der ganz eigen- thümlichen Anheftung des Ligamentum rotundum und in dem excessiven Wachsthum der Müller’schen Gänge, welche hier Scheide, Uterus und Eileiter construiren helfen. Beim weiblichen Geschlechte schwindet nämlich der Wolff’sche Körper, dagegen nehmen die Müller’schen Gänge an Grösse und Ausdehnung beträchtlich zu und treten in Verbindung mit dem Ligamentum rotundum, das wie beim Manne nach der Leistengegend zieht und sich dort in den Processus vaginalis einsenkt. Die Vereinigungsstelle entsprlcht der Gegend zwischen Oviduet und Gebärmutter. Nach dem Verschwinden der Urnieren tritt der Eierstock mit seinem Mesovarium, das ursprünglich von der erstgenannten aus- ging, an den Uterusheran und zwar ebenfalls an die Stelle, wo sich das Ligamentum rotundum anheftet. Die vereinigten 167 Müller'schen Gänge mit ihren Adnexen entfernen sich immer mehr von den Seiten der Rückenwand und treten immer freier in die Bauchhöhle hinein, wobei sie die Serosa der- selben mit sich ziehen, die nun ein deutlich ausgebildetes Gekröse der inneren Geschlechtstheile, die Ligamenta lata, darstellt. Dass dasselbe aus dem ursprünglichen Mesenterium der Urniere hervorgegangen oder doch wenigstens an seine Stelle getreten ist, ist bei genauer Betrachtung der Verhältnisse leicht zu begreifen. Anfänglich liegen die Ovarien noch im Bereiche des grossen Beckens, rücken jedoch gegen das Ende des Em- bryonallebens in den Eingang des kleinen herab, was jeden- falls auf die Vergrösserung des letzteren, hauptsächlich in der Tiefen- und Breitendimension, zurückzuführen ist. Hier- durch kommt es auch, dass die runden Mutterbänder, die erst zum Eingange des Leistenkanals hinabzogen, jetzt aus dem kleinen Becken zu ihm sich hinaufbegeben müssen. Der Processus vaginalis verschwindet gewöhnlich, mit- unter persistirt er jedoch als Divertieulum Nuckiü, in wel- ches als seltener Bildungsfehler auch das Ovarium hinein- gelangen kann, das dann in den grossen Labien zu fühlen ist. Ligamenta vesico-uterina und recto-uterina. Die Erklärung der Ligamenta vesico-uterina und recto- uterina macht keine Schwierigkeit; sie sind eben eine Folge des Hervorwachsens der Müller’schen Gänge in die Bauch- höhle, wodurch das Bauchfell zu den benachbarten Or- ganen faltis hervorgehoben wird. Deutlicher ausgeprägt und in ihrem Bestehen gesichert werden sie durch organische Muskelzüge, die namentlich in den zuletztgenannten Bän- dern kräftig entwickelt sind. Mitunter haben die aus den verödeten Nabelarterien ent- standenen Ligamenta vesicae lateralia, die für gewöhnlich ebenso wie das Ligamentum vesicae medium nur eine flache Erhebung des Peritoneum parietale der vorderen Bauch- wand bedingen, das Bauchfell faltig auf und veranlassen so die Bildung einer Dupplikatur, welche in ihrem Wesen 168 sanz dem Ligamentum suspensorium hepatis ähnelt und in ihrem freien Rande wie dieses einen verödeten Gefäss- strang trägt. | Wachsthumsmodus peritonealer Gebilde. In den vorigen Abschnitten war, um die Lagever- änderungen peritonealer Gebilde, namentlich der Darmge- kröse zu erklären, öfters von Wachsthumsdifferenzen, Ver- streichen und Verziehen von Peritonealfalten, Anlöthung freier Gekrösflächen an die Bauchwand und ähnlichen Vor- sängen die Rede. Es scheint mir nun nothwendig, das Wesen dieser Begriffe näher zu erklären und dem Wachs- thumsmodus des Bauchfells und seiner Derivate eine ein- sehendere Betrachtung zu widmen. Verschiedenes Verhalten der primären und der bleibenden Auskleidung der Bauchhöhle Wie ich oben bereits betonte, und wie das durch Beob- achtungen Kölliker’s, der die ersten Epithelien der Leibes- höhle an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten auf- treten sah, zur Genüge bewiesen ist, entsteht das Bauchfell nicht als zusammenhängende Membran, sondern wird von den Theilen, die es bekleidet, in einzelnen, von einander unabhängigen Partien produeirt. Allmählich nun wandelt sich das primäre Epithel der Leibeshöhle in das bleibende Endothel um, und erst nach Vollendung dieser Metamor- phose ist man berechtigt, vom Bauchfelle als solchem zu‘ reden. Jetzt erst existirt dasselbe als ein zusammenhängen- des, die Bauchhöhle und ihren Inhalt als. continuirliche Membran überziehendes Gebilde und bleibt auch als solches bestehen, wie ich glaube bestimmt annehmen zu müssen. An ihm vollziehen sich nun alle die Vorgänge, die wir oben im Einzelnen verfolgt haben, und als deren Endresultat die so complieirte Anheftung der Netze und Gekröse des Erwachsenen sich ergiebt. Die Gründe und das Wesen dieser Veränderungen zu erklären, bereitet, wie schon oben erwähnt, fast unüber- windliche Schwierigkeiten. Auf experimentellem Wege, der Eee Be ER SEN N ENE 169 für die Kenntniss des Wachsthums der Knochenepiphysen und Diaphysen z. B. so glänzende Aufschlüsse gegeben hat, lässt sich hier nichts erreichen. Man ist daher darauf an- gewiesen, aus der Beobachtung des anatomischen Befundes verschiedener Entwieklungsstufen den Vorgang selbst nach- träglich zu construiren, eine Methode, die um so leichter zu Irrungen Veranlassung geben kann, als die Erforschung des objektiven Befundes selbst beträchtliche Schwierigkeiten bereitet. Die mikroskopische Beobachtung von Durch- schnitten reicht offenbar nicht aus, um die so complieirten Verhältnisse genügend deuten zu lassen, und die makro- skopische Präparation so winziger Objekte und so spinn- webefeiner Membranen ist eine äusserst heikle Aufgabe und kann, wie unter anderen Bochdalek (Nr. 3, pag. 604; ausdrücklich betont, zu den gröbsten Täuschungen Veran- lassung geben. Verschiedene Hypothesen betreffs des Zustande- kommens der bleibenden Darmanheftung. Die Schwierigkeit, aus der ursprünglich so einfachen Form der Bauchhöhle ihr späteres complieirtes Verhalten abzuleiten, hat sogar dazu geführt, dass einzelne Anatomen eine sekundäre lokale Bildung des Bauchfells nach Vollen- dung der Aufstellung des Darmkanals annehmen, was Klebs (Nr. 29) z. B. bei Gelegenheit der Beschreibung von Hem- mungsbildungen des Darmkanals nicht für undenkbar hält. Bei dem heutigen Stande der Entwicklungsgeschichte hat diese Annahme natürlich allen Boden verloren. Zur Zeit stehen sich betreffs des Zustandekommens der definitiven Darmanheftungen hauptsächlich zwei Ansichten gegenüber, von denen die eine eine allmähliche Verschiebung der Falten des Bauchfells annimmt und behauptet, dass das, was einmal freie Peritonealfläche sei, als solche be- ‚stehen bleibe, während die andere an einzelnen Stellen eine nachträgliche Verlöthung ursprünglich freier Gekrösflächen mit dem parietalen Bauchfell als Ursache angiebt. oe Anheftung der Gekrösflächen durch Verklebung ihres Endothels mit dem der Bauchwand. Die Vertreter dieser Meinung sind vor allem Langer und Toldt. Letzterer stützt sich namentlich auf makrosko- pische Befunde und behauptet z. B. dass es ihm gelungen sei, bei Embryonen gewisser früher Entwicklungsstadien die mit der Bauchwand verlöthete linke Platte des Meso- gastrium und Mesocolon descendens durch sanftes Streichen mit der Sonde bis zu ihrer ursprünglichen Haftstelle vor der Wirbelsäule abzulösen. Ob und wie weit bei seinen zahlreichen Untersuchungen Irrungen vorkommen konnten, ' wage ich nicht zu entscheiden und überlasse das competen- terem Urtheile. Nur kann ich es nicht unterlassen, einige Bedenken zu äussern, die mir beim Studium seiner Arbeit aufgestiegen sind. Zunächst scheint mir die Bestätigung seiner Entdeckung durch mikroskopische Befunde, die bisher, wie Toldt (Nr. 58, p. 26) selbst äussert, ihm „nicht viel weitere Aufklärung“ gegeben haben, doch sehr wünschenswerth. Eine Verlöthung, wie er sie annimmt, könnte doch nur so zu Stande kommen, dass entweder die platten Endothelien an den betreffenden Stellen zu Grunde gingen und darauf die bindegewebigen Grundlagen mit einander eine Vereinigung eingingen, oder dass, sit venia verbo, diese epithelartige Form des Binde- sewebes eine andere Gestalt annähme, vielleicht Fortsätze triebe und sich dadurch mit gleichen Gebilden der anderen Seite vereinigte, oder endlich dass eine Art Kittsubstanz aufträte und die Verklebung vermittelte. Irgend etwas der Art müsste doch wahrzunehmen sein und wäre es auch. nur an den äussersten Rändern der Verklebungsstellen. Ferner könnte man fragen: Wie kommt es, dass gerade diese Theile des Gekröses, die doch ganz dieselbe histo- logische Struktur zeigen und unter denselben äusseren Ver- hältnissen stehen, deren freie Flächen z. B. demselben Drucke ausgesetzt sind, wie alle anderen, dass gerade sie mit dem Peritoneum der Körperwand verkleben, welches letztere doch auch überall die gleiche Beschaffenheit zeigt? Diese Ausnahmestellung einzelner Gekröspartien wird dadurch noch auffälliger, dass nicht einmal die einzelnen 171 Theile desselben Mesenterium sich gleich verhalten. So kommt nach Toldt der recessus intersigmoidens dadurch zu Stande, dass die Verklebung der linken Platte des mesocolon descendens mit der linken Körperwand im Be- reiche der Furche zwischen Niere und Wirbelsäule unter- bleibt, und auf ähnliche Weise erklärt er das Entstehen der recessus paracolici. Es wäre das um so wunderbarer, als ja in der luftleeren Bauchhöhle alle Organe einander und den Wandungen derselben unmittelbar anliegen müssen, eine mechanische Behinderung der Verklebung an den er- wähnten Stellen daher nicht denkbar wäre. Hier liesse sich einwenden, was Toldt auch hervor- hebt, dass man eine ähnliche Verlöthung an gewissen Stel- len schon lange angenommen habe, wie z. B. bei der Ver- schliessung des processus vaginalis, bei der Verwachsung der Netzplatten und der Anhaftung des Netzes an das mesocolon transversum. Darauf ist nun zu erwidern, dass es bezüglich des ersten Punktes nicht allzufern liegt, die Verschliessung auf eine leichte, durch die Aktion der um- gebenden Muskeln hervorgerufene adhäsive Entzündung zurückzuführen, dass die Verwachsung der Netzplatten wahrscheinlich mit den atrophischen Vorgängen in dem Omentum, mit der Lückenbildung zusammenhängt, und dass die Vereinigung des Netzes mit dem mesocolon transver- sum, wenn sie nicht, wie ich das annehme, auf einer Ver- schiebung der Haftlinie beruht, auch recht wohl auf die Degenerationsprocesse im Netze zu beziehen sein könnte. Kurz für alle die drei erwähnten Punkte hält es nicht schwer von dem sonstigen normalen Verhalten des Bauch- fells abweichende Existenzbedingungen aufzufinden. Was endlich die narbig-glänzenden Streifchen und die Fältchen an der lateralen Seite des Mesocolon deseendens und am Recessus intersigmoidens anbetrifft, welche Langer und vor allem Toldt als Zeichen einer früheren normalen Verlöthung auffassen, so könnten dieselben auch wohl an- dere Deutungen zulassen. Am letztgenannten Orte hat sie Virchow (Nr. 61) als Residuen einer chronischen Peritonitis, Treitz (Nr. 59) als Folgen einer Schrumpfung und Verödung -des Recessus intersigmoideus gedeutet, und bezüglich des 172 absteigenden Colon finde ich bei Luschka (Nr. 37, B. I pag. 230) die Bemerkung, dass sich am Rande desselben häufig narbige Adhäsionen zeigen, die als Ueberbleibsel entzündlicher Vorgänge aufzufassen seien. Uebrigens ist das gar nicht zu verwundern, wenn man bedenkt, wie leicht die Serosa auf jeden Reiz reagirt, und wieviel Gelegenheit z. B. durch Anhäufung harter Kothmassen gerade hier zu solchen kleinen Insulten gegeben ist. Anheftung der Gekröse durch Verstreichen von Peritonealfalten. Die meisten anderen Autoren führen die Anheftung des Colon ascendens und descendens an die Körperwand auf mechanische Ursachen zurück. Meckel spricht von einer Verkürzung des Gekröses, Treitz, Luschka, Hyrtl und Waldeyer meinen, dass die laterale Platte beider Gekröse durch rasaialemae, in das Bereich des parietalen Bauchfelles herüber genommen und zur Austapezierung der Leibeshöhle verwendet werde. Gegen diese grobmechanische Vorstellung lässt sich zweifellos recht viel einwenden, und Bischoff hat ganz sicher Recht, wenn er bezüglich der Angaben J. Müllers und Meckel’s über die Bildung des grossen Netzes sagt: „Das Verständniss dieser Vorgänge wird nur dann klar werden, wenn man die mechanischen Vorstellungen, die wir zur Beschrei- bung der Vorgänge bedürfen, so viel als möglich beseitigt und an ein Wachsen denkt, wodurch alle Verhältnisse sich ändern können, ohne dass ein Theil sich um den anderen schiebt, dreht, mealeı n. dergl.“ Immerhin aber scheinen mir diese Hypothesen einen wahren Kern zu enthalten. Eine ganze Anzahl von peri- tonealen Gebilden zwingt uns durch ihr eigenthümliches Verhalten geradezu die Annahme einer Zugwirkung als Grund ihrer Entstehung auf, namentlich eine Anzahl freier Falten, die lediglich aus Bauchfelldupplikaturen bestehen und keine Gefässe oder Muskeln enthalten. Ich erinnere nur an die Plica duodeno-jejunalis, die ja auch Toldt (Nr. 58, pag. 14) auf einen solchen Vorgang zurückführt, ebenso wie er die Aufnahme des Pancreas in’s Mesocolon transver- 175 sum dem Zuge des mit Meconium gefüllten Dickdarmes zuschreibt. (Nr. 58, pag. 19.) Man darf allerdings bei einer derartigen Einwirkung nicht an eine plötzliche grobe Zerrung und aktive Thätig- keit irgend eines Organes z. B. des herabrückenden Hoden denken, man muss sich vielmehr vorstellen, dass an einzel- nen Orten mehr Bildungsmaterial angehäuft wird als an anderen, wodurch dann natürlich die Lage ursprünglich benachbarter Theile wesentlich geändert werden muss. Dass solehe Wachsthumsdifferenzen in der That zu auffallenden Lageveränderungen führen können, haben wir beim Des- census testiculi gesehen, dem man schwerlich andere Ursachen zu Grunde legen kann. Stellt man sich die Vor- sänge in dieser Weise vor, dann hat man ein wirkliches Wachsen, dann versteht man, wie aus den einfachsten Ver- hältnissen sich allmählich und unvermerklich die compli- eirtesten aufbauen können. Was die Anheftung ursprünglich freier Gekröse anbe- langt, so habe ich bei der Entwicklungsgeschiche des Netzes die Vorstellung, die ich mir davon mache, kurz angedeutet. Ich nehme für diese Vorgänge eine Wachsthumsdifferenz an, welche darin besteht, dass z. B. am Mesocolon ascendens und descendens die Umschlagsfalte von der lateralen Platte zur Körperwand gar nicht oder nur wenig wächst, während die Membrana propria und die mediale Platte sich regulär vergrössern. Eine Folge davon muss es sein, dass diese Umschlagsfalte von der Mittellinie immer weiter lateralwärts verschoben wird, während medial von ihr die ursprüngliche Haftlinie des Gekröses immer breiter oder, besser gesagt, zu einer immer grösseren Haftfläche wird. Hier werden dann natürlich Membrana propria und Bindegewebe oder Fascie der Körperwand zusammenstossen, sich vereinigen, . und aus dem freien Gekröse wird ein fixirtes werden. Dieser Wachsthumsbehinderung an der lateralen Um- schlagsfalte kann recht wohl eine Zugwirkung, wie sie durch die Verschiebung des Hodens und durch irgend welche andere Ursachen zweifellos bedingt wird, zu Grunde liegen. Dieser Zug könnte recht gut auch noch darauf hinwirken, dass die Uebergangsfalte, in Folge allmählicher 174 Verschiebung gegenüber der Membrana propria, noch mehr seitlich und endlich bis auf den Darm selbst hinübergeleitet würde. a Mit solchen Vorgängen ist das Entstehen des Recessus intersigmoidens und der Recessus paracolici recht wohl ver- einbar, da ja der Zug nicht gleichmässig wirkt, sondern sich an einer Stelle mehr äussert als an der anderen. Ich gestehe gern zu, dass bezüglich des Wie und Warum hier noch vieles, sehr vieles unklar ist, namentlich sind die letzten Gründe für diese Verschiebungen, wie die vielen oben erwähnten Hypothesen darthun, noch reeht dunkel es indessen scheint mir diese Auffassung den Principien des Wachsthums, wie wir sie auch anderweitig beobachten, mehr zu entsprechen, als eine spontane Verklebung freier Bauchfellflächen. Bezüglich eines Einwandes, den man gegen die Hypo- these der Verschiebung durch Wachsthum machen könnte, will ich mich noch kurz aussprechen. Man könnte sagen, dass die Fixationsflächen der Mesocola, falls die Ursache ihres Zustandekommens in einer Zugwirkung zu suchen sei, symmetrisch sein müssten, was sie offenbar nicht sind, da das Mesocolon descendens links eine weit grössere Haft- fläche zeigt als das Mesocolon ascendens rechts. Dieser Unterschied erklärt sich indessen ganz ungezwungen daraus, . dass das letztere ursprünglich viel freier ist als das ab- steigende Quergrimmdarmgekröse, und dass ein Theil der Kraft, welche diesem seine definitive Lagerung verschafft, bei jenem dazu verwandt werden muss, das Coecum aus der Lebergegend nach der Fossa iliaca dextra hinabzu- bringen. Worin die Compensation bei der Anheftung des Duodenalgekröses nach rechts und des Mesogastrium nach links hin besteht, bin ich nicht in der Lage, auch nur ver- muthungsweise angeben zu können. Dass die Anheftung des Darmkanals und der Gekröse bei beiden Geschlechtern dieselbe ist, trotz des weniger aus- geprägten Descensus der Geschlechtsdrüse beim Weibe, mag daher kommen, dass sich hier die Müllerschen Gänge so bedeutend in den freien Raum der Bauchhöhle hinein ent- ® E F ” F r- EN 175 wickeln, und dass hierdurch die Zugwirkung vollständig gemacht wird, welche beim männlichen Geschlechte die Wanderung des Testikels in den Hodensack allein bedingt. Schluss. Bedeutung der Peritonealhöhle. Zum Schluss noch einige Worte über die physiologische Bedeutung der Peritonealhöhle. Seit den bahnbrechenden Arbeiten v. Recklinghausen’s über das Lymphgefässsystem und seit der von His begründeten Unterscheidung zwischen Endothel und Epithel hat man sich gewöhnt, das Cavum peritoneale nicht blos als den Behälter für eine Art von Gelenkschmiere anzusehen, welche die Reibung der Ein- gseweide an den Leibeswänden vermindern soll. Die Aehn- lichkeit ihres serösen Inhaltes mit der Lymphe, das Vor- kommen von Lymphkörperchen in der Bauchhöhle, die Stomata, deren Passirbarkeit für Formbestandtheile man durch Injektionen in die Bauchhöhle des Kaninchens nach- gewiesen hat, wobei es meiner Ansicht nach gleichgiltig ist, ob sie wirklich präformirte Oefinungen oder durch Kitt- substanz ausgefüllte Zelleninterstitien darstellen, ferner die Aehnlickkeit der histologischen Struktur der Lymphgefässe und dieses serösen Sackes, welche beide aus einer elastischen Basalmembran und Endothelzellen bestehen: alles das macht es zur Gewissheit, dass wir das Peritoneum den Gebilden einzureihen haben, welche zum Lymphgefässsystem gehören, dass wir hier einen grossen Lymphraum, eine Lymphspalte vor unshaben. Damit ist aber die physiologische Bedeutung dieses Raumes noch eben so wenig in ihrem ganzen Um- fange erklärt, wie so vieles, was sich auf dieses räthsel- hafte Gefässystem bezieht. Wie dem aber auch sei, jedenfalls hat man doch keine Berechtigung, die Bauchfellhöhle mit Synovialräumen oder subeutanen Schleimbeuteln zu parallelisiren, wie z. B. Henle das thut, der das Cavum peritoneale als einen colossalen Schleimbeutel der Submuecosa ansieht. Dagegen spricht zu- nächst die immerhin nicht unbeträchtliche Verschiedenheit 176 des serösen Inhaltes, ferner der Umstand, dass jene Schleim- . beutel öfters keine vollständige Auskleidung mit Endothel haben, und dass dieselben frei von Gefäss- und Binde- gewebsbündeln durchzogen werden, was bei den wirklichen serösen Höhlen nicht der Fall ist. . Endlich haben die serösen Säcke im embryonalen Stadium ein Cylinderepithel und sind überdies schon in einer sehr frühen Periode prä- formirt, während Gebilde wie die subcutanen Schleimbeutel wahrscheinlich erst späterhin an Stellen, wo weiche und harte Theile sich häufig aneinanderreiben, durch Differenzirung des Bindegewebes entstehen, eine Annahme, die ihr unbe- ständiges Vorkommen zu bestätigen scheint. Am wenigsten Boden scheint mir die Auffassung Pfiügers zu haben, der in seiner Schrift über die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen dem Peritoneum die Be- deutung einer Drüse beilegt und seine Ansicht folgender- massen zusammenfasst: „Das Peritoneum ist also die Matrix der Geschlechtsdrüsen, das Ei eine Zelle des Peritoneum und der Graaf’sche Follikel eine abgeschnürte seröse Blase.“ Für eine’ gewisse frühe Entwicklungszeit, in wel- cher sich das Epithel der Bauchhöhle an der Bildung einzelner Theile der Nieren, des Keimwalles und der Müller'schen Gänge betheiligt, könnte diese Deutung allen- falls zutreffen. Aber die fernere Entwicklung des eigent- lichen Peritoneum divergirt doch zu sehr von der seiner Derivate. Die Nieren werden zu wirklichen Drüsen, ebenso die Eierstöcke, und die Müllersehen Gänge zu Ausführungs- gängen der letzteren, dagegen büsst das Peritoneum mit der Umwandlung des Epithels in Endothel ganz und gar die Fähigkeit ein, sich am Aufbau von Organen zu be- theiligen, und ebensowenig verrichtet es sekretorische Leist- ungen. Wenigstens hat man kein Recht, das Aussehwitzen einer serösen Flüssigkeit, selbst wenn dieselbe nach ihrem Durchtritte durch das Bauchfell eine vom gewöhnlichen Blutserum abweichende Beschaffenheit zeigt, als sekretorische Leistung aufzufassen; denn dann müsste man ja auch alle Schleimbeutel und Gelenkhöhlen zu den Drüsen rechnen. ee 177 Anhang. Gekröse einiger Edentaten. Von der Ansicht ausgehend, dass nicht allein die Ent- wieklungsgeschiehte, sondern auch die vergleichende Ana- tomie viel dazu beitragen kann, unsere Anschauung von dem Verhalten des Peritoneum und seiner Gebilde zu klären, bringe ich anhangsweise noeh die Beschreibung des Ver- laufes der Gekröse einiger Edentaten, welche mir Herr Prof. Weleker zur Untersuchung zu überlassen die Güte hatte. Dieselben zeichnen sich durch ihre Einfachheit aus und ihre Aehnlichkeit mit dem Zustande der Mesenterien des menschlichen Embryo in den ersten Wochen ist eine so auffällige, dass sich die Vergleichspunkte von selbst er- geben. Myrmecophaga. Bei Myrmecophaga didaetyla hängt, wie die Zeichnung erkennen lässt, welche das Objekt in Lebensgrösse dar- stellt, der Darm vom Magen an bis zum Restum an einem einzigen Mesenterium,. Dasselbe beginnt ziemlich breit am unteren Ende des grossen, einfachen, am vorliegenden Exemplare zum Theil eingesunkenen, zum Theil noch mit Nahrungsresten angefüllten Magen, zieht sich dann bald zu einem blattartigen Gebilde aus, welches an seiner oberen Cireumferenz, der Spitze und der grösseren vorderen Hälfte des unteren Umfanges den Dünndarm trägt, der dann in den nur wenig stärkeren Diekdarm übergeht. Die Ueber- sangsstelle ist durch ein nur schwach entwickeltes Coecum angedeutet, in dessen nächster Nähe sich zu beiden Seiten des Darmes, gegenständig, zwei kolbenförmige kleine Blind- därme ansetzen. Etwa einen Centimeter über dem Uterus biegt das blattförmige Mitteldarmgekröse in das nach unten hin spitz zulaufende Mesenterium des Enddarmes um. In der Mitte des Mesenterium commune für den Dünn- und Dickdarm verläuft die obere Gekrösschlagader, welche zum Dünndarme hin arkadenbildende Verzweigungen sendet, während die Colonäste sich einfach gabelig theilen. Der Zeitschr. f, d, ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. i 12 178 hinteren Partie des Dünndarmes entsprechend zieht an der oberen Seite der arteria mesenterica superior und in der Nähe der Spitze des Gekröses auch an der unteren bis in die Gegend des Coecum hin eine Reihe von Lymphdrüsen. Der Dünndarmantheil des gemeinsamen Gekröses zeigt sich an seinem Raude reichlich gefaltet, während die Insertions- linie des Gekröses am Dickdarme ziemlich glatt ist. Die vierlappige Leber ist an ihrem stumpfen Rande durch ein gutausgebildetes Ligamentum coronarium mit dem Zwerchfelle verbunden. Das ligamentum suspensorium, wel- ches an unserem Exemplare von der vorderen Bauchwand abgerissen ist, senkt sich zwischen dem zweiten und dritten Lappen in die Leber ein. Die zwei rechten Leberlappen sind zusammen grösser als die linken, von welchen auf der Zeichnung nur der untere zu sehen ist. Die Gallenblase haftet am zweiten Leberlappen. Von der Pforte der Leber geht ein gut ausgebildetes omentum minus nach der der kleinen Curvatur entsprechenden Gegend des Magens hin- über, welches in die rechte Platte des Anfangstheiles des Gekröses, des gut ausgebildeten Mesoduodenum, ausstrahlt, und dessen freier Rand nach rechts und unten sieht. Von der medialen Seite der concaven Fläche des ersten, klein- sten Leberlappens strahlt ein schmales Bauchfellligement in die Gegend der rechten Nebenniere und von dort nach dem oberen medialen Umfange der rechten, an ihrer Ober- fläche stark abgeflachten Niere aus. Zwischen diesem liga- mentum hepato-renale, welches nach oben und hinten mit dem äussersten rechten Ende des ligamentum coronarium zusammenhängt, und dem ligamentum hepato-duodenale öffnet sich das schlitzförmige Foramen Winslowü, durch welches man mit der Sonde in eine kleine Vertiefung, die bursa omenti minoris hineingelangt. Dicht am Fundus des Magens und zwar in der Nähe seiner oberen Partie hängt _ die lange schmale Milz. Durch Anziehen derselben lässt sich eine spinnwebenfeine Membran, welche in den serösen Ueberzug des Magens ausstrahlt und als Omentum majus gedeutet werden muss, zur Anschauung bringen. Unterhalb der Milz, nach der Gegend des Zwölffingerdarmes hin ver- laufend, glaubte ich eine körnige Masse wahrzunehmen, 179 welche wahrscheinlich das Pankreas darstellt. Ob hinter jener als Omentum majus bezeichneten Membran ein als grosser Netzbeutel zu bezeichnender mit der bursa omenti minoris communicirender Raum vorhanden ist, lässt sich weder durch Sondiren noch durch Aufblasen vom Foramen Winslowii her constatiren, da das Präparat nicht mehr ganz unverletzt ist; doch glaube ich es mit Bestimmtheit an- nehmen zu können, da ich es bei einem Exemplar von Bradypus, das, wie unten folgt, ganz ähnliche Verbältnisse zeigte, deutlich nachweisen konnte. Merkwürdig sind noch die Beziehungen der Geschlechts- organe zum Peritoneum. Der ziemlich grosse Uterus ist durch weit hinauf, bis in die Gegend der Nieren hinziehende Ligamenta lata an die hintere Bauchwand angeheftet. So entsteht eine tiefe Ausbuchtung an seiner hinteren Fläche, in welche der Enddarm sich hineinsenkt. Die Ovarien sind in Bauchfelltaschen verborgen. (Auf der Zeichnung ist der ‚Eierstock aus derselben herausgezogen dargestellt.) Die beiden Hälften des Uterus stossen nach Art eines Dach- firstes vorn zusammen. Die faltig zusammengesunkene Harnblase ist vollständig vom Bauchfelle überzogen und ragt frei in die Bauchhöhle hinein. Bei einem männlichen Individuum derselben Species ziehen von den grossen, in der Inguinalgegend am oberen Beckenrande gelegenen Hoden breite Ligamente, Mesorchien, nach der Nierengegend hinauf, ähnlich wie sie vom Uterus auf der Zeichnung dargestellt sind. Bradypus. Ganz ähnliche Verhältnisse fand ich an dem sammt Bauchfell und Diaphragma aus der Leibeshöhle genommenen Eingeweidetraktus von Bradypus. Hier geht das breite Zwölffingserdarmgekröse ziemlich scharf in ein langes, über- all gleich schmales, zungenförmiges Mitteldarmgekröse über, das sich unten ganz ähnlich wie bei Myrmecophaga in das hinter dem Uterus verschwindende Enddarmmesenterium fortsetzt. Eine fixirte Flexura duodeno-jejunalis fehlt auch hier gänzlich. Der Dünndarmantheil des Mesenterium com- mune zeigt am Rande zahlreiche Fältchen und arkaden- 424 180 ER förmigen Gefässverlauf. Der Diekdarm beginnt am unteren Gekrössaum ganz in der Nähe der Spitze des Mesen- terium, hat ein schwach entwickeltes Coecum und keine kolbigen Anhänge. Sein Gekrössantheil weist nur spärliche Falten auf. Die Leber zeigt keine deutliche Lappung. Ihre Pforte stellt eine tiefe Furche dar. Der links von der Anheftungs- stelle des ligamentum suspensorium gelegene, dem linken Leberlappen entsprechende Theil ist sehr spärlich ent- wickelt. Der ungeheure Magen zeigt links eine aus drei Abtheilungen bestehende grössere Partie und rechts eine aus drei Biegungen zusammengesetzte, darmähnliche kleinere. . Zwischen beiden senkt sich der Oesophagus ein. Die Leber ist bis auf ihre Haftstelle an der Vena cava inferior und die Insertionsstellen des ligamentum suspensorium, des omentum minus und des deutlich ausgeprägten, ziemlich breiten, vom hinteren stumpfen Leberrande zum Zwerch. felle hinlaufenden Ligamentum coronarium überall vom Bauchfelle überzogen. — Das kleine Netz ist gut ent- wickelt, strahlt von der Pforte nach den Windungen der rechten Magenhälfte und der rechten Platte des Duodenal- gekröses hin aus und birgt in seinem freien Rande, dem ligamentum hepato-duodenale, den Ausführungsgang und die Gefässe der Leber. Nach oben hin geht es ohne scharfe Grenze in die linke Partie des ligamentnm coronarium über. Vom rechten äussersten Ende dieses Bandes zieht ein Ligament zur Nebenniere hin. Zwischen diesem ligamen- tum hepato-renale und dem ligamentum hepato-duodenale liegt das sehr grosse Winslow’sche Loch, das sich in die recht geräumige bursa omenti minoris Öffnet. Von der Gegend der Cardia nach der des Pylorus verläuft an der hinteren Leibeswand das ligamentum gastro-pancreaticum mit scharfem sichelförmigen Rande, und zwischen ihm und - dem Magen gewahrt man eine ovale Oeffnung, von welcher aus man den in gewöhnlichem Zustande dem Magen glatt anliegenden Netzbeutel aufblasen kann. Derselbe erhebt sich dann als eine grosse zartwandige Blase, welche sich . links an die grosse linke Magenhälfte, oben an die Wind- ungen der kleineren rechten, unten mit einer schmalen Haft- 181 stelle an die hintere Körperwand anheftet und nach rechts hin in das Duodenalgekröse übergeht. Am unteren Umfange der Blase, in die Wandungen derselben eingeschlossen, liegt nach oben und links die lange, schmale Milz, ihr parallel, etwas darunter, das Pan- creas, das sich nach dem Zwölffingerdarmgekröse hinüber- zieht und seinen Ausführungsgang etwas über dem der Leber münden lässt. Der grosse, flache, einfache Uterus ist durch breite, bis zur Gegend der Nebennieren hinaufziehende ligg. lata an die Rückenwand geheftet. Die Ovarien liegen in Bauch- felltaschen, welche hinten von der Tuba, vorn von einer freien Bauchfellfalte gebildet werden und sich nach oben und medialwärts öffnen. Von der Gegend der Haftfläche des Omentum majus und des lateralen Milzendes zieht eine Bauchfellfalte nach der Stelle hin, nach welcher das lig. latum ausstrahlt. Von dem äussersten Ende des rechten lig. latum strahlt eine nach unten hin concave freie Bauchfellfalte lateral- wärts aus, unter welcher sich nach unten hin ein kleiner Recessus öffnet. Die Blase verhält sich ganz ähnlich wie bei Myrmeco- phaga. Das ganze Verhalten des Mesenterium und des Omen- tum, welches noch keine nach unten herabhängende Falte bildet, zeigt, wie sich auf den ersten Blick ergiebt, ein ziemlich getreues Abbild des Zustandes, wie wir ihn bei sechswöchentlichen Embryonen beobachten, und unterschei- det sich von diesem im Wesentlichen nur durch das Fehlen einer an die Rückenwand fixirten Flexura duodeno-jejunalis. Literatur. Original-Aufsätze. Armnoldt, Fr., Handbuch der Anatomie des Menschen. Freiburg 1845. c. J. Baur, Anatomische Abhandlung über das Bauchfell des _ Menschen. Stuttgart 1835. Bochdaleck jun., Ueber den Peritonealüberzug der Milz ete. Archiv für Anatomie und Physiologie 1867. Bornhaupt, Untersuchungen über die Entwicklung des Urogenital- systems beim Hühchen. Riga 1867. 3 A. v. Brunn, Bursae phrenico-hepaticae. Zeitschrift für Anatomie und nen hhinsgss nahe von His und Braune 1876. . 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Sitzungsberichte der Wiener Akademie, mathematisch-natur- wissenschaftliche Classe.. LXXIX, Heft IV u. V; LXXX, Heft 1—4; LXXXI, Heft 1—3. . Atti dell’ accademia dei Lincei, Roma, Vol. V. Fase. 1 1.024 1884: . Achter Jahresbericht des Provinzialvereins zu Münster 1880. . Bulletin de la societe des naturalistes de Moscou. N. 2. 1880. . Memorie dell’ accademia delle scienze del Instituto di Bo- logna. Serie III, Tom X. Fase. 3—4. . Beiträge zur Kenntniss der unorganischen Schmelzverbin- dungen v. Dr. O. Schott. Braunschweig 1881. Ree.-Exempl, vom Verleger Vieweg. v. Czerny, Veränderungen des Klimas. Wien 1881. Rec.- Exemplar vom Verleger. . Sitzungsberichte der Kgl. bayrischen Akademie der Wissen-_ schaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Classe 1880. IV. er RE rn 187 Zur Aufnahme als Vereinsmitglieder werden angemeldet die Herren: Paul Kuleschoff, Candidat der Petrow’schen land- wirthschaftlichen Akademie in Moskau und Veterinar- Arzt Borse bi ‚ Assistent am chemischen Universitätslabo- ratorium hier, durch die Herren Professoren v. Fritsch, Schmidt und Taschenberg. Die auf der Tagesordnung stehende Vorstandswahl wird, nachdem der Herr Prof. Taschenberg die Wiederwahl als Schriftführer seiner vorgerückten Jahre wegen abgelehnt hat, mittelst der Stimmzettel vollzogen, es wurden gewählt: als Vorsitzende Herr Prof. Giebel und Herr Prof. v. Fritsch, als Schriftführer Herr Prof. Schmidt, Herr Geheimrath Duncker, Herr Dr. Luedecke, als Kassirer Herr Dr. Teuchert, als Bibliothekar Herr Lehrer Schaal. Nachdem der Vorsitzende Herr Prof. v. Fritsch im Namen des Vorstandes die Wahlen acceptirt hat, richtet derselbe einige tief empfundene Worte des Dankes an Herrn Prof. Taschen- berg für treue Pflichterfüllung, mit welcher derselbe das Amt eines 'activen Schriftführers während der letzten 25 Jahre ver- waltet hat; die Anwesenden drücken demselben durch Erheben von den Plätzen ihren Dank aus. Hierauf spricht Herr Tetzlaff über Cortex Quebracho, über welche schon Herr Hornemann im Januarheft 1880 pag. 214 gesprochen hat; derselbe erläutert den mikroskopischen Bau und giebt die spezifischen Unterschiede von ähnlichen Rinden an. Sodann sprieht Herr Studiosus Franz Beyschlag über Sphenophyllum aus dem Rothliegenden. Es finden sich in der Literatur des letzten Jahrzehnts wenige, zerstreute Notizen über das Vorkommen von Sphenophyllum im Rothliegenden. Ferd. Römer (Geologie von Oberschlesien p. 115, 117, Tf. IX, Fig 4) erwähnt mangelhaft erhaltene Exemplare aus dem Carniowicer Kalk (Filipowicee),. Weich spricht sich für die Deutung dieser Reste als Sphenophyllum in den Verhandlungen des naturhistorischen Vereins zu Bonn 1871, Sitzungsber. p. 18 aus. Dasselbe Vorkommen findet Erwähnung in der Lethaea palaeozoica von 1879, p. 154. — Ungleich zahlreichere und besser erhaltene Exemplare will Feistmantel im Böhmischen Kohlenrothliegenden gefunden haben. (Feistmantel. Ueber das Verhältniss der böhmischen Steinkohlen- zur Perm- formation. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1873, 23. Bd., 3. Heft., p. 249. Vergl. auch Feistmantel, Ueber 183 den Charakter der ältesten Landflora oder Gemeinschaftlichkeit der Landflora in den palaeozoischen Gebirgsgliedern. Lotos, Jahrg. XXIV, p. 9.) — Renault, der sich eingehend mit der Organisation der Sphenophyllen beschäftigt hat, führt verkieselte Zweige dieser Pflanzen aus dem (?) älteren Rothliegenden von Autun an. (Renault, memoire sur l’organisation des rameaux silifies ete. Compt. rend. 1870, p. 1158). Aehnliche Zweige sollen im Rothliegenden von Chemnitz vorkommen. (J. T.Sterzel, Die fossilen Pflanzen des Rothliegenden von Chemnitz in der Geschichte der Paläontologie. V. Bericht der naturwissenschaftl. Ges. zu Chemnitz.) — Dem Verfasser dieser verdienstvollen historischen Uebersicht über die phytopaläontologische Literatur der Pflanzenreste des Rothliegenden wurde die Bearbeitung der Flora des Beharrlichkeitsschachtes bei Grüna für das Erläuterungs- heft der Section Hohenstein der geologischen Landesaufnahme von Sachsen übertragen. Die Schichten, in welchen der Beharr- lichkeitsschacht abgeteuft ist, gehören entgegen der früher von H. B. Geinitz aufgestellten Ansicht nach neueren Untersuch- ungen der sächsischen Landesgeologen der oberen Abtheilung des mittleren. Rothliegenden an. In der Zusammenstellung der Flora dieses Schachtes führt Sterzel Sphenophyllen auf. Der Güte des Herrn Prof. v. Fritsch verdanke ich die Mittheilung, dass auch in den zum Rothliegenden gerechneten Schichten des Plagwitzer Kanals bei Leipzig Sphenophyllum ge- funden ist. Ein Handstück mit deutlichen Sphenophyllenresten aus der Sammlung des hiesigen Mineralogischen Museums, welches von Prof. Emmrich in der Kohlenablagerung von Crock am SW-Ab- hange des Thüringer Waldes gesammelt war, gab Veranlassung diesen Fund näher zu controliren. Die Kohlenablaggrung bei . Croek gehört nach dem massenhaften Vorkommen von Alethopteris conferta Stbg. in den das Kohlenflötz unmittelbar begleitenden Schichten, und von Welehien im Liegenden des Flötzes dem Rothliegenden an, wie dies auch von Richter (D. Thüringische Schiefergebirge. Zeitschr. d. D. geol. Gesellsch. 1869, p. 415) von Gümbel (Neues Jahrb. f. Mineral. 1864, p. 645) und von H. B. Geinitz (Geinitz u. Fleck, Steinkohlen Deutschlands, Bd. I, p. 107) angenommen wird. Den Sommer 1880 war ich so glücklich auf der Halde des unteren Stollens bei Crock 7 weitere Exemplare von Spheno- phyllum zu finden. Dieselben ‘erweisen sich mit einer einzigen - Ausnahme als in der Species mit dem Emmrich’schen Exem- plar übereinstimmend, jedoch so von den bekannten Formen verschieden, dass ich mieh nach Durchsieht der einschlägigen Literatur und des ausserordentlich schönen und reichen \Wer- gleichungsmaterials des hiesigen Museums zur Aufstellung einer 189 neuen Species entschliessen werde, sobald mir zahlreicheres und besser erhaltenes Material zu Gebote steht. Ich möchte diese neue Form vorläufig folgendermassen cha- rakterisiren: Sphenophyllum sp. des Rothliegenden bei Crock. 8. foliis elongatis, angustis, arete euneatis; apice profundius dentatis vel fissis; laeineis lanceolatis, acutis; nervis rarioribus (4—9) ad basim folii eonfluentibus; vertieillis hexaphyllis; internotiis bre- vioribus vel longioribus. Spieae ignotae. Die Blätter dieses Sphenophyllum sind länglich, (ca. 1” lang) schmal, deutlich keilförmig, an der Spitze ziemlich tief gezahnt oder gespalten, mit scharfen lanzettförmigen Zipfeln, ziemlich wenigen Nerven (4—9) die an der Basis zu einem ver- diekten Nerv zusammenlaufen. Quirle blättrig; Internodien von verschiedener Länge. Aehren unbekannt. Vergleicht man diese Form des Rothliegenden mit den be- kannten Sphenophyllen des echten Carbon, so fällt die Aehn- lichkeit der Blattform und Nervatur mit der von Sph. erosum, ß. Laxifragaefolium, Coem. und Kick sehr ins Auge, doch treten bei dieser Species die Blätter meist zu 12 in einen Quirl zu- sammen, während in unserem Falle die Quirle 6 blättrig erscheinen. Die Zähnung der Blattspitze gleicht am meisten derjenigen von Sph. angustifolium Germ., während mit Sph. oblongifolium inso- fern Uebereinstimmung besteht, als die Blätter, besonders die grösseren -in der Mitte der Spitze zerspalten erscheinen. Ob diese Spaltung etwas dem Blatte eigenthümliches oder wie bei oblongifolium eine Folge der Petrifieirung ist,. bleibt zweifelhaft. Bei letzterer wird sie vermuthlich bedingt durch die Gewölbtheit der Blätter, welche auf ebener Unterlage liegend, sobald sie von oben her gedrückt werden, zerreissen müssen. Deshalb zeigen kleinere und daher sehwächer gewölbte Blätter keine Zerspaltung. — Die Blätter unserer Pflanze haben endlich eine nicht unbe- deutende Aehnlichkeit mit den Stammblättern von Sph. Schlot- heimii Brgt. in einem bestimmten mittleren Standort (s. Germar, Versteinerungen v. W. u. L. Heft II, Taf. II, Fig. 3). Den- noch sind sie keineswegs mit ihnen zu verwechseln, da auf mehreren Exemplaren die Verbindung mit dem Zweige deutlich ist. Eine zweite Art aus dem Rothliegenden von Crock, die ich leider nur in einem Exemplare besitze, zeigt grosse Aehnlichkeit mit dem von Ferd. Roemer (Geologie von Oberschlesien, p. 117, Taf. 9, Fig. 4.) abgebildeten Sphenophyllenreste. Die nähere Beschreibung muss verspart werden bis mehr Material zu Gebote steht. Es sei nur erwähnt, dass die Blättehen dieser Form stärker als bei Sph. Schlotheimii abgerundet sind, wodurch die Keilform sehr zurücktritt. — Auffallend erscheint bei Sphenophyllum eine auch sonst 190 mehrfach beobachtete Congruenz in der Entwiekelung der Blatt- form bei einer einzelnen Species und bei der ganzen Gattung. Wie bei Sph. Schlotheimii Brg. (vergl. die leider schlechte Ab- bildung bei Germ. Verst., Heft I, Taf. VII, Fig. 3) die unter- sten Sammelblättehen ganz zerschlitzt, die höheren, je weiter hinauf sie steigen um so weniger zerschlitz) um so weniger tief gezähnt erscheinen, bis endlich in den Zweigblättern Ganzrandig- keit der Spitze und Abgerundetheit der Ecken eintritt, so folgt den starkgeschlitzten Sph. Saxifragaefolium und erosum der Waldenburger Schichten, das fast ganzrandige keilförmige Sph. Schlotheimii der Ottweiler Schichten und diesem endlich die runde sanzrandige Form des Rothliegenden von Karniowik und Crock. Herr Ober-Ingenieur Beeg — bespricht eine im American Engeneer enthaltene Abhandlung von Jacob Reese in Pittsburg über „The imponderable physical agents“, in welcher der Vf. ein von ihm entdecktes Phänomen beschreibt; dasselbe besteht darin, dass ein vor einer sehr rasch rotirenden Stahlscheibe in gleichem Sinne rotirender Stahleylinder von der Scheibe in der Weise durchgeschnitten wird, dass der Cylinder mit der Scheibe in keine Berührung kommt, sondern der Stahl in einer Enfernung von 2—3 mm von der Scheibe abgeschmolzen wird. Die auf Grund dieser Erscheinung vom Entdecker construirte Maschine zum technischen Gebrauche hat eine Scheibe mit glattem Rande, von 1,16 m Durchmesser und gegen 5 mm Stärke, welche mit 2300 Umdrehungen, also mit einer Umfangsgeschwindigkeit von 8400 per Minute rotirt, während der durchzuschneidende Stahl- stab 200 Umdrehungen in der Minute macht. Wird der Stab nicht gedreht, so wirkt die Scheibe wie eine Kalteisensäge durch directes Angreifen des Materials, wobei die losgerissenen Stahl- spähne zu Oxyd verbrennen; bei oben angegebener Drehung aber schmilzt der Stahl in Tropfen ab, die eine geringe Tempe- ratur haben und metallisch bleiben. Die beschriebene Maschine erzeugt ganz glatte Schnittflächen und ist in Amerika mehrfach, namentlich zum Abschneiden von Flintenläufen und Revolver- kammern in Gebrauch. Eine wissenschaftliche Erklärung jenes merkwürdigen Phänomens ist bis jetzt nicht gelungen. Herr Prof. Schmidt spricht über Steinsalzkrystalle von Stassfurt; es sind Combinationen des Würfels mit einem Pyra- midenwürfel. Herr Prof. Jung theilt folgendes mit: Das Wiederaufleben eingetrockneter Tardigraden (Barthierchen) wurde bekanntlich von Schrank u. a. geläugnet und von Ehrenberg ebenfalls als Täuschung angesehen, veranlasst dadurch, dass bei langsamem Eintroeknen des Schlammes, Mooses die Thierchen noch Eier legten, aus welchen bei neuer Befruchtung sehr rasch neue In- dividuen ausschlüpften und heranwüchsen. Unlängst gelang es 191 mir eine Beobachtung anzustellen, welche obigen Behauptungen widersprechend zur Entscheidung der Streitfrage dienen kann. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Schlammwassers eines halb eingetrockneten Grabens fand ich ein trächtiges etwa 0,65 mm langes Milnesium mit 18 Eiern im Hinterleibe. Das- selbe bewegte sich unter dem Deckgläschen zwischen einigen Algen lebhaft hin und her, ohne indess seinen Ort zu verlassen. Ich beschloss, obwohl meine Zeit leider gerade sehr besetzt war, Versuche über das Wiederaufleben von Thier und Eiern zu machen und liess beide unter dem Deckgläschen eintrocknen. Als ieh nach 5 Stunden mein längst völlig eingetrocknetes Prä- parat zunächst, ohne es zu befeuchten, untersuchte, — ich ar- beitete stets bei 350 facher lin. Vergr., welche bei genügender Grösse des Gesichtsfeldes auch sehr scharfe Bilder gab — ge- lang es mir erst nach halbstündigem Suchen wenigstens die Algengruppe, innerhalb welcher mein Thierchen sich befunden hatte — es war nur ein einziges unter dem Deckglase gewesen — wieder zu erkennen, so sehr war auch sie geschwunden. Ein verwaschener brauner Fleck von der Farbe des Milnesium- Magens war alles, was ich von dem Thiere selbst sehen konnte. Ich brachte nun einen Tropfen Wasser auf die Seite des Deck- glases und bemerkte, sowie das Wasser herankam und befeuch- tete, fast momentan neben dem Flecke ein feines Häutchen, wel- ches in kaum 5 Sekunden die allgemeinsten Umrisse des Mil- nesiumleibes und der darin eingeschlossenen Eier zeigte. Von da an ging die Rekonstruktion des Thieres Schritt für Schritt ihren Gang: Der Darminhalt bekam langsam seine normale Wand, die äussere Haut des Thieres nahm ihre frühere Form auch in den kleinsten Details wieder an; leider erhielt das Deckglas bei einer neuen Wasserzuführung einen kleinen Stoss, wodurch der Leib des Thieres um ein Drittel in die Länge gezogen wurde, trotzdem aber hatten sich nach 20 Minuten der Mund, die Mundfranpsen und die Mundröhre, sowie die dahinter befindlichen halbkreisartigen Scheiben (Kiefer?) und ebenso die Füsse vollständig entwickelt. (Von den letzteren konnte ich übrigens von Anfang an auch am frischen Thiere nur 3 Paare sehen, das letzte Paar war entweder trotz der vielen Bewegungen und Drehungen des Thieres stets unter den Eiern verborgen oder, was mir wahrscheinlicher ist, es war durch die sehr starke Aus- dehnung des trächtigen Hinterleibs mit in die Leibeswandung ein- verleibt. — Da mir zum Beobachten keine Zeit blieb, so stellie ich das reichlich mit Wasser versehene Präparat unter eine feuchte Glasglocke und fand nach 2 Stunden (Abends spät) das Thier noch nicht völlig eingetrocknet, vielmehr hatte sich inzwischen auch die Verbindung zwischen den Kieferplatten und dem Darm- kanal (d. h, die Speiseröhre) hergestellt. Eine Bewegung hatte 19% das Thier während der Zeit anscheinend noch nieht gemacht, obwohl es jetzt mit Ausnahme der oben erwähnten Ausreekung genau seine inneren und äusseren Formen besass. Bine Entwick- lung der Eier dagegen konnte ich in diesen ganzen 3 Stunden der Befeuchtung nicht wahrnehmen, — Nur einmal zog sich einer der Embryos halbmondförmig zusammen —9 obwohl sie in ver- schiedenen Stadien der Entwicklung sich befanden und einige bereits sehr weit vorgeschritten schienen. Ich vermuthe als Ursache der Unbeweglichkeit des Thieres ein zu festes Aufliegen des Deck- glases und suchte dem abzuhelfen, indem ich rechts und links unter dasselbe je ein sehr stark keilförmiges Haar meiner Augen- brauen (das sanfteste mir bekannte Mittel) schob, was glücklich von statten ging. Das Thier erschien nur wenig verändert, ausser dass die zwei reifsten Eier in einen zwischen den Hinterfüssen (drittes Paar) mündenden Ausführungsgang getreten waren. Ich bezeichnete mir die Stelle, wo mein Thier lag, genau und brachte es wieder mit Wasser versehen unter die Glasglocke. Als ich aber am folgenden Nachmittage mein leider inzwischen völlig aus- getrocknetes Präparat wieder beobachten konnte, fand ich weder vor noch nach der Befeuchtung von dem Thiere oder seinen Eiern die geringste Spur. Dagegen erschien der dasselbe bis dahin umgebende Algenkranz in seiner Lage völlig verändert und breit- durchbrochen. Auch an den andern Stellen des Deckglases fand ich leider keine Spur des Thieres oder seiner Eier. Dasselbe muss somit nach der völligen Rekonstruktion wieder aufgelebt und die ungastliche Stelle verlassend unter dem Deckglase her- vor in die Wasserzuführungsstelle geschwommen sein, wo es bei den folgenden Betupfungen zerdrückt und weggewischt wurde, da ich dort seine Anwesenheit erst zuletzt und zu spät vermuthete. Hierfür spricht 1) die gänzlich veränderte Lage der den Platz umgebenden Algen unterhalb des Deckglases, die sich bis dahin nieht verändert hatten und mir aus den mehrstündigen Beob- achtungen noch genau im Gedächtniss waren. 2) Der Umstand, dass ich keine Spur des Thieres mehr finden konnte, während beim Tode des Thieres wenigstens die Reste der Haut und die Kiefer sich gehalten hätten, wie ich solche z. B. im Moose alter Bäume und Dächer nach wochenlangem Trockenliegen und wieder- holter Befeuchtung öfters vorfand. Endlich 3) hätten, wenn Ehrenberg’s Ansicht die richtige wäre, sich wenigstens die offenbar z. Th. völlig reifen Eier erhalten müssen und solche habe ich sehr oft an obigen Stellen gefunden resp. durch An- feuchten rekonstruirt. — Ehrenberg’s anfangs eitirte Ansicht ist somit durch meine obige Bedbaehtung wohl definitiv wider- legt, aber auch für das Wiederaufleben der Tardigraden dürften dieselben ein ausreichender Beweis sein. Ein ähnlieh günstiges zweites Objeet zu finden ist mir leider hinaus trotz mancher Bemühungen nicht gelungen. Pe | de Herr Prof. Taschenberg referirt Herrn Prof. Lindeman’s Bericht über einen für Russland neuen, in Nordamerika bereits bekannt gewesenen Getreidefeind, den sogenannten „Knotenwurm“; Eurytoma hordei. Die Larve dieses Insekts, dessen Familien- genossen (Chaleidior) als Schmarotzer in andern Insekten be- kannt sind, erzeugt über dem untersten oder dem nächstunter- sten Halmknoten bei Gerste oder Roggen eine knotige An- schwellung, durch welche der Aehre die nöthige Nahrung ent- zogen wird. In jeder Galle lebt eine Larve und verpuppt sich auch hier, es kommen aber auch Gallencomplexe mit ihren Lar- ven vor. Es soll in Amerika durch diesen Feind zweidrittel der Ernte verloren gegangen sein. Sitzung am 20. Januar. Anwesend 25 Mitglieder. Eingegangene Schriften: 1. Bulletin de la societe d’Histoire naturelle de Vadoise Vol. XXI. Nr. 84. Lausanne 1880, 2. Sitzungsberichte der Wiener Akademie, mathm. naturw. Classe Bd. LXXXI I-V; Bd. LXXXIL I u. I. 3. Tromsö Museum, Jahresheft III Tromsö 1880. Geschenk des Herrn Pettersen, dort. 4. Noll der zoologische Garten, Zeitschrift ete. Frankfurt 1880. 11. i 5. Academia dei Lineei Vol V. Faseie. 3. Roma 1881. Nach der Verlesung und Genehmigung des Protokolls der Sitzung vom 13. Januar werden als Vereinsmwitglieder proklamirt: Herr Kuleschoff und Herr Bosetti; Zur Aufnahme angemeldet wird: Herr Adolf Meyer, Assistent am botan. Institut durch die Herren Prof. von Fritsch, Dr. Luedecke und Assistent Tetzlaff. Hierauf sprieht Herr Prof. v. Fritsch über einige neue Erwerbungen des hiesigen mineralogischen Instituts und in’s be- sondere über Devonpetrefaeten der Eifel. Am 20. Januar 1881 legte Prof. v. Fritsch mehrere Exem- plare von Pteriehthys aus den Geoden des Devonischen alten rothen Sandsteins von Schottland vor und besprach den Bau dieser merk- würdigen Plakodermen. Sodann wurde ein kleines Bruchstück eines Plakodermenrestes von Pelm bei Gerolstein vorgezeigt. Eine an den Rändern überall beschädigte, ursprünglich anscheinend trapez- ähnliche, sehr poröse Knochenplatte von ca. 33 mm Länge, 32 mm srösster und 24 mm kleinster Breite, 0,5—1 mm Dicke ist durch einen medianen Kiel in zwei Flügel getheilt, welche in diesem Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss, Bd. LIV, 1881, 13 194 Kiele unter etwa 150° zusammenstossen. Spuren, bentilich Ab- drücke, seitlich anstossender Platten sind siehtbar, interessanter aber papierdünne Knochenlamellen , „welche mit dem nwlücke verbunden sind. Eine solche Lamelle liegt dem Kiel entsprechend, ist wie dieser gradlinig und eben; sie verläuft in die Abdrücke von eigen- thümlich gewölbten reircch dazu gestellten Knochenblättern, welche eine einem T vergleichbare Anordnung dem oberflächlichen Beobachter zeigen. Da entspricht die Mitte des senkrechten Striches des T dem Kiele, und der horizontale Strich der Letter wird durch einen flachen Bogen vertreten, dessen Concavität gegen die grössere Breite der trapezähnlichen Platte gerichtet ist. Die zarten Knochenblätter scheinen compact zu sein und eine fein gestreifte, etwa an Muschelschalen erinnernde, Oberflächen- beschaffenheit besessen zu haben. Die grosse, diekere, poröse Platte besitzt die gekörnelte Oberfläche wie Pteriehthys ete. Der Vortragende hält nicht für unwahrscheimlich, dass der vorliegende Rest zu Physichthys Myr. gehöre und die der breiten, etwa fünfseitigen Hauptplatte des von Herm. v. Meyer (Palae- ontographica, 4 Bd. Tb. 15) abgebildeten Kopftheiles gegenüber gelegene Platte der Mittelreihe sei, so dass der Fund jene Ab- bildungen und die Beschreibung ein wenig ergänzen könnte. Doch sind noch weitere Stücken abzuwarten, ehe Bestimmtes über die so merkwürdigen inneren Knochenlamellen gesagt werden kann, die nach einem der schottischen Exemplare auch bei Pteriehthys vor- kommen. Das Gestein, welchem unser Stück. entstammt, ist von sehr mergeliger Beschafferheit, und gehört wohl derselben Schicht an, wie der prachtvolle, von Beyrich beschriebene Pterichthys rhe- nanus. Prof. Sehmidt berichtet, im Anschluss an seine früheren Mittheilungen !) über die von Prof. A. Baeper in München aus- geführte Synthese des Indigo, über das in der jüngsten Zeit von demselben Forscher entdeckte und gegenwärtig praktisch von der badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen ver- werthete Verfahren der künstlichen Darstellung dieses Farb- stoffes. Als Ausgangsmaterial für die Darstellung des Indigo benutzt B. jetzt die Zimmtsäure, während er früher zu den gleichen Zwecke die Phenylessigsäure verwendete. Behufs Ueber-- führung in Indigoblau wird die Zimmtsäure : C9H802. zunächst dureh Einwirkung von Salpetersäure in Ortho-Nitrozimmtsäure : C’H’NO* übergeführt und diese nach ihrer Reinigung durch Ein- ‚tragen in flüssiges Brom, bezüglich durch Behandlung mit dampf- förmigem Brom in Ortho-Nitrozimmtsäuredibromid : C9H’NBr2O%, 1) Diese Zeitschrift 1879, S, 140, 195 verwandelt. Letztere Verbindung kann bereits direct zur Dar- stellung von Indigoblau dienen. Kocht man nämlich die wässerige Lösung derselben mit Natriumearbonat, so färbt sie sich zunächst gelb und scheidet allmälig, bei längerem Kochen, Indigoblau ak. Ein Zusatz eines Reduetionsmittels, wie Traubenzucker oder Milchzucker, beschleunigt die Farbstoffbildung. Reichlichere Mengen von Indigoblau, als nach vorstehendem Verfahren, werden gebildet, wenn das Ortho-Nitrozimmtsäure- dibromid zunächst durch Lösen in überschüssiger Natronlauge nnd Wiederausfallen durch eine Säure in Ortho-Nitrophenylpro- piolsäure : CPH’NO* verwandelt und letztere alsdann durch Kochen mit sehr verdünnter Natronlauge, unter Zusatz von etwas Trau- benzucker, in Indigo übergeführt wird: C>H>NO? — N S0SHSNON 2 002 + 0) Orthonitrophenyl- Indigohlau Kohlensäure- Sauerstoff propiolsäure anhydrid Die Menge des auf diese Weise gebildeten Indigoblaus be- trägt eirca 40 Proc. der angewendeten Orthonitrophenylpropiol- säure. Um das Indigoblau direet auf der zu färbenden Faser zu erzeugen — also mit Umgehung der bisher in der Indigofärberei üblichen Indigoküpe — schlägt B. vor die Ortho-Nitrophenyl- propiolsäure mit Soda, Traubenzucker oder Milchzueker zu mischen, nach Zusatz von Verdickungsmitteln die Faser mit der Lösung zu imprägniren, und alsdann einfach dieselben zu er- hitzen. Um die zu dieser Darstellung des Indigo erforderliche Zimmt- säure zu gewinnen, geht man aus von dem durch Oxydation von Toluol bereiteten künstlichen Bittermandelöl, verwandelt letzteres durch Einwirkung von Salpetersäure in Nitro-Bittermandelöl und dieses durch Chloracetyl direet in Orthonitrozimmtsäure. Herr Dr. Luedecke referirt sodann über eine Arbeit Des- Cloizeaux’s in dem Bulletin de la Societ6E mineralogique de France II, 111. über die Krystallform des Magnesiums. Die- selben hatten sich gebildet durch Sublimation an dem Gewölbe eines Porcellanofens. Sie haben die weisse Farbe und den leb- haften Glanz des Silbers; die Flächen und Kanten sind oft ge- krümmt. Es sind Combinationen des hexagonalen Prismas mit der Basis, welche letztere gewöhnlich nicht so lebhaften Glanz besitzt als die Seitenflächen. Die Combinationskante beider Flächen ist oftmals abgestumpft durch 6 Pyramidenflächen, welche wahrscheinlich (1011) und (0111) sind. € z gemessen berechnet 1010 : 1010 = 119058’ Mittel 120° 1011720001 1177051/ h 13* 196 gemessen berechnet 0001 : 1010 = 90° - Mitte? 900 1010=0111 = 127031,5' 12703132" In der Reihe der rhomboädrischen Metalle würde das Mag- nesium dann an zweiter Stelle kommen: Zink 71035°—72959 Rhomboederwinkel u Magnesium 800,5‘ 4 Arsen 85041‘ Tellur 8601‘ Antimon 87035‘ Wismuth 87040’. Weiter sprieht der Vortragende über den Kentrolith. Damour und Rath haben in der Zeitschrift für Krystallographie V 32 eine neue, Mineralspecies aufgestellt. Nach der Analyse von Damour besteht das Mineral aus gefunden berechnet Kieselsäure 15,95%), 16,58 Manganoxyd 24,50 „ 21,83 Bleioxyd 59,79 „ 61,59 Der berechneten procentischen Zusammensetzung entspricht die Formel Pb?Mn2SiO”. Die Formen sind rhombische 111. 110. 010. a, 2b. 6. — 0,6593 3.1: 0,784, aus rl : 111 — 125032‘ 110 : 110 = 115018‘ daraus folgt: 111 : 110 — 148047‘ und 111 : 111 = 87029‘ gefunden: rg 87015 H=5.8G.6,19 Farbe dunkelröthlichbraun. Strich röth- lichbraun. Spaltbarkeit parallel 110. DBegleitende Mineralien Apatit, Quarz, Bromsilber. Fundort Süd-Chile. Name von xEvroov Stapel. | Weiter spricht derselbe über synthetische Darstellung des Skorodits durch Bourglois und Verneuil ibi 32. Bis jetzt hatte Becquerel den Pharmacolith, Detray den Heidingerite, Friedel und Sarasin den Adamin und Olivenit dargestellt. Es wurde Eisen mit einer Lösung von concentrirter arseniger Säure bei 140—150° erhitzt; der Eisendraht bedeekt sich nach einigen Stunden mit einer grauen gelatinösen Masse, einer Mischung von amorphem arsensauren Eisen und kleinen Krystallen ‘von arseniger Säure. Nach und nach verschwindet der Gallert um sich nach und nach in Skorodit Fe?As20°+4Ag um zu wan- deln; derselbe ist bläulich grün und vermengt mit grossen Krystallen von arseniger Säure. Um sie zu trennen wurde die Masse mit concentrirtem Amoniak in der Kälte behandelt, es 197 löste sich die arsenige Säure und der Skorodit blieb zurück; ; 8G=3,28 Natürlicher Skorodit 3,1—3,3. X B Analyse: gefunden berechnet F&0, 35,21%, 34,63 As0; 49,61 49,78 1:50) 15,55 15,98. Formen 111 021 102 011 210 010 001. komenltehlz7 210. 2.210. 120% 021 : 021.:=:7132010/ natürlich: 120010 — 0131027 künstlich: 2°102:°, 102, 127047: natürlich: 129%”. Die Krystalle besitzen ähnliche Formen wie die natürlichen. Wenn man die Operation am Ende der ersten 24 Stunden unterbricht, erhält man ein weisses Glas, gespickt mit kleinen weisslichen Sphaeruliten von Leueit; während des Erkaltens sieht man dann plötzlich sich neue weisse Sphaerulite entwickeln, gerade als ob die schon unter sich gruppirten Leueitmolekeln nur die für ihre Krystallisation günstige Zeit abgepasst hätten, um ihre Krystall-Gestalt anzunehmen; kein Labrador ist in diesem weissen Glase vorhanden, wohl aber octaödrische Spinelle ; im Momente des Erstarrens bilden sich auch unzählige kleine Augite, welehe die Leueite schleierartig umgeben und nur bei sehr starken Vergrösserungen erkannt werden können; es sind ganz dieselben Mikrolithen, die auch bei den natürlichen Augiten so häufig vor- kommen. Dr. Baumert bespricht eine ihm aus dem chem.-technischen Laboratorium zu Karlsruhe zugegangene Dissertation: „Ueber Naehweisung von Cumol in den verschiedenen Petroleumsorten, und über die oxydirende Wirkung der Luft auf das Petroleum“ von Johannes Bock. Verfasser hat in allen Petroleumsorten der bedeutenderen Fundorte einen aromatischen Kohlenwasserstoff, das Cumol C’H1!2 nachgewiesen in Form von Tribromeumol (prachtvolle seiden- glänzende weisse Nadeln) und Trinitrocumol, (welches im Prä- parat vorliegt). Eine quantitative Bestimmung des Cumolgehaltes zeigte, das jährlich ca. 1.300 000 kg dieses aromatischen Kohlen- wasserstoffes mit dem pennsylvanischen Petroleum aus America ausgeführt werden. Der Nachweis von Cumol in sämmtlichen untersuchten Pe- troleumsorten hat aber auch noch ein geologisches Interesse, so- fern damit eine Stütze für die Bischof’sche Hypothese von der Entstehung des Petroleums geliefert ist. Während nämlich Men- delejeff einen mineralischen (aus Kohlenstoffeisen und Wasser), Höfer einen animalischen Ursprung des Petroleums annimmt, lässt es Bischof durch Zersetzung vegetabilischer Substanzen ent- 198 stehen. Nun ist aber Cumol als Zersetzungsproduet des Holzes nachgewiesen. Der Sauerstoff der Luft erzeugt im Petroleum Säuren. Während das Licht ebenfalls zersetzend auf Petroleum wirket, so zwar, dass seine Leuchtkraft dadurch beeinträchtigt wird, war durch Wärme, selbst bei hoher Temperatur in zuge- schmolzenen Röhren kein nachtheiliger Einfluss zu beobachten. Herr Dr. Luedecke spricht über eine Arbeit von Fougque und Michel-Levy betitelt Production artifieielle d’une leucote- phrite identique aux laves cristallines du Vesuve et de la Somma. (Bull. de la soei6te mineralogique de France II. pag. 118). Schon früher hatten beide Autoren Gesteine hergestellt, welche den Aetnalaven aus Augit Labrador und Magneteisen Nuniehens glichen; auch Leueitite hatten sie dargestellt; aber es war ihnen noch nicht gelungen, Gesteine mit Leueit ic triklinen Feld- spathen darzustellen. _Wenn man die chemischen Bestandtheile zu einem homogenen Glase schmilzt, hierauf die Hitze 24 Stun- den bei rouge blanc erhält, so scheiden sich die Leueite krystallinisch aus; setzt man dann das Schmelzproduct abermals 24 Stunden der Kirschroth-Hitze aus, so ist der ganze Inhalt des Tiegels krystallinisch. Wenn eine Mischung von Kieselsäure, Thonerde, Kali, Natron, Magnesia und Eisenoxyd, welche 1 Theil Augit, 4 Labrader und 8 Leueit repräsentiren, dieser Operation unterworfen wurden, so bildet sich Augit, Labrador und Leueit in den genannten Mengenverhältnissen, Sitzung am 27. Januar. “ - Anw esend 25 Mitglieder. Nach Verlesung und ec des Protokolls der vorigen Sitzung wird Herr Adolf Meyer als Vereinsmitglied proklamirt und . Herr Stud. rer. nat. E. Callenberg von Herrn Prof. von Fritsch, Herın Dr. Luedecke und Herrn Tetzlaff zur Aufnahme vorgeschlagen. Am 27. Januar 1881 berichtete Prof. v. Fritsch: Das mineralogische Museum hierselbst hat in neuerer Zeit wiederholt dureh Ankauf von Eifeler Petrefacten Lücken der paläontologischen Abtheilung auszufüllen gesucht. Unter den neu erworbenen Crinoiden der Eifel befmden sich zwei vierzählig entwickelte Kelchstücke von Cupressoerinus ab- breviatus Gf. — Goldfuss hatte 1838 (Nova acta Ac. Leop, Car. Bd. 19. 1. 332 tb. 30. 3) einen vierzähligen Qupressoerinen als Cupr. tetragonus beschrieben, welehen Ludw. Schultze (Wiener Denksehr, 1867 Bd. 6, 8. 934) für ein abnormes Exemplar von 199 Cupr. erassus erklärte, indem er vom Vorhandensein der gleichen Abnormität auch bei einem Stücke von Cupr, abbreviatus sprach. Von unseren beiden Kelehen gehört der kleinere, besser er- haltene, der var. granulosa an. Durch Verkleinerung eines der Basalglieder (und zwar bei dem fragl. Stücke des rechts neben dem unter dem After gelegenen) und völliges Fehlen des einen Radialgliedes entsteht die Unregelmässigskeit.e. Dem Consolodir- apparat fehlt das Blatt, welches über dem verkümmerten Basale liegen würde; er ist kreuzförmig geworden. ' Uebrigens tritt an diesem Stücke wie an mehreren anderen hervor, dass die punktförmige Vertiefung auf der leistenartigen Mittelerhöhung der Oralplatten des Consolidirapparates (Römer N. Jb., 1845 S. 294) an dem von der analen Oeffnung ausge- randeten Blatte fehlt. Statt der einzelnen Vertiefung zeigt der verdickte Theil dieses Blattes eine schwammig-poröse Beschaften- heit, an die Madreporenplatte anderer Echinodermen erinnernd. Unter den vorgelesten Stücken erschien weiter bemerkenswerth ein Melocrinus gibbosus von der schlankeren Form, wie sie Ludw. Schultze (Wiener Denkschriften 1867, Bd. 26) tb. 6 f. 1a darstellt, welcher auf dem 4 cm hohen Kelche noch Arme von 10 cm Länge zeigt, die vielleicht noch ein klein wenig länger waren. Nebenarme, bezüglich Zweige der Arme, sind nicht be- merkbar, die Cirrhen nicht besonders deutlich, Herr Prof. Schmidt referirt sodann über die von Haute- feuille und Chappueis ausgeführte Verflüssigung des Ozons. Jene Forscher haben vor Kurzem nachgewiesen, dass bei sehr niedriger Temperatur und unter verstärktem Drucke die ozoni- sirte Luft eine blaue Farbe annimmt. dass also das Ozon ein . tiefblau gefärbter Körper sein muss, dessen Farbe nur unter ge- wöhnlichen Verhältnissen deshalb nicht wahrgenommen werden kann, weil die Verdünnung, in der sich das Ozon hierbei be- findet, eine zu grosse ist. In der jüngsten Zeit haben jene Forscher untersucht, ob das Ozon, welches etwa bei der Con- densationstemperatur der Kohlensäure (bei 0° unter einem Drucke von 36 Atmosphären) sich verflüssigen muss, auch im flüssigen Zustande blau erscheint. Sie haben zu diesem Behufe bei — 230 ozonisirten Sauerstoff mit viel Kohlensäure gemischt und als- dann das Gas verdichtet. In der That resultirte hierbei eine tiefblaue Flüssigkeit, auf der sich ein gleichgefärbtes Gas befand. Da sich ferner bei der Verminderung des Druckes und der so- fort darauf wieder bewirkten Compression, über der zusammen- pressenden Quecksilbersäule sich eine blaue Flüssigkeit zeigte, ‚so folgern jene Beobachter, dass das Ozon im flüssigen Zustande tiefblau gefärbt sei. In Anschluss an obige Mittheilung erörtert Vortragender, dass nach den Versuchen von Schöne die allgemein ange- 200 nommene Existenz des Ozons in der Atmosphäre sehr in Frage gestellt ist, indem alle Erscheinungen, welche auf das Vorhanden- sein von Ozon zurückgeführt ‚werden, eine ebenso bündige Er- klärung in dem tatsächlich in der Atmosphäre vorkommenden Wasserstoffsuperoxyde finden. Sodann redet Herr Dr. Luedecke über ein neues STo8s- artiges gangförmiges Vorkommen von Antimonoxyd in Mexico. Herr Stud. rer. nat. Riehm berichtet über seine Unter- suchungen an den Bandwürmern der Hasen und Kaninchen, welche bisher von den Zoologen nach dem Vorgange Göze’s unter dem Namen Taenia pectinata zusammengefasst worden waren. Er glaubt 4 Arten von Cestoden in ihnen erkennen zu müssen, deren 2 dem Hasen, 2 dem Kaninchen zukommen: 1. Taenia rhopalocephala, des grossen Kopfes wegen so genannt; die Geschlechtsöffnungen liegen nur auf einer Seite, die Tänie ist relativ klein und schmal; Kopf hakenlos. Wohn- thier Hase. 2. Dipylidium pectinatum; Kopf sehr klein, hakenlos. Die Geschlechtsorgane sind doppelt und münden beiderseits in der Mitte der Seitenränder einer jeden Proglottis. Der ganze Wurm sehr breit und kurzgliedrig, längsgestreif. Wohnthier: Hase. 3. Dipylidium Leuckarti. Kopf etwas grösser als bei der vorigen Tänia. Die Geschlechtsöffnungen münden auf den vor- springenden Hinterenden der Glieder. Länger als die vorise, derselben im übrigen aber sehr ähnlich. Wohnthier: Kaninchen. 4. Otittotaenia latissima. Die Gattung ist errichtet mit Rücksicht auf die merkwürdige Ausbildung des Exeretionsorganes, welches nicht leiterartig, sondern mit je 3—5 vielfach omasto- mosirenden und in einander übergehenden Hauptseitenstämmen und zahlreichen, das ganze Thier netzförmig durchsetzenden Nebenästen, rankenartig die Tänie durchzieht. C. latissima hat doppelte Geschlechtsorgane, welche auf den zizzenartig vorsprin- genden Hinterecken der Glieder nach aussen münden. Der Kopf breiter als bei den vorigen erscheint vorn abgestutzt, hakenlos. Länge der Strobila bis 2!/, Fuss, Breite der letzten Proglothiden bis über ?/, Zoll. Wohnthier: Kaninchen. Endlich verbreitet sich der Herr Prof. v. Fritsch über Fische im Rothliegenden. Sitzung vom 3. Februar. Anwesend 30 Vereinsmitglieder. Eingegangene Schriften: 1. Chemisches Institut der Universität Graz, Leop. v. Pebal. Wien 1880. | 2. Landwirthschaftliche Versuchsstation v. Nobbe. Berlin 1881. 201 3. Mittheilungen des naturhistorischen Vereins von Steyermark. Jahrgang 1879. 4. Verhandlungen des naturhistorischen Vereins von Heidelberg. Bd. 2, Heft 5. 5. Illinois State laboratory of natural history. Bull. 3. 1880. 6. Zeitschrift der deutschen . geologischen Gesellschaft. Berlin, XXX. 3. . Monatsberieht der Berliner Akademie. Sept., Oct. 1880. . Atti della r. Accademia dei Lincei. III. Serie. Vol. V, Fas. 4. . Zeitschrift für Instrumentenkunde. Jahrg. I, Heft Jan. 1881, Berlin. 10. Geologisches Profil durch d. Gotthard v, Stapff. 11. Jaeger, Encyelopaedie der Naturwissenschaften. Abthlg. I. Lieferung 15, 16, 17. Breslau 1881. 12. Dirichlet-Dedekind, Zahlentheorie. Braunschweig 1881. 13. Carte geologique du Bassin de Liege par de Macar, SS @ SI Nach Genehmigung des Protokolls der vorigen Sitzung wird Herrr: Stud. rer. nat. Ewald Schulze, durch Prof. v. Fritsch, Prof Schmidt und Herrn Scheibe als neues Mitglied vorgeschlagen. Sodann spricht Herr Prof. v. Fritsch über die geologischen Verhältnisse in Marokko. Bekanntlich besteht ein grosser Gegensatz zwischen West- europas manigfaltigem geologischem Bau und der Ausbreitung weniger Formationen über ungeheure Flächenräume in Osteuropa. Ein ähnlicher Contrast zwischen dem abwechselungsreichen Westen und dem in grossartiger Einfachheit gebauten Osten findet sich in Nordafrika. Dank den Bemühungen der französischen Forscher lernt man nach und nach die Geognosie Algeriens etwa eben so genau kennen, wie die vieler Theile Europas. Das Nachbargebiet, Marocco, ist nicht einmal geographisch genügend bekannt, geschweige denn geo- logisch erkundschaftet. Durch die Zusammenfassung der eigenen Beobachtungsresultate mit denen jener Forscher, welche über den Bau dieses Gebietes Auskunft gegeben haben, ist es dem Vortragenden gelungen wenigstens über einige Punkte zu einer vorläufigen Vorstellung zu gelangen. Einige der allgemeinsten Sätze derselben sind die folgenden. Die krystallinischen Schie- fer der archäischen Formationen spielen in den bis jetzt be- kannten Theilen des Gebietes keine wesentliche Rolle, dagegen sind krystallinische Massengesteine (Granite, Syenit, Diorit ete.), die wohl auch archäisch sind, im Nordwesten des Reiches durch Coquand, in der Muluia-Ebene durch Rohlfs, in dem Grundbau des Atlaszuges südlich von der Stadt Marocco durch Maw, 202 EN Hooker und uns, in dem Gebirge nördlich von der Stadt Marocco !) durch Lenz und durch letzteren in der jenseit des Wed Sus südlich vom Atlas gelegenen Bergkette aufgefunden worden. Die paläozoischen Formationen sind offenbar in grosser Ver- breiiung vorhanden; sie bilden an dem von Lenz überschritte- nen Buibaunpasse den Kamm und den Nordhang, bei Amsmis hohe Gipfel, südwärts von der Stadt Marocco einen Vorbergszug des Atlasgebirges; sie breiten sich unter dem Osttheile der Ebene von Marocco aus, diese mit einigen Klippen überragend; im Gebirge N. von Marocco erheben sie sich wieder, sind im Umerrebiagebiete bedeutsam entwickelt, erreichen die atlantische Küste bei Casa hblanca und spielen an der Nordküste nach Coquand (und Lenz) eine bedeutende Rolle. — Was das Alter dieser Schiefer-, Grauwacke- und Kalkstein- Gebilde betrifft, so ist es für viele Gegenden noch nicht gelungen, irgend welche Versteinerungen nachzuweisen. — Coquand rechnete die dunk- len Kalke der Gegenden von Tetuan zum Silur. Den Korallen- kalk der Ardisethügel, welche eine kleine Tagereise westlich von Marocco aus der Ebene aufragen, darf ich dem Devon, die Schiefer mit eingelagerten Kalklagen und mit Brauneisensteingeoden an der Westumwallung des Urikathals dem älteren Kohlengebirge beizählen. Durch paläontologische Funde nicht sichergestellt ist das Alter von drei Schichtenabtheilungen, die von erheblicher Be- deutung für den Gebirgsbau sind. — Den Kamm und die Gipfel des Atlas südlich bei Maroeco bildet ein mächtiges System von älteren Eruptivgesteinen, vor- nehmlich Plagioklasgesteinen, von denen einzelne mandelstein- artig werden. Diese Gesteine sind mit einigen an das mittel- deutsche Rothliegende erinnernden Conglomeraten, mit Tuff- zwischenlagen und (am Tacheratpass) mit Kalkstein verknüpft; der pseudoparallele Lagerungsverband vulkanischer Gebilde tritt in den engen Thälern, wie auch an den wenig bewachsenen Wänden und Felsmauern des Hochgebirges klar hervor. Wie gewöhnlich in ähnlichen Fällen sind die einzelnen Gesteinsmassen von ungleicher Beschaffenheit, obwohl quarzführende und ortho- klasreiche Felsitporphyre zurücktreten, so dass namentlich Pla- gioklasgesteine herrschen. Eines dieser Gesteine von der Nord- seite des Thalwegs am Tacheratpasse hatte Herr Dr. Teuchert die grosse Güte zu analysiren. Es ergab: 1) Als Mühlsteine sahen wir in der Stadt eine eigenthümliche, angeblich dorther stammende turmalinführende und an weissem Glimmer reiche Granitvarietät verwendet. 203 Si02 | Al2O3 | Fe203 |Mna03| FeO |MgO | Ca0 | Na20? K20| E20 I | 49,8 | 19,8 | 6138 | Op25 | Ası | Ass | Ass | Asse | Yes | 3138 II [475 | 19,06 | 66 | Os Ist] Ass | Ares | Se | bes] Bes IIa Fin 1,3 | Or | On | — | — | Or | 35 | Is] — \ Ib Nil, | Tal Sr | Os (br) Era | Sao! Os | One! 3:65 Dieses Gestein ist ein deutlich porphyrisches durch ansehn- lieh entwickelte aber matt, trüb und oft etwas grünlich erschei- nende Kıystalle von einem offenbar zum Oligoklas gehörigen Plagioklas, die bis 10mm lang und breit, bis 4 mm dick werden, durehsehnittlich 6:4:1,,mm messen und mit etwa 3—5 mm mittlerem Abstande unregelmässig vertheilt in dunkelbrauner kryptokrystallinischer Masse liegen. Diese ist daneben etwas mandelsteinartig mit Kalkspatmandeln, welche indess so verein- zelt in dem analysirten Stücke waren, dass Hr. Dr. Teuchert trotz wiederholt angestellter Versuche mit 8 Gramm Gestein keine Kohlensäure ausfindig zu machen vermochte. Die Mandeln sind von dunkelgrünem Silikat umhülli, manche von ihnen ent- halten nur Kalkspat, andere neben oder statt diesem Quarz. Im Quellgebiete des Ued Nfis kommen solche Mandelsteine vor mit Epidot in den Mandelräumen. Die mikroskopische Untersuchung bestätigt die Ergebnisse der Analyse und sonstiger Beobachtung, wonach neben dem Oligoklas vorzüglich Olivin bez. dessen Zersetzungsprodukte, so- wie Magneteisen, und Umwandlungsprodukte der grösseren por- phyrisch 'ausgeschiedenen Plagioklase im Gemenge vorhanden sind. Der Kürze halber mag dieses System älterer Eruptivgesteine und damit innig verknüpfter anderer Massen nach dem Tacherat- passe das Tacheratsystem heissen. Nach den in Bezug auf das Gesteinsalter freilich nur auf petrographischer Aehnlichkeit fussenden Beobachtungen an einer kleinen Stelle beim Dörfchen Anerer im Urikathal würde dies System jünger als die altearboni- schen Schiefer ete. sein, im Rerayathal selbst lagert es auf den krystallinischen Dioriten und den damit verknüpften Dioritpor- phyren. 1) Für die erste Analyse wurde mit kohlensaurem Natron aufge- schlossen, die Alkalien durch Aufschliessen mit Fiusssäure bestimmt. Die Wasserbestimmung wurde durch Glühen im Gebläse ausgeführt, wobei das gepulverte Gestein zu einer schwarzbraunen blasigen Masse schmolz. Eisenoxydul wurde durch Aufschliessen im zugeschmolzenen Rohre mittelst Schwefelsäure und Erhitzen auf 2000 bestimmt. Bei der zweiten Analyse wurden die 55,860, des Gesteines, welche nach Auflösung von IIb in Salzsäure zurückblieben, mit Flusssäure aufge- schlossen. 2) Hier nicht direct bestimmt, sondern aus der ersten Analyse entnommen, 204 Ueberlagert scheint das Tacheratsystem von der Reihe rother, harter, zuweilen quarzitischer Sandsteine, welche einige Kalk- und Thonzwischenlagen besitzen und anscheinend eine 1200 — 1500 m mächtige, ganz petrefactenarme Gruppe bilden. Obwohl sehr wahrscheinlich ist, dass dies die von Desguin, be- züglich Mourlon, dem tn Sandstein verglichene Sehichtenreihe ist, möchte der Name Wansero-Sandstein (nach dem Dorfe, wo der Reraya-Fluss den Asif Iminan, seinen be- deutendsten Zufluss im Gebirge, aufnimmt), eine kurze und zu Verwechselungen nicht misleitende Bezeichnung sein. — Die dritte ihrem Alter nach unklare Gebirgsformation bilden die mit altvulkanischen Gesteinen von Dolerithabitus innig ver- knüpften rothen Thone, in denen oft Gypskrystalle vorkommen, zwischen denen im Rerayathal auch Steinsalzmassen anstehen und anderwärts Salzwerke betrieben werden, Wahrscheinlich hinzugehörig sind die weicheren rothen Sandsteine einiger Atlas- thäler. Anscheinend bestehen Lagerungsstörungen an den Grenzen dieser Gebilde, die im Rerayathal nordwärts an paläozoischen Thonschiefer, südwärts an die eine grosse Mulde bildenden Wan- serosandsteine grenzen, und auch im Urikathal sich ähnlieh zu verhalten scheinen. In Verbindung treten mit dieser Salzfor- mation scheinbar auch die wesentlich jüngeren Petrefacten- schichten von Urika, die, obwohl ihre Versteinerungen meist so- genannte indifferente Formen (Austerp etc.) darstellen, doch mit ziemlicher Sicherheit für obere Kreide gelten mögen. Im Norden des Reiches und nach Dr. Bleicher bis nach der Mitte desselben bei Mekinez sind Juragesteine bekannt, denen vielleicht auch gewisse Gebilde am Djebel Hadid bei Mozador angehören könnten, dessen Südhang und Kamm freilich der untern Kreidegruppe zufallen dürfte, wie neuerdings mikroskopische Ge- steinsproben wahrscheinlich machen. Von grösserer Verbreitung sind kretaceische Gebilde, hier im Süden des Landes vorwiegend in der Form von festen Kalk- steinen und von Mergeln, während im Norden desselben Sand- steine sich stärker an der Zusammentetzung der Formation mit zu betheiligen scheinen. — Eocängebilde sind mit Sicherheit als solche von Coquand und von Bleicher erkannt; miocäne scheinen bedeutender noch verbreitet, auch an pliocänen fehlt es nicht, die zum Theil Süss- wasserabsätze sind, wie die Melanien und Melanopsen ete. um- schliessenden Kalke bei Mazaghan. Dem Diluvium und theil- weise dem Alluvium gehören die sehr häufigen Travertine an; diluviale Schottermassen ete. sind stellenweise, z. B. in der Ebene von Marocco sehr entwickelt, dazu sind diese jüngsten Forma- tionen durch bedeutende Dünenlandschaften und Küstengebilde repräsentirt. ER BR ent: ee ? Bee er DL 205 Basalte fand Lenz im Norden der Stadt Marocco, auch sind sonst einige Fundstellen bekannt, Naeh Bau und Form ist der Atlas eine aus mehreren Theilen bestehendes Bergkette. Soweit der Vortragende das Gebirge kennt, zerfällt dasselbe in seinem westlichen Theile in vier gut geson- derte Gruppen. 1. Von Cap Ghir bis zu dem von Lenz überschrittenen Buibaunpasse im Süden des Keherathals sahen wir ein Gebirge, dessen Höhen mit Ausnahme der beiden bis in den Juni meist schneebedeckten Bergriesen Idom Hamut und Buibaun unter 2000 m zurückbleiben dürften. Wahrscheinlich herrscht Kreide, die hier auch in ihren unteren Gliedern entwickelt sein dürfte, da die urgonische Ostrea Leymeriei schon von Hoest abgebildet wird und durch Hooker bezüglich Consul Carstensen 1872 nach England kam. Beide Funde sollen bei Agadir gemacht sein. — Im Buibaun und Idom Hamut ragt vielleicht der Wanserosand- . stein auf. Da Lenz auf dem Buibaunpasse noch Thonschiefer - traf, wird auch dieser am Gebirgsbau mit betheiligt sein. 2. Zwischen dem Keherathal, ca. 8° 40° w. L. v. Gr., und dem des Wed Nfis, ca. 7° 40 mW. v. Gr., steigt .der Kamm des Gebirges bedeutend auf. Die Gipfel, meist in Gruppen stehend, überragen ihre Umgebungen doch anscheinend um 400—300 m; sie erreichen 3350 m (Dj. Tezah von Hooker bestiegen) und wohl bis 3500 m. Die paläozoischen Schiefer ete. sind die herr- schenden Gesteine, zwischen ihnen finden sich viele Gänge von Granitporphyren, Quarzporphyren ete. Kretaceische Vorberge gehen vom Keherathal nur einige Meilen ostwärts und auch die „weichen rothen Sandsteine“ des Keherathals scheinen sich nicht bis zum Asif Iman hin nach Osten zu zeigen, ebenso die Wan- serosandsteine; bei Tisgin und Amsmis ist die Maroccoebene von den alten Schiefergesteinen begrenzt, welche Hooker bis zum Tezahgipfel hin beobachtet hat. 3. Vom Wed Nfis bis ostwärts vom Dermatthal, wiederum eine fast einem Meridiangrad entsprechende Strecke, bildet das Tacheratsystem den Kamm, den der Pass in 3581 m überschreitet, während die Gipfel etwa 3800 m haben. Nordwärts von dem durch die eruptiven Gebilde erzeugten Absturze, der, von ferne gesehen, das Gebirge wie eine Mauer mit niedrigen Zinnen er- scheinen lässt, bauen sich hohe Berge aus dem eine grosse Schicht- mulde bildenden Wanserosandstein auf. — Dann folgt gegen Norden eine Depression, in welcher die Dolerite mit der Steinsalzfor- mation liegen; hierauf eine Vorbergskette, aus paläozoischen Schie- fern gebildet, deren Gipfel 1500 m übersteigen und vor diesen, neben der Maroccoebene eine Reihe von niedrigeren Vorbergen, die neben dem Schiefer aufgerichtete, weiterhin flache oberereta- 206 ceische Schichten — und auf letzteren die Ruinen der alten vielleicht römischen Kastelle Sektana, Tasserimut etc. zeigen. 4. Im Quellgebiete des Tensift und der westlichen Zuflüsse des Umerrebbia erblickt man vereinzelte, weithin leuchtende, breite schneebedeckte Berg-Pyramiden, wie den Glaui, der wohl, nach dem Elevationswinkel zu schliessen, mit dem er in der Stadt Marokko siehtbar ist, 4000 m übersteigt. Die Bergformen lassen auf einen anderen Bau schliessen als in den drei andern Ge- birgsabsehnitten. Aber noch kein Naturforscher hat leider dieses Hochgebirge besuchen dürfen, welches an Reizen sehr reich zu sein scheint. — Herr Dr. Luedecke spricht über Thonschiefernädelchen. Zirkel in Teipzig beschrieb im Jahre 1871 kleine Nädelchen aus dem silurischen und devonischen Thonschiefern; R. Credner und Umlauft hielten sie für Homblendekry llehen. A. v. La- saulx sprach sie für Hornblende und Epidot an. Im Jahre 1879 . glaubte Kalkowsky in Leipzig die chemische Natur derselben el zu haben; er hielt sie für Staurolithkryställchen. Neuer- dings hat sich Dr. Sauer in Leipzig und ein jüngerer Geologe Dr. A. Cathrein in Strassburg mit der Isolirung jener Mikro- lithen aus den Wildschoenaer Schiefern beschäftigt; beide wenden die Flusssäure zur Isolirung an; ebenso wie a dies sehon früher gethan hatte. Sowohl Sauer als der Strassburger Gelehrte kamen jedoch zu einem wesentlich von dem Kalkowsky’schen abweichenden Resul- tate. Sie fanden beide, dass jene Nädelchen Rutil seien. Der Vor- tragende legt ein Präparat vor, welches die dann isolirten Kry- sallnsdelchen zeigt; besonders schön sind in dem Adorfer Ge- stein die EP anen des Rutils entwickelt. Hr. Prof. Taschenberg theilt sodann auszugsweise den Bericht Tirard’s vom 11. Debr. 80 über den Stand der Phyl- loxera-Angelegenheit in Frankreich mit. Aus diesem Berichte des Ackerbaudirektors geht hervor, dass die Reblaus sich über zwei bisher verschont gebliebene Departements, Landes und Basses Pyrendes weiter ausgebreitet hat, so dass zur Zeit eine Fläche von 500 000 Hektaren Weinlandes zerstört, eine ungefähr gleich grosse infieirt ist, sich aber noch widerstandsfähig gezeigt BL Im Ganzen sl 41 Departements infieirt. ‚Gleichzeitig stellt der Bericht, welcher noch nicht aus allen Departements eingegangen ist, fest, dass in Folge der von Seiten der Regierung veranstalteten Verfolgungsmasstegeln sich diese von 392 des vorigen Jahres auf 815 Hektr. 24 Ar im Jahre 1880 ausgebreitet haben und dass man allerwärts einen guten Erfolg derselben zu verzeichnen hat. Auf einem Flächenraume von 3290 hect. 33 ar ist man mit Schwefelkohlenstoff, auf 1149 heet. 16 ar mit ent- sprechenden Salzen (Sulfocarbonaten) und auf 1041 heet. 91 ar 207 mit Inundation gegen den Rebenfeind vorgegangen, von welchen Bekämpfungsmethoden man sich den besten Erfolg verspricht. Herr Zahnarzt Hermann lest verschiedene Fisch- und Menschenzähne, sowie eine Diamantsäge vor. Sitzung am 10. Februar. Anwesend 18 Mitglieder. Eingegangene Schriften: 1. Mecklenburger Archiv für Naturgeschichte. Jahr. 34. Nen- brandenburg 1880. . Annals of the New-York academy of sciences 9—13. . Contributions of the archaeology of Missouri, part. I. Salem, Mass. 1880. 4. Proceedings of the American academy. Vol. VII, new series. Boston 1880. Vol. XV, p. I. 5. Dinnaea v. Dr. Garcke. Neue Folge. Bd. IX, Heft I. Berlin 1880 vom Verf. 6. Description physique de la Republique Argentine v. H. Bur- meister T. 3. Buenos Ayres 1879. 7. Atlas d’histoire naturelle de la Rep. Argentin. Lieferung 2. Buenos Ayres 1880. 4°. 8. Bericht über die Feier des Doctor-Jubiläums des H. Bur- meister. Buenos Ayres 1880. Als neues Mitglied wird proklamirt Herr Ewald Schulze. Herr Dr. Ludwig in Greiz schreibt: Dass die schwarze Hausratte nicht blos in Thüringen bei Mühlhausen, wie Herr Prof. Thomas vor kurzem in unserer Zeitschrift nachgewiesen hat, vorkommt, sondern auch in Greiz. „Vor kurzem erhielt ich nämlich durch Vermitline des Herrn Grünler ein hübsches Exemplar derselben aus der Pa- pierfabrik des H. Günther. Weitere Erkundigungen ergaben, dass Mus rattus daselbst auf dem mit Holz und Stroh gefüllten Boden des Wohnhauses sowie in einem unter der Scheune be- findlichen Keller noch häufig ist, während die Wanderratte in dem nahe gelegenen Maschinenhause vorkommt.“ — Herr Dr. Luedecke spricht unter Vorlegung zahlreicher Präparate über die Metamorphose, welche die Zinkmuffeln bei ihrem Gebrauche erleiden. Sie bestehen aus feuerfestem Thon und Chamotte; in dieselben wird ein Gemenge von Zinkerzen mit Kohle gebracht und einer Temperatur von 1300°% C. aus- gesetzt. Das übergehende Zink wird theils in Vorlagen aufge- fangen, theils geht es gasförmig in die Muffelmasse hinein und wandelt dieselbe in ein krystallinisches Aggregat von Spinell [SSR So) ee und Tridymit um; auch krystallinisches Zinksilikat und Zink- plagioklas wurden in einzelnen Fällen beobachtet. Herr Prof. A. Stelzner und Dr. O. Schulz in Freiberg haben diese Vor- gänge genau studirt. Der Zinkspinell lässt sich mittelst Fluor- wasserstoff leicht isoliren; seine Zusammensetzung war: Freiberg Beusberg - ZnOAl2O3 ZnO 42,60 43,74 44,07 FeO 1,12 0,73 = AI?O3 55,61 55,43 55,93 99,33 99,90 100,00 Der Zinkspinell ist theils farblos, theils violett-blau ge- färbt; glüht man den violettblauen an der Luft so wird er gräulich- weiss; er bleibt dagegen unverändert beim Glühen in Kohlensäure-, "Wasserstoff- oder Chlorstrome. Nur die grössern Spinelle in die blau-violette Farbe und diese sollen nur in den ersten Stadien der Erhitzung des Muffel gebildet worden sein; welcher Körper die Färbung der Spinelle bedingt konnte nicht ermittelt werden. Die Muffelmasse von Bensberg zeigte neben diesem Mineral, welches hier ungefähr 32,58 /, der ganzen Masse einnimmt, noch Tridymit zu ungefähr 52°/,. Die Ent- stehung beider Körper erklären die Verfasser nach der Formel: AI2SiO? + ZnO —= Al?ZnO? + SiO? und später ALSIO® + ZuSi03 = Al?ZnO! + 2 SiO2 Mit den chemischen Befunden steht die mikroskopische Ana- lyse in vollem Einklang; ja sie zeigt, dass in der Chamotte- masse vorhanden gewesener Quarz ebenfalls ganz oder theilweise in Tridymit umgewandelt ist. Die amorphe Grundmasse, welche zwischen den Tridymit- und Spinellkrystallen vorhnden ist, besteht zum grössten Theile aus Zinksilikat, wie die Analyse ee Zum Schluss weist Stelzner auf ähnliche metamorphische Erscheinungen in der Natur hin; er zieht Parallelen zwischen den Kalksteinen des Montoni und New-Jersey, deren Umwand- lungsprodukte Magnetit, Franklinit, Pleonast und Magnesiaspinell mit ihren Eruptionsmassen und den hier beobachteten Umwand- lungen; die beschriebene Erscheinung ist keine vereinzelte, Aut dern allgemein auf allen Zinkhütten beobachtet. Hierauf sprieht Herr Hermann über das Schwinden nr Gypsmasse beim Ausfüllen von Formen; er giebt verschiedene Wege an, wodurch man dies verhindern kann. Durch die Güte des Hrn. Geheimrath F. Roemer hat das hiesige mineralogische Museum einige der kürzlich von diesem Gelehrten beschriebenen Kohlenkalkfossilien von Sumatra er- halten, welche Prof. v. Fritsch vorlegte, indem er gleichzeitig japanische Kohlenkalkstücken, die Prof. Rein gesammelt hat, 209 zur Vergleichung des Gesteines vorwies. Die Lagerungsverhält- nisse des sumatranischen Kohlenkalkes wurden an der Hand der grossen und schönen Verbeek’schen Karten des Ombilien- kohlenfeldes erläutert und auch einige tertiäre Petrefacten von Sumatra vorgezeigt. Unter gleichzeitiger Vorweisung alpiner und vieentinischer Exemplare von Prenaster alpinus Des. und von Linthia subglobosa Lk. sp. wurde demonstrirt, dass von den unter diesen Namen in der Literatur aufgeführten Seeigeln von Sumatra einer ein Brissus (Verbeekii Fr.) ist, während unter dem Namen der Linthia subglobosa zwei von dieser verschiedene ost- asiatische Echiniden zu verstehen sind. Herr Dr. Baumert spricht sodann Ueber die Bestandtheile des Lupinensamens. Die Lupine ist schon seit längerer Zeit zum Gegenstande der chemisehen Untersuchung gemacht worden; theils aus wissen- schaftlichem Interesse, theils auf Veranlassung der praktischen Landwirthschaft, welche diese Pflanze zu den geschätztesten Futtergewächsen zählt, aber nicht selten schlimme Erfahrungen damit machte. Ich erinnere nur an jene als Lupinose bezeichnete Massenerkrankungen der Schafe. (Vergl. diese Zeitschrift Bd. V 1880, p. 517.) Die über die Lupine veröfientlichte Literatur zeist, dass diese Pflanzen, in Sonderheit ihr Samen eine ziem-: lich eomplieirte Zusammensetzung hat. Was zunächst die allgemeine Pflanzenanalyse anlangt, bei der es ja nicht auf Isolirung chemischer Individuen, sondern auf eine summarische Bestimmung 1) stickstofffreier, 2) stick- stoffhaltiger, 3) durch Aether extrahirbarer (Fett), 4) unver- brennlicher (Asche) Stoffe, 5) Holzfaser und 6) Wasser ankommt, so liefert sie von der Zusammensetzung der Lupine folgendes Bild (Schulz, Landwirth. Jahrbücher 1879, p. 37): Un Was- 5 | ONE, TER Nach: ser se-| Fett FE Asche. a a funden, Eichhorn 14,30 | 6,73 | 13,58 | 4,05 | 38,52 | 23,46 Beyer 13,00 | 6,19 | 16,00 | 3,67 | 31,49 | 34,29 Siewert 9,45 | 4,71 |11,58 | 3,62 | 39,60 | 32,13 Dietrich u. König | 13,82 | 5,68 | 13,65 | 4,01 | 39,60 | 26,70 Schulz 17,23 | 5,69 | 11,60 | 3,29 | 40,12 | 30,94 berechnet auf einen mittleren Wasser- gehalt von 8,36), Die Menge der stickstoffhaltigen Bestandtheile im Lupinen- samen ist sehr bedeutend, sie steigt bis zu 40°/, hinauf. Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. 14 = 210 Der Agrikulturchemiker macht zur Zeit bei Werthschätzung der Futtermittel noch keinen Unterschied bezüglich der chemischen Natur der stiekstoffhaltigen Verbindungen; er multiplieirt den durch Verbrennen der Substanz mit Natronkalk gefundenen Stick- stoffgehalt mit 6,25 und bezeiehnet dieses Rechenprodukt als Eiweiss, das ist vollkommen unrichtig, denn es ist bei weitem nicht aller Stickstoff der Pflanzen in Form von Eiweisskörpern vorhanden. Ueber neuere Methoden, die verschiedenartigen Formen des Stickstoffes als solche zu bestimmen, soll ein anderes Mal gesprochen werden. Die stickstoffhaltigen organischen Verbindungen des Lupinen- samens lassen sich im grossen Ganzen als Eiweiss und Nicht- eiweiss unterscheiden. Von Gesammtstickstoff kommen nach E. Schulze, Urich und Umlauft (Landw. Jahrbücher 1876, p. 821) 86,16°/, auf Eiweissstoffe und 13,84), auf Nichteiweiss. Das Eiweiss der Lupinen nennt Ritthausen, um es vom gewöhnlichen Pflanzencasein zu unterscheiden, Conglutin. Er zieht es durch schwach alkalisches (KOH) Wasser aus den ge- pulverten Samen aus und füllt es im Filtrat durch Essigsäure. Getrocknet stellt es ein gelblich-weisses zusammenbackendes Pulver dar. Ausser Conglutin scheinen noch einige andere Pro- teinstoffe vorzukommen, darüber ist indessen nichts sicheres bekannt. Von weiteren stiekstoffhaltigen Verbindungen nenne ich Amidosäuren, wie Leuein Tyrosin, ferner das Amid der Amido- Bernsteinsäuren, das bekannte Asparagin. Neuerdings ist von L. Schulze und Barbieri (Berichte d. deutschen chem. Ges. XI, 1924) auf eine anscheinend neue Amidosäure mit annähernd 640), C —7°/, H und 9%, N aufmerksam gemacht worden. Endlich kommt noch ein Theil des Stickstoffs der Lupinen auf die Alkaloide, die nächstens Gegenstand einer besonderen Besprechung sein werden. Unter den stiekstofffreien Bestandtheilen der Pflanzen ist einer der wichtigsten die Kohlenhydrate d. h. organische Ver- bindungen von Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstofü, welche die beiden letzteren Elemente in demselben gegenseitigen Ver- hältnisse enthalten, wie sie im Wasser vorhanden sind, also all- gemein im Verhältniss von H2xOx. Als Unterabtheilungen unterscheidet man in dieser Gruppe: I. Körper von der Zusammensetzung O0°H120$, z. B. Trauben- zucker, Fruchtzucker, Lactose. II. Körper von der Zusammensetzung C12H2011, z. B. Rohr- zucker, Milchzucker ete. III. Körper von der Zusammensetzung C$H1005, z. B. Dextrin, Gummi, Glycogen, Cellulose, Stärke. 211 Alle diese Stoffe sind mit einander nahe verwandt; sie sind entweder unmittelbar gährungsfähig, oder können leicht in gäh- rungsfähige Stoffe übergeführt werden. Sie sind weder Säuren noch Basen, die in Wasser löslichen sind optisch aetiv, auf Ein- wirkung oxydirender Mittel geben sie Oxalsäure. Von den Kohlenhydraten findet sich in den Lupinen nur Cellulose; Stärke und Inulin ist nach M. Ludwig (Chem. Cen- tralblatt 1873, p. 69) nicht vorhanden und die von Beyer (Landw. Versuchsstationen. IX. 168) behauptete Anwesenheit von Zucker ist durch die Untersuchungen von E. Schulze, Urich und Umlauft (Landw. Jahrbücher 1876, p. 821) nicht bestätigt gefunden. Endlich wird schon seit geraumer Zeit von den Chemikern, die sich mit den Alkaloiden der Lupinen beschäftig- ten eine dextrinartige Substanz erwähnt. Eichhorn (Landw. Versuchsstationen. IX. 168) erhielt dieselbe in nicht unbedeutender Menge, als er die wässerige Lösung eines alkoholischen Lupinenextractes mit essigsaurem Blei und Ammoniak füllte. Siewert sagt, wenn man die Lupinen (behufs Gewinnung der Alkaloide bei niedrer Temperatur (3— 10°) mit salzsaurem Wasser extrahire, so könne man den schon von Eichhorn erwähnten dextrinartigen Körper erhalten; man brauche nur mehr als das gleiche Volumen Alkohol zuzusetzen um diesen Stoff als weissen flockigen Niederschlag auszufüllen. Im verflossenen Sommer wurde dieser Körper auch in unserem Laboratorium der landwirthschaftlichen Versuchsstation von Herrn Fredrik Werenskiold gelegentlich der Darstellung von Asparagin aus keimenden Lupinen beobachtet; die in Rede stehende Substanz war mit dem Asparagin durch den Dialysator diffundirt und wurde aus wässeriger Lösung durch Alkohol gefüllt. Die Löslichkeit in diesem Lösungsmittel wird von verschie- denen Beobachtern als Unterscheidungsmerkmal vom Dextrin selbst angegeben, andere füllen diesen Stoff durch Alkohol; alle stimmen aber darin überein, dass diese Substanz den pola- risirten Lichtstrahl stark nach rechts ablenke. Da unsere Kenntniss von dem fraglichen Körper sich nur auf gelegentlich gemachte Beobachtungen gründet, so wäre es nicht unwahrscheinlich, dass der dextrinartige Körper in Be- ziehung steht zu dem „neuen Glycoside“, welches E. Schulze und Barbieri!) als Bestandtheil von Lupinus luteus nach- gewiesen haben. Die Glycoside bilden eine grosse, im Pflanzenreiche sehr _ verbreitete Klasse organischer Substanzen, die den Kohlenhydra- 1) Landwirthschaitliche Versuchsstationen 1879, p. 1 14* 212 ten sehr nahe stehen und als ätherartige Verbindungen eines gährungsfähigen Zuckers mit andern Stoffen, namentlich Säuren anzusehen sind, Ganz wie Eichhorn seine dextrinartige Substanz, so fällen Schulze und Barbieri zur Darstellung ihrer Glycosides die wässerige Lösung eines alkoholischen Lupinenextraetes mit Blei- essig. Als Eigenschaften werden angegeben, geringe Löslichkeit in kaltem und heissem Wasser, sowie in Alkohol. Die Substanz. ist sehr leicht zerseitzbar und spaltet sich bei Behandlung mit verdünnten Säuren in einen Zucker, „der das Verhalten der Glyecose zeigt“ und ein gelbes unlösliches, Lupigenin genanntes Produkt. Könnte die ziemlich reichliche Menge Glycose, die Beyer beobachtet zu haben angiebt, nicht das Spaltungsprodukt der Glycosides sein? Bei der leichten Zersetzbarkeit desselben ist diese Annahme wahrscheinlich und die Rechtsdrehung des pola- risirten Lichtstrahles steht damit im Einklang. Die verschieden angegebene Löslichkeit des dextrinartigen Körpers kann ihren Grund in der Anwesenheit des unlöslichen Lupigenin’s gehabt haben. Auf diese Weise scheinen mir die verschiedenen Angaben über das bald behauptete, bald geleugnete Vorkommen von Zucker und die Beobachtung einer dextrinartigen Substanz in den Lupinen am einfachsten erklärt zu sein. Der Lupinensame enthält ferner über 6°, Fette; ausser einem goldgelben flüssigen, in Aether löslichen (M. Ludwig, Chem. Centralblatt 1873, p. 69), entdeckte Beyer (Landw. Versuchsstationen 1871, p. 161) noch ein festes wachsartiges, durch Alkohol extrahirbares Fett. Beide sollen phosphorhaltig sein und haben nach den vorliegenden Analysen von Beyer (ibid.), König (Landw. Versuchsstationen XIII, 241) und Toep- - ler (Jahresber. für Agrikulturchemie 1860 — 62, p. 57) folgende Zusammensetzung: Flüssiger Fett: Festes Fett: C 75,70 72,68 H 11,35 ; 10,84 PB 30,098 1,56 0 12,85 14,92 ° Mit dem flüssigen Fett vermischt fand Beyer (Dandw. Versuchsstationen XIV, p. 161) auch ein ätherisches Oel. Der Lupinensame ertheilt dem Wasser womit er angerührt wird, eine stark saure Reaction, enthält also auch Säuren; von diesen ist nachgewiesen, Oxalsäure und Aepfelsäure (Ritthausen, Journal für pract. Chemie. 103, 65. — Bd. 2, p. 339 —47), sowie in hervorragender Menge Citronensäure (Beyer, Landw. Versuchsstationen. XIV. p. 161). — E. Schulze, Urich und Umlauft (Landw. Jahrbücher 1876, p. 821). 213 Herr Dr. Herzfeld macht auf einen Kunstgriff bei der Ausführung der Bestimmung der Phosphorsäure aufmerksam. Zum Schluss spricht Herr Dr. Luedecke über die jüngste Eruption des Manno Zoa. Er hat am 5.— 9. Nov. eine Eruption von beispielloser Mächtigkeit gehabt; ein doppelter Lavastrom von 60—80 Kilometer Länge, dessen Ausgangspunkt in der Nähe des Krater von 1855 und 60 liegt, flossen in einer Mäch- tigkeit von 4—10 Meter herab; die von demselben mitgeschlepp- ten Felsblöcke verdeckten die glühende Masse. Sitzung am 17. Februar. Anwesend 17 Vereinsmitglieder. Zur Aufnahme werden vorgeschlagen die Herren: L. Klinkert, Apotheker und Hanf durch die Herren Teuchert, Herzfeld und Meyer. Herr Realschullehrer Dr. Schröder berichtet sodann über die Anwendung der Wickersheimschen Flüssigkeit zur Conser- virung von Vogelbälgen; Herr Dr. Fischer hat dieselben von Madagaskar nach Berlin gesandt; sie sind in verdorbenem Zu- stande dort angelangt. Herr Dr. Baumert spricht sodann über verschiedene Mängel der Pflanzenanalyse, wie sie auf den landwirthschaftlichen Vr- suchsstationen ausgeführt wird; an den Vortrag knüpft sich eine lebhafte Debatte über die Analyse der Rohfaser, an welcher sich Herr Prof. Schmidt, welcher die Holdefleiss’sebe Methode kritisirte, und Herr Dr. Teuchert, welcher auf die Wolff’sche Methode hinweist, betheiligten. Sodann giebt der Vorsitzende, Herr Prof. v. Fritsch, unter Vorlesung von Karten und Profilen eine Schilderung der geo- jogischen Beschaffenheit der Insel Sumatra. Herr Prof. Schmidt berichtet im Anschluss an seine frü- heren Mittheilungen, über die Ozonuntersuchungen von Haute- feuille und Chappuis. Nachdem diese Forscher vor einiger Zeit den Nachweis geführt hatten, dass das Ozon bei genügen- der Dichtigkeit blau erscheint, haben sie jetzt das Absorptions- speetrum desselben studirt, hauptsächlich um letzteres mit dem atmosphärischen Absorptionsstreifen des Sonnenspeetrums zu vergleichen. Das Ozon erzeugt im sichtbaren Theile des Speetrums elf dunkle Streifen und von diesen correspondiren, soweit die _ Untersuchungen bis jetzt vorgeschritten sind, mehrere in der That mit den von Ansström gezeichneten atmosphärischen ‚Linien. Bei der relativ grossen Beständigkeit des Ozons bei sehr niedrigem Druck ist es nach jenen Forschern wahrscheinlich, dass 214 in den höheren Luftschichten das Ozon einen beträchtlichen Be- standtheil der Atmosphäre ausmacht, und dass die Farbe des Himmels zum Theil von der Farbe des Ozons herrührt. Vortragender knüpft hieran die Bemerkung, dass, falls ‚sich diese Beobachtungen bestätigen sollten, hierdurch der eleichzeitige Nachweis des Vorhandenseins des Ozons in der Atmosphäre geführt werde, welches in der jüngsten Zeit durch Sehoene in Frage gestellt war. Vortragender referirt sodann über die Untersuchungen von Schiaparelli und Peroni, welche in der Asche von 600 L. normalen Harns nicht nur die von Cossa als constanten Be- gleiter des Calciums erkannten Ceritmetalle: Cer, Lanthan, Didym nachgewiesen haben, sondern auch Rubidium, Caesium und Lithium darin constatirten. Von Mangan enthielt die Asche nur Spuren, während Kupfer, dieses in der ganzen organischen Welt so verbreitete Element, im Harn fast ganz zu fehlen scheint. Prof. Schmidt macht weitere Mittheilung über die Dar- stellung und die Eigenschaften des in der jüngsten Zeit von Tauber als Anästheticum empfohlenen Methylcehloroforms. Diese, gewöhnlich als Triehloraethau: COl?—CH?, bezeichnete Verbindung ist bereits im Jahre 1842 von Regnault entdeckt. Sie entsteht bei der Einwirkung von Chlor auf Monochlor- oder auf Dichloraethau (Aethylidenchlorid). Sie bildet eine schwere, farblose, dem Chloroform ähnlich riechende Flüssigkeit, welche bei 75° C. siedet. Sitzung am 24. Februar. Anwesend 19 Mitglieder. Nach Verlesung und Genehmigung des Protokolls der vor. Sitzung werden als neue Mitdlieder proklamirt: Herr Apotheker Klinkert und Herr Hanf und als neue Mitglieder angemeldet die Herren: RER Bernhard Vihl, Apotheker, hier, Dr. Paul Bretschneider, in Plauen, Dr. Emil Bachmann, in Plauen durch die Herren Giebel, v. Fritsch, Meyer und Arzt. Prof. v. Fritsch legte den kürzlich erschienenen ersten Band von Prof. Rein’s Werk über Japan vor und wies auf den reichen Inhalt und die vielen neuen und auf eigenen Beob- achtungen des Verfassers beruhenden Bereicherungen unserer Kenntnisse von dem merkwürdigen asiatischen Inselreiche hin. Besonders die geologischen Verhältnisse näher berührend, zeigte der Vortragende, wie viel in dieser Hinsicht von Rein geleistet 215 wurde, dessen Hauptreisezweck doch anderen Studien galt. Den- noch verdanken wir Rein das erste einigermassen klare Bild vom Bau des Landes, über das Godfrey’s Darstellung (Quart. J. Lond. geol. Soc. 1878) eine augenscheinlich weniger richtige Auffassung giebt. Herr Dr. Baumert spricht über das Lupinin der gelben Lupine.!) Mit dem Namen Lupinin bezeichnete 1835 M. Cassola 2) eine dem arabischen Gummi ähnliche, durch Extraetion von Lupinen- mehl mit Alcohol erhaltene sehr bittere Substanz. Diese Angaben scheinen später in Vergessenheit gerathen zu sein; denn in den 60er Jahren wird Eichhorn als Entdecker des Lupinin’s genannt, obwohl er im wesentlichen dasselbe that wie vor ihm schon Cassola. Eichhorn kann somit nur darauf Anspruch machen, auf eine höchst umständliche Weise .ein reineres Präparat dargestellt und einige weitere Angaben ge- macht zu haben. Uehrigens kann sein „reines Lupinin“ nach Darstellung und Eigenschaften keine einheitliche Substanz ge- wesen sein. Die fast gleichzeitigen Untersuchungen von Ad. Beyer und Siewert lehrten dann, dass die Lupine ein Gemenge mehrerer Alkaloide enthalte, von denen das niedrigst siedende krystallisirt, während die andern flüssig sind. Bezüglich der chemischen Zusammensetzung der einzelnen Componenten haben die genannten Forscher keine Ueberein- stimmung erzielt. Auch die 1879 von Hugo C. E. Schulz in Proskau: Ueber die Alkaloide von Lupinus luteus bringt die Frage ihrer Entscheidung nichts näher; bezüglich des flüssigen Basenge- misches wird die Siewert’sche Ansicht bestätigt, und in Betreff des krystallisirten Alkaloids nähert sich Schulz mehr der Beyer- schen Annahme. Liebscher, in dessen Absicht es lag, neben seiner werth- vollen physiologischen Arbeit (vergl. die Berichte des land- wirthschaftlichen Instituts der Universität Halle a/S. Heft I) auch die chemische Seite der Lupinenalcaloide zu behandeln, ist in Folge seiner Abberufung nach Japan nicht über den Anfang hinaus gekommen, entdeckte aber in den höchst siedenden Theilen der flüssigen Basen noch ein neues krystallisirendes Alealoid. Aus den bisher über die Lupinenalcaloide veröffentlichten 1) Eine vorläufige Mittheilung befindet sich bereits in Heft IV 1880, dieser Zeitschrift, 2) Annalen der Chem. und Pharm. XIII p. 308, 216 Arbeiten geht mit Sicherheit nur soviel hervor, dass die Lupine ein Gemisch von mindestens 4 Alealoiden enthält, von denen 2 fest und krystallisirbar, 2 aber flüssig sind. Unter diesen Umständen begrüsste ich es mit grosser Freude, als mir Herr Professor Dr. J. Kühn das von Dr. G. Lieb- scher im Laboratorium des hiesigen landwirthschaftlichen In- stituts dargestellte und bei seiner Uebersiedelung nach Japan zurückgelassene ansehnliche Material an Lupinenalealoiden zu weiterem Studium freundlichst zur Verfügung stellte. Es sei mir auch an diesem Orte gestattet, Herrn Prof. Dr. J. Kühn dafür meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Das zu dieser und später nachfolgenden Untersuchungen benutzte Material war von Liebscher in der Weise dargestellt worden, dass er 4 tr. geschrotene Samen von Lupinus luteus in eine aus 5 grossen Decantirtöpfen (a 20 Liter Inhalt) zge- bildeten Extraetionsbatterie mit salzsaurem Alkohol systematisch auslaugte, das durch Destillation von Alkohol getrennte dunkle syrupöse Gemisch der salzsauren Salze mit Aetzkali zersetzte, die dabei frei werdenden Basen in Aether aufnahm und sie diesem dann wieder durch Salzsäure entzog. Die auf diese Weise von allen Begleitsubstanzen (Fetten, Farbstoffen ete.) ge- reinisten und durch Aetzkali wieder frei gemachten Basen wurden nun durch Destillation in 2 Theile getheilt, von denen der niedrigst siedende vorwiegend krystallisirtes, der höhere vor- wiegend flüssige Alkaloide enthält. Der erstere wird nun so lange aus Aether umkrystallisirt, bis die Krystalle rein weiss aan und sich auch in Pulverform an der Luft unverändert erhalten. Den Gegenstand meiner Untersuchungen bildete zunächst das längst bekannte krystallisirte Alkaloid. ® Ich nenne dasselbe Lupinin, obwohl dieser Name neuerdings von E. Schulze und Barbieri (Landwirthschaftliche Versuchs- stationen XXIV) einen im Lupinensamen aufgefundenen Glycoside gegeben worden ist, weil die genannten Chemiker die,san Siewert herrührende, aber durch keine chemische Thatsache seither er- wiesene Identität der Lupinenalealoiden für gesichert ansehen. Ich nehme für das den Gegenstand dieser Untersuchung bildende Alkaloid den Namen Lupinin, da er den Lupinenbasen seit Cassola zukommt, so lange in Anspruch, bis er durch ein- sehendere Kenntniss der chemischen Natur dieser Base als vacant angesehen werden darf. In reinem Zustande stellt das Lupinin eine weisse Masse . von Krystallen des rhombischen Systems dar. Schmelzpunkt: 67—68° C.; Siedepunkt 255—57° C. Der Geruch ist schwach, angenehm fruchtartig, der Geschmack intensiv bitter. Das Lupinin ist eine sehr starke Base und vermag das Ammoniak aus seinen 217 Salzen frei zu machen. Bei höherer Temperatur oxydirt es sich sehr leieht und redueirt dementsprechend Fehling’sche Lösung: eine Thatsache, welche von anderer Seite in Abrede gestellt worden ist. Trotz der charaeteristischen äussern Eigenschaften, welche das Lupinin auszeichnen, sind für dasselbe nicht weniger als 4 empirische Formeln aufgestellt worden: Beyer CIHPNO?2 Siewert OICH2!NO Schulz CIPH2INO2 Liebscher C!0H20NO Es trat somit an mich zunächst die Frage heran: Welche empirische Formel kommt dem Lupinin in Wirklichkeit zu? Eine grössere Anzahl von Analysen lieferten im Mittel folgende Zahlen: 71.51%, 0. — 11.61%, H. — 8.10%, N. Dieselben lassen keinen andern Schluss zu, als dass dem Lupinin die Zusammensetzung Ü2!H40N202 zukommt.!) Zur Prüfung der Richtigkeit dieser Formel wurden einige Sätze dargestellt und analysirt. Salzsaures Lupinin. Wurde aus absolutem Alkohol in Form sehr ausgebildeter, grosser, glasheller Krystalle erhalten, welche nach dem Urtheil des Herın Dr. Luedecke der ophaenoidisch-hemiedrischen Ab- theilung des rhombischen System’s angehören. Leicht löslich in Alkohol und Wasser. Den Mittelwerthen der Analysen 59.19%, © — 10.03%, H — 16.73%, Cl — 6.90%, N entsprechend findet die Zusammensetzung dieses Salzes Ausdruck in der Formel: C2!H40N202.2HCl. Salzsaures Lupininplatinchlorid. Man erhält es bei freiwilliger Verdunstung einer mit Platin- chlorid vermischten Lösung des salzsauren Lupinin’s in schönen rothen Krystallen, welche in ihrem äusseren Habitus denen des Gypses sehr ähneln (Luedecke). Der mittleren procentischen Zusammensetzung 32,78%, 0 — 5.66°%, H — 3.98%, N — 25.84%, Pl — 27.76%, &1 — 2.27%, H2O zu Folge kommt diesem Salze die Formel CAH20N202.,HCl.PtCl!+H2O zu. Salzsaures Lupiningoldchlorid. Fällt aus wässriger Lösung des salzsauren Lupinin’s auf Zusatz von Goldchlorid als gelber schwerer Niederschlag aus, Bereits mitgetheilt in dieser Zeitschrift. Heft VI 1880. pag. 394. der sich schwer in heissem Wasser löst und sich daraus beim Erkalten in Gestalt nadelförmiger, federartig aneinander gereihter Krystalle wieder ausscheidet. Die Analyse ergab: 24.250), C 4.210), H — 38.180), Au — 27.430), Cl. Diese Zahlen führen zur Formel: C?!H40N202. 2(HC1. Aucl?). Schwefelsaures Lupinin. Eine weisse, an der Luft zerfliessliche Masse, welche nach der Untersuchung des Herrn Dr. Lue decke aus säulenförmigen, entweder optisch einaxigen oder in das rhombische System ge- hörenden Kıystallen besteht. Den Gehalt von 17.76°/, So? (bei 1050 C getrocknet) ent- sprechend besitzt das Salz die Formel C21H40N202H2804. Salpetersaures Lupinin. Es krystallisirt, wenn man seine Lösung in absoluten Alko- hol gegen wasserfreien Aether diffundiren lässt. Die Krystalle gehören nach den Mittheiiungen des Herrn Dr. Luedecke dem rhombischen System an, und sind äusserlich den quadratischen Krystallen des Apophyllits sehr ähnlich. Das Ergebniss der Stickstoffbestimmung 12.150/, steht mit der Formel C2!H?0N20?.2HNO? in Einklang. Pikrinsaures Lupinin. Das einzige Salz des Lupinin’s und einer organischen Säure, welches in fester Form erhalten werden konnte. Es ist leicht löslich in Alkohol, aber schwer löslich in Wasser und nimmt ‚krystallisirte Structur an, wenn man seine Lösung in absolutem Alkohol allmählich mit Wasser verdünnt. Die Analysen der genannten Salze haben also die von mir aufgestellte Formel durchaus bestätigt; sie lehren aber auch die bisjetzt nicht beobachtete That- sache kennen, dass das Lupinin eine zweisäurige Base ist; denn es enthält z. B. das Platindoppelsalz auf 1 Mol. salz- saures Alealoid 1 Mol. Platinchlorid, während im Goldsatz mit derselben Menge salzsauren Alcaloids 2 Mol. Goldehlorid ver- bunden sind. Nachdem somit die Frage nach der empirischen Formel des . Lupinin’s eine von den Angaben früherer Forscher abweichende Beantwortung gefunden, waren auch die Consequenzen erschüttert, welche aus den bisher vorliegenden Arbeiten gezogen worden waren. Da die Alealoide zur Zeit als substituirte Ammoniake auf- 219 gefasst werden, so war zu entscheiden, ob das Lupinin eine primäre, seeundäre oder tertiäre Base sei. Durch Einwirkung von Jodaethyl auf Lupinin in einer Lintner’schen Druckflasche bei 110° C. wurde ein Produkt er- halten, aus welchem Kalilauge keine Base ausscheidet: das Lupinin ist somit als eine tertiäre Aminbase anzu- sehen. Das Produkt der Einwirkung von Jodaethyl auf Lupinin nenne ich seiner Entstehung und Zusammensetzung entsprechend Aethyl-Lupininammoniumjodid. Diese Verbindung stellt weisse, dem hexagonalen System ange- hörende, in Wasser leicht, in kaltem absoluten Alkohol sehr schwer lösliche Krystallblättchen dar. Der Zusammensetzung 44.90%, © — 7.68°%/, H — 38.19), I entsprechend hat dieser Körper die Formel C?!H40N?0,2C?H35J und ist also als ein Additionsprodukt von 1 Mol Lupinin und 2 Mol Aethyljodid aufzufassen. Bei Behandlung mit feuchtem Silberoxyd erhält man aus dem eben beschriebenen Jodid das Hydrat, in welchem 2 J durch 20H ersetzt sind und dem die den Ammoniumbasen eigenthüm- lichen Merkmale zukommen. Die Salze krystallisiren gut. Das Salzsaure Salz bildet weisse, moosartig verzweigte „rhomboidale, perlmutter- glänzende Blättchen*“ (Luedecke). Es ist in Alkohol und Wasser: leicht löslich und die mit Platinchlorid vermischte wässerige Lörung scheidet schon in wenigen Stunden Salzsaures Aethyl- on leinehloed aus, in Form schön orangerother, glänzender nadelförmiger Kry- stalle, die nach dem Urtheil des Herrn Dr. Luedecke dem rhombischen System angehören. Die analytischen Resultate 36.380), © — 6.220), H — 24.630), PL — 2.35°), H2O führen zur Formel C2!H40N?0?.2C2H3. PtC16+H20 Siewert war bei dem gleichen Versuch mit mir überein- stimmend zu dem Resultate gelangt, dass die Base tertiär sei, allein die Analyse des Platinsalzes der Ammoniumbase lieferte Zahlen, auf Grund deren er das Lupinin für Dimethyleonydrin erklären zu dürfen glaubte. Salzsaures Aethyl-Lupininammoniumgoldcehlorid. Gelbe nadeiförmige Krystalle, in Wasser schwer, in Alko- hol leicht löslich. Die Lösungen zersetzen sich langsam unter Ausscheidung von metallischem Gold. Der Formel C2!H40N202 2(C°H’AuCl) entsprechend enthält das Salz 36.280), Au. 220 Die Untersuchung der Einwirkung War entziehender Mittel auf Lupinin hat bis jetzt noch kein abschliessendes Re- sultat geliefert; ich hoffe aber nächstens meine in dieser Richtung gewonnenen Resultate mittheilen zu können, Aus dem vorliegenden Theile meiner Arbeit ergiebt sich folgendes: 1. Dem Lupinin entspricht keine der bisher aufgestellten empirischen Formeln, sondern es kommt ihm die Zusammensetzung C21H20N202 zu. 2. Das Lupinin ist nicht, wie man bisher annahm eine ein- säurige, sondern eine zweisäurige Base. 3. Das Lupinin ist eine tertiäre Aminbase. Für die Ausführung der krystallographischen Bestimmungen bin ich Herrn Dr. Luedeeke zu grossem Dank verpflichtet. Man HR - Lig. hepato renale IV = Aebenniere R'’= Rechte Ntere R'”- Linke Niere = Üerus E = Eierstock V - Harnblase J - Dünndarm, D = Dickdarm. Materialien zu einer Monographie des - Stickstoffoxyduls. Von Dr. F. J. Rühl. Geschichte des Stickstoffoxydulgases, Die Geschichte des Stickstoffoxyduls lässt sich bei einer Eintheilung in drei Abschnitte bequem übersehen. Der erste Abschnitt reicht von der Entdeckung des Gases bis zu der Zeit, in der Horace Wells ihm seine Aufmerksam- keit zuwandte (1844); der zweite bis zur Veröffentlichung der theoretischen Arbeit Goltstein’s, durch welche N,O endlich durch wissenschaftliche Begründung in der Reihe der Anästhetica seinen Platz fand (1878); der dritte von der wichtigen Entdeckung Bert’s bis zur jüngsten Zeit. Im Jahre 17721) entdeckte Priestley das Stickoxydul- gas, als er auf feuchte Eisenfeile Stickoxydgas einwirken liess; er untersuchte es jedoch nicht näher und erst im Jahre 1793 fanden Amsterdamer Chemiker (Deimann, Paets van Troostwyk, Nieuwland, Bondt und Lauwerenbourgh), dass dieses Gas eine niedrigere Oxydationsstufe des Stick- stoffs präsentire als das Salpetergas; sie stellten es auch zuerst dar durch Erhitzen von salpetersaurem Ammoniak. 1799 erkannte Davy die berauschende Wirkung des neuen Gases auf den thierischen Organismus. Dieser Humphry Davy, geb. 1779 in Penzance, Grafschaft Cornwallis, stammte von niederem Herkommen; er war bei einem Herrn Bor- lase als Pharmaceut in der Lehre, wo er sich durch zahl- reich angestellte Versuche und einige Entdeckungen so be- kannt machte, dass er von den Aerzten Beddoes und Wait aus der Borlase’schen Apotheke als Leiter der chemischen Abtheilung ihres neu gegründeten pneumatischen Instituts zu Clifton bei Bristol berufen wurde. Dort nun entdeckte er die Einwirkung des Gases auf den thierischen Organis- mus; am 7. März 1799 arbeitete er zum 1. Male damit, 1) Kopp. Geschichte der Chemie; Literatur No. 9. Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. 15 222 musste aber bald aufhören, weil er nur ungenügende Men- gen des Gases darstellen konnte. Am 4. April machte er weitere Versuche und athmete 4 Liter reines Stickstoffoxy- dul ein. Anfangs empfand er Kopfschmerz und Drehen, die später einem Muskeldruck wichen, der sich unter ange- nehmem Zittern des ganzen Körpers, besonders der Brust und der Extremitäten einstellte; dabei bemächtigte sich seiner eine grosse Heiterkeit, Lachlust, Leichtigkeit der Glieder, und dann lachte er laut. Das Gehör fand er hoch- gradig verfeinert; gegen Ende der Inhalation wurde er sehr lebhaft und machte sehr heftige Bewegungen. Beim Aussetzen der Inhalation kehrte das Bewusstsein zurück. Kurz darauf entdeckte Davy auch die schmerzlindernde Wirkung seines Gases und benützte es in Folge dessen bei auftretenden Zahnschmerzen, Kopfweh etc. So kam es, dass er eine förmliche Leidenschaft für die Gasinhalationen fasste und es vom Mai bis Juli, ohne eine Abschwächung in der Wirkung zu verspüren, anfangs täglich 3 bis 4 mal, später nur 4—5 mal in der Woche einathmete. Wie die Zahn- und Kopfschmerzen verschwanden, konnte er nicht genau angeben. Ganz dieselben Resultate erzielte er bei Personen, die nichts von der Wirkung des Gases wussten und durch die in den Vordergrund tretende Lustigkeit der inhalirenden Personen wurde er bewogen, das Gas ‚„laug- hing gas“ zu nennen. | Bald nach Bekanntwerden dieser überraschenden Er- folge durch die Veröffentlichungen von Beddoes (1799) und Davy (1800) wurden von Anderen die Versuche wiederholt — jedoch mit den widersprechendsten Resultaten. Haupt- sächlich waren es Mitchill in den Vereinigten Staaten, Pfaff in Kiew, Wurmser in Deutschland, Berzelius in Schweden, Proust, Orfila, Thenard und Vauquelin in Frankreich. So suchte Mitchill nach seinen Untersuchungen zu beweisen, dass das „Septonoxyd“ (N;O) das Ansteckungsprineip sei und dass es, von Thieren in kleinster Menge geathmet oder ‚an die Haut oder Muskelfaser gebracht, die schrecklichsten Wirkungen hervorbringe. — Thenard constatirte dasselbe, was Davy gefunden, aber alle, die das Gas eingeathmet hatten, befanden sich nach den Inhalationen unwohl. — 223 Vauquelin hatte kaum einige Athemzüge gethan, als er kraftlos hinfiel; der Puls wurde äusserst schnell, er bekam ‚heftiges Ohrensausen und die Augen rollten umher. Dieser Zustand währte zwei Minuten, dann gesellten sich noch srosse Blässe, schliesslich Bläue des Gesichtes zu. Nach dem Erwachen klagte er über heftige Schmerzen in der Brust. Dieselben Erscheinungen beobachtete Vauquelin an zweien seiner Famuli. Davy, dem davon Mittheilung ge- macht wurde, schob die Schuld auf die zu geringe Menge verbrauchten Gases; seine Empfehlung, dasselbe in der Chirurgie anzuwenden, wurden jedoch nach dem Bekanntwer- den dieser ungünstigen Thatsachen in grösseren Kreisen nur wenig beachtet; man scheute auch die kostspielige und mühevolle Herstellung des Gases, von dem man zu einer einzigen Operation einer grossen Menge bedurfte. So ge- rieth das Stickoxydul nach und nach in Vergessenheit; selbst als einige Operationen unter Lustgasnarcose in der Societe medicale de Toulouse geglückt waren, konnte man sich für das Gas nicht erwärmen. Auch die Entdeckung Fara- day’s im Jahre 1823, dass es sich in flüssige Form com- primiren lasse und so bequemer verwerthet werden könnte, vermochte nicht, es seiner Vergessenheit zu entreissen. Fast 50 Jahre vergingen, ehe das Luftgas die Aufmerksam- keit der wissensehaftlichen Welt wieder auf sich lenkte. Im Jahre 1344 brachte Horace Wells die Entdeckung Davy’s in Erinnerung und damit beginnt der zweite Ab- schnitt der Geschichte des Lustgases. Horace Wells war 1823 zu Hartford in Connecticut ge- boren und lernte ebendaselbst die Zahnheilkunde; er wird als ein geistreicher, scharf denkender Mann mit lebhaften Augen geschildert. Durch vorzüglichen Charakter ausge- zeichnet erwarb er sich das Zutrauen und die Freundschaft aller, die ihn kennen lernten. In dieser Stadt existirte zu jener Zeit ein sog. wissenschaftlicher Verein, in dem am 10. Dee. 1844 ein in Städten herumreisender Chemiker Dr. G. J. Colton einen Vortrag über die Wirkung des Lachgases hielt und einige Experimente dabei anstellte. Zufällig sass ein M. Cooley in der Nähe der Apparate und athmete von dem Gas unbeabsichtigt ein; die Folgen blieben 224 nicht aus: er begann heiter und lustig zu werden, lachte und stiess sich, als er sehr lebhafte Bewegungen machte, heftig mit dem Ellenbogen gegen eine Bank. Dem Ein- fluss des Gases entzogen und zur Besinnung zurückgekehrt wurde er von H. Wells gefragt, ob er bei dem Stoss Schmerz empfunden habe, worauf er erwiederte, dass er überhaupt nichts von einer Verletzung gemerkt habe. Wells sprach sofort die Meinung aus, dass das Gas anästhesirende Eigen- schaften besitzen müsse und nahm am nächsten Tage die Versuche Davy’s auf. Die erste mit dem Lustgas ausge- führte Operation war eine Zahnextraction, die Wells an sich durch einen Collegen, Dr. Riggs, vornehmen liess; Dr. Colton verabreichte dabei das Gas und wie Wells er- wartet, wurde der Molarzahn ohne Schmerzgefühl entfernt. Zum Bewusstsein gekommen rief der Operirte aus: Eine neue Aera in der Extraction der Zähne; das thut ja nicht weher als ein Nadelstich! In kurzer Zeit wurde das Gas bei einem Dutzend Zahnpatienten mit demselben guten Erfolg angewandt. Dies veranlasste Wells, begeistert von dem Gedanken, der gesammten Menschheit einen Dienst von ungeheurer Tragweite zu leisten, Ende December 1844 eine Reise nach Boston zu unternehmen, um vor einem Fach-Publikum seine Entdeckung weiter bekannt zu machen. In Gegenwart des Dr. Warren und dessen Zuhörer sollte ein Zahn schmerzlos extrahirt werden; unglücklicherweise liess Wells die Inhalation zu früh beenden und bei der un- vollständigen Narcose fühlte der Patient natürlich den ganzen Schmerz der vorgenommenen Zahnoperation, wovon ein lautes Aufschreien die Anwesenden überzeugte. Dervorher beneidete H. Wells wurde jetzt ausgelacht, ausgezischt und seine schmerzlosen Operationen für Humbug erklärt. Dies Unglück in der Öffentlichen Versammlung erregte in ihm einen hohen Grad von Niedergeschlagenheit und Trübsinn; er beschäftigte sich zwar fortwährend mit seinem an- ästhesirenden Gas, wagte aber nicht damit in die Oeffent- lichkeit zu treten ausser bei einigen Operationen, die ein ihm befreundeter Arzt ausführte, während er das Gas ein- athmen liess. So wurde die erste unter Lachgasnarcose vollführte chirurgische Operation — die Entfernung eines EHI. u 225 Tumors am Hoden — im Jahre 1847 vorgenommen. Diese Erfolge konnten jedoch den Trübsinn des unglücklichen Wells nieht verscheuchen; er wurde nur vergrössert, als im Jahre 1846 Morton, ein Schüler von H. Wells, die anästhesirenden Eigenschaften des Aethers, auf die er durch Jackson aufmerksam gemacht wurde, verwerthete und diese beiden die Priorität der Entdeckung der Anästhesie für sich beanspruchten und dem Lustgas jegliche anästhesirende Eigenschaft absprachen. Schliesslich wurde Wells irrsinnig und nahm sich in einem Anfall von Irrsinn am 14. Januar 1848 das Leben: er öffnete sich in einem Bade die Venen an den 4 Extremitäten und athmete sterbend sein Lachgas oder, wie andere berichten, Aether ein. So wäre mit dem Tode des H. Wells das Stickstoff- oxydul sicher wieder der Vergessenheit anheim gefallen, denn Aether und bald darauf das Chloroform behaupteten den ersten Rang in der Reihe der Anästhetica, wenn es in Hartford seit jenem Vortrage Coltons 1844 nicht zum guten Ton der dortigen Gentlemansgehörthätte, Lachgaseinzuathmen . und mit den Grimassen, die man bei der Inhalation schnitt, sich gegenseitig zu amüsiren, und wenn nicht Dr. Colton bei seinen populären Wandervorträgen das Stickoxydul erwähnt und als das zuerst bekannte Anästhetikum an- geführt hätte. In praxi war es allerdings todt. Im Februar 1863, funfzehn Jahre nach dem Tode des H. Wells, hielt Dr. Colton wieder in Hartford eine Vor- lesung über Chemie, in der er auch das Lustgas erwähnte. Eine Dame, die dem Vortrag mit Interesse gefolgt war, bat am Ende der Vorlesung ihren Zahnarzt, den Dr. Dun- ham, ihr einen Zahn in Gegenwart des Dr. Colton unter N;0O narkose zu extrahiren. Beide Herren gingen darauf ein, und am nächsten Tage wurden mehrere Zähne schmerz- los entfernt und Dunham extrahirte von da ab die Zähne nur unter Lustgasnarkose. Mehrere Monate später ver- anlasste Colton den Dr. Smith in New-Haven ebenfalls durch seinen Vortrag die schmerzlose Zahnextraction vor- zunehmen und hier war der Erfolg ein solcher, dass inner- halb dreier Wochen gegen 3000 Extractionen stattfanden und Colton bewogen wurde, nach seiner Rückkehr nach New-York 226 das Colton-Dental-Institut zu errichten. Er engagirte einige tüchtige Dentisten und hatte bald die günstigsten Erfolge. Vom 4. Februar 1864 an liess er die Patienten ihre Namen nach vollzogener Operation in ein Journal eintragen; bis zum April 1867 waren 27,217, bis zum 21. Mai 1877 97,423 Namen daselbst eingetragen. Es hatte nie ein Un- fall bei den Operationen stattgefunden, und die Patienten hatten direct nach der Narcose sich eingezeichnet, weshalb sich jede üble Nachwirkung ausschliessen lässt. Colton errichtete nun in allen grossen Städten der Vereinigten Staaten: Boston, Philadelphia, Baltimore, Cineinnati, St. Louis ähnliche Institute wie in New- York und überall hatte er denselben Erfolg. Als die Anästhesie durch Stick- oxydul in Amerika bekannter wurde, verdrängte sie fast vollständig den Aether. Im Jahre 1864 kamen die ersten Todesfälle vor; der eine in New-York betraf einen hochgradigen Phthisiker, der zweite in Vermont eine junge Dame (s. w. u.); doch scheinen beide nicht viel beaehtet zu sein, da die Zahl derer, die unter N,O nareose operirt werden wollten, eher zu- als abnahm. Im Jahre 1864 erschien auch die erste wissenschaft- liche Abhandlung über die physiologische Wirkung des N,O von L. Hermann in Berlin. Von dieser Zeit ab mehrten sich jährlich die über N,O geschriebenen Berichte, Abhand- lungen etc. 1865 wandte Dr. Chapelle schon N,O Wasser mit Erfolg an; 1866 wurde das Gas in Frankreich weiter bekannt (Ricord, Preterre), auch in Italien, besonders aber in Deutschland, wo es durch Patruban (Wien) so sehr empfohlen wurde, dass L. Hermann, ein principieller Gegner des Gases, vor der Anwendung warnte und die N,0 narcose nur in Gegenwart eines approbirten Arztes benützt wissen wollte. In demselben Jahre lernte es Dr. Evans auf der Pariser Weltausstellung von Dr. Colton kennen; entzückt von den glänzenden Resultaten und von den selbst geleiteten und glücklich vollendeten zahlreichen Nareosen, lenkte er die Aufmerksamkeit‘ der Engländer auf das Stickstoffoxydul, indem er es am 31. März 1868 227 im Dental Hospital of London mit ausgezeichnetem Erfolg einathmen liess. Durch Evans wurde es in ganz England bekannt; zur genauen Untersuchung der Wirkung des Gases oder, falls dasselbe den gehesten Erwartungen nicht entspräche, zu der eines anderen Anästheticums stiftete er eine Summe von 100 Pfd. Sterling für ein Comite aus dem Vorstande des Dental Hospital und den Mitgliedern der Odontologieal Society of Great Britain. Dies constituirte sich, und so entstand eine genaue Statistik über mehrere Tausend wohl controlirter Fälle, aus der die Brauchbarkeit des Stickstoffoxydulgases aufs klarste hervorging. Im Jahre 1868 wuchs die N,O Literatur ins ungeheure; alle Welt beschäftigte sich mit N,O und in den bekanntesten sowohl als den seltensten Journalen erschienen Berichte über Be- obachtungen während der N,O narcose. In demselben Jahre wurden auch die ersten kleineren Augenoperationen unter Stickstoffoxydulnarcose ausgeführt von Walton im Central- London - ophthalmic-hospital, grössere, als Strabotomie, Staar- operationen von Meyer; dann von Marion Sims die ersten grösseren chirurgischen Operation: die Amputation einer Mamma und die Exstirpation eines Abdominaltumors, mit so günstigem Resultate, dass M. Sims das Stickstoffoxydul für das geeigneteste Anästheticum bei Ovariotomien erklärte. Der Ruf von diesen Thatsachen verbreitete sich nach allen Seiten und mit ihm das Verlangen, die N,O narcose mög- lichst oft anzuwenden. Dem standen jedoch verschiedene Umstände entgegen, die nur eine beschränkte Benützung des empfohlenen Präparates erlaubten; es war dies die Kostspieligkeit und der Zeitverbrauch bei Herstellung des Gases, dann auch der unbequeme (weiter unten beschriebene) White’sche Gasometer. So kam es, dass erst mit Einfüh- rung des (ebenfalls weiter unten beschriebenen) Barth’schen Apparates, der eine Anwendung des comprimirten Gases ge- stattete, a. 1869 die Operationen unter N,O narcose häufiger ausgeführt wurden. Auf Dr. Evans Veranlassung wurde zu- erst in London das Gas comprimirt und in eisernen Flaschen verschickt. Bis vor jetzt 4 Jahren wurden die grössten Quantitäten von dem Mechaniker John Orchard jun. fabri- eirt. Es wurden an Gas verkauft: 2283 Im Jahre 1871 . . . 146211 Gallonen | 1872. .2.002..214878 18732... 0..2,.202.202 A Die Abnahme a. 1873 erklärt sich durch einen wäh- rend der Narcose erfolgten Todesfall, den ersten, der sich in Europa (Exeter) ereignete. Die Aufregung über diesen Unfall war‘ ungeheuer und in allen Journalen wurde dar- über debattirt, es verhinderte jedoch nicht, dass in den näch- sten Jahren sich der Consum des Gases noch beträchtlich steigerte. In Deutschland wurde das comprimirte Gas durch die Firma Ash u. Sohn, London eingeführt; eine deutsche Fabrik existirt erst seit 1876 in Berlin (G. Losse), die auch ein reines, in verbesserten Flaschen comprimirtes Gas liefert und den Bedarf für Deutschland deckt. Bis zum Beginn des 3. Abschnittes der Geschichte wurde das Stickstoffoxydul hauptsächlich von Zahnärzten verwandt und diese führten Millionen von Zahnextraetionen unter N,O narcose aus, während von Seiten der Chirurgie, innern Medicin, Psychiatrie ete. verhältnissmässig wenige Versuche, die im therapeutischen Theil Erwähnung finden sollen, gemacht wurden. Dagegen erschienen zahlreiche theoretische Brochüren und Studien über die physiologischen Wirkungen des Stickoxyduls. Im Anfange des Jahres 1878 wurde das Gas wieder viel genannt, als es Cailletet gelang, mit Hilfe von N,O Luft zu einer Flüssigkeit zu conden- siren und Pictet kurz darauf ebenso Sauerstoff und Wasserstoff condensirte und sogar erstarren liess: die Lehre von den permanenten Gasen waralsodurchdiemitHilfedes Stickstoffoxyduls angestellten Versuche umge- stossen. Bekannter ist N,O noch geworden in dem letzten, 3. Abschnitt seiner Geschichte. Von grosser Bedeutung war das Erscheinen der Arbeit Goltsteins, die die physiologischen Eigenschaften des Gases ins rechte Licht stellte; dann auch die mit Erfolg gekrönten Versuche Paul Bert’s, eine längere Anästhesie durch N,O unter Druckerhöhung zu erreichen. Dass die bis dahin verhältnissmässig kurzen N,O narcosen für die Operationen nicht genügten, bewies das Verhalten der Amerikaner, die zur Verlängerung der Narcose die In- halationen unterbrachen, Luft athmen liessen und schliess- ” 229 lich wieder N;0; aus denselben Gründen gaben die Eng- länder den zu Operirenden erst N,O bis zur vollständigen Narcose, darauf aber Aether oder CHC], oder ein Gemisch von Aetherdämpfen und Luft. P. Bert fand nun noch eine andere Methode, die Narcose zu verlängern. Er ging dabei von dem Gedanken aus, dass dieselbe N,O-menge, die ein Individuum für gewöhnlich braucht, um in Narcose zu ver- fallen, ihm in einem der Lufteompression zugänglichen Raume in Ge- stalt eines kleineren Volumens zugeführt werden kann. Es bleibt dann neben dem N,0 in der Lunge des Betr. noch Platz für irgend eine andre Gasart z. B. für O0. Würde also der Versuch in einer Glocke angestellt, die 32° (= 1 Atmosphäre) unter dem Wasserspiegel stände, so würde ein Druck von 2 Atmosphären auf ihr lasten und die darin enthaltenen Luftarten genau die Hälfte des Raumes einnehmen wie sonst, und bei einem Athemzug könnte ein Mensch darin doppelt so viel Luft athmen als in der gewöhnlichen Atmosphäre. Ersetzt man nun die Luft der Glocke durch ein Gemisch von N,0 und O a, so würde der Mensch (ganz gegen die Ansicht Goltstein’s) in Narcose verfallen, — Bert fand experimentell, dass schon 15 Thl. O auf 100 Thl. N,0-0 genügen, um neben einer guten Narcose die Asphyxie zu meiden, Nun ergiebt sich der nöthig werdende Druck, unter dem geathmet werden muss, auf folg. Gleichung: 55. E —100, odem x — TIERE 89,5 und die faetische Druckerhöhung ist also =89,5 — 76,0—=13,5 cm Hg. Die practischen Versuche, die Bert nach dieser Theorie an Thieren anstellte, fielen ausserordentlich gut aus. Sie wurden in einer grossen luftdichtverschlossenen Glocke vorgenommen, in der der Luftdruck um ca. 14 em erhöht war; in derselben befanden sich ausser dem Versuchsthier der Operateur und der Gasbehälter, aus dem das Gas- gemisch geathmet wurde. Die so erzielten Anästhesien zeichneten sich durch Abwesenheit von Erscheinungen der Asphyxie und andrer übler Zufälle aus, so dass sehr bald die nahe liegende Idee, Menschen auf diese Weise bei Operationen zu an- ästhesiren, ausgeführt und ein eisernes Zimmer construirt wurde, in dem neben dem Patienten und Operateur noch eine Anzahl Assistenten Raum hatten (s. p. 85, 86.). Die Erfolge waren ebensogut wie bei dem Thierexperiment, Bis jetzt sind in Paris weit über 150 Operationen ausge- führt worden und diese Methode hat entschiedene Vor- theile, da die Narcose ruhig verläuft und beliebig ver- längert werden kann, wenn nicht das nothwendige Zimmer 230 von Eisen und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten einer allgemeinen Einführung entgegen stünden. Das Nähere weiter unten. In Russland hat eine allgemeinere Anwendung Einst in den allerletzten Jahren stattgefunden; allgemein bekannt ist aus diesem Lande, dass die verstorbene Ozarin ihre letzten Lebenstage durch Lustgaseinathmungen sich erträg- licher zu machen suchte; mit weniger Glück scheint sie ihr Gemahl gebraucht zu haben, dem sie Prof. Botkin wegen Athembeschwerden kürzlich (October 1830) verordnet hatte. — Nächst Paul Bert machte in jüngster Zeit Klikowitsch die meisten Untersuchungen über die therapeutischen Wirk- ungen des Stickstoffoxyduls und, während jener sich aufs Gebiet der Chirurgie beschränkte, hat dieser sowohl bei innern Krankheiten (Angina pectoris, Stenokardie bei Aortainsuffieienz ete.), in Botkin’s Klinik, als auch im Ge- biete der Geburtshilfe (Aufhebung Trans Erbrechens, Schmerzlosigkeit der Wehen während der Entbindung etc. 8. w. u.) in der Klinik des Prof. K. F. Slawjanski die schön- sten Erfolge erzielt. In den verschiedenen Zeiten beleste man das Gas mit mancherlei Namen, die man zuerst von seiner Wirkung, später von seiner chemischen (anfangs nicht genau bekannten) Zusammensetzung ableitete; so kommt es, dass die Reihe seiner Benennungen eine ziemlich lange ist: Laughing-gas, gaz hilarant, Lustgas, Lachgas; nitreux dephlogistigue, dephlogistieirte Salpeterluft, oxydirte Stick- luft, oxydirtes Stickgas; Septonoxyd (Mitchill); Stiekstoff- monoxyd; nitrous oxide, oxyde nitreux, Salpetergas; oxyde d’azote; azoticum oxygenatum; oxydule d’azote, protoxyde d’azote, Stickoxydulgas, Stickstoffprotoxyde, Stickstoffoxy- dul; protoxide of Nitrogen. Wann und von wem der Name Stiekstoffoxydul zuerst gebraucht ist, liess sich aus der Literatur nicht ermitteln; möglich ist es, dass die Amsterdamer Chemiker (Deimann ete.), welche die chemische Zusammensetzung des Gases erkannten, denselben zuerst aufstellten, doch tauchen bis vor ganz kurzer Zeit noch massenhaft falsche Bezeichnungen für N,O in den betreffenden Abhandlungen auf. 231 Die Literatur über dieses ebenso interessante als wich- tige Gas ist eine ausserordentlich grosse, zum Theil in den - seltensten ausländischen Journalen versteckt und daher wohl noch nie zusammengestellt. Da aber unsre Kenntnisse auf diesem Gebiete augenblicklich gerade zu einem ge- wissen Abschlusse gekommen sind, dürfte eine Zusammen- stellung alles darüber bekannten, wie es in vorliegender Arbeit angestrebt wird, wohl nicht ganz unangebracht sein. Chemisch-technisches; Physikalisches. Ueber die Darstellungsweisen ist folgendes zu sagen: Pristley hatte zuerst das Stickoxydulgas gewonnen, indem er auf feuchte Eisenfeile Stickoxydgas einwirken liess; schon im Jahre 1793 entdeckten Amsterdamer Che- miker (Deimann etc.) die bequemere Darstellung desselben. durch Erhitzung des salpetersauren Ammoniaks. Bald stellte man das Stickstoffoxydul auf die verschiedensten Weisen dar. Man brachte Stickoxyd (NO) mit Schwefel- wasserstoff, trockner und feuchter Schwefelleber, feuchter Zinkfeile, gewässertem Schwefeleisen, Eisenvitriol, wässrigen schwefelsauren Salzen, Zinnchlorür, Ammonik zusammen und aus allen diesen Gemischen entstand NO. Dann konnte man nachweisen, dass es beim Einwirken wässriger schwef- liger Säure auf salpetrige Säure, von Natriumamalgam auf salpetrige Säure oder salpetrigsaure Salze entsteht. Nach Gay-Lussace entsteht es beim Einwirken von Zinn- chlorür auf Salpetersalzsäure; nach L. Smith auch beim Erwärmen von Salmiak und Salpetersäure. Ferner bildet es sich nach Schlöring (Compt. rend. 66, 237) bei der Fäul- niss oder der Milchsäuregährung organischer Producte, falls in der Flüssigkeit salpetersaure Salze vorhanden sind. In- teressant ist auch die Bildung des Gases in den Schwefel- säurekammern. R. Weber (Pogg. Annal.), der die Entsteh- ung desselben untersuchte, bewies, dass es hier nicht aus dem NO entsteht, sondern aus der salpetrigen Säure, wenn diese mit überschüssiger schwefeliger Säure und vielem Et! Wasser in Berührung ist, und dass diese Reduction sich daher vermeiden lässt, wenn Salpetersäure in genügender Menge zugeführt wird und beständig eine gewisse Menge verdünnter Schwefelsäure, die die Redueirbarkeit der sal- petrigen Säure zu Stickoxydul aufhebt, in der Kammer vorhanden bleibt. F. Kuhlmann fand ferner, dass bei Ge- genwart von Platinschwarz Stickoxyd leicht von schwefeliger Säure zu N,0, ja sogar zu N redueirt wird. Noch ist die Darstellungsweise von Grotthus und Pleischel zu erwähnen. Diese beiden Forscher stellten ganz reines Stickoxydulgas dar durch Auflösen von Zink in Salpetersäure von 1,2 spec. Gewicht mit gleichviel oder etwas mehr Wasser verdünnt. Zink und Salpetersäure müssen dabei selbstverständlich rein sein. Ebenso entsteht beim Auflösen von Zinn und Eisen in Salpetersäure NO; nach Millon auch durch Zusammen- bringen von Kupfer mit Salpetersäure bei — 10°. H. Schiff löste Zink in einem Gemenge von einem Maass con- centrirter Salpetersäure, einem Maass Vitriolöl und 9— 10 Maass Wasser (ein Gemisch, das rascher als Salpetersäure allein wirkt) und wäscht das erzeugte Gas mit Eisenvitriol. Von allen diesen Reactionen hat sich für die Darstel- lung des Stickoxydulgases im Grossen jedoch keine so be- währt wie die durch Erhitzen des salpetersauren Ammo- niaks. Auch hierbei hat man versucht, die Gewinnung, wenn schon nicht zu vereinfachen, so doch zu verbessern und das Gas möglichst rein zu produeiren. Das salpetersaure Ammoniak [NH,(NO,)] ist ein weis- ses, geruchloses Salz von bitterem und pikantem Geschmack, welches durch Neutralisation von reiner Salpetersäure mit reinem kohlensaurem Ammonium ‚gewonnen wird. Zur Darstellung von Stickoxydul muss es chlor- und schwefel- säurefrei sein. Man kann die Anwesenheit dieser, das Salz oft verunreinigenden Substanzen leicht durch die bekannten Reactionen mit Argentum nitr. und Chlorbarium nachweisen. Man versetzt eine wässrige Lösung von salpeters. Ammoniak mit Arg. nitr.-lösung. Ein leichter, wolkiger, milchweisser Niederschlag deutet auf Anwesenheit von Chloriden. Man setzt ferner zu einer eben solchen Lösung eine Lösung von Chlorbarium; eine weisse Wolke zeigt die Anwesen- 235 heit von Carbonaten und Sulphaten an. Sind Sulphate und Chloride im Ammoniumnitrat enthalten und wird dies zur Gasbereitung benutzt, so gehen in das Gas schädliche Pro- duete (Chlor ete.) mit über. Gegossenes Ammonium nitri- cum war bis jetzt das beste (A. nitr. fusum). Der einfachste Apparat zur Darstellung ist folgender: Man benutzt eine Retorte mit 2 Oeffnungen, in deren obere unter den nöthigen Cautelen ein Thermometer eingelassen wird, während die seitliche durch 3 Wulff’sche Reinigungs- Flaschen mit dem Gasometer in Verbindung steht. Selbst das aus reinem Material und bei grösster Vorsicht darge- stellte Gas bedarf der Reinigung. In der 1. Reinigungs- flasche befindet sich Ferrum sulfuricum zum Auffangen des bei zu starkem Erhitzen entstehenden Stickstoffoxyds; in der 2. Kalicausticum und in der 3. Kalkmilch, um die Kohlen- säure und das etwa vorhandene Chlor zu binden. Von da seht es in den Gasometer, wo es über Wasser oder Queck- silber aufgefangen wird. Die Entwickelung des Gases beginnt bei 170°C. Die Hauptkunst bei der Darstellung besteht in der Regulirung der Feuerung, die bei Beginn der Entwickelung gemässigt werden muss; denn bei eingetretener Ueberhitzung bildet sich Stickstoff, Ammoniak und das für den Gebrauch zum Einathmen so gefährliche Nebenproduct: das Stickoxyd. Die Temperatur in der Retorte wird an dem angebrachten Thermometer abgelesen und muss zwischen 230— 240° C. schwanken, da sonst ausser der angegebenen Ueber- führung von unangenehm wirkenden Nebenproducten leicht eine Explosion des Gefässes eintreten kann. Von Hardman (Americ. Dent. Reg. 1866) wurde der Sprague’sche Apparat empfohlen; die Retorte liegt bei die- sem in einem Sandbade, das durch eine Gaslampe derartig erhitzt wird, dass unter Anwendung eines Flammenregula- tors die Temperatur nie über 380° C. steigen kann. Aus- serdem hat Sprague eine andere Art, das Gas zu reinigen: er lässt das erzeugte Gas durch 4 Flaschen gehen, die je 2 Lösungen von Eisenvitriol, Natr. caustic. resp. Kali caust. enthalten. Gehen nun mit dem Stickoxydulgas Dämpfe von salpetriger Säure in die Flaschen über, so bildet sich 234 in den 2 ersten Waschflaschen schwefelsaures Eisen und die salpetrige Säure wird vollständig zu NO reducirt. Maeclaren (Carlisle) ist noch vorsichtiger als Spargue, er hängt die Retorte in einen mit Zinkauslage versehenen hölzernen Kasten und setzt unter die Retorte einen Bunsen’- schen Brenner, um so die Folgen einer ev. nleaien zu meiden. An der Retorte ist eine lange Glasröhre, die in die erste Waschflasche mit Aqua destillata führt, u einer sol- chen Neigung angebracht, dass in ihr die Sebildein Was- sertropfen in die Waschflasche und nieht wieder in die Retorte fliessen. Die 2. Flasche enthält Eisenvitriollösung (1,0: 10,0) mit Zusatz einer kleinen Menge freier Schwefel- säure; die 3. Kalilauge ete. Dam hat Maclaren noch eine Regulation der Tempe- ratur resp. der Gaszufuhr angebracht. Im Deckel der 1. Waschflasche ist eine messingene Glocke eingesetzt, die durch eine Gummischeibe in 2 Theile getheilt ist. Die untere Hälfte eommunieirt mit dem Gefässe. Wird nun der Druck des sich entwickelnden Gases zu gross, so wölbt sich das Diaphragma von Gummi in die Höhe und stösst gegen einen zweiläufigen Gummischlauch, der durch die obere Hälfte der Glocke geht und das Leuchtgas zum Brenner führt. Dadurch wird die Gaszufuhr abgeschnitten resp. vermindert. Dabei hat Maclaren noch eine Vorrichtung getroffen, dass das Gas nach dem Verlöschen nicht ins Zim- mer entweicht. Einen ziemlich viel leistenden Apparat hat Darbesne construirt, den er sehr empfiehlt: Es werden zu gleicher Zeit 3 Kolben erhitzt, von denen jeder eine besondere Leitung durch je 3 isolirte Waschflaschen besitzt, die dann schliesslich in einer grösseren mit Wasser halb gefüllten Flasche münden, um von hier durch ein Rohr in den Ga- someter zu gehen. Dieser Apparat bringt im Durehsehnitt täglich 800 Liter Gas hervor. | ’ Im Allgemeinen ist es räthlich, die ersten und letzten Gasportionen entweichen zu lassen, damit nur reines Gas in den Gasometer gelangt. Entzündet das aus der letzten Flasche entströmende Gas einen eben ausgelöschten noch 23 slimmenden Spahn, so ist das Gas als zur Operation ge- ‘eignet zu bezeichnen und im Gasometer aufzusammeln. Um nachzuweisen, dass das Gas auch von Beimisch- ungen von Stickoxyd frei ist, kann man das Gas mit einer stark alkalischen Lösung von übermangansaurem Kali zu- sammenbringen. N,O bleibt dabei ohne Einwirkung, wäh- rend NO lebhaft von der Lösung absorbirt wird, schon bei gewöhnlicher Temperatur, und dieselbe unter Abscheidung von Manganhyperoxydulhydrat entfärbt. (Wanklyn & Cooper.) ! Den Process, den das salpetersaure Ammoniak beim Erhitzen durchmacht, zeigt folgende Formel: NH, (NO,)—=2H,0+N;0. Um 150 Liter Gas darzustellen braucht man nach eini- gen Autoren ungefähr ein Kilogramm salpeters. Ammoniak. Nach Donati (1866) giebt 1 Kilogramm, welches 5 Frances kostet, 300 Liter Stickoxydulgas, die zu 25—30 Narkosen reichen sollen. Nach Evans giebt 1 Kilogramm A 100 Cents 75 Gallonen Gas. Das gewonnene Gas wird, wenn es nicht über Queck- silber geschehen kann, zweckmässiger über warmem Wasser aufgefangen als über kaltem, weil es davon weniger resor- birt wird. 1 Vol. H,O nimmt bei 0,75 Mtr. Druck und 707 52.02249%0- 237158.02 208° 2.58 € 1,5052 V. 1,0954 V. 0,9196 V. 0,7778 V. 0,670 V. 0,5962 V. N,O auf; Schwefeläther, Alkohol resorbiren grosse Mengen, noch viel mehr die ätherischen Oele, weniger die fetten Oele. Stickoxydulgas ist farblos, schwach angenehm riechend, und wie fast alle Anästhetica, süsslich schmeckend. Es unterhält die Verbrennung besser als Luft; selbst brennt es nicht, dagegen entzündet es einen glimmenden Spahn zur Flamme und unterhält die Verbrennung von Kohle, Schwefel ete.e Neben den Verbrennungsprodücten wird dabei zugleich Stickstoff frei. Mit Wasserstoff gemengt oder mit Lieht in Berührung gebracht, ruft es Explosion . hervor. Fabre und Silbermann fanden mit Hilfe des Calori- meters, dass in dem Momente, wo sich N,O zersetzt, 1090,5 Wärmeeinheiten pro Gramm ausgelöst werden. Berthelot, } 236 | es der die Zersetzungstemperatur des N,O ebenfalls unter-‘ suchte, fand dabei, dass N,;O unter gewöhnlichen Beding- ungen beständiger ist als NO; man sollte daher meinen, dass Kohle, Schwefel, Phosphor in NO besser brennen müssten als in NO. Dies ist aber de facto umgekehrt; sie bren- nen in N5O ausgezeichnet und in NO gar nicht. Dies kommt nun daher, weil einestheils NO bei gleichem Volu- men nicht mehr O enthält als N;O und weil andrerseits dieser O seiner Totalität nach für die Unterhaltung von Verbrennungen erst bei einer viel höheren Temperatur dis- ponibel wird, indem das NO sich zum grössten Theil in Untersalpetersäure verwandelt, die weit beständiger ist als das N;0. Es giebt nur wenig brennbare Körper, die NO bei er- höhter Temperatur nieht zersetzen. Auch beim Hindurch- leiten durch ein glühendes Porzellanrohr zerfällt NO in ein Gemenge von Untersalpetersäure, N und O. Dasselbe bewirkt anhaltendes Bleetrisiren. Unter dem Einflusse der electrischen glühenden Platinspirale oder des Funkenstro- mes der Inductionsmaschine vergrössert sich sein Volumen durch Zerlegung in N und O auf das 1'!/,fache; bei fort- gesetzter Einwirkung treten rothe Dämpfe auf, die vom Quecksilber resorbirt werden. Das Stickoxydul wurde zuerst von Faraday im Jahre 1823 eondensirt. Zur Verdichtung fing er das Gas in einem Kautschuksack auf und setzte es bei 0° einem Druck von 40 Atmosphären aus. In neuerer Zeit (a. 1868) wurde die Condensation des Gases wieder vorgeschlagen von Dr. Evans, der eine Flasche von Aluminiumbronce dazu be- nutzte. Grössere Mengen flüssigen Gases fabrieirte zuerst Natterer vermittelst Druckpumpe schon bei 30 Atmosphären Druck und bei 0° Temperatur. Barth (London) wendet dazu sogar nur 20—24 Atmosphären Druck an. Flüssig ist N,O farblos, sehr beweglich; bei 0,76 Mtr. Druck und — 88° C. fängt es an zu sieden; sein spec. Gewicht ist bei 0° C. 0,9369. Das Licht wird davon schwächer als in anderen Flüssigkeiten gebrochen (Para- day). Auf der Haut ruft es Brandwunden hervor. Bringt man es mit H,O zusammen, so gerinnt es sofort unter 2 ; 237 heftiger Explosion. Mit Aether vermischt macht dieses N;0O den Alkohol schon klebrig und bringt Quecksilber, Schwefelsäure, Salpetersäure ete. zum Gerinnen. Kohle, auf flüssiges N,O gebracht, schwimmt unter Zischen darauf herum; eingetauchte Metalle zischen, wie wenn man glühen- des Eisen in Wasser taucht. N,O erstarrt bei einer durch feste CO, im Vacuum hervorgebrachten Kälte von — 100° zu farblosen Krystallen; es sieht wie Sahne aus, zerfliesst in der Hand und lässt Brandwunden zurück. Grössere Mengen flüssigen Gases erhalten sich längere Zeit im off- nen Glase und kühlen sich dabei bis auf — 150° ab. Auf dem Filter erstarrt es zu einer festen, weissen Masse, die, ohne zu schmelzen, an der Luft vergast. In einer Silber- schale auf einen heissen Stein gebracht, erstarrt es bald zu Schnee. Interessant und von grosser Bedeutung ist die Thatsache, dass NO beim Verdunsten im luft- leeren Raume eine so beträchtliche Kälte hervor- bringt, wie sie durch Aether und Kohlensäure nieht erreicht wird. N,O wird dabei fest und die Tem- peratur sinkt unter —100°C. Mit Schwefelwasserstoff ge- mischt erzeugt es sogar im Vacuum eine Kälte von — 130° C. (Natterer). Durch eine Mischung von Schwefelkohlenstoff mit flüs- sigem N,0 wird die niedrigste, überhaupt bis jetzt existi- rende Temperatur erzielt: 220° F. unter Null, also gleich — 140° C. (Woodhouse Braine 1872.) Ein wichtiger Schritt wurde gethan, als es L. Cailletet mit Hilfe von N,O gelang am 31. Dec. 1877 Luft in flüs- siger Form zu erhalten. Er kühlte unter einem Druck von 200-255 Atmosphären Luft ab, sie condensirte sich zu einer Flüssigkeit und schliesslich wurde sie beim Ver- dunsten zu Reif. Am 9. Januar 1878 benutze dann Pictet die für die Verflüssigung des Sauerstoffs benutzten Apparate, verflüssigte unter Anwendung von N,O bei einer Temperatur von — 140° C. und einem Drucke von 650 Atmosphären Wasserstoff und liess ihn durch Verdunsten erstarren. Bei der Darstellung des Gases in grösseren Mengen müssen gewisse Vorsichtsmassregeln getroffen werden, da sich zu- Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. 16 238° gleich Stickstofftrioxyddämpfe entwickeln, die auf die Re- spirationsorgane irritirend wirken. Oft sah man bei den Leuten, die des Tages über N,O bereitet hatten, Erbrechen und heftigen Magenkatarrh. Noch häufiger klagten sie des Abends über Brennen in den Augen, die Augenlider waren sehr empfindlich gegen die Luft, oft hielt Kopfweh und Schnupfen tagelang an. Ein gutes und hinreichendes Lüften des Labora- toriums ist demnach dringend anzurathen, auch schon aus dem Grunde, weil sich eine beträchtliche Hitze entwickelt. Aufbewahrung und Darreichung des Gases. Zur Aufbewahrung des Gases hat man die verschie- densten Behälter angewandt; Davy und später auch Evans bedienten sich seidner Säcke, die aber bald durch Gummi- ballons verdrängt wurden, da das Gas durch den seidenen Stoff diffundirte. Von den Gummisäcken sind die nicht elastischen den elastischen vorzuziehen; letztere üben einen zu grossen Druck auf das Gas aus, und befindet sich das Inhalationsrohr direet daran, so wird dem Patienten das Gas förmlich eingeblasen, und es geht viel davon verloren. Eine Schattenseite haben auch die Gummiballons noch: es ist dies der starke, besonders an neuen Säcken wahrnehm- bare und für die meisten höchst unangenehme Geruch, der dem Gummi anhaftet; es sind Fälle in der Literatur be- kannt geworden, wo in Folge des Geruches keine Narcose erzielt wurde oder nur solche mit üblen Nachwirkungen. — Kautschukballons dürften sich zur Aufbewahrung des Gases nicht empfehlen, da Stiekstoffoxydul dieselben erweicht. Das comprimirte Gas wird in eisernen Flaschen ver- schiedenen Calibers in den Handel gebracht, die mit guten Auslassschrauben versehen sein müssen, denn es ist oft vorge- kommen, dass in Folge mangelhaften Verschlusses das Gas entströmt war. Ausserdem besitzen sie noch eine Vorrich- tung, um an einem Gasometer resp. an einem Gummiballon angeschraubt werden zu können. Wird nun die Auslass- schraube gedreht, so wird der Druck, der auf das Gas aus- geübt war, vermindert, letzteres wird luftförmig und ent- weicht unter Zischen durchs Ausführungsrohr. Dabei ent- steht eine ziemlich starke Kälte. — Die Gasometer, in de- 239 nen sich das Gas am vortheilhaftesten aufbewahrt, sind aus Zinkblech construirt nach dem Prineip der gewöhnlichen Ga- someter und mit einem Zu- und Abführrohr versehen. Die Sperrflüssigkeit bildet Wasser. Das Gas wird nun entweder nach der Inhalation durch ein Ventil direct in die Luft ausgeathmet (White’scher Gasometer), wobei eine colossale Menge Gas verbraucht wird, oder wieder zurück in den Gasometer. Barth brachte in seinem Apparate ein Ge- fäss mit Kalklösung, die durch Solutio Kali caustiei ersetzt werden kann, an; in diese taucht ein Netz, dessen Maschen von der Exspirationsluft passirt werden. So wird alle Kohlensäure gebunden und das Gas kann von neuem ge- braucht werden. Der Consum an Gas stellte sich von da ab bei jeder Operation geringer als früher und der viel be- nutze Apparat bekam den Namen Barth’scher Spargaso- meter. — Eine Modification gab Telschow 1877 an; die Exspirationsluft geht nicht in den Gasometer zurück, son- dern durch ein Ventil in einen Supplementsack, der, sobald er gefüllt ist, den Weg in den Gasometer verschliesst und dem Patienten das ausgeathmete Gas nochmals zuführt; dann entweicht das zweimal benutzte Gas in die Luft. — v. Blumm benutzte bis vor kurzem den Barth’schen Spar- gasometer, erhielt aber oft ungenügende Narcosen, nämlich dann, wenn die 'Solutio Kal. eaust. mehrmals gebraucht war. Der Misserfolg musste also in der ungenügenden Reinigung des N,O von der ausgeathmeten Kohlensäure begründet sein. Blumm schaltete deshalb zwischen Gaso- meter und Athmungsrohr einen Apparat nach Art der Wulf’- schen Flaschen ein, der mit Sol. Kal. eaust. (1,0: 100,0) zur Hälfte gefüllt war. Durch diese Lösung muss sowohl die einzuathmende als zurückgeathmete Gasmenge streichen und so aufs gründlichste von CO, gereinigt werden. Jetzt waren die Narcosen stets gut. Nur zweierlei ist unange- nehm: das Geräusch des dureh die Lösung streichenden Gases und die vom Waschwasser auf die Backenmuskeln _ übertragene zitternde Bewegung. Durch Verwerthung des Telschow’schen Supplementsackes verringert sich noch mehr der Gasverbrauch und so die Kosten. Da das gute Gelingen der Narcose zumeist von der 16* 240 grössten Reinheit des NO abhängt, so ist das feste Anliegen des Inhalations-Mundstückes von ziemlicher Wichtigkeit. Es sind vorzüglich zwei Instrumente, die sich Eingang ver- schafft haben: das Mundstück Barth’s und das Clover's; ersteres ist nur für den Verschluss des Mundes berechnet, ein mit Luft gefüllter Gummiring schliesst die Mundhöhle ab; die Nase wird entweder durch den Assistenten com- primirt oder durch besondere Pince-nez’s. Das Clover’sche bedeckt Mund und Nase und ist beliebter als ersteres, weil das höchst unangenehme Zusammenpressen der Nase ver- mittelst der Finger wegfällt; leider sind starke Vollbärte, abnorm grosse Nasen und hervorspringende Backenknochen ein Hinderniss seiner Anwendung und indieiren die Be- nutzung des Barth’schen. — Das Sauer’sche Mundstück kann als eine Vereinfachung des Clover’schen gelten, es trägt die Ex- und Inspirationsvalven erst im Ausführungs- rohre, während das andere dieselben im Mundstück selbst hat. Beim Barth’schen Gasometer sind die Valven über- flüssig geworden. Die Weite des Athmungsrohres ist von wenig Bedeutung, da immer genügend Gas aus dem Gaso- meter herausströmt; durch ein weites (2 Ctm. Durchmesser) Athmungsrohr und den geringen mechanischen Widerstand, auf den das ausströmende Gas stösst, zeichnet sich das Hutchinson’sche Spirometer aus. Dr. Evans räth, dass frisch bereitetes Gas nach 24 Stunden nicht mehr gebraucht werden soll, da es leicht zersetzt und so unbrauchbar werde; man solle das Gas am besten täglich frisch bereiten. Dem entgegen benutzte Sauer N;0, das 3 Monate im Gasometer gestanden hatte, ohne Nachtheil; wahrscheinlich hält es sich noch länger bei guten, luftdiehten Apparaten. Die Probe auf Brauchbarkeit des Gases ist ja auch leicht zu machen: Wird ein noch glim- mendes Streichholz durch N,0 zur Flamme entzündet, so ist es noch brauchbar; wenn nicht, unbrauchbar. Dann kann man auch das im Apparat befindliche Kalkwasser ver- mittelst Reagenspapier auf Alkalescenz prüfen. — Vom Juni 1873 existirt ein Circular des kgl. dänischen Gesundheits- rathes, das folgende Verordnungen über N,O enthält: 1) NO darf nur auf Recept eines Arztes resp. Zahnarztes von Pharma- ceuten fabrieirt werden, 2) muss das Gefäss die Etiquette: re 241 „N,0* tragen, 3) darf das Gas nicht verabreicht werden, wenn es nicht mindestens 24 Stunden mit Wasser in Con- tact gewesen ist. Punkt 3) widerspricht demnach auch Evans’ Meinung. Die Vorbereitungen zur Narcose sind wie die beim Chloroformiren; die Kleider müssen gehörig gelüftet werden, um Respiration und Circulation nicht zu behindern. Der Patient muss möglichst nüchtern sein und ist zu ruhigem und tiefem Athemholen aufzufordern. Von Seiten des Ope- rateurs muss jede Eventualität vorhergesehen werden, die Ausführung der Operation überlegt und jedes Instrument, das etwa gebraucht werden könnte, vorhanden sein. Der Erfolg der Narcose hängt wesentlich mit von der Ruhe ab, die im Operationszimmer herrscht; jedes Geräusch stört und rest die Patienten auf. Bei Zahnoperationen wird zur Er- leichterung der auszuführenden Operation zwischen die Zähne ein Knebel von Holz und Kautschuk geklemmt, der an einer starken Seidenschnur befestigt ist; die Dentisten wählen für die zu Operirenden eine mehr sitzende Stellung, da sonst der abgesonderte Speichel in den Rachen fliesst, Husten veranlasst etc.; ferner müssen die Patienten fest sitzen, damit sie bei etwa eintretendem tetanischen Spasmus nicht vom Stuhle herabgleiten. Diese Stellung der Patienten ist für Augenoperationen höchst unbequem; man muss sie später in eine mehr liegende umwandeln und deshalb gewärtig sein, dass der Patient mitten in der Operation erwacht, wenn die Umänderung der Lage verzögert wird und da die Nareose nur !/, bis 1 Minute dauert. Nachdem so alle Vorsichtsmassregeln getroffen, auch ein Inductionsapparat bereit gestellt ist, kann man mit den Inhalationen beginnen. Nun giebt es aber refraetäre Indi- viduen, die, wie es auch bei Chloroform vorkommt, durch Stickstoffoxydul nicht zur Anästhesie zu bringen sind, es mögen noch so viele Liter Gas verbraucht werden; jedoch sind es nur wenige. So berichtet Parker von einem 17 jährigen jungen Mäd- chen, welches trotz langer Darreichung des Gases nicht be- wusstlos wurde; v. Blumm berichtet von einem 23jährigen Offieier, bei dem ebenfalls keine Narcose zu erzielen war, trotz- 242 dem er 18 Liter Gas gut geathmet; schon früher hatte er eben- so erfolglos das Gas geathmet; auch durch Einathmung von 80 gr. Chloroform konnte bei ihm eine Anästhesie nicht er- reicht werden, es war aber die ohne Narcose vollzogene Zahnextraction vollständig schmerzlos. — H. Bön sah keinen Eintritt der Anästhesie bei einem Mädchen von 15 Jahren, ebenso konnte sein Sohn von 9 Jahren trotz wiederholter Versuche mit NO nicht anästhesirt werden. Das Ausbleiben der Narcose ist auch von Sauer und M. Sims beobachtet; v. Nussbaum berichtet von 37 Fällen, in denen er starke Aufregung und erschreckende Cyanose ohne nachfolgende Anästhesie sah, so dass nachträglich Chloroform angewandt werden musste, Das oben erwähnte N,0Comite hat das Gas bei Per- sonen jeden Alters, beiderlei Geschlechts ete., selbst bei Frauen in jedem Monat der Schwangerschaft und Lactation ohne üble Folgen angewandt, doch empfiehlt es Vorsicht bei Leuten mit organischen Erkrankungen, worüber später zu berichten. Bei Säuglingen tritt die Narcose sehr schnell ein, verschwindet aber ebenso schnell, also ganz wie bei CHC],. Dann werden am leichtesten blonde, blühende Leute sanguinischen Temperamentes, am schwersten biliöse - narcotisirt. Lymphatische, fahle, fette Leute brauchen viel N;0; die Narecose ist bei diesen aber sehr gut. Die Dauer der Narcose ist bei Kindern am kürzesten, am längsten bei alten schwachen Leuten. Nach Charropin wird die N,0- narcose durch Morphiuminjection nicht verlängert. Im Beginn der Inhalationen sind die Phäno- mene verschieden: einige Patienten athmen ruhig und tief und werden sehr bald lebhaft; die andern sind nervös aufgeregt, ein Effect, der durch das Heranbringen des Mund- stückes, Furcht vor der Operation ete. hervorgebracht wird; wieder andere zeigen durch Bewegungen (Fortstossen des Athmungsrohres) an, dass ihnen das Einathmen lästig und beengend wird und sie sich von diesem Druck befreien möchten. Die ersten Inspirationen rufen einen: süsslichen, nicht unangenehmen Geschmack hervor; das Gesicht nimmt eine livide Färbung an; der Puls wird etwas kräftiger und frequenter; die anfangs flache Athmung wird beim 2. bis 3. - 243 Athemzug langsamer, tiefer, der Puls wird dabei wieder nor- mal. Nach 30 Secunden ist der Patient ganz livid; die Pupillen zeigen mässige Dilatation, die Augen verlieren ihren Glanz, die Conjunctivae und Corneae werden injieirt, die Sinne beginnen zu schwinden, selbst der Gesichtssinn, der bis zum Halbbewusstsein bedeutend verstärkt ist, das Auge reagirt also nicht mehr auf Lichtreflexe; nur das Gehör bleibt noch sehr scharf. Diesem Zustande der Anästhesie seht ein Zustand der Analgie voraus, er beginnt eirea 40 bis 50 Sec. nach Beginn der Inhalation und wird von den Zahnärzten gewöhnlich zur schmerzlosen Extraetion der Zähne benützt. Dieser Zeitpunkt tritt ein, während eine Anzahl Patienten sich ziemlich ruhig verhält, gewissermassen collabirt sind; bei der Mehrzahl tritt dieser Ruhepunkt nicht ein, sie machen uncoordinirte Bewegungen, wollen sich er- heben, versuchen sogar zu tanzen, machen recht störende Bewegungen mit den Händen; beim Sitzen schwankt der Körper hin und her, beim Stehen wird mit den Füssen aufgestampft, alle beabsichtigten Bewegungen erscheinen masslos vergrössert; die Patienten beginnen zu schielen, sprechen, zanken ete. — kurz der Erfolg der Einathmung er- scheint zweifelhaft; aber die zu Narcotisirenden sind schon jetzt von vollständiger Analgie befallen und von vorgenom- menen Operationen fühlen sie keine Schmerzen. Kurz vor Ein- tritt der Anästhesie zappeln die meisten Patienten bedeutend, wie wenn sie der Erstiekung entgehen wollten; der verschie- dene Effect hängt wahrscheinlich von der Quantität und Rein- heit des eingeathmeten Gases und von der Art der In- spiration ab. Das Bewusstsein bleibt bis zur 50.—60. Sec. erhalten; meist sind die Patienten nach einer Minute be- täubt; jedoch ist Unempfindlickeit der Cornea kein Zeichen der Anästhesie. Im Stadium der Bewusstlosigkeit tritt oft vollständige Muskelstarre auf und die Nägel nehmen eine bläuliche Färbung an. Ohne jede Gefahr kann reines NO eine Minute lang eingeathmet werden, jedoch ohne Gefahr nie über 3 Minuten; nach zwei Minuten tritt schon sterto- röses Athmen auf. Die subjecetiven Vorstellungen und Empfindungen der Anästhesirten sind sehr verschieden, sie sind meist ebenso 244 oft trauriger als heiterer Art; letztere erscheinen in Ge- stalt lebhafter und angenehmer Träume; der Ideengang ist lebhafter, es stellt sich eine grosse Leichtigkeit der Glieder ein; viele Patienten haben das Gefühl, als führen sie auf der Eisenbahn, schneller und immer schneller, bis sie plötz- lich in einen dunklen Tunnel einzufahren glauben und eine weite Leere vor ihnen liegt; andre haben das Gefühl, als sässen sie auf einem Omnibus oder liefen hinterdrein; wieder andere das Gefühl des Schaukelns, Tanzens, des behaglichen Schlafes ete. Nicht selten sind Erregungen der Sexualität bei beiden Geschlechtern. So gab ein Mann, der erst seit 3 Monaten verheirathet war, beim Erwachen an, von seiner Frau geträumt zu haben; ein hysterisches Mädchen gab durch ihre Bewegungen den sprechenden Be- weis dafür, dass sie eine eheliche Pflicht erfülle, ein Ge- danke, der noch mehr vorherrschend war, als sie erwachte, denn sie richtete sehr zärtliche Worte an den Herrn, der ihr das Gas verabreicht hatte, während ein andres Mäd- chen, das sich ähnlich betrug, dann fragte: Ich habe doch nichts Thörichtes gesagt? — Derartige Zufälle lassen die Gegenwart einer dritten Person wünschenswerth er- scheinen. — Ein kleines Mädchen lachte fortwährend im der Narcose und behauptete später, gekitzelt worden zu sein. Kinder schreien gewöhnlich bei den Operationen unter N,Onareose, jedoch nicht vor Schmerz, es ist der Ausdruck der Angst, die sie vor der Operation beherrschte; es kommt auch. vor, dass Erwachsene während der Narcose stöhnen und laut rufen, ohne jedoch den geringsten Schmerz gefühlt zu haben; so rief eine junge Dame zwischen hef- tigen unarticulirten Lauten immer wieder aus: Ach, mein armer Papa! mein armer Papa! und gab nach eingetretener Besinnung an, nichts von der Operation inne geworden zu sein, sie habe nur lebhaft ihren vor kurzem verstorbenen Vater vor sich gesehen. Ein kleines Mädchen beklagte sich nach dem Erwachen lebhaft, von ihrem Bruder Schläge bekommen zu haben; ein junger Mann glaubte sich auf dem Turn- platze mit einem Kameraden ringend und warf durch eine rasche Bewegung den in der Nähe stehenden Spucktisch um, wodurch ein lautes Geräusch entstand und Patient er- 245 wachte. — V. Blumm schildert die subjeetiven Wahrnehm- ungen, die er bei Inspirationen von N5O gemacht hat und die bei der Mehrzahl der Narcotisirten vorherrschend sind, folgendermassen: „Beim 2. Athemzug fühlte er ein beengen- des, beängstigendes Gefühl auf der Brust; Ohrensausen stellte sich ein, Räderschnurren, die Stimme des Assistenten, der das Gas verabreichte, schien in colossalem Masse ver- stärkt, wie eine in der Nähe gehörte rauschende Musik oder das Rauschen eines Wasserfalls, vor den Augen starker Liehtglanz und Funkensprühen. Diese unangenehmen Eigen- schaften gingen allmählich in ein gewisses Wohlbehagen über; der Ideengang wurde viel bilderreicher und schwung- hafter als normal; angenehmes Wärmegefühl trat auf, dem ein Gefühl ausserordentlicher Leichtigkeit folgte. Dies un- mittelbar vor dem Schwinden des Bewusstseins auftretende Wohlbehagen war nach dem Frwachen noch anhaltend und wurde von mehreren Patienten mit dem angenehmen Ge- fühle eines leichten Champagnerrausches verglichen.‘ — Das Bewusstsein kehrt sehr bald zurück, wenn mit der In- halation ausgesetzt wird. Gewöhnlich dauert die Anästhesie nur 30—40 Secunden, man kann sie jedoch bedeutend ver- längern, wenn nach einer Pause die Inhalationen wieder aufgenommen werden; zugleich verschwindet beim Ein- athmen der athmosphärischen Luft die oft bis zum Er- schrecken gesteigerte Cyanose im Gesicht; bei jedem nächsten Einathmen bedarf es einer kürzeren Darreichung des Gases als bei den vorhergehenden. Marion Sims unterhielt so Narcosen von 60—90 Min. Dauer. Nach der Narcose treten in 1—2°/, der Fälle leichte Nebenerscheinungen nach dem Erwachen auf, die entweder den Character der Depression oder der physischen und motorischen Exaltation tragen, aber in kurzer Zeit vorüber- gehen. Die Nachwirkungen stellen sich nur dann ein, wenn Sauerstoff den Patienten ungebührlich lange entzogen war; über dieselben soll in einem besonderen Kapitel ab- gehandelt werden. An dieses allgemeine Bild der Narcose reiht sich zweckmässig die nähere Betrachtung und Ana- lyse der -Symptome; doch soll zuvor noch eine kurze Be- 246 trachtung der anästhesirenden Gasgemische nebst ihren Wirkungen, sowie das Verhalten von Pflanzen in N,0 atmosphäre stattfinden. | Bald nach der allgemeinen Benützung des N,O zum Anästhesiren versuchte man, die unangenehmen Symptome: Cyanose, Muskelstarre ete. während der Anästhesie zu be- seitigen. Die Angabe Sauer’s, dass N,O in einem gewissen Verhältnisse mit Luft gemischt, Anästhesie ohne Cyanose bewirke, wurde zwar durch Andrews bestätigt, der dem N;O geradezu Sauerstoff hinzufügte und darüber in einem interessanten Artikel im Chicago Medical Examiner berich- tet; er sieht einen gewissen chemischen und physiologischen Vortheil in dieser Mischung, denn wenn etwa NO zugegen und so N,O verunreinigen sollte, würde es durch die An- wesenheit von O sofort in salpetrige Säure verwandelt; er schlägt den Verbrauch im Verhältniss von 5 Thl. N,O und 1 Thl. O vor, wenigstens waren die von ihm geleiteten Narcosen sämmtlich gut verlaufen, Cyanose trat nie auf, ebensowenig Asphyxie.. Von den verschiedensten Seiten wurden Sauers Angaben bezweifelt und bestritten, ja sogar ein Stärkerwerden der Cyanose behauptet. Heutzutage wird meist unter strengem Luftabschluss mit reinem N,O narco- tisirtt. Sauer schien auch sehr bald seine Angaben für un- richtig zu halten, denn nicht lange Zeit darauf erklärt er ein Gemisch aus 16 Liter N,0, ?/, Liter Luft und den Dämpfen von 6 gr. Chloroform für das zu Zahnoperationen geeigneteste Anästheticum, das sehr tiefe und langanhal- tende Anästhesie ohne Starre, Cyanose, Pulsarythmie und Brechen hervorbringe. Er hatte dieses Gasgemisch in ver- schiedenem Verhältniss an Kaninchen geprüft und die oben angegebene Mischung für die beste in ihrer Wirkung be- funden; er bereitete das Gemisch in folgender Weise: nach- dem er °/,—1 Liter atmosphärische Luft in einen Ballon aus Goldschlägerhäutchen gebracht hatte, g0ss er 6 gr. CHCI, dazu und liess es verdampfen. Erst dann leitete er das Stickoxydul hinein. — Bei den Versuchen hatte sich ergeben, dass bei viel CHC], mit wenig N,O mehr CHC], wirkungen vor- handen waren und vice versa; die Narcosen waren stets gleichlang, unbekümmert um das vorherrschende N,O oder DAT -CHCl,. Der Zustand der Patienten nach der Narcose ist etwas lethargisch, sie erholen sich jedoch sehr bald, haben aber oft noch nach Stunden Neisuns zum Schlafen. Zur Application dieser Mischung empfiehlt Sauer den Barth’schen Apparat; sie dürfte zu länger dauernden Operationen an- zuwenden sein. In einem Falle war sie von ausgezeichneter Wirkung; bei einem Patienten, der sich einer Zahnoperation unterziehen wollte, hatten Aether und Chloroform keine Nareose hervorbringen können; der Mann war an Wein sewöhnt, er trank täglich !/, Flasche. Bei Darreichung der Sauer’schen Mischung trat schon nach 20—25 Athem- zügen Anästhesie und Muskelrelaxation ein. Die Narcose war tief und lange anhaltend und zeigte nicht das Exeita- tionsstadium des CHCl,. — Nur bei vollem Magen darf mit - der Sauer’schen Mischung nicht narcotisirt werden. Auch Aether mit N,O ist zur Erreichung einer. besseren Narcose verwandt worden. ÜClover schlug zuerst vor, die Patienten mit N,O zu anästhesiren, dann die Anästhesie mit Aether zu unterhalten; er vereinte so die Vortheile beider Anästhe- tica und bekam eine sehr schnelle und lange Narcose. In England hat sich dieses Verfahren vielfach eingebürgert und der Apparat, den Clover dazu construirt hat, wird in vielen Krankenhäusern angewandt. Derselbe besteht aus einem ovalen Zinngefäss von 15° Länge; an dem einen Ende steht es in Verbindung mit dem Aethergefäss, am 2. mit dem Mundstück. In dem Ballon befindet sich eine biegsame Röhre, die sowohl mit Mundstück als Aethergefäss in Verbindung steht. Durch ein Regulationsventil wird der Austritt der Dämpfe verhindert oder nach Bed ürfniss ge- stattet; vor demselben, d. h. nach dem Mundstück zu mün- det in das Athmungsrohr der Schlauch, der das N;O aus dem Reservoir zuführt; letzteres geht über einen Behälter mit warmem H,0, um die Kältewirkungen abzuschwächen. — Die bekannten Mundstücke können den Apparat ver- vollständigen. Nur ein Todesfall hat sich nach Anästhe- sirung mit NO und Aether vermittelst Clover’schen Appa- rates in England ereignet. In jüngster Zeit ist von Macleve noch eine andere Mischung bereitet worden; es ist eine Combination von 248 Aetylenchlorid mit Stickoxydul, die er mit sutem Erfolg angewandt haben will. Die Application ist ziemlich ein- fach: Ein mit Aetylenchlorid getränktes Schwammstückchen wird in geeigneter Weise innerhalb der Röhre eines N;O- inhalationsapparates angebracht, so dass das austretende N;0 den getränkten Schwamm berühren muss. In 60—90 Sec. ist eine vollständige Betäubung vorhanden, die durch- schnittlich 1!/),—2!/;, Minute dauert und für zahnärztliche Zwecke vollständig ausreicht. N;0 wasser, d. h. Wasser, welches mit N,O gesättigt ist, wurde von Schützenberger zuerst zu therapeutischen Zwecken angewandt; es wird auf folgende Weise darge- stellt: Flaschen von 650 Cbkcent. Inhalt werden mit Hilfe eines Apparates, wie er gewöhnlich zur Fabrikation gashal- tiger Wasser benutzt wird, unter einem Druck von 4 At- mosphären mit Wasser und Stickoxydul gefüllt. Den Lös- lichkeitsco&fficienten dieses Gases zu 0,7778 (Bunsen) ge- setzt, enthält jede Flasche 2 Liter Stickoxydul, doch kön- nen bis fast 8 Liter in Lösung gebracht werden. Das so bereitete N,O wasser schmeckt süsslich und hat die Wirk- ung eines angenehmen Diureticum’s (s. w. u.). — Viel reichlicher wird das Gas von Aether absorbirt, der bei — 12° sein achtfaches Volumen davon aufnimmt und da- durch eine sehr bedeutende Tension bekommt, in Folge deren er rasch und mit Erzeugung starker Kälte verdunstet und daher wohl als lokales Anästheticum gute Dienste leisten dürfte; sättigt man eine Mischung von Alkohol und Aether mit N,0, so stillen einige Tropfen der Misch- ung, mit Baumwolle applicirt, Zahnweh augenblicklich. Der Dampf von diesem Liguidum bewirkt beim Einathmen ein sehr angenehmes Gefühl in den Lungen, aber nicht den seharfen Reiz wie blosser Dampf von Aether. Ueber die neueste Anwendung des N,O mit Sauerstoft gemischt und unter erhöhtem Druck nach der Methode Paul Bert’s soll im therapeutischen Theil berichtet werden. ER: 249 Physiologisches, A. Einwirkung des N,0 auf Pfianzen. Die Wirkung des Stickstoffoxydulgases auf Pflanzen ist verschiedentlich untersucht worden. Nach Davy wer- den blaue Pflanzenfarbstoffe so wenig wie die Farben von Metallsalzlösungen verändert; aber schon nach 3 Tagen verwelken die Pflanzen in einer N,O atmosphäre. Die Ver- suche Christison’s und Turner’s widersprechen in ihren Re- sultaten der letzteren Ansicht Davy’s: Die N,;O atmosphäre hatte keinen Einfluss auf die Pflanzen. Dasselbe bestätigte Borskow, der bei seinen Untersuchungen noch fand, dass die Blüthenorgane eine weit grössere Menge N,O zu ver- brauchen scheinen, als sie CO, abgeben. Vogel publieirte zuerst (1848) einen längeren Artikel über die Wirkung des N,O gases auf Pflanzen und kam zu folgenden Schlüssen: 1) N,O übt keinen Einfluss auf das Keimen der Samen und die Entwickelung der Pflanzen aus. 2) Die grünen Theile zersetzen sich in N5O nicht einmal bei Einfluss einer starken Sonnenhitze. 3) Grüne Samen- körner können lange Zeit in N,O aufbewahrt werden, ohne dass sie die Fähigkeit des Keimens verlieren. Punkt 3 wurde von Duchesne durch eingehende Experimente bestätigt; dieser ist aber der Ueberzeugung, dass sich NO während dieser Zeit zersetzt. W. Knop veröffentlichte in seiner Habilitationsschrift 1853, dass N,O wie eine Oreiche Luft athembar sei; von verwesenden Pflanzentheilen und kohlen- stoffhaltigen Salzen werde N;O zersetzt, so dass sein O ge- halt H,O und CO, bilde; da es sich aber mit H und Kohlen- wasserstoffen auch so zersetze, dass N in die aus solchen Gemischen hervorgehenden Verbindungen mit einträte, so müsste N,O ein Körper sein, der von den Pflanzen assimi- lirt werde. Nach einer 2. Reine von Versuchen kommt Knop zu folgender Ansicht: N3O ist den Pflanzen ein re- spirables Gas; der Sauerstoff oxydirt besonders den Kohlen- stoff der organischen Substanzen, N wird grösstentheils frei. Da er ferner findet, dass ein Gemisch von H und NO sich im Sonnenlicht so verändert, dass neben dem O auch das N des N,O in chemische Verbindung (NH,) und zwar unter 250 beträchtlicher Volumenverminderung tritt, so zieht er den Schluss, dass. die in den lebenden Pflanzen vor sich gehen- den Processe das N,O zu assimiliren vermögen, sei es direct, oder so, dass N erst in Verbindung mit H tritt und vor der Assimilation die Zwischenstufe als NH, durchläuft. — 1868 sah Knop, dass sich Sprösslinge von Typha latifolia in NO entwickelten, also N,O zersetzten; eine Einwirkung des Gases auf die Pflanzenfarben war nicht zu bemerken. Zu ganz entgegengesetzten Resultaten kamen Jolyet und Blanche, als sie durch Experimente den Beweis beibringen wollten, die durch N5O erzielte Narcose sei eine Folge der durch das Gas bedingten Asphyxie; sie fanden, dass Gersten-. körner und Kressensamen unter einer mit NO gefüllten Glocke nicht keimten und dass die Keimung, wenn sie unter einer ebensolchen Glasglocke in einem sie umgebenden Medium von O oder atmosphärischer Luft bereits begonnen hatte, sofort sistirt wurde, wenn man die gekeimten Samen in ein, ausschliesslich aus N,O bestehendes Medium brachte; liessen sie dagegen eine Quantität O zu, so keimten die betreffenden Samen ohne weiteres. Sie meinten, dass die Verbrennung, in welcher die Respiration der Pflanzen be- steht, doch nicht energisch genug sei, um N,O zu zersetzen. Limousin konnte sich der Ansicht von Jolyet und Blanche nicht accommodiren, als er durch Versuche con- statirte, dass Samen von Flachs in N,0 atmosphäre keim- ten, dass sie sich aber dann in CO, atmosphäre nicht weiter entwickeln. — Dr. Darin, der diese Versuche verfolgt hatte und über das entgegengesetzte Resultat erstaunt war, suchte. 1875 Klarheit in diese Angelegenheit zu bringen und begann die Versuche zu wiederholen. Er stellte sie in Gegenwart des Professor der Botanik, Duchartre an und benützte dabei flüssiges, also entschieden ziemlich reines N;0. Man fand die Angaben Knops bestätigt: das Keimen von Körnern in NO luft findet sicher statt, denn Leinsamen in Töpfe mit Erde gesäet und unter eine Glocke gebracht, die N,O in flüssigem Zustand enthielt, fing am 3. Tage an zu keimen und 4 Tage später waren die jungen Pflanzen 0,02 m lang. Eine Zersetzung des N,0, die Jolyet und Blanche be- stritten hatten, musste also unbedingt stattgefunden haben. 251 ®B. Einwirkung des N,0 auf Thiere und Menschen. Davy war der Ansicht, dass das NO die Atmung längere Zeit unterhalten d. h. den OÖ der Atmosphäre er- setzen könne, allerdings mit der Nebenwirkung des Rausches und der Gefühllosigkeit. Wäre diese Wirkung eine that- sächliche, so könnte sie doch nur dadurch zu Stande kom- men, dass das Gas sich wie bei vielen Verbrennungen so auch bei dem thierischen Oxydationsprozess zersetzte; dann wäre aber nicht einzusehen, warum N,O nicht auch für die Dauer die Oxydation des Blutes zu unterhalten im Stande sein sollte, indem der Stickstoff als indifferentes und unschädliches Gas den Körper verliesse, und auf welche Weise der Rausch entstünde. Merkwürdiger Weise spricht Davy die oben erwähnte Ansicht aus, trotzdem er die Er- fahrung machte, dass Thiere in einer N,O -atmosphäre sehr schnell und unter Zuekungen starben. Aus diesem Dilemma ‚hilft er sich durch die von vornherein unwahrscheinliche Ansicht, dass das Gas auf Thiere aller Art anders einwirke als auf Menschen. Das Irrthümliche dieser Behauptung sowie der Ansicht, dass NO den O der Luft längere Zeit ersetzen könne, hat sich durch die Versuche L. Hermann’s mit Evidenz ergeben, welche zeigen, dass einerseits das Gas sich im Blute nicht zersetzt und somit auch oxydirend zu wirken nicht im Stande ist, ferner, dass die Wirkung auf Thiere und Menschen ganz dieselbe sei. Da er endlich auch nachwies, dass ein Thier durch N,O ebenso rasch wie dureh irgend ein indifferentes Gas erstickt wird, stellte er die Narcose bei Einathmung von N,O mit Asphyxie auf eine Stufe; der Asphyxie ginge nur keine Dyspnoe voraus wie bei Einathmung von H, wegen des gleichzeitig bestehen- den Rausches und deshalb sei die N,O-athmung gefährlicher als die Hathmung, weil die auftretende Dyspnoe ein zwin- sendes Moment sei, O zufuhr zu suchen. Dagegen fand er durch Versuche, dass Thiere eine Atmosphäre von NO +0 im Verhältniss von 4:1 recht gut vertragen. Hermann ver- wirft das N,O als Anästheticum bei Operationen vollstän- dig, da die Speeulation des Operateurs darauf hinausginge, den Patienten durch O-entziehung zu ersticken und während 252 der Bewusstlosigkeit der Asphyxie die Operation auszufüh- ren, um dann durch künstliche Respiration den Patienten wieder zu beleben. Burdon Sanderson und John Murray kamen durch diese Theorie Hermann’s von der O-entziehung auf die Idee der Anwendung des N als Anästheticum und erzielten in der That durch N-inhalationen Anästhesie, in der sie Zähne schmerzlos extrahirten. Von der durch N,O hervorgerufenen unterscheidet sich die N Anästhesie dadurch, dass sie bedeutend später (in 3—4 Min.) und ohne Cyanose, dagegen mit Blässe verbunden eintritt, und dass die Er- holung etwas später erfolgt. In Bezug auf Mangel an Kopf- weh ete. verhalten sich beide gleich. Die Ansichten Her- mann’s fanden in Tony Blanche einen Anhänger, der die- selben Resultate durch Experimente erhielt. Gegen die Verwerfung und Unbrauchbarkeit des N,O als Anästheticum spricht nun die tägliche practische Erfahrung; es unternahm es deshalb M. Goltstein die Ansicht Davy’s und seiner An- hänge experimentell zu prüfen und die Ansicht Hermann’s zu widerlegen. \ Die Ansicht Davy’s, dass N,O den Sauerstoff der Luft _ ersetzt, ist trotz dem Erscheinen’ der Arbeit Hermann’s noch oft in der Literatur zu finden; dass N,O das Leben nicht unterhalten könne, hatte Hermann bewiesen; es konnte aber der Fall sein, dass doch eine geringe, allerdings zur Unterhaltung des Lebens unzureichende Zersetzung statt- finde vermöge vermehrter Moleeularbewegung (grosser Hitze). G. konnte trotz angestellter Versuche, die jedoch an mangel- haften Apparaten, nicht ganz luftfreiem N,O ete. scheiterten, den Beweis für die Anwesenheit von freigewordenem N in der Exspirationsluft nicht liefern und so bekam er, ebenso wie Frankland und Coleman (Mitglieder des N,O-comit6s) kein positives Resultat auf experimentellem Wege. Die letztge- nannten hatten nur constatiren können, dass die CO, in der Exspirationsluft nicht vermehrt war, was doch bei einer Zersetzung des N,O der Fall sein müsste; ausserdem müsste ja auch das Volumen der ausgeathmeten Luft vergrössert - sein, da sich NO aus 2 Thl. N und 1 Thl. O zusammensetzt, also 2 Vol. mehr einnimmt, wenn es sich zersetzt. Der Sack, in den exhalirt wird, nimmt aber nicht in gleichem Masse ee an Grösse zu als der Gasometer an Inhalt abnimmt. Zu ganz ähnlichen Resultaten gelangte Dr. Marcet, der eben- falls Versuche über die Exspirationsluft anstellte. Dr. Amory untersuchte die Exspirationsluft ebenfalls und zwar 1) nach Lufteinathmung, 2) nach N,O-athmung und bekam nach 17 Untersuchungen einen Durchschnittsgehalt von CO,, der. sich bei beiden Reihen wie 101:61 verhielt; er constatirte also auch eine Abnahme der CO, bei N,O)-athmung. Golt- stein konnte aus folgenden Versuchen eine wichtige That- sache ableiten: Kaninchen athmeten in einer Atmosphäre von N,O +0 und verbrauchten den O bis auf 3—4°%%; nachdem sie langsamer und flacher geathmet, hörten sie schliesslich ganz auf zu respiriren. Zeichen von Dyspnoe waren nicht vorhanden. Bei dieser allmählichen Verringe- rung des O lebten die Thiere sehr lange, woraus G. folgert, dass die Organe durch immer mehr zunehmenden O-mangel erlahmen. Bei Wiederbelebungsversuchen trat spontane Re- spiration, aber bald Herzstillstand ein. Ganz ebenso ver- halten sich nun die Thiere bei Verringerung des O in der atmosphärischen Luft, was beweist, dass N,O nicht etwa O abgiebt. — Gegen die Zersetzung des N;O spricht auch der Umstand, dass die durch Kalkwasser gereinigte Ex- spirationsluft wieder Narcose hervorruft. Um zu zeigen wie der Tod durch N,O zu Stande kommt, stellte Dr. Amory Thierversuche an: 1) Eine Taube starb in NO nach 40 Min. 2) Eine zweite Taube, die in ein Gefäss mit Luft gesetzt wurde, starb erst nach 84 Min. 3) Eine dritte Taube starb in einem ausgepumpten Reei- pienten nach 1 Min. 4) Eine vierte Taube in N,O starb nach 32 Min. 5) Ein Kaninchen starb in demselben Reei- pienten erst nach 53 Min. — Alle diese Thiere zeigten die Merkmale des asphyktischen Todes; Amory fand ausserdem, dass Asphyxie durch N;O nicht herbeigeführt wurde, wenn nebenbei auch nur wenig Luft in die Lungen gelangte, obwohl die Versuchsthiere anästhetisch blieben, ohne zu athmen. Die Erscheinungen, die ein Thier bei der Erstickung dar- bietet, sind ganz bestimmte; Högyes theilt sie in 3 Stadien: Im 1) beobachtet man vorwiegend inspiratorische Bewegun- gen; im 2) zugleich heftige Exspirationen und zugleich mit Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. 17 ° 254 jeder Exspiration allgemeine klonische Krämpfe. Nach dem letzten, am längsten dauernden Krampf folgt eine Inspiration . mit rein passiver Exspiration, wodurch das 3. Stadium ein- geleitet wird, in dem nur selten Inspirationen erfolgen bei vollständiger Ruhe der Exspiration. Jetzt sind die Thiere ruhig, die Cornea wird reflexlos, die Athmung vor dem definitiven Stillstand flacher. — v. Blumm und M. Goltstein betrachteten diese Thatsachen als Basis zum Vergleich ihrer Versuche mit N50. Der erstere beobachtet folgendes: Die Athmung wird sofort rascher und tiefer; zu Anfang treten regelmässig Krämpfe auf, sehr bald vollständige As- phyxie, die jedoch nach Luftzutritt schnell weicht. Diese Asphyxie unterscheidet sich nun von der gewöhnlichen da- durch, dass die Symptome schneller und weniger intensiv auftreten, dafür aber auch schneller und leichter bei Luft- zufuhr verschwinden; er hält diese Asphyxie für leichter, da die normalen Functionen so schnell zurückkehren; die anästhetischen Eigensehaften des N,O äusserten sich in dem schnelleren Auftreten der Reflexe bei N,O-asphyxie als bei gewöhnlicher. Eine eigentliche Anästhesie konnte Bl. nicht beobachten oder nur wenn er N,O stark mit Luft verdünnte, es fehlten hierbei auch die Krämpfe; je weniger Luft er dem N;0 zumischte, desto mehr ähnelten die Erscheinungen denen bei reinen N,O-athmungen. Ba Goltstein berichtet über Versuche mit Kalt- und Warm- blütern: 1) Ein Frosch, möglichst von der Lungenluft be- freit, kommt unter Hg in N,0; anfangs unruhig, wird er nach und nach stiller, bewegungslos und nach 51/, Min. reagirt er nicht mehr auf Betupfen eines Schenkels mit concentrirter Essigsäure. An die Luft gebracht kommt er allmählich zum Leben. — Zum Vergleich wird er dann unter Hg in H gesetzt; hier hält die Unruhe und Dyspnoe lange an, er reagirt auf concentrirte Essigsäure lebhaft, so- gar noch nach 1!/, Std., ebenso wie auf Ziehen an einem am Schenkel befestigten Faden. Die Wirkung des indifferenten Gases H ist demnach eine andere als die des N,0; in in- differenten Gasen (H,N) ist die Erregbarkeit der Thiere stundenlang erhalten, in N,O ist sie nach kurzer Zeit verloren gegangen, was G. der nareotischen Wirkung | Se 255 des N,O zuschreibt. Wird dann nur eine mässige Quantität Luft zugelassen, so ist das Thier in kurzer Zeit wieder reizbar; es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass die Nareose nur deshalb aufhört, weil die Ganglienzellen des Thieres mit weniger N,O-lösung umgeben wird. Goltstein nimmt daher an, dass eine rasche und vollständige Narcose nur dann erzeugt und erhalten wird, wenn sich die Wirkung des Stickoxydulgases mit der des Sauerstoffmangels com- binirt, eine Meinung, der sich v. Blumm anschliesst, trotz- dem er keine eigentliche Narcose bei seinen Versuchen beobachten konnte. — Für die narcotisirenden Eigenschaften des N,O führt G@. noch die Veränderung der Athmung in der Narcose an; 1 weibl. Hund von 8 Kilo Gewicht athmete in 1/, Min. 8 mal; dann bei einer Athmung von 73%, N;0. und 27°, O in den folg. '/, Min.: 7, 6, 5, 4, 3, 4,4, 4,4; nach 2°/, Min.: 4, 3, 3, 4, 4, 4, 4, 4, 4; mit der N,O-ein- wirkung nimmt die Frequenz der Athemzüge ab, dagegen steigert sich ihre Tiefe. Nach eirca 7 Min. scheint Dyspnoe aufzutreten wegen verminderten N,O-gehaltes; eine geringe Exspirationsthätigkeit wird sichtbar, dann folgt Athempause, die die Länge einer In- und Exspiration ausmacht. Diese Wirkung auf die Athmung ist analog der einer Vagusdurch- schneidung oder der von anderen Nareotieis: CHCI,, Chlo- ralhydrat. Auch bei Versuchen mit reinem N,O ist der Typus der Athmung der gleiche wie bei NO + O-athmung; die narcotisirende Wirkung des Gases macht sich sehr schnell geltend. Bei einigen vergleichenden Versuchen mit N und N,O an einem Hunde stellte sich bei N athmung schon nach 7 Sec. eine schwache Action der Exspirationsmuskeln ein; bei N,O athmung erst nach 18, 30, 32 See., zugleich sind die einzelnen Athemzüge flacher und die Krämpfe fehlen bei der foreirten Exspiration vollständig. Ebenso spricht die frühe Beendigung des 2. Stadiums (nach 65,5 Sec., während bei N-inhalationen erst nach 102 Sec.) für die nareotisirende Wirkung des N,0; die Athmung stand überhaupt still bei 2 N,O versuchen in 205 resp. 201 Sec., : bei anderen Erstickungsversuchen später. Die Wirkungen des N,O auf Menschen sind nun ganz dieselben wie auf Thiere; die heftigen Erscheinungen von 172 256 Dyspnoe bleiben aus und ein Mensch kann ohne jede un- angenehme Empfindung asphyctisch gemacht werden. Die N,O-narcose ist also nach Goltstein eine Erstickung, die sich aber in 2 wesentlichen Punkten von jeder andern Erstickung unterscheidet, nämlich 1) steht das Herz dabei viel später still, 2) tritt die Gefühllosigkeit viel eher auf. Auf diesen Punkten allein beruht die Berechtigung der N,O-narcose, denn die Lähmung des Athemcentrums bei Anwendung von N,O lässt sich leicht vermeiden, wenn die Respiration genau controlirt wird. Die Reflexlosigkeit der Cornea ist nicht massgebend, da diese schon im Beginn der activen Exspi- ration vollständig ist, zu einer Zeit also, in der für das Athemeentrum noch keine Gefahr vorhanden. Spätestens ist natürlich die Einathmung des Gases nach Beginn des >. Stadiums der Asphyxie zu unterbrechen. Holden nahm während der Inhalation gesunder Personen die Auscultation der Lungen vor und machte folgende Be- obachtungen, die er als typisch hinstellt: Die erste Ver- änderung nach dem 3. oder 4. Athemzuge ist ein deutliches Sanfterwerden des bronchialen und ein Intensiverwerden des vesiculären Athmes; dann folgen suberepitirende Rhonchi, ein Zeichen, dass in den feineren Verzweigungen der Bron- chien Schleim ist; hierauf schnell blasige Rasselgeräusche in den grösseren Bronchien, verlängertes Athmen und Vo- calresonanz. — In mehreren Fällen von Erstickungsgefühl trat ein deutliches Nachlassen dieser Geräusche auf und wurde für eine Folge der plötzlichen Relaxation des Bron- chialspasmus erklärt. — Bei einem Falle war vor derInhalation Fehlen des Vesieulärathmens constatirt; als nach 4 Zügen die Lunge von neuem auseultirt wurde, ergaben sich die oben angegebenen Geräusche, ‚Versiculärathmen fehlte aber während der Narcose gänzlich. Der Puls verhält sich bei den Inhalationen höchst charakteristisch; bei N,O + O-athmung wird er beschleunigt; ebenso zu Anfang (nach 2—3 Inspirationen) der reinen N;0-athmung, bei der er dann um ein geringes fällt und etwas voller wird. Die anfängliche Steigerung wird durch die Herabsetzung des normalen Tonus der Hemmungsnerven des N. vagus bewirkt. In der Zeit der Erholung verhält x 357 sich der Puls verschieden; oft starke Pulsfrequenz mit Er- höhung des Blutdruckes, dann sogleich starke Abnahme. Ist die Inhalation bis zum Stillstand der Athmung fortge- setzt, so verlangsamt sich der Pulsschlag allmählich, wird arythmisch und cessirt schliesslich nach 2 Minuten. Squibb fand bei Versuchen mit dem Sphygmographen, dass NO und Aether die Stärke der arteriellen und Herz- pulsation im Zustande der richtig geleiteten Anästhesie vermehren; es ist also das Eintreten von Herzsynkope weniger bei Aether und N,O zu befürchten als bei CHC],, das den Herzschlag schwächer macht. Amory untersuchte die Wirkung des N,O auf das Cir- eulationssystem mittelst Cerebrometers an einem Hunde; es ergab sich, dass der Blutdruck bei der N,O -Inhalation höher wurde und die Schnelligkeit der Pulsation sich ver- - minderte. Zu gleichem Resultate gelangte Rossbach, der an Kaninchen eine Verlangsamung und zugleich eine Ver- stärkung constatirte; Zuntz konnte dies nur während der Dyspnoe bemerken und warnt deshalb vor der Anwendung des N,O bei brüchigen Gefässen. Goltstein stellte die um- fassendsten Versuche in dieser Beziehung an, fand aber bei einer Reihe von Experimenten einen nur unbedeutend gesteigerten Blutdruck; N,O + O-athmung hatte gar keinen Einfluss. Durch diese Thatsachen wurde die Annahme wi- derlegt, dass die Gase, die Erstiekungstod herbeiführen könnten, im 1. Stadium der Erstickung einen gewaltig er- höhten Blutdruck hervorbrächten. N,O ist ja auch Asphyxie erregend, aber wunderbarer Weise blieb die gefürchtete Drucksteigerung aus, und überhaupt auch nach allen der- artigen Gasen (H, N ete.), was Prof. Zuntz experimentell nachwies. Apoplexieen sind deshalb während der Narcose nieht zu fürchten; wahrscheinlich ist der Blutdruck grösser bei der Verdauung, wenn die Eingeweidegefässe stark ge- füllt sind, da nach Prof. Zuntz die Drucksteigerung haupt- sächlich auf Contraetion der Eingeweidegefässe beruht; es dürften demnach Herzkranke, Greise — wenn man sie über- haupt nareotisirtt — nie nach der Mahlzeit N,O inhaliren, ebenso Personen, die sich in heissen Räumen aufgehalten haben und deren Hautgefässe stark gefüllt sind. Am 258 wichtigstenistjedenfalls die Thatsache, die Golt- stein bei seinen Blutdruckversuchen constatirte, dass nach der Narcose, im Erholungsstadium die grösste Gefahr von Seiten des Blutdrucks droht, dass letzterer sich so steigern kann, dass ein Mensch mit Atherom der Arterien, der sich nareotisiren lässt mit N,0, nicht in der Narcose, sondern hinterher sterben wird; eine Thatsache, die für die Praxis enorme Wichtigkeit hat. Injieirt man N,O in grossen Dosen in die Venen, so werden der rechte Ventrikel und das r. Herzohr erweitert, sie contrahiren sich nicht; das Gas hindert plötzlich die Cir- eulation und führt den Tod auf mechanische Weise herbei. — Ins Brustfell eingebracht, ist es unschädlich. Die Thiere bleiben am Leben, und wahrscheinlich entweicht das Gas auf respiratorischem Wege, durch Transsudation, Urin ete.; ein Theil bleibt im arteriellen Blute, ohne es zu färben. Der erste, der seit Anfang dieses Jahrhunderts das Stickoxydul von neuem untersuchte, war Hermann; er widerlegte die bis dahin allgemein herrschende Ansicht von der Zersetzung des N,O im Blute in NO, N, O durch seine Versuche; durch Schütteln frischen venösen (defibrinirten) Rinderblutes mit N;0 konnte er keine hellrothe Blutfarbe erzielen, wie man sie doch erhalten müsste, wenn O abge- geben würde; umgekehrt wurde dem Blute durch N;O kein O entzogen, wie man wohl nach Analogie mit einigen an- deren Gasen (CO,) behaupten könnte, was daraus hervor- geht, dass beim Schütteln arteriellen Blutes mit NO keine Verdunkelung der Farbe eintritt. Dann fand Hermann, dass das Blut nicht grössere Mengen N,O als destillirtes Wasser absorbirt, es nimmt nur so viel auf, als seinem Wassergehalt entspricht. Blut und Serum absorbiren weniger N,0 als H,O absorbirt, da sie ziemlich concentrirte Salz- und Eiweisslösungen darstellen. Trotzdem diese aufklärenden, ziemlich einfachen Ver- suche das Verhalten des N;0 im Blute characterisir- ten, auch durch Veröffentlichungen ziemlich bekannt wurden, hatte doch die Theorie Davy’s von der Zersetzung des N,O eine Reihe von Anhängern (Darin, Longet, Limousin, Mar- et ete.) und es ist erstaunlich, wie oft nach den Her- 259 mann’schen Versuchen die Davy’sche Ansicht in der Literatur noch auftaucht. Neuerdings hat man das Speetroscop benützt, um die Hermann’schen Versuche zu bestätigen und die anästhesirende Wirkung des N,O in Verbindung mit dem O-mangel zu be- weisen (Mac Munn). Im normalen Körper sind 2 Arten Hämoglobins (Hb.) enthalten; Oxyhämoglobin (O,Hb) und redueirtes Hb. Nach dem Tode wird das venöse Blut des Körpers von selbst redueirt, eine Folge der nach dem Tode noch fortdauernden Oxydationsprocesse in umliegen- den Geweben. Diese müssen einige Zeit in Anspruch neh- men, denn bei sofortiger Untersuchurg des Blutes post mortem erhält man noch das zweibändrige Spectrum des O,Hb, ebenso wie bei der Untersuchung des venösen Blu- tes, das aus einem lebendigen Körper genommen ist. Da- gegen giebt beim Tode durch N,O sowohl Arterien- als auch Venenblut des ganzen Körpers, vorausgesetzt, dass die Untersuchung richtig ausgeführt ist, unmittelbar post mortem das einbändrige Spectrum des Hb. — Mac Munn vergiftete ein Meerschweinchen mit N,O und spectromiero- scopirte das Blut sofort nach dem Tode vermittelst des Sorby-Browning’schen Microspectroscop; Proben aus dem rechten und linken Herzohr, dito Ventrikeln, Lebervenen, Pfortadern, Milzvenen, Supraorbitalvenen, Aorta, Muskel- venen ergaben sämmtlich das Spectroscop des redueirten Hb. Setzte er das Blut der Luft aus, so änderte es sich in 0,Hb um und dies liess sich auf gewöhnliche Weise in redueirtes Hb. verwandeln, ein Beweis, dass N,O nicht irgend eine Verbindung derart mit Hb. eingeht wie CO und NO, denn redueirende Substanzen können letztere Ver- bindungen nicht von den Gasen befreien. Wohl aber wird N;0 mit Hb wie O oder CO, und zwar in gleichem Volu- men wie diese Gase vom Hb gebunden; die entstandene Ver- bindung hat dieselbe Crystallform wie O,Hb und CO,Hb, ist aber weniger leicht zersetzlich und auch nicht dichroitisch. Goltstein, der die Ansicht Hermann’s von der Unzer- setzlichkeit des N,O im Blute theilt, hatte auf dem Wege der chemischen Analyse die Frage zu lösen gesucht, ob durch verstärkte Moleceularbewegung im Blute nicht doch, 260 wenn auch sehr geringe Mengen von O aus dem N,O frei gemacht würden; durch lufthaltiges flüssiges N,O wur- den seine Analysen jedoch ungenau. Kobert nahm die Frage Goltstein’s wieder auf, verzichtete jedoch auf die analytische Methode und suchte sie speetroscopisch zu lösen. Zwischen 2 Glasstangen, die auf einer Glasunter- lage*“aufgekittet waren, spannte er ein mit Blut getränktes Stück dünnes Filtrirpapier, brachte diese Vorrichtung auf Quecksilber und schloss sie durch Bedecken mit einem Becherglas von der athmosph. Luft ab. In der Tagesbe- leuchtung vor das Spectroscop gebracht, zeigten die Blut- flecken ein sehr schönes Absorptionsspeetrum des O;hb, welches allmählich schmäler, blasser wurde und schliesslich ganz verschwand, als durch das Becherglas einige Minuten frisch bereitetes N,O geleitet wurde. Die Zeit, in der ein eontinuirliches Spectrum sichtbar war, war jedoch von sehr geringer Dauer, denn an Stelle der vergangenen Absor- ptionsstreifen traten sehr bald neue von derselben Intensität auf, die natürlich zu Anfang für O,hbstreifen gehalten wurden. Als aber ein Stück Phosphor, welches durch das Quecksilber eingelassen wurde, und im Stande gewesen wäre das O,hb- specetrum zu reduciren, keine Wirkung hervorbrachte, aueh nachdem es 24 Stunden im Apparate verblieben war, und Schwefelammonium, ein doch ausserordentlich kräftig redu- eirendes Mittel, die Streifen nicht zum Verschwinden, nicht einmal zum Verblassen brachte, so konnten diese nicht die des O;hb’s sein, sondern nur die von Stickoxyd. Auf chemi- schem Wege war in dem frisch bereiteten Gase aber kein NO nachzuweisen gewesen. Das Resultat der Experimente war also das, dass geringe Mengen von O0, die aus dem N;0 im Blute stammen können, spectroscopisch nicht nachzu- weisen sind; wohl aber spectroscopisch nachweisbare Men- gen von NO dem N;O beigemischt sein können resp. sind, wenn auch keine chemischen Indicien dafür vorhanden waren. Wie schon erwähnt, erlahmt die Herztbätigkeit später als die Athmung; das Herz ist jedoch nach seinem Stillstand. noch nicht abgestorben, sondern beginnt sehr bald nach Sauerstoffzufuhr, die ev. durch künstliche Respiration be- D eg 3 Pe u N: 261 wirkt werden muss, wieder zu schlagen. Darauf bezügliche Versuche stellte Amory an, indem er Thiere mit einer ins Herz gestochenen Acupuneturnadel bis zum Herzstillstand narcotisirtte; schon nach 10 Sec. freien Luftzutrittes be- merkte er den wiederbeginnenden Herzstoss, später auch selbstständige Athembewegungen. Dieses längere Fortleben des Herzens ist für die sichere Anwendung des N,O sehr wesentlich, da die Chancen der Wiederbelebung günstiger sind als bei Herzstillstand nach gewöhnlicher Erstickung. Dass eine Herzparalyse durch fortgesetzte N,O-ath- mungen nicht hervorgebracht wird, beweist ein Versuch Amory’s, der ein Kaninchen bis zum Athemstillstand nar- eotisirte; hierauf versuchte er eine künstliche Respiration mit N,O (nicht mit Luft) in Scene zu setzen, was ihm zuerst missglückte, da das Thier schon beim 1. Einblasen Luft in die Lunge bekam und die spontane Respiration begann; als jedoch dann reines Gas in die Lunge getrieben wurde, starb das Thier, trotzdem bei künstlicher Respiration das Herz noch !/, Stunde post mortem fortschlug. Kobert beobachtete an Fröschen, die durch N;O erstiekt waren, noch 48 Std. nach Stillstand der Athmung nicht nur eine mechanische Erresung des Herzens, sondern an der Luft sogar einen von selbst regelmässigen Rhythmus ziemlich kräftiger Herz- contractionen. Das Herz eines Frosches, der zum Vergleich mit H erstickt war, schlug nur 24 Std. nach Aufhören der Athmung. Und darin beruht nach Goltstein der Unterschied der N,O-narcose von der Erstickungsnarcose. Ganz anders verhalten sich ausgeschnittne Herzen, die in einer Atmo- sphäre von N,O resp. H aufgehängt werden, natürlich unter gleichen Bedingungen: beide hören nämlich zu gleicher Zeit auf zu schlagen. Zu diesem Resultate kam Kobert bei mit allen Cautelen beobachteten Versuchen, allerdings dem von Hermann und Oastell entgegenstehend, die einen zeitigeren Stillstand des Herzens in NO als in H. constatirten. Warum nun das nicht herausgeschnittene Herz bei N,O- ‚erstickung länger schlägt als bei gewöhnlicher Erstickung, ist unbekannt; denn weder unterhält eine O-zufuhr die Herzthätigkeit, da N,O keinen O abgiebt, noch ist eine _ specifische, günstige Einwirkung von Seiten der endocar- 262 dialen motorischen Ganglienzellen vorhanden, wie aus den Versuchen mit dem ausgeschnittenen Herzen hervorgeht. Die intensiv blaue Färbung der Haut bei der N,0-narcose erklärt Hermann auf folgende Weise: CO, und N;0O haben dieselbe Dichtigkeit und dasselbe Diffusions- vermögen; deshalb finden sich bei N5O -inhalationen nicht mehr zu beiden Seiten der Lungencapillaren Gase von ver- schiedener Dichtigkeit d. h. einerseits in den Alveolen der Lunge, andrerseits im Blute, wodurchdie Kohlensäure sich im Organismus in grosser Menge anhäufen und die Cyanose her- vorbringen wird. Dem entgegen hält v. Blumm die Cya- nose für eine Stauung des Blutes in Folge der eintretenden Verlangsamung der Herzthätigkeit, die wieder durch Vagus- reizung hervorgerufen wird. Während der Bewusstlosigkeit nach N,O-inhalatio- nen zeigt sich nicht selten eine krampfhafte Contraction verschiedener Muskelgruppen, so sind ziemlich häufig einseitiges uud doppeltes Schielen beobachtet; auch Opistho- tonus, so dass der Patient sehr leicht vom Stuhl gleiten konnte, wenn nicht genügende Hilfe resp. vor der Operation eine passende Lage angeordnet war. Bei Weibern und Kindern vorzüglich zeigen die Gesichtszüge eine heftige Agitation bei Beginn der Narcose, gerade wie bei Asphyxie; bei Luftzutritt treten alle diese Erscheinungen zurück. Coleman wurde in einem Falle verhindert, die Zahn- zange anzuwenden, weil die Heber des Unterkiefers stark contrahirt waren; auch Bön sah zweimal starkes Zusammen- pressen der Kiefer zugleich mit Erstarren und Unbeweg- lichkeit des ganzen Körpers; beide Patienten waren leicht reizbarer Natur und hatten zuweilen schon nervöse Anfälle gehabt. Die Operationen resp. Inhalationen mussten der Muskelrigidität wegen öfter unterbrochen werden; so musste M. Sims, als er einer Frau einen Krebsknoten in der Nabel- gegend exstirpiren wollte, die Inhalationen nach 1!/, Min. unterbrechen, da in den Armen leichte Zuckungen auftraten. Diese verschwanden zwar nach 1 Min. wieder, aber eine vollständige Relaxation der Muskeln wie bei Chloroform- oder Aethernareose kam nicht zu Stande, ja, als bei voll- ständiger Bewusstlosigkeit die Ineision gemacht wurde, 263 stellten sich wieder so intensive Muskelcontractionen in den Armen ein, dass die Patientin von zwei Personen gehalten werden musste. Die Inhalationen wurden wieder unter- brochen und die letzten Nähte bei völlig zurückgekehrtem Bewusstsein der Kranken angelegt. Bei einem Falle von Luxatio humeri wurde der Patient, ein starker muskulöser Mann zweimal tief narcotisirt, aber die Muskeln blieben starr und die Reduction des Armes ge- lang nicht, obwohl eine beträchtliche Zugkraft angwandt wurde, während sie unter Chloroformnarcose leicht bewerk- stellist werden konnte. Werden die Muskelzuckungen grösser und beih ch ce sich alle Muskeln des Körpers und der Extremitäten, so erscheinen die Narcotisirten in einer Art epileptischen Zu- stand; das Gesicht zeigt einen geisterhaften Ausdruck, die Augen quellen hervor, tetanischer Spasmus tritt auf ete., Derartige epileptiforme Anfälle sind ziemlich häufig beob- achtet worden, auch bei Personen (kräftigen, gesunden Männern), die sich nicht entsinnen konnten, je einen der- artigen Anfall durchgemacht zu haben. Dagegen nahmen Patienten, die vorher häufig epileptische Anfälle hatten, das Gas sehr gut und ohne alle Nebenwirkung. Alle diese Erscheinungen der höchst störenden Muskel- contractionen verschwinden beim Einathmen atmosphärischer Luft. Wird aber die Narcose trotz der Muskelstarre ver- längert, so stellt sich nach kurzer Zeit musculäre Schlaff- heit ein, der Patient hört aber zugleich auf zu athmen. Kidd hält die Zuckungen für refleetorisch; das Blut stagnirt in dem Capillargebiet der Lunge, das Blut im Venensystem erleidet eine Druckerlöhung gegenüber dem im Arterien- . „system und so wird der Reiz auf die Muskeln ausgelöst. — Nach Hermann beruht das Gefühl der Leichtigkeit in der Nareose auf Verminderung resp. Verlust des Muskelgefühls. — Die Froschmuskelthätigkeit wird in N,O kaum früher aufgehoben als in H oder O. v. Blumm prüfte die Unschädlichkeit des N,O an hoch- trächtigen Kaninchen, um die Gefahrlosigkeit der N,O-narcose bei schwangeren Frauen zu beweisen: er führte eine Anzahl Versuche mit allen Cautelen höchst a N SI I a DR a ER E30 15ER.) a ER IB u 264 sorgfältig aus und kam nach der 1. Versuchsreihe, wobei der Uterus der Thiere dureh die durehschnittenen Bauchdecken in der Linea alba sichtbar war, zu folgenden Resultaten: 1) Die durch reine N,O-athmung hervorgerufene Asphyxie tritt schneller ein als die nach Trachealverschluss, verschwin- det aber auch schneller. 2) Bei N,O-athmung können Uterus- contractionen auftreten und zwar um so heftiger, je weniger O vorhanden. Gasgemische, die wohl Anästhesie, aber keine Asphyxiebeim Kaninchen hervorrufen, bringen keine Ut.-contraetionen zu Stande. 3) Niemals fand bei und nach der Nareose Abortus statt. — Resultate der 2. Versuchsreihe (der Fötus wurde theils durch die Uteruswand, theils durch die Eihäute beobachtet) waren: 1) Bei Athmung von Gas- semischen, die nur Anästhesie hervorrufen, keine Veränderung im Verhalten des Fötus. 2) Bei reiner N,O-athmung be- schleunigte Bewegung des Fötus, sogar 2 Mal Inspirations- bewegung. — Resultate der 3. Reihe (hochprocentige oder reine N,O-athmung): „In keinem Falle bei vollständiger Asphyxie sofortiges Absterben des Fötus, auch nie Abortus. 2) Die nach dem Tode der Mutter schnell aus dem Uterus entfernten Jungen konnten nach kurzer künstlicher Respi- ration regelmässig athmen. Die Unschädlichkeit der NsO-Nareose beobachtete Blumm bei 18 schwangeren Frauen; es wurde nie eine nachtheilige Wirkung verzeichnet, sie verliefen sogar viel günstiger als die durch CHC], hervorgerufenen. Auch für den Embryo liegt keine Gefahr in der Narcose der Mutter. Durch Dif- fusion gelangt das N,O aus dem Blute der Mutter in den Blutkreislauf des Embryo, der dadurch natürlich mit unter den Einfluss des N,O gesetzt wird. Der nur allmählich eintretende O-mangel wird von dem Embryo eine Zeit lang vertragen, viel länger als vom Erwachsenen (Pflüger); da nun die Narcose nur von kurzer Dauer ist, fällt der Factor, der in Betracht kommen könnte, der vollständige O-mangel weg und deshalb kann die N,O-narcose auch für den Em- bryo nicht gefährlich sein. Veber Einwirkungen des Stickstoffoxyduls auf Blase und Urin sind folgende Beobachtungen gemacht: Bei Eintritt der Narcose liess ein kleines Mädchen Urin, 265 ebenso ein Knabe, dem der Vater vorher keine Erlaubniss dazu gegeben. — Bei längerer Inhalation ist stets Vermehrung des Urins constatirt worden, der Urin enthielt ausserdem mehr oxydirte Substanzen. M. Ritter stellte Versuche an mit N;0 wasser (Eau oxy-azotique), um die Wirkungsweise des N;O zu explieiren, wenn er es gegen rheumatische und gichti- sche Schmerzen verordnete. Die Harnanalyse, einer gesunden Person, die 1 Flasche N5O wasser pro die getrunken hatte, ergab folgendes: 1) Die Urinmenge war bei gleicher Speise- und Trankaufnahme um 800 Cbketmtr. vermehrt. 2) Der Säuregehalt war um 27 Ctgr. gestiegen. 3) Der Stickstoff- gehalt überhaupt, der durch die Nieren ausgeschieden wird, war um 2 gr. vermehrt. Harnstoff fast normal; Ammoniak nur schwach vermehrt. 4) Harnsäure war einmal vermehrt, einmal vermindert. Ritter selbst nahm täglich N,O wasser und bemerkte, dass am 1. Tage die Harnsäure vermehrt, dann allmählich verringert wurde. Das Verhältniss des Harnstoffs zu der Harnsäure zeigt dies am besten. Das- selbe war: | am 1. Tage 45,5:1 a ee rasant EA ONE Dann stellte er eine 2. Reihe Versuche an einer gichti- schen Person an; das Verhältniss des Harnstoffs zur Harn- säure war vor dem Veruche 47,0:1. Der Patient nahm täglich eine Flasche N,O-wasser und das Resultat war: 1) Vermehrte Urinmenge. 2) Fast normaler Gehalt des Harnstoffs. 3) Das Verhältniss des Harnstoffs zur Harnsäure gestaltet sich allmählich folgendermassen: 47,0:1; 40,5:1; 50.051: 102,3:1;.1125:1. Eine 3. Beobachtung lieferte ähnliche Resultate; Stick- stoff- und Harnsäureablagerungen im Urin waren unsicht- bar. Die Temperatur war während der Untersuchungen nicht verschieden. Ritter zieht daraus das Resume, dass NO ein angenehmes Medicament ist, um die Urinmenge zu vermehren und die Harnsäure verschwinden zu lassen. Duchesne untersuchte auf Grund der Thatsache, dass nach Operationen, die unter dem Einflusse einiger Anästhe- 266 tica ausgeführt werden, gewöhnlich Zucker auftritt, den Urin nach Stickstoffoxydulinhalationen, um zu sehen, ob dies Phänomen sich auch hier zeige. Er sammelte nach dem Erwachen des Patienten den Urin, brachte ihn in einem Reagensglas zum Aufsieden bei Gegenwart von Bar- reswill’scher Flüssigkeit, die frisch bereitet war und machte so eirca 100 Proben, fand aber in keinem Falle Zucker. Dasselbe Resultat gaben auch die anderen Reagentien, Bis- muth etc. Der Geschmack des N,O beim Inhaliren ist süsslich und durchaus nicht unangenehm; gewöhnlich verschwindet er sehr bald nach der Narcose, nur Sillimann berichtet, dass er nach einem Versuche noch vierzehn Tage Geschmacks- veränderungen derart bemerkt habe, dass der Geschmack der Speisen nur nach Zusatz von viel Zucker hervortrat. Das mit einem gleichen Volumen gesättigte NJO-wasser schmeckt ebenfalls angenehm süsslich und theilt diesen Geschmack auch anderen Getränken (Wein ete.) mit. Nach Demarquay soll es eine die Verdauung befördernde und abführende Wirkung haben und Limousin erklärt es für ein angenehmes und ganz unschädliches Getränk, indem er zuweilen 2 Flaschen voll davon an einem Tage allein oder mit Wein vermischt getrunken und danach nur eine schwache Erregung und Wärme, ähnlich wie von Wein empfunden hat. Ebenso trank Ritter täglich von dem N,O-wasser, ohne nur die geringste unangenehme Einwirkung zu spüren. Hermann verneint die speeifische Wirkung desN,O0 auf die Centralorgane, ebenso den Einfluss auf Nerven und Muskeln. Jedenfalls steht fest, dass man eine gewisse Reihenfolge aufstellen kann, in der die einzelnen Nerven- centra und Nervengebiete vom Gas affieirt resp. herabge- stimmt werden; zuerst werden die Functionen des Gross- hirns, dann die der Medulla oblongata, zuletzt die der Herz- sanglien aufgehoben. Wie die einzelnen Centra influirt werden, ob durch den allmählich entstehenden O-mangel (Johnson, Clover), wie bei H- und N-athmung oder durch 'eine specifische Wirkung des die Ganglien umgebenden N>0, war ein viel bestrittener Punkt; nach Goltstein verbindet sich die Wirkung des N;0O mit der des O-mangels und 267 so kommt die Narcose zu Stande. Zuerst verschwindet die Empfindlichkeit der Hautnerven, so dass Schnitte nicht mehr gefühlt werden; kurz darauf, etwa nach 4—5 Athemzügen soll nach Winderling’s Beobachtungen der Nerv. trigeminus anästhesirt sein, während die andern Nerven noch empfinden. Dies würde ein ganz besonderer Vortheil gerade für Zahn- operationen sein und seine ausschliessliche Anwendung in der Zahnheilkunde indieiren. Im weitern Verlaufe. der Narcose hört das Vermögen zu sehen auf, schliesslich ver- mindert sich das Motilitätsvermögen und das Bewusstsein wird unklar. Dass es sich nicht um eine periphere Läh- mung der Nerven handelt, beweist ein Versuch Amory’s, der unter N,O-narcose den isolirten Cruralnerv reizte und dadurch ziemlich heftige Muskelbewegungen hervorrief. Erst zu allerletzt geht die Perception für Gehörseindrücke verloren; sie ist sogar noch sehr scharf, während die andern Sinne schon sehwinden; so reproducirte eine junge Dame in der Narcose eine übereilte Bemerkung des Operateurs (Warwick Hele), als ein Zahn beim Gebrauch der Zange abbrach, obwohl die Patientin die darauf folgende Extraction nicht fühlte und die Bemerkung so leise gemacht war, dass der Assistent dieselbe nicht gehört hatte. Ist die Narcose vollkommen, so hängen die Muskeln schlaff herunter, die _ Pupillen sind dilatirt und für Lichteindrücke unempfindlich. Bei zu tiefer, fortgesetzter Narcose erfolgt eine Stimulirung der Centralorgane, die sich durch Zittern des Körpers, Muskelzuckungen, Strabismus convergens, Ausbruch von Schweiss, Zähneknirschen, Dyspnoe und Pulsverlangsamung kund giebt; Schreien, Weinen, Lachen treten sehr selten auf. Wird die Narcose jetzt noch verlängert, so schwinden auch diese Reizerscheinungen, die Athmung cessirt und schliesslich auch die Herzaction. Wird darauf eine künst- liche Respiration eingeleitet, so erholen sich die nervösen Apparate in der umgekehrten Reihenfolge, in der sie dem Scheintod verfielen. Zuerst erholt sich das Herz, dann das Athmungscentrum, erheblich später beginnt die Reflexerreg- barkeit und zwar früher an den Extremitäten als am Kopfe. Dann folgt ein (sogar oft mehrstündiges) Stadium erhöhter Reflexerregbarkeit, welches in dem Masse schwindet, in dem 268 _ die Hirnfunctionen wiederkehren. Die Schmerzempfindlich- keit stellt sich zwar allmählich ein, ist aber bedeutend herabgesetzt. Wie beim Scheintod bleibt das Auge von den Sinnesorganen am längsten, in einzelnen Fällen tagelang ohne Function. Die Pupillen der Thiere reagiren auf Licht, aber selbst durch das grellste Licht wird nie Lidschluss hervor- gerufen: ganz ähnliche Erscheinungen wie bei Seelen- blindheit. Pathologisches. 1. Teble Zufälle. Höchst lästige Erscheinungen können sich sowohl wäh- rend als auch nach den N,O-inhalationen einstellen. Von den ersteren sind schon mehrere erwähnt z. B. die sexuellen Aufregungen, die hysterischen Krämpfe ete. ete. Unreines Gas reizt die Respirationsorgane und ruft Suffocationsgefühl hervor; ebenso unangenehm ist für den Patienten das Ein- athmen des Gases aus neuen Kautschukballons. Die Nach- wirkungen betreffen höchstens 1—2°/, der Narcosen, die Fälle sind aber um so eclatanter. Es mag auch sein, dass viele derartige Fälle verschwiegen sind. Dem unreinen Gas, den neuen Kautschukballons werden ebenfalls theilweise die- selben zugeschrieben, andrerseits auch der Unerfahrenheit des Operateurs, der nicht versteht das Gas rite zu verab- reichen. Hauptsächlich sind es neuropathologische Er- scheinungen der verschiedensten Art, die in dem Erho- lungsstadium und später noch beobachtet wurden: Kopf- schmerzen, Schwindel, Epilepsie, Schlaflosigkeit, Hysterie, Schluchzen, Krämpfe etc. So klagten junge Mädchen während der Erholungszeit über Schwindel, weinten laut und heftig, nur allmählich konnten sie sich beruhigen; ein robuster Patient behielt noch mehrere Stunden einen in- tensiven Kopfschmerz, allerdings hatte er vor der Inhalation ein Glas Brandy getrunken. Blume und Baume sahen Fälle, wo der Kopfschmerz Monate lang nach der Narcose zurückblieb. Erbrechen kommt höchst selten vor, es wurde beobachtet, wenn die Pat. bei Zahnextractionen Blut verschluckt hatten. Ohnmachten sind nur wenig beobachtet worden, dagegen ziemlich häufig epileptiforme und hysterische Anfälle, die jedoch ziemlich schnell vor- 269 übergingen, nur Dr. Eade berichtet von einem Falle, wo ein Patient mehrere Tage nach der N,0O-narcose an Epilepsie und Delirium litt. Eine Anzahl Nach- wirkungen tragen den Charakter der psychischen und mo- torischen Depression; so beobachtete Lisowski einen Fall von ausgesprochener Schlafsucht, andere berichteten Fälle von zurückbleibender Melancholie. In the lancet veröffentlichte 1873 ein Ungenannter „eine persönliche Erfahrung über N;0*; er wird die Nar- cose zeitlebens nicht vergessene Nach Einathmung des Gases wird er gefühllosd. h. nur physisch; die geistigen Qualen werden furchtbar, er empfindet ein heftiges Alpdrücken und kommt sich vor wie ein Verrückter, der nach einem un- erreichbaren Ziele strebt. Mit den Worten: „Jetzt ertrage ich es nicht länger“ erwacht er; von der Extraction des Zahnes hatte er nichts gemerkt, war aber jetzt so schwach, dass er eine halbe Stunde liegen musste. Dann wurde er nochmals ohnmächtig an der Hausthür. Als er nach 1 Std. nach Hause kam, konnte er vor Schwäche nicht arbeiten und bekam nochmals eine Ohnmacht. Dem Schwächezustand, der noch eireca 5 Std. anhielt, folgte den übrigen Theil des Tages über ein starker Kopfschmerz. Am andern Morgen hatte er das Gefühl wie nach einer überstandenen Seereise und eine ganze Woche lang war er geistig deprimirt. — Bordier beobachtete einen nicht minder interessanten, ein- schlägigen Fall: Ein 18jähriger kräftiger Mann, noch nie krank gewesen, aber nervös erregbar, liess sich einen Mo- laris in der N,O-narcose extrahiren; nachdem dies ohne Störung geschehen, kehrte er nach Hause zurück. Eine Stunde darauf fand ihn seine Mutter in Thränen. Nach vielem Zureden legte er sich zu Bett und schlief ein. Der Schlaf zeigte jedoch einen beängstigenden Charakter und nach 5 Stunden war Patient durch Anrufen, Schütteln nicht zu erwecken. Das Gesicht war stärker als normal geröthet, die Bindehaut der Augen injieirt und die Pupille im höch- sten Grade verengt; lange versuchte man vergeblich, ihn zu wecken, endlich erwachte er durch den Schein einer vorgebaltenen Kerzenflamme, sah erstaunt um sich, wandte sich aber, nachdem er einen Gruss gestammelt, unter Seuf- Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. 18 ae = in OR N Sue zen mit dem Kopfe nach der andern Seite. Die Haut fühlte sich heiss und feucht an; Puls 120; Athmung ver- langsamt, später tief, seufzend, ausserdem bestand ausge- sproebne und fast complete Anästhesie. Wegen der offen- bar vorhandenen Congestion zum Hirne, der Myosis und der Hyperämie der Conjunctiva wurden dem halberwachten Patienten 0,5 Chin. sulfur. in schwarzem Kaffee aufgelöst gegeben. Pat. schlief sofort wieder ein, er wurde mit dem Kopfe hochgelegt und bekam unaufhörlich kalte Compressen auf die Stirn applieirt. Nach einer Stunde erhob sich Patient vom Bett und war am folgenden Morgen wieder völlig hergestellt; von dem, was Tags zuvor mit ihm vor- gegangen, hatte er nicht die geringste Erinnerung mehr. Die üblen Zufälle nach den N;O-inhalationen stehen offen- bar in Beziehung mit den nach andern Asphyxien auftre- tenden und sind ihnen analog. So ist die CO-asphyxie eine sanz ausgesprochene Narcose, wie es kaum eine zweite giebt und würde unbedingt zur Anästhesie verwerthet werden können, wenn sie nicht zum Tode zu führen pflegte. Wird die Lebensgefahr beseitigt, so zeigen sich eine Anzahl Nach- krankheiten meist nervöser Natur. So beobachtet Simon anhaltende, heftige Kopfschmerzen, Lähmungen ganzer Extremitäten mit und ohne Sensibilitätsanomalien, Sprach- störungen, Blindheit, in seltneren Fällen Abnormitäten des psychischen Verhaltens, vorübergehende Zustände von Blödsinn ete. Alle diese nach CO-vergiftungen auftreten- den Symptome hielt man für besondere Eigenthümlich- keiten der CO-wirkung; aber Böhm hat durch Thierexperi- mente nachgewiesen, dass alle diese manniehfaltigen Nach- krankheiten nach jeder beliebigen Art von tiefer asphyctischer Narcose ebenso gut vorkommen und neuropathologische Erscheinungen für Tage, ja für Wochen hervorrufen können. Er erklärt diese Erscheinungen wie folgt: Durch die Sauer- stoffentziehung wird Asphyxie und dadurch totale Läh- mungen der Functionen des centralen Nervensystems her- beigeführt. Dauert die Asphyxie nur kurze Zeit, so kommen alle Nervenceztra schnell ad integrum zurück, bei längerer Dauer aber nur langsam und zwar in der umgekehrten Reihenfolge ihrer Lähmung bei der Asphyxie. Herzaction arl und Athmung pflegen 'sich schnell einzustellen, es kann aber Tage, ja Wochen dauern, ehe die Coordination der Bewegungen, die Sinnesempfindungen und die Sensibilität zurückkehrt. Da die N,O-narcose ebenfalls eine Asphyxie ist und nach ihr wie nach der CO-narcose eine Anzahl neuropatho- logischer Erscheinungen der verschiedensten Art beobachtet worden sind, so werden diese dieselbe Erklärung finden wie die schweren Zufälle nach CO-inhalationen. Simon bestätigte ferner bei anatomischen Untersuchungen an Menschen als Grund für die Symptome der CO-vergiftung alles, was Klebs bei Thieren nach künstlicher CO-vergiftung constatirt hatte, namentlich Gefässerweiterung höchsten Gra- des, an verschiedenen Stellen der Hirnrinde Blutextravasate, die aus feinen Punkten und Streifen bestanden und am meisten in den beiden Hinterlappen ausgeprägt waren, dann noch beginnende Hirnerweichung. Aehnlich wird es wohl bei allen Narcosen, die durch Asphyxie wirken, sein. Wahr- scheinlich entstehen diese kleinen Apoplexien in Folge der Blutdrucksteigerung, die Zuntz und Goltstein bei resp. nach Asphyxien stets bemerkten. Derartige üble Symptome werden also auch dem umsichtigsten Arzte nach N,O-nar- cosen vorkommen können und wenn wenig in der Literatur davon bekannt ist, so liegt es theils an der Unwahrhaftig- keit der Aerzte, theils wird es schon noch bekannt werden. . Die unangenehmsten Zufälle sind bei der Narcose natür- lich das Cessiren der Athmung und das Ausbleiben des Pulses. Cartwright berichtet (1874) über einen der- artigen Fall, wo eine äusserlich ganz gesunde Dame von 40 Jahren nach einigen N,O-inhalationen zu athmen auf- hörte und der Puis nicht mehr zu fühlen war. Ein geüb- ter Chirurg, der das Gas verabreicht hatte, brachte Patientin in horizontale Lage, zog die Zunge vor und machte dann sofort künstliche Athembewegungen und sah seine Bemüh- ungen von ausserordentlichem Erfolge gekrönt: nach wenigen Minuten zeigte sich eine schwache Inspiration, dann nor- males Athmen, doch erholte sich erst die Patientin nach 1, Std. Dies ist der einzige in der Literatur bekannte Fall, wo trotz drohender Todesgefahr durch Anwendung 185 272 der künstlichen Respiration ein glücklicher Ausgang erzielt wurde und es ist deshalb in allen derartigen Fällen, in denen der Herzschlag nicht mehr deutlich fühlbar ist, zu empfehlen, sich nicht mit den Wiederbelebungsversuchen aufzuhalten, die eine Luftzufuhr in die Lunge bezwecken, wie electrische Reizungen des N. phreniei, Lufteinbla- sungen, sondern sofort mit kräftigen, regelmässigen Com- pressionen zu beginnen, um so kräftige In- und Exspirationen auszulösen und eine bessere Circulation zu veranlassen. 2. Todesfälle. Bis zur jüngsten Zeit sind 7 Todesfälle bekannt ge- worden, es ist deshalb sehr fraglich, ob der oben erwähnte Fall der einzige gewesen ist, in dem Todesgefahr gedroht hat. Der erste Todesfall betrifft einen M. Sears, der am 14. Jan. 1864 zu Dr. Jose R. Brunet (New-York) kam, um sich zwei obere Molarzähne unter Lachgasnarcose extrahiren zu lassen. Sein Aussehen war gut und Patient hatte schon früher öfter CHCl, mit gutem Erfolg genommen. Bei einer nicht sehr tiefen Narcose wurden die Zähne extrahirt. Während der Operation war er sehr ruhig und schien sich in kurzer Zeit zu erholen. Dr. Brunet begab sich auf einen Augenblick ins Nebenzimmer und als er .von dort zurück- kehrte, theilte ihm Sears mit, dass er sich unwohl fühle und einen Anfall von Diarrhoe gehabt habe. Dann ver- langte er nach frischer Luft; er athmete schwer. Sofort wurde ein Arzt herbeigerufen, der eine Lungenhyperämie . eonstatirte. Brunet, der mittlerweile die Eltern des Patienten herbeigeholt hatte, traf diesen bei seiner Rückkehr todt. — Die Section ergab: Rechte Lunge sehr fest mit der Pleura adhärent, die linke nur zu dreiviertel. Nur der rechte untere Lappen war normal, der übrige Theil war mit Tuberkeln, hepatisirten Stellen und Cavernen durch- setzt. In der linken Lunge waren 6 Oavernen, von denen jede eirca '/, Unze Flüssigkeit enthielt; dann ausserdem eine Masse von knorpeliger Consistenz von etwa 3 Unzen, tuberceulöser Natur. Der noch gesunde Theil war hyper- ämisch. Die andern Organe waren normal, nur im Becken der rechten Niere fand sich ein Tropfen Eiter. 273 Der Tod erfolgte durch Congestion der Lungen. Das angewandte Gas war vorher und nachher ohne Unfall an- dern Patienten gegeben worden, es war also rein. Sears war ein Phthisiker in extremis, von dem der Hausarzt bezweifelt hatte, ob er den Winter noch überlebe. Die mit der Nar- cose verbundene Aufregung führte die Anschoppung der . Lunge herbei. Der 2. Fall ereignete sich in demselben Monat dessel- ben Jahres: 30. Jan. 1864. Dr. Gillmann berichtet: Ein Frl. Bell aus Vermont athmete mit mehreren anderen eine kleine Dosis Lachgas zum Vergnügen ein; am Abend war sie in Gesellschaft, blühend von Angesicht, sie selbst voll Leben und Fröhliehkeit. Am folgenden Tage erkrankte sie und starb an einer Cerebrospinal- Meningitis. — Der Zusammenhang des Todes mit der N,O-inhalation lässt sich schwer erklären; die Ansicht Dr. Ziegler’s, der die Wir- kung des NO für eine Hyperoxydation des Blutes hält und den Tod durch die stimulirende Wirkung des Gases auf das erkrankte Gehirn und Rückenmark herbeigeführt glaubt, fällt in sich zusammen, da N,O im Blute keinen O abgiebt. Einleuchtender ist die Meinung Baume’s, der auf die Fälle hinweist, wo nach der Narcose einmal Epi- lepsie und Delirium auftrat, ferner wo lange anhaltende nervöse Kopfschmerzen folgten, deren Steigerung zu einer intensiveren Form der Gehirnkrankheiten führen könnten. Der 3. Fäll ereignete sich in Brooklyn (New-York). Frau Ann O’Shaughnessy (mittleren Alters und stets gesund) kam am 22. März 1872 zum Zahnarzt Newbroush und wünschte die Extraction eines schmerzhaften und mehrerer lockerer vorderer Zähne und zwar bei Anwendung eines Anästhetieums. Als sie aus einem 6 Liter N,O enthaltenden Ballon eine Inhalation gemacht hat, wünscht sie die Ex- traction ohne Narcose, verliert aber dann beim Anblick der Zange den Muth und verlangt von neuem das Gas. Als sie es wieder nach einer Inhalation von sich weist, ist mittlerweile der Ballon geleert und ein zweiter nöthig. Nach zwei erneuerten Inhalationen werden die Zähne auf ihr Verlangen ohne N,O extrahirt. 4 Stück waren schon entfernt, als ihr Kopf zur Seite fiel und Patientin vollstän- 274 dig bewusstlos war; das Gesicht wurde schnell livid und endlich purpurblau; Respiration 15 pro Minute, in circa 13 Minuten Tod trotz Anwendung des electrischen Stromes. Ebenso vergeblich waren die künstlichen Respirationsver- suche, die der 10 Minuten nach Beginn der Ohnmacht kommende Dr. Otis machte. — Die Section ergab: Gehirn völlig blutleer, keine Herzkrankheit, keine Flüssigkeit in den Ventrikeln; es fanden sich ausgedehnte Adhäsionen der rechten Lunge, die mehr als die andre doch immerhin nur leicht angeschoppt war, sonst beide Lungen gesund. Eine Commission von 10 Aerzten gab über diesen Fall das Urtheil ab, dass der Tod durch Asphyxie in Folge von N,O-inhalationen hervorgerufen sei. Um die Asphyxie her- zustellen war aber die wirklich eingeathmete Gasmenge zu klein, wahrscheinlicher liegt die Todesursache in der plötz- lichen Hirnanämie, die so oft nach Zahnextractionen sich zeigt und die Patienten ohnmächtig werden lässt. Der 4, Todesfall erregte am meisten Aufsehen, weil es der erste in Europa war; (1873) er kam in der Praxis des Zahnarztes Dr. Brown Mason (Exeter) vor und wurde von den DDr. Pattison und Drake beobachtet, die eine Krankengeschichte gemeinsam veröffentlichten. Es handelte sich um die 38jährige Miss Ida Wyndham, die an Ver- längerung der Uvula und chronischer Entzündung der Man- deln litt und in Folge davon bisweilen, namentlich beim Treppensteigen leicht ausser Athem kam, übrigens voll- kommen gesund war und namentlich an ihrem Todestage sich eines vorzüglichen Wohlseins erfreute. Am 22. Jan. 1873 kam sie zu Dr. Mason zur Untersuchung ihrer Zähne; dieser hielt die Extraction des 2. oberen Molarzahnes für nöthig, da er cariös war, die Pulpa war geschwunden und um ihn beträchtliche Periostitis. Die Extraction wurde Jedenfalls schwierig, da erst die Krone abzubrechen und dann die Wurzeln einzeln zu holen waren ; Pat. bekam deshalb auf Wunsch N,0, was der anwesende Dr. Pattison, ihr Schwager, erlaubt hatte. Das Gas wurde aus einer eisernen Flasche entnommen und dieselbe Qualität war schon viel benützt worden. Die Dame hatte weder gefrühstückt noch zu Mittag gegessen. Als Pattison etwa nach 6 Inhalationen 275 des N,;O ein Sinken der Pulszahl bei Gleichbleiben der Stärke der Pulswelle wahrnahm, wurde die Maske entfernt und die Entkronung des Zahnes vorgenommen, jedoch auf Wunsch der Patientin zur Ausführung der weiteren Operation das Gas nochmals gereicht. Dies geschah nach einer Pause von etwa 10 Min., während der sich die Patientin in etwas hysterischer Stimmung befand, nach Aufhören oder doch nach fast völligem Aufhören der Blutung. Die Kranke athmete darauf gut ein, stiess aber im Momente des Ein- tritts der Bewusstlosigkeit mit der aufgehobenen rechten Hand den Inhalator von sich und führte deshalb Dr. Mason die Wurzelextraetion alsbald aus. Während der Vornahme der Operation wurden die Ohren und das Gesicht eyanotisch und nach Beendigung derselben traten die Augen hervor und wurde der Athem stertorös. Man entfernte nun schleunigst den zum Offenhalten des Mundes zwischen die Zähne ge- steckten Keil, was jedoch nur mit grosser Schwierigkeit gelang. Aber weder dies, noch das Hervorziehen der Zunge, das Bespritzen des Gesichtes mit kaltem Wasser, die An- wendung von Ammoniak und endlich die von dem herbei- serufenen Dr. Drake durch methodisches Zusammendrücken des Torax versuchte künstliche Athmung vermochten den in etwa 5 Min. eintretenden Tod abzuwenden. Schon 3 Minuten vor dem exitus letalis bestand die Respiration nur noch in kurzen mit etwas Geräusch verbundenen Exspira- tionen, während der Radialpuls fortschlug. Die Section wurde nicht gemacht und es wurde nur bemerkt, dass die Cyanose 21/, Std. post mortem verschwunden war. — 10 Tage nach dem Vorfall constatirte Woodhouse Braine, dass an dem benutzten Knebel ein Stück fehlte, das vielleicht bei der gewaltsamen Entfernung desselben sich ablöste und in den Pharynx oder Laryux gerieth, und es ist keineswegs unmöglich, dass der Tod die Folge der mechanischen Ver- schliessung in den Luftwegen gewesen ist, wenn auch weder Brown Mason noch Dr. Drake einen Fremdkörper bei Einführung des Fingers an die Zungenbasis zu fühlen vermochten. Jedenfalls entspricht diese Annahme den Er- scheinungen mehr als die von mehreren Seiten geäusserte, _ dass der Tod durch Apoplexie erfolgt sei. — Dieser Todes- ee fall rief eine lebhafte Debatte in den wissenschaftlichen Journalen hervor, an der sich Tadler und Lober des Gases betheiligten. Letztere schoben die Todesursache auf jeden möglichen und unmöglichen Umstand, nur nicht auf das N,0, während die ersteren in der N,O-narcose allein die Veranlassung zum unglücklichen Ausgang fanden. Ueber den 5. Todesfall ist nichts näheres bekannt, in der Literatur ist er nicht ausführlich beschrieben; Dr. Schnei- der hörte nur von einem Professor der Zahnheilkunde, dem er selbst passirt war, dass der Keil in den Larynx gerathen und Patient erstickt war. v. Nussbaum beschrieb einen 6. Todesfall durch N;0, der in seiner Klinik vorgekommen. Ein starker Trinker, der vor 6 Wochen eine urämische Intoxication durchgemacht hatte und an dem die Boutonniere ausge- führt worden war, sollte unter N,O-narcose bougirt werden ; vorher war er schon 53 mal mit CHCI, bougirt worden. Er bekam während der Inhalation eine tiefdunkle Oyanose und erwachte nicht wieder, obgleich er noch 50 Minuten selbstständig und 15 Minuten unter Faradisation der Phre- nici respirirte. Bei der Section fand Voit im Herzblut alle Blutkörperchen zerstört und in eine schmierige, lackfarbige Flüssigkeit aufgelöst. — Baume schreibt die Schuld an diesem Tode nur dem N,O zu, da er sich der Meinung M. Goltstein’s, welcher die vorhandene Urämie als causa mortis bezeichnet, nicht anschliessen kann. . Der 7. Fall wird vom Dental Cosmos (Juni 1877) be- richtet. G. Morley Harrison, 30 Jahr alt, (Surgeon, Chirur- gicus) kommt zum Zahnarzt Williams in Manchester be- hufs Extraction zweier Zähne; dabei verlangt er, dass ihm N;0 gegeben werden solle, bis er schnarehe. Dies geschah wahrscheinlich und nach der Operation blieb Pat. bewusst- los. Durch seinen Diener liess Williams den pract. Arzt Worsley herbeirufen, der den Harrison bewusstlos mit lividem Gesicht und Hals und sehr weiten Pupillen vorfindet. Kalte Uebergiessungen, kalte Abreibungen und Frietionen, künstliche Respiration werden vergeblich ver- sucht. 18 Stunden post mortem findet M. Jones, ein pathol. Anatom, bei der Section eine starke Verknöcherung der 277 Rippenknorpel, dann eine starke Fettablagerung im vorderen Mediastinum und im Perieardium. Die Lungen waren dunkel- farbig, angeschoppt. Das Herz etwas vergrössert, weich, morsch, die linke Hälfte ganz leer, die rechte voll flüssigen dunklen Blutes und in den intraventrieulären Furchen starke Ablagerungen von Fett; die Aorta atheromatös, ihre Klappen, sowie die Mitralis verdickt. Die Todesursache wird in der behinderten Cireulation des Blutes in der Lunge und Ueber- füllung des rechten Ventrikels gesucht; H. Cartwright er- hielt dieselben Sectionsbefunde an zwei mit N,O getödteten Kaninchen. Die Jury, die über diesen Fall zu urtheilen hatte, urtheilte: Tod durch Syncope in Folge von Anwen- dung des N,0 bei Fettdegeneration des Herzens. Ferner ist noch ein 8. Todesfall bekannt geworden, der vielleicht der Combination der beiden Anästhetica, Aether und Stickstoffoxydul, zuzuschreiben ist. Der Fall ereignete sich in einem Universitätskrankenhause (zu London?) 1877. Die betreffende Person war ein 55 jähriges Weib, das wegen einer eingeklemmten Schenkelhernie ins Hospital gebracht war; sie war sehr schwach und erschöpft wegen des fort- währenden Erbrechens, denn die Hernie war schon über 48 Stunden eingeklemmt. Vermittelst des Clover’schen Apparates (s. o.) wurde ihr N,;O-Aether gegeben und in circa 4 Minuten war die Narcose sehr gut, ohne vorher- gehendes Aufresungsstadium. Bei Beginn der Reposition wurde Pat. bleich und erbrach Faeces, die Athmung war schwach, der Puls au der Radialis unfühlbar. Die sofort vorgenommene künstliche Athmung blieb ohne Erfolg, ebenso ein Clysma von 90 gr. Brandy; darauf wurde Ammoniak vor die Nase gehalten und in die V. mediana basilaris in- Jieirt, doch alles ohne Einfluss. Der Tod erfolgte nach 10 Min. — Autopsie: Koth in der Trachea und im rechten Bronchus; die rechte Seite des Herzens und der grossen V. V. waren voll dunklen flüssigen Blutes; die Wände des rechten Ventrikel waren dünn und schlaff, die Höhle ein wenig ausgedehnt. Der linke Ventrikel war leer, der Aortenbogen enthielt zahlreiche atheromatöse Flecke. Da man die Anzahl der eingeleiteten N,O-nareosen nicht kennt, ist es auch nicht möglich, ein Verhältniss der N,0-todesfälle zur Anzahl der N,O-narcosen aufzustellen. 278 Colton hat in seinem Institut unter 103 000 N,O-narcosen keinen Todesfall beobachtet, während Moreaux-Marmont statistisch 3 Todesfälle auf mehr als 300 000 Narcosen ver- theilt; wahrscheinlich ist dieser Procentsatz noch ein zu hoher, obgleich er schon für die relative Ungefährlichkeit der N,O-nareose sprechen würde im Verhältniss zu andern Narcosen, bei denen er bei weitem grösser ist. Dr. Coles fand bei einer Combination englischer und amerikanischer Statistiken bei Chloroform 1 Todesfall auf 2873 Narcosen, bei Aether 1 Todesfall auf 23204 Narcosen, bei Mischung von Chloroform und Aether 1 Todesfall auf 5588 Narcosen Das Verhältniss der Todesfälle zur Anzahl der N,O-narcosen wäre demnach ein ziemlich unbedeutendes. 3. Contraindicationren. Contraindieationen bei Anwendung der N,O-narcose giebt es nach mehreren Autoren überhaupt nicht; dagegen spricht ein von Marion Sims berichteter Fall: Ein Frl. X. aus - Dublin, die von Stokes an chronischen Lungenleiden be- handelt und in Bäder auf den Continent geschickt worden war, kam im April 1868 zu M. S., um ihn wegen eines seit Jahren wachsenden Abdominaltumors zu befragen. Die Untersuchung sollte unter Narcose vorgenommen wer- den. Da ein Herzfehler bei ihr constatirt wurde, so wurde ihr N,0 unter Colton’s Assistenz 8 Min. lang gereicht. Das Erwachen fand ohne jegliches Zeichen übler Nach- wirkung statt; doch trat nachher eine geringe Blutung aus dem Ohre und mehrere Tage lang blutige Färbung der Sputa ein. Holden bestätigt die Tendenz des Gases, bei Lungen- leidenden, die schon Blut speieten, leicht Blutungen in der Lunge zu veranlassen, auch sogar an verletzten äusseren Körperstellen. — Tuberculose wird von den meisten Au- toren als Contraindication angegeben, seltner schon Herz- fehler, beidem es die einen verwerfen, andre dringend em- . pfehlen. Colton sieht im Herzfehler keine Contraindieation zur N,O-narcose, Braine würde derartige Patienten Sogar recht tief narcotisiren, da die theilweise Narcose nur gefährlich sei, weil refleetorisch eine Verengung der Gefässe entstehen könnte; er behauptet, N,O Patienten mit lauten Herzge- 279 räuschen ohne jede üble Folge oft gegeben zu haben und schreibt ihm und dem Aether eine Anregung und Ver- mehrung der Herzkraft zu. — Cartwright mahnt zur grössten Vorsicht bei Herzfehlern in der N,O-narcose; er beobachtete einen Fall, wo die Herzthätigkeit nach der N,O-narcose 5 Wochen lang intermittirend wurde. Ausserdem empfiehlt er, Leute mit kurzem Halse, plethorischem Habi- tus, hypertrophischen Tonsillen besonders zu berück- sichtigen, wenn möglich, gar nicht zur N,O-narcose zuzulassen. Nach Zuntz sind auch Leute mitleicht zerreisslichen, atheromatösen Gefässen davon fern zu halten; Con- gestionen nach dem Kopfe gelten ebenfalls als Con- traindieation. 3 Bei Hysterischen wurden einigemale Ausbleiben von Anfällen beobachtet, viel öfter jedoch heftige Krämpfe, Ohnmachten, Schreien ete. entweder vor dem Schwinden oder kurz vor dem Wiedereintritt des Bewusstseins, bis- weilen auch in den ersten Stunden nach der Narcose. Marion Sims beobachtete bei einer hysterischen Dame, der ein Tumor cervieis uteri exstirpirt werden sollte, bei zwei Versuchen, das Stickstoffoxydulgas zu inhaliren eine solehe Aufregung und Furcht vor der eintretenden Bewusstlosig- keit, dass von der Operation unter Narcose abgesehen wer- den musste. Ebenso mussten die Inbalationen bei einer an hysterischem Huste leidenden Frau, wiewohl sich letzterer dabei zu bessern schien, aus gleichem Grunde aus- gesetzt werden. — Kindliches oder Greisenalter und Schwäche werden nicht als Contraindication angesehen. | Therapeutisches. Was die therapeutische Anwendung des N,O anlangt, so ist diese in allen Zweigen der Mediein gehandhabt wor- den, am meisten natürlich in der Zahnheilkunde; die spe- eifische Wirkung des N,O, die es nach Winderling auf den Nerv. trig. ausüben soll, weist geradezu auf seine Benützung in der Zahnheilkunde hin. Die kurze Dauer der Narcose, die unter andern Verhältnissen nur ungünstig ist, reicht zu Zahnoperationen vollständig aus, die Vortheile des Gases für die Zahnpraxis sind derartig, dass es nicht Wunder S 280 nehmen kann, wenn die Dentisten diese Vortheile von An- fang an verwertheten und in Millionen von Fällen die dank- barsten Erfolge erzielten. Von Davy weiss man, dass er sein Lusteas z zur Ver- treibung von Kopfschmerz, Zahnweh ete. einathmete; Grohnwald erleichterte sich damit asthmatische Be- schwerden. — Die Idee, N;O in wässriger Lösung bei Cholera anzuwenden, stammt von Serrullas, der es im Val- de-Gräce benützte, da.die Patienten zu schwach waren, es zu inhaliren; acht blaue und cyanotische Cholerakranke erhielten in 5—6 Std. 3--4 Liter N,O-wasser mit Syr. simpl., worauf sich im Laufe des Tages Erhöhung der Körpertemperatur ein- stellte, die Cyanose erschwand nach und nach, die matten Augen wurden glänzend, die Zunge wurde wieder roth an der Spitze und an den Rändern. Günther empfiehlt es ebenfalls bei Cholera und bei Intermittens; Dr. Ziegler (Philadelphia) bei Adynanie (Faulfieber) in gasigem Zustand oder in Wasser gelöst; Shumard als Stimulans, Exeitans beityphösen Fiebern. — Dass N,O-wasser mit Erfolg bei Gicht und rheumatischen Schmerzen gegeben wird, ist schon erwähnt. BeiSchwindsüchtigen wurde öfter dieErfahrung ge- macht, dass die Kranken sich nach N,0 -inhalationen er- leichtert fühlen; manche kamen zum zweiten Male und verlangten eine one Darreichung des Gases. Ueber einen interessanten Fall berichtet Holden: Ein 12 jähriger Knabe mit deformem Brustkasten, ausgedehnten Hautvenen und dem Exterieur eines Asthmatikers zeigte bei der Unter- suchung starkes Emphysem der rechten Lunge, chro- nische Bronchitis beiderseits, deutliches Pfeifen und Tracheal- rasseln, Hypertrophie und Dilatation des rechten Ventrikels. Herzdämpfung nicht deutlich, Spitzenstoss 2!/, (engl.) Zoll nach der Mittellinie verschoben, Puls unregelmässig. Aus- wurf schleimig, blutgestreift. Patient hat Anfälle von Asthma seit 5 Jahren. Die Untersuchung während der In- halation, die nicht bis zur Anästhesie fortgesetzt wurde, zeigte, dass gradatim die Athmung frei wurde. Nach zwei Minuten trat die Luft ohne Pfeifen und Rasseln in alle Theile der Lunge, auch verschwand der auf einem Theile 281 der linken Lunge verstärkte Stimmfremitus, der vorher constatirt worden war. Nach 10 Minuten, vom Ende der Einathmung gerechnet, ergab eine zweite Untersuchung noch verhältnissmässig normales Athmen der Lungen. In der nächsten Nacht hatte Patient keinen Anfall von Asthma, er fühlte im Gegentheil für mehrere Wochen Erleichterung und konnte im Bett liegen bleiben, was ihm lange Zeit unmöglich gewesen war. — Am nächsten Tage zeigte die Auseultation vor der Inhalation Vesieulärathmen in grosser Ausdehnung, nach derselben noch bedeutendere Besserung. Ebenso wurde die Herzthätigkeit und Pulsfrequenz normaler; Patient nahm von da ab täglich Inhalationen von circa 15 Minuten Dauer vor, doch nie bis zur vollständigen An-. ästhesie.e Von der 3. Inhalation ab war Patient frei von asthmatischen Anfällen und wurde nach einem Monat mit der Weisung nach Hause geschickt, bei einem neuen Anfall zurückzukehren. Dies geschah auch, nach einem Gebrauch von vier Inhalationen waren abermals alle Symptome ge- schwunden. Die Herzdämpfung war wieder verkleinert, der Spitzenstoss war an normaler Stelle. Holden empfiehlt die N,O-inhalationen als Palliativ- mittel bei Asthma und Affectionen, die von Bronchialspas- mus begleitet sind, weil diese auf Hyperästhesie der Bron- chialnerven beruhen; bei Phthisikern sind sie mit Vorsicht anzuwenden. W.-Braine berichtet von einem jungen Mäd- chen von 19 Jahren, die trotz mehrerer Cavernen die N,O- narcose gut überstand. Nach 45 Sec. war sie bewusstlos, sie athmete nur flach, der Puls war unverändert, die Lippen und Wangen waren nach Entfernung des Mundstückes cya- notisch. Schon früher erwähnt wurden die N,O-einathmungen der verstorbenen Czarin und des Czar von Russland, um ihre Athembeschwerden zu lindern. Auf Veranlassung des Dr. Johnston machten Blake und Hamilton Versuche über die Wirkungen eines Gemisches von N;0 und Luft bei Agrypnie, nervöser Schwäche und Kopfschmerz. Die Resultate waren überraschend und wurden von Dr. Skene in Brooklyn nach Anwendung des N;O be- stätigt. Die Gasmischung wurde nie bis zur Anästhesie gegeben. Die Wirkung war die wie nach Champagner oder Schaumwein, Patient fühlt sich erleichtert und geistig leben- dig, wird gesehwätzig und bleibt für den Rest des Tages entschieden fröhlicher und thätiger; war er vorher deprimirt, so ist der Effect noch entschiedener. Als Mittel gegen Schlaflosigkeit ist es einzig; selbst früh oder Mittags gegeben, bewirkte es einen erquickenden Schlaf, selbst dann, wenn er vorher nicht gefunden wurde. Auch bei chronisch Irren sahen sie eine gute Einwirkung, wenn N,O längere Zeit gegeben wurde. Besonders wird es von beiden bei Alcoholismus und der ersten Periode des Delirium tremens empfohlen. Dr. Skene empfiehlt zur Untersuchungvon Geistes- kranken, die sich nicht untersuchen lassen wollen, die N,O- narcose. Das Gas wird per Maske zugeführt, während der Patient auf dem Tische liest oder sitz. Nach nicht zu tiefen Narcosen sind noch keine Nachtheile beobachtet, N,O scheint sogar bei Hinfälligkeit des Nervensystems als Toni- cum zu wirken. In jüngster Zeit hat S. Klikowitsch nach der weiter unten beschriebenen Methode P. Bert’s in der Botkin’schen Klinik (Petersburg) ein Gemisch von 4 Thl. NO und 1 Thl. O beiinneren Krankheiten mit Erfolg angewandt. Bei Angina pectoris wurden in mehreren Fällen schon nach 5 bis 10 Inhalationen Abkürzung und Erleichterung der Be- schwerden beobachtet; in Anfällen von Stenokardie bei Aorteninsufficienz, die durch Coffein und CHC], nicht er- leichtert wurden, trat nach 5 bis 6 Inhalationen Schlaf ein, der 1—2 Std. anhielt. Ebensolche Resultate wurden er- zielt bei einem Fall von Asthma bronchiale, in einem Fallvon Aneurysma Aortae mit qualvollen reflectorischen Husten-Paroxysmen und bei Phthisikern durch Verminder- ung des Hustens und Hervorbringung von Schlaf. In andern Fällen war N,O unwirksam, doch niemals trat Verschlimme- rung ein. Ueber Anwendung des N,O in der Augenheilkunde - liegen nur Berichte vor aus der Zeit der zweiten Periode, in der das Gas eine allgemeine Beachtung in Europa fand (1868 ete.). Man erkannte sehr bald den problematischen Werth der N,O-narcose bei den Augenoperationen; ‚der Ben. 283 Patient musste anfangs sitzen zur Inhalation, damit nicht etwa Speichel in die Luftwege gelangte; war die Narcose vorhanden, so musste Patient in eine mehr liegende Stellung gebracht werden. Das raubte Zeit und ev. erwachte der Kranke schon während der Operation. Ohne gute Assistenz ist an eine Augenoperation in der N,O-narcose gar nicht zu denken. Dann sind höchst störende und unangenehme Zufälle das Auftreten der Muskelcontractionen, der damit oft verbundene Strabismus und das Hervortreten des Bul- bus. Trotz alledem wurden von Walton (London) und Meyer eine ziemliche Anzahl Augenoperationen unter N,O-narcose 1868 vollendet: Strabotomie, Staarextractionen, Iridectomie, ebenso von Critschett und Lanson. Rendle berichtet 1869 über gut verlaufene Operationen unter N,O-narcose und zwar über 7 Fälle von Strabotomie, 6 Fälle von Iridecetomie, 8 Fälle von Lidoperation, Entfernung einer getrübten Linse, Erweiterungen des Nasenthränenkanals. Die Narcosen ver- liefen ohne unangenehme Zufälle. Die kürzeste Zeit bis zur Anästhesie war 60 Sec., die längste 150 See.; die An- ästhesie selbst dauerte einmal 13 Min., 5 mal 6 Min., 5 mal 4 Min. ete. N,O wird von den Anhängern der N,O-inha- lationen zwar als sehr geeignet für Operationen am Auge empfohlen, doch sind keine Angaben in der (durchgesehe- nen) Literatur vorhanden als die oben verzeichneten. Dr. Darin empfahl zuerst, die N,O-inhalationen bei in- termittirenden Schmerzen anzuwenden und machte auf ihre Anwendung in der Geburtshilfe aufmerksam. Die Wirkung des N;O ist nur eine kurz dauernde, sie würde also der Dauereiner Wehe entsprechen und während derselben den Schmerz mildern. Er selbst stellte keine Versuche an; erst Klikowitsch hat 1880 begonnen, N,O in der Gynäkologie zu verwerthen, wozu er durch folgenden Fall bestimmt wurde: Eine Frau, 28 Jahr alt, litt an Pelveoperitonitis mit Bildung von periuterinen Abscessen. 6 Tage lang zeigte sich ohne Magenerkrankung Uebelkeit, der nach 20— 30 Minuten Er- brechen folgte; dies wiederholte sich in 24 Std. 8— 12 mal; alle bekannten Mittel blieben fruchtlos. Die Inhalationen eines Gemenges von 4 Thl. N;O und 1 Thl.O kürzten die Uebelkeit ab und liessen es nicht zum Erbrechen kommen. 284 3 Tage lang wurde es immer mit demselben Erfolg gegeben; als reines N,O angewandt wurde, erbrach Patientin !/, Glas voll grünlichen Schleimes. In Folge dessen machte K. folgenden Versuch: 2 junge Hunde desselben Wurfes, fast von gleichem Gewicht, wurden mit Apomorphin behandelt und die kleinste wirkende Dosis bestimmt. Nach 0,008 gr, erfolgte nach 5 Minuten etwa 4—7mal bei beiden der Brechact. Bei Inhalation des Gasgemisches erfolgte 1) der Brechact gar nicht oder 2) erst nach 15 bis .20 Min. oder 3) erst, wenn das Thier wieder in Freiheit war. Auf Grund dieser Resultate erprobte K. das N,0 in der Klinik des Prof. K. F. Slawjanski bei übermässigem Er- brechen der Schwangeren und dann auch beim Ge- burtsact, da ein Gemisch von 4 Thl.N,O und 1 Thl. O die Schmerzempfindlichkeit abstumpft und diese Wirkung mit dem Ende der Inhalation aufhört. Bei Beginn der Wehe erhebt sich der Schmerz und hört mit ihr auf; während dieser Zeit verabreichte Klikowitsch das Gasgemisch mit viel Erfolg. Die Gebärenden schreien nicht, nur zuweilen stöhnen sie leicht. Nach ihren Aussagen ist der Schmerz ent- weder ganz aufgehoben oder bedeutend verringert. Gebä- rende, die sich erst gegen die Inhalationen gesträubt, verlang- ten sie dringend, als sie die gute Wirkung kennen lernten, und liessen das Inhalationsrohr nicht wieder aus der Hand. In zwei Fällen stiessen die Gebärenden während des Durch- schneidens des Kopfes keinen Schrei aus. ' Das Bewusst- sein ist während des Inhalirens vollkommen erhalten und das erlaubt, die sogenannten Hilfskräfte zu benützen. Auf Häufigkeit und Kraft der Uteruscontraetionen war weder ein plötzlicher noch ein andauernder Einfluss zu bemerken. Die Zahl der Herzschläge bei Mutter und Frücht ist zu- weilen beschleunigt, zuweilen vermindert, jedenfalls ist der Effect unwesentlich. Die Kinder kamen lebend, nicht asphyctisch zur Welt, mit Ausnahme eines Falles, wo die Nabelschnur doppelt um den Hals geschlungen war und . den Tod veranlasst hatte. Weitere Versuche sind noch nicht veröffentlicht, stehen aber für nächste Zeit bevor. Am häufigsten — vom Gebiete der Zahnheilkunde abge- sehen — wurde die N,O-narcose in der Chirurgie bei 285 verschiedenen Operationen benützt. Die erste chirurgische Operation war die Entfernung eines Tumors am Hoden, die ein Freund des H. Wells ausführte, während Wells selbst die Narcose leitete, ebenso wie bei einigen kurz darauf folgenden Operationen. Später war einer der ersten, der unter N,O-narcose operirte, Coleman; Exeisionen von Bursae patellares, Condylomen, Amputationen von Zehen, Eröffnung eines Abscesses in der Glutaealregion wurden von ihm ohne üble Zufälle ausgeführt. Marion Sims amputirte eine Mamma, während Dr. Evans 16 Minuten lang die Patientin mittelst N,O anästhetisch hielt; bei einer anderen Operation dauerte die Anästhesie 20 Minuten und M. Sims empfahl daher das Gas besonders für Ovariotomien wegen der fehlenden Nausea. Das Fehlen dieser wird auch von Blanchet in Quebee hervorgehoben, der eine Mamma mit den Achsel- drüsen einer Frau unter N,O-narcose exstirpirte, ohne dass die Kranke, die früher 3 Tage lang nach Chloroform ge- brochen hatte, irgend belästigt wurde. — Nelaton entfernte einen wallnussgrossen, harten Krebsknoten in der Nabel- gegend bei einer kräftigen gesund aussehenden Italienerin unter N,O-narcose, die sehr gut verlief, trotz langer Dauer derselben (20 Minuten). Dr. Landıy nahm im Höpital de marine die Amputation eines Fusses vor, der in Folge Er- frierens gangränös geworden war. Die N,O-narceose währte sehr lange; Patient, der mit offenen Augen dalag, schien sich der Operation bewusst zu sein, gab jedoch kein Zeichen von Schmerz. — Bei einer sehr schwachen Patientin wandte Dr. Carnochan-New-York N;O bei Exstirpation eines Mamma- carcinoms an, ohne den Schwächezustand der Kranken zu erhöhen. — Rendle benützte N,O ziemlich häufig bei Ent- fernung eingewachsener Nägel, Eröffnung von Abscessen, Reduction von Paraphimosen, Exstirpation kleiner Cysten ete. — Andrews berichtet über vorgenommene Fingeram- putationen, Operation von varicösen Schenkelvenen unter N,O-narcose. Wie man aus den angeführten Beispielen leicht sieht, ist die Anwendung der reinen N,O-nareose in der Chirurgie nur auf ein bestimmtes Gebiet von Operationen beschränkt, vorzüglich solcher, deren Ausführung nur kurze Zeit bean- Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. 19 EEE 286 sprucht und bei denen der nachfolgende Wundsehmerz nur unbedeutend ist. Dass in Folge dessen das Gas den meisten Chirurgen als Anästheticum nicht genügte, geht schon aus seiner spärlichen Benützung zu chirurgischen Zwecken her- vor und aus der Reserve, die Chirurgen von Fach ihm gegenüber beobachteten. Die Einführung scheiterte eben an der ungenügend langen Anästhesie und man war bestrebt, einen Modus zu finden, dieselbe nach Belieben zu verlängern; man unterbrach die Inhalationen, man er- fand Gasgemische, man setzte die durch N,O erhaltene Narcose durch Aetherdämpfe fort — aber alles, ohne dem N;0 eine warme Empfehlung zu verschaffen. Da gelang es a. 1878 endlich Paul Bert, auf Grund theoreti- scher Ueberlegung eine Vorrichtung zu finden, die der Einführung des NO als Anästheticum selbst zu den schwersten und längsten Opera- tionen nichts weiter entgegensetzt, abgesehen von einigen später zu erörternden Punkten. Die theoretischen Prineipien der Narcose unter Druckerhöhung, die schon im geschichtlichen Theil p. 25 auseinandergesetzt sind, gaben bei den an Thieren zuerst ausgeführten Experimenten gute Resultate. Im Monat Mai 1878 stellte P. Bert mit einem iungen Hunde, einem sehr lebhaften Kläffer Versuche an; bei normalem Druck und Luftathmung war die Athmung 12, der Puls 136 pro Minute, Temperatur im Anus 38,8. Als die Quecksilbersäule 20 Ctmtr. Ueberdruck zeigte, war die Respiration 12, Puls 130, Temp. 38,4. Darauf bei demselben Druck Inhalation des Thieres aus einem Kaut- schuksack, der 60 Liter eines Gemenges von N,O und O im Verhältniss von 80:20 enthielt. Nach Verlauf von einigen Minuten brachten Kneipen, Zerquetschen der Zehen, Stechen keine Zeichen von Schmerz hervor; eine Vorderpfote, die losgemacht wurde und deren Zehen man stark stach, ‘wurde nicht zurückgezogen. Das Thier schien mehr einem Thier ähnlich, das von Morphiumwirkung befallen, als einem chloroformirten. Nach 35 Minuten war die Respiration 14, Puls 144, Temperatur 38,0, das Gas aufgebraucht. Gleich nach Entfernung des Beisskorbes bewegt der Hund seine Pfoten, holt tief Luft und reagirt auf die kleinsten Stiche 287 durch lautes Heulen; kaum ist er abgebunden, so entflieht er. — Dieser Versuch ergab also eine deutliche Analgesie ohne Erscheinungen der Aufregung, und ohne Kreislaufstör- ungen; der Zustand unmittelbar hinterdrein war normal, ohne Unannehmlichkeit für's Sensorium. — Die nächsten Ver- suche ergaben dieselben Resultate; die Cornea war stets unempfindlich, Reizung blosgelegter Nerven wurden reflex- los ertragen, Glieder wurden ohne Schmerzenszeichen am- putirt ete. etc. Die Thiere schienen todt, wären nicht die Respirationen regelmässig ausgelöst worden. Dies konnte 1 —1 Stunde fortgesetzt werden, das Blut behielt während der Zeit seine gewöhnliche Farbe und seinen O-gehalt, das Herz seinen normalen Schlag, die Temperatur ihre constante Höhe. Wurde der Sack, aus dem geathmet wurde, entfernt, so waren die Thiere nach 3 bis 4 Athemzügen in frischer Luft wieder in Besitz von Empfindung, Willen und Instinet und rannten weg, wenn sie losgebunden wurden. Aus diesen Experimenten ging nun die Unschädlich- keit des N,0, unter Druckerhöhung angewandt, hervor; P. Bert konnte es deshalb nur lobend empfehlen und nicht lange darauf wurde auch in der von Bert angegebenen und noch zu beschreibenden Weise mit Erfolg N,O bei Men- schen angewandt. Der 1. Fall betraf ein junges Mädchen von 20 Jahren, dem ein incarcerirter Nagel und das betr. Nagelbett entfernt werden sollte. Am 13. Febr. 1879 Vor- mittags 11 Uhr traten in die: grosse pneumatische später beschriebene Glocke im Etablissement a6rotherapique (Rue Maleherbes, Paris), das unter Leitung des Dr. Dupley steht, die Kranke, der Operateur Dr. Leon Labbe, Preterre, Reg- nard, Laffont, Blanchard und Paul Bert. Nach 10 Minuten - war der Druck um 17 em erhöht, doch bemerkte Niemand etwas besonderes, ausgenommen etwas Ohrensausen und Druck aufs Trommelfell, der durch Schluckbewegung aus- geglichen wurde. Preterre applieirte das Gemisch von N;0+0. Nach einigen Secunden begann Patientin tief zu athmen und sogleich trat Insensibilität, Muskelerschlaffung ein. Jetzt wurde operirt, ohne dass die Patientin ein Zeichen des Schmerzes äusserte. P. Bert beobachtete den Puls; er war in den ersten 10 Secunden etwas beschleunigt gewesen, , 19* 288 dann aber normal; die Augen waren geschlossen, unempfind- lich, Pupille ein wenig verengt. Als nach 4 Min. die Ope- ration beendigt war und der Verband angelegt wurde, er- folgte eine Contractior der Hände und Füsse. Jetzt wurde das Mundstück entfernt (11 Uhr 15 Min.) und sogleich liessen die Contractionen nach. Die Pat. blieb noch 1/, Minute unbeweglich, dann sagte sie unter Thränen: „Mein Fuss schmerzt.“ Nach Verlauf einer Minute fühlte sie sich wieder wohl, behauptete nichts von Schmerzen empfunden zu haben und sagte: „Mir war, als ob. ich zum Himmel ginge und als ob ich ihn über mir in vollem Blau mit schönen Sternen bedeckt sah“. Sie klagte über keinerlei Unbehagen und wünschte sofort zu frühstücken. — Diese Operation unter N,O-narcose a la Paul Bert bestätigte die Resultate, die Bert schon früher bei Hunden erhalten hatte; ebenso eine zweite Operation, die sehr bald darauf von dem Chirurgen Pean ausgeführt wurde. Es handelte sich um die Abtragung einer Brustdrüse wegen Careinom bei einer 40 Jahr alten Frau, Patientin des St. Louishospitals. Dieselbe wurde in einer der Glocken des Etablissement aerotherapique des Dr. Fontaine vorgenommen. Rottenstein leitete die Inhalation des Gasgemisches, die 1 Uhr 9 Min. begann, wo der Druck schon um 18 em erhöht war. Pat. ruhig, unbewegt. Pean begann 1 Uhr 10 Min. 15 Sec.; Regnard, Nitot, Brochin assistirten. Pat. fühlt nichts bei den beiden elliptischen Schnitten um den Tumor. 1 Uhr 12 Min. ist die Mamma entfernt, nach 2 Min. sind die Schieber angelegt. 1 Uhr 15 Min. leichtes Erwachen, die Kranke sagt einige Worte, bringt die Hand an die Wunde, scheint etwas Schmerz zu fühlen, ohne sich der vollendeten Operation bewusst zu werden. Die einen Moment unter- brochenen Inhalationen werden wieder aufgenommen und die Wundränder unter absoluter Ruhe der Pat. vereinigt. 1 Uhr 20 Min. werden die Inhalationen sistirt, der Verband wird bei comprimirter Luft angelegt. Von 200 Liter Gas waren 150 L. verbraucht. 1 Uhr 25 Min. steigt die Ope- rirte allein vom Operationstischh. — Auch in diesem Falle war der Puls zu Beginn der Inhalation frequenter (104) ge- wesen, wurde aber sehr bald wieder normal; ebenso war ee Eee N rain een UNS 289 von Exeitationsstadium, Asphyxie etc. nicht das geringste zu bemerken. Paul Bert hatte seine Thierversuche mit Hilfe eines Apparates ausgeführt, der im Laboratorium für experimen- telle Physiologie der Facultät der Wissenschaften zu Baris aufgestellt ist. Derselbe besteht aus einem Zimmer von Eisen- blech, ist 2,58 m hoch und 1,46 m im Durchmesser und wird durch eine Doppelthür von der atmosphärischen Luft abgeschlossen; mehrere starke Fenstergläser sind in das Eisenblech eingelassen und geben zu den diffieilsten Ex- perimenten Licht; Manometer und Thermometer befinden sich sowohl innen als aussen am Apparat; verschiedene Kautschukhähne resp. -röhren sind angebracht, die 1) mit der Atmosphäre, 2) mit der Compressions- und 3) mit der resp. Depressionspumpe in Verbindung stehen und durch die der Druck im Innern des Zimmers geregelt wird. Ein Operationstisch, unter welchen der Gasballon zu liegen kommt, nimmt den einen Theil des Raumes ein, lässt aber noch hinreichend Platz für den Operateur und einen Assisten- ten. Die Compressionspumpe befindet sich ausserhalb des beschriebenen Apparates; die comprimirte Luft wird vermit- 'telst Kautschukröhren durch einen Behälter mit kaltem Wasser behufs Abkühlung nach dem pp. Zimmer geführt, wo sie durch die erwähnten Hähne eingelassen werden kann; _ unterwegs wird sie noch durch eine Vorrichtung gereinigt. Die aörotherapeutischen Cabinete der DDr. Daupiey und Fontaine, in denen die ersten Operationen ausgeführt wurden, unterscheiden sich von dem Versuchszimmer P. Bert’s nur durch ihre Grösse; es war in ihm ein Bett aufgestellt und ausserdem genügte der Raum für die Anwesenheit einer Anzahl Assistenten. In einem Zeitraume von 3 Monaten operirte Dr. Pean 23 mal in dem Etablissement des Dr. Fon- taine nach der neuen Methode, Dr. Hubert 3 mal, Dr. Bou- cheron einmal. Der angewandte Druck schwankte zwischen 18 und 26 cm; die Operationen verliefen äusserst günstig, die Anästhesie war stets vollständig. Der ausgezeichnete Erfolg wurde Veranlassung, auf Vermeidung der Unbequem- lichkeiten bedacht zu sein, die der Transport der Kranken nach dem betr. Institut, die Aufnahme in das Hospital ete. 290 mit sich brachten. Dr. Fontaine liess deshalb ein Zimmer von Eisenblech bauen, das sehr leicht von Ort zu Ort ge- schafft werden kann; dasselbe steht auf einem kleinen Wagen mit 4 Rädern, Deichsel ete., ist 2 m breit, 3,50 m lang und 2,65 m hoch und kann bequem 10—12 Personen fassen. Das Licht dringt durch 10 runde Fenster, die wie ‚die Fenster in den Schiffscajütten in die Wände eingelassen sind und von denen sich 4 gerade über dem in der Mitte des Zimmers stehenden Operationsbett befinden; die innen weiss lakirten Wände des Zimmers reflectiren das einfallende Licht sehr stark; das Licht kann auch dureh Aufhängen hell brennender Lampen hervorgebracht werden. Im übrigen sind die Einrichtungen wie bei der pneumatischen Glocke, nur muss die Druckpumpe, die in den Instituten durch-einen hydraulischen Motor in Bewegung gesetzt wurde, durch 7 bis 38 Männer vermittelst zweier Hebelarme thätig gemacht werden; ein ingeniöser Refrigerateur hindert das zu starke Erhitzen der übergeführten Luft. Dieses so hergerichtete Zimmer wird nun, wenn eine Operation in der Stadt vor- liegt, in den Hof des betr. Hauses gefahren, der Pat. wird in seinem Bett ebendahin transportirt und auf den Operations- tisch getragen. Das Zimmer wird dann durch die Doppel- thür hermetisch verschlossen, der Druck nach Bedarf er- höht und die Operation begonnen. Dass auch diese Einrichtung des Dr. Fontaine sich be- währte, beweisen die bis jetzt veröffentlichten (weit über 100), ausgeführten Operationen. Aber trotz der unleugbaren Vortheile, die diese Methode bietet und trotz der vielfachen von Pariser Chirurgen ausgehenden Empfehlungen wird sie sich doch schwer in die Praxis einführen. In der Kriegs- ‚chirurgie ist sie absolut unbrauchbar; für Hospitäler ist die Anschaffung des eisernen Zimmers zu theuer, wahrschein- lich auch für die Kliniken, in denen ausserdem auf eine grössere Anzahl Zuhörer Rücksicht genommen werden muss und ein gewöhnliches derartiges Zimmer nur 12 Per- sonen aufnimmt. Der Preis eines 300 Personen fassenden Zimmers würde nach Dr. Fontaine 30000 fr. kosten; das Zimmer, welches 12 Personen fasst, hat einen Werth von 10000 fr. Dann würde das Einführen des beweglichen 291 Zimmers in die Häuser der Stadt Einrichtungen erfordern, die sich selbst in grossen Städten nur mangelhaft finden; von den Erkältungen, die sich die Patienten beim Transport vorzüglich im Winter zuziehen könnten, müsste man ausser- dem noch absehen. Die Unannehmlichkeiten, die der Auf- enthalt in der comprimirten Atmosphäre für Operateur und Assistenten hat, sind von geringer Bedeutung. Die durch die neue Art der Anästhesie in Paris er- rungenen Vortheile wurden in Frankreich mit der grössten Spannung erfolgt. Von Toulouse, Bordeaux etc. kamen die klinischen Chirurgen, einzig und allein, um sich persönlich von den Thatsachen zu überzeugen; von allen Seiten wurden die Vorzüge der neuen Anästhesie anerkannt. Die Univer- sität Edinburg ehrte den Erfinder der neuen Methode da- durch, dass sie ihm den Preis Cameron, den grossen Preis der Therapeutik zuerkannte. Unter den Operationen, die Dr. Pean in der pneu- matischen Glocke des Dr. Fontaine ausführte, sind 3 Ent- fernungen von Brustdrüsen, 4 Operationen an Knochen, 6 Exstirpationen verschiedener Tumoren, eine Resection des Nerv. infraorbitalis erwähnenswerth, ausserdem 2 Reduetionen von 3 bis 4 Tage alten Luxationen des Schultergelenkes. Die längste Anästhesie, die nöthig war, betrug 26 Minuten. Excitation war nie vorhanden, das Sensorium war !/, bis 1 Min. nach Aufhören der Inhalation wieder frei, doch war Analgesie noch 2—3 Min. vorhanden. Die Patienten ver- liessen dann, ohne Schmerzenszeichen von sich zu geben, die Glocke; häufig verlangten sie zu essen. 3 mal be- obachtete P. Bert Nausea, was jedoch mit der ersten Be- nützung von neuen Kautschukmundstücken resp. -säcken zusammenfiel, wodurch es wahrscheinlich veranlasst wurde. Ein ziemlich häufiger Zufall, der einigermassen beunruhigen könnte, ist die Contraction einzelner Glieder. Bert fand, dass dies nur geschieht, wenn der Druck nicht ausreichend war; eine Erhöhung desselben um 0,02—0,05 m beendete sie schnell. Bei einem potator strenuus, bei dem es sich um eine Luxation handelte, musste der Druck um 0,26 m erhöht werden, um Insensibilität und Relaxation der Muskeln zu erhalten. 292 Nach der Einrichtung der beweglichen Glocke operirten von da ab Dr. Pean im St. Louishospital und Dr. Leon Lahb& in Lariboisiere. Am 7. Mai 1880 führte Dr. Perier im Hospital St. Antoine, Dr. Ledentu am 20. Mai im Hospital St. Louis seine erste Operation unter derselben Glocke aus. Von Brüssel kam ein Chemiker Dehaut nach Paris, um die neue Methode der Anästhesie kennen zu lernen, und war davon so entzückt, dass er den Dr. Deroubaix, Professor der Chirurgie am Johanneshospital zu Brüssel veranlasste, mit Hilfe der neuen Methode zu operiren; es wurde das dazu nothwendige Zimmer bestellt und schon am 20. April 1880 wurden zwei Operationen mit glänzendem Erfolg vollendet; am 27. desselben Monats gaben 4 andre eben so glücklich verlaufene Operationen Zeugniss von der Brauchbarkeit der neuen Erfindung. Unter den Operationen, die P&an und Labbe ausführten, sind veröffentlicht: Resectionen von Metatarsalknochen, Ent- fernungen von Lippen- und Mammacareinomen, Extractionen von Sequestern, Beseitisungen von 8 Anusfisteln, Abschnüren von Tumoren an der Vulva vermittelst Thermocautere, eben- so von Hämorrhoiden, Amputation eines Oberschenkels ete, In Paris sind eine Anzahl Chirurgen von der neuen Anästhesirungsmethode so begeistert, dass sie ihr eine grosse Zukunft prophezeien und das Chloroform schon ganz abge- schafft sehen. So schreibt Blanchard in seiner „Anesthesie par le protoxyde d’azote etc.“ folgendes: „Actuellement, les chirurgiens de Paris ont fait pres de 150 operations, qui toutes ont &t6 couronndes du succes le plus brillant. La methode est en bonne voie et il n’est pas douteux, que d’iei a peu de temps elle ne parvienne, au moins la pratique hospi- taliere et dans la client&le de ville, a remplacer le chloroforme dans tous les cas ou on gest servi jusqu’a present de cet agent. Les höpitaux possederont sans doute bientöt, des appareils necessaires a la compression de l’air et il sera des lors facile de generaliser l’emploi d’une methode qui a toujours donne jusqu’a present, tant sur ’homme que sur les animaux, les resultats les plus remarquables.“ Se 293 Vorzüge der N;0-narcose. Seit der Methode Paul Bert's existiren zwei sowohl theoretisch als practisch ganz verschiedene N,O-narcosen ; die eine (die ohne Druck) ist eine Asphyxie, deren Berech- tigung zur Anwendung als Narcose sich auf zwei wesent- liche Thatsachen stützt: 1) steht das Herz bei N,O-asphyxie viel, viel später still, 2) tritt die Gefühllosigkeit dabei viel, viel eher auf als bei gewöhnlichen Erstickungen. Die Vorzüge, die diese Narcose vor den durch andere Anäs- thetica hervorgebrachten hat, sind entschieden zu hoch ange- schlagen; für Zahnoperationen ist diese Narcose ja vorzüg- lich, doch hindert eben ihre kurze Dauer, das zu schnelle jurückkehren zum Bewusstsein ete. ihre Anwendung zu anderen, grösseren Operationen. Sie tritt entschieden hinter der Chloroformnarcose zurück. — Die zweite Art der Nar- cose (die unter Druckerhöhung) ist dagegen eine reine Nareose, die mit der Chloroform- und Chloralnareose sich nur schwer vergleichen lässt, bevor man die Einwirkung des N,O auf die Ganglienzellen des Grosshirns nicht kennt, ob es dieselben chemisch affieirt und dadurch lähmt. Thut es dies nicht — und dies ist wahrscheinlich — so ist die Bert'sche Narcose die idealste Nareose der Welt. Nach den früheren Anschauungen (Hermann, Goltstein ete.) dürfte nach Einathmung eines solchen Gasgemisches überhaupt keine Narcose entstehen, da keine Asphyxie folgt. Bert hat nun aber nachgewiesen, dass doch Anästhesie eintritt, und hat dadurch alle Hypothesen, die über die N,O-narcose existiren, umgestossen, auch die Goltstein’s. Dies Bert’s Ver- dienst. Die Bert’sche Narcose beschränkt nicht (wie Chloro- ' form, Aether) die Respirationsthätigkeit dadurch, dass sie die Athemwege mit irrespirablen Dämpfen füllt; das initiale Sta- dium der Exeitation, das bei anderen Narcosen stets vorhan- den, fehlt vollständig und schon nach 60—80 Sec. ist eine An- ästhesie vorhanden, die bei der absoluten Ruhe des Patienten die subtilsten Operationen erlaubt. Nachwirkungen sind nie vorhanden; bald nach der Narcose stellt sich das Bewusst- sein und das frühere Wohlbefinden wieder ein. Die event. auftretenden Muskelcontractionen können durch Druckerhöh- ung leicht rückgängig gemacht werden und die erwähnten 1 u K La 294 3 Fälle von Nausea, zu denen kein neuer hinzugekommen st, fanden ihre Erklärung in der Benützung der neuen Kautschuksäcke. Contraindieationen giebt es bei dieser Narcose nicht. Die Vortheile der N,O-narcose unter Druck vor Aether, Chloroform etc. ergeben sich aus dem Gesagten von selbst; die Bert’sche Narcose lähmt kein einziges Organ, sie fügt dem Körper überhaupt keinen Schaden zu und könnte wohl Tage lang fortgesetzt werden, während alle andern Nar- cosen dabei deletär wirken. Ueber den Vortheilen, die NO vor den andern 'An- ästheticis bietet, sind seine Nachtheile nicht zu vergessen. Jedenfalls ist N5O weniger bequem und theurer als CHCI, ; will der Operateur das Gas selbst darstellen, so braucht er dazu complieirte Apparate (s. o.) ete. und die Darstellungs- weise selbst ist mühsam und zeitraubend, ev. muss die Nacht zur Zubereitung benützt werden. Dann lässt sich N,O nur schwer transportiren, ausser im flüssigen Zustande. Ferner handelt es sich um die oben beschriebenen Apparate zur Applicirung des Gases, deren Anschaffung immerhin ziemliche Kosten verursachen. Welche Schwierigkeiten der Geldpunkt nun erst bietet, wenn eine Narcose a la Paul Bert stattfinden soll, ist schon oben erwähnt worden. Das Bert’sche Verfahren muss wohl noch Vereinfachungen und Verbesserungen zulassen; denn ebenso gut wie man am Waldenburg’schen Apparate den Druck mit Hilfe von Gewichten auf 1!/, Atmosphären ohne besondere Kosten und Mühe steigern kann, so kann man es natürlich auch am N,0- sasometer. Hat man nun ein Mundstück mit In- und Ex- spirationsventil und athmet aus einem Gasometer, der eiu Gemisch von N,O+0 im Verhältniss von 4:1. enthält, und durch Gewichte unter 1!/; Atmosphärendruck gebracht ist; athmet man ferner die Exspirationsluft in einen Gasometer mit 1'/, Atmosphärendruck, so müsste man eine Bert’sche Narcose erhalten, die an Billigkeit nichts zu wünschen übrig lässt und in allen Kliniken leicht zu beschaffen ist. In praxi sind derartig modifieirte Bert’sche Nareosen noch nicht versucht, es wäre sehr zu empfehlen, dieselben an Thieren zu erproben und tagelang zu unterhalten, um auf diese Weise hinter die Wirkung des Gases zu kommen. Der- ee artige Narcosen würden sich auch vorzüglich bei den diffi- eilsten physiologischen Untersuchungen an Thieren verwen- den lassen, da die Qualen der Vivisection vollständig be- seitist würden, ohne das Experiment selbst zu beeinflussen. Die geburtshilflichen Versuche von Klikowitsch deuten ferner noch an, dass es eine Narcose geben kann, bei der zwar aller Schmerz, nicht aber das Bewusstsein aufgehoben ist. Das wäre natürlich die alleridealste Narcose. Auf alle diese Punkte macht Dr. Kappeler in seinem Buche: „Anaesthetica. Deutsche Chirurgie. Stuttgart 1880“ nicht aufmerksam, ebensowenig v. Ziemssen’s Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie. Leipzig 1881. Die neue N,O-narcose unter Druck und deren ev. Verein- fachung sind nicht erwähnt; die Literaturübersicht bringt nur eine beschränkte Anzahl von Titeln der N,O-brochüren ete. ete. Verf. glaubt deshalb, dass seine Zusammenstellung alles über N,O bekannten nicht unangebracht ist. Literaturübersicht. .1. Davy, Chemische Untersuchungen über ein gasförmiges Oxyd des Stickstoffis. 1799. 2. Beddoes, Dr., Ueber Stickoxydulsversuche. Nicholson’s phil. Journal for May. 1799. 8. Derselbe, Bericht über einige im pneumatischen Institut ge- machte Beobachtungen (auch über N50). Bristol 1799. 4. Davy, Humphry, Chemische u. philosophische Untersuchungen, besonders betreffend Stickoxydul oder die dephlogistieirte Salpeterluft und deren Inhalation. London 1808 (englisch). 5. Humphry Davy’s chemische und physiologische Untersuch- ungen über das oxydirte Stickgas und das Athmen desselben. Aus dem Englischen übersetzt. Lemgo 1812. 6. Faraday, Condensation des Stickoxyduls zu einer Flüssigkeit. Philadelph. Transact. 1823. p. 1. 7. 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Derselbe, Notiz über Anaesthesie vermittelst Stickstoffprot- oxyd. Gaz. Med. de Paris März 10, 1879, p. 123. 254. Derselbe, Anwendung des Stickstoffprotoxyds als Anaesthe- ticum bei chirurgischen Operationen. Gaz. de Paris 1879, 17, p. 219. 255. Derselbe, Anaesthesie durch ein Gemisch von Stickstoff- protoxyd und Sauerstoff unter hohem Druck angewandt. Gazette med. de Paris Aug. 16, 1879, p. 42. 256. Derselbe, Anaesthesie vermittelst Protoxyde d’azote und Sauerstoff, unter Druck angewandt. Compt. rend. LXXXIX. 1879, =N0. 3, P:: 132. £ 257. Walter Georg Gordon Jones, NO. The Monthly Re- view of Dental Surgery. 1879, Vol. VIII, p. 453. 258. Regnard, Neue Fälle von Anaesthesie, mit Hilfe von Prot- oxyde d’arote erhalten, unter Druck angewandt. Gaz. med. de Paris 21. 1879, p. 274. 310 259. Fall von Anaesthesirung einer jungen Dame durch ein Ge- misch von 85 Thl. NO und 15 Thl. O unter erhöhtem Druck. Gaz. med. 1879, No. 10, p. 123. 260. Rottenstein, Dr. J. B., Theoretische und praktische Ab- handlung über Anästhesie in der Chirurgie. Paris 1879. 261. Blake, John; Ellis. M. D. and Hamilton, Alan Me Lane M. D., Vorläufige Mittheilung über die Anwendung von ver- dünntem Stickstoffprotoxyd. The Med. Ricord. New-York 1880, Jan. 80, p. 118. 262. Bert, P., Anaesthesie für chirurgische Operationen geeignet, vermittelst eines Gemisches von Stickstoffprotoxyd und Sauerstoff bei Druck. Gazette des höpitaux. Paris 1880. Febr. 24. No. 23, p. 177. 263. Bert, Ueber den Gebrauch von Stickstoffprotoxyd bei chi- rurgischen Operationen von längerer Dauer. Progr&s medical 28. Fevr. 1880. 264. Landowski, Paul Dr., Gemisch von Stiekstoffprotoxyd und Sauerstoff unter Druck eingeathmet als Anaestheticum. Journ. de therap. Paris März 10. 1880. No. 5, p. 183. 265. Lee, Benjamin, Stickstoffoxydul als Heilmittel. New-York ; med. Record. XVII. Mai 18, 1880. 266. Schrauth, Carl, Stiekstoffoxydulgas und seine Anwen- dung in der chirurg. Praxis. Bayr. ärztl. Intell.-Blatt. XX VII, 28. 1880. 267. Bert, P., Ueber den Gebrauch von Protoxyde d’azote bei länger dauernden chirurgischen Operationen. Le progres medical. 1880. No. 9. Cf. Centralblatt für Chirurgie. Mai 8, 1880. 268. Bird, T., Ueber die Anwendung des Stickstoffoxyds. Med. Times and en p- 23, Juli 3, 1880. 269. Notiz über ein neues Anaestheticum: Stickstoffoxydul und Aetylenchlorid. Chemische Rundschau in der Pharmaceutischen Zei- _ tung. Bunzlau und Berlin. 25. Jahrgang. Juli 7, 1880, No. 54, p. 407. 270. Fox, Franeis; W. Donald Napier, Ueber die Anwen- dung des Stickstoffoxyduls. Med. Times and Gazette. Juli 10, 1880, p. 31. 271. Blumm, Vincenz, Ist es gerechter, Frauen in schwange- rem Zustande mit Stickoxydulgas zu anaesthesiren? Deutsche Viertel- Jahrsschrift f. Zahnheilkunde. Juli, 1880, 272. Deroubaix, Anaesthesie durch Mischung von Stickstoff- protoxyd und Sauerstoff. Presse med. XXXII. 19. 1880. 273. Blanchard, Ueber Anaesthesie durch Protoxyde d’azote. Paris. Delahaye & Lecrosnier. pp. 101, 1880. 274. Klikowitsch, Dr. $., Vorläufige Mittheilungen über die therapeutischen Wirkungen des Stickoxyduls. Petersburger Med. Wochenschrift Juli 26. (Aug. 7.), 1880. | 275. Derselbe, Vorläufige Mittheilungen über die therapeutische Wirkung des Stickoxyduls. Archiv für innere Krankheiten von Prof. S. P. Botkin. Petersburg 1880. 311 276. Derselbe, Ueber die therapeutische Wirkung des Stickoxyduls in einigen Krankheiten. Vorl. Mittheilung. Petersb. Med. Wochen- schrift. 1880, Nr. 15. 277. Handbuch der Intoxicationen v. Böhm, Naunyn und v. Böck (behandelt auch N,0). Leipzig 1880, p. 156. 278. Nothnagel und Rossbach, Handbuch der Arzneimittel- lehre (behandelt auch N,0). 1880, p. 242. 279. Ueber den neuen Apparat von P. Bert zur Narkotisirung Kranker vermittelst Stickoxydul. Wratsch. Nr. 35, 1880. 280. Gmelin-Kraut's Handbuch der Chemie. 6. Auflage, Bd. I. (Enthält eine Abhandlung über N,0.) Heidelberg 1880. 281. Thomsen, J., Thermochemische Untersuchungen. Die Bil- dungswärme der Salpetersäure, der salpetrigen Säure, des Stickstoff- dioxyds, des Stickoxyds, des Stickoxyduls und des Ammoniaks, sowie auch der Ammoniaksalze und der Nitrate. Journal für pract. Chemie von H. Kolbe. 1880, p. 540 u. Chem. Berichte Bd. 13, p. 498—500, 1880. 282. Berthelot, Die Bildungen der Oxyde des Stickstoffs. Journ. f. pract. Chemie v. H. Kolbe 1880, p. 538 und Compt. rend. Bd. 90, p. 779— 785, 1880, 283. Duret, Dr., Contraindicationen bei Anästhesie in der Chirur- sie (bezieht sich auch auf N,0). Paris 1880, 284. Rottenstein, J.B., Abhandlung über die Anästhesie in der Chirurgie, enthaltend die Beschreibung der Anwendung nach der Me- thode Paul Bert’s. pp. 418, Paris 1880. 285. Guillermin, über Anästhesie durch Stickstoffprotoxyd. Gaz. hebdom., 2. S., XVII, Nr. 36, p. 580. 1880. 286. Lutand, Ueber Anästhesie mittelst Stickstoffprotoxyd. Gaz. hebdom., 2, Serie, XVII. Nr. 34 u. 36. 1880. . 287. Dehaut, N,N + O unter Druck. (Näherer Titel war nicht zu erfahren.) 288. Boddaert, Bericht der Commission, die mit der Prüfung der Arbeit Dehaut’s iiber den Gebrauch eines Gemisches von NO+0 unter Druck als Anästheticum betraut war. Bulletin de l’Academie royale de medecine de Belgique. Tome XIV. Nr. 9. p. 620. 1880. 289. Stickoxydul, Lustgas. v. Ziemssen’s Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie. Bd. XV p. 156. Leipzig 1881. EIER Register. pag. Geschichtliches ot Chemisch-technisches . . 231 Physikalisches Ä 2288 Applicationsmethoden und llommeniz Sinne: dabei 22298 Ueber N,O-haltige Gasgemische und über N,O-wasser . . 246 Physiologisches 3 A. Einwirkung des N,0 auf Pflanzen . . 249 B. Einwirkung des N,0 auf Thiere und Menschen , Paar! 1. Verhalten der Athmung ar 2. Verhalten des Pulses. . . ES ge 206 3. Wirkung des N,0 auf den Blutdruck, . 257 4, Wirkung auf das Blut, chemische, sense Un tersuchung desselben Be N ORERALOHB 5. Einfluss auf die Haut i . 262 6. Einfluss aufs Muskelsystem, Uterns . 262 7. Einwirkung auf Blase, Urin . . 264 8. Einwirkung auf den ones ein: : . 266 9. Wirkung auf die Centralorgane . . 266 Pathologisches 1. Ueble Zufälle . 268 2, Todesfälle. . 272 3. Contraindieationen . . 278 Therapeutisches . ; . 219 1. Anwendung in der Zahrhenliennde, ; . 279 2. Anwendung in der innern Medicin!, . 280 3. Anwendung in der Augenheilkunde . 282 4, Anwendung in der Gynäkologie . . 283 5. Anwendung in der Chirurgie . . 285 6. Die neue Methode Paul Bert’s . 286 Vorzüge, Nachtheile der N,O-narcose andern Nareotieis gegen- über . 3 Literaturübersicht . 293 . 296 Zur Entwickelungsgeschichte der inneren weiblichen Sexualorgane beim Menschen, im Zusammenhange mit pathologischen Vorgängen; von Dr. Hugo Coblenz. (Halle a/S.) (Hierzu Tafel 11.) Unbedingt massgebend für eine richtige Beurtheilung der aetiologischen und histogenetischen Entwickelungsver- hältnisse pathologischer Neubildungen des Organismus darf die genaueste Kenntniss der physiologischen, nor- malen Entstehungsart und Formverhältnisse der Organe, insbesondere der frühesten Umbildungsstadien der embryo- nalen Uranlagen zur definitiven Endform im erwachsenen Körper, gelten. — Im Bereiche der inneren weiblichen Sexualorgane beim Menschen sind es vorzugsweise die klinisch und patho- logisch-anatomisch sehr verschiedenartig charakterisirten Geschwulstgruppen der typischen und atypischen, schrankenlosen echten epithelialen Neubildungen, deren äusserst häufiges Vorkommen von allergrösster chir- urgisch-praktischer Bedeutung zumal im Verlaufe des letzten Jahrzehntes für die moderne operative Frauen- heilkunde ward, welche ihr die hohe Vervollkommnung _ des umfassendsten Specialzweiges unter den lebensretten- den Operationen, der sogenannten Ovariotomie, ver- dankt: Der stetig noch wachsenden Ausbildung und all- gemeineren Verbreitung dieser so segensreich wirkenden und einen gewaltigen Fortschritt in der ärztlichen Heilkunst repräsentirenden Errungenschaft der Neuzeit, eröffnete 314 Joseph Lister’s reformatorische Erfindung der metho- disch-antiseptischen Wundbehandlung, wodurch man der Wundheilung einen aseptischen Verlauf zu garantiren und gleichzeitig die wesentlichsten Gefahren jedes opera- tiven Eingriffes überhaupt im Princip richtig verstehen und zu würdigen lernte, die glänzendste Zukunft insofern, als durch immer glücklichere Erfolge einerseits das praktische Interesse besonders in Bezug auf eine recht- zeitige und richtige Diagnose der Erkrankung, sowie der günstigen Prognose der chirurgischen Maassnahmen zur Radicalheilung derselben ungemein sich erhöhte, anderer- seits durch stets zahlreichere Vornahme der früher kunst- gerecht vollkommen unstatthaften Operationsmethode selbst immer reichhaltigeres Material sich darbietet, durch dessen genaueste Erforschung in pathologisch-anatomischer und aetiologisch - histogenetischer Beziehung der klinischen Beurtheilung eine stetig noch wachsend u nerıe positive Unterlage geschaffen wird. — | Durch His zuerst ward nachgewiesen, dass die inneren Sexualorgane beider getrennten Geschlechter unmittelbare Abkömmlinge der im Embryo zur frühesten Entwiekelungs- zeit provisorisch harnabsondernden Organe, der so- genannten Urnieren, sind: Die Uranlagen der männ- lichen sowohl, als der weiblichen Zeugungsdrüsen sind voll- kommen gleichartig, hermaphroditisch-neutral. — Gegen Ende der vierten Woche des Embryonallebens finden sich langgestreckt zu beiden Seiten der unteren zwei Drittheile der Wirbelsäule, nach der Peritonealhöhle zu, die mit regelmässigem, cylindrischem Epithel über- und aus-gekleideten Primordialnieren (OÖken’sche, oder Wolff’sche Körper), deren drüsenschlauchartiger Theil als paarig-symmetrisches, kammförmig nach der sagittalen Medianebene zu lateralwärts gezähnelt erschei- .nendes, verhältnissmässig sehr voluminöses Organ sich darstellt, dessen glatter unterer Saum zu dem kanalartigen Wolff’schen Gange, analog einem echten Drüsenausfüh- rungsgange, sich entwickelt: Während die Urnieren nach 315 oben zu blind endigen, münden sie nach unten in den Urachusttheil (Foveola posterior) der Allantois, welcher später zur Kloake sich ausbildet und endlich zum Sinus urogenitalis. Nach Johannes Müller, Banks, Dursy, Born- haupt, Waldeyer u.A. differenzirt sich der Wolff’sche Körper schon sehr frühzeitig zu zwei verschiedenen Abtheilungen: 1. Die eine führt breitere Kanäle mit flachem, körnigem Epithel und steht später mit den Glo- merulis in Verbindung: Es ist dies der harnabsondernde Urnieren-Theil desselben ; — 2. Die Kanälchen des anderen Absehnittes, die beim Menschen den oberen vorderen Umfang des Wolff’schen Körpers einnehmen (Sexual- theil: Bornhaupt), sind enger und haben höheres, exquisit eylindrisches Epithel, das später z. Th. Flimmer- eilien trägt: Beim Manne entwickeln sie sich zu den Kanälchen des Nebenhodenkopfes; beim Weibe dringen sie bis in den Hilus der Keimdrüse vor. Während in letzterem Falle Waldeyer sie hier nach beiden Seiten hin später blind endigen lässt, dringen nach neu- eren Untersuchungen v. Koellikers von hier aus kleinzellige Epithelsprossen, als sogenannte Mark- stränge, durch das Mesoarium hindurch, dem analog sich verzweigenden Netzwerke der grosszelligen Pflüger- Waldeyer’schen Anlagen des in das Bindegewebsstratum eingestülpten Oberflächenepithels der weiblichen Keim- drüse entgegen und umwachsen letztere (?), die alsdann zu Eizellen sofort sich differenziren. — An der hinteren Fläche der oberen Abtheilung des W olff’schen Körpers in der Richtung nach oben zu ent- wiekeln sich die definitiven harnabsondernden Organe, die eigentlichen Nieren (Kupffer), an deren Bildung sich der im Embryo bereits harnabsondernde oberste, hin- tere Theil der Uranlagen betheiligt. Unterhalb dieser Anlage, am vorderen, inneren Rande der unteren Partie des oberen Drittheiles der Ur- nieren lässt sich die Bildung der weiblichen Keimdrüse aus dem Sexualtheile des W olff’schen Körpers (Bornhaupt) und dem Keimepithel verfolgen, welches letztere sehr 316 frühzeitig im Bereiche der sogenannten Remak’schen Mittelplatten entsteht und über dessen eigentliche Her- kunft noch Meinungsverschiedenheiten herrschen: Eine grosszellige, ovale Partie epithelialer Zellen, (welche bei männlichen Embryonen gegen den 8. bis 9. Tag schwin- det) kennzeichnet die spätere Bildungsstätte des Ovari- ums und verdickt sich bedeutend, während mit der fort- schreitenden Ausbildung des W olff’schen Körpers rings- um auf den mittleren Abtheilungen der Mittelplatten das Keimepithel mehr und mehr atrophirt verschwindet, sodass die Cylinderepithelkappe des Ueberzugs der Oberfläche des Ovariums (Waldeyer) sich scharf absetzt gegen den Peri- tonealendothelring. Nur in den Winkeln, welche die Mittelplatten mit den Seitenplatten bilden, bleiben schmale Längsstreifen erhalten, durch deren Einstülpung und Schluss die Müller’schen Gänge entstehen (siehe Abbil- dung Taf. II, Fig. 1): Diese Einstülpung gelangt in ihren oberen Partieen nicht zum völligen Abschluss (Tuben- öffnung), schliesst sich nach abwärts vollkommen und schiebt sich bis in die Beckenregion des Embryo vor, wo sie paarig median nach vorn von den Wolff’schen Gängen in den Sinus urogenitalis einmündet. Das blind endigende äusserste obere Ende des Müller’schen Ganges, das zur Bildung der Eileiter nicht verwandt zu werden pflegt, ist die, einer Fimbria des Morsus diaboli an- hängende, spätere Morgagni’sche Hydatide. Bald verschmelzen die unteren Abschnitte des Mül- ler’schen Ganges zu einem unpaaren Kanale, doch erst einige Zeit nach vollendeter Vereinigung dieser mit Cy- linderepithel ausgekleideten Röhren zu Ende des 5. Monats (Dohrn), erfolgt die aufsteigende Weiterdifferenzirung zu Vagina und Uterus, während die Tuben als direkte Fort- setzung der Hörner des letzteren zeitlebens als paarige Canäle, Eileiter, persistiren. Alle Gebilde mit allei- niger Ausnahme der Cylinderepithelkappe des Ova- . ziums (Waldeyer) und des Morsus diaboli der ab- dominalen Tubenöffnung liegen später zwischen der Peri- tonealduplicatur der Ligamenta lata, die aus der endo- thelialen Bauchfellbekleidung der W olff’schen Körper sich 317 entwickeln, eingeschlossen: Das paarige Ostium abdomi- nale tubae vermittelt also die einzig dastehende, physio- logisch-normale Ausmündung des grössten endothelialen Lymphraumes, des Peritonealsackes, auf der freien Körper- oberfläche, wenngleich in sehr bedingter und höchst eigen- thümlicher Weise modificirter Art. Die vom unteren Ende des Wolff’schen Körpers zur Leistengegend ziehende Bauchfellfalte, (das Leisten- band der Urniere: v. Koelliker), bildet später das Lig. rotundum uteri (das Analogon des Gubernaculum testis Hunteri). — Das genaue Verhältniss der Differenzirung und Kreuzung der späteren Harn- und Sexualorgane der beiden getrennten Geschlechter aus dem embryonalen W olff’schen Körper ist in übersichtlicher Weise dar- gestellt auf Taf. II. Fig. 2 und 3, — — Zu einer gewissen Zeit gegen Ende der embryonalen Entwickelung scheinen sämmtliche Abtheilungen des weiblichen Genitalschlauches mit Flimmerepithel aus- gekleidet zu sein. Für Tuben und Fimprien ist dies schon von Becker nachgewiesen; die Uterusschleim- haut flimmert, ebenso auch regelmässig das Parova- rium (Waldeyer); in der Scheide differenzirt sich das ursprünglich durchweg flimmernde Cylinderepitbel in ganz eigenthümlicher und charakteristischer Weise: In der Tiefe der von v. Preuschen nachgewiesenen Drüsen- bildungen der Scheide persistirt das Flimmerepithel, während schon die Ausführungsgänge desselben und deut- licher noch die Vaginaloberfläche, den Charakter geschich- teter Schleimhautepithelien annehmen, indem die tieferen Schichten noch eylindrische Form wahren, während die höheren plattere Lagen von Stachel- und Riff- Zellen bilden, deren äusserste Decke grosse, ganz flache Plat- tenepithelien darstellt, die namentlich auf der Höhe der Papillen eine bedeutende Mächtigkeit erlangen. — Höchst interessant als ergänzende Thatsachen sind die Befunde neuester Untersuchungen (L&od, Leydig, Nussbaum u. A.), wonach auch die ganzen Oberflächen der Ovarien und sogar die Membrana granulosa, — Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd, LIV. 1881. 21 318 letztere z. Th. nur während der Ovulation, — an niederen Thierklassen (Sauriern) flimmern. — — Die nieht zur Bildung der inneren weiblichen ar und Harn-Organe beim Menschen aufgebrauchten Bestand- theile der Primordialnieren bleiben in ihrer Ernährung und Weiter-Entwickelung vollständig zurück, atrophiren, obli- teriren gemäss den Prinzipien des physiologischen Körper- wachsthums: Aeusserst spärliche Reste finden sich regel- mässig am erwachsenen Körper als 12 bis 15 unscheinbare Röhrchen mit Flimmerepithelauskleidung, die oft fehlen, meist ganz ausserhalb des Eierstockes zwischen Tube und Hilus ovarii innerhalb der Peritonealduplicatur des breiten Mutterbandes liegen, sehr oft jedoch auch bis in den Hilus ovarii hineinreichen als sogenannter Nebeneier- stock, Paroophoron (Rosenmüller’sches Organ: das Homologon der Epididymis des Mannes). — Neben diesen Resten des Sexualtheils vom W olff’schen Körper finden sich oft auch zumeist noch viel unbedeutendere Reste des ursprünglich harnabsondernden, des Urnieren- Theils bei beiden Geschlechtern erhalten, (das sog, Giraldes’sche Organ: Epoophoron des Weihe ‚beim Manne unterschieden als Parepididymis). — Nachdem in der frühesten Zeit des Fruchtlebens die Geschlechtsdrüsen zu beiden Seiten der Wirbelsäule, an der Innenseite des Wolff’schen Körpers sich ausgebildet haben, beginnen dieselben um die 10. Woche ein ver- schiedenes Verhalten bei beiden Geschlechtern zu zeigen: Der Eierstock erscheint mehr gestreckt und platter als der Hode und nimmt zugleich eine mehr schräge Lage ein. Aehnlich dem Testikel macht sodann auch die weibliche Zeugungsdrüse einen Descensus durch, bleibt jedoch für die längste Zeit des Foetallebens iu der Höhe des grossen Beckens liegen und gelangt erst in den letzten Monaten in das kleine Becken hinab. Hier liegt sie alsdann in einer Falte des Peritoneums, die von dem hinteren Blatte des Ligamentum latum gebildet wird: Das Ovarium erscheint jedoch an seiner Oberfläche nicht vom Peritoneum überzogen, sondern durch eine Oeffnung desselben in die Peritonealhöhle zum aller- 2 319 grössten Theile hineingeschoben (siehe Taf. II, Fig. 8) und ist somit ausser dem Morsus diaboli der Tube das einzige Organ, welches in Wirklichkeit intra saccum peritonei liegt: Nur ein sehr kleiner Theil des Organes liest noch ausserhalb des Peritonealsackes zwischen den Blättern der breiten Mutterbänder; das Peritoneum hört hier mit einer schon dem blossen Auge erkennbaren zackigen Linie auf, den Ueberzug des Organes zu bilden. (Siehe - Fig. 10.) Letzterer wird vielmehr von einer einschich- tigen Lage cubischer bis kurzeylindrischer im optischen Längsprofil, von der Fläche gesehen 5—6-eckig polygonaler und schön mosaikartig gelagerter Epithelzellen gebildet, die sich schon durch ihre viel bedeutendere Grösse von dem viel platteren Endothel des Peritoneum sehr leicht unterscheiden lassen (Waldeyer). Genetisch ist das Epithel auf der Oberfläche der Oyarien, Waldeyer’s Keimepithel, obgleich nicht fiimmernd, identisch mit dem Epithel der Tube, wenngleich es am erwachsenen weiblichen Organismus beim Menschen nicht direkt in dasselbe übergeht: Zwischen dem am nächsten an das Ovarium heranreichenden Epithel der Fimbria ovarica tubae und dem Keimepithel pflegt noch ein mehr oder minder breiter Streifen peritonealen Endothels zu liegen. — — Dieinneren Entwickelungsvorgänge der weiblichen Keimdrüse' gestalten sich von der frühesten Zeit des Embryonallebens an folgendermassen: Das im Embryo länglich platte Organ lässt zunächst zwei Schichten deutlich unterscheiden: 1. die äussere Parenchymschicht (Zona parenchymatosa); 2. die dar- unterliegende Gefässschicht (Zona vasculosa).. Vom vierten Monat des Foetallebens an differenzirt sich die eigentliche Parenehymschicht“ zu drei verschieden gestalteten Lagen, indem zwei heterogene epitheliale Zellenformen mit den desmoiden Elementen der Eierstocksanlage in einem äusserst complicirten gegenseitigen Durchwachsungs- processe sich begriffen zeigen: In einem vielfach communi- eirenden System röhrenartig geformter Bindegewebsspalt- 320 räume, die z. Th. auf der Oberfläche des Organes offen ausmünden, finden sich netzartig verzweigt, oder in rund- lichen Conglomeraten die Epithelmassen eingelagert. Der Oberfläche näher finden sich rundliche Haufen sehr srosser Zellenelemente, dem Hilus der Keimdrüse zu selegen etwa sechs- bis achtfach kleinere Epithelzellen strangartig radiär zur Peripherie gerichtet: Die mittlere Parenchymschicht zwischen beiden unter- schiedenen Lagen enthält beide Arten epithelialer Zellen- elemente gleichzeitig, und beginnen die kleineren Epithelien jene grossen Zellen erst reihenweise zu um- wachsen (Pflüger-Waldeyer’sche Eischläuche), wo- nach letztere allmählich in der Mitte des Lumens der Kanäle zu liegen kommen und mehr von einander isolirt werden durch die dazwischentretenden kleineren Zellen. Durch gleichzeitigzwischenwachsende Bindegewebssepta werden die (meist!) einzelnen grossen Epithelien (Bi- zellen), einschliesslich der sie umgebenden Partie der kleineren Epithelzellen vollständig isolirt: Letztere bilden sich z. Th. um zu dem schön regelmässig 5 bis 6- seitig prismatischen (im optischen Längsprofil eubischen) Wandepithel der Membrana granulosa, z. Th. bleiben dieselben in der ursprünglichen, rundlichen Formbe- schaffenheit als Discus proligerus, der nach Ansammlung des Liquor follieuli eine wandständig prominirende Er- höhung darstellt, umlagert im nunmehr vollkommen kugelig ausgebildeten, sog. Graaf’schen, Follikel. Vergleiche die Fig. 9 und 11, Tafel I. Nach Pflüger soll eine periodische Neubildung der nach ihm benannten Schläuche während des ganzen zeugungsfähigen Alters des Organismus von der Oberfläche der weiblichen Keimdrüse her stattfinden, während sich nach v. Koelliker lange zu äusserst unter der an Dicke zunehmenden Hülle des Organes eine mehr oder minder umfangreiche Lage erhält: Wie lange diese letzte Lage embryonalen Gewebes besteht, und welches ihre weiteren Schieksale sind, ist noch nicht genügend erforscht. — Die Granulosazellen sprossen nach v. Koelliker von den epithelialen Elementen der Sexualtheile der 321 Primordialnieren aus (His lässt sie von Wanderzellen ihren Ursprung nehmen; Waldeyer vom Oberflächen- epithel der Keimdrüse; Foulis von den Stromazellen des Ovariums). — — Gegen Ende des Foetallebens kommt durch Auf- rollung desEierstockes die Mandelform desselben zu Stande, wodurch die Gefässschicht in den so gebildeten Hilus ovari zu liegen kommt, die Parenchymschichten peripher. Ueberhaupt wohl an keinem Organe des mensch- lichen Körpers finden sich häufiger irreguläre Entwicke- iungsvorgänge, als bei der Bildung der Sexualorgane: Zu den noch allergeringsten Graden derselben, die fast noch als innerhalb der physiologischen Gränze liegend gelten dürfen, gehört offenbar die sehr variable Ausbil- dung der mannigfachsten Vasa aberrantia, sowie das einfache theilweise, oder vollständige Nicht-Obli- teriren der nicht zum Aufbau der definitiven Organe Ver- wendung findenden Bestandtheile der Uranlagen. Bei grossen Gruppen von Wirbelthieren gehört dieses vollständige Ausbleiben einer theilweisen, oder völligen Verödung der Reste dieser embryonalen Vorstufen der Entwickelung er- wiesenermassen zur Norm, — wie bei den Wieder- käuern (Malpighi, Jacobson), Fuchs-Katze (von Preuschen), Schwein (Gartner): Drüsenschlauchartige Bildungen, analog denen des Parovarium beim Menschen, gehen hier vom Hilus ovarii aus bis zum Uterus, wo sie- paarig als einfache Röhrchen (Gartner’sche Kanäle) —, deren richtige Deutung als persistirender Ausführungs- gänge des Wolff’schen Körpers aber erst durch Jacob- son erfolgte, — in den Seitenkanten des letzteren nach abwärts verlaufen, sodann auf, oder vielmehr in der seit- lichen und vorderen Scheidenwandung nach unten zu allmählich mehr und mehr der Medianebene sich nähern und schliesslich etwas oberhalb, oder zu beiden Seiten des - Orifieium urethrae auf der freien Schleimhautoberfläche der Vagina ausmünden. 322 x Durchgängig tragen die Gänge Cylinderepithel, welchesbeim Fuchs (v. Preuschen) stellenweise flimmert. Statt der freien Ausmündung ist auch wiederholt eine blinde Endigungsweise durch Ineinanderübergehen der beiden Gänge beobachtet. — Beim Menschen beschreibt schon Columbus einen Fall von Persistenz der W olff’schen Gänge, wo neben den Tuben noch andere Schläuche von den Ovarien ab- gingen und nach der Wurzel der ansehnlich vergrösserten Clitoris verliefen. In anderen Fällen (Baudeloegue, Merkel, Moreau et Gardieu, Förster) fanden sich nur kürzere schlauchartige Bildungen, die vom Paro- varium nach dem Uterus verliefen. Die genauen topographisch-anatomischen und histo- logischen Verhältnisse der nicht in physiologischer Weise obliterirten Wolff’schen Körper und Gänge finden sich wiedergegeben in Taf. II., Fig. 4 bis 7. — — Die günstigsten Bedingungen für cystische Ent- artung sind in der eigenthümlichen anatomischen Construc- tion dieser drüsenschlauchartigen und röhrenförmigen Gebilde bereits vorhanden. Das Lumen der Gänge ist nicht immer gleichmässig: Bei der Katze (v. Preuschen) befindet sich ungefähr 1 Ctm. vor der Ausmündung in die Scheide eine cylindrische Anschwellung, welche nach Anderen (Gartner) auch bei der Kuh constant vorzukommen scheint. Häufig sind im Lumen der Kanäle Pfröpfe be- obachtet, bestehend aus zusammengeballten abgestossenen . Epithelmassen, welche die Lichtung der Gänge nahezu oder vollständig ausfüllten. Begünstigt werden die Ver- stopfungen der Ausführungsgänge noch sehr durch die regelmässig nur enge Ausführungssöffnung, sowie durch rosenkranzartige Einschnürungen im ganzen Verlaufe des Röhrensystems, wodurch bei wachsender Ansammlung ab- gestossener Epithelmassen oder Flüssigkeit, eine ventilartige Verlegung und Abkniekungen in der Continuität desselben mit Retension der Absonderungsflüssigkeit ihrer, einer Schleimhautoberfläche gleichzusetzenden, Oylin- derepithelauskleidung bedingt wird. Schon Gartner selbst hat eystische, z. Th. blasenartige, z. Th. rosenkranzförmig 325 gestaltete Umbildungen der nach ihm benannten Canäle beobachtet. Hydropische Anschwellungen im Typus der klinisch und anatomisch gutartigen Retentionseysten, — deren Paradigma der Hydrops follieularis ovarii (Virchow) bil- det, — kommen offenbar auch äusserst häufig hier vor und bilden die zumeist kleineren, bis höchstens hühner- eigrossen, dünnwandigen, häufig multiplen Cysten, mit karem serösem Inbalte von sehr niedrigem specifischem Gewichte (1004 bis 1005) und meist nur sehr geringem Eiweissgehalt, an denen das breite Mutterband so reich ist (Waldeyer), _ wie schon aus zahlreichen instruktiven Abbildungen älterer Autoren (Cruveilhier, Lebert, Förster) hervorgeht. Die Retension des Secretes wirkt vielleicht dann . ihrerseits durch Ausdehnung der Schläuche wieder als ab- normer Reiz, der eine stärkere Zufuhr ernährender Säfte zu den Cystenwandungen herbeizuführen im Stande ist. Immer srössere Partieen von Schläuchen werden alsdann mit in den Bereich gezogen, bis endlich die eystische Ent- artung über die ganzen, z. Th. comunieirenden Bestand- theile nicht obliterirter Schläuche sich verbreitet hat. Bei immer stärkerem Anwachsen der Inhaltsflüssigkeit werden endlich die Comuniecationsöffnungen mehr und mehr ausgeweitet, und die ursprünglich multiloculäre An- lage des Röhrensystemes strebt bei Weiterentwickelung der uniloculären, kugeligen Endform zu, als der bei ge- ringstem Umfange inhaltreichsten: Die Anfangs nur engen Verbindungsröhren stellen schliesslich nichts als leisten- artige Vorsprünge dar, die verschieden tiefe und flachere Ausbuchtungen der Haupteyste umgränzen; endlich werden auch diese vollkommen ausgeglättet, und nichts würde den Vorgang erklärlich erscheinen lassen, wenn nicht häufig Uebergangsstadien, oder unvollkommene Gesetzmässigkeiten zu beobachten wären. Das Weiterwachsthum der durchweg einschichtigen Cylinderepithelauskleidung der Cysteninnenflächen erfolgt ebenfalls durch die stärkere Ernährung mit Quertheilung der Zellen zur Bedeckung der sich vergrössernden Ober- fläche: Bei den rein hydropischen Cystenbildungen ist 324 jedoch dieser Vermehrungsprocess nur in äusserst mini- maler Weise annehmbar, da die einschichtige, anfangs ziemlich hohe Oylinderzellenauskleidung bei den grösseren Cystenformen bis zu äusserster Dünnheit der einzelnen Zellenleiber platt in die Fläche ausgezogen erscheint, atrophirt und häufig gar nicht mehr aufzufinden ist, sodass diese Cysten als einfache Bindegewebsspalträume er- scheinen können. — Während die einfachen Retensionscysten der histo- genetischen Erkiärung wenig Schwierigkeiten darbieten, ist bis zur Umformung der gleichen Uranlange zum pro- liferirenden Kystom, d. i. der Degeneration zum Ade- noma cylindrocellulare des pathologisch-histologischen Systemes, als einer schrankenlosen, echt epithelialen Neubildung im Typus der mit Oylinderepithel ausgeklei- deten Drüsenformen, noch ein gewaltiger Sprung. Wie es kommt, dass die gleiche Uranlage das eine Mal zum passiven Hydrops, das andere Mal zum aktiv wuchernden Adenom sich entwickelt, ist bisher noch vollkommen unverständlich: Die Ansichten betreffs dahin wirkender mechanischer Insulte, oder specifi- scherin (Puerperium undsog.Dyscrasien) und ausser- halb des Organismus gelegener (chemischer, infekti- öser, eleetrischer) Reize ist bislang ebensowenig er- wiesen, als die angeborne Kystombildung im engeren, strengsten Sinne Cohnheim’s: Dagegen scheint hier die weitere Fassung der scharfsinnigen, auf Darwin’s geistreicher Theorie der Vererbung basirenden Ideen des letzterwähnten Forschers grosse Wahrscheinlichkeit zu bieten, insofern als zur Erklärung der histogenetischen Ver- hältnisse vielleicht schon die einfache Annahme genügt, dass in jenen normwidrig erhalten gebliebenen embryo- nalen Organanlagen auch gegebenen Falls die auskleiden- den Zellenlagenihren embryonalen Charakter in mehr oder minder vollkommener Art bewahrt haben, sodass letztere auch noch im erwachsenen Organismus zur selbständigen, gleichartigen Zellenproduktion unab- hängig von der physiologischen Gesammt-Oekonomie des Körpers befähigt bleiben und pathologische Neubil- 325 dungen produeiren können, entweder von zunächst für den Organismus zweckloser Art, die letzteren später aller- dings durch Druck rein mechanisch belästigen (Adeno- Kystoma), oder gar aus noch viel dunkleren Ursachen (in Folge vielleicht einer verminderten, — häufig oft nur loealen, — Resistenzfähigkeit des intermediären Blut- Bindegewebsapparates: Cohnheim) — von maligneren Formen im Typus der destruirenden Drüsen-Epitheliome, der Careinome (vgl. Virch. Arch. Bd. 82. S. 309.) Die Bezeichnung (Waldeyer’s) der Kystome als Formen des Myxoid-Kystomes scheint gleiche Ansichten betreffs ihrer Genesis im Zusammenhange mit embryonalen Bil- dungen darzubieten. Für die Möglichkeit der Vererbung einerhereditären Anlage des Uebels sprechen mehrfache Beobachtungen derselben Erkrankung bei mehreren Schwestern hintereinander (Simpson, Lever, Rose u. A.) — Eigenthümlich lautet die Meinung eines der erfahren- sten und glücklichsten Ovariotomen (Koeberle) betreffs der Aetiologie der Kystome: „„Les femmes lymphatiques et nerveuses sont tres-sujettes aux kystes de toutes sortes: Dans les regions g&ographiques ou le temperament sanguin predomine, les kystes de l’ovaire sont rare.“ — Wesent- lich besser begründet erscheint diese, in gegebener Fassung etwas paradox klingende Ansicht, wenn man ihr den von Scanzoni sicher nachgewiesenen Zusammenhang der Kystombildung mit Chlorose zur Seite stellt, welcher letzteren besonders durch Virchow’s exacte Zurückfüh- rung auf Anomalien des Blutgefässapparates die zuvor ganz fehlende, greifbare Begründung ihrer Genese, Entwickelung und möglichen Folgezustände zu Theil ward, dessen all- semeine Hypoplasie eine locale Hyperplasie auf Grund besonderer Reizungszustände (Suppressio men- sium, Onanie, Partus) keineswegs auszuschliessen braucht. 20. 21. 36 Literatur. . Banks: On the Wolffian bodies of the foetus and their remains in the adult; Edinburg 1864. . Becker: Ueber Flimmerepithelien und Flimmerbewegung im Ge- schlechtsapparate der Säugethiere und des Menschen; Mole- schott’s Untersuchungen etc. Bd. 1l.; 1857. . Bornhaupt: Untersuchungen über die Entwickelung des Urogeni- talsystems beim Hühnchen; Riga 1867; (Dorpater Diss. inaug.) ‚Columbus: De re anatomica; 1590; L. XV., pag. 493. . Cohnheim: Vorlesungen über allgemeine Pathologie. . Cruveilhier: Traite d’anatomie pathologique generale; T. IIL.; Paris. . Dohrn: Zur Kenntniss der Müller’schen Gänge; Marburg und Leipzig 1870; S. 255. . Dursy: Ueber den Bau der Urnieren des Menschen und der Säugethiere; Zeitschrift für rat. Mediein; Henle und Pfeufer, Bd. 23; 1865. . Foulis: On the development of the ova and structure of the ovary in man and other mammalia; Transact. roy. soc. of Edin- burgh, Vol. XXVIL, p. 345; 1875. . 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Müller, J.: Ueber die Wolf’schen Körper der Embryonen, Meckel’s Arch. 1829, 327 22. Nussbaum (Bonn): Differenzirung des Geschlechts im Thier- reich; Archiv für mikrosk. Anat. und Entwickelungsgesch. (His-Braune) 1880, Heft I. 23. Pflüger: Ueber die Eierstöcke der Säugethiere und des Menschen; Leipzig 1863. 24. Preuschen: Ueber Cystenbildung in der Vagina; Virch. Arch. Bd. 70, S. 1. 25. Rose, John: The Lancet, 1866; II., No. 24. 26. Seanzoni v. Lichtenfels: Lehrb, der Krankh. der weiblichen Sexualorg.; 1875, S. 604. 27. Simpson: Clinical lectures on ovarian dropsy; Med. times and gaz. March.; Dec. 1860. 28. Virchow: Die krankhaften Geschwülste. 23. Waldeyer: Die epithelialen Eierstocksgeschwülste, insbesondere die Kystome; Arch. für Gynaecologie, Crede-Spiegelberg; 1870, Bd. E58. 252, 80. Waldeyer: Eierstoeck und Nebeneierstock; Stricker's Handb. der Gewebelehre, S. 544, Erklärung der Abbildungen. Tafel I. Fig. 1. Querschnitt des Wolff’schen Körpers (Vgr. 200/1) mit der Anlage des Eierstockes, des Müller’schen Ganges und der Glomeruli renales; wk — Wolff’scher Körper; wg — Wolff’scher Gang; mg — Müller’scher Gang; gr —= Glome- rulus renalis; OÖ = Ovarialanlage mit dem verdickten Keimepithel und den darunterliegenden Primordialeizellen; p = Peri- toneum (punktirt); m — Mesenterium ovarii; A = Abdominalwand. Fig. 2. Sexualorgane des Embryo nach vollkommener Ausbildung der Geschlechtsdrüsen, doch vor dem Descensus; Vgr. ö/1; (halbschematisch nach v. Koelliker.) L = links, männlich; R = rechts, weiblich; mm —= sagittale Medianebene; w = Wirbel; n = Niere; nn = Nebenniere; d = Darm; u = ureteren; su = sinus urogenitalis; v = vesica urinaria ; ur = urachus; Ng —= Nabelgefässe; Nh, Nebenhode = Wolff’scher Körper —= po, Parovarium + dem normal obliterirenden Rest, punktirt; vd, vas deferens— W olffscher Gang = obliterirende Gart ner’sche Kanäle beim Weib; mg, oblite- rirend beim Manne bis auf den utriculus masculinus (vesicula prosta- tica) = Müller’scher Gang —= Tuba Fallopiana; ot = ostium tubae abdominale; Ib = Leistenband der Urniere —= Ligamentum uteri rotundum = Mesorchion; oh = oberes Hodenband = Zwerchfellsband der Urniere = ala vespertilionis; uh=unteres Hodenband, gubernaculum 398 Hunteri = Ligamentum ovarii proprium. — Wolff’scher Körper. und Gang schwarz punktirt. — Fig. 3. Schema der Differenzirung der beiden Ge- schlechter beim Menschen und der dadurch bedingten Lageverände- rungen mit Kreuzung der sich entsprechenden Organanlagen. ua = urethra; vg = vagina; ut = uterus; O0 — oophoron; T = testis: ep = epididymis; die übrigen Bez. gleich denen in voriger Figur. — Fig. 4 Innere weibliche Sexualorgane; links = nach Entfernung der Ligamenta lata; rechts = im Frontalschnitt; 1/3 nat. Gr. lin. — ota = ostium tubae abdominale; hm — Hydatis Mor- gagni; lo = ligamentum ovarii praprium; Ir — ligamentum rotun- dum; vg = vagina; 0 w= obere Wand des vestibulum vaginae; ce = corpus cavernosum clitoridis im Querschnitt; ] = labia minora; Im — labia majora; wk = Wolff’scher Körper in seinen einzeln unter- schiedenen Bestandtheileu: I. Parovarium; II, III und IV die nor- mal obliterirenden Theile desselben zwischen ersterem und Ute- rus, vom eigentlichen Corpus Wolffanum, sowie der oberen, in der Uteruskante, und unteren, seitlich und vor der vagina, Abtheilungen der Wolff’schen Gänge, der sogenannten Gartner’schen Kanäle; die übrigen Bez. wie in Fig. 2. — Pier rn. Querschnitt des uterus eines siebenmo- natlichen menschlichen Embryo; vgr. ©]; (halbschematisch nach Beigel); — gg = Gartner’sche Kanäle; pp — Peritoneal- lamellen der Ligamenta lata; cv = cavum uteri. — Fig.6. Querschnitt durch vagina und urethra der 6 Monat alten Katze; vgr. 5%),; (nach v. Preuschen) — u = urethra; vg —= vagina; gg = Gartner’sche Kanäle. — Fig. 7. Querschnitt eines Gartner’schen Kanales bei stärkerer Vergrösserung; — vgr. cire. 40%), ; — cy = Cylinder- epithelauskleidung desselben mit Flimmereilien. — Fig.8. Sagittalschnitt in der Richtung der Linie ss von Fig. 4 durch Tube, Ovarium und Ligamentum uteri rotundum des Neugeborenen;. — nat. Gr.; — zur Demonstration des Verhältnisses der Peritonalduplieatur des breiten Mutterbandes unterbrochen durch die Cylinderepithelkappe des Eierstockes. — Fig. 9. Durchschnitt der Eierstocksanlage und des Wolff’schen Körpers (Paroophoron) durch den Hilus ovarii, wäh- rend der Follikelbildung; vgr. 2%,. — Oe = Oberflächenepithel der Keimdrüse; se = schlauchförmige Einsenkung desselben in das Binde- gewebsstroma (Pflüger - Waldeyer’sche Drüsenstränge); sq = Schräg- und Querschnitte derselben; pr = Primordialeier; fh = Fol- likelhaufen; übg — Uebergang des Oberflächenepithels zum Peri- tonealendothel; fs — Follikelschläuche der mittleren Parenehymschicht; m = Markstränge v. Kölliker’s; f = Folliculi Graafiani; gf — Ge- Mean s1l% S : 8 o$ ATS Oo) ZEN { Ö' S GT, AU IN Dr N = SE | N 7 > ; N \ } BRUNOIT > N IMS) a N (@& AN _e | LithAnst.o. A Hürth Iejuug . Zeitschrift fd. ges. Naturmschfin, I881_Dd. LIV. a, \\i y | N H HM / N Ah HiCoblenz del. M N \ı)) | || | N IL a) IN ) ? | Var. 400 sa RAN UN Taf. I. Lich Anst 0. Mürtk Ip, 329 fässzone des Hilus ovarii; po = Parovarialschläuche des Hilus ovari, aussprossend vom po = parovarium (Sexualtheil des Wolff’schen Körpers). Fig. 10. Linksseitige innere Sexualorgane des er- wachsenen menschlichen Weibes; Rückansicht; norm. Gr. — 0 = Oyarium; lo — ligamentum ovarii proprium, von 1,5 bis 3 etm Länge, gewöhnlich 2,5 ctm lang; — t = tuba Fallopiana; ota — ostium tubae abdominale; md = morsus diaboli; fo = fimbria ovarica,;, po = paroophoron; ep = epoophoron; Ir = lig. rotundum uteri; 11 = lig. latum; av = ala vespertilionis. Fig. 11. Senkrechter Schnitt durch einen Eierstock mit einem Corpus luteum verum und spurium in der Schnitt- fläche; natürl. Gr. — cy = Cylinderepithelkappe (punktirt); t = tunica albuginea; p = Peritonealendothel; lo = lig. ovarü proprium; HO = Hilus ovari; gf = Gefässe des Hilus; ff = folli- euli Graafiani; di = discus oophorus; lf = liquor folliculi; th = theca folliculi; mg = membrana granulosa; cps = corpus luteum spurium; ecpv = corpus luteum verum; be = Blutcoagulum im Inneren desselben, umgeben von fettig degenerirten Granulosazellen. Das papilläre Kystom. Von Dr. Hugo Coblenz. (Halle a/S.) Den verhältnissmässig selteneren Geschwulstformen kystomatöser Tumoren im Bereiche der inneren weib- lichen Sexualorgane complieirt mit mehr oder minder um- fangreichen papillären Neubildungen, ausgehend hauptsächlich von den Wandungsinnenflächen der Kystom- bälge, — ungleich spärlicher der Oberflächen letzterer, — ist bislang fast durchgängig keine besondere Würdigung zu Theil geworden, obwohl dieselben als oft sehr scharf gekennzeichnete Gruppe malignerer pathologischer Neu- bildungen sowohl anatomisch, als klinisch eine Son- 330 derstellung und wesentlich differente Sohätunne er- fordern dürften. In den statistichen Tabellen über Ovariotomieen sind beide Kystomformen meist überhaupt nicht von ein- ander geschieden, sondern gelegentlich nur unter beson- ders eigenthümlichen Verhältnissen findet sich die beiläu- fige Erwähnung von Papillombildung, betreffs welcher die Gynaecologen schwanken in ihren Meinungen, als einer Complieation einerseits von absolut maligner, an- dererseits von ziemlich indifferenter Art. Er In Ansehung dieser Verhältnisse mag es demnach nicht als zwecklos erscheinen, zur möglichst allseitigen Charakterisirung dieser praktisch äusserst wichtigen Ab- art kurzweg sogenannter Ovarial-Tumoren, — der Adeno- Kystomata prolifera papillaria der inneren weib- lichen Genitalorgane, — den Versuch zu unternehmen auf pathologisch-anatomischer und histogeneti- scher Basis unter Ausführung der praktischen Üonse- quenzen insbesondere für Diagnostik, Erogmene und Wahl des Heilplanes. — I. Pathologische Anatomie. Die papillären Kystome, — wie sie dem Opera- teur, oder Anatomen zur Beobachtung gelangen in ihren sehr abweichenden äusseren Gestaltungen, — bilden in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Mischformen von Hydrops follieularis ovarii mit Adeno-Kystoma proliferum glandulare atque papillare: Seltener als des glandulären sind die „reinen“ Formen des papillären Kystomes. In ihrer makroscopischen Er- scheinung stellen letztere eine Gruppe cystischer Tu- moren dar von meist sehr ungleichmässiger, gelblichweisser bis braunröthlicher Färbung; mit gewöhnlich sehr un- regelmässig höckerigen Contouren, doch häufig auch von fast tadellos glatt kugeliger Form und von mikroscopischer Kleinheit anwachsend bis zu gewaltigem, den graviden Uterus oft um das Mehrfache seines Volumens übertreffen- dem Umfange. 33l Ungemein häufig ist doppelseitiges Vorkommen derselben beobachtet, doch in der Regel derart, dass auf der einen Seite das schon sehr umfangreiche Kystom durch schwerere Folgezustände die Indication zur opera- tiven Entfernung darbot, während andererseits zumeist nur in erst mässigem Grade, z. Th. sogar erst nach ge- nauester mikroscopischer Untersuchung, eine Geschwulst- entwickelung in gleichem, oder noch malignerem Sinne nachweisbar erschien. Sowohl im Ovarialparenchym selbst, ais auch in den Parovarien, sowie den Ligamentis latis an ver- schiedenen Stellen und in sehr wechselnder Ausdehnung oft auffallend tief in das Cavum pelvis subperitoneale bis zum Beckenboden zwischen die lockeren Zellgewebsräume der Umgebung von Uterus, Scheide, Rektum und Blase, — je nach Maasgabe der Richtung des geringsten Widerstan- des im gegebenen Fall, — mitunter in complicirtester Weise sanz untrennbar fest eingewachsen, sind exquisit papilläre Kystome vielfach beobachtet worden: Letztere Standorte scheinen sogar eine besonders bevorzugte Gruppe derselben zu bilden. Gemäss dem sehr differenten Sitze der Entwicke- lung derartiger Tumoren: 1. im eigentlichen Ovarium (Zone der Pflüger-Waldeyer’schen Drüsenschläuche); 2. im Hilus ovarii (Region der v. Koelliker’schen Markstränge); 3. im Parovarium (dem „physiologi- schen“ Reste der Primordialnieren); 4. in den eigentlichen breiten Mutterbändern (Gegend des zwischen Epoo- phoron und Uterus persistirenden, nicht obliterirten Cor- pus Wolffianum); 5. an den Seitenkanten des Ute- rus (obere Theile der nicht obliterirten Wolff’schen _ Gänge: Gartner’sche Kanäle); 6. im paravaginalen Bindegewebe (untere Stücke der Gartner’schen Kanäle), — werden sich auch die so so wichtigen „Stielbildungen“ der Geschwülste sehr verschieden günstig, oder mangel- haft gestalten, z. Th. als ganz fehlend sich erweisen. AufDurchschnittsflächen derchirurgischen „Stiele“ finden sich zwischen der stärkere, oder geringere Lagen glat- ter Muskelfasern einschliessenden Peritonealduplicatur der 332 & Ligamenta lata: 1. die Tube; 2. das Ligamentum ovarii proprium; 3. in selteneren Fällen das Liga- mentum uteri rotundum. An den Aussenflächen der operativ entfernten Kystome lassen sich kürzere oder längere Stücke der Ei- leiter, sowie die Ovarien als Anhänge, znmeist aber in der allerverschiedensten Weise verändert und ver- zerrt erkennen; häufig sind papilläre Excrescenzen. und kleinere Cysten in Conglomeraten, oder einzeln: Alle jedoch in meist nur geringerer Ausdehnung vor- handen. Bei über manneskopfgrossen Tumoren finden sich in der Regel bereits vielfache secundäre Complicationen sehr verschiedener Art: Vor allen wichtig sind unter diesen die mehr oder minder ausgedehnten peritonitischen „Ad- häsionen“, wodurch die mannigfachsten Verwachsungs- processe mit anliegenden Organen herbeigeführt werden, die wieder ihrerseits die Wachsthumsverhältnisse der gan- zen Geschwulst in sehr wechselnder Art beeinflussen können. Auf Durchschnitten erweisen sich die papillären Kystome zusammengesetzt aus meist einer Haupteyste und sehr verschieden zahlreichen, kleinsten und grösse- ren Nebencysten. Dieselben werden gebildet aus einer umschliessenden, mitunter durehbrochenen, z. Th. äusserst dünnen und sehr leicht zerreisslichen, bis z. Th. über zoll- dieken, mehr oder weniger derbfaserigen Bindegewebswan- dung, deren im Ganzen der Kugelform sich nähernder Binnenraum von sehr verschiedengradig diekflüssigem In- halt erfüllt wird. Der excentrische Druck des letzteren kann so bedeutend werden, dass bei stärkerer und auf's Aeusserste gespannter Haupt-Cystenbalgwand ein Kystom dem Diagnostiker als scheinbar vollkommen solider Tumor imponiren kann. Uebrigens pflegen die äusseren Wandungen der gan- zen Geschwulst, welche der Regel nach zum grössten Theile mit der Haupteystenwand zusammenfallen, am dieksten und festesten zu sein: Mit einiger Gewalt lassen sich dieselben in zwei, oder meist drei Lamellen auseinander ziehen, 333 welche schon dem blossen Auge als gesonderte Lagen kenntlich erscheinen. Man unterscheidet vielkammerige, mehrkam- merige und einkammerige Tumoren, deren Umbildungs- verhältnisse von multiloculärer Anlage mit zunehmen- der Grösse zur uniloculären Endform denjenigen vom glandulären Kystomtypus analog sich gestalten können: In ebarakteristischem Unterschied pflegen die Wan- dungsinnenflächen im Allgemeinen jedoch einer dunkelrothen Schleimhautoberfläche zu gleichen und mit Papil- lomen in sehr wechselnder Ausdehnung und Höhe bedeckt, doch stellenweise auch ganz glatt zu sein. Nicht gar selten finden sich Geschwulstformen, welche der Hauptsache nach als glanduläre Kystome zu bezeichnen sind, an deren Aussenflächen aber papilläre Neubildungen in mehr oder minder bedeutender Ausdehnung sprossen, oder in deren Innerem in nur wenigen, auch nur einer Cyste, und selbst nur einer sehr geringen Strecke letzterer Papil- lombildungen aufsitzen, wodurch aber der „Charakter“ der Geschwulst bereits immerhin eine andere Beurtheilung erfordert. Doch sind auch Kystome von sehr bedeutender Grösse mit papillären Neubildungen vollständig ausge- füllt schon mehrfach zur Beobachtung gekommen, sodass dieselben wirklich soliden Tumoren glichen. Beim Einschneiden der umschliessenden Mutter- bälge stürzen häufig die Papillome als gelblich weisse, gequollenen Reiskörnern ähnelnde, bis dunkelrothe und grobkörnige, mitunter als beerenförmige und selbst z. Th. fast kirschenartige Massen aus der Schnittöffnung heraus, in zottigen, traubenartigen, oder mehr polypösen Conglo- meraten, die bei stattgehabten, multiplen capillären Hae- morrhagieen fast schwärzlich erscheinen können. Die papillären Neubildungen selbst entspringen am kräftigsten zumeist von den, dem Hilus ovarii, resp. dem Beckenboden zugekehrten Wandungsinnenflächen und wuchern stets auf sehr reichlich vascularisirter, im Uebrigen aber vollkommen normal erscheinender Basis; dieselben sind nur unter verhältnissmässig ziemlich bedeu- tender Kraftanwendung ihrem Mutterboden auszureissen und Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. B4, LIV. 1881. 22 394 zeigen im Einzelnen höchst abweichende Formenbil- dungen. Häufig als fadenartig dicht beisammen stehend entwickelt, sind dieselben der tastenden Fingerspitze sammet- artig weich anzufühlen; sehr oft grösseren Strecken äls wenige Millimeter hohe Exereseenzen breitbasig mit spitze- ren Kuppen in ziemlich regelmässigen Abständen aufsitzend, bieten sie einen reibeisenartigen Anblick dar; am häufigsten bilden dieselben an mehr oder weniger dünnem, fadenför- migem und auch mehr lamellösem Stiel anhängend, einen sehr verschieden stark entwickelten Endknopf von klein- stem bis kirschengrossem Umfange, gewöhnlich allerdings nur bis zu Senfkorngrösse anwachsend: Bei weiterem Wachsthum dendritisch verzweigt und gleich einigen Kugel- cakteenarten in oft complieirtester Form aus- und aufein- ander sprossend, bilden sich auch sehr häufig an mitunter nur wollfadendünnem, isolirtem Stiel von oft ansehnlicher Länge förmliche Bäumchen von mehr traubenartiger, oder mehr solider, polypöser Formbeschaffenheit, bei ver- sleichsweise ziemlich bedeutender Höhe und entsprechen- dem Umfange. Die Papillome zeigen ungemein häufig eine sehr aus- geprägte Neigung zur Verkalkung in oft beträchtlicher Ausdehnung. Ein besonders charakteristisches Ansehen erhalten die papillären Kystome nach Eintreten des schon vielfach beobachteten und geschilderten Durchbruches der oft sehr energisch wuchernden papillären Neubildungen durch die von vornherein schwachen, oder durch Drucka- trophie, in Folge der gleich Granulationsschlingen econ- tinuirlich andrängenden Papillome, sowie durch Ver- fettungsprocesse secundär verdünnten und mürbe ge- wordenen Partieen der Kystomwandungen, — ein Ereigniss, dessen leider nicht seltene nächste Folge nach Entleerung des Cysteninhaltes in den Peritonealsack in einem Ueber- wuchern und Transplantation der papillären Ge- schwulstmassen in den peritonealen Lymphraum selbst besteht, während durch das üppigere Wachsthum der vom Druck des Kystominhaltes entlasteten Papillome durch die Perforationsöffnungen der Muttercystenbälge, die Wan- 398 dungen letzterer oft dermassen umgestülpt werden können, dass dieselben schliesslich nur noch den un- scheinbaren Boden darstellen, auf dem die papillären Neubildungen fest wurzelnd weiterwachsen, bis in besonders günstigen Fällen endlich sogar der ganze Tumor die massenhaftesten Papillombildungen in den verschiedensten Stadien ihrer Entwickelung auf seiner Oberfläche dar- bieten kann. In den höchsten Graden der Ausbildung ‚letzterer Eigenschaft zeigen die Tumoren den höchst eigen- thümlichen Anblick von Blumenkohlgewächsen, die um so frappantere Aehnlichkeit im Vergleich darbieten, je weiter die gerade bei den frei im Peritonealraum wuchern- den Papillomen am bedeutendsten auftretende Kalk- einlagerung im Bindegewebsstratum derselben vorge- schritten ist, wodurch die ganze Geschwulstoberfläche ein gelblichweisses, mehr und minder fein gekörntes Ansehen gewinnt. — Anderweitige Spuren regressiver Metamorphose finden sich zumal bei schon grösseren Tumoren in viel- facher Gestalt und oft sehr ausgedehntem Maasse: Ver- fettungsheerde, welche die Oystenwandungen in wech- selnder Dieke, zumeist jedoch nicht vollständig, durchgreifen; sodann Gefässobliterationen, in der Regel nach Axen- drehung des „Stieles“ der Geschwulst, mit ihren Folge- zuständen, als: Infarktbildung, Atrophie, Necrose etec.; “ ferner Verödung und secundäre weitere Veränderung ganzer Cystenconglomerate, z. Th. aus noch nicht recht klar ersichtlichen Gründen: Letztere Rückbildung pflegt sich allerdings meist nur in den glandulären Abtheilungen papillärer Kystome zu finden, die oft ganz dunkelgrünlich, srau verfärbte und blätterig zusammengefaltete Massen darstellen. — Fast alle hierher gehörigen Tumoren repräsentiren Mischformen von Hydrops follicularis ovarii mit Neubildungen im Typus der glandulären sowohl, als der papillären Adeno-Kystome: Noch complicirtere Mischgeschwülste, — Complication mit Dermoid, Tuber- kelbildung, Cancroid (papillärem Carcinom), Carcinom 22° 3 (alveoläre und adenoide Form), metastatischem Sarcom, — sind mehrfach zur Beobachtung gelangt. — Der Inhalt der Oystenräume papillärer Kystome ist ein ungemein verschiedenartiger, sowohl in Ansehung der chemischen und physikalischen Eigenschaften, _ als im Gehalt morphologischer Elemente und weicht nicht unwesentlich von der Inhaltsbeschaffenheit besonders der nächstverwandteı glandulären Kystome, sowie der „hydropischen“ Graafschen Follikel ab. Die bei letzteren Formen cystischer Tumoren in der Regel äusserst dünnflüssig seröse Beschaffenheit desselben, von sehr geringem (1004—1005) speeifischem Gewicht findet sich meist ebensowenig, als der gelatinöse, exquisit colloide, gelblich weisse, sehr zähe und häufig mit der Scheere schneidbare Inhalt von sehr hohem specifischem Gewicht (bis 1055), welcher für glanduläre Kystome charakteristisch erscheint: Von neutraler, oder schwach al- kalischer Reaktion und mehr, oder minder diekflüssig, fadenziehend, aber nicht colloid, erscheint der Inhalt „rein“ papillärer Kystomformen, die allerdings verhält- nissmässig wohl ziemlich selten vorkommen, gewöhnlich stark getrübt, oft dunkel braunroth, bis zu tief olivengrüner, oder geradezu tintenartiger Färbung; letztere Farben als entstanden in Folge von sehr häufig aus den ungemein leicht vulnerabeln, äusserst gefässreichen Papillomzotten in das Cystenlumen erfolgten Blutergüssen mit el ler secundärer Metamorphose. Das speeifische Gewicht schwankt zwischen dem sehr niedrigen und sehr hohen der beiden oben erwähnten eystischen Geschwulstformen (1006 bis 1025). — Wichtiger indess noch erscheint der abweichende Gehalt anmorphologischen Elementen, durch welche die Trübung und Dickflüssigkeit als hauptsächlich bedingt sich erweisen, . da nach dem Filtriren die Flüssigkeit in der Regel klar und gleich lackfarbenem Blute durchscheinend wird: Im Rückstande finden sich neben oft ganz massenhaften Cholestearin- und sehr vielselteneren Haematoidin- 337 Krystallen; grösseren oder geringeren Mengen von Körn- ehenkugeln, verfetteten Epithelien und freien Fett- körncehen, als hauptsächlich differential - diagnostisch wichtige Bestandtheile mehr oder minder zahlreich abge- stossene plattere, eubische bis sehr hohe cylindrische Epithelialzellen, die sehr häufig, zumal bei den höheren Formen, mit Flimmercilien besetzt sich zeigen und zu- weilen auch eigenthümlich ballon- und keulenartig ge- staltet sind mit lang ausgezogenem, unten häufig gabelförmig verbreitertem Fuss. Die Epithelien erscheinen z. Th. stark . bauchig aufgetrieben mit doppelten Kernen im verdickten Mittelstück: Bildungen, welche auf Vermehrungsprocesse derselben durch Quertheilung schliessen lassen. Selten; — reichlicher dagegen bei Mischformen mit z. Th. dem slandulären Kystomtypus angehörigen Cystenabtheilungen, — finden sich in colloider Metamorphose befindliche Zellenindividuen, häufig dafür aber Becherzellen, deren Protoplasmaleib an ganz frischen Geschwülsten auf seiner Oberfläche direkt in den Kystominhalt auszumünden scheint. Im „rein“ glandulären Kystom, das eine sehr häufige Geschwulstform repräsentirt und sich vorwiegend im Ovarial- parenchym selbst entwickelt, pflegen die im optischen Längs- profil höher, als breit erscheinenden Formen von Cylinder- epithelien oft ganz zu feblen, dahingegen finden sich massenhaft cubische, kugelige und hyalin-colloid metamorphosirte Drüsenzellen in überwiegender Anzahl, oder auch z. Th. ganz flache, schuppenartige Epithelien, während der Inhalt hydropischer Graaf’scher Follikel meist vollkommen frei, — ausser der Granulosa und Ei- zelle mit dem Discus proligerus, die eine wandständig promi- nirende Erhöhung darstellen, — von zelligen Elementen und nach Alcoholbehandlung homogen geronnen von fein ge- körnter Structur erscheint: Der Kystominhalt gerinnt bei ganz gleicher Behandlung streifig, säulenartig, oder radiär strahlig, — mit ausgesprochen krystalloider Structur. — Exacte chemische Untersuchungen des Inhaltes einer grösseren Reihe „rein“ papillärer Kystome existiren bisher noch nicht, doch dürften wohl schwerlich auch sehr 338 differenzirende Ergebnisse derselben zu erwarten sein, da bei den noch so unsicheren Kenntnissen der physiologisch- ehemischen Constitutionsverhältnisse der Albuminreihe die bislang zum Nachweise einzelner Glieder derselben an- gegebenen Methoden überhaupt nur mit Vorsicht aufzu- nehmen sein dürften. Uebrigens darf man wohl als unbe- dingt sicher annehmen, dass der Inhalt derartiger Hohlräume einer fortgesetzten Reihe von aufeinanderfolgenden Veränderungen unterworfen ist, die theils in der Flüssig- keitsmasse selbst vor sich gehen, theils auf den sehr verschiedenartigen, z. Th. erst secundären, weiteren Ver- änderungen beruhen, welche im Verlaufe der Entwickelung der Tumoren die Absonderungsflächen derselben erfahren. Durehgängig ist der Kystominhalt unzweifelhaft stark eiweisshaltig und enthält vielleicht häufig nur geringe Mengen Paralbumin. Die Quantität dess@lben kann eine verhältnissmässig ganz enorme werden, während das specifische Gewicht je nach dem Temperaturgrade, sowie der’ ungemein wech- selnden Beimischung morphologischer Elemente, zumeist noch neben dem Secret glandulärer Cystenabtheilungen, sehr bedeutende Unterschiede bei sonst durchaus sleichwerthig zu schätzenden Kystomen selbstverständ- lich aufweisen muss. — Die überhaupt sehr wechselnde Beschaffenheit der Inhaltsflüssigkeit von Kystomen steht Jedenfalls in engster Beziehung zum jeweiligen „Alter“, sowie zum „Charakter“ der Zellenauskleidung der beiden unterschiedenen Formen: Während beim glandulären Typus das Epithel der Wandungsinnenflächen durchweg . mehr im Sinne specifisch secernirender, echter Drüsen, mit massenhafter Umwandlung und Beimischung der Drüsenzellenleiber selbst, — als colloider oder myxoider Substanz, — funktionirt, entwickeln beim rein papillären Kystom die kräftiger, im Sinne der maligneren echten Cylinderzellen-Adenome, und einschichtig in die Fläche wuchernden Epithelien eine grössere Resistenz- fähigkeit gegenüber ihrem üppigen Nachwuchs und neigen im Allgemeinen eher zur fettigen Degeneration, als 339 zur Colloidmetamorphose: Jedenfalls spielt aber die direkte Transsudation seröser Flüssigkeit von den massenhaften, äusserst gefässreichen und mit Capillaren oft auffallend starken Kalibers in dichten Wundernetzen durchsetzten papillären Neubildungen, welche eine enorm vermehrte absondernde Oberfläche darstellen, eine sehr grosse Rolle zur Produktion des Kystominhaltes. Die obenerwähnten eigenartigen Kalkmassen im Bindegewebsstroma bestehen der Hauptsache nach aus kohlensaurem (Ca CO,), untermischt mit geringen Mengen phosphorsauren (Ca, (PO,),) Kalkes. — Die histologische Untersuchung der Structurverhält- nisse aller Formen von Papillombildungen der Wan- dungsinnenflächen und Aussenperipherie sowohl kleinster, mikroscopischer, als sehr grosser Kystome ergiebt das, für die Beurtheilung letzterer, als prineipieli eine Sonder- stellung erfordernder Geschwulstformen, — wichtigste Resultat, dass die papillären Wucherungen durchweg als ‚vollkommen selbständige, echte pathologische Neubil- dungen stets über das Niveau ihres zwar reichlicher vas- eularisirten und etwas zellenreicheren, im Uebrigen aber durchaus normal beschaffenen Mutterbodens sich erheben mit einem eigenartig entwickelten und oft sehr energisch aussprossenden Blut-Gefässsystem, dessen zu- und ab- führende Hauptstämmchen in den Endpapillen zu äusserst zierlichen Wundernetzen oft sehr weiter Capillaren sich ver- zweigen. Der den intermediären Gefässapparat umkleidende Bindegewebsstock besitzt eine sehr wechselnde Gewebs- dichte und Zellenhaltigkeit seiner faserigen Bindesubstanz, so dass er oft einen fast myxoiden Habitus, oft mehr fibröse, oder fibro-sarcomateuse Texturverhältnisse darbietet: Charakteristisch indess erscheint die Eigen- schaft, dass derselbe nicht zur Produktion abnormer, patho- logischer Leistungen im Typus der Sarcomreihe ge- ‚neigt ist, sondern überall nur das Bestreben erkennen lässt, den oft sehr üppig durch Quertheilung und einschichtig in die Fläche wuchernden epithelialen Elementen durch allseitiges dendritisches Aussprossen zur Oberflächenver- 340 mehrung eine genügende, allerdings sehr verschieden solid construirte Basis darzubieten. Durch. andauernd fortgesetztee Wiederholung des- selben Prineipes der feinsten, vielverzweigten Aus- sprossung gelangt der Cylinderepithelüberzug oft dermassen in das Innere der Papillombäumchen versenkt zu liegen, . dass die ganze Neubildung die ausgeprägte Form eines polypösen, oft nur sehr dünn gestielten Cylinderzellen- Adenomes annimmt. Vielfach sind als Ueberzug des bindegewebigen Grund- stockes auch mit Flimmercilien besetzte Cylinderepi- ihelien gefunden, eine Thatsache, welche für die Diagnose des ursprünglichen Sitzes der Entwickelung derartiger Tumoren äusserst wichtig erscheint. Zu besonders hervor- tretender Höhe entwickelt und dicht beisammen stehend mit radiär zum Endknopf gerichteter Längsaxe, zeigen sich die Epithelien besonders häufig auf den Spitzen der Pa- pillen in oft höchst eigenthümlicher Anordnung, indem in gewissen Abständen einzelne Cilienbüschel über die wellige Gränzeontour des Profils hervorragen; von der Fläche ge- sehen erscheinen die mit Cilien besetzten Cylinderzellen in der 5—6eckig polygonalen Mosaik durch eine dunkle Punktirung, durch Knöpfchenbildung an den Cilienenden bei Behandlung mit Solutio Mülleri und Alcohol, ausge- zeichnet und sind oft einzelne Flimmerepithelien in ziemlich regelmässigen Zwischenräumen von einem einfachen, oder auch mehrfachen Kranze von Cylinderzellen umgeben, eine Formenbildung, welche den Schluss gestattet, letztere aus jenen durch Quertheilung entstanden zu denken: Ausserdem finden sich häufig Zellenexemplare, die wesent- lich vergrössert erscheinen und doppelte Kerne mit Kern- körperchen enthalten. Diese eigenthümliche Vermehrungs- “art ist am klarsten gewöhnlich bei den papillären Parovarial-Kystomen ausgebildet. — \ Die ausgesprochene Neigung des Bindegewebsstromas sowohl der Papillome, als auch des Mutterbodens zur Verkalkung erfolgt unter oft massenhaftester Ein- lagerung rundlicher anorganisch-organischer Elemente, die in Struetur und Anordnung denen für die Geschwulst- 34 gruppe der Psammome als typisch kennzeichnend gelten- den vollkommen gleichen und ihrer chemischen ‚Analyse zufolge aus zumeist kohlensaurem und spur- weise phosphorsaurem Calcium, eingebettet in einer concentrisch geschichteten organischen Grundsubstanz, bestehen. — Die eigentlichen Kystomwandungen lassen in der Regel drei differente Schichten deutlich unterscheiden: Eine dunkler gefärbt erscheinende, sehr gefässreiche und zellen- haltige innerste Lage, aus welcher die Papillome direkt und mehr, oder minder lang und dick gestielt ent- springen; eine lockerer gewebte, aus längs, quer und schräg sich durchflechtenden Bindegewebsfaserzügen zu- sammengesetzte, weniger stark vascularisirte mittlere, und eine äussere Schicht, welche von meist nur geringer Mächtigkeit aus parallelfaserigem, sehr gefässarmen Binde- sewebe besteht und mit plattem bis cubischem Epithel, zu- meistabervonPeritonealendothelsichüberkleidet erweist. Die mittlere Wandungsschicht enthält gewöhnlich - in sehr wechselnder Menge und Ausdehnung, — z. Th. nur schwer auffindbar, z. Th. in sehr hedenfender nz — glatte Mu on eingesprengt. — II. Pathogenese. Histogenetisch lässt sich die Entwiekelungder papil- lären Kystome nicht selten zurückverfolgen bis zu einem Stadium intracanaliculärer Papillombildung inner- halb epithelialer Schlauchformationen des Adenoma ey- lindro-cellulare eysticum, die den Elementen des W olff'- schen Körpers mit seinen nächsten Umbildungsstadien und ‚seltener den Drüsenschläuchen des Keimepithels der Oberfläche der weiblichen Keimdrüse, vor Erreichung ihres gegenseitigen Anschlusses mit Weiterdifferenzirung der grosszelligen Anlagen letzterer zu Eiern, der Anfangs bedeutend kleinzelligeren Elemente der Pri- mordialnieren zur Membrana sranulosa, direkt ent- stammen: Die beiden unterschiedenen, später streng zu trennenden, Geschwulstformen im glandulären sowohl, als im papillären Kystomtypus sind demnach 342 auf ganz analogen Ursprung zurückzuführen, weichen jedoch ihrer weiteren Entwickelung nach in geradezu entgegengesetztem Sinne von einander ab. Während beim rein glandulären Adeno- -Kystom die drüsenartige Funktion der Cylinderepithelauskleidung unter oft colossaler Produktion speeifischer, colloider Inhaltsmassen in den Vordergrund tritt, indem die Binde- gewebsgrundlage sich nur als Matrix verhält, und die grossen, mehr kugelig (cubisch im Längsprofil, polygonal von der Fläche) gestalteten Epithelien nach massenhafter Colloidmetamorphose nur Ersatzzellen fordern, die früher oder später einer gleichartigen Degeneration entgegenzu- wachsen pflegen, zeigen die in ihren Uranlagen bedeutend kleinzelligeren, zunächst mehr, oder minder embryonalen Charakters gleich jenen, doch ebenfalls echtepithelialen Elemente der anatomischen Grundlagen des häufigsten „Sitzes“ der Entwickelung von „rein“ papillären Kystomen ein oft sehr energisches, selbständig produktives Weiter- wachsthum zumal einschichtig in die Fläche, wo- durch auch der intermediäre Blut-Bindegewebsapparat zu lebendigerer Produktion, zur Papillombildung sehr häufig und in oft excessiver Weise angeregt wird und eben gerade dadurch letzteren Geschwulstformen in anatomischem und klinischem Sinne ein exquisit malen Charak- ter aufgeprägt erscheint. Die Zellenauskleidungen sämmtlicher oben erwähnten Standorte der Entwickelung von Kystomen im Be- reiche der inneren weiblichen Sexualorgane müssen als direkte Abkömmlinge des seiner Zeithochentwickelten, z. Th. flimmernden Schleimhautepithels der Primordial- nieren naturgemäss auch befähigt erscheinen, gegebenen Falles als solches zu funktioniren und zum Uranfang eines echten Adenoma cylindro-cellulare die geeignet prae- formirte pathologisch-anatomische Basis darzubieten. — Auf der Grenzscheide der beiden, als „reine“ . Formen im glandulären und papillären Typus gekenn- zeichneten Arten von Tumoren, steht, nach Ausschluss auch der oft sehr complieirten Mischformen beider, eine Gruppe von Kystomen, die in gewissem Sinne noch eine Sonder- 343 stellung einzunehmen berechtigt erscheint: Geschwülste letzterer Art pflegen in der Regel eine vergleichsweise nur mässige Grösse zu erreichen, sind durchgängig von ziemlich hohem, im optischen Längsprofil exquisirt eylin- drisch erscheinendem, pallisadenartigem Flimmerepithel ausgekleidet und mit klarem, dünnflüssig serösem Inhalt von äusserstgeringem (1004—1005) specifischem Ge- wicht erfüllt, ohne die geringste Neigung der durchweg sanz glatten Wandungsinnenflächen zu Papilloment- wickelung erkennen zu lassen: Das klarste Paradigma derselben bilden am häufigsten die „reinen“ Parovarial- eysten. — Die papillären Neubildungen an sich sind sowohl pathologisch-anatomisch und histogenetisch, als auch klinisch in jeder Beziehung den echten Schleimhautpapillomen gleichzuschätzen, nur dass eben selbstverständlich die un- gemein wechselnden, abweichenden Verhältnisse der Stand- orte ihrer Entwickelung für die einzelnen Gruppen derselben auch andersartige Bedingungen für Offenbarung ihres morphologischen Charakters setzen: Die frei in den peri- tonealen Lymphraum hineinwuchernden Papillome haben offenbar bedeutend mehr durch mechanischen Insult zu leiden und erweisen sich für Transplantation, Me- tastasenbildung und Degeneration ungleich stärker disponirt, als wenn dieselben von einer dicken, derbfaserigen, dreifachen Cystenwandung umschlossen in eine zähflüssige Inhaltsmasse hineinwuchern, die einerseits einen sicheren Schutz gegen äussere Beschädigung gewährt, andererseits aber auch zugleich noch durch ihren starken excentrischen Druck die Papillomwucherungen selbst in bescheidenen Schranken zu halten pflegt. Die papillären Excrescenzen lassen häufig die charakteristische Eigenthümlichkeit er- kennen, von den, dem Hilus ovariü, oder dem Becken- boden näher gelegenen Wandabtheilungen vorzugsweise sich zu entwickeln, ein Bildungsmodus, der dem vom Hilus zur Peripherie der Keimdrüse gerichteten, physiologischen Gefässwachsthum entsprechen dürfte. — Die physiologisch paarige Organanlage disponirt offenbar von vornherein zu doppelseitiger Geschwulst- 344 entwiekelung in gleichem Sinne, natürlich aber nur bei erhalten gebliebener Symmetrie in Hinsicht der ab- normen morphologischen und pathologisch -neoplastischen Leistungen des Organismus. Als allgemein aetiologisches Moment zur Ent- wickelung papillärer Adeno-Kystome dürfte die grösste Wahrscheinlichkeit, — analog der für Entstehung patho- logischer Neubildungen überhaupt, — in einer heredi- tären Disposition zu irregulären Entwickelungsvorgängen im Bereiche der inneren weiblichen Sexualorgane zu suchen sein, eine Annahme, die im einzelnen, gegebenen Fall aller- dings meist nur äusserst selten und schwierig klar nach- weisbar ist. Eine von vornherein abnorme Keimanlage, oder gar direkt congenitale Kystombildung, — die eine wirk- lich adenomatöse Degeneration normal, oder über- schüssig angelegter Drüsenschläuche der embryonalen Ur- anlagen voraussetzt in der Weise, dass dieselbe oft erst im spätesten Alter, oft gar nicht zur Entwickelung eines exquisiten Kystomes Anlass zu geben braucht, — als wahrscheinlich anzunehmen, sind wir hier indess durchaus noch nicht genöthigst, da uns drei andere Möglichkeiten als näher liegend erscheinen, welche nur die Annahme eines abnormen, erst secundären Wieder- erwachens embryonaler Entwickelungsvorgänge im erwachsenen Organismus zu beliebigen Zeit- punkten mit energischer Produktion gleichartiger Zellen- formen in den vorhandenen normalen anatomischen Anlagen erfordern, ein Vorgang, der zur rein mechanischen Umformung letzterer zum Adenoma cylindro-cellulare sehr wohl geeignet erscheinen dürfte: 1. Lassen sich die anatomischen Grundlagen der früheren, oder späteren Adenomentwickelung als in Folge einer physiologischen Hemmungsbildung im typischen Aufbau der normalen Sexualorgane übrig ge- blieben ansehen, einerseits bei gar nicht, oder nur un- vollkommen eintretender Verödung des Wolffschen 345 Körpers und Ganges, andererseits bei nicht zur Follikel- bildung verwertheten Pflüger-Waldeyer’schen Drüsen- strängen; — 2. sind selbst wirkliche Vasa aberrantia nicht allzu ausgedehnten Grades im Bereiche der inneren (weiblichen) Sexualorgane als noch innerhalb der PpysLöloeiac Gränzen liegend zu erachten; — 3. findet nach Pflüger u. A. eine periodische Neu- bildung der nach ihm benannten Schläuche während des ganzen zeugungsfähigen Alters des Organismus von der Oberfläche der weiblichen Keimdrüse her statt, wovon sich nach v. Koelliker lange zu äusserst unter der an Dicke zunehmenden Hülle -des Organes eine Lage erhält: Wie lange diese letzte Lage embryonalen Gewebes besteht und welches ihre weiteren Schicksale sind, ist nochnicht senügend erforscht; — — und in allen diesen ursprünglich ganz normalen, schlauchartig und z. Th. in Form eines anastomosirenden Netzwerkes verzweigten Anlagen epithelialer Elemente haben wir die gelegentliche Grundlage zu einertypischen schrankenlosen epithelialen Neubildung nach dem Schema der mit Cylinderepithel ausgekleideten Drüsen- formen aus histogenetischen und topographisch-ana- tomischen Verhältnissen der hierher gehörigen Adeno- Kystome mit einem fast an Gewissheit gränzenden, sehr hohen Grade von Wahrscheinlichkeit zu vermuthen. Wodurch aber in letzter Linie die Anregung zur Umbildung der vorhandenen, geeignet erscheinenden An- lage zur wirklichen, homoioplastischen Geschwulstent- wickelung im einzelnen Fall gegeben wird, darüber herrscht zur Zeit noch eine vollkommene Unkenntniss: Für ein mehr, oder minder typisches Wiedererwachen embryonaler Entwiekelungsvorgänge am erwach- senen Organismus, der offenbar ganz wesentlich andere Bedingungen für Weiterentwickelung und Differen- zirung von Gewebselementen setzt, als ein foetaler Körper, lassen sich local abnorm gesteigerte Ernährungs- verhältnisse besonders der epithelialen Elemente jener dersistirenden Restbestandtheile wohl als unbedingt er- 346 forderlich annehmen, — mit consecutiver, mehr, oder weniger lebhafter Vermehrung durch Quertheilung und sehr verschiedengradig üppigem Wachsthum in die Fläche, — ein Zustand, welcher seinerseits aber wieder durch anscheinend sehr verschiedenartige Gründe bedingt werden kann. In letzterer Beziehung kommt vorzugs- weise das mechanische Moment des traumatischen In- sultes (Partus, Fall, Stoss), welches jedoch in der Regel durchaus nicht offenkundig vorliegend erscheint und oft selbst nach genauestem Durchforschen seiner Begründung im; oder ausserhalb des Organismus nicht auffindbar sein kann, in Frage bei wahrscheinlich ausserdem noch als bereits vorhanden erforderlicher Disposition der Gewebselemente, i. s. deslocalen intermediären Ernäbrungs- apparates, zu gesteigerterer Thätigkeit in Folge speei- fischer Reizzustände, deren letzte Bedingungen wahr- scheinlicherweise im (Puerperium, Suppressio men- sium, Chlorose und sog. Dyscrasien), oder nach bisherigem Stande der Wissenschaft möglicherweise ebenso gut auch ausserhalb des Organismus (als infektiöser, mechanischer, chemischer, elektrischer Art) gelegen sein könnten. — Betreffs der papillären Neubildinsen speciel gestatten die histogenetischen Verhältnisse den Schlussl dass eine ausgesprochene Tendenz zu Papillomentwicke- tung der Wandungsinnen- und Aussenflächen von Kystomen im Allgemeinen mehr den jüngeren Organismen zukommt, bei denen die energischere Produktionsfähigkeit des inter- mediären Blutbindegewebsapparates vorhanden zu sein pflegt, während im beginnenden Klimakterium, — das vorzeitig nach vielerlei, die Säftemasse ohne genügen- den und baldigen Ersatz consumirenden krankhaften Körper: zuständen und wahrscheinlich auch häufig erst nur local in seinen Erscheinungen zumal an den inneren Sexual- orsanen ausgebildet sich erweisen kann, — die ve getativen Körperfunktionen mehr und mehr zurücktreten und die verminderte Resistenzfähigkeit des intermediären Blut- bindegewebsapparates den ungleich länger widerstands- fähig erscheinenden epithelialen Zellenelementen in mehr a 347 oder minder hervortretender Weise das Uebergewicht lassen kann, ohne im Stande zu sein, die produktive Thätig- keit letzterer in physiologische Schranken zu bannen, wodurch ein stetig erneuter, localer Reiz gesetzt wird, (Cireulus vitiosus): Die extremsten Glieder der auf solcher Grundlage erfahrungsgemäss oft entstehenden patho- logiseben Neubildungen sind eben Sarcom und Careinom, diean specifischer MalignitätfürJugend . und höheres Alter sich das Gleichgewicht halten dürften. Was das gewöhnliche Vorkommen anlangt, so schliesst nach übereinstimmendem Urtheile der erfahren- sten Gynaecologen kein Alter die Entstehung von Kysto- men überhaupt aus: Wesentlich bevorzugt erscheint indess das Alter der eigentlichen Geschlechtsthätigkeit, also die Zeit vom 15. bis 50. Lebensjahre; vor Entwickelung der Pubertät sind Kystombildungen nur in ziemlich sel- tenen Fällen beobachtet, mit z. Th. glücklicher Opera- tion, während dieselben im ersten Jahrzehnt nach gewöhn- lichem Beginn des Klimakteriums etwas häufiger sich erwähnt finden. Eine grössere Disposition zur Erkrankung scheint nach statistischen Zusammenstellungen bei unverhei- ratheten Personen vorhanden zu sein (Masturbation?). Für die Möglichkeit einer Vererbung des Uebels sprechen ‚mehrfache Beobachtungen derselben Erkrankung bei mehreren Schwestern hintereinander. Die Häufigkeit des Vorkommens von papillären Kystomen im Verhältniss zu den Tumoren vom glandu- lären Typus mag nach ungefährer Schätzung etwa 10 bis 15 Procent austragen, sodass dieselben an zweiter Stelle der echten epithelialen pathologischen Neubil- dungen im Bereiche der hierher gehörigen Organe ran- giren würden, da die primären Carecinome etwas sel- tener scheinen, während das glanduläre Kystom, ein- schliesslich der oben genauer definirten Gränzformen, die ungleich häufigeren Vorkommnisse bilden: Die äusserst häufigen, zumeist gleichzeitig mit Kystomen 348 vorhandenen, doch an sich nur in ungemein seltenen Fällen überhaupt eine klinische Bedeutung erlangenden Bil- - dungen von Hydrops follieularis ovarii, sind als ein- fache Retensionscysten hiernach selbstverständlich aus der Reihe echter epithelialer Neubildungen ausgeschlossen. Das Verhältniss der papillären Kystome zu Geschwulstent- wickelung im Bereiche der inneren weiblichen Sexualorgane überhaupt ist natürlich ein entsprechend geringeres. Il. Natürlicher Verlauf. Die nächsten Folgezustände der Entwickelung pa- pillärer Kystomformen in den verschiedenen Re- sionen der inneren weiblichen Sexualorgane können ge- nau gleichartige sein, wie beiden slandulären Arten, nur dass sehr häufig das energischere Wachsthum ersterer ein schnelleres Eintreten derselben herbeizu- führen vermag. Während beim glandulären Kystom der Verlauf meist ein verhältnissmässig langsamer, nach sicheren Beobachtungen mitunter selbst Jahre lang ganz cessirender zu werden pflegt, und gewöhnlich erst nach Eintritt besonders lästiger Druckerscheinungen der z. Th. alsdann bereits den schwangeren Uterus oft um ein Bedeutendes an Grösse übertreffenden Geschwulst seitens der übrigen Abdominal- und Beckenorgane mit rein mecha- nischen Funktionsstörungen anderer lebenswichtiger Or- gane ein den Lebensgenuss derartig störender zu werden braucht, dass ärztliche Hülfe nachgesucht wird: Das ohne Kunsthilfe jedoch in fast sicherer Aussicht stehende, schliessliche letale Ende dann aber erst einzutreten braucht, wenn die Tumoren das sechs- bis achtfache Vo- lumen der zu Ende der Schwangerschaft befindlichen Ge- bärmutter, und mehr, erreicht haben, ist die Entwickelung ersterer, zumal der doppelseitig papillären Kystome, von tief intraligamentösem Sitz, eine oft ganz rapide, welche nach schneller Herbeiführung der charakteristischen Anfangssymptome, als: Hysterie, Obstipation, Dysurie, Ge- fässalterationen, Sterilität, u. a. m. in mehr oder minder ausgesprochener Form meist weitere, schwerere Folge- » zustände herbeizuführen pflegt; eine constatirte radicale 349 Naturheilung, wie sie bei glandulären Kystomen in einzelnen Fällen sieher beobachtet worden ist, findet sich nirgends erwähnt, obwohl dieselbe für seltene Aus- nahmen in gleicher Weise denkbar erscheint durch Axen- drehung des Stieles der Geschwulst mit consecutivem Stillstand im Wachsthum, Atrophie, Verfettung, Re- sorption: Hauptbedingung für wirkliches Zustandekommen derselben ist entschieden die totale, genügende Atrophie der epithelialen Elemente, die hauptsächlich den „ma- lisnen“ Charakter diesen Tumoren aufprägen. Häufig schon ziemlich frühzeitig pflegt bei den pa- pillären Kystomformen, insbesundere den doppelseiti- gen, sowie den mit Öberflächenpapillomen bewachse- nen, ein stärkerer Ascites sich auszubilden, der zunächst meist der gewöhnlichen Form von Bauchwassersucht analog ist: Diesem gegenüber ist eine andere Art zu unterscheiden, welche bei von vornherein oder nach Durch- bruch freien, massenhafteren Papillomen im peri- tonealen Lymphraum häufig zur Beobachtung gelangt und die’ specifische (myxoide) Beschaffenheit des Inhaltes der Kystome zeigt, als z. Th. entschieden seeretori- scher seitens der einer, ausgestülpten Adenominnen- fläche vollkommen gleichenden Papillomoberfläche. Eine wesentliche Aenderung des Verlaufes wird be- dingt durch die häufige Ruptur der Cystenwandungen, welche in selteneren Fällen auf traumatischem Wege (Stoss, Fall, Partus), häufiger „spontan“ nach Atrophie, oder Ausbildung von stärkeren Verfettungsheerden und als aktive Perforation seitens der üppig wuchernden, gleich Granulationsschlingen gegen ihre Umgebung continuirlich andrängenden Papillome auftreten kann. Erfolgt der Durchbruch mit Ausströmen des Inhaltes in den Perito- nealsack, so vermag er eine Peritonitis acuta mit ver- schiedenartigem, oft sogar letalem Ausgange zur Folge zu haben, anderenfalls erfolgt in der Regel auch ziemlich häufig die einfache Resorption desselben, mit gewöhnlich nachfolgender Ausscheidung durch beträchtliche wässerige Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. BA, LIV. 1881, 23 350 2 Darmentleerungen, deren oft schon beobachtetes periodi- sches Auftreten den jedesmaligen Durchbruch einer grösse- ren Cyste zu markiren vermag, wie die nachweisbare Ver- kleinerung des Tumors ergab. In die Perforationsöffnungen pflegen alsdann die pa- pillären Neubildungen hineinzuwuchern, sodass zu- nächst eine dauernde Cysten-Bauchhöhlenfistel zu Stande kommt, ein höchst charakteristischer Vorgang, der weitere schwere Folgeerscheinungen früher, oder später herbeiführt. Die Perforationen lezterer Art können oft in der eigen- tkümlichsten Weise auch in Darm, Blase, Scheide und sogar durch die Bauchdeeken nach aussen erfolgen: Nach stattgehabtem Durchbruch pflegen eiterige Um- wandlung des nicht entleerten Inhaltes durch Entzündung der Wandinnenfllächen, Verjauchung und mehr oder min- der acut eintretendes septischesResorptionsfieber den letalen Ausgang bald herbeizuführen, Folgezustände, welche durch schleunigst angewandte Antisepsis zu verhüten, und durch möglichst bald nachfolgende Extirpation der Geschwulst, einschliesslich der ganzen Erkrankung überhaupt, sogar noch vollkommen radical geheilt zu werden vermögen. — Ein durchaus nicht selten im Verlaufe der Kystoment- wickelung eintretendes Ereigniss ist die intraeystische Haemorrhagie, — wozu die äusserst gefässreiche Beschaf- fenheit der Papillombildungen in hervorragendem Maasse disponirt, — die zumeist als durch partielle Compression der Blutgefässe in Folge von Stieltorsion verschieden- artig bedingt erscheint: Plötzliche Anaemie der mit Kystomen behafteten Frauen muss als Symptom dieses Zu- falles betrachtet werden, und bereits in mehreren Fällen wurde die Diagnose sicher gestellt, während sogar ein- mal die sofort unternommene Entfernung der Geschwulst das Leben der Kranken vor Verblutung rettete. — Die nach Ruptur der Kystomwandungen, oder als Oberflächenpapillome frei in den peritonealen Lymphraum hineinwuchernden papillären Neubil- sol dungen disponiren ungemein zur direkten Transplan- tation von Papillomzotten auf die umliegenden Endothel- flächen und fand sich schon häufig Darm, Blase, Netz, ja fast die ganze Bauchhöhle damit besetzt: Dieser Vorgang kann entschieden auch in (dem blossen Auge) unmerkbaren, mikroscopischen Verhältnissen erfolgen und bildet dann das bisher klinisch häufig sogenannte Recidiv nach scheinbarer Totalexstirpation der krankhaften. Ge- schwulstelemente durch Kystektome. . Hierauf pflegt meist zie.nlich bald eine Degeneration zu malisneren Geschwulstformen, als: Umbildung der Papillombäumchen zu polypösen Cylinderzellenadenomen; Metastasenbildungen, auftretend in Gestalt kleinster, mikroscopischer multipler Kystome in allen nur denkbaren, hauptsächlich aber in den verschiedenen Regionen der Peritonealauskleidung der Abdominalhöhle, zu erfolgen: Die metastatischen Tumoren sind in Hinsicht ihrer Wandungsinnenflächen mit Cylinderepithel, seltener mit Flimmerzellen ausgekleidet; - endlich aber, und zwar leider am allerhäufigsten erfolgen sie als Uebergangsstufen zum echten, destruirenden, parenchymatösen Drüsen - Epi- theliom, dem Carcinoma. — Der oben erwähnten eigenthümlichen Neigung des Blut-Bindegewebsapparates zur psammomartigen, par- tiellen Verkalkung darf wohl kaum ein besonders günstiger Einfluss auf Behinderung des Weiterschreitens der Ge- schwulstentwickelung im Allgemeinen zugeschrieben werden, da durch dieselbe zwar einzelne Partien zu veröden pflegen, aber keineswegs verhindert wird, dass immer wieder jüngste Papillomzöttchen zwischen den verkalkten älteren papillären Neubildungen aus dem produktiven Mutterboden hervorsprossen, um allerdings z. Th. früher, oder später vielleicht einem gleichen Schicksal entgegenzuwachsen, oder aber zu maligneren, degenerativen Vorgängen Anlass zu seben. — IV. Semiotik. Auffallend frühzeitiges Auftreten schwererer Folgeerscheinungen, besonders bei nachweisbar vorhandener - 23° 352 doppelseitiger Tumorenbildung; stärkerer Ascites bei verhältnissmässig erst nur geringerer Grösse der Kystome; schnelles, continuirliches Wachsthum der Geschwulst; Symptome frühzeitiger Cystenrupturen mit ihren sehr verschiedenartigen Consequenzen, würden speciell für das Vorhandensein der Entwickelung papillärer Kystome sprechen. Ein praktisch noch viel wichtigeres Kriterium für eine grosse Gruppe derselben bildet der exquisit intraligamentöse Sitz der Tumoren, ohne, oder nur mangelhafte Entwickelung eines zur operativen Entfernung günstigen, längeren Stieles, indem gerade die in den eigentlichen Ligamentis latis, — deren Genese auf die persistirenden Bestandtheile des zwischen Parovarium und Uterus gelegenen Theiles vom Wolff’schen Körper zurückgeführt ward, — sich entwickelnden Kystome die ausgesprochenste Tendenz zu oft ganz excessiver Papil- lomwucherung offenbaren. Das in der Regel raschere Wachsthum dieser Geschwülste im Vergleiche zu denen vom glandulären Kystomtypus, bedingt auch viel ausge- prägtere, acutere Drucksymptome zumal im Bereiche der Beckenorgane: Schmerz, Koprostase, Strangurie, Dysmenorrhöe etc., vor allem bei dem sehr häufig er- folgenden tieferen Hineinwachsen in das äusserst lockere periproktale, perivaginale und retrovesicale Zell- sewebe des Cavum pelvis subperitoneale. — Deutlicher noch manifestirt sich der equisit malig- nere Charakter der papillären Kystome nach erfolgter Perforation in den peritonealen Lymphraum mit nach- folgender Ueberwucherung und Transplantation der papillären Neubildungen in letzteren selbst, oder gar schon erfolgender Metastasenbildung und Degeneration zu noch maligneren Geschwulstformen. — Der direkten Unter- suchung ihres Binnenraumes zugängig werden die papillären Kystome spontan bei erfolgtem Durchbruch nach Vagina Rektum und äusseren Bauchdecken; schwieriger gestaltet sich die klare diagnostische Darlegung der ana- tomischen Verhältnisse am lebenden Organismus bei Durchbruch in die Blase, oder in höher gelegene Darm- abschnitte: Plötzlicher Abgang reichlicherer Flüssigkeits- | 1 ; 2 J % 353 massen, die chemisch und im Gehalte morphologischer Elemente der Inhaltsbeschaffenheit papillärer Kystome gleichen, natürlich unter Beimischung mehr oder minder bedeutender Mengen von Harn, resp. Darmcontentis, wodurch eine sehr verschiedenartig zusammengesetzte und ungemein wechselnde, mehr oder weniger diekflüssige, bis breiartige Form der entleerten Substanz resultiren muss. Mitunter wird letztere Blut und selbst ganze Papillom- zotteneomplexe in mehr oder minder stark veränderter Weise beigemischt enthalten können, gleich denen schon häufig bei genauer mikroskopischer Untersuchnng in der durch Paracentese entleerten Inhaltsflüssigkeit von pa- pillären Kystomen enthaltenen, zur Diagnose letzterer im hohen Grade verwerthbaren. — Im Anschluss an solche Erscheinungen auftretender Collaps, begleitende Haemorrhagieen, nachfolgende acute Eiterungs- processe, allgemeine Sepsis pflegen die noch klarer den Sachverhalt offenbarenden weiteren Zeichen zu bilden. V. Diagnostik und Differentialdiagnose. Trotz der gegenwärtig so bedeutend gegen früher vervollkommneten und verfeinerten Untersuchungsmethoden, sowie der besonders im letzten Jahrzehnt so häufig ge- botenen und benutzten Gelegenheit durch Laparotomieen direkte Aufklärung über diagnostische Irrthümer und ihre Gründe zu erhalten, hat die Diagnostik der sog. Ovarial- Tumoren doch überhaupt noch lange nicht den sehr oft ' wünschenswerthen Grad von Genauigkeit und Sicherheit erlangt, wie die äusserst reichhaltige und ungemein lehr- reiche „Casuistik der Irrthümer“ zur Genüge darthut. Wenn schon die genaue differentielle Diagnose betrefis der Verhältnisse gerade cystischer Tumoren überhaupt im Be- reiche der inneren weiblichen Sexualorgane unter Umständen eine der schwierigsten Aufgaben bilden kann, deren Lösung nicht gar selten als unmöglich selbst unter in- geniösester eombinirter Anwendung aller physikalischen und chemischen Hülfsmittel sich herausstellt, so gestaltet sich die möglichst frühzeitig anzustrebende Unterscheidung speziell papillärer Kystome von den glandulären in 354 den meisten Fällen fast zur Unmöglichkeit: Und doch er- fordert der so maligne Charakter gerade dieser Gesehwülste z. Th. ganz wesentlich abweichende Modificationen der diagnostischen und operativen Maassnahmen zur Radical- heilung. — | Die eigenthümliche anatomische Beschaffenheit der papillären Kystomformen verbietet offenbar von vornherein alle gewaltsameren Manipulationen und lässt eine möglichst „leichte‘“ Hand als unbedingt wünschenswerth erscheinen. Für die Diagnose weniger verwerthbar sind die im vorigen Abschnitt geschilderten Anfangssymptome, deren ziemlich unbestimmte Form leider keine zuverlässigen Schlüsse gestattet. Ein direktes Erkennen der Papillom- bildungen auf den Wandungsinnenflächen ist wohl nur bei Kystomen von tiefer intraligamentösem Sitz in der Weise möglich, dass die Papillome bei combinirter Recto- Vaginalexploration ein Durehfühlen ihrer charakteri- stischen Formen bis zu einem gewissen Grade den tastenden Fingerspitzen häufig gestatten werden und bei Gegenein- anderdrücken und alsdann in entgegengesetztem Sinne streichenden Bewegungen die eigenartige Tastempfindung eines mit den Fingerspitzen „hörbaren“ Reibegeräusches darbieten können, welches dem Reibegeräusch eines mit sequollenen Reiskörnern gefüllten und abwechselnd einge- drückten dicken Ledersackes ähnelt. Von grösserer Bedeutung für Sicherung der Diagnose bei den übrigen Kystomformen ist indess die genaueste histologisch-mikroskopische Untersuchung der durch vor- sichtig ausgeführte Probepunktion gewonnenen mor- phologischen Elemente: Charakteristisch für papil- läre Kystome erscheint der gleichzeitige Befund polymorpher, flacherer bis sehr hoher Formen von Cylinderepithelien, die häufig auch ballonähnliche, keulenförmige, becherartige und konische Gestaltung haben, vorzugsweise oft aber mit Flimmercilien besetzt sich darbieten können. Daneben ein geringerer, oder oft ganz mangelnder Gehalt an deutlich in colloider Metamorphose befindlicher Zellenindividuen, bei hingegen meist äusserst 355 reichlich vorhandenen fettig degenerirten Belagzellenele- menten, Körncehenkugeln in mehr oder minder ausgebil- deter Vollkommenheit und freien grösseren und kleineren Fettkörnchen. Nicht gar selten finden sich auch ganze Exemplare von Papillomzotten als weissgelblich flockige Massen schwimmend, die allerdings ziemlich stark verändert erscheinen können, indem zumeist der Cylin- der-, resp. Flimmerzellenbelag ganz fehlt, die . Bindegewebsfibrillen äusserst durchsichtig und ge- quollen erscheinen, während die interfibrillären Bindege- webskörperchen als meist spindelige Reihen, oder auch mehr rundliche Conglomerate von aneinandergela- gserten grösseren bis kleinsten Fettkörnchen erkenn- bar sind: Pikrocarminimbibition leichteren Grades bildet ein oft unentbehrliches, ausgezeichnetes Hülfsmittel zur klaren Erkenntniss ihrer Texturverhältnisse. — Da vielleicht schon die Einimpfung mikroscopischer Mengen specifischer Geschwulstelemente in den peri- tonealen Lymphraum eine Transplantation mit Recidiv- bildung und allen weiteren Folgezuständen herbeiführen könnte, sollten die diagnostischen Probepunktionen bei geringstem Verdacht aufpapilläre, oder malignere Formen von Kystomen nur nach vorhergängiger, künstlicher Verlöthung der Tumoren mit dem Peritoneal- überzug der vorderen Bauchwand an einer zweimark- stückgrossen Stelle der Linea alba in der Mitte zwischen Symphyse und Nabel statthaben, — selbstverständlich unter antiseptischen Cautelen, — nach einer längere Zeit hindurch zuvor schon eingenommenen Knie-Ellenbogen- lage, die eine Senkung der morphologischen Ele- mente des Kystominhalts nach der tiefsten Stelle des Binnenraumes herbeiführt, mit nicht zu dünner Canüle und gut schliessendem Spritzenstempel, wegen der meist zu erwartenden, mehr oder minder dickflüssigen Be- schaffenheit”der Punktionsflüssigkeit: Ein Absetzenlassen letzterer, — am praktischsten gleich in der, mit der Ca- nüle nach unten am Stempelringe suspendirten, von jedes- maligem Gebrauche natürlich äusserst sorgfältig zu rei- nigenden Spritze selbst, — ist erforderlich. — ‚356 Unbedingt sicherer, also rathsamer noch muss die explorative Peritoneotomie erscheinen, mit linearer Eröffnung des Bauchfellraumes an der oben erwähnten Stelle in 1 bis2 Zoll Ausdehnung und mit nachfolgender fester Einheilung des in die Schnittwunde sich eindrängenden zweifelhaften Tumors nach Abfluss der häufig vorhandenen Aseitesflüssigkeit, eine vorbereitende Operation, die als früher mit Recht so gefürchteter Eingriff durch die pro- phylaktische, methodisch-antiseptische Wundbehandlung zu einer vollkommen ungefährlichen bei kunstge- rechter Ausführung geworden ist: Nach bald erfolgter fester Verheilung der in den Wundwinkeln leicht fixirten Ge- schwulst mit den durch den antiseptischen Verband (Krül- gaze) dilatirt zu erhaltenden Wundrändern des Peritoneum parietale, sind offenbar alle Vortheile eines extraperi- tonealen Sitzes von Geschwulsten vorläufig operativ ge- schaffen, welcher nach breiterer Ineision (unter Spray!) durch direkte Inspektion, Palpation, vorsichtige Son- dirung, sowie durch mikroscopische Untersuchung von den Wandungsinnenflächen leicht abgeschabter Zellenele- mente ete., die denkbar genaueste Erforschung des patho- logisch-anatomischen Charakters der Geschwulst, sowie der Lage, Stielverhältnisse und vielleicht auch noch sonst vorhandener etwaiger Complicationen mit grösst- möglicher Sicherheit zulässt, ohne der vorhandenen Aus- sicht auf operative Radicalheilung irgendwie Abbruch zu thun, indem nach gesicherter Diagnose des Vorhanden- seins eines entfernbaren papillären Kystomes die Operation der sogenannten Ovariotomie, womöglich in sofortigem Anschluss, — doch nach antiseptischem Ver- schluss der gebildeten Fistel auch beliebig später, — ohne die geringste Beeinträchtigung der vorherigen Prognose der Operation statthaben könnte. — VI. Therapie. Die Wahl und Prognose des speciellen Heil- planes der papillären Kystome dürfte sich in Ansehung der sehr wechselnden Standorte ihrer Entwickelung; verschie- 357 denartiger, z. Th. mangelhafter, oder auch ganz fehlender Stielbildung; anderweitiger Complicationen mannig- fachster Art; sowie des ungemein differenten, häufig bereits absolut malignen, — in Folge der leider oft schon sehr frühzeitig eintretenden Degeneration zu Carcinom, — Charakters der im einzelnen Fall zur Beobachtung ge- langenden Tumoren sehr verschieden gestalten: Die noch immer wachsend günstigeren Aussichten auf radicale Heilung des Uebels durch möglichst frühzeitig erfolgende Entfernung der Geschwulst lassen ein immer" frühzeitigeres Nachsuchen der Kunsthilfe seitens der er- krankten Frauen erhoffen. — Unbedingte Contraindication bei voraussichtlich ohne besondere Gefahr unter Mangel erschwerender Complicationen undsecundärer Veränderungendes Ge- schwulstcharakters selbst, möglicher Kystomexstirpation, besteht offenbar gegen die noch so gebräuchliche und im Allgemeinen bei sog. Ovarialtumoren cystischer Art für fast ungefährlich erachtete palliative Paracentese mit möglichst vollständiger Abzapfung des Kystominhaltes bei Vorhandensein papillärer Neubildungen auf den Wan- dungsinnenflächen, — zumal ohne vorhergängige, prophy- laktische künstliche Verlöthung der Geschwulstober- fläche mit der vorderen Bauchwand, — da möglicher- weise schon allein die plötzliche Aufhebung des oft ungemein starken excentrischen Druckes des Kystom- inhaltes, welcher sehr geeignet erscheinen muss, die pa- pillären Vegetationen durch Ersehwerung des Zuflusses er- nährender Säftemassen in bescheidenen Gränzen zu halten, zur künstlichen Züchtung malignerer Tumoren ge- nügen dürfte. Abgesehen übrigens von sehr oft schon er- folgten „übelen Zufällen*, als: „Shok“, Blutungen, Vereiterung, Peritonitis, Oophoritis, Darmper- foration, Punktion des graviden Uterus, Blasen- verletzung, Verjauchung, allgemeine Sepsis, — pflegt in der Regel eine rapide Wiederansammlung der Inhaltsflüssigkeit stattzufinden, die wiederholt erneute Punktionen in oft erschreckender Anzahl zur Folge hat, wodurch natürlich dem Organismus eine kolossale Menge 358 Nährsäfte entzogen werden müssen. Die für gewöhnlich ohne besondere Gefahr ausführbare Möglichkeit derartiger Maassnahmen findet ihre einfache Erklärung in der über- wiegenden Häufigkeit glandulärer Kystomformen, so- wie der bald eintretenden festen Verwachsung der Tu- moroberflächen mit der vorderen Bauchwand in Folge der ersten, glücklich überstandenen Punktionen: Ausserdem haben die epithelialen Zellenelemente der glandulären Arten meist nur die Neigung zu specifisch-secretori- ‘scher, weniger oder gar nicht zu homoioplastisch- produktiver Thätigkeit; bei letzteren, zumal den kräftiger entwickelten, reinen Formen papillärer Kystome ward hingegen schon sehr oft Cystendurchbruch mit Pa- pillomtransplantation in den pertionealen Lymphraum und ihren weiteren und schwereren Folgezuständen in direktem Anschluss an mangelhaft ausgeführte Pa- racentesen sicher beobachtet: Viele Fälle von merk- würdigen „Reeidiven“ in Gestalt massenhafter Papil- lombildungen im Peritonealraum nach scheinbar vollständiger Entfernung aller krankhaften Geschwulst- elemente durch Herausnahme des eigentlichen, ursprüng- lichen Tumors, dürften somit ihre einfachste Erklä- rung finden. Uebrigens pflegt durch die Paracentese, selbst nach Jodinjektion, im günstigsten Fall eine Radical- heilung überhaupt nur in ausserordentlich seltenen Fällen erzielt zu werden: Fälle, wo die kystomartige Ge- schwulst aber wohl nur durch excessiven Hydrops folli- cularis ovarii, oder auch einkammerig glanduläre Tumoren mit bereits atropisch gewordener, funktions- unfähiger Adenomzellenauskleidung der Wan- dungsinnenflächen repräsentirt ward. Für die papillären Adeno-Kystomformen im Bereiche der inneren weiblichen Sexualorgane besteht die Radicalheilung der Krankheit nach gegen- wärtigem Stande der Wissenschaft, bei überhaupt vor- handener chirurgisch-technischer Möglichkeit, ohne di- . rekte anderweitige Contraindicationen, in kunst- 359 gerechter Ausführung der möglichst frühzeitigen opera- tiven totalen Entfernung der Tumoren aus dem Or- ganismus, der sogenannten Ovariotomie, — die hier natürlich in einer Kystomexstirpation durch Kystektome besteht, welche allerdings leider meist eine Oophorek- tome des mitunter sehr wohl noch leistungsfähigen Eierstockes gleichzeitig bedingt, — natürlich unter strengster Wahrung sämmtlicher Cautelen gegen sep- tische Infektion der gesetzten ÖOperationswunden in zweckentsprechender Abänderung der in der übrigen Chirurgie erprobten Methoden. — — Wegen der leider häufigen Sonderstellung ge- rade der papillären Kystome durch ihre häufige Ent- wickelung tief zwischen den breiten Mutterbändern unter nicht allzu seltenem Hineinwachsen bis zum Becken- boden, erweist sich oft selbst der frühzeitigste Ver- such zur Ausführung der Exstirpation leider als Unmög- lichkeit. - Da aber gerade in diesen Fällen die voll- ständigste Heilung mit Erhaltung der Funktionsfähigkeit aller inneren Sexualorgane, — i. s. der Ovarien, — die ganz ausserhalb der Geschwulstbildung liegen können, denkbar erscheint, kommt hier als eine unbedingt noch an- zustrebende Maasnahme zur Radicalheilung die Kystomoblite- ration, Kysteremia, als berechtigte Operationsme- thode zur Indication, ein Verfahren, welches Angesichts des ziemlich häufigen Vorkommens derartiger Fälle zwei’ fellos einer besseren Würdigung und Ausbildung theilhaftig zu werden verdient. — — Nie zu versäumen ist nach kunstgerechter Ausfüh- rung derim vorliegendenFail speciell indicirten Opera- tion auf der einen Körperseite auch die sofortige Be- nutzung der günstigen Gelegenheit zur genauen Revision der anderen: Falls daselbst ebenfalls eine malignere Entartung, — z. B. in Gestalt von Oberflächenpapil- lomen, — sich findet, wäre sofort die sogenannte Ovario- tomia duplex zuversuchen: Je frühzeitiger die totale Entfernung der beginnenden pathologischen Neu- bildung, desto günstiger die Prognose für Radi- ealheilung. 360 Literatur -Verzeichniss. I. Specielle Literatur. A. Grössere Specialwerke und Abhandlungen über „Krankheiten der Ovarien“. . Atlee: Gen. and differ. diagnosis of ovarian tumours; Philadel- phia und London 1873. . Beigel: Die Krankheiten des weiblichen Geschlechtes; Erlangen 1874. . Bright: Observations on Abdominal-Tumours; Vol. IH; London 1838. . Brown, Baker: On ovarian dropsy; London 1862. . Frerichs: Ueber Gallert- und Colloidgeschwülste; Göttinger Studien 1847; Abth. I. . Grenser: Die Ovariotomie in Deutschland, historisch und kri- tisch dargestellt; Leipzig 1870. . Klob: Pathologische Anatomie der weiblichen Sexualorgane; 1864 . Koeberl&: Les maladies des ovaires; Nouveau dicet. de medic. et de chir. prat. Paris 1878. . 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Fox: On the origin, structure and mode of development of the Cystic Tumours of ovary; Medico-chirurg. Transact. Vol. 47; 1864. Si: 8. Gusserow: Ueber Cysten des bıeiten Mutterbandes; Archiv für Gyn. Bd. IX., 8. 478 u. X.1. 9. Hicks, Braxton: On the glandular nature of proliferous disease of ovary; Guy’s Hosp. Report. Vol. III. und IY. 10. Malassez et de Sin&ty: Sur la structure, l’origine et le de- veloppement des Kystes de l’ovaire; Arch. de Physiol. norm. et path. Paris 1878, 1879, 1880. 11. Marehand: Beiträge zur Kenntniss der Ovarien-Tumoren; Ab- handl. der naturf. Ges. zu Halle a. $., Bd. 14; Heft 3. 12. Mayweg: Entwickelungsgeschichte der Cystengeschwülste des Eierstockes, Bonn 1868. 13. Noeggerath: The Diseases of Blood-Vessels of the Ovary in Relation to the Genesis of Ovarian-Cysts; American Journ. of Obstetries, Vol, XIIL, No, 1; New-York 1880. 14. Waldeyer: Die epithelialen Eierstocksgeschwülste, insbesondere die Kystome; Arch. für Gyn. 1870; Bd. L; S. 252. — Ausser den vorstehend erwähnten Abhandlungen vergleiche man die hierher bezüglichen Abschnitte sämmtlicher m all- gemeinen Literatur- Verzeichniss am Schlusse aufgeführten, sowie der oben unter IL, A. genannten grösseren Special-Werke. III. Natürlicher Verlauf. 1. Beigel: Recidiy eines papillösen Cystosarcoms der Bauchhöhle Virch. Arch. Bd. 45; S. 103. 2. Breisky: Carcinomübergang; Correspondenzblatt für schweiz, Aerzte; 1872; No. 70. 3. Bruch: Zeitschr. für rationelle Med. Bd. VIIL; 1849; S. 125. 4. Coblenz: Das Ovarialpapillom; Virch. Arch. Bd. 82; $, 268. 5. Flaischlen: Psammocareinom des Ovariums; Virch. Arch. Bd. 79. 6. Flesch: Verhandl.” der phys.-med. Ges. zu Würzburg 1872, Bd. IE SSR 64 7. Kroker: Ueber die Ursachen der spontanen Perforation von Ovarien- eysten; Diss. inaug. Breslau 1869. 8. Kryzan: Zur Casuistik der spontanen Rupturen ‚von Erz eysten; Diss. inaug. Halle a. S. 1875. 9, Marschand: Beiträge zur Kenntniss der Oyvarientumoren; Ver- handl. der naturf. Ges. zu Halle, Bd. XIV.; Heft 3. 10. Nepveu: Rupture des Kystes de T’ovaire Ei, Ann. de ne. cologie; T. IV.; p. 14. 11. Palm: Ueber spontane Rupturen der Ovarieneysten; Würzburg. med. Corresp.-Blatt No. 37; 1871. 12. Spiegelberg: Ueber Perforation der Ovarial-Kystome in die Bauchhöhle; Arch. für Gynaecolog. Bd. 1.; 1870; S. 60. 13. Wagner: Archiv für Heilkunde; Bd. V.; S. 9. 14. Waldeyer: Die epithelialen Eierstocksgeschwülste, insbesondere die Kystome; Arch. für ln: Crede und Spiegelberg, 1870; Bd. 1.; S. 252. kan den or stehend erwähnten Abhandlungen vergleiche man die hierher bezüglichen Abschnitte sämmtlicher im allge- meinen Literatur-Verzeichniss unter B. aufgeführten, sowie der unter I., A. zusammengestellten grösseren Special-Werke. — IV. Semiotik, Diagnostik und Therapie. Umfassendere Zusammenstellungen der äusserst reichhaltigen und beständig noch anwachsenden Literatur über Symptomatologie, Diagnostik (Differentialdiagnose) und Therapie der Kys- stome überhaupt, sehe man in den unter I., &: No. 8 und 10 auf- geführten grösseren Specialwerken über „Die Krankeiten der ÖOvarien® von Koeberl& und Olshausen: — Obzwar bislang nirgends eine principielle Scheidung der Adeno-Kystome inglanduläre und papilläre Formen auf pathologisch-anatomischer und histogenetischer Basis auch in klinischer Beziehung versucht ward, so ergiebt doch das genauere Studium fast aller, zumal der erwähnten grösseren Werke nach jenen Gesichtspunkten viele und werthvolle Aufschlüsse über bislang der klaren Erkenntniss und verständlicher Sichtung noch entbehrender Thatsachen. — — II. Allgemeine Literatur, A, Handbücher der allgemeinen Pathologie und Therapie, von: Billroth, Cohnheim, Perls, Uhle und Wagner. — B. Lehrbücher und Atlanten der pathologischen Anato- mie und Histologie: Birch-Hirschfeld, Cornil etRan- ier, Cruveilhier, Förster, Klebs, Lebert, Rind- Merken Rokitansky, Thierfelder, Virchow (Belfular- patholog a) C. Onkologien: Lücke, Johannes Müller, Virchow. — x ee 1831. Correspondenzbiatt II. des Naturwissenschaftlichen Vereines für die Provinz Sachsen und Thüringen Halle. Sitzung am 3. März. 27 Mitglieder sind anwesend. Eingelaufene Schriften: 1. Jahrbuch der geologischen Reichsanstalt Bd. XXX. No. 4. 2. Noll, Zoologischer Garten Jahrgang XXU.N. 1. XXI.N. 12. 3. Natural history of Illinois, Chicago 1880. 4. Nobbe, Landwirthschaftliche Versuchsstation Bd. 26. Hft. 5. 5. Bolletino geologico d’Italia N. 11 und 12, Roma 1880. 6. Atti dei Lincei, Vol. V. Fase. 5. 7. Lehrbuch d. unorganischen Chemie von Otto, vom Verleger. 8. Kolbe, organische Chemie. Heft 2, vom Verleger. 9. Hofmann, Bericht über wissenschaftliche Apparate. 10. Jäger Eneyclopaedie, Bd. I. Lfg. 18. 11. Archives neerlandaises T. XV. Lfg. 3—5. Hierauf spricht der Schriftführer über die Krystallformen einiger Salze des Atropins und Daturins (vide pag. 23). Hr. Prof. Schmidt knüpft hieran noch einige erläuternde Bemerkungen und verweist auf die in der Zeitschrift zum Ab- druck gelangte (p. 80) ausführliche Abhandlung über diese Alkaloide. Vortragender bespricht ferner die Theorie der Blausäure- bildung aus gelbem Blutlaugensalze und erörtert, dass die bis- her meist acceptirte Annahme, dass aus dem Ferrocyankalium nur die Hälfte der theoretisch berechneten Blausäuremenge resul- tire, mit seinen Untersuchungen durchaus nicht übereinstimme. Nach den Beobachtungen des. Vortragenden werden hierbei an- Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIY. 1881. f 24 nähernd ?/, der theoretischen Menge erhalten. Die betreffenden Vorgänge werden durch Gleichungen illustrirt. 83 Hr. Prof. Kirchner verbreitet sich alsdann über die Milch- säuerung, deren Auftreten einigen noch unbekannten Fermenten zugeschrieben wird. Hr. Privatdocent Dr. Taschenberg legt sodann die Zunge eines Stachelschweins vor, bespricht das ne: von Band- würmern in Hühnereiern und berichtet endlich über einige Ar- beiten aus der zoologischen Station zu Neapel. Hr. Dr. Herzfeld berichtet in der Folge über das Drehungs- vermögen einiger Zuckerarten. Zum Schluss spricht Hr. Studiosus Riehm über Bandwürmer, beleuchtet die Praeparationsmethoden derselben, ihre Ent- wicklung und die Stellung derselben im zoologischen System. Sitzung vom 10. März. Anwesend 22 Vereinsmitglieder. Hr. Dr. Schroeder spricht über einen deformirten Saat- krähenschnabel und legt denselben zur Ansicht vor. Hr. Dr. Senff spricht sodann über „gepaarte Säuren“ In der Folge referirt Herr Dr. Brass über das Eindringen der Bandwürmer in Hühnereier, über Schwanzbildung beim Menschen und über Vererbung von Sinnesorganen bei Insekten. Hierauf zeigte Prof. v. Fritsch einige durch den Fundort bez. die geographische Verbreitung interessante Fossilien aus einer von Hrn. Prof. Haussknecht auf seinen Reisen nach Persien gesammelten Reihe von Gegenständen, welche dem Verein noch später vorgeführt werden sollen. Mit der Etikette „vom Fusse des Libanon bei Beirut“ war ein kleines Stückchen KRohlenkalk von bräunlich schwarzer Farbe versehen, das ausser Crinoidenresten die 26:19:13 mm messende grössere Schale eines Produetus zeigt, welcher wahrscheinlich zu costatus Sow. (560) gehört, freilich zu einer ganz sichern Be- stimmung nicht wohl genug erhalten ist. Mit der Fundortsangabe „Djebel Muhassan bei Alephne: liegt eine grosse Auster vor, die fast wie das etwas vergrösserte Spiegelbild der auf Tafel 75 Fig. 3 von Coquands Monographie der cretaceischen Austern dargestellten Form der Ostrea (Exo- syra) Couloni d’Orb aussieht. Der anhaftende Aalen ist licht gelblich und ein wenig porös. “ Auf festem, derbem röthlich bis gelblichweissem, etwas kıy- stallinischem Kalkstein mit der Bezeichnung von Dara, Mesopo- tamien, ist ein 9 cm hohes Bruchstück eines Steinkernes von x 367 Inoceramus Cripsii Mant. erkennbar, das nach Stolitzka’s Auf- fassung (Pal. Ind. Cret. Pel. 405) der var. regularis angehört, welche das Leitpetrefaet der Arrialoor-Gruppe Indiens darstellt. Rauchgrau gefärbt, anscheinend aber einem viel lichteren Mergelkalk entstammend, der Etikette nach von Kuh Kiluyeh in Südpersien herrührend, ist ein Exemplar von Echinospatagus (= Toxaster), welches wohl dem E. granosus d’Orb. des unteren Valangiano angehört oder diesem doch äusserst nahe steht. Dieses letztere Petrefact und die Exogyra Couloni sind von hohem Interesse mit Bezug auf die Verbreitung der unteren Kreidestufen, welche in Asien wenig bekannt sind. Der Schriftführer Hr. Dr. Luedecke giebt nähere Details über den Ausbruch des Mauna Loa am 5.—9. Nov. 1880. Hr. Prof. Schmidt referirt über eine Untersuchung von A. Muntz betreffend das Vorkommen von Alkohol im Boden, in den Wässern und in der Atmosphäre. Muntz glaubt den Nachweis des Alkohols dadurch erbracht zu haben, dass er das betreffende Wasser etc. einer oft wiederholten fraetionirten De- stillation unterwarf und die hierbei resultirenden flüchtigsten Antheile schliesslich mittelst der sogenannten Jodoformreastion auf Alkohol prüfte. Mit Hülfe dieser Methode glaubt M. Alko- hol nachgewiesen zu haben im Flusswasser, Quellwasser, Meer- wasser, Regenwasser und im Schnee. Nur sehr reine Quell- wässer erwiesen sich frei von Alkohol. Die Menge des in obigen Wässern enthaltenen Alkohols beträgt ungefähr ein Millionstel. M. erklärt das Vorhandensein des Alkohols durch die vielen gährungsartigen Zersetzungen, denen die organische Materie auf der Erdoberfläche ausgesetzt ist. Auch im Erdboden, besonders in fettem Boden, glaubte M. den Nachweis des Alkohols geführt zu haben. Vortragender bemerkt hierzu, dass durch die einfache Jodoformreaction, deren sich M. zum Nachweise von Alkohol bediente, das Vorhanden- sein dieses Körpers noch nicht positiv erwiesen sei, indem es eine grosse Zahl organischer Verbindungen giebt, welche in gleicher Weise jene Reaction liefern. Hr. Prof. Schmidt bespricht die Untersuchungen von Le Bon und No&äl über die Bestandtheile des Tabackrauches. Jene Forscher haben den bereits früher von Vogel und Reis- drauer und von Eulenburg und Vohl geführten Nachweis des Vorkommens von Cyanwasserstoff im Tabacksrauche bestätigt. Die schädliche Wirkung des Tabackrauches glauben jene Beob- achter auf das Vorhandensein von Collidin: C3H!!N, zurück- führen zu sollen, 24* 368 Sitzung am 28. April. Anwesend sind 22 Mttglieder. Einlauf: . Verhandlungen des Vereins für Natur- und Heilkunde in Press- burg 1873—75. 3 Hefte. . Mittheilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steier- mark 1880. . Bulletins de l’Academie de Belgique. II. Serie T. I. . Bolletino della soe. Adriatiea Vol. VI. 1880. . Bulletin de la societe d’histoeire naturelle de Colmar 20 und 21. . 1880. . Memoires de la societs de Physique de Geneve T. XXVIL. 1 Theil. } . Atti della Academia dei Lincei, V. Bd. Fas. 6—9. . Sitzungsberieht der Akademie zu München 1881. I. . Journal of the geologieal society of Ireland XV. P. II. . Six leetures of physical geology by Sam Haughton. . Schule der Chemie von Stöckhardt, vom Verleger Vieweg. . Compendium der höheren Analysis v. Schlömilch, I. Bd. V. Auflage, von demselben. . Ansichten der organischen Chemie von Hoff, von demselben. . Quarterly Journal of the geological society of London N. 144. and a list of the members of the geological society of London 1. Nov. 1880. ‚19. 20. und 21. Jahresbericht des Offenbacher naturwissen- schaftlichen Vereins. . Monatsschrift des Berliner Gartenbauvereins 1880. XXIII. . Sitzungsbericht der Berliner Akademie. December 1880. . Göttinger Gelehrten Anzeiger 1—21. 1880. . Mittheilungen der Gesellschaft zur Beförderung der Natur- kunde in Brünn 1880. LX. Jahrgang. . Naturwissenschaftlicher Verein in Schleswig-Holstein Bd. IV. 1. . Landwirthschaftliche Versuchsstation XXVI. Bd. Hft. 6. . Chemische Uebersichtstafeln von Dr. A. Safft. 1881. . Sitzungsbericht der naturforschenden Gesellschaft in Leipzig 1879 und 1880 1 u. 2. , M&moires couronndes et m&moires des savants etrangers T. XLI. . Verslagen en Medeelinger der Koninklijke Akademie von Amsterdam IV. Th. II. Reihe: Afdeeling Naturkunde und Letterkunde. ‚ Processen verbal von de gewone Vergaderingen der Konink- lijke Akademie von Wetenskapen Mai 1879. April 80. 369. 27. Jaarbock von de Koninklijke Akademie von Wetenskapen to Amsterdam voor 1879. 28. Correspondenzblatt des Rigaer Naturforscher-Vereins. XXIII. 1880. | Zur Aufnahme werden angemeldet die Herren: Buchhändler Strieker und Apotheker Runde durch die Herren Prof. Giebel, Prof. v. Fritsch und Stayer. Der Vorsitzende Herr Prof. von Fritsch verliest einen ‚Brief von Prof. Fraas in Stuttgart, betrefiend das angebliche Kohlenkalk-Vorkommen im Libanon: „Ihrer gefl. Zusendung ent- nehme ich mit Verwunderung auf p. 8 „Kohlenkalk vom Fuss des Libanon bei Beirut.“ Das Stück wird doch wohl nur mittelst Schiffes aus Europa dorthin gebracht worden sein, und zufälliger Weise beim Ausladen verloren worden, wenn nicht eine Verwechslung der Etiketten stattfand, denn Kohlenkalk ist im Libanon ebenso unmöglich als in Schwaben. Fraas.“ Der- selbe giebt sodann eine Inhaltsangabe über Wallace’s Buch: Islandlife. Zum Schluss theilt der Schriftführer die Resultate seiner Studien in der Klausthaler Sammlung mit und spricht ins Besondere über die Krystallgestalten der Feuerblende von Andreasberg, welcher nach einer vom Professor Hampe aus- geführten Analyse, dieselbe Zusammensetzung wie der Antimon- silberblende Ag?SbS? zukommt. Fasst man die Gestalten als rhombische auf, so sind es Combinationen des Klinopinakoids mit Säule und verschiedenen Pyramiden der Zone © Pw :P; auch ein Prachydoma aus der- selben Zone wurde beobachtet. Die Neigungen der 4 Flächen einer Pyramide gegen das Klinopinakoid sind einander gleich ; auch die Combinationskanten einer Pyramidenfläche gegen die Säule wurden rechts und links identisch gefunden. Es würden demnach also die Krystalle rhombisch sein; mit dem Character dieses Systems steht aber im Widerspruch die Schiefe der Aus- löschung gegen die Säulenkante; ausserdem sind die bei weitem srösste Anzahl der Krystalle Zwillinge. (Verlag von Hermann Mendelssohn in Leipzig.) Soeben erschien die 1. Lieferung von: Führer in’s Reich der Pflanzen Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, Eine leicht verständliche Anweisung, die im deutschen Reiche, Oesterreich und der Schweiz wild wachsenden und häufig an- gebauten Gefässpflanzen schnell und sicher zu bestimmen. Von Dr. Moritz Willkomm, Professor d. Botanik u. Direktor des Botanischen Gartens d. k. k. Universität zu Prag. Zweite umgearbeitete und vielfach vermehrte Auflage des Führers in’s Reich der deutschen Pflanzen. Mit 7 Tafeln und ca. 800 Holzschnitten nach Zeichnungen des Verfassers. Das Werk erscheint vollständig in 12 Lieferungen, jede zu Mark 1,25. Diese reich illustrirte und vollständigere Flora Deutschlands, Oester- reichs und der Schweiz ist, wie schon der Titel andeutet, ebensowohl für den Gelehrten von Fach, wie für jeden Laien bestimmt. Mineralien und Felsarten in gut geordneten Sammlungen sowie im Einzelnen in grosser Auswahl billigst bei Hermann Braun, Mineralienhändler in Thal i. Thür. Preislisten stehen gu Diensten. Verlag von Friedrich Vieweg & Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) Gorup-Besanez’ Lehrbuch der organischen Uhemie, Sechste Auflage neu bearbeitet von Dr. Hermann Ost. (Zugleich als zweiter Band zu „Gorup-Besanez’ Lehrbuch der Chemie‘) Mit in den Text eingedruckten Holzstichen. gr. 8. geh, Preis 12 Mark. Zum Studium gepaarter Säuren. Von Dr. Max Gustav Senff aus Halle a/S. Bereits im Jahre 1848 erwähnt Strecker!) bei Gele- senheit von „Untersuchungen über die gepaarten Säuren und deren Sättigungsvermögen“ die gepaarte Säure, als deren Amidoverbindung die Hippursäure anzusprechen sei. Ohne indessen über die Constitution dieser neuen stickstoff- freien Säure irgend welches Licht verbreiten zu können, begnüst er sich mit der blossen Constatirung ihrer Existenz, sowie mit einer vorläufigen Charakterisirung ihres Baryt- und Silbersalzes. Seinem Versprechen gemäss, die Untersuchungen in Bezug hierauf fortzusetzen, ist er bereits im Jahre 1851 im Stande, in den im Verein mit Socoloff?) ausgeführten „Un- tersuchungen über einige aus der Hippursäure entstehende Produkte“ werthvolle Aufschlüsse zu geben. Sie erhielten die oben bezeichnete Säure durch Zersetzung der Hippur- säure vermittelst salpetriger Säure, ein Vorgang, der nach dem allgemeinen Schema verlief, nach welchem Amido- säuren in die ihnen entsprechenden stickstofffreien Oxy- säuren verwandelt werden. Mehr noch als diese Bildungs- weise gestatteten mehrfach eingeleitete Zersetzungen der Säure einen klaren Einblick in ihre Constitution. Beim Kochen der freien Säure mit Wasser zerfiel sie glatt in Benzo&ö- und Glycolsäure. Der Versuch ferner, den Ae- thyläther der Säure darzustellen, führte nicht zum gewünsch- ten Ziele, indem beim Einleiten von Chlorwasserstoffgas 1) An. d Ch w Ph, LXVII, 54 2) Am d. Eh u. bh, EXXX, 17. Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Bd. LIV. 1881. 35 32 in eine alkoholische Lösung des Kalksalzes der Säure nur Benzo&@säureäther erhalten werden konnte. Hiernach konnte es für Strecker und Socoloff keinem Zweifel mehr unter- liegen, dass die neue Säure ihrer Constitution nach als Benzoglycolsäure zu betrachten sei, d. h. als Glycolsäure, deren Hydroxylwasserstoffatom durch das einwerthige Ra- dikal der Benzo@säure, Benzoyl, ersetzt ist. Es kommt ihr somit die rationelle Formel | CH2:0..00.6° 92 Coon zu, welche die Säure als einbasisch erscheinen lässt. Indem somit Benzo&säure und Glycolsäure als die Be- standtheile der neuen Verbindung zu betrachten sind, lag - die Vermuthung nahe, aus den Componenten direkt durch Synthese gepaarte Säuren darstellen zu können. Von diesem Gedanken geleitet, liessen Strecker und Socoloff Benzo&- säure direkt auf Milchsäure, die nächste homologe der Glycolsäure, einwirken. Der Erfolg bestätigte die Ver- muthung, indem die neue gut krystallisirende Verbindung als Benzomilchsäure erkannt wurde. Die Frage über die Constitution der in Rede stehenden Verbindungen konnte hiermit bereits als endgültig gelöst angesehen werden. Nur kurze Zeit später, im Jahre 1854 nahm Gössmann !) die Untersuchungen von Strecker und Socoloff wieder auf, in der Absicht — übereinstimmend mit den Ansichten seiner Vorarbeiter — einen neuen Beweis für deren Be- hauptungen zu erbringen. Derselbe zersetzte eine Lösung von Hippursäure in Kalilauge durch Einleiten eines lang- samen Stromes von Chlorgas. Auch hierdurch wurde die Amidoverbindung zerstört und resultirte Benzoglycolsäure, die von ihm als vollkommen identisch mit jener von Strecker und Socoloff unter diesem Namen beschriebenen Verbindung erkannt wurde. Im Jahre 1859 wurde die Anzahl dieser gepaarten Säuren, deren Grundbestandtheil immer eine Säure von der 1) An. d. Ch. u. Ph., LXXXX, 181. 373 allgemeinen Formel C* H® O3 ist, durch Wurtz !) vermehrt, welcher bei seinen „neuen Untersuchungen über die Milch- säure“ durch Einwirkung von „Chloromilchsäureäther“ ?) auf buttersaures Kali den Aethyläther einer neuen, von ihm Buttermilchsäure benannten Säure erhielt. Salze dieser neuen Säure, resp. die freie Säure selbst darzustellen, wurde von ihm nicht unternommen. Der dieser neuen, höchst einfach zu handhabenden und — wie spätere Erfolge zeigen werden — sehr erweiterungsfähigen Darstellungsmethode von Wurtz zum Grunde liegende synthetische Vorgang weist mit fast noch grösserer Bestimmtheit als die Untersuchungen der früheren Forscher auf die Richtigkeit der von Strecker und Socoloff angegebenen Constitution hin, weshalb denn auch Wurtz die Ansichten seiner Vorgänger hierüber voll- kommen theilt, indem er die von ihm entdeckte neue Säure ausdrücklich der Benzoglycolsäure und Benzomilchsäure als analog an die Seite stellt. Zugleich bewies die Wurtz’sche Arbeit, dass nicht bloss aromatische Säuren fähig seien, mit den bezeichneten Oxy- säuren in synthetische Vereinigung zu treten, sondern auch Säuren der Fettsäurereihe. Ein vermehrtes Interesse gewinnt die Arbeit von Wurtz noch dadurch, dass er der erste war, welchem es gelang, einen Aether der in Frage kommenden gepaarten Säuren darzustellen. Es ist diese ziemlich complicirt zusammen- sesetzte Verbindung, welche drei nähere Bestandtheile in sich vereinigt, als zusammengesetzter Aether aufzufassen, in welchem eine Oxysäure — in letzterem Falle die Oxy- propionsäure — ein einwerthiges Säureradikal einerseits mit einem einwerthigen Alkoholradikal andrerseits verkettet; - das Säureradikal legt sich dabei an die alkoholische, das Alkoholradikal an die saure Seite der Oxysäure an. Bei der Fortsetzung dieser Untersuchungen erhielt Wurtz im Verein mit Friedel?) im Jahre 1861 durch Einwirkung 2; An. d Chu Ph, CXH, 235. 2) Nach neuerer Ausdrucksweise natürlich „Chlorpropionsäure- äther.“ 3). An. d. Ch. u. Ph., OXIX., 369. 25° 974 von Chlormilchsäureäther auf bernsteinsaures Kali wiederum eine hierhergehörige neue Verbindung, der sie den Namen Bernsteinmilchsäure beilegten. Diese Verbindung erweckt deshalb neues Interesse, weil in ihr eine zweibasische mit einer einbasischen Säure gepaart auftritt. Durch Kali zerfiel sie vollständig in Milchsäure und Bernsteinsäure. | Der von Wurtz betretene Weg wurde von Heintz!) im Anschluss an eine früher?) von ihm gegebene Andeutung im Jahre 1862 weiter verfolgt, indem derselbe durch Ein- wirkung von essigsaurem Natron auf Monochloressigsäure- äther einen neuen zusammengesetzten Aether erhielt, den er mit dem Namen Acetoxacetsäureäthyläther (Acetylgly- colsäureäther) bezeichnete. Hiernach ging Heintz darauf aus, das Amid der neuen Säure darzustellen, was indessen nicht zu dem erwarteten Resultate führte, indem dabei nur Glycolamid, Acetamid, glycolsaures und essigsaures Am- moniak erhalten wurde. Von besserem Erfolge war der Versuch begleitet, ein Salz der neuen Säure darzustellen, | was insofern gelang, als das Aethyl zweier Moleküle der Verbindung durch ein Atom Caleium ersetzt werden konnte. | Indessen trat hierbei die grosse Neigung des Aethers, bei Berührung mit einer starken Basis sich in glycolsaures und essigsaures Salz zu spalten, sehr hinderlich in den Weg, was bedeutende Verluste an Material zur Folge hatte. Die Versuche, ein Baryum- resp. Silbersalz darzustellen, hatten nicht den gewünschten Erfolg. In seinen im Jahre 1863 veröffentlichten „Studien zur Geschichte der Milehsäure und ihren Homologen“ beschreibt ferner Wislicenus?) eine den früheren analoge neue Ver- | bindung, den Acetylomilchsäureäther, welchen er durch | Einwirkung von Chloracetyl auf Milchsäureäther erhielt. Durch gegenseitige Umsetzung von Milchsäureäther und Suceinyldiehlorür erhielt derselbe *) Forscher im Jahre 1865 1) An. d. Ch. u. Ph., CXXIII, 325. 2) Pogg. An., CIX, 301. 3) An. d. Ch. u, Ph., CXXV, 41. 4) An, d, Ch. u. Ph, CXXXIIl, 257. 3175 den Suceinylodimilchsäureäther, dieselbe Verbindung, welche schon früher von Wurtz und Friedel als Bernsteinmilchsäure- äther entdeckt worden war. Kleine Differenzen in den Eigenschaften lassen Wislicenus vermuthen, dass der von jenen Chemikern beschriebene Körper nicht ganz rein war. Im Jahre 1867 versuchte Heintz!) durch Einwirkung von kohlensaurem Ammoniak auf Monochloressigsäureäther einen Carbonyldiglycolsäureäther darzustellen, wobei sich indessen nur Trigslycolamidsäureäther, Diglycolamidsäure- äther und Glycocolläther ergab. Um endlich die Reihe der Forscher, welche sich mit dem Studium der mehrfach bezeichneten gepaarten Säuren und ihrer Derivate beschäftigten, abzuschliessen, ist — soweit ich davon Kenntniss zu erlangen vermochte — nur noch Gal?2) zu erwähnen, welcher im Jahre 1867 ohne Bezugnahme auf frühere Forscher nach dem be- reits vor ihm vielfach eingehaltenen Verfahren der gegen- seitigen Umsetzung eines einfach gechlorten Aethers mit einem Kali- resp. Natronsalz mehrere neue Aether gepaarter Säuren darstellt; so das einfach acetylirte glycolsaure Aethyl [von ihm fälschlicherweise als neue Verbindung publicirt] °), das einfach butyrylirte glycolsaure Aethyl und das einfach acetylirte und butyrylirte butylaetinsaure Aethyl. DBetreffs näherer Untersuchung des Verhaltens dieser Aether giebt er ihre leichte Zersetzbarkeit durch kaustische Alkalien an, wobei sie neben Alkohol stets die beiden Salze der zwei darin verketteten Säurecomponenten ergeben, sowie dass sie durch trockene Bromwasserstoffsäure in analoger Weise eine Spaltung erfahren. Ein Ueberblick über diese bisher bekannten Thatsachen lässt leicht erkennen, dass die diesbezüglichen Forschungen in so mancher Hinsicht wohl noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden können. Der überaus glatte Verlauf des 1) An. d. Ch. u. Ph., CXLI, 355. 2) An. d. Ch. u. Ph., CXLI, 370. 3) cf. pag. 374! 376 von Gal und mehreren seiner Vorgänger betretenen Weges musste dazu auffordern, durch Anwendung des gleichen Verfahrens auf andere Körper die Zahl jener gepaarten Verbindungen zu vermehren, resp. zu untersuchen, ob kohlenstoffreichere homologe Säuren ebensoleicht in gepaarte Verbindungen einzuführen seien, wie die Anfangsglieder der betreffenden Reihen, mit welehen die bisherigen Che- miker allein operirt hatten. Vor allen aber erschien es geboten, die bisher wohl kaum in ausreichender Weise an- gestellten Versuche, von den Aethern der gepaarten Säuren ausgehend, zu den betreffenden Salzen oder freien Säuren zu gelangen, wieder aufzunehmen, einmal deshalb, weil sich jene Aether wegen ihrer verhältnissmässig leichten Reindarstellbarkeit naturgemäss als Ausgangsprodukte hier- für darbieten, ferner aber auch darum, weil die Existenz- fähigkeit solcher Salze und freien Säuren — wie weiter vorn erwähnt wurde — erwiesen ist. Auch das Verfahren ferner, gepaarte Säuren durch direkte Einwirkung der Com- ponenten aufeinander darzustellen, auf welchem Wege die Benzomilchsäure ohne Schwierigkeit erhalten wurde, musste zu analogen Versuchen mit anderen Körpern anreizen, zu- mal da die genannte Säure trotz des sofortigen Erfolges und der grossen Einfachheit des Verfahrens bisher die ein- zige geblieben zu sein scheint, welche nach dieser Methode erhalten wurde. Auf Anregung des Herrn Prof. Dr. Heintz habe ich es unternommen, diese Verhältnisse genauer zu studiren und gebe ich im Folgenden den Verlauf meiner eigenen Unter- suchungen. Das Ausgangsprodukt zur Darstellung sämmtlicher Aether gepaarter Säuren, die als die eine Componente die Glycolsäure enthalten, bildet der Monochloressigsäureäther. Von den mehrfach existirenden Methoden seiner Darstellung ‘wurde als die einfachste die von Heintz !) angegebene gewählt, nach welcher in eine stark erhitzte alkoholische Lösung von Monochloressigsäure längere Zeit trockenes Salzsäuregas 1) Pogg. An., CXIV, 440. Be a77 eingeleitet wird. Nach vollendeter Einwirkung wird der Aether durch Wasser gefällt und den üblichen Reinigungs- operationen unterworfen. Das bei 143,5°C. übergehende Destillat ist vollkommen rein und wird in reichlicher Menge erhalten. Verbindungen mit fetten Säuren. Acetylglycolsäureäthylätker. Anknüpfend an die von Heintz erzielten Resultate ver- wandelte ich den Monochloressigsäureäther zunächst in den Acetylglyeolsäureäther. Zu diesem Zwecke wurden in der von Heintz angegebenen Weise äquivalente Mengen von Monochloressigsäureäther und wasserfreiem, fein gepulverten essigsauren Natron ohne irgend welches Lösungsmittel im zugeschmolzenen Rohre auf circa 175° C, zunächst 24 Stun- den erhitzt. Der Röhreninhalt wurde darauf mit absolutem Aether ausgezogen, über Chlorealeium getrocknet und im Wasserbade vom Aether befreit. Diese stets noch merk- liche Mengen von unverändertem Monochloressigsäureäther enthaltende Flüssigkeit wurde mit einer neuen Quantität essigsauren Natrons nochmals in der angegebenen Weise behandelt, wodurch eine völlig chlorfreie Flüssigkeit gewon- nen wurde. Diese etwas mühsame Operation legte die Frage nahe, ob es nicht möglich sei, schon durch ein einmaliges Er- hitzen mit essigsaurem Natron den Monochloressigsäureäther in Acetylglycolsäureäther überzuführen. In dieser Absicht rührte ich den Monochloressigsäureäther mit dem essigsau- ‘ren Natron zu einem dieken Brei an und erhitzte das ein- gseschmolzene Gemisch eirca 30 Std. auf 175° C. Die Ver- muthung bestätigte sich: in dem erhaltenen Aether war nicht die geringste Spur Chlor nachweisbar. Nach den üblichen zu seiner Reinigung vorgenommenen Operationen 378 zeigte derselbe einen constanten Siedepunkt von 179% ©. Die zur Feststellung seiner Reinheit und Identität damit ausgeführte Elementaranalyse führte zu folgenden Zahlen: 0,2136 gr gaben 0,3840 gr Kohlensäure und 0,1325 gr Wasser. Dies entspricht folgender Zusammensetzung: gefunden: berechnet: Kohlenstoff 49,02%, 49,31% Wasserstoff 6,88... 0:80, Sauerstoff 44,10 , Aas4 - 100,00 100,00 Behandlung mit Basen. Caleiumoxyd: Heintz hat gefunden, dass der Aether, in die wässrige Lösung einer Basis gebracht, sich nach und nach vollständig auflöst und zwar bei einem Ueberschuss der letzteren vollständig zu glycolsaurem und essigsaurem Salz. Trotz dieser grossen Neigung des Aethers, bei Be- rührung mit einer löslichen starken Basis in die beiden Säurecomponenten zu zerfallen, ist es Heintz doch gelungen, acetoxacetsauren Kalk zu erhalten, wenn auch nur unter sehr grossen Verlusten und. unter peinlicher Beobachtung mehrerer Vorsichtsmassregeln. Einmal nämlich ist es wesent- lich, dass die zur Zersetzung angewandte Basis nach und nach immer nur in ganz kleinen Portionen eingetragen wird und in Summa das Aequivalent des zu zersetzenden Aethers nicht erreichen darf, und zweitens muss der ganze Process bei gewöhnlicher Temperatur ausgeführt werden. Trotz vieler Versuche, die von mir genau in der von Heintz beschriebenen Art und Weise angestellt wurden, gelang es mir indessen zunächst nicht, acetylglycolsauren Kalk zu erhalten. Auch als das Kalkwasser nicht wie von Heintz in die wässrige Emulsion, sondern in eine wein- geistige Lösung des Aethers gegeben wurde, konnte kein günstigeres Resultat erzielt werden. Die von mir bei diesen Zersetzungsversuchen erhaltenen. Salze erwiesen sich nach Krystallform (sehr lockere, zarte, seidenglänzende, stern- 1) Gal giebt 1800C. an, indessen muss ich mich — übereinstim- mend mit der Angabe von Heintz — für 1790C. entscheiden. 379 förmig gruppirte, schöne Nädelchen) und Löslichkeitsver- hältnissen (in kaltem Wasser sehr schwer, in heissem leicht löslich) stets nur als glycolsaurer Kalk. Die Zahlenwerthe zweier mit verschiedenen Proben ausgeführten Krystall- wasser- und Basisbestimmungen führe ich hier an: 1,1705 gr lufttrockener Substanz verloren bei 110° C. bis zu eonstantem Gewicht getrocknet 0,3323 gr Wasser und hinterliessen in der Glühhitze 0,2462 gr Caleiumoxyd. Das Salz enthielt daher 28,43 %/, Krystallwasser und die wasserfreie Substanz 29,39 °/, Caleiumoxyd. 0,3972 gr lufttrockener Substanz verloren bei 110° C. 0,1113 gr Wasser und hinterliessen in der Glühhitze 0,0840 gr kaustischen Kalk. Das krystallisirte Salz enthielt daher 28,02 %/, Krystallwasser und das wasserfreie Salz 29,38 %/, kaustischen Kalk. Nach der Berechnung enthält der glycolsaure Kalk 27,48%), Krystallwasser!) und das wasserfreie Salz 29,47 ?/, Caleiumoxyd. Die von glycolsaurem Kalk schliesslich gänzlich be- freiten Mutterlaugen enthielten neben essigsaurem Kalk keinen acetylglycolsauren, denn es konnte durch Kochen mit Kalkwasser kein glycolsaurer Kalk erzeugt werden. Zur Erklärung dieser Misserfolge blieb nur die Ver- muthung übrig, die zur Verseifung verwandten Aethermengen möchten zu gering gewesen sein?) Statt der bisher an- gewandten 6—8 gr Aether zersetzte ich deshalb jetzt 52 gr mit kaustischem Kalk, welcher aus 15 gr kohlensaurem Kalk frisch bereitet wurde. Nachdem wiederum viel glycol- saurer Kalk nach und nach auskrystallisirt und entfernt worden war, schossen Kryställchen anderes Aussehens an, deren Eigenschaften mit jenen von Heintz für den acetyl- 1) Der glycolsaure Kalk krystallisirt je nach der Temperatur der verdunstenden Lösung mit verschiedenem Krystallwassergehalt. Die Verdunstung bei gewöhnlicher Temperatur aber ergiebt immer ein Salz mit 4 Molekülen Krystallwasser, der grössten Menge, welche das Salz überhaupt aufzunehmen vermag. 2) Die Heintz’sche Arbeit giebt die Grösse der verwandten Menge nicht an; auch persönlich war derselbe ausser Stande, hierüber nach so langer Zeit noch Auskunft geben zu können. “A 380 slycolsauren Kalk angegebenen übereinstimmten. Sowohl vom glycolsauren, als auch vom essigsauren Kalk war das Salz leicht zu unterscheiden. Durch Kochen mit Kalkwässer konnte es sofort in glycolsauren und essigsauren Kalk ge- spalten werden. Das aus der Mutterlauge herausgenommene Salz wurde mehrmals mit absolutem, darauf mehrmals mit verdünntem Alkohol ausgewaschen, zwischen Fliesspapier gepresst und bei 110° C. bis zu constantem Gewicht ge- trocknet. Die damit ausgeführte Elementaranalyse ergab Folgendes: 0,4139 gr des Salzes gaben 0,1476 gr Wasser, 0,5287 gr Kohlensäure und hinterliessen 0,0873 gr OCaleiumoxyd. Dies entspricht folgender Zusammensetzung: gefunden: berechnet: Wasserstoff 3,96. 300%, Kohlenstoff 34,84, 835,04 „ Sauerstoif 40,11 ,, 40,88 „ Caleiumoxyd 21,09 „ 20,44 100,007 71000 Unter der berechtigten Annahme, dass dem Salze nichts Anderes als essigsaurer Kalk beigemengt war, welcher letz- tere kaum gänzlich zu entfernen sein dürfte, hatte das Ge- misch folgendes Zusammensetzungsverhältniss: 1! 2. 'acetylglycolsaurer Kalk 95,71%), 9,67%, essigsaurer ,, 4,29 „ 4,33 „ 100,00 100,00 1) berechnet auf Grund des gefundenen Kohlenstoffes. 2) berechnet auf Grund des gefundenen Calciumoxydes. Ich glaube bemerken zu müssen, dass viel mehr, als es bisher geschehen ist, die äusserst leicht eintretende tief- gehendere Zerspaltung des Aethers durch stark basische Substanzen hervorzuheben ist. Baryumhydroyd: Die von Heintz versuchte Ver- seifung des Aethers vermittelst Barythydrat hatte bei mir denselben Erfolg: es entstand eine gummiartige Masse. 38l Kupferhydroxyd: Bei längerem Stehen und öfterem Umsehütteln der mit frisch bereitetem Kupferhydroxyd !) versetzten weingeistigen Lösung des Aethers war keine Einwirkung zu beobachten; ebensowenig beim Kochen. Die Entstehung einer ganz geringen Menge Kupfersalz in letz- terem Falle war nur auf Rechnung der Zersetzung zu schreiben, welche der Aether durch das Kochen mit Wasser erfahren hatte. Silberoxyd: Beim Schütteln und Stehen der wein- geistigen Lösung des Aethers mit fein zertheiltem Silber- oxyd in der Kälte fand gar keine Einwirkung statt. Beim Kochen wurde sehr langsam ein geringer Silberspiegel ab- gesetzt. Die Menge des in Lösung gegangenen Silbers war gering. Einwirkung von Säuren. Indem sich somit stark basische Substanzen wegen zu weit gehender Einwirkung nicht geeignet erwiesen, bloss das Aethyl des Acetylglycolsäureäthers unter Bildung von Alkohol durch ein Metall zu ersetzen, versuchte ich mit Hülfe von Säuren die Aethylgruppe durch Wasserstoff zu substituiren, wobei sich also neben der freien Acetylglycol- säure ein zusammengesetzter, resp. Haloidäther bilden sollte. Chlorwasserstoffsäure: In dieser Absicht wurden mehrere gr des Aethers mit rauchender Salzsäure gekocht und die entweichende Salzsäure mehrmals durch neue er- setzt. Der zunächst als ölige Schicht am Boden liegende Aether wurde durch das Kochen feiner und feiner zertheilt, bis die Flüssigkeit milchig getrübt erschien. Endlich ver- schwand derselbe — freilich nur nach sehr langem Kochen — vollständig. Ein Entweichen von Chloräthyl war deut- lich zu bemerken. Sobald kein solehes mehr auftrat, wurde 1) Man bereitet dasselbe bequem durch genaue Neutralisation von Kupfervitriollösung mit Barytwasser. Es fällt ein Gemisch von Kupferhydroxyd mit schwefelsaurem Baryt. Letzterer wird beim Gebrauche des Präparates in Folge seiner völligen Unlöslichkeit nicht hinderlich. 382 die klare Flüssigkeit zur möglichsten Vertreibung der über- schüssigen Salzsäure in einer Schale unter mehrfach er- neuertem Wasserzusatz erwärmt. Nach dem Abkühlen, worauf sich kein etwa noch unzersetzt gebliebener Aether abschied, wurde mit kohlensaurem Kalk gesättigt, filtrirt und das Filtrat im Exsiecator der Verdunstung überlassen. Es krystallisirte alsbald in reichlicher Menge ein Salz aus, welches nach Form und Löslichkeit wiederum auf glycol- sauren Kalk hindeutete. Eine damit ausgeführte Wasser- und Kalkbestimmung bestätigte dies: 0,4766 gr lufttrockener Substanz verloren bei 110° C. getrocknet 0,1365 gr Wasser und hinterliessen in der Glüh- hitze 0,1003 gr kaustischen Kalk; das krystallisirte Salz enthielt daher 23,64 /, Krystallwasser und das wasserfreie Salz 29,49 %/, Caleiumoxyd. | Es wurden succesiv noch mehrere Portionen eines die gleichen äusseren Eigenschaften aufweisenden Salzes aus der Flüssigkeit herausgenommen. Die schliesslich in ge- ringer Menge übrigbleibende Mutterlauge enthielt neben Chlorealeium nur essigsauren Kalk, denn durch Kochen mit Kalkwasser konnte kein glycolsaurer Kalk erhalten werden. Das Resultat weist darauf hin, dass sich das Wasser mit an der Zersetzung betheiligt hat, was durch folgende Gleichung ausgedrückt wird: | CH? 0.C?H3 0 CH?OH .C00 #5 +HC1+P0=-0H’C-+ COOH + C2H30. OH. Es ist mir sogar sehr wahrscheinlich, dass die eigent- liche Zersetzung durch das Wasser allein bewirkt wurde, wo dann das Chloräthyl erst seeundär durch Einwirkung der Salzsäure auf Alkohol gebildet wurde. Ich stütze diese Behauptung auf die beiden Thatsachen, dass der Acetyl- glycolsäureäther durch reines Wasser — wie ein Versuch zeigte — in der Kochhitze nach und nach vollständig zer- spalten wird, während derselbe von trockenem Salzsäure- gas — wovon sogleich genauer die Rede sein soll — bei dieser Temperatur nicht verändert wird, obwohl der Aether etwas von dem Gase aufzulösen vermag. 383 Dies veranlasste mich, mit Säuren ohne Gegenwart von Wasser zu operiren: Durch Einleiten von sorgfältig getrocknetem Salzsäuregas in den Aether bei gewöhnlicher "Temperatur veränderte sich derselbe in keiner Weise. Ebensowenig war eine Einwirkung nachzuweisen, als das trockene Chlorwasserstoffgas durch den im Wasserbade längere Zeit auf 100° C. erhitzten Aether hindurch ge- leitet wurde. Ein weiterer Versuch wurde in der Weise angestellt, dass das trockene Salzsäuregas durch den auf dem Sand- bade in einer Retorte zum Sieden erhitzten Aether mehrere Stunden hindurch geleitet wurde. Der möglichst lange und nach oben ansteigende Retortenhals wurde hierbei fleissig gekühlt. Auch in diesem Falle blieb der Aether unver- ändert. Um bei den beiden zuletzt angeführten Versuchen eine eventuell eingetretene Einwirkung zu constatiren, wurde folgendermassen verfahren. Das den heissen Aether ver- lassende überschüssige Salzsäuregas, welches Chloräthyl enthalten konnte, wurde nacheinander luftdieht durch zwei Flaschen hindurch geleitet, von denen die erste mehr, die zweite nur sehr wenig Wasser enthielt. Der Inhalt der ersten Flasche, welcher durch das zuströmende Salzsäure- gas erwärmt wurde, hielt dieses zurück, während das etwa gebildete Chloräthyl bis in das zweite Gefäss gelangen sollte, welches in einer kräftig wirkenden Kältemischung stand. Wenngleich die hierdurch bezweckte Trennung der Salzsäure vom Chloräthyl keine vollständige sein konnte, so musste sie doch zum Nachweis des letzteren — falls es sich gebildet haben sollte — genügen. Das zweite Kölbehen wurde nach beendetem Durchleiten mit einem Kork verschlossen, durch welchen ein Glasröhrchen gesteckt war und hierauf in lauwarmem Wasser unter Umschwenken erwärmt. Es entwich — wie bereits erwähnt — kein Chloräthyl. Die in der Retorte befindliche, mit Salzsäuregas ge- schwängerte, durch das Erhitzen etwas dunkler gewordene Flüssigkeit wurde mehrmals mit verdünnter wässriger Lösung von kohlensaurem Natron ausgeschüttelt. Es trat hierdurch a keine merkliche Verminderung ein und hinterblieb in reich- licher Menge eine ölige Flüssigkeit, die als unveränderter Acetylglycolsäureäther erkannt wurde. Um die Versuchsreihe in dieser Richtung ahanehliessen liess ich noch Salzsäuregas auf den Aether im zugeschmolze- nen Rohre bei höherer Temperatur einwirken. Gal hat bereits diesen Versuch angestellt, nur mit dem Unterschiede, dass er nicht Chlorwasserstoffsäure, sondern Bromwasser- stoffsäure anwandte. Es erschien mir immerhin von einigem Interesse, zu untersuchen, ob die Chlorwasserstoffsäure von gleicher Wirkung sei. Nach dem Einleiten von trockenem Salzsäuregas in den Aether wurde das zugeschmolzene Rohr circa 10 Stunden auf ungefähr 180°C. erhitzt. Beim Oeff- nen desselben machte sich kein wesentlicher Druck be- merkbar, jedoch entwich eine bedeutende Menge Chloräthyl -— leicht kenntlich am charakteristischen Geruch, sowie an der Eigenschaft, mit grüngesäumter Flamme zu brennen — sobald das Rohr ins kochende Wasserbad gestellt wurde. Durch öfteres Schütteln des Rohres wurde das Entweichen des Chloräthyls sehr begünstigt. Diese Operationen (vom Einleiten des Salzsäuregases bis zum Vertreiben des Chlor- äthyls) wurden, ohne die Flüssigkeit in ein anderes Rohr überzuführen, 7 Mai wiederholt. Der Röhreninhalt war jetzt dunkel und ganz dickflüssig geworden. Derselbe wurde mit kaltem Wasser ausgeschüttelt, wobei ein bedeutender Rückstand von unzersetztem Aether blieb. Die wässrige, stark sauer reagirende Lösung wurde mit kohlensaurem ° Kalk gesättigt, filtrirt und ohne zu erwärmen in den Ex- siecator gestellt. Die auskrystallisirende Salzmasse war zu sering, um damit analytische Versuche anstellen zu können. Es erklärt sich dies daraus, dass überhaupt nur ein sehr kleiner Theil des Aethers zersetzt worden war, und ferner dürften beim Vertreiben des Chloräthyls auch von den anderen entstandenen Produkten Theile mit ver- flüchtigt worden sein. Ich musste mich daher auf Reaktionen beschränken: Abgesehen von Chlorealeium enthielt die in ‘ Wasser leicht lösliche Salzmasse Essigsäure. Nach voll- ständiger Entfernung des auf gewöhnlichem Wege nach- weisbaren Chlors wurde die Lösung mit starkem chlorfreien 385 Ammoniak gekocht; es war hiernach nochmals eine merk- liche Menge Chlor nachweisbar, welches danach organisch gebunden gewesen sein musste. Durch Kochen der neutral reagirenden Salzlösung wurde dieselbe deutlich sauer und zwar von freier Salzsäure, wie leicht nachgewiesen werden konnte. Diese gekochte und erkaltete Flüssigkeit schied im Exsiecator ein Salz ab, welches sich nach äusseren Kenn- zeichen als glycolsaurer Kalk ergab. Dass in der Salzmasse kein acetylglycolsaurer Kalk enthalten war, geht daraus hervor, dass die Essigsäurereaktion vor und nach dem Kochen mit kaustischem Kalk genau dieselbe Intensität zeigte. Es unterliegt somit keinem Zweifel, dass die Ein- wirkung die durch folgende Formelgleichung veranschau- lichte war: CH? 0.C?H30 +2Ha=ewa,r MH. 000 C?H? 00O0H + C2H30.OH. Chlor- und Bromwasserstoffsäure zeigten also hier — wie meistentheils — das gleiche Verhalten. Da indessen die Jodwasserstoffsäure in vielen Fällen von durchaus anderer Wirkung ist, als jene beiden, erschien es mir wünschenswerth, auch sie in den Kreis der Betrachtungen zu ziehen. Jodwasserstoffsäure: Dieselbe wurde nach der von Kolbe!) gegebenen Vorschrift bereitet, d. h. es wurden in einem mit Kohlensäure gefüllten Kolben 10 Gewth. Jod nach und nach mit 1 Gewth. gewöhnlichem Phosphor zu- sammen gebracht und der alsdann noch kurze Zeit erwärmte Jodphosphor nach dem Erkalten mit 4 Gewth. Wasser über- gossen. Bei gelindem Erwärmen entweichen grosse Mengen von Jodwasserstoff.e. Durch vermehrte oder verminderte Wärmezufuhr hat man die Regulirung des Gasstromes voll- kommen in der Hand. Das Gas wurde über Phosphorsäure- anhydrid sorgfältig getrocknet. Beim Einleiten desselben in den Aether fand geringe Erwärmung und Vermehrung des Volumens von ungefähr 2 auf 3 statt. Zugleich färbte sich die zunächst farblose Flüssigkeit durch sich ausscheidendes Jod sofort gelb, 1) Journ. f. p. Ch., 1877. 386 wurde immer dunkler und erschien sehr bald undurchsichtig dunkelbraun. Nachdem sich die Flüssigkeit von selbst wieder abgekühlt hatte und kein Gas mehr absorbiren zu können schien, wurde das Einleiten unterbrochen. Bei den offenbaren Anzeichen einer ohne weiteres geschehenen hef- tigen Einwirkung erschien es mir unzweckmässig, die Flüssigkeit etwa noch zu erwärmen. Bei den mit ihr an- gestellten folgenden Untersuchungen zeigte sich denn auch nirgends noch unzersetzter Aether. Die Flüssigkeit wurde zur Entfernung des freien Jods mit etwas metallischem Quecksilber geschüttelt. Die klare Flüssiskeit wurde von dem sich schnell zu Boden setzenden schweren Jodqueck- silber, dem noch etwas unverbrauchtes metallisches Queck- silber beigemengt war, abgegossen und in wenig kalten Wassers gebracht. Während zuvor die Flüssigkeit starke Nebel von Jodwasserstoff ausstiess, wurden diese hierdurch fast gänzlich beseitigt und machte sich jetzt ein stark saurer, an Essigsäure erinnernder Geruch bemerkbar. Ein Theil der Flüssigkeit löste sich im Wasser, während ein anderer Theil sich als schwere, ölige, farblose Flüssigkeit am Boden ansammelte. Beide Schichten wurden getrennt. Die schwere, ölige Flüssigkeit wurde über Chlorealeium getrocknet und im Wasserbade zu destilliren versucht; sie ging schon vor dem Kochen des Wassers vollständig über.!) Sie besass den unangenehmen, starken Geruch des Jod- äthyls, färbte sich am Tageslichte sehr bald violett und“ schied. beim Erhitzen mit concentrirter Schwefelsäure reich- lich Jod aus. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die Flüs- sigkeit in der Hauptsache Jodäthyl war. | Mit der wässrigen Lösung wurde folgendermassen ver- fahren: Beim Destilliren im Wasserbade ging Anfangs ein wenig farblose, dünne Flüssigkeit über, deren Geruch auf Essigäther zu deuten schien, wenngleich derselbe durch Essigsäure beeinträchtigt wurde. Um ersteren rein zu er- halten, wurde das Destillat mit wässriger Lösung von kohlen- saurem Natron geschüttelt. Schon während Kohlensäure —— 1) Unzersetzter Acetylgiycolsäureäther hätte hier zurückbleiben müssen, was nicht der Fall war. FREE 387 entwich, zeigten sich farblose, ölige Tröpfehen, welche sich an der Oberfläche vereinigten. Diese oben schwimmende Schicht wurde abgenommen und über Chlorcaleium ge- troeknet. Sie war dünnflüssig, leichter als Wasser und be- sass den Geruch nach Essigäther. Dass nur sehr wenig ‘davon erhalten wurde, erklärt sich daraus, dass ein grosser Theil davon beim Ausfällen des Jodäthyls durch Wasser mit ausgeschieden worden war.!) Der nach der Entfernung des Essigäthers verbleibende Destillationsrückstand, von welchem im Wasserbade kaum noch etwas Essigsäure überzutreiben war, wurde auf dem Sandbade bis 130°C. erhitzt, wo grössere Mengen verdünnter Essigsäure übergingen. (Dieselbe reagirte stark sauer, hatte den der Essigsäure eigenthümlichen Geruch und wurde durch Eisenchlorid blutroth gefärbt. Dureh}Erhitzen mit Alkohol und starker Schwefelsäure trat der Geruch nach Essigäther auf.) Da über 130° C. hinaus nichts Wesentliches mehr über- ging, der Rückstand in der Retorte vielmehr durch schwach gelbliche Färbung eine beginnende Veränderung anzuzeigen schien, wurde die Destillation unterbrochen und die noch vorhandene Flüssigkeit in einem flachen Schälchen unter eine Glasglocke über Natronhydrat gebracht, um so die immer noch durch den Geruch bemerkbare Essigsäure völlig zu entfernen. Nach längerer Zeit und Öfterem Umrühren war dies geschehen. Es hinterblieb eine kaum riechende, sehr saure, etwas dickliche, schwach gelblich gefärbte Flüssigkeit, welche sich auch nach längerem Stehen unter dem Exsiccator nicht veränderte, an freier Luft aber Wasser anzog. Bei einem nochmaligen Versuche, sie zu destilliren, zeigte sie wieder bei circa 130° C. Zersetzungserscheinungen. Sie löste sich leicht in Wasser und wurde diese Lösung mit kohlensaurem Kalk gesättigt. Das Filtrat schied im Exsiceator ein Salz ab, welches nach Form und Löslichkeit glycolsaurer Kalk zu sein schien, was durch eine Wasser- und Kalkbestimmung bestätigt wurde: 0,9872gr lufttrockener 1) Essigäther von Jodäthyl durch Destillation zu trennen ist nicht möglich, da beide bei 72—730 C. sieden. Eine andere Methode ihrer Trennung war mir nicht bekannt. Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Bd, LIV. 1581, 26 388 Substanz verloren bei 110°C. getrocknet 0,2811 gr Wasser und hinterliessen beim Glühen 0,2065 gr Caleiumoxyd. Das Salz enthielt daher 28,47 °/, Krystallwasser und die wasserfreie Substanz 29,25 °/, Caleiumoxyd. Durch Einwirkung von Jodwasserstoffsäure auf den Acetylglycolsäureäther ist somit Jod, Jodäthyl, Essigäther, Essigsäure und Glycolsäure entstanden, wovon die letztere freilich nur auf Rechnung geringer Mengen nie ganz fern zu haltenden Wassers zu schreiben sein dürfte. Die stattgehabten Vorgänge sind durch folgende Formel- gleichungen zu veranschaulichen: CH?.O.C?H30 CH> C?H30 | +2HJ = | 4 0+2J, CO0C?®H? COOH CH? CH?.O. C?H°0 CH: | +3HJ=(02H5.J +2] + 2J, CO0OC2H3 COOH CH?.O.C?H30 C?H30 CH?.OH | + H®0 = OO + \ COOC?H5 C?H?> COOH Von der Vermuthung ausgehend, die beim Einleiten des Jodwasserstoffgases in den Aether auftretende Wärme könnte eine zu weit gehende Zersetzung veranlasst haben, wiederholte ich den Versuch mit der Abänderung, beim Einleiten der Säure den Aether durch eine Kältemischung heftig abzukühlen. Auch hierbei färbte sich derselbe sofort gelb und verlief die Zersetzung überhaupt in ganz derselben Weise. Essigsäure: Da die bisherigen Versuche, die freie Acetylglycolsäure, resp. ein Salz derselben zu erhalten, daran gescheitert waren, dass mit dem Aethyl immer zu- gleich auch das Acetyl abgespalten wurde, wurde der folgende Versuch so eingerichtet, dass durch die Natur des zur Zersetzung angewandten Körpers nur eine Abspaltung von Aethyl geboten, diejenige des Acetyls aber ausge- schlossen erschien. Als eine solche Substanz musste natur- gemäss Essigsäure angesehen werden, welche — falls sie überhaupt eine Veränderung hervorzurufen vermöchte — vor- aussichtlich neben Essigäther die freie Acetylglyeolsäure 389 erzeugen musste. Demgemäss wurden 12 Gewth. Aether mit 5 Gewth. Eisessig (frisch bereitet durch Destillation von wasserfreiem essigsauren Natron mit eoncentrirter Schwefel- säure und Abkühlen des Destillats bis zum Auskrystalli- siren der Säure, von welcher das noch vorhandene wenige Wasser durch Abtropfenlassen entfernt wurde) im zuge- schmolzenen Rohre mehrere Stunden auf 180° C. erhitzt. Die äusserlich nicht veränderte Flüssigkeit wurde der De- stillation auf dem Wasserbade unterworfen, wobei durch wenig Essigsäure verunreinigter Essigäther überging. Durch Schütteln des Destillats mit wässriger Lösung von kohlen- saurem Natron konnte derselbe in reichlicher Menge rein erhalten werden. Bei der hierauf auf dem Sandbade fort- gesetzten Destillation gingen reichliche Mengen einer sauren Flüssigkeit über, die alle Reaktionen der Essigsäure zeigte. Durch Kochen derselben mit Kalkmilch konnte kein gly- colsaurer Kalk erzeugt werden, ein Beweis, dass keine Acetylglycolsäure dabei war, welche daher im Rückstand vermuthet wurde. Bei ungefähr 150° C. hörte ein Ueber- gehen von Flüssigkeit auf und zeigte der Rückstand bei Erhöhung der Temperatur alle Anzeichen energischer Zer- setzung: Daher wurde abgekühlt und die Flüssigkeit in wenig kalten Wassers gebracht. Es geschah dies zunächst nur in der Absicht, eventuell unzersetzt gebliebenen Aether abzuscheiden. Dies war nicht der Fall, wohl aber schied sich ein weisser, pulvriger Körper aus. Dasselbe geschah durch Vermischen des Destillationsrückstandes mit Alkohol oder Aether. Unter dem Mikroskop blieb die kıystallinische oder amorphe Beschaffenheit jenes weissen Pulvers zweifelhaft, indessen liess ein schwach perlmutter- artiges Schillern der aufgeschlämmten Substanz krystalli- nische Struktur vermuthen. In kaltem Wasser so gut wie unlöslieh — weshalb es damit gewaschen werden konnte — ging seine Löslichkeit darin beim Kochen auch nur lang- sam von statten. Beim Erkalten der Lösung schied sich der Körper in derselben Form wieder ab, setzte sich aber nur äusserst langsam zu Boden, was durch Zusatz einer Spur Salzsäure — wie ich zufällig bemerkte — sehr be- schleunigt wurde. Natronlauge oder Ammoniak in der Hitze 26* 390 bewirkten die Lösung sehr schnell und schied sich weder nach dem Erkalten, noch nach dem Uebersättigen mit Säuren wieder etwas aus. Dies Alles liess den Körper als Glyeolid vermuthen. Unter dieser Annahme kochte ich einen Theil desselben so lange mit viel Wasser, bis nach dem Erkalten keine Abscheidung mehr stattfand. Die jetzt sehr saure Flüssigkeit neutralisirte ich mit kohlensaurem Kalk, engte das Filtrat auf dem Wasserbade ein und liess schliesslich im Exsiccator auskrystallisiren. Das reichlich erscheinende Salz zeigte alle Eigenschaften des glycol- sauren Kalkes. 1,2940 gr lufttrockener Substanz verloren bei 110° C. 0,3665 gr Wasser und hinterliessen in der Glüh- hitze 0,2736 gr Caleiumoxyd. Daher enthielt das Salz 28,31%, Krystallwasser und das wasserfreie Salz 29,49%, Caleiumoxyd. | | Das Glycolid kann auf zweierlei Art entstanden sein: einmal aus Glycolsäure unter Wasseraustritt, oder durch Zerspaltung von zunächst wirklich gebildeter Acetylglycol- säure geradeauf in Glycolid und Essigsäure. Wegen letz- terer Möglichkeit wiederholte ich den Versuch, indem ich das auf die frühere Weise gefüllte Rohr diesmal nur auf 120--130° C. erhitzte und bei allen darauf folgenden Ope- rationen hohe Wärme möglichst vermied. Im Wasserbade sing Essigäther mit etwas Essigsäure wie früher reichlich über. Zur völligen Vertreibung der freien Essigsäure trieb ich indessen jetzt die Destillation nicht auf dem Sandbade weiter, sondern stellte einen Theil der in der Retorte ver- bliebenen Flüssigkeit auf einer ganz flachen Schale über Natronhydrat unter eine Glasglocke. Unter öfterem Um- rühren war nach einiger Zeit kein Geruch nach Essigsäure mehr bemerkbar. Die Flüssigkeit wurde mehr und mehr dick, veränderte sich aber schliesslich auch nach längerem Stehen im Exsiccator nicht mehr. An freier Luft zog sie Wasser an, war in letzterem leicht löslich und reagirte stark sauer. Um zu erfahren ob es Acetylglycolsäure oder nur Glycolsäure sei, wurde daraus die Acetylgruppe abzuspalten versucht. Weder durch Kochen mit Wasser noch mit con- centrirter Schwefelsäure, trat ein Geruch nach Essigsäure ‚auf; ebensowenig war durch Erhitzen mit Alkohol und con- 391 eentrirter Schwefelsäure ein Geruch nach Essigäther zu bemerken. Ein anderer Theil wurde mit Kalkmilch ge- kocht; die durch Kohlensäure vom überschüssigen Kalk befreite Flüssigkeit wurde im Exsiccator der Verdunstung überlassen. Es krystallisirte glycolsaurer Kalk aus, während in der Mutterlauge kein essigsaurer Kalk nachweisbar war. 1,0981 gr lufttrockener Substanz verloren bei 110° C. 0,5095 gr Wasser und hinterliessen in der Glühhitze 0,2317 gr Caleiumoxyd. Daher enthielt das Salz 28,18%), Krystall- wasser und die wasserfreie Substanz 29,38°/, Caleiumoxyd. Es ist hiermit erwiesen, dass die Bildung des Glycolids beim vorigen Versuche nur durch zu hohe Hitze aus Gly- colsäure, nicht aber durch Zerspaltung von Acetylglycol- säure entstanden war. Es wurde also neben Essigsäure nur Essigäther und Glycolsäure nachgewiesen. Ich fasse den Vorgang so auf, dass die zugesetzte Essigsäure gar nicht in Reaktion gegangen ist!), während das ihr jedenfalls trotz aller Vorsicht anhaftende Wasser allein die Zersetzung des Acetylglycolsäureäthers bewirkt hat. Zur Vermeidung der Gegenwart von Wasser wurde nunmehr dem Eisessig ungefähr der sechste Theil Essig- säureauhydrid zugefügt und dieses Gemisch zur Zersetzung des Aethers benutzt. In dem 12 Stunden auf 130° C. er- hitzten Flüssigkeitsgemisch konnte keine Veränderung con- statirt werden. Einwirkung von Salzen. Essigsaurer Kalk: Der Versuch, den Aether durch essigsauren Kalk zu zersetzen, wobei ich neben Essigäther acetylglycolsauren Kalk zu erhalten hoffte, schlug fehl; in dem im zugeschmolzenen Rohre mehrere Tage auf 180° C. erhitzten Gemisch war keine Veränderung nachzuweisen. Essigsaures Blei: Mehr Erfolg versprach ich mir bei Anwendung von wasserfreiem essigsaurem Blei unter Zugabe von absolutem Alkohol; indessen auch in diesem Falle blieb der Röhreninhalt unverändert. Zum Theil mag dies daran liegen, dass aus der alkoholischen Bleisalzlösung 1) Cf. den nächsten Versuch! 392 letzteres durch den Aether wieder abgeschieden wurde, was also die beabsichtigte innige Berührung des Aethers mit dem Salze bedeutend herabminderte, wenn nicht gar gänz- lich aufhob. Einwirkung von essigsaurem auf monochloressigsaures Natron. Während die bisherigen Versuche bezweckten, von dem Aether ausgehend zu Salzen, resp. der freien Säure zu ge- langen, stützt sich der im Folgenden beschriebene Weg auf ein wesentlich anderes Prinzip. In der Absicht, acetylely- colsaures Salz unmittelbar — und nicht, wie bisher ver- sucht wurde, secundär — zu erhalten, wurde ein Gemisch von monochloressigsaurem') und etwas überschüssigem essig- sauren Natron (beide wasserfrei) mit absolutem Alkohol, worin beide etwas löslich sind, am Rückflusskühler gekocht. Nach siebenstündigem Kochen hatte keine Einwirkung statt- gefunden, denn es war keine Spur von gebildetem Chlor- natrium nachweisbar. Deshalb wurde dasselbe Gemisch im zugeschmolzenen Rohre erhitzt und zwar circa 40 Stunden im kochenden Wasserbade. (Die Temperatur höher zu wählen schien des- halb nicht gerathen, weil monochloressigsaures Natron schon bei 150° C. leicht und vollständig in Chlornatrium und Glycolid zerfällt). Der Röhreninhalt enthielt jetzt sehr viel auf gewöhnlichem Wege nachweisbaren Chlors, ein Zeichen einer überhaupt stattgehabten Einwirkung. Die Salzmasse wurde von der Flüssigkeit durch Filtration ge- trennt und erstere nochmals mit Aether-Alkohol gewaschen. 1) Dasselbe wurde bereitet durch genaue Neutralisation einer Lösung von Natron in absolutem Alkohol mit einer solchen von Mono- chloressigsäure in absolutem Alkohol. Um die Bildung eines sauren Salzes zu vermeiden, muss die saure zur alkalischen Lösung gegeben werden und nicht umgekehrt und zwar in dünnem Strahle unter fort- währendem Umrühren. Das monochloressigsaure Natron scheidet sich hierbei in Form kleiner Kıystallschüppchen aus. Nach dem Absetzen derselben nimmt man den darüberstehenden Alkohol ab und trocknet den Krystallbrei über concentrirter Schwefelsäure. 2) Wislicenus, Lehrb. d. org. Chem., VI. Aufl., p. 638. 393 . Ihre Lösung in wenig kalten Wassers wurde im Exsiccator der Verdunstung ausgesetzt, worauf alsbald zahlreiche Würfelehen von Chlornatrium erschienen. Die Mutterlauge enthielt sehr viel essigsaures Natron. Durch Kochen einer Probe mit Kalkmilch konnte kein glycolsaurer Kalk er- halten werden. Das alkoholische Filtrat, welches schwach sauer rea- girte, wurde ebenfalls in den Exsiccator gebracht. Es hin- terblieb eine farblose, diekflüssige, jetzt stark sauer rea- girende Masse von kaum merklichem Geruch, die sich während tagelangen Verweilens im Exsiecator nicht verän- derte. Eine auf dem Platinblech ausgeführte Verbrennung hinterliess viel kohlensaures Natron; Chlor war nicht nach- weisbar. Um zunächst die Natur der darin vorhandenen freien Säure zu erforschen, übersättigte ich die gesammte, mit etwas Wasser verdünnte Masse mit kohlensaurem Kalk. Das Filtrat vom überschüssigen kohlensauren Kalk setzte im Exsiccator einen winzigen Rand eines weissen Salzes an, während im Uebrigen wieder jene farblose, dieklfiche Flüssigkeit zurückblieb, die jetzt natürlich nicht mehr sauer reagirte- Die Menge jenes auskrystallisirten Salzes war zu gering, um damit eine Analyse ausführen zu können; seine äusseren Eigenschaften jedoch liessen mich dasselbe als glycolsauren Kalk ansprechen. Die zurückgebliebene Flüs- sigkeit veränderte sich tagelang im Exsiccator nicht; plötz- lich jedoch erschien sie von schön glänzenden Krystall- nadeln durchsetzt. Der diesen noch anhaftenden Flüssig- keit konnte ich nicht anders habhaft werden, als dass ich den Krystallbrei mit Streifen reinen Fliesspapiers trocknete und diese durchfeuchteten Stücke zu weiterer Untersuchung in einem Glase sammelte. Die schliesslich zwischen Fliess- papier scharf gepressten Krystalle besassen alle Eigen- schaften und Reaktionen des essigsauren Natrons. Eine mit dem bei 110° C. getrockneten Salze ausgeführte Natron- bestimmung ergab folgendes Resultat: 0,1063 gr Salz hinterliessen in der Glühhitze 0,0682 gr kohlensaures Natron, was einem Gehalt von 23,08 /, Natrium entspricht. Nach der Berechnung verlangt essigsaures Na. tron 28,05°/, Natrium. 394 Das Auftreten von essigsaurem Natron an dieser Stelle erklärt sich einfach aus seiner Löslichkeit in Alkohol. Jene das Papier durchtränkende, schwach ätherisch riechende Flüssigkeit, in welcher ich glycolsaures Aethyl vermuthete, wurde mit Kalkmilch gekocht, wodurch in der That glycolsaurer Kalk erzeugt werden konnte. Die Mutter- lauge vom glycolsauren Kalk enthielt keine Spur von essig- saurem Kalk. Es ist somit Chlornatrium, essigsaures Natron, Glycol- säure und Glycolsäureäther nachgewiesen. - Der stattgehabte Vorgang dürfte daher so zu erklären sein, dass das essigsaure Natron sich gar nicht an der Re- aktion betheilist hat, während das monochloressigsaure Natron unter Abspaltung von Chlornatrium mit trotz aller Vorsicht vorhandenen Spuren Wassers Glyoelsäure, mit dem Alkohol aber Glycolsäureäther!) gebildet hat. Einwirkung von Essigsäureanhydrid auf Glycolsäure. Eingangs wurde die Benzomilchsäure erwähnt, welche von Strecker und Socoloff leicht durch unmittelbare Einwirkung der Componenten aufeinander erhalten wurde. Ich versuchte, auf analogem Wege die freie Acetylglycol- säure darzustellen. Da indessen die bedeutende Flüchtig- keit wasserfreier Essigsäure ein Operiren im offenen Gefäss — welches Verfahren von jenen Forschern angewandt wor- den war — nicht zweckmässig erscheinen liess, entschloss ich mich, wiederum im zugeschmolzenen Rohre zu erhitzen. In diesem Falle musste natürlich dafür gesorgt werden, dass das bei der geplanten Einwirkung frei werdende Wasser unschädlich gemacht würde. Dies liess sich leicht dadurch erreichen, dass nicht Essigsäure, sondern ihr Anhy- drid verwandt wurde, wodurch ja ausserdem dem gewünsch- ten Processe gewissermassen schon die Hälfte des. Weges 1) Glyeolid mit Alkohol in zugeschmolzenen Röhren erhitzt, giebt “in der That Glycolsäureäther (Tscherniak und Norton, Ber. d. d. chem. Ges,, 1879, pag. 370). 3a 3 ea Be = re 395 entgegen gekommen wurde. Der Vorgang sollte sich also nach folgender Gleichung vollziehen: €H2.OH CH?.0.C2H30 2 | + (®H30)20 =2 | +H20, COOH COOH [H?O + (C?H30) 20 = 2 C°H30 .OH]. Es wurden daher 3 Gewth. krystallisirter Glycolsäure !) mit 4 Gewth. Essigsäureanhydrid in ein Rohr eingeschmol- - zen. Ein grosser Theil der Glycolsäure löste sich schnell auf, jedoch blieb selbst nach 12stündigem Stehen und öfterem Umschütteln der kleinere Theil ungelöst. Es wurde 24 Std. auf ungefähr 160° C. erhitzt. Abgesehen davon, dass sich die Glycolsäure jetzt völlig gelöst hatte, zeigte die Flüssigkeit keine sichtliche Veränderung. Beim Oefinen des Rohres war kein Druck vorhanden, wohl aber trat intensiver Essigsäuregeruch auf. Die gesammte Flüssigkeit wurde mit vielem Wasser, worin sie sich klar löste, ver- dünnt, mit kohlensaurem Kalk gesättigt, filtrirt und im Exsieccator der Verdunstung überlassen. Es krystallisirte kein glyeolsaurer Kalk aus, sondern die Flüssigkeit con- centrirte sich ohne die geringste Krystallbildung bis zu einem gewissen Niveau, welches sie mehrere Tage lang einhielt; dann aber trocknete sie ziemlich plötzlich zu einer durchsichtigen, gummiartigen Masse ein. Ein Theil hiervon er- gab durch Kochen mit Kalkwasser deutlich und reichlich gly- colsauren Kalk, ein Beweis, dass die gewünschte Einwirkung stattgefunden hatte. Mit 5Oprocentigem Weingeist an- gerührt, löste sie sich theilweise auf, wurde aber nicht, wie gehofft wurde, theilweise oder gänzlich in krystallinische Beschaffenheit übergeführt. Daher wurde noch soviel 5O pro- centiger Weingeist zugefügt, bis soeben völlige Lösung ein- getreten war, und diese Lösung nunmehr mit absolutem Alkohol versetzt. Hierdurch gestand die Masse sofort zu 1) Kıystallisirte Glycolsäure wurde nach der von Fittig und Thomson in letzter Zeit einer genauen quantitativen Untersuchung unterworfenen Methode durch S—10 tägiges Kochen einer 5procen- tigen wässrigen Lösung von Monochloressigsäure dargestellt. Die Methode ist in jeder Beziehung durchaus zu empfehlen. (An. d. Ch. u: bh, 66; 75.) 396 . einem kleisterartigen, dicken Krystallbrei (bei sehr starker “ mikroskopischer Vergrösserung erschien derselbe aus den feinsten Nädelchen zusammengesetzt), welcher so ausser- ordentlich voluminös war, dass die 5—6fache Menge der ursprünglichen Lösung an absolutem Alkohol zugefügt wer- den musste, ehe der Brei nur einigermassen Hüssig-beweg- lich wurde. In diesem Zustande wurde derselbe längere Zeit unter fleissigem Umrühren stehen gelassen und endlich abgesogen. Dieses Durchtränken und Absaugen mit abso- lutem Alkohol wurde noch mehrmals wiederholt, zum Schluss aber der anzuwendende Alkohol mit etwas Wasser versetzt. Die hiernach rückständige Masse, in ihrer äusseren Be- schaffenheit von der früheren nicht verschieden, wurde be- hutsam zwischen Fliesspapier gepresst (scharfes Pressen war, wie ein Versuch zeigte, wegen der immer noch kleister- artigen Beschaffenheit absolut unmöglich), in wenig kalten Wassers gelöst und wiederum im Exsiccator der Verdunst- ung überlassen. Auch jetzt noch war der Rückstand nur summiähnlich. Derselbe wurde bei 110° C. bis zu con- stantem Gewicht getrocknet und analysirt: I. 0,4268 gr gaben 0,1516 gr Wasser, 0,5041 gr Kohlen- säure und 0,1268 gr Caleiumoxyd. Il. 0,4649 sr hinterliessen in der Glühhitze 0,1366 gr Caleiumoxyd. Dies entspricht folgender Zusammensetzung: berechnet: 'acetylelycol- — essigsau- I. 11. saurer Kalk rer Kalk _ Wasserstoff 3,949), — 9%, 3,65%, 3,80%), Kohlenstoff 32,22, — ,„ 35,04 „ 90,38 „ Sauerstoff 34.19 er 40,87 „ 20,38 „ Caleiumoxyd 29,71 „ 29,38 „ 20,44 „ 35,44 „ 100,00 100,00 100,00 Die Salzmasse als ein Gemisch von acetylglycolsaurem und essigsaurem Kalk betrachtet, besitzt folgendes Zu- ‚sammensetzungsverhältniss: 1; 1. acetylglycolsaurer Kalk 39,48), 39,33%), essigsaurer 7.0092 60,67 „ 1. berechnet auf Grund des gefundenen Kohlenstofis; 397 2. berechnet auf Grund des gefundenen DES (29,5£°/, im Mittel). Da viele der nun folgenden Versuche Analoga der bis jetzt besprochenen sind, darf ich mich mit Beziehung auf die bisherigen von nun an kürzer fassen. Propionyiglycolsäureäthyläther. CH2.0.C3H50 | CO0C?H?°. Die Leichtigkeit, mit welcher der Acetylglycolsäure- äther zu erhalten und in grösseren Quantitäten rein dar- zustellen ist, legte die Vermuthung nahe, dass auch höhere Homologe der Essigsäure fähig sein dürften, sich mit der . Glyeolsäure zu analogen Doppelverbindungen zu paaren. Ein solcher Fall lag ja auch bereits in dem von Gal auf gleichem Wege dargestellten normalen Butyrylglycolsäure- äther vor. Darstellung: Ich unternahm es, die hier noch lücken- hafte Reihe dieser Körper zu vervollständigen. Zu diesem Zwecke erhitzte ich wiederum einen Brei von fein gepul- vertem, wasserfreien propionsauren Natron und Monochlor- essigsäureäther im zugeschmolzenen Rohre zwei Tage auf 190—200° C. Am Ende des ersten Tages schüttelte ich die erkaltete Masse heftig durch, was sehr leicht gelingt, weil der anfangs dieke Brei beim Erhitzen mehr und mehr flüssig wird. Nach Verlauf zweier Tage war der Inhalt noch etwas dünnflüssiger geworden. Es wurde jetzt mit absolutem Aether ausgezogen, über Chlorcaleium entwässert, der Aether im Wasserbade verjagt und der bräunliche Rück- stand der fraktionirenden Destillation unterworfen. »o wurde ein constant siedendes, völlig chlorfreies Destillat erhalten. Die damit ausgeführten Elementaranalysen führten zu folgenden Zahlen: I. 0,2125 gr Aether gaben 0,1423 gr Wasser und 0,4083 gr Kohlensäure. II. 0,1994gr Aether aaben 0,1357 gr Wasser und 0,3835 gr Kohlensäure. 398 Es entspricht dies folgender Zusammensetzung: I. DI. berechnet: Wasserstoff 7,449], 7,52%, 7,50%, Kohlenstoff 52,38 „ 52,46 „ 52,00, Sauerstoff 40,18 „ 40,02 „ 40,00 „ 100,00 100,00 100,00 Eigenschaften: Es ist eine farblose, stark licht- brechende, leicht bewegliche Flüssigkeit von angenehm ätherisch fruchtartigem Geruch. Sie ist nur wenig schwerer als Wasser — ihr sp. Gew. beträgt bei 22,50 C. 1,0052 — und sinkt darin als ölige Tropfen zu Boden. Auf Salzlös- ungen schwimmt sie. In kaltem Wasser ist sie so gut wie unlöslich, in heissem etwas mehr und hieraus scheidet sie sich beim Erkalten als Trübung wieder ab. In Alkohol und Aether ist sie in jedem Verhältniss leicht löslich und kann aus ersterem durch Wasser oder Salzlösungen ab- geschieden werden. Gegen starke Mineralsäuren ist sie selbst in der Kochhitze ziemlich widerstandsfälig. Von starker kalter Natronlauge langsam gelöst, löst sie sich beim Kochen darin sehr schnell vollständig auf — natür- lich unter Zerspaltung. Ihr Siedepunkt liegt bei 200 — 201°C. Nach der Destillation reagirt sie immer sauer, was sich durch eine geringe Zersetzung in Folge von stets vorhandenen Feuchtigkeitsspuren erklären dürfte. Durch Schütteln mit schwacher, wässriger Lösung von kohlen-, saurem Natron und darauf folgendes mehrmaliges Waschen mit kleinen Quantitäten kalten Wassers erhält man eine völlig neutrale Flüssigkeit, die in der That durch Kochen mit Wasser wieder sauer wird. Sie brennt mit nicht leuch- tender Flamme, die in stärkerer Hitze schwäch leuchtend wird. Einwirkung von Basen und Säuren. Caleiumoxyd: Nicht im Besitze einer grösseren Menge des Aethers, durfte ich — in Rücksicht auf die bei .der analogen Verseifung des Acetylglycolsäureäthers ein- getretenen Schwierigkeiten — kaum hoffen, propionylgly- colsauren Kalk zu erhalten. Circa 7—8 gr des in wässri- gem Alkohol gelösten Aethers wurden mit der zur völligen 399 Zersetzung unzureichenden Menge frisch bereiteter Kalk- milch verseift. Es resultirte, wie zu erwarten stand, neben etwas unzersetztem Aether nur glycolsaurer und propion- saurer Kalk. Die Analyse des als glycolsauren Kalk vermutheten, an der Luft getrockneten Salzes ergab folgende Zahlen: 1,2051 gr Substanz verloren bei 110° C. 0,3419 gr Wasser und hinterliessen in der Glühhitze 0,2530 gr Cal- ciumoxyd. Es entspricht dies folgender Zusammensetzung: das Salz enthielt 28,37°/, Krystallwasser und die wasser- freie Substanz 29,31°%/, Caleiumoxyd. Der Vorgang verlief also nach folgender Formel- gleichung: CH?.0.C3H50 20 + 2Ca(0OH)?=20?H°.0H + CO0C?H> CH?.OH\ ? | + (©3H50.0)?Ca. 00 Ca Chlorwasserstoffsäure: Es wurde wiederum Chlor- wasserstoffsäure zur Zersetzung benutzt, die Operation unter den pag. 584 angedeuteten Vorsichtsmassregeln ausgeführt und das Rohr diesmal je 10 Std. auf 160°C. erhitzt. Dies wurde unter jedesmaligem Austreiben des gebildeten Chlor- äthyls und Einleiten neuer Salzsäure 5 Mal wiederholt. Die Zersetzung war derjenigen des Acetylglycolsäureäthers durch Salzsäure analog; es resultirte also neben viel un- zersetztem Aether Chloräthyl, Monochloressissäure und Pro- pionsäure. Die den Vorgang illustrirende Formelgleichung wäre somit folgende: CH?.0.C3?H50 CH?.C1 | +2HCl= C?H5.Cl+ | ar COOC?H5 COOH C3H>0.OH. Der Normale Butyryiglycolsäureäthyläther wurde bereits von @al dargestellt und beschrieben. Seine Notiz, dass das sp. Gew. desselben von dem des Wassers nicht sehr verschieden sei, kann ich dahin präeisiren, dass 400 dasselbe bei 22,5% C. 1,0288 beträgt. Um sein Verhalten gegen Basen und Säuren näher zu untersuchen, stellte ich etwas mehr davon auf die schon mehrfach angegebene Weise dar. Behandlung mit Basen und Säuren. Die völlige Zerspaltung des Aethers durch Kalihydrat hat bereits Ga] constatirt. Caleiumoxyd: Ich wählte zunächst wiederum Kalk- hydrat und liess dasselbe in unzureichender Menge bei Ver- meidung jeglicher Wärme auf die weingeistige Lösung des Aethers einwirken. Das Resultat war den früheren analog und ergab neben viel glycolsaurem keinen Dulszplebieal sauren Kalk. Das als glycolsaurer Kalk angesprochene Salz ergab bei der Analyse folgende Zahlen: 1,0213 gr lufttrockener Substanz verloren bei 110° C. 0,2886 gr Wasser und hinterliessen in der Glühhitze 0,2160 gr Caleiumoxyd, was folgender Zusammensetzung entspricht: das Salz enthielt 28,26°/, Krystallwasser und die wasser- freie Substanz 29,48%, Caleiumoxyd. Barythydrat: Bei einer in gleicher Weise geleiteten Zersetzung durch Barythydrat bildete sich eine farblose, gummiartige, glänzende Masse, welche — da sie nicht zur Krystallisation veranlasst werden konnte — keiner weiteren Untersuehung unterworfen wurde. Kupferoxyd: In der Meinung, eine schwächere Basis könnte vielleicht eine weniger weitgehende — d.h. die gewünschte — Zersetzung bewirken, wandte ich frisch be- reiteten Schlamm von Kupferoxyd an. Hierbei trat indessen weder in der Kälte noch in der Hitze eine Veränderung ein. Chlorwasserstoffsäure: Die durch trockenes Salz- säuregasbewirkte Zersetzung lieferte den früheren Fällen ana- log Chloräthyl, Monochloressigsäure und normale Buttersäure. Normale Buttersäure: In geringem Ueberschuss ‚angewandte normale Buttersäure, mit welcher der Aether im zugeschmolzenen Rohre 2 Tage lang auf eirca 180° C. erhitzt wurde, führte gleichfalls zu einem den früheren ana- logen Resultate. Wiederum bewirkte wohl nur das der 401 Säure beigemengte Wasser eine Zersetzung, nieht aber die Buttersäure selbst. Es wurde neben viel Buttersäure Butter- säureäther und Glycolsäure erhalten. Isobutyrylglycolsäureäthyläther. CH: e .0.C0.CH\_ cH3 C00 C’H?°. Darstellung: Die Darstellung dieses neuen Aethers gelang in derselben einfachen Weise wie die der früheren analogen. Das breiartige Gemisch von Monochloressigsäure- äther und trockenem isobuttersaurem Natron wurde im zu- seschmolzenen Rohre zwei Tage auf 180° C. erhitzt. Es wurde eine vollkommen chlorfreie Flüssigkeit in reichlicher Menge erhalten. Die damit ausgeführten Elementaranalysen ergaben Folgendes: I. 0,2969 gr Substanz gaben 0,2190 sr Wasser und 0,6015 gr Kohlensäure. H. 0,2452 gr Substanz gaben 0,1795 gr Wasser und 0,4968 gr Kohlensäure. Es entspricht dies folgender Zusammensetzung: I. H. berechnet: Wasserstoff 8,18, 8,12% 8,05%, Kohlenstoff 55,24 „ 55,26, DER. Sauerstoff 36,58 „ 36,62 „ 36,78 „ 10000 10600. 7.106.003 Eigenschaften: Dieselben stimmen mit denen des Propionylglycolsäureätherts (ef. pag. 398!) vollkommen überein. Der Geruch erinnert stark an Buttersäure. Der Siedepunkt liest bemerkenswerther Weise zwischen 197 und 198° ©. Das sp. Gew. des neuen Aethers beträgt bei 22.98.€:1.0240. Der Einwirkung von Basen und Säuren unterworfen, verhielt sich derselbe den bereits besprochenen Aethern analog. Als Basen wurden nacheinander Caleium- hydroxyd, Barythydrat und Kupferoxyd, von Säuren Chlor- wasserstoffsäure und Isobuttersäure angewandt. 402 Mit dieser zuletzt dargestellten, das Radikal der Iso- buttersäure enthaltenden Verbindung hörte ich auf, in der Essigsäurereihe ohne Unterbrechung weiter zu arbeiten; einestheils weil nach den bisherigen Resultaten mit grosser Sicherheit doch nur Wiederholungen vermuthet werden durften, anderntheils weil mir die nächstfolgenden homolo- gen Säuren nicht zu Handen waren. Von grösserem Interesse erschien mir die Untersuchung, ob die am Ende der bezeichneten Reihe stehenden Säuren mit höherem Kohlenstoffgehalt ebenfalls geeignet seien, derartige Doppelverbindungen einzugehen. Da mir eine grössere Quantität Stearinsäure von ziemlicher Reinheit zu Gebote stand, beschloss ich, die Einwirkung von stearinsaurem Natron auf Monochlor- essigsäureäther näher ins Auge zu fassen. Die Stearinsäure besass den Schmelzpunkt 67,5 statt 69, 2, ein zu einem Vorversuche wohl hinreichender Br Dieselbe wurde in das Natronsalz verwandelt, welches bei 110° C. bis zur Gewichtsconstanz getrocknet wurde. In- dessen nicht sicher, ob hierdurch sämmtliches Wasser vertrie- ben sei, führte ich eine Natronbestimmung damit aus; die- selbe constatirte das Salz als wasserfrei. 2) Der Monochloressigsäureäther wurde mit der äquiva- lenten Menge stearinsauren Natrons im zugeschmolzenen Rohre circa 20 Std. auf 150°C. erhitzt. Nach Verlauf der ersten 10 Std. war die erkaltete Masse tüchtig durchein- ander geschüttelt worden. Schon äusserlich war eine ent- schiedene Umwandlung nicht zu verkennen, denn über einem salzartigen weissen Bodensatz befand sich eine wenig bräun- liche Gallerte. Nach dem Oeffnen des Rohres — wobei sich kein Gasdruck bemerkbar machte — wurde der Inhalt mit absolutem Aether ausgezogen. Hierbei blieb ein unlös- 1) 0,9000 gr Substanz hinterliessen in der Glühhitze 0,1575 gr kohlensaures Natron, was einem Gehalt von 7,590), Natrium entspricht. Das wasserfreie stearinsaure Natron verlangt nach der Berechnung 7,5200. 405 licher Rückstand, der sich als reines Chlornatrium zu er- kennen gab. Die ätherische Lösung wurde der freiwilligen Verdunstung überlassen, wobei alsbald eine gelbliche butter- artige Masse sichtbar wurde, die einen sehr stark an Mo- nochloressigsäureäther erinnernden Geruch besass. Dieselbe wurde zwischen Fliesspapier so lange scharf gepresst, bis dieser Geruch verschwunden war. Es hinterblieb eine weisse, talgartige, etwas blättrige Masse, ganz vom Aussehen der Stearinsäure. Sie war ohne jeden Rückstand verbrennlich. Ihr Schmelzpunkt lag genau bis 67,5°C. (jener der ange- wandten nicht ganz reinen Stearinsäure!. Um mich von ihrer sauren Reaktion zu überzeugen, löste ich die bei ge- linder Wärme geschmolzene Masse in warmem Alkohol und füllte sie hieraus durch allmäligen Wasserzusatz unter Um- schütteln wieder aus. Sie sammelte sich schnell wieder als oben schwimmende schwammige Schicht an. Diese Opera- tion wurde nochmals wiederholt und hatte den Zweck, etwa anhaftende andere freie in Wasser oder Weingeist lösliche Säuren, die eine saure Reaktion bedingen könnten, völlig zu entfernen. Die Masse löste sich jetzt in Folge ihrer feinen Zertheiltheit ohne weiteres in kaltem Alkohol und vermochte bedeutende Mengen von alkoholischer Lakmus- tinktur stark zu röthen. Die Masse war somit Stearinsäure. Sie war in verhältnissmässig bedeutender Menge entstanden. Wenn sich meine Vermuthung, dass wiederum Wasser mit in Reaktion gegangen sei, bestätigen sollte, so durfte der flüssige Bestandtheil jener oben erwähnten butterartigen Masse als aus glycolsaurem Aethyl bestehend vermuthet wer- den. Ich prüfte zunächst einen Theil auf seinen Chlorge- halt: nach dem Kochen mit starkem Ammoniak war eine unverhältnissmässig geringe Spur nachzuweisen. Einen an- deren Theil kochte ich mit überschüssiger Kalkmilch. Nach Entfernung des Kalküberschusses durch Kohlensäure kry- stallisirte aus dem klaren Filtrat im Exsiccator in Salz aus, welches alle Kennzeichen des glyoclsauren Kalkes besass. 0,8532 gr des lufttrocken Salzes verloren bei 110° C. bis zu constantem Gewicht getrocknet 0,2421 gr Wasser und hinterliessen in der Glühhitze 0,1799 gr kaustischen Kalk, Zeitschr. f. d. ges, Naturw. Bd. LIV. 1881. 97 404 | Dies entspricht folgender Zusammensetzung: Das Salz enthielt 28,38%, Krystallwasser und die wasserfreie Sub- stanz 29,440/, Caleiumoxyd. Seh Der Vorgang erfolgte somit nach folgender Formel- gleichung: CH2Cl C2H2>0 | -. 0+H?0= CO00?H° Na CH2OH C1>H350 NaCl + | ZE (025) CO0C?H 5 H Einen das Radikal Stearyl enthaltenden, den früheren analog constituirten Aether darzustellen, gelang somit nicht. Unter der Annahme, dass mit dem Kohlenstoffgehalt des einzuführenden Säureradikals in gleichem Verhältniss auch die Schwierigkeit steigt, derartige Verbindungen einzugehen, bleibt die Frage offen, bis zu welcher Säure der Essigsäure- reihe diese Fähigkeit reicht. Verbindungen mit aromatischen Säuren. Benzoglycolsäureäthyläther, CH2. 0. CO. C$H> | COO 02 H>. Bereits Eingangs erwähnte ich des von Strecker und Socoloff angestellten Versuches, durch Einleiten von Salz- säuregas in eine alkoholische Lösung von benzoglycolsaurem Kalk den Aethyläther dieser Säure zu erhalten. Da der- selbe — wie erwähnt — misslang, unternahm ich es, diesen bisher noch nicht dargestellten Aether direkt zu erzeugen. 1) 40/, Wasser (bezogen auf das Gewicht des Röhreninhaltes) genügen, diese Umsetzung vollständig zu bewirken. 405 Darstellung: Zu diesem Zwecke erhitzte ich ein Ge- misch von 5 Gwth. Monochloressigsäureäther mit 6 Gwth. troekenem'), fein gepulverten benzoösauren Natron (bei diesem Verhältniss ist das Salz in geringem Ueberschuss vor- handen) im zugeschmolzenen Rohre auf eirca 180°C. Das Gemisch ist von vorn herein nicht im geringsten flüssig, der Aether ist vielmehr nicht im Stande, das Salz völlig zu durehtränken. Nach zehnstündigem Erhitzen war die Masse schon soweit flüssig geworden, dass sie nach dem Erkalten bequem durcheinander geschüttelt werden konnte. Nach nochmaligem zehnstündigen Erhitzen hatte sie sich noch mehr verflüssigt. Dieselbe war jetzt schwach bräun- lich. Beim Oeffnen des erkalteten Rohres machte sich kein Druck bemerkbar. Der Inhalt wurde mit Aether ausgezo- gen. Das hierbei zurückbleibende Salz war Chlornatrium. Der Auszug wurde über Chlorcaleium getrocknet, abge- gossen und der Aether im Wasserbade abdestillirtt. Es blieb eine schwere, ölige, zunächst noch braune, sonst aber klare Flüssigkeit zurück, deren Geruch nicht mehr an den des Monochloressigsäureäthers erinnerte. Sie enthielt kein Chlor mehr. Um zu erfahren, ob in-ihr der gehoffte Aether vorliege, versuchte ich, sie in Benzo&säure und Glycolsäure zu spalten. Da sie deutlich sauer reagirte, wurde zuvor mit wässriger Lösung von kohlensaurem Natron geschüttelt, dann mehrmals mit Wasser gewaschen und schliesslich wie- derum über Chlorcaleium getrocknet. Die Flüssigkeit hatte nicht merklich abgenommen und reagirte jetzt neutral. Ein Theil derselben wurde mit starker Natronlauge bis zum völ- ligen Lösen gekocht. Aus der erkalteten, keine öligen Tropfen wieder ausscheidenden Flüssigkeit konnte durch Uebersättigen mit starker Salzsäure ein weisser lockerer Körper in reichlicher Menge ausgeschieden werden. Der- selbe wurde gewaschen und getrocknet. Seine Lösungen 1) Nicht sicher, ob das bei 110° C. bis zu constantem Gewicht ge- trocknete Salz wirklich wasserfrei sei, führte ich eine Natronbestimm- ung damit aus: 1,0357 gr hinterliessen in der Glühhitze 0,3777 gr kohlensaures Natron, was einem Gehalt von 15,820), Natrium ent- spricht; theoretisch werden 15,97°/, verlangt. 217 406 (in Alkohol und Aether sehr leicht, in heissem Wasser leichter als in kaltem löslich) reagirten sauer, er schmolz bei 121°C. Im höherer Temperatur sublimirte er in schön irisirenden feinen Nadeln. Es war somit Benzo&säure. Ein anderer Theil jenes braunen Destillationsrückstandes wurde mit Kalkmilch gekocht, wodurch reichlich slycolsaurer Kalk erhalten werden konnte. Alles dies weist mit grosser Sicher- heit darauf hin, dass die Flüssigkeit Benzoglycolsäure- äther war. Dieselbe wurde durch Destillation zu reinigen versucht. Bei sehr allmäliger und gleichmässiger Wärmezufuhr stieg die Temperatur auf dem Sandbade langsam bis auf unge- fähr 280° C., ohne dass etwas überging. Von hier ab ging langsam sehr wenig einer beinahe farblosen Flüssigkeit über, ohne dass dabei ein lebhaftes Sieden stattfand. Die “Temperatur stieg und konnte kein constanter Siedepunkt beobachtet werden. Schon bei eirca 2900. — wobei das Sieden immer noch ein sehr träges war — zeigten sich starke Zersetzungserscheinungen, denn die Flüssigkeit stiess Nebel aus und färbte sich dunkler; das Uebergehende wurde gelb, dann röthlich, zeigte Schlieren und roch stark brenzlich. Die Destillation wurde daher sistirt, und das bis dahin Uebergegangene — um wenigstens ein möglichst farbloses, wenn auch höchst wahrscheinlich kein völlig reines Destillat zu haben — noch zweimal fraktionirt. Das schliess- liche, nahezu farblose Destillat, war wieder sauer gewor- den. Nachdem es entsäuert, gewaschen und getrocknet war, wurde es analysirt, was zu folgenden Zahlen führte: I. 0,2885 gr des Aethers gaben 0,1628 gr Wasser und 0,6825 gr Kohlensäure. Dies entspricht folgender Zusammensetzung: 1... berechnet: Wasserstoff 6,27% Sad, Kohlenstoff 64,51 „ 63,46 „ Sauerstoff 29,22 „ 30,777, 100,00 100,00 Ein Versuch, die Destillation durch einen heissen trocke- nen Luftstrom zu unterstützen, welcher durch die auf dem 407 ' Sandbade erhitzte Flüssigkeit hindurchgeleitet wurde, hatte nicht den gewünschten Erfolg. Da überdies der atmosphärischen Luft hierbei gewiss verderbliche Oxydationswirkungen zuzuschreiben sein dürf- ten, wurde dieselbe in einem weiteren Versuche durch Kohlensäure ersetzt, allein mit dem gleichen Misserfolge. Es wurde daher im Vacuum zu destilliren versucht. Ein ungemein momentanes und heftiges Stossen der sonst sanz unbeweglichen Flüssigkeit trat hierbei sehr hinderlich in den Weg. Auch die Vorsichtsmassregel, die Flüssigkeit nur am obersten Rande und ganz allmälig zu erhitzen, ver- mochte dies nicht herabzumindern; selbst bei langem, steil ansteigenden Retortenhalse wurden immer Partikeichen mecha- nisch übergeschleudert. . Eigenthümlicher Weise vermochte auch dann das Stossen nicht vermieden zu werden, als die Retorte bis zum Flüssig- keitsspiegel mit Platinabfällen angefüllt wurde. Abgesehen aber vom Stossen zeigten sich auch im Vacuum bei nur geringer Steigerung der Temperatur sofort intensive Zer- setzungserscheinungen. Mit dem auf diese Weise nur unvollkommen gereinig- ten Destillate wurden noch mehrere Elementaranalysen ausgeführt: U. 0,1934 gr des Aethers gaben 0,1107 gr Wasser und 0,4619 gr Kohlensäure. 11. 0,2132 gr des Aethers gaben 0,1215 gr Wasser und 0,5075 gr Kohlensäure. Dies entspricht folgender Zusammensetzung: I. II. Wasserstoff 6,36%, 6,93 °/° Kohlenstoff 65,10 „ 64,92 „ Sauerstof? 28,54, 28,75, 100,00 100,00 Der Versuch, den Aether mit Hülfe von Petroleum- äther?) überzutreiben, schlug ebenfalls fehl. 1) Der (käufliche) Petroleumäther sing von circa 40— 800 C. über. Zu obigem Versuche wurde nur der von circa 60— 800 C, übergehende Theil benutzt. 408 Eine ganz geringe Quantität der möglichst gereinigten Flüssigkeit durch intensive Kälte zur Krystallisation zu ver- anlassen, gelang nicht. Den relativ reinsten Aether erhielt ich schliesslich auf die Weise, dass ich den Röhreninhalt mit Aether auszos, letzteren verjagte, den Rückstand mit einer Lösung von kohlensaurem Natron und darauf mehrmals mit reinem Wasser behandelte, über Chlorcaleium trocknete, klar abgoss und zuletzt bei gelinder Hitze einen vorgewärmten Strom von trockener Kohlensäure durchleitete. Die mit diesem Produkt erzielten analytischen Resultate waren folgende: IV. 0,2006 gr des Aethers gaben 0,1093 gr Wasser und 0,4621 gr Kohlensäure. V. 0,2007 sr des Aethers gaben 0,1102 sr Wasser und 0,4624 gr Kohlensäure. Es entspricht dies folgender Zusammensetzung: IV. Ve Wasserstoff 6,03 0, 6,08 %, Kohlenstoff 62,831 „ 62,83 „ Sauerstoff 3116 „ 31,09, 100,00 100,00 Um die Art der durch Hitze bewirkten Zersetzung zu erforschen, wurde eine geringe Quantität des längere Zeit stark erhitzten, jetzt sehr sauer reagirenden Aethers mit wässriger Lösung von kohlensaurem Natron ausgeschüttelt. Aus der wässrigen Flüssigkeit schied sich auf Zusatz von Salzsäure reichlich eine weisse Masse ab, welche sich als Benzo&säure zu erkennen gab. Eigenschaften: Es ist eine in reinem Zustande wohl farblose Flüssigkeit, von schwachen, angenehm aromatischen Geruche. Dieselbe ist nicht ganz dünnflüssig und sinkt in Wasser als Oelschicht zu Boden. Auf Salzlösungen schwimmt sie. In kaltem Wasser so gut wie unlöslich, löst sich in kochendem Wasser etwas auf, denn beim Erkalten trübt sich die Flüssigkeit. Nach längerem Kochen von ganz wenig Aether mit vielem Wasser scheidet sich nach dem Erkalten nichts wieder ab und die Flüssigkeit reagirt jetzt deutlich sauer. In Aether und Alkohol ist sie in allen Verhältnissen löslich und kann aus letzterem durch Wasser oder Salzlös- 409 ungen wieder abgeschieden werden. Gegen starke Mineral- säuren ist sie in der Kälte und selbst in der Kochhitze ‘ziemlich widerstandsfähig. Beim Kochen mit starker Na- tronlauge löst sie sich nach und nach vollständig auf; beim Erkalten scheidet sich nichts ab, wohl aber fällt beim Uebersättigen mit Säure freie Benzoösäure aus. Der Aether reagirt neutral, ist aber nach dem Destilliren immer schwach sauer; auch nach längerem Aufbewahren wird der neutrale Aether sauer. Er brennt mit gelber, stark russender Flamme. Einwirkung von Basen und Säuren. Caleiumhydroxyd: Circa 10 gr des Aethers wurden - in Weingeist gelöst und der Flüssigkeit frisch bereitete Kalkmilch nach und nach unter jedesmaligem Umschütteln zugesetzt. Am andern Tage war aus der Flüssigkeit, die noch unzersetzten Aether enthielt, bereits eine bedeutende Menge glycolsaurer Kalk auskrystallisirt. 0,9172 sr des an der Luft getrockneten Salzes ver- loren bei 110° C. 0,2599 sr Wasser und die wasserfreie Substanz hinterliess in der Glühhitze 0,1938 gr kaustischen Kalk, was folgender Zusammensetzung entspricht: Das Salz enthielt 28,34%, Krystallwasser und die wasserfreie Substanz 29,48°/, Caleiumoxyd. Das Filtrat hiervon schied im Exsiecator noch mehr- mals Quantitäten desselben Salzes aus, die alle entfernt wurden. Zuletzt endlich setzten sich aus der Mutterlauge winzige, farblose, nicht deutlich erkennbare Krystalle ab, die ihrer geringen Menge wegen keiner Analyse unterworfen werden konnten. Sie besassen indessen alle Eigenschaften und Reaktionen des benzo&sauren Kalkes. Aus ihnen durch Kochen mit Kalkwasser Glycolsäure abzuspalten gelang nicht. Salzsäure: Der mit trockenem Salzsäuregas gesät- tigte Aether wurde im zugeschmolzenen Rohre auf 120 bis 150° C. erhitzt und zwar zunächst 5 Mal je 10 Stunden. Nach Verlauf von je 10 Stunden wurde aus dem erkalteten Rohre ganz wie in den früheren analogen Fällen das ge- bildete Chloräthyl ausgetrieben und die Flüssigkeit mit neuer Salzsäure gesättigt. Da beim 5. Male fast nur un- verbrauchte Salzsäure, aber fast gar kein Chloräthyl ent- 410 wich, obwohl noch sehr viel unzersetzter Aether vorhanden zu sein schien, erhitzte ich bei sonst gleichem Verfahren noch 3 Mal je 10 Stunden auf 200° C., wobei wieder reich- liche Bildung von Chloräthyl bemerkt wurde. Im Verlaufe der Zersetzung traten stark glänzende schöne Krystallnadeln auf, welche die Flüssigkeit durchsetzten. Diese hatten sich nach letztmaligem Verjagen des Chloräthyls so sehr ver-. mehrt, dass die ganze Masse beim Erkalten erstarrte.. Durch mässiges Anwärmen im Wasserbade wieder flüssig gemacht, wurde sie mit lauwarmem Wasser ausgeschüttelt. Die wässrige Flüssigkeit wurde jvon dem sich reichlich am Boden sammelnden unzersetzten Aether abgenommen und durch Filtration gereinigt. Nach völligem Erkalten schieden sich aus ihr wiederum wenige jener zarten Nadeln ab, die als Benzo&säure erkannt wurden. Auf Zusatz von Salzsäure schieden sich noch grössere Massen desselben Körpers aus, die alle entfernt wurden. Ein Theil der Flüssigkeit auf organisch gebundenes Chlor geprüft, erzeugte eine bedeutende Fällung. Ein anderer Theil wurde mit Kalkmilch gekocht, wobei viel glycolsaurer Kalk erhalten wurde. In der Mutter- lauge hiervon war neben Chlorcaleium kein organisches Salz mehr nachweisbar. Die bei der Zersetzung entstande- nen Produkte sind somit Chloräthyl, Monochloressigsäure und Benzo&säure. Der Benzoglycolsäureäther erfährt also durch Basen sowohl wie durch Säuren dieselben Zersetzungen, welche die mit fetten Säuren gepaarten Verbindungen gezeigt hatten. Salieyiogiycolsäureäthyläther. CH?.0.CO.C°Ht. OH doc: Die Darstellungsweise dieser neuen Verbindung durch gegenseitige Umsetzung von Monochloressigsäureäther mit trockenem!) salieylsauren Natron schliesst sich an die der vorigen unmittelbar an. 1) 1,2593 gr. des bei 1100 C. getrockneten Salzes hinterliessen in der Glühhitze 0,4193 gr kohlensaures Natron, was einem Gehalt von 14,450/, Natrium entspricht. Die Theorie verlangt 14,370)o. 411 Auch im Uebrigen gilt alles vom Benzoglycolsäure- ‚ äther Mitgetheilte auch von diesem. Die analytischen Resultate theile ich in Folgendem mit!). II. 0,1911 gr des Aethers gaben 0,1175 gr Wasser und 0,4193 gr Kohlensäure. III. 0,2313 gr des Aethers gaben 0,1395 gr Wasser und 0,5074 gr Kohlensäure. IV. 0,2132 gr des Aethers gaben 0,1105 gr Wasser und 0,4561 sr Kohlensäure. V. 0,3013 gr des Aethers gaben 0,1550 gr Wasser und 0,6449 gr Kohlensäure. Dies entspricht folgender Zusammensetzung: TE II. IV: V. ber.: Wasserstoff 6,80%, 6,70%, 5,77%, 5,71%, 5,36% Kohlenstoff 59,81 ,„ 5984, 5835 „. 5838, 589 „ Sauerstoff 33,39, 3346, 3588, 3591, 3741, 100,00 100,00 100,00 100,00 100,00 Bei Gelegenheit der Zersetzung des Aethers durch kaustischen Kalk mag erwähnt werden, dass beim Ver- dunsten der Salzlösung über Schwefelsäure in letzterer Flocken von Salieylsäure erschienen, herrührend von dem überschüssig vorhanden gewesenen Aether, welcher von der Schwefelsäure aufgesogen und zersetzt worden war. Unter sonst gleichen Umständen trat die Zersetzung des Aethers durch Salzsäuregas viel leichter ein als beim Benzoglyeolsäureäther. Phtalyldiglycolsäureäthyläther, cp. Co .0.CH?. COOC?H? —C0.0.CH2.COOC’H°. Wie bereits erwähnt, war es Wurtz und Friedel und später Wislicenus gelungen, in dem Suceinylodimilch- säureäther eine Verbindung darzustellen, welche sich von den bisher erörterten insofern unterscheidet, als darin nicht 1) Die Analysen des Salieyloglycolsäureäthers, welche mit denen des Benzoglycolsäureäthers die gleiche Nummer führen, wurden mit Produkten ausgeführt, welche auf gleichem Wege zu reinigen versucht wurden. zwei einbasische, sondern eine zweibasische mit einer ein- basischen Säure gepaart auftritt. Die Vermuthung, dement- sprechend auch zwischen der Phtalsäure und Glycolsäure eine analoge Verkettung veranlassen zu können, bestätigte sich. Darstellung: Es wurden 7 Gewth. Monochloressig- säureäther mit 6 Gewth. trockenem!) phtalsaurem Natron im zugeschmolzenen Rohre 20 Stunden auf 190° C. erhitzt. Der ätherische Auszug des Röhreninhalts zeigte Fluorescenz. Nachdem derselbe entwässert und vom Aether befreit worden war, hinterblieb eine diekliche, schwach angenehm aromatisch riechende, dunkel gefärbte, saure, chlorfreie Flüssigkeit welche sich nach ihrer Entsäuerung in Phtalsäure und Gly- colsäure spalten liess. Die Versuche, sie zu destilliren, schlugen gänzlich fehl. Die Temperatur stieg — ohne dass etwas überging — bis etwa 300°C. Erst jetzt ging eine dickliche, gelbe Flüssig- keit träge über. Dieselbe gelangte nur theilweise in die Vorlage, weil sie zum grössten Theil schon im Retortenhals zu schönen weissen, seideglänzenden Krystallnadeln er- starrte, die von einer öligen gelben Flüssigkeit durchtränkt blieben. Wenig über 300° C. entwickelten sich dichte empyreumatische Dämpfe. Im Vacuum gestaltete sich der Vorgang nicht anders: Ich erhielt zwar zunächst ein beinahe farbloses Destillat von etwa 10 Tropfen, welches ich der Analyse zu unter- werfen hoffte, jedoch schon nach etlichen Minuten erstarrte wiederum ein Theil desselben plötzlich zu jenen schönen Krystallnädelchen. Die Krystallnadeln waren Phtalsäure- anhydrid, während die Flüssigkeit aus Glycolsäureäther bestand. N Durch Kälte eine Erstarrung des Aethers zu bewirken, gelang ebenfalls nicht. Zur Analyse musste ich daher ohne Weiteres jene ent- säuerte, gewaschene und getrocknete, dunkel gefärbte 1) 1,2046 gr des bei 1100 C. bis zu constantem Gewicht getrock- neten Salzes hinterliessen in der Glühhitze 0,6053 gr kohlensaures Natron, was einem Gehalt von 21,819, Natrium entspricht. Die Theorie verlangt 21,90%). 415 Flüssigkeit benutzen. Ein genau stimmendes Resultat durfte ich somit nicht erwarten: L., 0,1919 gr des Aethers gaben 0,1058 gr Wasser und 0,3942 gr Kohlensäure. II, 0,1571 gr des Aethers gaben 0,0866 gr Wasser und 0,5234 gr Kohlensäure. Dies entspricht folgender Zusammensetzung: E 11. berechnet: Wasserstoff 6,10%, 6,21.%, 5,33 Oo Kohlenstoff 56,23 „ 56,14 „ 56,80 „ Sauerstofe 231.04 3.236199 80% 100,00 100,00 100,00 . Was die Eigenschaften des Aethers anlangt, so ver- weise ich auf die des Benzoglyeolsäureäthers, mit welchen dieselben übereinstimmen. Zur Zersetzung des Aethers wurden wiederum Caleium- hydroxyd und Chlorwasserstoffgas angewandt. Beide Processe verliefen den entsprechenden früheren analog. Einwirkung von Benzoösäure auf Salicylsäure. Im Anschluss an den von Erfolg begleiteten Versuch, durch Einwirkung von Essigsäureanhydrid auf Glycolsäure Acetylslycolsäure zu erhalten, versuchte ich es, eine analoge Verbindung zwischen zwei aromatischen Säuren darzustellen, indem ich Benzoösäure auf Salieylsäure einwirken liess. Ein Gemisch äequivalenter Mengen ‚beider im offenen Gefäss zu erhitzen, erwies sich als unzweckmässig, weil namentlich die Benzo&säure schon vor: jeder Einwirkung sich ver- flüchtigte. Daher wurde ein bedeutender Ueberschuss von Benzo&- säure in die geschmolzene Salieylsäure nach und nach in kleinen Portionen eingetragen. Die noch einige Zeit erhitzte Schmelze erstarrte beim Erkalten krystallinisch und schmolz in Wasser schon unter 100° C. zu einer öligen, schweren Flüssigkeit. Die Masse wurde in kaltem Alkohol gelöst und mit überschüssiger concentrirter Lösung von salpeter- saurem Silber versetzt. Auf Zusatz etlicher Tropfen Am- moniak wurde das Silbersalz zur Ausscheidung gebracht. 414 Das abfiltrirte, ausgewaschene und bei 110° C. getrocknete Salz wurde einer Silberbestimmung unterworfen: 0,1974 gr hinterliessen in der Glühhitze 0,0902 gr Silber, was einem Gehalt von 45,69 ®/, entspricht, während das benzoesaure Silber . 40,16%, das salieylsaure „ 44,08 „, und das benzosalicylsaure „ 30,99. 4 Silber enthält. Wenngleich es wahrscheinlich ist, dass das analysirte Salz ein Gemisch der beiden ersten war, so ist doch nicht . ausgeschlossen, dass ihm das dritte De war. Die Untersuchungen wurden daher fortgesetzt. Einem Gemisch äquivalenter Mengen beider Säuren wurde etwas Phosphorsäureanhydrid beigegeben und die Masse im zugeschmolzenen Rohre mehrere Stunden auf 180° C. erhitzt. Das Gemenge war zu einer glasartigen, schwarzen Kohle zusammengeschmolzen, weshalb von einer weiteren Untersuchung desselben abgesehen wurde. Der Versuch wurde mit den Modifikationen wiederholt, dass das zu stark wirkende Phosphorsäureanhydrid durch entwässertes essigsaures Natron ersetzt und das Rohr nur bis 160° C. erhitzt wurde. Nach eirca 20 Stunden hatte sich der Röhreninhalt in eine schwammige, stark aufgeblähte Masse verwandelt. An den oberen freien Theilen des Rohres waren kleine, zarte, farblose Kryställchen erkennbar, welche schon durch die Wärme der Hand zum Schmelzen gebracht werden konnten. Beim Oeffnen des Rohres machte sich ein geringer Druck bemerkbar, und zwar charakterisirte sich das entweichende Gas als Kohlensäure. Der Röhren- inhalt roch deutlich nach Phenol. Um letzteres nachzu- weisen, wurde ein Theil des Röhreninhaltes mit starker Natronlauge gekocht und darauf ein Ueberschuss von Kohlensäure eingeleitet. Die Flüssigkeit wurde mit Aether ausgeschüttelt uud dieser der Verdunstung überlassen. Es hinterblieb eine diekliche, intensiv nach Phenol riechende Flüssigkeit. Die stark verdünnte wässrige Lösung derselben wurde auf Zusatz von Eisenchlorid schön blauviolett, bald darauf missfarbig; auf Zusatz von Bromwasser entstand e ein gelblichweisser Nieder en: 415 Der übrige Theil des Röhreninhaltes wurde mit wenig kaltem Wasser angerührt, einige Zeit stehen gelassen und auf dem Filter abgesaugt (Rückstand 1). Die Flüssigkeit wurde so lange mit Salzsäure versetzt, bis nichts mehr ausfiel. Das Ausgeschiedene (2) wurde wiederum abgesaugt. Die jetzt rückständige saure Flüssigkeit wurde mehrmals mit Aether ausgeschüttelt, von welchem noch eine ziemlich grosse Quantität ausgezogen wurde (3). Die vorhandenen aromatischen Säuren waren hierdurch in drei verschiedene Partien getheilt. Jede derselben wurde ins Barytsalz übergeführt. Die Lösungen dieser drei Salze wurden auf dem Wasserbade zur Trockene gebracht; dıe- selben wurden hierbei nicht sauer, ein Beweis entweder, dass keine gepaarte Verbindung zugegen war, oder, dass bei ihrer Gegenwart dieselbe durch die angewandte Wärme nicht zersetzt wurde. Ich behandle jedes der drei Salze einzeln: 1. Die Lösung desselben wurde auf Zusatz von Eisen- ehlorid blauviolett, verfärbte sich aber sehr schnell; ausser- dem entstand ein bedeutender gelbbräunlicher Niederschlag. Eine kleine Quantität aus kalter Lösung krystallisirt, bestand unter dem Microscop aus dünnen rhombischen Täfelchen. Beim Abdampfen der wässrigen Lösung bildete sich eine der Wasserverdunstung höchst hinderliche Krystallhaut. Beim starken Erhitzen schmolz das Salz bei beginnender Verkohlung. Alles dies weist auf benzoösauren Baryt hin. Die Barytbestimmung des bei 110°C. getrockneten Salzes bestätigte dies: 0,8696 gr des Salzes hinterliessen 0,4520 gr kohlen- sauren Baryt, was einem Gehalt von 36,14°/, Baryum ent- spricht. Nach der Berechnung enthält benzo&saurer Baryt 36,15°/, Baryum. 2. Die Lösung desselben wurde auf Zusatz von Eisen- chlorid dauernd schön violett; ein Niederschlag entstand nicht. Aus kalter Lösung krystallisirte das Salz als krüm- liche Masse und bildete beim Abdampfen keine Krystall- haut. Unter dem Microscop bestand es aus nadelartigen sehr lang gestreckten Prismen. Bei starker Erhitzung schmolz das Salz nicht, sondern blähte sich nur auf. Diese Ph 1 r \ 416 Eigenschaften stimmen mit denen des salicylsauren Baryts überein. Die Barytbestimmung des bei 110° C.1) Su neten Salzes ergab Folgendes: 1,7718 gr des Salzes gaben 0,8582 gr kohlensauren Baryt', was einem Gehalt von 33,68°/, Baryum entspricht. Theoretisch werden 33,53 /, verlangt. 3. Die äusseren Kennzeichen stimmten im Allgemeinen mit denen des vorigen überein. Die Barytbestimmung des bei 110° C. getrockneten Salzes ergab Folgendes: 0,4972 gr des Salzes gaben 0,2565 gr kohlensauren Baryt, was einem Gehalt von 35,68%, Baryum entspricht. Somit ist anzunehmen, dass das 1. Salz benzo&saurer, das 2. salieylsaurer Baryt, das dritte aber ein Gemisch bei- der ersteren war. Sämmtliche Zahlen entfernen sich zu sehr von 22,15, dem Procentgehalte des problematischen benzosalicylsauren Baryts an Baryum, als dass letzterer als beigemengt angenommen werden dürfte. Der Vorgang war somit der, dass die Hitze eine Zer- spaltung eines Theiles der Salieylsäure in Phenol und Kohlensäure bewirkt hat, während die Benzodsäure in- takt blieb. 1) Nach Cahours (An. d. Ch. u. Ph., LII, 336) enthält der salieyl- saure Baryt, aus kalter Lösung krystallisirt 1 Mol. Krystallwasser, von welchem bei 100° C. nichts, bei 1500 C. die Hälfte, bei 2150 C. alles entweichen soll. Das aus wässriger Lösung auf dem Wasserbade zur Trockne gebrachte und dann bei 1100C. getrocknete Salz jedoch ist nach meiner Erfahrung wasserfrei, denn 1,4227 gr gaben 0,6815 gr kohlensauren Baryt, was einem Gehalt von 33,310], Baryum entspricht. Ueber Milben. Von P. Kramer in Halle a. S. 1) Die Begattung bei Dermaleichus stylifer Buchholz. Rap. IM. E18. ‚1. Der im Nachfolgenden beschriebene Vorgang wurde im September 1879 beobachtet, ist aber bisher unveröffentlicht geblieben, obgleich er mir schon damals klar machte, dass die neuerdings vertheidiste Ansicht einer bei Acariden häufig vorkommenden Befruchtungnoch unentwickelter Weib- chen durch den After, nieht aufrecht erhalten werden könne. Ich fand damals die secundäre Geschlechtsöffnung bei den Larven von Dermaleichus stylifer und konnte in Begattung begriffene Pärchen lange beobachten. Inzwischen hat Dr. G. Haller in Bern dieselbe Sache bekannt gemacht und so zögere ich denn nicht zur Bestätigung dessen, was er von Milben anderer Gattungen beschreibt, die von mir seiner Zeit gewonnene Beobachtung nachträglich mitzutheilen. Sie bezieht sich auf ein besonders günstiges Objekt. Dermaleichus stylifer Buchholz — Proff. Megnin und Robin, denen die grosse Arbeit des so frühzeitig verstorbenen Dr. Buchholz ' über die Gattung Dermaleichus in den Acta Leopoldina bislang entgangen ist, nennen sie Proetophyllodes glanda- rius — dessen Männchen allerdings von Buchholz als Derm. ampelidis beschrieben ist, besitzt Männchen mit colossal ent- wickeltem Penis und so glückt es hier bei in Copula begrif- Zeitschr. £. d. ges. Naturwiss, Bd LIV. 1881. 23 Peer 48 fenen Thieren die Lage desselben gut festzustellen. Die Befruchtung wird an den noch im Larvenzustande befindlichen Weibchen vollzogen und solchen fehlt die im erwachse- nen Zustande vorhandene vor dem After auf der Bauch- fläche nach dem Kopfe zu gelegene Geschlechtsöffnung. Eine Begattung in gewöhnlicher Art und Weise ist also in der That nicht möglich. Es bildete sich daher bei den ge- nannten Forschern die Ansicht aus, dass sie unter Benutzung des Afters geschehe, eine Ansicht, die an und für sich schon bei geschlossenen inneren Geschlechtsorganen, wie man sie bei den Acariden überall findet, Schwierigkeiten mit sich bringt. Neuerdings ist sie auch für die Gamasi- den von Prof. Megnin in Anspruch genommen, es hat sich indessen der Engländer D. Mitchell, ein besonders sorg- fältiger Beobachter, auf das Entschiedendste dagegen aus- sesprochen. Durch Hallers Entdeckung einer secundären nur im letzten Larvenstadium vorhandenen &eschlechtsöft- nung hinter dem After, also nach dem Rücken zu, ist diese Frage der Lösung zugeführt. Man wird überall da, wo eine Begattung beobachtet wird, ohne dass die normale Ge- schlechtsöffnung vorhanden ist, zunächst nach einer secun- dären Geschlechtsöffnnng suchen, und sie sicher finden, wenn nicht noch eine andere, uns bis jetzt unbekannte Art der Copulation mit im Spiele ist. Eine Afterbegattung scheint wohl aber für immer ausgeschlossen. Bei Dermalei- chus stylifer Buchh. (Proctophyllodes glandarius M.) führt die unmittelbare Beobachtung darauf hin, dass eine solche nicht vorliegt. Die Resultate meiner Beobachtungen sind die folgenden: Betrachtet man ein in Copula befindliches Paar von der Seite, so bemerkt man, dass das Männchen sein flach ge- hbautes und mit den bereits mehrfach abgebildeten Anhän- gen versehenes Hinterleibsende so weit über den Rücken des Weibchens geschoben hat, dass die beiden stattlichen und sehr eigenthümlich gebauten Haftnäpfe sich noch auf der Rückenfläche des Weibchens, wenn auch recht nahe am Hinterende desselben festsetzen. Hierdurch wird es ganz unmöglich, dass der Penis den After erreichen kann, denn er gleitet auf der Bauchfläche des Männchens hin und tritt durch die zwischen den beiden eylinderförmigen _ Haftnäpfen vorhandene Lücke hindurch. In Folge dessen -nimmt er nun seinen weiteren Weg zwischen dem Rücken . des Weibcehens und den beiden flachen Hinterleibsanhängen des Männchens. Dies kann durch direkte Beobachtung be- stätigt werden. Der vollständig ausgestreckte Penis über- ragt nämlich die Hinterleibsanhänge des Männchens. Bringt man es daher zu einer ganz allmäligen Trennung des Männchens von dem Weibchen, so wird man Bilder zur Beobachtung bekommen, welche über die Lagerung der einzelnen in Betracht kommenden Körpertheile gar keinen Zweifel aufkommen lassen. Man wird den Rücken des Weib- chens sehen, auf ihmliegend den Penis desMännchensund die- sen bedecken die beiden Anhangsplatten des Hinterleibs. (Eine allmälige Trennung des Männchens vom Weibchen erreicht man z. B., wenn das Deckgläschen, unter welchem das in Copula begriffene Pärchen liegt, mehrere Male etwas sedrückt wird. Bei jedem neuen Druck schiebt man das Männchen um eine Kleinigkeit weiter von dem Weibchen ab, bis es endlich die richtige Lage zur Beobachtung erlangt.) Sollte der Penis bei der Begattung auf die Bauchseite des Weibchens gerathen, so müsste, da der Hinterleib des Weib- chens nieht abgeflacht, sondern ziemlich dick ist, der Penis in einem deutlich sichtbaren Winkel vom Leibe des Männ- chens abbiegen, was niemals bei seitlicher Betrachtung der Paare beobachtet wird. Somit baben wir durch die Lage des Penis selbst die Richtung bekommen, in der die Beob- achtung sich bewegen muss, um die Lösung der hier vor- liegenden Frage zu gewinnen. In den After fährt der Pe- nis nicht, denn man bemerkt nicht, dass der After sich von der Bauchseite des Thieres bis weit auf den Rücken hin ausdehnt. Vielmehr befindet sich auch noch das hintere Ende der Afteröffnung auf der Unterseite des weiblichen Hinterleibes, so wie es Prof. Megnin in seiner schon er- wähnten Figur 4 auch abbildet. Dagegen wird man bei ‚hinreichend starker Vergrösserung auf dem Rücken des Weib- chens eine Oefinung bemerken, welche von dem Penis grade getroffen wird, wenn er sich zwischen den Haft- näpfen des Männchens hindurch weiter und weiter, auf 28* RT re" VAR N RN, Ei ER KARL » 4 5 he Fa ER Bi ER 4 » RER var =. Y 420 ER dem Rücken des Weibchens hingleitend, vorwärts schiebt. en Diese Oeffnung, die Begattungsöffnung‘ der in Copula be- griffenen Weibchen, ist nun die von Dr. G. Haller an an- deren Milben beschriebene und für die Erklärung der Vor- gänge vollständig ausreichende. Eine auf dem Rücken, also hinter dem After liegende, Geschlechtsöffnung ist bei Mil- ben keine unbekannte Erscheinung, wenn sie auch bis jetzt nur bei männlichen Acariden beobachtet wurde. E. Claparede bemerkte ein solches Vorkommen zuerst bei den Männchen von Myobia museuli und später fand Prof. Meg- nin bei einigen parasitischen Cheyletiden eine entspre- chende Erscheinung. So sehr diese Erscheinung auch dem gewöhnlichen Befunde bei Gliederthieren widerspricht, so muss sie doch als eine den Acariden in gewissem Sinne eigenthümliche gelten und muss bei den Weibchen da ver- muthet werden, wo bei vorkommender Begattung eine eigent-_ liche normale Geschlechtsöffnung nicht vorhanden ist. Den- noch bin ich nieht der Meinung, diese Vermuthung sofort als überall den Thatsachen entsprechend und als bestimmte Ansicht hinzustellen; wenn irgendwo so muss in der exak- ten Naturbetrachtung die Thatsache erst abgewartet werden, ehe eine allgemeine Regel aufgestellt werden kann, die für eine ganze Gruppe von Thieren die Lebenserscheinungen in sich befassen soll.: Ich beschränke mich dabei zunächst nur auf Dermaleichus stylifer Buchholz, denn nur bei ihm ist es mir wegen der ganz besonders günstigen Umstände, unter denen die Beobachtung vor sich gehen kann, gelun- sen, die Begattung durch eine bei den noch nicht völlig entwickelten Weibehen vorhandene, später nach der letzten Häutung wieder verschwindende Hülfs- und Begattungsöff- nung zu setzen. (Allerdings wird durch die anderweite Be- obachtung Dr. Haller’s die Annahme sehr wahrscheinlich, dass wir es hier mit einer allgemeiner verbreiteten Br- scheinung zu thun haben.) Prof. Megnin beschreibt und bildet nachher auch zwei Anhänge am Hinterleibe solcher Weibchen ab, setzt sie aber in keine Beziehung zum Be- gattungsakt. Möglich dass hier die Beobachtung der mit ihren Oeffnungsrändern zipfelartig vortretenden Begattungs- öffnung vorliegt. Die Anhänge haben freilich keine Aehn- 421 lichkeit mit den von mir beobachteten Zipfeln, es müssten denn die beiden seitlichen Wände des nach unten zu ausgehöhlten Zipfels als zwei getrennte Anhänge aufge- fasst sein. Es mag an dieser Stelle noch ein Wort über die Haft- näpfe von Derm. stylifer Platz finden. Ich habe sie schon früher einmal, als D. ampelidis noch nicht alsidentisch mit D. stylifer erkannt worden war, wegen ihrer ganz beson- deren Bildung erwähnt. Die Abbildung Fig. 1 lässt einen Blick in den Vorgang des Anhaftens thun, wie er sonst nicht leicht möglich ist. Sie zeigt einen länglichen Cylinder, in welchem eine häutige vorn verschlossene, also stempelartige Röhre liegt, die vollständig zurückgezogen werden kann. Ist dies geschehen, so hat man ein Bild vor sich, wie es der linke Saugnapf bietet. Hat sich nun die vordere Saug- napf- (Saugeylinder-) Oeffinung fest gegen den Rücken des Weibchens gestemmt und ist der Stempel a zurückgezogen, so ist ein erheblicher luftleerer Raum entstanden, welcher zur Befestigung des ganzen Männchens am Weibchen aus- reicht. Ein solcher Saugnapf ist bei allen anderen Der- maleichus-Arten der alten Koch’schen Gattung Dermaleichus nicht vorhanden und wird allein schon hinreichen, wenn einmal mit der Trennung derselben in neue Gattungen be- gonnenr wird, eine solche zu begründen. Ob die von Meg- nin nicht abgebildeten Mitglieder der Gattung Proctophyllo- des Ch. Rob. einen solchen Saugnapf haben, ist nicht er- sichtlich, sie müssten ihn haben, wenn sie unter diese neue Gattung gehören sollen. 2) Einiges aus der Entwicklung von Cheyletus eruditus. Tafel III. Fig. 2—7. Die Cheyletus-Weibehen legen ihre Eier in kleine Haufen zusammen, am liebsten in Vertiefungen oder Win- kel ihres Aufenthaltsortes. Jedenfalls werden die Eier nicht schnell hinter einander gelegt, wie das nur allmälige Rei- fen der Eikeime im Eierstock, mehr noch aber die ausser- ordentlich verschieden geförderte Entwicklung der Em- bryone in den Eiern eines und desselben Haufens beweist. Sind die Eier abgelegt, so bleibt das Weibchen bei ihnen, 422 so dass wir hier einen Fall von Brutpflege beobachten, gerade wie bei den ächten Spinnen. Es ist, so vielich beurtheilen kann, der einzige Fall, der bei Acariden vorkommt. Das Weibchen vertheidigt sogar seine Brut, was leicht beob- achtet werden kann, indem man mit einer Präparirnadel Eier von dem Haufen. wegnimmt; man wird das Weibchen mit seinen Tastern auf das Instrument losfahren und erst nach vielen vergeblichen Versuchen, den Feind zu vertreiben, die Flucht ergreifen sehen. Die Eier sind gross und besitzen eine ganz glatte sehr dünne Haut. Der Dotter ist grobkörnig, die Dotterelemente selbst bestehen aus einem grossen Tro- pfen, in welchem ein Bläschen eingeschlossen ist. Ob die Eier, deren Entwicklung zur Beobachtung kam, befruchtet wurden, liess sich nicht feststellen, auch gelang es nicht einen männlichen Cheyletus aufzufinden, obwohl sehr viele auf einen kleinen Raum beschränkte Thiere untersucht wurden, welche sich durch fortwährenden Nachwuchs ver- mehrten. Das erste Stadium, in welchem frei daliegende Eier gefunden wurden, zeigte einen;vollständig den inneren Raum des Eies ausfüllenden aus kugelförmigen Elementen bestehenden Dotter. Ganz so erscheinen auch die schon einigermassen gewachsenen Eier des Eierstockes. Die Entwicklung wird damit eingeleitet, dass sich der Dotter durch eine Querfurche in zwei Massen sondert. Die vordere Dotterkugel ist etwas kleiner als die hintere. Die- ses Stadium muss schnell vorübergehen, denn obwohl ich viele Eier beobachtete, gelang es doch nur einige Mal diese Furchung zu sehen. Noch schneller geht aller Wahrschein- keit nach das nächste Entwicklungsstadium vorüber, denn die nächste und zwar sehr oft zur Beobachtung gekommene Phase zeigt bereits eine gleichmässig den ganzen Dotter umhüllende Blastemschicht. Wenn die ganze Breite des Eies 0,07 mm beträgt, so ist die Dieke der Blastemschicht 0,007 mm. | Zwischen diesem Stadium und jenem zuerst erwähnten liegen nun offenbar noch andere, welche durch einige zur Beobachtung gekommene Eier einigermassen angedeutet werden. Man trifft nämlich Eier, deren Inhalt einen eigen- thümlich floekigen Anblick gewähren. Der Dotter ist an 425 mehreren Stellen von der Eihaut durch Massen feinkörni- ger Substanz, welche genau der der Blastemschicht gleicht, zurückgedrängt. Diese Massen liegen ungleichmässig über die Oberfläche des Dotters vertheilt und veranlassen das flockige wolkige Bild. Wird ein solches Ei gepresst, so ist der Dotter nicht mehr wie früher gleichmässig durch das Ei vertheilt, sondern man erhält den Eindruck von einer Anzahl neben einander liegender Dotterklumpen und es hat den Anschein, als wenn je eine Flocke jenes fein- körnigen Blastems an der Aussenseite eines solehen Dotter- klumpens sich befände. Hier ist also noch eine Lücke in der Beobachtungs- reihe, welche durch spätere Beobachtungen erst ausgefüllt werden muss. Hat sich über den Dotter ein gleichmässiges Blastem ausgebreitet, so wird die weitere Entwicklung durch Ver- dickung desselben an dem einen Eipole eingeleitet, welcher sich dadurch als der vordere kennzeichnet. Diese Ver- diekung tritt nicht an der ganzen Blastemkappe ein, son- dern geht nur in einer linienförmigen Mittelpartie derselben vor sich, so dass sich also eine wulstartige Erweiterung des Blastems in die Dottermasse vorschiebt, welche hierdurch rinnenförmig eingedrückt wird. Durch die Enden dieses _ Wulstes ist die Rücken- und Bauchgegend des künftigen Embryo angedeutet. Es ist nicht möglich gewesen die Grundelemente der Blastemschicht genau zu unterscheiden. Nur ist nicht zu verkennen gewesen, dass die Schicht aus länglichen, zwischen Eihaut und Dotter hingestreekten Ele- menten bestehen muss, da eine deutliche, wenn auch nicht regelmässige Zellen abtheilende Liniirung, senkrecht zur Ei- haut, beobachtet wurde. Der feinkörnige Inhalt der Bla- stemschicht verdeckte vermuthlich durch die grosse Menge der Körner alle Zellenwände und Kerne der etwa vorhan- denen Zellen. Entwicklung bis zur Bildung der zweiten Eihaut. Auf der den Dotter mit Ausnahme der vorderen ver- diekten Partie in gleichmässiger Dieke einhüllenden Bla- stemschicht heben sich jederseits fünf wulstartige Fortsätze 424 ab, von denen die mittleren zuerst auftreten. Es sind die drei Fusspaare des künftigen Embryo, die Kiefertaster des- selben und noch ein weiter nach vorn gelegenes Glied- massenpaar, über dessen Schicksal und daran geknüpfte Deutung noch manche Unklarheit schwebt, und die aller Wahrscheinlichkeit nach die Kieferfühler sind, welche bei dem erwachsenen Cheyletus allerdings nur in Form eines wenig beweglichen, innerhalb eines engen Mundrohres hin und her gleitenden Stechborstenpaares auftreten. Diese Stech- borsten sind aber jedenfalls nur die Endglieder der mit den Lippentastern zu. einem Mundrohr verschmolzenen Kiefer- fühler, und die Stammglieder derselben scheinen durch das hier auftretende fünfte Gliedmassenpaar dargestellt zu sein. Während sich die Gliedmassen verlängern, ohne dass irgend welche Gliederung an ihnen zu bemerken wäre, drängt sich am vorderen Ende des Rumpfes zwischen dem Paare der vordersten Gliedmassen ein in der Mittellinie gelegener Wulst vor, welcher allmälig an Umfang zunimmt. Wird um diese Zeit der Embryo von der Seite her besehen, so hat sich durch das Wachsthum der vordersten Glied- massen das Kopfende so gestaltet, wie es die Figur 2 an- giebt. Jener Mittelwulst ist das künftige Kopfbruststück, es streckt sich in der Richtung von oben nach unten und ist von dem Rücken durch einen sehr merklichen Einschnitt getrennt. Während dieser Periode bleiben die vier letzten Gliedmassenpaare stets dicht neben einander liegen, das vor- derste dagegen rückt immer mehr ab und erscheint endlich sanz von den übrigen getrennt. Es legt sich dabei immer mehr mit seinem unteren Ende auf die Vorderfläche des Kopf- wulstes. Von den inneren Vorgängen ist während dieser Zeit wenig zu sagen. Die Dottermasse wird durch das Wachsthum der an der vorderen Rückenfläche und vorderen Bauchfläche befindlichen Blastemschicht zurückgedrängt oder aufgezehrt, so dass sie bei seitlicher Ansicht des Embryo nach vorn zugespitzt erscheint, bei Rückenansicht desselben ein hufeisenförmiges Vorderende zeigt. Die Verdickung der Körperwand auf der Rückenseite ist unbedeutender als die auf der Bauchseite, es wird sogar durch das immer zunehmende Wachsthum der Bauchschicht des Blastems der 425 Dotter immer mehr nach dem Rücken hin gedrängt, so dass bei seitlicher Betrachtung des Embryo die Verdiekung der Rückenschicht des Blastems nur noch am vordersten Ende deutlich in die Augen fällt. In jener ansehnlichen Ver- stärkung der Bauchschicht liegen die Elemente für das Nervencentrum vor uns, welches bei jungen Milben eine un- gewöhnliche Grösse erreicht. Während sich die durch das Wachsthum zunehmenden Gliedmassen immer mehr an- einander drängen, die vorderen Enden der sich berühren- den und pressenden Glieder der rechten und linken Seite immer mehr abplatten und das vordere Paar sich auf dem Kopfwulst immer mehr ausbreitet, geht auf der Stirnfläche des Kopfwulstes selbst ein eigenthümlicher Bildungsprocess vor sich. Es hebt sich zuerst in der Mittellinie ein horn- artiger Vorsprung, dem bald jederseits ein Paar anderer folst. Es sind dies die künftigen Oeffnungsapparate für das Ausschlüpfen aus der ersten Eihaut. Das mittlere Horn entwickelt sich zu einem doppelspitzigen Stechapparat, die beiden seitlichen nehmen blasenartige Form an und scheinen nur zur Festigkeit des ganzen Apparates, nicht zum Durch- stechen der ersten Eihaut zu dienen. Betrachtet man jetzt den Embryo von unten her, so haben die Gliedmassen eine ganz aneinander gepresste Lage bekommen. Die vor- deren Enden der zu je einem Paar gehörigen Gliedmassen berühren einander vollständig und da sich auch die Glie- der der einzelnen Paare berühren, sind die Umrisse der Glieder scharfkantig geworden. Die Figur 3 giebt das Bild des Embryo während dieser Periode von unten betrachtet, die Figur 4 von der Seite her. Letztere zeigt die künftige Mundgegend genau, sie lässt auch erkennen, dass das erste Gliedmassenpaar die obere Fläche des Kopfstücks jetzt vollständig einnimmt und da es sich auch künftighin nicht wieder davon abhebt, so wird man darauf geführt, dass der künftige Schnabel des Cheyletus auf seiner Oberfläche durch dieses erste Gliedmassenpaar geschlossen wird. Letzteres lässt sich noch bei anderen Milbengattungen direct nach- weisen. Bei Limnochares ist es durch meine früheren Be- obaehtungen bestätigt und bei der andern ebenfalls von mir früher beschriebenen Gattung Lagena lässt sich das- 426 selbe Verhalten an dem schnabelartig gebildeten Kopfmund- stücke beobachten. Die Mundöffnung unseres Cheyletns- embryo ist durch eine blasenartig aussehende Stelle deut- jich gekennzeichnet, welche da liegt, wo die Glieder des ersten und zweiten Paares zusammenstossen. Allmälig drän- sen sich die Gliedmassen so stark zusammen, dass die Grenzlinien ganz fein werden, aber bei genauer Betracht- ung in ihrer ganzen Ausdehnung sichtbar bleiben. Es ist dies der Zeitpunkt, wo sich die Oberfläche des Embryo zu einer neuen Eihaut umgestaltet. Es muss aber be- . achtet werden, dass die Gliedmassen nicht wieder in die allgemeine Masse der Körpersubstanz aufgehen, es geht auch die bisher erreichte innere Ausbildung nicht wieder verloren, sondern es tritt nur ein Stillstand der Ent- wicklung insofern ein, als die Formgestaltung augen- blicklich keine weiteren Fortschritte macht, sondern der ganze Entwicklungsprosess concentrirt sich auf die Aus- bildung der neuen Eihaut. Es geht die ganze bisherige Entwicklung also nicht in einem Zersetzungsprocess, der einen neuen dotterartigen Zustand des Eiinhalts zum Ziel hat, unter, es bildet sich kein zweites Ei, wie etwa der Name Deutovum vermuthen lässt. Es bleibt Alles bisher sebildete unverändert bestehen, nur glättet sich die Ober- fläche des Embryo und nimmt eine eiähnliche Gestalt an. Es bleibt sogar jedes einzelne Glied beweglich, was aus den fortwährenden Zuckungen namentlich der Mundgegend i deutlich erhellt. Nachdem die neue Eihaut die”gehörige Festigkeit er- reicht hat, zersprengt der Oeffnungsapparat (Fig 6 u. 7) die alte Eihaut und der Embryo schlüpft aus. Die neue Ei- baut hebt sich von ihm ab, und die weitere Entwicklung der Gliedmassen und inneren Organe nimmt nun ihren Fortgang in der neuen Eihaut. Entwicklung bis zum Auskriechen der Larve. Da während der Bildung der zweiten Eihaut die ganze bis dahin gewonnene Organisation unverändert bleibt, so besteht die in dieser zweiten Periode des embryonalen Lebens vor sich gehende Fortentwicklung nur in der Aus- 427 bildung der einzelnen Gliedmassen, der engeren Verwachs- ung der Schnabel- und Mundtheile, der Bildung der Haar- borsten auf Rücken und Bauch und der festeren Ausbild- ung der die Magenhöhle umschliessenden Wandungen. Ge- nauer beobachten lässt sich dabei hauptsächlich die Fort- entwicklung der Gliedmassen. Die bisher eng aneinander- gepressten und vorn sich platt gegeneinanderstemmenden vier : Gliedmassenpaare verlängern sich etwas und verschieben sich mit ihren vorderen Enden dabei etwas nach hinten, Figur 5. Es geht dabei an den Gliedmassen des ersten Paares ein etwas anderer Vorgang vor sich als an den Gliedern der hinteren Paare. Während diese sich unmerk- lich verlängern und allmälig in die einzelnen Glieder, welehe nachher an den Füssen sichtbar sind, abschnüren, sieht man an dem, noch gradlinig abgestutzten Vorderende des ersten Gliedmassenpaares einen kleinen zapfenartigen Vorsprung sieh erheben, der wie ein Haken in der Mitte des vorderen Gliedrandes hervorragt. Aus diesem Haken, - welcher schnellan Grösse und Umfang zunimmt, entwickeltsich das vorletzte und letzte Endglied der Kiefertaster, welche also mit allen ihren Haarborsten und Zapfen aus einem ein- zigen erst in der zweiten Periode des embryonalen Lebens hervortretenden Sprossen sich bilden. Von der weiteren Entwicklung nach dem Ausschlüpfen aus dem Ei ist nur ein Punkt von Wichtigkeit. Wir haben in Cheyletus eruditus eine Milbe vor uns, welche bei der Häut- ung abweichend von der überwiegenden Mehrzahl der Mil- ben ihre Körpersubstanz nicht aus den Gliedern und Kopf- fortsatz in einen einzigen formlosen Ballen zusammenzieht, sondern man bemerkt bei der dicht vor der Häutung stehen- den Larve die neue Form in der alten liegen, grade wie es bei der gewöhnlichen bei Insekten und Krustern beob- achteten Häutung stattfindet. Prof. Megnin erwähnt ein Gleiches von Pteroptus vespertilionis; er führt hier alsGrund, warum sich die Substanz der Füsse nicht aus den Glied- massen herauszieht, an, dass diese im Vergleich zu der eigentlichen Rumpimasse zu sehr überwiege und daher nothgedrungen in den Gliedmassen auch bei der Häutung bleiben müsse. BeiCheyletus istsoleher Umstand nicht vorhan- 428 den. Trotzdem dass die zu den Füssen gehörige Körper- substanz verschwindend klein ist gegen die den Rumpf bildende, bleibt sie doch während der Häutung an ihrer Stelle. Es scheint hier ein Schluss nicht ganz ungerecht- fertigt. Es ist vermutklich auch bei andern Milben die Häutung nicht ein Vorgang, bei welchem sich die ganze bisher gewonnene Organisation verliert und gewisser- massen aus einem neuen eiähnlichen Zustand, den man in jenem in der alten Haut liegenden Substanz-Ballen gefun- den zu baben glaubt, ein ganz neues Thier entsteht. So wie bei der Bildung der zweiten Eihaut von Cheyletus die Glieder nicht mit einander zusammenfliessen, sondern nur eng aneinander rücken, so doch, dass jedes für sich seine volle Beweglichkeit behält, die man auch leicht beobach- ten kann, so wird gewiss auch der eiähnliche Zustand, in den eine die Häutung durchmachende Milbe aufgeht, nur ein scheinbarer sein, während in Wirklichkeit die Glieder und übrigen Organe wohl gesondert von einander bleiben, die neu hinzutretenden dagegen durch Sprossung sich ent- wiekeln, wie man dergleichen an Insektenlarven unzählige Male beobachten kann. Es würde allerdings besonderer Beobachtungen bedürfen, um die hier vorgetragene Meinung noch zu bestätigen. Durch die hiermit bekannt gewordenen Entwicklungs- momente von Oheyletus eruditus rückt derselbe dem Myo- bia musculiClap. nahe, bei welcher Milbe Claparede eben- falls ein Deutovum, sogar ein Tritovum auffand und, was für mich augenblicklich das wichtigste ist, jenen eigenthüm. lichen Stechapparat auf der zweiten Eihaut entdeekte, den wir auch bei Cheyletus sahen. Bei Cheyletus ist er um- fangreicher ausgebildet als bei Myobia, indem er aus drei von einander getrennten Gruppen besteht, während bei Myobia nur ein einziger Stachel vorkommt. Es ist diese Uebereinstimmung eine Stütze mehr für die von Megnin befürwortete Zusammenziehung der beiden Gattungen zu einer systematischen Gruppe. 429 3) Ueber die Milbengattungen Sejus und Zercon Koch im Vergleich zu Gamasus L. Tafel III, Fig. 8. In meinem Aufsatze „zur Naturgeschichte einiger Gatt- ungen aus der Familie der Gamasiden“ im 42. Jahrg. des Archiv’s f. Naturg. habe ich einige der von Koch aufgestellten Gattungen bei Seite gesetzt, da mir die Gattungscharakte- ristik nicht genügend sicher zu sein schien. Zu diesen Gattungen gehörte Zercon, nicht dagegen Sejus. Die Ab- bildungen, welche Koch zu seinen Sejus-Arten giebt, schie- nen mir charakteristischer als die zu den Zercon-Arten ge- hörigen und so wurde ich durch die Vorsicht, die den Auf- stellungen Anderer gegenüber immer geboten ist, dazu ge- führt, Sejus vorläufig noch ein Recht im Systeme zuzuge- Stehen. Fortgesetzte Beobachtungen haben nun einestheils mich immer gewisser gemacht, dass die Gattung Zercon in der That unhaltbar ist, sobald es darauf ankommt, nur Gattungen zu gründen, deren Merkmale sich in klaren Worten darstellen lassen ; andrerseits bin ich aber auch zu der Ueberzeugung len dass Sejus bisher noch eben- sowenig. fest fundirt ist als Zercon. Ich suchte unausgesetzt nach Milben, welche vielleicht entweder doch noch der einen oder der andern Gattung zuzusprechen sein möchten, jedoch ohne Erfolg, bis es mir klar wurde, dass Koch jedenfalis Milben, wie die von mir beschriebenen Gamasus-Arten: G. serratus, rotundus und andere seiner Gattung Zereon einverleibt haben würde. So war wenigstens die Anknüpfung gefunden, um mich mit Koch in Betreff dieser Gattung auseinander zu setzen. Be- reits in meinem oben von mir angeführten Aufsatze hatte ich zwei Gruppen in der Gattung Gamasus constatirt und dieselbe folgendermassen ceharakterisirt: 1. Gruppe: Ein rundliches, den ganzen Leib dachförmig bedeckendes Rü- ekenschild, kurze Kiefertaster, sehr lange schmale und mit sanz kleiner Zange versehene Kieferfühler, langer vorn gefiederter Fortsatz am oberen Kopfröhrenrande, kurze Füsse. 2. Gruppe: Längliches oft nur die oberste Rückenfläche be- deekendes Rückenschild, verlängerte Kiefertaster, mässig lange und verhältnissmässig sehr breite Kieferfühler mit. ® srosser Zange, drei Dornen am vorderen Kopfröhrenrande und lange Gliedmassen. Die erste Gruppe entspricht der Gattung Zercon Koch. Dennoch muss ich wie damals aus- sprechen, dass auf die erwähnten Unterschiede, da sie nieht überall scharf heraustreten, sondern durch Mittel- formen verbunden sind, eine scharfe und irgendwie in Worte fassbare Gattungscharakteristik nicht aufgebaut wer- den kann. So bleibt also mein Urtheil bestehen, dass die Gattung Zercon unbedingt fallen gelassen werden muss, wenngleich diese Gattung Thiere von besonderer äusserer Erscheinung in sich befasst. Die andere der beiden Gattungen, Sejus Koch wurde nach Koch wieder aufgenommen von den italienischen For- schern Canestrini und Fancago. In ihrer systematischen Uebersicht der Acariden wird sie aufs neue charakterisirt und zwar durch das einzige von Gamasus scheidende Merk- mal: Füsse des ersten Paares nicht schlanker und dünner als die der andern Paare. Die beigegebene Abbildung des Sejus bicornis gab mir die Gewissheit, dass ich dasselbe Thier auch in Thüringen beobachtet hatte, allerdings würde ich, wenn ich seine Besehreibung veröffentlicht hätte, es unzweifelhaft zu Gamasus gezogen haben. Durch jene Ab- bildung von Sejus bicornis und das in meinen Händen be- findliche Exemplar dieser Milbe ward es mir möglich, mein Urtheil über die Gattung Sejus sicherer festzustellen, und ich musste mich dahin entscheiden, Sejus vorläufig auch nicht weiter als selbstständige Gattung fortzuführen. Um zu- nächst die Vergleichung beider Beobachtungsobjekte, des Sejus bicornis C. u. F. und meiner Milbe zu rechtfertigen, mag bemerkt werden, dass die Rückenansicht durch die beiden zapfenartigen Höcker an dem Hinterrande, durch die Trennungslinie des Rückenschildes und durch die Be- haarung der hintern Hälfte desselben ein so eigenthüm- liches und sofort wieder zu erkennendes Bild gewährt, wie nur möglich. Allerdings wird die Behaarung des Rücken- schildes, wie sie die Abbildung auf Tafel II, Fig. 1 der Studii von Canestrini und Fancago (Atti del R. Istituto veneto di scienze, lettere ed arti. Vol. IV, Ser. V) zeigt, - nur im Allgemeinen den Charakter derselben angeben sollen, ohne im Einzelnen genau zu sein. Ich vermuthe aber, dass bei der vorliegenden Milbe, da die Gruppirung der Haar- borsten in der That eine eigenthümliche ist, die Borsten auch, was die Zahl hetrifft, keine grosse Variabilität bei den einzelnen Exemplaren auf weisen werden. Dass C. u. F. die Be- obachtung in ihrer Figur nur zum Theil aufgenommen haben, beweist am besten das Fehlen der überall ganz constant auf- tretenden beiden Borsten am vorderen Ende des Rücken- schildes. Da C. u. F. vermuthlich die Beborstung des hin- teren Abschnitts des Rückenschildes vollständig mittheilen wollten, mache ich auf die Hauptunterschiede meiner Milbe und ihrer Abbildung aufmerksam. Die mittlere Doppelreihe von Borsten besteht nicht aus drei, sondern aus vier hinter- einander stehenden Paaren von Borsten. Die rechts und links am Seitenrande verlaufenden Streifen von Borsten- gruppen, welche jederseits gebildet wird aus Gruppen von drei ungefähr nebeneinander stehenden Borsten, zeigt nicht fünf solche Triaden, sondern nur vier zwischen der Trenn- ungslinie des Rückenschildes und jedem borstentragenden Höcker. Die starke Borste auf dem eylindrischen Höcker zeigt eine zarte aber deutliche Fiederung. Das Kopfmund- stück ist nicht so bedeutend viel schmaler und dünner als in der Figur der ‚„Studii‘“ angegeben ist. Die erwähnten vier Punkte sind, wie Jeder sich sagen wird, solche, die bei der Aufzeichnung gesehener Objekte leicht zu verschiede- nen Bildern führen können. Sollte dennoch €. u. F. ganz genau abgebildet haben, so würde die von mir beobachtete Milbe doch der von jenen gesehenen so nahe stehen, dass sie nur als Localvarietät betrachtet werden muss; ein Sejus bicornis wäre sie auf alle Fälle. Und nun zur Hauptsache. Die Füsse des ersten Paares sollen bei Sejus im Gegensatz zu Gamasus schlanker und dünner sein als die Füsse der andern Paare. Die Vorderfüsse der von mir beobachteten Milbe sind länger, ja ziemlich viel längeralsdieübrigen, andrerseits istes ungemein schwierigbei vielen ächten Gamasus-Arten die Unterschiede zwischen der Diekeder Füsse des ersten und vierten Paares ziffermässig aus- zudrücken. Sind die Füsse des vierten Paares sehr lang, 432 wie es bei sehr vielen Gamasus-Arten der Fall ist, so wird man nur an den Hüftgliedern einen bemerkenswerthen Un- terschied, der übrigens auch durchaus kein auffallender ist, gegen die Füsse des ersten Paares finden. Auch die Füsse des dritten Paares sind häufig kaum dicker als die des ersten, sie sind aber viel kürzer und machen in Folge des- sen keinen so schlanken Eindruck. Sind aber abgesehen ‘von diesem doch immerhin nur winzigen Unterschiede, der auch nicht einmal in klarer und scharfer Form ausgespro- chen werden kann, die übrigen Merkmale des Körperbaus so vollständignach gleichem Muster gestaltet, wie eszwischen Gamasus L. und Sejus Koch in der That der Fall ist, so scheint eine Trennung der zu beiden Gattungen gestellten Thiere doch nicht gerathen und es wird der natürliche Verwandtschaftsgrad besser ausgedrückt, wenn man sie un- ter ein und dieselbe Gattung Gamasus stellt. Ich werde mir also erlauben Sejus bicornis ©. u. F. künftig noch als Gamasus bicornis C. u. F. anzuführen. Wollte man bei der ungemein grossen Anzahl von Gamasus-Arten Unterab- theilungen machen, so würde ich, wenn man ja die von mir bisher immer noch bevorzugte Randfigur der Kopfröhren bei Seite setzen wollte, auf die bei den bisherigen Sejus- Arten gewiss besonders charakteristisch ausgebildete Be- dornung des Rückenschildes Rücksicht nehmen können, so wie auf die mehr eirunde Gesammtform des Rumpfes im Gegensatz zu der nicht auffällig entwiekelten Behaarung der ächten Gamasus-Arten und ihren länglichen Rumpf. Immer wird aber diese Unterscheidung sehr sorgfältige Beobacht- ungen voraussetzen, die bisher in der gehörigen Ausdehn- ung von mir noch nicht gemacht sind. Koch hat sieben Arten von Sejus abgebildet und wie es auf den ersten Anblick scheint mit so charakteristi- schen Einzelheiten, dass es leicht sein müsste, sie wieder zu erkennen; dennoch sind die Abbildungen nicht aus- reichend, um bestimmt vorliegende Formen darnach zu be- urtheilen, sie sind zu klein und enthalten nicht genügend Detail, um die oft so zierlich geschmückten Thiere, die offenbarhierher gehören, in den Abbildungen wieder zu erken- nen. So ging es mir bei einem Gamasus, den Koch jeden- Zeitschrft fd. ges Naturwschfin, 1881 bi | IS I ı N \ Zetschzoft fd. ges Naturmschfin, 1881 Bil_LIV | si) Eiy.n. 5 gen | BE rn Fi gel. Fiq.9. En Bo j f | 7 0° Fr 07 Lith. Anst.v. A.Kürth. Leipzig. 433 falls zu seiner Gattung Sejus gezogen haben würde, und dessen Abbildung als Muster solcher Thierorganismen hier beifolgend mitgetheilt werden soll. Die Milbe hat offenbar viel Aehnlichkeit mit Sejus echinatus Koch, doch wage ich nach den Zeichnungen nicht zu behaupten, ob nicht auch S. hirsutus und muricatus eben so gut genommen werden könnten; wenn ich es in meiner Sammlung mit Gamasus echinatus notirt habe, so geschieht es lediglich, um soviel Namen wie möglich von Koch zu retten, die Charakteri- stik gründet sich ganz allein auf eigne Beobachtung und nimmt keine Rücksicht auf die von Koch so unbestimmt angegebenen Merkmale. Gamasus echinatus Koch. Sejus echinatus Koch. (Koch Orustac. Arachn. Myriap. 24, 13.) Das ungetheilte Rückenschild ist durch stärkere Chi- tienleisten in grosse rundliche oder unregelmässig gestal- tete Felder getheilt; in welchen grosse breite gekrümmte Haarborsten stehen. Die am Hinterleibsrande befindlichen sechs sind auffallend verlängert und gleichen degenförmi- gen Stacheln. Die kurzen gedrungenen Füsse sind mit srossen starken Stachelborsten besetzt. Ueber die Rand- fisur des Kopfmundstücks habe ich bei der Untersuchung des einzigen weiblichen Exemplars nicht genügend klar werden können, die Stelle in der analytischen Tabelle aller zur Gattung Gamasus gehörigen Milben bleibt demnach noch ungewiss. 4) Ueber Scirus taurus n. spec. Tafel IH, Fig. 9—11. Zu der Milben-Gattung Seirus Koch war bis jetzt nur eine Art, Sceirus elaphus Koch bekannt. Eine neue sehr ausgezeichnete Art sollim Nachfolgenden beschrieben werden. Die Mitglieder der Gattung Scirus sind hochgewölbte Milben, deren Kopfmundstück vom Rumpf durch einen tiefen Einschnitt abgeschnürt und schnabelartig nach vorn verlän- gert ist. Wegen dieser Schnabelbildung und weil sie in ihrem ganzen Betragen sehr an Bdella erinnern, sind sie stets zu der Familie der Bdelliden gezogen worden. Sie Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd LIV. 1881. 29 454 unterscheiden sich von den Bdella-Arten vorzüglich durch die sehr abweichend gebildeten Kieferfühler. Während diese nämlich bei den Bdella-Arten breit abgestutzt endi- gen, sind sie bei Scirus scharf zugespitzt und das Endglied ist gekrümmt. Die Umstände, unter denen ich die Art fand, waren ungünstige, so dassich nur das Weibchen in einer a Anzahl von Exemplaren auffand. Die Körperlänge derselben beträgt 0,855 mm von der Schnabelspitze bis zum Hinterende des Rumpfes. Die Haut ist mit äusserst feinen Linien überzogen, die Behaarung ist sparsam und lässt die vier überaus langen Borsten, welche auf dem Rücken stehen, noch besonders auffallen. Ein Paar derselben ist nach vorn gerichtet, das hintere Paar nach oben und etwas nach hinten. Es ist bekannt, dass sich auch bei Seirus elaphus solehe Borsten finden. Die Färbung des Thieres ist tief blutroth; jüngere Exem- plare sind etwas lichter gefärbt. Die Kiefertaster (Fig. 9.) sind viergliedrig, und zwar ist das erste Glied, wie bei allen Bdelliden sehr kurz, das zweite dagegen lang gestreckt, und trägt an dem oberen Ende auf der Innenseite einen lan- gen zapfenartigen Fortsatz. Das dritte Glied ist ohne be- merkenswerthen Anhang, an seinem vorderen Ende sind aber zwei Glieder eingelenkt, zunächst das normale vierte Glied, welches sehr stark gekrümmt ist und etwa in seiner Mitte an der Innenseite einen sehr kurzen Zapfen trägst. Zugleich mit diesem Gliede nimmt ein eigenthümlicher An- hang seinen Ursprung an derselben Stelle. Er ist fast von derselben Länge, wie das vierte Glied, etwas geschwungen, aber im Ganzen und Grossen gerade nach vorn verlaufend. Durch die zwei ausehnlichen und sehr charakteristischen Fortsätze und Anhänge bekommen die Kiefertaster ein ganz besonderes Ansehen, und es ist unmöglich die Milbe mit Seirus elaphus K. zu verwechseln, mit dem es sonst in jeder Beziehung, wenn man es bei geringer Vergrösserung betrachtet, übereinzustimmen scheint. Die Fussenden (Fig. 10.) sind ebenfalls ganz eigen- thümlich gebildet. Es setzt sich nämlich der untere Rand des letzten Fussgliedes rinnenartig nach vorne zu fort und 455 bildet so eine Art Tasche, in welche die ansehnlichen Krallen, zwischen denen ein Haftlappen nicht steht, zurück- geschlagen werden können. Die Krallen selbst sind auf einem langen unten in jener Rinne aufliegenden schlanken Stiel aufgesetzt und sind stark gekrümmt. Die Haut der Füsse ist äusserst fein punktirt. Die von mir betroffenen Weibchen trugen sämmtlich Eier und hatten solche auch bereits unter Steinen gelegt, wo man sie als äusserst feine rothe Pünktchen schimmern sehen konnte. Diese Eier (Fig. 11.) sind wegen ihrer son- derbaren Form bemerkenswerth, die gänzlich von der ge- wöhnlichen ovalen Form der Bdella-Eier abweicht. Leider habe ieh bis jetzt noch keine Eier von Sceirus elaphus ge- sehen, so dass eine Vergleichung mit denen der neuen Art augenblicklich nicht möglich ist. Die äussere Eihaut ist nach vier Seiten hin in sehr ansehnliche, an dem Ei der Länge nach herunterlaufende Flügel ausgezogen, die an den beiden Enden in Fortsätze verlängert erscheinen, von denen zwei ganz besonders ansehnlich sind und gegen die Längs- richtung des Eies senkrecht abstehen. Die Oberfläche der flügelartigen Anhänge ist nicht glatt, sondern wie mit Quer- falten bedeckt, auch befindet sich zwischen den beiden Flü- seln, welche in die langgezogenen Fortsätze auslaufen und srade auf derjenigen Seite des Eies, welche von jenen Fortsätzen abgewendet ist, eine rinnenartige Vertiefung, deren Seitenränder gezähnt sind; hier fängt sich leicht Luft darin, welche das Ei, falls es in Wasser gerathen sollte, stets auf der Oberfläche hält. Das Ei besitzt eine Gesammtlänge von etwa 0,40, wäh- rend es ohne die an beiden Enden vorragenden Flügelan- hänge etwa 0,27 mm Länge hat. Der Eiinhalt ist roth, die Flügel sind blass. Der Fundort ist das Lutterthal bei Lauterberg a/H. unter Steinen. Die Fundzeit: Monat Sep- tember. 5) Glyciphagus ornatus nov. Sp. Tafel IV, Fig. 1 u. 3. Unter den zahlreichen Arten von Glyeiphagus, die dem Beobachter begegnen, für welche es aber die Vorsicht ge- 29% rn 436 bietet, die Untersuchung nicht zu früh abzubrechen, hebt sich die vorliegende Art dadurch besonders hervor, dass sie durch einen eigenthümlichen sexuellen Unterschied zwi- schen Männchen und Weibchen gekennzeichnet ist. Da es mir hier gelang Männchen und Weibchen gleichzeitig zu beobachten, so steht nichts im Wege die Art dem Systeme einzureihen. Dass die Art zunächst zu der Gattung Glyeiphagus ge- hört, beweist das Vorhandensein der von den Autoren als charakteristisch hervorgehobenenMerkmale: Ein kurzer zapfen- förmiger Fortsatz am Hinterleibsende beim Weibchen; schmächtige sehr lang gestreckte Tarsalglieder an den Füssen beider Geschlechter; die Ringfurche zwischen den Füssen des dritten und vierten Paares auf der Oberseite nahezu oder völlig verschwindend. Artcharakteristik: Der ovale Leib ist mit zahl- reichen sehr langen und bedornten Haarborsten besetzt, deren vorderste, die sogenannten Stirnborsten dicht bei ein- ander auf einer langen schmalen Vorderrückenplatte stehen. Die Füsse sindmit wenigen langen schwach gefiederten Borsten bestanden, die Borste am vorderen Ende des vorletzten Gliedes sehr lang und glatt. Beim Männchen sind die bei- den vorderen Fusspaare mit je einem grossen kammförmig gestalteten Haar am unteren Vorderrande des vorletzten Gliedes geschmückt. Bei beiden Geschlechtern ist zwischen den Hüften des ersten und zweiten Fusses eine längliche Oeffnung an der Körperseite vorhanden, über welche eine gegabelte und zweizeilig gefiederte Borste sich ausbreitet. Dieser Beschreibung mögen noch folgende speciellere Bemerkungen hinzugefügt werden. Das Männchen hat eine Länge von 0,50 mm, das Ro- strum mit einbegriffen. Die Füsse besitzen ein ungemein langes Tarsalglied mit einer Länge von 0,22, während die vorhergehenden Glieder nur höchstens bis auf 0,05 mm steigen. Die an dem äusserst zugespitzten Ende befind- lichen Haftlappen sind ganz klein und tragen eine win- zige Kralle. Die Behaarung des vierten Fusspaares weicht insofern von der aller übrigen ab, als am vorletzten Gliede die 437 lange glatte Borste der Rückenfläche fehlt. Das Tarsal- slied dieses Fusspaares trägt unten in der Mitte des inne- ren Seitenrandes zwei kurze behaarte Borsten, das vorletzte Glied auf seiner Unterfläche eine längere dicht behaarte Borste.e Am dritten Fusspaare tritt die glatte Borste des vorletzten Gliedes auf. An der Unterseite des dritten und vierten (drittletzten und vorletzten) Gliedes sitzt je ein lan- ges stark befiedertes Haar. Am zweiten Fusspaare trägt das zweite (Femur) Glied eine ebensolche Borste auf der Unterfläche, das dritte Glied eine starke gekrümmte und gefiederte Borste auf der oberen Fläche ganz an der Wur- zel des Gliedes und eine ebensolche mehr seitlich. Das vierte Glied führt ausser der glatten langen Borste noch eine gefiederte auf der Unterfläche und die charakteristische Kammborste ebendaselbst. Diese hat 5—6 starke Seiten- zähne, ihr Stamm ist gefiedert, wie die übrigen Borsten. Am ersten Fusspaare sind die Verhältnisse durchaus ähn- lieh, nur sind die Kammstrahlen (Fig. 1.) der grossen Borste bis auf 10—11 gestiegen. Die Borsten der Rückenfläche sind zum Theil ungemein stark, bis 0,006 mm dick und stehen in Poren, welche bis zu 0,015 mm Durchmesser haben, sie sind reichlich so stark wie die Enden der Tarsalglie- der an den Füssen, und dicht mit kurzen Börstchen befiedert. Ihre Länge steigt bis auf 0,70 mm. Die Anordnung der 16 bis 17 Paare Rückenborsten ist bei Männchen und Weibchen genau übereinstimmend, woraus ich schliesse, dass hierin auch individuelle Verschiedenheiten kaum in stark bemerkbarer Weise auftreten werden. Die sehr kleine Geschlechtsöffnung ist jederseits von zwei winzigen Saug- näpfen begleitet und von der grossen Afteröffnung weit getrennt. Das Weibchen (Fig. 2.) hat eine Länge vonetwa0,70 mm, übertrifft also das Männchen um etwas gang Erhebliches. Die Längenverhältnisse der Glieder und Borsten sind im Ganzen dieselben wie beim Männchen, nur erscheinen die immer noch sehr langen Haarborsten des Rückens mit ihrer höchstens bis auf 0,72 steigenden Länge etwas kürzer im Vergleich zur Körperlänge als beim Männchen. Die bis 0,1 mm lange Geschlechtsöffnung liegt zwischen den Hüften 438 des zweiten und dritten Fusspaares und ist von dem ganz an das Hinterleibsende gerückten After um 0,20 mm ent- fernt. Der zapfenförmige abgerundete Fortsatz am Hinter- leibsrand ist nur kurz und etwa 0,01 mm gross. An Stelle der Kammhaare des Männchens an den vorderen Fusspaaren trägt das Weibchen nur einfache gefiederte Haarborsten. Die Mundwerkzeuge sind bei beiden Geschlechtern über- einstimmend gebaut und bestehen aus den bei den Acari- den im engeren Sinne stets gefundenen Gliedmassen. Die Kiefertaster sind zweigliedrig und schlank. Das erste Glied derselben hat beim Männchen 0,03 mm Länge, das zweite nur 0,018, beim Weibchen sind die Verhältnisse entspre- chend. Die Kieferfühler sind dick und kurz und zangen- förmig gebildet. Bemerkenswerth sind die seitlichen Oeffnungen zwi- schen den Hüften des ersten und zweiten Fusspaares, welche ich für Athemorgane anspreche. Die Haare, welche gleich- sam zum Schutz darüber gebreitet liegen, sind mit ihrer Spitze nach der Rückenfläche des Thieres hin gelegen. (Fig. 3.) 6) Das Männchen von Azxona versicolor, Müll. Tafel IV, Fig. 4—6. Vor einigen Jahren beschrieb ich eine in den Thürin- ger Teichen häufige Süsswassermilbe unter dem Namen Axona viridis, indem ich zugleich die neue Gattung Axona damit einführte, ich hatte aber lange Zeit nicht das Glück einem Männchen zu begegnen. Diese Lücke kann ich jetzt ausfüllen, und es ist mir dies um so lieber, je schwieriger es ist, zu den so sehr zahlreichen Arten der Süsswasser- milben beide Geschlechter zusammenzufinden. Die Männ- chen müssen, entweder bei den Hygrobatiden (Archiv für Nature. XXXXIIH, Bd. I, p. 237) verhältnissmässig sehr selten sein, oder sie sind nur eine kurze Zeit im Jahre vor- handen, während die Weibchen sich das ganze Jahr lang in grossen Mengen umhertreiben. Die Männchen von Axona versicolor sind von oben her betrachtet von den Weibchen nicht wesentlich verschieden, 139 von der Seite besehen zeigen sie aber sogleich bemerkens- werthe Unterschiede. Wie sich an Fig. 4 sehen lässt, ist der Unterleib von unten her flach zusammengedrückt, was bei den Weibchen nicht beobachtet wird. Ausserdem ist das Hüftplattenfeld sowie das vierte Fusspaar durchaus eigenartig ausgebildet, letzteres erinnert wie auch die eigen- thümliche Hinterleibsbildung bereits sehr an die Gattung Arrhenurus, so dass wir in dieser Gattung ein Zwischen- glied zwischen Arrhenurus und Hygrobatis sehen können. Die Figur 5 lässt dies Hüftplattengebiet des Männchens deutlich erkennen. Es ist viel umfangreicher als das des Weibchens, wie man es ganz allgemein bei den Hygroba- tiden männlichen Geschlechts findet. Die Haftnäpfe, von denen je drei auf jeder Seite der Geschlechtsöffnung stehen, sind mit dieser Oeffnung dicht an das hintere Ende des Hüftplattengebietes herangerückt, so dass die Platte der Haftnäpfe noch mit dem Hüftplattengebiet, welches auch nur eine einzige continuirliche Platte bildet, verschmolzen ist. Beim Weibchen ist die Geschlechtsöffnung und mit ihr die Gruppe der 6 Haftnäpfe an das äusserste Ende des Hinterleibes gerückt. Das vordere Randende des Hüft- plattengebietes stimmt bei beiden Geschlechtern völlig über- ein, so namentlich in dem tiefen schmalen Einschnitt, in wel- chen die Platten für die Kiefertaster eingelassen sind. C. J. Neumann beschreibt!), wie ich noch nachzu- tragen Gelegenheit habe, ebenfalls das Männchen zu der vorliegenden Milbe und führt zugleich die von mir A. viri- dis genannte Milbe auf Hydrachna versicolor Müller zurück, so dass er sie unter Beibehaltung des Gattungsnamens Axona als Axona versicolor in sein System aufnimmt. Ich kann mich damit wohl einverstanden erklären und schliesse mich, da er offenbar dieselbe Milbe vor Augen hatte wie ich, seiner Bezeichnungsweise an. 1) In der ausserordentlich vollständigen und mit grosser Sorgfalt bearbeiteten Abhandlung: Om Sveriges Hydrachnider. Schriften der Schwedischen Akademie der Wissenschaften. Bd. 17. Nr. 3. 1831. 440 7) Ueber die Gattung Bdella. Die Gattung Bdella ist sehr gut charakterisirt, so dass. man niemals im Zweifel sein wird, ob man eine Milbe die- ser Gattung zurechnen soll oder nicht; die Arten der Gatt- ung sind aber so wenig durchgreifend von einander ver- schieden, dass es bisher noch Alles in der Systematik die- ser zierlichen Thiere zu thun gab. Wenn ich den Versuch mache, die mir bekannt gewordenen Arten so zu beschrei- ben, dass, wie ich hoffe, jeder sie nach mir wieder: wird erkennen können, wennihm eine derselben begegnen wird, so gestehe ich dabei gern zu, dass vielleicht bei Benutz- ung eines noch reicheren Materiales, als mir zu Gebote stand, noch mehr in die Augen fallende Merkmale wer- den aufgefunden können. Es scheint als wenn sich die Gatt- ung bei allen über die Erde verstreuten Arten in ihren hauptsächlichsten Eigenthümlichkeiten gänzlich unverändert erhalten habe, denn die Repräsentanten, welche die Vega-Expedition mitgebracht hat, unterscheiden sich kaum von denen, die bei uns in Deutschland leben, und ebenso wenig sind die aus dem Norden Europa’s wesentlich ver- schieden. Die hauptsächlichsten anatomischen Verhältnisse des Bdella-Schnabels habe ieh in einem Artikel des Archiv’s für Naturgeschiehte von Wiesmann Bd. 42 auseinander- gesetzt. Ich habe heute daran nichts zu ändern, finde viel- mehr durch erneute Beobachtung aueh an aussereuropäischen Bdelliden die Existenz der langen röhrenförmigen Zunge zu bestätigen, welche ein so charakteristisches Merkmal der Bdelliden, nicht blos aus der Gattung Bdella, sondern auch der Gattung Seirus ist. Zur genfigenden Bestimmung der Arten scheint mir nun der Kopfabschnitt vollständig auszureichen. Die Ge- stalt und die Grössenverhältnisse der Kiefertaster, desglei- chen der Kieferfühler, die Art der Behaarung dieser letz- teren sowie der Unterseite des Schnabels, werden Anhalt genug geben, um allmälig sich zu vergewissern, ob wir bei uns und überhaupt mehrere Arten Bdella oder nur eine einzige vor uns haben. Es geht hier die Beobachtung, das + 7 er = 94 441 gebe ich bereitwillig zu, oftmals auf ein scheinbar zu ge- ringfügiges Detail ein, aber wer will bei den Formen der Geschöpfe von vornherein festsetzen, welche Bildungen wirk- lich werthvoll sind für die Kennzeichnung ihres Trägers. Und es muss vor allen Dingen eine Bekanntschaft mit den verschiedenen Formen angestrebt werden, ehe auf tiefer- gehende Fragen, wie Entwicklung der einzelnen Arten, strenger und mit Erfolg eingegangen werden kann, da es kaum möglich erscheint, durch Isolirung Generation auf Generation einer und derselben Art der Gattung Bdella zu züchten und so im Zusammenhang: die verschiedenen Alters- stufen und ihre Gestalten zu studiren. Es liegen mir ausser 4 ausländischen Bdella-Arten, deren Beschreibung an einem andern Ort gegeben werden muss, 6 Bdellaformen aus dem Thüringer Gebiete vor, welche ich ebenfalls als verschieden ansprechen muss und welche hier hauptsächlich besprochen werden sollen. Um zunächst eine durchgreifende Trennung vorzu- nehmen, achte man auf die Dimensionsverhältnisse der Kie- ferfühler. Es kommen zwei sehr deutlich von einander ge- schiedene Formen von Kieferfühlern vor, bei der einen ver- jüngen sie sich nach vorn ganz bedeutend, so dass die Zange nur als ein durchaus winziges Organ erscheint und kaum den zehnten Theil der Länge des ersten Kiefertaster- gliedes beträgt; bei der andern Form ist die Verjüngung kaum bemerkbar, die Zange ist breit und mächtig ent- wickelt und beträgt reichlich den vierten Theil der Länge des ersten Kiefertastergliedes. Mit dieser geringen Zu- spitzung des Kiefertasters geht überhaupt eine nur gering entwickelte Schnabelbildung Hand in Hand, so dass man Bdelliden mit lang zugespitztem Schnabel und solche mit kurzem dicken Schnabei zu unterscheiden im Stande ist. Diese letztere Gruppe wird nur durch eine einzige meiner Arten gebildet. I. Bdella-Arten, deren Kiefertaster breit und kurz sind, mit grosser sehr kräftiger Zange. Einzige bis jetzt von mir gefundene Art: 442 1. Bdella erassirostris. nov. sp. Tafel IV, Fiese. 7. Es ist mir nur möglich die Beschreibung des Kopf- mundstücks zu liefern, da der Rumpf des seltenen Thieres bei der Präparation verloren ging. Diese Beschreibung möge sich an die Zeichnung mit wenig Worten anschliessen. Die Kiefertaster sind der der später zu beschreibenden Bd. arenaria sehr ähnlich. Das Endglied trägt zwei sehr lange Endborsten, zwischen welchen eine sehr kurze steht. Auf der Seite der längsten Endborste finden wir eine kurze Randborste, auf der andern Seite noch zwei. Die Glieder, von denen die beiden mittleren die kürzesten, das erste das längste ist, sind sehr deutlich quergeringelt. Aus der Figur des Kieferfühlers werden die Dimensionsverhältnisse des ersten Gliedes und der Zange deutlich entnommen wer- den können. Auf dem Rücken des ersten Gliedes finden sich zwei abstehende Haarborsten. Il. Bdella- Arten mit nach vorn stark verschmilenen Kiefertastern. Zur Unterscheidung der hierhergehörigen Arten muss die Behaarung. der Aussenseite des ersten Kieferfühlerglie- des und das Grössenverhältniss der Glieder der Kiefertaster zu gleicher Zeit in Rücksicht gezogen werden, nur 80 vermag ich eine Trennung der Arten zu ermöglichen, die offenbar schon für den blossen allgemeinen Eindruck bestehen, für welche es aber ungemein schwierig ist, einen präcisen in druck zu finden. Die Behaarung der Aussenfläche des ersten Kieferfühler- gliedes besteht nach meinen Beobachtungen entweder aus einer einzigen sehr langen in der vorderen Hälfte des Gliedes befindlichen Borste (Bd. longirostris) oder in einer grossen Menge über die ganze Fläche des Gliedes hin, ver- streuter ansehnlicher Borsten (Bd. villosa), oder endlich aus einem Paar ansehnlicher Borsten, welche hintereinander auf der Fläche des Glieder steben. Hierdurch ist, wie es bei den verhältnissmässig wenigen der Beobachtung zu- gänglichen Arten, die selbstverständlich nur im vollständig erwachsenen Zustande beobachtet wurden, sich ergiebt, ein 445 einfaches Eintheilungsprineip gewonnen, jedoch fürchte ich, dass bei einer grösseren Anzahl von Arten sich noch andere Fälle einstellen werden. Jedenfalls wird es aber hierdurch möglich werden, künftig sich zu vergewissern, in wie weit eine neue Beobachtung sich an die alten Beobachtungen anschliessen kann. Ich gebe ausdrücklich, um nicht fremden Beurtheilern zu missliebiger Kritik eine auch nur schein- bare Handhabe zu bieten, diese Systematik nur als einen Vorversuch, die Aufmerksamkeit auf die Bdellidenzu lenken. Zu der Gruppe mit zwei ansehnlichen Haarborsten auf der Aussenfläche des ersten Kieferfühlergliedes gehören die mei- sten Bdella-Arten. Damit diese beiden Borsten genau erkannt werden, dürfen nicht kleinere an dem Rande der Gliedfläche stehende Börstchen, wie man sie bei einigen Arten findet, als auf der Fläche stehend angesehen werden. a) Bdella-Arten mit einer Borste auf der Kieferfühlerfläche. 2. Bdella longirostris aut. Tafel III, Fig. 8 a. b. Diese grösseste und am häufigsten beobachtete, überall als Repräsentant der Gattung Bdella aufgeführte Milbe besitzt einen sehr stark vorgezogenen Schnabel. Die Länge der Kieferfühler zu ihrer grössten Breite am Grunde ist wie 47:10, zur Breite an der Zange wie 47:2, zur Länge des zweiten Gliedes (zur Zange) wie 47:4, die Zange ist also etwa gleich einem Zwölftel der ganzen Kieferfühlerlänge. Die einzige sehr ansehnliche Borste befindet sich in der vorderen Hälfte der Kieferfühlerfläche. Die Kiefertaster sind fünfgliedrig wie bei allen Bdella-Arten, und tragen die charakteristischen zwei starken Endborsten am letzten Gliede. Das Längenverhältniss der vier letzten Tasterglieder ist wie 30:5:5:28. Da die Milbe durch die einzige Haar- borste auf den Kieferfühlern so gut wie vollständig gekenn- zeichnet ist, so ist es nicht wesentlich von der Behaarung der Kiefertaster Ausführliches zu erwähnen. Doch mag für spätere Beobachter mitgetheilt werden, dass sich auf dem dritten Gliede nur eine Borste, auf dem vierten deren vier finden. Diese beiden Glieder sind die zwei kurzen, dt welche bei allen Bdellaarten auffallend an Längehinter dem zweiten und letzten Gliede zurückbleiben. Am zweiten Gliede findet sich eine ansehnliche Anzahl Borsten, die ich nicht für constant halte, ebenso auch.am letzten. An dem vornehmlich der Beobachtung zu Grunde liegenden Fühler sind an ersterem bis 15, an letzterem ebenfalls 15 vorhanden. Die längste der beiden Endborsten verhält sich zur Länge der letzten Glie- der wie 25:28, die kürzern wie 15:28. Die Länge der übrigen Borsten ist kaum !/,; der der längsten. b) Bdella-Arten mit zwei Borsten auf der Kieferfühlerfläche 3. Bdella lapidaria nov. sp. Tafel IV, Fig. 9, a, b. Die Länge der Kieferfühler zur grössten Breite ist wie 35:9, zur Breite an der Zange 35:2, zur Länge des zwei- ten Fühlergliedes (zur Zange) wie 35:3. Die zwei Borsten auf der Fläche des ersten Gliedes sind sehr ansehnlich, namentlich ist die Länge der vorderen bedeutend und er- reicht den dritten Theil des ganzen Gliedes. Die vordere steht etwas vor der Mitte nach vorn zu, die hintere im ersten Viertel (vom Grunde der Fühler ab gerechnet). Die Kieferntaster sind fünfgliedrig, das Längenverhältniss der vier letzten Glieder ist vom zweiten ab gerechnet wie 19:4:5:16 bei einer Breite von 4. Es sind also die mitt- leren Glieder bedeutend grösser im Vergleich zu den andern als wie bei Bdella longirostris. Auf dem zweiten Gliede sind 5 Borsten, und zwar 4 nach der Innenseite, 1 nach der Aussenseite; auf dem dritten Gliede ist 1 Borste, auf dem vierten sind 3, auf dem fünften Gliede 9. Von den zwei Endborsten ist die längste etwas länger als das fünfte Glied, die kürzere nur ganz wenig kürzer als dasselbe. 4. Bdella arenaria nov. sp. Tafel IV, Fig. 10 a. b. Die Länge der Kieferfühler verhält sich zur grössesten Breite am Grunde wie 35:11, zur Breite an der Zange wie 85:2 zur Länge der Zange wie 35:3. Es ist eine sehr kurze und breite Form der Kieferfühlerbildung vor- 445 handen. Das zweite Kieferfühlerglied ist aber auch hier kaum ein Zwölftel von der Länge des ganzen Fühlers, die zwei ansehnlichen Borsten sind wie bei der vorigen Art aufgestellt. Bei den fünfgliedrigen Kiefertastern ist das Längenverhältniss der vier letzten Glieder wie 35:6: 6:20 bei einer Breite von 6. Die Glieder selbst zeigen charak- teristische Bildungen. So ist das vierte sehr schmal, wo- gegen sich das fünfte nach vorn stark verbreitert, so dass es keulenförmig erscheint. Von den zwei längern Endbor- sten ist die längere zum fünften Gliede wie 55:35, die kürzere wie 48:35, beide Borsten sind also ganz bedeutend verlängert und überragen das letzte Glied nicht unerheblich an Länge. Am fünften Gliede sitzen auf der Seite der längeren Endborste am Seitenrande nach vorn zu noch 2 Borsten und in der Mitte der Fläche des Gliedes noch eine kurze, auf dem zur kürzeren Endborste gehörigen Seiten- rande ebenfalls eine sehr kurze, so dass 6 Borsten am fünf- ten Gliede beobachtet werden. Die Borsten an den übri- sen Gliedern sind sehr fein und nicht leicht zu schätzen. Am dritten Gliede findet sich ebenfalls nur eine einzige, am zweiten Gliede zählt man bis 10. 5. Bdella silvatica nov. sp. Tafel IV, Fig. 11 a, b. Eine lange schmale Form. Die Länge der Kieferfühler verhält sich zur grössesten Breite wie 30:4, zur Breite am vorderen Ende wie 30:2, zur Länge der Zange wie 30:3. Es ist also das ganze Organ ausserordentlich in die Länge gezogen und demgemäss auch der Schnabel. Ebenso sind die Kiefertaster lang und schmal. Das Längenverhältniss der vier letzten Glieder ist dabei ein von dem gewöhn- lichen abweichendes, indem das vierte Glied auffallend ge- streckt erscheint. Es verhalten sich die Gliedlängen wie 20:3:5:12 bei einer’ verhältnissmässigen Breite von 2. Die Behaarung an den sehr deutlich geringelten Gliedern der Kiefertaster ist sehr spärlich; so. finden sich am letzten Gliede nur 4 Borsten, nämlich ausser den zwei charakteristi- schen Endborsten, von denen die längere eine verhältniss- 446 mässige Länge von 22, die kürzere von 16 hat, nur noch zwei am Seitenrande der längeren Borste. Das vierte und zweite Glied haben je zwei Borsten und das dritte nur eine. Die zwei Borsten auf der Aussenfläche der Kiefer- fühler stehen anders als bei den bisher beschriebenen Ar- ten, indem die vordere der Spitze sehr nahe gerückt ist, während die hintere etwa in der Mitte der Fläche sich befindet. ce) Bdella- Arten mit zahlreichen Borsten auf der Kiefer- fühlerfläche. 6. Bella capillata nov. sp. Tafel III, Fig. 12. Die Länge der Kieferfühler verhält sich zur grössten Breite am Grunde wie 37:8, zur Breite an der Zange wie 37:2, zur Länge der Zange wie 37:4. Auf der äusseren Fläche derselben sind reichlich Borsten aufgestellt und zwar gegen die Spitze zu ebenso dicht wie gegen die Basis. Es erhält dadurch diese Fläche ein sehr charakteristisches Aussehen. Hierzu kommt die ebenfalls leicht erkennbare Bildung der Kiefertaster. Das Längenverhältniss der vier letzten Glieder ist wie 30:4:7:29, bei einer verhältniss- mässigen Breite von 4 am zweiten Gliede. Es ist also das Organ bedeutend schlanker als bei der vorigen Art und durch die Behaarung ganz verschieden. Am letzten Gliede treten die beiden Endborsten sehr deutlich hervor, weil sonst kaum Borsten vorhanden sind, an den Seitenflächen sind nämlich nur 6 kurze Borsten vertheilt. Die Endborsten er- reichen etwa die halbe Länge des Endgliedes. Das zweite Glied trägt 6—7 ganz kurze, weit von einander gestellte Borsten, dass dritte Glied eine und das vierte Glied vier. 8) Die Eupodiden. Tafel IV, Fig. 13—15. In meinen Grundzügen zur Systematik der Milben hatte ich für einige Unterfamilien, die ich doch nicht ganz uner- wähnt lassen durfte, mich mehr an die Vorarbeit von Duges gehalten, als es für die übrigen zu geschehen brauchte. Es waren dies die beiden Unterfamilien der Pachygnathidae _ und Megameridae. Zu der letzteren Unterfamilie glaubte ich 447 damals noch die von Koch unter die Gattung Eupodes ge- stellten Milben nehmen zu müssen, da die Koch’sehen Ab- bildungen und Beschreibungen nichts gegen die für die Megameriden aufgestellte Charateristik enthielten, und ich die Gattung Eupodes so lange als möglich erhalten . musste. Fortgesetzte Beobachtungen lassen es nun als ge- rechtfertigt erscheinen, für die Mitglieder der Gattung Eu- podes entweder eine besondere Unterfamilie zu gründen, die ich die Eupodidae nennen müsste, oder aus der Familien- charakteristik der Megameridae die besondere Gestaltung der Kiefertaster herauszulassen. Das letztere ist nicht zu- lässig, sonst würde es nicht möglich sein, für den Stand- punkt, den augenblicklich erst die Kenntniss der Milben er- reicht hat, Mitglieder der Unterfamilien der Pachygnathidae, Megameridae und Bdellidae schnell und sicher zu charak- terisiren; das aber muss unter allen Umständen möglich sein. Es bleibt also kaum etwas anderes übrig als die Gattung Eupodes selbstständig zu machen. Nun ver- hehle ich mir allerdings nicht, dass es nur ein Nothbehelf ist, wenn für eine einzige Gattung eine besondere Unterfamilie angesetzt wird, und ich würde es gern durchgeführt sehen, dass die Zahl der von mir aufgestellten Unterfamilien ge- ringer würde, indem zum Beispiel die klauenförmigen Kie- ferfühler nicht so streng den scheerenförmigen gegenüber- gestellt würden, da sie ja doch zwei wenn auch meist äusser- lich sehr streng von einander getrennte Formen einer und derselben Kieferfühlerbildung sind. Indessen würde das, so viel ich sehe, doch nur zu sehr zusammengewürfelten grösseren Abtheilungen führen, denn es will mir noch im- mer nicht anders vorkommen als früher, wo ich die Ansicht aussprach, dass die Familie der Milben aus einer über- raschend grossen Anzahl von Gattungen besteht, zwischen welchen die Beziehungen zum grossen Theil völlig ver- schwunden sind. Es sind ganz ungemein verschiedene Ge- schöpfe auf die einzelnen Gattungen vertheilt, wenn es ja allerdings auch wieder manche Gattungen giebt, die wie z.B. die der Unterfamilie Hygrobatidae oder Acaridae sen». str. gemeinsame Merkmale genug besitzen. . Die augenblicklich in Rede stehenden Milben, die ich 448 als zu der neuen Unterfamilie der Eupodidae gehörig an- sehen würde, haben dasgemeinsam, dass sie ungemein schnell- füssig sind und eine grosse Zartheit des Körperbaues be- sitzen, so dass sie ähnlich wie die Tydiden kaum unlädirt auf den Objektträger gebracht werden können. 'Sie sind daher schwer zu studiren und eine gewisse Scheu hielt auch mich bis jetzt davon zurück sie etwas genauer anzusehen. Es ist auch der Inhalt der nachfolgenden Skizze nicht dazu angethan, eine abschliessende Kenntniss ihrer äusseren Be- schaffenheit zu geben, sondern andere Milbenfreunde auf sie aufmerksam zu machen, um weiteres Licht über ihre Organisation. zu verbreiten. Veranlasst dazu war ich durch einige Eupodidae, die unter den von der Vega-Expedition stammenden Milben sich befanden und für welche die Stell- ung im System aufgefunden werden musste. Charakteristik der Unterfamilie der Eupodidae. Milben ohne Augen (soweit bis jetzt beobachtet wurde), Kiefertaster viergliedrig, regelmässig gebaut, Kieferfühler Scheerenförmig. Zwei dicht nebeneinanderstehende Luft- löcher am Grunde der Kieferfühler. Hiernach gehört die Unterfamilie der Eupodidae zu den Acarina tracheata und zu der Familie der Prostigmatia. Bei den hierher zu reehnenden Milben machen sich ver- schiedene Formen geltend, welche am sichersten durch die Kiefertaster unterschieden werden können. Bei der einen sind die Endglieder derselben gross, oval und mit langen Haarborsten besetzt, während das vorletzte Glied oft kaum den dritten oder vierten Theil der für das letzte geltenden Dimensionen bietet. Die so gekennzeichneten Milben be- sitzen einen sehr stark oder doch wenigstens deutlich und kräftig entwickelten Scheerenapparat (Fig. 13, 14). Die anderen Milben führen einen schwachen Scheerenapparat, - welcher gegen die starke Entwiekelung des ersten Kiefer- fühlergliedes sehr zurücktritt, und haben ein kleines nur mit kurzen Borsten besetztes, vorn etwas zugespitztes viertes Kiefertasterglied, welches von dem vorletzten an Länge be- deutend überboten wird. 449 Für die beiden Abtheilungen nehme ich zwei Gattungs- namen von Koch auf, weil ich aus den von ihm gegebenen Abbildungen vermuthen kann, dass er die von mir gesehe- nen Thierchen dadurch hat bezeichnen wollen. Es sind dies die Gattungen Scyphius und Eupodes. Zu diesen beiden bin ich nur nach manchem Schwanken — ich habe sie eine Zeit lang zu den Bdelliden gezählt — geneigt noch Linopodes zu ziehen, so dassich die Unterfamilie der Eupodidae aus 3 Gattungen bestehen lasse. Koch hatte noch Bryobia und Tydeus dazu genommen, doch gehört Bryobia auf dasallerengste zuTetranychusund istvon mirsehon seit einiger Zeit mit dieser Gattung zu der sehr natürlichen Un- terfamilie der Tetranychidae gezogen, während Tydeus sich durch die Mundtheile doch so wesentlich — nach den bis- her wenigstens von mir festgehaltenen Grundsätzen — von den drei anderen Gattungen unterscheidet, dass ich eine eigene Unterabtheilung aus diesem winzigen Thierchen ge- macht habe. Tabelle zur Bestimmung der Eupodidae. 1) Mit sehr stark verlängerten ersten Füssen . Linopodes Die Füsse des ersten Paaresnicht auffallend verlängert . . .2 2) Das vierte Kiefertasterglied viel grösser als das dritte und mit grossen starken Borsten bestanden. Scheeren- apparat (meist) mächtig entwickelt, Schenkel des vierten Fusspaares nicht verdickt . . . . ... Seyphius. Das vierte Kiefertasterglied viel Kemer us das dritte und nur mit kleinen (gekrümmten) Borsten besetzt. Scheeren- apparat schwach ausgebildet. Schenkel des vierten Fuss- Baszesswerdickt 2 oc. 0. wenn 222.9 2 Kupades Die Gattung Seyphius Koch. Die hierher gehörigen Thiere sind lichtscheu, ungemein schnell und farblos. Sie bieten für die Unterscheidung nur sehr geringe Handhaben, besitzen aber doch in der Be- haarung der Füsse, wie es scheint, abgesehen von dem gan- zen Habitus, Merkmale, welche zu einer Klassifieirung ge- Zeitschr. £. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV, 1881. 30 450 eignet sein können; auch wird die Formation der Kiefer- fühler, sowie die Behaarung und ganze Gestalt der Kiefer- taster, dabei mit herangezogen werden müssen. Wenn irgendwo, so kommt es bei der vorliegenden Unterfamilie auf eontrollirbare Zeichnungen an und es wird sich daher zu- nächst bei einer ersten Durchmusterung dieser zarten Thier- chen, deren vollständige Naturgeschichte noch jahrelange Beobachtung wird nöthig machen, hauptsächlich um eine Beschreibung einzelner solcher Abbildungen handeln. 1) Seyphius terricola, Koch. Taf. IV, Fig. 14, Auf die Gefahr hin, diese Koch’sche Art nicht ganz richtig benutzt zu.haben, nehme ich doch den Namen auf, und ich will damit die schnelle weissliche Milbe bezeich- nen, welcher man häufig unter Steinen in lockerer Erde begegnet und welche wegen ihrer so grossen Zartheit meist nieht unlädirt auf den Objektträger gelangt. Die Abbild- ung der Kiefertaster, Kieferfühler und Unterlippe zeigt be- deutende Abweichungen von anderen Arten. Die Scheere ist nicht plötzlich abgesetzt und das letzte Glied der Kiefertaster eiförmig. Grösse des Tbieres bis 2 mm.‘ Die Gattung Eupodes, Koch. Taf. IV, Fig. 15. Die Mitglieder dieser Gattung sind ebenfalls ungemein schnell und fliehen helles Licht. Sie sind ebenso zart wie die Seyphius- Arten und haben ausserdem die für die Be- obachtung lästige Eigenschaft, dass sie von den meisten Flüssigkeiten nicht benetzt werden. Für die Unterscheidung der Arten ist fast noch weniger Anhalt vorhanden, als bei der Gattung Scyphius und ich muss deshalb hier, wo ich zum ersten Male der Gattung gedenke, noch karger mit Mittheilungen sein. Ein Gattungsmerkmal scheinen mir die aufgetriebenen Schenkel am vierten Fusspaare zu sein. Die Kiefertaster werden nach unten gebogen getragen und sind in steter vibrirender Bewegung. Die Kieferfühler endigen scheerenförmig, sind schlank und schwach und namentlich ist die Scheere nur klein und schwach entwickelt. Ein aö1l : Tracheensystem ist deutlich vorhanden und führt zu einem Luftlöcherpaare, welches sich an der Basis der Kiefernfühler befindet. Die Milben sind oftlebhaft roth und schwarz ge- färbt, doch ändert sich die Färbung auch mit der Nahrung, so dass es nicht mehr gelingen wird, die 26 Arten von Koch wieder zu erkennen. Auch wird sich die von ihm vorge- sehlagene Unterscheidung mittelst der Schulterborsten und Hinterrandsborsten nicht wieder aufnehmen lassen, da er selbst keine strengen Unterscheidungsgrundsätze dabei fest- gehalten hat. Ich unterlasse es augenblicklich für die vorliegende Gattung einzelne Arten aufzuführen. Es ist auch nur, durch den Zusammenhang mit einer der vorigen Gattung zuzu- sprechendenjapanischen Milbe bedingt, hieran dieser Stellevon den noch wenig gekannten und doch so sehr häufigen Mil- ben aus der Unterabtheilung der Eupodiden die Rede ge- wesen, damit aber die sehr charakteristische Mundform für künftige Beobachtungen Vergleichungspunkt abgeben kann, ist eine Abbildung derselben in Fig. 15 aufgenommen. Sie stellt Kiefertaster, Kieferfühler und Unterlippe der unge- mein häufigen Eupodes-Art, die unter Steinen bei uns lebt, deren Art-Namen zu fixiren die Aufgabe künftiger Be- obachtungen werden muss, da es nicht leicht ist, die vielen Arten von Koch auf die wirklich vorhandenen Thiere zu vertheilen. Erklärung der Figuren. Tafel IH. Fig. 1. Saugnäpfe von Dermaleichus stylifer. Fig. 2. Embryo von Cheyletus eruditus nach Anlage der Glieder, von der Seite. Fig. 3 u. 4. Embryo von Ch. er. mit bereits entwickelter zweiter Ei- haut. Deutovum-Stadium in der alten Eihaut. . Fig. 5. Gliedmassen des Embryo von Cheyl. erud. kurz nach dem Ab- werfen der ersten Eihaut. Fig. 6 u. 7. Der Stechapparat auf der zweiten Eihaut. Fig. 6 von vorn, Fig. 7 von oben. Fig. 8. Gamasus echinatus von oben. Fig. 9. Taster von Seirus taurus. 30* Fig, Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig, Fig. Fig. Fig. 452 Ä a. 10. Fussende von demselben. E | 5 11. Ei von demselben. Tafel IV. 1. Erster Fuss von Glyeiphagus ornatus. Männchen. 2. Weibehen von Gl. ornatus von oben her. 3. Seitenöffnung nebst Schutzhaar. 4. Männchen von Axona versicolor von der Seite betrachtet. 5. Dasselbe von unten. _ 6. Das vierte Glied des vierten Fusses mit seinen Anhängen. 1. Kieferfühler (Mandibeln) von Bdella crassirostris. 8. Kieferfühler 8a und Kiefertaster 8b von Bdella longirostris. 3) 2 Sen > 9: „ lapidaria. 10. = 1925 r 106%: „ arenaria. 11. 5 4439, 2 ED. „ Silvatica. 12. > von Bd. capillata. 13. Kieferfühler von einem noch nicht beschriebenen Sceyphius (Se. hamatus). 14. Kieferfühler und Taster von Scyphius terricola. 15. Mundorgane von Eupodes. 1831. Correspondenzblatt III. des Naturwissenschaftlichen Vereines für die Provinz Sachsen und Thüringen Halle. Sitzung am 5. Mai. 20 Mitglieder sind anwesend. Als neue Mitglieder werden proklamirt: Herr Buchhändler Stricker und Herr Apotheker Runde. Herr Gymnasiallehrer Dr. Ludwig theilt im Anschluss an Giebels Bericht über Gammarus puteanus mit, dass derselbe in Greiz im Brunnen von Grimms Restaurant auch vorkomme. Am 3. Juli soll eine eintägige Versammlung in Bitterfeld abgehalten werden. Sodann macht Herr Prof. E. Taschenberg eine kleine Mittheilung über Spilographa alternata (Bohrfliege). Herr Dr. Herzfeld legt alsdann zur Besichtigung ein polirtes Steinbeil von Ragatz vor. Zum Schluss giebt der Vorsitzende Herr Prof. v. Fritsch Mittheilungen über das Vorkommen des Röth in der Nähe von Halle und über eine neue Pleurotomaria. Sitzung am 12. Mai. Anwesend 17 Mitglieder. Herr Prof. Schmidt berichtet, in Anschluss an seine früheren Mittheilungen über die vermeintliche Synthese des Methylconiins ven Michaelund Gundelach, die Untersuchungen von A. W. Hofmann über das Coniin. Nach den Beobach- > Ä a tungen letzteren Forschers kommt dem Coniin nicht, wie bisher allgemein angenommen, die Formel CSH!°N, sondern C®H!’N zu. Die von Michael und Gundelach auf künstlichem Wege. dargestellte und als Methylconiin angesprochene Basis OSH1!CH3N kann somit nicht mit dem wirklichen Methyleoniin CSH16CH>N identisch sein, wie jene Forscher glaubten annehmen zu dürfen. Vortragender berichtet ferner über die Untersuchungen von Seubert, nach denen das Atomgewicht des Platins nicht, wie bisher angenommen, 197,5, sondern nur 194,46 beträgt. Herr Geheimer Bergrath Dunker besprach das, was gegen seine im Jahrgange 1875 dieser Zeitschrift erschienene Abhand- lung: „Ueber den Einfluss der Rotation der Erde auf den Lauf der Flüsse“ im Bulletin de l’acad&mie imperiale des sciences de St. Petersbourg 1876 von K. E. v. Baer angeführt worden ist. Näheres hierüber bleibt einer Abhandlung vorbehalten. Herr Dr. Teuchert erörtert das Arrangement der hiesigen Ausstellung und. weist auf die vielen Sehenswürdigkeiten hin, welche die 21 Ausstellungsgruppen dem Besucher bieten werden. A. Petry berichtet über eine mehrtägige Excursion, die er im Auftrage des Herrn Prof. v. Fritsch nach Nordhausen unter- nahm. Es handelte sich um die fossilen Reste irgend eines grossen Thieres, die einer Zeitungsnachricht zufolge am Kohnstein bei Nordhausen aufgefunden sein sollten. Jene Notiz erwies sich in der That als richtig. Die am Kohnstein gefundenen Knochen waren in den Besitz des Nordhäuser naturw. Vereins übergegangen und war es durch das freundliche Entgegenkommen der Herren Mitglieder jenes Vereins ermöglicht, einige derselben an das mineralogische Institut zu überliefern; sie wurden von Herrn Prof. v. Fritsch als dem Rhinoceros tichorhinus angehörig erkannt. Es wurde unter Führung des Herrn Be»thorn bei starker Betheiligung der Nordhäuser Vereins-Mitglieder eine Excursion an den speziellen Fundort unternommen, die aber trotz ange- strengtester Thätigkeit aller Theilnehmer leider nicht viel brauch- bares Material lieferte. Die Knochen waren eingebettet in eine lehmartige Masse, die stark von verwittertem Dolomit sowie einzelnen derben Stücken desselben durchsetzt, einen grossen Theil des Südabhanges vom Kohnstein überdeckt. Es ist daher leicht möglich, dass, sei es durch einen glücklichen Zufall oder aber durch eine sehr gründliche und genaue Durchforschung jener Lehmschicht noch weitere Lagerstätten fossiler Knochen in jener Gegend aufgefunden werden können. Sitzung am 19. Mai. Anwesend sind 12 Mitglieder. In Abwesenheit der derzeitigen Vorsitzenden übernimmt Herr Prof. Schmidt den Vorsitz. 455 Herr Bosetti spricht sodann über die Natur der chemischen Elemente, und Herr Meyer macht Bemerkungen über Illitium annisatum und dessen Fälschung als Handelsartikel durch Ill. religiosum. Vor einiger Zeit tauchte das Gerücht von der ausgiebigsten Verfälschung des offieinellen Sternanises, Früchte von Illierum anisatum, mit den Früchten des verwandten Illieium religiosum auf. Hierdurch wurde der Vortragende veranlasst, stichhaltige makros- kopische und mikroskopische Unterscheidungsmerkmale zu suchen, welche derselbe auch an beiden Früchten in reichlicher Menge fand und die im Folgenden wiedergegeben werden sollen. Es fehlen in der Fachliteratur zuverlässige Angaben über diesen Gegenstand. Das von Hager angegebene Unterscheidungsmerkmal, ein stärker aufwärts gebogener Schnabel, ist nicht stichhaltig. Die Magnoliaceae, zu denen Illieium anisatum und religiosum ge- hören, sind eine Familie, deren Repräsentanten hauptsächlich in Nordamerika und Asien heimisch sind. Es bilden die Magnolia- ceae mit den bei uns heimischen Ranuneulaceae und Berberideae neben einigen anderen Familien die Gruppe der Polycarpeae. Ilieium anisatum ist ein kleiner, strauchartiger Baum, der für die Vegetation von Cochinchina, Tong-king und Jün-nan charakteristisch ist, seiner Früchte wegen aber auch in anderen Theilen Hinterindiens, Chinas, in Japan und auf den Philippinen angebaut wird. Derselbe hat abwechselnd stehende, immergrüne, lederartige, lineale Blätter; die Blüthe einen achtblätterigen Kelch, achtblätterige hellviolette Blumenkrone, zahlreiche Staub- fäden mit verbreiterten, weissen Filamenten und ein aus acht, oder auch mehr Carpellen bestehendes Gynaeceum. Jedes Carpell trägt eine amphytrope Samenknospe. Aus diesem oberständigen Fruchtknoten bilden sich jene wohlbekannten, sternartig angeordneten, einsamigen Balgkapseln aus, welche als Sternanis in den Handel kommen. Jede einzelne Frucht ist mit der, dem Schnabel gegenüber- stehenden, senkrechten Seite an die 6mm hohe Mittelsäule an- geheftet, hat eine Länge von 1,5 cm, eine Höhe von 6—8 mm und tiefnachenförmige Gestalt. Die obere, sog. Bauchseite ist mehr oder weniger gebogen, die runzelige untere, sog. Rücken- seite steigt bogig auf und endet in einen kurzen, aufwärtsge- bogenen Sehnabel. Die Seitenflächen sind glatt, die ganze äussere Fruchtschale von mattbrauner Farbe. Bei der Reife springt . die Bauehnaht zu einem 3—4 mm breiten Längsriss auf, welcher den Anblick des kastanienbraunen, glänzenden Samens und des oberen Theiles der bhraunglänzenden, inneren Fruchtschale gewährt. Der Same ist von der Fläche oval, von beiden Seiten zu- sammengedrückt. Von der leicht zerbrechlichen Samenschale 456 wird ein ölhaltiges Endosperm mit einem kleinen, graden Embryo eingeschlossen. Die lösenden, blähungstreibenden, gesehmacks- corrigirenden Wirkungen dieses unschuldigen Mediecamentes sind wohl einzig dem Gehalte an ätherischem Oel zuzuschreiben, welches sich in der äusseren Fruchtschale zn 5°/,, im Samen zu 1,5 °/, befindet. Andere Bestandtheile sind Harz, Zucker, fettes Oel; erstere hauptsächlich in der Fruchtwand, letzteres im Endosperm des Samens. Dieser Gehalt an aetherischem Oel und Zucker verleiht der Frucht einen angenehm aromatischen, anisartigen Geruch und einen aromatisch süssen Geschmack, Das mikroskopische Bild eines Fruchtwandquerschnittes zeigt den äussern Theil derselben bestehend aus weiten, parenchymatischen Zellen mit verbogenen braunen Wänden, die eine ölisharzige Masse einschliessen. Nahe der inneren Grenze der Fruchtschale liegen, in Form eines Halbkreises, ein mittlerer, stärkerer und zu jeder Seite zwei bis drei schwächere Fibrovasalstränge. Die innere Fruchtschale wird aus einer Lage langer, palisadenartiger, senkrecht auf der äusseren Fruchtschale stehender Steinzellen gebildet, deren einzelne Zellen starke, reichlich von Porenkanälen durchbrochene, braungefärbte Wände haben. Während die Länge der Steinzellen durchschnittlich 0,475—0,505 mm beträgt, ist ihre Breite im Mittel 0,027—0,031 mm. Das Lumen ist 0,020—0,022 mm, die Wand 0,007—0,009 mm stark. Illieium religiosum ist ein dem Illie. anisatum ganz ähnlicher, in Japan heimischer Baum, dessen Früchte in letzter Zeit den Londoner Markt in grosser Menge überschwemmten. Dort wurden sie der ächten Waare beigemischt und konnten ober- flächlichen pharmakognostischen Augen als ächte Früchte sub- stituirt werden, denn eine einigermassen genaue Betrachtung lässt diese Fälschung nicht zu. Es unterscheiden sich die falschen von den ächten Früchten leicht durch die geringere Grösse. Die Länge jedes Carpelles beträgt circa 1 cm, ihre Höhe höch- stens 6mm, die Weite des Risses der Bauchnaht 5mm. Ein vielmehr runzeliges Aussehen der äusseren Fruchtschale, ihre ge- ringere Dicke, die hellbraune Farbe, der kürzere, weniger platt- gedrückte Same, der vielmehr aus dem Risse hervorsteht und eine hellbraune, fast gelbe Farbe hat, ferner die glänzende, lederfarbene innere Fruchtschale erinnern wenig an die ächten Sternanisfrüchte.e. Unangenehmer, terpentinartig kratzender Ge- schmack und fast gänzliche Geruchlosigkeit sind diesen übrigens giftigen Früchten gegenüber den ächten eigen. Ein Querschnitt zeigt dem Auge eine dünnere äussere Fruchtschale von borkiger Beschaffenheit, die von der ächten Waare, deren Querschnitt wachsartiges Aussehen zeigt, sehr verschieden ist. Die Steinzell- schicht ist hier schmaler und heller von Farbe als bei Illieium anis. Unter dem Mikroskop bietet ein Querschnitt dem Auge engere Zellen mit helleren Wänden und ohne harzigen Inhalt 457 dar. Nur ein starker, in der Rückenkante verlaufender Fibro- vasalstrang durchzieht das Parenehym der Fruchtschale. Die Steinzellen sind kürzer, 0,310—0,350 mm hoch, dünn und hell- wandiger, von einer geringeren Anzahl von Porenkanälen durch- brochen. Ihre Lumina sind weiter als dies bei den Steinzellen von Illie. anis. der Fall ist. Der Querdurchmesser beträgt 0,032 bis 0,038 mm, die Stärke der Wand 0,006—0,007 mm. Vortragender ist überzeugt, dass es, an der Hand dieser Merkmale, selbst dem sachunkundigen Auge leicht sein wird, falsche Früchte von ächten zu unterscheiden. Zum Schluss spricht Herr Privatdocent Dr. Baumert über die Methoden der Bestimmung des Lupinins in den Lupinen. Sitzung am 2. Juni. Anwesend 12 Mitglieder. Eingegangene Schriften: 1. Notizblatt für Erdkunde, IV. Folge, Heft 1. Darmstadt 1880. 2. Atti della Accademia dei Lincei, Volume V, Fasc. 10—12. Roma 1881. 3. Monatsbericht der Berliner Academie — Januar 1881 — Berlin. 4. Zeitschrift der deutsch. geolog. Gesellschaft, Band XXXII, Heft 4 1880, Berlin 1881. 5. Versuchs-Station, Nobbe, Berlin 1881. 6. Mittheilungen der geographischen Gesellsch. in Wien 1880, XXIN. Band. 7. Verhandl. Physikal. Mediein. Gesellschaft in Würzburg, XV. Band, 3—4. Heft, 1831. 8. Zoologischer Garten. Dr. Noll. XXII. Jahrgang, Nr. 2, Frankfurt a. M. 1881. 9. Annales de la Societe Entomologique, Bruxelles, Tome 23, 1880. 10. Verhandl. der zoologisch-botanischen Gesellschaft, Wien, Band XXX, Jahrgang 1880. Wien 1831. 11. Jahrbuch der geologisch. Reichsanstalt Wien, Jahrgang 1881, Band 31, Januar - März. Da der Vorsitzende durch Krankheit verhindert ist, zu er- scheinen, übernimmt Herr Pref. Schmidt den Vorsitz und trägt über in der Natur im Fluorit von Wölsendorf vorkommendes freies. Fluor vor; Herr Assistent Bosetti spricht sodann über ein Mittel gegen Kesselstein. Zum Schluss lenkt der Schriftführer Herr Dr. Luedecke die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf die. 458 in der Ausstellung vom hiesigen königlichen Oberbergamt aus- gestellten und zum Theil noch nicht publieirten en Specialkarten. Sitzung am 16. Juni. Anwesend 13 Mitglieder. Einlauf: 1. M. Willkomm, Führer in’s Reich der Pflanzen, Leipzig 1881. Heft 1 und 2. O. Schmitz-Dumont, Einheit der Naturkräfte, Berlin 1881. E. Wilhelm, Der Milzbrand. — Liegnitz 1881 beiKrummbhaar. Oversigt over det K. Danske Selskabs, Kopenhagen, 1880 und 1881. 5. Rundschau in der Pharmacie ete. Leitmeritz 1881. — No..9; 10, 41,.10.93, 5 Leon C. Müller, Botanische Mikrochemie, Cassel 1881. Indiei generali dei dieci tomi della terza serie delle seienze dell’ instituts di Bologna. 1871—1879. 8. Memorie della Accademia delle scienze di Bologna, Serie IV. Tomo I. 9. Jahresbericht der Hannoverischen Gesellsch. Jahrg. 1878— 80. 10. Schriften der Danziger Naturf. Gesellschaft, Band V, Heft II. Danzig 1881. 11. Abhandlungen des naturwissensch. Vereins in Bremen, 1881, Band VI, Heft 1 und 2. 12. Verhandlungen für Natur-Heilkunde in Pressburg, Heft 4. Jahrgang 1875—80. Pressburg 1881. 13. Separatafdryk of Archiv for Mathmatik og Natur 1881. 14. Botanische Mikrochemie v. A. Paulsen, übersetzt von Carl Müller bei Th. Fischer. Herr Prof. Schmidt spricht über die in den Leichen vor- kommenden Alkaloide. Der Schriftführer Herr Dr. Tuedecke berichtet über den am 13. October 1872 in der Umgebung von Soko-Banya ge- fallenen Meteoriten. Prof. Pankwitsch!) aus Belgrad hat dem Museum in Paris ein 2 Kilogramm schweres Stück vermacht. Derselbe hat vollkommene Conglomeratstructur. Man sieht kantige, ein wenig gerundete Bruchstücke in eine aus kleinen Felsbruchstücken aufgebaute Grundmasse eingepacken. Die grössern, nur locker in der kleinkörnigen Grundmasse sitzenden, Bruchstücke haben a a er) 1) Siehe auch Nachrichten v. d. Goettinger Universität. 9. 92. Klein. 459 _ dieselbe Zusammensetzung wie der Erxlebenit, wie die Meteoriten von Eusisheim, Erxileben und Kernouve; diese Meteoriten haben bekanntlich in einer feinkörnigen Grundmasse Körner von Olivin, Niekeleisen, Magnetkies und Chromeisen; ihre Grundmasse ist theils von zerreiblicher tuffähnlicher, theils von krystallinischer Beschaffenheit, licht oder dunkel. Die aus kleinkrystallinischen Bruchstücken bestehende Grund- masse des Conglomerats identifieirt Meunier mit dem Montrezite, einer Ausbildungsweise der Meteorsteine wie sie die von Pegu Montyeau und Searsmont zeigen. Die beiden Componenten besitzen eine möglichst grosse Verschiedenheit ihrer Bildungsweise; während der Erxlebenit ein vulcanisches Produet ist der Montrezit ein durch mechanische _ Kraft zerkleinerter Fels. Was die chemische und mineralogische Zusammensetzung anlangt, so differiren beide Felsarten fast gar nicht. Durch dieses meteorische Conglomerat ist ein neuer Beweis dafür gegeben, dass andere Himmelskörper eine ähnliche Con- stitution haben wie unsre heimische Erde. Derselbe spricht sodann über eine neue Modification des Zinns. Dasselbe krystallisirt bekanntlick nach den Unter- suchungen des englischen Krystallographen Miller tetragonal; auch eine weitere Modification des sogenannten kranken Zinns oder durch Kälte umgewandelte Zinn ist durch die Unter- suchungen Rammelsbergs bekannt geworden. In neuerer Zeit hat nun C. O. Trechmann in einer Zinnschlacke rhombische Krystalle von Zinn von der Combinatiin &P&, »P», »P. P kennen gelehrt. Das Axenverhältniss ist a:b:c — 0,3874:1:0,3558; es enthält 98,7 °/, Zinn, 1,10 Eisen und Spuren von Schwefel-Arsen und Cobalt. Das speeifische Gewicht ist 6,5 und die Spaltbar- keit geht parallel »P». Die Brachydiagonale der rhombischen ist ihrer Länge nach gleich der Hauptaxe der tetragonalen. Herr Privatdocent Dr. Baumert spricht sodann über den Stickstoff in den Pflanzen und den Einfluss der stickstoffhaltigen Düngemittel auf dieselben. Weiter referirt derselbe sodann über den Wasserstoff im Steinsalz zu Stassfurt. Dr. Precht hat nachgewiesen, dass das Eisenchlorid-Chlorkalium, aus dessen Zersetzung mit H?2O der H entstehen soll, wirklich im Tachyhydrit und Boracit vorkommt. Die rothen Eisenglanzschuppchen im Carnalit sollen ebenfalls von der Zersetzung des Eisenchlorür-Chlorkalium durch Wasser herrühren. Hiergegen macht Herr Prof. v. Fritsch geltend, dass dagegen die feine mikroskopische Vertheilung der kleinen Schuppehen durch die gesammte .Carnallitmasse spreche. Zum Schluss spricht Herr Prof. v. Fritsch über die im Buntsandstein bei Zeitz auftretende Soole. VE RSSEREN AGO. Sitzung am 23. Juni. Anwesend 7 Mitglieder. In Abwesenheit des Vorsitzenden übernimmt Herr Prof. Sehmidt den Vorsitz und fordert zunächst die Anwesenden auf, sich an der am 3. Juli in Bitterfeld tagenden Versammlung des Vereins zu betheiligen. Hierauf sprieht der Schriftführer Herr Privatdocent Dr.Luedecke über die Krystallgestalt des Misy. Das Misywirdgewöhnlich zum Copiapit: 5 Fe? 8, O y 5 p1ap = 12 +36 Aq oder zum Coquimbit: Fe?S5,0,+ aq gestellt. Beide il hexa- sonal; der erstere allerdings fraglich, der zweite jedoch be- stimmt hexagonal. Schon Ulrich hat in unserer Zeitschrift II, 26 angegeben, dass die Umrisse der hexagonalen Blättehen nieht den Winkel von 120° zeigen. Neuerdings haben denn auch Bertrand (Bull. de la societe min. de France, T. IV. 11) und Des Cloizeaux (ibid. T. IV. 41) gezeigt, dass es Copiapit rhom- bisch krystallisire; er zeigt die Formen (001) . (110) . (010) 110 : 110—=102°. Die Ebene der optischen Axen ist parallel der Spaltbarkeit (010). Die negative Bisseetrix ist normal zur Basis; die Dispersion der Axen ist o<|v. 2H=113°11’ roth, stark und die Doppelbreehung sehr energisch. Der vortragende Sehriftführer hat in Clausthal Gelegenheit gehabt die Krystalle des Misy zu studiren; dasselbe ist nach Rammelsbers 8:2e253,012 EINE >0° Blättchen von zum Theil rhomboidalen, z. Th. scheinbaren hexagonalen Umriss sind. Auch hier kehrt wie beim Copiapit ein Winkel von 102—104° an vielen Krystallen wieder; jedoch zeigt sich immer, dass die Maxima der Auslösehungen nicht parallel den Umrissen sondern immer Winkel von’ 15—16° mit einer der an den Winkel von 102° anstossenden Kanten machen ; das Misy kann demgemäss nicht rhombisch sein, sondern es muss dem monoklinen oder gar dem triklinen Systeme ange- hören; für letzteres sprechen andere Blättehen, welche von 102°, beträchtlich differirende ebene Winkel und auch andere Aus- löschungen (33—35° mit einer der Kanten) zeigen. Alsdann verbreitet sich der Vortragende über den Zink- Aluminit von Laurium. Nach Damour (Bullet. d. 1. societe mineralogique de France IV. 136) hat das Mineral folgende Zusammensetzung: Theorie + 8aq; es hat sieh auch hier gezeigt, dass es SO3,,19, 94 12,48 AC?0O° — 25,48 24,12 Zu:0.. == 1384,69 38,12 HCRON—NT,8D H?O = 25,04 25,28 461 Die HU. Zahlencolumne giebt die von der Formel H36 Zn$ A16 03° erforderten Zahlen, wenn für das Kupfer Zink gesetzt wird. Die Farbe ist weiss und an einigen Stellen blau. Die Härte ist wenig geringer als die des Oaleits. Die Dichte ist 2,26. Nach den Untersuchungen von E. Bertrand sind die Formen entweder hexagonale oder rhombische. Die Krystalle sind sehr klein und es konnte daher nur mikroskopisch festgestellt werden, dass es hexagonale Täfelehen der Combination OP. »P. waren oder rhombische der Combination OP »P. »Pw. Weiter spricht der Vortragende über ein neues basisches Kupferzinksulfat mit Wasser von Laurium: Serpierit. Des- Cloizeaux beschreibt seine Formen als rhombische; es sind Combinationen von OP mit »P P und 2 Po. Das Axenver- hältniss ist a:b:c —= 1: 0,8586 : 1,364 »oP — 9842‘; P:P —= 108°%0‘ vordere Polkanten sind P:P Mittelkanten 128056. Die negative Bisseetrix ist parallel c; die Dispersion der Axen ist o >v. In der Folge theilt der Vortragende eine weitere Arbeit desselben Autors mit, in welcher Des Cloizeaux konstatirt, dass das Barytkalkcarbonat trimorph ist. Der Barytoealeit Sjögren’s ist rhomboödrisch hexagonal mit einem Rhomboäderwinkel von ungefähr 105%. In Platten senkrecht zur Hauptaxe sieht man das bekannte schwarze Kreuz des inländischen Doppelspaths mit derselben Weite der Ringe. Die Substance des Barytkalkcar- bonats ist demnach trimorph erstens rhomboedrischhexagonal wie Caleit, zweitens rhombisch als Alstonit, drittens monoklin als Barytocaleit. Lundström hat die rhombo&ädrische Art von Longban analysirt und gefunden: 0 Verh C0O2 =30,40 .. 22,11 2 BaO 44,13) Ca = 18,19 MO = 251 \ aaa 1 Fe, 0; == 0,18 Mn,0, = 1,12 BaS0, — 2,00 E02. 1,39 Zum Schluss spricht Herr Dr. Herzfeld über die Be- stimmung der zurückgegangenen Phosphorsäure. Sitzung am 30. Juni. Anwesend 13 Mitglieder. Eingegangene Schriften: 1. Fortschritt der Physik im Jahre 1876. Berlin 1880 und 81: Bd. 2. 15 ‚462 Annual Report of the Smithsonian Institution for the year 1879. Washington 1880. Journal of the Academy of Philadelphia II. Series. Vol. VIII. Philadelphia 1874—81. Proceedings of the Academy of Philadelphia 1880, Part. 1—3, Philadelphia 1880. Jahresbericht der vaterländischen Naturkunde. Jahrg. 37. Stuttgart 1881. Atti della accademia dei Lince. Volume V. Fasc. 13. Roma 1881. Journal de l’Eeole Polster hie, Tome XXIX. IV. Paris1880. Memoires des Sciences Naturelles de Cherbourg, Tome XXII. Cherbourg 1879. M&moires de Sciences Phys. et Nat. de Bordeaux. Tome IV. 2. Bordeaux 1881. . Bulletin de la Societ€e imper de Moscou. Annee 1880. No. 3. Moscou 1881. Proceedings of the Boston Society. New series. Vol. VII. whole series Vol. XVI. Pt. 1. Boston 1881. Zur Aufnahme angemeldet wird Herr Ludwig, Apotheker durch die Herrn v. Fritsch, Teuchert und Zwanziger. Hierauf berichtet Herr Dr. Biedermann über seine Arbeit über das Coffein und Coffeidin, welche demnächst erscheinen wird. Herr Realschullehrer Dr. Schroeder legt sodann eine merkwürdige Hundskamille vor und verliest einen längeren Artikel über die Farben der Vogelfeldern. Neue Beiträge zur Kenntniss der ehemaligen Strandlinien in anstehendem Gestein in Norwegen. Von Dr. Richard Lehmann, Realschuloberlehrer und Privatdocent der Erdkunde an der Universität zu Halle a. S. Seit ich vor etwas über zwei Jahren zum ersten Mal die ehemaligen Strandlinien in anstehendem Fels in Nor- wegen einer näheren Erörterung unterzogen, das vorhandene Beobachtungsmaterial übersichtlich zusammengestellt und die verschiedenen daran geknüpften Theorieen auf ihren Werth zu prüfen versucht habe!), ist fast von allen bis dahin bei der Streitfrage betheiligt Gewesenen die Sache aufs neue vorgenommen und theils durch neue Beobach- tungen, theils durch neue Argumente mehr oder minder weiter gefördert worden. Auch einige andere Forscher haben derselben ein lebhaftes Interesse bewiesen und durch ihre Erörterungen in höherem oder geringerem Grade zur Lösung oder doch Klärung des Problems beigetragen. Es ist der Zweck der vorliegenden Arbeit, nach kurzer Resü- mirung dessen, was von Andern an neuen thatsächlichen Beiträgen zur Sache geliefert ist, auch meinerseits einen solchen zu geben und die Wahrnehmungen mitzutheilen, welche ich im vorigen Jahre darüber an der norwegischen Westküste gemacht habe. Von theoretischen Erörterungen sehe ich dabei ebenso wie von Polemik für jetzt möglichst ab und behalte mir eine neue Discussion der mancherlei sich anknüpfenden Streitfragen, namentlich der Entstehungsfrage, für eine in Vorbereitung begriffene grössere Publikation vor. 1) Ueber ehemalige Strandlinien in anstehendem Fels in Nor- wegen. Halle a. S. 1879. 4°. Vergl. auch die kurze Ergänzung, die ich unter dem Titel: „Zur Strandlinienfrage“ in Jahrg. 1880, S. 280 ft. dieser Zeitschrift lieferte, Zeitschr. f. d. ges, Naturw. Bd. LIV. 1881. 31 464 Da zählt zunächst Professor Dr. 'Th. Kjerulf in seiner vortrefflicehen und überaus inhaltreichen „Geologie des süd- lichen und mittleren Norwegens“, welche in norwegischer Sprache 1879 erschien, eine ganze Reihe von neuen Strand- nienvorkommnissen, zum Theil mit Angabe der Höhe, wenn auch ohne nähere Beschreibung, auf. !) Professor S. A. Sexe, der Urheber jener Theorie, welche die „sogenannten alten Strandlinien im anstehenden Gestein“ auf Gletscherwirkung zurückführen möchte, hat dann auf einer Reise im Sommer 1879 ebenfalls den Ge- senstand im Auge gehabt und sich einige der von Professor Mohn entdeckten Strandlinien auf der Strecke Hardanger- fjord-Bergen vom Boote aus angesehen. Es sind die Linien Nr. 7, 8, 11 und 12 des unten 5. 522 ff. stehenden Verzeichnisses. ?) Was er dort gesehen, hat ihm nicht den Eindruck von etwas gemacht, was wirklich den Namen alter Strandlinien in an- stehendem Fels verdiente und auf einen früheren Meeres- stand zurückzuführen wäre.3) Nicht minder ungünstig äus- 1) Th. Kjerulf, Die Geologie des südlichen und mittleren Nor- wegens. Autorisirte deutsche Ausgabe von A. Gurlt, Bonn 1880 S. 16 ff. (Vgl. unten das Verzeichniss $. 522 ff.) Ä 2) 8. A. Sexe, Norges Stigning, Strandlinier, Terrasser. Archiv for Mathematik og Naturvidenskab, Bd. V (Kristiania 1880) Seite 247 bis 273, die betreffende Stelle Seite 254. | 3) „Der Grund der Nichtübereinstimmung zwischen Professor Mohns und meinen Beobachtungen“, fügt er erläuternd hinzu, „schreibt sich wohl hauptsächlich daher, dass er annimmt, das Meer besitze die Fähigkeit, in seinem Niveau an den Felsen horizontale Furchen aus- zuhöhlen, während ich für unser Klima und unsere Felsen sehr schwer daran glauben kann und am meisten geneigt bin, in dem Ausdruck „Strandlinie im anstehenden Fels“ eine Erschleichung zu sehn. Ferner rührt die Nichtübereinstimmung vermuthlich) auch daher, dass un- sere Begriffe von Strandlinien auseinandergehen. Unter einer Strand- linie denke ich mir eine vom Meere in dem Felsen ausgehöhlte hori- zontale Furche, deren untere Grenze etwas über dem mittleren Ebbe- stande liegt, und deren obere Grenze unter dem gewöhnlichen Wellen- gang bei mittlerer Fluthhöhe von dem Seewasser berührt wird. Eine solche Linie muss in den Sunden und Fjorden drin, wo das Wasser verhältnissmässig ruhig ist, so schmal ausfallen, dass sie, wenn sie auf der nackten Felswand, geschweige gar im Walde liegt, schwerlich Gegenstand der Observation aus so grosser Entfernung werden kann, als von Professor Mohn angegeben ist“ u. s. w. — Uebrigens hat Prof. 465 sert er sich über die ebenfalls von Mohn zuerst aufgefun- dene Linie von Bosekop im Altenfjord,!) wo er im Sommer 1876 gewesen. Er ist geneigt zu glauben, dass bei der Entdeckung „alter Strandlinien im anstehenden Fels“ öfters optische Täuschung ihr Spiel getrieben, und sucht im übri- sen unter Bezug auf die früher von ihm und zwar wirklich an Ort und Stelle untersuehten Linien 13 und 51 des hinten S. 522 ff. stehenden Verzeichnisses darzuthun, dass für die Fülle der einschlägigen Erscheinungen, die sich doch nicht wohl als optische Täuschung wegargumentiren lassen, seine Erklärung durch Scheuerungswirkung der Eiszeitgletscher doch wohl am meisten für sich habe. Wie er sich diesen Vorgang im einzelnen denkt, legt er dann weiterhin aus- führlicher und klarer als früher dar. Ich verzichte, wie gesagt, an dieser Stelle auf polemi- sche Erörterungen. Um aber dem Leser behufs Erleichte- rung eigenen Urtheils ein etwas deutlicheres Bild der Sache aus Gegenden zu geben, wo die alten Strandlinien in an- stehendem Fels schärfer entwickelt, oder, wohl richtiger gesagt, besser erhalten sind, setze ich in Fig. 1 und 2 einige Illustrationen hierher, welche (ebenso wie weiter unten Fig. 9 und 10) auf Zeichnungen Mohns beruhen und zuerst Mohn einer freundlichen brieflichen Mittheilung zufolge auf einer Fahrt im vorigen Herbst im Hardangerfjord, wiewohl das Schiff auf der Westseite von Varaldsö herumfuhr und es schon spät am Tage und etwas düster war, doch auch unter diesen ungünstigen Verhältnissen und aus weiterer Entfernung wieder Spuren der Linie Nr. 7 (zwischen Vedvik und Ruglebarm) gesehn. 1) Nr. 92 des in meiner ersten Abhandlung gegebenen Verzeich- nisses (Mohn, Bidrag til Kundskaben om gamle Strandlinier i-Norge. Nyt Magazin for Naturvidenskaberne, Band XXII, Christiania 1876, S. 26). — Bei dieser Gelegenheit möchte ich übrigens nicht uner- wähnt lassen, dass mich Herr Professor Mohn auf Anfrage meinerseits vor dem äusserlich sehr bestechenden Bilde warnt, welches sich in A. Geikie, Kurzes Lehrbuch der physikalischen Geographie, autoris. deutsche Ausg. von B. Weigand, Strassburg 1831 S. 213 (ebenso in der englischen Originalausgabe) findet und 4 scharfe und ununterbrochene Strandlinien über einander vom Altenfjord darstellt. „Vier Linien über einander“, schreibt er, „sind Phantasie. Mein Bild vom Kyän- klub (siehe oben Fig. 1) ist correct.“ 31% % 466 a in dessen Strandlinien-Abhandlung veröffentlicht sind.) Im übrigen verweise ich einstweilen auf die S. 463 Anm. erwähnten beiden Arbeiten und die darin enthaltenen Ab- bildungen. Fig. 1. Obere Terrasse Untere Lögslet. Have = Strandlinie. mit Steinen. Strandlinie. Meeresspiegel, Profil zweier alter Strandlinien in anstehendem Gestein und einer Terrasse bei Lögslet, Südseite von Kvalö am Malangenfjord, 69% 32' n. Br. (Nr. 53 der Abh. über ehemal. Strandl.). Die obere Haupt-Strandlinie liegt nach Barometermessung 40,5, die untere 20,1, die Terrasse zwischen beiden 28,2m über dem Mittelwasser- stande des Meeres. Die Grundfläche der oberen Strandlinie ist 16 Schritt breit, mit Schotter bedeckt, uneben und stark mit Gras bewachsen. Ihre Rücklehne besteht ebenfalls aus scharfkantigem Schotter des hier anstehenden Gesteines (einer Art Syenit oder Grünstein) und ist 30—40‘ (9,4—12,6m) hoch. Unterhalb der oberen Strandlinie liegt zum Theil Schotter, doch tritt sehr viel anstehendes Gestein zu Tage. Auch die Terrasse und die untere Strandlinie sind mit Gras bewachsen. Unter dem Meeresspiegel findet sich am Strande eine etwa 30' (9,Am) weit sanft abge- dachte sogenannte Fjäre (oder Oer) mit gerollten Steinen (eine in Bildung begriffene Terrasse), dann folgt die gewöhnliche so- genannte Marebakke mit steilem Absturz zur Tiefe. 2) - 1) Ich verdanke dieselben, wie die bereits früher verwendeten, wiederum der Güte des Vorstandes der geologischen Landesunter- suchung von Norwegen, Herrn Professor Dr. Kjerulf in Christiania. 2) H. Mohn, Bidr ag til Kundskaben om gamle Strandlinier i Norge, S. 21. — Vgl. auch Pettersen, Om de i fast Berg udgravede Strand- linier En for Mathematik’ 5 Naturvidenskab, Band III, Christiania 1878) S. 186—189. 467 Auch Karl Pettersen in Tromsö hat sich aufs neue mit dem Gegenstande beschäftigt und aus dem weiteren Um- kreis seines Wohnortes, vom Gisund und vom Malangseid am Balsfjord bis zum Langsund und Ulfsfjord hin ein Ma- terial zusammengebracht, wie es in gleicher Vollständigkeit und Genauigkeit bisher noch nicht vorhanden gewesen war. Schon 1879 erschien von ihm unter dem Titel „Terrassen- bildungen und alte Strandlinien, zweiter Beitrag“!) eine (bereits Ende 1878 abgeschlossene) kleinere Arbeit, in welcher einige neue Beobachtungen über die schon früher von ihm beschriebenen alten Strandlinien mitgetheilt werden, dann aber weiter über deren Verhältniss zu den Terrassen, über die Entstehung beider und ihre Bedeutung für die Hebungsfrage gehandelt wird. Dann aber hat Pettersen im Sommer 1880 das ganze erwähnte, 10 Meilen in die Länge und nicht viel weniger in die Breite messende Fjord- und Inselgebiet von neuem vorgenommen und für die dort überaus zahlreich und deutlich vorhandenen Terrassen und Alte Strandlinien in anstehendem Gestein am Kvänklub, auf der Südostseite des Vargsund, 700 33' n. Br. (Nr. 107 der Ab- handlung über ehemal. Strandl. u. s. w.) Die obere Linie liegt nach Bravais 46m über dem Meere. 1) K. Pettersen, Terrassedannelser og gamle Strandlinier, andet Bidrag. Archiv f. Math, og Naturvid. IV (Christiania 1879), 8. 167 bis 179. 468 alten Strandlinien nieht nur die örtlichen Verhältnisse an vielen Stellen genauer untersucht, sondern auch vor allem ihre Höhenlagen in einer grossen Zahl von Querschnitten durch Nivellement unter Controlle durch Barometermessung auf das sorgfältigste bestimmt. Da die betreffende sehr wichtige Arbeit jetzt in deutscher Uebersetzung!) vorliegt, so darf ich mich auch darüber hier mit einem kurzen Hin- weis begnügen. Es ist darin nicht nur das Frühere aufs neue behandelt, sondern auch eine Menge Neues hinzuge- füst und aus diesen Materialien dann in längerer sehr lehrreicher Erörterung eine Reihe von Sätzen gezogen, für die ich auf das von ihm selbst gegebene Resume verweise. Nur das will ich noch erwähnen, dass er bezüglich der Entstehung der alten Strandlinien sieh der auch von mir in meiner früheren Abhandlung unter eingehender Begründung vertretenen Kjerulf-Mohn’schen Anschauung nieht unbe- trächtlich genähert hat. Sprach er noch im Jahre 1878 aus: „Die Strandlinien sind unter langsamer Hebung des Landes durch Scheuerung schwimmenden Küsten- und Fjordeises ausgegraben“?), so heisst es nun: „Ausser der scheuernden und brechenden Thätigkeit des Meeres scheinen auch andere scheuernde Kräfte bei der Strandlinienbildung wirksam gewesen zu sein“). Von einer Gletscherwirkung (Sexe) ist ihm, der die alten Strandlinien von Allen am besten und vollkommensten kennt und der zugleich auch mit den Gletschererscheinungen wohl vertraut ist, dabei gar nicht die Rede. — Uebrigens bin ieh durch seine freund- liche Unterstützung in den Stand gesetzt, hier zu näherer Veranschaulichung in Fig. 3 ein ganz genaues Profil der Strandlinie (nebst Terrassen) von Ulfsnes am Ulfsfjord mit- zutheilen, welches durch Nivellement von Ingenieur Anker aufgenommen worden ist. 1) K. Pettersen, Terrassen und alte Strandlinien, mit Karte und ‚Profilen. Aus dem Norwegischen übersetzt von R. Lehmann, Bd. LIU (1850), 8. 783—838 dieser Zeitschrift. Das norwegische Original er- schien Ende 1880 in Tromsö Museums Aarshefter, III. 2) Om de i fast Berg udgravede Strandlinier S. 222. 3) Terrassen und alte Strandlinien $. 838. 469 'ZIT N OLT 'S AOruıpueng ojurS So TOSJOULEPOSSLLNOT, pun 06T — E67 'g 1Hluıpuegg opoAwıSpn Sog Is%F Top wg uos1oyyag (L- (‚ a9yonyewmpg zur3 ur Suwstogon AP 481 uo][eIg uslopur uy 'uogyoensg nz uoJHuososum sog up ur se opum u919N0 WEAUT UR OmIg osaıp yone uneyy UTOS FyansıoA usw SSEp OS ‘uIENKEH WOPUSHHIKUr UOA PurM UA]LOIS yarmarz dauTo ur uo][oIg U9JOIA uw I49489q an4g u9A9For} IsyaRu ınz fegqy AOL "FyPTU AO UOST9NI9T Pure} UONNEIOLTK UOA uoımds "4Y3IS9q UIOF -HIyag uOpfLut uopue[eFur ug uyeg] oSTıBSoM op U9SOS ospe ‘yaıIsoMm [es KNE OTOTOM UOKSOJTIKOSIL PurAs[O T OPU9S1o48 -me [108 OUT yoAınp 9IS PIIM uouur yoeN 'uagE usuTFmeaT]E m Inu pun uoyosIoA uoyToyusgeuf) pun uroyanH uUoulop> FIuL yoruyomz 9Is Ir Isı eg Top Syney sem NIIOALOT UTOIKEH Opfovu sep oM Uage zuR3 uuep pun I9p9q use] 1OpO 100 Aw JIoy], wmz 981 9IS 'opeag UAJOT Ayo woplomsIg pun O7—G UOA uyegg OaTEsom (opuoyneT TeIUoZLIOU 99399198 -8gurf aure Jopjiq pun Y3Rıdossne yosıysLIoggeiwyd pun YıuIs I8TOW 981 orumpurzgg drq "(ag "U ‚OF 069 "Ipueug "Tewoyo Joan 'yqy op Fg an) profisn we sousyj() 109g wessen], IOMz pun (%) Ul94896 wopuayoIsue ur orupueurg oyV ‘SG "LT (20107) oyoy pun oZuer ıny qessssem hmm 0202020020000 np 008 002 - 00V DE 0 0E 02 © 0 470 Bevor ich endlich dazu übergehe, meine eigenen neuen Reisewahrnehmungen zu schildern, sei kurz noch erwähnt, dass auch der Botaniker Prof. A. Blytt in Christiania' in weiterem Verfolg seiner geistvollen Theorie über die Ein- wanderung der norwegischen Flora unter einem wiederholten Wechsel troekener (mehr eontinentaler) und feuchter (milder insularer) Klimate ganz neuerdings für die Entstehung von Terrassen und alten Strandlinien eine neue Erklärung ver- sucht hat. Er hält sich für die Strandlinien daran, dass von der (übrigens sehr wenig von Forschern bereisten) Aussenseite des Scheerengürtels so gut wie keine und aus dem Christianiafjord, wo der Unterschied zwischen Fluth und Ebbe unmerklich wird, gar keine alten Strandlinien in anstehendem Fels bekannt sind, und nimmt nun einerseits die bekannte sprengende Wirkung des gefrierenden Was- sers, andererseits die Gezeiten als mitwirkende Kräfte in Anspruch. In Perioden strenger Kälte, so folgert er, wird das Wasser, welches bei Fluth in alle ihm erreichbaren Spalten, Ritzen und Löcher der Felsen eingedrungen, bei Ebbe gefrieren und seine Umgebung zersprengen. So werden allmählich Horizontaleinschnitte zu Stande kommen. Folgen dann mildere Perioden mit milderen Wintern, so wird das Wasser bei Ebbe nicht mehr so häufig gefrieren und dieser Zerstörungsprocess viel langsamer vor sich gehn. Und ist nun während dieser ganzen Zeiten das Land zugleich in langsamer Hebung begriffen, so werden die in den Pe- rioden mehr continentalen Klimas gemachten Einschnitte als alte Strandlinien hervortreten u. s. w.!) Ich behalte mir auch hierüber weitere Erörterungen vor. Nachdem ich selbst auf früheren Reisen in Norwegen nur die sehöne untere Trondhjemer Strandlinie näher kennen gelernt, stellte ich mir im vorigen Jahre (1830) in speciel- lerer Weise das Studium der alten Strandlinien zur Auf- 1) A. Blytt, Theorien om vexlende kontinentale og insulaere Kli- mater anvendt paa Norges Stigning, Christiania Videnskabsselsskabs Forhandlinger 1881, Nr. 4; jetzt auch deutsch in Blytt, Die Theorie der wechselnden kontinentalen und insularen Klimate, in Englers Bo- tanischen Jahrbüchern Band II, S. 24 ft. 471 gabe. Mein Weg führte mich von Göteborg aus zu Lande über Uddevalla und Frederikshald nach Christiania, sodann durch Valdres und über das Filefjeld nach dem Sognefjord, den ich bei Lärdalsören erreichte. Von hier ab begann am 9. Sept. die Ausschau nach alten Strandlinien und wurde während des ganzen übrigen Theiles der Reise bis zum Verlassen der norwegischen Küste unablässig fortgesetzt. Soviel irgend Tageszeit und DBeleuchtungsverhältnisse es gestatteten, musterte ich beständig, theils mit dem Auge,!) theils mit einem guten Fernglase, die benachbarten Küsten, und wo ich etwas von den gesuchten Erscheinungen entdeckte, da war ich mit Hülfe des Fernglases meist auch im Stande, nicht blos den Eindruck des Auges zu prüfen, sondern mich auch zu überzeugen, ob ich es wirklich mit einer Linie in anstehen- dem Gestein (Strandlinie im engeren Sinne) oder aber mit einer aus losem Material gebildeten Terrasse zu thun hatte. Häufig war übrigens beides der Fall, indem dieselbe Linie hier sich am Felshang im festen Gestein hinzog, während sie eine Strecke weiter z. B. in einer Einbuchtung der Küste sich in gleicher Flucht als Oberfläche einer Terrasse fortsetzte, um vielleicht bald darauf abermals in den Fels überzutreten. Zur Feststellung der Örtlichkeit diente mir theils eine Reihe guter norwegischer Special- besonders Küstenkarten, theils wurden die Offiziere oder die Beman- nung des Schiffes, der Lootse oder mit der Örtlichkeit genauer bekannte einheimische Mitreisende zu Rathe ge- zogen. Alles Gesehene und Erfragte aber wurde stets so- fort und so genau als möglich notirt, hier und da, soweit es anging, eine kleine Skizze entworfen. Eine Untersu- chung an Ort und Stelle war mir nur in der Umgegend von Bergen, Aalesund und Christiansund möglich, wie dies am gehörigen Orte bemerkt werden wird. An solchen Stellen diente mir ein bereits als recht brauehbar erprobtes grosses 1) Da es sich namentlich bei minder scharf eingeschnittenen resp. bereits stärker verwischten Linien vor allen Dingen um den Total- eindruck einer grösseren Strecke handelt, so geschieht das erste Er- kennen solcher Linien fast stets mit dem blossen Auge, und erst dann kann das Fernglas zu speciellerer Besichtigung seine Dienste thun. 412 Aneroid, dessen Stand unterweges zweimal, in Christiania und in Christiansund, auf den meteorologischen Stationen verglichen wurde, zur Höhenmessung. Auf demselben waren halbe Millimeter abgetheilt und mit ziemlicher Sicherheit die Schätzung von !/,, Millimeter möglich. Die entsprechende Beobachtung geschah stets unter möglichster Befolgung der von Neumayer!) dafür aufgestellten Regeln, die Berechnung wurde später nach Mohn’s Tafel?) ausgeführt. Nur was ich von diesen Beobachtungen mit Bestimmtheit als Strand- linien in anstehendem Fels constatiren zu können glaube, ist in der nachfolgenden Liste (unten S. 522 ff.) mit eingetragen. Die Ausbeute im Sognefjord war über Erwarten gering. Auf einem Ausflug, den ich am 9. September bei klarstem Wetter von Lärdalsören auf dem herrlichen Lysterfjord (der nordöstlichsten Verzweigung des Sognefjords) nach Solvorn unternahm, sah ich zwar in den Seitenthalöffnungen manche schöne Terrasse, aber nichts recht Deutliches von Strand- linien in anstehendem Gestein. Spät Abends schiffte ich mich in Lärdalsören nach Bergen ein. Im Dunkel der Nacht ging es durch die grossartigsten und wildesten Par- tieen des Sognefjords und damit zugleich durch diejenigen, von welchen Kjerulf eine Anzahl von Strandlinien aufzählt, und als ich in aller Frühe des Morgens wieder auf dem Deck war, befand sich das Schiff bereits in dem äusseren Theil, etwas östlich vom Höjangsfjord.. Die auf der Süd- ostseite des Ausgangs dieses Fjords bei Rundstöen von Kjerulf angegebene hohe Strandlinie (Nr. 14) glaube ich bestimmt gesehen zu haben, obwohl sie bei dieser Morgen- beleuchtung noch vollständig im Schatten lag. Auch sonst glaube ich auf der Weiterfahrt im Sognefjord hier und da Linienstücke in niedrigen Niveaus bemerkt zu haben, ohne jedoch bei der ungünstigen Tageszeit und Beleuchtung 1) Neumayer, Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen, Berlin 1875, S. 677—683. 2) H. Mohn, Grundzüge der Meteorologie, 2. Aufl., Berlin 1879, Seite 340. 475 meiner Sache ganz sicher geworden zu sein.1) Die Ufer des Fjordes sind hier, soweit Grundgebirge denselben ein- fasst, keineswegs so ganz schroff und kahl wie dies weiter einwärts namentlich im Gebiete des Labradorfels so viel- fach der Fall ist. Böschungswinkel von 50° sind schon verhältnissmässig selten, meist betragen sie nur 25—35°. So sind die Hänge hier auch fast überall bewaldet, bei srösserer Steilheit natürlich minder dicht, und diese Be- waldung mag auch das Ihre dazu beitragen, vorhandene Linien sowohl thatsächlich zu verwischen als dem Auge zu verhüllen. Wo aber auf der Nordseite der sogenannten Sogne-Sö (des eigentlichen Ausganges des Sognefjords) in Sulen das silurische Gestein beginnt, zeigt sich sofort ein anderer Charakter: schroffe und wilde Formen, einzelne sehr steile Wände, ausserordentliche Kahlheit, kaum eine menschliche Ansiedelung sichtbar, während gegenüber auf der Südseite bei Fortdauer des Grundgebirges auch der bisherige Charakter bleibt. Auch auf der weiteren Fahrt vom Sognefjord südwärts durch eine Reihe enger Fahrwasser über Evindvik, Skjer- sehavn und Alverströmmen nach Bergen, welche ich mit Ausnahme des allerletzten Stückes bei heller Tagesbeleuch- tung zurücklegte, bemerkte ich keine alten Strandlinien im anstehenden Gestein. Das Aussehen der Scheeren ist fast auf dieser ganzen Strecke wesentlich das gleiche: zahllose gerundete Felshöcker, welche meist kahl sind, in den Ver- tiefungen zwischen diesen Erhöhungen aber Moos, Heide- kraut und andere niedrige Pflanzen, selten Bäume und sel- ten etwas fruchtbareres Gelände. Näher an Bergen wird die Scenerie dann wieder mannichfaltiger und grossartiger, und die Stadt selbst ist schön an einer Bucht des Byfjord am Fusse hoher und steiler Berge gelegen. Am 11. September unternahm ich Nachmittags von Bergen aus einen Ausflug, um die durch Prof. Mohn zuerst 1) Bekanntlich ist die Beleuchtung für das Sehen der stärker ver- wischten Strandlinien von grosser Wichtigkeit. — Übrigens führt auch Kjerulf aus dem äusseren Theil des Sognefjords westlich von Rund- stöen weiter keine Strandlinien auf. "UHSTOT UOA YOLISOA ONBY UOA HARIKOPNE Top nu oLumpurag oyy "7 SL SE Ba 1 N Ra , BE a VAR ENEN Re, Ye au ATA von Askenes aus bei Vormittags- beleuchtung und, wie mir derselbe mündlich mittheilte, auch später wiederholt deutlich gesehene alte Strandlinie zwischen Kvarven und Gravdal (Nr. 9 des Verz. unten S. 522 ff.) anOrtundStelle aufzusuchen. Doch war ein mehrstündiges Um- herklettern aufKvarven vergeblich. Wiederholt glaubte ich, aus eini- ger Entfernung emporblickend, an der Stelle eines ungefähr hori- zontalen Felsvorsprunges sie ge- funden zu haben. Wenn ich aber nach dem fest ins Auge gefassten Punkte hinaufkletterte und von dort nach den Seiten visirte, wurde ich immer aufs neue enttäuscht. Nur einige Felsvorsprünge in be- deutender Höhe fand ich ungefähr in derselben Horizontale mit ein- ander liegen. Es dürfte wohl über- haupt ein Fehler sein, in diesen Gegenden grössten Regenreich- thums und daher wohl stärkster Verwischung der alten Strandlinien im anstehenden Gestein eine sol- che an Ort und Stelle aufsuchen zu wollen, so lange man sie nicht aus der Entfernung gesehn und sich bestimmte Anhaltspunkte ge- merkt hat, und es dürfte, wenn man den Ort dann betritt, im ein- zelnen hier wohl nicht viel zu sehen sein. Dagegen sah ich sowohl an demselben als am folgenden Nach- mittage bei bedecktem Himmel von dem Bergrücken westlich von er Fr 475 Nygaard, nordnordöstlich vom nördlichen Theil des Grav- dalsvand (westlich von Bergen) mit völliger Schärfe eine nieht sehr hoch gelegene und anscheinend in anstehendem Fels laufende alte Strandlinie auf der gegenüberliegenden Südostseite von Askö (Fig. 4, und zwar deutlich von Ei- srene!) (E) bis etwa Maltvik, minder deutlich weiter nord- östlich bis etwa Bagervaag. Dieselbe Linie, welehe mög- licherweise mit der von Mohn auf der Ostseite von Askö, südlich von Erdal (nordwestlich von Bergen) gesehenen (Nr. 11 des Verzeichnisses unten S. 522 ff.) in Zusammenhang steht, sah ich auch am Vormittag des 12. September von der Schanze über Bergen und nachher von der Sukker- brygge in Bergen, jedoch minder deutlich als von dem oben angegebenen Punkte aus. Scharfe Ausschnitte dürften übri- gens an Ort und Stelle kaum zu finden sein, da im einzel- nen offenbar sehr viel verwischt ist; aber der Gesammtein- druck aus der Entfernung ist völlig deutlich, und an eine durch Lagerungsverhältnisse des Gesteins bedingte Erschei- nung ist hier, wie überhaupt in Norwegen fast nirgends, sarnicht zu denken. Die berühmt gewordene Strandlinie im Österfjord (Nr. 13 des Verzeichnisses unten S. 522 ff.) zu besuchen wurde ich leider durch andere Reisedispositionen verhindert. Doch sprach ich in Bergen darüber den Geologen Dr. A. Helland aus Christiania, welcher vor wenigen Tagen dort gewesen war. Er bestätigte, dass dieselbe aus der Entfernung recht hübsch zu schen sei. Über die Glättung und Streifung interpellirt, welche Sexe in derselben gefunden zu haben erklärt, theilte er mir mit, dass er dort zwar Glättung ge- funden, aber nicht behaupten möchte, ob sie gerade in der rilane vorhanden sei.?) 1) Eigrene schreibt die betreffende Section der norwegischen Special-Küstenkarte im Massstab von 1:50000; die topographische Karte (1:100000) hat Ekrene. 2) Bei Beurtheilung von Glättung und Streifung ist übrigens nicht ausser Acht zu lassen, dass, wie K. Pettersen (Scheuerungserschei- nungen in der gegenwärtigen Littoralzone, Jahrg. 1880 S. 247 ff. dieser Zeitschrift) und Prof. F. Simony (Ueber See-Erosionen in Ufer- gesteinen, Sitzungsberichte der Wiener Akad. d. Wiss., I, Abth. Band 476 Be Spät Abends am 12. September ging ich in Bergen wieder zu Schiffe, um nach Aalesund weiter zu fahren, und befand mich demnach bereits ein gutes Stück nördlich von der Sogne-Sö, als die Tagesbeleuchtung wieder die Ausschau nach alten Strandlinien gestattete.e. Auch der letzte Theil der Fahrt bis Aalesund, das ich am 13. erst kurz vor Mitternacht erreichte, fiel in die Dunkelheit. Die Scheeren weiter nördlich vom Sognefjord bis Aalesund sind, entsprechend einem ziemlich mannichfaltigen Wechsel der Gesteinsverhältnisse, in ihren Formen viel abwechselungs- reicher als die südlich von ersterem bis etwas nördlich von Bergen. Dort ragt auf der Ostseite von Bremangerland der gewaltige Hormelfels an 750m nahezu senkrecht und stellen- weise scheinbar überhängend unmittelbar von der See em- por, und ohne jede Insel- und selbst fast ohne alle Klip- penumgürtung tritt das Statland mit hohen und steilen Wänden in den offenen Ocean hinaus. Höchst interessant zeigt sich an letzterem vielfach im Brandungsbereiche die - Ausarbeitung von Höhlen mit rechtwinkeliger Vorderansicht, sei es quadratisch als breite Thore, sei es rechteckig als schmale Corridore. !) An alten Strandlinien in anstehendem Fels bemerkte ich auf dieser Fahrt zwei neue, die ich mit Sicherheit constatiren zu können glaube. Westsüdwestl. von Florö, auf der Nord- seite der kleinen Insel Nekö 2), 61° 35‘ n. Br., findet sich eine deutliche niedrige Strandlinie im Fels, welche sich minder deutlich auch bei Florö auf Bransö fortsetzt.°) Was die Höhe dieser Linie über dem Meere anlangt, so finde ich in meinem Tagebuche auf Grund ungefährer Schätzung dafür die Notiz: „vielleicht 12—15m hoch.“ Da aber eine solche Schätzung von der See aus, wenn nicht Vergleichsobjekte wie Häuser u. s. w. in der Nähe sind, für den Ungeübten LXIIH, 16. Februar 1871) gezeigt haben, keineswegs jede Glättung und Streifung absolut glacialen Ursprungs zu sein braucht. 1) Offenbar sind diese regelmässigen Formen durch Lagerung und eigenthümliches Brechen des Gesteines (theils Granit, theils Grund- gebirge) bedingt. 2) Name vom Lootsen angegeben. 3) Vgl. auch unten S$. 511. a7 sehr schwierig ist, möchte ich gleichwohl auf diese Zahlen weiter kein Gewicht legen. Ferner findet sich aı 1er Südseite von Sandö!), 62° 141/,‘ n. Br., nordöstlich vom Statland und nordwestlich von der Station Larsnes, in nieht bedeutender Höhe der in Fig. 5 dargestellte breite horizontale Felsabsatz (S) mit deut- licher Linienfortsetzung. Fig. 5. Breiter horizontaler Felsabsatz (S) auf der Südseite von Sandö, zu einer alten Strandlinie gehörig. Die Gegend von Aalesund ist an Strandlinienerschei- nungen nicht arm, doch ist bisher nur wenig davon beach- tet worden. Ich unternahm daher von dort aus mehrere Bootausflüge nach den benachbarten Inseln und zwar zu- nächst am 14. September Nachmittags nach der nordnord- westlich von Aalesund gelegenen Valderö, auf welcher man von den Bergen bei der Stadt deutlich mehrere Linien er- bliekt, und auf deren Ostseite auch Mohn bereits zwei Linien mit Terrassen constatirt hat.?2) Ich landete an der Südost- seite in der Nähe der Leuchtfeuer-Station (Valderö Fyr). Ein mehr oder minder breites niedrigeres Vorland, mit einer Anzahl von Häusern nebst einzelnen Aeckern und Wiesen besetzt, umsäumt auf dieser Seite das steil auf- steigende und hohe Innere der Felseninsel. Auf diesem Unterlande nun führte ich mit dem Barometer eine Reihe 1) Name vom Lootsen angegeben. 2) Nr. 31 d. Verzeichn. unten $. 522 fi, 478 von Höhenmessungen, im ganzen 19, aus. Auf dem hierzu benutzten, bereits mehrfach bewährten Aneroid sind, wie schon früher erwähnt, halbe Millimeter abgetheilt und ist die Schätzung bis zu !/, Millimeter mit ziemlich grosser Genauigkeit, ja annähernd selbst die von !/,, Millimeter noch möglich. Der Barometerstand im Meeresniveau wurde zu Beginn und zu Ende der Beobachtungen und ausserdem noch. einmal in der Zwischenzeit abgelesen. Er betrug (ohne Cor- rection) um 5 Uhr Nachmittags 760,65mm, um 6 Uhr 45 Min. 761,55mm und um 7 Uhr 40 Min. 761,70mm, war also im Steigen, und zwar in ungleichem Steigen begriffen. Für die. Höhenberechnung wurde daher eine Reduction auf den Ausgangs-Barometerstand nöthig, wobei ich freilich annehmen musste, dass die Luftdruckszunahme in der Zeit von 5 bis 6 Uhr. 45 Min. und dann wieder von hier ab bis 7 Uhr 40 Min. eine gleichmässige gewesen. In dieser für mich nothwendigen aber keineswegs allzu wahrscheinlichen Voraussetzung liegt daher eine Beschränkung des Werthes eines Theiles dieser Höhen- messungen, welche aus diesem Grunde nur bis auf einige Meter genau sein können. Die Lufttemperatur sank wäh- rend der Beobachtungen im ganzen um etwas über 1° C.; auch dies wurde, wiewohl es nur sehr wenig Einfluss hat, bei der Berechnung in Rücksicht gezogen. Was den Was- serstand des Meeres anlangt, so wehte anfangs ein leichter. Südwest, und später wurde die Luft still; auch sonst lag kein Grund vor, eine abnorme Erhöhung oder Erniedrigung des Wasserspiegels anzunehmen. Es wurde daher einfach die Aalesunder Hafenzeit, wie sie mir Herr Rektor Voss daselbst gütigst für die Berechnung mitgetheilt hat, und die dort gewöhnliche Differenz zwischen Hoch- und Niedrig- wasser im Betrage von 4 norweg. Fuss = 1,26m!) zu Grunde gelegt und danach die Reduction sämmtlicher Mes- sungen (deren Zeit stets genau nach Vorschrift notirt war) auf den mittleren Wasserstand des Meeres vorgenommen. Auf dem erwähnten Unterlande also betrat ich, von der Küste in sanftem Anstieg landeinwärts gehend, zunächst eine minder scharf ausgeprägte und dann nach einander 1) Bei Springfluth 6 norweg. Fuss —= 1,88 m. 479 zwei sehr deutliche Terrassen aus losem Material. Diesel- ‘ben bestehen zum Theil aus Sand und ganz feinerdigen Massen, zum Theil aber auch aus Rollsteinen und grösseren Geschieben. Solche grosse Steine zeigten sich namentlich in dem oberen Theile dieser beiden Terrassen in grosser Menge, während andererseits auch Torflager sich stellen- weise vorfanden. Die Höhe der unteren dieser beiden Ter- rassen bestimmte ich nahe ihrem Aussenrande zu 9,2m, am Fusse der oberen Terrasse zu 13,1m, die der oberen an ihrem Aussenrande zu 29,3m, am oberen Ende dagegen zu 34,2m über dem Mittelwasserstande des Meeres. Weiter aufwärts tritt sofort oder doch sehr bald der nackte Fels hervor, welcher ziemlich steil und hoch emporstrebt. Nachdem ich auf solche Weise in der Gegend des Landungsplatzes gleichsam einen Querschnitt durch die Terrassen genommen, wandte ich mich nach Süden herum. Hier zeigte sich nun zwar nicht eine regelmässig und zu- sammenhängend verlaufende Fortsetzung der durch jene Terrassen bezeichneten Höhenstufen, wohl aber eine Reihe mehr oder minder isolirter Felsabsätze, deren horizontale oder nahezu horizontale (in der Regel ganz schwach, wie bei den Terrassen, seewärts geneigte) Oberfläche bei ziem- lich steilem !) östlichem Einfall der Schichten des gneisartigen Gesteins zusammen mit ihrer mehrfach deutlich correspon- direnden Höhe unzweideutig darauf hinwies, dass hier gleichwohl eine jenen Terrassen in gewisser Beziehung verwandte Erscheinung vorliegen müsse. Ich nahm meinen Weg zunächst am Fusse des steil in nackten Wänden auf- steigenden Innenlandes und kehrte später näher der Küste über den äusseren Theil des Vorlandes zurück. Unterweges bestimmte ich auf der Süd- und Südwestseite der nach Süden etwas zugespitzten Insel soviel als möglich die Höhe aller bemerkenswertheren dieser oben horizontalen oder annähernd horizontalen Felsrücken. Noch weiter auf der Westseite herumzugehen erwies sich leider die zu Gebote stehende Zeit zu knapp, und auch im Süden nöthigte auf dem Rückwege die hereinbrechende Dunkelheit, die Beobach- 1) Der Einfallswinkel beträgt etwa 35—40°. Zeitschr. f. d. ges. Naturw. Bd, LIV. 15S1, 32 480 » 13. 14. 16. Lage. Bemerkungen. .Südwestseite von Valderö in der Gegend zwischen den Höfen Skjong und Lökegaard.!) .ıGleich nordwestlich von Nr.ls .\ Etwas weiter nordwest- lich, zwischen Skjong und Ytterland. . Noch weiter nordwestlich, zwischen Ytterland und Ytterlandsvik. Unweit nördlich von Nr; 4. Gleieh nördlich von Na: Gleich weiter nördlich Gleich hierauf nördlich. . Weiter nördlich, nordöst- lich von Ytterlandsvik. Dicht über Nr. 9. . ı Tieferer Absatz bei Nr. 10. Gleich darauf nördlich. Bei Ytterland, näher der Küste (wie auch die fol- genden). Zwischen Skjong und Ytterland. Zwischen Skjong und Ytterland. Ueber Nr. 15. annähernd horizontaler schmaler Felsrücken. etwas kleiner, ebenfalls ziemlich horizontal. im grossen und ganzen horizontal, im einzelnen uneben. sanz kurz und schmal, ziemlich horizontal, etwas nach aussen geneigt. annähernd horizontal. Oberfläche annähernd ho- rizontal, sanft rund ge- schliffen, annähernd horizontal, je- doch unebener. etwas längerer, seewärts geneigter Felsvorsprung. durch eine tiefere (trocke- ne) Rinne von Nr. 9 getrennt. nicht gemessen. ziemlich horizontale (ganz schwach seewärts geneigte) Ebene auf Felsunterlage. wie Nr. 13. ziemlich horizontale Ackerfläche, anscheinend auffestem Felsgrunde, am Fusse eines steil abfallen- den niedrigen Felsrückens (Nr. 16). ziemlich horizontale Fels- fläche. Höhe über dem Mittelwasser- stande d. Meeres in Metern. 38,5 35,5 37,6 29,7 22,3 20,3 20,5 24,0 23,8 48,0 43,6 ungefähr wie Ne, oA, 22,6 13,5 23,1 1) Man findet diese Örtlichkeiten am besten auf der betreffenden ai Section der norwegischen Special-Küstenkarte im Mana NyOuE 1:50000, Blatt 31 (Christiania 1876). 481 tungen etwas früher abzubrechen, als im Interesse klarer Feststellung des Thatbestandes eigentlich wünschenswerth gewesen wäre. Ich stelle nun die einzelnen Beobachtungen der leichteren Uebersicht halber in der vorstehenden (S. 480) Liste zusammen. Wer mit nur flüchtigem Blick diese Liste durchmustert und die einzelnen Zahlen derselben mit den vorher für die Terrassen angegebenen Höhenwerthen vergleicht, der wird die Aussichten, hier eine regelmässige Erscheinung zu ent- decken, nicht für sehr günstig halten können. Bedenkt man indess, was oben über die durch ungleiches Steigen des Luftdruckes während der Beobachtungen bedingte Unge- nauigkeit der erhaltenen Höhenzahlen gesagt ist, und be- denkt man ferner, dass hier gerade an den Felsmassen eine starke Zerstörung theils unmittelbar durch die Atmosphäri- lien, theils durch die mit bedeutendem Gefälle von dem hohen Innern der Insel herabströmenden reichlichen !) Regen- und Schneeschmelzwasser stattgefunden haben muss, so wird man geneigt sein, von geringeren Differenzen abzusehn und die Zahlen infolge dessen zu gewissen Gruppen zu ver- einigen. Auch ist andererseits selbstverständlich, dass, wenn es sich hier um Reste zerstörter alter Uferplattformen (ehe- maliger Strandlinien in anstehendem Fels) handeln sollte, dieselben ebenso wie alle anderen die schwache, seewärts gerichtete Neigung gehabt haben, also, je nach der grösseren oder geringeren Breitenausdehnung (in der Richtung von der See zum Lande) die Höhendifferenz zwischen den äusseren (unteren) und den inneren (oberen) Theilen einer und derselben Felsterrasse eine mehr oder minder grosse gewesen sein muss. Endlich habe ich aus mancherlei An- zeichen Grund zu glauben, dass die Wellen des Meeres, die, wie ich früher darzuthun versucht habe, wohl am ehesten als Urheber der alten Strandlinien aufzufassen sind, nur 1) Nach Broch, Le royaume de Norvege et le peuple norvegien, rapport & l’exposition universelle de 1878 & Paris, Christiania 1878, annexes Seite 23 und 24 hat Aalesund 1,1485m jährlichen Niederschlag, welcher sich auf alle Monate ziemlich reichlich vertheilt (Minima im April und Juni mit 56 resp. 57mm, Maxima im October und December mit 141 resp. 149mm), und in 115,7 Regen- und 34,6 Schneetagen fällt. 32* 482 unter besonders günstigen Umständen (wie namentlich einer vollständig gleichmässigen Widerstandsfähigkeit der einzel- nen Theile des Gesteins) an den Felsenküsten vollständig: ebene Uferplattformen hervorbringen; dass dagegen in den meisten Fällen, bedingt durch die verschiedene Widerstands- fähigkeit der Theile eines und desselben Gesteins, im ein- zelnen allerlei kleinere Unebenheiten, Erhöhungen wie Ver- tiefungen mit unterlaufen werden, welche gleichwohl im grossen den Eindruck einer horizontal laufenden wegartigen Bahn nicht beeinträchtigen und, sofern bei späterer Hebung nicht aus anderen Gründen eine baldige Zerstörung erfolst, durch Hinzutreten von Verwitterung und Vegetation auch wohl noch weiter ausgeebnet werden können. Betrachtet man also unter allen diesen Erwägungen die Liste der gefundenen Höhenzahlen, so wird man vor allen Dingen geneigt sein, No. 5 (22,3m), 8 (24,0m), 9 (23,8 m), 14 (22,6 m), 16 (23,1m) und vielleicht auch No. 6 (20,5 m) und No. 7 (20,5 m) sämmtlich mit einander in Be- ziehung zu bringen. Mit den von mir gemessenen Terrassen von ,2—13,1m und 29,3—34,2m Höhe zeigt diese Gruppe allerdings keinen Zusammenhang. Dagegen erwähnt H. Reusch, welcher sich in seinen überaus lehrreichen Studien über die Meereswirkungen an der norwegischen Westküste unter anderem auch mit Valderö, wenn auch hauptsächlich nach anderen Gesichtspunkten als den für mich hier leitenden, beschäftigt, auf der Südseite von Valderö dieht beim Leucht- feuer drei Terrassen in Höhen von 25‘ (7,84m), 40° (12,55 m) und 75’ (23,53 m) über demMeere !), und hier würde die oberste Terrasse allerdings wohl mit jenen annähernd horizontalen Felsrücken in bestimmte Beziehung zu setzen sein. Nach freundlicher brieflicher Mittheilung legte er seinen Messungen jedesmal die Aussenkante der betreffenden Terrasse, also den äusseren (unteren) Rand der Terrassenfläche zu Grunde 1) H. Reusch, Traek af Hayets Virkninger paa Norges Vestkyst, Nyt Magazin for Naturvidenskaberne Band XXII (Christiania 1876), Ss’ 241 f. Die beiden unteren genannten Niveaus hat er annähernd oder ganz auch anderwärts auf der Südseite und auf der Westseite sowie auf der Westseite von Haramsö wiedergefunden. Bei einer Zusammenstel- lung auf $. 242 giebt er übrigens die Höhe seiner unteren Terrasse zu 27' (8,47m) an, und das würde, wenn hier nicht ein Druckfehler vorliegt, meiner unteren Terrasse schon ziemlich nahe kommen. 485 und bestimmte deren Höhe durch Nivellement mit Wredes Nivellirspiegel, wobei er seine eigene Grösse als Mass be- nutzte. Da nun auch ich nicht weit vom Leuchtfeuer die Terrassenhöhen bestimmt habe, so scheinen unsere Resultate wenig zu harmoniren. Sein erster Werth bezieht sich vielleicht auf die von mir nicht gemessene, weil an der betreffenden Stelle gerade weniger scharf sich abhebende Terrasse, der zweite (12,55m) stimmt ziemlich mit der von mir angegebenen Höhe des oberen Randes der unteren von mir gemessenen Terrasse (15,1 m), seine dritte Terrasse aber (23,53 m) stimmt mit meiner oberen (29,5— 54,2 m) garnicht. Doch ist es darum noch keineswegs nothwendig anzunehmen, dass einer von uns beiden hier stark geirrt. Die Zahl der mindestens in einzelnen Bruchstücken noch vorhandenen, an der einen Stelle deutlich constatirbaren, an der anderen grossentheils oder ganz verwischten Terrassenstufen ist offenbar eine grössere. Auch Reusch erwähnt (a. a. O.) weiter östlich eine aus Grus bestehende Terrasse, deren Höhe er nicht angiebt, und auf dem etwas über !/, Meile südwestlich von Valderö gelegenen Godö andere Terrassenstufen von 55‘ (17,26 m) 86° (26,98 m) und 135° (42,36m) Höhe über dem Meere (a. a. ©. S. 233 £.); ich selbst aber konnte mich am andern Morgen von den Felsen bei Aalesund aus überzeugen, dass sich weiter rechts (östlich resp. nordöstlich) von der Stelle, wo ich die Terrassenhöhen bestimmte, eine voll- kommen deutliche noch höhere Terrassenstufe befindet, welche an jener Stelle nieht vorhanden ist. Ich kann also nur aunehmen, dass wir beide, wenn auch in nahezu der- selben Gegend, doch an verschiedenen Stellen gemessen, und zwar Reusch wahrscheinlich etwas weiter südlich als ich in der Gegend, die ich auf dem Rückwege bei schon hereinbrechender Dunkelheit schnell überschreiten musste, ohne noch irgend welche Beobachtungen weiter machen zu können. Von den übrigen von mir gemessenen Felsrücken stimmt No. 13 (12,4m) und 15 (13,5 m) ungefähr mit dem oberen Rande meiner tieferen (13,1 m), No. 4 (29,7 m) mit dem un- teren Rande meiner höheren Terrasse (29,3m). No. 1—3 (38,5; 35,5; 37,6 m) scheinen mit einander in einiger Be- ziehung zu stehen; No. 10 (48,0m) und 11 (43,6m) stehen -uojjepossng Stumpeıo3 Jıeyos nzye SBAIE IT pun J uomgss[oT Aop Oyorpglogo 9ıp pun uoWuoyoS UHOFS nz 701} NZ yorgyg uou wm 91S uoyu Aop ne ‘4Sor J oFnISS[OT Aw IonpT AO49IO]S ur AyRjosun oIp ‘T OSSELIaL, ‘y9oy nz seo (IyoJs Aoyız OIp 0A %p) O AKseLIa]L Top ons ayypoı sep 81 uOydELsofAX sOp SSIUPUrIsToAssım yaanı (T („19PuRIUoSSLLTO], (e10Fun) UHTOKTqLAL HIp ‘purs uOpuLlIoA uoZIRsqy uoujozurd ur ([oRUf 19p ONOSUOSENY AOp NE SUn1gIs19Z IONALLIS 9S]0Fur) HsTOAyPNIs oyafom “(sjog WopusyoIsuUR ur uorumpurıg OSTewore) uomIssjo TJ uomepag UIOFIZ uoyostmor old. "uoyos0F KnNB punsopey I9q uos[oT uop uoA "oropeA Tosuf Iop [YoId 484 ganz isolirt da, doch kann ich für letztere nicht umhin, nochmals daran zu erinnern, dass Reusch auf dem nahen Godö eine Terrasse von 42,36 m Höhe über dem Meere erwähnt. h Am andern Morgen betrachtete ich, wie schon angedeutet, von den nie- drigen Felsrücken am Meere auf der Nordseite des östlichen Theiles von Aalesund abermals die segenüberliegende (Süd- ost- resp. Stid-) Seite von Valderö. Hier ergab sich nun die in Fig. 6 dar- sestellte Profil-Ansicht. Hier geht es, wie so oft bei den alten Strand- linien in anstehendem Fels, wo sie nicht, wie im nördlichen Norwegen, sanz besonders gut er- halten sind: an Ort und Stelle allerlei Unregel- mässigkeit, aus der Ent- fernung, beim Ueberblick im grossen, schönste Ordnung und Regelmäs- sigkeit. Ganz scharf zei- gen sich links (im Süden) zwei horizontale Fels- stufen in deutlichster Be- ziehung zu entsprechen- den (weiter rechts stehen- den) Terrassen, und eben 485 diese deutliche Beziehung zu den Terrassen, über deren Pildungsvorgang ja wohl kaum noch ein Zweifel existirt, ist der beste Beweis, dass man es hier wirklich mit einer nahe verwandten Erscheinung, mit Resten ehemaliger Strandlinien in anstehendem Fels zu thun hat. Leider vermochte ich nicht mehr festzustellen, was etwa von den am vorhergehenden Tage gemessenen Felsrücken zu den beiden Felsstufen I und II gehört. No. I dürfte jedoch wohl wesentlich auf das Gebiet kommen, wo ich zuletzt mit meinen Höhenbestim- mungen abbrechen musste. Soviel aber war mit Sicherheit zu ersehen, dass No. I der oberen von mir gemessenen Terrasse entspricht, also wohl ungefähr 30 m hoch sein dürfte, während die noch höhere Terrasse No. 2, auf welcher sich mehrere Häuser (wohl Ladeberget) befinden, da, wo ich, weiter links, vom Landungsplatze aus direkt auf die höheren Felsen losging, nicht vorhanden ist. Die Felsstufe No. II steht in Beziehung zu dem unteren Rande dieser Terrasse, welche sich ziemlich steil (für eine Terrasse) an den Berg anlehnt. Uebrigens zeigt dieser Blick von den Höhen bei Aale- sund aus Andeutungen anscheinend derselben Linien, bald der einen, bald der anderen, bald mehrerer zusammen auch auf den Inseln ringsherum, und einzelne ganz kurze Strand- ‚linienstücke finden sich auch in und bei Aalesund, nament- lich ein Stück auf der Nordwestseite des Hafens. Die schon erwähnte Insel Godö, welche man bei jener Aussicht zur Linken erblickt, ist ebenfalls hoch, noch höher als Val- derö, und enthält viel weniger niedrigeres Vorland als dieses. Dagegen ist Giskö, welches man in der Mitte zwi- schen beiden im Hintergrunde sieht, ganz flach — eine srosse Merkwürdigkeit an der norwegischen Küste — und reichlich mit Häusern besetzt). Am Nachmittag desselben Tages (15. September) unter- nahm ich mit Boot einen Ausflug nach der wenig über !/, Meile nordöstlich von Aalesund entfernten Südseite von 1) Näheres über alle diese Inseln findet man in der erwähnten Arbeit von Reusch. 486 Kverve, dem halbinselartigen westlichen Theile von Ellingsö, wo ich auch schon von Aalesund aus die eharakteristischen horizontalen Linien bemerkt hatte. Auch auf Kverve findet sich, wie auf Valderö, ein hohes und steil aufsteigendes Inneres und davor ein niedrigeres und verhältnissmässig sanft abgedachtes Unterland (siehe Fig. 7). Doch habe ich Terrassen aus losem Material hier nicht bemerkt, son- dern alle Stufen, die ich auf diesem Unterland betrat, liegen in anstehendem Gestein, und soweit ich blicken konnte, schienen die Verhältnisse von derselben Art zu sein. So fehlen denn auch hier auf der Südseite die Häuser mit Wiesen- und Ackerflecken ganz, und das einzige Haus, das ich erblickte, war ein durch auf den glatten Felsen aus- ‚gebreitete Klippfische deutlich charakterisirtes Fischerhaus auf der westlichen Landspitze. Bedeckt ist dieses Unter- land grossentheils mit Heidekraut, daneben etwas Wach- holder, Preisselbeere u. s. w., und an den tieferen Stellen der einzelnen Stufen mit Moor. Häufig aber blickt in zahl- reichen kleineren kahlen Stellen der nackte Fels hervor. Ich landete nordnordöstlich des Hafeneingangs von Aale- sund, etwas westlich von Punkt a auf der Skizze Fig. 7. Gleich am Rande zeigten sich flach glatt geschliffene Gneis- felsen mit steilem Schichteneinfall und schwach seewärts geneigter Oberfläche, welche abgesehen von ausgebrochenen ‚Stellen ziemlich eben ist. Einen Augenblick war ich ver- sucht, hier das zu sehn, was an den norwegischen Küsten immer noch erst nachzuweisen ist, nämlich eine in Bildung begriffene „Strandlinie in anstehendem Gestein“. Doch ist die Erscheinung zu lokal beschränkt, als dass ich es wagen dürfte, ihr eine solche Bedeutung beizulegen. Ich schritt von der Landungsstelle ziemlich direkt auf den Fuss der steil aufsteigenden Felsmasse des Inneren los und wandte mich dann etwas östlich, wo ich ungefähr in der Gegend von a (Fig. 7.) das in Fig. 8 dargestellte Profil aufnahm. Das Verfahren bei der Beobachtung wie bei der späteren Berechnung war wesentlich dasselbe wie vorher für Valderö erwähnt wurde. Der Barometerstand im Meeresniveau wurde bei Beginn und am Ende der Beobachtungen abge- lesen und ergab zwar auch ein Steigen, aber doch minder } "urogom ut oo pun odunT any AQBISSSeN ee 00% 00V os 0 0E 08 160 “(2 Sg) oATOAy] me uorumpuems uote Top gordaond 8 "STA 487 "punsoey uoA yaIKop-Iou ‘“HAIOAY IE (uI0IS0H) WOPuaye4sUR ur) uorumpueg 99V ‚488 beträchlich als am vorhergehenden Tage, indem dasselbe, im Durchschnitt berechnet, auf 35 Minuten !/,, Millimeter be- trug. Das Gestein ist, wie schon vorhin angedeutet, ein steil einfallender Gneis, und kann somit von einem Zu- sammenhang der vorhandenen Stufen mit den Lagerungs- verhältnissen durchaus keine Rede sein. Wo ich zuerst von dem Landungsplatze aus ana wärts anstieg, zeigten sich mehrere Stufen über einander. Da wo ich die untere (äussere) Abgrenzung der oberen zu erkennen glaubte, fand ich die Höhe zu 23,4m über dem Mittelwasserstand des Meeres, während ich weiter östlich, wo dieser äussere Rand deutlich bestimmt ist, 25,8m erhielt. Noch weiter östlich dagegen ergab die Messung sogar 28,1m. Ich muss dahingestellt sein lassen, ob diese drei ziemlich stark von einander abweichenden Höhen wirklich demselben Rand derselben Stufe angehören. An Ort und Stelle schien eszwar einigermassen so, liess sich aber nieht mit völliger Sicherheit constatiren, da der Zusammenhang der drei Stellen nicht durch eine scharfe ununterbrochene Verbin- dung hergestellt ist. Doch muss ich bei dieser Gelegenheit einen Punkt berühren, welcher für die Beurtheilung der ehemaligen Strandlinien und besonders für die Frage, wel- ches Höhenmass denn dabei als das entscheidende betrach- tet werden muss, von Wichtigkeit ist. Wo diese alten Strandlinien nämlich überhaupt deutlicher erhalten sind, d.h. wo nicht bloss aus der Entfernung die horizontale Linie zu erkennen, sondern auch an Ort und Stelle noch eine in ihrer Längsrichtung horizontal verlaufende wegar- tige Bahn zu finden ist, da hat diese letztere nach allem, was bisher darüber bekannt ist, wohl ausnahmslos eine schwache Neigung nach der Seeseite zu, und je breiter diese Bahn ist, desto stärker wird natürlich bei gleichem Neigungswinkel die Höhendifferenz des oberen (inneren) und des unteren (äusseren) Randes derselben sein. Dieselbe seewärts gerichtete Neigung findet sich auch an den hori- zontal laufenden wegartigen Felsplattformen, welche im gegenwärtigen Bereiche der Meeresbrandung auf weite 489 Strecken hin z. B. die Küsten Eeuadors!) und auch anderer Länder umsäumen und dort zweifellos der nagenden Ein- wirkung eben dieser Meeresbrandung auf die Küstenfelsen entstammen. Sie entspricht auch ganz dem Wesen der verursachenden Kräfte und hat bei den norwegischen alten Strandlinien ebenso wenig wie bei jenen recenten etwas Befremdendes, wenn eben die Anschauung richtig ist, dass sie wirklich sind, was ihr Name besast, Folgen einer im Meeresniveau einst stattgehabten Einwirkung. Schon von vornherein mag diese Einwirkung?) nicht überall einen gleich breiten Felsabsatz hervorgerufen haben, sondern je nach der lokalen Heftigkeit des Angriffs und Widerstands- fähigkeit des Gesteins dürfte derselbe wohl selbst auf ge- ringere Strecken hin mehrfach in verschiedener Breite aus- gefallen sein. Wurde nun durch Hebung daraus eine „ehemalige Strandlinie“, so wird die unterhöhlende und fortreissende Thätigkeit des Meeres ebensowohl wie die Wirk- samkeit der Atmosphärilien wiederum aus denselben Gründen mit lokal mannichfach verschiedenem Erfolge an ihrer Zer- störung gearbeitet haben, und das Resultat wird für den ver- bleibenden Rest eine sehr ungleiche Breite der Strandlinien fläche (der Wegbahn) sein, wie diesdenn auch in Norwegen viel- fach thatsächlich zu finden ist. Am heftigsten wird davon der Aussenrand betroffen, das Constanteste aber an der ganzen Er- scheinung nothwendig der innere Rand, die Linie am Fusse der steilen Rückwand sein. Sie wird am dauerndsten die fort- laufende gleiche Niveaulinie darstellen, und sie ist es denn auch, welche sich, mindestens aus der Entfernung, selbst dann noch als fortlaufende horizontale Linie zu erkennen giebt, wenn von einer wegartigen Bahn kaum noch irgend etwas mehr zu spüren ist und es an Ort und Stelle schwer hält, die aus der Entfernung gesehene Linie überhaupt 1) Vergl. den höchst lehrreichen Bericht des Staatsgeologen der Republik Ecuador, Dr. Th. Wolf in Guayaquil, in R. Lehmann, Zur Strandlinienfrage. a. a. 0. S. 281 £. 2) Absichtlich unterlasse ich, hier die Art dieser Einwirkung spe- eieller zu bezeichnen, da gerade darüber die Ansichten mehrfach aus- einandergehn. 490 wiederzufinden. Auf sie als das stetigste Element, als die eigentlich entscheidende Niveaulinie wird daher unbedingt das meiste Gewicht zu legen sein, den Aussenrändern aber wird man als etwas mehr oder minder Schwankendem nur eine secundäre Bedeutung beizumessen haben. Die zuletzt bezeichnete Stelle, wo der äussere Rand der obersten Stufe zu 28,1m über dem Meeresspiegel ge- funden wurde, schien ganz besonders geeignet, ein Profil quer durch das ganze Unterland vom Fusse des steil auf- steigenden Inneren zum Meeresufer hin aufzunehmen. Es ist ungefähr die Gegend von a auf Figur 7. Der ge- wonnene Durchschnitt ist in Fig. 8 in gleichem Mass- stabe für Länge und Höhe so genau (natürlich in der Geradlinigkeit der Umrisse etwas schematisirt) dargestellt, als meine Beobachtungen dies überhaupt gestatteten. Das Profil weist 5 vollständig ausgeprägte Stufen (Nr. I-V) auf, alle in anstehendem Fels, mit sanfter Neigung der Oberfläche zur See hin und mit viel steilerem und deut- lichem Abfall vom Aussenrande der Stufenfläche zur nächst tieferen Stufe. Auf den oberen Rand der obersten Stufe (I) folgt aufwärts zunächst eine ziemlich steile Schutt- halde, dann mit noch steilerer Böschung der jähe Abhang des Berges. Bei den einzelnen Stufen wurde meist die Höhe des oberen wie des unteren Randes mit dem Baro- meter bestimmt, und nur bei den schmaleren Absätzen III und IV begnügte ich mich mit je einer Messung, welche dann ungefähr die mittlere Höhe angiebt. Die Breite der Stufen wurde abgeschritten und hiernach später in Meter umgerechnet, der Neigungswinkel des Abhanges zur näch- sten Stufe aber mit dem Klinometer bestimmt. Dieser Ab- hang tritt hier fast immer recht deutlich hervor, ist häufig im allgemeinen glatt, zeigt aber dabei oft tiefe Furchen, welche fast durchweg in der Richtung der Glimmerblätter der steil aufgerichteten Gneisschichten laufen, offenbar eine Folge intensiverer Zerstörung der leichter verwitternden Bestandtheile durch die Atmosphärilien, wie sich auch da- durch bestätigt, dass der Abhang, welcher von der fünften d. h. der jüngsten Stufe herunter führt, glatter ist als die übrigen und jene Furchen nicht aufweist. Was endlich die 491 Oberfläche der Stufen anlangt, so zeigt sich da mehr eine Ausebnung als eine eigentliche ganz vollständige Glättung, obwohl auch wirkliche Glättung weiter unten nicht ganz fehlt. Zu bequemerer Uebersicht stelle ich nun auch hier die einzelnen Messungsergebnisse schematisch zusammen: Nr | Höhe über dem Meeresspiegel | ; Neigungswinkel EN Breite der er in Metern a n des ‚Abhangs ; nr Meter, zur nächst tiefe- Stufe.| oberer Rand unterer Rand | etern ren Stufe, | I | 31,7 | 28,1 ca. 66 | 300 u | 21,7 | 1357 ca. 40 ca. 270 2) IlT, 14,5 ca. 12,6 ca. 260 IV 9,4 | 0.1 ca. 400 V 5,2 4,2 ca. 35 ziemlich steil 2) zur See hin, nicht gemessen. Die Skizze Fig. 7 ist auf der Rückfahrt vom Boote aus entworfen. So wie die Linien dort verzeichnet stehn, so ungefähr zeigten sie sich auf dieser Fahrt und nachher auch vom Kirchhofe von Aalesund, von dem aus die Stelle des genommenen Profiles nordnordöstlich liegt, mit völliger Klarheit. Namentlich der obere Rand der obersten und auch der zweiten . Stufe heben sich aus der Entfernung deutlich als langgestreckte gerade und horizontale Linien ab, während die anderen Grenzen der Stufen aus der Ent- fernung nur stückweise sich als Linien kennzeichnen. Doch trat der Endabfall der vierten Stufe bei der Rückkehr auf eine ganze Strecke hin sehr deutlich hervor, wogegen die 1) Am Ende dieser Stufe finden sich einzelne vorspringende Er- höhungen, von welchen dann wieder nach unten ein deutlicher steiler Abfail geht. Ihre Höhe (über dem Meere) bestimmte ich zu 22,0m. 2) Diese fünfte Stufe ist minder regelmässig. Ihr Abhang zur See ist ziemlieh steil und glatt, glatter als bei den übrigen und, wie schon erwähnt, ohne die tiefen Längsfurchen, welche der Richtung der Glimmerblätter parallel laufen. fünfte, nur wenige Meter über dem Meere stehende Stufe an verschiedenen Stellen sehr unregelmässig ist — wohl eine Folge der zerstörenden Angriffe des Meeres, denen gerade sie, und sie allein von allen, bei hohem Seegang noch ausgesetzt sein muss. Uebrigens mag die braune Ve- getationsdeeke, durch welche nur in kleineren, wenn auch sehr häufigen kahlen Flecken der nackte Fels hindurchsieht, dazu beitragen, dass die Linien nicht durchweg noch schärfer hervortreten. Vergleicht man nun diese alten Strandlinien von Kverve mit den vorher von Valderö erwähnten Niveaus, so zeigt sich zwischen beiden eine Reihe unverkennbarer Bezie- hungen. Da erinnert zunächst die schöne Stufe I (31,7 bis 28,1m) aufs deutlichste an die obere der beiden von mir auf Valderö gemessenen Terrassen (Nr. 1 auf Fise. 6, 34,2—29,3m) und den aus der Entfernung damit in gleicher Flucht laufenden Felsabsatz (Nr. I auf Fig. 6), dessen Höhe ich demnach zu ca. 30m annahm, sowie an Nr. 4 in der Liste von Valderö (29,7 m). Die Stufe II (21,7—19,7m) von Kverve erinnert an Nr. 5—9 sowie i4 und 16 (22,3; 20,3; 20,5; 24,0; 23,8; 22,6; 23,1m) der Valderöer Liste und die oberste von Reusch angegebene Terrasse (23,53m, siehe oben S. 482). Stufe III (14,5m) scheint mit Nr. 13 und 15 (12,4 resp. 13,5m) sowie dem oberen Rande der unteren von mir auf Valderö gemessenen Terrasse (13,1m) und Reusch’ mittlerer Terrasse (12,55m) einige Verwandtschaft zu haben. Ebenso Stufe IV (9,4m) mit dem unteren Rande meiner unteren Valderöer Terrasse (9,2m) und vielleicht Reusch’ unterer Terrasse (7,84m). Stufe V endlich könnte vielleicht jener untersten Ter- rasse auf Valderö entsprechen, von der ich oben ($. 478) bemerkte, dass ich sie minder scharf ausgeprägt gefunden, und die ich daher nicht gemessen. Es scheint mir nicht angezeigt, in diesen Betrachtungen noch weiter zu gehen. Dazu würde dieses Material doch bei weitem nicht ausreichen. Meine Zeit gestattete nicht, diese Messungen weiter auszudehnen, und was ich so gewon- nen, ist eben nur genügend, die Existenz dieser Erschei- 493 nungen zu constatiren und auf einige Beziehungen unter denselben hinzuweisen. Eine systematische Nachforschung auf den ganzen Inseln der Aalesunder Gegend und eine genaue Messung aller dabei gefundenen alten Niveaulinien mittels Nivellements von geübter Hand würde gewiss ein höchst schätzbares Material und die Grundlage zu wichtigen - Schlussfolgerungen liefern, ein Material, das im kleinen sich dem durch Pettersen in der Umgegend von Tromsö ge- schaffenen an die Seite stellen dürfte. Aber dergleichen ist für den durchreisenden fremden Forscher, dem es vor allem um eine Reihe neuer Anschauungen und Anregungen zu thun sein muss, schlechterdings unmöglich. Möchten daher diese geringen Ausführungen, welche in Norwegen nicht ganz unbekannt bleiben werden, dazu anregen helfen. dass einmal von einheimischer, womöglich unmittelbarster einheimischer Seite die Sache in die Hand genommen wird. Gerade die Linien von Kverve möchten da einen recht hüb- schen Ausgangspunkt bieten, und es dürfte sich wohl, wenn man erst sucht, auch noch mancherlei Anderes finden. Am Morgen des 16. September ging ich in Aalesund wieder zu Schiffe, um mich weiter nach Molde zu begeben. Trotz Regenwetters sah ich nun im Vorbeifahren auch auf der Westseite von Kverve deutlich mehrere alte Strand- linien über einander, wovon namentlich zwei lang und zu- sammenhängend. Jedenfalls sind dies Fortsetzungen der am vorhergehenden Tage auf der Südseite constatirten Linien. Anscheinend im Niveau der obersten Stufe erblickte ich auch eine kleine Höhle, die ich jedoch bei der schnellen Vorbeifahrt nicht genauer betrachten konnte. Auch auf der Weiterfahrt sah ich in dieser Gegend überall einzelne Stücke horizontaler Linien. Auffallend war mir ferner, dass in der Gegend von Aalesund und auch ein langes Stück nordwärts von dort ganz regelmässig die Inseln am Fusse ihrer hohen und steil aufsteigenden Berge des Inneren, ganz ähnlich wie Fig. 6 und 7 dies von Valderö und Kverve zeigen, ein mehr oder minder breites, flaches und sanft seewärts geneistes (felsiges) Vorland haben, welches hier und da auch Terrassenlinien erkennen lässt 494 und überall annähernd dieselbe Höhe hat. Ob das Gleiche auch auf der dem offenen Meere zugekehrten Aussenseite der Fall ist, was nach Reusch) sowie nach meinen eigenen Wahrnehmungen am Statland einigermassen zu bezweifeln, konnte ich, da das Schiff sich stets innerhalb des Scheeren- gürtels hielt, natürlich nicht sehen. Es kommt auf diese Weise häufig eine Art Hutform heraus, wie sie sich auch anderwärts mehrfach findet und hier und da geradezu zu entsprechender Benennung den Anlass gegeben hat, so z.B. bei dem schönen Bremsneshat (Hat norweg. = Hut) süd- westlich von Christiansund und dem berühmten Torghat (650 24° n. Br., Nr. 27 der Abh. über ehemal. Strandlinien u.s. w.), den Fig. 9 in seiner Ansicht von der Südseite nach einer Zeichnung von Prof. Mohn darstellt. Fig. 9. Der Torghat, von Süden gesehen. Die breite horizontale Grundfläche liegt 109, die Spitze 252m über dem Meere. Gesteinsart: Granit.?) 1) H. Reusch, Traek af Havets Virkninger paa Norges Vestkyst S. 226 ff. 2) Der Torghat ist im Jahre 1879 durch H. Reusch, Assistent bei der geologischen Landesuntersuchung von Norwegen, von neuem unter- sucht worden. Der Hauptberg, sagt derselbe in seinem Bericht „Torg- hatten og Kinnekloven* (Nyt Magazin for Naturvidenskaberne Band XXV]J, Heft 1, Christiania 1880) S. 70, „ist von einer ganzen Anzahl niedrigerer Felsmassen von verschiedener Höhe umgeben. Wenn man den Torghat aus grösserer Entfernung betrachtet, kann man diese niedrigeren Felsmassen, welche durch kleine Thäler von einander ge- trennt und von Klüften durchsetzt sind, nicht im einzelnen unterschei- - den; dann sieht es aus, wie wenn sich ein zusammenhängender Absatz rund um den Fuss des Hauptberges herum erstreckte. Das ist, was von der Phantasie als die „Krempe des Hutes“ aufgefasst wird.“ Es ist also, wenn auch mit geringeren Unregelmässigkeiten, hier im all- gemeinen ähnlich, als wie ich oben von der Südseite Valderö’s mitge- 495 Dass man es bei diesen stets wesentlich felsigen nie- drigen Vorlanden mit einer den alten Strandlinien ver- wandten Erscheinung zu thun hat, dürfte kaum zu bezwei- feln sein, und nicht selten zeigt sich, wie dies z. B. Mohn auch aus der Gegend von Lepsö angiebt (Nr. 34 des Ver- zeichnisses unten S. 522 ff.), gerade an der Grenze des Un- terlandes gegen das hohe Innere eine horizontale Linie. Weiter sah ich auf der Südseite der westlichen Fort- setzung des Mifjord, zwischen dem Samsfjord und dem Vatnefjord, ca 62° 37° n. Br., zwei niedrige Strandlinien, von denen die sehr deutliche obere theils in anstehendem Fels, theils auch wohl, wie es schien, in losem Material läuft und weithin ganz scharf zu verfolgen ist, während die untere nicht so lang zusammenhängend deutlich ausgeprägt ist. Auch gegenüber Station Drönnen zeigten sich diese Linien immer mehr oder minder deutlich fortgesetzt und ebenso auf der Südseite des eigentlichen Mifjord (62° 38° n. Br.) zu beiden Seiten des Vestrefjord, wo schon die Offiziere des Regierungs- Vermessungsdampfers „Hansteen“ im Jahre 1876 eine ausgezeichnete Linie, wohl die obere, constatirten und deren Höhe zu 32m über dem Meere be- stimmten (No. 36 des Verzeichnisses unten Seite 522 fl.). Dieselben beiden Linien zeigten sich ferner theilweise auch gegenüber auf der Nordseite des Fjords, wo ebenfalls bereits die Offiziere des „Hansteen“ auf der Südseite von Mien eire Linie bemerkt und zu 29m über dem Meere be- stimmt haben (Nr. 37 der Liste unten Seite 522 ff.); aber sie traten dort nicht so gut hervor als auf der Südseite des Mifjords.. Nicht minder sind beide Linien weiter östlieh bei Rekdal (Südseite des Mifjord) und gegenüber auf der Südseite von Otterö zu sehen. Hier bei Rekdal ist die niedrigere Linie die deutlichere und lassen sich darunter Spuren noch niedrigerer Strandlinien erkennen. theilt: im einzelnen — wohl eine Folge späterer Zerstörungsvorgänge — mancherlei Störungen der Ordnung, im ganzen dagegen, wie dies der Bliek aus der Entfernung zeist, (noch immer) volle Regeimässigkeit. — Uebrigens ist, wie die Abbildung zeigt, bei dem Torghatfelsen auch noch eine zweite, niedrigere Krempenbildung vorhanden, welche den erwähnten niedrigen Vorlanden entsprechen dürfte. Zeitschr. f. d. ges, Naturw. Bd, LIV, 1881. 33 496 In dem Ausgang des kleinen Thales (Rekdal) befinden sich hier zugleich zwei schöne Terrassen, von denen die untere in gleicher Flucht mit der unteren der beiden erwähnten Strandlinien liegt, während mir die obere Terrasse mit einem noch etwas höheren Strandlinienniveau in Beziehung zu stehen schien, das ich weiter westlich nicht, oder höch- stens in kleinen Stücken als alte Strandlinie in anstehendem Fels bemerkt habe, während es sich dagegen weiter östlich findet. Es liegen hier also, wie es scheint, mehr als 2, wohl mindestens 3 Strandlinienniveaus vor, und correspon- dirend sind denn auch östlich von Rekdal (immer noch auf der Südseite des Mifjords) stellenweise drei Terrassenstufen vorhanden. Auf den beiden oberen derselben liegt östlich von Rekdal eine Anzahl von Häusern. Die untere dieser drei Terrassen scheint mit der unteren der vorerwähnten Strandlinien zu correspondiren. Noch weiter östlich, wo der Abhang bewaldet ist, ist dann, wenigstens vom Schiffe aus, nichts mehr dergleichen zu sehen. Doch treten bei Gjelsten auf der Westseite der Mündung des Tombrefjord ') im Ausgang eines kleinen Thales wieder die drei Terrassen tiber einander auf. Auf der Südseite von Tauterö im Moldefjord, westsüd- westlich von Molde, bemerkte ich ebenfalls 2 niedrige Strandlinien in anstehendem Fels, und ebenso auf dem Fest- lande?) südlich von dieser Insel, südwestlich von Molde 1) „Tombrefjord“ und „Gjelsten“ schreiben „Norges Communica- tioner“, und ich habe daher diese Schreibart als die geläufigste an- sehen zu müssen geglaubt. Die im Jahre 1877 erschienene officielle Specialkarte vom Molde- und Romsdalsfjord schreibt „Tommelfjord“ und „Jelsten*. Auf anderen Karten finde ich „Tomr-“ oder „Tomre- fjord“; ebenso „Midfjord“ neben „Mifjord“, „Drönen“ neben „Drönnen* u.8.w. Diese Beispiele mögen ein wenig den grossen Uebelstand il- lustriren, welcher bei allem Studium norwegischer Topographie oftmals hemmend entgegentritt, das überaus häufige Schwanken in der Schreib- - weise der Namen. 2) Der steuernde Matrose, den ich zu meiner Orientirung befraste, sprach hier von einer Insel, ohne freilich ihren Namen nennen zu können. Indess es liegt dort keine Insel, und es kann sich daher nur um das halbinselartige Festlandsstück ZW lEDen Tombrefjord und Tresfjord handeln. 497 (zwischen Tombrefjord und Tresfjord). An letzterer Stelle ist die obere Linie auch durch den Wald hin zusammen- hängend und sehr deutlich zu verfolgen, die untere dagegen nur stellenweise zu sehn. Anscheinend sind es hier immer dieselben Niveaus wie zuvor. Ferner ist auf der Südwest- und namentlich der West- seite der Halbinsel, auf welcher Molde liegt, also westlich von Molde, eine ganz deutliche Strandlinie zu sehn. Es ist eine ziemlich breite Stufe am Fusse steil aufsteigender Berge. Andeutungen derselben sowie einer noch niedrigeren Linie finden sich auch auf dem gegenüberliegenden Theil der Süd- resp. Südostseite von Otterö, und zwar dort in Correspondenz mit. 2 deutlichen Terrassen bei Nordre Hegdal.!) Da ich die von Kjerulf 2) auf der Nordseite des Isefjords dicht bei Station Näs angegebenen hohen Strandlinien zu besuchen wünschte, so stieg ich in Molde nicht aus, sondern fuhr gleich über Vestnäs nach dem genannten Orte weiter. Auf dieser Fahrt bemerkte ich nun auch auf der West- und Nordseite der Insel Säkken im Romsdalsfjord südöstlich von Molde mit einigen Unterbrechungen eine ganz deutliche Strandlinie, welehe wohl dem oberen der beiden vorerwähn- ten Niveaus entspricht. Diese Linie von Säkken trat (es war am früheren Nachmittag) von Nordwesten deutlicher ins Auge als von Westen. Zwei Beobachtungen sind es, die man wohl regelmässig macht, wenn man aus dem Scheerengürtel landeinwärts in das Innere der Fjorde kommt: 1) der Wald, den man draussen ganz vermisste, stellt sich allmählich ein und nimmt, soweit nicht das Relief und sonstige geologisch be- dingte Verhältnisse es hindern, fjordeinwärts zu; 2) das Wetter wird immer besser. Während draussen dichter Regen 1) Der auch über diese Oertlichkeit befragte steuernde Matrose nannte Större Hegdal; indess einen solchen Hof finde ich auf der er- wähnten Specialkarte des Molde- und Romsdalsfjords (Massstab 1 : 50000) nicht, wohl aber Nordre Hegdal, und nach der ganzen Lage der Du kann auch nur dieses gemeint sein. 2) Geologie des südlichen und mittleren Norwegens S. 20. 33* . 498 fällt und ein ununterbrochenes Grau den Himmel bedeckt, kann im Innern der Fjorde das schönste helle Wetter sein. Beide von mir oft gemachte Erfahrungen bestätigten sich auch hier: Das Wetter hellte sich schon vor Molde voll- ständig auf und begünstigte insofern meine Beobachtungen, aber die Bewaldung der Hänge zeigt sich weiter östlich bald in so starkem Masse, dass schon dadurch etwa vor- handene alte Strandlinien grossentheils verhüllt werden müssen. Denn an bewaldeten Bergeshängen treten oftenbar nur besonders scharfe Strandlinien deutlich hervor, nämlich solche, wo sich ein bestimmter mehr oder minder breiter Felsabsatz in einiger Ausdehnung findet. Hier im Innern des Fjords und seiner mannichfachen verschieden benannten Verzweigungen sind die Hänge, selbst steilere — und ziem- lich steil sind dieselben hier fast stets, so dass sich auch Culturlande fast nur an den Ausgängen der Thäler auf den dort vorhandenen Ablagerungen losen Materials vorfinden — fast überall mit Wald bedeckt, und nur die allerschrofi- sten sind kahl. So habe ich denn auch auf dieser ganzen Fahrt bis Veblungsnäs und Näs nichts Zusammenhängendes von alten Strandlinien in anstehendem Fels mehr, sondern nur einzelne kleine, nicht immer sichere Bruchstücke solcher gesehn. Dagegen fehlt es in den Mündungen der Thäler an Terrassen nicht, und finden sich solche in wunderschön regelmässiger, wahrhaft typischer Ausgestaltung namentlich bei den Stationen Veblungsnäs und Näs. Auch sonst ent- schädigte reichlich die in immer neuen Bildern wechseinde srossartig schöne Scenerie mit häufigen Durchblicken auf die in Norwegen sonst (mit Ausnahme der Jötunfjelde) so seltenen spitzen und scharfgratigen Berge von Romsdal. Es war schon am späten Nachmittag, als das Schiff in Näs anlangte, und wollte ich nicht genöthigt sein, mehrere Tage auf neue Schiffsgelegenheit warten zu müssen, so hatte ich hier nur bis zum andern Morgen Zeit. Einiger- massen entmuthigend war, dass ich von den gesuchten hohen Strandlinien weder vom Schiffe noch vom Lande aus etwas zu erspähen vermochte. Doch liess ich mich sofort in einem Boote auf die Nordseite des Isefjords übersetzen, um an Ort und Stelle mein Heil zu versuchen. Mit dem Barometer in 499 der Hand stieg ich auf einem Säterweg in der Gegend, wo ich nach der Angabe die Strandlinien vermuthen zu dürfen. glaubte, empor, hielt öfter Umschau, visirte nach den Seiten u.8.w. Aber was ich aus der Entfernung nieht erkannt hatte, fand ich nun erst recht nicht, freilich auch mehr und mehr behindert durch die immer ungünstiger werdende Be- leuchtung. Nachdem ich bis weit über die von Kjerulf an- gegebenen Höhen (siehe Nr. 42 des Verzeichnisses unten Seite 522 ff.) emporgestiegen, nöthigte die Dunkelheit mich, unverrichteter Sache nach Näs zurückzukehren. Am andern Morgen (17. September) war ich bei Tages- anbruch wieder auf. Die Luft war wundervoll klar, aber auch da konnte ich weder mit dem blossen Auge noch mit dem Fernglas recht bestimmt entdecken, was ich suchte. „An einer Stelle gegenüber der Terrassenspitze zwischen Näs und Veblungsnäs,“ so schrieb ich dort in mein Tage- buch, „ist ein anscheinend ziemlich horizontaler Felsabsatz, und weiter westlich ist auf der Nordseite ein längerer ho- rizontaler Streifen, worauf eine Anzahl von Häusern und Ackerland. Aber die Höhe ist viel geringer als die von Kjerulf angegebenen Zahlen, und es scheint mir überdies eine Terrasse aus loser Material mit immerhin festem Unter- bau zu sein.“ Auf der Rückfahrt nach Molde bemerkte ich südlich von dieser Stadt auf der Nordostecke der Festlandhalbinsel westlich von Säkken, nördlich von Station Vestnäs einige Felsabsätze im Walde in gleicher Flucht mit einander, welche wohl als Trümmerstücke einer alten Strandlinie anzusehen sind. Auf der Nordseite liegen etwas weiter hin einige Häuser auf einem horizontalen Vorsprung auf grüner Fläche, anscheinend im gleichen Niveau. Das letztere stimmt, soviel sich von der See her beurtheilen lässt, mit dem auf der Westseite von Säkken, wo die schon oben er- wähnte Strandlinie jetzt zu Mittag, jedoch mit 2 Unter- brechungen des Zusammenhangs, sehr klar zu sehen war. In Molde verliess ich das Schiff, um am Nachmittag in freundlicher Begleitung des Herrn Oberlehrer Dietrichson daselbst die Stufen zu besichtigen, welche sich nördlich über der Stadt befinden und mir theilweise schon von früher her 500 bekannt waren. Das Gestein ist da, wo wir emporstiegen, ein Gneis, welcher unter einem Winkel von ca. 58° nach dem Fjord: zu einfällt. Wo also breitere horizontale, resp. annähernd horizontale Absätze desselben sich finden, da müssen dieselben als Ergebnisse einer horizontal wirkenden Erosion betrachtet werden. Ich bestimmte die Höhe eines nördlich über Molde gelegenen ziemlich horizontalen Fels- absatzes zu 33m über dem damaligen Wasserstande. des Fjordes. Ein anderer, westlich davon gelegener, steht da- mit anscheinend in Correspondenz. Zwischen beiden findet sich Terrassenmaterial, doch keine regelmässige Terrasse. „Bei weiterem Hinaufsteigen fanden wir“ — ich excerpire hier wieder wörtlich mein Reisetagebuch — „noch mehrere solcher Stufen, immer stückweise ziemlich horizontal, dann unterbrochen und ein Stück weiterhin anscheinend fortge- Setzt, sonst loses Land, anscheinend auf mehr oder minder tief liegendem felsigem Grunde, der an der Abgrenzung der Stufen deutlich hervortritt. Offenbar sind hier ehemalige Meeresniveaus vorhanden, doch kann ich nicht mit Be- stimmtheit hier von „alten Strandlinien in anstehendem Fels“ sprechen, wiewohl dies an einzelnen Stellen, nämlich wo an dem Steilaufstieg jedesmal der Fels hervortritt, so scheinen möchte. Ganz oben erblicken wir im nicht eulti- virten, unregelmässig mit Heidekraut, Gestrüpp und ein- zelnen Bäumen bewachsenen Gebiet etwas, was uns be- stimmter wie eine Strandlinie aussieht, können die Stelle aber beim Hinaufsteigen nicht deutlich wiederfinden. Die Bewachsenheit und namentlich auch die Bäume sind hier der genaueren Feststellung hinderlich.“ Jedenfalls ver- dienen diese Stufen bei Molde eine umfassende und einge- hendere Untersuchung, und zwar dürfte es dabei zweck- mässig sein, sie erst aus der Entfernung so genau als mög- lich zu zeichnen und dann eine Anzahl bestimmt ins Auge gefasster resp. auf der Zeichnung vermerkter Anhaltspunkte an Ort und Stelle aufzusuchen, ihre Höhe zu bestimmen u.8.w. Vielleicht, dass sich dann auch bei eingehenderem Suchen auf den Felsvorsprüngen gewisse fortlaufende Ni- veaustufen constatiren lassen, die mir bei den wenigen Pe 0, Versuchen, welche die beschränkte Zeit nur gestattete, u 501 finden nicht gelang. Auf alle Fälle ist es ein bedeutsamer Fingerzeig, dass die vorerwähnte Höhe von 33 Metern mit der von den Offizieren des „Hansteen* auf der Südseite ‚des Mifjord zu beiden Seiten des Vestrefjord bestimmten Strandlinienhöhe von 32m nahezu übereinstimmt. Lange vor Tagesanbruch war ich am folgenden Morgen (18. September) wieder auf dem Fjord, um das Schiff zu besteigen, welches mich weiter nach Christiansund führen sollte. Ich konnte daher auf der ersten Strecke der Fahrt noch keine Beobachtungen machen. Doch wurde es, da das Wetter sehr gut war, schon im Julsund (zwischen Ot- terö und der Festlandshalbinsel, auf welcher Molde liegt) hell genug, um die bereits am vorhergehenden Tage aus weiterer Entfernung dort bemerkten Linien (siehe oben S. 497) wiederzufinden. Die auf der Halbinsel ist offenbar an der ganzen Westseite derselben vorhanden, doch ist ihr Strand- linieneharakter in dem nördl. Theile entschieden deutlicher als in dem südlichen. Es ist ein mehr oder minder breiter horizontal fortlaufender Felsabsatz, von dem dann die Berge ziemlich steil aufsteigen, und welcher ab und zu durch in gleicher Flucht laufende Terrassen unterbrochen wird. Ebenso sind auf der anderen Seite des Sundes, auf der Ost- seite von Otterö entsprechende Felsabsätze resp. niedrige Vorlande am Fusse des hoch und schroff aufsteigenden In- neren, doch ist hier der Liniencharakter nicht so scharf. Auch hier findet sich öfters ein Wechsel zwischen Strand- linien- und Terrassenstücken, was übrigens, wie schon früher erwähnt, gerade am besten beweist, dass es sich hier wirk- lich um ehemalige Strandlinien handelt. Scharf ausgeprägt, doch meist als Terrasse aus losem Material auftretend, findet sich die westliche Niveaulinie auch auf der Ostseite des südlichen Theiles der Insel Gorsen (nördlich von Otterö), welcher, wie übrigens die ganze Insel, niedrig ist und oben ein ähnliches Aussehen hat wie Giskö bei Aalesund (vgl. oben 8.485). Dagegen sind auf der Ostseite des nördlichen Theiles von Gorsen nur verschiedene unzusammenhängende Strandlinienstücke von verschiedenen Niveaus zu erkennen. Nördlich von Gorsen hören auf eine ziemliche Strecke die grösseren Inseln auf, und nur eine Anzahl kleiner und 502 ag niedriger Felseninseln resp. Klippen umsäumt hier die Küste. Es ist dies das Boddyb und der wegen seines offenen Wassers und darum höheren Seeganges von allen zu See- krankheit Neigenden gefürchtete Hustadvik. Auf der Nord- ostseite des Boddyb ist ebenfalls mehrfach ganz niedrises, meist felsiges Land; doch befinden sich zwischen den nie- drigen Felsrücken auch Culturlande, welche mit einer grös- seren Zahl von Häusern bestanden sind. Von diesem nie- drigen felsigen Vorland aber steigen oftmals im Hinter- srunde auf einmal die Berge ziemlich steil empor. Da an eine horizontale Schichtenlagerung im südlichen Norwegen selten zu denken ist, so war ich hierbei fast versucht, diese breiteren niedrigen Vorlande als nichts so wesentlich An- deres zu betrachten, als die oft erwähnten schmaleren, bei denen am Fusse der Berge eine bestimmte horizontale Linie hervortritt, nämlich als eine sehr breite aber sehr unregel- mässige resp. stark zerstörte Strandlinienbildung. Doch würde natürlich eine viel genauere Besichtigung und Unter- suchung nöthig sein, ehe sich solche Ansicht mit Bestimmt- heit aussprechen liesse. Nicht ganz sicher bin ich nach meinen Tagebuchnotizen in der genauen Unterbringung einer Strandlinie, welche ich in der Gegend von Kvitholmens Fyr und Hestskjär Fyr (südwestlich von Christiansund) bemerkte. Ich hatte für diese Partie auf der Hinreise leider keine Speecialkarte, sondern nur die grosse Reisekarte von Munch im Massstab von etwa 1:700000 zur Verfügung, und bei dem Gewirr ‘von Holmen und kleinen Inseln, welche dort theils vor dem Festlande, theils vor der grösseren Insel Averö liegen, ist gerade an dieser Stelle die genaue Orientirung nicht ganz leicht. Ich notirte wörtlich: „Nordwestküste der Halbinsel, auf welcher Bod liegt, bei Vidholmen eine entschiedene nie- drige Strandlinie in anstehendem Fels und damit verbunden ein schmales niedriges Vorland, welches in deutlicher Linie gegen die steil, stellenweise ganz schroff aufsteigenden Berge abschneidet. Das Niveau ist ungefähr wie im Molde- fjord auf Säkken u.s. w.; in selber Höhe ungefähr hier fast überall niedrige Vorlande.* Dazu machte ich bald da- rauf den Zusatz: „Die Strandlinie liegt nordöstlich von 503 Kvitholmens Fyr und südsüdwestlich von Hestskjär Fyr“ (dessen Name mir von dem steuernden Matrosen genannt wurde). Eine halbe Stunde nach der ersten Notiz aber fügte ich die Bemerkung hinzu: „Jetzt sehe ich, dass die Linie sich auch östlich von Hestskjär Fyr am Fusse der höheren Berge (Averö’s) fortsetzt.“ Auf der Rückfahrt am - 20. September gegen Abend notirte ich wiederum: „Deut- liche Linie als Grenze des schmalen niedrigeren Landes gegen den Fuss des steiler aufsteigenden höheren Landes (ansehnlicher Berge) auf Averö zu beiden Seiten von Kvitholmens Fyr.“ Es unterliest demnach zwar keinem Zweifel, dass sich der nordöstliche Theil der Strandlinie auf der Westseite der nördlichen Halbinsel von Averö und zwar wohl nieht weit vom Bremsneshat (südwestlich von Christiansund) befindet, und auch H. Reusch!) sagt bei Beschreibung der Bremsnes- höhle auf Averö: „Unterhalb der Höhle hat man einen deutlichen Absatz im anstehenden Fels, 52m über dem Meere, vermuthlich eine Strandlinie“ Aber ob die weiter süd- westlich gelegene Fortsetzung auch auf Averö oder doch vielleicht auf der erwähnten Festlandshalbinsel gelegen ist, muss späterer Controlle vorbehalten bleiben. Jedenfalls findet sich ein Vidholm auf der betreffenden Specialküsten- karte (Massstab 1:50000) nicht, und kann ich mich in dieser Beziehung nur einfach verhört haben. Bei der Einfahrt in Christiansund, wo ich !/,11 Uhr Vormittags anlangte, erblickte ich deutliche Strandlinien im Südosten auf Freiö.?) Christiansund, diese ganz und gar auf dem Fischhandel bestehende Stadt, der grösste Klippfischmarkt Norwegens, liegt auf drei Inseln Kirkelandet, Nordlandet und Indlandet, auf welchen vielfach die gerundeten kahlen Felsen hervor- sehen, und zwischen welchen die Verbindung mit Booten und kleinen Dampfschiffen hergestellt wird. Schon bei der 1) In dem schon eitirten Aufsatz „Torghatten og Kinnekloven“ Seite 90. 2) „Freiö“ schreibt die Special-Küstenkarte. Sonst findet man vielfach „Fredö“. 504 Einfahrt hatte ich auf diesen Inseln hier und da Felsab- sätze bemerkt, welche mir wie Strandlinienstücke aussahen. Ich machte sogleich einen Spaziergang nach den Felsen auf der Nordseite des Sörsundes auf Kirkeland, und da ich dort mancherlei Interessantes fand, so wiederholte ich denselben am Nachmittag in freundlicher Begleitung des Herrn Adjunkt Larsen daselbst. Da findet sieh zunächst auf der Südseite des unmittelbar nördlich vom Sörsund ge- legenen Felsrückens in einer Höhe von 33,3m über dem Meeresspiegel „eine Anzahl langgestreckter, annähernd ho- rizontal und in einer Reihe liegender Unterhöhlungen® — ich excerpire hier abermals wörtlich die an Ort und Stelle gemachten Notizen meines Tagebuches — „mit innerer Glättung. Die Unterhöhlung reicht an dieser Stelle, soweit man zukommen kann, 2,6m weit hinein. Die überhängende Felsmasse (Gneisgranit) ist brüchig und hat sich augen- scheinlich theilweise gesenkt. Einzelne bis handgrosse Aus- höhlungen in derselben aufihrer Aussenseite und mit einer von unten nach oben gehenden Längsrichtung (von aussen nach innen zu) können nur durch Ausspülung von unten entstanden sein.“ Unmittelbar vor dieser Reihe von Aushöhlungen liegt ein schmaler Felsabsatz. ‚Auf der anderen (nördlichen) Seite dieses selben Rückens findet sich ein ganz deutlicher Horizon- talabsatz 36,1m über dem Meere. Dieser wunderschöne Fels- absatz ist 70 Sehritt lang ganz deutlich und scheint völlig horizontal zu sein. Seine Breite beträgt 4m an der breitesten Stelle. Auf der Innenseite, am Fusse der steilen Rück- wand, zeigen sich wieder dieselben horizontal hineingehen- Gen Unterhöhlungen, hier an einer Stelle, soweit man sehen kann, wohl an 5m weit hinein. Mehrere grosse Blöcke, die bereits heruntergestürzt sind, liegen in der Nähe, andere sind schon lose. Die Unterhöhlungen zeigen innen wieder ganz deutlich Glättung. Auf diesen Horizontalabsatz folgt nach unten ein Abhang von ca. 35° Neigung. An der oberen Kante des letzteren ist einige Abrundung vorhanden, sowie er auch eine beckenförmige Ausarbeitung und über- haupt deutliche Bearbeitung zeigt. Der klar zu erkennende Fuss dieses regelmässigen Abhanges liegt 28,2m über dem Meere.“ ö RER FAN 505 Mir scheint diese Stelle überaus lehrreich zu sein und gleichsam einen Blick in die Werkstätte der Strandlinien- bildung zu gestatten. Durch Lagerungsverhältnisse des Gesteins sind die vorhandenen Absätze in keiner Weise zu erklären, und es leuchtet ein, dass, wenn die Decke der horizontalen Unterhöhlungen niederbricht, die Stufen um ebensoviel verbreitert werden müssen. Ein Theil ist schon heruntergebrochen, das beweisen die erwähnten Bruchstücke, ein anderer ist infolge ungenügender Unterstützung im Be- sriff dazu, das zeigen die erwähnten Risse. Nur eine im allgemeinen horizontal wirkende Kraft kann hier thätig ge- wesen sein, und es ist gewiss ein naheliegender Schluss, dass die horizontalen Absätze demselben Bildungsvorgang entstammen wie die horizontal in den Fels hineingehenden, vorwiegend in der Horizontalriehtung ausgedehnten Höhlen. Diese aber kann der Natur der Sache nach nur das Was- ser erodirt haben, welches dazu immerhin vorhandene Ge- steinsbruchstücke mit als Werkzeuge benutzt haben mag. Die innere Glättung, namentlich auch der oberen Wand, ist hier bezeichnend. Nicht minder beweisen die an kleine Riesentöpfe erinnernden schräg nach unten (und zwar nach auswärts) geöffneten Höhlungen eine Wasserwirkung von unten, die Auswaschung durch an den Felsen emporschla- sende Wellen. Kurz, wir sehn hier, wie „Strandlinien“ durch Wasser an den Felsen, und zwar an harten Felsen, gebildet werden können, ja, wie das Meer überhaupt Felsen abzutragen vermag: unten wird ein Einschnitt gemacht, und von oben stürzt soviel Gestein nach, als hierdurch der genügenden Unterlage beraubt wird. Was aber herunter- stürzt, wird, sofern es im Bereiche der Wellen liegen bleibt, von diesen weiter aufgearbeitet und eventuell fortgeschafit. Die Einschnittlinie wird zur Horizontalbahn der Strandlinie, ‚durch Nachstürzen des Gesteins aber wird die steile Rück- ‚wand gebildet, welche natürlich um so höher ausfallen wird, Je tiefer der Einschnitt und je steiler die Böschung des Felsenhanges ist. !) 1) Es ist für diese ganze Arbeit Grundsatz, um nicht Theorie und Beobachtung zu sehr mit einander zu vermengen, an die mitgetheilten 906 Am folgenden Tage (19. September) führte mich Herr Adjunkt Larsen hinüber nach Freiö (Fredö), wo ich die bereits von Mohn beschriebene und abgebildete Strandlinie (Fig. 10) zu besuchen wünschte. Fig. 10. Alte Strandlinie in anstehendem Fels auf Freiö, von Christiansund aus gesehen. Unsere Beobachtungen begannen 9 Uhr 15 Min. Vor- mittags und endeten Nachmittags 2 Uhr 40 Minuten. Der Barometerstand im Meeresniveau wurde zu Anfang und zu Ende abgelesen und ergab während dieser Zeit ein Steigen im Gesammtbetrage von 0,7 mm, während die Temperatur ‚gleichzeitig um 2° Celsius stieg, der Wind erst frisch, dann mässig aus Südost wehte, der Himmel fortdauernd halb be- deckt blieb.!) Wir landeten auf der Nordwestseite Freiö’s, ungefähr südlich von dem auf Indlandet gelegenen Gaard Skjerve (genau genommen ein wenig weiter östlich). Schon vom Boote aus glaubte ich hier eine ganz niedrige Strand- linie in einzelnen Stücken zu sehen. Die Höhe eines solchen annähernd horizontalen Stückes bestimmte ich zu 6,1m über dem Meere, und muss dasselbe um so mehr als Wahrnehmungen möglichst nur solche Erörterungen kurz anzuknüpten, welche sich unmittelbar aus denselben ergeben. Ich begnüge mich daher auch hier mit diesen wenigen Bemerkungen. Aber ich weiss sehr wohl, dass eine Menge von Specialfragen sich hier weiter an- schliessen, und werde nicht verfehlen darauf einzugehn, sobald ich dazu komme, die Strandlinienfrage im ganzen aufs neue vorzunehmen. 1) Ich erwähne dies alles, weil es sich hier zum Theil um die Controlle von Höhenbeobachtungen handelt, welche von viel geübterer und erfahrenerer Seite gemacht sind. 507 ein wirkliches Strandlinienbruchstück ansehen, als sich in gleicher Flucht damit eine verstürzte Höhlenbildung be- findet. Der Ort liest ganz unweit unserer Landungsstelle, ungefähr südlich des erwähnten Gaards Skjerve. Sodann bestiegen wir, uns etwas südöstlich wendend, die grosse und langgestreckte Strandlinie, welche man von Christiansund aus so deutlich sieht (Fig. 10), und machten südlich des südlichen Ausganges des Markus-Sundes (welcher die Inseln Indlandet und Nordlandet trennt), südwestlich vom Gaard Nyland (auf Freiö) und westlich von Bolgen die erste Höhenbeobachtung. Dieselbe ergab nach meiner späteren Berechnung 68,0 m über dem ungefähren Mittel- wasserstand des Meeres. In demselben Niveau befindet sich an dieser Stelle die Sohle des Ausganges einer be- deutenden, oben offenen, schluchtartigen Höhlenbildung. Das Gestein ist ein Gneisgranit, welcher ziemlich steil, im Mittel meiner Messungen unter einem Winkel von 45°, zum Fjord (Bolgsvaet) hin einfällt. Die Längsrichtung der Höhle steht ungefähr senkrecht auf der der Strandlinie. Die Länge beträgt 50 m, die Breite am Ausgang der tieferen Kluft 51/, m; die grösste Höhe der Seitenwände (am inneren Ende) schätzten‘wir auf etwa 25 m. Die Sohle der Höhle scheint, soweit die weiter einwärts ziemlich starke Belegung mit grossen Blöcken darüber überhaupt ein Urtheil gestattet, annähernd horizontal in den Fels hineinzugehen. Die Seiten- wände convergiren ganz schwach nach innen und sind ziemlich eben, was allem Anscheine nach mit ursprünglichen Ablösungsflächen zusammenhängt; doch sehen sie hier und da in ihren tieferen Theilen auch etwas nach Scheuerung und Glättung durch Wasserwirkung aus. Das innere Ende der Höhle zeigt scharfkantige Unebenheit. Viel grosse Blöcke, welche mindestens zum Theil wohl von dem Zu- sammenbruch eines früher vorhanden gewesenen Daches herrühren, liegen davor in der Schlucht. Ungefähr 40 Schritt weiter westlich liegt eine ähnliche Höhle in demselben Niveau, doch ragt sie nicht so tief in den Fels hinein und hat darum auch nicht so hohe Wände. Der Böschungswinkel des Abhanges, in welchen beide Höhlen eingeschnitten sind, also die Neigung der Rücklehne 508 der Strandlinie, beträgt etwa 36—57 ° und ist demnach etwas geringer als der Einfallswinkel der Schichten (ea. 45%. Bis auf einzelne kahle Flecke ist die Rücklehne, wie hier über- haupt fast alles, überwachsen; es finden sich da hauptsäch- lich Heidekraut, Gras, Moos u. s. w. Auf der Strandlinien- bahn ist häufig, ja überwiegend Moorbildung vorhanden. Eigenthümlich ist, dass auf der Aussenseite dieser Bahn, und zwar nicht blos hier, sondern auch weiterhin, das Terrain nicht immer gleich zum Fjord hin abfällt, sondern sich mehrfach erst allerlei Felshöcker (eine Art ehemaliger Holme) mit Steilabfall nach der Strandlinienseite hin finden, ehe die allgemeine Abdachung sich seewärts fortsetzt. !) Auch diese Strandlinie auf Freiö, so scharf und zu- sammenhängend sie auch aus der Entfernung erscheint, zeigt sich an Ort und Stelle nicht so ganz ununterbrochen ' regelmässig in einem Zuge fortlaufend, sondern regelmässige Strecken, bei denen man nicht in Zweifel gerathen kann, wechseln mit einzelnen minder regelmässigen resp. minder gut erhaltenen ab. Weiter westlich von dem zuletzt ge- nannten Punkte, ziemlich genau südlich der Kirche von Christiansund, bestimmte ich die Höhe eines in seiner Längs- richtung hübsch horizontalen, schwach seewärts geneigten Absatzes zu 66,4 m über dem Meere. Gleich weiter west- lich findet sich wiederum eine grosse aber verstürzte, den vorher erwähnten ähnliche Höhle, für deren Basis ich eine Höhe von 64,2 m erhielt. Und genau in derselben Höhe (64,2 m) liegt nach Messung eine horizontale moorüberwach- sene Platte, welche sich wiederum gleich westlich hiervon befindet und in ihrer Rücklehne in gleicher Flucht eben- falls eine verstürzte Höhlenbildung zeigt. Wir haben die Strandlinie so bei weitem nicht zu-Ende verfolgt. Auf der begangenen Strecke zeigte sich der Cha- rakter als ein durchweg gleichartiger, und ich wünschte nun auch noch etwas weiter östlich zuzusehen. Wir wandten daher um und nahmen auf dem Rückwege für die Mündung der zuerst beschriebenen, mit der Strandlinie in gleichem Niveau liegenden Höhle noch eine zweite Barometerablesung 1) Vgl. hierüber auch die Bemerkungen unten 8. 5l5f. nebst Fig. 11. en 509 vor. Dieselbe ergab 69,5 m Höhe über dem Meeresspiegel, also 1,5 m mehr als das erste Mal. Gleich weiter östlich befindet sich eine in der Längsrichtung horizontale, schwach seewärts geneiste moorbedeckte Platte, deren Höhe ich so- gar zu 72 m bestimmte. Da Herr Adjunkt Larsen, wie er mir mittheilte, seine von Mohn !) erwähnte Höhenbestimmung durch Nivellement (75,3 m) im Jahre 1874 gerade in diesen östlichen Theilen und zwar ganz in der Nähe des letzterwähnten Punktes ausführte, so löst sich hier einigermassen der scheinbare Widerspruch zwischen seinem und dem Ergebniss von Mohns wiederholten Messungen (siehe No. 46 des Verzeichnisses unten S. 522 ff.). Mohns erste Messungen (63; 63,7; 64,6 m) geschahen von der See aus, und da müssen ihm vor allem diejenigen Theile der Strandlinie ins Auge gefallen sein, welche ich auf dem westlichsten Theil meiner Wanderung berührte. Meine beiden Werthe von 64,2m stimmen da mit den seinen so gut, als man dergleichen überhaupt nur erwarten kann. Die Aneroidbestim- mung aber, die er, nach gütiger brieflicher Mittheilung, am 27. Juni 1876 ‚auf der Nordseite des Fjelds“ (Fröikollen) ausführte, und welche 66 m ergab, hat demnach unbedingt etwas weiter östlich, d. h. der Stadt näher, vielleicht gerade südlich von derselben ungefähr da stattgefunden, wo ich eine Höhe von 66,4 m fand. Es entsteht demnach die inter- essante Frage, ob- die Linie wirklich so merklich nach Osten zu ansteigt. Meine Messungen sind sämmtlich nahe dem oberen Rande der Strandlinie und nur an solehen Stellen ausgeführt, die wir beide als unzweifelhafte Strandlinien- stücke betrachten zu müssen glaubten. Und da zwischen den beiden für eine und dieselbe Stelle ausgeführten, zeit- lich um mehr als 3 Stunden auseinander liegenden Höhen- bestimmungen nur die den Umständen nach gewiss nicht allzubedeutende Differenz von 1,5 m besteht, so ist wohl kaum anzunehmen, dass meine übrigen Resultate viel grö- bere Fehler haben sollten. Zum mindesten dürfte das gegen- seitige Höhenverhältniss der einzelnen von mir bestimmten 1) Bidrag til Kundskaben om gamle Strandlinier i Norge $, 10, Anm. 1. 510 Punkte unter einander, wie es sich in meinen Zahlen aus- spricht, kaum damit behaftet sein. Vielleicht wird der Ver- treter der Strandlinienbildung durch Gletscher in dieser an- scheinend vorhandenen, nach Westsüdwest d.h.nach dem offe- nen Meere hin gerichteten Neigung der Strandlinienbahn einen Beweis für die Richtigkeit seiner Anschauung zu finden seneist sein; allein die immer aufs neue wiederkehrenden un- gefähr senkrecht von der Strandlinie aus in den Fels hinein- gehenden und in gleichem Niveau liegenden Höhlen stehen solcher Auffassung unbedingt entgegen. Denn sie gerade sind nur durch Meereserosion zu verstehen, indem man an- nimmt, dass die Brandungswellen da, wo ihnen leichter an- greifbare Stellen begegneten, gewissen vorher vorhandenen Ablösungsflächen folgend, ein Stück nach dem andern her- ausbrachen und hier dieselben Tunnel zu bilden begannen, wie ich sie im gegenwärtigen Meeresbereiche vom Stat- lande erwähnt habe (siehe oben S. 476) und wie sie auch von anderen Stellen der norwegischen Küste häufig erwähnt werden. Sie gerade sind ein Hauptbeweis dafür, dass diese alte Strandlinie wirklich eine solche Bezeichnung verdient. Andererseits habe ich nirgends einen Anhalt dafür be- merkt, dass hier vielleicht zwei verschiedene Niveaus in solcher Weise markirt, oder mit anderen Worten, zwei Strandlinien von wenig verschiedener Höhe vorhanden seien. Auch haben sich die erwähnten Ergebnisse natürlich erst bei der späteren genauen Berechnung gezeigt. Es wird daher aufs neue genau zu untersuchen sein, ob wirklich hier ein regel- mässiges landeinwärts gerichtetes Ansteigen einer und der- selben Strandlinie vorliegt. Sollte dies der Fall sein, und absolut undenkbar ist es ja nicht, so wüsste ich keinen anderen Ausweg, als die Annahme einer nach vollzogener Strandlinienbildung vor sich gegangenen ungleichen Hebung, wiewohl ich selbst in meiner früheren Abhandlung ähnliche >peculationen Bravais’ von der Strecke Altenfjord-Hammer- fest als willkürliche Zusammenlegung räumlich weit von einander getrennter und verschiedenen Niveaus angehöriger Strandlinien- resp. Terrassenstücke verworfen habe und mit Pettersen noch heut verwerfe. An sich wäre eine derar- tige Annahme nicht durchaus ungereimt, und es wird wohl Da heut keinen Geologen geben, der da bezweifelte, dass die Faltung der Gesteinsschichten, deren Ergebnisse dem For- scher allenthalben, und gerade in Norwegen mehr als in vielen anderen Ländern, in so grossartiger Lapidarschrift vor Augen liegen, auch bis in die Gegenwart fortgedauert hat und wohl auch fortdauern wird, so lange die Erde steht. Allein ich trage doch ernstlich Bedenken, gleich zu so weitgehenden Folgerungen zu greifen, so lange nicht ein viel umfangreicheres und viel genaueres Material vorhanden ist. Hoffentlich erwirbt sich Herr Adjunkt Larsen einmal das Verdienst, die Sache eingehend und umfassend aufs neue vorzunehmen und nach allen Seiten zu revidiren. Die ‚Gegend von Christiansund bietet offenbar recht viel, was zur Aufhellung der Strandlinienfrage dienen kann. „Auch auf der Ostseite von Bolg-Vaag“, so entnehme ich wiederum wörtlich meinem Reisetagebuch, „setzt die Strandlinie sich deutlich fort und bezeichnet dort die Grenze eines niedrigeren Vorlandes gegen das bedeutend höhere und steil aufsteigende Innenland. Ebenso findet sie sich auf der West- (soll jedenfalls heissen: Süd-) Seite von Nord- land in gleicher Weise als Grenze eines niedrigeren und im grossen und ganzen annähernd gleich hohen Vorlandes gegen den auf dieser Seite in steilen Wänden aufsteigenden höheren Theil der Insel. Ebenso zeigt sie sich auf Brems- nes, dem nördlichen Theil von Averö, wo der Bremsneshat (südwestlich von Christiansund) ähnlich wie der Torghat (Fig. 9), nur nicht so spitz, über einem niedrigeren Vor- lande aufsteigt, ebenfalls mit bedeutender Höhlenbildung im Niveau der Strandlinie. Das Niveau aller dieser Linien scheint ungefähr dasselbe zu sein.“ „In der Bucht bei der Skydsstation Bolgen, von der wir im Boot nach Christiansund zurückfahren, findet sich eine schöne und nicht unbeträchtliche Unterwaschung des Felsens. Der Grund mag hier nach Aussage des Fähr- mannes ungefähr eine Elle (0,62m) unter dem niedrigsten Wasserstande liegen.“ Hier haben wir eine Spur recenter Strandlinienbildung, denn der ziemlich weit überhängende Fels braucht nur herunterzubrechen, um die steile Rück- lehne zu bilden, und der Boden nur gehoben zu werden, Zeitschr. f. d. ses. Naturw. Bd. LIY. 1851. 34 512 um eine annähernd horizontale Bahn am Fusse der Rück- lehne erkennen zu lassen. Und wie viel mag dergleichen an den norwegischen Küstenfelsen vorhanden sein, was nur den Fischern, oder auch diesen kaum bekannt ist, weil man es eben nur sieht, wenn man bei niedrigerem Wasser- stande und stillem Wasser ganz dicht vorbeifährt. Meine Zeit gestattete leider nicht mehr, die Reise, wie ich wohl gewünscht hätte, noch weiter nördlich fortzusetzen. Zudem lag mir daran, wo möglich noch die eigenthümlichen Erscheinungen am Brufjeld in der Gegend von Ekersund, auf welche Professor Sexe!) im Programm der Universität Christiania für das erste Semester 1874 die Aufmerksamkeit gelenkt hat, einer näheren Besichtigung zu unterziehen. Ich machte mich daher am folgenden Tage (20. September) auf den Rückweg und fuhr nun ohne Aufenthalt bis Eker- sund, wo ich am 22. September Abends anlangte. Unter- weges setzte ich die Ausschau nach alten Strandlinien na- türlich immer noch fort und konnte so auf der Strecke bis Bergen hier und da eine Lücke ausfüllen, die mir auf der Hinreise durch Nacht, schlechtes Wetter, Mahlzeiten u. 8. w. entstanden war. Dass ich die Strandlinie auf der Westseite von Averö u.8.w. auf der Rückfahrt abermals gesehn, erwähnte ich schon (oben S. 505). Es war übrigens schon gegen Abend, und die Möglichkeit von Beobachtungen hörte dann bald auf. Molde passirte ich bei Nacht, ebenso Aalesund. Um Stat herum ging die See so hoch, dass von einem ruhigen Beobachten auf dem Deck nicht die Rede sein konnte. Ich begann daher erst nach Passirung dieser ex- ponirten Stelle die Umschau wieder. „Auf der Ostseite von Bremangerland“, so entnehme ich abermals wörtlich meinen gleichzeitigen Tagebuchauf- zeichnungen, „welches hier sehr steil aufsteigt, ist etwas ‘nördlich vom Hornelfels stellenweise am Fusse der schroffen Partieen eine sehr niedrige Linie zu spüren, theilweise als 1) 8. A. Sexe, Jaettegryder og gamle Strandlinier i fast Klippe, Christiania 1874, S. 23 f. und 36 £. i 513 schmaler Horizontalabsatz im Fels, theilweise als in gleicher Flucht liegende Schotter- resp. Rollsteinterrasse.. Am Fusse des gewaltigen Hornel selbst, wo das Schiff ganz nahe vorbeifährt, bemerke ich mehrfach Unterwaschungen (im ge- genwärtigen Meeresniveau). Vom Hornel ab (südwärts), wo die Bremangerlandküste wenigstens zunächst ganz schroff ist, sehe ich auf ihr keine Spuren jener Linie, wohl aber auf der entgegengesetzten Seite, und zwar, soviel ich mit dem Fern- glas sehen kann, nicht bloss als Terrasse, sondern auch stückweise als Strandlinie in Fels. Diese Stücken liegen, wie ich an einer Stelle sehen kann, wo Häuser stehn, am äusseren Rande etwa 1!/, bis 1?/; Mal so hoch als ein ge- wöhnliches einstöckiges ländliehes Wohnhaus. Etwas weiter südlich sehe ich dann die Linie (auf der dem Ostrand Bremangerlands gegenüberliegenden Festlandsküste) deutlich auch als Felsstufe, worauf wieder ein Stück anscheinend Rollsteinterrasse. Weiter südwestlich werden die Conturen des Bremangerlandes etwas sanfter, während das gegenüber- liegende Festland zunächst immer noch schroff bleibt. Da zeigt sich dann auch auf Bremangerland ab und zu die Strandlinie wieder, und zwar als deutliche Grenze eines niedrigeren sanft sich erhebenden Vorlandes gegen das steiler aufsteigende hohe Innenland. Stellenweise sehe ich hier ganz deutlich, dass es eine Strandlinie in anstehendem Gestein ist, während sie an anderen Stellen wohl mit ter- rassenartigen Bildungen abwechselt. Die Höhe möchte ich hier (nach Vergleich) für etwa doppelt so hoch als die eines einstöckigen ländlichen Wohnhauses halten. Die Berge und Küsten Bremangerlands sind auf dieser ganzen Strecke meist kahl, oder doch nur mit spärlicher zerstreuter Vegetation von Heidekraut u. 3. w. besetzt.“ „Auf dem Festlande südöstl. der Kirche von Fröjen (Fröjö), nördl. vom Botn und an diesem (61° 431/,‘ n. Br.) tritt wieder eine Linie, dreimal so hoch als ein Bootschuppen, theils als Felsstrandlinie, theils als Terrasse hervor. Eine deutliche Fortsetzung derselben in anstehendem Gestein zeigt sich auch südlieh vom Botn, nördlich von Husefest.“ Da die durch- schnittliche Höhe dieser am Ufer stehenden Bootschuppen nach freundlicher brieflicher Mittheilung des Herrn Oberlehrer ‚34* 514 Dietrichson in Molde an 5—6 norwegische Ellen (zu 0,62 m) beträgt, so würde demnach die Höhe der Strandlinie auf ungefähr 9 bis 11m über dem Meere zu veranschlagen sein. Ausser dieser sehr deutlichen Linie schien mir in der Ge- send des Botn auch ein noch niedrigeres Niveau vertreten zu sein, doch waren die Spuren desselben minder deutlich. „Bei Husefest selbst findet sich anscheinend eine Roll- steinterrasse in etwas höherem Niveau, etwa dreimal so hoch als ein gutes einstöckiges Wohnhaus. Südlich von Husefest aber zeigte sich stellenweise eine deutliche Fort- setzung der Strandlinie in anstehendem Gestein; so bei Bredvik, Seljestok, und namentlich südlich von Seljestok bis Söndervaag; ebenso weiter südlich bis etwa östlich von Nordre Närö“ (61° 381/,‘ n. Br.).!) Schon auf der Hinreise hatte ich bei Florö auf Bransö und auf der Nordseite der nahen kleinen Insel Nekö alte Strandlinien bemerkt (vgl. oben S. 476). Damals waren meine Beobachtungen unterbrochen worden; jetzt hatte ich Musse, auf der ganzen Fahrt hier in der Gegend Florö’s sorgfältige Umschau zu halten, und nun fand ich viel mehr als das erste Mal. „Bei Florö, westlich vom Orte“ (61° 36° n. Br.) schrieb ich dort in mein Tagebuch, „befindet sich eine sehr deutliche Linie an der Grenze des niedrigeren gegen das steiler aufsteigende höhere Land und darunter eine nicht so sehr zusammenhängend ausgeprägte (resp. erhaltene) aber ebenfalls deutliche Linie. Beide sind Strandlinien in an- stehendem Fels, allenfalls bei dem Orte Florö selbst hier und da als Terrassen fortgesetzt. Fortsetzungen, sei es der höheren, sei es der niedrigeren Linie zeigen sich auch auf den westlich benachbarten Inseln. Die Höhe der oberen Linie über dem Meere ist (bei Florö) etwa wie die des Firstes eines dreistöckigen, die der unteren wie die des Firstes eines einstöckigen Hauses. Die Fortsetzungen dieser Linien auf den Inseln westlich von Florö sind mehr oder. minder deutlich. Besonders finden sich beide Niveaus auf der Nordostseite von Aanö“ (genau westlich von Florö). 1) Alle diese Oertlichkeiten, wie auch die noch zu erwähnenden findet man auf den betreffenden Amtskartenblättern. Far: = Ka 515 Es war in der früheren Nachmittagszeit, als ich diese Gegenden passirte. Später wurde das Wetter minder gün- stig, und ich habe an demselben Tage nichts weiter von alten Strandlinien gesehn. Um Mitternacht war ich in Bergen. Am andern Morgen (22. September) regnete es fast unaufhörlich und verhinderte die trübe Luft jeden weiteren Ausblick. Doch konnte ich immerhin in geringer Entfernung einiges von Strandlinien mit Sicherheit erkennen. So be- merkte ich bei Haugesund, nördlich dieser Stadt, eine deut- liche alte Strandlinie in anstehendem Fels. Auch weiter südlich schienen Spuren derselben alten Niveaulinie hier und da vorhanden zu sein. „Auf der Ostseite des südlichen Theiles von Karmö, gegenüber Store Bukken findet sich eine deutliche Strand- linie in Fels, lang hin zu erkennen. Darauf befinden sich viele Ackerfelder. Sie bildet die scharfe Grenze gegen etwas steiler aufsteigendes und etwas höheres Innenland. Höhe der Strandlinie mindestens 6 Mal so gross als die eines einstöckigen ländlichen Hauses. Auch aufder gegenüberliegen- den Seite von Store Bukken sind Spuren derselben Niveaulinie zu erkennen, aber nur vereinzelt. Diese Linie auf Karmö ist sehr deutlich bis eine kürzere Strecke nördlich von Sku- desnes Fyr hin zu verfolgen.“ Auch sonst schien mir noch einzelnes von Linien auf dieser Strecke vorhanden zu sein, doch konnte ich mich bei der nebeligen Luft nicht genügend davon versichern. Dicht vor Stavanger bemerkte ich übrigens eine Kleine und niedrige Felspartie im Meere, die mir einigermassen ver- anschaulichte, wie es zugeht, dass so oft vor den als Strand- linien aufzufassenden Horizontalein- schnitten noch einzelne dieselben über- ragende gerundete Felshöcker liegen, \ und die ich daher in Fig. 11 hier darge- NEN stellt habe. ‚Die Schichten fallen steil Be von der Seeseite abgewendet ein. Ein- zelne sind besonders weich oder bieten irgendwie der See stär- kere Erosionsgelegenheit. Hier wäscht sie nun zu beiden Sei- ten von b aus, macht die Rinnen immer breiter und bricht auch oben von b Stück für Stück heraus. Ebenso wird natürlich 516 auch die scharfe Kante von a und ce bearbeitet, resp. nament- lich die von a mehr abgerundet. Am Ende steht statt b eine annähernd horizontale Bahn da, von welcher ce mehr oder minder unregelmässig steil aufsteigt, während a als niedrigerer Höcker davor bleibt (wohl weil a härter war). Dergleichen habe ich bei den Strandlinien in der Gegend von Aalesund wie von Christiansund viel gesehn.“ In Stavanger verliess ich das Schiff, um, nachdem ich früher das an der norwegischen Küste dem Reisenden so unerwartet kommende Flachland Jäderen von der Seeseite gesehen, nun dasselbe auch einmal mit der neuen Eisenbahn zu befahren. Schon bei Stavanger, am Nordende von Jä- deren, sind die Küsten nicht mehr hoch, aber überall noch felsig, hier und da mit fruchtbarem Culturland darauf. Am Abend traf ich in Ekersund ein, von wo ich am folgenden Tage (23. September) mit Boot nach Flekkefjord zu fahren und hierbei unterwegs die schon erwähnte Stelle am Bru- fjeld, südöstlich von der Mündung des Sireelv (Aaen Sire) näher zu untersuchen wünschte. Allein der hohe Seegang machte leider diese Bootfahrt im grossentheils völlig freien Wasser durchaus unthunlich, und da zu Lande jener Stelle nicht beizukommen ist und ich andererseits nicht mehr Zeit hatte, länger zu warten, so blieb mir nichts übrig, als mich mit einer Besichtigung während der Vorbeifahrt auf dem Dampfschiffe zu begnügen. Am frühen Morgen des 24. September ging ich daher in Ekersund wieder zu Schiffe, um mich nach Christiansand und von da über Frederikshavn nach Hause zu begeben. Die Kiste wird hier namentlich von der Gegend von Re- kefjord an sehr wild; in überaus schroffen und jähen Wänden steigen hier die Labradorfelsen unvermittelt aus der See empor. Sehr auffällig ist dabei vielfach die Lage von grossen Geschiebeblöcken auf den Gipfeln der Berge. Ein Stück vor der Stelle, welche der Gegenstand meiner besonderen Aufmerksamkeit sein sollte, bemerkte ich in den nahen Küstenfelsen bereits einzelne längliche flachere (wohl weil schon grossentheils wieder zerstörte) Höhlungen, zum Theil minder regelmässig, eine auch im gegenwärtigen Meeresniveau. An der von Sexe abgebildeten OL Stelle war ich etwas enttäuscht. Schon vorher hatte ich dem Kapitän des Schiffes die Abbildung!) gezeigt und ihn gefragt, ob er die Stelle kenne: „Ja wohl“, sagte er, „aber das Bild ist übertrieben“. Und in der That, die Regel- mässigkeit ist entschieden übertrieben. Der in seiner Längs- richtung horizontale Felsabsatz, welcher sich vor jener Reihe horizontal in den Fels hineingehender riesentopfartiger Löcher mit liegend -elliptischem Querschnitt befindet und gleichsam ihre Basis bildet, ist anfangs schwach, dann etwas stärker seewärts geneigt und gerundet. In seinem west- lichen Theil ganz schmal und stellenweise, wie es schien, garnicht mehr vorhanden, wird er erst weiter östlich etwas breiter. So jäh, als es nach der Abbildung scheint, fällt ‚der Felshang unterhalb desselben nicht zur See ab; doch er- wuchsen mir — und das Schiff fuhr ziemlich nahe vor- bei — immerhin Bedenken, wie Sexe wohl einzelne der von ihm angegebenen Masse, z. B. dass das grösste dieser Löcher 25‘ (7,84m) weit in den Fels hineingehen soll, er- langt haben mag, da mir die Möglichkeit einer Ersteigung selbst bei ruhiger See recht zweifelhaft erschien. Die an- gegebene Höhe von ca. 60° (18,83 m) über dem Meere kam mir wie auch dem Kapitän des Schiffes entschieden zu gross vor, doch fehlten alle Anhaltspunkte zum Vergleich. Dass die von mir vor zwei Jahren über diese Brufjeld- erscheinungen aufgestellte Ansicht?) die richtige ist, dass man es hier also mit einer interessanten Wirkung der Meereserosion zu thun hat, und der horizonta lan dem Fels- hang hinlaufende Absatz im Gabbrogestein als der letzte Rest einer an dieser exponirten Stelle grösstentheils be- reits wieder zerstörten alten Strandlinie aufzufassen ist, davon bin ich durch diese Vorbeifahrt völlig überzeugt worden. Und wenn Sexe den Gedanken einer Meeresbildung für diese Stelle von vornherein dadurch abzuweisen sucht, 1) Dieselbe findet sich ausser in Sexe’s oben (S.512 Anm.) erwähntem Universitätsprogramm auch in etwas verkleinertem Massstabe bei Broch, Le royaume de Norvege, Christiania 1878, S. 126. ’ 2) Ueber ehemalige Strandlinien in anstehendem Fels in Norwegen S. 35 £. 518 dass er sagt, das Meer habe keinerlei Gesteinsmaterial zur Ausarbeitung der Löcher benutzen können, weil ja doch wenige Wellenschläge genügt haben würden, alle etwa auf dem schmalen Felsabsatz liegenden Steine, Grus und Sand in die Tiefe herunterzuspülen, so übersieht er völlig, dass seit Bildung jener Löcher sowohl die zerstörende Thätig- keit des Meeres an dieser freien, den wilden Südweststürmen ausgesetzten Stelle als andererseits die der Atmosphärilien bei über 1 m Jahresniederschlag!) doch wohl auch hier das Ihrige geleistet haben wird. Es ist das überhaupt ein bei Besprechung der alten Strandlinien oft gemachter Fehler, dass man die spätere Zerstörung so wenig in Rechnung zieht und thut, als ob alles, was in dieser Beziehung ge- bildet wurde, noch vorhanden sein und das Vorhandene ganz so gebildet sein müsse, wie es jetzt, d. h. so und so viel Jahrtausende später, vorliegt. Entschieden war jener Horizontalabsatz, die alte Strandlinie, wie ich nicht umhin kann ihn aufzufassen, einmal breiter und wohl auch viel weiter hin ausgedehnt. Die vorher erwähnten, den Bru- fjeld-Löchern ganz ähnlichen aber flacheren Höhlungen ohne Felsabsatz davor sehen auch ganz danach aus, dass vorn ein ansehnliches Stück von ihnen abgeschnitten ist. Und was das etwa bei der Bildung der Höhlen mit als Werkzeug benutzte Steinmaterial anlangt, so erwähnt ja Sexe (Seite 37 seiner Abhandlung) selbst, dass sich zahlreiche Rollsteine in einer Felskluft dieht bei den Riesentöpfen festgerannt haben. Be- züglich der Scheuerungserscheinungen (Skuringsmaerker) aber, welche Sexe (S. 23) aus einer den am Brufjeld ganz ähnlichen und ungefähr eben so hoch über dem Meere liegenden ho- rizontalen Riesentopfbildung von Lille Tinevig auf der Nordwestseite der Mündung der Sireaa erwähnt, verweise ich auf die zweite Anmerkung oben Seite 475.2) | 1) Nach Broch, Le royaume de Norvege, Annexes S. 23 hat Mandal 1,140 m jährlichen Niederschlag, welcher sich nach S. 25 auf durch- schnittlich 78,1 Regen- und 18,5 Schneetage vertheilt. 2) Vielleicht fragt man, wie denn wohl Sexe selbst jene Erschei- nungen erklärt. In dem vorhergehenden Theil seiner Arbeit hat er glaubhaft zu machen gesucht, dass die gewöhnlichen verticalen Riesen- töpfe durch Ausbohrung seitens Gletscherzapfen (mit Hülfe von Ge- ER ER Re FOREN HET RE N 59 Weiter östlich, in der Gegend von Flekkefjord hören die schroffen hohen Wände der Küstenfelsen auf und werden überhaupt die Conturen wieder etwas sanfter. Doch bleiben die Ufer auch weiterhin durchaus felsig und kahl, und nur das flache Listerland macht davon eine Ausnahme. Hier ist, wie auf Jäderen das Land ganz eben und flach und auf demselben sehr viel Ackerland, daher auch eine ziemliche Anzahl kleinerer Dörfer vorhanden. Aber im Hintergrunde dieses an deutsche und dänische Küsten erinnernden Flach- landes steigen dann ebenso wie rechts und links ziemlich steil die Felsen auf. Unmittelbar südlich vom Hafen von Mandal zeigt ein steil nach Westen vorspringender Fels etwa in der Mitte seiner Höhe auf eine allerdings nicht lange Strecke hin einen deutlichen scharf und tief eingeschnittenen, horizontal lau- ‚fenden Absatz, den ich nach seiner ganzen Erscheinung, wiewohl ich deutliche Spuren einer Fortsetzung an den an- deren Felsen in der Nähe nicht zu entdecken vermochte, steinsbrocken) entstanden seien, welche sich in zufällige Vertiefungen des Betts hineinsetzten und in eine langsame drehende Bewegung ge- riethen, weil ja doch der der Mitte des Gletschers nähere Theil sich etwas schneller bewegt als der andere. Ueber die liegenden Riesen- töpfe mit elliptischem Querschnitt aber spricht er sich schliesslich folgendermassen aus (S. 37): „Man kommt demnach wohl dazu, auch die liegenden Riesentöpfe auf die Rechnung der Gletscher schreiben zu müssen. Man lasse einen auf dem Meere liegenden Theil eines Gletschers sich an steile Küstenfelsen andrücken, während er Grus und Steine mitbringt, welche zwischen der Eiswand und der Felswand in deren zufälligen Vertiefungen liegen bleiben! Wenn nun das auf dem Meere liegende Eis mit dem Steigen und Fallen des Meeres gehoben und gesenkt wird und durch Sturm und Strömung bald in der einen, bald in der anderen Richtung gegen den Feis getrieben wird („agite- res“), so scheint es das erwähnte Gesteinsmaterial so verwenden zu können, dass die zufällige Vertiefung in einen liegenden Riesentopf übergeht.“ So also entstand z. B. ein liegender Riesentopf, von dem Sexe selbst angiebt, dass dessen elliptischer Verticalschnitt an der Mündung 25' (7,8m) in der Breite und 11' (35m) in der Höhe misst, und dass derselbe sich 25' (7,8m) weit in den Fels hinein erstreckt. Und der horizontal laufende Absatz im Gabbrofels, von dem aus die Löcher hineingeken — nun der war jedenfalls wohl von Hause aus vor- handen. 52077% doch ebenfalls als den Rest einer alten Strandlinie in an- stehendem Fels zu betrachten geneigt bin. Dies war die letzte Beobachtung, die ich bezüglich der alten Strandlinien gemacht habe. Der letzte Theil der Fahrt nach Christiansand fiel schon in die Dunkelheit, und als ich am andern Morgen nach ungewöhnlich guter Ueberfahrt über das Skager Rak erwachte, war bereits Skagens Horn in Sicht. Meine anderweitigen Bemühungen, noch diese oder Jene Ergänzungen des vorhandenen Materials über die alten Strandlinien in Norwegen zu erhalten, haben im ganzen . wenig Erfolg gehabt; doch bin ich durch gütige Mittheilungen des Kapitäns von der norwegischen Armee Herrn J. Sejer- sted in Trondhjem in den Stand gesetzt, die Unsicherheit zu beseitigen, welche bisher bezüglich der Höhe der beiden dortigen alten Strandlinien bestand.!) Derselbe, ein sehr geübter Topograph, hat in seiner Eigenschaft als Lehrer der Geodäsie an der Trondhjemer technischen Schule im Jahre 1877 die Höhe der unteren von beiden Linien sowohl mit einem guten Aneroid als vornehmlich mit verschiedenen geometrischen Höhenmessungs-Instrumenten und von zwei verschiedenen Standpunkten aus bestimmt und dabei als Mittelwerth 515‘ (161,6 m) erhalten. Da ich ihn bat, auch die Höhenangaben bezüglich der oberen Linie einmal mit dem Aneroid zu controlliren, so ging er Ende Mai dieses 1) Die Höhe der so deutlichen unteren Linie giebt Kjerulf zu 145, Mohn zu 160,7, Sexe zu 155,6m, die der oberen Kjerulf zu 162, Mohn zu 178,5, Sexe zu 167,6m über dem Meere an. Die ersteren beiden massen mit dem Barometer, der letztere durch Nivellement. Bezüglich der Differenz zwischen Mohns und Kjerulfs Ergebnissen vermuthet Herr Kapitain Sejersted, dass der Letztere es. vielleicht übersehen habe, auf die Temperatur Rücksicht zu nehmen. Sei die Messung an einem heissen Sommertage ausgeführt, so könne dies allein schon die ganze Differenz erklären. Die minder beträchtliche Ab- weichung Sexe’s, welche sich noch dadurch etwas verringert, dass der- selbe nicht von dem Mittelwasserstand sondern von der Fluthhöhe des Meeres ausging, beruht jedenfalls auf einem bei jedem Nicht- Geometer ebenso erklärlichen als verzeihlichen Mangel an Uebung im Nivellement. 521 ahles freundlichst noch einmal hinauf und bestimmte nun die Höhe der unteren Linie zu 161,1 m, die der oberen zu ‘177,8 m über dem Meere. Zu besserer Uebersicht stelle ich nun die hier aufge- führten nebst den bereits in meiner früheren Arbeit erwähn- ten und den von Kjerulf neu mitgetheilten ehemaligen Strand- linien in anstehendem Fels für das ganze südliche Nor- wegen bis inel. Trondhjem hinauf in der nachfolgenden Liste kurz zusammen. Dabei folgen die einzelnen Linien in der Reihenfolge von Süden nach Norden und eventuell von der Mündung eines Fjordes nach dessen inneren Ver- zweisungen. Da hierzu die Beigabe einer Karte für jetzt nicht thunlich war, und die Auffindung der betreffenden Lo- calitäten nach den blossen Namen ohne die ganz speciellen norwegischen Karten oft gar nicht möglich sein würde, so füge ich zu leichterer Orientirung des Lesers der Ortsbe- zeichnung stets die geographische Breite hinzu. In der Ru- brik der Höhenverhältnisse bezeichnet ein * neben der Zahl eine Barometermessung; von den übrigen Zahlen sind die von Professor Mohn herrührenden durch Winkelmessung von der See aus gefunden. !) Wo mehr als eine Strandlinie vorliegt, da ist die unterste mit a, die nächst höhere mit b u. s.w. bezeichnet. Eine Bemerkung über die Gesteinsverhältnisse füge ich nur dann bei, wenn in dieser Beziehung eine bestimmte Angabe direet für die betreffende Strandlinie vorhanden ist; denn die geologischen Specialkarten im Massstabe von 1: 100 000 sind für die ganze hier in Betracht kommende Strecke mit Ausnahme der Umgebung von Trondhjem noch nicht vor- handen, und Karten im Massstabe von 1 :300000, 1: 400000 u. 8. w. schienen doch nicht ausreichende Genauigkeit für ganz locale Verhältnisse zu gewähren. In der letzten Spalte bedeutet M. Prof. Mohn, ein 7 dabei eine (schon in der früheren Arbeit verwerthete) briefliche Mittheilung desselben, eine Zahl aber. die betreffende Seite seiner öfters eitirten Abhandlung Bidrag til Kundskaben om gamle Strandlinier 1) Prof. Kjerulf hat seinen Höhenzahlen keine bezügliche Bemer- kung hinzugefügt, doch sind sie wahrscheinlich ebenfalls meist durch Barometermessung gewonnen. 522 i Norge; K bedeutet Prof. Kjerulf, und eine Zahl dabei die betreffende Seite seiner „Geologie des südlichen und mittleren Norwegens‘; H bedeutet die Offiziere des Vermes- sungsdampfers „Hansteen‘; die blosse Angabe der Seite end- lich, wie z.B. ,,S.476“, bezieht sich auf die vorliegende Arbeit. Sa. 5 Ss = Nr. Lage. Tas Bemerkungen. © 235 3 8 Bi 1.| Dicht südlich vom Hafen| — scharf eingeschnittene |S, 519 von Mandal, 580 11/3' kurze Horizontalstufe an einem nach Westen vor- springenden Felsen 2. Am Brufjeld, ostsüdöstlich) Sexe:: | kurzer Horizontalabsatz in|S.517£. der Mündung des Sireelvy, 580 161/,‘ 3. | Zu beiden Seiten des südl. Theiles des Karmsunds, ca. 590 9' pis 590 13° 4.| Bei Haugesund, 590 25' 5. | Skonevik, Südostseite des Skonevikfjords, 590 44° 6. | Nordspitze von Stordö, Fo a 7.| Zwischen Vedvik u. Rug- lebarm, Ostseite d. Har- dangerfjords, südlich von Varaldsö, 600 1' 8. | Zwischen Aarsnes und SvoldalamHardangerfjord, 3 Kilom. nordnordöstl. v. Nr. 7, 600 3° 9.| Zwischen Kvarven und fjords, westlich v. Bergen, 609 24° Zwischen Maltvik und Bagervaag, Südostseite v. Askö, westnordwestl. v. | Bergen, 600 241/,‘ 10. ca18,8 Gabbro mit einer horizon- (?) \talen vgl. 8.515 90,4 42 Gravdal, Südseite d. By-|' Reihe liegender Riesentöpfe auf Karmö sehr deutlich, auf Store Bukken nur ver-| einzelte Spuren besonders nördl. d. Stadt, südlich nur Spuren genaue Lage v. Entdecker, Herrn Tornöe, nicht an- gegeben „Höhenmessung sehr un- vollkommen“ ca. 3,4 Kilom. lang. Vgl. auch oben Seite 464 nebst Anm. 3 ca. 4 Kilom. lang. Vgl. M. 8 auch oben S. 464 vgl. oben S. 474 M.S£. Fig. 4. Vielleicht südl.|S.474f. Fortsetzung v. Nr. 11 ee re Lage. Bemerkungen. 11. |Südl. von Erdal, Ostseite] 40,2 14. 15. 16. v. Askö, nordwestlich v. Bergen, 60° 26‘ . | Bei Stensnes u. Melkeraa, Ostseite d. Byfjords, nord- nordwestl. v.Bergen, 60029' .|Bei Dybdal und Mundal, Nordwestseite des Oester- fjords, nördl. v. Bergen, 600 34‘ Bei Rundstöen, Nordseite des Sognefjords, südöstl. v. Höjangsfjord, 610 9' Zwischen. Stavedal und Hanekam, Südseite d. Sog- nefjords, westlich von der Mündung d. Finnefjords, 6126 Zwischen Askelund und Sjötun auf DBalestrand, Nordseite d. Sognefjords, westl. v. d. Mündung d. Fjärlandsfjords, südl. vom Esefjord, 610 12' 40,2 siehe unter Nr. 10. Vgl. auch oben S. 464 © — © = =r M. ) ca. 2,8 Kilom. lang. Eine) M. 8 minder deutliche Linie in halber Höhe. Vgl. auch oben S. 464 sehr deutliche Strandlinie, ca. 6 Kilom. lang; darüber 1 zweite, minder deutlich. Gestein nach Keilhau: Gneis, unter 400 und mehr gegen Osten einfallend. — Vgl. auch oben Seite 475 nebst Anm. 2 2) „hoch gelegen.“ Vgl. auch| K. 18 oben 8. 472 „hoch gelegen“ K.18 1) Die Höhe der weithin sehr deutlich hervortretenden unteren Linie wurde 1838 durch B. M. Keilhau mit dem Heberbarometer zu 42,2m, durch C. Boeck am selben Tage mit Kapselbarometer zu 44,6m, neuerdings durch Student Krohn zu 47,1, die der oberen durch den- selben zu 54,9m über dem Meere bestimmt. 2) Keilhau im Nyt Magazin for Naturvidenskaberne, Band I (Chri- stiania 1837), S. 229—231; Kjerulf, Geologie d. südl. und mittl. Nor- wegens 8. 14 u. 18 nebst Fig. 35; Sexe, Jaettegryder og gamle Strand- linier S. 43 f., Christ. Vid.-Selsk. Forh, 1874 S. 185 ff., Arch. f. Math, og Naturv. 1876 S. 1, 1880 8. 256 £. 524 rz FR 3 . org © Nr. Lage. = es Bemerkungen. © Ser © Ei 17. | Zwischen Nauteskria und|ca.47,1| Höhe auf ea. 150' =47,1m|K. 19 Holten, Westseite d. Fjär- landsfjords, 610 17' Bei Ulvik, Nordseite des|ca.39,2 Aafjords, 610 133/4' 9) geschätzt Höhe auf 125' = 39,2m|K. 19 geschätzt 19.|Gleich östl. d. Kirche v.| 18.2 ca. 2,8 Kilom. lang | M.9 Vilnes, Südseite v. Atleö, 610 19° 20.\Bei Oksenberg, Südseite — K.19 d. östl. Theiles des Dals- fjords, 610 22' .\Dicht westlich v. Florö,| (vgl. Nordseite d. westl. Theils] S.476 der Insel Bransö, sowie! u.514) auf d. Nordseite v. Nekö u.d. Nordostseite v. Aanö, 610 36' (Florö) .| Westseite der Festlands-| (vgl. halbinsel zwischen Fröjsö|S. 513 und Norddalsfjord, v. d.| £.) Nordseite v. Botnen bis etwa östl. v. Nordre Närö, ca. 610 381/2‘— ca. 610 44' 2 niedrige Strandlinien| S. 476 (auf Nekö nur eine beob-| u. 514 achtet). Fortsetzungen auch auf anderen benach- barten Inseln zu spüren. niedrige Strandlinie, stel-|S.513f. lenweise durch Terrassen- stüicke unterbrochen. Ver- einzelte Spuren einer noch tieferen Linie 23.|Ost- und Südostseite des| (vgl. | abwechselnd Fels-Strand-|S,512f. östl. Theiles v. Bremanger-|S.513)| linie und Terrasse, an den land, sowie gegenüber- schroffsten Stellen Bre- liegende Festlandsküste, mangerlands meist ganz 24. ca. 610 491/,'bisca. 6105112’ Bei Davik, Südseite des Nordfjords (resp. Daviks- fjords), ea. 610 531/g' 83,1 unterbrochen Bei Kjerulf heisst esS.19:| K. 19 Nordfjord, Hundviksfjord, Devik, Westseite 265‘, doch ist nach einer gütigen Eintragung desselben auf einer mirgesendeten Karte Davik auf der Südseite des Hauptfjordes gemeint. 2) 1) In der norwegischen und noch mehr in der deutschen Ausgabe von Kjerulfs Geologie des südlichen Norwegens ist die Strandlinie von Ulvik so gestellt, dass man glauben möchte, sie liege am Vad- heimsfjord; doch weist weder die betreffende Amts- noch die Küsten- Specialkarte dort ein Ulyik auf und ist vielmehr Ulvik am Aafjord gemeint. 2) Sonst giebt es noch ein Deyik auf der Westseite der Mündung des Gloppenfjords in den Hundviksfjord. or 180) ot RE Ei © Nr. Lage. = BE Bemerkungen. = | I Ss & v as 1’ SEES & 25.| Bei Haynes, Ostseite des| 56,5 | „Havnes“ schreibt Kjerulf,|) K. 19 ". nordwestl. Ausgangs des „Hammenäs* die Special- ‘ Isefjords (Nordfjord), küstenkarte, „Havnnäs“ 610 551], die Amtskarte 26.|Südseite v. Sandö, nord-- — |breiter horizontaler Fels-| S. 477 östl. v. Statland, nord- absatz (Fig. 5) mit deut- westl. v. Station Larsnes, licher Linienfortsetzung 620 141/53‘ 27.| „Storfjord, Westseite“, | 78,4 |genauere Lage nicht an-|K. 19 620 ca. 21' (?). segeben 23. | „Spitze v. Sunelvensfjord“| 78,4 K. 20 (Storfjord) ca. 620 $' 29. | „Spitze v. Geirangerfjord*| — K. 20 (Storfjord) ca. 620 81/,‘ 30.| Südseite von Valderö,ja=ca.|2 horizontale Felsabsätze,|S, 477 nordnordwestl. von Aaie-| 30* |z. Th. in gleicher Flucht) f£. sund, 620 30' (vgl.S.|m. Terrassen (Fig. 6). Ge- 393) | stein: Gneis, unter 33 —40° nach Osten einfallend 31.| Ostseite v. Valderö, nord- — |,2 Linien mit Terrassen.*| M. 7 nordwestl. von Aalesund, Vermuthlich inZusammen- ca. 620 301],' hang mit Nr. 50 32. | Südseite v. Kverve (westl. =5»2"|5 Strandlinien, besonders. 486 Theil v.Ellingsö),nordöstl. a die2 oberen aufeinelange| f. v. Aalesund, 62° 291/9' | _91 ,-| Strecke sehr deutlich (Fig. e=31,7]7 u. 8). Gestein: Gneis, steil einfallend 33.| Westseite v.Kverve,nord-- — | mehrere Strandlinien, na- S. 495 nordöstl. v. Aalesund, ca. mentlich 2 lang u. zusam- 620 293]4' menhängend, anscheinend Fortsetzungen y. Nr. 32 34. | „Festlandnördl.v.Lepsö“)) — |„eine Linie an der Grenze|M. 7 | (östı. ?), nordnordöstl. v. der Berge gegen das | Aalesund, ca. 62° 36‘ | Unterland* I 1) Nördl. v. Lepsö ist kein Festland; jedenfalls soll es heissen: östl. v. Lepsö.. Nr: Lage. 56. a7. 38. 39. 40, 42. -| Festland zwischen Saas ‚|„Sunset, | fjord und Vatnefjord, Süd- seite d. westl. Verlänge- rung d. Mifjords, 620 37, „Südseite d. Mifjords zu) .32 beiden Seiten des Vestre- fjords*, 62° 38° Bei Gangstad u. Ramsvik,| 29 Südseite v. Mien, gegen- über Nr. 36, 620 391%,‘ Bei Rekdal, Südseite d. westl. Ausgangs d. Molde- fjords, und gegenüber auf d. Südseite d. westl. Theils v. Otterö, 620 39' resp. 62° 40° Südseite von Tauterö im Moldefjord (westsüdwestl. v. Molde), sowie Nord- seite des Tauterö südöstl. gegenüberliegenden Fest- landes und Südostseite v. Otterö (nördl. v. Tauterö) bei Nordre Hegdal, 62° 401/,' resp. 38°/4 u. 421ja' West- u. Nordseite d. Insel Säkken, südöstl. v. Molde, 62° 39' bis ca. 4023‘ Westseite des| 79,7 Romsdalsfjords“, 62° ca.32' Bemerkungen. Quelle. 2 Strandlinien, die obere! S. 495 sehr deutlich; vermuthlich in Zusammenhang mit Nr. 36 „eineausgezeichneteLinie.| H. Diese Linie lässt sich auch! M. 7 südwärts in anscheinend derselbenHöhe verfolgen.“ Vgl. unter Nr. 35 u. 8. 495 vgl. 8. 495 H. M. + 2 Strandlinien nebst ein-|8.295f. zelnen Spuren noch nie- drigerer Linien, zum Theil) in Correspondenz mit Terrassen S 2 Strandlinien, bei Nordre|S.496f. Hegdal (Otterö) in deut- licher Correspondenz mit Terrassen. Höhe anschei- nend wie Nr. 38 S. 497 u. 499 mit einigen Unterbre- chungensehr deutlich. An- scheinend correspondiren- de Strandlinien - Bruch- stücke auch westl. gegen- über auf dem Festlande nördl. v. Vestnäs K. 20 „Isefjord (Romsdal), Nord-a=86,3| (vgl. auch oben $. 495f.)| K. 20 seite, dicht bei Naes, Aan-P=% dals Hotel)“ 62° ca. 34 43.)\Südwest- u. Westseite d. Halbinsel von Molde, sowie Ostseite v. Otteröu. Gorsen am Julsund, 62° 431/,‘ bis ca. 50° 44, 45. 46. a. Bei Kyitholmens Fyr und Westseite v. Averö, süd- westl. von Christiansund, 63° ca. 1’—6' Bei Christiansund, Nord- seite des Felsrückens auf der Nordseite. d.Sörsundes, (Kirkeland), 63° 61/,' Nordwestseite von Freiö (Fredö), südl. v. Christian- sund, 630 5' Westseite von Bremsnes (südwestl. von Christian- sund) und Südseite von Nordland (östl. des südl. Theiles der Stadt) 63° ca. 5—6' und resp. 61/,' .|„kissen am Bottenvand“, . | Nordostseite des äusseren Theiles des Trondhjems- fjords, 63° 341/g' 36,1* Al bı) .\Anzahl von Höhlen 141,8 Bemerkungen. theils zieml. breite Fels- stufe am Fusse steil auf- steigender Berge, theils durch in gleicher Flucht laufende Terrassen unter- brochen. Auf dem nördl. Theil v. Gorsen unzusam- menhängende Linien- stücke verschiedener Niveaus Quelle. S. 511 liegt an der Grenze des/S.502f. schmalen niedrigeren Vor- landes gegen die steil auf- steigenden Berge horizontaler Felsabsatz m. Unterwaschungserschei- nungen am Innenrande. Gestein: Gneisgranit. Aehnliche Absätze hier mehrfach S. 504 a nur in einem Bruchstück |m.9.u.+ beobachtet. b nach Mohn]|K. 20, ca. 5,6 Kilom. weit deutl.|S. 506 zu verfolgen und mit einer in gleicher Flucht. Gestein: Gneisgranit liegt an der Grenze eines niedrigeren Vorlandes ge- gen die steil aufsteigenden Berge. Höhe vielleicht wie Nr. 46? ff, S. 511 21 1) Larsen 1874 mit Nivellement: 75,3m; Mohn 1875 von der See aus (weiter westlich): 63m, 63,7m, 64,6m; Derseibe 1876 mit Aneroid: 66m; ich selbst 1880 mit Aneroid von West nach Ost: 64,2m, 66,4m, 68,0 resp. 69,5m, 720m. Siehe oben S. 507. Zeitschr. f, d. ges. Naturw. Bd, LIV. 1581, 39 528 Bemerkungen. rS R-} Nr Lage. a Din} © [a Meere in Metern Quelle. .\ Ostseite des Slenglikam, ca. 0,6 Kilom. lang. Liegt| M. 13 ebendaselbst weiter süd- im Walde südöstlich, 630 291/,' 50.|Nördlich v. Lensvik, ge- liest im Walde. MohniM. 13f. senüber Rissen, auf der|(Kjer).| erhielt als Höhe 133m, be-| K, 20 Südwestseite des Fjordes, zeichnet aber seine Mes- 63° ca. 32' sung selbst als etwas minder sicher 51. | Ueber Ilsyiken, unmittel-)a=160,7°|p minder deutlich, a meist| K. 21 bar west!. von Trondhjem, a scharf ausgeprägt, ca. 1,1ju. Fig. 630 26° 1 2 Kilom. lang. Stellenweise|33u.34; b=177,8*\ ist die horizontale Grund-|M-10#.; (Sejer- | fläche von a bis 25 Schritt) S- 320 sted) | pyeit. Gestein: im Süden) #1) Trondhjemsschiefer, ganz) sanft einfallend, im Norden Protogingranit. Wegen d. Höhensiehe oben S.520f. Mein früheres Strandlinienverzeichniss zählte für die hier in Betracht gezogene Strecke 20 Nummern auf; man sieht, die Zahl ist nicht unbeträchtlich gewachsen. Mag nun auch immerhin bei genauerer Untersuchung und Mes- sung sich manches vereinigen, was hier aus äusseren Gründen getrennt aufgeführt wird, so kann sich andererseits auch leicht manches in mehrere Nummern theilen, was hier aus Mangelan bestimmten Mass-Anhaltspunkten zusammengezogen ist. Jedenfalls zeigt sich hier, dass doch auch das süd- liche Norwegen an ehemaligen Strandlinien in anstehendem Fels so arm nicht ist, als man glaubte. Und doch ist ein 1) Vgl. auch Kjerulf, Om Skuringsmaerker, Glacialformationen, Terrasser og Strandlinier, II. Sparagmitfjeldet (Universitätsprogramm), Christiania 1873, S. 91£.; Ders., Einige Chronometer der Geologie, übers. v. R. Lehmann, Berlin 1880, S. 19 £.; Sexe im Arch. f. Math. og Naturvid. 1876 S. 2—8 (auch 1880 $. 256); Pettersen ebendaselbst 1873 S. 196. 529 nicht zu unterschätzender Theil der betreffenden” Küsten- strecken, namentlich in den Theilen des Skjärgaard, welche von den gewöhnlichen Dampfschiffskursen nicht berührt werden, noch garnicht auf derartige Erscheinungen hin unter- sucht, und darf man nach den bisherigen Erfahrungen nicht zweifeln, dass weitere Untersuchungen hier namentlich an den Inselküsten auch noch weiteres Material liefern werden. Es werden daher alle die Schlüsse, welche auf die vermeint- liche so sehr grosse Armuth des südlichen Norwegens an ehemaligen Strandlinien gebaut sind, schon jetzt als hin- fällig betrachtet werden müssen, und man wird um so mehr gespannt sein dürfen, ob auf der ganzen langen Küsten- strecke von Mandal bis Christiania sich wirklich garnichts dergleichen finden sollte, wenn einmal Jemand, der mit der Sache vertraut ist und speciell danach ausschaut, diesen Strich befährt. Eins aber scheint doch auch nach diesen neuen Ma- terialien sicher: so „scharf ausgeprägt“ (wie man sich ge- wöhnlich ausdrückt) resp. so „wohl erhalten“ (wie ich es nenne) als im nördlichen Theil des Landes sind die alten Strandlinien hier im Süden nicht, und je weiter draussen und je regenreicher die betreffende Stelle ist, desto stärker scheinen die Züge im einzelnen verwischt zu sein. Ob sich auch für die Entstehungsfrage und für die Streitfrage der Modalität der Niveauveränderungen Skan- dinaviens aus diesen neuen Materialien dies oder jenes neue Licht ergeben wird, soll Gegenstand weiterer Prüfung sein. Doch wird offenbar noch viel örtliche Untersuchung und genaue Messung nöthig sein, ehe man die einschlägigen Fragen sämmtlich als spruchreif wird erachten können. Aber ich zweifle nicht, dass solche Untersuchungen min- destens für einzelne beschränktere Gebiete nicht lange aus- bleiben werden. Norwegen ist das klassische Land für das Studium der Verschiebungen des Verhältnisses von Land und Meer; wohl nirgends in der Welt reden die früheren Meeresstände in so zahlreichen deutlichen Schriftzeichen zu dem Forscher als hier. Die alten Strandlinien im anstehenden Gestein spielen hierbei eine ganz besondere, eigenartige Rolle. So- 30* 530 weit bekannt, sind sie nirgends auch nur annähernd in der Weise und Fülle vorhanden, als in Norwegen. Wer daher überhaupt mit der so wichtigen Frage der Niveauverän- derungen sich beschäftigen will — einer Frage, welche neuerdings wieder in den Vordergrund des geologischen und physisch-geographischen Interesses zu treten beginnt — darf jene nicht ausser Acht lassen. Man wird sie eingehender und allgemeiner als bisher studiren müssen. Sollten hierbei die obigen Mittheilungen hin und wieder als ein dürftiger Weg- weiser dienen können, indem sie Stellen angeben, wo man etwas Einschlägiges zu näherer Untersuchung finden kann, so würde ihr Zweck vollkommen erreicht sein. 4881. Correspondenzblatt IV. des Naturwissenschaftlichen Vereines für die Provinz Sachsen und Thüringen in Halle. -Generalversammlung in Bitterfeld am 3. hl Allerlei kleine, unvorhergesehene Zwischenfälle traten theil- weise noch in letzter Stunde ein, um einen grossen Theil sonst regelmässiger 'Theilnehmer zu verhindern, den diesjährigen Ver- ' sammlungsort zu besuchen, und so kam es, dass ausser Bitterfeld nur Naumburg und Halle durch Mitglieder auf der Versammlung vertreten waren. Da die meisten der von auswärts Kommenden frühzeitig genug eintrafen, so wurde vor Beginn der Sitzung ein Spazier- gang nach der Villa des Herrn Baumeister Polko zur Besichtigung seines Gewächshauses exotischer Pflanzen unternommen; durch die Schönheit der in demselben vorhandenen Exemplare, unter denen namentlich eine Dionaea muscipula, sowie verschiedene Nepenthen und Ophrisanten das Interesse der Besucher erregten, wurden letztere in der That aufs Angenehmste überrascht. Die Sitzung begann um 11 Uhr im Saale des Rathhauses. Herr Bürgermeister Sommer begrüsste die Versammlung und hiess dieselbe im Namen des Magistrats herzlich will- kommen. Auf Vorschlag des Herrn Prof. v. Fritsch wurde sodann Herr Sanitätsrath Dr. Atenstaedt zum Vorsitzenden der heutigen Versammlung einstimmig erwählt; zu Schriftführern wurden die Herren Dr. Brass und Apotheker Bosetti bestimmt. Herr Dr. Luedecke erstattete hierauf den Verwaltungs- bericht des Vereins über das vorige Jahr. Da die Kassenverhältnisse noch nicht vollständig. geregelt waren, so konnte die Decharge nicht ertheilt werden. 532 Als neue Mitglieder werden angemeldet die Herren: ‚Louis Rittweger, Louisengrube bei Bitterfeld, Richard Hempel, Chemiker, Sandersdorf bei Bitterfeld, H. Polko, F. Polko, A. ‘Pilz, Herr Bürgermeister Sommer aus Bitterfeld und Herr Baumgarten, Greppiner Werke durch die Herren von Fritsch, Teuchert, Baumert, Lue- decke, Biedermann und Herzfeld. Den wissenschaftlichen Theil der Sitzung leitete Herr Prof. Schmidt ein. Derselbe legte im Anschluss an seine früheren Mittheilungen (siehe d. Zeitschrift 1881, Seite 194) eine kleine Probe künstlich dargestellten Indigo’s, sowie die ver- schiedenen Zwischenprodukte, zu den man bei der Darstellung desselben aus der Zimmtsäure gelangt, vor, nämlich ausser der Zimmtsäure selbst die Ortho-nitro-Zimmtsäure, das Ortho-nitro- zimmtsäure-dibromid und die Ortho-nitro- Phenylpropiolsäure. Redner schloss hieran nochmals eine kurze Erläuterung des Prozesses, auf dem die Synthese des Indigo’s beruht. Herr Dr. Baumert zeigte der Versammlung einige Gegen- stände: zwei Liehtmanschetten und einen Streichholzständer, auf der Halle’schen Industrieausstellung gekauft, welche die Fähig- keit besitzen, im Dunklen zu leuchten und knüpfte hieran einen Vortrag über die Erscheinungen der Phosphorescenz. Herr Dr. Brass sprach hierauf über die Fortschritte, welche die Entwiekelung, die Abstammung und das Leben im Ei im Laufe der Jahre gemacht hat. Sodann hielt Herr Sanitätsrath Dr. Atenstaedt einen Vortrag über Schädliche Farben. Wenn sich die Farben-Technik gewöhnt hat, die Anwendung der Farben aus dem Producte der drei Faetoren: Schönheit, Dauerhaftigkeit und geringe Erzeugungs-Kosten resultiren zu sehen, so muss man sie eines geflissentlichen Rech- nungsfehlers zeihen, da sie gerade einen Haupt-Factor „die Un- schädlichkeit‘ nicht in Rechnung gezogen hat. Immer noch haben sich die industriellen und commerciellen Interessen gegen die Anerkennung des 4. im Bunde gesträubt, so dass es dem- selben oft genug auf eine längere oder kürzere Zeit gelingt, wie -weiland Herr Proteus, unter einer überreichen Nomenclatur der strafenden Hand zu entwischen. Die staatliche Controle ist hier nicht im Stande, mit der Production Schritt zu halten, denn eine Farbe, die heute vielleicht ihrer schädlichen Bestandtheile halber als ‚„Königs-Gelb‘‘ verboten wird, taucht schon morgen als „Persisch-Gelb‘“ im Handel wieder auf. Alle Täuschung ver- schwindet nun zwar vor dem Richterstuhle der Chemie, das 533 - Probirglas und die Löthrohrflamme sind die Brücke auf der eine lügnerische, gewissenlose Industrie das Bein brieht — allein der Guerilla-Krieg wird durch alle Schlupfwinkel von der Industrie hingezogen, von ihr wird stets eine neue Jasons-Saat zu fer- neren Kämpfen ausgestreut. Natürlich befindet sich die Sanitäts- Polizei diesen Ausschreitungen gegenüber in einer sehr übelen Lage, sie soll die schädlichen Auswüchse ausschneiden, ohne den grösseren Verkehrs- Adern dabei zu nahe zu kommen, sie soll controliren — ohne zu geniren. Es ist ferner eine bekannte Thatsache, dass die schädlichsten Farben dem Mineralreiche ent- stammen und vorzüglich sind es 4 Metalle: Kupfer, Arsenik, Blei, Quecksilber, welche in ihren Verbindungen das schäd- liche Agens mit sich führen, dabei aber gerade die schönsten Farben sind. Cursirten daher die Farben unter Fabrikanten und im Handel nur unter ihrer substanziellen Bezeichnung, so könnte sich ja das Publikum selbst schützen, allein zur Herstellung immer neuer Farben-Nüancen werden minder unschädliche Farben ‚und Körper mit schädlichen vermischt und diesem Produkt wird dann ein harmloser Name beigelegt. So zieht der längst steck- brieflich verfolgte Schweinfurter Grüne mit dem frisch visirten Passe, als „Leipziger Patent-Kaiser-Kahlaer-Leobschützer“ ruhig seiner Strassen, bis ihn ein zufälliger Unglückfalls mit falschem Signalement betreffen lässt. Lassen Sie uns nun die schädlichen Farben mit den I. Kupfer-Farben beginnen. Man hat zwar mehrfach die Schädlichkeit des Kupfers und seiner Salze für den Organismus bezweifelt, ja ein namhafter Arzt hat, auf eigene Versuche gestützt, die Behauptung auf- gestellt „dass wir so lange Beobachtungen über Kupfer- Ver- giftungen lesen müssten, bis die Wahrheit, dass es kein Gift, so oft gedruckt als die Lüge, dass es Gift sei!“ Nach anderen Beobachtungen soll freilich die schädliche Wirkung weniger dem Kupfer an sich, als der Beimengung von weissem Arsenik zu- kommen. Lassen Sie mich zunächst Ihnen ein sehon längst im Publikum sehr übel beleumundetes Familien-Glied der Kupfer- Sippe nennen: 1. den Grünspan. Wer kennte ihn nicht, den Verräther unsaubrer Dienst- boten an schlecht verzinnten Kupfergefässen, das Memento mori der Kinder? Ueberall siedelt sich der lose Gesell an, er steigt hinab auf den Boden kupferner Kühlpfannen, er besucht mal- propre Speise-Schenkwirthschaften, Fleischer, Material-Händ- ler, Branntwein-Fabriken und Conserve-Fabrikanten, ja er hat viele Jahre auf der morschen Kuppel unseres alten Rath- haus-Thürmchens in seinem defeeten grünen Rocke hohnlächelnd 534 auf die unter ihm tagenden Väter der Stadt herabgeschaut! Freilich ist das Publikum meist an seinen hoffnungssrünen Visiten selbst Schuld und weiss recht gut, dass ein die Ver- zinnung des Kasseroles prüfender Blick der Hausfrau für den srünen Teufel ein Pentagramma zu sein pflegt. Als Malerfarbe wird der Grünspan seiner geringen: Lebhaftigkeit halber, die längst durch andere Farbstoffe überflügelt ist, wenig mehr an- sewandt. Ueberhaupt hängt auch die Schädlichkeit der Farben, um dies gleich hier anzuführen, beim Anstrich sehr von der Wahl des Bindemittels ab. Oelfirniss, Lackfirniss, die einen nur durch Lauge ablösbaren Ueberzug bilden, geben ja eine höhere Garantie für die Fixirung der Farben, als Leimwasser, Stärke- kleister, Milch, Kalkwasser ab. Ein vorzügliches” Bindemittel würde das Wasserglas sein, jedoch verändert es die Farben, trocknet schwer und ist zu theuer. Maler und Anstreicher haben beim Verreiben der Farben, beim Mischen, oder beim Abreiben von Wänden und Tapeten sich vor dem Eindringen des Staubes in Mund und Nase zu schützen und sollten fleissig Seife und Nagelbürste gebrauchen, um die Farbe nicht schon beim „Früh- stücken“ sich selbst zu incorporiren. Nicht nur durch Kochen in schleeht verzinnten Kupferge- schirren, sondern auch zum Färben von Conserven wird häufig der Grünspan verwendet und es ist immerhin ein gewagtes Unter- nehmen, in der verzweifelten Stimmung eines sogenannten Katzen- jammers die schon gereizte, catarrhalisch affieirte, Schleimhaut des Magens durch den Genuss einer Portion möglicher Weise also vergifteten Mixed-Pickles aufbessern zu wollen. Fand doch eine mit der Untersuchung solcher Delicatessen beauftragte Commission in London von 10 Proben nicht eine kupferfrei. Ebenso wird Kirsch-, Hollunder-, Pflaumenmuss durch Sieden in schlecht verzinnten Kupfergeräthen, Kesseln oft genug kupfer- haltig betroffen. Der bedeutende Consum von Thee, dessen Preise oft auffallend billig erscheinen und dessen Geschmack dabei selbst nicht verwöhnten Geschmacksnerven Hohn spricht, ist schon längst zu einem Gegenstande bedeutender Fälschung geworden. Sollen doch die billigen Sorten nicht unselten aus ausgekochten, mit Grünspan angefärbten, jungen Weissdorn- oder Schlehenblättern bestehen, denen man durch Rollen die übliche Form des Thee’s zu geben verstanden hat. Kinderspiel- Waaren, besonders die in den Spiel- sehachtein befindlichen grünen Bäumchen, Weihnachts- liehtehen und Wachsstöcke finden sich bisweilen mit Grün- span angefärbt und können der Kinderwelt, die gern mit dem Zaun der Zähne Alles betastet, dadurch schädlich werden. Unächtes Gold. „Es ist nicht Alles Gold, was glänzt“, so sagt das 2 Bu re re A Be Rena Sprichwort und bisweilen ist es eben nur eine Legirung von Kupfer mit Zinn in verschiedenen röthlichen oder grünlichen Nüaneirungen, was zur Vergoldung von Kinderspielwaaren, als Schaumgold zum Vergolden der Aepfel und Nüsse, Conditor- waaren, sowie zur Anfertigung des sogenannten Goldwasser- liqueurs verwendet wird. Schweinfurter Grün. Zwar ein prächtiges Grün — aber auch zugleich eine der schädlichsten Farben, da sie neben einem Aequivalent essigsaurem, auch 3 Aequiv. arsenigsaures Kupferoxyd enthält! Neuerdings ist das Publikum durch vielfache Vergiftungsfälle gegen „Alles Grüne‘ sehr misstrauisch geworden und die giftfreien, billigen grünen Farben haben das Schweinfurter Grün mehr und mehr aus dem Handel und der Industrie verdrängt. Früher ward es zur Tapetenfabrikation, zum Bemalen der dem Auge so wohl thun sollenden grünen Roulleaux, zum Zimmeranstrich, zum Färben bunter Papiere, Kinderspielsachen, als Farbe in Tusch- kästen u. s. w. verwandt und gar mancher eigenthümliche Krank- heitsfall mag in einer feuchten, mit dieser Farbe getünchten oder tapezirten Stube, deren Wände das Gift aushauchten, seinen Ausgangspunkt genommen haben. Manche Krankheit der Kleinen mag einem Lecken derselben an Spielsachen, an bunten Bonbon- papieren, an Tuschkästenfarben zuzuweisen gewesen sein. Sahe man doch recht hartnäckige Hautausschläge an der Stirn durch das Bemalen der Innenfläche der Mützenschilde mit dieser Farbe entstehen, da der Lack durch den Schweiss bisweilen bald auf- selöst wurde, ja ich habe von einem Vergiftungsfalle durch Erd- beeren gelesen, die einen Tag lang auf einem grünlackirten - Blechteller gestanden hatten. Wir kommen nun zur Be- sprechung der | I. Arsenik-Farben. Man sollte kaum glauben, dass ein an sich schon so ge- fürchteter Stoff, den sich jeder Apotheker nur hinter Schloss nnd Riegel mit den officiellen und offieinellen Attributen des Todtenkopfes und der drei Kreuze zu denken vermag, in der Völker verbindenden Industrie eine so bedeutende Rolle zu spielen vermöchte! Und dennoch spielt er sie — unter dem un- bewussten Applause eines beträchtlichen Theils des hochverehrten Publikums ohne Scheu! Die Industrie hat sich diesen gefähr- lichen Gesellen — den Intriguanten in der Farbenwelt — dienst- bar gemacht und seinen Einfluss auf andere Farbstoffe zu ver- werthen gewusst. In den Kattun-Druckereien hat man ihn füglich in der Form des sauren, arseniksauren Kali’s zur Niederschlagung arseniksaurer Verbindungen auf den Stoffen benutzt — eine 536 Verwendung, die durch das Zurückbleiben arsenikhaltiger Ver- bindungen in den Zeugen, oder durch Schwängerung des Abfall- wassers schädliche Einflüsse auf die Gesundheit auszuüben vermag. 2) Wachs- und Stearinkerzen erhielten früher zur Erzielung einer blendend weissen Farbe einen Zusatz von arseniger Säure — neuerdings hat sich die Fabrikation dieses Stoffes, der sein Bekanntwerden füglich dem Vergiftungsversuche des Kaisers Leopold verdankt, sicher entäussert. Wie weittragend der Einfluss der arsenikhaltigen Farben ist, möge eine Verwarnung älteren Datums der Königlichen Re- gierung zu Erfurt illustriren, wonach des Oefteren Unglücksfälle durch das Heizen der Backöfen von, mit arsenikhaltigen Farben bemaltem Holze vorgekommen waren.“ — Von den eigentlichen Arsenikfarben findet noch seiner schönen Orangefarbe halber, die jedoch durch die Chromfarben neuerdings mehr und mehr verdrängt wird, eine technische Verwendung das Rauschgelb (Operment), auch gelbes Schwefelarsenik genannt. In der Farbentechnik bietet es zwar den sehon genannten Chromfarben gegenüber den grossen Vortheil dar, dass es beim Mischen mit dem resp. Binde- mittel keine Veränderung zeigt, jedoch geben z. B. beim Zimmer- anstrich feuchte Wände zur Entwicklung des so schädlichen Arsen-Wasserstoff-Gases sehr leicht Veranlassung. Das rothe Schwefelarsen, Realgas, zur Darstellung des sogenannten „chinesischen Weissfeuers‘ bei effect- vollen Theater-Schluss-Tableau’s verwandt, beschenkt es das schaulustige Publikum mit einem, christlichen Geruchsorganen nicht sympathischen, Knoblauch’s Geruche. Waschleder wird zur Erzielung einer schön gelben Farbe oft mit Operment behandelt, was um so gefährlicher ist, als das nur leicht eingeriebene Pulver nur lose haftet, leicht abstäubt und auch, wie dies bei Handschuhen oder ledernen Beinkleidern geschehen kann, von der Haut aus absorbirt wird. Von den, dem Damen-Publikum offerirten Kästchen mit farbigem Siegellack sind die gelben Sorten bisweilen mit Operment gefärbt und sehen wir hier allerdings das Vorurtheil gegen die gelbe Farbe — als Zeichen der Falschheit — gerechtfertigt. III. Anilin-Farben. Ich muss an dieser Stelle noch eines Farbstoffs gedenken, der zwar an sieh nicht absolut schädlich, durch die Art seiner Darstellung für den Fabrikbetrieb und durch die Verwendung zum Färben von Bekleidungsgegenständen, ja von Ge- 537 nussmitteln, gesundheitsschädlich geworden ist. Ich meine die seit einer Reihe von Jahren in weiten Kreisen eingeführten, eine völlige Revolte im Fahrikbetriebe bedingenden, geradezu epochemachenden Anilin- Farben. Das Anilin, dessen Gewinnung aus dem, durch Destillation des Steinkohlentheeers dargestellten Benzol erfolgt, hat die Eigen- schaft anderen Körpern den Sauerstoff zu entziehen und sich da- durch zu oxydiren, wobei der an und für sich farblose, flüssige Stoff in die schönen, hohes Färbevermögen repräsentirenden, sowie ein reiches Lüstre darbietenden Anilin-Farben übergeführt wird. Leider wird nun in der Fabrikation die Arsensäure und zwar in beträchtlichen Mengen als Sauerstoffträger verwendet, die aller- dings bei sorgsamer, gewissenhafter Fabrikation aus den fertigen Anilinfarben wieder ausgeschieden und als arsenigsaurer Kalk in die Abfälle wandert. Dass nun ein starker Fabrikbetrieb, mit hunderten von Centnern Arsensäure, nicht nur die Arbeiter in ihrer Gesundheit schädigt, sondern auch, durch die Anhäufung der massenhaften Rückstände, die Luft, die Brunnen, die Wasser- läufe in der Nachbarschaft zu infieiren vermag, liegt auf der Hand und hat die grosse Baseler Fabrik in einem angestrengten Processe eine sehr bedeutende Strafe zahlen müssen. Zum grossen Vortheile haften die Farbstoffe an der thierischen |Faser® — Wolle und. Seide — ziemlich leicht, stäuben nicht ab, während sie an der Pflanzenfaser — Baumwolle und Leinen — erst eines Fixirungsmittels, einer Beize, bedürfen. Das theure aber sichere Albumin ist jetzt in der Fabrikation durch das billigere, aber unzuverlässigere Glycerin und arsenigsaure Thonerde ver- drängt worden und so kommt es, dass solche Zeuge oft mehr Arsenik — und noch dazu in schon im Wasser löslicher Form — ent- halten als die viel verschrieenen grünen. Glücklicher Weise haben die Anilinfarben eine sehr bedeutende Färbekraft und schon geringe Mengen bringen die beabsichtigte Färbung hervor. Un- gleich gefährlicher, ja leichtsinniger ist die Anwendung der arsenhaltigen Anilinfarben zur Färbung von Genussmitteln: von Liqueuren, Confitüren, Eis in Fruchtform, Mehlspeisen, Saucen und besonders von Himbeersaft, wodurch längst amtlich fest- gestellte Vergiftungsfälle vorgekommen sind. Blei-Farben. Wollte man mit einem Male alle Bleifarben verbieten, ich glaube eine allgemeine Revolte in den industriellen Kreisen würde dieser Massregel folgen. Da wäre keine Branche, die nicht durch ein solches Verbot empfindlich geschädigt würde! — Die Blei- farben spielen die Rolle des Unentbehrlichen, des Hausfreundes in der Farbenwelt, der uns jedoch, unbeschadet seiner sonstigen Liebenswürdigkeit, hinter dem Rücken recht derben Nachtheil 538 zufügen kann. Lassen Sie uns einen Blick auf diesen couranten Artikel werfen. Wie fein, wie blendend weiss ist dieser Thür-Anstrich! Kein vorwitziges Körnchen Farbe ist auf dem Holze zu erblicken, es ist vermöge der Feinheit der Farbe kein Anstrich, es ist ein Ueberguss mit Farbe! Dagegen war es amtlich festgestellt, dass allein 2 Bleiweiss- fabriken in Frankreich im Laufe von 10 Jahren das ansehnliche Contingent von 1898 vergifteten Arbeitern in die Pariser Hospi- täler schickten. Die Staats-Controle hat in den Fabriken um- fangreiche Ventilation der Arbeitsräume, Neutralisationsmittel der Farbstoffe : Schwefelbäder, Trinken von schwefelsauren Limo- naden, skrupulöse Reinlichkeit für die Arbeiter angeordnet, allein der tückische Feind ist noch immer nicht ganz besiegt und noch Hunderte von Leuten, die mit diesem Farbstoffe umgehen, machen jährlich ihre schmerzhaften, nicht ungefährlichen „Blei-Koliken“ durch und siechen oft bis zu ihrem Lebensende Ein humaner Entschluss mehrerer Industriellen versuchte vor Jahren die so, schädlichen Bleifarben durch die unschädlicheren Zinkfarben zu verdrängen, allein ihre geringere Deckkraft, das schlechtere Verarbeiten liess die Waagschale der Humanität leider nur allzu- bald sinken. Ebenso hat sich ein Verfahren mehrerer Fabriken: das Bleiweiss, die verbreitetste aller Bleifarben, da sie das Ver- satzmittel aller anderen Oelfarben bildet, gleich Verrieben, um die durch das Verstäuben der Farbe gefährliche Manipulation für weitere Kreise zu redueiren, in den Handel zu bringen, nicht einbürgern lassen. Die Anfertigung von Glac&-Papieren, Visitenkarten bedingt gleichfalls durch. das Verstäuben der Farben beim Auf- tragen, bei der Bereitung des Bleiweissteiges, für die Arbeiter hartnäckige Vergiftungszufälle und man sollte sicher Kindern, die solche Dinge ja immer nach dem Munde führen, derlei Karten und Papiere nicht in die Hände geben. Ich will Sie ferner noch an die weissgestrichenen Kinderwagen-Verdecke erinnern, die vor einigen Jahren durch Vergiftungsfälle eine traurige Berühmtheit erhielten. Auch dich, „nikotianisches Kräutlein“, Pfeifehen des armen Mannes, das du unter den grausamen Händen unseres Reichskanzlers jetzt noch mehr bluten sollst, das du beinahe in die Reihe der Lebensmittel hinüberreichst, auch dich hat die perfide Spekulation beim Schopf genommen. Man hat dir, biedrer Uckermärker und fröhlichen Pfälzer, durch Bleibeizen und Saucen die aristokratische Farbe und den haut-goüt der Habanna geben wollen, man hat dich zu einem „Erlaucht‘“ machen wollen, wogegen jedoch die feine Zunge des Kenners dein spiessbürger- liches Geblüt herausschmeckt. 2 : 539 “ Auch dich, Vogel der rettenden That, Spruch- und Stichwort der Dummheit, Kavalleristen zu Fuss, wie du von Masius in seinen Naturbildern genannt wirst, hat eine fahrlässige Industrie nieht ungeschoren gelassen, denn man hat giftigen Betrug zwischen dein treues Gefieder gesäet, um es weisser und schwerer zu machen und darum mag es wohl bis- weilen „wie Blei“ auf dem arglosen Schläfer lasten. Schminken, Pomaden, Haarfärbemittel hüllen sich zwar in den diehten Schleier der Fabrikation, allein die sanitätspolizei- liche Chemie hat doch beim Lüften des schönen Schleiers z. B. bei dem blane d’Espagne ein recht hässliches Bleiweiss- Gesicht zu sehen bekommen. Die Bleiglätte. Früher von den Wein-Brauern benutzt, um sauer gewordene Weissweine wieder trinkbar zu machen, wird jetzt wohl nur noch zur Töpferglasur, zum Fensterkitt, zur Bereitung des Leinölfirniss angewandt. Ebenso bedingt die Mennige bei ihrer Fabrikation die gleichen Gefahren wie die übrigen Bleifarben, wird jedoch in der Neuzeit wohl nur noch zum Grundiren des Eisens verwendet. Die Chrom-Bleifarben. als Chromgelb, Chromroth und Orange werden in der Kattun- - fabrikation, . Buntpapier-Industrie, zur Darstellung der Bücher- schnitte angewandt und sind in der Zeug- und Garnfärberei wohl durehden Umstand, dass sie keine chemische Verbindung mit dem Material eingehen, sondern nur lose haften, jetzt verlassen worden. Sie würden auch den fleissigen Weber durch die Er- sehütterung des Webstuhles beim Anschlagen der Lade in eine sehr hässliche Blei-Atmosphäre hüllen. Quecksilber-Farben. Hier kann ich mich kurz fassen, denn — eine so weite Verbreitung auch das metallische Quecksilber zu pharmaceutischen und technischen Zwecken gefunden hat, redueirt sich die Ver- wendung der Quecksilberfarben — ausser zwei Präparaten von sehönrother und gelbgrüner Farbe, welehe in der Seiden- und Zeugfärberei eine Rolle spielen, noch auf die allerdings reiche Benutzung des Cinober als Malerfarbe, in der Buntpapier-Industrie, zum Färben von Conditorei-Waaren, bei Fälschungen des Cayenne-Pfeffers, Kakao’s und zur Anfertigung von Siegellack und Oblaten. Zum Schluss sprach Herr Prof. v. Fritsch über Erdbeben. Bald darauf vereinigte im Gasthof „Zum Prinzen“ ein so- lennes Mahl die Anwesenden; zahlreiche Toaste ernsten und 540 heitren Inhaltes gaben die Würze. Ihren Gefühlen der Dank- barkeit und Verehrung gegen den leider abwesenden Stifter und Vorsitzenden des Vereins, Herrn Prof. Giebel, gab die Ver- sammlung durch Absendung eines Telegrammes an denselben Ausdruck. Nach beendeter Tafel wurde ein gemeinsamer Spaziergang nach der Goetsche unternommen, wo Herr Oberförster Brecher mit grösster Bereitwilliskeit und Liebenswürdigkeit die Anwesenden in dem schönen Walde umherführte und sie auf die Einzelheiten der Forstkultur aufmerksam machte. Von der Kaisereiche, vor der unserm verehrten Kaiser ein dreifaches Hoch erschallte, ging es zum Rastplatze. Der Herr Oberförster Brecher hatte es sich nicht nehmen lassen, seine Gäste auf seinem Reviere mit schäu- mendem Gerstensafte zu bewirthen, und so gerieth denn die Ge- sellschaft, gehoben durch die Stimmung, wie sie der Aufenthalt im frischen grünen Walde, fern von den kleinlichen Sorgen des täglichen Lebens verleiht, bald in die heiterste, fröhlichste Laune. Muntre Lieder erschallten, Toaste wurden ausgebracht, komische Solovorträge gehalten, Soloscherze aufgeführt, bis der herein- brechende Abend, wohl Allen zu früh, zur Heimkehr mahnte. Nach einem kurzen Abendimbiss im Restaurant Doering schlug für die Gäste die Abschiedsstunde; Niemand wird es jedoch unter diesen geben, der sich nicht stets gern und mit Freude an diesen Tag und an die Bitterfelder Freunde erinnern wird! Sitzung am 7. Juni. Anwesend 15 Mitglieder. Zur Aufnahme angemeldet werden Herr Studiosus Weise und Herr Steckner durch die Herren Grosse, Teuchert und Baumert, und als Vereinsmitglieder werden proklamirt Herr Louis Rittweger, Louisengrube bei Bitterfeld, „ Richard Hempel, Chemiker, Sandersdorf bei Bitterfeld, „» H. Polko, Bitterfeld, Herr F. Polko, mon. BZ, Bitterfeld. „ Sommer, Bürgermeister, | »„ R. Baumgarten, Greppiner Werke. Sodann hält Herr Dr. Liebscher, welcher eben aus Japan zurückgekehrt ist, einen längeren Vortrag über seine interessante Reise nach Japan unter Vorlegung zahlreicher Photographieen. Sitzung am 14. Juli. Anwesend 11 Mitglieder. 541 Zu Mitgliedern werden proklamirt: Herr Studiosus Weise und Herr Steckner und zur Aufnahme wird angemeldet Herr Mathematieus Krüger aus Gardelegen. Hierauf spricht der Schriftführer Herr Dr. Luedecke über die Synthese des Mellits. Schon früher hatten Friedel und Craffts durch Einwirkung von Methylchlorid auf Benzol bei Gegenwart von Chloraluminium das Hexamethylbenzol dargestellt; oxydirt man dieses Hexamethyl- benzol, so entsteht, wie schon Bayer zeigte, die Mellitsäure. Bringt man in ein mit einem Spalte versehenes Gefäss mellit- saures Natron und in ein andres das erstere umgebendes Gefäss eine Lösung von Chloraluminium, so bildet sich mellitsaures Aluminium in hetragonalen Pyramiden. natürlicher Mellit künstl. Mellit 111 : 111 = 118014’ 118° 16° 11:11 = 9°6 930 40° Die am künstlichen Mellit angestellten Messungen stimmten also hinreichend mit dem des natürlichen überein. Im Polarisations- mikroskop erkannte man das schwarze Kreuz mit den bunten Ringen, ein Beweis, dass auch in optischer Hinsicht der künst- liche mit dem natürlichen übereinstimmt; er ist optisch-negativ wie der natürliche. Auch die angestellte chemische Analyse beweist, dass es wirklicher Mellit ist: künstlich Mellit 20,7 20,14 H2O —= 45,63 45,33. In der Folge spricht der Vortragende über den Dumortierit, ein neues Aluminiumsilicat von Beaunan. In dem Gneis von Beaunan finden sich Pegmatitadern, auf welchen ein bläuliches Mineral sitzt; die Farbe wechselt zwischen schwarzblau und farblos; ausserdem finden sich daneben Apatit. Damour hat den Dumortierit durch Fluorwasserstoff und Schwefel- säure aus den Pegmatiten isolirt; es blieben dann Quarz und Dumortieritkörner zurück, während die Feldspathe aufgelöst wurden. Da die Dichte der Dumortierite 3,36 ist, so konnte mittelst Jodkaliumjodquecksilber der Quarz leicht davon getrennt werden. Es wurden von den blauen Körnern 0,5680 Gramm gesammelt. Das Pulver ist bläulich weiss, erhitzt bleibt er blau, zur Rothgluth im Platintiegel erhitzt verwandelt er seine Farbe nicht; hingegen macht die Weissgluth ihn wasserhell, ohne ihn dabei zu schmelzen. Wird er mit Kobaltnitrat behandelt, so nimmt er wie die übrigen basischen Aluminiumsilicate der Anda- lusit, der Silimanit und Disthen eine schöne blaue Farbe an. Phosphorsalz löst ihn auf und der Fluss erhält eine opalisirende, 542 ins blaue stechende Farbe, die vielleicht von ein wenig. Titan herrührt. Theorie Analyse: Si0? —= 29,85 30,40 A1203 = 66,02 68,60 Fe, 0; = 1,01 M:O = 0,45 Verlust durch Glühen —;2,29 99,58 Unter Theorie stehen die Procentzahlen, welche aus der Formel A138 Si? O13 hergeleitet sind. Alsdann spricht Herr Dr. Brass über die Entwickelung des Eis und Herr Dr. Schröder über die Hennenfedrigkeit der Vögel; an der längern Debatte über diesen Gegenstand be- theilisten sich Herr Prof. v. Fritsch, Herr Dr. Brass und Herr Studiosus Roedel. Zum Schluss spricht der Vorsitzende Herr Prof. v. Fritsch über Süsswasserpetrefakten aus dem Kimmeridge von Schlewecke bei Harzburg und über Mastodonten von Rippersroda bei Plaue. Sitzung am 21. Juli. Anwesend 15 Mitglieder. Herr Krüger wird als Mitglied proklamirt. Herr Dr. Liebscher spricht über Sitten und Gebräuche der Japanesen unter Vorlegung von japanesischen Waffen und Werkzeugen. Sitzung am 28. Juli. Anwesend sind 15 Mitglieder. Eingelaufene Schriften: 1. Zeitschrift der deutsch- enllon, Gesellschaft, 33. Band, 1. Heft, Berlin 1881. 2. Archives Neerlan doises des Sciences Natur. Tome XVI. 1., 2. Livraison, Harlem 1881. Archives du Musee Teyler, Serie U. Partie 1. Harlem 18831. Bulletin de la Societe Vaudoise, Sciences Natur. 2. Der. Vol. 17. Lausanne 1831. Liebe, Seebedeckungen Ostthüringens, Gera 1881. . Monatsbericht der Academie der Wissenschaften, Februar und März 1881, Berlin 1881. 7. Bulletin de la Societe Imperiale des Natur. Annee 1880. No. 4. Moscou 18831. 8. Mittheilungen der Naturforsch. Gesellsch. Bern 1880. No. 979 bis 1003. Bern 1881. 9. Verhandlungen der schweizerischen Naturf. Gesellsch. in Briey 1879 und 1880. Lausanne 18831. PR an N don I 543 10. Jahresbericht der Naturf. Gesellschaft Graubündens. Neue Folge 23 und Jahrgang 24. Chur 1881. 11. Warnstorf, Torfmoose von Europa, Berlin. 12. Reyer, Zinn, eine geolog. Monografie. Berlin 1881. 13. Exner, Vorlesungen über Wellentheorie des Lichtes, Verdet. Band I. Braunschweig 1881. 14. Sydow, Moose Deutschlands, Berlin 1881. 15. Schlitzberger, Mykologie, Berlin 1881. 16. Rundschau für Chemie, Pharmacie ete. No. 18, 19, 20. 17. Verhandlungen für Natur-Heilkunde, Heft 4, Jahrgang 1875 bis 1880, Pressburg 1881. 18. Crassmann, Das Weltleben, Stettin 1881. 19. Noll, der zoologische Garten, Jahrg. 22, No. 4, Frank- furt 1881. 20. Memoires l’Academie des sciences etc. de Lyon, Volume 19 und 24, Paris 1879— 80. 21. Annales d’Agrieulture de Lyon, Serie 5. Tome II, 13879. Lyon 1880. 22. Nomenelature Botanique par le d’Saint-Laye, Paris 1881, 23. Atti della Accad. dei Lincei. Serie II. Volume V. Fase. 14, Roma 18831. 24. Annual Report of Smithsonian Instit. 1879. Washington 1880. Herr Apotheker Meyer spricht über das Vorkommen von Hesperidin oder eines demselben nahe verwandten Körpers in conium maeulatum und in ptelea trifoliata, in denen es vor ihm noch Niemand nachgewiesen hat. Er giebt sodann eine ana- tomische Charakteristik der Theeblätter und macht auf die von ihm aufgefundenen Stipeln der Blattzähne besonders aufmerksam, ein Merkmal, welches in dieser Weise keines der bekannten, zur Verfälschung des Thee’s dienenden Blätter zeigt. Herr Dr. Senf legt sodann einen Papierteller vor, Fabrikat der Halle’schen Papierfabrik, wie der darauf stehende Druck besagt, welches als handlichere Form des Fliegenpapiers jetzt in den Handel gebracht wird. Er bemerkt, dass diese Teller nicht, wie diejenigen als Fliegengift benutzten Papiere, welche ausser- halb der Apotheken zu verkaufen gestattet sind, mit einem un- schuldigen Bitterstoffe vergiftet seien, sondern dass dieselben be- deutende Mengen von arseniger Säure enthielten. Er weist - darauf hin, wie gefährlich gerade diese Teller, bei denen es ja nicht ausbleiben könne, dass die darin stehende Flüssigkeit den Boden mehr oder minder nach wenigen Tagen durchweiche und so auf Tische, Fensterbretter ete. gelange, zu werden vermögen nd wie sehr es geboten sei, die Aufmerksamkeit des Publikums ‘.* diesen scheinbar harmlosen Gegenstand zu lenken. Sodann spricht Herr Dr. Brass, anschliessend an seinen ” vom 14. Juli über die Art und Weise, in der sich das 544 thierische Ei entwickelt. Er bespricht die Hauptformen des Eies, sowie deren Bildung und erörtert, dass nach den neusten Forschungen an einer Phase der Entwickelung Eizelle und Samen- zelle identisch seien und dass zur Bildung des Eies aus dieser Zelle nur eine Reihe von Umänderungen im mütterlichen Or- sanismus vor sich gehen müssen. Er knüpft hieran die Be- sprechung des sogenannten Sprossungsprozesses, der, wie er zeigt, sich eng an die Entwickelung des Eies anschliesst. Zum Schluss unterzieht Herr Dr. Scehubring aus Erfurt das in naturwissenschaftlicher Beziehung Interessante, was ihm auf der Frankfurter und Halleschen Ausstellung entgegengetreten ist, einer kurzen Besprechung. Sitzung am A. August. Anwesend sind 13 Mitglieder. Herr Schubring aus Erfurt spricht über die meteorologischen Stationen der Provinz Sachsen und besonders über die Methoden des Telegraphierens der Wetterkarten. { Herr Liebscher spricht über japanische Kunstgewerbe unter Vorlegung zahlreicher Kunstprodukte. Zum Schluss spricht Herr Dr. Baumert über die Ein- wirkung der Salzsäure und der Phosphorsäure auf die Lupinen- alkaloide. Herr Bischoff in Dresden macht folgende briefliche Mit- theilung: Den Kalisalzfund Ludwig Il bei Stassfurt be- treffend. In der Zeitschrift des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen vom 4. Februar 1878 hatte ich, unter Darthuung der bisher gefundenen Gebirgsschichten, meine Ansicht bezüglich des Salzbergwerkes Ludwig II. bei Stassfurt dahin aus- sesprochen, dass die Auffindung eines bauwürdigen Carnallitflötzes kaum zweifelhaft sein könne, und so kann ich nun bestätigen, dass unter den 298 Fuss mächtigen oberen körnigen Deck- salzen, 164 Fuss Anhydrit und 16 Fuss Salzmergel, sodann das erwünschte Carnallitlötz, mit 96 Fuss Mächtigkeit, aufge- funden wurde, sodann folgt eine schwache Bank Kieserit und dann wieder Carnallit, in welchem man nun noch 14 eingedrungen ist. Carl Bischof. Studien an Cestoden. Von Dr. Gottfried Riehm (Mannheim). Mit Tafel V u. VI. J. Taenia pectinata, Göze. A. Geschichtliches. In seinem grossen Helminthenwerke erwähnt Göze auch einen Bandwurm, welchen er in Hasen und wilden Kaninchen gefunden haben will, und den er als Taenia pectinata, articulis pectiniformibus; apice acutissimo; capite inermi, quadrivesieulato® diagnosiert; er fügt des Weiteren nur hinzu, dass die Glieder dieses Cestoden ähnlich seien denen von T. ovina, noch ähnlicher denen der 7. /anceo- lata aus der Gans und nach Pallas Ansicht denen von Schistocephalus, und dass dieselben beiderseits Geschlechts- öffnungen zeigen. Der Kopf sei wie ein Pünktchen, kaum zu bemerken, ein stumpfrunder Zapfen mit flachaufliegenden vier Saugnäpfen. Ausserdem giebt er einige, natürlich den damaligen Verhältnissen entsprechende und darum sehr ungenügende Abbildungen. In seinen Nachträgen zu dem erwähnten Göze’schen Werke glaubte Zeder!) diese Be- schreibung durch eine bessere ersetzen zu müssen; er unter- suchte zu dem Ende die von ihm in Hasen aufgefundenen Bandwürmer, kam aber zu ganz abweichenden Resultaten. 1) Erster Nachtrag zur Naturgeschichte der Eingeweidewürmer von J. A. E. Göze mit Zusätzen und Anmerkungen herausgegeben von Dr. J. G. K. Zeder, Leipzig 1800. Zeitschr, f. d. ges. Naturw. Bd. LIV. 1881. 36 546 Seine T. pectinata zeigte ihm einen grossen Kopf mit vier dick hervortretenden Saugnäpfen, und nur auf einer Seite der Glieder Geschlechtsöffnungen. Ohne zu ahnen, dass ihm ein ganz anderer Hasenbandwurm vorliegen könne, schiebt er alle Abweichungen seines Befundes auf die An- wendung des „von Göze so sehr beliebten Pressschiebers“, dessen Druck jene falschen Bilder wohl vorgetäuscht und jene irrigen Angaben veranlasst habe. In der That aber hatte er, wie wir im Laufe dieser Arbeit noch sehen werden, die Taenia rhopalocephala n. sp. vor sich, auf welche seine Diagnose unschwer zurückzuführen ist. Seine Untersuchung blieb fast unbeachtet, denn die späteren Helminthologen schlossen sich in ihren Beschreibungen der Taenia pectinata wieder mehr der Göze’schen an, welche sie nur nach eige- nen Untersuchungen glaubten vervollständigen zu müssen. So bemerkt Rudolphi!), dass der Kopf der T. pectinata in der Mitte eingedrückt erscheine, dass die Glieder, nament- lich die reifsten, sich nieht selten in der Mitte contrahiert zeigten, und dass die Geschlechtsöffnungen papillenartig vorspringen und oft einen langen, meist gedrehten Faden entsenden. Auch er hatte wenigstens nicht ausschliesslich den Göze’schen Wurm gefunden, confundierte denselben viel- mehr mit einem Cestoden, welchen Dipylidium latissimum zu nennen ich vorgeschlagen habe, gleichzeitig jedenfalls auch mit Dipylidium Leuckarti n. sp., welches mit der Göze’schen 7. pectinata in vielen Stücken übereinkommt. Bremser, dem wir die bekannten schönen Abbildungen zu dem Rudolphi’schen Werke verdanken, bildet denn auch ein unverkennbares D. Leuckarti in natürlicher Grösse ab, während die vergrösserte Spezialabbildung des Kopfes mehr an D. latissimum erinnert. Wie Rudolphi, so erging es Diesing?), da auch er das papillenartige Vorspringen der Geschlechtsöffnungen, welches für D. latıssimum so charac- teristisch ist, von seiner 7. pectinata hervorhebt. Du Jardin kannte die T. pectinata nicht aus eigener An- schauung;- er vermag nicht einmal mit Bestimmtheit anzu- 1) Rudolphi, Entozoorum historia naturalis. 2) Systema helminthum. 547 geben, ob dieselbe auf beiden Seiten oder nur auf der einen Geschlechtsöffnungen besitze. Demnach übergehen wir hier seine compilatorische Beschreibung. Damit haben wir aber auch die gesammte Literatur über die fragliche Tänie zusammengestellt, denn von nun an geht der Name T! pee- tinata, Göze in alle Handbücher über, ohne dass der Träger desselben einer erneuten Untersuchung unterworfen worden wäre. Im Herbste vorigen Jahres nun wurde ich durch einen Zufall auf die Bandwürmer des Hasen aufmerksam, und da ich seither eine Zahl von über 150 Hasengedärme und ebensoviel Kanincheneingeweide zu untersuchen Gelegen- heit hatte, so war es mir nicht schwer, die Differenzen zwischen jenen Beschreibungen zu erklären; denn ich wurde genöthist, fünf verschiedene Bandwurmarten in Hasen und Kaninchen zu unterscheiden, von denen drei dem wilden Kaninchen — in zahmen habe ich deren niemals ge- funden —, zwei dem Hasen als Parasiten zugehören. Bevor ich jedoch zur Beschreibung derselben übergehe, sei es mir verstattet, meinem hochverehrten Lehrer Herrn Geheimen Rath Prof. Dr. Leuckart auch an dieser Stelle meinen wärmsten Dank auszusprechen; denn er war es, welcher mir während meines Aufenthaltes in Leipzig das Interesse an den wunderbaren Erscheinungen des Para- sitismus erweckte, er war es, der mir das Verständniss er- öffnete für die eigenartige Organisation und Entwickelung namentlich auch der Cestoden, er war es, der mir, selbst nachdem ich Leipzig verlassen hatte und wieder nach Halle zurückgekehrt war, bei dieser Arbeit mit seinem Rath und seiner unglaublich umfassenden Literaturkenntniss hilfreich zur Seite gestanden hat, da Prof. Dr. Giebel leider in dieser Zeit verhindert war, derartige Hilfe zu leisten. B. Präparationsmethoden. Bei Aufstellung irgend eines Bandwurms in der Samm- lung erscheint höchst wünschenswerth, denselben in ausge- strecktem Zustande zu conservieren, und will man gar zum Zwecke einer Untersuchung gute Quetschpräparate her- stellen, welche ja immerhin als Uebersichtspräparate gute 36* 548 Dienste leisten und zur vorläufigen Orientierung unerlässlich ‘sind, so ist dies sogar nothwendig. Dass sich andererseits begreiflicher Weise der Bandwurm so stark als möglich zusammenzieht, sobald man ihn ohne Weiteres lebend in die conservierende Flüssigkeit wirft, versteht sich von selbst, und man sieht sich in Folge dessen genöthigt, auf diese oder jene Weise einer solchen COontraction vorzubeugen. Das einfachste Verfahren, diesen Zweck zu erreichen, besteht nun meinen Erfahrungen zufolge darin, dass man den vorher mit dem Pinsel gereinisten Wurm in die hohle Hand legt und nun wartet, bis derselbe, durch ihre Wärme veranlasst, beginnt sich auszudehnen, was bald geschieht, in- dem er ja eben durch diese Flächenvergrösserung um so mehr von der Wärme der Hand zu reeipieren in der Lage ist. In diesem Zustande wickelt man ihn vom Kopfe beginnend in Spiraltouren auf eine Glasröhre, wobei man durch einen sanf- ten Zug die Ausdehnung des Wurmes noch vervollständigen mag. Der einmal aufgewickelte Theil vermag sich in Folge der Reibung am Glase nieht wieder zu contrahieren, und man kann also sehr leicht den ganzen Bandwurm voll- ständig ausgestreckt auf der Glasröhre aufgerollt erhalten. Steekt man nunmehr das Ganze rasch in eine Flasche Spiritus, so hat man seinen Zweck vollkommen erreicht und muss nur, wenn nachher der Wurm etwa zu fest am Glasrohr angeklebt wäre, dasselbe auf wenige Minuten in ein Gefäss mit Wasser bringen, wodurch dann die Ablösung leicht möglich wird. Auf diese Weise getödtete Cestoden liefern regelmässig schöne Quetschpräparate, besonders wenn sie mit Alauncarmin oder mit Hämatoxylin gefärbt wurden, bei welch’ letzterem ein minutenlanges Einlegen des ge- färbten Präparates in Essigsäure und Auswaschen derselben mit Ammoniakwasser anzurathen ist, weil dadurch der sonst leicht etwas zu intensiv gefärbte Hautmuskelschlauch zum grössten Theile seines Farbstoffes durch Zersetzung des- selben verlustig geht und dadurch den Genitalapparat deut- lich hervortreten lässt. Die genauere Untersuchung ist natürlich erst auf dem Wege der Schnittmethode möglich, und es empfiehlt sich durch Deutlichkeit und Reiehthum der Bilder der Flächen- a ae are 549 schnitt vor allen anderen, das heisst derjenige Schnitt, welcher parallel zu den beiden Flächen des Wurmes ge- führt wird. Nur macht sich bei der practischen Ausführung der betreffenden Serien ein doppelter Uebelstand in hinder- licher Weise geltend; einmal bricht bei den letzten Schnitten das Präparat sehr leicht aus der Paraffinmasse heraus, und andererseits gewähren die Schnitte häufig nicht die ge- - wünschten Bilder, entweder weil das zu schneidende Prä- parat selbst nicht ganz eben gewesen, oder weil es doch nicht genau parallel der Schnittfläche aufgeheftet worden war. Das Ausbrechen des Präparates ist indessen unschwer zu vermeiden durch die Anwendung einer Einbettungsmasse, welche geeigneter ist die Haut der Cestoden zu durch- dringen als das gewöhnlich in Anwendung gebrachte Ge- misch von Paraffin und Talg, und ich kann zu dem Ende eine Mischung empfehlen, welche man durch Zusammen- schmelzen von gleichen Theilen Paraffins und weissen Wachses erhält, so zwar, dass man etwa auf jedes Gramm der Mischung ein bis zwei Tropfen in Terpentinöl aufge- lösten Canadabalsams hinzufügt. Namentlich der Wirkung des letzteren schreibe ich das schnelle und vollständige Durehdringen und das bedeutende Haftvermögen zu, welches diese Einbettungsmasse auszeichnet. Man schneidet in derselben, wie in der gewöhnlichen Paraffinmischung, unter Benetzung des Messers mit Benzin und trägt nur Sorge dafür, dass das eingebettete Präparat selbst nicht zu stark mit Benzin befeuchtet werde, weil dieses Oel sonst das Schnittobjeet durchdrinst und die eingedrungene Ein- bettungsmasse löst, was natürlich ein Ausfallen des Präpa- rates zur Folge haben muss. Hieraus geht schon zur Ge- nüge hervor, dass Benzin zum Entfernen auch dieses Einbettungsmaterials zu verwenden ist. Bezüglich jenes zweiten Uebelstandes kann ich eben- falls einen kleinen Handgriff empfehlen, der allerdings nur bei den nach dem Ranvier’schen Prineip eonstruierten, also mit einer Schnittplatte versehenen Microtomen Anwendung finden kann. Man bringt das zu schneidende Stück des Cestoden aus Terpentinöl in die in einem Uhrschälchen er- wärmte Einbettungsmasse, erhält letztere, etwa über kochen- 550 dem Wasser, so lange in flüssigem Zustande, bis das voll- kommene Undurchsichtigwerden des Präparates die vollen- dete Durchtränkung desselben mit der Masse anzeigt, hebt letzteres mit einem erhitzten Messer heraus und drückt es mit ebendemselben sanft auf einen Objectträger, an welchen es alsbald haften bleibt. Den Objectträger legt man das Präparat selbstredend nach unten gekehrt derartig auf die Schnittfläche des Mierotoms, dass ein auf den inneren Cy- linder gebrachter heisser Tropfen der Einbettungsmasse beim Niederschrauben des äusseren Cylinders das Präparat er- reicht und auf den inneren Cylinder festzuheften im Stande ist. Nach dem vollständigen Erkalten des Tropfens lässt sich der Objectträger leicht vom Präparat abziehen, und man hat nur noch das überschüssige Paraffiıngemisch in der Umgebung des letzteren mittelst des heissen Wassers ab- zuschmelzen, um mit dem Schneiden des nunmehr ganz eben und horizontal eingebetteten Präparates beginnen zu können. Dies Verfahren setzte mich in den Stand, Objecte von sehr geringer Dicke bei verhältnissmässig bedeutender ‘ Fläche zu schneiden, so z. B. junge Täniaden von 10 mm Länge und 0,2 mm Dicke in eine Serie von sechs tadel- losen Flächenschnitten zu zerlegen, ein Resultat, welches ohne jenes Verfahren wohl kaum zu erreichen sein dürfte. Zur Orientierung über den Verlauf des exeretorischen Apparates dienten Injeetionen von Berliner Blau, welche einfach mittelst Einstich in die Gliederkette eingetrieben werden können, und zwar gelingen dieselben, wenigstens bei den von mir untersuchten Täniaden, im Gegensatze zu Steudeners!) Angaben, sowohl in der Richtung nach dem Kopfe zu, als auch umgekehrt. Nur so lange das Thier noch lebt und einer ausgiebigeren Bewegung und Contrae- tion fähig ist, ist das Eindringen der Farbe nach vorn zu . erschwert, vermuthlich dadurch, dass die zwischen zweien Proglottiden sich ausspannenden Längsmuskeln die an dieser Stelle befindliche Kniekung der Kanäle zu quetschen befähigt sind. Kopf und Halstheil erfordern eine besondere 1) Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden von Dr. Friedr. Steudener. Halle 1877. FREE EER Va EL a Sun 22 ms cn Do Behandlung beim Injieieren; man muss nämlich durch mässiges Drücken mit dem Finger oder durch Streichen mit einem nassen Pinsel das Vordringen der Flüssigkeits- säule auch in jene engeren Theile des Apparates zu be- wirken suchen. Als Tinctionsflüssigkeiten kamen zur Verwendung das Alauncarmin; das Pierocarmin und das Hämatoxylin, welche alle, einzeln und in Combinationen eine schöne distinete Färbung der Schnitte hervorriefen. €. Taenia rhopalocephala und Taenia rhopaliocephala. 1. T. rhopalocephala n. sp. Synon.: Alyselminthus pectinatus Zeder. Kopf hakenlos, gross und keulenförmig, mit stark vorspringenden, mächtigen Saugnäpfen, scharf abgesetzt gegen den Halstheil. Geschlechts- Öffnungen einfach im unteren Viertheil des Proglottidenrandes gelegen, meist durchgängig auf derselben Seite. Glieder trapezförmig, etwa eben so breit als lang. Länge im ausgestreckten Zustande 60—80 cm, Breite der reifsten Glieder wenig über 5 mm. Wohnthier: Lepus timidus. Die T. rhopalocephala ist eine ächte Taenia mit ein- facher Geschlechtsöffnung. Im gestreckten Zustande er- scheint sie sehr schmächtig und dünn, und es fällt dann um so mehr der dicke, keulenförmige Kopf auf, welcher sich von dem ohnehin verhältnissmässig recht breiten Halse deutlich abhebt. Der Scolex erscheint auf den Scheitel gesehen fast quadratisch, auf die Fläche des Wurmes gesehen dagegen wie ein Rechteck mit gerundeten Ecken, doch ändert sich seine Gestalt vielfach, je nach dem Contractionszustande der vier grossen Saugnäpfe. Sein Durchmesser beträst etwa 1 mm. Die Saugnäpfe liegen auf den vier quadranten- ähnlichen, erhabenen Feldern, welche durch zwei über den Stirntheil des Kopfes verlaufende und sich senkrecht schnei- dende Furchen abgegrenzt werden. Sie selbst sind fast kreisrund, und eine feine Radiärstreifung, welche nament- lich die Innenfläche der ungewöhnlich starken Muskelwälle erkennen lässt, ist als Ausdruck der radialen Anordnung der oberflächlichen Muskelschicht anzusehen. Eine Haken- bewafinung geht dem Kopfe, wie schon Zeder riehtig er- \ 552 kannte, vollkommen ab, doch kann der Parasit bei der enormen Entwickelung seiner Saugnäpfe eines derartigen Befestigungsmittels leicht entrathen. Diese Saugnäpfe selbst sind durch eine diagonal verlaufende Muskulatur mit ein- ander verbunden, so zwar, dass durch Muskelstränge die Hauptdiagonalen und die Diagonalen der Oberseite eines Würfels repräsentiert werden, dessen Ecken durch die obersten Punkte der Saugnapfränder und die untersten Stellen der Saugnapfböden gebildet zu denken sind. Der unmittelbar auf den Scolex folgende, ungegliederte sogenannte Halstheil ist kurz und bei verhältnissmässig grosser Breite sehr flach, indem sich der Diekendurchmesser zum Breitendurchmesser etwa wie 1:6 verhält. Von der Seite betrachtet erscheint er keilförmig,. veranlasst durch den Umstand, dass die gewaltigen Retractoren der Daug- näpfe halbsäulenförmig an den vier Kanten aus der Ebene des eigentlichen Halses hervortreten und erst allmälig in diesem verschwinden. Etwa 1 mm hinter den Hinterrändern der Saugnäpfe beginnt eine deutliche Gliederung. Die Proglottidenkette besteht aus etwa 500—600 Gliedern, welche aber in der Nähe des Scolex natürlich undeutlich werden und sich der genauen Zählung entziehen. In der Mitte der ganzen Kette besitzen dieselben eine trapez- förmige, nahezu quadratische Form, indem Länge und Breite einander sehr nahe kommen und die Hinterecken nur wenig das nächstfolgende Glied überragen. Sowohl im vorderen als im hinteren Abschnitte der Kette tritt dagegen die Länge der Glieder der Breite gegenüber mehr und mehr zurück. Die letztere beträgt unmittelbar hinter dem Scolex etwa 1 mm in den reifsten Gliedern 5—5,5 mm. Von den Geschlechtsöffnungen ist mit unbewaffnetem Auge nichts zu erkennen. Die Entwickelung der Geschlechtsorgane beginnt verhältnissmässig spät, erst etwa im 100sten Gliede deut- lieh wahrnehmbar. Wie auch bei anderen Tänien legen sich zuerst die männlichen, später erst die weiblichen Or- gane an, nur tritt die Vagina mit ihrem Receptaculum ver- hältnissmässig früh auf und ist, bald prall mit Sperma ge- füllt, sehon an Quetschpräparaten neben dem Cirrhusbeutel ‘553 zu erkennen, doch immerhin erst zu einer Zeit, wo Eier- stock und Dotterstock bereits in ihrer Entwickelung ziem- lich vorgeschritten sind. Interessant und wichtig für die Auffassung des Cestoden- individuums dürfte der Umstand sein, dass die Endproglottis, wo eine solche noch vorhanden ist, niemals auch nur eine Spur von Geschlechtsorganen zeigt, während die nächstvor- hergehenden sich diesem Verhalten in so ferne nähern, als sie wenigstens niemals geschlechtsreif werden, wenn auch die Anlage der bezüglichen Organe hinlänglich deutlich hervortritt. Fehlerfreie Schnittserien gewähren natürlich erst einen genaueren Einblick in den complicierten Bau des Ge- schlechtsapparates. Die an der dorsalen Seite des Gliedes vornehmlich an- sehäuften männlichen Genitaldrüsen bestehen aus rund- lichen, im Körperparenchym verstreuten Hodenbläschen, von einem Durchmesser von 75 bis 86 Mmm. Die Grösse der in ihnen enthaltenen kugeligen Hodenzellen beträgt durchschnittlich 15,5 Mmm, diejenige des in dem feinkör- nisen Protoplasma des Zellleibes deutlich hervortretenden Kernes 1,92 Mmm. Aus den Hodenbläschen entspringende Vasa efferentia aufzufinden gelang mir nicht, oder doch nur in so weit, als ich in dem Parenehym zwischen den Bläschen ausserordentlich feine Kanälchen zu constatieren in der Lage war, welche ich als solche deuten möchte, ob- wohl ich einen Zusammenhang mit den Hoden selbst nir- sends beobachten konnte. Das Vas deferens dagegen, wel- ches ungefähr aus der Mitte der Proglottis mit zahlreichen Wurzeln entspringt und sich über das später zu beschreibende Receptaculum seminis in mehreren Windungen hinweglegt, ist unschwer zu erkennen. Bevor dieses in den Cirrhus- beutel eintritt, nimmt es noch einen Gang auf, welcher an dem Excretionskanal entlang zieht und mit einer kleinen, ovalen bis spindelförmigen Blase blind endigt. Diese Blase hat etwa eine Länge von 97 Mmm und eine Breite von circa 41 Mmm und enthält eine durchsichtige, zähe Flüssigkeit, ‚welche wässerige Farbstoffe wenig oder gar nicht annimmt und offenbar aus dem epithelialen Drüsenbelag stammt, | en welcher die Blase und auch deren Ausführungsgang noch eine Strecke weit auskleidet. Ich möchte sie als eine Art Prostata in Anspruch nehmen, welche dem Sperma ihr. Secret beimischt, entweder behufs Verdünnung desselben, oder zum Zwecke der Bildung von Spermaballen. Wir werden dasselbe Gebilde nicht nur bei 7. rAopaliocephala wiederfinden, sondern auch in noch viel ausgebildeterer Weise bei Dipylidium latissimum. — Der ellipsoidische Cirrhusbeutel, im Mittel von 217 Mmm Länge, lässt eine doppelte Muskulatur!) seiner Wandung erkennen, von denen die innere aus Ringfasern, die äussere aus Längsfasern be- steht, zwei Muskelschichten, welche natürlich wechselseitig als Antagonisten wirken können und den Cirrhusbeutel als- dann verlängern und verkürzen. Bei gleichzeitiger Con- traction dürften sie aber auch ihre Wirkung auf das Volumen des Beutels zu vereinigen im Stande sein und so entweder ein Hervorpressen des Cirrhus zum Zweck der Begattung erzielen, oder bei der gleich zu erwähnenden Selbstbegattung die Rolle einer Druckpumpe übernehmen. Der Cirrhus ist verhältnissmässig kurz und liest, meist in zwei Windungen, spiralig eingerollt im Inneren des Cirrhusbeutels. Die Mün- dung liegt auf der Kante des Gliedes dem unteren Rande der Proglottis genähert, so zwar, dass sie die Seitenkante -ım Verhältniss 1:5 theilt. Dieht hinter dem Cirrhus mündet die Vagina, und zwar ist der Umkreis beider Mündungen etwas vertieft und re- präsentirt eine Gesehlechtsceloake, wie wir sie ja — vornehmlich durch Leuckart’s Untersuchungen an T. solium, T. echinococcus u. a. — auch sonst von zahlreichen Ce- 1) Kahane war der erste, welcher in ganz der nämlichen Weise die Muskelanordnung im Cirrhusbeutel der T. perfoliata beschrieben hat; ich kann seine Angaben um so eher bestätigen, als die obigen . Zeilen bereits geschrieben waren, als mir seine vorzügliche Arbeit: „Anatomie von Taenia perfoliata Göze, als Beitrag zur Kenntniss der Cestoden. Zeitschrift f. wissensch. Zoologie Bd. XXXIV.“ zum ersten Male in die Hände kam. Die beiden Muskellagen, deren Faserver- lauf dort mit den Meridianen und Parallelkreisen eines Ellipsoids ver- glichen wird, sind ganz augenscheinlich identisch mit denjenigen, welche ich als Längs- bezüglich Ringsmuskeln bezeichne. 555 stodenformen kennen gelernt haben. Diese Geschlechtscloake ist von einer schwachen Wulstung der äusseren Haut um- seben und vermag, wie ich das auch an einzelnen meiner Präparate beobachtet habe, geschlossen zu werden, um auf diesem Wege, wahrscheinlich durch die oben angedeuteten Druckbewegungen der Cirrhusbeutelmuskulatur in Gemein- schaft mit derjenigen der betreffenden Hautstelle das Sperma des eigenen Körpers in die weiblichen Geschlechtswege ein- zutreiben, mithin eine Selbstbefruchtung zu ermöglichen. Einen selbständigen Sphincter konnte ich allerdings nicht zur Beobachtung bringen, wie ja auch Kahane bei 7. per- Foliata einen solchen aufzufinden ausser Stande war. Die Vagina, constant hinter dem Cirrhus mündend, repräsentirt einen scheinbar ansehnlich dicken Canal, dessen Lumen indessen doch nur ein kleines ist, indem eine zarte Muskulatur in seiner Wandung zur Ausbildung gelangt. So verläuft sie circa 200 Mmm neben dem Cirrhusbeutel hin, zeigt dann eine Einschnürung, um nun in einen weiten, dünnwandigen, mehrfach gewundenen Schlauch überzugehen, der das Receptaculum Seminis darstellt. Nach dem Hinter- - rande des Gliedes zu tritt dieser aus seiner Verschlingung hervor und wird wieder zum engen Canal, der hier den Namen Befruchtungsgang führt. Er windet sich nach vorn gegen die Mitte der Proglottis, um hier fast gleichzeitig die Ausführungsgänge von Eierstock und Dotterstock aufzu- nehmen und dann, mit einer Erweiterung eine schalenab- sondernde Drüse durchsetzend, in den Uterus überzugehen, welcher die bei den Tänien so gewöhnliche verästelte und gelappte Form zur Schau trägt. Er erstreckt sich an der Ventralseite und nimmt somit von allen Organen die unterste Stelle ein. Gefüllt ist derselbe anfangs mit einer Masse von Zellen, welche einen Durehmesser von 4,4 Mmm und 1,65 Mmm grosse Kerne besitzen. Diese Füllung findet sich übrigens nicht nur. bei dieser Tänie, vielmehr ebenso bei allen anderen von mir untersuchten Täniaden, nämlich 7. rhopaliocephala, Dip. Leuckarti, Dip. pectinatum, Dip. latis- simum, T. serrata, T. crassicollis, T. saginata und Dipyli- dium cucumerinum, und dürfte dieselbe also eine regel- . mässige Erscheinung sein. — Der Eierstock erscheint als 556 ein rosettenartiges Gebilde, bestehend aus zahlreichen strahlenartig gestellten Schläuchen, deren regelmässige An- ordnung stets auf den ersten Blick schon am Quetsch- präparat deutlich ist. Dieselben beschränken sich in ihrer Stellung nicht nur auf eine Ebene, strahlen vielmehr wie die Radien einer Halbkugel auch nach der dorsalen Seite ' zu, hier selbst die Schieht der Hodenbläschen durchsetzend. ie in den einzelnen Schläuchen enthaltenen Primordialeier haben selten eine ganz runde Gestalt, sondern nähern sich häufig einer mehr dreieckigen Form, in deren Mitte der 1,5 Mmm grosse runde Kern unschwer zu erkennen ist. Es dürfte übrigens Wunder nehmen, dass wir es hier mit einem einfachen Eierstocke zu thun haben, während doch die übrigen Täniaden ganz allgemein den Keimstock in paariger Aulage erkennen lassen; doch steht, wie wir das im Laufe dieser Arbeit des Näheren noch sehen werden, dieses Ver- halten nicht so unvermittelt dem sonstigen gegenüber. Wir werden bei den zu besprechenden Dipylidien ein ebenfalls - einheitlich rosettenförmiges und in seinem Habitus ganz dem eben erwähnten Eierstock gleichendes keimbereitendes Or- gan zu constatieren haben, nur dass die Schläuche je einer Rosettenhälfte sich zu einem kurzen Canale vereinigen und diese beiden Canäle von entgegengesetzten Seiten in den eigentlichen Eileiter münden. Wir finden in diesem Falle also die normale paarige Entwickelung noch angedeutet. Aber auch diese Andeutung findet sich bei 7. rhopalocephala nicht mehr, die Schläuche münden vielmehr ohne einen deutlich gekennzeichneten Gang direet in den weiblichen Leitungstraetus. Der Dotterstock ist repräsentiert durch ein rundlich ovales bis nierenförmiges Organ mit kurzem Ausführungs- gang, dessen Inhalt von zahlreichen Körnern und Körnehen gebildet wird, ohne dass man auch nur annähernd eine con- ‚stante Grösse bei ihnen wahrzunehmen in der Lage sein dürfte. Neben ihm und halb von ihm verdeckt liegt die kleine Schalendrüse, ein linsenförmiges Conglomerat einzelliger Drüsenschläuche, welche sich um eine ovale Erweiterung des nach dem Uterus führenden Ganges gruppieren. Beide Drüsen liegen ganz hinten in der Proglottis, und ihr Hinter- 7 557 rand wird von der Anastomose des Excretionsorganes bei- nahe tangiert. Dieses Excretionsorgan beginnt im Scolex mit einem Gefässringe, doch nicht mit einem einfachen Ringgefäss, wie bei den meisten bisher untersuchten Tänien, sondern, einem zierlichen Körbehen ohne Boden vergleichbar, um- zieht es in ziemlich regelmässigen Verflechtungen und Anastomosen, kleinere und grössere Maschen bildend den zwischen und dicht hinter den Saugnäpfen gelegenen Theil des Scolex. Es erinnert in dieser Beziehung an die ent- sprechenden Verhältnisse von Taenia crassicollis, deren Ex- eretionsorgan von Steudener, allerdings nur in sehr unge- nügender Weise, zum Theil sogar unrichtig beschrieben worden ist.!) Eine genaue Darstellung des Excretions- 1) Erklärlich wird die Unvollkommenheit seiner Beschreibung, wenn wir uns erinnern, dass es ihm nicht gelungen war, Tänien von hinten nach vorn zu injicieren, dass er seine Bilder vom Excretions- system im Scolex also keinenfalls der bequemen und zu ungemein deutlichen Präparaten führenden Injectionsmethode verdanken konnte, sondern sich lediglich auf die schwierige Zusammensetzung von Schnitt- bildern, welche in diesem Falle auch dem geübtesten Mieroscopiker kaum gelingen dürfte, zu stützen gezwungen war. Da mir dagegen meine Scolexinjectionen Bilder gewährten, welche an Schönheit und Deutlichkeit nichts mehr zu wünschen übrig liessen, so kann ich es mir hier nicht versagen, eine Abbildung eines injieierten Quetsch- präparates vom Scolex der T. crassicollis zu geben (Tab. V. Fig. 6) und mit kurzen Worten die früheren Beschreibungen zu berichtigen und zu vervollständigen. Aus dem Halstheile der T. erassicollis treten zwei starke und zwei ganz schwache Gefässstämme in den Scolex ein, woselbst die Stränge jeder Seite durch eine Anastomose in Verbindung stehen. Von diesen beiden Stellen aus wird an jeden der 4 Saug- näpfe eine Anzahl von unter einander anastomosierenden Aesten und Schlingen abgegeben, welche je einen Saugnapf in Form eines Körb- chens umspinnen. Aus den obersten Schlingen ziehen sich nun in un- regelmässiger Zahl und Anordnung Gefässchen über das Niveau der Saug- näpfe nach vorn und münden hier in den Gefässring, welcher als ein über- aus reizendes Geflecht von anastomosierenden Ringgefässchen den unte- ren Theil des Rostellums umzieht, und seine äussersten Schlingen nach vorn bis dicht an die Insertionsstellen der Haken entsendet. Die Steudener’schen Abbildungen Tab. XXVII Fig. 6 und 7, welche nach des Autors Beschreibung demselben Gefässringe angehören sollen, ohne dass es ihm aufgefallen wäre, dass Fig. 6 einen Schnitt dicht | | 5 organes unseres Parasiten zu bieten bin ich leider nicht im Stande, da ich die in solchen Fällen allein zum Ziele führende Injectionsmethode erst zu einer Zeit in Anwendung brachte, wo eine frische 7. rhopalocephala nicht mehr zu bekommen war. So bin ich auch nicht in der Lage, an- geben zu können, ob wie bei T. cerassicollis auch hier an die Saugnäpfe netzartige oder nur einfache Zweige entsendet werden. — Später hoffe ich eine auf der Injectionsmethode beruhende Darstellung der topologischen Verhältnisse des excretorischen Apparates von möglichst zahlreichen Oestoden geben zu können, wobei ich natürlich auch diese Tänie berücksichtigen werde. — Jedenfalls treten in den Hals- theil unseres Wurmes nur zwei Gefässe ein, welche das sanze Thier durchziehen und in der letzten Proglottis, natür- lich getrennt, münden, falls nicht die Schwanzproglottis noch vorhanden ist, in welcher sie sich zu einem kurzen Kanale vereinigen und mit nur einer terminalen Mündung nach aussen öffnen. In der ganzen Gliederkette finden wir ausserdem selbstverständlich die einfachen Anastomosen der Seitenstämme im Hinterrande einer jeden Proglottis, ohne indessen eine Klappeneinrichtung an deren Mündungsstelle wahrzunehmen, deren Nichtvorhandensein ja schon hinläng- lich durch das Eindringen von Injeetionsmassen nach dem vorderen Körperende hin bewiesen wird. Das histologische Verhalten des Excretionsorganes be- treffend finden wir die Wandung der Gefässe, wie schon Steudener richtig hervorhob, und wie esauch Kahane be- stätigt, aus einer zarten structurlosen Membran gebildet und jJedweden endothelialen Belages bar. Ob die neuerdings von hinter den Haken, Fig. 7 einen Schnitt hinter den Saugnäpfen dar- stellt, erklären sich nun von selbst; der in Fig. 6 abgebildete Schnitt hatte den oberen Rand des Ringgetässkörbehens, der Schnitt Fig. 7, welcher offenbar etwas schief gerathen ist, zwei von den Gefässkörb- chen der Saugnäpfe getroffen. Die Anastomosen in den Proglottiden werden nicht nur von den grösseren Gefässen abgegeben, vielmehr entsendet auch jedes der beiden kleineren einen Seitenast, welcher allerdings bald in die Anastomose der grossen Gefässe mündet. 559 Pintner!) und Fraipont?) bei Plathelminthen beobachteten feinen Verzweigungen der Hauptstämme unserem Cestoden in gleicher Weise _zukommen, und ob sie auch hier mit einer Wimperzelle blind endigen, will ich unentschieden lassen, doch ist es mir nicht gelungen auf Schnittpräparaten bei irgend einer der untersuchten Täniaden die Canälchen zu sehen, noch auch am lebenden Thier, selbst mittelst der stärksten Vergrösserungen eine Flimmerung zu beobachten, welche bei Cysticerken wie C. pisiformis oder fasciolaris nichts weniger als schwer zu constatieren ist. - Das Nervensystem von T. rhopalocephala zeigt eine Configuration, wie sie noch von keiner anderen Tänie be- kannt ist. Nach den bisherigen Untersuchungen sollen sich die beiden Seitennerven, welche man wohl bei jeder Tänie wiederzufinden im Stande sein dürfte, dieht hinter den Saug- näpfen zu zwei ziemlich beträchtlichen Ganglien verdicken, welche durch eine einfache Commissur verbunden sind.°) Bei T. rhopalocephala dagegen finde ich an der bezeich- neten Stelle zwei nur ganz unbedeutende Anschwellungen, dagegen lässt die Commissur in der Mitte zwei stärkere Ganglien erkennen, welche durch eine vor ihnen liegende hufeisenförmige Commissur verbunden erscheinen. Letztere in Verbindung mit der Haupteommissur umschliessen einen 1) Theodor Pintner: Untersuchungen über den Bau des Bandwurm- körpers. Arbeiten a. d. zoolog. Institut der Universität Wien 1880. 2) Julien Fraipont: Recherches sur Tappareil excereteur des Tre- matodes et des Cestoides. Arch. de Biologie 1880. 3) Dass diese Gebilde auch bei früher untersuchten Tänien nicht die einzigen sind, Welche das Centralnervensystem zusammensetzen, davon glaube ich mich an Flächenschnitten durch den Scolex von T, erassicollis hinlänglich überzeugt zu haben; auch hat Kahane bei T. perfoliata wahrscheinlich ebenfalls eine hufeisenförmige Commissur neben der Hauptcommissur vor sich gehabt, von der er aber nur die seitlichen Theile zur Ansicht bekommen und sie als nach vorn ver- laufende dieke Nerven gezeichnet und beschrieben hat. Die Wahr- scheinlichkeit, mit welcher bei der Kopfstellung jenes Cestoden ge- rade die Flächenschnitte nach vorn zu höhere oder tiefere Partieen treffen als im Haupttheil des Schnittes, und die Constatierung eines besonderen Reichthums an Ganglienzellen in jenen beiden „Kopfnerven“ erheben meine Vermuthung fast zur Gewissheit. 560 rundlichen Muskelkörper, der scheinbar aus wirr durchein- ander laufenden Fasern mit eingestreuten Kernen besteht, und dessen Bedeutung um so unerklärlicher erscheint, als er gegen alle übrigen Gewebe dadurch noch vollständiger abgeschlossen ist, dass sowohl oberhalb als unterhalb ein starkes Gefässpaar über die Mitte der Commissuren nach vorn verläuft. Dieser Muskelplexus ergiebt sich aber bei näherer Betrachtung als nichts anderes, als die Kreuzungs- stelle der oben erwähnten, die Saugnäpfe diagonal verbin- denden Muskelstränge, welche zwischen der hufeisenför- migen Commissur und den oberen und unteren Gefässpaaren eine geeignete Durchschnittsstelle finden. Hierdurch erhält die Vermuthung Kahanes, die diagonal zwischen den Saug- näpfen verlaufenden Muskeln möchten morphologisch be- trachtet Ueberreste einer Schlundmuskulatur sein, eine nicht unwesentliche Stütze, da wir den aus Hauptcommissur mit den Ganglien und hufeisenförmiger Commissur gebildeten Ring wohl nicht mit Unrecht als einen Schlundring be- zeichnen dürften. Sowohl in den grösseren als in den kleineren ganglionären Anschwellungen konnte ich läng- liehrunde, membranlose Zellen mit centralem Kern wahr- nehmen und möchte dieselben als Ganglienzellen deuten, trotzdem es mir nicht gelingen wollte, einen Ausläufer an ihnen zu constatieren. Ausser diesen Ganglienzellen finden sich aber auch noch sternförmige Zellen in dem maschigen, an Pflanzenparenchym erinnernden Stützgewebe, welches bekanntlich das ganze Nervensystem unserer Thiere durch- setzt. Ich vermuthe, dass wir sie als Bindegewebszellen in Anspruch nehmen müssen, vielleicht als diejenigen, welche das maschige Gewebe selbst lieferten. — Die Sei- tenstränge, welche nach hinten durch die ganze Glieder- kette laufen, zeigen überall den gleichen Querschnitt, und es lassen sich auch in ihnen vereinzelte Ganglienzellen - nachweisen. Was die Entwickelung der 7. rhopalocephala betrifft, so haben Fütterungen an Kaninchen, welche ich bezüglich einer directen Entwickelung ohne Zwischenwirth anstellte, ebenso wenig ein positives Resultat geliefert als jene, bei welchen ich zwei kleine Nacktschnecken, den Gattungen D61 Limax und Arion angehörig, mit Eiern unserer Taenie zu infieieren suchte. Ich kann in Folge dessen nur Einiges über den in den reifen, 60 Mmm grossen, kugelrunden Eiern enthaltenen Embryo mittheilen. Man sieht an günstig — mit Alauncarmin oder Goldehlorid — gefärbten Eiern eine sanz intensiv gefärbte Figur von dem Aussehen eines Eier- bechers mit darinsteckendem rundem Ei. Das runde, dem . Ei verglichene Gebilde erscheint indessen oft auch allein sefärbt, und ich bin daher nicht im Stande zu sagen, ob der scheinbare Becher ein integrierender Bestandtheil des Embryos ist, dessen Haupttheil entschieden von der Kugel sebildet wird, welche denn auch die für alle Cestoden- embryonen so characteristischen 6 Haken zeigt. Uebt man auf ein Ei einen leichten Druck aus, etwa durch sanftes Klopfen des Deckgläschens mit einer Präpariernadel, so quillt das ganze beschriebene Gebilde heraus, und es scheint dann auch noch der Fuss des Eierbechers zur Ansicht zu kommen, denn an dem unteren, spitzen Ende hängt, in Fetzen abgerissen, ein vorher an der Wandung des Eies anliegender körmniger Belag. Dieser letztere scheint in- dessen aus zusammengeklebten Dottermassen zu bestehen, welche vielleicht durch den beschriebenen Becher hindurch aufgesaugt und zur Ausbildung des Embryos noch benutzt werden, möglich aber auch, dass es der Rest des embryo- nalen Epithels ist, welches nach Leuckart sich bei allen Cestoden von dem übrigen Embryonalkörper abhebt und bei den ächten Täniaden atrophiert, während es bei den Bothriocephalen als Flimmermantel zunächst noch per- sistiert. ?) Man findet die T. rhopalocephala in dem Dünndarm der Hasen, wie schon Zeder beobachtete, fast ausschliesslich im Herbste (und im Sommer?) Wenigstens habe ich schon in der zweiten Hälfte des December nur noch vereinzelte Exemplare davon angetroffen, während sie in den Anfangs der Schusszeit getödteten Thieren fast regelmässig, oft so- gar in grosser Menge vorhanden waren, wie ich denn aus einzelnen Därmen 20 bis 30, einmal sogar 39 dieser 1) Leuekart: Die Parasiten des Menschen. H,. Aufl. S. 416. Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881. 37 562 Parasiten entnommen habe. Sie bewohnen fast ausnahms- los den Endabschnitt des Dünndarmes dicht vor dem Blind- darm, während das Dipylidium pectinatum, welches wir als Mitbewohner des Hasendarms noch kennen lernen werden, den Anfangstheil desselben vorzieht. In wilden Kaninchen habe ich diesen Bandwurm niemals getroffen, dort ent- spricht ihm vielmehr die sogleich zu beschreibende T. rhopaliocephala. 2. T. rhopaliocephala n. sp. Kopf hakenlos, klein, aber gegen den sehr dünnen Halstheil stark keulenförmig abgesetzt, wenn letztere nicht zu stark contrahiert ist. Geschlechtsöffnungen einfach, im dritten Wiertheil des Proglottiden- randes gelegen; Glieder trapezförmig, etwa ebenso lang wie breit. Länge im ausgestreckten Zustande bis 100 cm Breite der reifsten Glieder bis zu 8 mm. Wohnthier: Lepus cuniculus. So sehr auch diese Diagnose der vorigen ähneln mas, so ist doch die 7. rhopaliocephala von der T. rhopaloce- phala ziemlich leicht zu unterscheiden und namentlich ist es die Kleinheit des Kopfes und die Breite der letzten Proglottiden, welche diese Unterscheidung schon macro- skopisch möglich machen. Denn der Kopf ist nur etwa halb so gross linear wie von T. rhopalocephala und die reifsten Glieder fast noch einmal so breit. Indessen bieten beide doch auch wieder so ungemein viel Aehnlichkeiten in ihrem Bau, dass ich mich auf eine eiugehendere Beschreibung dieses Wurmes nicht einzulassen brauche. Die 7. rhopalio- cephala ist demnach ebenfalls eine ächte Tänie mit ein- facher Geschlechtsöffnung; sie erscheint im gestreckten Zu- stande äusserst dünnhalsig, und nur dadurch ist es möglich, dass sich das nurstecknadelkopfgrosse Köpfchen keulenförmig von dem Halse abhebt. Sobald aber in den Gliedern eine Ent- wicklung der Genitalorgane bemerkbar wird, nehmen die Glieder rasch an Grösse zu und erscheinen dann den gleich- reifen Gliedern der vorigeu Art gegenüber ungleich feister und fleischiger. Der Seolex ist kaum halb so gross als der der A rhopalocephala, unterscheidet sich aber sonst nur durch die verhältnissmässig beträchtliehere Länge von ihm, so dass er auch in der Flächenansicht quadratisch erscheint. Diese 563 Verlängerung verdankt er der Entwickelung eines hinter den Saugnäpfen gelegenen verdiekten Theiles, welcher bei T. rhopalocephala gänzlich fehlt, indem bei ihr bereits dicht hinter-den Saugnäpfen die dünnere Halsregion be- ginnt. Ausserdem wäre vielleicht noch erwähnenswerth, dass die Saugnäpfe unserer Tänie fast gänzlich in der Riehtung der Längsaxe des Thieres liegen, während sie dort in einem Winkel von mindestens 45° gegen diese Richtung seneist sind. Der Hals ist um die Hälfte schmaler als bei der vorigen Art und vermag sich unter Umständen durch Längsstreckung zu einem fast fadenförmigen Gebilde zu verdünnen. Die Strobila besteht aus etwa 500—800 Gliedern, welche in dem Zustande, wo die Geschlechtsorgane schon ziemlich entwickelt sind, aber den Uterus noch nicht mit Eiern gefüllt haben, ungefähr quadratisch geformt sind; sobald aber eine Füllung des Uterus eintritt, wächst der Breitendurchmesser ungleich rascher als die Längsaxe des Gliedes, und ebenso ist in den jüngeren Gliedern natürlich der Breitendurchmesser der überwiegende. Die Hinterecken ‚ragen noch weniger über das folgende Glied hervor als bei 7. rhopalocephala, so dass der ganze Strobilarand nur schwach gekerbt erscheint. Die Lage der Geschlechtsöff- nungen ist mit blossem Auge ohne vorherige Färbung und Quetschung zu erkennen; die betreffende Stelle ist nämlich ein wenig vorgebaucht, so dass die Seitenkante der Pro- glottis ein gebrochenes Ansehen gewinnt, und da die Mün- dungen immer lange Strecken hindurch auf derselben Seite der Gliederkette liegen, so müssen die beiden Seitenkanten der Strobila natürlich eine auf den ersten Blick als diffe- rent erkennbare Bildung zur Schau tragen. In der Lage der Mündungen auf dem Gliedrande kommen bei den ver- schiedenen Exemplaren nicht unbedeutende Schwankungen vor, Schwankungen, welche mir indessen nicht eine Art- verschiedenheit bedingen zu können scheinen. Meist liegen die Oeffinungen etwas höher als bei der vorher beschriebe- nen Art. Im übrigen ist die Configuration des Geschlechts- apparates mit dem der 7. rhopalocephala bis auf gering- 318 —— ” a 564 fügige Einzelheiten identisch; diese Einzelheiten aber werden sich besser durch die Abbildung wiedergeben lassen als durch Worte, welche doch zum grossen Theil Wieder- holungen des von jener Tänie Gesagten bringen müssten; es wird namentlich auf die beträchtlichere Entwickelung der Schalendrüse, sowie auf die kürzer gestielte Prostatadrüse das Augenmerk zu richten sein. Der Vorgang bei der Bildung entwickelungsfähiger Eier ist der nämliche wie dort: die Eier wandern durch den Leitungstraetus, welcher als Fortsetzung des Befruchtungskanales stets mit Samen- elementen ausgestattet ist; an der Einmündungsstelle der Dotterdrüse erhält die Eizelle eine bestimmte Portion Dotter, gelangt mit diesem in die schalenabsondernde Erweiterung des Eileiters, um hier mit einer Schale umgeben zu werden und darauf in den Fruchthälter überzutreten. Der Verlauf der Exeretionskanäle ist ein ein- facherer als bei jenem Cestoden, indem dieselben im Kopfe mit einem unverzweigten Gefässringe beginnen und nur im hinteren verbreiterten Theile des Scolex einige Schlingen bilden. Das Nervensystem war ich ausser Stande näher zu untersuchen, weil es mir dazu an guterhaltenem Materiale fehlte, doch scheint es im wesentlichen mit dem der T. rhopalocephala übereinzustimmen. Was das Verhalten der letzten Proglottiden anlangt, so kann ich auch darüber nur wenige Andeutungen geben, da mir nur ein einziges, noch dazu schlecht erhaltenes, vollständiges Thier vorkam. An der daraus gefertigten Flächenschnittserie bemerke ich folgendes. Die viertletzte Proglottis ist vollkommen ausgebildet, geschlechtsreif, und ihr Uterus ist mit Eiern gefüllt. Die drittletzte und vor- letzte sind auf einer Seite verschmolzen — eine Erschein- ung, welche ja auch sonst vielfach bei Tänien zur Beob- achtung gelangt —, so dass an der Verschmelzungsstelle beider der Genitalapparat der drittletzten Proglottis, welcher noch gar keine Eier entwickelt hat, ausmündet. Die vor- letzte Proglottis hat nur noch einige Hoden und eine Eier- stoeksanlage aufzuweisen, ohne jeglichen Ausführungsgang, und die letzte endlich hat überhaupt nur noch 5 Hoden- 565 bläschen. Die Exceretionskanäle neigen in diesen 4 letzten Proglottiden stark zur Inselbildung, d. h. sie spalten sich an vielen Stellen in zwei Arme, weiche sich nach kurzem getrenntem Verlauf wieder vereinigen; namentlich werden die Ausführungsgänge der Geschlechtsorgane in dieser Weise von Excretionskanalarmen umfasst. Beide Seiten- stämme vereinigen sich in der letzten Proglottis und münden in einer Oeffnung nach aussen. Das wilde Kaninchen ist es ausschliesslich, welches der T. rhopaliocephala als Wohnthier dient, doch scheint sie auch hier nicht gerade häufig zu sein, da ich in den zahlreichen von mir untersuchten Kaninchendärmen nur 6 Exemplare gefunden habe, möglich aber auch, dass sie in ähnlicher Weise wie die 7. rhopalocephala in ihrem Vor- kommen der Jahreszeit unterworfen ist, oder auch dass sie nur in unserer Gegend selten, in anderen häufiger vorkommt, wie ich ein solches- lokal sehr beschränktes Vorkommen bei Dipykdium pectinatum auf das aller bestimmteste nach- zuweisen. in der Lage war. Ueber ihre Entwickelung Angaben irgend welcher Art zu machen bin ich völlig ausser Stande und kann nur eine ausserordentliche Aehnlichkeit ihrer Eier und deren Em- bryonen mit demjenigeu der 7. rhopalocephala constatieren. D. Dipylidium Leuckarti, Dipylidium peetinatum und Dipylidium latissimum. Vorbemerkung: Es ist mir wohl bekannt, dass Leuckart seiner Zeit die Gattung Dipylkdium eigens für die Species Dipylidium cucumerinum s. ellipticum aufstellte, und dabei nicht nur auf das Vorhandensein eines doppelten Geschlechtsapparates, sondern auch auf die Hakenbewaff- nung und auf die Besonderheiten im Verhalten des Uterus Werth legte. Es geschah dies aber wohl nur darum, weil in der That jener Bandwurm damals der einzige war, an welchem man die Duplieität des Geschlechtsapparates mit Sicherheit nachgewiesen hatte, denn der Name lässt ja leicht erkennen, welcher Umstand das Hauptmoment bei der Gattungsaufstellung abgegeben habe, und so glaube ich den Gattungsnamen Dipyhdium auf sämmtliche Täniaden Bo ee mit doppeltem Geschlechtsapparat ausdehnen zu dürfen, obwohl ich mir bewusst bin, dass es ein buntes Conglo- merat von Cestoden sein wird, welches diese Gattung um- fasst. Indessen dürfte bei dem gegenwärtigen Stande unse- rer Kenntnisse über die Täniaden der Zeitpunkt noch lange nicht gekommen sein, in welchem wir mit der Frage nach einer natürlichen Systematik an diese T'hiergruppe heran- treten dürfen, und so muss einstweilen die einfache Scheidung von Tänien mit einfachem und solchen mit doppeltem Geschlechtsapparat genügen. 3. Dipylidum Leuckarti n. sp. Synon.: Taenia pectinata Göze ex parte. Taenia pectinata Rudolphi ex parte. Taenia pectinata Diesing ex parte, Taenia pectinata Bremser. Kopf hakenlos, sehr klein, etwa !/a mm breit, mit 4 flachaufliegenden Saugnäpfen, nicht abgesetzt gegen den Hals, welcher mit lanzettförmiger Verbreiterung in die Gliederkette übergeht. Geschlechtsöffnungen beider- ‚seits im hinteren Viertheil des Proglottisrandes. Glieder trapezförmig, auch im gestrecktesten Zustande nach breit, für gewöhnlich aber etwa 3—6mal breiter als lang. Länge im gestreckten Zustande bis 80 cm, Breite der reifsten Glieder bis Icm. Die Strobila häufig durch Längs- falten der Haut wie gestreif. Wohnthier: Lepus ceuniculus. Das Dipylidium Leuckarti, der Duplieität der Ge- schlechtsorgane halber zu der Gattung Dipyhidium gestellt erscheint als ein im Verhältniss zu seinem Wohnthier ausser- ordentlich grosser Parasit, welchem das Lumen des von ihm bewohnten Darmes eine vollkommene Ausbreitung nicht gestattet, ihn vielmehr nöthigt, sich der Länge nach zu- sammenzulegen, ein Umstand, der denn auch das häufige Auftreten von Längsfalten auf der Oberfläche des Thieres hinlänglich erklären dürfte. Um so mehr muss es Wunder nehmen, dass der Scolex eines derartig voluminösen Band- wurmes nicht nur der Haken entbehrt, sondern auch in seinen Saugnäpfen nur sehr schwache Haftorgane zu be- sitzen scheint, Wie diese dem Thiere eine hinreichende Befestigung zu sichern im Stande sind gegenüber dem nicht einmal sehr flüssigen und jedenfalls an einer grossen An- sgriffsfläche wirkenden Speisebrei, ist mir kaum erklärlich, wenn nicht vielleicht eben diese übergrosse Breite unserem R = . ER 567 Dipylidium, wie auch den beiden anderen. Arten dieser Gattung, ein Hilfsmittel an die Hand giebt, das Hinab- gleiten im Darmtraetus zu vermeiden, dadurch, dass die sprenkelartig zusammengekrümmten Proglottiden sich gegen die Darmwandung anstemmen. Denn der Scolex ist in der That nur als ein stumpfrunder Zapfen entwickelt, der durchaus nicht verdickt erscheint, und selbst die kleinen Saugnäpfe treten kaum über seine Oberfläche hervor. In der Höhe dieser Gebilde beträgt seine Breite ungefähr !/, mm, sein Diekendurchmesser etwa '/;,mm. In ähnlicher Weise wie bei den beschriebenen ächten Tänien stehen auch hier die Saugnäpfe durch diagonal verlaufende, wenn auch schwache Muskelzüge mit einander in Verbindung, und vier ebenfalls wenig entwickelte Muskeln, welche am Grunde eines jeden Saugnapfes ihre Insertionsstelle finden und in der Längsrichtung des Thieres verlaufend bald in den allgemeinen Längsmuskelschlauch übergehen, über- nehmen die Functionen von Retractoren der Saugnäpfe. Der ungegliederte Hals ist von mässiger Länge und nimmt nach hinten rasch an Breite zu, so dass an der Stelle, an weleher zuerst eine Gliederung bemerkbar wird, oft schon die doppelte Breite des vorderen Halstheiles er- reicht ist. Die Strobila selbst wird dann rasch noch viel breiter und an den letzten Proglottiden, namentlich wenn dieselben contrahiert sind, misst man bis zu 1 cm Breite. Dabei ist der Bandwurm auch durch eine ziemlich beträcht- liche Länge ausgezeichnet, denn Würmer von 60—70 cm gehören nicht zu den Seltenheiten, ob wohl auch Exem- plare gefunden werden, welche bereits reife Proglottiden abgestossen haben, ohne dass sie doch die Länge von 30 cm überschreiten. An den ersten zählt man 600—750, an den letzten etwa 500—600 Proglottiden. Dieselben haben die Gestalt eines niedrigen Trapezes oder Antiparallelo- gramms mit ziemlich spitzem Basiswinkel, so dass also ihre Hintereeken scharf über das nächstfolgende Glied hervor- springen und so den Rändern des ganzen Wurmkörpers das Ansehen einer Säge verleihen. Die Geschlechtsöff- nungen liegen im letzten Viertheil eines jeden Proglottiden- randes, wie schon mit blossem Auge am lebenden 'Thiere 568 zu bemerken, da ein intensiv weisser Streif den Verlauf des Receptaculum seminis und des Cirrhusbeutels kenn- zeichnet. Verhältnissmässig früh beginnt in der Strobila die Ent- wickelung der Geschlechtsorgane. Bereits um das 25. Glied herum lässt sich ein doppelter Zellenhaufen an inten- siverer Färbung in jeder Proglottis unterscheiden, welcher in den folgenden Proglottiden zu dem Complex der drei weiblichen Drüsenorgane entwickelt erscheint. Diese Ent- wickelung geht indessen nur sehr langsam vor sich, denn die betreffenden Drüsen sind noch nicht einmal an ihrer äusseren Gestalt als solche kenntlich zu einer Zeit, wo sich bereits die männlichen Organe angelegt haben und auch schon der Geschlechtsreife nahe sind. Diese letzteren bestehen aus einer grossen Zahl runder oder ovaler Hodenbläschen, welche hauptsächlich den hinteren Rand der Proglottis einnehmen und an ihren feinen Ausführungskanälchen aufsitzen, wie etwa die Beeren einer Johannisbeertraube an ihren Stielehken. Die einzelnen Bläschen haben einen Durchmesser von nur 50—60 Mmm und enthalten auch nur wenige Hodenzellen, doch ist die Zahl der Bläschen eine um so beträchtlichere. Sie sind in zwei Gruppen angeordnet, deren jede einer Seite angehört, und lassen in der Mitte einen kleinen Theil des Parenchyms zwischen sich frei. Die feinen Vasa efferentia vereinigen sich nach und nach zu einem Vas deferens, welches in wenigen kurzen Bogen an den weiblichen Geschlechtsdrüsen vorüber und über das Receptaculum seminis hinweg nach dem Cirrhusbeutel sich hinzieht. An diesem ist ein drüsen- artiges Organ, wie es bei den ächten Tänien vorhin be- schrieben wurde, nicht zu bemerken. Der Beutel selbst hat die gewöhnliche sackförmige Gestalt und enthält in seinem Grunde eine kleine Samenblase, von welcher der eigentliche Cirrhus sich erhebt, gewöhnlich aber in den Beutel spiralig zurückgezogen ist. Die Wandung des Cirrhusbeutels wird von einer äusseren Längs- und einer inneren Ringmuskellage gebildet und geht an seiner Mün- dungsstelle derartig in die des eigentlichen Cirrhus über, dass letzterer nur wie ein Handschuhfinger ausgestülpt 569 werden kann, wenn die Muskulatur des ersteren auf die den Cirrhus umgebenden elastischen Gewebe drückt. Der weibliche Geschlechtsapparat zeigt uns einen für beide Seiten gemeinsamen Uterus, der die Pro- glottis der Breite nach durchzieht und nur in der Mitte ein- seschnürt erscheint, so dass bei den reifsten Gliedern die seitlichen Partieen durch die Masse der Uteruseier aufge- trieben erscheinen gegenüber der verhältnissmässig dünn bleibenden Mitte. Sein Volumen wird ausserdem nach den beiden Seiten hin noch dadurch beträchtlich vergrössert, dass er nach vorn und hinten scheinbar unverästelte Seiten- schläuche entwickelt; in der That aber erweisen sich diese Sei- tenäste als optische Flächenschnitte von ebensovielen ring- förmigen Erweiterungen des Uterus. Der übrige Geschlechts- apparat ist vollkommen doppelt, es genügt daher, fernerhin seine Configuration auf der einen Seite klar zu legen, da die andere nur das Spiegelbild der ersten ist. — Wir erkennen auf den ersten Blick wiederum zwei mächtig entwickelte Drüsen, den Keimstock und den Dotterstock, zu denen als dritte noch eine auf Quetschpräparaten von letzterem ver- deekte und darum nicht zur Anschauung gelangende Schalen- drüse hinzukommt. Der Keimstock hat die uns schon von der T. rhopalocephala her bekannte, rosettenförmige Ge- stalt, nur vereinigen sich bei unserem Wurme die Schläuche der beiden Rosettenhälften zu je einem Canal, und erst diese münden in den gemeinsamen Eileiter, so dass die Duplieität des Keimstockes hier gewahrt erscheint. Es ist dies genau dasselbe Verhalten, wie es Kahane an 7. per- Joliata nachgewiesen hat, nur dass hier die durch Ver- einigung der beiden Canäle zu einem entstehende Figur nicht eine Yförmige ist, wie bei jener Tänie, sondern, da die beiden Eileiteräste einander genau entgegenlaufen, eher einem T vergleichbar sein würde. Die Primordialeier haben eine nicht ganz runde Gestalt, etwa 3,3 Mmm im Durchmesser und zeigen einen 1,2Mmm grossen Kern. Vom Ort ihrer Entstehung abgelöst gelangen sie in den Eileiter, und er- halten kurz nach ihrem Eintritt in denselben von dem Dotterstocke eine Schicht Dotter aufgelagert, denn bald nach der Vereinigung der beiden Aeste des Oviducts mündet "10 der Ausführungsgang einer etwa nierenförmigen Drüse, deren körniger Inhalt sie von vornherein als Dotterstock characterisiert. Die Bezeichnung „nierenförmig“ gilt übrigens nur für die ungefähren Umrisse des Organes, denn bei ge- nauerer Prüfung zeigt dasselbe unregelmässige Ausbuchtungen und lässt eine Zusammensetzung aus Schläuchen mehr ver- muthen als nachweisen, doch tragen die Bilder, welche die Drüse liefert, mit jenen, welche Kahane von der Dotterdrüse : der 7. perfoliata entworfen hat, eine unverkennbare Ueber- einstimmung zur Schau. Das letztere gilt auch von der Schalendrüse, welche als ein äusserst zierliches, unterhalb des Dotterstockes gelegenes, rundes Organ entwickelt ist, dessen Drüsenzellen radiär auf einen centralen, länglichen Hohlraum gestellt sind. Durch diesen Hohlraum hindurch gleitet das mit Dotter ausgestattete Ei, umgiebt sich darin mit einer Schale und wandert nun in den oben beschriebenen Uterus. Das Receptaculum seminis, welches, ohne sich zu einem ausgesprochenen Befruchtungsgange verengert zu haben, dicht vor dem Dottergange mündet, ist ein sehr stark entwickelter, dünnwandiger, fast gestreckt verlaufender Schlauch, selbstredend von wechselnder Grösse, je nachdem er durch Sperma aufgetrieben ist. Er zieht nach dem Sei- tenrande der Proglottis zu, überschreitet das Exeretionsor- gan, und nun verengt sich sein Lumen zu einem feinen Gang, während eine ziemlich kräftig entwickelte Ring- muskulatur seine Wandung beträchtlich verdickt; das Re- ceptaculum geht somit an dieser Stelle in die Vagina über, welche an dem Cirrhusbeutel entlang zieht und schliesslich unmittelbar hinter und etwas unter der männlichen Ge- schlechtsöffnung nach aussen mündet. Bezüglich der Schwanzproglottiden ist zu be- merken, dass in ähnlicher Weise wie bei T. rhopalocephala die geschlechtliche Entwickelung von der fünftletzten Prog- lottis an mehr und mehr abnimmt. Das Exeretionsorgan lässt im Kopfe jede Spur eines Gefässringes oder eines ringförmigen Gefässplexus vermissen. So wunderbar dieses Verhalten auch erscheinen mag, und so wenig man in der Lage sein dürfte, demselben das einer anderen bekannten Täniade an die Seite zu stellen, | 571 so habe ich mich doch durch Anfertigung feiner Flächen- und Querschnittserien hinlänglich davon überzeugt, dass es nicht an einem mangelhaften Eindringen der Injections- masse lag, wenn injieierte Quetschpräparate einen solchen Gefässring nieht zur Anschauung brachten. Und wenn wir die sesammte Cestodengruppe nach einer ähnlichen Con- figuration der Exeretionskanäle durchforschen, so finden wir, Dank den gewissenhaften Untersuchungen von Pintner, eine ganze Anzahl solcher Fälle. Denn unter den Holz- schnittzeichnungen, welche dieser Forscher seinen Be- schreibungen beigefügt hat, zeigen die Figuren von Acan- thobothrium, Phyllobothrium, Tetrarhynchus und Triaeno- phorus‘) keinen Gefässring. Derselbe fehlt nun in der That . auch unserem Dipyldium. Das Exeretionsorgan dieses Thieres nämlich beginnt im Stirntheil des Kopfes mit einem Uförmig gebogenen Rohre, welches so gestellt ist, dass seine Schenkel bezüglich der dorsalen und ventralen Seite angehören, übrigens begreiflicher Weise bei der abge- platteten Gestalt des Kopfes sehr dicht auf einander gepresst sind und in Quetschpräparaten einander decken. Jeder Schenkel theilt sich hinter den Saugnäpfen in zwei Theile, welche nun in die Gliederkette eintreten. Da auch hier noch die dorsalen Gefässe sich mit den ventralen decken, so erscheint der ganze excretorische Tractus im Kopfe in der Gestalt eines A, und es ist schwierig zu sagen, ob das dorsale Gefässpaar, welches immer näher an das ventrale heranrückt und sich etwa einen Zoll vom Kopfe entfernt, gänzlich dem Blicke entzieht, noch getrennt vorhanden ist, oder ob es allmälig spitz zuläuft und blind endigt, oder endlich ob es sich mit dem ventralen vereinigt hat. Im Hinterrande der Glieder treten ziemlich früh die regel- mässigen einfachen Queranastomosen auf, und so verläuft das ganze Röhrensystem leiterförmig bis zu den letzten Proglottiden. Wo aber die Schwanzproglottiden noch vor- handen sind, da bemerkt man ein ganz eigenthümliches Verhalten der Gefässe. Bereits in der 8. Proglottis, von 1) Es sind dies die Figuren 1, 2, 4, 9 auf Seite 32—35 der oben angeführten Arbeit. £ 572 | a hinten gezählt, fangen die beiden Seitenstämme an, eine Inselbildung einzuleiten, sie theilen sich in zwei oder drei Hauptstämmchen, und auch die Queranastomosen treten dureh unregelmässig verästelte Längsanastomosen mit ein- ander in Verbindung, die Figur 16 Tab. V wird den ganzen Sachverhalt klarlegen, mehr als dies durch eine längere Beschreibung möglich wäre; ich füge darum nur noch hin- zu, dass in der terminalen Proglottis, in welcher nebenbei bemerkt nur noch Spuren von irgend welchen Geschlechts- organen als rundliche Zellgruppen entwickelt sind, beide Längsstämme wieder einfach erscheinen, aber durch un- regelmässige, feine Queranastomosen verbunden sind und in zwei Oeffnungen dicht neben einander in einer schwachen Vertiefung münden. Die Gefässhaut zeigt wie bei den be- schriebenen Tänien eine hyaline Beschaffenheit, und dadurch unterscheidet sich dieses Exeretionsorgan auf den ersten Blick von einem zweiten Canalsystem, welches wir in eben jener Vertiefung der letzten Proglottis münden sehen. Wo dieses letztere beginnt, habe ich auf keine Weise eruieren können, und ich kann darum auch nieht angeben, ob es vielleicht das dorsale Gefässpaar ist, welches wir im Scolex seinen Ursprung nehmen und durch jenen A förmigen Canal mit dem ventralen Gefässpaare communicieren sahen. Es entzog sich dasselbe, etwa einen Zoll weit vom Vorderrande entfernt der Beobachtung. Etwas weiter noch vom Kopfe entfernt, und es tritt in den Schnittpräparaten dorsalwärts von den exeretorischen Längsstämmen wieder ein Gefäss- paar auf, aber nicht mehr mit einer blossen hyalinen Ge- fässwand, sondern mit einer feinen Ringsmuskulatur um- geben, welche, je weiter wir nach hinten fortschreiten, um so kräftiger wird und bereits 3 Zoll von der Stelle, wo wir es zuerst bemerkten, entfernt eine derartige Ausbildung erlangt hat, dass die Dieke der Wandung das Lumen des Gefässes bei weitem übertrifft. Auch die Wirkung dieser Muskulatur tritt uns deutlich ‘genug entgegen. Sehen wir -doch an einzelnen Stellen das Lumen bis auf einen feinen Spalt verengt, an anderen dagegen blasenartig aufgetrieben, so dass wir auch nicht einen Augenblick darüber in Zweifel sein können, dass wir es hier mit einer ausserordentlich 2 Ban 5 Berker 2 a ed ae 573 kräftigen peristaltischen Bewegung der Gefässwandung zu thun haben. Ich brauche nicht erst zu sagen, dass es dieser Gefäss- apparat ist, welchen wir in der terminalen Proglottis zwischen den beiden Mündungen des excretorischen Apparates mit zwei dicht neben einander gelegenen Oefinungen münden sahen. Abgesehen von dem Muskelbelag unterscheidet er sich übrigens von den Exceretionsgefässen auch noch dadurch, dass er der Anastomosen in den Proglottiden gänzlich er- mangelt, nur dass in den letzten Gliedern, welche, wie wir das sehon oben kennen gelernt haben, auch sonst von den gewöhnlichen Proglottiden in ihrem anatomischen Baue nicht unwesentlich abweichen, wenn auch in geringerem Grade eine ähnliche Anastomosenbildung eintritt, wie es uns die Exeretionsstämme zeigten. Auch der Inhalt dieses Gefässsystems ist ein anderer, als der feinkörnige Excretions- stoff, der jene Gefässe anfüllt. Wir erblicken nämlich im ‘Inneren dieser Kanäle einen Faden, welcher Farbstoffe jeder Art kräftig an sich zieht, so dass er in Folge davon stets sehr intensiv gefärbt erscheint. Ueber seine Zu- sammensetzung konnte ich trotz aller darauf verwendeten Mühe — die darauf bezüglichen Querschnittserien hatten nur noch eine Schnittstärke von !/,, mm und wurden mit Seibert’s Immersionssystem VII Oc. III untersucht — nichts Gewisses ermitteln; obwohl die erhaltenen Bilder öfters rundliche Zellen zu zeigen schienen, so war doch an an- deren keine Spur davon zu entdecken. Ich kann in diesem Faden nur den durch den angewendeten Alcohol eoagulierten und zusammengezogenen Gefässinhalt erblicken und stütze mich dabei wesentlich darauf, dass eine peristaltische Be- wegungsart einen flüssigen Gefässinhalt nothwendig vor- aussetzt. Allerdings kann ich dabei nicht verschweigen, dass an jenen blasenartigen Erweiterungen des Gefässes - eine wesentliche Verdiekung des Fadens, wie wir sie doch erwarten müssten, nicht, oder wenigstens nicht immer nachweisbar war, doch mag vielleicht eine grosse Coagula- tionsfähigkeit des Inhaltes diesen Thatbestand einigermassen erklären, sofern der. Inhalt bereits coaguliert sein kann zu 574 einer Zeit, wo die peristaltischen Bewegungen der Gefäss- wand noch nicht ganz ihr Ende erreicht hatten. Natürlich drängt sich hier die Frage mit Macht auf, welche physiologische Bedeutung hat dieses Organ? Aber dieser Frage bin ich nicht gewachsen und muss sie daher als eine offene hinstellen, da meine Vermuthungen, welche durch eine gewisse oberflächliche Aehnlichkeit desselben mit dem gegabelten Darm vieler Distomeen, verbunden mit dem Desiderat eines Verdauungstraetus hervorgerufen worden waren, an dem gänzlichen Mangel einer oralen Oeffnung, sowie auch eines endothelialen Zellenbelages scheitern mussten. Dass dieses Gefässsystem sich niemals, oder doch nur auf äusserst kurze Strecken injieieren liess, möchte ich damit in Zusammenhang bringen, dass das viel weitere Ex- cretionsgefäss von der einstechenden Canüle ja stets mit getroffen werden musste und sowohl des grösseren Lumens wegen, als auch durch das Fehlen der Muskulatur und die grössere Beweglichkeit des Inhaltes dazu befähigt, dem Farbstoff mit grosser Leichtigkeit abfliessen lassen musste. Das Nervensystem unseres Dipylidium wird in der Gliederkette durch jene beiden feinfaserigen Stränge re- präsentiert, welche wir wohl in einer jeden Täniade werden nachweisen können. Ihre einzelnen Faserbündel werden auch hier von einem an Pflanzenzellen erinnernden Stütz- sewebe zusammengehalten. Im Scolex verbreitern sich diese Stränge zu zweien dreieckigen Ganglien, welche hinter den Saugnäpfen liegen und durch eine einfache Commissur mit einander verbunden sind. Nach vorn zwischen die Saugnäpfe entsenden sie zwei Stämme, welche aller Wahrscheinlichkeit nach am Scheitel umbiegen und in ein- ander übergehen, so dass denn also auch hier jene huf- eisenförmige Gehirnpartie vorhanden sein würde. Diesen Uebergang nachzuweisen, ist mir allerdings nicht gelungen, doch möchte der Grund dafür nicht in seinem Fehlen, sondern in dem Umstande zu suchen sein, dass die übrigen Gewebe, namentlich die Muskulatur der so dieht auf ein- ander gedrängten Saugnäpfe, die Untersuchung ungemein erschweren. Die reifen Eier des Dipylidium Leuckarti sind etwas 575 grösser als diejenigen von T. rhopalocephala, indem sie 67— 70 Mmm im Durchmesser haben. Im übrigen jedoch gleichen sie bezüglich der einfachen aber ziemlich dieken Schale, sowie auch des in ihnen enthaltenen Embryos jenen so vollkommen, dass ich mich einer weiteren Beschreibung derselben enthalten kann. Betreffs des Zwischenträgers erhielt ich auf experimentellem Wege keine Aufschlüsse, auch ist in dieser Beziehung bei der Lebensweise des Wohnthieres wohl kaum auf Resultate zu rechnen. Das wilde Kaninchen ist es, welches unserem Cestoden als Wohnthier dienen muss, und es scheint, als ob dasselbe ungemein häufig unter diesem Schmarotzer zu leiden habe, da ich unter mehr als 150 Kaninchendärmen nur etwa 10 oder 12 gefunden habe, welche denselben nicht enthielten. Dass aber das Wohlbefinden der Thiere durch sie beein- trächtist würde, konnte ich nicht constatieren, da in den fettesten Kaninchen oft drei, vier und mehr soleher Band- würmer gefunden wurden. An eine bestimmte Jahreszeit scheint ihr Vorkommen nicht gebunden zu sein. 4. Dipylidium pectinatum n. sp. Synon: Taenia pectinata Göze ex parte. Taenia pectinata Rudolphi ex parte (?). Taenia pectinata Diesing ex parte (?). Kopf hakenlos, ausserordentlich klein, kaum 1/4 mm breit, gegen die lanzettförmig sich verbreiternde Strobila nicht abgesetzt. Geschlechts- Öffnungen beiderseits, fast in der Mitte des Proglottidenrandes. Glieder kurz, trapezförmig, auch im gestrecktesten Zustande mindestens 2 mal breiter als lang. Länge des ausgestreckten Wurmes nicht über 40 em, meist geringer. Breite der reifsten Proglottiden bis $ mm. Die Strobila ist oft durch Längsfalten gestreift. Wohnthier: Lepus timidus. Das Dipylidium pectinatum war es wohl, welches Göze bei der Beschreibung von 7". pectinata zunächst, wenn auch nicht ausschliesslich, vorlag. Ich schliesse dies namentlich aus der von ihm ganz besonders hervorgehobenen Kleinheit des Kopfes und auch aus der Aehnlichkeit, welche, wie schon die Diagnose erkennen lässt, dieser Hasenbandwurm mit dem eben beschriebenen Kaninchenbandwurme zeigt, denn nur so konnte überhaupt der Irrthum entstehen, die Taenia pectinata komme in Hasen und Kaninchen gleich- 576 zeitig vor; da nun auch die Längsstreifung bei dieser Täniade vorhanden ist, so trage ich kein Bedenken, ihr den Art- namen pectinatum zu belassen, indem ja besagte Längs- streifung in der That der einzelnen kurzen Proglottis einiger- massen die Form eines Kammes verleiht, und wenn sie auch bei Dipylidium pectinatum weder ganz constant ist, noch auch, wie wir sahen, ihm allein zukommt, so glaube ich dennoch, den Göze’schen Artnamen, der so lange in der Wissenschaft gebräuchlich war, schon aus historischen Rück- sichten nicht ganz verwerfen zu dürfen. Ich behalte den- selben für diese Art bei, obwohl ich mir bewusst bin, dass sich der Umfang meiner neuen Species Dipyhdium peeti- natum mit dem von Taenia pectinata Göze nicht vollkommen deckt. Unser Dipylidium schliesst sich in Bezug auf den Habitus eng an das vorige an nur, möchte ich sagen, zeist es die Characteristica des letzteren in extremerem Masse: das Köpfehen ist nur halb so gross als bei jener, und die winzigen Saugnäpfe sind kaum mit der Loupe zu bemerken. Der Halstheil ist noch kürzer und geht rasch in die breite Proglottidenkette über, bei diesem Uebergange die bekannte und von allen Forschern hervorgehobene Lanzettform in ausgesprochenster Weise zur Schau tragend. Die einzelnen Glieder sind noch kürzer als bei der vorigen Art, und der Umstand, dass die Genitalwege in der Mitte des Proglottis- randes ausmünden, und letzterer nach dieser Stelle hin etwas ausgebaucht ist, bewirkt, dass auch die Hinterecken der Glieder mit einem Winkel vorspringen, welcher 90° mehr oder weniger sich nähert. Ein geübtes Auge kann dem- nach an der in Folge davon modificierten Gestaltung des ganzen Strobilarandes schon von vornherein die betreffenden Arten auseinander halten, selbst wenn der Kopf des Band- wurmes verloren gegangen sein sollte, indem die Seitenkante das eine Mal gezähnt, das andere Mal nur gekerbt erscheint. So ähnlich indessen der Habitus beider Thiere auch sein mag, so grundverschieden ist ihr anatomischer Bau, und ich ‘sehe mich darum genöthigt auch dieses Dipykdiaum ein- sehender zu besprechen. Wenn wir wie bei den vorigen Arten von Nervensystem 577 und Excretionssystem zunächst absehen, so zeigt der Scolex noch am meisten Aehnlichkeit mit dem von Dip. Leuckartz, denn en miniature wiederholt er in der That alle Verhält- nisse, welche wir dort kennen lernten. Er bildet einen stumpfrunden Zapfen, dessen Ende auch durch die Saug- näpfe nicht verdickt wird. Seine Breite beträgt nur !/, mm, und seine Dicke !/; mm. Die Saugnäpfe sind durch dia- gonale Muskelbündel verbunden und durch Längsmuskeln retractiel. Der ungegliederte Halstheil ist sehr kurz und nach hinten zu nicht verbreitert. Die sehr plötzlich eintretende Verbreiterung zeigt uns vielmehr auf Schnitten schon die beginnende Gliederung, ja sogar schon die ersten Spuren der Geschlechtsorgane. Die Anlage der Genitalorgane geschieht also ganz ausserordentlich früh. Kaum ist man im Stande auch nur eine einzige Proglottis nachzuweisen, welche der geschlecht- lichen Entwickelung noch vollkommen entbehrte. Allerdings besteht sie in den ersten Gliedern nur in einem doppelten Längsstreif intensiv gefärbter Zellen, aber eben diese Zellen- streifen sehen wir in den folgenden Gliedern sich zu den einzelnen Geschlechtsdrüsen entwickeln. Die männlichen Drüsen zeigen uns keine wesent- lichen Unterschiede von denjenigen des Dip. Leuckarti; sie bestehen aus jenen rundlichen, mit schönem Drüsenepithel ausgekleideten Bläschen von circa 10 Mmm Durchmesser, welche in ungemein grosser Zahl die hinteren Theile einer jeden Proglottis einnehmen, ohne indessen eine ihrer Flächen zu bevorzugen und so zu einer Unterscheidung von dorsaler und ventraler Fläche Veranlassung zu geben. Auch gruppieren sie sich nicht in einen rechten und einen linken Hoden- complex, wie wir das an Dip. Leuckarti kennen ge- lernt haben, sondern füllen den Raum hinter dem querver- laufenden Uterus ganz gleichmässig aus. Gleich den Beeren einer Traube sitzen diese Bläschen mittelst der kurzen Vasa efferentia an dem mitten durch die ganze Hodengruppe verlaufenden Vas deferens fest und ergiessen ihr Product, das Convolut fadenförmiger, mit herzförmigen Köpfchen versehener Samenkörperchen, in dasselbe. Letzteres ist Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss, Bd. LIV 1881, 38 578 verhältnissmässig kurz. Es entspringt aus einer doppelten Wurzel, deren eine nach dem Proglottisrande, deren andere nach der Mitte der Proglottis zu die Schaar der Hoden- bläschen durchsetzt. Von der Vereinigungsstelle beider aus zieht es in flachem Bogen über den Uterus hinweg nach der Vorderseite der Proglottis und mündet hier in eine lange, vielfach verknäulte Samenblase, deren Vorhanden- sein bei den eysticercoiden Täniaden nach den neueren Un- tersuchungen ja nicht mehr auffallen kann. Dieselbe wieder- holt sich sogar nach einer kurzen Einschnürung in dem enorm langen, eylindrischen Schlauch, der den Cirrhusbeutel unseres Thieres repräsentiert. Die mittlere Länge des letzteren Organes beträgt nämlich, selbst wenn wir seine bogenförmige Krümmung nicht mit in Rechnung ziehen, über 1 mm. Seinen Querschnitt zu bestimmen ist nicht möglich, denn wir sehen an der Abwechselung blasenartig aufgetriebener und canalartig verengter Stellen, dass der- selbe eine peristaltische Bewegung auszuführen pflest. Diese wird ermöglicht durch eine feine äussere Längs- muskulatur und eine ebenfalls nur dünne innere Ring- muskulatur, welche seine Wandung zusammensetzen. Ein elastisches Polster, welches den Raum zwischen Cirrhus- beutel und Cirrhus ausfüllt und aus bläschenartigen Zellen mit dunkel gefärbtem Kern und wasserhellem Inhalte be-- steht, übernimmt die Uebertragung des erzeugten Muskel- druckes auf der Cirrhus selbst. Dieser durchzieht die ganze Länge des Beutels, indem er am Grunde desselben mit der bereits erwähnten, in leerem Zustande birnförmig gestalteten zweifen Samenblase beginnt und am distalen Ende derartig in die Wand des Cirrhusbeutels übergeht, dass die peristaltische Bewegung des letzteren unter Ver- mittelung des elastischen Polsters ihn auszustülpen vermag und nach vollendeter Ausstülpung das Sperma austreiben, eventuell in die weiblichen Leitungswege eintreiben kann. Auf Schnitten senkrecht zu seiner Längsaxe zeigt der Cirrhus selbst ein strahliges Gefüge, doch bin ich nicht im Stande, diese Strahlen mit Bestimmtheit etwa als radiär gestellte Muskelfasern zu erkennen. Etwas unterhalb des Cirrhus mündet hinter en 579 die Vagina, ein in ihrem Anfangstheil durch überaus kräftige Muskulatur ausgezeichneter Schlauch, welcher sich mit schwach sförmiger Krümmung unter dem Cirrhusbeutel hindurchschlägt und etwa an dessen Ende in einen feinen Gang auszieht. Richtiger würden wir den beschriebenen Anfangstheil der weiblichen Genitalwege mit dem Namen Vaginabeutel bezeichnen und damit seine Aehnlichkeit mit dem Cirrhusbeutel andeuten, denn wir bemerken, dass die Vaginamuskulatur zwar im Anfang, wo sie sehr mächtig entwickelt ist, an der feinen Membran eng anliegt, welche das Lumen des Canales zunächst umgiebt. An der Stelle aber, wo der Nervenstrang überschritten wird, erweitert sich dieses Lumen etwas, wird dann plötzlich durch eine scharfe Einschnürung eingeengt und geht dann in ein innerhalb des nunmehr selbständig und immer dünner werdenden Muskelschlauches korkzieherartig aufgerolltes Receptaculum seminis über. Der Inhalt des letzteren treibt den Muskelschlauch flaschenförmig auf, oder besser gesagt den Vaginabeutel, denn im hinteren Theile dieses Schlauches ist von Muskelfasern nichts mehr zu entdecken, und nur eine dünne, anscheinend structurlose Membran ist es, welche die Windungen des Receptaculum umgiebt und an dessen Ende in die Wandung des nun wieder verengten weib- lichen Leitungskanales übergeht. Aber dieser enge Gang stellt noch nicht den Befruchtungsgang dar, er erweitert sich vielmehr zum zweiten Male blasenartig zu einem zweiten Receptaculum seminis, und erst dieses ist es, welches mittelst eines kurzen Befruchtungsganges die Befruchtung des aus dem Eierstock losgelösten Eies übernimmt. Dieser Gang nämlich erhält kurz nach seinem Austritt aus dem zweiten Receptaculum den aus zwei Einzelkanälen ent- standenen Oviduct, dicht dahinter den Dottergang und mündet, die linsenförmige Schalendrüse durchsetzend, in den Uterus. Der verzweigte Eierstock, die nierenförmige Dotterdrüse, die Schalendrüse mit ihrer zierlichen, radiären Zellanordnung, sowie endlich auch der Uterus zeigen eine so bedeutende Uebereinstimmung mit den gleichnamigen Gebilden des Dip. Leuckarti, dass ich ein näheres Ein- sehen auf dieselben umgehen kann, um mich der Be- 38° 580 schreibung des hochinteressanten Exeretionsorganes und des vielleicht noch interessanteren Nervenapparates zuzu- wenden. Das Excretionssystem beginnt im Scolex in ganz ähnlicher Weise wie bei Dip. Leuckarti mit zwei A förmig sich gabelnden Kanälen, welche am Scheitel in einander übergehen. Von den daraus resultierenden 4 Kanälen, welche in den Halstheil eintreten, oblitteriert das dorsale Paar sehr bald, während das ventrale in der bekannten Leiterform, mit kräftigen Seitenstämmen und Anastomosen, die Gliederkette durchzieht. Injectionen von Berliner Blau bringen dies Verhalten ausserordentlich deutlich zur An- schauung. Dieselben zeigen aber auch, dass die Quer- anastomosen, deren wir ja in jeder Proglottis eine und zwar im Hinterrande zu suchen haben, durch zahlreiche, verzweigte oder einfache Längsanastomosen verbunden sind. Diese Längsanastomosen, welche sich in den bisher be- schriebenen Täniaden nicht finden, welche aber in dem noch zu beschreibenden Dip. latissimum in noch viel eda- tanterer Weise auftreten und dort auch noch mit einer Zerspaltung der Hauptstämme Hand in Hand gehen, hatten mich dazu bestimmt, ein besonderes Genus, Cstiotaenia, für diejenigen Dipylidien aufzustellen, welche eine derartige auffallende Abweichung in der Configuration ihres excre- torischen Canalsystemes zur Schau tragen. Ich gebe diese Gattung indessen auf, da sie ebensowenig wie die Gattung Dipylidium eine einheitlich geschlossene, natürliche Gruppe repräsentieren würde, und ihre Aufstellung einer künftigen Täniadensystematik wenig Vorschub zu leisten in der Lage sein dürfte. | Von einem mit Ringmuskelbelag ausgestatteten Kanal- system, wie wir es bei Dip. Leuckarti fanden, ist bei unse- rem Dipylidium nichts zu bemerken. Das Nervensystem bietet im Scolex nichts besonde- res dar. Es besteht aus jenen beiden durch eine einfache Commissur verbundenen, dreieckigen Ganglien und jenem hufeisenförmigen Gehirntheile, welcher gemeinsam mit den zweien Paaren von Exceretionskanälen den Kreuzungspunkt der diagonalen Verbindungsmuskeln der Saugnäpfe um- a ar ar ER 581 schliesst und bei" unserem Dipylidium in seiner Vollständig- keit leicht zur Anschauung gelangt, wenn wir eine Serie feiner Flächenschnitte von einem Scolex anfertigen, der sich möglichst verkürzt hat, weil in einem gestreckten Kopf- zapfen die, wenn auch schwache Saugnapfmuskulatur die Deutlichkeit der Bilder ungemein beeinträchtigt. Verfolgen wir nun aber die beiden aus den Kopfganglien entspringen- den Seitenstränge in ihrem Verlaufe durch die Proglottiden- kette, so bemerken wir zu unserem Erstaunen dem Hinter- rande einer jeden Proglottis genähert eine, wenn auch nur schwache Anschwellung, von welcher sowohl nach der Rindenschicht als nach der Innenschicht der Proglottis zu ein kräftiger Nerv entspringt, ja auf Querschnitten wollte es sogar scheinen, als sei ein jeder derselben aus zwei Nerven zusammengesetzt. Ob die Anschwellungen jene Ganglienzellen, welche sich in den Kopfganglien finden, in reichlicherer Menge enthalten, wage ich nicht mit Be- ' stimmtheit zu entscheiden, da das bezügliche Material vor der Bearbeitung bereits fast 4 Monate in Spiritus conserviert worden war. Aus demselben Grunde bin ich auch ausser Stande anzugeben, ob vielleicht die inneren Nervenstränge mit einander anastomosieren und so in jedem Gliede eine Commissur herstellen. Natürlich darf ich denn auch auf diese meine Präparate hin, von welchen ich das deutlichste in Tab. II. Fig. 7 möglichst genau wiederzugeben mich be- müht habe, nicht die bestimmte Behauptung gründen, als habe das Dip. pectinatum Ganglienknoten in seinen Seiten- strängen aufzuweisen; trotzdem aber konnte ich eine so auffallende Erscheinung nicht übergehen, ohne die Gedanken wenigstens auzudeuten, welche durch Bilder wie Tab. VI. Fig. 7 unwillkürlich geweckt werden. Dass Kahane bei T. perfoliata derartige Anschwellungen bemerkt habe, wenn er von Verdiekungen der Seitenstränge spricht, glaube ich kaum, da er dieselben ausdrücklich als unregelmässig be- zeichnet, und eine Erklärung für ihre wechselnde Dicke leicht darin gefunden werden dürfte, dass in Folge starker Contraction des Thieres die Nervenstränge in schwache Korkziehertouren zusammengedrückt waren, so dass der- selbe Flächenschnitt hier die Mitte, dort mehr die oberen - oder unteren Ränder der Stränge treffen und’so Verdiekungen derselben nothwendig vortäuschen musste. Indessen hat ja auch er schon Ganglienzellen in den Seitensträngen nach- gewiesen und ihre morphologische Gleichwerthigkeit mit der Bauchganglienkette anderer Würmer dargethan. - Bei der Beschaffenheit meines Materials sehe ich mich leider genöthigt, eingehendere Untersuchungen dieses interessanten Nervensystems bis auf künftigen Herbst zu verschieben, wo das Dip. pectinatum ja fast in beliebigen Quantitäten zur Verfügung steht. Man findet diesen Wurm nämlich in Hasen sehr häufig, wenn ich auch nicht gerade die Göze’- schen Mittheilungen bestätigen kann, welcher 20 bis 30 in _ einem einzigen Hasen gefunden zu haben angiebt. Sie bewohnen meist den vorderen Abschnitt des Dünndarmes, nahe am Magen, doch darf man es auch nicht unterlassen, in der Leibeshöhle, namentlich zwischen den Lappen der Leber nach ihnen zu suchen, weil sie häufig genug durch die mörderische Schrotkugel aus ihrem eigentlichen Wohn- sitze herausgerissen werden oder auch durch eine auf diesem Wege entstandene Oeffnung in der Darmwandung nach dem Erkalten ihres Wirthes herauskriechen. In ihrem Vorkommen sind sie ganz ausserordentlich an die Jahres- zeit gebunden, indem man sie nur im Herbste und in der ersten Hälfte des Winters noch antrifft. Es dürfte dieser Umstand eine bedeutende Kurzlebigkeit des Wurmes an- zeigen und auch einige Winke bezüglich des Zwischen- wirthes an die Hand geben, zumal wenn wir auch die lokale Beschränktheit seines Vorkommens noch mit in Rechnung ziehen. Darnach vermuthe ich, dass eine kleine Nacktschnecke der Zwischenwirth dieses Dina sein dürfte, welcher zugleich mit seiner Nahrung von dem Hasen verzdhrt wird. Wenigstens findet sich unser Helminth in den Hasen der schneckenarmen Hochplateaux unserer nächsten Umgebung nur sehr selten, während diejenigen Hasen fast immer mit ihm behaftet sind, welche in unseren Niederungen, nament- lich auch am Röblinger See, also an Orten geschossen - werden, wo die Gastropoden weit häufiger gefunden werden. Die in den reifen Eiern enthaltenen sechshakigen 583 Embryonen weichen von denen der besprochenen Täniaden lediglich dadurch ab, dass das Gebilde, welches ich mit einem Eierbecher verglich, etwas gestreckter erscheint, und da auch die Eier des gleich zu beschreibenden Dip. latis- simum einen gleichen Embryo zeigen, so bin ich geneigt, diese Form für die Embryonalform sämmtlicher ceystieer- coider Tänien überhaupt zu halten, um so mehr, als die fünf in dieser Arbeit näher untersuchten Täniaden in ihrem anatomischen Bau so weit von einander abweichen, wie wohl kaum irgend welche andere Tänien. 5. Dipylidium latissimum n. sp. Synon: Taenia pectinata Rudolphi ex parte. Taenia pectinata Diesing, ex parte. Kopf hakenlos, über 3/ı mm breit, mit stark vorspringenden Saug- nüpfen und dadurch gegen die lanzettförmig sich verbreiternde Glieder- kette deutlich abgesetzt. Geschlechtsöffnungen beiderseits, in den zizzen- artig vorspringenden Hinterecken der Glieder, welche den Rändern, besonders der contrahierten Thiere ein gefranztes Ansehen verleihen. Glieder stets viel kürzer als breit und namentlich nach den Seiten hin ungemein dick. Länge im gestreckten Zustande bis 80 cm, Breite der reifsten Glieder 15 mm und darüber. Wohnthier: Lepus cuniculus. Konnten wir vorhin schon das Dip. Leuckarti einen im Verhältniss zu seinem Träger enorm grossen Parasiten nennen, so gilt das in noch viel höherem Grade von dem Bandwurm, dessen wichtigste habituelle Kennzeichen wir soeben kennen lernten. An Länge jenem wenig oder gar nicht nachstehend zeigt uns das Dip. latissimum eine Breite, welche die des anderen mindestens um die Hälfte über- trifft, und dabei eine Dicke, wie dieselbe wohl nur wenigen - Täniaden zukommt, da die contrahierten reifsten Proglottiden dieses Helminthen selbst an Spiritusexemplaren noch 3 bis 3! mm dick sind. Der Länge nach zusammengefaltet hängt der Wurm in den Dünndärmen seines Wirthes, welche durch ihn stark aufgetrieben werden. Er bevorzugt dabei den unteren Theil dieses Darmes, und man findet ihn nicht selten mit den letzten Gliedern in den Blinddarm hinein- hängen. Mas es nun mit dem Inhalte jener Darmgegend zusammenhängen, mag es eine besondere Eigenthümlichkeit dieses Cestoden sein, niemals hat er jene weisse oder höchstens gelblichweisse Färbung der anderen Tänien, er 584 erscheint vielmehr immer grau oder röthlichgrau, etwa wie der Bothriocephalus latus, mit welchem er auch sonst manche habituelle Eigenthümlichkeiten gemein hat, soweit ein Di- pylidium überhaupt einem Bothriocephalus ähneln kann. Namentlich an den Stellen, wo die Eiermassen durch den weichen und wie aufgequollenen Hautmuskelschlauch durch- schimmern, ist seine Farbe eine dunkle; indessen verliert sie sich bei der Conservierung in Alkohol mehr oder weniger vollständig. Schwärzliches Pigment dagegen finden wir nur an den Saugnäpfen und den Genitalmündungen ange- häuft. Nehmen wir noch das eigenthümliche Vorspringen dieser letzteren hinzu, deren Cirrhus fast immer zum Theil ausgestreckt ist, so begreifen wir leicht, dass unser Dipykk- dium auf den ersten Blick auffallen muss und von allen anderen leicht zu unterscheiden ist. Der Scolex hat am meisten Aehnlichkeit mit dem von T. perfoliata und stimmt auch insoferne mit ihm über- ein, als er nur in seltenen Fällen die Längsrichtung des übrigen Wurmkörpers innehält, vielmehr meist nach der dorsalen oder ventralen Fläche umgebogen ist, um die Wirkung der vier mächtigen Saugnäpfe um so mehr zur Geltung bringen zu können. Diese Haftapparate sind der- artig kräftig entwickelt, dass sie den Querschnitt durch den Scolex quadratisch gestalten, während derselbe dicht hinter ihnen ein Rechteck ergiebt, dessen Breite die Höhe etwa um das 4fache übertrifft. Ueber die Anordnung der Scolexmuskulatur brauche ich Näheres nicht anzugeben, da sich all die früher erwähnten Verhältnisse hier wiederfinden. Ein kurzer, flacher, ungegliederter Hals führt in die rasch breiter werdende Gliederkette über, deren vorderste Partien bereits auf guten Flächenschnitten die ersten An- lagen künftiger Genitalapparate zur Schau tragen. Die männlichen Geschlechtsdrüsen bestehen aus einer ungemein grossen Anzahl kugeliger, etwa 115 Mmm grosser Hodenbläschen, weiche mit 23 Mmm grossen, runden, kernhaltigen Hodenzellen ausgekleidet sind. Sie nehmen ganz ausschliesslich die eine Fiäche der Proglottis in An- spruch und stempeln sie dadurch zu einer dorsalen Seite. Zwischen ihnen bemerkt man leicht die prall mit Samen- 585 fäden angefüllten Vasa efferentia, welche sich auf jeder Seite zu einem Vas deferens vereinigen. Das letztere in seinem Verlaufe zu verfolgen, ist mit einigen Schwierig- keiten verknüpft, da die Dieke der Proglottis ihm einen beträchtlichen Spielraum gewährt und es unmöglich macht, dasselbe seiner ganzen Länge nach in einem oder zweien Schnitten zu Gesicht zu bekommen. Indessen ist sein Weg ein möglichst einfacher. Es geht nämlich fast direct auf das hintere Ende des Cirrhusbeutels los, wobei es, da letz- terer fast die ganze Dicke des Gliedes einnimmt, von der dorsalen Fläche bis zur Mittelebene der Proglottis herab- sinkt. In den Cirrhusbeutel selbst eingetreten bildet es eine ellipsoidische Samenblase, verengt sich wieder und durehzieht nun mit wenig Krümmungen das spongiöse Ge- webe, welches den Cirrhusbeutel erfüllt, um auf dessen Spitze nach aussen zu münden. Der Cirrhusbeutel ist ausserordentlich mächtig entwickelt. Seine Wandung setzt sich aus dreien Muskellagen zusammen, von welchen die innerste eine Ringmuskulatur, die mittlere eine Längsmus- kulatur und die äusserste wiederum eine Ringmuskulatur darstellt. An diese äussere Ringmuskelschicht greift äm hinteren Pole des ganzen Gebildes ein ziemlich kräftiger Muskelkomplex an, welcher etwa Trichterform besitzt und mit den Rändern des Trichters eben jenen hinteren Theil des Cirrhusbeutels umfasst. Er zieht in der schiefen Rich- tung des letzteren weiter, und seine Spitze inseriert sich am Vorderrande der Proglottis. Kein Zweifel! wir haben es hier mit einem Retractor des Cirrhusbeutels zu thun. In seiner Trichterhöhle bemerken wir aber noch ein Ge- bilde, und zwar von drüsenartiser Beschaffenheit, und da wir schon bei ZT. rhopalocephala und T. rhopakocephala einen solcher Drüsenschlauch constatiert und als eine Art Prostata bezeichnet haben, so macht uns seine Deutung hier keineriei Schwierigkeiten. Denn obwohl uns contra- hiertere Proglottiden ein compactes, etwa napfförmiges Organ zu zeigen scheinen, so gewahren wir doch an ge- streekten, und namentlich an jüngeren Proglottiden, dass diese scheinbar compacte Drüse aus einem einzigen, nur in mehrere Schlingen zusammengelesten, mit einem Drüsen‘ 586 epithel ausgekleideten Schlauche besteht, den wir wohl nieht mit Unrecht jenem Drüsenschlauche der 7. rhopalo- cephala an die Seite setzen dürfen. — Der ganze Cirrhus- beutel steckt wie in einer Scheide in einer eylindrischen bis zizzenförmigen Wulstung der Haut und schaut regel- mässig aus derselben hervor, wie etwa die Glans aus dem Praeputium, und dieser Umstand ist es nicht zum wenigsten, welchem die Ränder unseres Cestoden ihr seltsames Aus- sehen verdanken. Auf dem nämlichen Hautwulst, in welchen der Cirrhus- beutel eingeschlossen ist, mündet nun auch die Vagina - und zwar immer unterhalb und hinter dem Cirrhus. Ihre Wandung entbehrt scheinbar der Muskulatur, wenigstens lassen sich die wenigen Muskelfasern, welehe sich in ihrem Umkreis finden, nicht mit Sicherheit als zu derselben ge- hörig nachweisen. Sie überschreitet Nervensystem und Seitengefässe und mündet in der Binnenschicht der Pro- glottis in ein blasenförmiges Receptaculum seminis, welches durch eine klappenartig wirkende Wulstung der Vagina- mündung das Entweichen einmal eingeführten Spermas ver- hindert. Im übrigen schliesst sich der weibliche Genital- apparat wiederum so eng an die bereits besprochenen an, dass es nur noch erübrigt, auf die reizende Arabeske, welche der Eierstock darbietet, besonders aufmerksam zu machen und mit kurzen Worten die Bildung des Uterus zu be- rühren. Letzterer ist nämlich nicht ein einfacher, stellen- weise erweiterter Schlauch, der in querer Richtung die Proglottis durchzieht, er erweist sich vielmehr in zwei oder drei solcher Schläuche zerspalten, welche sich vielfach mit einander vereinigen und so Inseln von Parenchym ein- schliessen. Diese Bildung tritt uns indessen nur in solchen Gliedern entgegen, in welchen der Uterus noch der Eier baar ist. Durch den Druck der wachsenden Eier erweitern sich nämlich diese Schläuche bald so stark, dass jene Inseln verdrängt werden, und der Uterus nunmehr in der That einen einzigen Schlauch repräsentiert. Mit der ungewöhnlichen Breite unseres Wurmes mag _ wohl ein Umstand zusammenhängen, den ich als Ausnahme, jedoch nieht gerade selten, in den Proglottiden wahrnehme. 587 Es findet sich nämlich hie und da in einem Gliede noch ein dritter Genitalapparat. Derselbe besteht indessen nur aus den drei weiblichen Drüsen, von welchen auch die Schalendrüse noch fehlen kann; ein Receptaculum se- minis, eine Vagina, einen Cirrhus konnte ich an diesem dritten Drüsencomplex niemals finden. Er liegt in den verschiedenen Proglottiden an verschiedenen Stellen, ein- mal in der Mitte der Proglottis, ein anderes Mal mehr nach dem Rande zu, die Distance der beiden Hauptapparate im Verhältniss 2:3 theilend, als müsste ihm auf der entgegen- gesetzten Seite noch ein 4. Apparat entsprechen; doch war ich niemals so glücklich, 4 solcher Drüsengruppen in einer Proglottis aufzufinden. Ich bin aber der festen Ueber- zeugung, dass es bei fortgesetztem Suchen noch gelingen würde, auch solche Glieder zu finden, und stütze mich da- bei auf die Beobachtung, dass der dritte Apparat, falls er nicht in der Medianebene liegt, bald rechts, bald- links, aber stets in constanter relativer Entfernung von dieser angetroffen wird. Das Gefässsystem beginnt im Kopfe wie das aller unserer Dipyhdien. In der Strobila dagegen erinnert es höchstens an Dip. pectinatum, weicht aber auch von diesem noch wesentlich ab. In den noch nicht geschlechtsreifen Proglottiden constatieren wir nämlich mittelst Injeetion mit Leichtigkeit, dass hier nur wenig von einer leiterförmigen Configuration nachweisbar ist. Wir sehen vielmehr ein ganz verworrenes Netzwerk von Kanälen, welches aller- dings an den Seitenrändern der Kette durch einen etwas einfacher verlaufenden Kanal eingeschlossen wird, doch dokumentiert sich derselbe keineswegs durch bedeutendere Stärke als eigentlicher Seitenkanal. Ebenso constatieren 'wir zwar im Hinterrande einer jeden Proglottis eine Anasto- mose dieser beiden äussersten Kanäle, indessen zeigt uns ihr zackiger Verlauf, dass wir es hier mehr mit Anasto- mosen der zahlreichen Längsgefässe zu thun haben, als mit einer Anastomose besagter äusserster Kanäle. Auch diese Anastomosen sind durchaus nicht durch besondere Weite vor den zahlreichen anderen Queranastomosen aus- gezeichnet, welche oft selbst verzweigt die verzweigten 588 Längsgefässe unregelmässig verbinden und so jenes Maschen- werk erzeugen, welches uns jede Injection unseres Dipyk- dium entgegenträst. Die Entwickelung der Geschlechts- organe schafft aber in dieser Beziehung eine Aenderung. Durch den Druck der wachsenden Geschleehtsdrüsen, namentlich aber des gewaltig schwellenden Uterus, werden die Canäle der Binnenschicht einer jeden Proglottis einge- engt, die Flüssigkeit, welche sonst ihren Weg durch sie. zu nehmen pflegte, wird gezwungen, die seitlichen Canäle zu passieren, und die Folge davon ist, dass letztere (etwa 3 oder 4 jederseits) zu mächtigen Stämmen sich ausbilden, während die meisten der übrigen Längsstämme oblitterieren, jedenfalls aber die Grösse jener Seitenstämme weitaus nicht mehr erreichen können. Ebenso ergeht es den Quer- anastomosen. Die in der Mitte der Proglottis vorhanden gewesenen verschwinden mehr und mehr, während die Anastomosen im hinteren Proglottisrande an Weite zunehmen. In den reifen Gliedern haben wir demnach ein ähnliches Verhalten der exeretorischen Canäle wie bei dem Dipyhdium pectinatum, nur mit dem Unterschiede, dass wir nicht einen Hauptgefässstamm jederseits, sondern deren mehrere zu verzeichnen haben, welche durch unregelmässige Anasto- mosen mit einander verbunden sind und sich bald spalten, bald wieder mit einander vereinigen, und so noch lebhaft an jenes Verhalten erinnern, welches wir bei den noch nicht geschlechtsreifen Gliedern bemerken konnten. Aus diesem Verhalten des excretorischen Apparates einen Schluss zu ziehen auf die Entstehung jener leiter- förmigen Anordnung der Gefässe bei anderen Täniaden liegt sehr nahe. Es scheint nämlich hiernach, als ob die wirre Netzform, wie wir sie auch bei den Ziguliden und bei den Trematoden finden, die ursprüngliche Configuration der Excretionskanäle darstelle, aus welcher sich die leiter- förmige erst durch die immer schärfer werdende Trennung der Geschlechtsapparate und damit der Proglottiden, nach- träglich hervorgebildet habe. _ Schloss sich unser Dipylidium mit Rücksicht auf das Exeretionsorgan mehr an Dip. pectinatum an, so nähert es sich doch andererseits auch wieder dem Dip. Leuckarti, 589 nämlich durch das Vorhandensein jenes Kanalpaares, welches die ganze Gliederkette durchzog und durch die kräftige Ringmuskulatur und in Folge davon durch peristaltische Bewegung ausgezeichnet war, dessen physiologische Be- deutung wir aber zu entdecken uns ausser Stande erklärten. Die Betrachtung des Nervensystemes bietet nichts wesentlich Neues. Die beiden dreieckigen Ganglien durch eine gerade und eine hufeisenförmige Commissur verbunden, sowie auch die beiden Seitenstränge fanden wir ja gleicher Weise bei Dipylidium Leuckarti. Das Dip. latissimum trifft man sehr häufig in Gesell- schaft mit Dip. Leuckarti oder auch allein im Dünndarme der wilden Kaninchen, und zwar ist es der Länge nach zusammengefaltet, um überhaupt in seiner engen Wohnung Platz zu finden. In dieser Lage weiss es aus der Duplicı- tät seiner Geschlechtsorgane den gehörigen Nutzen zu ziehen, denn nicht selten findet man es im Begriff, die männlichen Geschlechtsproducte beider Seiten auszutauschen, und man muss dann beim Ausbreiten der Strobila einige Sorgfalt anwenden, um die betreffenden Cirrhus nicht ab- zureissen. Die Embryonen der reifen Eier unterscheiden sich von denen der beiden anderen Dipyhden nur unwesentlich durch etwas geringere Grösse und etwasbedeutendere Entwickelung der 6 Haken. Somit wären wir denn am Ende unserer Detailunter- suchungen angekommen und haben gesehen, dass die Spe- cies Taenia pectinata Göze als solche unhaltbar ist. Wir haben vielmehr 5 Täniaden in Hasen und Kaninchen zu unter- scheiden, zwei Tänien und drei Dipylidien, von denen die T. rhopalocephala und das Dip. pectinatum ausschliesslich dem Hasen, die T. rhopaliocephala, das Dip. Leuckarti und Dip. latissimum ausschliesslich dem wilden Kaninchen ein- wohnen. Haben wir also einen Bandwurm aus dem Hasen, so ist derselbe, wenn kurzgliedrig, breit und kleinköpfig, das Dip. pectinatum, sonst die 7. rhopalocephala, haben wir dagegen einen Kaninchenbandwurm zu bestimmen, so ist derselbe, wenn schmal, langgliedrig und grossköpfig, T. rhopaliocephala, wenn breit und grossköpfig, Dip. latıs- 590 simum, wenn breit und kleinköpfig Dip. Leuckarti; denn bei der grossen Menge von mir untersuchter Hasen und Kaninchen glaube ich ein Vorkommen anderer Cestoden in ihnen mit allem Rechte bezweifeln zu dürfen. Wir erkennen aber aus der vorstehenden Untersuchung, dass die eysticercoiden Tänien immerhin des Interessanten so ausserordentlich viel darbieten, dass es sich wohl der Mühe verlohnte, auf diesem Gebiete noch etwas weiter vorzudringen, als es bisher geschehen ist, und durch rast- lose Forschung endlich das Material zu einer brauchbaren Systematik dieser Thiere an die Hand zu geben. II. Untersuchungen über das Üestodenindividuum. Die vorstehenden Untersuchungen dürften wohl dazu geeignet sein, in einer allgemeineren Frage der Helmintho- logie etwas mehr Licht zu schaffen; nämlich in der Frage nach dem Cestodenindividuum. Allerdings scheint diese Frage schon seit längerer Zeit einer weiteren Unter- suchung nicht mehr zu bedürfen, da die bedeutendsten Helminthologen sich schon längst dahin entschieden haben, dass der sogenannte Kopf als Amme aufzufassen sei, welcher durch Strobilation eine ganze Kette von Einzelthieren, so- genannten Proglottiden, erzeugt. Wenn ich es nun trotz- dem wage, diese Frage einer erneuten kritischen Untersuchung zu unterwerfen, so geschieht dies in der doppelten Er- wägung, einmal, dass erst seit jener Zeit das Exceretions- organ und das Nervensystem der Cestoden genauer, respective überhaupt bekannt geworden ist, und auch inzwischen bei anderen Thiercolonien das letztere als differenziertes Organ nachgewiesen wurde, dann aber auch, dass die entscheidende Antwort zu einer Zeit gegeben wurde, wo die wunder- baren Erscheinungen des Generationswechsels und des Polymorphismus eben erst bekannt geworden waren, und ein Suchen nach ähnlichen Erscheinungen das Urtheil der Forscher von vornherein beeinflussen musste. Dazu kommt, dass meine Untersuchungen mich eher zu dem entgegen- gesetzten Resultate geführt haben, und so will ich es denn versuchen, in dem Folgenden das Ergebniss derselben kurz darzustellen. ; 1 SET 591 In frühester Zeit hielt man den ganzen gewöhnlich als Bandwurm bezeichneten Organismus für ein einziges Thier, und in der That schien man auch zu dieser Auf- fassung alles Recht zu haben, denn morphologisch wie physiologisch konnte man in ihm nur ein geschlossenes Ganzes erblicken. Bald aber tauchten Zweifel an der Individualität dieses Organismus auf, und besonders waren es zwei Thatsachen, welche gegen deren Annahme schwer ins Gewicht fallen mussten, einmal die Ablösung von selbst- ständig sich bewegenden Gliedern, und dann die Regenera- tion des ganzen Bandwurmkörpers aus dem Scolex, wenn dieser durch irgend einen Zufall seine Gliederkette einge- büsst hatte. Hatten doch die Erfahrungen des täglichen Lebens Beispiele genug dafür aufzuweisen, dass einzelne reife Glieder, denn als solche hatte man die ‚Vermes eueurbitini““ bereits mit Sicherheit erkannt, des Nachts dem Bandwurmleidenden spontan abgegangen waren und gleich selbständigen Thieren in dessen Bett herumkrochen, ja am anderen Morgen selbst an der Wand hinaufgestiegen und dort angetrocknet gefunden wurden; war es doch ebenso allgemein bekannt, dass dem Patienten nach Verlauf von einigen Monaten von neuem Proglottiden abgingen, wenn bei seiner Cur der sogenannte Bandwurmkopf nicht hatte entfernt werden können. Trotzdem aber konnte man eben diesen Thatsachen den Werth doch nicht beimessen, der zu einer neuen Auffassungsweise des Cestodenindividuums ‚ berechtigt hätte, und so waren es immer nur vereinzelte Forscher, welche die Proglottis als selbständigen Wurm, den sogenannten Bandwurm als zusammengesetzt aus solchen in Anspruch nehmen zu müssen glaubten. Und in der That konnten diese Gründe auch nicht für stichhaltig gelten. Denn im Laufe der Zeit sind uns eine ganze Reihe von Erscheinungen bekannt geworden, welche uns Theile von Thieren in scheinbar selbständiger Bewegung zeigen zu einer Zeit, wo dieselben schon von dem Organismus, welchem sie angehörten, abgelöst sind; wurde doch sogar unter dem Namen Hectocotylus lange Zeit in den Zoologien ein para- sitischer Wurm aufgeführt, der auf den Weibehen gewisser Cephalopoden schmarotze, bis endlich der Nachweis geliefert 092° wurde, dass der vermeintliche Wurm, wie schon dem Ari- stoteles bekannt war, nur der abgerissene Begattungsarm des Männchens sei, welcher nach Art eines selbständigen Wesens auf dem Weibchen umherkriecht und den Begattungs- act vollzieht. Bei derselben Gelegenheit haben wir denn auch erfahren, dass dieser Arm immer wieder von neuem hervorknospet, in ähnlicher Weise wie ja auch unzählige andere Thiere abgerissene Gliedmassen zu regenerieren im Stande sind. Die angeführten Thatsachen würden uns also auch heute nicht dazu bestimmen können, den Cestodenkörper als eine Thiercolonie aufzufassen, zumal da wir sehen, dass die abgelöste Proglottis für ihr individuelles Leben ein absolut unzweckmässig organisiertes Thier repräsentieren würde, indem einerseits die gesammte Organisation auf eine parasitische Lebensweise hindeutet, andererseits aber die einem Parasiten so nothwendigen Haftorgane vollkommen fehlen, so dass dieses „Individuum‘ unfehlbar dem Unter- gange anheimfallen muss, sobald es seine „Selbständig- keit‘ erreicht und sich von dem Bandwurmkörper losge- löst hat. | Aber es waren auch andere, wichtigere Gründe, welche Steenstrup, vanBeneden, vonSieboldundLeuckart die neue Auffassungsweise des Cestodenindividuums wieder aufgreifen liessen. Das Bekanntwerden mit der Ent- stehungsweise der Proglottiden als Knospen an dem mütterlichen Scolex, welcher in einzelnen Fällen sogar isoliert lebend angetroffen wird, das Bekanntwerden mit der Bildung der Gliederkette durch Strobilation war es namentlich, welches jene ursprüngliche Ansicht mit einem Schlage vernichten zu wollen schien, und das um so mehr, alsvan Beneden uns mit Cestoden aus Rochen und Haien bekannt machte, deren Proglottiden noch vor der Geschlechtsreife sich ab- lösen, letztere erst im freien Leben erlangen und dann eine Grösse erreichen, welche der des ganzen übrigen Band- wurmes völlig oder doch nahezu gleichkommt. Es lässt sich gar nicht in Abrede stellen, dass dieses Argument sehr schwer wiegt und für denjenigen, welcher seinem subjeetiven Gefühl nach für die neuere Anschauung 593 “ eingenommen ist, sogar als unumstösslicher Beweis gelten wird. Indessen schliesst auch diese Thatsache die ältere Ansicht über das Cestodenindividuum keineswegs aus. Angenommen auch die Cestoden entwickelten sämmtlich ihre Gliederkette nach dem Gesetze der Strobilation !), eine Annahme, welche für Schistocephalus von vornherein äusserst zweifelhaft ist, und sogar bei einer ganzen Anzahl von Cestoden nicht von allen Gliedern zu gelten scheint, so bleibt doch die Frage noch eine offene, ob wir mit dem Begriffe der Strobilation auch immer den eines Thierstockes zu verknüpfen gezwungen sind, ob nicht vielmehr unter Umständen die Strobilation auch ein Resultat liefern könnte analog dem der Segmentation, nämlich die einfache Glie- derung eines Einzelthieres in eine Anzahl von Metameren. Einen eigentlichen Gegenbeweisgegen die monozoische Natur der Cestoden können wir infolge davon in der Art der Gliederbildung nicht anerkennen, und selbst die zahl- reichen Analogieen aus der gesammten organischen Welt, welche van Beneden in seiner ausführlichen Arbeit: „Les vers cestoides“‘ uns vor Augen führt, vermögen sie nicht dazu zu stempeln, drücken vielmehr der ganzen Unter- suchung weit mehr das Gepräge eines geschiekten und geistreichen Plaidoyers für eine vorgefasste Meinung auf, als das einer rein objectiv kritischen Beurtheilung der be- resten Frage. Am evidentesten dürfte die Wahrheit meiner letzten Behauptung und zugleich der Werth eines blossen Analogieschlusses aus dem Umstande hervorgehen, dass gerade unter diesen Analogieen auch des Blastoderms der höheren Thiere gedacht wird, auf welchem „lembryon apparait comme si celui-ci poussait un bourgeon.“ Es dürfte gewiss nur wenige Forscher geben, welche dieser Auffassung _ der Embryobildung höherer Thiere so unbedingt beipflichten, vielmehr erhellt aus diesem Irrthum, dass jener grosse Ge- lehrte, wie das in jener Zeit ja nicht anders erwartet werden konnte, von vorn herein durch die Entdeckung des Generationswechsels in seiner Ansicht eingenommen war 1) Semper: Strobilation und Segmentation. Die Verwandtschafts- beziehungen der gegliederten Thiere. Arbeiten aus dem zoologisch- zootomischen Institut in Würzburg 1876—77. Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV. 1881, 39 594 und durch Schlüsse blosser Analogie sich verleiten liess, einen Generationswechsel auch da zu erblicken, wo in der That ein solcher keineswegs vorlag. Somit wäre zur Genüge dargethan, dass das Auswachsen des Scolex in eine lange Gliederkette die polyzoische Natur der Cestoden durchaus nicht zu beweisen im Stande ist, und es scheint nunmehr geboten sich nach Beweisen für die gegentheilige Meinung umzusehen, zunächst aber überhaupt die Zulässigkeit einer solehen Erklärungsweise kurz darzuthun. Denn van Beneden äussert sich in dieser Hinsicht, es sei gar nicht möglich, die natürlichen Ver- wandtschaftsbeziehungen, welche diese Würmer mit den benachbarten Gruppen verbinden, hinlänglich zu verstehen, ohne die Frage nach ihrer monozoischen oder polyzoischen Natur — natürlich in seinem Sinne — beantwortet zu haben. So unmöglich scheint dies aber in der That nicht zu sein. Oder wäre es zu diesem Zwecke nicht ausreichend, wenn wir die Cestoden für gegliederte, darmlose Trema- toden in Anspruch nähmen? Wäre nicht die Länge der Bandwürmer im Vergleich mit jenen kurzen, gedrungenen Saugwürmern auf diese Weise zu verstehen? Wäre die Aufeinanderfolge der Geschlechtsapparate, die theilweise Trennung des Hautmuskelschlauches in eine ganze Reihe solcher Schläuche, die leiterförmige Bildung der exere- torischen Gefässe auf diesem Wege ganz unverständlich? Gewiss nicht, und unser Vertrauen zu der Möglichkeit einer Metamerenbildung bei Plattwürmern dürfte wahrlich nicht sinken, wenn wir uns der Beobachtungen an unzweifel- haften Trematoden, wie Monostomum mutabile oder Disto- mum cygnoides, erinnern, welche eine Theilung wenigstens der Dotterstöcke ganz offenkundig zur Schau tragen. Dass die einzelnen Geschlechtsapparate der Cestoden in jedem Gliede ihre Mündungen besitzen, darf uns in unserer Meinung nicht irritieren; denn wenn der Regenwurm, dessen excretorische Apparate in jedem Segmente ausmünden, aus diesem Grunde noch nicht als ein Thierstoek aufgefasst wird, so sind wir auch nicht verpflichtet, der Proglottis, - welche eine eigene Mündung der Geschlechtswege, aber nicht eine solche des Exeretionssystems aufzuweisen hat, demzufolge eine selbständigere Stellung zu vindicieren. 595 Suchen wir nunmehr nach Beweisen für die ältere Auffassung der Cestoden als Einzelthieren, welche vor der Entdeckung des Generationswechsels den bedeutendsten Hel- minthologen Deutschlands wie Rudolphi, Creplin, Bär, Mehlis, Miescher, Diesing, v. Siebold ebensowenig zweifelhaft war, wie R. Owen oder den französ. Forschern Blainville und Dujardin, so müssen wir von vorn herein darauf Verzicht leisten, unwiderlegliche Gründe für unsere Meinung beibringen zu wollen. Denn genau genommen bringt es die theoretische Natur einer so subtilen Frage mit sich, dass dieselben Thatsachen oft bald in dem einen, bald in dem anderen Sinne gedeutet werden können. In- dessen wird die Naturforschung immer derjenigen von zweien möglichen Deutungen den Vorzug geben, welche auf die einfachste Weise und mit den wenigsten Hilfsan- nahmen ihren Zweck erreicht. In der That halten wir selbst das Copernicanische Weltsystem nur darum ganz all- gemein für das richtige, weil es uns auf einfachere Weise als die früheren Theorieen die Erscheinungen erklärt, welche wir an den Himmelskörpern wahrnehmen, und es zweifelt Niemand an den einfachen Gesetzen, denen nach den Lehren der Physik das Licht, denen der Schall Folge leistet, obwohl ihre Beweise niemals so geführt wurden und geführt werden‘ konnten, dass nicht andere, viel compliciertere Formeln erdacht werden könnten, mit deren Hilfe man die gleichen Erscheinungen ebenfalls zu erklären in der Lage sein dürfte. Dass aber in der That die Annahme einer monozoischen Natur der Cestoden die einfachere ist, bedarf wohl keiner weiteren Darlegung. ‘ Beginnen wir unsere Untersuchung mit der Anatomie der Bandwürmer, und zwar zunächst mit der Muskulatur. Da haben wir denn, wenn wir vom Scolex absehen, einen gewöhnlich nicht einfachen, sondern aus mehreren Lagen zusammengesetzten Muskelschlauch zu verzeichnen, dessen Fasern in bestimmter Anordnung alle drei Richtungen des Raumes verfolgen. Von ihnen aber kommt bei unserer jetzigen Betrachtung nur eine Muskellage, nämlich der " Längsmuskelschlauch in Betracht, denn dieser allein ist es, welcher in eclatanter Weise eine Gliederung zur Schau 39* 596 tragen kann. An demselben bemerken wir auch weitaus in den meisten Fällen eine Theilung der Art, dass die Muskelzüge vom Vorderrande einer jeden Proglottis bis zu deren Hinterrand reichen, hier in eine kurze Sehne über- gehen und sich an der Haut inserieren. Indessen sind diese Muskeln nicht die einzigen, welche die Längsmuskulatur des Bandwurmkörpers ausmachen, vielmehr existieren unter ihnen, bei den verschiedenen Arten in verschieden mächtiger Ausbildung noch andere Muskelzüge, welche die Verbindung zweier Glieder dadurch bewerkstelligen, dass sie aus der vorderen Proglottis in die hintere übergehen. Bei einer Loslösung der letzten Proglottis werden also diese Muskeln mit Nothwendigkeit zerrissen, sie werden unwirksam und scheinen dadurch ihre Zugehörigkeit zu zweien, einem ge- meinsamen Körper angehörenden Gliedern zu documentieren. Dass sowohl ZLigula als Schistocephalus überhaupt eine Trennung in der Muskulatur nicht zur Schau tragen, dürfte als weitere Stütze für unsere Ansicht gelten können. Denn so wie bei den Larvenformen dieser Bandwürmer finden wir, abgesehen von der Zahl der Muskelschichten, die Muskulatur in den vordersten, jüngsten Gliedern eines jeden Cestoden gebildet, und es muss als eine Folge der Genital- entwickelung angesehen werden, wenn in den späteren Gliedern eine solche wenigstens theilweise Gliederung der Muskelschichten eingeleitet wird. Jedenfalls sind wir im Stande, aus dieser Thatsache den Schluss zu ziehen, dass uns die Theilung der Muskulatur in unserer Meinung be- züglich des Bandwurmindividuums nicht irritieren darf, zumal da wir sie bei unzähligen Gliederthieren in viel höherem Grade metamerisch getheilt sehen. Die Bildung des Nervensystems unserer Thiere scheint dagegen ganz mit Entschiedenheit für die mono- zoische Natur der Cestoden zu sprechen. In all den zahl- reichen Thierstöcken, in denen bisher die Differenzierung eines gesonderten Nervensystems nachgewiesen werden konnte, haben wir nicht ein einheitliches, sondern ein viel- faches, ob zwar zusammenhängendes Nervensystem zu unter- scheiden. So ist es, um nur einige Beispiele hier anzuführen, bei den Bryocoen, so ist es bei den Hydromedusen, so ist EN Ja Das Eh serie Farin 2 rk aa NN Aa rs an a ana il ine ol es bei den zusammengesetzten Aseidien. Bei den Cestoden dagegen, soweit wir überhaupt über ihr Nervensystem unter- richtet sind, finden wir stets im Kopfe ein Gehirn und in der Gliederkette ein — oder mehrere — von diesen aus- gehendes und an die Glieder Aeste abgebendes, ganglionäres Nervenpaar, welches wir einer Bauchganglienkette zu paral- lelisieren alles Recht haben, selbst wenn sich meine Beob- achtungen bezüglich der Ganglienknoten in denselben bei Dipylidium pectinatum nicht bestätigen sollten. In der That gestehe ich, dass gerade dieser Umstand es war, welcher mich vor allem anderen zu der alten Anschauung über das Cestodenindividuum zurückdrängte; denn’ wenn das Nervensystem ein einheitliches ist, so geht daraus für mich mit Nothwendigkeit die Einheit des den ganzen Organismus beherrschenden Willens hervor, mithin auch die Bedeutung der einzelnen Glieder als blosser Organe. Der exeretorische Apparat dagegen zeigt uns weit- aus in den meisten Fällen eine Gliederung. Er beginnt bei den Tänien meistens im Kopfe mit einem Gefässring, aus welchem oft erst nach einigen Complicationen schliess- lieh jenes leiterförmige Canalsystem seinen Ursprung nimmt, welches wir bei der Mehrzahl. der Cestoden wahrzunehmen in der Lage sind, und welches im Hinterrande eines jeden Gliedes ganz regelmässig eine Anastomose der beiden Seiten- stämme erkennen lässt. Anders jedoch ist es schon bei den Bothriocephalen und noch mehr bei den Liguliden, bei welchen eine Regelmässigkeit in der Anastomosenbildung der zahlreichen Längsgefässe gar nicht mehr nachweisbar ist, wenigstens nicht im ungeschlechtlichen Zustande. Diese letztere Beschränkung giebt uns denn auch den Massstab an die Hand zur richtigen Beurtheilung des Verhaltens der Täniaden in dieser Beziehung. Der Entwickelung von schärfer getrennten Genitalorganen nämlich glauben wir es im Wesentlichen zuschreiben zu müssen, dass bei den senuinen Blasenbandwürmern der ganze exeretorische Lei- tungsapparat auf jene Leiterform zurückgeführt erscheint, . und in der That haben wir ja in den vorstehenden Unter- suchungen in dem Dipylidium latissimum eine Täniade kennen gelernt, welche uns in eclatanter Weise diesen 598 Wes der Vereinfachung des bezüglichen Canalsystems durch die Ausbildung der Genitalien vorzeichnet. Soweit also unter den Cestoden das Exeretionssystem überhaupt ge- gliedert erscheint, so haben wir diese Gliederung lediglich auf die Gliederung des Geschlechtsapparates zurückzuführen und hat dieselbe mit einer Bolyzuı 2, Natur der Cestoden durchaus nichts zu thun. Das einzige vollkommen und primär gegliederte Organ- system bleibt uns also lediglich in den Generations- organen zu betrachten übrig, ein Fall, der am ty- pischsten in den Liguliden realisiert erscheint, mithin bei Thieren, über deren monozootische Natur gar kein Zweifel obwalten würde, wenn man nicht die seeundären Theilungs- charaktere anderer Cestoden auch bei ihnen mit in Rechnung zöge, und von Thieren, bei welchen die Gliederung der Geschlechtsorgane bereits weitere Theilungen veranlasst hat und dadurch eine polyzoische Natur vorzutäuschen im Stande ist, auf diejenigen zu schliessen geneigt wäre, welche uns noch den ursprünglicheren Bau entgegen tragen. Wir sollten unsere Vergleiche vielmehr umgekehrt anstellen und von dem primären Verhalten aus das secundäre zu er- klären suchen. Ist denn aber auch in der That der Zustand der Liguliden gegenüber dem der übrigen Cestoden ein pri- märer zu nennen? — Diese Frage jetzt schon mit einem unbedingten Ja zu beantworten, hiesse etwas allzukühn ar- gumentieren und die monozootische Natur der Cestoden für bewiesen erklären. Nichtsdestoweniger spricht nicht nur die Einfachheit des anatomischen Aufbaus, das ent- schieden ursprünglichere Verhalten des Excretionsapparates und der Muskulatur, sondern auch ihre Entwickelung, s0- weit sie uns bekannt ist, auf das bestimmteste für eine Entscheidung der Frage in diesem Sinne. Denn die Art und Weise, wie wir uns überhaupt die allmälige Ein- führung des Wirthswechsels in den Lebenscyclus unserer Geschöpfe zu denken haben, weist darauf hin, dass die- jenigen Thiere, welche einen solehen Wirthswechsel am . spätesten erst zu ihrer Weiterentwickelung bedürfen, dem Urzustande noch am nächsten stehen, in welchem auch die a Eh E S en ln u Ed ni” n en EEE 599 Geschlechtsreife schon in dem ersten Wirthe erreicht wurde, vielleicht darum schon erreicht werden musste, weil der heutige definitive Wirth noch gar nicht existierte. Nun ist aber von vornherein klar, dass diesen Anforderungen nicht die genuinen Blasenbandwürmer genügen, welche es mit ihrer Entwickelung im Zwischenwirth nur bis zur Bildung eines Kopfes oder Scolex bringen und die ganze Glieder- kette erst in ihrem definitiven Träger produeieren, sondern gerade jene Cestoden, welche wir als die am wenigsten scharf gegliederten bezeichnen mussten, die Liguliden und Schistocephalen, welche nicht nur die ganze Gliederkette schon in ihrem Larvenleben besitzen, sondern auch die Geschlechtsorgane in so hohem Grade entwickelt zeigen, dass eine Lebensdauer im definitiven Wirthe von 4—5 Tagen nicht nur ausreichend ist, um sämmtliche Glieder zur Ge- schlechtsreife gelangen zu lassen, sondern ihnen auch noch verstattet, ihrem Zwecke, der Erhaltung der Art, auf das vollständigste Genüge zu leisten. Ob uns nun seine einfache Wiederholung der Genital- organe, wie wir sie bei den Oestodenahnen, den !Liguliden, vorfinden, zu der Annahme einer polyzoischen Natur der- selben veranlassen darf, will ich dahingestellt sein lassen; es wäre. aber meiner Meinung nach inconsequent, wollten wir die-Liguliden der Gliederung ihrer Geschlechtsorgane halber in eine Summe von Thieren zerspalten, die Anne- liden dagegen trotz der eben so vollkommenen Trennung der Exeretionsapparate als Einzelthiere auffassen und nicht als einen auf dem Wege der Segmentation aus dem Kopfe entstandenen Thierstock. Zwar möchte man eine solche Argumentation mit Recht darum beanstanden, weil im Gegensatz zu den Anneliden der Kopf der Cestoden schon vollkommen ausgebildet ist in einem Stadium, wo von einer Gliederkette noch keine Spur zu entdecken ist. Doch wird auch dieser Einwurf durch den Hinblick auf die bereits öfter beregten Liguliden hinfällig. Durch einen glücklichen Zufall kam ich nämlich in den letzten Jahren in den Besitz von zahlreichen Sehisto- cephaluslarven.. Darunter befanden sich auch noch ganz 600 i Junge Exemplare von nur etwa 3, cm De ’ ach niet ein einziger Blick durch die Loupe, um an diesen Thieren bereits sämmtliche Glieder — nämlich eirea 130 — zu er- kennen zu einer Zeit also, wo der Kopf noch lange nicht seine vollkommene Ausbildung und Grösse er- reicht hat. Obwohl es mir bis jetzt noch nicht gelungen ist, noch kleinere Exemplare, etwa auf dem Wege der Züchtung, zu erhalten und so die Entstehung der Proglot- tiden zu studieren, so liest doch das bereits klar auf der Hand, dass von einer Vermehrung eines Scolexindividuums, also einem Wachsthum über die Grenzen des Individuums hinaus, da noch nicht die Rede sein kann, wo diese Grenzen noch gar nicht erreicht sind. Wir bemerken aber an diesen Exemplaren noch einen anderen, für die Beurtheilung der vorliegenden Frage hoch- interessanten Umstand, nämlich den, dass die Geschlechts- organe nicht, wie man erwarten sollte, in der letzten Pro- glottis, sondern etwa in der Mitte des Thieres oder nur wenig hinter derselben die weiteste Entwickelung zur Schau tragen. Abgesehen nun davon, dass dieser Umstand an und für sich schon schwer in die Wagschale fällt, so giebt er uns auch eine Erklärung für Erscheinungen, welche in der Cestodengruppe durchaus nieht zu den Seltenheiten zu gehören scheinen, ich meine die mangelhafte Ausbildung der Geschlechtsorgane in den Schwanzproglottiden von Z. rhopalocephala, T. rhopaliocephala und Dipylidium Leuckarti d. h. sämmtlicher von mir näher untersuchter Täniaden, von denen mir die betreffenden Glieder zu Gebote standen. Zuerst, glaube ich, wurde auf eine ähnliche Erscheinung von Kahane aufmerksam gemacht, welcher bei den voll- ständigen Exemplaren von T. perfoliata eine ganze Reihe der geschlechtlichen Entwickelung völlig entbehrender Pro- glottiden nachzuweisen im Stande war. Er bemerkt bereits über seine Beobachtung: „Aus diesem Sachverhalte könnte jemand vielleicht sehr weitgehende Folgerungen im Betreff der Selbständigkeit der einzelnen Proglottiden erschliessen, ich für meinen Theil würde es für allzu gewagt halten, auf Grund einer einzigen, wenn auch sicheren Beobachtung solche allgemeine Schlüsse zu basieren, will aber versuchen, 601 einen Erklärungsgrund für diese bis jetzt beispiellose Er- scheinung wenigstens anzudeuten.‘ Er erörtert im Folgen- den, wie die ersten Proglottiden dieser Tänie im Längen- wachsthum aus irgend welchem Grunde mit solehen Schwierig- keiten zu kämpfen hätten, dass das ganze zur Verfügung stehende Bildungsmaterial zum Aufbau der stützenden, zur Abwehr der Wachsthumshindernisse geeigneten Gewebe ver- wendet würden, so dass für die Geschlechtsorgane kein weiterer Zuschuss vorhanden sei. Erst unter dem Schutze dieses gleichsam als Strebepfeiler und schützender Wall zugleich wirkenden Körperabschnitts würde dann in den - späteren Gliedern eine geschlechtliche Entwickelung er- möglicht. — So geistreich dieser Erklärungsversuch des vorsichtigen Forschers immerhin sein mag, so sehr trägt er doch den Stempel einer zu gesuchten Erklärung an sich. Man kann sich, mag der specielle Aufenthalt des Wurmes im Darmtractus sein, welcher er wolle, absolut kein Moment denken, welches einem Längenwachsthum in einem so un- geheuer weiten Rohre ein Hinderniss in den Weg zu legen vermöchte. Das in beständiger Strömung begriffene Nah- rungsmaterial würde weit eher die Längenausdehnung er- leichtern, als erschweren, zumal da seine Reibung an dem Thiere bei dessen eigenartiger „durchblätterter“ Oberflächen- beschaffenheit eine ungemein kräftige sein dürfte. — Nein, hier sind die weiteren Beispiele, welche Kahane vermisste, hier ist das Erklärungsmaterial, welches ihm nicht zu Ge- bote stand. Wir haben demnach bei den Cestoden eine oder mehrere eigenartige Schwanzglieder zu unterscheiden, welche durch ihre specielle Organisation sich auf das be- stimmteste als solche documentieren. Die mangelhafte Aus- bildung der Geschlechtsorgane bei 7. rhopalocephala und T. rhopaliocephala, die merkwürdige Verzweigung des Exeretionsorganes und jenes in seiner physiologischen Be- deutung unerklärt gelassenen Canalsystems bei Dip. Leuckarti sind Verhältnisse, welche keiner anderen Proglottis im Laufe ihrer ganzen Entwickelung zukommen, sie sind Kenn- zeichen eines ächten Schlussstückes, eines Schwanzgliedes, sie finden ihre Erklärung in der abweichenden Ausbil- 602 dung der Geschlechtsorgane des Schistocephalus. Zugleich sind sie auch ein neuer Beweis für die Behauptung, dass die Liguliden die Cestoden in ihrer ursprünglichen Form darstellen, denn nicht nur die langsame geschlechtliche Entwickelung der letzten Glieder des Schistocephalus finden wir bei diesen, so zu sagen recenteren Cestodenformen in beschränktem Masse noch übrig, doch so, dass das zu zei- tige Abstossen der betreffenden Glieder eine Geschlechts- reife überhaupt nieht mehr erreichen lässt, sondern auch die Configuration der Exeretionskanäle deutet darauf hin. Angenommen nämlich, dass das Verhalten dieses Systems in der Gruppe der Liguliden das ursprünglichere ist, was auch durch seine Aehnlichkeit mit dem Trematodenex- cretionssystem befürwortet wird, so macht es durchaus keine Schwierigkeiten eine Verzweigung der Kanäle in denjenigen Proglottiden anderer Cestoden zu erklären, welche niemals geschlechtsreif wurden, niemals durch den Druck der wach- senden Geschlechtsdrüsen und des Uterus ihre verzweigten Canäle in ein einziges Paar von Seitenstämmen zusammen- zudrängen gezwungen wurden. Diese Erklärung wird aber auch auf ganz anderem Wege, nämlich durch jene Beob- achtung der ontogenetischen Entwickelung des Canalsystems von Dip. latissimum postuliert, mithin ihre Richtigkeit durch sie bestätigt. Wir sind also wohl zu dem Schlusse berechtigt, dass der anatomische Bau der Cestoden keineswegs die An- nahme einer polyzoischen Natur dieser Thiere nothwendig macht, im Gegentheile eher ihre monozoische Natur be- fürwortet. | Damit ist aber auch die Hauptsehwierigkeit überwunden; denn von den physiologischen Erscheinnngen, welche bei unseren Thieren zur Beobachtung gelangen, sagt selbst Leuckart, einer der entschiedensten Vertreter des Poly- zoismus der Cestoden, in der zweiten Auflage seines glänzenden Parasitenwerkes'): „In physiologischer Hinsicht 1) Der ausserordentlichen Güte des Herrn Geh.-Raths Prof. Dr. Leuckart habe ich es zu verdanken, dass ich die demnächst er- scheinende zweite Lieferung der 2. Auflage des Werkes in dieser Ar- beit bereits berücksichtigen konnte. 603° repräsentiert übrigens auch der polyzootische Bandwurm ein gemeinschaftliches Ganzes. Empfindung und Bewegung, Ernährung und Abscheidung vertheilen sich gleichmässig über alle seine Glieder, als wenn dieselben blosse Organe eines Individuums wären und nicht selber einen indivi- duellen Werth besässen.“ Einer solchen Schilderung aus der Feder eines solchen Mannes habe ich natürlich kein Wort mehr hinzuzufügen. Sie zeigt uns auf das allerbe- stimmteste, dass in physiologischer Beziehung gegen die monozoische Natur der Cestoden auch nicht der mindeste Zweifel aufkommen kann. Aber auch die Entwickelungsgeschichte postuliert keines- wegs die gegentheilige Auffassung. Man pflegt, um die merkwürdige Entwickelung der Cestoden zu erklären, die- Jenige der verwandten Trematoden zur Vergleichung heran- zuziehen. Folgen wir also bei unserer Untersuchung diesem vorgezeichneten Wege. Bekanntlich kommen aus den Eiern der Trematoden infusorienartig flimmernde Larven hervor, welche im Innern ihres Flimmermantels bereits den Keimschlauch, die Redie, erkennen lassen. Diese Redie produciert auf nicht näher gsekannte Weise, jedenfalls aber auf ungeschlechtlichem Wege in ihrem Inneren die Cercarien, welche endlich, eventuell nach Abwerfung ihres Schwanzanhanges, zum definitiven Saugwurme auswachsen. v. Siebold glaubte in seinem Aufsatze über den Generationswechsel der Cestoiden!) ohne weiteres „den Keimschlauch der Trematoden den jungen, die Kopfform eines Cestoden darstellenden Band- würmern“, also dem Scolex an die Seite setzen zu müssen, „indem beide geschlechtslose Ammen repräsentierten, welche dazu bestimmt seien, durch geschlechtslose Zeugung ge- schlechtliche Individuen hervorzubringen.* Auf eine solche Erklärung musste der berühmte Forscher verfallen, weil über die Entwickelung der Cestoden in jener Zeit noch so ausserordentlich wenige Beobachtungen vorlagen, dass die sogenannte Schwanzblase, der Cysticercus, noch als eine hydropische Entartung des Tänienschwanzendes angesehen 1) Zeitschrift für wissenschaftl. Zool. II. wurde, welche jedesmal dann eintreten sollte, wenn der junge Wurm durch irgend einen unglücklichen Zufall in einen seinen Lebensbedürfnissen nicht hinlänglich genügen- den Wirth gelangt wäre. Heute wissen wir durch die vorzüglichen Untersuchungen Leuckarts bereits so viel über die Entwickelung unserer Thiere, dass wir den Ver- gleich mit der Trematodenentwickelung mit grösserer Sicherheit anzustellen in der Lage sind. Und zwar sind es wiederum die Bothriocephalen, welche die bezüglichen Analogieen am deutlichsten zu Tage treten lassen. Nach Leuckart nämlich entwickelt sich aus dem Bothriocephali- denei ein Embryo, welcher, von einem Flimmermantel um- geben, ınfusorienartig im Wasser umher fimmert. Im Inne- ren dieses Flimmermantels gewahrt man denn auch leicht den sechshakigen Embryo selbst, welcher activ oder passiv seine fiimmernde Umhüllung verlässt, nachdem er von dem geeigneten Wirthe verschluckt worden ist. Bei den Tänien findet ein ganz ähnlicher Process statt. Denn die Eetoderm- schicht des aus der Keimzelle entstandenen Embryos löst sich, wie schon van Beneden und Moniez beobachteten, allmälig von dem übrigen Embryonalkörper ab und geht dann einem Rückbildungsprozess entgegen, um sich schliess- lich ganz aufzulösen, und sie ist es, welche mit dem Flimmermantel der Bothriocephalenembryonen gleichwerthig ist, natürlich aber niemals Flimmerhaare auf ihrer Ober- fläche entwickelt, weil der Embryo bis zu seiner Ueber- tragung in den Zwischenwirth nicht nur innerhalb seiner Eischale, sondern auch innerhalb der mütterlichen Pro- glottis verharrt, derartiger Bewegungsorgane also leicht entrathen kann. Kaum bedarf es bezüglich des Vergleichs mit dem gleichalterigen Stadium der Trematoden eines Hinweises, um die auffallende Aehnlichkeit zwischen der Flimmerlarve eines Distomum und eines Bothriocephalus zu erkennen. Hier wie dort ein Flimmermantel, hier wie dort ein Embryo innerhalb des Flimmermantels, hier wie. dort ein zu Grunde gehen dieses Flimmermantels. Kein Zweifel, nicht der Scolex ist es, welcher dem Keimschlauche zu parallelisieren ist, sondern der sechshakige Embryo. Diesen sehen wir denn auch hier wie dort in einen soge- nannten Zwischenwirth einwandern und sich in den paren- 605 chymatösen Geweben desselben ansiedeln. Und während in dem einen Falle der Embryo seine Organe verliert und als blosser Schlauch auf ungeschlechtlichem Wege eine Brut, die Cercarien, erzeugt, so sehen wir auch den Cestodenembryo seiner Haken verlustig gehen, zu einem mehr oder minder grossen und mehr oder minder sackar- tigen Körper heranwachsen und in seinem Inneren einem neuen Individuum, nämlich dem Scolex, oder auch deren mehreren, wie bei Coenurus, auf ungeschlechtlichem Wege - den Ursprung geben. Der Scolex entspricht demnach der Cerearie, und diese wird nach Uebertragung in einen neuen Wirth durch einfaches Auswachsen namentlich des hinteren Körperendes zu dem geschlechtsreifen Thier; der Scolex aber sollte durch eine erneute ungeschlechtliche Zeugung erst die Geschlechtsthiere entstehen lassen? — Möglich wäre es; aber das nach unseren bisherigen Erfahrungen wahrscheinliche wäre es nicht; und unser Argwohn gegen eine Bejahung jener Frage wächst, wenn wir auf Miss- bildungen unser Augenmerk richten, welche ich hier noch mit wenigen Worten erwähnen muss. Schon Leuckart hatte den Versuch gemacht, den O'ysti- cercus pisiformis an Kaninchen statt an Hunde zu ver- füttern, und giebt an, dass er als Resultat kleine Würmer erhalten habe mit einer kurzen Gliederkette, die sich nur durch eine weniger vollständige Segmentierung von den normalen Anfängen einer 7. serrata unterschieden hätten. Ich habe diese Bemerkung aufgegriffen und das Experiment mehrere Male wiederholt, dabei aber die Vorsicht gebraucht, das Kaninchen nicht mit Grünfutter, sondern lediglich mit Milch, Eiern, Fleisch und Brot zu ernähren. Der Erfolg war denn auch ein günstigerer; ich erhielt die Würmer drei Wochen lang in dem Darme des Kaninchens, und hatten dieselben während dieser Zeit bereits die Länge von lcm erreicht. Eine Untersuchung derselben zeigte indessen keine Spur einer Gliederung. Die Geschlechts- organe waren selbstverständlich noch nicht entwickelt, aber weder zeigten die Muskeln eine Theilung, noch auch die Excretionsstämme irgend welche Anastomosenbildung, die- selben verlaufen vielmehr einfach bis zum Schwanzende des 606 Thieres, um sich bier zu vereinigen und in einer Oeffnung nach aussen zu münden. Leider war ich nicht in der Lage, ähnliche Experimente auch an anderen Thieren an- zustellen, da Mittel und Material zu solchen nur von In- stituten zur Verfügung gestellt werden können. Doch glaube ich mit aller Entschiedenheit, dass gerade solche Abnormitäten viel zum Verständnisse der normalen Ver- hältnisse auch niederer Thiere beitragen dürften, wie wir ja aus ihnen bei höheren Thieren schon seit lange Nutzen zu ziehen gewohnt sind!). Weder die Anatomie, noch die Physiologie, noch end- lich die Entwickelungsgeschichte unserer Thiere weist uns 1) Eine Bestätigung dieser Vermuthung finde ich in der Abnor- mität, welche ich bei einem Bothriocephalus latus beobachte, der soeben durch die Güte des Herrn Dr. Kober in Basel in meine Hände kommt. Das Stück hat eine Länge von nur 3/, Meter; trotzdem sieht man an nicht weniger als 3 Stellen eine Verschiebung der rechten Pro- glottishälfte gegenüber der linken eintreten, der Art, dass die Pro- glottis, an welcher sich dieselbe zuerst bemerkbar macht, eine schwach wnförmige Gestalt angenommen hat. In den darauffolgenden Gliedern verstärkt sich diese Verzerrung so sehr, dass die rechte Proglottis- hälfte von dem verlängerten Vorderrande der zugehörigen linken etwa halbiert und sogar noch etwas hinter der Mitte getroffen wird, aber noch immer bilden beide Ränder, Vorderrand wie Hinterrand, eine einzige, wenn auch gebrochene Linie; dann aber hört auch deren Continuität auf, und wir erhalten eine Art von Schaltglied, von welchem die linke Seite zweien, die rechte Seite nur einer Proglottis angehört. Im zweiten Falle tritt ein ächtes Schaltglied an dieser Stelle in Gestalt einer keilförmigen halben Proglottis auf, welche von den gebogenen Vorder- respective Hinterrändern des folgenden und des vorhergehenden Gliedes eingeschlossen wird, und im dritten Falle endlich erscheinen beide combiniert, indem nur auf der dorsalen Seite das Schaltglied vollständig abgetrennt ist, auf der ventralen da- gegen das zuerst beschriebene Verhalten zu Tage tritt, und das Schaltglied mit dem vorhergehenden vollständig zusammenhängt, Noch weiter nach hinten nimmt die Verzerrung der Proglottiden wieder ganz in der nämlichen Weise ab, wie sie vorher zugenommen hatte. Es erhellt aus diesen Verhältnissen auf das eclatanteste, dass die Glieder des Bothriocephalus nur sehr wenig scharf von einander ge- trennt sind, und mit Rücksicht darauf, dass, wie wir gesehen haben, die Bothriocephalen die Stammeltern unserer übrigen Cestoden re- präsentieren, kann man diesem Umstande einen Erklärungswerth auch für die letzteren wohl kaum absprechen. SP 607 demnach auf eine polyzootische Natur der Cestoden hin, und lediglich dies eine Moment, dass die Strobilation unter den übrigen Wurmgruppen zu einer Metamerenbildung nicht verwendet wird, tritt auf gegen eine ganze Reihe anatomischer, physiologischer und vergleichend -embryo- logischer Thatsachen, welche die Auffassung der Cestoden als monozoischer Thiere wenngleich nicht mit Nothwendig- keit postulieren, so doch unbedingt recht nahe legen. Aller- dings ist das Gewicht jener Thatsache ein nicht unbeträcht- liches und, wie ich schon oben zugeben musste, dürfte es für manchen Forscher hinreichend sein, um ihn für die Annahme der Polyzootie der Cestoden zu bestimmen, da ja die bedeutendsten Helminthologen sich für dieselbe er- klärt haben. Wenn wir uns aber an die Gewohnheit der Naturforschung erinnern, alles auf möglichst einfache Ver- hältnisse zurückzuführen, so dürfte ihr Gewicht doch be- trächtlich vermindert werden den zahlreichen Momenten gegenüber, welche für die einfache Individualität des so- senannten Bandwurmes zu sprechen scheinen. Somit glaube ich auch nicht, diese letztere Ansicht in der vorstehenden Arbeit bewiesen zu haben, wohl aber meine Absicht, die Frage über das Cestodenindividuum nach den Ergebnissen der neuesten Forschungen wieder einmal zu beleuchten, erreicht zu haben. Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, klar zu legen, wie diese Frage, weit davon entfernt bereits definitiv entschieden zu sein, viel- mehr einer endgiltigen Beantwortung noch entgegen sehen muss. Halle a. S., im April 18831. Erklärung der Abkllünneen, NB. Sämmtliche Zeichnungen mit Ausnahme von Tab. V. 14, 15, 16 mittelst einer Oberhäuser’schen Camera entworfen und dann sind Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig, Fig. DPD 10. 107 näher ausgeführt worden. Tab. V. . Kopf von Taenia rhopalocephala, Vergr. 10, a. Flächenansicht. b. Scheitelansicht. . Kopf von Taenia rhopaliocephala. Vergr. 10. . Kopf von Dipylidium Leuckarti. Vergr. 10. . Kopf von Dipylidium pectinatum. Vergr. 10. . Kopf von Dipylidium latissimum. Vergr. 10. . Excretionskanäle im Kopfe der Taenia crassicollis, Vergr. 20. Um die Art der Anastomosenbildung zu illustrieren, ist eine solche gezeichnet worden, obwohl dieselben so nahe dem Scolex noch nicht entwickelt werden. . Flächenschnitt durch den Scolex von T. u Ne 39, &. Ganglion. h. hufeisenförmige Commissur, : n.s. Nerven- Stränge, E. Excretionskanäle. S. m. Saugnapfmuskulatur. r.m. Rückziehmuskel des Saugnapfes. d. m. Kreuzungsstelle - der diagonalen Verbindungsmuskeln der Saugnäpfe. . Cirrhusbeutel der Taenia rhopalocephala. Flächenschnitt. Vergr. 35. c. Cirrhus. vs. Samenblase. r. m. Ringmuskulatur des Cirr- husbeutels,. 1. m. Längsmuskulatur desselben. p. Prostata- ähnliche Drüse. n. Nervenstrang. E. Excretionskanal. . Weibliche Genitalmündung der T. rhopalocephala. Flächen- schnitt. Vergr. 35. v. Vagina. r. s. Receptaculum seminis. e. Eierstock. 1. m. Längsmuskulatur des Cirrhusbeutels. r. m. Ringmus- kulatur desselben. E. Exeretionskanal. Anfangstheil des Vas deferens von Taenia rhopalocephala. Flächenschnitt. Vergr. 35. v.d.Vas deferens. v.e. Vasa efferentia. r.s. Receptaculum seminis. e. Eierstock. t.. Hodenbläschen. Verlauf des Vas deferens in einer sehr jungen Proglottis von Dipylidium Leuckarti. Flächenschnitt. Vergr. 35. ce. b. Cirrhusbeutel. v. d. Vas deferens. t. Hodenbläschen. r.8. Receptaculum seminis. u. Uterus. x. Canalsystem un- bekannter Function. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. ig. 12. 13. 14. 15. 16. 18. 2. 3. 609 Flächenschnitt durch den Kopf von Dipylidium Leuckarti Vergr. 35. S. m. Saugnapfmuskulatur. r. m. Retractor des Saugnapfes. 8. Ganglion. ns. Nervenstrang. E. Excretionscanal. dm. Kreuzungsstelle der diagonalen Verbindungsmuskeln der Saugnäpfe. Excretionskanäle im Kopfe von Dipylidium Leuckarti, Vergr. 35. d. st. Dorsales Gefässpaar. v. st. Ventralstämme. Exceretionskanäle in den Proglottiden von Dipylidium pecti- natum. Vergr. 3. Exeretionskanäle von Dipylidium latissimum. Vergr. 3 a. Excretionsstämme im Kopfe, b. in geschlechtsreifen Proglottiden. Gefässverlauf im Schwanzende von Dipylidium Leuckarti. Vergr. 3. E. Exeretionskanäle. x. Canäle unbekannter Function. . Exeretionskanäle in einem Stück von Dipylidium latissimum, etwa 1!/, cm hinter dem Scolex. Vergr. 15. Embryohaltiges, reifesEivon Taeniarhopalocephala. Vergr.205. Tab. VI. . Ausgestreckte Proglottis von Taenia rhopalocephala auf dem Stadium beginnender Geschlechtsreife. Vergr. 35. n. Nervenstrang. E. Excretionskanal. t. Hodenbläschen. v.d. Vas deferens. v. s. Samenblase. c.b. Cirrhusbeutel. p. Prostataähnliche Drüse. e. Eierstock. d. Dotterstock. 8. Schalendrüse. r.s. Receptaculum seminis. v. Vagina . u. Uterus (der Deutlichkeit der Figur halber nur in Um- rissen gezeichnet). Eine halbe Proglottis von Dipylidium latissimum auf dem Stadium männlicher Geschlechtsreife. Vergr. 35. n. Nervenstrang. E. Exeretionsstämme (um die Zeich- nung nicht zu verwirren, sind nur die Hauptseitenstämme angedeutet). x. Canalsystem unbekannter Function. t. Ho- denbläschen. v.d.Vas deferens. p. Prostataähnliche Drüse. e. Cirrhus. sp. spongiöses Füllgewebe, rm'. äussere Ring- muskulatur. 1. m. Längsmuskulatur. r. m". innere Ringmusku- latur des Cirrhusbeutels. r.c. Retractor desselben. u. Uterus. e. Eierstock. d. Dotterdrüse. s. Schalendrüse. r. s. Recepta- culum seminis mit dem klappenartigen Ringwulst. v. Vagina. Halbeontrahierte Proglottis von T. rhopaliocephala im Zu- stande beginnender Geschlechtsreife. Vergr. 35. E. Excretionskanal. t. Hodenbläschen. v.d. Vas deferens. p. Prostataähnliche Drüse. 1.m. Längsmuskulatur. r.m. Ring- muskulatur des Cirrhusbeutels. ce. b. Cirrhusbeutel. r.s. Recep- taculum seminis. v. Vagina. (Der Uterus ist in der Ze uun fortgelassen). 610 Fig. 4. Halbe Proglottis von Dipylidium peetinatum im Zustande männlicher Geschlechtsreife. Vergr. 35. n. Nervensystem. E. Excretionscanal (die kleineren Ge- fässe sind nicht angedeutet). t. Hodenbläschen. v. d. Vas deferens. v.s. Samenblase. c. Cirrhus. v. Vagina. v. b. Vagina- beutel. r. s’. erstes Receptaculum seminis. r. 8. zweites Receptaculum seminis. e. Eierstock. d. Dotterstock. 8. Schalendrüse. u. Uterus (in diesem Stadium noch sehr wenig verzweigt). 5. Jugendliche. Proglottis von Dipylidium Leuekarti. Rechte Hälfte. Vergr. 35. E. Exeretorischer Cana) n. Nervenstrang. x. Canal- system unbekannter Function. t. Hodenbläschen. v.d. Vas deferens. c. b. Cirrhusbeutel. v. s. Samenblase. u. Noch unverzweigter Uterus. e. Eierstock. d. Dotterstock. 8. Schalen- drüse, r. 8. Receptaculum seminis. v. Vagina. Fig. 6. Theil eines Querschnittes durch Dipylidium Leuckarti. Vergr. 35. 3 x. Canalsystem unbekannter Function. E. Exeretionis- canal. r. m. Ringmuskelschlauch. 1.m. Längsmuskelschlauch. d.v.m. Dorso-ventrale Muskelzüge. n. Nervensystem. Fig. 7. Flächenschnitt durch einen Theil der jüngsten Proglottiden von Dip. pectinatum. Vergr. 35. E. Exceretionscanal. n. Nervensystem. g.0. Anlagen der Geschlechtsorgane. Fi ni [e1>) N a Ba 07% Aue rt y ee Zeitschriff f d.ges.Datarmsihfin, 1881 Bad LIW Mi ER aD TEN TEN DSL IIND \) N Nu De IR SEN N NauSaVe % k \ FI Fig. 10. & © En 0% A ® ID Ras ) ge a nee BHTINNE Ka S E Er } Asrane alle ONE I Lich. Anst.v. A.Kürch, Leipzig Zeitschrift [d.gesNatarnschfin 1881 BAIIE Taf. I. a EREN TS IK va e Lich. Anst.v A.Kürth, Leipzig, 1831. Correspondenzblatt A des Naturwissenschaftlichen Vereines für die Provinz Sachsen und Thüringen Halle. Sitzung am 27. October. Anwesend sind 20 Mitglieder. Anschliessend an die letzte Mittheilung vom Herrn Bergrath Bischof legt Herr Dr. Teuchert einen Carnallitbohrkern vom Ludwig II. von Stassfurt vor. Hierauf spricht Herr Privatdocent Dr. Luedecke über eine kurze Harztour und verbreitet sich über die Acker- und Bruch- bergspalte am Harz. Zum Schluss hält Herr Dr. Schröder einen längeren mathe- matisch-physikalischen Vortrag über Pendelbewegung elliptischer Körper. re eG EEE Re Mr, r r + vebel ,‚6. © oologie am der Ü + Dr Univerfttät Halle. Nenfchaftlicyen Vereins für Sacyfen und Thüringen. y ) Vrofeflor der Dorfikender des naturwi Christoph Gottfried Andreas Giebel, geboren zu Quedlinburg am 13. Sept. 1820, gestorben zu Halle a. S. am 14. Nov. 1881. Ein Lebensbild. Auf Grundlage eigenhändiger Aufzeichnungen des Verstorbenen. Am 15. September 1820 wurde dem Gypsbrennerei- besitzer Gottfried Andreas Giebel in Quedlinburg von seiner Ehefrau Johanna, geb. Kühlholz der dritte Sohn, Christoph Gottfried Andreas, geboren. Ein Missgeschick beim Ein- tritte in das Leben bedrohte in bedenklichster Weise die Existenz des Knaben. Doch schon nach einigen Wochen hatte der behandelnde Arzt alle Gefahren beseitigt und zur Freude der Eltern gedieh bei sorgsamer Pflege der schwäch- liche Körper. Lebhaft und aufgeweckt musste der Knabe schon mit dem Anfange des fünften Jahres die dem elter- lichen Hause gegenüberliegende Bürgerschule besuchen. Diese dreiklassige Knabenschule wurde damals von nur drei Lehrern in ganz veralteter Weise geleitet, nur Lesen, Schreiben und Rechnen gelehrt, Religion, Geschichte, Geo- graphie aus vergilbten Scharteken vorgelesen und natürlich von den Schülern auch ohne irgend welche Theilnahme, ohne jegliches Verständniss angehört. Schularbeiten beanspruchten ausser dem Auswendig- lernen von Bibelsprüchen und von Luthers Katechismus da- heim keine Zeit, auch Spiele mit Altersgenossen im Freien und im Hause beschäftigten den Knaben nicht ausreichend; dieser suchte daher durch praktische Arbeiten im Häus- lichen sich nützlich zu machen. So übte er schon sehr frühe in ganz ungewöhnlicher Weise die Geschicklichkeit Zeitschr. £. d. ges. Naturw. Bd. LIV. 1881. ES 40 614 seiner Hände und den praktischen Blick seiner Augen. Besonders anziehend waren die Arbeiten in den Gyps- brüchen des Seweckenberges und den dazugehörigen Hütten, welche seit dem dreizehnten Jahrhunderte schon von der Giebel’schen Familie bewirthschaftet wurden. Am Bohren, am Sprengen, am Brechen, am Füllen der Gypsöfen, an der Fertigung der Mollen, der Hacken, der Hoblkarren und dergleichen durfte der Knabe sich be- theiligen, und zugleich im Kleinen die Arbeiten der Er- wachsenen nachahmen. Im sechsten Jahre baute er z. B. auf dem Rasen vor der Hütte seinen kleinen Gypsofen als Gewölbe aus Bruchsteinen ohne Mörtel ganz fest zusammen, zur Prüfung der Festigkeit stellte er selbst sich dann darauf; zur Freude des Vaters und der Arbeiter brach der zwar sehr kleine aber sehr sichere Gewölbebau nicht zusammen. Der häufige Aufenthalt auf dem Seweckenberge in der freien Natur, bei jedem Wetter vom erwachenden Frühling bis in den öden und rauhen Herbst; der Weg dahin, welcher stets zu Fusse durch reichgesegnetes Gefilde zurück- gelegt wurde; der beständige, beim Wechsel der Tages- und Jahreszeiten sich verändernde Anblick des nahen Harzgebirges bis zum Brocken hin, machten auf das kind- liehe und jugendliche äusserst empfängliche Gemüth einen bleibenden Eindruck. Manche kindliche aber ernste Be- trachtung über das Walten und Wirken der Natur in der Pfianzen- und Thierwelt, über die meteorologischen Erschei- nungen wurde angeregt. Diese Hingebung an die Natur steigerte sich dann auch in späteren Jahren zu einer still sinnigen Schwärmerei, ja zu einem Schwelgen in den eu Genüssen der Schön- heiten der Natur. Bis zum dreizehnten Jahre blieb der klägliche Unter- richt in der nachbarlichen Schule das alleinige Bildungs- mittel, und da der Vater diesen dritten Sohn als den fleissigsten und für die geschäftlichen Arbeiten in den Gyps- brüchen am eifrigsten interessirten zur späteren Fortführung der Gypsbrennerei bestimmte, so wünschte er demselben auch keinen höheren Unterricht als den der Bürgerschule zu Theil werden zu lassen. ‚615 ‚Als jedoch der unruhige älteste Bruder plötzlich als Tertianer das Gymnasium verliess und zur Gärtnerei über- ging, drang dessen treuer Freund und Hausgenosse in den jüngeren Sohn, das Gymnasium zu besuchen und siegte durch seine Ueberredung. Freilich fehlte annoch jede Vor- bildung zur Aufnahme in die Sexta; aber jener Freund, damals Secundaner, übernahm dem Director Ranke gegen- über alle Verantwortung, dass der mitten im Cursus zu Johannis eingeführte Schüler, der sich bei einer mündlichen Prüfung ganz unreif gezeigt hatte, bald das Fehlende nach- holen würde. Sexta, Quinta und Quarta durchlief Giebel schnell, stets mit öffentlicher Belobung und Prämiirung des Fleisses; und löste so glänzend die Verantwortlichkeit, welche der Secundaner für ihn übernommen hatte. In Tertia und Secunda trat jedoch ein sehr bedenklicher, gefährlicher Rückschlag ein, nicht in dem Fleisse, wohl aber nach dem Urtheil einiger Lehrer in den Leistungen. Erst in Prima fanden auch diese Letzteren wieder volle Anerkennung und zwar so sehr, dass Giebel das da- mals allerdings leichte Abiturienten-Examen fast spielend absolvirte. Michaelis 1841 bezog Giebel die Universität Halle, um Mathematik und Naturwissenschaften zu studiren und seit dieser Zeit gehörte er derselben ununterbrochen und mit vollster Hingebung an. Freilich waren seine ersten Schritte hier recht sorgenvolle. Im Mai des Jahres 1841 hatte die zahlreiche Familie plötzlich durch einen Schlaganfall den Vater und Ernährer verloren, der, nur 44 Jahre alt, noch im kräftigsten Mannes- alter gestanden hatte. Der sorglichen Mutter bangte es um die Zukunft. In ernstester Stimmung, mit nur 13 Thalern in der Tasche wanderte Giebel über Eisleben gen Halle. Hier aber fand er bald an Germar einen Gönner. Während des ganzen Sommers hatte er an allen freien Nachmittagen ein diluviales Knochenlager in den Gyps- brüchen des Seweckenberges ausgeräumt. In der Giebelschen Familie begannen allgemein die Sommertage um drei, spätestens um vier Uhr. So konnten die Vorbereitungen auf das Abiturienten-Examen schon in den Frühstunden 40* 616 von 4-7 Uhr vor der Schulzeit besorgt sein, und die Nach- mittagsstunden oft für die Aufsammlung der Fossilien benutzt werden. Keiner der Lehrer in Quedlinburg und keiner der vielen dortigen Aerzte vermochte über gene Knochenreste irgend welche Auskunft zu geben. In Halle angekommen begab sich Giebel mit einigen fossilen Zähnen in der Tasche auf das mineralogische Museum zu Prof. Germar. Dieser besuchte ihn anderen Tages in seinem mehr als bescheidenen Dachstübehen, war hoch erfreut über die schöne Sammlung und forderte den angehenden Studenten angelegentlichst auf, jene Gegen- stände auf dem Museum selbst zu bestimmen. Tag und Nacht wurden nun Cuvier’s Recherches sur les ossements fossiles und Meckels vergleichende Anatomie studirt, auch die Schöpfung Meckels, die vergleichende osteologische Sammlung, trotz der Winterkälte sehr fleissig ‚besucht. Doch betrachtete er diese Thätiskeit nur als Privatstudium und vernachlässigte in keiner Hinsicht die mathematischen, naturwissenschaftlichen und philosophischen Vorlesungen, arbeitete von jeder derselben das Heft mit Eifer und Fleiss besonders aus. In so reger Thätigkeit verflossen sechs Semester sehr schnell; in den Oster- und Sommerferien wurden die Ausgrabungen auf den Sewecken- bergen mit immer wachsendem Sachverständnis und mit grossem physischen Kraftaufwande fortgesetzt. Auch wurden geognostische, botanische und entomologische Exeursionen im subhereynischen Hügellande unternommen, anatomische Arbeiten und Präparate, mau len ohne alle Anleitung, fleissig ausgeführt. So kam das 7. Semester heran und es galt durch einen ersten Act das unbegrenzte Vertrauen der sorgenbelasteten Mutter zu rechtfertigen. Eine schon im dritten Studien- semester vollendete Monographie der fossilen Hyänen wurde als Dissertation eingereicht und mit ihr das Doctordiplom erworben. Immer noch ging Giebel mit dem Plane um, sich dem Schulamte zu widmen. Doch wurde er durch den vertrauten Umgang eines älteren Studienfreundes, weleber bereits an den Franckeschen Stiftungen — pro Stunde für 2 Groschen Ki u. R 617 _ — unterrichtete, von dieser dornenvollen Laufbahn abge- halten um sich der, für ihn allerdings noch martervolleren, Universitäts- Carriere zuzuwenden. Schon hatte er sich so tief in Geologie, Palaeontologie und Zoologie eingearbeitet, dass ihm Burmeister die Ab- fassung eingehender Kritiken für die Halle’sche Literatur- zeitung übertrug. Bald veröffentlichte er nun sein Erstlingswerk: Palaeo- zoologie, Entwurf einer systematischen Darstellung der Fauna der Vorwelt, Merseburg 1846, worin er die Fossilien in drei selbständigen in sich abgeschlossenen Entwicklungs- reihen behandelte und zu begründen versuchte, dass die gesammten Organismen der palaeozoischen Zeit den Zustand des Wasserlebens auf der Erde, die mesozoischen ein Durch- Sangssstadium von Wasser- zum Land- und Luftleben, die kaenozoischen die Stufe des Land- und Luftlebens darstellen. In dieser Richtung der Production wurde nun mit gesteigertem Fleisse fortgearbeitet, fleissige Excursionen am ganzen nördlichen Harzrande mit reicher Ausbeute für die Sammlungen ausgeführt, im palaeontologischen Museum der Universität Petrefacten präparirt und untersucht, kürzere und längere Abhandlungen in verschiedenen Fachjournalen und Sammelwerken veröffentlicht. Gleich nach dem Erscheinen der Palaeozoologie hatte Giebel ein grosses Werk, die „Fauna der Vorwelt“ Dbe- sonnen, von der unerwartet schnell nach einander die drei Abtheilungen des ersten Bandes, sämmtliche Wirbelthiere umfassend, im Jahre 1847 erschienen. Diese wesentlich eompilatorische Arbeit sollte mit möglichster Vollständigkeit des literarischen Nachweises ein Repertorium geben, wie es bei der ungeheuren Zerstreuung der monographischen Darstellungen und der Verwirrung der Synonymie sehr erwünscht sein musste. Das in den öffentlichen und privaten Sammlungen Halle’s — wo damals Anton und Sack umfang- reiche Collectionen besassen — vorhandene Material war in diesem Werke mit bearbeitet. Obwohl nun alle diese Sammlungen nicht im Entferntesten mit den Museen grösserer Städte sich messen konnten, und obwohl der Fauna der Vorwelt keine Tafeln beigegeben wurden, ist das Werk 618 = doch noch jetzt, über dreissig Jahre nach seinem Erscheinen, in manchen Fällen ein willkommenes Hilfsmittel. Giebels Arbeit über Rhinoceros tiehorhinus, welche noch in den letzten Jahren bei Brandt, dem ausgezeichneten Kenner dieses Thieres grosse Anerkennung gefunden hat, wurde ausgearbeitet, während er die Fauna bereits zusammenstellte und zeugt von seinem guten Blicke als beobachtender Forscher. Seit den Studentenjahren hatte Giebel im mineralogischen Museum ununterbrochen Gratisvorlesungen gehalten, er hatte durch seine umfangreichen Veröffentlichungen über speeiellste Untersuchungen wie über ganze Gebiete sein reiches Wissen bekundet, vielfach hatte er seine Fertigkeit und Sicherheit in praktischen Untersuchungen ausreichend an den Tag gelegt, und erschien so hoffnungsvoll vorbereitet zum aka- demischen Lehrberufe. Die Habilitation wurde am 6. Mai 1848 auf Grund einer monographischen Darstellung des subhereynischen Gebietes „de geognostica septemtrionalis Hereyniae fastigii constitutione“ amtlich vollzogen. Die Vorlesungen, welche mit dem nächsten Semester begannen, erfreuten sich in der That einer bis dahin auf dem mineralogischen Museum nicht erreichten Zuhörerzahl. Fast gleichzeitig hatte sich auch Dr. Andrae habilitirt, der in sorgfältigster Weise die fossilen Pflanzen, besonders der Wettiner Steinkohlenflora studirt hatte, und an Germar's Werk hierüber, wie Giebel bezüglich der Wettiner Tbiere, mit arbeitete. Im Frühjahr 1849 war Burmeister von Liegnitz aus ins Herrenhaus gewählt und forderte Giebel auf, statt seiner die Vorlesungen über Zoologie zu halten. Bereitwilligst trat Giebel mit Beginn des Semesters ein, doch schon nach 14 Tagen wurden die Kammern vertagt und Burmeister übernahm wieder das Colleg bezüglich der wirbellosen Thiere, während Giebel über Wirbelthiere — leider mit dürftigem Demonstrationsmaterial des Museums — weiter lesen zu können nicht ohne Unannehmlichkeiten durchsetzte. Der folgende Winter führte Beide nach Berlin: Bur- meister als Herrenhaus-Mitglied, Giebel zur Bearbeitung N. "8 der Cephalopoden für seine Fauna der Vorwelt. Durch Bewilligung einer Subvention von 150 Thalern hatte der Minister von Ladenberg diesen Aufenthalt in der Hauptstadt ermöglicht. Durch tägliche Arbeit von 18 bis 20 Stunden, wenn nieht Einladungen von hohen Gönnern: L. von Buch, von Carnall, Mitscherlich, Beyrich — dieselbe etwas kürzten, wurde eine schwierige und zeitraubende Arbeit in 6 Monaten vollendet. So gänzlich verschieden unser Wissen von den Cephalopoden seit jener Zeit geworden, hat doch kein Geringerer als J. Barrande im Jahre 1876 Giebels Buch über diese fossilen Thiere als seinen liebsten Freund be- zeichnet, als die beste und vollständigste der früheren Monographieen. Im Frühjahr 1850 konnte Giebel bei der Rückreise von Berlin das Manuscript der „Cephalopoden“ unter noch- maligsem Ausdrucke des gehorsamsten Dankes für die ge- währte Unterstützung dem H. Minister von Ladenberg vor- legen und hatte Grund eine baldige Beförderung zu erwarten. Im künftigen Sommer erhielt Burmeister einen 11/,jährigen Urlaub zur wissenschaftlichen Reise nach Brasilien unter dem ausdrücklichen Hinweise, dass ihn Giebel während seiner Abwesenheit genügend vertreten würde. Er reiste ab und die philosophische Facultät beantragte am Anfange des Wintersemesters ein Extraordinariat für diesen Vertreter. Indess war inzwischen der Ministerwechsel eingetreten; H. von Raumer, der neue Cultusminister, war den natur- wissenschaftlichen Bestrebungen wenig zugeneigt, und so wurde jener Antrag kurzweg abgelehnt: für ein so unter- geordnetes Fach wie Palaeontologie könne keine neue Professur errichtet werden. Ein und ein halbes Jahr lang wirkte trotzdem Giebel anstatt Burmeisters, aber am Ab- laufe jener Zeit wurde dem Privatdocenten keinerlei - materielle Entschädigung, kein Wort der Anerkennung zu Theil. Bittere Erfahrungen verschiedenster Art trübten wohl seine Stimmung, aber in rüstigster Weise arbeitete er in seiner schriftstellerischen Thätigkeit weiter. Inzwischen wurde im Wintersemester 1852 Germar auf das Krankenlager geworfen und genöthigt, seine begonnenen 5 620 Vorlesungen über Mineralogie und Geologie abzubrechen. Auf Germars Ersuchen trat Giebel sofort für deren Fort- setzung ein und übernahm auch die Prüfung der Medieiner, die Doetor-Promotionen und die Examina im Kön. Ober- bergamte. Germar starb am 8. Juni 1853 und für das mineralogische Museum wurde von Giebel die grosse Arbeit der Anfertigung eines Kataloges gefordert: eine Arbeit von einem vollen Semester, für welche er nicht einmal eine Empfangsbescheinigung erhielt. Die anfängliche Hoffnung, dass der für Geologie und Palaeontologie habilitirte Docent bei der Wiederbesetzung von Germars Stelle aufrücken werde, erfüllte sich nicht. Nachdem der mineralogische Lehrstuhl durch Berufung von Girard besetzt war, erschien die Anstellung eines Vertreters der Fächer, welche gewöhn- lich als Annexe der Mineralogie galten, unnöthig. Giebel erhielt für die anstrengende Thätigkeit, welche er als Ver- treter hatte durchführen müssen, auch in diesem Falle weder eine Remuneration noch irgend eine sonstige Aner- kennung. Die meisten Professoren der Universität zeigten wenig freundliches Entgegenkommen gegen den mit uner- müdlichem Eifer arbeitenden Privatdocenten, ja das Ver- hältnis zu Burmeister blieb nicht ungetrübt. Zwar sollen von Zeit zu Zeit Anträge auf Giebels Beförderung zum Extraordinarius gestellt worden sein, aber diese blieben ohne Erfolg. | Giebel hatte inzwischen 1851 ein für den praktischen Gebrauch bestimmtes Lehrbuch, die Gaea exeursoria ger- manica herausgegeben, das zur freudigen Anregung des Verfassers von hochgeehrten Fachmännern wie L. v. Buch, H. v: Dechen, Bronn und Anderen theils öffentlich theils in persönlichen Zuschriften als höchst verdienstlich und praktisch brauchbarer als irgend ein anderes auf diesem Gebiete anerkannt wurde. Er hatte ferner 1852 die „allge- meine Palaeontologie* veröffentlicht, sein Werk über die „Däugethiere* und die noch gegenwärtig vieler Anerkennung und häufiger Benutzung sich erfreuende „Odontographie“ 1855 edirt und sich in der monographischen Darstellung einer fossilen Fauna, der des Terebratulitenkalkes im unteren. Muschelkalke oder Wellenkalke von Lieskau versucht. 621 Im Herbste 1856 trat Burmeister seine zweite Reise an und übergab die Oberaufsicht über das Museum einem Collegen. Und doch setzte man voraus, dass Giebel Zoologie lesen werde. Nach den Erfahrungen der acht Jahre des Privatdocententhums und bei gänzlichkem Mangel aller Existenzmittel hielt dieser es für eine Ehrenpflicht und für eine Nothwendigkeit, eine Entscheidung dadurch zu provo- eiren, dass er nur über ein beschränktes Gebiet der Zoologie — über Careinologie — Vorlesungen ankündigte. Vorerst wurde aber Nichts erreicht, als dass für die Vertretung Burmeisters 100 Thaler Remuneration ihm angeboten wurden; und dieses Gebot nahm Giebel in der Befürchtung an, dass im Falle seiner Ablehnung Max Schultze, damals hier Prosector, mit den zoologischen Vorlesungen betraut werden würde: der Vertreter einer Richtung, welche Giebel eine anatomische, nicht aber eine zoologische nannte. Erst als im Jahre 1858 Burmeister selbst um weitere Verlängerung seines Urlaubes einkam mit dem ausgesprochenen Wunsche, dass ihn Giebel vertrete und zum ausserordentlichen Professor befördert werde, schien der Bann gelöst. Die Ernennung zum Extraordinarius mit einem Jahresgehalte von 300 Thalern erfolgte nach jener beispiellosen 10jährigen Thätigkeit und nun war es selbstverständlich, dass Giebel die weitere Ver- tretung Burmeisters im vollen Umfange, auch in dem Museum, zufiel. Trotz dieser zeitraubenden Vertretung und trotz so mancher anderen Beanspruchung seiner Zeit hatte Giebel damals noch die „silurische Fauna des Unterharzes* (1858) hergestellt. Seit dem Jahre 1855 gab er für den bisher Halle’schen, nunmehr Sächsisch-Thüringischen naturwissen- schaftlichen Verein in Monatsheften die Zeitschrift für ge- sammte Naturwissenschaften heraus, in welcher er in der Folge seine Detailforschungen fast ausschliesslich veröffent- liehte. Gleichzeitig übernahm er die kritischen Besprechungen der zoologischen, geologischen und palaeontologischen Lite- ratur für Zarncke’s literarisches Centralblatt, welche er bis 1866 allein lieferte, wobei er sich grösster Schärfe und vollkommenster Unparteilichkeit befliss, um zur schnellen und günstigen Aufnahme dieses Blattes wesentlich beizu- 622 tragen. Für die Ersch- und Gruber’sche Encyklopädie bearbeitete er schon seit 1848 alle grossen und kleinen Artikel und Abhandlungen der bezeichneten Wissensgebiete. Endlich begründete er in Gemeinschaft mit Schaller eine populär naturwissenschaftliche Zeitschrift: Das Weltall. Diese gab er aber trotz des dringenden Wunsches des Ver- legers und trotz der pecuniären Vortheile schon nach dem ersten Jahre wieder auf, weil er sich scheute an dem lediglich populären Unternehmen weiter Theil zu nehmen. Unglaublich und fast räthselhaft erschien es, wie ein Mann so viele Arbeit leisten konnte. | Von Jugend auf an Arbeit gewöhnt hatte Giebel seinen Körper zugleich durch diese gestählt. Er schlief den ganzen Sommer hindurch schon als Schüler des Nachts nicht im Bette, sondern auf dem harten kalten Gypsestrich, oft auf dem Seweckenberge im Freien auf dem Grase. Dieses Schlafen auf dem Fussboden ohne alle Unterlage verbot erst im Jahre 1870 H. Geheimerath von Langenbeck bei einer Blasenstein-Operation und befahl auch Unterkleider sowie einen Ueberzieher für rauhes Frühlings- und Herbst- wetter anzulegen. Giebel erhob sich im Sommer früh um 3 oder 4 Uhr zur Arbeit, sass an dieser mit vollster Hin- gebung bis zum Abend, dann erst 1—2 Stunden im Freien der Erholung widmend. Im Winter wurde das Tagewerk um 8 Uhr begonnen, Nachmittags 1—2 Stunden pausirt und dann bis 3 oder 4 Uhr morgens ununterbrochen gear- beitet. Essen und Trinken war Nebensache und wurde, weil nothwendig, nur mit dem Einfachsten abgethan. In den Studentenjahren und bis in die ersten Jahre des Privat- docententhums wurden zeitweilig die anstrengendsten Ex- cursionen ausgeführt: um 3 Uhr früh ausgerückt, beobachtet und gesammelt bis um 1 Uhr, dann bei einer Portion Oaffee und Butterbrod eine Stunde geruht und Nachmittags wieder ausgerückt, erst um 8 Uhr in das elterliche Haus oder in eine Dorfschenke zum Uebernachten eingekehrt. Auch zu den Knochenausgrabungen in den Seweckenberger Gyps- brüchen wurde um 3 Uhr aufgebrochen, bis um 7 Uhr mit rüstigster Tagelöhnerkraft der 10—12 Fuss hohe feste Schutt in der Hohlkarre bei Seite geschafft und dann mit | nn 623 dem Taschenmesser die Knochen einzeln mühsam und sorg- fältig herausgearbeitet. Um 10 Uhr wurde die geringe Tagesration verzehrt und die Arbeit bis um 3 oder 4 Uhr Nachmittags fortgesetzt, die Ausbeute in der nebenstehenden Gypshütte in Sicherheit gebracht, zum Theil in der Ex- eursionstasche heimgetragen. Diese Excursionen wurden im Anfange der fünfziger Jahre eingestellt, später nur wieder zur Ausbeutung der Lieskauer Muschelkalkbrüche und des Braunkohlensand- steines bei Skopau noch einmal aufgenonmen. Als im Jahre 1851 die erste Reise in die Schweiz ermöglicht war, ging es von Basel aus zu Fuss mit dem Gepäck auf dem Rücken; und nun wurden diese Reisen alljährlich wiederholt, auf 3 bis 5 Wochen ausgedehnt, welche alle körperliche und geistige Erholung im extremsten Sinne darboten. Die Ferienreisen in die Heimath, von Halle nach Qued- linburg, wurden stets zu Fusse an einem Tage mit vollem Gepäck ausgeführt, obwohl der Weg über Eisleben 18 Stunden beansprucht. Erst der Tod der Mutter im Jahre 1857 scheint diesen Reisen ein Ende gemacht zu haben. Den schriftstellerischen Arbeiten waren in der Regel 16—20 Stunden täglich gewidmet und Jahre lang befand sich Giebel in so grosser geistiger Aufregung, dass während der Nächte an einen ruhigen erquickenden Schlaf nicht zu denken war. Diesen ersetzte dann eine Stunde festen und tiefen Mittagsschlafes. Eine gewisse Gewandtheit im Schreiben hatte er sich schon als Schüler angeeignet; als Secundaner und Primaner fertigte er die deutschen Arbeiten stets gleich in der Reinschrift aus, oft auch die lateinischen. Als er im Jahre 1845 seine schriftstellerische Thätigkeit begann, hatte er sich durch das Ausarbeiten der Collegien- hefte und Ausziehen ihn interessirender anatomischer und palaeontologischer Werke bereits eine solche Uebung im Schreiben angeeignet, dass er kein Manuseript wieder durch- las oder gar corrigirte. Nur die eingehenden scharfen kritischen Arbeiten, für welche auch auf die Form viel Gewicht gelegt wurde, unterwarf er einer ganz besonders sorgfältigen stilistischen Durchsicht. Mit dieser Gewandt- heit ward es ihm möglich jährlich 200 Druckbogen und 624 ! R he Fa & “= S TER SR mehr zu veröffentlichen. Die damals winzig kleine Hand- schrift, die für viele Augen nur mit der Lupe zu lesen war, nahm als Handleistung auch nur die wenigste Zeit in An- spruch. So förderte er einen Bogen von 16 eng bedruckten Seiten Auszüge für die Zeitschrift für gesammte Naturwissen- schaften meist in 8 Stunden. In so kurzer Zeit wird der gewandteste Schreiber Mühe haben diese Seiten nur zu schreiben. Und doch las Giebel dazu noch viele dick- leibige, oft auch langweilige Abhandlungen. Das 140 Seiten lange Vogelschutzbuch wurde nach der Uhr gearbeitet und in 51 Stunden vollendet. Dabei wurden aber sämmtliche Exemplare jeder Art aus dem Museum genommen und nach diesen die Beschreibungen entworfen, so dass alle darin mitgetheilten Schilderungen der 75 nützlichen Vogelarten im eigentlichsten Sinne Originalbeschreibungen sind. Einer solchen „ganz eminenten Arbeitskraft“, welche sich auf ihrem keineswegs beschränkten Gebiete bald auch | ein „immenses Wissen“ — Bezeichnungen einiger Kritiker — i erwarb, nur einer solchen Kraft, war es möglich die staunens- werthe Masse von Publicationen als Forscher und als Schriftsteller dreissig Jahre lang neben zeitraubenden amt- lichen und anderweitigen Arbeiten zu liefern. Erst der Schlaganfall im Jahre 1875 gebot in ernstester Weise Mässigung und Rasten. Aber auch nachher blieb die schriftstellerische Thätig- keit viel umfangreicher als bei seinen Fachgenossen und Collegen, wenigstens bis im Jahre 1880 neue Anfälle ihn so lähmten, dass der am 14. Nov. 1881 erfolgte Tod als eine Erlösung erschien. Giebel lebte nur in und für seine Arbeit, mochte diese eine forschende, eine docirende, eine literarisch belehrende oder eine rein compilatorische, blos praktisch nützliche sein; jeder persönliche Vortheil aus der- H selben war ihm gleichgiltig. So kam es, dass er jährlich 3 3 ; ug ii een a ol ee 2 SE he a der! a Zr aaa Yan ml az a NT nr rate mehr als 100 Bogen drucken liess, welche nicht honorirt wurden. Für die übrigen erhielt er 5 bis 10 Thaler Honorar pro Bogen. Nur seine sonstige Bedürfnisslosigkeit machte ihm die Existenz möglich. Er brauchte 300 bis 400 Thaler Jährlich für seine Bibliotkek, 80 bis 100 Thaler für die Schweizerreise. Ein nicht nennbares Minimum für Taschen- 625 geld, für Miethe und für die höchst einfache Wirthschaft bildete die sonstigen Ausgaben für die eigene Person. Aber für den naturwissenschaftlichen Verein, für den er mehr als die Hälfte der 12 jährlichen Hefte selbst schrieb, für den er alle Correcturen las, die gesammten Redactionsge- schäfte besorgte, auch die Expedition bis zur persönlichen Uebergabe der Pakete an die Post, für diesen Verein zahlte er alljährlich noch bald kleinere bald grössere Be- träge aus seiner Tasche. Trotz aller Einschränkung in Bezug auf Lebensgenüsse und trotz der emsigen Arbeit häuften sich zwischen 1845 und 1859 zwei Male Schulden von 800—900 Thalern auf, wurden aber wieder durch den eifrigen Arbeiter gedeckt. Freilich berührte es Giebel schmerzlichst, wenn einfluss- reiche Männer seine Thätigkeit falsch deuteten und, sein Honorareinkommen weit überschätzend, dazu beitrugen, ihm persönliche Unterstützungen für anderweitige Leistungen vorzuenthalten. Mit der Befestigung seiner amtlichen Stellung durch die Ernennung zum ausserordentlichen Professor fühlte sich der hingebende Eifer Giebels nur zu neuen persönlichen Opfern verpflichtet. Es genügte ihm nicht mehr die einzige grosse ,: wöchentlich achtstündige Vorlesung über Zoologie. Er hielt daneben noch eine vierstündige über vergleichende Anatomie oder über allgemeine Naturgeschichte für Medi- einer und zweistündige bis vierstündige zootomische Practica. Zu allen diesen zeitraubenden Demonstrations-Vorlesungen leistete ihm kein Assistent hilfreiche Dienste. Und da mit dem Gehalte von 300 Thalern nicht einmal die nothwendigen Ausgaben für die Bücher, welche der fruchtbare Schrift- steller brauchte, gedeckt werden konnten, so wurden die Existenzsorgen nur um so empfindlicher. Es wurden also jene per Woche 14stündigen bis 16stündigen Vorlesungen auf ein Semester verlest, um das folgende ungestört zu wissenschaftlichen und zu literarischen Brodarbeiten zu verwenden. Der Pflichteifer glaubte sich dadurch be- Triedigt, zumal da auch seine Vorgänger stets nur in einem der Semester Zoologie, im andern nur ein zwei- stündiges Publicum gelesen hatten, und da wenige der 626 Professoren für verwandte Fächer überhaupt damals mehr als 6—8 Stunden wöchentlich lasen, nach seiner Rechnung also in den zwei Semestern zusammen den Vorlesungen nicht einen gleichgrossen Aufwand an Zeit und Kraft zu- wandten. Im Herbste 1859 kehrte Burmeister von seiner zweiten Reise nach Amerika zurück, beantragte aber schon im Frühjahr 1860 seine Entlassung, die ihm bewilligt wurde. Der abgehende Burmeister hatte das Recht und die Pflicht als Fachvertreter seinen Nachfolger vorzuschlagen. In einem sehr eingehenden Gutachten empfahl er dazu ange- legentlichst Giebel — secundo loco die beiden Berliner Entomologen Schaum und Gerstaecker. In der Faeultät aber hoffte man einen Zoologen anderer Riehtung zu gewinnen, nahm auch aus dem Umstande, dass Giebel jedesmal das zweite Semester wegen wissenschaftlicher Arbeiten seine Vorlesungen ausgesetzt hatte, Anlass an seinem Interesse für die Universität zu zweifeln und mit nur geringer Majorität wurde er tertio loco zum Ordinarius für Zoologie vorgeschlagen. Für ihn aber entschied das Ministerium und im Januar 1861 wurde Giebel, der inzwischen 1860 den Ehebund mit seiner getreuen Lebensgefährtin Luise Ehrlich geschlossen hatte, in sein Amt eingeführt. So war denn die Zeit der Stürme vorüber. Die Häuslich- keit beglückte ihn und ungetrübte Freude bereitete ihm das Leben an der Seite einer Gattin, welche an allen seinen Bestrebungen den regsten Antheil nahm. Freilich wurde auch nun zunächst ein Gehalt von nur 800 Thaiern jährlich gegeben, aber doch waren die mate- riellen Sorgen gehoben und es war die Stellung erreicht, nach welcher jeder akademische Docent strebt, die ihn allen Collegen gleich stellt und in sich die Anerkennung der treuen Arbeit trägt. Manches schwere Herzensleid in den Kämpfen der letzten Jahre, manche bittere Kränkung, war überwunden, oder konnte doch nicht mehr schaden. Unbe- kümmert um die kränkendsten Erfahrungen während der 15 Jahre seiner Docenten - Thätigkeit widmete er sich mit ganzer Hingebung den Pflichten seines Amtes. Und dieses bot ihm ein sehr reiches Feld. Das zoologische Museum en g % 627 der Universität hatte von früher her einen starken ornitho- logischen Bestand, der durch Burmeister wesentlich ver- grössert wurde. Insbesondere aber verdankt das Museum Burmeisters Eifer und Hingabe eine so ausgezeichnete Sammlung Insecten, wie solche andere Universitäten meistens nicht annähernd aufzuweisen haben. Indess waren viele Theile der Sammlungen nicht in befriedigendem Zustande. Es galt die von den vierjährigen Burmeister’schen Reisen vorhandenen Säugethiere, Vögel und Amphibien zu präpa- riren und einzuordnen: alles vorhandene Material dieser Thierklassen zum ersten Male zu inventarisiren, zu kata- logisiren und neu zu etikettiren. Ferner mussten die vor- handenen Dupla bestimmt, katalogisirt und zum Tausch und Verkauf benutzt werden. Sehr spärlich oder gar nicht waren manche Thier- klassen vorhanden, z. B. Fische, Spinnen, Krebsthiere, Würmer, Weichthiere, Echinodermen und Korallen. Durch vortheilhafte Einkäufe und durch eigenes Sammeln in Nizza, Triest und Trouville wurde einigermassen versucht diese Lücken auszufüllen, wenigstens so weit es für die Zwecke von Giebels Vorlesungen erforderlich war. Bis zum Jahre 1853 waren die von Giebel gesammelten fossilen Thiere gewöhnlich dem palaeontologischen Museum zu Gute ge- kommen. Was er später auf Reisen und Excursionen nach Einstellung der hingebenden Arbeit im mineralogischen Institute an Petrefaeten gefunden und gesammelt hat: eine Sammlung von circa 4000 Species, stellte er als eigene palaeontologische Sammlung ohne den Institutsfonds zu belasten in dem ihm unterstellten zoologischen Museum auf and benutzte dies Material zu wiederholten Malen bei vier- stündigen Vorlesungen über Palaeontologie. Auch mehrere grössere Einkäufe anderer Art machte er aus eigener Tasche für das Museum, z.B. schenkte er demselben eine Giraffe. Dabei wurde er auch jetzt von keinem Assistenten unterstützt, Giebel allein besorgte alle, selbst die kleinlichsten Handlangerdienste und überliess nur den entomologischen Theil der Sammlung dertreuen Fürsorge des Inspectors und nachmaligen Professors Dr. Taschenberg, seines langjährigen Freundes. Täglieh — Sonn- und Festtage und Ferien nicht ausgenommen — war 628 er von früh 6 oder 7 Uhr bis 1 Uhr EN von 2 bis 7 Uhr ununterbrochen und eifrigst in seinem Museum beschäftigt. Den jährlichen Verwaltungsberichten an das Ministerium folgte auch stets ein warmes Anerkennungsschreiben. Nieht geringere Freude und Genugthuung gewährte es ihm, dass auf einen in der Zeitschrift für gesammte Naturwissen- schaften schon 1865 — vor dem Jubiläum der fünfzigjährigen Vereinigung der Universität Wittenberg mit Halle — ver- öffentlichten Bericht über den Stand des zoologischen Museums Burmeister aus Buenos Ayres ihm schrieb: „Sie haben mich in den wenigen Jahren weit überholt.“ Schon damals waren die Räume und Schränke des Museums so weit gefüllt, dass auf eine Erweiterung ernstlich gedacht werden musste. Leider ist auch in der langen seither ver- strichenen Zeit diese Angelegenheit nicht über das Stadium verschiedener Projeete hinausgekommen. Solche haben Giebel noch in den letzten Jahren seines Lebens eifrigst beschäftigt, ja wenige Wochen vor seinem Tode sprach er noch mit lebhaftestem Interesse über diese Angelegenheit, obwohl er wusste, dass ihm nicht mehr beschieden war seine geliebten Sammlungen in neuen Räumen aufzustellen. Natürlich ist seit 1865 der Raummangel nur fortwährend empfindlicher geworden, je mehr der Reichthum der Samm- lungen wuchs. An Durcharbeitung des Bestandes, am Be- stimmen der Stücken hat es Giebel nicht fehlen lassen, beim raschen Wachsthum der Sammlung ist er jedoch noch hinter dem Ziele zurückgeblieben, das er sich gesteckt hatte. Giebels Lehrthätigkeit nahm nach seiner Ernennung zum ordentlichen Professor noch zu. Mit sehr klarer Dar- stellung trug er vor und seine Zuhörer lernten viel bei ihm. Er las über allgemeine Zoologie, über specielle Zoologie einzelner Thierklassen, über vergleichende Anatomie, über Entwicklungsgeschichte, über allgemeine Naturgeschichte, über Anthropologie, über Anatomie und Physiologie der Hausthiere, über vorweltliche Thiere, wiederholt auch über Mineralogie und Geologie, leitete auch praktische zootomische Arbeiten. Die literarische Arbeit wurde in reichstem Masse fort- gesetzt und immer vollständiger boten die stets anwachsenden, 629 seiner Leitung anvertrauten, Sammlungen Material zu eigenen Darstellungen. Vielseitigste Anerkennung erntete gerade das Werk, das Giebel leider unvollendet hinterlässt: die „Säuge- thiere“ für Bronns Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Mehr und mehr fand Giebel seine Freude, seine Er- holung und seine Lieblingsthätigkeit in dem naturwissen- schaftlichen Verein, dem er mit Leib und Seele angehörte. Am 4. November 1847 waren einige junge Freunde der Naturwissenschaften, unter ihnen Giebel, zu einem „aaturwissenschaftlichen Kränzchen“ zum ersten Male zu- sammengetreten. Am 21. Juni 1848 fand die Constituirung des auf dem Boden dieses Kränzchens erblühten Halle’schen naturwissenschaftlichen Vereines statt. Dessen Jahresberichte wuchsen schnell an Umfang und Bedeutung, wesentlich durch Giebels Thätigkeit. Als eifrige Mitglieder der seit 1779 blühenden Halle’schen naturforschenden Gesellschaft befürchteten anfangs mehrere hervorragende hiesige Gelehrte, der neubegründete Verein könne die erstere schwächen. Diese Befürchtungen haben sich als durchaus unbegründet erwiesen. Beide Genossenschaften bestehen nun über 34 Jahre neben einander, beide haben an Mitgliederzahl beständig zugenommen, die Schriften beider haben wachsende Bedeutung und gesteigerte Verbreitung bei auswärtigen selehrten Vereinigungen gefunden. Jede verfolgt ihre beson- deren Ziele und ihre eigenen Wege, beide nur mit der gleichen Tendenz die Wissenschaft zu fördern; beide haben auch eine Menge von gemeinsamen Mitgliedern, welche mit gleicher Liebe hier wie dort heute Belehrung empfangen, morgen selbst Vorträge halten. Der Halle’sche naturwissenschaftliche Verein erstrebte es auch die jüngeren Kräfte, insbesondere die Studirenden, ferner diejenigen Freunde der Naturwissenschaften, welche eigene grössere Leistungen nicht darbieten mögen, zur Thätigkeit herbeizuziehen und dieselben darin zu fördern, er will zur Localforschung anregen. Um auch Solchen, welche ungern hervortreten, die Scheu zu benehmen, wurden freiere Formen der Zusammenkünfte gewählt und neben der Belehrung auch die naturwissenschaftliche Unterhaltung . gepflegt. Die eifrigsten Mitglieder des Vereines wollten Zeitschr, f, d. ges. Naturw. Bd. LIV, 18$1. 41 630 nicht nur über ihre eigenen Forschungen vortragen, dern berichteten oft über Werke Anderer, und selbst über be- deutendere Aufsätze aus Feitsehrilien Der Verein fand, je mehr er sich herausbildete, mehr und mehr Veranlassung sich dernaturwissenschaftlichen Heimathskunde zu befleissigen und so war es natürlich, dass er tiber Halle’s Weichbild hinaus gleichgesinnte Mitglieder suchte und sich zum natur- wissenschaftlichen Verein für Sachsen und Thüringen um- gestaltete, in den Hallenser Mitgliedern nur die hauptsäch- liehste Section der vergrösserten Genossenschaft erblickte. Diese Erweiterung fand am 7. December 1852 statt. Damit wurden Wanderversammlungen nothwendig, die bald hier bald dort — jährlich eine zweitägige in der Pfingstzeit und eine eintägige — abgehalten wurden. Die Jahresberichte des naturwissenschaftlichen Vereines zu Halle gestalteten sich zu einer „Zeitschrift für die gesammten Naturwissen- schaften“ um, deren Redacteur und hauptsächlicher Verfasser Giebel von Anfang an bis an sein Ende geblieben ist. Wohl hat bald einer bald ein anderer von den Vereinsge- nossen sich mehr oder minder an der Redactionsthätigkeit betheiligt, immer ist aber der Löwentheil der Arbeit Giebel zugefallen. Seit 1847 bis zum Spätsommer des Jahres 1880 hat Giebel keine Versammlung des Vereines versäumt, wenn nicht ganz besonders zwingende Veranlassung ihn fern hielt. Selbst am Tage seiner Verlobung hat er diese Pflichttreue nicht gebrochen. Giebel war die Seele des Vereines, und naturgemäss stets der Vorsitzende desselben. Nicht nur seine Arbeitskraft und seine Zeit opferte er demselben, sondern er nahm nie Anstand auch von seinen beschränkten Einnahmen ein bedeutendes Theil für dessen Zwecke zu verwenden, womöglich ohne die übrigen Vereins- oder gar Vorstandsmitglieder davon etwas bemerken zu lassen. Einen eigenthümlichen Charakter erhält der naturwissen- schaftliche Verein durch den ungewöhnlich häufigen Wechsel eines grossen Theiles der Mitglieder. Stets haben Privatdo- centen, Assistenten bei den Universitätsinstituten, Lehrer an den Francke’schen Stiftungen, Candidaten und jüngere Do- etoren, sowie viele der Studirenden ein bedeuten Patent 631 gestellt. Früher traten sehr viele solcher Mitglieder aus dem Vereine aus, sobald sie ausserhalb eine feste Stellung erhalten hatten. Erst in den letzten Jahren nach Aufhebung des erhöhten Beitrages der Auswärtigen pflegen sie auch ferner wirkliche Mitglieder zu bleiben. Durch den Wechsel der jüngeren Mitglieder ist eine fortwährende Auffrischung des Vereinslebens gegeben und einer Abnutzung der Kräfte vorgebeugt. Giebel empfand selbst sehr wohlthuend die stete neue Anregung, die zu bieten er nie versäumte und die auch ihm wieder durch den gemüthlichen Verkehr vor und nach dem officiellen Theile der Sitzung zu Theil wurde. Eine grosse Freude war es ihm, dass er fortwährend als Zeugnisse, wie innig sich der Verkehr gestaltet hatte, eine Menge Briefe von den auswärts lebenden Mitgliedern erhielt, welche dankbar der angenehm in Halle verbrachten Vereinsabende gedachten oder lebhaft bedauerten, solcher Geselligkeit und Anregung nun zu entbehren. Grosse Befriedigung für die gemüthliche Seite gewährte die jährliche Feier der Stiftungstage des Vereins. Bis zum Jahre 1866 wurde hauptsächlich der 21. Juni, zunächst durch einen populären Vortrag von allgemeinem Interesse, dann durch ein gemeinsames Essen gefeiert. Wie in den wöchentlichen Versammlungen vereinigten sich dabei alle Altersklassen und Stände, die ganze Manch- faltigkeit der Mitglieder. Man blieb meist bei steigendem Humor bis lange nach Mitternacht zusammen, ja mehrmals schlossen die jüngsten Mitglieder das Fest früh 5 Uhr durch einen Frühcaffee in Wittekind. Im Jahre 1866 war natür- lich zu solcher Sommerfeier keine geeignete Stimmung vor- handen und seit jener Zeit ist dieselbe unterblieben. Ausser an den Festtagen und bei den Wanderver- sammlungen trat der Verein in Halle auch durch sogenannte öffentliche Sitzungen aus seinem engeren Kreise heraus. Zur Theilnahme wurden zahlreiche Gäste besonders ein- geladen undnur ein allgemeinverständlicher Vortrag gehalten. Von andern gemeinnützigen Unternehmungen, welche Giebel durch den Verein förderte und pflegte, mögen noch Fol- gende hier erwähnt werden: Die Foucault’schen Pendelversuche wurden in der Markt- 41* Bes kirche dem grossen Publieum vorgeführt und H. Director Dr. Schrader erläuterte dieselben jedesmal durch einen besonderen ausführlichen Vortrag im Prüfungssaale der Francke’schen Stiftungen. Im Jahre 1849 beantragte der Verein bei dem könig- lichen statistischen Bureau die Errichtung einer meteoro- logischen Station in Halle. Dieselbe sollte anfänglich im Gebäude des Pädagogiums der Francke’schen Stiftungen ihren Platz erhalten, aber im Momente der Aufstellung nahm das Directorium, auf die mögliche Gefahr eines Blitzschlages wegen der hohen Fahne anfmerksam gemacht, die vorher ertheilte Erlaubnis zurück. Vergebens wurde von Seiten des Vereines darauf hingewiesen, dass ja die Fahnen- stangen für die politisch demonstrativen Flaggen sich als bei Gewittern gefährlich nieht erwiesen hätten. Es wurde die königliche meteorologische Fahne nun in Krause’s Garten aufgerichtet und auch der Regenmesser dort aufgestellt, die übrigen Instrumente aber in Fr. Weber’s Wohnung in den Francke’schen Stiftungen untergebracht und von diesem mit grosser Regelmässigkeit und Gewissen- haftigkeit beobachtet. Mehrfach inspieirte Dove selbst diese vom Verein begründete und geführte Station. Später wurden dem H. Mechaniker Kleemann sämmtliche Apparate über- geben, und dieser übernahm auch die Beobachtungen; eine Beaufsichtigung durch den Verein war nieht mehr nöthig. Ein naturwissenschaftlicher Lesezirkel war in Halle zu Beginn der dreissiger Jahre durch den damaligen ausser- ordentlichen Professor, späteren Russischen Staatsrath Dr. Kämtz eingerichtet worden. Nach diesem übernahm der Sohn des berühmten Kurt Sprengel, damals hier Privat- docent, die Leitung; indess schmolz die Zahl der Theil- nehmer zusammen und stieg erst wieder, als Giebel im Jahre 1846 an die Spitze trat. In wenigen Jahren gewann durch die reichen vom naturwissenschaftlichen Verein einge- tauschten und durch von der k. Universitätsbibliothek ent- liehene Journale der Lesezirkel so an Bedeutung, dass in Merseburg und Jena Zweigvereine gebildet wurden, welche die Zeitschriften erhielten, wenn sie Halle durchlaufen hatten. So war die 1846 getroffene Bestimmung, dass jedes 633 Mitglied des Zirkels mindestens eine Zeitschrift halten und zirkuliren lassen musste, überflüssig geworden. Aber je grösser der Kreis geworden war, um so mehr erwuchsen daraus Unannehmlichkeiten und für den verant- wortlichen Leiter des Unternehmens nicht unbedeutende Kosten, besonders als dieser mehrere Male verloren gegangene Hefte, die der k. Universitätsbibliothek gehört hatten, zu ersetzen sich gezwungen sah. So kam es denn, dass vor etwa einem Jahrzehnt Giebel, der bemerkte, wie oft Hefte verschiedensten Inhaltes, welche er unaufgeschnitten in Umlauf gesetzt hatte, unberührt und ungelesen zurückkamen, ernstlich die Frage erwägen musste, ob der Nutzen dieses von ihm allein unterhaltenen Lese- vereines mit den grossen persönlichen Opfern in einem befriedigenden Gleichgewichte stehe. Und er sah sich ge- nöthigt ein lange Zeit mit wirklich warmem Interesse gepflegtes Institut eingehen zu lassen. Dem Lesevereine der Universität, welcher nach dem deutsch-französischen Kriege einen srossen Aufschwung nahm, stelite Giebelspäter aus seinem eigenen Besitze und aus dem des naturwissenschaftlichen Vereines 130 Zeit- schriften zur Verfügung. | Mehr noch als für die genannten von ihm als ephemere Bedürfnisse des Tages aufgefassten Zwecke wirkte Giebel für die Bibliothek des naturwissenschaftlichen Vereines, welche unter seiner Leitung ein bleibendes und unschätz- bares Gut für den Verein wie für Stadt und Universität Halle geworden ist. Denn die Benutzung steht nicht nur Jedem Vereinsmitgliede sondern jedem Andern frei. Schon bei der Constituirung des Vereines beantragte Giebel die Anlegsung einer Bibliothek, die aus Geschenken der Mit- glieder gebildet werden sollte. Damals verpflichteten sich alle Vereinsgenossen ihre eigenen Schriften darin niederzulegen. Demnächst wurden Gönner für die Schenkungen geworben. Gar bald aber zeigte sich, dass die Bibliothek besonderen Werth nur erhalten würde, wenn der Verein selbst eine Zeitschrift herausgäbe, mit welcher ein Tauschverkehr ein- geleitet werden könnte, obwohl die Gaben mehrerer Gönner sehr bedeutende waren. So hatte Ed. Antons Buchhandlung in BA a Halle und die Abel’sche Buchhandlung in Leipzig ihren ganzen Verlag naturwissenschaftlicher Werke geschenkt und H. Buchhändler Zuchold die ganze auf Halle bezügliche Literatur. Auch das k. Cultusministerium wandte dem Vereine sehr werthvolle Kupferwerke, wie Karstens Flora Columbiens, Peters’ Reise nach Mossambigue u. dergl. zu. Namentlich seit der Umwandlung der früheren Jahres- berichte des Vereins in eine regelmässiger und öfter erscheinende Zeitschrift haben sich die eingetauschten Sehrif- ten von Instituten, Gesellschaften und Vereinen sowie die eingesandten Recensionsexemplare wissenschaftlicher Werke zu einer ansehnlichen Bibliothek umgestaltet, welche sogar nach Berlin und nach Leipzig dort fehlende Werke auszu- leihen vermochte. Dem ‘Vereine hat dieser mehr und mehr heranwachsende Bücherschatz nur unbedeutende Kosten: neben den Beträgen für den Druck der eigenen Zeitschrift nur die Buchbinderlöhne und die Preise der Repositorien, veranlasst. Alles andere hat Giebel allein besorgt. Gab es wohl ausser ihm einen Redaeteur eines Journales, der einen grossen Theil des Inhaltes der Zeitschrift selbst schrieb, ohne alle materielle Entschädigung die zeitraubende, opfer- schwere Redaction besorgte, und auch noch alle für dieselbe eingehenden Bücher und Zeitschriften ganz dem Gemein- wohl überliess, jeglichen Anspruch auf dieselben ganz fallen lassend ? Nach allen Richtungen ging Giebel darauf aus zu nützen, nie hat er erstrebt zu glänzen. Mit Wärme und Lebhaftigkeit trat er für Sachen und für Personen ein, welche seiner Meinung nach im Recht waren. Ebenso aber trat er rücksichtslos mit Feuer gegen Ansichten und gegen Männer auf, die er auf unrichtiger Bahn glaubte. Manche vormaligen Freunde hat seine Schärfe in solchen Fällen ihm entfremdet, eben weil ihn das Ansehen der Person in seinem Handeln nicht bestimmte; streng gegen sich selbst vermochte er anderen gegenüber hart zu werden. Viel mag hierzu beigetragen haben, dass die schweren Kämpfe gegen die Lebensnoth und gegen manche ihm gegenübertretende Gehässigkeit und Misgunst ihn verbittert hatten. Im Grunde seines Herzens war er mild und freundlich, ja in manchen 635 Fällen verbarg sich hinter seiner Schroffheit Jüngeren gegen- über die gute Absicht, solche zu erziehen: durch die an ihm zur Lehrmeisterin gewordene Noth sie auf den Weg zu führen, den er für recht hielt. In manchen Stücken führte dieser Weg weit ab von den Pfaden anderer Fach- genossen: er blieb der systematischen Richtung in der Zoologie treu und stand der Entwicklungslehre der neuen Naturforschung schroff gegenüber. Aber auch seine Gegner ehrten in ihm die Gewissen- haftigkeit der Ueberzeugung und das ungewöhnlich grosse und umfangreiche Wissen, auf welches diese sich stützte. Und nun hat der grosse Versöhner, der Tod, den Kampf zum Schweigen gebracht. Aber Viele hängen dankbaren Herzens am Andenken des rüstigen Mannes. Und vor Allem ist es der natur- wissenschaftliche Verein für Sachsen und Thüringen in welchem Giebel fortlebt und in welchem sein Wirken auch in spätester Zukunft unvergessen bleiben wird. - Giebels Schriften. Selbständig erschienene Werke. a) Fachwissenschaftliche und monographische Schriften. De geognostica septemtrionalis Hereyniae fastigii constitutione. Habil.-Schrift 1848. Beschreibung und Abbildung zweier Rinocerosschädel. Merseburg 1846. 4°. Fauna der Vorwelt. Leipzig. 3 Bde. 8%. 1847—1856. Beiträge zur Paläontologie. Berlin. 8°. Versteinerungen des Muschelkalkes bei Lieskau. Berlin. 4°. Versteinerungen der Silurischen Fauna des Harzes. Berlin. 4°. Versteinerungen von Juntas. Halle. 4°. Versteinerungen der Braunkohlenformation von Latorf. Halle. 49, Die Säugethiere. Leipzig 1855. 8°. Odontographie. Leipzig 1855. 4°. Beiträge zur Osteologie der Nagethiere. Berlin. 4°. Insecta epizoa. Leipzig. 4°. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Säugethiere. 8. N 2 7 cr Ama. E23 636 u b) Allgemeine Lehrbücher, Repertorien. Paläozoologie. Merseburg 1846. Paläontologie. Leipzig. Gaea excursoria germanica. Leipzig. Lehrbuch der Zoologie. Darmstadt 1854—80. 1.—6. Aufl. Vogelschutzbuch. Berlin. 1.—4. Aufl. Jahresbericht der Paläontologie. Berlin 1849. 50. Katechismus der Zoologie. Leipzig. Landwirthschaftliche Zoologie. Glogau. Naturgeschichte des Thierreichs. Leipzig. 5 Bde. Repertorium zu Bronn’s Jahrbüchern f. Mineral. ete. 1841—1850. Verzeichniss der Petrefakten Deutschlands. Leipzig. Repertorium zu Goldfuss’ Petrefaeta Germaniae. Leipzig. Thesaurus Ornithologiae. Leipzig. 3 Bde. ec) Belehrende und unterhaltende. Das Weltall, ein Kosmos für’s Volk. Leipzig. Cuviers Erdumwälzungen. Leipzig. Tagesfrage aus der Naturgeschichte. Berlin. L. v. Buch, Biographie. Berlin. Der Mensch. Leipzig. Arbeiten in fachwissenschaftlichen Journalen. Okens Isis. 1846. 47. Bronn’s Jahrbücher £. Mineralogie, Geologie und Petrefaktenkunde. Stuttgart. Burmeister und d’Alton’s Zeitung für Zoologie und Paläontologie. Leipzig 1848. Zeitsehrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Berlin. Bd. la X: In den Schriften des naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen hat Giebel seit 1848 ungerechnet die zahl- losen mündlichen und schriftlichen Referate, insgesammt 400 Aufsätze, Mittheilungen und kürzere und längere Beobachtungen veröffentlicht. Beiträge zu selbständigen Werken. Germar’s Flora des Steinkohlengebirges von Wettin und Löbejün. (Fossile Fische.) Blane, Handbuch des Wissenwürdigsten (Geologie der Einleitung). Daniel’s Handbuch der Geographie (Geologie der Einleitung). Burmeister, Zoonomische Briefe (Möllusken). Ersch und Gruber’s Encyelopädie seit 1847 bis 1876 (Zoologische, Geologische, Paläontologische, Mineralogische Artikel, darunter die sehr grossen Geogenie, Geognosie, Granit, Gneiss, Glires, Phoca und sehr viele andere in jedem Bande). Englische Expedition zur Beobachtung des Venusdurchgangs (Mallophagen der Kerguelen). London. 637 Beiträge zu belehrenden und kritischen Journalen. Halle’sche Literaturzeitung. 1846—48. Jenaische Literaturzeitung. 1846—47. Literarisches Centralblatt von 1850—1861. (Die ganzen zoolo- gischen, geologischen, mineralogischen und paläontologischen Literatur-Anzeigen mit scharfem und strengem Urtheil.) Fechner’s Centralblatt für Naturwissenschaft (zahlreiche Referate). Mayer’s pädagogische Revue (einige kritische Anzeigen). Beiträge zu populären und unterhaltenden Journalen. Fr. Hofmann’s neuer deutscher Jugendfreund. Payne’s Familienjournal. Panorama des Wissens und der Gewerbe. Keil’s Gartenlaube. Westermann’s Monatshefte. Brockhaus’ Gegenwatt. K. Wiegandt’s landwirthschaftl. Kalender (Charakteristik des Pferdes). -Centralblatt des landwirthschaftl. Provinzial-Vereins der Prov. Sachsen. K. Wiegandt, Hempel, Parey, Landwirthschaftliche Presse. Riehm, Handwörterbuch der biblischen Alterthümer. Redigirt und herausgegeben (allgemeine). Tagesberiehte für Zoologie, Paläontologie und Geologie. Abels - aus der Natur, Bd. I—X (in jedem Band ein Aufsatz) anonym. Giebel und Schaller, das Weltall, Wochenschrift (zahlreiche Aufsätze). Fachwissenschaftliche Zeitschriften, redigirt und herausgegeben, Jahresbericht des naturwissenschaftlichen Vereins in Halle 1849 —52. I—V. Bd. Zeitschrift für gesammte Naturwissenschaft 1853—81. Bd. 1—54. Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins für Sachsen und Thüringen 1856—1864. Bd. I u. I. Redigirte und herausgegebene fremde Werke. Rossmässler, Lehrbueh der Naturgeschichte (Wirbelthiere). Philippi’s Handbuch der Conchyliologie. Halle. Burmeister, Grundriss der Naturgeschichte. Berlin. 8. u. 9. Aufl. 2 Handatlas der Zoologie. 2. Aufl. Berlin. = Geschichte der Schöpfung. 7. Aufl. Leipzig. Goldfuss, Petrefacta Germaniae. 2. Aufl. Leipzig. Ueber die Prinzipien der Classification bei den Gamasiden. Von P. Kramer (Halle a/S.). Seit geraumer Zeit sind die Acarinologen nicht einig -über die Maximen, nach denen eine natürliche Classification der zahlreichen Arten der Gattung Gamasus vorzunehmen ist, ob nämlich der getheilte Rückenschild einen Grundzug dabei abgeben kann oder nicht. Als ich vor fünf Jahren meine Tabelle der mir damals bekannten Arten entwarf, begegnete es mir, dassich auch noch nicht ganz entwickelte Thiere mit aufnahm, und dieses Versehen, das ich hier ohne jeden Rückhalt bekenne, ist verhängnissvoll geworden für ein Eintheilungsprinzip, von dem ich auch jetzt noch und trotz aller bisher dagegen geäusserten Bedenken, ja zum guten Theil, indem ich mir diese Bedenken zu Nutze aus- lege, annehmen muss, dass es das einzige ist, von dem wir mit Sicherheit behaupten können, es sei ein Natürliches, während alle anderen, selbst dasnun wohl allgemein acceptirte nach der Gestalt der Randfigur des Capitulum, einen mehr oder minder künstlichen Charakter tragen. Die jüngste Publi- cation zu dieser Frage, die in dem Linnean Society Journal — Zoology Vol. XV p. 297 erschienenen observations on the life — histories of Gamasinae v. A. D. Michael, gaben mir einen erwünschten Anhalt um .die Maximen, welche bei der Classification der in Rede stehenden Thiere für mich bis jetzt maassgebend gewesen sind darzulegen, in der Hoffnung, dass sie, sich, ganz abgesehen davon, wer sie aufstellte, Freunde erwerben werden. | | 639 Eine Vorbedingung für die richtige Beurtheilung des Nachfolgenden ist die Einsicht in die Thatsache, dass es ächte Gamasus-Arten giebt, bei denen die erwachsenen Thiere ein getheiltes Rückenschild haben. In einem bald erscheinenden Aufsatz werde ich auch von den Gattungen Uropoda de Geer und Sejus Koch ganz dasselbe betonen können, es geht durch die ganze Gruppe der Gamasidae hindurch. Also wir haben Gamasus-Arten, und wie ich gleich hinzusetze, auch Uropoda-Arten, bei denen der Rückenpanzer getheilt ist und wir haben auch solche wo er nicht getheilt ist. Andrerseits ist es durch hinreichende Beobachtungen gesichert und habe ich mich namentlich durch meine eigenen Untersuchungen an Uropoden vollständig überzeugt, dass auch bei solchen Arten bei denen die erwachsenen Formen einen ungetheilten Rückenschild besitzen, die Larven noch einen getheilten führen. Wie lassen sich diese Thatsachen zu einem gesunden Ganzen verbinden! A. D. Michael, der in diesem Punkte Megnin folgt, ihn bestätigt und ihm zustimmt, schliesst: that the division of the dorsal plate is, in most cases at all events, a question of degree and does not form a sound basis for elassification (l. e. p. 309). Megnin hatte gemeint, es wäre die Theilung des Rückenschildes nur ein Merkmal der unentwickelten Gamasiden. Wäre dies der Fall, so wäre freilich die Ein- theilung nach dem Rückenschild keine brauchbare. Dem ist aber nicht so, vielmehr ist auch Michael anderer Ansicht, da er schreibt: „in most cases‘ und Canestrini hat durch zahlreiche Beobachtungen dasselbe bestätigt (z. B. in seinem Aufsatz nuove specie del genere Gamasus in Atti de R. ist. venet. d. sc. Vol. VII Serie V, 1881). Also müssen wir die Theilung. berücksiehtigen und da bietet sich der für mich bisher durchschlagende Gesichtspunkt als vollkommen ausreichend: Ueberall wo ein Merkmal, welches in dem Larvenzustand der Thiere einer Art beob- achtetwird, beigewissenArtenderselben Gattung, oder auch in erweitertem Sinne bei gewissen Thieren derselben Gruppe persistirt, hat man in 640 diesem Merkmal ein natürliches Classifications- moment vor sich. In diesem Sinne habe ich die Athmungsorgane bei den Milben überhaupt zum Merkmal natürlicher Abtheilungen gemacht, und habe damit, so viel ich sehe, die Zustimmung erfahrener Acarinologen gewonnen, in gleichem Sinne procelamire ich die Theilung oder Verschmelzung des Rücken- schildes als brauchbaren Eintheilungsgesichtspunkt für die Gattungen der Gamasus-Arten. Wenn Megnin und Michael daraus, dass bei vielen nicht erwachsenen Gamasiden der Rückenschild noch getheilt ist, während er bei den er- wachsenen ungetheilt ist, schliessen, dass man nun auf den Rückenschild kein Gewicht legen dürfe, so wäre dies wohl nur dann zu billigen, wenn man die Larven auch mit in die Gesammtaufstellung als besonders zu bestimmende Thiere aufnehmen wollte. Da es sich aber doch nur um die er- wachsenen Thiere handelt, und jetzt jeder leicht sehen kann ob er ein erwachsenes Gamasus-Männchen oder Weib- chen vor sich hat, so ist gar kein Zweifel, dass man diese erwachsenen Thiere nach einem für die Entwicklungsge- schichte so wichtigen Moment wird classifieiren können, und es wird ein Gamasus, der im erwachsenen Zustande noch einen getheilten Rückenschild hat, in gewissem Sinne tiefer stehen als ein Gamasus, der in seiner letzten Häutung dieses Larvenmerkmal überwunden hat, und eine andere Stufe der Ausbildung erreichte. Es wird uns von der Natur gewissermassen selbst geboten, was ich hier zur Classification der Gamasus-Arten benutze, nämlich erstens, um den Ga- masus überhaupt in seine Familie einzuordnen, das Vor- handensein von Tracheen, obwohl er in seinem Jugendstadium noch keine hat; dies gilt für alle Gamasus-Arten; und nun das ungetheilte oder anderseits das getheilte Rückenschild, obwohl die erste Abtheilung noch im Larvenstadium ein getheiltes Rückenschild führt. Es ordnet sich bei solchem Verfahren auch ein sonst schwieriger Fall leicht unter, . nämlich wenn, wie bei G. cervus mihi, der Rückenschild in zwei nur durch eine schmale Brücke zusammenhängende Felder zerfallen ist. Diese Form bildet gewissermassen einen Uebergang zwischen den beiden regelrechten Ersehei- nungsweisen. 641 Auch noch ein andres Beispiel für ein nach denselben Gesichtspunkten gewähltes Eintheilungsmoment darf ich hier anführen. Die Pteroptus bringen bekanntlich Larven mit acht Füssen zur Welt. Wir haben hier eine Abkürzung, wenn man so will des Larvenstadiums, indem die erste Häutung, der die Gamasiden für gewöhnlich unterworfen sind, ausgefallen ist. Ich nehme diese Erscheinung als obersten Grundzug der Classification der gesammten Familie der Gamasiden und theile sie I. in Gamasiden, deren erste Larven achtfüssig sind: Pteroptus, und II. in Gamasiden, deren erste Larven sechsfüssig sind: Uropoda, Trachynotus Dermanyssus, Sejus, Gamasus, (Nicoletia!). Die Gelegenheit benutze ich um zugleich die weitere Gruppirung nach möglichst natürlichen Gesichtspunkten zu notiren. Ich trenne die Gruppe II nach der Art und Weise wie sieh der Dorsalpanzer bildet und der Lage des Capitulum in eine erste Abtheilung, die Uropodina, bei denen der Dorsalpanzer aus vier Elementarplatten entsteht und in eine zweite die Gamasina, bei denen er aus nur zwei Elementar- platten gebildet wird. Die Uropodina umfassen die Gattungen Uropoda de Geer und Trachynotus Kram., die Gamesina die Gattungen Sejus Koch Gamasus L. und Dermanyssus Dug. Die Gattung Uropoda de Geer und die andere Gamasus müssen wegen bemerkenswerther Unterschiede der dahin gehörigen Thiere wieder je in zwei Schichten zerfallen. Uropoda enthält Arten, welche an den vorderen Füssen keine Krallen und Haftlappen führen und solche, welche diese Organe in starker Entwickelung besitzen. Die Gattung Gamasus wird nun nach den obern ausgeführten Gesichts- punkten in Gamasus-Arten mit ungetheiltem Rückenschild und solche mit getheiltem Rückenschild zerlegt. Die, wie 1) Diese von Prof. Canestini eingeführte Gattung ist meinem Ur- theil nach noch nicht sicher gestellt, da die Verhandlungen mit Prof. Canestrini darüber noch nicht abgeschlossen sind. 642 mir scheint, bis heute noch am meisten natürliche Classi- fieation der Gamasidae wird demnach in folgender Tabelle ihren Ausdruck finden: Gamasidae. i 1, Erste Larve achtfüssig.. . . . . ; Pieroptina 1. Pteroptus L. Duf. II. | Erste Larve sechsfüsig . . RZ 2. Dorsalpanzer aus vier Element ae zusammensetzend.. Capitulum vom Rücken- panzer völlig verdeckt. Männliche Geschlechts- öffnung in der Fläche der Sternalplatte Uropodina II. a) Bauchfläche mit Fussgruben Uropodus!) de Geer b) Bauchfläche ohne Fussgrube Trachynotus Kram. Dorsalpanzer aus zwei Elementarplatten sich zusammensetzend. Capitulum über denRücken- panzer hervorragend . . . . .. Gamasina II. a) Männliche Geschlecht aa der Fläche der Sternalplatte . . . . . Sejus Koch. b) Männliche Geschlechtsöffnung, vor de Sternalplatte mündend. «& Mandibeln in beiden Geschlechtern gleichartig . . . . Gamasus?) L. 8 Mandibeln beim Welheha stehend, beim Männchen scheerenförmig Dermanyssus Dug. 1) Die Gattung Uropoda zerfällt in die beiden Tribus: Uropoden ohne Krallen und ohne Haftnäpfe am ersten Fusspaar; Uropoden mit Krallen und Haftnäpfen am ersten Fusspaar. 2) Die Gattung Gamasus zerfällt in mehrere Tribus nach der Bildung des Rückenschildes. Halle a. S., im October 1881. ) 1881. Correspondenzblatt VI. des | Naturwissenschaftlichen Vereines für die Provinz Sachsen und Thüringen in Halle. Sitzung am 3. November. Anwesend sind 20 Mitglieder. Eingelaufen sind 31 Gesellschaftsschriften. . Atlas der Diatomaceen-Kunde von Schmidt, Aschersleben. Heft 17 u. 18. . Annuario della Societa dei Naturalisti m Modena, 1881. . Mittheilungen d. Naturf. Gesellschaft in Bern, 1881. Heft I. Nr. 1004—1017. Bericht (zwanzigster) Oberhess. Gesell. f. Natur- u. Heilkunde. Giessen 1881. . Achtundfünfzigster Jahresbericht d. Schles. Gesell. f. vater- ländische Cultur im Jahre 1880. Breslau 1881. . Verhandlungen d. Naturhistorischen Vereines f. Rheinland- Westfalen 37. u. 38. Jahrgang. 4. Folge. 7. u. 8. Jahrg. Bonn, 1881. Smithsonian Miscellaneous Colleetions. Vol. 18, 19, 20, 21. Washington 1831. . Publications de [Institut voy. Grand-Duch. Luxembourg 1881. (Section des Sciences Naturelles). Tome 18. . Sitzungsberichte math.-physik. Classe Academie d. Wissen- schaft. München 1881. Heft 4. . Comitato Geologico d’Italia, Bonn 1881. Bolletino 5, 6, 7, 8. . Proceedings of the Roy. Society. Vol. 206—213. . Zeitschrift d. Physik im Jahre 1875 d. physikalischen Ge- sellschaft zu Berlin von Prof. Neesen, Jahrg. 31. 1. Abtheilung. Berlin 1879. . Zeitschrift der deutschen geologisch. Gesell. Berlin 1881. Band 33. Heft 2. April—Juni 1881. 644 Annual Report of the Smithsonian Institution. Jear 1879. Washington 1880. 15. Jahresschrift d. Naturforsch. Gesell. Zürich, Jahr 1879 u. 80. 16. Correspondenz-Blatt des zoolog. ee loesiaken Vereines in Regensburg. Jahrgang 34. Regensburg 1880. 17. Landwirthschaftl. Versuchs-Station von Nobbe. Band 27. Heft 2. Berlin 1881. 18. Berichte über die Verhandl. der Kgl. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig, mathematisch-physische Classe. 1880. Nr. I u. II mit zwei Tafeln, Leipzig 1831. 19. Jahresbericht der fürstl. Jablonowski’schen Gesellschaft. Leipzig 1831. 20. Monatsberichte der Kgl. Preuss. Academie der Wissenschaften zu Berlin. April und Mai 1881. Mit 2 Tafeln. 21. Verhandlungen des Naturwissenschaftl. Vereins in Carlsruhe, Heft 8. Mit 2 Tafeln. Carlsruhe 1881. 22. Zoologischer Garten von Noll. Jahrg. 22. Heft 5 u. 6. Frank- furt 1881. 23. Verhandl. der Schweizerischen Naturforscher - Gesellschaft in Brieg. 13., 14. u. 15. Sept. 1880. Jahresversammlung 63; Jahresbericht 1879, 80. Lausanne 1881. 24. Jahresbericht des physikalischen Vereins in Frankfurt a. M, Rechnungsjahr 1879 u. 80. Frankfurt. 25. Archives des Sciences Naturelles de la Societe Helvetique reunie & Brigue. Sept. 1880. Geneve 1880. 26. Memoirs of the Peabody Academy of Science. Volume 1, Number 5 u. 6, Salem. Mass. 1881. 27. Um die Erde, Reisebericht von Dr. Kuntze. Leipzig 1881. 28. Ursache der Phosphoreszenz von Dr. Dreher. Gaedicke. 29. Sitzungsberichte der Academie der Wissenschaften. Mathe- matisch-Naturwissenschaftliche Klasse. Band 82 u. 83. Heft 1 bis 5. Jahrgang 1880 u. 81. Wien 1881. 30. Almanach d. Kaiserl. Academie d. Wissensch. Jahrgang 31. Wien 1881. 31, Bulletin de la Sosiete erroe des Naturalistes.. Anne 1881. Nr. 1. Moscou 1881 Zur Aufnahme angemeldet werden 14 Herr Dr. Pressler, Neyde und „ Dr. Schmidt durch die Herren Prof. v. Fritsch, Prof. Schmidt und Dr. Luedecke. Herr Dr. Liebscher schildert sodann die Reiss-, Agaricus- und Gensing- Cultur Japans unter Vorlegung der betreffenden Pflanzen in verschiedenen Altersstufen und knüpft hieran Pause N 645 Bemerkungen über japanesische Lackarbeiten. Hierauf legt Herr Prof. Dr. E. Schmidt Petroleumproben von Pennsylvanien, Oel- _ heim, Lüneburg und Schwabweiler vor, Herr Dr. Luedecke be- spricht sodann zwei neue Methoden, den Brechungsexponenten in den Krystallen zu bestimmen, und führt die betreffenden Ver- suche auf dem Babinet’schen Goniometer aus. Es kommt häufig bei rhombischen Krystallen der Fall vor, dass man zur Bestimmung der Brechungsexponenten Prismen verwendet, deren eine Fläche ein Pinakoid ist, während die andere eine unter 30—40° ge- neigte Domen- oder Säulenflächen ist; letztere lassen sich auch leichter in der erforderlichen Weise anschleifen als 2 Prismen- flächen, welche symmetrisch eine Symmetrieebene einschliessen. Man ist dann gezwungen, dieses Pinakoid senkrecht zum Colli- mator zu stellen. Der Vortragende visirte, um dies zu bewerk- stelligen, nachdem das Prisma auf dem Babinet’schen (Fuess’sche Construetion) Goniometer eingestellt war, mit dem Fernrohr direct den Spalt an, und las die Stellung des Simpus zum Nonius ab (»); stellte hierauf das Prisma so, dass die Pinakoidfläche ein deutliches Bild des Spalts in das Fernrohr reflectirte und las wieder ab (m). Aus den Reflexionsgesetzen folgt dann, wie man sich leicht mittelst einer Handzeichnung klar machen kann, dass (m —n) man dann das Pinakoid um 90 — in der Richtung des Uhrzeigers bei gleich getheilten Kreise drehen muss, wenn es auf dem Collimator senkrecht stehen soll. Auf diese Art wurden die Brechungsexponenten des salz- sauren Lupinius von H. Scheibe bestimmt. Zum Schluss lest Herr Dr. Teuchert Niekelmetall in duetilem Zustande vor. Sitzung am 10. November. Anwesend sind 12 Mitglieder. Ausliegende eingegangene Gesellschaftssehriften : 1. Verhandlungen und Mittheilungen d. Siebenbürg’schen Vereines f. Naturwissenschaften in Hermannstadt. 2. IX. Jahresbericht des Westfäl’schen Provinzialvereines für Wissenschaft und Kunst, pro 1880. 3. Monatsbericht d. Königl. Preuss. Akademie d. Wissenschaften zu Berlin. Juni 1881. 4, Dijdschrift der Nederlandsche Tierkundige Vereenigung. Vijfde Deel. Als Mitglieder werden proclamirt die Herren: Dr. Pressler, Neyde und Dr. Schmidt. Zeitschr. f. d. ges. Naturwiss. Bd. LIV, 1881, 492 646 Herr Dr. Herzfeld sprieht über die Produkte der Einwirkung | von Diastase auf Stärke, speciell über Maltose und legt ein von ihm entdecktes Malto-Dextrin, sowie verschiedene Arten kıystalli- sirter Maltose, auch einige Salze derselben, vor. Herr Ob.-Ingenieur Beeg berichtet über eine Maschine zur Erzeugung gekühlter Luft, dadurch interessant, dass dieselbe nur durch die einfachste Anwendung der Theorie von der mechanischen Wärme ihren Zweck erreicht. Zum Schluss berichtet Herr Prof. von Fritsch über einige Beobachtungen, zu denen seine Aufnahmearbeiten für die K. geo- logische Landesanstalt Gelegenheit geboten hatten. Eine der kleinsten aber auch in ihrem Vorkommen interes- santesten Aufschlussstellen von Granit am Thüringer Walde ist durch die Schwarza in Steinbach-Hallenberg neben dem mittleren Buntsandstein entblösst. Der Granit, von einem Porphyrgange durchsetzt und gleich diesem von Quarzadern durchzogen, wird von einem Plagioklasgestein überlagert — dieses anscheinend durch Schiefer ete. des unteren Rothliegenden — während noch nicht ganz deutlich ist, ob der noch weiter nach Norden sich anschliessende Porphyr etwa durch eine der Verwerfung an der Grenze zwischen Granit und Buntsandstein (d. h. zwischen Gebirg und Vorbergen) nahezu gleichlaufende Verwerfung von jenem unteren, mit der Granitscholle mehr verknüpften System getrennt ist. Der Vortragende berichtete weiter über die Verwerfungsspalte am Südrande des Thüringer Waldes in jener Gegend, und über deren bisweilen bajonetförmig geknickten Verlauf, über die speciellen Verhältnisse an einigen Stellen derartiger Knicke, z. B. bei Bermbach, bei Benshausen, bei Breitenbach, bei Waldau, wo- bei er auch der Verwerfungen innerhalb des Gebirges und beson- ders der mit mächtigen Quarzseeretionen erfüllten Klüfte zwischen Mehlis und Steinbach-Hallenberg gedachte. An dem Verwerfungsrande des Waldes beobachtet man bei Benshausen die Zechsteinbildungen, am Dolmerli (neben dem aus Buntsandstein bestehenden Albrechtsberge, einer Vorhöhe des porphyrbedeckten Regenberges) enthält die untere Abtheilung des Zechsteines noch Gesteine, welche dem Kupferschiefer und dem eigentlichen Zechstein petrographisch gleichen, auch Camarophoria Schlotheimii führen, und an der Basis des mittleren Zechsteines tritt dort noch eine Bryozoen-Riffbildung auf, die sich auch noch bei der Ziegelei Altenfeld wahrnehmen lässt. Durch diese Ver- hältnisse schliesst sich der Benshauser Kalkstein mehr der nor- malen nordthüringischen Entwicklung des Zechsteines als der in der nahen Partie zwischen Rappelsdorf bei Schleusingen und Burg- grub an, wo längs einer (auch in ihrer Fortsetzung gegen Crock hin interessanten) Verwerfung die Formation aufgeschlossen ist. u ZErsed 647 Die Basaltvorkommnisse an der Steinsburg bei Szhl und am Feldstein unfern Themar liegen grösseren Verwerfungsspalten fern. Die Anordnung der Basaltsäulen, welche zur ursprünglichen Er- starrungs- und Abkühlungsfläche ungefähr senkrecht sind, zeigt an beiden Stellen sich als eine umgekehrt fächerförmige. Hieraus folgt, dass wir nur noch den unteren Theil der ehemaligen Lava- masse sehen, während der obere der Zerstörung durch die Atmo- sphärilien erlegen ist. Der Basalt der Steinsburg füllt eine etwas elliptisch gestaltete ungefähr 40m breite und 80 bis 100m lange . Vertiefung auf der Westseite der betr. Bergkuppe. Obwohl die - Genesis dieser Vertiefung nicht klar ist, kann man wohl an einen durch eine nachfolgende Eruption gefüllten Explosionskrater denken, oder an einen kleinen weiherartigen See, wie sie bisweilen auf dem Grunde von Buntsandsteinen vorkommen, in welchem ein Lavastrom sich gestaut hätte. . Der Basalt des Feldsteines besitzt durch eine anscheinend viel beträchtlichere Längenausdehnung in der Richtung N 45 '— 50° O und durch die ganze Gestaltung des Berges über dessen Kuppe der Basaltstreifen sich erstreckt, noch deutlicher den Charakter der liegenden Partie eines alten Lavastromes. Die jetzige Berghöhe stellt oben einen kleinen Theil des alten Thal- grundes zur Oligocän- oder Miocänzeit dar. Man hat beide besprochene Punkte für die Ausgangspunkte der basaltischen Eruptivbildungen gehalten. Der Vortragende. hebt hervor, dass in diesem und in vielen ähnlichen Fällen durch- aus keine Analogieen mit Ausgangspunkten von heissflüssigen Gesteinen bestehen. Sitzung Donnerstag den 24. November. Anwesend 20 Mitglieder. Einlauf: 1. Monatsbericht der Berliner Akademie, Juli- August 1881. 2. Bulletin de la soeiete vaudoise des sciences naturelles, I. Ser. V. XVII. N. 86. 3. Atti della r. aceademia dei Lincei 1881—2. Ser. II. Vol. VI. Fase. I: Herr Dr. Luedecke legt verschiedene seltene Gold-, Silber- und Diamantstufen vor, bespricht seltene Krystalle von Caleit _ von Andreasberg und zeigt einen schönen Krystall von Feuer- blende. Herr Prof. Schmidt legt sodann ein Wasserleitungsbleirohr vor, welches von den Ratten durchgefressen ist. Hieran an- knüpfend erwähnt Herr Lehrer Schaal einen ähnlichen Fall. In der Folge spricht Herr Prof. Schmidt über die synthetische Darstellung der Benzo&säure. 19% 648 Herr Liebscher legt sodann einige Kupferemailarheiten aus Japan vor und bespricht deren Fabrikationsweise. Herr Ober-Ingenieur Beeg berichtet sodann über ein durch die Dämpfe stark angegriffenes Dampfventil aus Bronce. Zum Schluss referirt Herr Privatdocent Dr. Baumert über das Verhalten des Bleies gegen Petroleum und Terpentinöl. Sitzung am 1. December. Anwesend 22 Mitglieder. Eingelaufene Schriften: . Bildung neuer Namen auf dem Gebiete der beschreibenden Naturwissenschaften von Dr. Rhode. | . Naturgeschiehte des Menschen von F‘. v. Hellwald. 7. u. 8. Lfg. Am Neste von Müller. Berlin. . Theoretische Hydrodynamik von ua Be Vieweg u. Sohn. Rundschau der Pharmazie. . Bewegungsvermögen der Pflanzen von Wieser. Wien 1881. . Elemente der Anatomie von J. Wiesner. Wien. Hölder. er Pr So ho a Sn Di von J. Weise. Berlin. Nicolai 1882. . Mittheilungen der naturforschenden Gesellschaft in Bern. 1881. I. 1004—1017. (de) 10. Bronn’s Klassen und Ordnungen des Thierreichs. VI. VI. Reptilien. Leipzig u. Heidelberg, Winter. 11. Der Thee von Jul. Löwenstein. Berlin. Sauvage. 12. Monatsbericht der kgl. preuss. Akademie der Wissenschaften. Sept.-Oct. 1881. Berlin. 13. Neue Denkschriften der allgemeinen schweizerischen Gesell- schaft f. d. gesammten Naturwissenschaften. XXVII. I. Zur Aufnahme werden angemeldet: Herr Albert und „ v. Schlechtendahl durch H. Prof. v. Fritsch, Prof. Schmidt und Dr. Teuchert. Hr. Prof. Taschenberg referirt wie folgt: Von den in den 40er Jahren durch Erichson begonnenen, nach längerer Unter- brechung von den auch bereits verstorbenen Entomologen Schaum, v. Kiesenwetter und dem noch thätigen Dr. Kraatz fortge- setzten Werke ‚‚Naturgeschichte der Insekten Deutschlands“, bisher nur auf die Käfer ausgedehnt, liegt uns jetzt das erste Heft vom 6. Bande in einer Bearbeitung von J. Weise vor. Dasselbe behandelt in der gründlichen Art der voraufgehenden Bände die Gruppen der Sagrini, Donaciini, Criocerini, Clytrini und einen Theil der, Cryptocephalini, mit 31 Arten. Obschon . Naturgeschichte der Insekten Deutschlands. I. Coleopteren 649 immer noch ein ansehnlicher Theil der Blattkäfer ‚ namentlich _ mit der schwierigen Gruppe der Haltieini übrig bleibt, so dürfte ‚doeh Aussicht vorhanden sein, in nicht allzulanger Frist das Ganze beendigt zu sehen und würde dann den deutschen Coleop- terologen ein klassisches Werk vorliegen, in welchem drei der tüchtigsten Entomologen gearbeitet haben, ohne dass es ihnen beschieden wurde, dessen Vollendung zu erleben. Dr. Schroeder berichtet kurz über die von dem K. Venetia- nischen Institute der Wissenschaften ete. gekrönte Preisschrift: „Die theoretische Hydrodynamik. Nach. dem Gange ihrer Ent- wicklung in der neuesten Zeit in Kürze dargestellt von Dr. Felix Auerbach, Privatdocenten an der Universität zu Breslau“. — Braunsehweig, F. Vieweg u. Sohn. 1881. Die Schrift gewährt demjenigen, welcher beginnt sich mit der mathematischen Theorie der Bewegung der tropfbaren Flüssig- keiten zu beschäftigen, eine vollständige Litteraturangabe und klare Einleitung; ein Handbuch will sie selbstverständlich nicht sein. Demjenigen aber, welcher mit den Hauptuntersuchungen von Stokes und Maxwell, Dirichlet und Clebsch, Helmholtz und Kirchhoff schon vertraut ist, bereitet die Leetüre dieser Preis- arbeit einen hohen Genuss dadurch, dass der Verfasser es ver- standen hat, die zerstreuten Untersuchungen der einzelnen Forscher zu einem organischen Ganzen zu verschmelzen und so in einem Gusse seine Wissenschaft darzustellen. Es kann daher das Buch namentlich auch als ein Repetitorium der Hydrodynamik auf das Beste empfohlen werden. Herr Prof. Dr. Kirchner spricht über die im landwirth- schaftlichen Thiergarten erfolgte Geburt von Gayalkälbern und der Vorsitzende Herr Prof. Dr. v. Fritsch über den in tüchtigem Fortschritte begriffenen Brandleitetunnel in der Nähe von Ober- hof. Von dem vormaligen Langebachsteiche bei Gehlberg wird dieser Tunnel in ungefähr ostwestlicher Richtung das Thüringerwald- gebirge nach dem Lubenbachthale bei Zelle hin durchschneiden, etwa 31/, km lang werden und unter der Höhe der Brandleite ungefähr 230 bis 240m liegen. Der westliche Eingang befindet sich nahe dem schönen Porphyrfelsen des Bärensteines. Es werden gegenwärtig zwei Bohrmethoden in Anwendung gebracht, die gewissermassen mit einander eoneurriren sollen. Auf der Westseite wird mittelst cömprimirter Luft gebohrt, auf der Ost- seite arbeitet man mit Brandt’schen Bohrmaschinen, welche durch Wasser, das unter hohem Drucke steht, die Maschine festklemmen, die Bohrer vorwärts drücken, umdrehen und das Bohrloch be- ständig ausspülen. Dabei geht die Arbeit so schnell von Statten, dass in wenigen Minuten in den Schiefern des Rothliegenden während der Anwesenheit des Vortragenden die Bohrlöcher um 50em vorrückten. 650 Man hoffte auf der Ostseite durch einen dohnlägig vom Schnabel- bachsgrunde nach der Tunnelaxe getriebenen Schacht die Arbeit beschleunigen zu können, indess ist in Folge ungeheuren Wasser- dranges dieser Seitenschacht ersoffen und man hat auf dessen Grunde eine der theuren Brandt’schen Bohrmaschinen‘ preisgegeben. Durch die Arbeiten am Tunnel und die Vorarbeiten dazu sind die geognostischen Aufnahmen des Vortragenden einer scharfen Controle unterworfen. Was die Gebirgsoberfläche betrifft, so hat die Wegräumung des an manchen Stellen über 10m mächtig lagernden Schuttes an den jetzt näher untersuchten meist in der Tunnelriehtung gelegenen Partieen nur unbedeutende Ab- weichungen von den früheren Aufnahmen gezeigt, und zwar dar- gelegt, dass im Schnabelbachsthale die Porphyrlage, welche über dem Conglomerate des Rothliegenden vorhanden ist, in einfacher Weise das Thal überschreitet. Früher hatte der massenhafte Schutt zur Annahme complieirter Lagerungsstörungen verleitet. Im Tunnel ist bis jetzt auf der Ostseite, wie zu erwarten war, eine sehr gleichmässige Lagerung des Rothliegenden, auch unter jenem vorerwähnten Porphyr, beobachtet worden. Auf der Westseite dagegen hat man, nachdem der Porphyr der Tunnel- mündung und das Rothliegende, das am Fusse des Bärensteines fast söhlig lagert, durchbrochen waren, früher als es nach den Verhältnissen der Oberfläche zu erwarten war, den Porphyr des Bärensteins getroffen, es liegt also eine der Verwerfungen noch weiter westlich als zu vermuthen stand. Mehrere beträchtliche Verwerfungen, von denen eine oder die andere erhebliche Wasser- mengen bringen wird, stehen unter der Brandleite zu erwarten; doch werden der Wahrscheinlichkeit nach die Sedimente des Rothliegenden in der Tiefe ebenso die herrschenden Gesteine bleiben, wie es auf der Oberfläche der Brandleite-Porphyr ist. Nur wenige der Porphyrgussmassen jener Gegend haben ja Mächtig- keiten von 100m und mehr, selbst am Beerberge etc. hängt die grosse Oberflächenverbreitung und scheinbar grosse Mächtigkeit des Porphyrs mit den Verwerfungen und z. Th. mit der Neigung der Schichten zusammen zwischen denen die Porphyrergüsse liegen. Alsdann legt Herr Prof. Dr. Taschenberg Rüben vor, welche von der Raupe der Wintersaateule befallen sind. Zum Schluss spricht Herr Bosetti über die Existenz des Phosphorigsäureanhydrids. Während man bisher als eine sicher stehende Thatsache, die auch in allen Lehrbüchern angeführt wird, betrachtete, dass das Produkt der Verbrennung des Phos- phors bei mangelndem Luftzutritt, das Phosphortrioxyd, das Anhydrid der Phosphorigen Säure sei und demgemäss auch ‚beim Zusammenbringen mit Wasser nach der Gleichung: P203+3H20=2H3PO3 651 Phosphorige Säure liefere, hat vor Kurzem B. Reinitzer gefun- den, dass allerdings bei diesem Vorgange Phosphorige Säure neben anderen Säuren gebildet wird, dass aber das Hauptreak- tionsprodukt, unter geeigneten Vorsichtsmassregeln erzeugt, nicht obige Säure, sondern ein Körper sei, dem die Eigenschaften eines Colloides zukommen. Es gelingt mittelst der Dialyse den- selben im reinen Zustande in Form einer intensiv goldgelben Lösung darzustellen; eine solche Lösung zeigt vollkommen neutrale Reaktion, kann nach der Verdünnung gekocht werden, ohne zu coaguliren, coagulirt jedoch sofort auf Zusatz einer Säure oder Salz- lösung, besitzt demnach alle Eigenschaften eines Colloids. Es dürfte nach dieser Entdeckung der Name ‚„Phosphorige Säure“ für das Phosphortrioxyd wohl zu streichen sein. Sitzung am 8. December 1831. Anwesend sind 22 Mitglieder. Einlauf: Linnaea Bd. XVII. 3 u. 4. Als neue Mitglieder werden proklamirt: Herr Stud. Albert, Karlstrasse 36 und Herr v. Schlechtendahl, als neues Mitglied wird Herr Kaufmann Goette von hier durch die Herren v. Fritsch, Teuchert und Luedecke vor- geschlagen. In der Folge spricht Herr Dr. Teuchert über das massen- hafte Vorkommen Monas protigiosa auf Wäsche; der Vortragende erinnert gleichzeitig an das früher in unserm Verein durch Kohl- mann vorgelegte Vorkommen. Herr Dr. Rey hat früher dasselbe massenhafte Erscheinen von Monas prodigiosa auf Semmel, Mehl und Stärke beobachte. An ähnliche Vorkommnisse auf Stärke erinnert hier auch der Herr Geheimrath Dunker. Der Vorsitzende Herr Prof. v. Fritsch legt sodann ein Exemplar von Pentacrinus caput Medusae aus der Nähe von Guade- loupe vor, das von den englischen Tiefsee- Untersuchungen her- rührt, und von Mr. Damon in Weymouth bezogen wurde; zur Vergleichung wurde ein gut erhaltenes Stück von Pentacrinus subangularis aus den Liasschiefern von Boll in Schwaben mit vorgezeigt. Einige Bemerkungen über lebende und fossile Crino- iden überhaupt schlossen sich an. Am 14. December zeigte Herr Prof. von Fritsch eine Anzahl sumatranscher Kohlenkalkfossilien vor, welche Herr Geh. Rath Prof. Dr. F. Römer bei seiner Beschreibung der betr. Fauna mit gedient hatten und welche derselbe dem hiesigen Museum s. Z. überwiesen hat. Zur Vergleichung des Gesteinsmaterials waren 652 auch einige von Prof. Rein gesammelte japanesische: ohlenkalk- stücken von Akasaka in Mino ete. mitgebracht worden, die leider ausser Crinoiden-Stielgliedern und Fusulinen Nichts von Orga- nismen zeigen. Auch wurden über weitere ostasiatische Vor- kommnisse von Kohlenkalk noch einige Notizen beigefügt, und nochmals bemerkt, dass nach Fraas’ Mittheilung des am 10. März 1881 hier vorgezeigte Stück Kohlenkalk jedenfalls nieht vom Fusse des Libanon bei Beirut stammt. Sitzung am 14. December 1831. Anwesend sind 18 Mitglieder. Als neues Mitglied wird. : Herr Goette, Kaufmann von.hier, proklamirt. Herr Geheimrath Duneker spricht sodann über das Baer’sche Gesetz (ein Aufsatz von demselben wird im I. Heft dieser Zeit- schrift 1882 erscheinen). Herr von Schlechtendahl spricht sodann über Eichengallen und legt eine grosse Reihe schöner Präparate von einheimischen und ausländischen vor. In der Folge bespricht sodann Herr Dr. Baumert „die Bildung neuer Namen auf dem Gebiete der beschreibenden Naturwissen- schaften von Dr. Rhode“ und legt eine Tabelle der chemischen Elemente vor. Verfasser hat sich der dankenswerthen Aufgabe unterzogen, zu zeigen, wie eine Reihe von Namen, die in den beschreibenden Naturwissenschaften heute gebräuchlich sind, entstanden und wie wunderbare Umwandlungen bisweilen ein Name zu erfahren hatte, ehe er uns in der gegenwärtigen Form entgegentreten konnte. Vorliegende Schrift ist somit eine historische Onomatologie oder eine Geschichte der naturwissenschaftlichen Nomenelatur. Die Arbeit geht von dem Erfahrungssatz aus, dass der Mensch nur dann Veranlassung findet einen Naturgegenstand zu benennen, wenn derselbe entweder durch eine auffallende Eigen- schaft die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, oder wenn er zu den Bedürfnissen des Menschen in Beziehung tritt. Daher erweitert sich der Kreis der Namen mit steigender Cultur mehr und mehr. Die Römer haben sich weniger durch selbstständige Forsch- ungen als durch Bereicherung der Terminologie (Plinius) um die Naturwissenschaften verdient gemacht. Rom’s Sprache wurde die aller Gelehrten, die Nomenelatur ist daher lateinisch geworden und geblieben. Linne war es vorbehalten, das im Laufe der Jahrhunderte aufgespeicherte Material systematisch zu ordnen. Er hat aber auch die Terminologie bereichert und Regeln zur 653 Bildung neuer Namen gegeben. „Neu“ nennt Verf. diejenigen Namen, die zwar im latein. und griech. Gewande erscheinen, aber erst zu einer Zeit entstanden sind, wo Latein und Griechisch keine lebenden Sprachen mehr waren. i Als für die Neubildung von Namen massgebende Gesiehts- punkte werden folgende genannt: | Beispiele aus der Zoologie. | Botanik. | Mineralogie. 1. Nachahmung des Schalles. 2. Bewegung, Thä- tigkeit. 3. Nahrung; die mit Rücksicht hierauf gebildeten Namen tragen die Endung vorax (vorare, ver- schlingen) oder — phagus (payeiv, fressen). 4. Gestalt; die mi- neralogischen Na- men tragen die End- ungen it (izns) und lith (A2$os) Stein, 5. Farbe oder Zeich- nung. 6. Verwendung; botanische Namen haben sehr häufig das Beiwort offi- einalis, 7, Heimath, Fundort. Bombus die Hummel (Boußos der dumpfe Ton). | | chersobatae die auf | das feste Land | (x2o00s) gehenden | | (Beivo) Fische. | | | Carnivora (earo Fleisch vorare verschlingen). Melophagus die Zecke (un4ov Schaf) | (payeiv fressen). | | Quadrumana Umbellifiorae Pyrit Feuer- Affen Doldenblüthler stein, (quatuor vier, |(umbella Dolde, (zöo Feuer) manus Hand). flos Blume). | Sphaerolith (opeio« Kugel, At$os Stein. Melanosomata |Chrysanthemum | Haimatit Schwarzflügler. (xovoos Gold, ! Rotheisen- (utlavos schwarz, |avdsuovBlume).! _stein cou« Körper). | (eiue Blut), cocceinella septem- | punctata | mit 7 Punkten, Tetrao bonasia |Salvia offeinalis Haselhuhn, Salbei für arze- (nach Leunis: bona |neilicheZwecke. assa gute Braten). Arctomys Ludo- Parnassia | Strontianit vicianus das bei | auf dem Berge | das bei der St. Louis, d. h. in Parnass ‚Stadt Stron- der Prärie lebende wachsend. .tian sich find- ende Mineral. Murmelthier. | Chrysomela populi | Pappelblattkäfer. GB Beispiele aus der | Zoologie. | Botanik. i Mineralogie. 8. Uebertragungen! Stentor seniculus Atropa bella- | _ aus der Mythologie. Brüllaffe donna Toll- - (Stentor der be- kirsche Irühmte Ausrufer im | Atropos die den griechischen Heere). (ebensfaden ab- | Lschneidende Schicksals- | göttin). 9. Personennamen| = Fuchsia | Gathit zu Ehren des Ent- (Prof. Fuchs in | Franelinit. deckers etc. | ı Tübingen | | + 1568). Eine Reihe von Namen, die unerklärlich sind, wenn man nicht die bei ihrer Bildung mitwirkenden Zufälligkeiten kennt, sind nach Ansicht des Verf. zu vermeiden z. B. Aeschynit (wioyvvo be- schämen), weil man die Titanerde zur Zeit der Aufindung dieses Minerals noch nicht von der Zirkonerde zu trennen wusste. Ohne auf den reichen Inhalt der Schrift weiter einzugehen, hebe ich nur noch ein Beispiel wunderbarer Umwandlung eines Namens im Munde verschiedener Völker hervor. Die armenische Pflaume pruna armeniaca erhielt. wegen ihrer Frühreife von den Römern den Beinamen praecosa; daraus machten die Griechen mgu1x0xz10v die Araber od-bergüg die Italiener albercoeco die Spanier albaricoque die Franzosen abrieot die Deutschen Apricose. Ich glaube indessen, dass sich das Wort Apricose viel ein- facher aus dem Lateinischen aprieus ableiten lässt. Verf. kommt am Schluss seiner Abhandlung zu dem Resultat, dass die naturwissenschaftliche Nomenelatur im Allgemeinen besser ist als ihr Ruf; dass ihr aber trotzdem eine Reinigung von Bezeichnungen, die dem Philologen ein Gegenstand des Spottes sind, durchaus nicht schaden könne. Diese, vielleicht von Seiten einer Academie zu veranlassende, Revision der naturwissenschaft- liehen Namenclatur werde nur von einer vereinigten philologisch- naturwissenschaftlichen Commission erfolgreich durchgeführt werden können. 8o wünschenswerth auch eine derartige Revision ist, glaube ich doch, dass dieselbe noch lange ein frommer Wunsch bleiben wird. Es ist nicht meine Absicht gewesen den Inhalt dieser räum- lieh kleinen aber gehaltvollen Schrift Rhode’s erschöpfend mitzu- theilen. Vielmehr glaubte ich durch Hervorhebung einiger Punkte ein allgemeineres Interesse für den Gegenstand erwecken zu können, der, dem Grenzgebiete der Sprach- und Naturforschung ange- hörend, in der vorliegenden Bearbeitung nicht nur den Speeial- selehrten, die übrigens in der Synopsis von Leunis ein specielleres Werk dieser Art besitzen, willkommen sein, sondern auch für die ferner stehenden Freunde jener Wissenszweige eine lehrreiche Lectüre bilden wird. Herr Realschullehrer Dr. Schroeder referirt sodann über ein Büchelehen von H. Müller, betitelt „am Neste‘‘; dasselbe enthält sehr werthvolle Notizen über die Zucht der Stubenvögel, deren Familienleben in sehr anmuthiger Weise geschildert wird. Zum Schluss berichtet Herr Dr. Liebscher über Analysen von Ackerboden aus Japan. An die Vorträge des Herrn Dr. Baumert und Dr. Liebscher knüpfte sich eine zum Theil sehr interessante Besprechung der vor- liegenden Gegenstände, an welcher sich Herr Prof. v. Fritsch, Herr Dr. Teuchert und der Schriftführer betheiligten. Halle, Gebauer-Schwetschke’sche Buchdruckerei. Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn in Braunschweig. (Zu beziehen durch jede Buchhandlung.) _ Tabellarische Uebersicht der Mineralien nach ihren krystallographisch - chemischen Beziehungen geordnet von P. Groth. Zweite, vollständig neu bearbeitete Auflage. 4. geh. Preis 6 Mark 80 Pf, Müller-Pouillet’s hehrineh der Physik und Mpieorolorie. Achte umgearbeitete und vermehrte Auflage bearbeitet von Dr. Leop. Pfaundler, Professor der Physik an der Universität Innsbruck. In drei Bänden. Mit gegen 2000 in den Text eingedruckten Holzstichen, Tafeln, zum Theil in Farbendruck, und einer Photographie. gr. 8. geh. Preis 39 Mark. Verlag von PAUL PAREY in Berlin. Amtliche Berichte über die internationale Fischerei-Ausstellung zu Berlin 1880. Ein starker Band in Lex.-Octav,. Mit 323 Holzschn, Pr. 26 M. Daraus apart: I. Fischzucht von M. von demBorne, H. Haack, K. Michaelis. Mit 39 Holz- schnitten. Preis 3 M. II. Seefischerei von Dr. M. Lindeman. Mit 162 Holzschnitten. Preis8M. III. Süsswasserfischerei von Dr. A. Metzger. Mit Holzschnitten. Preis 4M. . IV. Wasserthiere und Fischereiprodukte von Dr. H.Dohrn. Preis3M. V. Wissenschaftliche Abtheilung von J. Asmus, E. Feiedel, Dr. O0. Hermes, Dr. F. Holdefleiss, Dr. P. Magnus, Dr. E. Thorner, Dr. L. Wittmack. Mit 101 Holzschnitten. Preis 8 M. Zu beziehen durch jede Buchhandlung. nn Verlag von PAUL PAREY in Berlin. % x Soeben erschien: Botanische Wandtafeln | IL.Kny. Professor in Berlin. V, Abtheilung. XLI—XLIV. Taf. Entwickelung von Claviceps purpurea (Fries.). XLV— XLVIl. Taf. Entwickelung von Botrydium sranulatum (L.). IL. Taf. Querschnitt durch ein Leitbündel mit zweigetheiltem Weichbaste aus dem mittleren Theile eines Blattstieles von Chamaerops humilis L. L. Taf. Redueirtes Leitbündel aus dem Stamme von Elodea canadensis (Rich. u. Michx.) im Querschnitt. 10 in Farbendruck ausgeführte Tafeln auf stärkstem Carton- papier im Format von 69 Centimeter Höhe und 85 Centi- meter Breite, nebst einem Hefte Text. Preis in Mappe 30 Mark. — -- nn ne u Zu beziehen durch jede Buchhandlung. Te — Ih 7 Ar. A, Halle, Gebauer-Schwetschke’sche-Buchdruckerei, um y j \ 1 b W | | L | 1 $df al = 6 aıayasytez mi ( zEEFEr 227