PRO SCIENT/ I a A SS ——nn N \ — 3 7a - 2 = [ BURN >| > g = \ 14 PN y un » f ee) N Ls = a 1 [14 Er \ i fo KS — = f = : N NN \ TEE 7 Ke : eee eet] Saat a 7 ö ! Pa hy N IND STRAY R j f I ) t A 7 fi ' ! 1 ' au ! A i ee pre if ea LS ar), \ j a ir [ 4 Lie Di JE A Rt ve 4 u ai’ d 1 te Ag h ‘ ß if Kun tor eis Ar > i) { i 55 ‘ a Lie yf IR; ry ZEITSCHRIFT INDUKTIVE ABSTAMMUNGS- UND VERERBUNGSLEHRE HERAUSGEGEBEN VON C. CORRENS (teiezic), V. HAECKER (stutteart). G. STEINMANN (eon), R. v. WETTSTEIN wien) REDIGIERT VON E. BAUR (erwin) I. Band 1908/09 LIBRARY NEW YORK BOTANICAL =. GARDEN. BERLIN VERLAG VON GEBRUDER BORNTRAEGER SW Il GROSSBEERENSTRASSE 9 1909 BAND | HEFT 1/2 SEPTEMBER 1908 ZEITSCHRIFT INDUKTIVE ABSTAMMUNGS- VERERBUNGSLEHRE HERAUSGEGEBEN VON C. CORRENS «sırzic), V. HAECKER (stutter), G. STEINMANN (sonn), R. v. WETTSTEIN wien) REDIGIERT VON E. BAUR (serLim BERLIN VERLAG VON GEBRÜDER BORNTRAEGER SW ii GROSSBEERENSTRASSE 9 1908 Uber Vererbungsgesetze. es = ä Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin SW 11 Großbeerenstraße 9 Neue Erscheinungen: Die Bestimmung und Vererbung des Geschlechtes nach neuen Versuchen mit höheren Pflanzen yon Professor Dr. C. Correns. Mit neun Textabbildungen 88 Seiten Großoktav. Geheftet 1 Mk. 50 Pfe. aera Der Verfasser bestimmt auf einem völlig neuen Wege experimentell 5, die Geschlechtstendenz der Keimzellen vor. ihrer Vereinigung und zeigt, dass die : definitive Entscheidung über das Geschlecht der Nachkommenschaft erst bei der 5 Befruchtung fällt. Diese Ergebnisse werden dann mit den wichtigsten heute — herrschenden Ansichten verglichen. et Vortrag gehalten in der gemeinschaftlielhien Sitzung der natur- In et a wissenschaftlichen und der. medizinischen Hauptgruppe der en ¢. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Meran - - am. 27. September 1905 von Prof. Dr. C. Correns. Mit vier zum = Teil farbigen Abbildungen. Preis kartonniert 1 Mk. 50 Pfe, 5 Im Mittelpunkt des. Vortrages stehen die drei von Mendel entdeckten Gesetzmässigkeiten. die Prävalenzregel, die Spaltungsregel und das Gesetz vonder _ Selbständigkeit der Merkmale. Daran. schliessen sich einige ganz einfache, durch Tafeln illustrierte Beispiele, an denen das Zusanmenwirken der drei Gesetze EN und ihre Ableitung gezeigt werden kann, ferner ein Hinweis auf kompliziertere Fälle und eine Anzahl naheliegender Fragen: so die nichispaltenden Bastar der Gültigkeitsbereich der Spaltungsregei, die Anwendung auf den Menschen. Voraus gehen einleitende Bemerkungen über die Abgrenzung des zu behandelnden "Gebietes: auf die Übertragung: der elterlichen Merkmale auf die Nachkommen, ane ‘die verschiedenen Ursachen der Variabilität-und die Bedeutung, die gerade das 45% Studium der Pflanzenbastarde für die Vererbungsfragen besitzt. Am Schluss’ das Galtonsche Vererbungsgesetz und seine Beziehungen zu den Mendels Gesetzen, ferner eine Reihe mehr in lockerem Zusammenhange stehender Fragen, he der Einfluss des Geschlechtes, die Xenien und die Pfropfbastarde, kurz besprochen. —~ VArrckace rd OCT 22108 Über Knospenmutation bei Phaseolus. Von W. Johannsen, Prof. ord. d. Pflanzenphysiologie a. d. Universität Kopenhagen, Knospenvariation — das Abweichen eines Sprosses von den übrigen gleichwertigen Sprossen derselben Pflanze — ist eine recht verbreitete Erscheinung und findet sich wohl besonders häufig bei Pflanzen hybrider (heterozygotischer) Natur. Auch die mosaikartigen „Spaltungs“erscheinungen verschiedener Bastarde ge- hören hierher; das Wesen der Sache ist, daß verschiedene Partien eines Gewebes, eines Organes oder einer ganzen Pflanze spezifisch. ver- schiedenes Gepräge erhalten, wobei diese Partien meist sehr scharf von- einander abgegrenzt sind. Berühmt sind die Knospenvariationen bzw. Spaltungen bei Cytisus Adami, welche Spaltungen besonders durch Beijerincks Unter- suchungen (r) in klareres Licht gestellt sind; es scheint mir bewiesen zu sein, daß ganze Gewebspartien, nicht nur eine einzige Zelle, der Ausgangspunkt für den betreffenden Variations- oder Spaltungsvor- gang sind. Das Studium der Bastarde ist jetzt in reicher Entwicklung be- griffen. und hat Resultate von der größten Bedeutung für die Erb- lichkeitsforschung hervorgebracht; die Analyse durch Kreuzung — nach “Mendelscher Art — ist wohl das beste Werkzeug unseres Forschungsgebietes, und das Bastardstudium wird sicherlich noch weitere hoch bedeutsame Resultate ergeben. Kreuzungsexperimente können in gewissen Fällen geradezu unentbehrlich sein, um überhaupt Klärung zu erhalten. Gerade darum habe ich einige meiner reinen Linien gekreuzt und hoffe später darüber mitteilen zu können. Indem ich also selbst das experimentelle Bastardstadium als reiche Quelle biologischen Verständnisses vollauf erkenne, wage ich zu behaupten, daß die wesentlichsten der Erscheinungen, welche als Folgen einer Kreuzung auftreten, auch dort gefunden werden Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre I. I ART LIBRARY DEN. 2 Johannsen. können, wo eine Kreuzung ausgeschlossen war, z. B. bei Selbst- befruchtern und Apogamen. Allerdings sind solche Vorgange hier selten und nur gelegentlich zu beobachten. Ich habe schon in meiner (bald auch in deutscher Sprache vorliegenden) Erblichkeitslehre Beispiele einer bastardähnlichen ,,Ab- spaltung‘ fehlerfreier Gerstenindividuen einer schartigen Rasse (s.: reinen Linie) geschildert; nach brieflichen Mitteilungen hat De Vries die Sache in seiner ,,Mutationstheorie (II, p. 509) kurz erwähnt. An dieser Stelle möchte ich aber nur über einige Knospenvariationen in einer reinen Linie von Bohnen berichten, Knospenvariationen, welche eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Verhalten von Mosaik- bastarden haben. Von den reinen Linien der Bohnen, über welche ich in meiner kleinen Schrift von 1903 (2) berichtete, sind 8 bis jetzt weiter kultiviert. Die Selektion nach Gewicht, bzw. nach absoluter Länge oder relativer Breite usw. hat dabei gar keine nachweisbare Wirkung gehabt. Nur in einer dieser reinen Linien ist Mutation in bezug auf die in Frage kommenden Dimensionen eingetreten; die näheren Umstände dieser Mutation (Verunreinigung?) werden augenblicklich erforscht. Alle anderen Linien haben keine Erscheinung dieser Art gezeigt. So hat vor allem die reine Linie „GG.“ sich in bezug auf Größe und Form der Bohnen ganz konstant gehalten trotz aller Selektion in 6 Generationen. Aber diese reine Linie hat in anderen Beziehungen mutiert, und diese Mutationen haben sich zuerst als Knospenvariationen gezeigt. Im Jahre 1903 war bei einer Pflanze die rechte Hälfte des einen Primärblattes ganz weiß. Das diesem Primärblatte am nächsten stehende Laubblatt, wie normal dreiteilig zusammengesetzt, zeigte folgendes: Das gegen die weiße Hälfte des Primärblattes gekehrte (linke) Blättchen war ganz weiß, das rechte aber normal grün; das Endblättchen war rechts grün, links aber weiß, jedoch folgte die Grenze zwischen weiß und grün nur eine Strecke dem Mittelnerven, bog aber bald nach links ab ohne einem der größeren Nervenzweige zu folgen. Im Winkel dieses Blattes erschien ein Sproß, welcher ganz weiß war, dabei aber kräftig sich entwickelte, mehrere Blüten (auch gänz- lich chlorophyllos) bildete und schließlich eine rein weiße Schote gab mit vier ganz normalen, bei der Reife braunen Bohnen. Diese boten in keiner Beziehung etwas besonderes ‚im äußeren #Charakter dar; ihre Dimensionen und Gewichte waren offenbar normal. Uber Knospenmutation bei Phaseoius. 3 Im nächsten Jahre wurden diese 4 Bohnen ausgesäet und aus allen gingen rein weiße Pflanzen hervor, welche trotz aller Bemühungen, sie künstlich zu ernähren, nach Entfaltung der Primarblätter während der Ausbildung der reinweißen Endknospe zugrunde gingen. Fig. 1. Bohnenpflanze der reinen Linie GG. 1904, von oben photographiert. Rechts tritt das eine, normal gestaltete, kantig-herzförmige Primärblatt deutlich hervor. Dem gegenüber, links, findet man — teilweise verdeckt — das andere, abweichend gestaltete, nämlich pfeilförmig gebildete Primärblatt. Links oben sieht man das erste eigentliche Laubblatt, welches ‚gespalten‘ erscheint: die linke Seite hat „Angustifolia‘‘- Charakter, so das (nach unten zeigende) linke Seitenblättchen und die linke (in der Figur untere) Hälfte des Endblattchens. Dafür ist offenbar die rechte Seite des Endblättchens und namentlich das ganze rechte Seitenblättchen relativ sehr stark entwickelt. Ferner findet sich, in der Figur nach unten gerichtet, das erste Blatt eines neuen Sprosses, ganz den Angustifolia-Charakter zeigend; nach unten rechts aber findet man ein kaum erwachsenes normales Blatt. In der Mitte könnte man schon den noch ganz jungen Blättern ansehen, daß das eine (nach unten gerichtete) Angusti- folia wird, ein anderes aber (nach oben) breiter, normal werden wird. Diese beiden Blätter sind als erwachsen u. a. in Fig. 2 abgebildet. Es war also hier eine Knospenmutation vorgegangen; alle (4) Nachkommen zeigten die Mutation in gleicher Weise. Und hier ist von Kreuzung als Ursache keine Rede: die weiße Form ist eben nicht existenzfähig. 1* 4 Johannsen. 3ei vielen Pflanzen kommen ab und zu rein weiße „total panaschierte‘‘ Nachkommen vor. Ich habe vor Jahren einige Gersten- rassen kultiviert (von den dänischen Versuchsstationen in Lyngby und Tystofte erhalten), bei welchen 30—50 Prozent der normal aussehenden Körner rein weiße Keimpflanzen ergaben. Dabei war aber niemals eine Spur von Knospenvariation der rein grünen Mutterpflanzen zu sehen. Auch bei der Buche, Fagus silvatica, habe ich häufig rein weiße Keimpflanzen gefunden, und gelegentlich finden sich solche wohl bei vielleicht allen Pflanzen; beispielsweise fand ich im Jahre 1888 unter etwa 25 Keimpflanzen von einer Cycasart im Botanischen Garten hier eine total panaschierte, welche trotz aller Pflege aus Hunger starb. Die ganze Frage der Panaschierung der Blätter möchte ich aber nicht näher erörtern. Es kam mir nur darauf an, einen Fall vorzu- führen, wo die Knospenmutation, soweit ich sehe, ganz so verlief wie bei notorischen Hybriden, ohne daß aber von Kreuzung die Rede ist. Der Fall erinnert, was die Spaltung betrifft, lebhaft an Beijerincks Angaben für Cytisus Adami bezüglich der Abspaltung von Cytisus purpureus. Dasselbe gilt von dem zweiten Fall von Knospenvariation bei unserer Bohnenlinie GG. Es handelt sich hier nicht um eine ohne weiteres als pathologisch zu bezeichnende Erscheinung, sondern um eine morphologische Variation. Im Jahre 1904 zeigte eine der Bohnen- pflanzen ein ganz abweichend geformtes Primärblatt, während das andere normal war (vgl. Fig. ı). Das erste eigentliche Laubblatt war, wie die Figur es deutlich zeigt, an der einen (rechten) Seite des Mittelnervs normal beschaffen, an der anderen Seite aber ganz ab- weichend, nämlich sehr schmal und dabei völlig flach, während nor- male Blätter wellige Oberflächen haben. Im Winkel dieses Blattes bildete sich ein Sproß mit schmalen Blättern; die Endblättchen dieser „Angustifolia“-Blätter hatten ein Längenbreiten-Index (absolute maximale Breite in Prozent der absoluten Länge) von im Mittel 42 (42, 43 und 41 bei den drei entwickelten Blättern), während der be- treffenden Index der normalen Blätter durchgehends etwa 80—85 war. Diese Zahlen zeigen deutlich, daß hier ein großer Unterschied vor- handen ist, und die nebenstehende Figur 2 illustriert das Verhalten unmittelbar. Trotz aller Sorgfalt der Pflege wollte der Angustifolia-Sproß nicht fruchten, obwohl alle junge Schoten des.normalen Teils der Pflanze entfernt wurden. Zuletzt wurde, um überhaupt Nachkommen zu Uber Knospenmutation bei Phaseolus. 5 erhalten, einer Schote des normalen Teils Gelegenheit zur Entwicklung gegeben. Die betreffenden Bohnen gaben aber nur ganz normale Pflanzen. Und über 6000 Samen der Linie GG, darunter alle die allernachsten Ver- Fig. 2. Blatter der in Fig. 1 abgebildeten Pflanze im erwachsenen Zustande. Im vergilbten Zustande photographiert. Links zwei Blätter des ,,Angustifolia‘‘-Sprosses, rechts zwei „normale“ Blätter. Oben sind die Blätter von der Ventralseite gesehen, unten von der Dorsalseite. Nicht genügend deutlich sieht man, daß die Angustifolia-Blätter nur ganz schwach wellige Oberfläche haben, während die normalen Blätter stark wellig sind. In der Mitte das Endblättchen des ersten Laubblattes. Die Primarblatter und die anderen älteren Blätter oder deren Teile waren meistens frühzeitig verwelkt. wandten der knospenvariierenden Pflanze, welche im folgenden Jahre (1905) ausgesäet wurden, gaben nur Pflanzen, die keine Spur einer Angustifolia-Variation zeigten. Von Kreuzung als Ursache der hier erwähnten und durch die Figuren ı und 2 illustrierten Knospenvariation kann wohl kaum die 6 Johannsen. Rede sein, ein entsprechender ,,Angustifolia‘‘-Phaseolus ist mir nicht bekannt. Die Erscheinung, welche Ähnlichkeit mit der Cytisus-Adami- Spaltung hat, ist wohl, ganz wie die hier zuerst erwähnte Pana- schierungs-Knospenmutation, als Ausdruck einer in den vegetativen Geweben erfolgten ,,Spaltung’‘ bzw. ,,Umgestaltung‘‘ aufzufassen. Unter den etwa 6000 Pflanzen der Linie GG vom Jahre 1905 fanden sich zwei, welche Geschwister waren — wohl aus Samen einer und derselben Schote stammend — und deren Blätter, normal in der Form, stark gelb bis gelb-grünlich (,,Aurea“‘-artig) gefärbt waren. Ich vermute, daß im Vorjahre eine Knospenvariation bei der Mutterpflanze aufgetreten ist, welche ich aber übersehen habe, indem es ja häufig vorkommt, daß einzelne Blätter oder Blättchen beschädigt werden und vergilbend welken. Ist meine Vermutung richtig, dann haben wir somit einen dritten Fall von Knospenvariation der reinen Linie GG. Wie dem auch sei — sicher ist nur, daß die beiden Aurea-Ge- schwister auch ohne besondere Pflege gut gediehen und einen reich- lichen Samenansatz bildeten. In Jahre 1906 gaben alle diese Samen nur ,,Aurea‘‘-Pflanzen, die zwei Serien (je einer der Mutterpflanzen) markierten sich schon von der Ferne aus im Versuchsgarten. Auch im Jahre 1907 waren alle Nachkommen der ,,Aurea‘‘ von 1906 reine Aurea- Individuen. Diese unvermittelt aufgetretene ,,Aurea‘‘-Form ist also sofort völlig erblich gewesen. Zahlreiche der allernächsten Verwandten dieser Aureagruppe, besonders geprüft, zeigten keine Spur abnormer Färbung oder gar schwächere grüne Färbung; alle waren normal. In diesem Verhalten stimmt also diese Entstehungsgeschichte völlig mit der Entstehungsgeschichte der total panaschierten Pflanzen. Diese mußten sterben — und dabei war eben die Geschichte zu Ende; die „Aurea“-Form lebt aber fort und auch in diesem Jahre, 1908, zeigt es sich, daß alle ausgesäte Aureasamen Aureapflanzen geben. Im Jahre 1907 war es im Sommer auffallend kalt in Dänemark, namentlich litt die Aureaform sehr darunter. Es wurden nur relativ sehr wenige Samen geerntet, die meisten Aureapflanzen konnten keine Samen ansetzen; viele erreichten kaum die Blüte. Die Aureaform fordert eben viel mehr Wärme, vielleicht auch mehr Licht, als die Stammform. Infolge dieses Mißgeschickes kann ich heuer nicht Samen der Aureaform abgeben, ich hoffe aber im nächsten Jahre interessierenden Kollegen Material anbieten zu können. De Vries (3) hat in seiner Mutationstheorie geäußert, daß, wenn wir voraussetzen, eine Mutation sei bei oder mit der Bildung der Ge- Uber Knospenmutation bei Phaseolus. 7 schlechtszellen eingetreten, so sei es im höchsten Grade wahrscheinlich, daß eine mutierte Geschlechtszelle mit einer nicht mutierten zusammen- treffen wird. Die Mutanten werden demnach fast immer als Bastarde — Heterozygoten — entstehen. Dieser Gedanke ist gewiß genial — aber in wie weit die Voraussetzung zutrifft, wissen wir noch nicht. Wären in unseren Fällen die knospenvarierenden Bohnenpflanzen solche Heterozygoten, so müßten wir sie mit mosaik-bildenden Bastarden vergleichen. Allerdingshabendie zweibeobachteten Knospenvariationen, wovon die eine ja nachgewiesenermaßen einer Mutation entspricht, große habituelle Ähnlichkeit mit der Knospenvariation. z. B. des Cytisus Adami, aber der ‚normale‘ Teil der betreffenden Pflanzen zeigt über- haupt kein Zeichen einer Bastard-(Heterozygoten-)Natur. Die Pflanzen, von welchen ein weißer Sproß bzw. ein Angustifolia-Sproß sich ab- spaltete, bildeten auf dem normalen Teile stets nur rein normale Pflanzen gebenden Samen, und bei der Aureaform war die Sachlage insofern dieselbe, als die normalen Geschwister nur normale Nach- kommen ergaben. Die Abspaltungen sind nicht Ausdrücke einer heterozygotischen Natur der betreffenden Pflanzen gewesen. Um dies zu behaupten, müßten jedenfalls besondere Hilfshypothesen hier er- dacht werden. Und dabei muß ich erwähnen, daß nach Kreuzungen recht ver- schiedener Bohnenrassen und Linien niemals in meinem Material Knospenvariationen aufgetreten sind, welche mit den hier in Frage kommenden Fällen verglichen werden könnten. Es ist offenbar in den vegetativen Geweben eine Veränderung in denjenigen Gebilden oder Zuständen erfolgt, die man gewöhnlich als ‚Anlagen‘ (Keimplasma, Pangene usw.) bezeichnet, deren Natur uns aber unbekannt ist, und über deren Verhalten wir nur sicher wissen, daß in vielen Fällen die „Anlagen“ nach Kreuzung getrennt und neukombiniert werden können. Erfahrungen, wie die hier erwähnten und z. B. die Abspaltung von Laburnum vulgare!) aus Cytisus Adami u. dgl. mehr zeigen wohl deutlich, daß Änderungen an den „Anlagen“ in Geweben erfolgen können, wo von Reduktionsteilungen und dergleichen Vorgängen gar nicht die Rede ist, Es will mir scheinen, daß die hohe Entwicklung, welche. die Cytologie in der neuesten Zeit erreicht hat, für die eigentlichen Erb- 1) Dieses „Spaltungsprodukt‘ bildet bekanntlich Samen, welche Laburnum vulgare reproduzieren. Der abgespaltene Cytisus purpur. dagegen produziert angeblich keine Samen, 8 Johannsen, lichkeitsstudien gar nicht fruchtbar gewesen ist; ihre Unfruchtbarkeit hier zeigt sich übrigens auch darin, daß führende Cytologen fast dog- matisch vorschreiben wollen, was in der Natur möglich oder nicht möglich sei. So kann ich mit aller Anerkennung der glänzenden Resultate z. B. eines Strasburger nicht einräumen, daß cytologische Motivierung (4) irgend welchen Wert haben kann zur Entscheidung der Frage, ob Pfropfbastarde möglich sind oder nicht. Die Cytologie muß nachforschen, wie die sichtbaren Zellenbestandteile sich ver- halten in vegetativen und generativen Zellen und Geweben; und daß dabei höchst interessante Aufklärungen über den Entwicklungsgang erhalten werden können, geht zur Evidenz u. a. aus O. Rosenbergs lehrreichen, schönen Untersuchungen über die cytologischen Verhält- nisse bei apogamer Fortpflanzung hervor (5); und in allerneuester Zeit haben Tischlers wichtige Studien über sterile Bastardpflanzen (6) unsere Einsicht in diese schwierige Sache ganz wesentlich gefördert. Aber gerade diese Arbeit scheint mir in ihrer vorsichtig-kritischen Ausdrucksweise eine moderne cytologische Bestätigung der vor 32 Jahren von Galton (7) geäußerten milden Skepsis in bezug auf die Deutung mikroskopischer Befunde für die Erblichkeitsforschung zu sein: „Die Zellen und ihr Inhalt — sagt Galton — sind für die mikroskopierenden Biologen ungefähr dasselbe wie die Briefbündel enthaltenden Postsäcke für Neugierige am Fenster eines Postamts. Die Leute können schon gewisse Schlüsse über den Postdienst machen — aber was in den Briefen steht, können sie gar nicht wissen!“ Galtons nüchterne und für ihre Zeit außerordentlich klärende Abhandlung, welche das beste der späteren Weismannschen Aus- führungen schon enthält, wurde merkwürdigerweise im ganzen nur wenig, und in Deutschland fast gar nicht bekannt, während gerade hier die cytologisch motivierten Seiten der Weismannschen Spekulationen lange einen viel zu großen Einfluß geübt haben. Wer weiß, wir erleben vielleicht, daß die berühmten Chromatin- gebilde sich als für Erblichkeit irrelevant zeigen, während nicht sicht- bare chemische Konstellationen als Grundlagen der in Frage kommen- den Einzeleigenschaften angenommen werden. Mendelismus und reine Züchtung einerseits, andererseits aber vegetative Abspaltungen und Fusionen (Propfbastarde, deren Kurs auf der biologischen Börse im Steigen ist) werden wohl die Lehre von den Eigenschafts-,, Trägern“ allmählich wesentlich reformieren. Gelegentlich hat Wettstein (8) einen hübschen Fall von Knospen- variation bei Sedum reflexum erwähnt, wo an einem zufällig gefundenen Uber Knospenmutation bei Phaseolus. 9 Individuum ein fasziierter Sproß vorhanden war. Dieser Charakter war „teilweise“ erblich, d. h. unter 44 Nachkommen (Sämlinge) zeigten sofort 24, später (als zwei- und dreijährige Pflanzen) noch Io, also im ganzen 34 die Fasziation. 3 blieben normal und 7 starben im Laufe der drei Jahre als normal geformt. Es wird nicht angegeben, wie viele fasziierten Individuen am Leben blieben. Die günstigste Erb- lichkeitsziffer ist demnach 34 aus 37 Pflanzen oder ca. 92%, die un- günstigste 34 aus 44 oder ca. 77%. In der nächsten Generation wurden ‚mindestens 71%‘ fasziierte Individuen als Nachkommen fasziierter Mutterpflanzen gefunden. Wie die Nachkommen nichtfasziierter Geschwister der monströsen Pflanzen sich verhielten, wird nicht angegeben. Es würde aber gerade von Interesse sein, diese Sache zu verfolgen; es könnte sich dabei zeigen, ob hier eine „Abspaltung“ oder ein ‚fester Dimorphismus“ vorliegt, wie ich dies in meiner Erblichkeitslehre näher diskutiert habe (9). Daß völlige Erblichkeit sich nicht zeigt, kann, falls nicht fester Dimorphismus vorliegt, entweder durch zufällige Kreuzung be- dingt sein — wohl kaum — oder es ist ein Fall ähnlicher Natur wie die Erblichkeitsverhältnisse meiner oben erwähnten spaltenden schartigen Gerstenrassen. Hierher gehört auch der von Baur (10) gefundene und experimentell beleuchtete Fall von einem nur heterozygotisch existenzfähigen Antirrhinum majus aureum. Leider kennt man wohl nicht die Entstehungsgeschichte dieser charakteristischen ‚Sippe‘ ; hier könnte man wohl in De Vriesschem Sinne an Mutation ,,als Bastard hervortretend‘“ denken. In der Erblichkeit der durch Knospenvariation in die Erscheinung getretenen Fasziation seiner Sedumpflanze sieht Wettstein eine Stütze für die Auffassung der Erblichkeit „erworbener‘ Eigenschaften. Ohne hier auf die Diskussion dieser großen Frage eingehen zu wollen, kann ich nicht die Bemerkung zurückhalten, daß die hier erwähnte Erblichkeit verschiedener Knospenvariationen oder -Mutationen wohl keine besondere Beziehung zu der genannten Streitfrage hat. Ebenso- wenig wie die Tatsache, daß Laburnumsprosse des Cytisus Adami nur Laburnumkeime produzieren!), an und für sich als Stütze für die Erb- lichkeit erworbener Eigenschaften verwendet werden kann, ebensowenig kann das Verhalten anderer Knospenvariationen (Abspaltungen und andere Mutationen) dafür maßgebend sein. 1) Ob diese Keime stets vollkommen reine Laburnumpflanzen sind, ist eine Frage für sich, die hier nicht zu beleuchten ist, DO) Johannsen. Die erblichen Knospenvariationen sind ja eben nur selbst Aus- drücke dafür, daß die Beschaffenheit der ,,Grundlage“ (,,Anlagen‘, „Pangene“, Keimplasma‘‘ oder wie man sagen mag) der betreffenden Charaktere geändert ist, daß ein „genotypischer Unterschied“ — wie ich mich auszudrücken pflege — schon vorhanden ist. Daß geno- typische Änderungen nicht nur bei den Vorgängen, welche die Gameten- und Zygotenbildung einleiten, realisiert werden, sondern auch in rein vegetativen Geweben erfolgen können, ist ja eben bloß ein Zeichen dafür, daß auch in diesen Geweben die „Grundlagen“ („ Anlagen“ usw.) aktiv vorhandensind, und daß, jedenfalls bei Pflanzen, diesexuellen Repro- duktionszellen bzw. deren Vorstufen nicht eine absolute Sonderstellung in bezug auf Erblichkeit einnehmen. Zitierte Literatur. I. Beijerinek. Beobachtungen über die Entstehung von Cytisus purpures aus Cytisus Adami (Berichte d. deutschen botan. Gesellschaft Bd. 26a. S. 137, 1908) und die dort zitierte ältere Arbeit. 2. Johannsen, W. Über Erblichkeit in Populationen Bad in reinen Linien. (Jena, Fischer 1903.) 3. de Vries, Hugo. Die Mutationstheorie II, S. 504 er Veit u. Co. 1903.) 4. Strasburger, E. Uber die Individualitat der Chromosomen und die Pfropfhybridenfrage. (Pringsheims Jahrbiicher fiir wiss. Botanik Bd. 44, Berlin 1907.) 5. Rosenberg, 0. Cytological studies on the apogamy in Hieracium (Botanisk Tidsskrift Bd. 28, Kopenhagen 1907.) 6. Tischler, G. Zellstudien an sterilen Bastardpflanzen. (Archiv f. Zell- forschung Bd. I, Leipzig 1908). 7. Galton, Franeis. Theorie de ’Heredite. (Revue scientifique 2™ Série, T. Io p. I99, Paris 1876). Ich zitiere nach dieser französischen Aus- gabe. Das englische Original ist soweit ich weiß 1875 erschienen. 8. Wettstein, R. v. DieErblichkeit der Merkmale von Knospenvariationen (Festschrift zu P. Aschersons siebzigsten Geburtstage. Berlin 1904.) 9. Johannsen, W. Arvelighedlerens Elementer S. 11g—140. (Kopenhagen 1905.) Die erweiterte deutsche Ausgabe erscheint im Jahre 1908 bei Fischer in Jena. to. Baur, Erwin. Erblichkeitsverhältnisse einer nur in Bastardform lebens- fähigen Sippe von Artirrhinum majus. (Berichte der deutschen bot. Gesellschaft Bd. 25, Berlin 1907.) Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. Von Heinrich Gerth in Frankfurt a. M. Je mehr wir in den groBen Tierklassen das fossile Material kennen lernen, desto mehr zeigt sich, daB die in der Regel allein auf die lebenden Vertreter begriindete Systematik keineswegs eine natiirliche ist, indem sie uns kein Bild von der Entwicklung der einzelnen Tierstamme gibt. Von besonderem Interesse ist es daher innerhalb einer beschrankten Gruppe von Organismen zu untersuchen, wie weit sich die aus den ver- schiedenen geologischen Perioden bekannten Formen zueinander in Beziehung bringen und unter Hintansetzung der bestehenden Systematik fortlaufende Entwicklungsreihen von den ältesten Zeiten bis zur Gegen- wart verfolgen lassen. Ein derartiger Versuch liegt in dieser Arbeit vor. Herrn Geheimrat Professor STEINMANN bin ich zu großem Danke ver- pflichtet, daß er mich mit diesen interessanten Untersuchungen betraute. Ganz besonders verbunden bin ich meinem verehrten Lehrer für das rege Interesse, das er meiner Arbeit entgegenbrachte und die Bereit- willigkeit, mit der er mir Material und Literatur beschaffte. Die Unter- suchungen wurden im geologischen Institut der Universität Bonn aus- geführt. Das zugrunde liegende fossile und rezente Material entstammt den Universitätssammlungen zu Bonn, Freiburg und Straßburg, dem Senkenbergischen Museum zu Frankfurt a. M. und der zoologischen Abteilung des Museums für Naturkunde zu Berlin. Den Vorständen der Institute sei für die gütige Überlassung an dieser Stelle bestens gedankt. Die Textfiguren wurden von Herrn Universitätszeichner SCHILLING in Freiburg und Herrn GRÜNERT in Bonn ausgeführt. Die dem Text eingefügten Zahlen verweisen auf das Literaturverzeichnis am Schlusse der Arbeit. Durch die Arbeiten von FREcH (1) und Vortz (2) über die Korallen der alpinen Trias war eine große Zahl bekannt geworden, die im Gegensatz zu den anderen mesozoischen Korallen einen sehr an die 12 Gerth. paläozoischen Rugosen oder Tetracorallier erinnernden Habitus besaßen. Später beschrieben dann auch OGILVIE (3) und Kosy (4) aus dem J ura eine ganze Reihe von Arten, die durch die altertiimliche Anordnung ihres Septalapparates gewissermaßen Ubergangsformen zwischen den paläozoischen und mesozoischen Korallen darstellen. So war die tiefe Kluft zwischen den paläozoischen Tetracoralliern und den Hexacorallen des Mesozoikums endgültig überbrückt, und es gelang bald auch für einzelne Gruppen der Hexacorallen die Vor- läufer unter den paläozoischen Rugosen aufzufinden. So zweifelt heute wohl niemand mehr daran, daß die mesozoischen Astraeiden und Thamnastraeidn aus den paläozoischen Cyathophylliden hervorgegangen sind, aber für viele Gruppen jüngerer Korallen, wie z. B. die im Mesozoikum so mächtig entwickelten Styliniden, ist es bisher immer noch nicht geglückt, die paläozoischen Vorfahren aufzufinden. Zwar ist es schon wiederholt versucht worden Stammbäume der Entwicklung sämtlicher Korallen aufzustellen, aber alle diese Versuche sind lückenhaft, und die aufsie begründeten systematischen Einteilungen erwiesen sich keineswegs als natürlich. Ich will hier nur die jüngeren und wichtigeren derartigen Versuche kurz skizzieren. Sie sind entstanden, nach dem durch die grundlegenden Arbeiten über den Aufbau des Korallenskeletts von PRATZ (5), KocH- (6), OGILVIE (7) und VoLTz (2) eine neue Methode in der Untersuchung fossiler Korallen geschaffen worden war. ORTMANN (8) teilt die Korallen ein in Euthekalia, Pseudothekalia und Athekalia und will diese drei Stämme getrennt vom Palaeozoikum bis zur Jetztzeit verfolgen können. Wenn nicht alle, so sind doch sicher ein großer Teil der Athekalia und Pseudothekalia ORTMANNS aus Euthekalia hervorgegangen und durch zahlreiche Übergänge mit ihnen verbunden. Auch die Verteilung der einzelnen Gattungen auf diese drei Gruppen, wie sie ORTMANN angibt, erweist sich bei genauerem Studium als ganz unnatürlich, und hat die von ihm vorgeschlagene Einteilung infolgedessen keinen Anklang gefunden. Zu weit besseren Ergebnissen kam OGILVIE (7). Sie hat nicht nur, wie auch bereits ORTMANN, erkannt, daß keinerlei Grenzen zwischen den paläozoischen Tetracoralliern und den mesozoischen Hexacoralliern bestehen, sondern sie weist auch darauf hin, daß die Porosität kein systematisches Merkmal zur Trennung größerer Gruppen ist, weil sie in ganz verschiedenen Stämmen zu verschiedenen Zeiten auftritt. Die englische Forscherin teilt die Korallen ein, in Murocorallier, Coenenchymata, Septocorallia, Spinocorallia und Porosa. Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 13 Sie legt hierbei den größten Wert auf die Microstruktur des Skeletts, insbesondere der Septen, während sie die übrigen Merkmale, vor allem den Gesamthabitus stark vernachlässigt. Die Murocorallia umfassen die Zaphrentidae, Amphiastraeidae und Turbinolidae. Ihre Septen werden nach den Untersuchungen von OGILVIE gebildet aus einer einfachen Reihe von Trabekel, die rechtwinklig zur Mauer stehen, oder doch nur wenig nach oben gerichtet sind. Sie besitzen nur ein einziges Kalzifikationszentrum, das sie in radialer Richtung durchzieht. Als Coenenchymata zweigt OGILVIE die koloniebildenden Madreporiden, Pocilloporiden, Occuliniden und Styliniden von den Murocoralliern ab. Sie besitzen meist ein reichlich entwickeltes Coenenchym, haben aber sonst die gleich einfache Struktur der Septraltrabekel. Die Septocorallier OGILVIES umfassen die Cyathophylliden sowie die Astraeiden und Fungiden. Die Struktur der Septen ist eine wesentlich andere und kompliziertere, die Trabekel laufen in ihnen schräg nach aufwärts und divergieren fächerartig gegeneinander. Die Achsen der Trabekel bestehen aus einer Reihe getrennter Kalzifikationszentren, und ihre Scheitel ragen am Rande des Septums als Körner oder Zähne vor, auch die Seitenflächen der Septen sind von Körnern bedeckt, die den einzelnen Kalzifikationszentren der. Trabekel entsprechen. Spinocorallier nennt OGILVIE die Cystiphylliden und Eupsammiden, ihre Septen bestehen aus isolierten oder doch nur unvollkommen verschmolzenen Dornen. Für die letzte Gruppe behält die englische Forscherin noch den Namen Porosa bei, sie enthält aber von den zahlreichen jüngeren porosen Korallen nur noch die Familie der Poritidae, deren Septen eine von allen bisher geschilderten, ab- weichende Struktur besitzen. Die Trabekel stehen in ihnen parallel mit den in Coenenchym und Mauerresten und senkrecht zur Basis der Kelche. Mit einigem Vorbehalt stellt OGILvIE noch die triadischen Spongio- morphiden und die paläozoischen Theciden hierher, die die gleiche An- ordnung der Septaltrabekel zeigen. Daß auch die Einteilung OGILVIES keineswegs eine vollkommen natürliche ist, zeigt z. B. schon die Ver- einigung der Eupsammidae mit den paläozoischen Cystiphyllidae in einer Gruppe. Die Untersuchungen von VoLtz (2) über die Korallen der Schichten von St. Cassian haben gezeigt, daß die beiden verschiedenen Septal- strukturen nach denen OGILVIE ihre zwei großen Gruppen, Murocorallia und Septocorallia, geschieden hat, sich allein nicht zur Trennung großer systematischer Abteilungen verwerten lassen. Die von FRECH und Vortz aus der alpinen Trias beschriebenen Thecosmilien, Montli- vaultien, Thamnastracen, Omphallophyllien und Isastracen zeigenbeide I4 Gerth. Septalstrukturen, Primärseptum und Septen mit getrennten, divergierenden Trabekel nebeneinander. Auf Grund der verschiedenen Struktur der Septen schied VoLTz die Formen dieser Gattungen in Subgenera. Eine derartige Trennung scheint mir jedoch sehr willkürlich und unnatürlich. VoLTz selbst schreibt, daß beide Septalstrukturen bei den Cassianer Formen durch zahlreiche Übergänge miteinander ver- bunden sind. Offenbar vollzieht sich gerade bei diesen triadischen Ver- tretern der oben angeführten Gattungen ein Übergang der einen Struktur in die andere. Bei seinen phylogenetischen Schlußfolgerungen beschränkt sich VoLtz auf die von ihm bearbeitete Fauna. Er weist die Verwandt- schaft der Asztraeiden und Thamnastraeiden mit den Cyathophylliden nach. Die Gattungen Coelocoenia, Coccophyllum und Pinacophyllum, sowie die von FRECH geschaffene Familie der Stylophylliden leitet er von den Zaphrentiden ab. Für die in der Cassianer Fauna nur durch die Gattung Cassianastraea vertretenen Styliniden weiß VOLTZ keine paläozoischen Vorfahren zu nennen. Allen den eben geschilderten Versuchen phylogenetischer Ablei- tungen haftet, wie schon erwähnt, der Nachteil an, daß sie unter allzu starker Bewertung eines einzigen Merkmals die übrigen und mithin das Gesamtbild der Formen sehr stark vernachlässigen. Auf Grund des einen oder anderen übereinstimmenden Merkmals werden oft Formen des verschiedensten phylogenetischen Ursprungs in eine systematische Gruppe zusammengeworfen. So kommt es, daß die auf diese und ältere Untersuchungen begründete Systematik uns in ihren Abteilungen vor- wiegend nur Querschnitte der Entwicklung des Korallenstammes, aber keineswegs ein natürliches Bild von der Entwicklung selbst bietet. In neuerer Zeit hat nun STEINMANN (9) in seiner Einführung in die Paläontologie eine Einteilung der Korallen nach streng phylogenetischen Grundsätzen angedeutet. Nur Formen gleicher Abstammung werden als Verwandte in den systematischen Abteilungen vereint. STEINMANN teilt die Madreporarier ein in Muro-, Septo- und Tubocorallier, drei ge- trennte Stämme, die sich in fortlaufender Entwicklung vom Paläozoikum bis zur Jetztzeit verfolgen lassen. Die Muro- und Septocorallier stimmen zum Teil mit den gleichnamigen Gruppen OciILviEs überein. Die Tubocorallier enthalten im wesentlichen die von OGILVIE als Coenenchy- mata abgetrennten Murocorallia. Die Gruppen der Porosa und Spino- corallia sind aufgelöst worden. In der vorliegenden Arbeit habe ich versucht, die verwandtschaft- lichen Beziehungen einer Reihe von Familien innerhalb des Stammes Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 15 der Tubocorallia, die seither noch nicht erkannt, nachzuweisen und ein- gehend zu begriinden. Wenn es auch keineswegs immer gelingt, die ge- schlossene Entwicklung aller Gruppen durch sämtliche Formationen zu verfolgen, so darf dies noch lange nicht als Beweis gegen ihre phylo- genetische Verwandtschaft angefiihrt werden. Korallogene Ablagerungen kennen wir nur aus einem Teil der geologischen Formationen und in den bis jetzt genau durchforschten Teilen der Erde treten die Korallen immer nur von Zeit zu Zeit in größeren Mengen auf. Sie erscheinen gewissermaßen als Zeugen eines mächtigen Stammes, der sich in uns noch nicht erschlossenen Schichten und Gegenden ent- wickelt hat. Bedenken wir noch, daß nahezu dreiviertel der Erdober- fläche vom Meere bedeckt sind, und dieses Gebiet für paläontologische Forschungen gänzlich unzugänglich ist, so dürfen wir uns wahrlich nicht wundern, wenn wir keine geschlossene Entwicklung der einzelnen Gruppen durchdieganze Formationsreihe verfolgen können. Ebenso wenig darf es uns Wunder nehmen, wenn uns im Laufe der geologischen Entwicklung plötzlich eine scharf begrenzte Gruppe mit großer Individuenzahl und Mannigfaltigkeit der Formen entgegentritt, ohne daß wir ihre unmittelbaren Vorläufer kennen. Diese . Erscheinung treffen wir bei den Korallen besonders oft an. Es hängt dies damit zusammen, daß das massenhafte Auftreten der kolonie- und riffbildenden Korallen so wie heute, auch in der geologischen Vergangen- heit immer nur an ganz bestimmte Lebensbedingungen geknüpft war. Ich will hier nur ein besonders scharfes, im Bereiche meiner Unter- suchungen liegendes Beispiel herausgreifen. Mit großer Zahl der Individuen und Mannigfaltigkeit der Formen sehen wir plötzlich im Jura die Familie der Styliniden erscheinen. Jene massig oder baumförmig verzweigt wachsenden Korallen, deren Röhren- zellen durch ein Rippencoenenchym verbunden sind und die sich durch besonders stark entwickelte Bodenbildungen auszeichnen. Aus der Trias kennen wir nur einige wenige Vorläufer dieser großen Gruppe, aus dem jüngeren Paläozoikum aber überhaupt keine Korallen, die irgend- welche Beziehungen zu den Styliniden zeigen. Dies ist jedoch ganz er- erklärlich, die Styliniden waren Formen, die sich am Aufbau der jurassi- schen Korallenriffe beteiligten. Aus der älteren Trias, aus Perm und Carbon kennen wir Riffbildner nur vereinzelt und kleinkelchige Röhren- korallen so gut wie überhaupt noch nicht. Wenn wir also nach den Vor- läufern der Styliniden suchen, so können wir sie nur unter den riffbildenden Korallen des Devon und Silur erwarten. Unter diesen lassen sich leicht drei Gruppen unterscheiden. Einmal typische Septocorallier, der große 16 Gerth. Stamm der Cyathophylliden, der sich ungestört in den mesozoischen Astraeiden und Thamnastraciden weiter verfolgen läßt. Zweitens Einzelkorallen mit deutlich bilateraler Septenanordnung, Zaphrentiden und Cyathaxoniden, die paläozoischen Mwurocorallier. Alle übrigen Korallen des Silur und Devon sind bisher zumeist in der großen Sammel- gruppe der Tabulaten vereint worden. Unter diesem großen Chaos von Korallen und Nichtkorallen müssen also auch die Vorläufer der Styliniden zu suchen sein, denn die beiden anderen Gruppen paläozoischer Korallen kommen als solche nicht in Betracht. Unter den Tabulaten ist es nun besonders eine Gruppe, die durch Röhrenkelche mit wohl entwickelten Septalbildungen in sechszähliger Anordnung und das Vorhandensein von reichlichem Coenenchym ausgezeichnet ist. Ich meine die im Silur so formenreiche und bis in das Devon bekannte Gruppe der Helio- litiden. Verschiedentlich ist es versucht worden, die Heliolitiden mit den lebenden Alcyonariern, insbesondere mit der Gattung Heliopora in Beziehung zu bringen. Zuletzt ist diese Ansicht von SARDESON (II) eingehend vertreten worden. LINDSTRÖM (II) und WEISSERMEL (I2) sprachen sich gegen die SARDESONsche Meinung aus, es bedurfte jedoch der Untersuchung BOURNES (13) an der lebenden Heliopora coerulea Brv., um sie endgültig zu widerlegen. Er fand zunächst die von MOoSELEY (14) aufgestellte Dimorphismustheorie, die besagt, daß sowohl Polypen- wie Coenenchymröhren von verschiedenartigen Polypen aufgebaut würden, keineswegs bestätigt. Bei Heliopora werden die Coenenchymröhren von blindsackähnlichen Fortsätzen eines die ganze Kolonie überziehenden Coenosarkmantels gebildet. Wenn wir auch für Heliohtes eine ähnliche Entstehungsweise des Coenenchyms annehmen, so ist doch nach den weiteren Untersuchungen BOURNES an eine Ver- wandtschaft mit Heliopora nicht zu denken. Es sei hier nur einer der wesentlichsten Unterschiede hervorgehoben. Die septenähnlichen Bildungen bei der lebenden Alcyonarier-Gattung entsprechen, wie schon ihre schwankende Zahl verrät, keineswegs den Septen der Madre- porarier und Heliolitiden, es sind vielmehr Reste von Coenenchymröhren, die in keiner Beziehung zu den Mesenterien des Polypen stehen. Ver- schiedene Forscher, die sich in neuerer Zeit mit den Heliolitiden be- schäftigt haben, betonen, daß es sich bei ihnen wahrscheinlich um eine echte paläozoische Madreporarier-Familie handele, ohne sich jedoch darüber auszusprechen, zu welchen jüngeren Korallen sie Beziehungen zeigen. Es wird nun zunächst meine Aufgabe sein, nachzuweisen, in- wiefern die Heliolitiden als Vorläufer jüngerer Korallen in Betracht kommen. Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 17 Die Heliolitiden sind in neuerer Zeit von zwei nordischen Forschern, LINDSTRÖM (Ir) und KIAR (15), eingehend untersucht und mono- graphisch bearbeitet worden. Sie bieten so eine einigermaßen sichere Basis für phylogenetische Studien. Innerhalb dieser großen Abteilung paläozoischer Korallen, kann man bei der Begrenzung, wie sie ihr durch LINDSTROM und KIAR zuteil geworden, drei Formengruppen unterscheiden, die sich um die Gat- tungen Heliolites Dan., Plasmopora E. u. H. und Propora E. u! H. gruppieren. Dazu kommen noch die Coccoseriden, Arten mit eigentümlich verdicktem Skelett. Da. LinpDstrÖMs ,,Remarks on the Heliolitidae‘“ nicht ohne weiteres jedem Leser zugänglich sein werden, einige Vertraut- heit mit dem Skelettbau der Heliolitiden zum Verständnis meiner Schluß- folgerungen aber unbedingt nötig ist, will ich hier zunächst eine Skizze der verschiedenen Skelettstrukturen dieser paläozoischen Formen geben. Die erste Gruppe unter den Heliolitiden wird dargestellt durch den röhrigen Typus, die Gattung Heliohtes und ihre nächsten Ver- wandten. Das Coenenchym besteht aus vollkommen geschlossenen Röhren mit ebenen horizontalen Böden, die sich nur dadurch von denen in den Polypenröhren unterscheiden, daß sie dichter stehen. In bezug auf die Ausbildung der Septen treten uns in der Gattung Heliolites zwei Extreme entgegen. Einmal großkelchige Formen mit äußerst schwach entwickelten Septen, Heliolites decipiens M. Coy., andererseits Formen mit reichlichem Coenenchym, mittelgroßen Kelchen und sehr stark entwickelten lamellären Septen, die sich oft im Zentrum zu einer unregelmäßigen Columella zusammenschließen, Heliolites parvistella ROMER. Diese beiden sehr variierenden Arten sind durch zahlreiche Übergänge mit Heliolites interstinctus L. verbunden, der eine Mittelstellung zwischen den beiden Extremen einnimmt. Helvolites barrandei PENECKE und forosus GOLDF. sind konstantere Formen mit Septaldornen, die nur am Grunde zu Lamellen verschmolzen sind. Aus dem Mittelsilur kennt man den eigentümlichen Proheliolites dubius F. Scum. Seine Polypenröhren haben im Gegensatz zu allen übrigen Helioliten oft unregelmäßig polyedrische Gestalt und enthalten schwache Septalstreifen, auf denen in regelmäßigen Abständen etwas nach unten gerichtete Dornen stehen. Die Coenenchymröhren sind ebenfalls von unregelmäßiger Gestalt und gering an Zahl, sie füllen nur die Lücken zwischen den stellenweise unmittelbar aneinanderstoßenden Kelchen. Die allmähliche und paarige Anlage der Septen, wie sie Kıär*) beob- *) (15) S. 25. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre I. 18 Gerth. achten konnte, sowie die einfache von SARDESON*) und LINDSTROM (IT) beschriebene Weise, auf die die Kelche durch Teilung von Coenenchym- röhren entstehen, stempeln Proheliolites dubius zu einer primitiven Form. Wie an alle Gruppen der Heliolitiden, so schließen sich auch an diese Formen mit eigentümlich verändertem Skelett eng an. Die einzelnen Skelettelemente wachsen bei ihnen durch sekundäre Kalk- anlagerung immer mehr und mehr in die Dicke und füllen die zwischen- liegenden Hohlräume schließlich ganz aus. Gleichzeitig lösen sich die vertikalen Elemente strukturell in Pfeiler auf, die unmittelbar an- einanderstehen und sich im Querschnitt in unregelmäßig polyedrischer Linie begrenzen. KIAR hat diese Veränderung des Skeletts baccu- läre Differenziation genannt. Helilites fasciatus LpM. und repletus LpM. zeigen im Coenenchym die Anfänge einer solchen Skelettverdickung. Die Arten der Gattung Cosmiolithus LDM. ähneln in der Ausbildung ihres Septalapparates dem Heliolites parvistella RÖMER. Das Coenenchym ist dadurch auffallend, daß immer eine größere Röhre von einer Reihe kleinerer umstellt ist, gleichzeitig zeigt es bei den meisten Exemplaren eine schon ziemlich weit vorgeschritteneVerdickung der Skelettelemente. Die zweite Gruppe hat die Gattung Plasmopora zum Typus. Charak- teristisch für diese Formenreihe ist die eigentümliche Aureole, die das Coenenchym um die Kelche bildet. Sie kann sich bis zur Ausbildung typischer Septalrippen steigern, die vom Kelchrand in das Coenenchym ausstrahlen. In vielen Fällen kommt die Aureole dadurch zustande, daß die Kelchröhren sehr rasch wachsen und die Coenenchym- röhren in ihrer Umgebung mit in die Hohe undin radialer Richtung in die Länge gezogen werden. So entsteht um den Kelch ein Kranz länglicher, radial angeordneter Zellen, eine Aureole. Die Wände der Aureolen- zellen stehen in engen Beziehungen zu den Septen im Inneren des Kelches. Sie stimmen an Zahl mit ihnen überein und bilden ihre un- mittelbare Fortsetzung außerhalb der Kelchwand. Bei den Helioliten besteht eine derartige Gesetzmäßigkeit zwischen den Septen und den an den Kelch anstoßenden Röhrenwänden noch nicht. Nach meinen Beobachtungen schwankt die Zahl der Röhren, die den Kelch umgeben, bei der Gattung Heliolites zwischen 15 und 20. Ihre Wände zweigen sich zu ein oder zwei von den Ausbuchtungen der Kelchwand zwischen zwei Septen ab. Die Gesetzmäßigkeit zwischen den Radien der Aureole und den Septen bei den Plasmoporen scheint mir nun dadurch zustande *)) (10) 8. 271% Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. IQ zu kommen, daß bei ihrer Entstehung die Wände eines Teils der Coen- enchymröhren in die Verlängerung der Septen rücken, während die Bildung der überzähligen unterdrückt wird. Auch das Coenenchym erfährt mit dem Auftreten der Aureole eine tiefgreifende Umgestaltung. Die polygonalen Röhren werden unregelmäßig und unzusammenhängend und fallen schließlich ganz der Auflösung anheim, während die hori- zontalen Elemente mehr und mehr blasig werden. Das Blasigwerden des Coenenchyms beginnt in der Umgebung der Kelche innerhalb der Aureole, wie Plasmopora stella Lom. sehr schön zeigt. (Vgl. Linpström T. V Fig. 26). Das Coenenchym besteht bei dieser Art noch aus geschlossenen Röhren mit ebenen Böden, in der Aureolenregion sind letztere jedoch bereits convex gebogen oder durch Blasen ersetzt. Weitere Übergänge zur blasigen Ausbildung des Coenenchyms zeigen Plasmopora scala Lpm., follis Lom. und rosa LpM. Wird das Coenenchym ganz blasig, so sind auch keine zusammenhängenden, vertikalen Röhren mehr da, sondern diese werden unregelmäßig und Fig. 1: unzusammenhängend. Hierdurch wird auch Plasmopora petaliformis die Aureolenbildung beeinflußt. Es entstehen Lonsp. Obersilur. Gotland. keine geschlossenen Zellen mehr, sondern da- 2ei Kelche. 5. Coenenchym durch, daß auch die Querwande der den Kelch Ke) oe Se umgebenden Coenenchymröhren reduziert wer- en ee ). den, bildet sich ein Kranz radialin das CoenenchymausstrahlenderRippen. Der unregel- mäßige, wirre Eindruck, den die Coenenchymoberfläche bei diesen Formen macht, wird durch die kleinen, gekriimmten, seitlichen Fortsätze hervor- gehoben, die allenthalben an den vertikalen Elementen sitzen. Sie scheinen mir verschiedenen Ursprungs zu sein. Teils sind es wohl die Reste von Röhrenwänden, teils aber auch die Anheftungsstellen der Blasen des Coenenchyms (Fig. ı cl). Den eben geschilderten Bau besitzen Plasmo- pora petaliformis LonsD., foroensis Lom. und suprema Lpm. Bei Plasmo- pora scita E. u. H. kommt es nicht selten zur Bildung typischer Septal- costen, indem sich die Septen über den Kelchrand unmittelbar in die vom Kelch ausstrahlenden Rippen fortsetzen (vgl. Ldm. S. 81). Die Rippen benachbarter Kelche stoßen dann aneinander, ohne daß wesent- liche andere vertikale Elemente auftreten. Auf diese Weise entsteht bei Plasmopora scita E. u. H. ein typisches, blasiges Rippen- 2* 20 Gerth. coenenchym, wie wir es sonst nur bei mesozoischen Korallen kennen*). Ihren Höhepunkt hat die Rippenbildung bei den Formen erreicht, für die KIÄR (I5) die Gattung Plasmoporina aufgestellt hat. Die vertikalen Skelettelemente bestehen hier nur aus Septalrippen, die durch die Böden des Kelches und das Blasengewebe des Coenenchyms in ihrer Lage gehalten werden. Einen ganz ähnlichen Skelettbau kennen wir von vielen jüngeren Korallen. Auch hier hat die Mauer oft gar keine eigenen tangentialen Verkalkungszentren, sondern sie wird nur durch eine Verdickung der radialen (Septal-) Elemente in der Peripherie des Kelches gebildet (sog. Pseudothek.). Während die Septen aller bisher erwähnten Plasmoporen wohl entwickelt sind und aus dicht gestellten, am Grunde mehr oder weniger zu einer Lamelle ver- schmolzenen Dornen bestehen, sind sie bei den großkelchigen Plasmopora rudis LoM. und heliolitoides LpM. nur angedeutet. Diese Formen er- innern dadurch sehr an die großkelchigen Helvolitiden, die ja auch nur sehr schwach entwickelte Septen haben (Heliolites decipiens M. Coy.). Man rechnet sie zu den Plasmoporen, weil ihr Coenenchym etwas blasig ist und seine unregelmäßigen Röhren in der Umgebung der Kelche zu einer undeutlichen Aureole erweitert sind. Die Gattung Pycnolithus Lpm. enthält Plasmoporen mit verdicktem Skelett: Bei der dritten Gruppe, den Proporen, ist das Coenenchym vollkommen blasig und die vertikalen Elemente sind einer noch stärkeren Reduktion anheimgefallen. An ihre Stelle treten in vielen Fällen sowohl auf den Böden, als auch auf den Blasen des Coen- enchyms kleine, dichtgestellte Spitzchen auf. Sie finden sich auch schon bei einigen Plasmoporen, erreichen aber bei den Proporen eine noch stärkere Entwicklung. Auf der fast ebenen Oberfläche des Coenenchyms, die bei den Proporen durch die oberste Blasenlage gebildet wird, erzeugen diese Spitzchen unregelmäßige Granulationen oder sie schließen sich zu einem feinen Netzwerk zusammen (Propora ambigua Lpm.).‘ Eine weitere Eigentümlichkeit im Coenenchym ist die Conzentration der Blasen in bestimmten Lagen. Während die Blasen stellenweise ganz weitläufig stehen, sind sie in bestimmten Schichten dicht zusammen- gedrängt. Hierdurch wird einlamellöser Aufbau des Coen- enchyms angebahnt, wie wir ihn bei den mesozoischen Styliniden kennen. Besonders schön tritt dieser Bau des Coenenchyms, bei geeigneter *) Auch die Rippenbildung im Coenenchym von Heliolites elegans und spinipora, die Harr (16) aus der Niagara- Gruppe beschreibt, gleicht vollständig der einer mesozoischen Cryptocoenia. Nach Lınpström gehören diese Korallen zu Plasmopora scita E. u. H. Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 21 Verwitterung hervor, wie z. B. an den von ROMINGER (17) abgebildeten Lyellia americana E. u. H. und parvituba Rom.*), die nach LINDSTROM mit Propora tubulata LoNsp. zu vereinigen sind. Die Ränder der Kelche ragen bei den Proporen stets etwas über die Coenenchymober- fläche hervor, so daß die Kelche wie ausgestanzt erscheinen. Die einzelnen Arten der Gattung Propora unterscheiden sich durch die Beschaffenheit der Septen und die Ausbildung des Coenenchyms. Zwei Gruppen lassen sich leicht trennen; die einen haben im Coenenchym noch unzusammen- hängende vertikale Pfeiler, die gewöhnlich stark verdickt sind und auf der Oberfläche als kleine Höcker hervortreten. Die Septen setzen sich zuweilen außerhalb der Kelchwand in kurze Septal- rippen fort, wie es der. Querschliff durch Propora speciosa BILL. (Fig. 8 S. 37) zeigt. Sie erinnern dann nochsehran die Plasmoporen. Die oben erwähnten Spitzchen auf Böden und Blasen fehlen diesen Formen. Ihre Septen be- stehen aus wohl entwickelten Dornen, die auf erhabenen Streifen stehen oder am Grunde zu einer __ { Be f ! ec alzen sun Pin ieee grayi. SE tis 18h, SP: Längsschliff. Er : —. (Nach Lıinpström.) (r) Dichte Randzone pora baccilifera LoM., speciosa ae Coenenchyms, aus Pfeilern (pf) auf- BILL., compactaLpm. Eine zweite gebaut, (k, k) Kelchréhren mit Boden- Gruppe entbehrt der vertikalen bildungen (b) und Septaldornen (s), (a) Elemente ganz und hat dafiir die lockere Axialregion des Zweiges. Spitzchen. Ihre Septen sind sehr schwach entwickelt. Sie sind nur durch nach innen erhabene Ein- buchtungen der Kelchwand angedeutet, auf denen zuweilen kurze Septaldornen stehen. Propora tubulata LonsD., conferta E. u. H. Die Proporen neigen sehr zur Skelettverdickung. Propora eurya- cantha Lp. hat ein bereits ziemlich stark verdicktes Skelett. Die von QUENSTEDT aufgestellte Gattung Diploepora enthält die von MILNE *) T. II Fig. 1 u. 2. ROMINGER sagt in seiner Diagnose der Gattung Lyellia von dem Coenenchym: ,,Extending in interlacing layers across the intertubular interstices.’ 22 Gerth. Epwarps und HAIME (18) als Heliolites grayi beschriebenen, baum- förmig verzweigten Stöcke mit stark verdicktem Skelett. Sie sind den Proporen nahe verwandt. Ihre bei der englischen Varietät ab- geplatteten Zweige sind allseits mit ziemlich dicht stehenden Kelchen von 0,5—0,8 mm Durchmesser bedeckt. Wie der Längsschliff Fig. 2 sehr schön zeigt, läßt sich deutlich eine axiale Region, in der das Skelett offen und unverdickt bleibt, von ener Randzone unter- scheiden, in der das Coenenchym vollkommen dicht und aus einzelnen, unmittelbar aneinanderstoßenden Pfeilern aufgebaut ist. Man vergleiche auch Fig. 4 auf T. XI bei LinpstrRÖM. Der Längsschliff durch einen ganzen Zweig von Diploepora zeigt in der Mitte die lockere, axiale Region und rechts und links eine dichte Randzone, in der nur die Polypenröhren offen bleiben. Auch Kıär (15) schildert bei Plas- mopora ramosa KIAR die dichte Pfeilerstruktur in der Randzone des Coenenchyms, ohne jedoch eine befriedigende Erklärung für ihr Zustande- kommen geben zu können. Erst durch den Vergleich mit lebenden Formen, die die gleiche Erscheinung zeigen, wird sie, wie wir sehen werden, bei den fossilen vollkommen verständlich. Bei den Coccoseriden, die man gewöhnlich an die Heliolitiden an- schließt, hat die eigentümliche Verdickung des Skeletts ihren Höhe- punkt erreicht. KiAr hat neuerdings die Coccoseriden, wohl nicht mit Unrecht, in einige unter sich und den einzelnen Gruppen der Heliolitiden gleichwertige Unterfamilien aufgelöst. Offenbar handelt es sich bei den Coccoseriden um Arten, die durch sekundäre Skelettver- dickung einander ähnlich geworden, aber sonst ganz verschiedenen Ursprungs sind. Leider weiß man nur von einem kleinen Teil der in Rede stehenden Formen wie die Hartteile vor der Verdickung aussahen, es ist daher schwer sie mit Formen mit normalem Skelett in Ver- bindung zu bringen. Wahrscheinlich kennen wir die Korallen mit unverdicktem Skelett, von denen die Coccoseriden abzuleiten sind, überhaupt nicht, da sie uns bereits im Untersilur mit hochgradiger Ver- dickung der Skelettelemente entgegentreten. Das Skelett der in der Gattung Protaraea E. u. H. (= Coccoseris EicHw.) zusammengefaßten Arten, besteht nur aus verdickten Pfeilern, die bei diesen dünnen, lamellösen oder inkrustierenden Formen so dicht aneinander gedrängt sind, daß nicht der geringste Hohlraum zwischen ihnen bleibt, selbst nicht innerhalb des Kelches. Von Böden oder Blasen ist keine Spur mehr vorhanden. Die einzige Abwechslung in der Skelettstruktur wird dadurch bedingt, daß die Pfeiler im Coenenchym vertikal stehen und in den Septen schräg nach aufwärts gerichtet sind, während sich seams ihn. r Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 23 im Zentrum des Kelches wieder eine Gruppe vertikaler Pfeiler befindet. Auf der Coenenchymoberflache, am Rande der Septen und im Innern der Kelche ragen die freien Enden der Pfeiler als dicke Körner vor. Interessant ist der von KIAR (15) eingehend untersuchte Trochiscolithus micraster LpM. gebaut. An den verzweigten Stöcken dieser Art kann man wieder zwei Zonen unterscheiden, eine dichte Randzone, deren Skelettstruktur vollkommen der einer Protaraea gleicht und eine locker gebaute, weniger stark verdickte axiale Region. Hier bleiben zwischen den einzelnen Pfeilern gelegentlich lakunenartige Hohlräume frei, besonders in den Interseptalräumen, aber auch innerhalb des Septums selbst. Dies ist jedoch keineswegs wunderbar, wenn wir bedenken, daß die Pfeiler des Septums bei diesen Formen nichts anderes sind als stark verdickte, freie Septalstacheln. KIAR nennt diesen Skelett- bau porös. Von einer Porösität wie wir sie von so vielen jüngeren Korallen und besonders den rezenten Riffbildnern kennen, kann aber meines Erachtens bei diesen paläozoischen Arten nicht die Rede sein. Es handelt sich hier nicht um Poren, die an Stelle von sonst vorhandener Skelettsubstanz auftreten, sondern um präexistierende Hohlräume, die nicht ausgefüllt werden. Einen ähnlichen Skelettbau besitzt Pa- laeoporites K1AR. Bei der Gattung Acantholithus LDM. weisen die auf der Coenenchymoberfläche netzförmig angeordneten Körner auf ein ursprüng- lich vorhandenes Röhrenskelett hin. Nach KIAR sind die hierher gehörigen Arten durch die bereits erwähnte Gattung Cosmiolithus mit den Helioliten verwandt. Betrachten wir nun die Septalbildungen der Heliolitiden noch einmal etwas genauer. Sie treten stets in der Zwölfzahl auf und sind meist vollkommen gleich entwickelt. Zuweilen stellt . sich jedoch eine Differenzierung in verschieden stark aus- gebildete Cyclen ein, wie wir sie von allen jüngeren Korallen kennen. So zeigt z. B. der bei Linpström auf T. II Fig. 29 u. 32 abgebildete Heliolites porosus GOLDF. deutlich 6 größere und 6 kleinere Septen. Die Septen selbst zeigen alle Übergänge von isolierten Septal- dornen zu geschlossenen Lamellen. Bei verschiedenen Heliolites-Arten haben LiNDSTRÖM (11) und SARDESON*) einen Primär- streif in den Septallamellen nachweisen können. Bei Plasmopora und Propora sind die Septaldornen meist nur an der Basis zu Lamellen verschmolzen. Die Dornen laufen von der Mauer zunächst einwärts und biegen dann oft ziemlich scharf nach aufwärts. Die Struktur *) (10) Figur 10 S. 267. 24 Gerth. der Septen stimmt also im wesentlichen vollkommen mit der überein, die wir von den Madreporariern kennen. Auch die drei typischen Ausbildungen des Coenenchyms, das röhrige Coenenchym mit Böden ...dasplasıige Coenenchym mit-Rampipiene bildung und das blasige Coenenchym ohne zu- sammenhängende vertikale Elemente finden wir, wie ich im Laufe dieser Arbeit zeigen werde, bei mesozoischen und jüngeren Korallen wieder. Die Heliolitiden sind mithin eine echte Madreporarier-F amilie und aus dem Verbande der Tabulaten zu lösen. Sehr eigentümlich ist die geologische Verbreitung der Heliolitiden. Im Untersilur durch einige Vorläufer angedeutet, treten sie im Obersilur plötzlich in emer die Korallen führenden Ablagerungen beherrschenden Individuenzahl auf, um im Devon, aus dem wir nur noch ein paar Nachzügler der Gattung Heliolites kennen, ebenso rasch wieder zu verschwinden. Die Heltolitiden sind ein typisches Beispiel für das schon in der Einleitung erwähnte, vorübergehende Erscheinen eines Korallenstammes, der sich in uns unbekannten Schichten ent- wickelt hat. Wenig angebracht scheint es mir, innerhalb eines Quer- schnitts von so geringer vertikaler Ausdehnung, wie ihn die uns über- lieferten Heliolitiden aus dem großen, sich weiter entwickelnden Stamme darstellen, phylogenetische Reihen aufstellen zu wollen. Um die Stamm- formen aufzufinden, von denen die uns im Obersilur entgegentretenden Gruppen abzuleiten sind, müssen wir ins Kambrium oder doch wenigstens ins tiefste Untersilur zurückgehen. Was ist nun während der langen Zeit des Karbon, Perm und der Trias aus den Heliolitiden geworden, wo haben wir ihre Nachkommen zu suchen unter dem Heer von mesozoischen und jüngeren M adre- porariern. Die meisten riffbildenden Korallen der Jetztzeit besitzen ein poröses Skelett. Eine Reihe baumartig verzweigter Formen hat ein kompaktes Skelett behalten, zu diesen gehören die gewöhnlich zusammengestellten Gattungen Stylophora SCHWEIG., Pocillopora Lam. und Seriatopora Lam. In Verbindung mit den porösen Riffbildnern treten uns diese Formen in den Tertiärschichten ganz unvermittelt in großer Zahl entgegen, ohne im Mesozoikum irgendwelche Vorläufer zu haben. Es handelt sich um die plötzliche Einwanderung einer Korallengruppe, deren Entwicklung während des Mesozoikums in Erdschichten begraben liegt, die wir ent- Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 25 weder noch nicht kennen, oder die heutzutage vom Ozean überflutet sind. Eine direkte Verwandtschaft der Stylophoren mit den Styliniden scheint mir nicht wahrscheinlich. Die Habitusähnlichkeit mit klein- kelchigen, ebenfalls verzweigt wachsenden Drplocoenien des Mesozoikums ist ja auffallend, doch weisen diese Formen eine viel fortgeschrittenere Differenzierung der Septen und ein stärker entwickeltes Rippencoen- enchym auf, als die Stylophoren. Von den lebenden Arten habe ich Stylophora dana E. u. H. ein- gehend untersucht, zunächst den Aufbau des Skeletts an Stücken, aus X (& Fig. 3. Stylophora danai E. u. H. lebend. Singapore. =. A mit röhrigem (c), B mit röhrigem (c) und dichtem (cl), C mit dichtem, körnigem Coenenchym (cl) und einem größeren ı2teiligen Kelche (rl) (nach STEINMANN). denen durch Kochen in Kalilauge alle Weichteile sorgfältig entfernt worden waren, sodann die feinere Struktur des Skeletts an einer großen Zahl von Dünnschliffen. Stylophora danai E. u. H. wächst in kleinen, buschigen Rasen, ge- bildet aus seitlich abgeplatteten und am Rande schwach. fingerförmig verzweigten Ästen. Die Kelche haben der Mehrzahl nach einen Durch- messer von ungefähr I mm; sie sind unregelmäßig über die Fläche der Äste verteilt und stehen ziemlich dicht gedrängt, an den Zweigspitzen oft so, daß gar kein Coenenchym mehr zwischen ihnen bleibt. Der Rand der Kelche wölbt sich mehr oder weniger aus der Coenenchymmasse heraus. Sie enthalten 6 Septen, die sich im Zentrum zu einer Columella zusammenschlieBen. Eine sehr eigentümliche Erscheinung an Stylo- phora danai sind Kelche von größerem Durchmesser (2 mm) und größerer Septenzahl (Fig. 3 Cr!). Inmitten der lappig verbreiterten 26 Gerth. Äste oder an der Basis der randlichen, fingerförmigen Zweige beobachtet man zuweilen ganz vereinzelt besonders große Kelche mit 8, Io, oder 12 gleich entwickelten Septen. Nicht selten findet man auch 2 Kelche mit getrennter Columella in gemeinsamer Umfassungsmauer. Sie ent- halten dann gewöhnlich eine unregelmäßige Septenzahl, die sich um die beiden getrennten Säulen gruppiert, zwischen ihnen kann man öfters noch die Reste oder Anfänge der trennenden Kelchwand beobachten. Ob es sich hier um Verschmelzung von 2 regelmäßig sechszähligen zu einem acht-, zehn- oder zwölfzähligen Kelch handelt, oder ob die Teilung eines durch Einschaltung eines zweiten Zyklus zwölfzählig gewordenen Kelches vorliegt, vermochte ich am Skelett allein nicht zu unterscheiden. Die letzte Auffassung scheint mir jedoch die wahrscheinlichere, nachdem ich an einem Dünnschliff beobachten konnte, daß sich zuweilen in den Inter- septalräumen der sechs Primärsepta ganz allmählich ein zweiter Zyklus bildet. Die großen Sterne mit den 12 gleich entwickelten Septen sind offenbar ein Rückschlag in die ursprüngliche Ausbildungsweise der Kelche und an ganz bestimmte Stellen des Korallenstocks gebunden. STEINMANN (9) hat zuerst auf diese Erscheinung, die ich in der älteren Literatur nirgends erwähnt fand, aufmerksam gemacht. Sie scheint ein sehr vielen Stylophoren gemeinsames Merkmal zu sein, ich konnte die gleichen, ungewöhnlich großen Kelche mit überzähligen Septen noch an Stylophora elongata Lam. aus dem roten Meere und Stylophora cellu- losa Quelch von Australien beobachten. Vielleicht ist auch eine Be- merkung von Reuss (19) in der Beschreibung der eocänen und oligo- cänen Stylophora conferta REuss (19) auf die geschilderte Erscheinung zu beziehen: „Sekundäre Septa kommen nur in sehr wenigen Sternen von besonders großem Durchmesser vor und da nur in sehr geringer Ent- wicklung.“ Besonders schön läßt sich an Stylophora danai beobachten, daß das Coenenchym ursprünglich aus polygonalen Röhren gebildet wird, da sie namentlich in den Achseln zwischen zwei Zweigen öfters dauernd offen bleiben, und die Oberfläche dann aus einem polygonalen Netzwerk besteht (Fig. 3 A, Bc). Sonst erscheint die Coenenchym-Oberfläche durch sekundäre Ausfüllung der Röhren voll- kommen dicht und mit spitzen Körnern besetzt (Fig. 3 Bc!). Durch- schneidet man einen Zweig von Stylophora danai der Länge nach, so kann man 2 ganz verschiedene Zonen unterscheiden. Eine randliche, in der nicht nur die Coenenchymröhren, sondern auch die Polypenröhren mehr oder weniger durch dichte Kalkmassen ausgefüllt sind und eine axiale Zone, in der die Röhren offen bleiben. Die offenen Röhren werden Beiträge zur Phylogenie der Tubocorallier. 27 hier in ziemlich regelmäßigen Abständen von sehr gut entwickelten Böden durchzogen. Es handelt sich nicht etwa um unregelmäßige Dissepimente, von denen OGILVIE und frühere Autoren sprechen, sondern um vollkommen ebene, horizontale Scheidewände, die den Querschnitt der Röhren vollkommen ausfüllen. Wie ist das Zustandekommen dieser beiden so verschiedenen Zonen zu erklären? An der Spitze der Zweige herrscht die beste Nahrungszufuhr und mithin das regste Wachstum. Hier stehen die Polypen dichtgedrängt und wachsen schnell in die Höhe. Sie ziehen sich rasch aus ihren Röhren heraus und haben keine Zeit, diese axialen Röhren der Zweigemit Kalkmasseauszufüllen, sondern können sie nur ge- legentlich, vielleicht in Stillstands- phasen ihres Wachstums durch Ausscheidung von Böden ab- schließen. Ganz anders die Tiere \ an der Seite der Äste, in der N ROS Randzone, sie wachsen infolge YIN y mangelhafter Nahrungszufuhr nur langsam und ziehen sich nur sehr langsam aus ihren Röhren heraus. So kommt es, daß die Kalkaus- Fig: 4. scheidungenamHinterrandedieser Stylophora danai E. u. H. Rezent. Singa- Polypen nicht als getrennte Böden pore. Längsschliff durch die dichte Rand- in größeren Abständen erscheinen, zone eines Astes, = (sp) Spitzen der Coen- sondern unmittelbar aufeinander enchympfeiler, (a) dunkle Achsen derselben. * - Die Löcher rühren von nicht ganz ausge- a liegen kommen und meistens füllten schiefgeschnittenen Coenenchym- zu einer homogenen Kalkmasse her : verschmelzen. Auf diese Weise werden nicht nur die Polypen-, sondern auch die Coenenchymröhren der Randzone vollkommen ausgefüllt. Die Oberfläche des Coenenchyms ist mit kleinen, spitzen Körnern besetzt. Zwischen ihnen bemerkt man zuweilen eine erhabene Linie, die sich um die Kelche herumzieht, sie dürfte als Begrenzungslinie der einzelnen Polypen anzusprechen sein. Bei den Heliohtiden haben wir die Aureolenbildung besprochen, etwas ähnliches liegt auch bei Stylophora vor. Werden die Kelche etwas aus der Masse des Coenenchyms hervorgezogen, so ordnen sich die Röhren um sie in radialer Richtung, wie man deutlich an den in radial ausstrah- lenden Linien angeordneten Spitzchen sehen kann, die dann auch zu- N a N a Rd N Z = N = « 28 Gerth. weilen zu kleinen Rippen zusammenflieBen. Die in Frage stehende erhabene Linie ist nun weiter nichts, als die Grenze, in der die Aureolen zweier Kelche aneinander stoßen. Durch tangentiales Anschleifen oder auf Querschliffen kann man sich leicht davon überzeugen, daß es eine rein sekundäre Bildung ist, die nicht etwa als der Rest einer alten Außen- mauer gedeutet werden darf, da sie sich nicht in die Tiefe fortsetzt. Fig. 5. Stylophora danai E. u. H. Rezent. Singapore. (Juerschliff ‘ durch Coenenchym und Kelch der Randzone eines Astes. =. (pf) Pfeiler des dichten Coenenchyms, (spf) Septalpfeiler, (mpf) Pfeiler der Kelchmauer, (x) Pfeiler der Kelchmauer, dessen dunkles Zentrum in radialer Richtung verlängert ist, Anlage eines zweiten Septalzyklus. WasnundenmikroskopischenAufbaudesSkeletts anbelangt, so zeigt der Längsschliff (Fig. 4), daß es aus Trabekel aufgebaut wird. Es sind dies Pfeiler, gebildet aus Kalkfasern, die radial von einer im Zentrum gelegenen dunklen Achse (a) ausstrahlen. An der Oberfläche des Coenenchyms sind die einzelnen Pfeiler in Spitzen aus- gezogen, gebildet von den Fasern, die dem Scheitel der dunklen Achse im Innern entspringen (sp). Die Spitzen stehen an der Stelle der Kreuzungs- punkte der ursprünglich vorhandenen Röhrenwände, wie man sich an Stellen, an denen die Röhren noch nicht vollkommen ausgefüllt sind, leicht überzeugen kann. In der dichten Randzone stoßen die Pfeiler Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 29 unmittelbar aneinander. Sie begrenzen sich dann im Querschliff (Fig. 5 pf) polygonal, und jedes Vieleck besitzt, der Achse des Trabekel ent- sprechend, ein dunkles Zentrum, von dem die Kalkfasern nach allen Seiten ausstrahlen. Auch Kelchmauer und Septen werden aus einzelnen Pfeilern aufgebaut. Die Septen bestehen nur aus einem Pfeiler, den sie mit der Kelchmauer gemein haben (spf), er ist in radialer Richtung nach innen verlängert und das dunkle Zentrum zu einer Linie ausgezogen. Zwischen den Septalpfeilern stehen in der Peripherie des Kelches jedesmal zwei weitere und bilden so eine ringförmige, bei den gewöhnlichen sechs- zähligen Kelchen aus 18 Trabekel aufgebaute Mauer. Zuweilen schiebt sich zwischen die 2 Trabekel eines Interseptalraumes noch ein weiteres ein, an der Verlängerung der dunklen Achse in radialer Richtung sieht man jedoch bald, daß es sich hier um die Bildung eines Sekundärseptums handelt (Fig. 5x). Auf dem Kelchrand stehen, entsprechend den 18 Trabekel, die die Mauer aufbauen, 18 Spitzchen, von denen jedesmal die septalen zu kleinen Rippen verlängert sind, die dann nach innen direkt in die Septen übergehen. Das Zustandekommen des dichten Coenenchyms in der äußeren Zone bei Stylophora beruht in einer Verdickung des Skeletts durch sekundäre Kalkausscheidung; Hand in Hand geht damit die Auf- lösung in vertikale Pfeiler. Es ist dies eine Erscheinung vollkommen analog der, die wir bei den paläozoischen Heliolitiden kennen gelernt haben und die Kıär bakkuläre Differentiation genannt hat. Man ver- gleiche den Schliff durch die dichte Randzone eines Astes von Diploepora (Fig. 2S. 21) und die Abbildungen der verdickten Skelette bei LINDSTROM. Sie zeigen ganz das gleiche, was wir eben von Stylophora beschrieben haben. Auch bei den paläozoischen Formen bilden die zentralen Kalzi- fikationszentren der verdickten Trabekelpfeiler (bacculi KıÄr) kleine Spitzchen auf der Oberfläche des Coenenchyms. In den Querschliffen sehen wir diese Trabekelpfeiler in unregelmäßiger Begrenzungslinie aneinanderstoßen und die Hohlräume des Coenenchyms schließlich ganz ausfüllen. Ebenso finden wir die Skelettverdickung unter den Heholi- tiden bei den langsam wachsenden Individuen am stärksten ausgeprägt, nämlich entweder bei den dünnen, inkrustierenden Formen oder, geradeso wie bei Stylophora, in der Randzone der Äste der Barnlormie ver- zweigten Diploepora. ae Die fossilen Stylophoren, die man ziemlich zahlreich aus allen Stufen des Tertiär kennt, schließen sich der Mehrzahl nach eng an den eben be- schriebenen lebenden Habitus an, wie z. B. die mir vorliegenden Stylo- phora raristella DEFR. und pulcherrima D’ArcH. Formen wie Stylophora 30 Gerth. costulata E. u. H. und conferta Reuss haben stärker vorspringende Kelche, die von einem Kranz kurzer Rippen umgeben sind. Die meisten rezenten und fossilen Stylophoren wachsen in kleinen Rasen aus verästelten Zweigen. Polsterartige Überzüge, von denen kleine Zweige ausgehen, zeigt Stylophora grossecolumnaris V. GUMBEL sp., die in den oligocänen Reiterschichten (36) vorkommt. Stylophora ponderosa VAUGH. (24) schließlich aus dem Unteroligocän Nordamerikas bildet gerundete Massen. : Im Gegensatz zu der von OGILVIE*) gegebenen Diagnose der Unter- familie STYLOPHORINAE ist nach meinen Untersuchungen die Gattung Stylophora Lam. folgendermaßen zu definieren: Die St ylophoren bukdien@ernasie mito mice pS toc kien ans yen Zz wientenmenn fingerférmigen oder abgeplatteten Asten,selten wenig verzweigte oder knollige Massen. Sie sind Gicin mussen diem Olin GesteitizumValßı erk eitssvzeine teilten Röhrenkelchen besetzt, die in ihrem imine nee giellimia Bineie Böden aufweisen. sSiereihts armel oisie eoieypiiwe mn) Si mide sise tis) wo) ble mt wii.c kleiläissgesten zweiter Zyklus von 6 Septen ist meist nur ange- demter, vereinzelt lernen Sea ae 1D) as Coenenchym besteht aus polygonalen Röhren mit AON enicihe me bie mene Oldiem dies ed och mun sielitem| offen bleiben. Meistens, in der Randzone fast Inneren desie vollkommen anscet illt, isons Gig Mit Spuren Koma Besen wwe (C wkein ein © ln win. Olle mic aemecamy 7) dal eihitr enscchleint. Nahe verwandt mit Stylophora ist die mit ihr gewöhnlich zusammen- gestellte Gattung Pocillopora. Sie unterscheidet sich von Stylophora besonders durch die Entwicklung des Septalapparates. Bei Stylophora sind die Septen wohl entwickelt, fast immer lamellös. Sie erreichen in der Tiefe des Kelches das Zentrum und geben hier zu einer Columella- bildung Anlaß, die sich nach oben als freies Säulchen erhebt. Bei Pocillopora hingegen sind die 6, 12, ausnahmsweise auch 24 Septen äußerst schwach entwickelt und von verschiedenster Ausbildung. Wir können hier alle Übergänge beobachten, von Körnerreihen zu Septalstacheln und mehr oder weniger vollkommen verschmolzenen Lamellen. Die Septen lassen das Zentrum des Kelches frei, das von einer sehr unbeständigen Columellabildung eingenommen PAGS. 9337: Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 31 wird. Sie besteht aus einer Aufwölbung und Verdickung der Kelch- böden im Zentrum, die sich bis zur Bildung einer knopf- oder leisten- förmigen Säule steigern kann. Die eben geschilderten Ausbildungs- formen der Septen und der Säule sind keineswegs etwa auf bestimmte Arten verteilt, sondern bei verschiedenen rezenten Formen kann man sie an ein und demselben Stock nebeneinander beobachten. In Fig. 6 sind einige Kelche von Pocillopora damicornis Esp. mit ganz ver- schiedenen Säulenbildungen dargestellt. An der Basis der Äste finden sich große runde Kelche mit kurzen Septen und schwacher Aufwölbung Fig. 6. Pocillopo adamicornis Esp. sp. Lebend. Indischer Ozean. sa A Kelch mit 12 niedrigen, leistenförmigen Septen (s) und breiter Boden- aufwölbung, B mit 12 Reihen von Septalstacheln und leisten- förmigen Säulchen, C mit ı2 Septen, die aus erhöhten Körner- reihen bestehen, D mit 24 Reihen von Septalstacheln und knopf- förmigem Säulchen. E Längsschnitt durch einige Kelche; (t) Böden, (s) Septen (cl) dichtes, körniges Coenenchym (nach STEINMANN), der Böden (C). Erst höher oben, wo die Äste anfangen zu kleinen Seitenzweigen auszuwachsen, sind Septen und Columellabildung stärker entwickelt (A). Die Kelche nahe der Spitze der Zweige nehmen eine ovale Gestalt an und zuweilen treten die beiden in dem Längsdurch- messer liegenden Septen mit der seitlich abgeplatteten Säule in Ver- bindung (B). Fig. 6 D zeigt einen großen Kelch mit 24 Reihen kurzer Septalstacheln und knopfförmigen Säulchen, wie sie sich vereinzelt an der Basis der Äste finden; sie spielen wohl die gleiche Rolle, wie die großen Kelche bei Stylophora. An einem knolligen Stock von Pocil- lopora grandis VERILL konnte ich beobachten, daß das Coenenchym auch bei dieser Gattung aus polygonalen Röhren bestanden hat. An 32 Gerth. verschiedenen Stellen des Stockes waren die Kelche so dicht gedrängt, daB sie unmittelbar aneinanderstieBen und polygonale Gestalt an- genommen hatten. In den Ecken zwischen diesen Kelchen finden sich nun öfters vollkommen offene Coenenchymrohren. Mit den eben besprochenen Kelchen ist auch noch insofern eine eigentümliche Wand- lung vor sich gegangen, als die Septen stark reduziert sind bis zu kaum wahrnehmbaren Leisten und eine Columella in ihnen fehlt. Der Stock gleicht an solchen Stellen einem imperforaten Favosites. Ähnliche Bildungen habe ich an der Spitze der Zweige anderer Arten beobachtet. Noch viel stärker als bei Stylophora sind bei Pocillopora die Böden entwickelt. Sehr regelmäßig treten sie in Abständen von ca. % mm in den Polypenröhren auf, wie Fig. 6E zeigt. In den Coenenchym- röhren sind sie nur selten zu sehen, da diese fast immer vollkommen ausgefüllt sind. Das Wachstum der Korallenstöcke ist ähnlich wie bei den Stylophoren. Unter den Pocilloporen sind knollige und gerundete Massen, die nur stellenweise zu kleinen unregelmäßigen Zweigen aus- wachsen, häufiger. Auch die Äste der rasenförmigen Stöcke sind unregelmäßig warzig; zur Ausbildung gerundeter, fingerförmiger Zweige kommt es nur selten. Die Coenenchymoberfläche erscheint glatter als bei Stylophora, da sie mit gerundeten Kornern oder feinen Spitzen besetzt ist. Man kennt die Gattung Pocillopora ebenso wie die ihr nahe ver- wandte Seriatopora fossil aus dem Tertiär. Bei Seriatopora ist die Bilateralität der Kelche noch stärker ausgeprägt. Die beiden Mediansepten sind zu einer den Kelch in zwei Hälften teilenden Lamelle verschmolzen. Die anderen Septen sind mehr oder weniger stark reduziert. Ferner ist das Wachstum ein anderes. Die Seriatoporen bilden Büsche aus dünnen, runden, stark verzweigten und an den Enden fingerförmig zugespitzten Ästen. Auf diesen stehen die vollkommen ovalen Kelche in Längsreihen angeordnet, und zwar immer so, daß der längste Durchmesser in der Richtung der Zweigachse liegt. Das Coenenchym ist bei Seriatopora bis tief in das Innere der Zweige voll- kommen dicht auf der Oberfläche fein gekörnelt. Wie wir sehen stimmt der Bau des Coenenchyms bei den Pocilloporen und Seriatoporen sehr mit dem überein, den wir von Stylophora kennen. Vergleichen wir nun Stylophoren und Pocilloporen, nachdem wir uns ein Bild von ihrem Bau gemacht haben, mit den paläozoischen Heliolitiden. Wegen der röhrigen Ausbildung des Coenenchyms kommt hier besonders die Gattung Heliolites in Betracht. Sowohl die palä- ozoischen, wie die tertiären und rezenten Formen haben Röhren- Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 33 kelche von geringem Durchmesser mit 6zähligen Septen und regelmäßigen Böden. Gewöhnlich ist bei den jüngeren Deien cine Differenzierungeiin der Größe der Septen eingetreten, vereinzelt finden sich jedoch auch 12 gleichmäßig ent- wickelte, wie bei Heliolites. Das Coenenchym besteht in beiden Fällen aus Röhren mit ebenen Böden. Die regelmäßigen Bodenbildungen in Kelch und Coenenchymröhren veranlaßten sogar viele ältere Forscher die Gattung Pocillopora in der Gruppe der Zoan- tharia tabulata mit den Heliolitiden zu vereinen. Inder Randzone der Äste von Stylophora und Pocillopora ist dasSkelett verdickt, und das Coenenchym vollkommen dicht geworden. Die gleiche Erscheinung kennen wir zwar von Heliolites selbst noch nicht, wohl aber von der verwandten Diploepora. Es sind also nur ganz geringe Veränderungen, die sich an einem Helioliten vollziehen müssen, um ihn zu einer Stylophora oder Pocillopora zu machen. Aber die Über- einstimmung geht noch viel weiter. Wie wir sahen, unterschieden sich Pocillopora und Stylophora durch die Ausbildung der Septen und der Columella voneinander. Lassen sich vielleicht auch schon unter den Heliolitiden zwei Formengruppen trennen, die sich durch die gleichen Merkmale unterscheiden? Heliolites interstinctus L. ist eine Form mit kurzen Septen von sehr verschiedener Ausbildung, die jedoch das Zentrum des Kelches stets frei lassen. Hier hat nicht selten, namentlich bei den verzweigt wachsenden Formen eine Säulenbildung Platz, die gerade wie bei Pocillopora von den Böden ausgeht. Ja auf T. I Fig. ıı bildet Linpström einen Kelch ab, in dem ein Septum mit der Säule in Verbindung getreten ist, wie wir es bei den rezenten Pocil- loporen so oft finden. Bei Heliolites parvistella FERD. RÖMER dagegen sind die Septen stets lamellös und stärker entwickelt, sie schließen sich im Zentrum zu einer columellaähnlichen Bildung zusammen. Dazu kommt noch die auffallende Habitusähnlichkeit der kleinkelchigen aus runden, wenig verzweigten Ästen bestehenden Hedioliten, die Linp- STROM als Varietät intricata von Heliolites parvistella abtrennt, mit den Stylophoren. Wir finden also die Gattungtrennen- den Merkmale zwischen Pocillopora und Stylo- phora schon unter den silurischen Helioliten in zwei verschiedenen Artenausgeprägt. Ich sehe daher zurden Pocilloporen und Stylophoren;,. die 1m jüngeren Paläozoikum und im Mesozoikum in Bus toch umbekannten Schichten verborgenen understim Tertiär wieder auftauchenden Nach- Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre I, 3 34 Gerth. kommen von 2 Typen der Gattung Heliolites, Heliolites interstinctus L. einerseits und Heliolites parvistella FERD. ROM. var. intricata Lpom. andererseits. Die Gattung Seriatopora stellt von den jüngeren Formen den am weitesten fortgeschrittenen und am stärksten umgebildeten Typus dar, wie das Wachstum, die in Reihen stehenden Kelche und die bilaterale Anordnung der Septen beweisen. Aus diesem Grunde hält es schwer, sie auf paläozoische Formen zurückzuführen, vielleicht sind uns auch ihre Vorfahren noch gar nicht bekannt. Unter den mesozoischen Korallen sind die Styliniden durch ein wohl entwickeltes Rippencoenenchym und Boden- bildungen in den Kelchen ausgezeichnet. Sie erinnern hierdurch sehr an einige silurische Heliolitiden und nichts liegt näher, als in der uns im Jura plötzlich in so ungeheurer Entfaltung hervortretenden Gruppe die Nachkommen der entsprechenden paläozoischen Formen zu suchen. Zu den echten Styliniden rechne ich unter Berücksichtigung der eben erwähnten Merkmale nur die Gattungen Cyathophora MichH., Convexastraea D’ORB., Cryptocoenia D’ORB. , Stylina Lam. und Diplo- coenia FRoM., die alle auch eine deutliche, ringförmige Kelchmauer besitzen. Von diesen hat besonders die Gattung Cyathophora einen altertümlichen Habitus bewahrt, dem sie es verdankt, daß sie öfters geradezu zu den Tabulaten gerechnet wurde. Sie enthält Korallen mit dichtstehenden und nur wenig vorragenden Kelchen. Charak- teristisch für die Gattung ist die schwache Entwicklung der Septen. Sie laufen eben nur als Streifen angedeutet, oder in der Form kurzer Lamellen an der Kelchwand in die Tiefe, während das weite Lumen des Kelches von regelmäßigen, dichtstehenden Böden eingenommen wird. Eine Säule fehlt den Cyathophoren. Die Septen sind bei weitaus der Mehrzahl 6 zählig angeordnet, selten 8- oder 10 zählig. Gewöhn- lich sind nur 6 oder 8 Septen deutlich erkennbar. Die Kelche sind von einem Kranze kurzer Rippen umgeben. Das Coenenchym wird aus Blasen gebildet, die sich zwischen den Rippen in der Umgebung der Kelche gelegentlich zu ebenen Traversen verflachen. Abgesehen von den Rippen fehlen vertikale Elemente ganz, oder sie bestehen aus unzusammenhängenden Pfeilern. In Fig. 7a und 7b habe ich eine Cyathophora der Bonner Sammlung darstellen lassen. Das Stück, dem keinerlei Etiquette beilag, dürfte der Gesteinsbeschaffenheit nach dem nordostfranzösischen Jura ent- Beiträge zur Phylogenie der Tubocorallier. 35 stammen und zu Cyathophora bourguetti DEFR. zu rechnen sein. Fig. 7A gibt uns in Anschliff und Aufbruch ein gutes Bild von der Struktur des Korallenstocks. Die Kelche haben einen Durchmesser von 5 cm, sie weisen 8 deutliche Septen auf, zwischen denen gewöhnlich noch je 3 weitere eines zweiten und dritten Zyklus in Gestalt von Streifen sicht- bar werden. Die Böden sind in dem zentralen Teile der Kelche, den die Septen frei- lassen, kuppelartig nach oben aufgewölbt (Fig. 7A, b). Das Coenenchym ist vollkommen blasig. Vertikale Elemente finden sich vereinzelt, doch setzen sie nur selten auf größere Strecken durch das Coen- enchym durch. Fig. 7 B stellt einige Kelche von oben gesehen dar, um die Beziehungen zwischen Septen und Rippen zu zeigen. Die 8 Hauptsepten setzen sich nach außen un- mittelbar in kurze Septalrippen fort. Zwischen je zwei von ihnen schaltet sich fast immer noch eine Rippe ein. Die Ver- zweigungen und anderen Ele- mente, die zwischendenKelchen in der Abbildung noch sichtbar werden, rühren von den Blasen des Coenenchyms her, die sich an die Rippen ansetzen. Treten zwei Kelche sehr nahe anein- ander heran, so gehen ein oder Fig. 7. Cyathophora bourguetti DEFR. Nordostfranzö- sischer Jura? (Bonner Museum). ?. A. Längsaufbruch des Korallenstocks, die untere Hälfte ist angeschliffen. k, k Kelch- röhren, erfüllt mit nach oben emporgewölbten Böden b, s Primärseptum, s! Septen des zwei- ten und dritten Zyklus, nur als Streifen auf der Kelchwand angedeutet; c blasiges Coen- enchym mit unzusammenhängenden vertikalen Elementen, r Rippen außen auf der Kelchwand. B. Zwei Kelche von oben gesehen, angeschliffen. r, r Rippen in der Verlangerung der Septen. b Uhrglasförmiger Boden. zwei Rippen des einen unmittelbar in die des anderen über, oder aber sie greifen wie die Zähne eines Zahnrades in die Lücken zwischen zwei Rippen des Nachbarkelches ein. Sehen wir einmal von Kelchgröße und Anordnung hie 36 Gerth. der Septen zunächst ab, so zeigt diese Cyathophora im Skelettaufbau eine ganz überraschende Ähnlichkeit mit paläozoischen Proporen und Plasmo- poren. Zum Vergleich habe ich hier einen Längsschliff und einen Querschliff von Propora speciosa BıLL. kopieren lassen. Fig. 8 zeigt uns auch ein vollkommen blasiges Coenenchym mit vereinzelten vertikalen Elementen. Der Querschliff Fig. 9 zeigt uns, daß sich die Septen bei Propora speciosa, geradezu mit noch größerer Regelmäßigkeit als bei der jurassischen Cyatophora, nach außen unmittelbar in kurze Rippen fortsetzen. Es ist daher nicht richtig, wenn WEISSERMEHL (12) als Unterschied zwischen Cyathophora und den Heliolitiden die klaren Beziehungen der Septen zum Coenenchym bei den mesozoischen Formen anführt. Klarere Beziehungen der Septen zu den Rippen des Coenenchyms wie die abgebildete Propora speciosa kann keine Koralle zeigen und ebenso klare Beziehungen, wie die Cyathophoren zeigen auch sehr viele Plasmoporen. Die oben geschilderte Cyathophora bourguetti DEFR. entfernt sich allerdings, was Kelchgröße und Anordnung der Septen anbelangt, sehr weit von den Plasmoporen und Proporen, aber wir kennen eine ganze Reihe von Cyatkophoren, die auch in dieser Beziehung nur wenig oder gar nicht von paläozoischen Arten abweichen. Zunächst einige Worte über die durch die eben zitierte Arbeit WEISSERMELS (12) bekannt gewordene Cyathophora heliohtiformis WEISSERM. aus dem weißen Jura Rumäniens. WEISSERMEL schreibt von dieser Koralle: „Die 12 Septen setzen in sehr regelmäßiger Weise über die Kelchwand hinaus fort und bilden im Verein mit exothecalen Traversen ein Coenenchym, das dem von Plasmopora sehr ähnlich ist und stellenweise, wenn die Costä der Nachbarkelche sich verzweigen und miteinander verwachsen, Röhrenbildung ähnlich wie Heliolites zeigt.‘ Außer den oben schon besprochenen engen Beziehungen der Septen zum Coenenchym führt WEISSERMEL als Unterschied von den Heliolitiden die Differenzierung der 12 Septen in zwei Zyklen von verschiedener Größe an. Heliolites porosus GOLDF. zeigt aber nicht selten eine ebenso deutliche Differenzierung der Septen in zwei Zyklen (vgl. S. 23). Mithin ist auch dieser Unterschied zwischen Cyathophora heliolitiforme und den Heliolitiden nicht stichhaltig. In dem Umstand, daß die in Rede stehende Form durch ‚andere, weniger extreme Arten mit anderen Hexakorallen“ verbunden ist, darf man doch wohl keinen Grund sehen, sie nicht mit den Heliolitiden in Verbindung zu bringen. Würden wir aus dem jüngeren Paläozoikum überhaupt mit Cyathophora verwandte Korallen kennen, so dürften sie die in Rede stehenden Art ebenso gut mit silurischen Heliolitiden verbinden, wie sie andere mesozoische Formen an die soge- Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. Fig. 8. Propora speciosa Birt. Längsschliff (nach Lınpström). 8. (k) Kelch- röhren mit Böden (b), (c) blasiges Coenenchym mit vereinzelten, vertikalen Elementen. Fig. 9. Propora speciosa Biri. (= Plasmapora stellata Kıär), Querschliff (nach Kıär), 1. Hell: Kelchn auer, Septen und Rippen (r); dunkel: Böden der Kelche und Blasen des Coenenchyms. 32 38 Gerth. nannten Hexakorallen angliedern. Ich sehe in dieser mesozoischen Koralle eine Form, die im Plasmoporen-Stadium zuriickgeblieben ist, wahrend ihre nächsten Verwandten bereits das Cyatkophoren-Stadium erreicht haben. Ja nach der Beschreibung WEISSERMELS ist sogar das Coen- enchym noch nicht blasig, sondern aus ebenen Traversen gebildet und in- folgedessen sind auch die Röhren zwischen den Kelchen noch nicht voll- ständig der Auflösung anheimgefallen. Eine Ausbildungsweise, die, wie wir gesehen haben, gerade für das Coenenchym |vieler Plasmoforen charakteristisch ist. Andere primitive Cyathophoren mit kleinen Kelchen und wenigen sechszähligen Septen, die noch sehr an Heliolitiden erinnern, hat OGILVIE (3) aus den Stramberger Schichten beschrieben. (Cyathophora tithonica Ocırv. und globosa OcıLv.) Bei diesen Formen kommen nach den Beobachtungen der englischen Forscherin noch isolierte Septaldornen vor. In Dünnschliffen zeigen Mauer und Septen einen geschlossenen Primärstreif wie Heliolites. Den Stramberger Arten nahe verwandt und von gleich primitivem Bau ist Cyathophora prionae D’ACH. (20) aus italienischem Jura. Auch aus der Kreide kennen wir noch eine ganze . Reihe kleinkelchiger Cyathophoren mit sechszähligen Septen, die Rippen sind bei ihnen gar nicht, oder nur sehr schwach entwickelt (Cyathophora neocomiensis D’ORB., regularis From. (21). In diesen meso- zoischen’Korallen sehe ich die unmittelbasen Nachkommen paläozoischer Helohtidnmitschwach enibwillcike lem SS wpeSm WiC wirwlinv~etien eee IRN jo [De im = bildung in dex Umgebung der Kelche,. wie amen sie aus den Gattungen Propora und Plasmoporakennen. Die Vorfahren der großkelchigen Cyathophoren mit stärker differenzierten Septen dürften zurzeit noch nicht bekannt sein. Streifen wir noch kurz die anderen Styliniden. Die beiden oft schwer zu trennenden Gattungen Convexastraea D’ORB. und Cryptocoenia D’ORB. haben kleine Kelche und stark entwickelte Septen, die sich über den Kelchrand hinweg nach außen in Rippen fortsetzen. Während bei Convexastraea das Coenenchym stets aus ebenen bodenartigen Traversen gebildet wird, und die Rippen der einzelnen Kelche aneinander abstoßen, ist bei Cryptocoenia das Coenenchym nicht selten blasig und die Rippen der Kelche gehen ineinander über. Schon in der Einleitung habe ich auf die Rippenbildung der Plasmopora scita E. u. H. aufmerksam gemacht. Bei dieser silurischen Koralle setzen sich die Septen auch über den Kelchrand hinweg in Rippen fort und die Rippen der einzelnen Kelche fließen ineinander. Es scheint daher keineswegs ausgeschlossen, Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 39 daß kleinkelchige Cryptocoenien mit blasigem Coenenchym von Typen wie Plasmopora scita abstammen. Weit schwerer halt es, die übrigen Styliniden mit paläozoischen Formen in Beziehung zu bringen. Die Gattung Stylina Lam. hat stark vorragende Kelche mit zahlreichen gut entwickelten Septen und deutlicher Säulenbildung. Das Coenenchym ist blasig oder lamellös. Während die Stylinen des europäischen Jura und der Kreide sich alle weit von den paläozoischen Heliolitiden entfernen, hat uns GREGORY (22) mit einigen Formen aus dem indischen Jura be- kannt gemacht, die durch ihren ganzen Habitus ebenfalls sehr an silu- rische Plasmoporen erinnern. Die jungen Exemplare von Stylina cachensis GREG., unter welchem Namen der Autor die sehr variierenden Korallen zusammengefaßt hat, bilden kleine Stöcke von flacher, scheiben- förmiger Gestalt und sind auf der Unterseite mit runzeliger Epithek bekleidet. Die Kelche sind klein (2,5 mm Durchm.), wenig vorspringend und weisen zum Teil keine Säulen auf. Die Gattung Diplocoenia FROM. schließlich ist durch den Besitz einer zweifachen Mauer ausgezeichnet. Die kleinkelchigen hierher gehörigen Korallen wachsen gern verzweigt und besitzen stets eine deutliche Säule. Ob die polygonale Linie, in der die Rippen der einzelnen Kelche aneinanderstoßen, tatsächlich als Rest einer Außenmauer anzusprechen ist, und in der ringförmigen Innen- mauer wirklich eine Neubildung vorliegt, oder ob es sich nur um eine polygonale Abgrenzung’ der einzelnen Individuen handelt, ist noch nicht mit Sicherheit festgestellt. Lassen sich auch die meisten Cyathophoren und einige Cryptocoenien, wie wir gesehen haben, von bestimmten paläozoischen Heliolitiden ab- leiten, so sind uns doch bis jetzt offenbar nur die Vorfahren eines kleinen Teils der so formenreichen Styliniden bekannt. Ebenso unvermittelt und plötzlich wie die Styliniden in Trias und Jura erscheinen, sehen wir sie am Ende der Kreidezeit wieder ver- schwinden.*) Was ist aus ihnen geworden, sind uns etwa ihre Nach- kommen noch unbekannt, oder haben wir sie nur als solche noch nicht erkannt ? In der Kreide und mehr noch in der Tertiärzeit vollzieht sich eine große Veränderung unter den skelettbildenden Ko- rallen. An Stelle der Formen mit dichten kompakten Hart- teilen treten allenthalben solche mit porösen. Am stärksten *) Es sind verschiedentlich einzelne Styliniden aus dem Tertiär beschrieben worden, jedoch hat es sich bis jetzt immer um unsichere Formen gehandelt. 40 Gerth. macht sich dieser Wechsel unter den Riffbildnern geltend. Früher hat man angenommen, daß es sich hier um das Auftreten einer ganz neuen Familie der Porosen handele, in Wirklichkeit aber wird diese Veränderung nur durch weitgehende Umwandlung des Skeletts in den verschiedenen Stämmen der vorhandenen mesozoischen Korallen be- wirkt. Daher glaube ich, daß wir auch die Nachkommen der Styliniden unter den Porosen des Tertiär und der Jetztzeit zu suchen haben. Auf unseren Korallenriffen lebt heute die Gattung Astraeopora, BLv. die wir fossil aus dem Tertiär und neuerdings ganz vereinzelt schon aus der jüngsten Kreide kennen*). Die systematische Stellung dieser Gattung war von jeher unsicher. Gewöhnlich wird sie in die Nähe zweier anderer poröser Gattungen, der rezenten und tertiären Turbinaria OKEN. und der besonders in der Kreide verbreiteten Gattung Actinacis D’ORB. gestellt. Gegen dievon älteren Forschern angenommene und von ORTMANN (8) wieder betonte Verwandtschaft von Turbinaria mit Astraeopora hat sich bereits BERNARD **) gewandt. In der Tat haben diese Gattungen weiter nichts gemeinsam, als daB sie beide Coenenchym bildende, poröse Korallen enthalten. Keineswegs besser steht es mit den Beziehungen von Astraeopora zu Actinacis, die vor allem einen ganz anderen Septal- apparat mit Säulen- und Pfählchen-Bildung aufweist. Die Astraeoporen sind Röhrenkorallen mit reichlich entwickeltem Coenenchym. Die Kelche haben in der Regel 6 zählige, schwach ent- wickelte Septen in 2 Cyclen, von denen die des ersten das Zentrum erreichen, aber erst in der Tiefe des Kelches. In bezug auf die Wachs- tumsformen der Stöcke, kann man mehrere Typen unterscheiden. Ob- wohl sie die ganze Anordnung des Skelettaufbaues nicht unwesentlich beeinflussen, glaube ich doch, daß man ihnen keinen allzu großen systematischen Wert beilegen darf, da sie offenbar meistens nur An- passungserscheinungen an verschiedene Lebensbedingungen darstellen. Wir können hauptsächlich zwei Formen unterscheiden, die sich ziemlich scharf gegeneinander abgrenzen und in der Art ihres Wachstums tief- greifend verschieden sind; nämlich Stöcke von massig, kugeliger Gestalt und flach ausgebreitete. Die ersteren kommen dadurch zustande, daß in der ursprünglich becherförmigen Kolonie die zentralen Kelche am stärksten wachsen. Sie schießen schnell empor, werden durch *) FeLıx (23) beschreibt aus Kreideschichten Ostgaliziens, deren Alter sich zur- zeit noch nicht genau bestimmen läßt, zwei Astraeoporen, Astraeopora octophylla FEL- und hexaphylla Fer. **) (25) 8. 81. Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 41 die im Coenenchym zwischen ihnen neu hervorsprossenden Kelche auseinander geschoben und drängen dann ihrerseits die seitlichen, langsamer wachsenden Polypen über den Kelchrand nach der Unter- seite. So entstehen mehr oder. weniger kugelige Stöcke, bei denen die Epithekbildung oft ganz unterdrückt wird; wie z. B. bei der von BERNARD beschriebenen Astraeopora ovalis BERN., die allseitig von Polypen bedeckt ist und keine eigentliche Anheftungsstelle mehr besitzt. Nur die abgeplattete Unterseite scheint das Tier am Fortrollen zu hindern. Die flach ausgebreiteten Stöcke kommen dadurch zustande, daß die Kelche nicht in die Höhe wachsen, sondern alle niedrig bleiben. Die stärkste Sprossung herrscht am Rande der Kolonie und die Unter- seite ist in der Regel reichlich mit Epithek bekleidet. In der gleichen Weise wachsen auch die inkrustierenden Formen. Ein eigentümliches Wachstum besitzt ein pilzförmiger Stock von Astraeopora myriophthalma Biv. des Berliner Museums. -Es lag mir ein Stück aus der Randpartie der Koralle vor, woran man im Querschnitt sehen konnte, daß sich die Kelche, die unmittelbar am Rande stehen, weit in das Innere der Koralle verfolgen lassen. Sie beherbergen offenbar die ältesten Polypen, denn rechts und links von diesen axialen Kelchen sprossen im Coenenchym die Kelche der Ober- und Unterseite des Stockes und wenden sich divergierend nach außen, die ersteren zeigen auf der Oberfläche der Koralle oft eine deutliche Anordnung in gebogene Reihen. Ich untersuchte eine kugelige Astraeopora von der Insel Radak in der Südsee genauer, die ich zu BERNARDS (25) Astraeopora ovalis BERN. stellen möchte. Fig. 10 u. ıı geben ein gutes Bild von der Struktur der Koralle. Das allseitig von Polypen bedeckte Stück hat nur eine kleine hervorragende Anheftungsstelle auf der Unterseite, die von ein paar undeutlichen Epithekrunzeln konzentrisch umgeben wird. Die größeren Kelche erreichen einen Durchmesser von 344 mm und springen ziemlich stark aus dem Coenenchym vor. Es sind 6 am Kelchrand noch schwach entwickelte primäre Septen vorhanden, die gegen die Tiefe hin größer werden und bei etwa 3 mm Kelchtiefe das Zentrum erreichen. Sie sind nicht porös, aber oft in unregelmäßige Dornen ausgefranzt. Zwischen ihnen ist stets ein zweiter Zyklus von 6 Septen vorhanden, die jedoch an Größe gegen die primären sehr zurück- bleiben und oft in lappige Dornen aufgelöst sind. Zwischen den Septen dieser beiden Zyklen wird die Mauer des Kelches von einer oder zwei Lochreihen durchbohrt. Auf den Brücken zwischen den einzelnen Löchern oder zwischen den beiden Lochreihen kann man fast immer kleine dornförmige Vorsprünge beobachten, offenbar die Spuren eines 42 Gerth. Fig. 10. Astraeopora ovalis BERN. Rezent. Radak, Südsee. (Senkenberg. Museum, Frankfurt a. M.) Längsschnitt durch einen Teil des kugeligen Stockes. $. Bei K ist ein groBer Kelch, bei k ein junger im Coenenchym sprossender Kelch angeschnitten. s Primarseptum, p Porenreihen zwischen den schwach entwickelten Septen des zweiten und dritten Zyklus, pf Pfeilerstruktur des Coenenchyms. Fig. 11. Die gleiche Koralle, ein Stück der Oberfläche. $#. K großer Kelch von einem Kranz in das Coenenchym ausstrahlender Rippen umgeben, die durch die Perforation in Höcker und Lappen zerschlitzt sind; k im Coenenchym sprossender Kelch; 1 Quer- lamale des Coenenchyms, die kleinen warzenförmigen Erhebungen sind die Enden der Pfeiler. Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 43 dritten Septenzyklus. Das Coenenchym besteht aus vertikalen Pfeilern, sie werden durch seitliche Fortsätze, die horizontale, unregelmäßig perforierte Böden bilden, zusammengehalten (,,synapticular floors‘‘ BERNARD), Fig. 10 pf. In den randlichen Partien und auf der Unter- seite, wo das Wachstum langsamer ist, sind die Pfeiler etwas verdickt und so gedrängt, daß das Coenenchym fast dicht erscheint. Auf der Oberfläche ragen die Vertikalpfeiler als stumpfe Spitzen vor, um die Kelche sind sie in radial ausstrahlenden Reihen angeordnet und bilden auf den statk vorgezogenen Rändern Rippen, die jedoch durch die Perforation in einzelne Höcker zerschlitzt sind. Die Rippen entsprechen in ihrer Zahl den vorhandenen Septalanlagen, es sind in der Regel 24. Zwischen je zwei Rippen liegt dann eine der die Kelchwand durch- bohrenden Lochreihen (Fig. II K). Das Coenenchym bietet von oben gesehen zwei ganz verschiedene Bilder, je nachdem man eine Stelle betrachtet, an der einem die Spitzen der vertikalen Pfeiler entgegen- ragen, oder eine solche, an der sie nicht mehr vorhanden, und man unmittelbar auf eine horizontale Lamelle sieht. In letzterem Falle be- obachtet man einen von unregelmäßigen Löchern durchbohrten Boden, auf dem die Pfeiler durch kleine warzenförmige Höcker angedeutet sind (l). Bei der vorliegenden Form ist die Coenenchymknospung be- sonders schön entwickelt. Mit einer gewissen Regelmäßigkeit sproßt in den vertieften Zwischenräumen zwischen 3 oder 4 großen Kelchen ein junger aus dem Coenenchym hervor (k). Die flach ausgebreiteten Stöcke stimmen in allen wesentlichen Merkmalen des Aufbaus mit der eben geschilderten kugeligen Form überein. Ihre Kelche sind im allgemeinen von etwas kleinerem Durch- messer. Die fossilen Astraeoporen schließen sich der Mehrzahl nach eng an die jetzt lebenden, ausgebreiteten und inkrustierenden Stöcke an. So die Formen aus dem Eocän des Pariser Beckens Astraeopora panicea Bry. und asperrima Micu., ferner die von REuss aus dem Oligocän von Steiermark beschiebene Astraeopora compressa Reuss, die offenbar mit der rezenten myriophthalma BLv. nahe verwandt ist. Auch kugelige und knollig-massige Formen kennen wir aus dem Tertiär, wie z. B. die von Reuss aus dem Tertiär der Alpen beschriebene und von MICHELIN abgebildete Astraeopora sphaeroidalis Micu. sp., deren Kelche einen Durchmesser von 4—5 mm erreichen. Von MILNE Epwarps*) ist Astraeo- pora sphaeroidalis MıcH. sp. und Astraeopora auvertiaca MICH. sp. *) (26) B. II S. 140. 44 Gerth. in der Gattung Araeacis abgetrennt worden, da ihr Skelett nicht porös ist. Araeacis auvertiaca MıcH. sp. steht Astraeopora asperrima Mich. sp. sehr nahe, sie unterscheidet sich durch das aporose Skelett, die etwas kleineren Kelche (2 cm D.) und die zahlreichen, dicht gestellten Böden. Bei Astraeopora asperrima Micu. sp. sind die Kelchröhren in der Tiefe des Stockes zuweilen auch noch nicht durchbohrt. Ein von den seither geschilderten Astraeoporen abweichenden Typus repräsentiert die im Oligocän der Südalpen so häufige Astraeopora decaphylla Reuss. Während alle rezenten und die meisten fossilen Astraeoporen streng 6zählig sind, besitzen die großen erwachsenen Kelche hier stets Io gleich große Septen; die kleinen eben im Coenenchym sprossenden Kelche zeigen allerdings auch nur 6 Septen. FerneristdieCoenenchym- entwicklung bei Astraeopora decaphylla Reuss viel geringer als bei allen anderen Asitraeoporen, so daß die Kelche ziemlich dicht aneinander gedrängt stehen. Es lag mir ein großes brodlaib- Fig. 12. Astraeopora decaphylla Reuss, Oligocan, Castelgomberto (Universitätssammlung Frei- förmiges Stück der Freiburger burg): Ein Stück der Oberfläche. +. 1 Lamel- Sammlung zur Untersuchung vor, löses, von unregelmäßigen Löchern durch- dessen Oberseite ganz mit gut brochenes Coenenchym; b uhrglasförmige = = 2 ae margresenm™ 8" erhaltenen Kelchen bedeckt ist. Boden; s dornförmige Andeutungen eines zweiten Septalzyklus zwischen den Poren Das Innere besteht wie bei den der Kelchwand. meisten Fossilien des Vicentins aus einem kristallinen Kalk, der sich schlecht zur Anfertigung von Dünnschliffen eignet, da sich im Schliff die Skelettelemente nur schwer von dem kristallinen Gefüge des Kalkes unterscheiden lassen. In Fig. 12 ist ein Stück der Oberfläche vergrößert dargestellt. Die Abbildung läßt die Anordnung der Septen und der Löcher in den Kelchen, sowie die Beschaffenheit des Coenenchyms erkennen. Die erwachsenen Kelche erreichen einen Durchmesser von 4 mm. Der Kelchrand ist etwas aufgewulstet und ragt wenig über die Coenenchymoberfläche vor. Im Innern sind die Kelche mit regelmäßigen, nach oben aufgewölbten Böden erfüllt (b). Die 10 dünnen Primärsepten nähern sich dem Zentrum des Kelches erst Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 45 in ziemlicher Tiefe. Zwischen den Septen ist die Kelchwand von Léchern durchbohrt und zwar entweder von einer Reihe großer Löcher, oder diese sind durch eine Brücke, auf der dann kleine dornförmige Septal- stacheln als Andeutungen eines zweiten Zyklus stehen, in 2 Reihen ‚getrennt (s.). Es lassen sich in dem gleichen Interseptalraum die ver- schiedensten Übergangsstadien beobachten. Das Coenenchym besteht, wie schon REUSS (19) beschreibt und ich mich an Anschliffen überzeugen konnte, aus unregelmäßigen gebogenen Querlamellen, die von zahl- reichen Löchern durchbrochen sind (l). Die vertikalen Elemente des Coenenchyms treten im Gegensatz zu den übrigen Astraeoporen bei dieser Art ganz zurück. Nur vereinzelt finden sie sich in Gestalt un- zusammenhängender Pfeiler in der Umgebung der Kelche, wo sie wahrscheinlich als Reste einst vorhandener Rippen zu deuten sind. Durch die schwache Entwicklung der vertikalen Elemente im -Coenenchym sowie durch die großen dicht stehenden Kelche mit den wohl entwickelten Böden nähert sich Asiraeopora decaphylla REUSS am meisten von allen Astraeoporen den mesozoischen Cyathophoren. Ja die Übereinstimmung geht soweit, daß man wohl nicht zögern würde die tertiäre Koralle in die Gattung Cyathophora einzureihen, wenn ihre Kelchmauern und ihr Coenenchym nicht porös wären. Schon bei vielen Cyathophoren der Kreide sind die Rippen nur noch sehr schwach ‚entwickelt, und das blasige Coenenchym ist lamellös geworden, so daß ihr Skelett nur von Poren durchbohrt zu werden braucht, um sie zu einer Astraeopore zu machen. Die Porosität kann sich aber, wie ich an Astraeopora asperrima MicH. sp. beobachten konnte, an einem Korallenstock entwickeln. Ichsehealsoin Astraeopora decaphylla Reuss denunmittelbaren Nachkommeneinermeso- zoischen Cyathophora. Auch die übrigen Astraeoporen möchte ich als Nachkommen von Styliniden ansprechen. Sie allein unter den mesozoischen Korallen besitzen die für die Astraeoporen so charakteristischen, vorspringenden und von Rippen umgebenen Kelche. Allerdings sind durch die Per- foration des Skeletts tiefgreifende Veränderungen eingetreten besonders in der Beschaffenheit des Coenenchyms. Auch die Bodenbildungen in den Kelchröhren treten bei den lebenden Formen ganz zurück. Ob als Vorfahren der Astraeoporen unter den Styliniden nur die Cyathophoren in Betracht kommen, die wegen der schwach entwickelten Septen am nächsten stehen, oder ob namentlich für die kleinkelchigen flach aus- gebreiteten Astraeoporen etwa noch andere Styliniden Gattungen in ‘Frage kommen, vermag ich heute noch nicht zu entscheiden. Ich glaube 46 Gerth. jedoch bestimmt, daß uns in den Plasmoporen-Proporen, Cyathophoren, Astraeoporen Entwicklungsstufen ein und derselben sichvom Paläozoikumbis zur Gegenwartununter- brochen @weiter entwickelnden Korallenemuppe vorliegen. In den Stylophoren und Pocilloporen haben wir Nachkommen der Gattung Heliolites erkannt. Die Plasmoporen und Proporen, bei denen sich Rippen in der Umgebung der Kelche ausgebildet hatten, haben wir als Vorfahren einer Reihe von Formen unter den mesozoischen Stylamden angesprochen. Von den Heliolitiden im engeren Sinne bleiben nur noch diejenigen Proporen übrig, die ein vollkommen blasiges Coenenchym ohne eigentliche vertikale Elemente haben, sondern statt dieser die früher erwähnten kleinen Spitzen auf den Blasen besitzen. Aus Schichten des Turon und Senon kennen wir eine kleine, scharf begrenzte Gruppe von Korallen, die man bis jetzt nur an wenigen Lokali- täten gefunden hat. Ich meine die Heterocoenien, die wohl gelegentlich auch an die Styliniden angeschlossen worden sind. Unter den bis jetzt bekannten Heterocoenien kann man 3 Wachstumsformen unterscheiden. Knollige Stöcke, plattenförmige oder inkrustierende, nur wenig akrogene Massen und schließlich verzweigt wachsende Formen. Während die Größe der Kelche zwischen 2 und 6 mm Durchmesser schwankt, ist die Zahl und Anordnung der Septen sehr konstant. Gewöhnlich sind nur 6 Septen deutlich erkennbar, vereinzelt ist noch ein zweiter Zyklus angedeutet. Charakteristisch für die Heterocoenien ist der sie von allen anderen meso- zoischen Korallen trennende Umstand, daß stets ein Septum be- sonders stark entwickeltist. Die Kelchröhren der knollig massigen Arten werden durch ein blättriges lamellöses Coenenchym zusammengehalten. Blasiges Gewebe findet sich nur selten zwischen den Lamellen, doch beruht dies vielleicht in dem Erhaltungszustand der meistens verkieselten Formen. Die Coenenchymoberfläche ist ge- körnelt, gerunzelt oder mit einem feinen polyedrischen Netzwerk be- deckt, ganz ähnlich wie wir sie von vielen Proporen kennen. Auch bei den paläozoischen Formen findet sich Körnelung, Runzelung oder ein feines polyedrisches Netzwerk. Letzteres ist charakteristisch für die Coenenchymoberfläche von Propora ambigua Lp., die auch eine Verdich- tung des blasigen Coenenchyms in bestimmten Lagen aufweist. Die anderen flach ausgebreiteten Heterocoenien haben ursprünglich blasiges Coenenchym, dochist es meist ganz dicht geworden, und seine Blasenstruk- tur ist nur noch an wenigen Stellen erkennbar. Fig. 13 stellt einen Quer- Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 47 schliff durch Heterocoenia crassolamellata E. u. H. dar. Wir ersehen daraus, daß das Coenenchym fast vollkommen dicht ist und aus schmalen, unmittelbar aneinander stoßenden Pfeilern aufgebaut wird. Nur ge- legentlich beobachten wir von Blasen erfüllte Hohlräume (bl), die Blasen sind alsdann dicht besetzt mit kleinen Spitzen, wie wir sie von den paläo- zoischen.Proporen her kennen. Wachsen die Spitzen aus, so bilden sie die Pfeiler des dichten Coenenchyms. Mit den Proporen nahe verwandt ist, wie wir in der Einleitung gesehen haben, die schon im Silur verzweigt wachsende Gattung Diploepora. Bei Diploepora grayi E. u. H. sp. ist das Coenenchym in der Randzone der Äste fast ganz dicht und aus Pfeilern aufgebaut, nur gelegentlich bleiben von Blasen erfüllte Zonen offen (vgl. LinpstOrm T. XI, Fig. 4). Der aufgewulstete Rand der kleinen Kelche (0,8 mm Durchm.) ist den Interseptalräumen ent- sprechend eingekerbt. Hierdurch erinnert, diese Form sehr an klein- kelchige, verzweigt wachsende Heterocoenten, die wir aus Südfrankreich kennen. So haben z. B. die von FROMENTEL *) (21) als Heterocoenia dendroides Reuss abgebildeten Stücke ebenfalls einen aufgewulsteten Kelchrand. Allerdings sind nicht mehr wie bei der paläozoischen Form 12 Einkerbungen, sondern gemäß den 6 Septen nur 6 Einkerbungen vor- handen. Die Coenenchymoberfläche ist wie bei Diploepora gekörnelt. Auch bei Heterocoenien mit größeren Kelchen (3 mm Durchm.), die man aus der Gosau kennt (Heterocoenia grandis Reuss), ist der vorge- zogene Kelchrand eingekerbt und springt nach innen zahnartig vor. An diese Vorsprünge setzen sich die dünnen, lamellösen Septen an. Wie der Schliff Fig. 13 zeigt, werden sowohl Kelchmauer wie Septen bei Heterocoenia crassolamellata E. u. H. von einem geschlossenen Primär- streif durchzogen. Regelmäßige Bodenbildungen finden sich noch bei den knolligen Heterocoenien (Heterocoenia provincialis D’ORB.), bei den übrigen Formen kommen nach den Beschreibungen von Reuss (27) und FELIX (20) nur blasige Traversen am Rande der Kelche zwischen den Septen vor. Die Bodenbildungen treten überhaupt bei den jüngeren Korallen zurück, wie wir auch an den Asitraeoporen gesehen haben. Die oben geschilderte Übereinstimmung in der Beschaffenheit des Coen- enchyms der Heterocoenien mit dem gewisser Proporen ist sehr auffallend. Ich halte es daher nicht für unmöglich, daß diese Kreidekorallen, trotz der abweichenden Entwicklung des Septalapparates, die Nachkommen von silurischen Proporen mit vollkommen blasigem Coenenchym ohne Rippenbildung sind. Namentlich scheinen mir einige kleinkelchige *) (21) T. CXXXIII. 48 Gerth. ae Wi, x : Fig. 13b. Heterocoenia crassolamellata E. u. H. Gosau, Querschliff durch die Spitze eines Astes (nach Ferıx). }#. A. Zeigt die Lage der Seitenkelche (k, kl, k?) um den großen Axial- S kelch (K). B. Ein Teil des Schliffes, stärker vergrößert, um die Struktur des Coenenchyms zu zeigen. $. (pf) Pfeilerstruktur, (bl) Blasen mit den kleinen Spitzen, (dl) dunkle Linie in Kelchmauer und Septen, (t) blasige Traversen zwischen den Septen am Rande der Kelche. Beitrage zur Phylogenie der Tubocoraliler. 49 Heterocoenien enge Beziehungen zu paläozoischen Diploeporen, auf- zuweisen. Verweilen wir noch etwas bei dieser interessanten Korallengruppe der Kreide. Ich möchte auf eine merkwürdige Wachstumserscheinung aufmerksam machen, die neben der Entwicklung des Septalapparates die Heterocoenien in äußerst enge Beziehungen zu einer großen Gruppe lebender Korallen bringt. Das von FELIx beschriebene Exemplar von Heterocoenia crassolamellata E. u. H. besteht aus zwei zu einer Platte verwachsenen kurzen Ästen. Der Dünnschliff Fig. 13 stellt einen Schnitt durch die Spitze eines dieser Äste dar. In der Mitte sehen wir einen großen Kelch in der Achse des Zweiges. Er hat 6 Septen, von denen eins durch besondere Größe ausgezeichnet ist. Rings um diesen großen Kelch sprossen im Coenenchym kleine Seitenkelche hervor und zwar in Gruppen zusammen. So sehen wir bei k, 4 kleine Kelche im Entstehen begriffen, bei k, eineri größeren, der gerade im Begriff ist, sich in zwei kleine zu teilen. Eine ganz ähnliche Kelchanordnung finden wir an den Zweigspitzen sehr vieler Formen der lebenden Gattung Madrepora. Be- sonders typisch ist dieses Wachstum bei den Stöcken ausgeprägt, die aus zahlreichen aufwärts strebenden, zu dichten Rasen zusammen- gedrängten Ästen bestehen. (Madrepora pyramidalis Kız., gemmifera Brk., canaliculata Kız.) Die Zweige verschmälern sich nach oben und tragen an ihrer Spitze einen großen, dick umwallten Axialkelch. Er erreicht bei manchen Arten einen Durchmesser von 6 mm und enthält gewöhnlich 12 wohl entwickelte Septen in 2 Zyklen angeordnet. Um ihn sind die kleineren Seitenkelche dicht gedrängt, rosettenförmig in an den Seiten der Äste hinablaufenden Linien angeordnet. Bei diesem Wachstum ist der Außenrand der Seitenkelche lippenartig aus dem Coenenchym heraus und nach oben gezogen, so daß er eine löffelartige Gestalt bekommt. An der Basis der Äste haben die Kelche ihre ge- wöhnliche, runde, röhrige Gestalt beibehalten, und ragen wenig oder gar nicht über das Coenenchym vor. Fig. 14 stellt einen durch vorsichtiges Abschleifen gewonnenen Schnitt durch die Zweigspitze einer solchen Madrepora dar. In den Seitenkelchen sind gewöhnlich nur 6 Septen deutlich entwickelt, während der zweite Zyklus rudimentär ist. Stets ist ein Septum in den Seitenkelchen das in der Mitteder Außenlippe gelegene, besonders stark ausgebildet. In der Tiefe der Kelche verschmilzt es nicht selten mit dem gegenüberliegenden zu einer den Kelch halbierenden Lamelle. Auf Dünnschliffen beobachtet man in Septen und Mauer meist noch einen geschlossenen Primärstreif (vgl. OGILVIE Fig. 60S. 214), stellen- weise beginnt die Mauer jedoch gerade sich strukturell in einzelne Pfeiler zu Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre 1, 4 50 Gerth. zerlegen. Das Coenenchym dieser Madreporen besteht aus Pfeilern. Sie werden durch seitliche Verzweigungen, die sich zu durchbrochenen Querlamellen zusammenschließen, in ihrer Lage gehalten. Die Pfeiler ragen an der Coenenchymoberfläche als Spitzen vor. Auf der Wand der vorgezogenen Kelche ordnen sie sich in Reihen und verschmelzen zu Rippen. Wie wir sehen, stimmen diese M adreporen in einer ganzen Reihe Fig. 14. Madrepora sp. Rezent, Ostafrika. Querschnitt durch eine Zweigspitze. = Rechts sind Umrisse und Lage der Kelche nur angedeutet. (K) Achsialkelch, (k, k) Seitenkelche (k,) im Coenenchym sprossender Kelch, (ka) vom Schnitt nicht ge- troffener Seitenkelch von löffelförmiger Gestalt, (s) be- sonders stark entwickeltes Septum, (r) Rippen. von Merkmalen mit den Heterocoenien überein. Beide Gattungen sind durch das eine besonders stark entwickelte Septum ausgezeichnet. Die Heterocoenien zeigen eine ganz ähnliche Anordnung der Kelche an den Zweigspitzen wie die Madreporen. Allerdings ist bei den Kreidekorallen die Kelchsprossung um den Axialkelch herum noch nicht so regelmäßig wie bei den lebenden Riffbildnern. Das lockere poröse Pfeilercoenenchym der Madreporen kann man sich durch Eintreten der Perforation leicht aus dem dichten Pfeilercoenenchym der Heterocoenien entstanden denken. Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 55 Auch die Oberflächenbeschaffenheit des Coenenchyms vieler Heterocoenien erinnert sehr an die der Madreporen. Man vergleiche nur die Abbildung der von FELIX (20) aus der Gosau beschriebenen Formen auf T. XIX seiner Arbeit. Das Coenenchym ist gewöhnlich fein gekörnelt, auf den vorgezogenen Kelchrändern schließen sich die Körner zu feinen Rippen zusammen oder aber die ganze Oberfläche ist mit wirren Runzeln bedeckt. Heterocoenia fuchst FEL. hat schiefe nur mit dem Außenrand aus dem Coenenchym hervorragende Kelche, wie wir sie von so vielen M adreporen kennen, und bei einer Varietät von Heterocoenia grandis REuss sind die schiefgestellten Kelche in Reihen angeordnet. Ein eigentümliches Wachstum besitzt auch die kleinkelchige Heterocoenia massiliensis MıcH. sp. aus dem Senon der Umgegend von Marseille. Am freien Ende der kurzen, seitlich abgeplatteten, wenig verzweigten Äste stehen die Kelche ganz schief zur Axe des Zweiges. Sie sind dicht gedrängt, nach oben in die Länge gezogen und nur ihr Außenrand ragt frei aus dem Coenenchym heraus. Zur Ausbildung eines Axialkelches ist es noch nicht gekommen, da die Äste sich nach oben nicht verschmälern, sondern breit, gerundet endigen. Die schiefen, dicht gedrängten Kelche an den Zweigenden veranlaBten MICHELIN die Form als Alveolites massiliensis MıcH. zu be- schreiben und abzubilden.*) Die oben bereits erwähnten von FROMENTEL (21) als Heterocoenia dendroides REuss abgebildeten Stücke sind wahr- scheinlich nur Basalteile von zu Heterocoenia massiliensis gehörigen Ästen; von Heterocoenia dendroides REeuss aus der Gosau unterscheiden sie sich durch geringere Kelchgröße. Mir liegt ein Zweig einer Heterocoenia von Marseille vor, der oben nahe seinem Ende die schief nach aufwärts gerichteten Kelche zeigt, wie sie MICHELIN als Alveolites abbildet, weiter unten nach der Basis zu besitzt das Stück jedoch nur wenig vor- ragende Kelche mit dickem, aufgewulstetem und eingekerbtem Rand, wie sie FROMENTEL darstellt. Allenthalben lassen sich auf den Kelch- rändern Rippenstreifen und dazwischen ein feines Gewebe beobachten, wie wir es nur von den Madreporen kennen. Die Gestalt der lang aus- gezogenen Kelche an der Spitze von Heterocoenia massiliensis MICH. sp. erinnert sehr an die der rezenten Madrepora apressa EHRB. mit nur wenig porösem Coenenchym. Bei der großen Zahl der gemeinsamen Merkmale scheint es mir keines- wegs ausgeschlossen, daß unsindenerst diirftigbekannten Heterocoenien die noch nicht porösen Vorfahren einer großen Anzahl von Madreporenvorliegen. *) (29) T. LXXIII. Figur 1. 4* 52 Gerth. Diese verzweigten Riffbildner treten uns im Tertiär ganz unvermittelt und in der Jetztzeit mit so großer Mannigfaltigkeit der Formen und Zahl der Individuen entgegen, daß uns ihr Auftreten ganz unerklärlich scheint, wenn wir sie nicht von irgendwelchen Korallen der Kreide ab- leiten wollen. Mit Sicherheit wird sich diese Frage erst entscheiden lassen, wenn die Heterocoenien in größerer Zahl bekannt werden, oder sich im Tertiär Zwischenformen auffinden. Die wenigen bis jetzt be- kannten tertiären Vertreter der Gattung Madrepora geben über die verwandtschaftlichen Beziehungen keinen Aufschluß. Es sind der Mehrzahl nach schwach verzweigte Basalstücke mit schlecht erhaltener Oberfläche. Seither sind wir von paläozoischen Formen ausgegangen und haben nach ihren Nachkommen unter den jüngeren Korallen gesucht. Schlagen wir nun einmal den umgekehrten Weg ein. In großer Mannigfaltigkeit der Wachstumsformen ist heutzutage auf unseren Korallenriffen die Gattung Madrepora Luk. verbreitet. Leider fehlt es noch an einer zu- sammenfassenden und ausgiebigen Darstellung der so ungeheuer zahl- reichen Arten dieser Gattung. In neuerer Zeit hat BRooxK (31) eine Über- sicht über die Madreporen des britischen Museums gegeben. Die Photo- graphien der ganzen Stöcke, die dem Werke allein beigegeben sind, geben leider gar keinen Aufschluß über die Ausbildung der Septen und den feineren Aufbau des Skeletts. In dieser Beziehung läßt auch die Be- schreibung noch viel zu wünschen übrig. Der Skelettaufbau scheint über- haupt von vielen Formen nur unvollkommen bekannt zu sein. So kommt es, daß die von BROOK vorgenommene Gruppierung des gesamten Materials in Subgenera, die im wesentlichen auf Wachstumserscheinungen begründet sind, wie der Autor selbst zugibt, eine ziemlich willkürliche ist. Nach meinen Untersuchungen scheint die Gattung Madrepora eine Sammel- gruppe von Formen der verschiedensten phylogenetischen Abstammung zu sein. Wir haben eben die Beziehungen eines Teils der Madreporen zu den Heterocoenien der Kreide kennen gelernt, im weiteren werde ich zeigen, daß andere Arten sich mit jurassischen Korallen in Beziehung bringen lassen. Es ist mir zwar bis jetzt nur gelungen, einige wenige Typen unter dem großen Wirrwarr der durch Konvergenz des Wachs- tums einander so ähnlichen Formen herauszufinden, die ich mit fossilen Korallen in Verbindung bringen konnte. Bei Weiterverfolgung des von mir eingeschlagenen Weges werden sich aber an der Hand eines großen Vergleichsmaterials fossiler und rezenter Arten noch weitere Beziehungen Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 53 auffinden lassen, und wahrscheinlich wird es glücken, die Gattung M adre- pora in natürliche, phylogenetisch einheitliche Gruppen aufzulösen. Betrachten wir die Madreporen, die KLUNZINGER (32) in seinen Korallentieren des roten Meeres abbildet, so fällt eine Reihe von Formen *) durch die von allen übrigen abweichende Gestalt der Kelche auf. Die kleinen Kelchöffnungen von ungefähr I mm Durchmesser liegen im Zentrum einer dicken, warzenartigen, halbkugeligen Hervorwölbung des Coenenchyms. Ein Teil der Stöcke mit diesen charakteristischen Kelchen ist noch ganz knollig, oder doch nur unregelmäßig, lappig verzweigt, während bei anderen die Zweige eine regelmäßigere Gestalt annehmen. In letzterem Falle ragen die Kelche stärker, röhrenförmig aus dem Coenenchym hervor, aber stets ist ihr Oberrand dick halb- kugelig gerundet. Stellenweise beginnen die Kelche wohl auch, sich an der Spitze der Zweige um einen Axialkelch zu gruppieren. BROOK (30) faßt alle von Klunzinger beschriebenen Formen unter dem alten EHRENBERGischen Namen Madrepora hemprichi EHRB. zusammen, da sie durch zahlreiche Übergänge miteinander verbunden sind. Außer der Gestalt der Kelche sind für diese Madreporen 6 annähernd gleich große Septen charakteristisch, die in der Tiefe des Kelches bald das Zentrum erreichen. Ferner zeichnet sich diese Art durch ein verhältnis- mäßig kompaktes, aus verdickten Elementen aufgebautes Coenenchym aus, wodurch die Stöcke im Gegensatz zu anderen perforaten. Korallen ziemlich schwer werden. Ich untersuchte eine hierher gehörige Koralle von Ceylon, die wohl den von KLUNZINGER (3I) als Madrepora vario- losa Kutz. abgetrennten Formen zuzurechnen sein dürfte. Das Stück besteht aus zwei sich gabelnden Ästen von unregelmäßiger geweih- schaufelartiger Gestalt. Die Oberseite ist dichtgedrängt mit den schon geschilderten, warzenförmigen Kelchen besetzt. Die Unterseite der Äste entbehrt der Kelche, sie ist ziemlich eben und zeigt nur vereinzelte, warzenförmige Vorsprünge ohne Öffnungen. Am Rande sind die Kelche etwas stärker vorgezogen und von keulenförmiger Gestalt, stellenweise beginnen sie gerade zu kurzen Zweigen auszuwachsen. An der gemein- samen Basis der Äste ist der Stock von einer dünnen Epithek überzogen. Fig. 15 stellt einen Längsschliff durch einige Kelche und das dazwischen- liegende Coenenchym dar. In den Kelchen sehen wir einen Teil der 6 gleich großen lamellösen Primärsepten, ihr Rand ist in große Zähne ausgezackt, mit denen sie sich in der Tiefe bald gegenseitig berühren. Zwischen den Septen ist die Kelchmauer von regelmäßigen, dicht- *) (31) T. IV Figur 16 u. 18. 54 Gerth. stehenden Poren durchbohrt. Das Coenenchym besteht wieder aus Pfeilern und sehr dicht aufeinander folgenden, durchbrochenen Quer- lamellen (1). Alle Skelettelemente besonders aber die Querlamellen sind stark verdickt, wodurch das Coenenchym zuweilen ein ganz kom- paktes Aussehen bekommt. An der Oberflache bilden die Pfeiler sehr gedrängt stehende, äußerst feine, zugespitzte Körner. Eine charak- teristische Struktur bekommt das Coenenchym dadurch, daß sich auch tief im Innern des Stockes die Querlamellen den Warzen an der Ober- i Sh, Zu I e y sat 15 RL ‘ i ee g6® ve +6 fi. u, --SP Se & ik ee gushed a 8 ‘ ot 6 eee ECT WR S,* Be ; Ure, vf Sere N Big? 1%. Madrepora hempricht EHRE. Rezent. Ceylon. Längsschnitt $. (K) Haupt- kelch, Axialkelch eines zukünftigen Zweiges, (b, b) Seitenkelche, (s) am Rande grob gezähntes Septum, (p) Porenreihen, (l) Lamellen, (pf) Pfeiler des Coenenchyms, (sp) Spitzen an der Coenenchymoberfläche. fläche entsprechend um die Kelchröhren aufwölben. Der Kelch in der Mitte von Fig. 15 liegt nicht ganz in der Ebene des Schnittes, so kommt es, daß in der oberen Hälfte des Bildes die Kelchröhre selbst nicht angeschnitten ist. Er ist offenbar der Axialkelch eines zukünftigen Zweiges, rechts und links von ihm sprossen im Coenenchym Seiten- kelche (k). Die Querlamellen steigen, wie die Abbildung zeigt, von zwischen den Kelchen gelegenen Einsenkungen nach beiden Seiten gegen die Kelchröhren hin an. An der Oberfläche der Coenenchym- aufwölbung um die Kelchöffnungen beobachtet man nicht selten ein schaliges Abblättern der obersten Lage. Dies kommt wohl daher, daß die dünnen Pfeiler nur eine schwache Verbindung zwischen den stark verdickten Lamellen des Coenenchyms darstellen. Die eigen- Beiträge zur Phylogenie der Tubocorallier. 55 tümliche Gestalt der Kelche und vor allem die ganz andere Ent- wicklung der Septen entfernen diese Korallen sehr weit von den oben betrachteten Madreporen mit einem stark entwickelten Medianseptum. Unter den bis jetzt bekannten tertiären Madreporen finden sich keine Formen, die ähnlich gestaltete Kelche besitzen. Wohl aber kennen wir aus dem Jura Korallen, die eine ganz überraschende Ähnlichkeit in Bau und Habitus aufweisen. Bei einem Besuch der Straßburger Universitätssammlung fiel mir ein jurassischer Korallenstock auf, der mich durch die Gestalt seiner 38 YY PR: [IT « : RENN ch N Ws ace hee, hi ESR I Fig. 16. Stylohelia mamillata From. Departement Haute-Saöne Frankreich. 4. (sy) Synaptikel, die die Primärsepta (s) mit der Säule verbinden; (b) Reste von Böden, (p) Poren, (pf) Pfeilerstruktur, (1) Lamellen des Coenenchyms. Kelche sofort an die Madrepora hemprichi Ehrb. erinnerte. Es ist die von FROMENTEL (32) aus dem Departement Haute-Saöne be- schriebene Stylohelia mamillata From. Das mir später auch zur Unter- suchung vorliegende Stück hat eine gewölbte Oberfläche, dicht gedrängt besetzt mit gerundeten, warzen- oder zitzenförmigen Erhebungen, in deren Mitte die Kelchöffnungen von I—1% mm Durchmesser liegen. Die Erhebungen stehen etwas schief zur Oberfläche und sind stellen- weise in Reihen angeordnet. Die feineren Einzelheiten des Baues sind leider infolge der Verkieselung des Fossils nur schlecht erhalten. Immer- hin ließ sich durch Kombination mehrerer Stellen das in Fig. 16 dar- gestellte Bild von dem Aufbau der Koralle gewinnen. Der Kelchrand zeigt 12 oder 24 Kerben den Septalanlagen entsprechend. In der Tiefe 56 Gerth. der Röhren beobachtet man 6 stärkere und 6 schwächere Septen. Die 6 primären verbinden sich durch Synaptikel in regelmäßigen Abständen mit einer stabförmigen Columella (sy). In vielen Kelchröhren, besonders in dem oberen Teil, sind diese Gebilde wohl einer nachträglichen Zer- störung anheimgefallen, und die Septen oft nur noch in der Gestalt kurzer Rippen auf der Kelchwand erhalten. Zwischen den Septen ist die Kelchwand, wie ich an mehreren Stellen beobachten konnte, von Löchern durchbohrt (p). In der Tiefe der Kelchröhren scheinen die Poren mit gleicher Regelmäßigkeit vorzukommen wie bei den lebenden Formen. Weiter oben konnte ich sie nur vereinzelt erkennen. Sie sind auf der Kelchwand ringförmig angeordnet, wobei die einzelnen Porenringe in größeren vertikalen Abständen aufeinander zu folgen scheinen als bei den lebenden Madreporen. Zwischen 2 Porenringen finden sich gewöhnlich Reste von Bodenbildungen (b). In Stylohelia manullata From. liegt uns also eine typische perforate Koralle des Jura vor. Was den Aufbau des Coenenchyms anbelangt, so stimmt er vollkommen mit dem von Madrepora hemprichi Eurs. geschilderten überein. Es besteht aus dicht stehenden Querlamellen, die durch zahl- reiche dünne Pfeiler gestützt werden (pf). Auch bei der jurassischen Form wölben sich die Lamellen um die Kelchröhren empor und bilden so die charakteristischen Warzen an der Oberfläche. Auf einem Längs- bruch durch den mir vorliegenden Korallenstock bilden die Lamellen zwischen den Kelchen zickzackformig auf und absteigende Linien. Die stärker hervortretenden Streifen (l), die in der Tiefe des Stückes in ziemlich regelmäßigen Abständen auftreten, rühren vielleicht von vorübergehenden Veränderungen der Wachstumsbedingungen her. Die Oberfläche der warzenförmigen Hervorwölbungen des Coenenchyms ist mit feinen von den Kelchen ausstrahlenden Rippenstreifen bedeckt, deren Zahl nach FROMENTEL 72 beträgt. Wie bei der lebenden Madrepora hemprichi Eure. läßt sich an dem fossilen Stück nicht selten ein Abblättern der obersten Coenenchymlage um die Kelche beobachten. Wie aus der Beschreibung der beiden Arten hervorgeht, ist die Übereinstimmung der jurassischen Stylohelia mit der lebenden Madre- pora ganz auffallend und namentlich der gleiche Aufbau des Coenenchyms dürfte sich kaum als Konvergenzerscheinung deuten lassen. Auf das Vorhandensein einer Säule bei Stylohelia, die durch Synaptikel mit den Septen in Verbindung steht, darf man meiner Ansicht nach nicht all- zuviel Wert legen. Die ohnedies nur schwache Säule kann mit der Zeit auch wieder reduziert worden sein und die Zähne am Rande der Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 57 Septen bei Madrepora hempricht EHRB., die im Kelchzentrum zunächst miteinander in Berührung treten, erinnern noch sehr an die Synaptikel der jurassischen Koralle. Ichglaube, daß nicht daran zu zweifeln ist, daß uns in der Gruppe der Madrepora hemprichi EHRB. die Nachkommen der jurassischen Stylohelia mamillata From. vorliegen. Ganz kurz willich hier noch auf einige andere M adreporen aufmerksam machen, die, was Gestalt der Kelche und Ausbildung des Coenenchyms anbelangt, nicht unwesentlich von den oben besprochenen Formen mit rosettenförmiger Kelchanordnung an den Zweigspitzen und stark entwickeltem Medianseptum, abweichen. Auch sie weisen, wie wir sehen werden, große Habitusähnlichkeit mit jurassischen Korallen auf, die Stylohelia nahe verwandt sind. Madrepora tenwispicata STUD. (33) von Singapore hat dünne Äste dicht bedeckt mit stark nach oben gezogenen, langen, zitzenförmigen Kelchen. Der an der Spitze der Zweige stehende Kelch ist von den Seitenkelchen nicht verschieden, alle haben eine geschlossene, kreisförmige Öffnung von 1 mm Durch- messer. Die Septen sind nach der Beschreibung STUDERS (33) von annähernd gleicher Größe. Außen sind die Kelche mit feinen Rippen bedeckt, die sich nach unten in einzelne Stacheln auflösen. Die juras- sische Dendrohelia mamillarıs Kogy*) hat Kelche von genau gleicher Gestalt und gleichem Durchmesser der Öffnung, auch sie sind mit 30 feinen Rippen bedeckt. Die Stöcke der Dendrohelien sind noch nicht verzweigt, sondern flach ausgebreitet, doch läßt sich namentlich am Rande der Kolonie öfters bereits ein büschelförmiges Hervorwachsen der Kelche beobachten. Die 6 zähligen Septen der jurassischen Korallen sind allerdings zahlreicher und in drei Zyklen differenziert, auch ist stets eine Columella vorhanden. Eine. andere Gruppe von Madreporen wird durch Madrepora arabica E. u. H. = spinulosa Kız.**) charakterisiert. Die runden Kelche ragen gar nicht oder nur wenig in Gestalt kurzer Röhren aus dem Coenenchym hervor. Die Kelchwand ist in letzterem Falle dünn, ihr Rand ist scharf und nicht dick gerundet wie bei den Madreporen mit an den Zweigspitzen rosettenförmig angeordneten Kelchen. Das Ende der Äste wird von einem nur wenig größeren Axialkelch ein- genommen, dessen Wand außen mit zahlreichen Rippen bedeckt ist. Die schwach nach oben gerichteten Seitenkelche sind ganz unregel- *) Man vergleiche die Abbildung: (33) Fig. ı S. 21 u. (4) T. I. Fig. 5 u. 6. **) (31) T. II Fig. 8 und T. IV Fig. 11. 58 Gerth. mäßig über die Äste verteilt. Auch das Wachstum der Stöcke ist von den übrigen Madreporen abweichend. Sie bestehen aus einigen, bündel- förmig zusammengestellten Hauptästen, von denen unter nahezu rechtem Winkel kurze Seitenzweige ausgehen. Hierdurch wird eine lockere, sparrige Verzweigung hervorgerufen. Das Coenenchym ist ziemlich dicht, es zeigt an der Oberfläche gewundene Langsrunzeln; in den Vertiefungen zwischen ihnen beobachtet man zahlreiche, längliche Löcher. Die einzelnen Coenenchymelemente sind ähnlich wie bei Madrepora hemprichi Eure. stark verdickt, doch läßt sich auch hier ein Aufbau aus Pfeilern und Querlamellen beobachten. Madrepora avabica E. u. H. und einige ihr nahe stehenden Arten haben große Habitusähnlichkeit mit der schon im Jura stark verzweigt wachsenden, von GOLDFUSS als Madrepora beschriebenen Dendrohelia coalescens GOoLDF. Allerdings haben ja alle Dendrohelien stark entwickelte Septen und eine Säule, aber auch bei Madrepora arabica E. u. H. sind die Septen in der Tiefe der Kelchröhren stark entwickelt und erreichen fast das Zentrum, eine Säule fehlt jedoch. Dendrohelia coalescens GOLDF. hat kleine auf den Seiten der dicken Äste nur wenig vorspringende Kelche von ein bis 1% mm Durchmesser. An der Spitze der Zweige ragen die Kelche stärker röhrenförmig vor. Die Septen sind 6 zählig und bei voller Entwicklung in drei Zyklen angeordnet. Das dichte Coen- enchym ist auf seiner Oberfläche mit gewundenen Körnerreihen besetzt, die sich auf dem Rande der Kelche zu Rippen zusammenschließen. Ohne an einen direkten phylogenetischen Zusammenhang zwischen Madrepora arabica E.u. H. und Dendrohelia coalescens GOLDF. zu glauben, wollte ich hier doch noch auf die interessanten Beziehungen einiger Madreporen zu den jurassischen Dendrohelien aufmerksam machen. Aus diesen Beziehungen der oben beschriebenen Verwandtschaft der Madrepora hemprichih EHRB. mit Stylohelia und den Ähnlichkeiten, die wir zwischen einer großen Zahl lebender Madreporen und den Hete- rocoenien der Kreide nachweisen konnten, geht hervor, daß die Gattung Madrepora keineswegs phylogenetisch ein- heitlicherEntstehung ist. Aus ganz verschiedenen Familien fossiler Korallen, die meist schon früh ein akrogenes Wachstum ange- genommen hatten, sind die lebenden Madreporen hervorgegangen *). Fassen wir in folgendem die Ergebnisse der eben geschilderten Untersuchungen noch einmal kurz zusammen unter besonderer Hervor- *) (4) T. IL Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 59 hebung der fiir die einzelnen Entwicklungsreihen charakteristischen Merkmale. In den tertiären und lebenden Pocilloporen und Stylophoren haben wir die Nachkommen zweier schon unter den silurischen Heliolitiden wohl getrennter Typen erkannt. Im Verhältnis zu anderen lebenden Korallen sind sie nur wenig umgebildet und zeigen noch viele primitive *Merkmale ihrer paläozoischen Ahnen. Unter diesen ist das gelegent- lich ré6hrigeCoenenchym und die starke Entwicklung einfacher, ebenerQuerbödeninden Kelchröhren besonders charakteristisch. Wir haben uns dann den mesozoischen Styliniden zugewandt und ge- sehen, daß sie im Aufbau des Skeletts sehr mit gewissen paläozoischen Heliolitiden übereinstimmen. Ein Teil von ihnen läßt sich ohne besondere Schwierigkeit an silurische Formen, Plasmoporen und an einige Proporen anschließen, bei denen es schon früh zur Ausbildung von Septal- rippen gekommen ist. In den tertiären und lebenden Astraeoporen liegen uns offenbar die perforaten Nachkommen mehrerer Styliniden mit schwach entwickelten Septen vor. Die in dieser Reihe vereinten Formen sind durch die RippenbildungimCoenenchym in der Um- gebung der Kelche ausgezeichnet. In den Heterocoenien der oberen Kreide haben wir schließlich eine Ko- rallengruppe kennen gelernt, die in der Struktur des Coenenchyms außerordentlich an die noch übrig bleibenden Heliolitiden erinnert, an die Proporen, bei denen das Coenenchym ganz blasig geworden ist und durch- gehender Vertikalelemente vollkommen entbehrt. Es zeigt dafür die kleinen Spitzen auf den Blasen, die wir auch bei den kretazeischen Formen nachweisen konnten. Besonders die an die Proporen angeschlossene, schon im Silur verzweigt wachsende Diploepora grayi E. u. H. sp. mit an der Oberfläche dichtem Coenenchym zeigt enge Beziehungen zu kleinkelchigen, verzweigten Heterocoenien. Charakteristisch für die Heterocoemien ist ein besonders stark entwickeltes Septum. Diese Ausbildung des Septalapparates bringt sie einem großen Teil der lebenden Madreporen nahe, mit denen einige Formen auch in der Stellung und Anordnung der Kelche, viele aber in der Ober- flächenbeschaffenheit des Coenenchyms übereinstimmen. Die Kreide- formen unterscheiden sich von den lebenden Riffbildnern durch das noch imperforate Skelett. Wahrscheinlich sind die in rasenförmigen Stöcken wachsenden Madreporen, bei denen an der Spitze der Zweige die Beitenkelche rosettenartig um einen großen Axialkelch gestellt sind von Heterocoenien abzuleiten, die bereits die gleiche Kelchanordnung aufweisen. 60 Gerth. Es sei hier nur noch erwähnt, daß sich die Coccoseriden, die man gewöhnlich an die Heliolitiden anschließt, insbesondere die Gattung Protaraea, wie ich an anderer Stelle noch ausführlich zu beweisen ge- denke, ohne Schwierigkeit durch die mesozoischen A strocoentden bis zu den Poritiden verfolgen läßt. Diese Reihe ist ausgezeichnet durchschwach entwickeltes Coenenchym, oft dicht gedrängt stehende polygonale Kelche und verhältnismäßig zahlreiche stark: einstiwckgeiktenSiepiten. mit Säulen umd Got tea paems Pfälchenbildungen. Das Skelett ist schon bei den paläo- zoischen Formen strukturell in Pfeiler zerlegt. Eine eingehende Betrachtung der Gattung Madrepora hat gezeigt, daß in ihr, unter dr Konvergenzdes Wachstums versteckt, Formen ganz verschiedener phylogenetischer Her- kunft verborgen sind. In der Gruppe der Madrepora hempricht EHRB,, die durch kleine Kelche mit gleich großen Primärsepten inmitten einer halbkugeligen Coenenchymaufwölbung ausgezeichnet sind, haben wir die Nachkommen der jurassischen Stylohelia erkannt. Andere Madreporen mit gleich großen, stark oder schwach entwickelten Septen und scharfem Kelchrand ließen sich mit jurassischen Dendrohelien in Beziehung bringen. Es ist also einmal geglückt, die paläozoischen Heliolitiden und ihre Nachkommen in drei getrennten Stämmen vom Silur bis zur Jetztzeit zu verfolgen. Andererseits gelang es, eine Anzahl lebender Madreporen auf fossile Korallen zurückzuführen und nachzuweisen, daß diese Gattung sich aus Formen ganz verschiedener Abstammung zusammensetzt. Nebenstehende Tabelle gibt uns einen Überblick über die Entwicklung der Tubocorallier. Es sind nicht nur die in dieser Arbeit näher begrün- deten Beziehungen zur Anschauung gebracht, sondern, um eine gewisse Vollständigkeit zu erzielen, auch andere, für die ich mir den ausführ- lichen Beweis noch vorbehalte. An Stelle der paläozoischen Heliolitiden treten im Mesozoikum die Styliniden, Heterocoeniden und Astrocoeniden, sie werden im Känozoikum abgelöst durch die Astraeoporen, M adreporen, Poritiden und die aporos gebliebenen Stylophoren und Pocilloporen. So setzt sich der Stamm der Tubocoralliey mit im wesent- lighem Bleieh blerbemnder Irene Glew Weare lo im Unwin pembmoc hem vom Palaozovcum bis zur leis ZAC Hate OnTtes Werfen wir nun zum Schluß noch einen Blick auf die Veränderungen, die das Korallenskelett innerhalb der eben skizzierten Entwicklungs- 61 Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. ‘yyIeWes wesyaowjne (PE) auvHNnAuag jzya[nz yey Sop1so4d,7 u v4odoaayy UOA jyeYOS}pUeMIZA sIP MY (x : 9ep ajuawolgT afeyt}1aA ; ej[eastaued ( aregors auyo wAyouama09 Baer Bert u ‘snjouystaqur pee) amis masiselq ‘Ww usrodorg ¢ usrodorg “n usr0dowseid | seyroreH evavir}olg Be Ber 2 ee 3 x Sit eg SOJISOAR, -spioz y a snsoiod uoAasq sa}]oıoH viodosriy woqieg Wied BOVIISBULISSED) 4 SeIIL 3 a Z sae eb Z a3 « 88 erpayorpued | word eepren bb © 8 9 Q eIPayoTAyS "do 30 vine ee ad : 2 ee en 2 : Wh CO) ee a4 ee uopıumäls =| a = < Be ?IU90901979H Sg As SIMO S opieIy wınydas Fs -URIPIW N |= — stovrpueq 3 g ‘J | vaodooary | meet ‘zydssiemZ “pls % ei a © ur dunupıoue| = =: pose eıodoeeusy | © SU RUN flere WS) or -Yoayy tunıoy 32 HERR acl vOrLSeID 2 3 | SaMog > = ? SENS he vorquan “qaysg tyoudway HH > te) = -u0779s01 TUN) = eıodaipem | waodoıpen | WPENSEIPIS nA a << | („eıodoaaıy | Juezey usıodempe |< :p addnın) vovayseydAg 62 Gerth. reihen im Laufe der Zeit erfahren hat. Im Paläozoikum herrscht noch das massige, knollige oder inkrustierende Wachstum vor. Vereinzelt finden sich bereits unter den Heliolitiden akrogene, aber nur schwach verzweigte Formen. Im Mesozoikum nehmen die verzweigt wachsenden Korallen immer mehr zu und unter den jetzt lebenden Riffbildnern sind sie der vorherrschende Typus. Aber dasverzweigte Wachs- tum hat sich auch weiter entwickelt. Die paläozoischen und meso- zoischen Formen haben meist noch ganz unregelmäßige Aste mit breitem, gerundetem Ende. Schon die tertiären Stylophoren haben regelmäßig verzweigte, runde und sich nach oben verschmälernde Äste, auf denen die Kelche zuweilen in Längsreihen angeordnet sind. Die höchste Vollkommenheit hat das verzweigte Wachstum jedoch bei einer großen Zahl der lebenden Madreporen erlangt. Von einem horizontal ausge- breiteten Zweigsystem erheben sich nach oben eine große Anzahl von Ästen, die zu einem Rasen zusammengedrängt sind. Diese Äste sind besetzt mit in Reihen angeordneten Seitenkelchen und verschmälern sich konisch bis zu dem großen Axialkelch an der Spitze. Die Madreporen strecken so auf beschränktem Raum von allen Korallen dem Nahrung zu- führenden Wasserstrome die größte Kelchzahl entgegen. Ein ähnliches Wachstum erreichen auch die imperforaten Seriatoporen, die mit Poccillopora nahe verwandt sind. Wie BERNARD (34) an der rezenten Alveopora und LINDSTROM *) an silurischen Helioliten zeigte, beginnen die Tubocorallier mit einem einfachen, außen mit Epithek bekleideten Kelch von becherförmiger Gestalt. An seinem Oberrande bilden die Weichteile, in dem sie über- quellen, zunächst Coenenchym. In diesem sprossen dann bald neue Kelche hervor, wobei die Epithek auf die Unterseite zurückgedrängt wird. Während aber bei den paläozoischen Formen häufig noch die ganze Unterseite der Stöcke von runzeliger Epithek bekleidet bleibt, und auch bei den verzweigten Formen gelegentlich noch ringförmige Epithekreste an den Ästen vorkommen, tritt sie bei den jüngeren Formen immer mehr und mehr zurück. Unter den jetzt lebenden Arten finden wir Epithek nur vereinzelt bei solchen, die ein knolliges oder inkrustierendes Wachstum beibehalten haben, selten in Resten an der Basis verzweigt wachsender Arten. Also auch bei den Tubocoralliern beobachten wir bei den jüngeren Formen ein Zurücktreten der Epithek, die gleiche Erscheinung kennen wir aus den Stämmen der Septo- und Murocorallier. *) (rr) T. I Big. 25—28. Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 63 Fast immer finden sich zwischen den Kelchröhren der Tubocorallier Coenenchymbildungen. Die verschiedenen Ausbildungsarten haben wir bei den einzelnen Formen eingehend besprochen, Schon im Paläozoikum tritt bei vielen Formen an Stelle des röhrigen, ein blasigesCoenenchym, indem sich in der Umgebung der Kelche Septalrippen ausbilden oder aber die vertikalen Elemente ganz zurücktreten. Auch ein dichtes, aus unmittelbar aneinander- stoßenden Pfeilernaufgebautes Coenenchym findet sich bereits bei silurischen Arten, besonders bei inkrustierenden Formen und in der Randzone der Äste der verzweigt wachsenden Korallen. Durch die in den verschiedenen Reihen zu ganz verschiedenen Zeiten eintretende Perforation des Skeletts erleidet das Coenenchym weitere Umbildungen, durch die seine ursprüngliche Struktur oft ganz ver- wischt wird. So resultiert bei allen jüngeren perforaten Tubocoralliern ein Coenmenchym aus Pieilern, die durch porose Querlamellen zusammengehalten werden und an der Oberfläche als Spitzen oder Körner vorragen. Hand in Hand mit diesen Umwandlungen geht auch eine tief- greifende VeränderunginderfeinerenStrukturdesSkeletts vor sich, gleichfalls bedingt durch die Komplikation des ganzen Tieres. Ein Querschhiff durch Heliolites zeigt uns bei günstiger Erhaltung und starker Vergrößerung, daß das Skelett aus sehr feinen Kalkfasern be- steht. Sie strahlen nach beiden Seiten hin von einer dunkel oder hell erscheinenden Linie aus, die in der Kelchwand einen geschlossenen Ring bildet und radial nach innen Fortsätze in die Septen entsendet. Diese Linie, oder Primärstreif, wie sie von älteren Autoren benannt wurde, kommt dadurch zustande, daß das Tier bei Bildung von Septen und Wänden von zwei Seiten her gegeneinander Kalk ausscheidet. Jede Köhrenwand und jedes Septum besteht also eigentlich aus zwei Lamellen, diein dem Primär- streif zusammenstoßen. Er ist mithin nur ein scheinbares Zentrum der Kalzifikation, von dem die Kalkfasern ausstrahlen, die von der Oberfläche der Weichteile ausgeschieden werden. Bei allen jüngeren Korallen tritt dadurch eine Komplikation der Skelettstruktur ein, daß das Tier bei allgemeiner Vergrößerung seiner Oberfläche auch die kalkausscheidende Fläche vergrößert und kompliziert. Es bildet am Oberrande der Kelchwand, sowie am Rande der lamellösen Septen Zacken und Zähne, die nicht mehr auf zwei Seiten von Weichteilen umgeben sind, sondern ganz in einer konischen Aushöhlung derselben stecken. 64 Gerth. Die Kalkfasern, die diese Zähne aufbauen, werden nicht mehr von zwei Seiten her ausgeschieden, sondern von einem Kegelmantel rings um ein in der Achse des Zahnes gelegenes Zentrum. Wächst der Zahn weiter, so wird dieses Zentrum zu einer Linie ausgezogen, die nach seiner Spitze gerichtet ist, und um die die Kalkfasern einen Pfeiler bilden, der die Basis des Zahnes zum Querschnitt hat (Trabekel). Er ist scharf begrenzt gegen den des benachbarten Zahnes, da die Kalkfasern nicht miteinander verschmelzen, sondern unter spitzen Winkeln aneinander- stoßen. Auf diese Weise wird das ganze Skelett strukturell ineinzelne Pfeilerzerlegt, die den Spitzen und Zähnen am Oberrand entsprechen. Im Ouerschliff durch ein solches Skelett erscheint in MauerundSeptum kein geschlossener Primär- streif mehr, sondern er ist in einzelne Stücke und IPMiMlkwe, Giec AWelMgein Clo Bitter Ver Auhielosi wor denen die Kalkfasern radial nach allen Seiten ausstrahlen. Schon bei den paläozoischen Formen mit verdicktem Skelett sahen wir Coenenchym und Mauer aus einzelnen Pfeilern aufgebaut. Andererseits beginnt bei den lebenden Madreporen sich der ringförmige Primärstreif der Mauer gerade erst zu zerlegen. Allenthalben ist bei jüngeren Formen, wie oben erwähnt, das Coenenchym aus Pfeilern zusammengesetzt. Die ver- bindenden Querlamellen’ werden durch Verlängerung und horizontale Ausbreitung der Fasern an bestimmten Stellen gebildet: Am spätesten tritt de Pfeilerstruktur in den Septen auf. Hier treffen wir sie bei den Tubocoralliern nur selten an, jedoch schon seit dem Paläozoikum in der in dieser Arbeit nicht weiter behandelten Reihe Coccoseridae — Astrocoenidae — Poritidae. Ihre höchste Komplikation erreicht die eben geschilderte Struktur in den Septen der Septocorallier, die oft nicht mehr aus einfachen, sondern aus zusammengesetzten Pfeilern bestehen. Über de Veränderungen des Septalapparates können wir uns kurz fassen. Die 12 bei den Heliolitiden in der Regel gleich entwickelten Septenbildungen, differenzieren sich bei den jüngeren Formen in zwei Zyklen von Septen verschiedener Größe. Vereinzelt kommt es zur Einschaltung weiterer Zyklen. Die 6 Zahl ist bei den hier betrachteten Tubocoralliern vorherrschend, Ausnahmen sind selten. Allenthalben treten an Stelle derlamellösen Septen wieder Reihen isolierter Dornen auf, selbst bei lebenden Formen (Pocillopora, Madrepora). In jüngerer Zeit ist es für eine Anzahl Septocorallier von scheinbar voll- kommen radialem Bau gelungen, ene paarige Anlage der Septen nachzuweisen. Auch bei den Heliolitiden, die fast immer 12 vollkommen gleiche Septalbildungen haben, erfolgt die Anlage der Septen Beitrage zur Phylogenie der Tubocorallier. 65 paarig wie KıIÄR an Proheliolites dubius F. ScHM. beobachten konnte. Bei vielen jüngeren Formen tritt, wie wir gesehen haben, die Bilatera- lität dadurch deutlich zutage, daß sich ein Septum besonders stark entwickelt (Heterocoenia) und in.der Tiefe des Kelches mit dem gegenüber- liegenden in Verbindung tritt (Madrepora) oder daß zwei gegenüber- liegende mit der Kolumella verwachsen (Pocillopora und Seriatopora). Die für die älteren Tubocorallier so charakteristischen, regelmäßigen Bodenbildungen in den Kelchen treten bei den jüngeren Formen, Pocillo- poren und Stylophoren ausgenommen, mehr und mehr zurück. Die bei den in dieser Arbeit behandelten Korallen vom Paläozoikum bis zur Jetztzeit am Skelett wahrzunehmenden Veränderungen sind kurz folgende: Auswachsen der knolligen und inkru- stierenden Formen zu verzweigten; in Verbindung damit, Zurücktireten der Epithek Auflösung des Soe (ism med mized ne sPitenlenes dhe dt coment te midie Wer- anderungenin der Ausbildung des Coenenchyms; Seaniwene DiiterenzierungerderSepten in Zyklen von verschiedener Größe. Ferner ist bei vielen Formen eine Perforation des Skeletts eingetreten und im Septalapparat eineBilateralitätzum Ausdruck gekommen. InallenReihen Sehen wir sieh mithin eime’stetige Komplikation des Wachstums, der Struktur und des Aufbaues des Sikeilfettssiowre des Septalapparatesı voll- ziehen. Diesen bedeutenden Umwandlungen der Hartteile gegen- über dürften sich die Weichteile verhältnismäßig wenig verändert haben. Namentlich die Polypen hatten wohl schon im Paläozoikum, abgesehen von der Tentakelzahl, die gleiche Organisation wie heutzutage. Die paarige Anlage der Septen bei Proheliolites spricht für eine zweiseitig symmetrische Ausbildung der Mesenterien bei diesen alten Formen. Der die ganze Kolonie überziehende Coenosarkmantel, in dem die Polypen eingebettet sind, hat entsprechend dem von ihm gebildeten Coenenchym einige Veränderung erfahren. Fig. 17 stellt eine schematische Rekonstruktion der Weichteile eines Heliolites-Tieres dar. Bei diesen paläozoischen Formen mit röhrigem Coenenchym entsendet der Coeno- sarkmantel (c) lange, schlauchförmige Fortsätze (cs) nach unten, die in den Coenenchymröhren bis zu den ersten Bodenbildungen stecken. Schon wenn das Coenenchym blasig wird, kommt es zu einer viel lockeren Verbindung zwischen Skelett und Weichteilen, indem diese meist nur obenauf liegen. Nur in der Umgebung der Kelche greifen die Rippen des Coenenchyms in Furchen des Coenosarkmantels ein. Auch bei den Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre J, 66 Gerth, lebenden Pocilloporen und Stylophoren, bei denen das Coenenchym in der Randzone gewöhnlich vollkommen dicht ist, sitzen die Weichteile ganz oberflächlich auf, ohne abgesehen von den Polypen Fortsätze in das Skelett hinein zu entsenden. Fig. 18 zeigt ein schematisches Bild der Weichteile von Stylophora*); nur die kleinen Spitzen und Körner des Coenenchyms (sp) stecken in Vertiefungen des Coenosarks. Bei den porosen Korallen treten die Polypen durch seitliche Fortsätze Fig. 17. ‘Fig. 18. Schematisches Bild eines Stiicks der Schematisches Bild eines Stücks der Weichteile von Heliolites. (P) Polyp mit Weichteile von Stylophora. (P) Polyp ı2 Tentakeln (t) und ı2 den Septen ent- mit 6 kürzeren und 6 längeren Tentakeln sprechenden Einfaltungen (s). (c) Coeno- und ı2 Einfaltungen (s), die den 6 sarkmantel mit Kanälen (cr) und schlauch- schwächeren und 6 stärkeren Septen förmigen Fortsätzen (cs), die in den entsprechen. (c) Coenosarkmantel mit Coenenchymröhren stecken. Kanälen (cr). (sp) Spitzen des Coen- enchyms, die in Vertiefungen des Coeno- sarks stecken. ihrer Körperwand miteinander und mit den Fortsätzen des Coenosark- mantels in Verbindung. Hierdurch kommen die das Skelett durch- - bohrenden Poren zustande, in denen beim Weiterwachsen des Tieres Teile der Weichteile als abgestorbene Reste zurückbleiben. Weitere Rückschlüsse auf die Organisation wie z. B. die Verteilung der Kanäle in dem Coenosark bei den fossilen Formen, erlauben uns die Hartteile nicht zu machen. *) Die Beziehungen der Weichteile von Stylophora zu dem Skelett sind durch die Untersuchungen von KocH (35) genauer bekannt geworden. D 19. 20. 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Ich habe schon wiederholt meiner Über- zeugung dahin Ausdruck gegeben, daß Artbildung in sehr verschiedener Weise erfolgt und daß ich in der Mutation nur einen der zum Ziele führenden Wege sehe. v. Wettstein, Aschersonfestschrift, 1904, p. 509. Die korrelative Variabilität gehört zu den wichtigsten Aufgaben. de Vries, Mutationstheorie I, 1901, p. 113. Die vorliegende Untersuchung ist die ausführliche Darstellung meiner vierjährigen Beobachtungen über die Blütenvariationen süd- brasilianischer Orchideen deren Hauptergebnisse ich an anderen Orten bloß in vorläufigen Mitteilungen kurz skizziert habe1). Als Grund- lage diente mir ausschließlich das reiche lebende Orchideenmaterial, welches Professor v. Wettstein im Jahre 1gor auf seiner Expedition in Südbrasilien sammelte. Die Variationsbeobachtungen erstrecken sich in erster Linie auf die Gattung Gomesa, außerdem auf Pleurothallis, Miltonia, Catasetum, Epidendrum, Oncidium und Meiracyllium. Am ein- gehendsten untersuchte ich die für die im Titel bezeichnete Frage 1) Vgl. Porsch, Die Blütenmutationen der Orchideen als Ausgangspunkt ihrer Art- und Gattungsentstehung. Verhandl. d. kk. zoologisch.-botan. Gesellsch. Wien 1905 p. 325ff. — Neue Orchideen aus Siidbrasilien. Oster. botan. Zeitschr. 1905 Nr. 4. Vgl. Meiracyllium Wet!steinit m. 79 Porsch. interessanteste und dankbarste Gattung Gomesa, von der mir auch das reichste Material zur Verfügung stand. Diese Gattung gab auch auf eine sehr merkwürdige Weise Veranlassung zur vorliegenden Unter- suchung. Professor v. Wettstein hatte bereits in Südbrasilien am natür- lichen Standorte der Gattung mit Rücksicht auf ihre fluktuierende Variabilität ein reichhaltiges lebendes Material gesammelt, welches im Orchideenhause des hiesigen botanischen Gartens regelmäßig zur Blüte gelangte. Für die gütige Überlassung desselben zum Zwecke der vor- liegenden Untersuchung sowie für die reiche Förderung, die er der- selben angedeihen ließ, sei ihm hiermit verbindlichst gedankt. Ge- legentlich meiner Bearbeitung dieser Gattung!) ergaben sich mehrmals Widersprüche mit den von mir gemachten Bestimmungen sowie mit meinen eigenen Bestimmungen. Ursprünglich glaubte ich dieselben auf Verwechslungen seitens der Gartengehilfen zurückführen zu müssen, obwohl bei den anderen vielfach viel artenreicheren Gattungen der mit möglichster Sorgfalt etikettierten Orchideenausbeute keine derartigen Verwechslungen vorkamen. Als sich jedoch diese Erscheinung einigemale wiederholte, wurde jeder Stock genau bezeichnet, und zwar nicht nur durch eine sichtbare Etikette, sondern bei den besonders kritischen Stöcken auch durch eine geheime Markierung. Überdies wurde jeder Stock zur jeweiligen Blütezeit photographiert, um mir auch im nicht blühenden Zustande nach der Zahl und gegenseitigen Stellung der verschieden großen Pseudobulben die Möglichkeit einer unzweideutigen Identifizierung zu sichern. Die ersten photographischen Aufnahmen danke ich der Güte des leider zu früh verstorbenen phil. G. Kraskovits, für alle späteren bin ich Frl. A. Mayer zu besonderem Danke verpflichtet, welche nicht nur die zahlreichen Habitusaufnahmen, sondern auch jene einer noch größeren Zahl Blütenstände und Einzelblüten in aus- gezeichneter Naturtreue ausführte. Weiters wurde über die Zahl und Merkmale sämtlicher Einzelblüten genau Buch geführt und jede neu auftauchende Blütenform sofort nach der Natur gemalt. Bei der mit dem Zeichenprisma vorgenommenen Ausführung dieser Abbildungen wurde auf die peinlichste Naturtreue in den Form- und Größenver- hältnissen, dem Farbenton und phyletischen Charakteren sorgfältig geachtet. Ein Teil derselben ist auf Tafel I reproduziert. Ihre tadel- 1) Orchidaceae in v. Wettstein, Ergebnisse der botanischen Expedition d. kaiserl. Akad. d. Wissensch. nach Südbrasilien 1901. Denkschr. d. Wiener Akad. LXXIX 1908 (S.A. 1906). Mit Taf. XI—XVIII. Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. ek lose Ausführung übernahm mit bewährter Kunstfertigkeit Herr Lektor A. Kasper, dem ich hierfür bestens danke. Diese Methode wurde durch vier Jahre konsequent durchgeführt und lieferte das überraschende Ergebnis, daß einige Stöcke außer- dem für sie als Normalzustand charakteristischen Blüten- typus vereinzelt plötzlich vom Normaltypus abweichende Blüten lieferten, welche sich in ihren Merkmalen mit schon seit lange beschriebenen und in der Kultur konstanten Spezies der Gattung vollkommen deckten. In anderen Fällen erstreckte sich nach mehrmaligem normalen Blühen die Abweichung auf sämtliche Blüten des Blütenstandes. Die übrigen Stöcke sind dagegen bis heute in ihren phyle- tischen Charakteren vollständig konstant geblieben.| Da die als Artmerkmale innerhalb der Gattung wichtige Stellung des Blumenblattrandes konstant mit Trennung der seitlichen Sepalen korrelativ verbunden war, so trat in den im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen sprunghaft variierenden gewellten Blüten mit einem Schlage eine Kombination zweier phyletischer Merkmale in Erscheinung, _ welche auf die Artentstehung innerhalb der Gattung Licht warf. Denn diese Kombination ist als spezifische Merkmalskombination für die als G. crispa Kl. et Rchb. f. beschriebene gute Art charakteristisch. Die G.crispa Kl. et Rchb. f. war also sozusagen unter meinen Augen entstanden. Durch diese Beobachtung angeregt, wandte ich auch den übrigen Gattungen der brasilianischen Orchideenausbeute Prof. v. Wettsteins gerade mit Rücksicht auf die Variabilität der Blütenmerkmale be- sondere Aufmerksamkeit zu und konnte in vereinzelten Fällen auch bei anderen Gattungen sprunghafte Abänderung im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen feststellen. Bei dem Umstande, daß die Pleurothallidinengattungen in ihrer gegenwärtigen Begrenzung zum großen Teile gerade durch den Verwachsungsgrad der Sepalen charak- terisiert sind, war für mich die wenn auch seltene Feststellung sprung- hafter Abänderungen in diesem Merkmale bei Pleurothallis besonders wertvoll. Auch für Gattungen wie Miltonia und Epidendrum, bei denen dieses Merkmal für die Formenneubildung gegenwärtig wohl kaum eine Rolle spielt, war dasselbe gelegentlich nachweisbar. Die Ver- mutung, daß die Gattungen der Pleurothallidinae demgemäß sprung- hafter Variation im Verein mit korrelativer Verkettung ihre Ent- stehung verdanken, fand eine kräftige Stütze in der sich als neue 72 Porsch. Art erweisenden Pleurothallis sulcata m., welche von ihren nächsten Verwandten vollkommen konstant hauptsächlich im Verwachsungs- grad der seitlichen Sepalen abweicht und dieses Merkmal bereits voll- kommen gefestigt hat. Wenigstens war es mir seit 1903 bis heute an den zahlreichen Blüten aller mır zur Verfügung stehenden Stöcke dieser Art nicht gelungen, auch nur in einem einzigen Falle eine Ab- weichung im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen zu finden. Da bei Gomesa die sprunghafte Variabilität erst einige Zeit, aber dann auffallend plötzlich auftrat, nachdem dieselbe im hiesigen botanischen Garten in Kultur genommen war, so liegt die Vermutung nahe, daß die Mutationsperiode dieser Gattung wahrscheinlich durch den starken Wechsel in den äußeren Faktoren, vor allem den stark veränderten Ernährungsbedingungen induziert wurde. Gerade mit Rücksicht auf diese Tatsache ist es interessant, daß die phylogenetisch ältere alpine Sektion Archz-Gomesa mit der einzigen Art G. alpina m. sich als vollständig konstant erwies. Wenn wir weiter bedenken, daß die Samen der Orchideen bei ihren günstigen Verbreitungsbedingungen durch den Wind gelegentlich sehr leicht auch auf weite Strecken verbreitet werden können, so erscheint es begreiflich, daß auf diesem Wege die Übertragung in stark abweichende Außenbedingungen sehr leicht der Ausgangspunkt für eine Mutationsperiode werden kann. Hat sich bei einer auf diesem Wege entstandenen neuen Form nach erfolgter Anpassung an das neue Milieu sozusagen ein innerer Gleich- gewichtszustand eingestellt, dann kann sie für dieses Gebiet lange Zeiträume hindurch konstant bleiben und gilt für uns dann mit Recht als gute Art. Auch die im hiesigen Orchideenhaus seit lange kultivierten Arten zeigen zwar die dieser Familie eigene fluktuierende Variabilität in Farbenabstufung, Blütengröße usw., aber bei sonstiger Konstanz in den phyletischen Charakteren. Wenn es mir auch bei der bekannten Schwierigkeit, Orchideen aus Samen aufzuziehen und weiter schon aus zeitlichen Gründen vorläufig noch nicht möglich war, die Erblichkeit derartiger sprunghafter Abänderungen nach- zuweisen, so war es doch gelungen, die Natur sozusagen bei einem ihrer ersten Schritte zur Formenneubildung, der Entstehung einer Mutationsperiode zu belauschen. Vielleicht gelingt es mir im Vereine mit Praktikern später einmal, die erwähnte Lücke auszufüllen. Bei dem Studium der sprunghaften Blütenvariationen hatte ich aber auch gleichzeitig Gelegenheit nicht nur die größeren Sprünge, sondern auch kleinere Sprünge in der Ausbildung der phyletischen Charaktere zu beobachten, was mich in der Meinung bestärken mußte, Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 73 wenigstens in den mir vorliegenden größeren plötzlichen Sprung- abweichungen bloß dem Grade nach verschiedene Variationen zu erblicken. Unter den zur Wahrung meines Standpunktes im nächsten Ab- schnitte ausführlicher gegebenen Einschränkungen sucht die vorliegende Untersuchung demnach für folgende Gesichtspunkte einzutreten: I. Die Bedeutung sprunghafter Variationen für die Formenneu- bildung. 2. Die deszendenztheoretische Bedeutung der korrelativen Ab- änderung. : 3. Die kausale Bedingtheit von Mutationsperioden durch Außen- faktoren, in erster Linie die Faktoren der Ernährung. 4. Den bloß graduellen Unterschied zwischen sprunghafter und fluktuierender Variabilität. Sie versucht, diese Gesichtspunkte wahrscheinlich zu machen auf Grund des induktiven Studiums der Blütenvariationen süd- brasilianischer Orchideen und ihrer gegenwärtigen systematischen Gliederung. Denn die Formenkenntnis bleibt für mich nach wie vor eine unentbehrliche Grundlage für jede deszendenztheoretische Theorie. Sie beansprucht die hieraus resultierenden Folgerungen zunächst bloß für die untersuchten Formenkreise und läßt aus rein methodischen Gründen die Frage nach der Erblichkeit vorläufig noch offen. Es mag späteren und eingehenderen Untersuchungen vorbehalten bleiben, die hier gezogenen Schlüsse mehr oder weniger zu verallgemeinern beziehungsweise auf das ihnen gebührende Maß zu beschränken. Erster Abschnitt. Sprunghafte Variabilität und korrelative Abänderung in ihrer mutmaßlichen Bedeutung für die Artentstehung süd- brasilianischer Orchideen. I. Kurze Charakteristik meiner Stellungnahme zum Problem der Formenneubildung im allgemeinen und zur Mutabilität und korrelativen Abänderung im speziellen. In der großen Frage der Formenneubildung stehen gegenwärtig zwei Ansichten einander schroff gegenüber. Die eine erblickt in den individuellen Variationen (fluktuierenden, linearen Varia- 74 Porsch. tionen usw.) den Grundstock, mit dem die vermeintlichen oder unzweideutig als wirksam erkannten artbildenden Faktoren operieren, die andere dagegen in den spontanen Variationen (Sprungvariationen, Mutationen, plötzliche Habitusänderungen Plates, single variations usw.). Die von den Anhängern der ersten Auffassung im allgemeinen mehr oder weniger geringschätzig behandelten spontanen Variationen wurden bekanntlich erst im letzten Dezennium durch Korschinsky und mit besonderem Nachdrucke vor allem durch Hugo de Vries in ihr Ehrenrecht artbildender Abänderungen eingesetzt. Was Kor- schinsky auf Grund eines sehr sorgfältig zusammengetragenen historischen Tatsachenmaterials mit klarem Blicke theoretisch erschloß, hat de Vries auf breiter empirischer Basis in für alle Zukunft vor- bildlicher Methodik experimentell begründet). Und mögen auch manche seiner Detailaufstellungen durch spätere Untersuchungen eine andere Auffassung erfahren, das dauernde Ver- dienst seiner großzügigen experimentellen Pionierarbeit wird da- durch nicht tangiert. Es gilt uns heute als unumstößliche Beobachtungstatsache, daß sprunghafte Abänderungen nicht nur plötzlich entstehen, sondern + 1) Korschinsky, Heterogenesis und Evolution, Flora 1901: Erganzungsb. p- 240ff., H. de Vries, Die Mutationstheorie, Leipzig 1901—1903, Arten und Varie- taten und ihre Entstehung durch Mutation. Deutsche Ubers. von Klebahn, Berlin 1906, Plant-Breeding, London 1907. Solms-Laubach, Cruciferenstudien I. Capsella Heegeri Solms, eine neu ent- standene Form der deutschen Flora. Bot. Zeit. 1900 p. 167 ff. 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Aufl. 1903 p. 173, Selektionsprinzip usw. III. Aufl. 1908 p. 283—322, Detto, Die Theorie der direkten Anpassung usw. 1904 p. 192ff., Potonié, Capsella Heegeri, eine pathologische Erscheinung mit atavistischen Momenten? Naturwiss. Wochenschr. 1906 p. 788 ff. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 75 auch samenbeständig sein können, daß mithin neue Rassen, Arten, Sippen oder wie man sie sonst nennen möge, sozusagen explosiv in Erscheinung treten können. Ja selbst „Knospenvariationen‘“, also somatisch erworbene Charaktere können hochgradig erblich sein, wie die neuesten experi- mentellen Untersuchungen v. Wettsteins und Shulls ergeben haben). Bei dem ebenso berechtigten als bestechenden Erfolge dieser Erkenntnis war es begreiflich, daß die in neuerer Zeit als progressiv wirkender Faktor ohnedies schon stark mißkreditierte Selektion?) viel- fach als vollständig abgetan betrachtet und die Mutabilität zum ausschlaggebenden Faktor der Artentstehung proklamiert wurde. Es wiederholt sich hier die in der Geschichte der Wissenschaft so oft zu beobachtende Erscheinung der menschlich verzeihlichen Über- treibung eines neuen fruchtbaren Gesichtspunktes. Für die Vertiefung eines Gedankens ist es ja auch stets sehr wertvoll, wenn er sich voll und ganz auslebt; die nach der jeweiligen Individualität des Forschers sich dabei ergebenden Auswüchse schüttelt der gesunde Organismus der Wissenschaft mit der Zeit schon von selbst ab. Wenn wir uns auch gegenwärtig darüber vollkommen im klaren sind, daß der geniale Altmeister Darwin sein geistiges Lebenskind, die natürliche Selektion, zweifelsohne überschätzt hat, so sind wir vorläufig absolut noch nicht berechtigt, dieses sein großes Erbe der Vergangenheit zuzuweisen. Wir dürfen uns der Einsicht nicht verschließen, daß die Wirkung der natürlichen Zuchtwahl im Kampf ums Dasein durch eine auch nur annähernd den natürlichen Bedingungen entsprechende Versuchs- anstellung sehr schwer beweisbar ist. Trotz alledem müssen wir aber schon jetzt sagen, daß die wenigen diesbezüglichen, und zwar auf zoologischem Gebiete unternommenen Versuche keineswegs die Ohnmacht der natürlichen Zuchtwahl als Ausleserin der bestangepaßten Individuen erwiesen haben. Ich denke hierbei an die interessanten Untersuchungen und Versuche von Bumpus, Weldon, Cesnola 1) v. Wettstein, Die Erblichkeit der Merkmale von Knospenmutationen. Aschersonfestschrift 1904 p. 509ff., Shull in Mac Dougal, Vail, and Shull I. c. Pp 59—61. Bud -sports. Vegetative saltations. Die vollständigste neueste Zu- sammenfassung der ganzen Frage gibt Cramer, P.J.S., Kritische Übersicht der be- kannten Fälle von Knospenvariationen. Haarlem 1907. Natuurk. Verhandel. v. d. Holland. Maatsch. d. Wetensch. Derd. Verz. Deel VI. 2) Diesbezüglich sei hier aus dem Lager der Gegner derselben auf die jüngst erschienene klare Auseinandersetzung Wagners verwiesen „Zur Lehre der natiirl. Zuchtwahl“. Zeitschr. für d. Ausbau d. Entwicklungslehre 1907 p. 323ff. 76 Porsch. und Crampton über Sperlinge resp. Krabben, Mantis und die nord- amerikanischen Seidenspinner!) (Philosamia cynthia). Es bleibt zu- künftigen Versuchen vorbehalten, die Wirksamkeit der natürlichen Selektion als progressiv wirkender Faktor auf das ihr gebührende Maß zu beschränken. Muß es demgemäß schon als verfrüht erscheinen, die Selektion als progressiv wirkenden Faktor gänzlich aufzugeben, so hieße es nur noch mehr das Kind mit dem Bade ausgießen, wollte man damit auch die rein ausmerzende, inaktivierende Rolle derselben im Kampf ums Dasein ableugnen. Gerade diese inaktivierende Selektion kann einen wesentlichen Faktor zu progressiver Entwicklung bilden, was übrigens auch de Vries zugibt?2). Der wesentliche Unterschied dieser Ansicht gegenüber der rein Darwinschen Auffassung besteht bloß darin, daß ihr zufolge diese ausmerzende Selektion die Merkmale, mit denen sie operiert, außer der rein fluktuierenden Variabilität von einer ganzen Reihe anderer Faktoren, wie direkter Bewirkung, Anpassung, Mutabilität, Kreuzung usw. geliefert erhält. Zur Klarstellung des Gesagten möge ein einfaches Beispiel dienen. Man hat vielfach die überraschende Ähnlichkeit zwischen Pflanzen verschiedener Familien, deren eine gegen bestimmte Feinde wirksam geschützt ist, als Mimikry bezeichnet. Ich erinnere an den bekannten Fall Brennessel und Taubnessel. Ich betrachte es als vollkommen ausgeschlossen oder wenigstens sehr unwahrscheinlich, daß bei dem Zustandekommen der Nesselähnlichkeit der Taubnessel die aus dieser Ähnlichkeit resultierende Zweckmäßigkeit des Schutzes irgend eine Rolle spielte?). Sekundär kann diese Ähnlichkeit ja einen gewissen 1) Bumpus, The elimination of the unfit asillustrated by the introduced sparrow. Biol. Lect. Marin. Biol. Laboratory. Wood Hall. 1896. Boston 1898 p. 209—226. Weldon, An attempt to measure the death-rate due to the selective destruction of Carcinus Maenas with respect to a particular dimension. Proc. Royal Soc. Lond. Bl. LVII. 1895 p. 360—79. Cesnola, Preliminary note on the protective value of colour in Mantis religiosa. Biometrica III. 1904 p. 58. ; Crampton, Experimental and statistical studies upon Lepidoptera. I. Variation und elimination in Philosamia cynthia. Biometrika III. 1904 p. 113ff. Einen gedrängten klaren Auszug über die Hauptergebnisse dieser Autoren gibt Plate l. c. 1908 p. 126—31. 2) Mutationstheorie I. p. 150, 298 $ 23. „Artanfänge‘“‘ und an anderen Stellen. 3) Vgl. v. Wettstein, Ähnlichkeiten im Pflanzenreiche. Verein zur Verbreit. naturwiss. Kenntnisse, Wien. XLVII. 1907 p. 342. Bezüglich des Tatsachenmateriales. vgl. Hildebrand, Über Ähnlichkeiten im Pflanzenreiche. Leipzig 1902. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. Dh Schutz gewähren. Kurz, wir haben wohl allen Grund, uns zu jeder Deutung von Mimikry zwischen Pflanzen untereinander mindestens sehr skeptisch ‘zu verhalten. Trotz alledem bin ich jedoch andererseits fest überzeugt, daß die zuerst von dem englischen Reisenden Burchell und neuerdings nament- lich von Marloth beobachtete auffallende Stein- oder Vogeldung- ähnlichkeit gewisser südafrikanischer Mesemdryanthemum-, Crassula- und Anacampseros-Arten in ihrer Wirkung wenigstens zweifellos als echte Mimikry zu bezeichnen ist!). Ich habe auch in diesem Falle anfangs daran gezweifelt, aber als ich die lebenden Exemplare von Mesembryanthemum Bolusii im berühmten Hanburygarten in La Mortola an der italienischen Riviera sah, war ich von der Deutung Marloths vollkommen überzeugt?). Die Unregelmäßigkeit der Form, die Farbe und Skulptur der Oberfläche der zwei Blätter dieser Art bedingen in der Tat eine so hochgradige Steinähnlichkeit, daß man Mühe hat, die Blätter unter dem Gestein ihrer Umgebung herauszufinden. Erzählt doch Marloth, was ich ihm gerne glaube, daß kein einziger der zahl- reichen Besucher, welche sich die Pflanzen besichtigten, aus einem Topfe mit einem Dutzend Exemplaren von Crassula columnaris samt den Steinen ihrer natürlichen Umgebung die richtige Anzahl der Pflanzen angab, da sie immer wieder eine wechselnde Anzahl Steine mitzahlten*). Da die in Rede stehenden Pflanzen weder Dornen, Stacheln oder Giftstoffe besitzen noch über sonstige Schutzmittel ver- fügen, da sie von Ziegen und Schafen mit großer Gier gefressen werden, wenn sie ihrer gelegentlich doch habhaft werden, so erscheint der mit der Steinähnlichkeit gegebene Schutz mehr als verständlich. An dem Zustandekommen dieser Steinähnlichkeit war wohl sicher die ausmerzende Selektion in hohem Grade mitbeteiligt; denn jede An- näherung an seine Pflanzennatur gab das Individuum den Weidetieren preis, und so blieben begreiflicherweise schließlich immer nur die- jenigen Individuen übrig, welche so steinähnlich waren, daß sie über- sehen wurden. Aber. einsetzen konnte diese inaktivierende 1) Marloth, Mimicry among plants. Transact. of the South Afric. Philos. Soc. Vol. XV. 1904 p. 97—102, Further observ. on Mimicry among plants. Daselbst Vol. XVI 1905 p. 165—167, Thiselton-Dyer, Morphologic. Notes. Ann, of Bot. Vol. XX. 1906 p. 123—127. 2) Fir das mir gelegentlich meines Besuches daselbst bewiesene liebenswirdige Entgegenkommen bin ich Herrn Direktor Alwin Berger zu dauerndem Danke ver- bunden. 3) Ganz dasselbe gilt für M. truncatellum, welches glatte Kieselsteine „imitiert‘. Vgl. die guten Abbildungen bei Thiselton-Dyer Il. c. Taf. VII. 78 Porsch. Auslese erst an einem durch andere Faktoren (direkte An- passung usw.) bereits sukkulent gewordenen Materiale, wo- bei die Sukkulenz in bestimmter Auspragung eine gewisse Steinähnlichkeit in sich schloß. Es konnten möglicherweise auch spontane Variationen mit im Spiele gewesen sein. In allen Fällen setzte jedoch die Selektion als ausmerzender und dadurch indirekt steigernder, gleichzeitig. auch progressiv wirkender Faktor erst dann ein, nachdem ihr andere Faktoren gewissermaßen eine Operationsbasis geschaffen hatten. Sie ist in diesem Falle ursprünglich selbst nicht ein merkmalschaffender, sondern ein merkmaltilgender, aber sekundär doch auch zweckmäßigkeitsteigernder, wenn auch nicht zweck- mäßigkeitschaffender Faktor. Wenn ich also in der vorliegenden Untersuchung für die Bedeutung der spontanen Variabilität als artbildenden Faktor innerhalb der Familie der Orchideen eintrete, so will damit, wie hier ausdrücklich betont sein mag und aus dem der Arbeit vorangesetzten Motto her- vorgeht, keineswegs gesagt sein, daß ich die Mutation für den wichtigsten, geschweige denn für den einzigen Weg zur Formenneu- bildung halte. Das scheint, obwohl von berufenster Seite bereits wieder- holt hervorgehoben, noch immer nicht überflüssig zu sein!). Der schwer entwirrbare Komplex historischer und aktueller Lebensvorgänge, ‘deren Ergebnis wir kurz als Artentstehung zusammenfassen, ist viel zu verwickelt, um in einem einzigen bestimmenden Faktor seine Kausal- erklärung zu finden. Alle bisher sicher als wirksam erkannten Faktoren, wie direkte Bewirkung, direkte Anpassung, Mutation, Kreuzung usw. sind hierbei sicher im Spiele gewesen, im Einzelfalle der eine oder andere deutlich dominierend, die übrigen mehr oder weniger zurücktretend. Kurz die Formenneubildung, oder richtiger gesagt, die 1) So, um bloß einige wenige Autoren anzuführen, von Goebel, Über Studium und Auffassung der Anpassungserscheinungen bei Pflanzen. Festrede. München 1898. Reinke, Gedanken über das Wesen der Organisation. Biolog. Centralbl, XIX Nr. 3—4 p. 121. v. Wettstein, Monographie der Gattung Euphrasia. Leipzig 1895. p- 37ff. Die Arten der Gattung Gentiana Sect. Endotricha und ihr entwicklungsgesch. Zusammenhang. Denkschr. d. Wiener Akademie 1396. Der gegenwärtige Stand unserer Kenntnisse betreffend die Neubildung von Formen im Pflanzenreiche. Ber. d. deutsch. bot. Gesellsch. XVIII. 1900 p. (186—187). Handbuch d. system. Botanik I. 1901 p. 44 u. an and. Stellen. Lotsy, Vorlesungen über Deszendenztheorien. Jena 1906—o8. Plate, l. c. 1903 p. 4, 228, 1908 p. 4, 467. SchlieBt doch selbst Darwin die Einleitung seiner „Entstehung der Arten“ mit den Worten: „Endlich bin ich überzeugt, daß die natürliche Zuchtwahl das wichtigste, wenn auch nicht das ausschließliche Mittel zur Abänderung der Lebensformen gewesen ist.“ Deutsche Ausg. von Carus, 2. Aufl. 1899 p. 25. Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. 79 Formenumprägung hat jedenfalls sehr verschiedene Wege eingeschlagen. Wieviel neue, uns derzeit unbekannte für diese ausschlaggebende Faktoren die zukünftige Forschung noch aufdecken wird, entzieht sich gegenwärtig jeder MutmaBung. . Welch ungeahnte Förderung in der Erkenntnis der artbildenden Faktoren hat uns die Kreuzungslehre in den letzten Jahren gebracht, die sich noch vor einem Dezennium die kühnste Phantasie nicht er- träumt hätte! Die Neubelebung der ebenso bahnbrechenden als bescheidenen experimentellen Forscherarbeit Mendels durch de Vries, Correns, Tschermak, Bateson u. a.!), die Kryptomerie Tscher- maks?) sind bedeutsame Vorwärtsschritte in unserer Erkenntnis des großen Problems der Formenumbildung, über deren Tragweite erst die Zukunft Recht sprechen kann und wird. Die deszendenztheoretische Tragweite der Kreuzung erscheint gerade in jüngster Zeit durch den von v. Wettstein erbrachten experimentellen Nachweis der sprungweisen Steigerung der Fertilität bei Bastarden wieder in den Vordergrund des Interesses gerückt ®). Weiter haben Burbank und Shull, ersterer für Audus u. a. Gattungen, letzterer für Oenothera die Fruchtbarkeit und Samenbeständigkeit künstlich erzeugter Bastarde neuerdings wieder experimentell bestätigt, wodurch die alte, seinerzeit von Kerner vertretene Auffassung der Bedeutung der Kreuzung für die Artenbildung, wenn auch in ent- sprechender Einschränkung wieder zu ihrem Rechte gelangt *). 1) Das vollständigste Verzeichnis der umfangreichen einschlägigen Literatur bis 1907 gibt wohl Bateson am Schlusse seiner Arbeit: The progress of genetics since the discovery of Mendel’s papers. Progress. rei bot. I. 2. Heft p. 412 ff. 2) v. Tschermak, Die Theorie der Kryptomerie und der Kryptohybridismus. Beih. z. bot. Zentralbl. XVI. 1903 Heft 1. Weitere Studien an Erbsen, Levkojen und Bohnen, Zeitschr. für d. landwirtsch. Versuchswesen in Österreich. 1904. Über Bildung neuer Formen durch Kreuzung. Wissensch. Ergebn. d. internat. bot. Kongr. Wien 1905 p. 323ff., Die Mendelsche Lehre und die Galtonsche Theorie vom Ahnenerbe. Arch. f. Rassen- und Gesellschaftsbiologie. 1905 p. 663, Uber d. Bedeutung d. Hybridismus fiir die Deszendenzlehre. Biolog. Zentralbl. 1906 p. 881 ff. Correns, Uber Levkojenbastarde. Zur Kenntnis der Grenzen der Mendelschen Regeln. Bot. Centralbl. LXXXIV. 1900 Nr. 43 p. 97 ff. p. 106, Uber Vererbungs- gesetze. Vortrag. Berlin 1905, p. 26. 3) v. Wettstein, Uber sprungweise Zunahme der Fertilitat bei Bastarten. Wiesnerfestschr. 1908 p. 368 ff. 4) Bezügl. Burbank vgl. de Vries, Biolog. Zentralbl. 1906 p. 615. Das Haupt- werk Burbanks stand mir nicht zur Verfiigung. Shull, Origin of field forms by hybridization. 1. c. 58 ff. Kerner, Können aus Bastarten Arten werden? Österr. bot. Zeitschr. 1871 p. 34ff., Pflanzenleben. 1. Aufl. II. 1891 p. 567 ff. 80 Porsch. So sehr ich mich dem Gesagten zufolge auch einerseits dagegen verwahre, die Tatsachen der Mutabilitat zu überschätzen, ebenso fest bin ich andererseits von der Bedeutung derselben für die Art- und Gattungsentstehung im Einzelfall, wie z. B. innerhalb der Familie der Orchideen überzeugt. Ganz anders steht es dagegen mit dem Wert der Mutationstheorie als Erklärungsprinzip der organischen Zweck- mäßigkeit, „des Problems der Probleme‘, wie sich Plate treffend ausdrückt. Denn bei der Richtungslosigkeit der spontanen Variationen „fehlt ihnen also jede Tendenz zum Fortschritt“ (Plate 1. c.). Kurz die Mutationstheorie erklärt die Formenmannigfaltig- keit, aber nicht die Orthogenesis bzw. die organische Zweck- mäßigkeit. Soviel in Kürze zur Charakteristik meiner allgemeinen Stellungnahme den Hauptfaktoren der Formenneubildung gegenüber. Die vorliegende Untersuchung verfolgt jedoch noch einen anderen Zweck. Sie will nicht nur unter Berücksichtigung der gegebenen Einschränkungen für die deszendenztheoretische Bedeutung spontaner Variationen eintreten, sondern auch für jene der im allgemeinen wohl auch gegenwärtig noch zu gering eingeschätzten korre- lativen Abänderung. Dabei ist Korrelation im weitesten Sinne des Wortes sowohl morphologisch als physiologisch gemeint. Während die rein physiologische ‚Korrelation des Wachstums“ namentlich durch die schönen experimentellen Untersuchungen Goebels unserem Ver- ständnisse näher gerückt wurde, stehen wir den zahllosen z. T. ganz rätselhaften Korrelationen morphologischer und physiologischer phy- letischer Charaktere vielfach vollständig ratlos gegenüber!). Es ist 1) Goebel, Beitr. zur Morphologie und Physiologie d. Blattes. Bot. Zeit. 1880 p. 753 ff., Über d. gegenseitigen Beziehungen der Pflanzenorgane. Berlin 1884, Zur Geschichte unserer Kenntnisse d. Korrelationsvorgänge. Flora 1893 p. 38ff., Zur Gesch, unserer Kenntn. d. Korrelationserscheinungen. Daselbst 1895 Ergänzungsb. p- 195 ff., Organographie I. 1898 p. 117ff. Kronfeld, Über d. Beziehungen der Nebenblätter zu ihrem Hauptblatte. Ein Beitrag zu Goebels ‚Korrelation des Wachstums‘. Verhandl. d. K. K. zoologisch. bot. Gellsch. Wien 1887. Abh. p. 69ff. Vöchting, Über die Bildung der Knollen. Biblioth. botan. Heft 4 1387. Darwin, Variieren d. Tiere u. Pflanzen. Deutsche Ausgabe. v. Carus. Stutt- gart 1899 II. Aufl. p. 250, 364 ff. de Vriesl. c. 1901 u. 1907 V. Cap. p. 237 ff. Schindler, Der Weizen in seinen Beziehungen zum Klima und das Gesetz der Korrelation. Berlin 1893. Burkill, On some variations in the number of stamens and carpels. Journ. of the Linn. Soc. Lond. Bot. XXXI. 1895—97 p. 216ff. Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. 8x sowohl auf zoologischem als auf botanischem Gebiete eine schon seit lange feststehende Beobachtungstatsache, daB die qualitative resp. quantitative Ausbildung bestimmter Merkmale in gesetzmäßig kon- stanter Beziehung (Korrelation): zur Ausbildung anderer Merkmale steht, wobei uns jedoch wenigstens in sehr vielen wenn nicht in den meisten Fällen die Gesetzmäßigkeit dieser intimen Wechselbeziehung unverständlich bleibt. Wir müssen demgemäß auf eine Erklärung dieser Wechselbeziehung vorläufig meist verzichten. Es bedarf noch einer bedeutenden Vertiefung sowie einer physiologischen, entwicklungs- geschichtlichen und entwicklungsmechanischen Verfeinerung unserer Untersuchungsmethoden, um der Beantwortung dieser Frage näher treten zu können. Darauf kommt es hier aber auch gar nicht an. Mir gilt es bloß zu betonen, daß das sprunghafte Auftreten eines neuen Merkmales dadurch, daß dieses im einfachsten Falle bloß mit einem zweiten Merkmale in gesetzmäßiger Korrelation steht, sofort zwei wenigstens in dieser Kombination neue Merkmale ergibt. Kurz ich erblicke in dem vereinten Zusammenwirken von Mutation und korrelativer Abänderung einen in seiner deszendenz- theoretischen Bedeutung bisher wohl zu gering eingeschätzten durch zahlreiche Beobachtungstatsachen bestätigten Weg der Formenneubildung, der nicht nur zur Artentstehung, sondern auch zur Gattungsentstehung führt. Es bleibt zunächst klarzustellen, in welchem Sinne der Begriff Korrelation in der folgenden Darstellung gemeint ist. In deszendenz- theoretischer Beziehung kommt wohl der gesetzmäßigen Verkettung rein morphologischer phyletischer Merkmale ohne erkennbare direkte Beziehung zu ernährungsphysiologischen Faktoren die meiste Bedeutung zu*). Diese Korrelation ist in der Regel auch vollkommen konstant und von äußeren Faktoren unabhängig. Die Tatsache, daß gelegent- lich Ausnahmen, sogenannte ‚Korrelationsbrecher‘‘ vorkommen, deren Zahl den Fällen konstanter Merkmalskombinationen gegenüber übrigens de Bruyker, Over correlative variatie bij de Rogge en de Gerst. Handel. II. VI. Nat. Genees. Congr. Gent 1898 p. 42—56. Fruwirth, Die Züchtung der landwirtschaftl. Kulturpflanzen. 2. Aufl. I. 1905 p. 177ff. p. 212ff. v. Tschermak, daselbst IV. 1907 p. ı4ff., p. 204ff. und bei den einzelnen Getreidearten. 2) Ich sage hier ausdrücklich „ohne erkennbare Beziehung‘, denn wenn uns auch der Einblick in dieselbe derzeit noch verschlossen ist, so kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß dieselbe tatsächlich irgendwie physiologisch bedingt ist. 6 Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre I, 82 Porsch. verschwindend klein ist, ändert an der Bedeutung der ersteren nichts’). Deszendenztheoretisch, also fiir die Entstehung neuer Formen weniger bedeutend dürfte die überwiegend physiologische ‚Korrelation des Wachstums“ sein, bezüglich derer auf die oben zitierten grundlegenden Untersuchungen Goebels verwiesen sei. In diesen Begriff im weiteren Sinne fallen auch die Erscheinungen der Kompensation, also jene Fälle, in denen Förderung oder Unterdrückung eines Organs schwächere Ausbildung resp. Förderung eines bestimmten zweiten Organes zur Folge hat. C. Kraus hat neuerdings vorgeschlagen, die Erscheinungen der gleichsinnigen koordinierten Abhängigkeit gewisser Eigenschaften wie z. B. der Länge, Dicke, des Gewichtes der einzelnen Pflanzenorgane von der Wachstumsintensität als „Symplasie‘ zusammenzufassen ?). Diese Erscheinungen erfordern allerdings insoferne Vorsicht, als in Fällen, wo scheinbar Symplasie vorliegt, wahre Korrelation verborgen sein kann, wie sie beispielsweise Kraus für die Gerste zwischen der Gliederzahl, Dicke und dem Gewichte der Halme vermutet. Aus dem Gesagten dürfte hervorgehen, daß Korrelation im weitesten Sinne einen großen Komplex heterogener Erscheinungen umfaßt und eine in prägnanter Terminologie sich aussprechende Analyse derselben einem Bedürfnisse entspricht. Wenn also im Laufe der folgenden Darstellung von Korrelation oder korrelativer Abänderung die Rede ist, so ist dieselbe ausschließlich im Sinne einer gesetzmäßigen Verkettung rein morphologischer, phyletischer Merkmale ohne erkennbare direkte Beziehung zu ernährungsphysio- logischen Faktoren gemeint. Für diese Fälle empfiehlt es sich vielleicht, in Ermanglung eines besseren den Ausdruck „phyletische Korrelation“ zu gebrauchen. Damit will jedoch keineswegs gesagt sein, daß der rein physio- logischen Korrelation keine deszendenztheoretische Bedeutung zukäme. Die physiologische Korrelation kann die Entstehung einer physio- logischen Rasse bedingen, die als solche samenbeständig ist, und bei späterem Hinzutritte phyletischer morphologischer Umprägungen auch morphologisch eine selbständige Sippe ergibt. Inwieweit durch Außen- faktoren bedingte physiologische Korrelationen, die sich auch morpho- 1) Vgl. die interessanten Untersuchungen Johannsens über die Gerste. Zeitschr. f. d. gesamte Brauwesen. 1899. Soweit ich die Ergebnisse überblicken kann, handelt es sich hier übrigens meist um rein physiologische Korrelationen. 2) Beih. z. Naturwiss. Zeitschr. f. Land- und Forstwirtsch. 1905 Heft 1. Die Gliederung des Gersten- und Haferhalmes. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 83 logisch aussprechen, bei langerer Wirksamkeit samenbestandig werden können, wäre noch kritisch zu untersuchen. Weiters sind ja gerade die experimentellen Untersuchungen über die physiologische Korrelation dazu berufen, uns vielfach Aufschluß zu geben, welche Organe und damit auch indirekt welche Merkmale miteinander korrelativ ver- knüpft sind. Die Tatsachen der phyletischen Korrelation haben sich bei der Merkwürdigkeit ihrer Erscheinungen begreiflicherweise schon seit jeher zahlreichen Beobachtern aufgedrängt. Andererseits umfaßt sie wohl auch viele Tatsachen, die man zum großen Teile als selbstverständlich hinnimmt. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach ist so manche zur Art-, Sektions- und Gattungscharakteristik verwendete Merkmals- kombination nichts anderes als eine versteckte Korrelation. Selbst- verständlich will damit keineswegs behauptet werden, daß die die systematischen Einheiten höherer und niederer Ordnung charakteri- sierenden Merkmalskombinationen historisch immer auf korrelative Verkettung zurückgehen. In den meisten Fällen wird dies vielleicht sogar nicht der Fall sein. Denn wir wissen in sehr vielen Fällen nicht, ob die Änderung eines Merkmales auch die Abänderung eines bestimmten zweiten Merkmales unbedingt nach sich zieht. Weiters braucht eine gegenwärtig konstante Verkettung phyletischer Merkmale, deren Kombination eine Art unzweideutig charakterisiert, absolut nicht in sämtlichen Komponenten mit einem Schlage in Erscheinung getreten zu sein. Die ausschlaggebenden Merkmale können auch nach- einander in Kombination getreten sein. Der sichere Nachweis echter phyletischer Korrelation läßt sich bloß auf zweifache Weise erbringen. Erstens durch die experimentell konstante Beeinflussung eines Merkmales durch ein anderes und zweitens durch die direkte Beobachtung der konstanten Verkettung zweier Merkmale von dem Augenblicke des ersten Auftretens ihrer Kombination an einem möglichst umfangreichen Material. Die methodisch einwandfreie Klarstellung dieser Frage bildet meines Erachtens eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben der wissenschaftlichen Systematik. Die hohe deszendenztheoretische Bedeutung derselben ergibt sich nach dem oben (p. 81) Gesagten von selbst. Über die hervorragende praktische Bedeutung der Korrelation für die Neuzüchtung brauche ich hier nicht viele Worte zu verlieren. Es genügt ein Hinweis auf die ungeahnten praktischen Erfolge des kalifor- nischen Ziichters Luther Burbank in Santa Rosa sowie jene 6* 84 Porsch. Hjalmar Nilssons in Svalöf (Schweden), welche für die züchterische Praxis eine neue Ara bedeuten!). Zur Klarstellung der im Vorhergehenden gegebenen theoretischen Ausführungen seien, bevor ich zu meinen eigenen Beobachtungen übergehe, im folgenden kurz einige ausgewählte Beispiele zitiert. Obwohl ich mich absichtlich auf allbekannte Fälle beziehe, empfiehlt es sich, dieselben gerade unter dem angedeuteten Gesichtswinkel zu betrachten. I. Korrelationen zwischen rein morphologischen phyletischen Merkmalen. Einer der bekanntesten hierhergehörigen Fälle ist die als Cheli- donium laciniatum Mill. beschriebene Mutation unseres Schöll- krautes, bekanntlich seit dem Jahre 1590, wo sie im Garten des Apothekers Sprenger in Heidelberg auftrat, über Europa weit ver- breitet. Der Fall bietet für uns deshalb besonderes Interesse, weil die Geschichte des Auftretens dieser Mutation durch die gründlichen Untersuchungen Rozes genau bekannt ist?). Ich übergehe hier den historischen Teil der Frage und verweise diesbezüglich auf die gründliche Darstellung bei Roze und den ausgezeichneten Auszug Korschinskys®). Die Form wich bei ihrem ersten Auftreten sofort in zwei Merkmalen vom Typus ab, nämlich durch die tief fieder- teiligen Blätter mit schmalen, lanzettlichen, spitzen Abschnitten und die gezähnten, gelappten oder eingeschnittenen Petalen*). Sie erwies sich, wie Philipp Miller (1768) zeigte, während vierzigjähriger Kultur als samenbeständig, ein Ergebnis, das auch de Vries durch eigene Versuche bestätigen konnte (l. c. rgor p. 134). In diesem Falle standen also die beiden Merkmale Laubblatteilung und Konfiguration des Petalenrandes in Korrelation. Diese korrelative Verkettung ist um so auffallender, als sich die Form- änderung bloß auf die Petalen erstreckt, die Sepalen aber nicht tangiert und in zahlreichen anderen Fällen, wo Schlitzblättrigkeit 1) Vgl. de Vries, Die Neuzüchtungen Burbanks. Biolog. Zentralbl. XXVI, 1906, p. 609ff., Ältere und neuere Selektionsmethode. Daselbst p. 385. Plant-Breeding 1907 II, p. 29ff., IV p. 159ff., V p. 237ff. 2) E. Roze, Le Chelidonium laciniatum Mill. Journ. de Botan. 1895. IX p. 296ff. 3) Korschinsky |. c. p. 245—249. Vgl. de Vries l. c. 1901 ]J.‘'p. 133—134. 4) Gute Abbildungen derselben finden sich unter anderen bei de Vries l.c.I. p- 134 Fig. 6, Plant-Breeding p. 251 Fig. 77 und Reichenbach, Icon. flor. german. III. 10. Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. 85 spontan auftritt, nicht die geringste Spur einer Beeinflussung der Kelch- und Kronenblätter nachweisbar ist), Ein zweites sehr instruktives Beispiel liefert die bekannte /va- garia monophylla Duch.*). Schon das erste Exemplar dieser Mutation, welches Duchesne unter zahlreichen Sämlingen der gewöhnlichen Fragaria vesca auf einem Beete seines Gartens im Jahre 1761 fand, besaß im Gegensatz zu den dreizähligen Blättern der Normalform einfache, ungeteilte Blätter von herzeiförmiger Gestalt mit sehr groben und scharfen Zähnen. Gleichzeitig waren aber auch die Kelch- blätter nicht nur größer als sonst, sondern ebenfalls grob gezähnt®). Auch diese Form blieb samenbeständig und hat sich bis heute erhalten. Im Gegensatz zu Chelidonium laciniatum stehen also hier Blattform, Blattserratur und Form und Serratur der Sepalen in Korrelation. Einen weiteren instruktiven Fall liefern die normalen Rückschlags- blüten der vielbesprochenen Capsella Heegeri Solms, deren Be- schreibung wir den gründlichen Untersuchungen Solms-Laubachs verdanken®). Dieselben zeigten nicht nur Abweichungen im mor- phologischen und anatomischen Bau des Fruchtknotens, sondern auch gleichzeitig in der Länge der Blumenblätter und der längeren Stamina, deren eines meist ganz kurz war. Allerdings erfordert dieser Fall in der Deutung noch Vorsicht’). Anhangsweise wäre hier schließlich noch auf eine Merkmalsverkettung hinzuweisen, welche zwar nicht ausnahmslos konstant, aber doch für sehr umfangreiche Formenkreise beständig auftritt, ich meine die Verkettung der Sympetalie resp. Choripetalie mit der Integumentzahl der Samenanlage. Vorläufig stehen wir wenigstens der Erscheinung völlig ratlos gegen- über, daß die Sympetalen mit wenigen Ausnahmen (Primulifloren, Flumbaginaccen, Ebenaceen usw.) bloß ein Integument, die Choripetalen dagegen in der Regel zwei Integumente besitzen. Zur Charakteristik dieser Erscheinung sei zunächst betont, daß die gamopetalen Liliifloren (Convallaria, Polygonatum, Muscariund vieleandere) mit zwei Integumenten 1) Im wesentlichen dasselbe Verhalten zeigt die als Rubus fruticosus laciniatus beschriebene spontane Variation. Vgl. de Vries, Plant-Breeding p. 249 Fig. 76. 2) Duchesne, Histoire naturelle des fraisiers, p. 124—135. Vgl. Korschinsky l. c. p. 249—50. %) Als leicht zugängliche Abbildungen seien erwähnt: Bot. Magaz. Taf. 63 de Vries 1. c. 1901, I. p. 136 Fig. 38. 4) Solms-Laubach |. c. p. 171. 5) Potonié lc. Vgl. oben p. 74 Fußn. 86 Porsch. keine Ausnahme von der Regel bilden, da es sich hier streng genommen nicht um Gamopetalie handelt, sondern um seitliche Verwachsung von je einem Sepalum und Petalum, also um ein Blatt des äußeren und inneren Quirls. Diese merkwürdige Merkmalskombination gewinnt überdies dadurch an Interesse, daß die Icacinaceen und Pittosporaceen, welche vom Gros der Choripetalen durch ihre häufige Sympetalie ab- weichen, bloß ein Integument besitzen. Dasselbe gilt für die Loasaceen mit der sympetalen Gattung Sympetaleia. Auf der anderen Seite zeigen wieder die im allgemeinen sympetalen Cucurbitaceen bei Zwei- zahl der Integumente nicht selten echte Choripetalie (7h/adiantha, Telfairia u. a.). Es wäre eine dankenswerte Aufgabe, auch für die übrigen sympetalen Ausnahmsformen der Choripetalen die Integument- zahl kritisch vergleichend zu untersuchen. Bezüglich der Einzelfälle verweise ich auf die später gegebene Aufzählung. Denn erst auf diesem vergleichenden Wege könnte endgültig entschieden werden, ob es sich tatsächlich um echte Korrelation handelt. 2. Korrelationen zwischen morphologischen Merkmalen und Blütenfarbe. Hierfür sei als allgeläufiges Beispiel Peswmn arvense L. erwähnt. Bei dieser Art steht, wie schon seit lange bekannt ist, purpurne Blütenfarbe mit pigmentierter Samenschale, violettem Makel in den Blattachseln und schwacher Runzelung der violett angelaufenen Keim- blätter in Korrelation!). Im Gegensatz hierzu steht bei P. sativum L. weiße Bliiten,,farbe‘‘ mit nicht gezeichneten Blattachseln und glatten hellgefärbten Samen in Korrelation. Bei dem Umstande, daß der Blütenfarbe innerhalb der Gattung phyletische Bedeutung zukommt, kann auch dieses mehr physiologische Merkmal (Anthozyanbildung), wenn es mit anderen Merkmalen verkettet ist, bei der Formenneu- bildung entscheidend sein. Die seltenen in Svalöf aufgefundenen Korrelationsbrecher stören die Bedeutung dieser Korrelation nicht, da sich dieselben, wie Tschermak neuerdings durch Kreuzungsver- suche nachwies, als kryptomer herausstellten?). Einen weiteren hier- hergehörigen Fall liefern die namentlich von Correns eingehend 1) Darwin, Variieren der Tiere und Pflanzen. II. Aufl. 1899. II. p. 376, Mendel, Versuche über Pflanzenhybriden. Herausgeg. v. Tschermak, Ostwalds Klassik. d. exakt. Naturw. Nr. 121, 1901, p. 7, Fruwirth l. c. I. p. 181—182. 2) Laut mündlicher Mitteilung Prof. v. Tschermaks. Vgl. Fruwirth 1. c. III. p- 137 Fußn. 2. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 87 studierten Levkojensippen!). Bei Matthiola incana D.C. stehen breit- geflügelte Samen mit behaarten Blättern und violetter Blumenkrone in Korrelation, bei JZ. glabra D. C. dagegen schmal geflügelte Samen mit kahlen Blättern und weißer Blumenkrone. Eine weitere in der praktischen Landwirtschaft seit lange bekannte Korrelation zwischen morphologischen und physiologischen Merkmalen findet sich bei der Gerste, wo Feinheit und starke Runzelung der Spelzen mit guter Qualität des Mehlkörpers also hohem Extraktgehalt und niederem Stickstoffgehalt verkettet sind, eine praktisch als sehr verläßlich geltende Korrelation’). Zum Schlusse sei noch kurz auf die interessanten Untersuchungen Tischlers über die Korrelation zwischen Anthozyanbildung und Winterhärte verwiesen®). Dieselben gewinnen dadurch an deszendenztheoretischem Interesse, daß für eine ganze Reihe purpurblättriger Rassen die Samenbeständigkeit er- wiesen ist®). Schließlich sei noch kurz darauf verwiesen, daß wir bekanntlich auf zoologischem Gebiete gelegentlich ganz dieselben Erscheinungen antreffen. Ich erinnere an die merkwürdige Korrelation zwischen Kurz- und Krummbeinigkeit und Rückenlänge, welche für Tiere sehr verschiedener systematischer Stellung nachgewiesen ist (Dackel, Pferd), Ankona- und Mauchampschaf®)). In diesen Fällen könnten vielleicht entwicklungsmechanische Faktoren während der Ontogenese ausschlag- gebend gewesen sein, indem die möglicherweise primär auftretende Vergrößerung der Rückenlänge eine Lageveränderung der Extremi- täten bedingte, welche aus mechanischen räumlichen Gründen eine Veranlassung der Kurz- und Krummbeinigkeit war. Übrigens wäre in derartigen Fällen die absolute Rückenlänge noch statistischen Messungen zu unterziehen, um festzustellen, ob dieselbe z. T. sich nicht bloß scheinbar auf Grund der Kurzbeinigkeit dem Augenmaße aufdrängte. Ein weiterer der zahlreichen hierher gehörigen Fälle wäre 1) Correns, Über Levkojenbastarde. Bot. Zentralbl. LXXXIV. 1900, p. 97ff. 2) Vgl. Fruwirth, 1. c. IV, p. 215. 3) Tischler, G., Über die Beziehungen der Anthocyanbildung zur Winterhärte der Pflanzen. Beih. zum bot. Zentralbl. I. Abt. XVIII. 1905 p. 452 ff. 4) de Vries 1. c. I. p. 469, Bitter, Dichroismus und Pleochroismus als Rassencharaktere. Aschersonfestschr. 1904 p. 158ff. Die ausführlichste Kasuistik gibt Korschinsky l. c. p. 294ff. 5) Genaues Zitat bei Lotsy, Vorlesungen iiber Deszendenztheorien I. p. 183. 6) Vgl. die Geschichte derselben bei Darwin, Variieren der Tiere und Pflanzen usw. I. p. 1o9—110, II. p. 118. 88 Porsch. die Korrelation zwischen Vorder- und Hinterextremitäten, zwischen Fuß- und Flügelfedern der Tauben, zwischen Haut- und Zahnsystem usw.!). Als mehr physiologische Korrelation sei hier nur noch auf die bekannte Kombination zwischen weißer Behaarung und blauer Augen- farbe und Taubheit bei Katzen, auf die Empfindlichkeit weißer oder weiß gefleckter Schweine und Pferde für bestimmte Pflanzenstoffe usw.?) hingewiesen. Ich glaube, daß die wenigen angeführten Beispiele genügen dürften, um die deszendenztheoretische Bedeutung der phyletischen Korrelation richtig würdigen zu können. Ihre hohe Bedeutung wurde übrigens auch von jenen Forschern betont, welche den Hauptanteil an der Artentstehung anderen Faktoren zuerkannten. So sagt Darwin): „Korrelative Variation ist für uns ein bedeutungsvoller Gegenstand; denn wenn ein Teil durch fortgesetzte Zuchtwahl modifiziert wird, entweder durch den Menschen oder im Naturzustande, so werden andere Teile der Organisation unvermeidlich mit modifiziert. Aus dieser Korrelation folgt offenbar, daß bei unseren domestizierten Tieren und Pflanzen Varietäten selten oder niemals voneinander nur durch irgend einen einzelnen Charakter abweichen.“ Die praktische Be- deutung der korrelativen Abänderung für die auf züchterischem Wege erzielte Formenneubildung knüpft außer de Vries, wie bereits oben erwähnt, an die Namen L. Burbank und Hjalmar Nilsson. Ihre theoretische und praktische Bedeutung finde ich in der mir bekannten Literatur an der Hand geschickt ausgewählter Beispiele am faßlichsten und übersichtlichsten in dem neuen Buche von de Vries dargestellt *). Bezüglich der Stellungnahme dieses Autors zu dem Korrelations- problem sei schließlich auf das dieser Arbeit vorangesetzte Geleitmotto verwiesen. Die vorliegende Untersuchung will schließlich noch für zwei namentlich in letzter Zeit von verschiedenen Autoren geltend ge- machte Auffassungen eintreten, welche nach meiner Ansicht gerade 1) Vgl. Darwin l. c. II. p. 368 374 sowie dessen ausführliche Detaildarstellung bei den einzelnen Haustieren. 2) Darwin |. c. II. p. 375—76, Ptzibram, Vererbungsversuche über asymme- trische Augenfärbung bei Angorakatzen, Arch. f. Entwicklungsmechanik, XXV. 1907 p. 26off., Equilibrium of animal form., Journ. of experiment. Zoology V, 1907 p. 259ff. Daselbst weitere Literatur. 3) l. c. II. p. 365. Vgl. überdies p. 250. 4) Plant-Breeding 1907 V The association of characters in plant-breeding. p. 227 bis 309. Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. 89 gegenwartig in der Ara der Mutationstheorie doppelte Beriicksichtigung verdienen. Die eine derselben ist die Betonung der kausalen Bedingtheit der Mutabilität resp. Mutationsperioden durch äußere Fak- toren, in erster Linie durch die ausschlaggebenden Faktoren der Er- nährung. Die hervorragende Bedeutung der AuBenbedingungen für die Merkmalsumprägung bei höheren Pflanzen wurde in letzter Zeit nament- lich durch die wertvollen experimentellen Untersuchungen von Klebs und Shull in den Vordergrund des Interesses gerückt!). Während de Vries in Übereinstimmung mit Goebel den hohen An- teil der Ernährungsbedingungen für die Bildung von Anomalien mit Recht betont), steht er rücksichtlich der Induktion der Mutabilität auf dem Standpunkte, daß die Ursachen derselben gegenwärtig noch vollständig unbekannt sind und vermutet bloß in der raschen Ver- mehrung eine der möglichen Ursachen). Er faßt seinen Standpunkt in dieser Frage mit folgenden Worten zusammen’): „Die fluktu- ierende Variabilität ist eine Erscheinung der Ernährungsphysiologie, während von der Mutabilität die äußeren Ursachen noch völlig un- bekannt sind.“ Wie aus der folgenden ausführlichen Darstellung meiner eigenen Beobachtungen hervorgeht, erfährt die in jüngster Zeit von Klebs, v. Wettstein, v. Tschermak u. a.*) vertretene Ansicht über die Bedeutung der Außenfaktoren der Ernährung für die Induktion von Variationen resp. Mutationsperioden dadurch eine weitere Be- stätigung. 1) Klebs, Willkürliche Eatwicklungsänderungen bei Pflanzen. Jena 1903. Über künstliche Metamorphosen. Abhandl. d. naturforsch. Gesellsch. Halle XXV. 1903—0$, Probleme der Entwicklung I—III. Biolog. Zentralbl. 1904. Über Variationen der Blüten. Pringsheims Jahrb. XLII. 1906. Abschn. IV. Über den Zusammenhang der Variation mit der Außenwelt p. 288 ff. Shulll. c. p, 61. The induction of mutations. 2) de Vries, Mutationstheorie I. p. 607 ff., II. p. 523. Goebel, Beiträge zur Kenntnis gefüllter Blüten. Pringsh. Jahrb. XVII. 1836 p- 284, Organographie I. 1898 p. 159. 3) l. c. I. p. 358. 4) 1. c. I. p. 411. 5) Klebs |. c. v. Wettstein, Welche Bedeutung besitzt die Individualzüchtung für die Schaffung neuer und wertvoller Formen? Österr. Bot. Zeitschr. 1907 p. 233 Fußn.r. v. Tschermak, Die Kreuzungszüchtung des Getreides und die Frage nach den Ursachen der Mutation. Monatshefte für Landwirtsch. Heft 1 1908 p. 7. Lotsy, Vorlesungen II. 1908 p. 401—402. 90 Porsch, Die nach der Überführung der Orchideen aus Südbrasilien bei der Kultur derselben in Europa vollständig geänderten Ernährungsbe- dingungen hatten eine Mutationsperiode eingeleitet, die sich nicht bloß auf Gomesa, sondern auch auf andere Gattungen erstreckte. In letzter Instanz gehören damit indirekt die Erscheinungen der Mutation in das weite Gebiet der direkten Bewirkung im Sinne Nägelis!). Je extremer die Wirkung der Außenfaktoren ist, desto größer ist auch die Wahr- scheinlichkeit, auf das Keimplasma zu wirken und die Vererbung zu beeinflussen, vorausgesetzt, daß der Organismus diesen starken Ein- griff verträgt. Bildlich gesprochen kann man daher sagen: Die Mutabilität ist eine Krankheit in der Geschichte der Art. Übersteht sie dieselbe, dann gehen sie und ihre Nachkommen aus derselben als etwas anderes hervor. In einer Zeit, in der die Vererbung erworbener Eigenschaften wenigstens auf zoologischem Gebiete als sicher erwiesen betrachtet werden kann, dürfte dieser Vergleich wohl berechtigt sein. Schließlich und endlich möchte ich mit dieser Untersuchung für den neuerdings sowohl von botanischer?) als auch von zoologischer 3) Seite mit Recht betonten bloß graduellen Unterschied zwischen Variationen und Mutation eintreten, wofür die im folgenden aus- führlich mitgeteilten Detailbeobachtungen das Beweismaterial liefern. II. Gomesa als Typus einer Gattung, welche sich gegen- wärtig in einer regen Mutationsperiode befindet‘). Geschichtliches über das bisherige System der Gattung. Als Grundlage für die Beurteilung der systematischen und deszendenztheoretischen Bedeutung der im folgenden ausführlich ge- 1) v. Nägeli, Mechanich-physiologische Theorie der Abstammungslehre 1884 p. 139ff. 2) Vgl. Reinke, Einleitung in die theoretische Biologie. Berlin 1901. Errera, Une legon élémentaire sur le darwinisme. II. éd. 1904. Dettorlzc. Klebs l. c. 1906. p. 315—16, Lotsy l. c. 8) Vgl. Weismann l.c. Plate l.c. 4) Letzteres gilt selbstverstandlich nur oder kann ich wenigstens nur behaupten fiir die von mir studierten im Wiener botanischen Garten kultivierten Vertreter der Sektion Neo-Gomesa. Da jedoch diese historisch jüngere Sektion sämtliche Arten der Gattung mit Ausnahme der die Sektion Archi-Gomesa bildenden einzigen G. alpina Porsch umfaßt, so dürfte diese Verallgemeinerung wohl berechtigt sein. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. gl schilderten eigenen Variationsbeobachtungen sei in diesem Abschnitte eine kurze historische Skizze der bisherigen Auffassung über das System der Gattung vorausgeschickt. Dieselbe beschränkt sich dem- gemäß unter Bezugnahme auf Taf. I auf eine kurze Charakteristik der wichtigsten bisher unterschiedenen Typen. Ihr Hauptzweck läuft darauf hinaus, einen Einblick in die Konstitution der Gattung und die bisher innerhalb derselben zur Artunterscheidung verwendeten phyletischen Charaktere zu gewinnen. Dementsprechend macht die- selbe auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Bezüglich der aus- führlichen Synonymie sei auf meine Bearbeitung der Gattung sowie auf jene Cogniaux’ verwiesen!). Die Gattung Gomesa?) wurde im Jahre 1815 von R. Brown auf G. recurva gegründet’). Diese Art weicht zwar in vegetativer Hin- sicht von den übrigen Arten der Gattung durch ihre bis dreiblättrigen Pseudobulben und die der Länge nach gefalteten Laubblätter ab, im Blütenbau stimmt sie dagegen in allen wesentlichen Merkmalen mit der 1836 von Hooker als Rodriguezia planifolia beschriebenen Art überein). Der Abbildung zufolge sind die Blüten grüngelb, ihre Sepalen und Petalen am Rande nicht gewellt, die beiden Lippenkiele parallel und die seitlichen Sepalen bis zu drei Viertel ihrer Länge miteinander verwachsen. Unter den auf Taf. I abgebildeten Einzel- blüten stimmen sie im wesentlichen mit Fig. 4 und 9 überein. G. recurva R. Br. ist die einzige Art der Gattung, für welche der Be- sitz dreiblättriger Pseudobulben und längsgefalteter Blätter angegeben wird’); allen übrigen Arten derselben kommen ausnahmslos zwei- blättrige Pseudobulben und glatte Laubblätter zu. Ich betone dies hier deshalb, um damit meine folgende Darstellung zu rechtfertigen, deren Beschreibungen und Folgerungen sich demgemäß ausschließlich auf die Blütenmerkmale beziehen, die allein die Grundlage für die bisherige Artunterscheidung innerhalb der Gattung abgegeben haben. 1) Vgl. Porsch, Orchidaceae 1. c. Cogniaux in Martius Flora brasil. III. 6. p. 240ff. 2) Nach den Prioritätsregeln gebührt der Schreibweise Gomesa (nach Bernhardus Antonius Gomes) vor allen späteren der Vorzug. 3) Bot. Magaz. Taf. 1748. 4) Bot. Magaz. Taf. 3504. 5) Bei der in vegetativer Beziehung vollständigen Uniformität der zahlreichen von mir sowohl lebend als getrocknet gesehenen Vertreter der Gattung kann ich nur glauben, daß es sich in dem von R. Brown beschriebenen Falle wohl bloß um eine induviduelle z. T. auf Rechnung der üppigen Entwicklung des Stockes zu setzende Abweichung handelt. 92 Porsch. Der Kürze der Darstellung halber bezeichne ich diesen Bliiten- typus als den „Planifolia-Typus“. Denn wie aus meinen später ausführlicher dargestellten eigenen Beobachtungen hervorgeht, handelt es sich hier vor allem um die Ausprägung der beiden ausschlag- gebenden Merkmale, nämlich den Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen und die Beschaffenheit des Blumenblattrandes (ob gewellt oder nicht gewellt). Im Jahre 1827 beschrieb Hooker eine zweite Art der Gattung als Pleurothallis foliosa'). Wie alle übrigen Arten besitzt diese zwei- blättrige Pseudobulben und glatte, lederige Blätter. Die schwefel- gelben Blüten besitzen spitze und ungewellte Perigonblätter und sind vor allem weiter dadurch charakterisiert, daß die seitlichen Sepalen mindestens bis zur Hälfte frei und bloß in der basalen Region mit- einander verwachsen sind (vgl. Hooker 1. c. Abb. 3). Abgesehen von der hier unwesentlichen schwefelgelben Grundfarbe stimmen die Blüten dieser Art mit meiner Abbildung 12 auf Taf. I im. wesent- lichen überein. Neun Jahre später beschrieb Hooker abermals zwei neue Arten und zwar als Rodriguezia Barkeri und R. planifolia?). In vegetativer Be- ziehung decken sich beide mit Pleurothallis foliosa. Anders verhalten sich dagegen die Blüten. Bei R. Darkeri weichen sie zunächst schon durch ihre hellgrüne Grundfarbe ab. Wie aus Hookers guter vergrößerter Detailzeichnung I hervorgeht, sind zwar die Blumen- blätter gegen die Spitze zu nach innen gekrümmt und die Spitze nach außen zurückgeschlagen, aber sonst nicht gewellt. Im Ver- wachsungsgrade der seitlichen Sepalen stimmt R. Barkeri mit Pl. foliosa fast vollkommen überein, nur sind die seitlichen Sepalen eine Spur mehr, also ungefähr bis zur Mitte miteinander verwachsen. Ich habe daher in meiner systematischen Zusammenfassung der Gattung (l. c.) beide Formen zusammengezogen unter dem ihnen nach den Nomen- klaturregeln gebührenden Namen G. foliosa (Hook.) Klotzsch. Im folgenden sei dieser Blütentypus kurzals ,,Foliosa-Ty pus‘ bezeichnet. Für die Blüten der R. planifolia gilt bezüglich der ausschlaggebenden Merkmale das oben für G. recurva Gesagte. Im Jahre 1840 beschrieb Lindley eine weitere Art als Rodriguezia crispa®). Im Blütenbau weicht dieselbe von sämtlichen bisher erwähnten 1) Bot. Magaz. Taf. 2746. 2) Bot. Magaz. Taf. 3497 und 3504. 3) Bot. Register XXVI. Taf. 54. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 93 Arten durch zwei Hauptmerkmale vollständig ab. Vor allem sind die reingrünen Perigonblätter sämtlich ihrer ganzen Ausdehnung nach deutlich gewellt und die seitlichen Sepalen bis zur Basis vollkommen frei. Unter meinen Abbildungen auf Taf. I entspricht dieselbe den Figuren 13, 14 usw. Wie aus den zitierten Abbildungen hervorgeht, muß es uns vollständig gerechtfertigt erscheinen, diese auf den ersten Blick auffallend verschiedene Blütenform einer neuen Art zu subsu- mieren. Nach den modernen Normenklaturregeln gebürt dieser Form der Name G. crispa Klotzsch in Reichb. in der Folge kurz als ,,Crispa- Typus‘‘“ bezeichnet. Nach Lindley beschrieb in den Jahren 1841—43 Hoff- mannsegg noch weitere zehn ,,Arten‘‘ der Gattung!). Ich verzichte hier auf eine namentliche Anführung und Charakteristik derselben, da sie großenteils mit bereits beschriebenen synonym sind und ver- weise diesbezüglich auf meine systematische Bearbeitung (l. c. p. 51 u. 59—60). Für uns ist von den Hofimannseggschen „Arten“ bloß die als Gomesa divaricata beschriebene Form wichtig, weil sie einen neuen vierten Blütentypus darstellt, charakterisiert durch un- gewelltes Perigon nur bis zur Basis vollkommen freie, spreizende seitliche Sepalen. Unter meinen Abbildungen auf Taf. I entsprechen ihr Fig. 2 und 5. In der Folge sei dieser Typus kurz als „Divari- cata-Typus“ bezeichnet. In seiner jüngst erschienenen sehr gründlichen Bearbeitung der Gattung?) unterscheidet Cogniaux zehn Arten uud zwar wie aus seinem analytischen Bestimmungsschlüssel hervorgeht, auf Grund des Ver- wachsungsgrades der seitlichen Sepalen, der Beschaffenheit des Blumen- blattrandes, der Brakteenlänge sowie der Form der Blattspitze und der Sepalen. Wie mir die vergleichende Untersuchung des mir zur Verfügung stehenden lebenden Materiales zeigte, kommt bloß den beiden ersten Merkmalen die Bedeutung von Charakteren zu, welche bereits vielfach phyletische Merkmale geworden sind oder noch werden. Wie dies im speziellen aufzufassen ist, geht aus dem späteren hervor. Bezüglich meiner eigenen systematischen Auffassung der Gattung, ihrer Sektions- einteilung, Nomenklatur usw. verweise ich auf das weiter unten Gesagte. 1) Hoffmannsegg, Verzeichnis der Orchideen des gräfl. Hoffmannseggschen Gartens in Dresden 1841—44 und Bot. Zeit. 1843 p. 832. Weitere Literaturzitate in meiner Orchideenbearbeitung. 2) Flora Brasil. III. 6 (1904—06) p. 240—51. 94 Porsch. Diese bloß die wesentlichsten Daten umfassende historische Dar- stellung liefert also folgendes Ergebnis: Die Hauptunterscheidungs- merkmale, auf welche sich nach dem bisherigen System der Gattung Gomesa die Artauffassung gründete, sind der Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen und die Beschaffenheit des Blumenblattrandes (ob gewellt oder nicht). Bloß bei G. recurva R. Br. werden in die Charakte- ristik auch zwei vegetative Merkmale einbezogen, nämlich Dreiblätt- rigkeit der Pseudobulben und Langsfaltung der Laubblätter im Gegensatz zu den sonst zweiblättrigen Luftknollen und glatten Laub- blättern aller übrigen Arten. Wie bereits erwähnt, bleibt jedoch die Konstanz dieser beiden Merkmale vorläufig noch sehr fraglich. Be- züglich des ersteren Merkmales scheint auch Cogniaux auf demselben Standpunkt zu stehen, denn er sagt in seiner Beschreibung der Art ausdrücklich ,,pseudobulbis .. . . di-triphyllis (1. c. S. 242). Wie aus meinen im folgenden ausführlich dargestellten mehr- jährigen Beobachtungen, über die Variation der Gattung resultiert, unterliegen aber gerade die bisher als Hauptunterscheidungsmerkmale verwendeten Charaktere bei manchen Individuen in hohem Grade sprunghafter Abänderung, so daß es vorkommt, daß ein und der- selbe Stock außer dem für ihn als Normalzustand charakte- ristischen Blütentypus plötzlich vereinzelt oder ausschlieB- lich Blüten liefert, welche sich mit jenen anderer schon seit lange beschriebener und, soweit bekannt, konstanter Spezies vollkommen decken. Eigene Beobachtungen über die Blütenvariationen der einzelnen Individuen. Ich gebe nun im folgenden an die eingehende Darstellung meiner eigenen auf die Blütenvariationen von Gomesa bezüglichen Beob- achtungen, welche ich der Übersichtlichkeit halber nach der Qualität und Quantität der auftretenden Abweichungen in sechs Gruppen ver- teilte. Um Raum und Abbildungen zu sparen, habe ich mich bloß auf eine Auswahl der wichtigsten Einzelfälle beschränkt, welche zur Demonstration sämtlicher Variationstypen genügen. Aus Gründen der Einfachheit ist wie in dem kurzen Auszuge meiner Orchideen- bearbeitung die fortlaufende Numerierung der einzelnen Stöcke bei- behalten. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 95 1. Steigerung der Wellung von der zweiten Anthese an. Stock 68. (Taf. I Fig. 1o—11 und Textfigur 1.) Standort: Alto da Serra bei Santos. Erste Anthese. Ende Januar 1903. Zwei Blütenstände mit je 30 und 28 Blüten. Sämtliche Blüten in ihren wesentlichen Merkmalen übereinstimmend. Grundfarbe rein grün. Blütenhüllblätter unterhalb der Spitze eingeschlagen, Spitze zurückgekrümmt. Seitliche Sepalen in ihrer äußeren Hälfte schwach gewellt, bis zur Basis vollkommen frei. Dorsales Sepalum und Petalen nicht gewellt. Mittellappen lang vorgezogen, vorne abgerundet. Lippen- kiele parallel, grün. (Taf. I Fig. 10.) Zweite Anthese. (Textfig. 1.) Ende Januar 1904!). Ein Blütenstand mit 30 Blüten. Blütenhüllblätter schon zu Be- ginn des Aufblühens mit gelber Grundfarbe und grünen Längsstreifen. Labellum wie bei der ersten Anthese, nur gelb mit grünen Längsstreifen. Sämtliche Blütenhüllblätter in ihrer ganzen Ausdehnung deutlich gewellt. Seitliche Sepalen bis zur Basis vollständig ge- trennt. (Taf. I Fig. 11.) Dritte Anthese. Mitte bis Ende Januar 1905. Ein Blütenstand mit 7 Blüten. Sämtliche Blüten in allen Merk- malen mit jenen der zweiten Anthese vollkommen übereinstimmend, bloß Grundfarbe etwas heller. Vierte Anthese. 22. Januar 1908. Ein Blütenstand mit 24 Blüten. In Grundfarbe, Verwachsungs- grad der seitlichen Sepalen und Wellung übereinstimmend. Grund- farbe grün, Blütenhülle deutlich gewellt, im Grade der Wellung zwischen Taf. I Fig. 10 und 11 ungefähr die Mitte haltend. Seitliche Sepalen sämtlicher Blüten bis zur Basis vollkommen frei, im Diver- genzwinkel mit Taf. I Fig. 10 übereinstimmend, bloß Blüte 7 zeigte einen geringeren Divergenzwinkel. Hier ergab also die zweite Anthese eine auffallende Steigerung der bei der ersten Anthese nur schwach ange- deuteten Wellung des Blumenblattrandes, welche während der dritten nnd vierten Anthese konstant blieb. Nach dem 1) Die auf der nächsten Seite reproduzierte photographische Aufnahme zeigt bloß 26 Blüten. Die vier untersten Blüten wurden nämlich für die Anfertigung der Detailzeichnung, photographischer Detailaufnahmen und als Belegexemplare entfernt. Porsch. Stock 63. Fig. 1. Zweite Anthese. Ende Januar 1904. phot. 7 G. Kraskovits. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 97 bisherigen System der Gattung entsprächen die Blüten der ersten Anthese der G. divaricate Hoffg., jene der zweiten und dritten der G. crispa Klotzsch. Stock 65. (Taf. I Fig. 1 und 15.) Erste Anthese: Winter 19031). Blüten in ihren wesentlichen Merkmalen mit Taf. I Fig. 1 überein- stimmend. Grundfarbe gelbgrün. Mittellappen vorne breit abgerundet, Lippenkiele weiß. Seitliche Sepalen bis zur Basis frei, nicht gewellt oder bloß eine schwache Andeutung einer Wellung zeigend. (Taf. I Fig. 1.) Zweite Anthese: Ende Januar 1904. Zwei Blütenstände mit je ro und 8 Blüten. Blütenhüllblätter schmäler und zarter äls bei der ersten Anthese. Lippenkiele grün. Seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen frei und schwach ge- wellt. (Taf. I Fig. 15.) Dritte Anthese: Ende Januar 1906. Zwei zarte Blütenstände mit.je ro und 6 Blüten. Grundfarbe schon bei Beginn der Blütezeit hellgelb. Lippenkiele weiß. Mittel- lappen stumpf abgerundet. Seitliche Sepalen fast bis zur Basis frei, ihrer ganzen Ausdehnung nach stark gewellt, und unter sehr spitzem Winkel divergierend. (Wellung wie in Taf. I Fig. 16, Winkel wie Taf. I Fig. 15.) Vierte Anthese: Ende Dezember 1906. Ein Bliitenstand mit 7 Bliiten. Grundfarbe griinlich, elfenbein- farben, Lippenkiele weiß. Perigon sämtlicher Blüten stark ge- wellt. Wellung wie in Taf. I Fig. 16. Seitliche Sepalen zwar bis zur Basis vollkommen frei, aber wie Fig. 15 unter sehr spitzem Winkel spreizend. 1) Eine genauere Aufzeichnung der Blütezeit fand sich in meinen Notizen nicht vor, da die erste Anthese in eine Zeit fiel, wo mir die hochgradige Mutabilität der Gattung noch unbekannt war. Glücklicherweise wurden schon damals von allen von Prof. v. Wettstein aus Südbrasilien 1901 mitgebrachten lebenden Orchideen, welche in Wien zur Blüte gelangten, sofort nach dem Aufblühen für die Zwecke der Be- stimmung von Herrn Lektor A. Kasper farbige Abbildungen angefertigt, die mir neben meinen Bestimmungen und kurzen Notizen als wertvolle Grundlage dienten. Der objektive Wert derselben wird überdies noch dadurch erhöht, daß sie ausnahms- los nach dem Leben und wie bereits erwähnt, mit dem Zeichenapparat angefertigt wurden, mithin jede subjektive Beeinflussung ausgeschlossen erscheint. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre I, 7 98 Porsch. Hier lieferte also die zweite Anthese eine schwache Steigerung der in der ersten Anthese höchstens andeutungs- weise vorhandenen Wellung, welche in der dritten und vierten Anthese ihren Höhepunkt erreichte. Die Blüten der ersten Anthese entsprächen der G. divaricata Hoffg., jene der zweiten Anthese nehmen eine Mittelstellung zwischen dieser Art und G. crispa Klotzsch ein, jene der dritten und vierten dagegen sind reine G. crispa Klotzsch. 2. Plötzliches Auftreten der Wellung von der zweiten Anthese an. Stock 67. (Taf. I Fig. ı und 13.) Standort: Rio Grande. Erste Anthese: Januar 1903. Ein Blütenstand mit 18 Blüten. Sämtliche Blüten in ihren wesentlichen Merkmalen mit Taf. I Fig. 1 übereinstimmend. Hüll- blätter schmutzig gelbgrün, nicht gewellt. Lippenkiele weiß und parallel. Mittellappen breit, vorne abgerundet. Seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen getrennt. (Taf. I Fig. 1.) Zweite Anthese: Ende Dezember 1904. Ein Blütenstand mit 15 Blüten. Grundfarbe mehr grün, Lippen- kiele grün, nach unten zu divergierend. Mittellappen wie bei der ersten Anthese. Seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen getrennt. Sämtliche Blütenhüllblätter in ihrer ganzen Ausdehnung stark gewellt. (Taf. I Fig. 13.) Dritte Anthese: Mitte Dezember 1905. Ein Blütenstand mit 12 Blüten. Grundfarbe etwas mehr gelblich als bei der ersten Anthese. In allen übrigen Details mit den Blüten der zweiten Anthese vollkommen übereinstimmend. Vierte Anthese: Mitte Dezember 1906. Ein Blütenstand mit 36 Blüten. Grundfarbe grünlich-elfenbein- farben. Lippenkiele parallel. Perigon an der Spitze meist rand- wärts nach innen geschlagen, stark gewellt. Seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen getrennt und stark divergierend. (Taf. I Fig. 13.) Fünfte Anthese: Anfang Januar 1908. Zwei kräftige Blütenstände mit 26 resp. 23 Blüten. Sämtliche Blüten in den ausschlaggebenden Merkmalen übereinstimmend; geringe Schwankungen bloß in der Größe des Divergenzwinkels der seitlichen Sepalen. Grundfarbe grün. Blütenhüllblätter deutlich gewellt. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 99 Seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen frei. Blüten in allen wesentlichen Merkmalen mit Taf. I Fig. 13 übereinstimmend. Hier trat die Wellung in der zweiten Anthese plötzlich als neues Merkmal auf und blieb während der drei folgenden Anthesen konstant. Systematisch entsprächen die Blüten der ersten Anthese der G. divaricata Hoffg., jene der zweiten bis fünften der G. crispa Klotzsch. Stock 66. (Taf. I Fig. 1, 14, 16 und Textfigur 2—;.) Standort: Alto da Serra bei Santos. Erste Anthese: Winter 19031). Ein reichblütiger Blütenstand (ca. 30 Blüten). Sämtliche Blüten im wesentlichen mit den Merk- malen von Taf. I Fig. ı übereinstimmend. Blüten- hüllblätter nicht gewellt, gelbgrün. Seitliche Sepalen bis zur Basis getrennt. (Taf. I Fig. 1.) Zweite Anthese: Ende Januar 1904. Ein Bliitenstand mit 30 Bliiten. Grundfarbe rein grün. Mittellappen länger als bei den Blüten phot. A, Mayer. der ersten Anthese. Lippen- Fig. 2. kiele griin. Seitliche Sepalen Stock 66a. bis zur Basis vollkommen ge- Fünfte Anthese. Mitte Februar 1908. trennt und unter sehr spitzem { Blüte 4. Winkel divergierend. Sämt- liche Blütenhüllblätter in ihrer ganzen Ausdehnung stark gewellt. (Taf. I Fig. 14.) Nach dem Abblühen wurde der Stock in drei gleiche Teile geteilt, die von nun an als 66a, 66b, 66c bezeichnet wurden. N Von diesen lieferte 66a: Fig. 3. Dritte Anthese: Anfang Februar 1906. Ber Einen Blütenstand mit 14 Blüten. Sämtliche Fünfte Anthese. Mitte Februar 1908. Blüte 9. Blüten bis in die kleinsten Details mit jenen der zweiten Anthese vollkommen übereinstimmend. (Taf. I Fig. 14.) Vierte Anthese: Januar 1907. Einen Blütenstand mit 24 Blüten. Sämtliche Blüten sich in den wesentlichen Merkmalen mit jenen der dritten Anthese deckend. 1) Auch für diese Zeitangabe gilt das oben S. 97 Fußn. Gesagte. 7* 100 Porsch. (Taf. I Fig. 14.) Grundfarbe grün, sämtliche Blütenhüllblätter ihrer ganzen Ausdehnung nach stark gewellt. Seitliche Sepalen sämt- licher Blüten bis zur Basis vollkommen frei, nur in der Divergenz phot. A, Mayer. Fig. 4. Stock 66c. Februar 1907. Blütenstand. 66b lieferte: Januar 1907. sich verschieden verhaltend. Bis- her war für diesen Stock der spitze Winkel der seitlichen Sepalen charakteristisch. (Taf. I Fig. 14.) Die Mehrzahl der Blüten zeigte auch bei dieser Anthese dieses Verhalten. Die übrigen verhielten sich dagegen etwas abweichend. Im speziellen ließ sich folgendes feststellen: Blüte ı Divergenz größer, 2} > normal wie Fig. 14, Pn en 39 größer, er En normal, » 12 > größer, LS mL Om, 5: normal, » 20 > größer, 39 RAN, cn normal. Fünfte Anthese: Mitte Februar 1908. Einen Blütenstand mit 15 Blüten. Sämtliche Blüten in Grundfarbe und dem Grad der Wellung mit Taf. I Fig. 14 über- einstimmend. Seitliche Sepalen stets vollkommen getrennt, aber im Divergenzwinkel verschieden. Bei Blüte 4, (Textfig. 2) ro und 14 der Divergenzwinkel wie in Taf. I Fig. 14 oder noch etwas kleiner, die übrigen Blüten (Text- fig. 3) unter annähernd rechtem Winkel spreizend. Einen Blütenstand mit ıı Blüten. Sämtliche Blüten in allen wesentlichen Merkmalen mit jenen von 66a (Januar 1907) überein- Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. IOI stimmend. Divergenzwinkel meist normal. Grundfarbe mehr elfen- beinfarben. 66c lieferte:, März 1906. Einen Blütenstand mit 25 Blüten. Grundfarbe elfenbeinfarben. Perigonblätter sämtlicher Blüten stark gewellt. Lippenkiele parallel. Seitliche Sepalen sehr stark spreizend. In allen wesentlichen Merkmalen mit Taf. I Fig. 16 übereinstimmend. Blüte 22 und 24 zeigten weniger stark spreizende seitliche Sepalen. Anfang Februar 1907. Einen Blütenstand mit 32 Blüten (Textfig. 4). Sämtliche Blüten in den wesentlichen Merkmalen mit jenen von 66c März 1906 übereinstimmend. (Textfig. 5.) Auch hier ergab also die zweite Anthese wie im vorigen Falle gänzlich unvermittelt als neues Merkmal starke Wellung der Blütenhüllblätter sämtlicher Blüten, welche in den darauf- folgenden Anthesen konstant blieb. Abweichungen ergaben sich bloßim Ton der Grundfarbe und dem Divergenzwinkel der seit- phot. A. Mayer. lichen Sepalen. Die Blüten der Fig. 5. ersten Anthese entsprächen der stock 66c. Einzelblüte der fünften G. divaricata Hoffg., jene der Anthese. Februar 1907. zweiten der G. crispa Klotzsch. 8. Sprunghafte Abanderung im Verwachsungsgrade der seitlichen Sepalen unter Beibehaltung des ungewellten Blumenblattrandes. Stock 74. (Taf. I Fig. 4 und 7—8.) Standort: Sitio Bülow am Rio Branco bei Santos. Erste Anthese: Winter Igo3!). Da die erste Anthese in die Zeit vor meiner Ankunft in Wien fiel, kann ich nach der mir vorliegenden Zeichnung, welche zu dem 1) Vgl. oben S. 97 Fußn. 102 Porsch. Zwecke angefertigt wurde, als Grundlage für die Bestimmung zu dienen, bloß angeben, daß die Mehrzahl der Blüten Taf. I Fig. 4 ent- sprachen!). Die seitlichen Sepalen waren nicht frei und divarikat, sondern ungefähr zu 2/, verwachsen, die Blütenhüllblätter nicht ge- wellt. Über ihre, übrigens für unsere Frage minder wichtige Grund- farbe vermag ich keine bestimmte Angabe zu machen. Meine da- malige Bestimmung, welche aus einer Zeit stammte, wo mir die Mutabilitat der Gattung noch unbekannt war, lautete: G. p/anifoha Kl. Sie steht der Abbildung entsprechend in vollem Einklange mit der einschlägigen systematischen Literatur. (Vgl. oben S. gr.) Zweite Anthese: Vom 18. September bis Anfang Oktober 1904. Drei Blütenstände, zwei längere und ein auffallend kurzer. Blütenstand I—II: Beide durchschnittlich 32 blütig. Grundfarbe sämtlicher Blüten sattgelb, ohne grünes Mittelfeld und Längsstreifen; Mittellappen ausnahmslos breit, vorne abgerundet, in der Mitte schwach ausgerandet, niemals spitz. Lippenkiele gelb, Schlundfleck feuerrot. Hüllblätter niemals gewellt. Seitliche Sepalen bei sämtlichen Blüten fast bis zur Mitte frei. (Taf. I Fig. 7.) Blütenstand III: ı5blütig, halb so lang wie I—II. Blütenstand- achse kürzer und dünner; sämtliche Blüten in ihrem Gesamtbau viel zarter als jene von I—II. Grundfarbe selbst bis unmittelbar vor dem Abblühen (r. Oktober) bleicher gelb. Blütenhüllblätter schmäler, ebenso der Mittellappen und die Narbenhöhlung, die ganze Blüte mehr in die Länge gezogen. Seitliche Sepalen bei zwei Blüten bis zur Hälfte frei und zueinander parallel, bei allen übrigen bis über */, verwachsen, weniger als 1/, frei. (Taf. I Fig. 8.) Dritte Anthese: Ende September bis Anfang Oktober 1906. Drei Blütenstände, zwei kräftige und ein schwächerer, viel kürzerer. Blütenstand I: 33blütig. Sämtliche Blüten in Grundfarbe und den morphologischen Merkmalen mit Taf. I Fig. 7 im wesentlichen übereinstimmend. Seitliche Sepalen bis zur Mitte oder fast bis zur Mitte frei. Bei der Mehrzahl der Blüten bis zur Mitte frei. Blütendstand II: 35blütig. Drei Blüten zeigten die seit- lichen Sepalen fast bis zur Basis frei, aber unter demselben Divergenzwinkel wie Taf. I Fig. 7. Die übrigen Blüten verhielten sich wie Blütenstand I. 1) Denn die Abbildungen wurden stets nach Blüten angefertigt, welche dem Normalzustand entsprachen. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 103 Blütenstand III: ızblütig. Sämtliche Blüten im ganzen kleiner, Blütenhüllblätter schmäler, die ganze Blüte mehr in die Länge ge- zogen. Grundfarbe etwas bleicher gelb. Seitliche Sepalen mindestens zu 3/, ihrer Länge miteinander verwachsen, im speziellen wie folgt: Blüte 1—15 Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen wie Taf. I Fig. 8, „ 16—17 5 Bee, 55 5 7 salz: #0, Hier ergaben also die zweite und dritte Anthese sprung- hafte Abänderungen im Verwachsungsgrade der seitlichen Sepalen, namentlich bei einem Blütenstande. Nach dem bis- herigen System der Gattung entsprächen die Blüten der ersten Anthese der G. flanifolia (Hook.) Klotzsch, jene der zweiten der G. planifolia (Hook.) Klotzsch und G. foliosa (Hook.), Klotzsch!), jene der dritten der G. foliosa (Hook.), Klotzsch und G. divaricata Hoffg. und G. planifolia (Hook.) Klotzsch. Der Stock hätte demgemäß bei dreimaligem Blühen nicht weniger als drei ver- schiedene ,,Spezies‘‘ geliefert! Stock 81. (Textfigur 6—8.) Standort: Bei Apiahy und Yporanga im Tale des Rio Ribeira, ca. I30o m s. m. Erste Anthese: Ende Juni 1905. Außergewöhnlicher kräftiger Stock; lieferte zwei Blütenstände. In beiden Blütenständen Grundfarbe der Blütenhülle schon unmittelbar nach dem Aufbrechen der Knospen sattgelb. Sepalen und Petalen mit grünem Mittelfeld und grünen Längsnerven. Im Ton der Grundfarbe und den morphologischen Merkmalen mit Taf. I Fig. 9 übereinstimmend, Farbe der Mittelfelder und der Nerven wie Taf. I Fig. rr. Labellum dagegen ohne grüne Streifen mit dunklem gelben Schundfleck zwischen den Lippenkielen wie Taf. I Fig. 9. Blütenhüllblätter niemals gewellt, bloß die Spitze des dorsalen Sepalums und der Petalen nach einwärts geschlagen. Im Verwachsungs- grad der seitlichen Sepalen verhielten sich die einzelnen Blüten ver- schieden. Blütenstand I: 23 Blüten. Blüte 1—16: Seitliche Sepalen etwas über !/, frei, „ 17--23: 5 Pr nur 1/, frei. 1) Bezügl der Synonymie vgl. meine Orchideenbearbeitung p. S. A. 59 ff. 104 Porsch. Blütenstand II: 21 Blüten. Blüte 1—4: Seitliche Sepalen bis zu 2/, verwachsen, 1/, frei, >> 5: 9 > > „ 1/; > 2/3 ” 2 6—15: ” ” ” ” 2/3 ” 23 Er} 5 I6: 3 » vollkommen frei, sa 77: ‘3 », . bis ‘zu ?/, verwachsen, 4/,_,, Z 18: x » vollkommen frei, „„ I9—2I: en » bis zu °/, verwachsen, 1/3. ,, Bemerkenswert ist, daß auch die beiden Blüten mit bis zur Basis vollständig freien seitlichen Sepalen keine Divergenz derselben zeigten, sondern die letzteren waren parallel zueinander orientiert (Textfig. 6). In ihrem Habitus wichen beide Blüten von normalen Blüten nicht ab, der Unterschied war bloß bei genauer Beobachtung des Verwachsungs- grades bemerkbar. Zweite Anthese: Ende Juni und Anfang Juli 1906. Zwei Blütenstände. In der Grund- farbe, der grünen Längenstreifung und der Farbe der Lippenkiele mit den Blüten der ersten Fig. 6. Anthese vollkommen übereinstimmend. Hüll- Stock 81. Erste Anthese. latter niemals gewellt, :bloß die Spitze. der Ende Juni 1905. . 2 a 2 = Blütenstand IT Blüte 16, drei oberen Perigonblätter nach einwärts Seitliche Sepalen bis zur geschlagen. Basis frei. Blütenstand I: 27 Blüten. Seitliche Sepalen bei zwei Blüten bis zur Hälfte, bei allen übrigen zu °, verwachsen, also mit der Mehrzahl der Blüten der ersten Anthese übereinstimmend. Blütenstand II: 18 Blüten. Blüte 1—g: Seitliche Sepalen bis zu */, verwachsen, 1/, frei, | : 1 ” Io: cE) ” ” ” ls ” = ” ” Wt 7/5 2 29 ” ” 2; „ Jh ” _ 18: > A „ zur Basis vollkommen frei und parallel zu einander. Dritte Anthese: Mitte Juli 1907. Ein Blütenstand mit 32 Blüten (Textfig. 7). Grundfarbe sattgelb mit breiten grünen Mittelstreifen wie bei der ersten Anthese. Lippenkiele parallel, weiß. Seitliche Sepalen 105 Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. “DARI 'V yoyd *Lo61 nf ‘asoyyUY oid "Ig HI0IS “2 a1 + r06 Porsch. sämtlicher Blüten, ausnahmslos zu °/, verwachsen wie Text- figur 8, niemals auch nur mit der geringsten Spur einer Wellung. Hier ergab schon die erste Anthese eine auffallende Variabilität im Ver- wachsungsgrade der seitlichen Sepalen, welche in der zweiten Anthese ihre Fortsetzung fand. Die dritte dagegen lieferte nach dieser Richtung aus- nahmslos einheitliche Blüten. Die erste und zweite Anthese umfaßte die „Spezies“ G. divaricata Hoffg. G. planifolia (Hook.) Klotzsch und G. foliosa (Hook.) Klotzsch, jene der dritten dagegen ausschließ- lich G. planifolia (Hook.) Klotzsch. Fig. 8. Stok 81. Dritte Anthese. Stock '70 Ende Juni und Anfang Juli 1906. Normaltypus. (Taf. I Fig. 4, 12 und Textfigur 9—11). SE LEREE Bau: Standort: Barra Mansa im Gebiete der verwachsen. Stadt Itapecirica ca. IO00 m. s. m. Erste Anthese: Juli 1903. Ein Blütenstand mit 16 Blüten. Grundfarbe rein grün. Blütenhüllblätter niemals gewellt, bloß an der Spitze etwas einwärts geschlagen. Labellum heller, Lippenkiele weiß, Schlund hell dottergelb, Mittellappen spitz. Seitliche Sepalen in der Regel bis über ?/, verwachsen (mit Taf. I Fig. 4 übereinstimmend). Zweite Anthese: Juni 1904. Ein Blütenstand mit 21 Blüten. Grundfarbe phot. A. Mayer. etwas schmutziger grün. Blütenhüllblätter in u ihren Formverhältnissen wie bei der ersten Anthese. El z, gee Labellum ebenfalls hell, Schlundfleck hell dotter- ae | gelb. Mittellappen spitz. Im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen verhielten sich die einzelnen Blüten im speziellen folgendermaßen: Blüte 1—2: Seitliche Sepalen bis über die Mitte frei (Taf. I Fig. 12), 3 3% 7 - fast bis zur Basis ,, 5 4: > 3 bis über die Mitte _,, Pee )) » 5—8: a £8 fast bis zur Basis _,, » 9—I6: > 3 bis über die Mitte ,, ee 9). Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 107 Blüte 17—21: seitliche Sepalen vollkommen frei und deutlich starker divergierend als an den Bliiten mit fast freien seit- lichen Sepalen. Dritte Anthese: Mai 1905. Ein Blütenstand mit 3r Blüten. Grundfarbe und Form der Blütenhüllblätter, Farbe des Labellums, der Lippenkiele, des Schlundes, und Form des Mittellappens wie meat. 1) hig. 12. Seitliche Sepalen sämtlicher Blüten bloß bis zur Mitte ver- wachsen. Vierte Anthese: Ende Mai bis Anfang Juni 1906. Vier Blütenstände mit 40 resp. 33,16 und 6 Blüten. Grund- phot. A, Mayer. Fig. 10. farbe der Bliiten grünlichgelb, Stock 70. Fünfte Anthese. Juli 1907. mehr gelb als in Fig. 12. In der Blüte 22 (links), 25 (rechts). Form der Sepalen und Petalen, des Labellums, Stellung und Farbe der Lippenkiele und Form des Mittellappens mit Taf. I Fig. 12 übereinstimmend und zwar bei sämt- lichen Blüten der 4 Blütenstände. Im Grad der Verwachsung der seitlichen Sepalen verhielten sich dagegen die einzelnen Blüten sehr verschieden. Blütenstand I. 40 Blüten. Blüte 1-30: seitliche Sepalen fast bis zur Mitte verwachsen » 31-32: = 5 bis tiber die ,, frei (Taf. I Fig. 12) » 33—34: 35 Fs genausbiszzur,., > » 35—38: AP 55 bis über die ,, ,, (Taf. I Fig. I2) » 39—40: ss “a bis zur Basis vollkommen frei. Blütenstand II. 33 Blüten. Blüte 1—7: seitliche Sepalen bis zur Mitte verwachsen Ba - 8: re „ bis !/, verwachsen, */, frei (Taf. I Fig. 12) 2, 9—20: = aie ee zur Mitte verwachsen » 2I—33: 5 ats » Basis vollkommen frei. Blütenstand III. 16 Blüten. Seitliche Sepalen an sämt- lichen Blüten bis zur Basis vollkommen frei. Blütenstand IV. 6 Blüten. Seitliche Sepalen an sämtlichen Blüten bis zur Hälfte verwachsen. r08 Porsch. Fünfte Anthese: Mitte bis Ende Juli 1907. Ein Blütenstand mit 30 Blüten. Grundfarbe sämtlicher Blüten hell grüngelb. Perigon niemals gewellt. Blüten schmäler, schlanker, sonst im Gesamthabitus mit jenen der vorigen Anthese überein- stimmend. Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen dagegen äußerst verschieden. Im speziellen wie folgt: Blüte 1: Seitliche Sepalen bis */, verwachsen (Textfig. 9) , 2—4: 2 a „ etwas über die Hälfte verwachsen “ 5: = r » |; verwachsen „ O—I7: x A »» /, verwachsen ,», I8—IO: rn Gs fast bis zur Halfte ver- wachsen Bho 35 Mb „ 20—27: zs 2 ,, bis zur Hälfte ver- Fig. 11. : Stock yee Hanke wachsen (Textfig. Io) Anthese. Juli 1907. 33 28: 2% „ bloß !/J, verwachsen Blüte 30. 5, 29— 30: 5A „ vollkommen freiund stark spreizend. (Vgl. Textfigur 11.) Auch hier begann von der zweiten Anthese an ein starker Wechsel im Verwachsungsgrade der seitlichen Se- palen ohne geringste Spur einer Wellung. Die einzelnen ge- lieferten Blütenformen entsprachen den Spezies: G. folosa (Hook.) Klotzsch, G. divaricata Hoffe. und G. planifolia (Hook.) Klotzsch. Stock 61. (Taf. I Fig. 4—6 und Textfigur 12.) Standort: Santo Amaro bis Brasso Grande. Erste Anthese: April 1903. Ein Blütenstand mit 23 Blüten. Grundfarbe grün, Blütenhüll- blätter nicht gewellt, Spitze nach einwärts geschlagen, Labellum heller, Lippenkiele weiß, Schlundfleck hell dottergelb; Mittellappen spitz. Seit- liche Sepalen bis über °/; miteinander verwachsen. (Taf. I Fig. 4.) Zweite Anthese: Ende Mai 1904. Ein Blütenstand. Sämtliche Blüten bereits als ungeöffnete, aber zum Aufspringen reife Knospen hell elfenbeinfarben, merklich kleiner als jene der ersten Anthese. Blütenhüllblätter kürzer und in ihrer äußeren Hälfte relativ breiter, an der Spitze einwärts gekrümmt, nicht gewellt. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 109 Mittellappen breit, abgerundet. Seitliche Sepalen ungefähr bis */, mit- einander verwachsen. (Taf. I Fig. 6.) Dritte Anthese: Juni 1904. (Textfig. 12.) Ein kurzer Blütenstand mit 12 Blüten. Sämtliche Blüten eben- falls schon als Knospen hell elfenbeinfarben, Blütenhüllblätter in ihrer Außenhälfte nicht merklich breiter, Spitze eingeschlagen, Ränder nicht gewellt. Mittellappen breit. Blüten im ganzen etwas größer als jene der zweiten Anthese. (Vgl. die Vergrößerungen in der Tafel- erklärung.) Seitliche Sepalen an sämtlichen Blüten bis zur Basis vollkommen voneinander getrennt und fast unter 45° phot. + G. Kraskovits. Fig. 12. Stock 61. Dritte Anthese. Juni 1904. divergierend. (Taf. I Fig. 5.) Nicht eine einzige Blüte zeigte eine Spur eines Überganges zu jenen der ersten oder zweiten Anthese. Hier lieferte also die dritte Anthese ohne Spur eines Überganges ausschließlich Blüten mit bis zur Basis voll- kommen getrennten und unter 45° spreizenden seitlichen Sepalen im Gegensatze zu zwei Drittel- resp. drei Viertel- verwachsung der früheren Anthesen. Nach dem bis- herigen System entsprächen die gelieferten Blüten den „Spezies“ G. planifolia (Hook.) Klotzsch und G. divaricata Hoffe. IIO Porsch. 4. Sprunghafte Variation im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen mit plotzlichem Auftreten der Wellung kombiniert. Stock 68. (Taf. I Fig. 1—3 und Textfigur 13—14.) Standort: In Wäldern bei Alto da Serra bei Santos. Erste Anthese: April 1903. phot. + G. Kraskovits, Fig. 13. Zweite Anthese, Blüte ı weggeschnitten, ihre Ansatzstelle Stock 68. März 1904. als weißer Punkt noch sichtbar. Ein Blütenstand mit 32 Blüten. Sämtliche Blüten in ihren Merk- malen übereinstimmend. Grund- farbe schmutzig gelbgrün, mit grünen Längsstreifen. Hüllblätter an der Spitze nach einwärts ge- krümmt, ihre Seitenränder nach rückwärts gerollt, niemals ge- wellt. Lippenkiele parallel, weiß. Mittellappen vorne breit abge- rundet; seitliche Sepalen bis zur Basis frei, an manchen Blüten nur scheinbar an der Basis ver- wachsen, in Wirklichkeit getrennt mit parallel verlaufenden, eng an- einanderliegenden Seitenrändern. (Gate iessc) Zweite Anthese: Anfang Marz 1904. Ein Blütenstand mit 16 Blüten. (Textfig. 13.) In der Grundfarbe und der Längsstreifung wie der Form des Mittellappens stimmten die Blüten mit jenen der ersten Anthese überein. Blütenhülle nicht gewellt; Ränder der Hüllblätter noch deutlicher zurückgerollt als bei jenen der ersten Anthese (Vgl. Taf. I Fig. 2—3 mit Fig. ı). Anders verhielten sie sich jedoch in bezug auf den Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen. Diese zeigten an den einzelnen Blüten folgendes Verhalten: Die Bedeutung sprunghafter Bliitenvariationen. III Blüte 1—2!): seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen frei und beinahe unter rechtem Winkel spreizend (Taf. I Fig. 2), 3—5: seitliche Sepalen bis zur Mitte verwachsen (Taf. I Fig. 3) an 6: seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen frei » 72)—I6: ,, = » » Mitte verwachsen mit Aus- nahme von Blüte Io (wie 6) (vgl. Textfig. 13.) Dritte Anthese: Ende Januar und Anfang Februar 1905. Ein reichblütiger Blütenstand. Grundfarbe, Form der Blütenhüll- blätter und Beschaffenheit ihrer Ränder mit jenen der zweiten Anthese übereinstimmend. Seitliche Sepalen an sämtlichen Blüten bis zur Basis vollkommen frei. (Taf. I Fig. 2). Vierte Anthese: März 1905. 4 Blütenstände, davon 3 mit durchschnittlich je 30 Blüten, ein Blütenstand mit ıo Blüten. In Grundfarbe, Form des Mittel- lappens, Form und Randbeschaffenheit der Blütenhüllblätter wie bei Anthese II—III. Blütenstand I—III: seitliche Sepalen sämtlicher Blüten bis zur Basis vollkommen getrennt. (Taf. I Fig. 2). Blütenstand IV: Blüte 1-7: seitliche Sepalen vollkommen getrennt (Taf. I Fig. 2) » 8-10: 5 , bis zur Hälfte verwachsen Taf. I Fig. 3). Fünfte Anthese: Mitte Januar 1906. I Blütenstand mit 13 Blüten. Grundfarbe rein grün. Mittel- lappen wie bei Anthese I-IV. Sämtliche Blütenhüllblätter am Rande deutlich gewellt, seitliche Sepalen vollkommen ge- trennt. Im Grade der Wellung zwischen den beiden Abbildungen Fig. ıo und 14 auf Taf. I stehend. Sechste Anthese: März 1906. Ein Blütenstand mit 16 Blüten. Sämtliche Blüten in Grundfarbe und den Merkmalen des Labellums mit Taf. I Fig. 2—3 überein- stimmend, im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen dagegen ver- schieden. Blumenblätter sämtlicher Blüten am Rande schwach gewellt. Bezüglich des Verwachsungsgrades der seitlichen Sepalen im speziellen, wie folgt: 1) In der Abbildung bloß Blüte 2 vorhanden, Blüte ı wurde behufs Anfertigung der Zeichnung und als Belegexemplar entfernt. 2) Blüte 7 in der Abbildung durch die Stecknadel markiert, II2 Porsch. Blüte 1—4 wie Taf. I Fig. 2 9 50 9 ar > 3 7—8 » TG) » Q—I0O ,, 3 8} II—I2 ,, Pee ee 13 102; m mn Siebente Anthese: Mitte Januar 1907. Ein zwerghafter Blütenstand mit 16 dicht aneinander gedrängten Blüten (Textfig. 14.). Blüten in allen Teilen kleiner als bei Anthese I— VI. Grundfarbe gelbgrün wie Taf. IFig.2—3. Hüllblätter der untersten phot A. Mayer. Fig. 14. Stock 68. Siebente Anthese. Mitte Januar 1907. Links Blüte 1, Mitte Blüte 6, rechts Blüte 12. Blüten am Rande schwach gewellt, die der obersten Blüten fast ungewellt. Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen verschieden. Im speziellen waren folgende Verhältnisse zu verzeichnen: Wellung Blüte 1—12 Perigon schwach gewellt 13-16, fast gar nicht gewellt Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen. Blüte 1: wie Taf. I Fig. 2 a 2: seitliche Sepalen fast bis zur Hälfe frei 3 3: wie Blüte 1 > 4: seitliche Sepalen zu °/, frei, 1/, verwachsen 3 5: wie Blüte 1 2 Os ao T 4 A Paths gt 4 Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. 773 Der vorliegende Fall verdient in mehrfacher Hinsicht ein erhöhtes Interesse. Zunächst kehrte der in der zweiten Anthese sprung- haft veränderte Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen in der dritten Anthese wiederin seinen ursprünglichen Zustand zurück, um besonders beim sechsten und siebenten Blühen wieder sprunghaft abzuändern. Außerdem trat von der sechsten Anthese als neues Merkmal die Wellung auf,und zwar | in der sechstenAnthese sich auf sämtlicheBlüten erstreckend, in der siebenten dagegen in den einzelnen Blüten graduell verschieden. Es waren mithin bei siebenmaligem Blühen in den Blüten ein und desselben Stockes die folgenden „Arten“ vertreten: G. divaricata Hoffg., G. foliosa (Hook.) Klotzsch und G. crispa Klotzsch. Stock 62. (Orchideenbearbeitung Taf. XVI, Fig. 18 und Textfig. 15—18.) Standort: Fazenda Montserrat am Itatiaya. Erste Anthese: Ende Janner 1904. Ein kräftiger Blütenstand mit ungefähr 4oBlüten. Blüten in ihrer Gesamtkonfiguration von sämtlichen mir zur Verfügung stehenden Blütentypen vollständig geschieden und nur für diesen Stock charakteristisch. Vor allem wichen sie schon durch die Grundfarbe ab. Grundfarbe schon unmittelbar nach dem Aufbrechen der Knospen intensiv ockergelb'). art ae ir Er Sämtliche Blütenhüllblätter auffallend stark ersten Anthese von Ende nach innen gekrümmt, das dorsale Sepalum Januar 1904. und die Petalen außerdem einander stark - genähert, über der Säule zusammenneigend und dadurch eine Art Helm, Oberlippe bildend. (Textfig. 15.) Für die Profil- ansicht der Blüte resultiert hieraus ein beinahe halbkreisförmiger Umriß. Spitze der Blütenhüllblätter überdies stark nach einwärts gekrümmt und ihre Ränder in der unteren Hälfte stark nach rück- wärts gebogen. Seitliche Sepalen zwar fast bis zum Grunde frei, ihrer starken Annäherung entsprechend jedoch fast bis 1) Vgl. die zitierte farbige Abbildung meiner Orchideenbearbeitung. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre I, 8 II4 Porsch. zur Mitte miteinander parallel verlaufend, in ihrer Außen- hälfte schwach divergierend und bisweilen mit schwacher Andeutung eine Wellung. (Vgl. Orchideen- bearbeitung 1. c. und Text- fig. 15.) Gesamtansicht der Blüte dementsprechend in der Vorderansicht viel schmäler als in den übrigen Typen mit frei abstehenden seitlichen Sepalen. Mittellappen stark verlängert, an der Spitze abgerundet, stumpf. Lippen- kiele annähernd parallel, gelb. Narbenhöhle hoch und schmal, wie überhaupt die ganze Blüte stark in die Länge gezogen erscheint. Zweite Anthese: Ende Dezember 1904. Ein Bliitenstand mit 35 Blüten. Blüten in ihrer Ge- phot. A. Mayer, Fig. 16. Stock 62. Vierte Anthese. Ende Dezember 1906 und Anfang Januar 1907. Blüten- stand. phot. A. Mayer. 5 : Fig. 17. samtkonfiguration, den Merkmalen Page Stock 62. Vierte Anthese. der Säule und des Mittellappens mit 5.4. Dezember 1006 nd AEE jenen der ersten Anthese überein- Januar 1907. Zwei Blüten in an- stimmend. Grundfarbe mehr griinlich- nähernd natürlicher Größe. gelb. Im Verwachsungsgrad der seit- lichen Sepalen verhielten sie sich dagegen verschieden. Im speziellen waren folgende geringe Schwankungen zu konstatieren: Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. II5 Blüte 1: Seitliche Sepalen fast bis zur Basis frei, E 2—9: r 3 ungefähr bis zur Hälfte frei, IOo—3I: er Sn fast bis zur Basis frei, aa: A # ungefähr bis zur Hälfte frei. Außerdem zeigten einige Blüten mit freien seitlichen Sepalen dieselbe schwache Andeutung einer Wellung wie bei der ersten Anthese, Dritte Anthese: Mitte Januar 1906. Ein schwächlicher Blütenstand mit 20 Blüten. Blüten merklich kleiner als jene der vorigen Anthese, in ihren Merkmalen mit Blüte 10—31 des Blütenstandes der zweiten Anthese übereinstimmend. phot. A. Mayer, Fig. 18, Desgleichen wie Fig. 17. Links Seitenansicht, rechts Vorder- ansicht, beide stärker vergrößert, um die für den Stock charakteristischen Blütenmerkmale zu zeigen. Vierte Anthese: Ende Dezember 1906 und Anfang Januar 1907 (Textfig. 16— 18). Ein kräftiger Blütenstand mit 49 Blüten. (Textfig. 16.) Seiten- ansichten der Blüten genau wie in Anthese I—III. Dorsales Sepalum und Petalen seitlich sehr stark zusammenneigend und nach innen bogig eingekrümmt, eine Art Oberlippe bildend. (Textfig. 17—18.) Blüten etwas kleiner als bei der ersten Anthese. Perigon sämtlicher Blüten deutlich gewellt. Lippenkiele parallel. Grundfarbe auch nicht gegen Ende der Anthese ockergelb, sondern grünlichgelb. Seit- liche Sepalen sämtlicher Blüten zu ?/, frei, 1/, miteinander verwachsen. Der vorliegende Fall verdient deshalb besonders Interesse, weil die sprunghafte Abänderung des Verwachsungsgrades und 8* 116 Porsch. das plötzliche Auftreten der Wellung unter vollständiger Wahrung der den Einzelstock charakterisierenden Merkmale einherging. Die zweite Anthese ergab die ersten Ab- weichungen im Verwachsungsgrade der seitlichen Sepalen, welcher in der dritten Anthese in den ursprünglichen Zu- stand der ersten überging, die vierte dagegen als neues Merkmal die Wellung, jedoch ausnahmslos unter strenger Wahrung der für die Blüten des Einzelstockes charakte- ristischen individuellen Gesamtfiguration. Weiter war hier zum erstenmal die Wellung, wenn auch in schwächerer Aus- prägung mit einer teilweisen Verwachsung der seitlichen Sepalen kombiniert. In systematischer Beziehung entsprechen die gelieferten Blüten keiner der bisher beschriebenen Formen vollständig. 5. Plötzliche hochgradige Steigerung des Divergenzwinkels und Auf- wärtsdrehen der seitlichen Sepalen in der fünften Anthese nach bis- heriger vollständiger Konstanz bei viermaligem Blühen. Stock 76. (Taf. I Fig. 17 und Textfig. 19—20.) Standort: Faxina Apiahy. Erste Anthese: Juli 1904. Ein Blütenstand mit 14 Blüten. Sämt- liche Bliiten in den morphologischen Merk- malen sich mit Taf. I Fig. 17 vollkommen deckend, nur mit mehr gelblich griiner Grund- farbe und weißen Lippenkielen. Sämtliche Blütenhüllblätter ihrer ganzen Ausdehnung phot. A. Mayer. Fig. 19. nach stark gewellt. Spitze nach außen um- Stock 76. Vierte Anthese. geschlagen. Seitliche Sepalen bis zur Basis Dezember 1906. vollkommen frei und weniger stark spreizend als in Fig. 17. Zweite Anthese: Anfang Dezember 1904. Ein Blütenstand mit 12 Blüten. Sämtliche Blüten in allen Merkmalen mit jenen der ersten Anthese vollkommen übereinstimmend. Dritte Anthese: Anfang Dezember 1905. Zwei Blütenstände mit je 5 und g Blüten. In allen Merkmalen des Baues und der Färbung mit den Blüten der ersten und zweiten Anthese vollkommen übereinstimmend. Lippenkiele weiß, der gelbliche Ton der Grundfarbe schon an den eben aufbrechenden Blüten vor- herrschend, ebenso die Auswärtsrollung der Spitze der Blütenhüllblätter. Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. RT Vierte Anthese: Mitte Dezember 1906 (Textfig. 19). Drei Blütenstände. Blütenstand I: 18 Blüten. Sämtliche Blüten in den morpholo- gischen Merkmalen mit (Taf. I Fig. 17) übereinstimmend, nur Lippen- kiele parallel. Grundfarbe mehr elfenbeinfarben (wie in Taf. I Fig. 16). Perigon sehr stark gewellt, seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen getrennt, viel weniger stark spreizend als in Fig. 17. (Vgl. Text- fig. 19.) phot. A. Mayer. Fig. 20. ‘ Stock 76. Fünfte Anthese. Anfang Januar 1908. Vier Einzel- bliten, die auffallend starke Steigerung des Divergenzwinkels und (Blüte rechts unten) die Aufwärtskrümmung der seitlichen Sepalen zeigend. Blütenstand II: 20 Blüten. Perigon sämtlicher Blüten stark ge- wellt, Lippenkiele stets parallel, seitliche Sepalen bis zur Basis voll- kommen getrennt, etwas weniger stark spreizend als in Fig 17. Blütenstand III: 12 Blüten. In sämtlichen Merkmalen mit Blütenstand II vollkommen übereinstimmend. Fünfte Anthese: Anfang Januar 1908 (Textfig. 20). Drei armblütige Blütenstände mit 12 resp. Io und 5 Blüten. Blüten deutlich kleiner als bei den früheren Anthesen. Grundfarbe 118 Porsch. gelbgrün. Blütenhülle stark gewellt. Seitliche Sepalen wie in den früheren Anthesen bis zur Basis vollkommen frei. Als neues Merk- mal bei sämtlichen drei Blütenständen außergewöhnliche Steigerung des Divergenzwinkels der seitlichen Sepalen (im Maximum bis fast 180°!) oder sogar Aufwärtsdrehung derselben im Anschluß an die Petalen (vergl.Textfig. 20); erstere trat bei fast sämtlichen Blüten des Blütenstandes I und III sowie sämt- lichen Blüten des Blütenstandes II auf, letztere bei zwei Blüten des Blütenstandes III. Selbst die wenigen (4) Blüten mit nicht gerade abnorm aber immerhin stark gespreizten Sepalen zeigten einen deutlich größeren Divergenzwinkel als in den früheren Anthesen. Der Stock lieferte bei viermaligem Blühen ausschließlich Blüten, deren bis zur Basis vollkommen freie seitliche Se- palen normale Divergenz zeigten; auch in der Wellung blieb die Blütenhülle konstant; dagegen trat in der fünften An- these an allen drei Blütenständen plötzlich eine außerge- wöhnliche Steigerung des Divergenzwinkels auf, wie sie sich bisher an keinem Stocke nachweisen ließ und auch keiner bisher beschriebenen Form der Gattung zukommt. Die Blüten der ersten bis vierten Anthese entsprechen der G. crispa Klotzsch. 6. Vollständige Konstanz der beiden ausschlaggebenden Artmerkmale, nämlich Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen und Beschaffenheit des Blumenblattrandes. Stock 73. (Taf. I Fig. 4 und 9.) Standort: Cerqueira Cesar. Erste Anthese: Oktober 1903. Die zwei durchschnittlich 3oblütigen Blütenstände lieferten nach den mir vorliegenden Herbarbelegen ausschließlich Blüten mit den auf Taf. I Fig. 4 dargestellten Merkmalen, bloß der Mittellappen war vorne breiter abgerundet. Grundfarbe grün, Blütenhüllblätter nicht gewellt, seitliche Sepalen bis fast */, miteinander verwachsen. Zweite Anthese: Mitte September 1904. Ein Blütenstand mit 35 Blüten. Sämtliche Blüten schon zu Be- ginn der Anthese hellgelb. (Taf. I Fig.9. Die Abbildung wurde gegen Ende der Blütezeit angefertigt, daher viel dunkler.) Blütenhüllblätter nicht gewellt, in ihrer äußeren Hälfte breiter als in der ersten Anthese, Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. IIg Mittellappen breit. Seitliche Sepalen bis fast 3/, miteinander verwachsen. (Taf. I Fig. 9.) Dritte Anthese: Ende September 1906. Ein kräftiger Blütenstand mit 32 Blüten. Sämtliche Blüten in allen wesentlichen Merkmalen mit Taf. I Fig. 9 übereinstimmend. Grundfarbe etwas heller gelb als in der Abbildung. Hüllblätter mit hellgrünem Mittelstreif. Seitliche Sepalen bis fast °/, ihrer Länge miteinander verwachsen. (Taf. I Fig. 9.) Der Stock blieb also bei dreimaligem Blühen im Ver- wachsungsgrad der seitlichen Sepalen und der Beschaffen- heit des Blumenblattrandes vollkommen konstant. Unter den bisher beschriebenen Arten decken sich die Blüten desselben vollständig mit jenen von G. flanifolia (Hook.) Klotzsch. Stock 75. (Taf. I Fig. 14.) Standort: S. Bernardo. Erste Anthese: Dezember 1903. Ein Blütenstand mit 21 Blüten. Sämtliche Blüten in allen Merkmalen vollkommen übereinstimmend. Grundfarbe grün. Mittel- lappen lang und breit, vorne spitz zulaufend. Lippenkiele gegen den Grund der Blüte zu schwach konvergierend. Sämtliche Blütenhüll- blätter ihrer ganzen Ausdehnung nach stark gewellt. Spitze zu- sammengezogen und nach außen gebogen. Seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen getrennt. (Taf. I Fig. 14.) Zweite Anthese: Anfang Dezember 1904. Ein Blütenstand mit 18 Blüten. Sämtliche Blüten in allen Merk- malen des Baues und der Färbung mit jenen der ersten Anthese vollkommen übereinstimmend. Dritte Anthese: Mitte Dezember 1904. Ein Blütenstand mit 22 Blüten. Grundfarbe mehr gelblich. Lippenkiele parallel. In allen übrigen Merkmalen wie in der ersten und zweiten Anthese. Vierte Anthese: Ende Dezember bis Anfang Januar 1904. Ein Blütenstand mit 11 Blüten. Grundfarbe wie‘;bei der dritten Anthese etwas mehr gelblich. Eine Blüte mit unter noch größerem Winkel divergierenden seitlichen Sepalen. In allen übrigen Merkmalen I20 Porsch. stimmte diese Blüte wie alle anderen mit jenen der ersten bis dritten Anthese vollkommen überein. Fünfte Anthese: Anfang Dezember 1905. Ein Blütenstand mit 16 Blüten. Sämtliche Blüten in allen Merk- malen mit jenen der zweiten bis vierten Anthese vollkommen über- einstimmend. Der Stock blieb also bei fünfmaligem Blühen im Ver- wachsungsgrad der seitlichen Sepalen und der Wellung vollkommen konstant undentspricht unter den beschriebenen „Arten“ G. crispa Klotzsch. Stock 64. (Taf. I Fig. 16—17.) Standort: Bei Apiahy und Yporanga im Tale des Rio Ribeira ca. I30o m. Ss. m. Erste Anthese: Winter 1903. Ein Blütenstand mit 12 Blüten. Sämtliche Blüten in allen Merk- malen vollkommen übereinstimmend. Grundfarbe gelblichgrün. Alle Blütenhüllblätter sehr stark gewellt, ihre Spitze verbreitert und nach außen umgebogen. Mittellappen vorne breit, in der Mitte ausgerandet. Lippenkiele gegen den Grund der Blüte zu stark konvergierend. Seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen getrennt und unter beinahe rechtem Winkel divergierend. (Taf. I Fig. 17.) Zweite Anthese: Ende Januar 1904. Ein Blütenstand mit Io Blüten. Grundfarbe der Blüten bereits im Knospenzustande hell elfenbeinfarben. Lippenkiele parallel. In allen übrigen Merkmalen mit den Blüten der ersten Anthese voll- kommen übereinstimmend. (Taf. I Fig. 16.) Dritte Anthese: Ende Dezember 1904. Ein Blütenstand mit ıo Blüten. Blüten merklich kleiner als jene der zweiten Anthese. In allen übrigen Merkmalen mit jenen der zweiten Anthese übereinstimmend. Vierte Anthese: Anfang Februar 1905. Zwei zarte Blütenstände mit je 5 Blüten. Blüten in sämtlichen Merkmalen mit jenen der dritten Anthese vollkommen iibereinstimmend. Fünfte Anthese: Ende Dezember 1906. Ein Bliitenstand mit 14 Bliiten. Grundfarbe griinlich elfenbein- farben. Lippenkiele ausnahmslos parallel. Perigon sämtlicher Blüten Zeitschr. f. induct.Abstammungs-u Vererbungslehre. Bd.l. A.KASPER PINX. 0. Porsch: Sprunghafte . VERLAG V. GEBR. BORNTF LITH. KUNSTANSTALT FRIEOR SPERL,WIEN.III/1 Kleinere Mitteilungen. I2I stark gewellt. Seitliche Sepalen bis zur Basis vollkommen frei und fast unter rechtem Winkel spreizend. Blüten in allen wesentlichen Merkmalen mit Taf. I Fig. 16 vollkommen übereinstimmend. Sechste Anthese: Anfang Februar 1908. Ein Blütenstand mit ro Blüten. Grundfarbe grünlich elfenbein- farben wie Taf. I Fig. 16. Lippenkiele ausnahmslos parallel. Perigon sämtlicher Blüten stark gewellt. Seitliche Sepalen bis zur Basis voll- kommen frei und fast unter rechtem Winkel spreizend. Sämtliche Blüten mit Taf. I Fig. 16 vollkommen übereinstimmend. Der Stock blieb also bei sechsmaligem Blühen in den ausschlaggebenden Merkmalen vollkommen konstant und entspricht der G. crispa Klotzsch. (Schluß folgt.) Kleinere Mitteilungen. Zur Stellung des Pithecanthropus erectus Dubois auf Grund der neuesten Resultate. Die tatsächlichen Grundlagen, welche uns über die Stellung des Pithecanthropus Aufschluß geben, haben in jüngster Zeit eine wesentliche Bereicherung erfahren. Bisher wurde nach dem Vorgang von E. Dubois das Alter der bei Trinil gefundenen Knochenreste ziemlich allgemein als pliocän angenommen, und besonders finden ‚wir diese Altersbestimmung bei den zahlreichen Versuchen zugrunde gelegt, die den Ursprung des Menschengeschlechtes mit dem javanischen Pithecanthropus in Verbindung bringen. Durch die Untersuchungen von Volz1) und Elbert?), die ihre Arbeiten gänzlich unabhängig voneinander durchgeführt haben, hat sich herausgestellt, daß man hier auf einer unrichtigen Basis aufbaute. Beide gelangen im wesent- lichen zum gleichen Ergebnis: die Knochenreste sind unzweifelhaft diluvialen Alters. Bei der großen Bedeutung dieser Funde müssen wir aber auch der Stellung derselben innerhalb des Diluviums größeren Wert beilegen. Wenn auch 1) Volz, W.: Das geologische Alter der Pithecanthropus-Schichten bei Trinil, Ost-Java. Neues Jahrb. f. Mineralogie, Festband 1907 S. 256. 2) Elbert, Joh.: ‚Über das Alter der Kendeng-Schichten mit Pithecanthropus erectus Dubois. Neues Jahrb. f. Mineralogie, Beilage-Band 25. S. 648. I22 Deninger. V olz sich hierüber äußert, so gibt er doch selbst zu, daß die Gründe, die er für das von ihm als wahrscheinlich angenommene mitteldiluviale Alter angibt, keineswegs zwingende sind. Auf gesicherterem Boden bewegen sich hierin die Ausführungen Elberts. Auch er geht von den durch Martin als Pliocän bestimmten marinen Ablagerungen von Sonde in der Nähe von Trinil aus. Über ihnen folgt eine Breccienetage, die dem Oberpliocän angehört, und darüber die Kendeng- schichten, in deren untersten Lagen sich die Knochenreste des Pithecanthropus mit Stegodon, Rhinoceros usw. vergesellschaftet fanden. Diese Kendeng- schichten, die einen Komplex von fluviatil verlagerten Auswurfmassen der benachbarten Vulkane darstellen, enthalten in mehreren Lagen Pflanzenreste. Elbert ist nun der Nachweis gelungen, daß diese Pflanzenreste Floren entsprechen, wie sie jetzt nur in den Höhenlagen der javanischen Gebirge vorkommen und er schließt daraus auf ein kühleres Klima, während der Ab- lagerung der Kendengschichten, und zwar läßt sich ein weiteres Absinken der Temperatur von der die Pithecanthropusschicht unmittelbar überlagernden Gewächszone nach dem Hangenden zu verfolgen. Elbert konnte dann weiter 2 Talterrassen an dem tief eingeschnittenen Tal des Soloflusses ver- folgen. Aus diesen Erscheinungen glaubt er auf eine Dreiteilung des Diluviums auch für Java schließen zu dürfen, wobei die Kendengschichten das Alt- diluvium repräsentierten. Dieser Deutung der Pithecanthropusschichten als altes Diluvium ist wohl auch mit Berücksichtigung der übrigen darin ent- haltenen Säugetierreste die größte Wahrscheinlichkeit zuzumessen. Wir können daher das diluviale Alter des Pithecanthropus als gesichert, das altdiluviale als im höchsten Grade wahrscheinlich annehmen. Danach werden alle jene Ansichten, die auf das pliocäne Alter des Fundes sich aufbauten, richtig zu stellen sein. Menschliche Knochenreste, welche sicher älter sind als letztes Inter- glazial, kennen wir zwar aus Europa noch nicht (ich sehe ab von einem Unterkiefer, der kürzlich in Mauer bei Heidelberg gefunden wurde). Paläolithische Werkzeuge zeigen aber an, daß bereits damals mensch- liche Wesen in Europa lebten. Keinesfalls können wir daher dem altdiluvialen javanischen Pithecanthropus die Rolle eines Stammvaters der gesamten Menschheit zusprechen. Unberührt dagegen bleibt durch die Altersbestim- mung die zoologische Stellung des Pithecanthropus, die Schwalbe durch seine Untersuchungen der Schädelcalotte festgelegt hat. Nach wie vor weist der Pithecanthropus keine näheren Beziehungen zu irgend einem anthropo- morphen Affen auf, weder zu den großen Formen noch zu den Hylobathiden. Gerade das letztere muß immer wieder betont werden. Von allen bekannten Formen steht ihm der Homo primigenius des europäischen mittleren Diluviums am nächsten. Die Auffassung, daß der Pithecanthropus einen erloschenen Seitenzweig in der Stammesgeschichte des Menschen (aber nicht der Anthropomorphen!) Kleinere Mitteilungen. 123 darstelle, wird zweifellos unter dem Gesichtspunkt des diluvialen Alters der Reste auch fernerhin ihre Verfechter finden. Ja sie wird gerade hierin eine wichtige Stiitze suchen. Ob mit Recht, das werden wohl kiinftige Funde er- weisen. Wer eine einmalige, monophyletische Entstehung des Homo sapiens annimmt, muß jetzt unbedingt dieser Auffassung beitreten. Dem gegenüber möchte ich aber feststellen, daß auch eine andere Auf- fassung des diluvialen Pithecanthropus zulässig ist. Die Unterschiede zwischen jetztlebenden Menschenrassen sind so beträcht- liche, daß ihre Differenzierung, wenn wir Analogien aus der Entwicklung anderer Säugetierstämme heranziehen, nicht das Werk eines kurzen Zeit- raumes sein kann. In Europa reicht die Existenz menschlicher Wesen sicher bis zum alten Diluvium zurück und es mehren sich die Stimmen, welche Archäolithe als Artefakte anerkennen und damit die Existenz werkzeugbenützender Wesen in tertiärer Zeit annehmen. Nachrichten, die für die Existenz diluvialer oder tertiärer Menschen in anderen Weltteilen (Amerika, Ägypten) sprechen, werden ja zumeist recht skeptisch aufgenommen, obwohl auch das Ver- schwinden der großen diluvialen Säugetiere sich schwer ohne Annahme einer frühzeitigen weltweiten Verbreitung des Menschengeschlechts erklären läßt. Mag man sich aber den einzelnen Argumenten gegenüber auch noch so skeptisch verhalten, man kann sich dem nicht verschließen, daß diejenigen immer zahlreicher werden, die für eine weite Verbreitung menschlicher Wesen in weiter entfernten Zeiten der Erdgeschichte sprechen, als man bisher annahm. Was wir nun von hierher gehörigen Knochenresten kennen, das reiht sich in merkwürdiger Übereinstimmung an die Erfahrungen an, die uns andere Säuge- tierstämme ergeben. Die Formen des jüngsten Diluviums schließen sich eng an die rezenten an. Diejenigen des letzten Interglazial (Homo primigenius) sind bereits so ver- schieden, daß wir sie von den jetzt lebenden scharf trennen können und sie daher einer anderen Spezies zuweisen. Zwischen dem älteren und jüngeren Diluvium hat eine recht bedeutende Umprägung der Säugetierfauna statt- gefunden. Von den Zeitgenossen des Rhinoceros etruscus finden wir nur wenige ohne merkliche Änderungen in jüngeren Faunen wieder. Wir können daher kaum erwarten, in diesen altdiluvialen Ablagerungen den Homo primigenius oder gar den Homo sapiens wieder zu finden. Mit der Hypothese einer primi- tiveren Menschenform als Homo primigenius sie darstellt, gelangen wir aber bereits in bedenkliche Nähe des Pithecanthropus. Lehnt man daher eine Entstehung der rezenten Menschheit aus primi- tiven Formen durch gleichsinnige Umbildung nicht von vornherein ab, so hätte man der Frage näher zu treten, ob der Pithecanthropus in der Stammesgeschichte eines beschränkten Teiles der Menschheit eine Rolle spielt. 124 Deninger. Baur. Zunächst erscheint die Kluft verhältnismäßig groß, welche den Homo primigenius und noch mehr den Pithecanthropus von rezenten Menschen trennt. Daß sich diese Formen so unvermittelt gegenüberstehen, liegt ohne Zweifel an der Spärlichkeit der fossilen Funde. Nur wo das Material ungenügend ist, stellt uns die Paläontologie vor stammgeschichtliche Rätsel. Das gilt auch hier. Homo primigenius und Pithecanthropus zeigen sich uns zunächst als Repräsentanten einer gewissen Örganisationshöhe, die in Zusammenhang steht mit ihrem geologischen Alter. Außerdem müssen ihnen aber Merk- male zukommen, entsprechend den Rassenunterschieden rezenter Menschen. Es wäre zu untersuchen in wie weit solche dem Pithecanthropus zu- kommende Merkmale mit denen bestimmter lebender Menschenrassen korre- spondieren. Naheliegend ist der Vergleich mit den primitiven Völkern Süd- asiens und Indo-Australiens!), in deren jetzt durch das Vordringen malayischer Völker zerstückelten Verbreitungsbezirk, der Pithecanthropusfund hinein- fällt. Dolichocephalie und das bei diesen Völkern häufige Auftreten einer Crista frontalis, wie sie in so ausgeprägter Form dem Pithecanthropus zu- kommt, zeigen bemerkenswerte Parallelen. Es steht mir nicht zu, anthropologischen Betrachtungen vorgreifen zu wollen, sondern ich möchte nur festlegen, daß falls sich Beziehungen zwischen Pithecanthropus und bestimmten Gruppen rezenter Menschen nachweisen lassen, gegen eine Ableitung dieser rezenten Formen von Wesen, wie sie uns der javanische Pithecanthropus repräsentiert, trotz des diluvialen Alters des Fundes von geologisch-paläontologischer Seite keine Einwände erhoben werden können. Freiburgi. Br. KR. Den imeies Die Aurea-Sippen von Antirrhinum majus. Im vergangenen Jahre habe ich?) schon kurz über die eigenartigen Erblichkeitsverhältnisse einer gelb- blätterigen Sippe, einer „Aurea-Form“, wie der Gärtnerausdruck lautet, von Antirrhinum majus berichtet. Die Sache liegt danach so, daß alle gelb- blätterigen Pflanzen dieser Sippe in bezug auf das Merkmalspaar ,,gelbblatterig: grünblätterig‘‘ Heterozygoten sind, in denen das Merkmal gelbblätterig dominiert. Homozygotische gelbblätterige Individuen sind nicht lebens- fähig und demnach produzieren die Aureaindividuen bei Selbstbefruchtung eine Nachkommenschaft, dieaus z w ei Drittel weiterhin stets wieder spalten- der aureablätteriger und einem Drittel konstanter grünblätteriger Pflanzen 1) Vergl. auch Klaatsch: Ergebnisse meiner australischen Reise. Korrespondenz- blatt d. deutsch. Ges. f. Anthropologie, Jahrg. 38, Nr. 9/12, S. 88. 2) Baur, E. Untersuchungen über die Erblichkeitsverhältnisse einer nur in Bastardform lebensfähigen Sippe von Antirrhinum majus. Ber. d. Deutsch. Bot. Gesellsch. 25. 1907. S. 442. Kleinere Mitteilungen. 125 besteht. Gekreuzt mit griinen Pflanzen geben die Aurea-Pflanzen 50 % konstant grüne und 50 % spaltende aureablätterige Nachkommen. Bei meiner letzten Publikation mußte ich die Frage offen lassen, in welchem Entwickelungsstadium die Individuen, welche die Kombination gelbblätterig x gelbblätterig verkörpern, zugrunde gehen. Beobachtungen, welche diese Frage entscheiden, habe ich nun in diesem Frühjahr anstellen können. Ich ließ die Samen einer Anzahl selbstbefruchteter Aureapflanzen ohne Bedeckung durch Erde keimen und dabei zeigte sich folgendes: ein Teil der Samen keimte gar nicht bzw. starb in den ersten Keimungsstadien vor Entfaltung der Keimblätter ab, ein weiterer Teil keimte zu ganz winzigen fast völlig farblosen Pflänzchen aus, die ebenfalls nach einigen Tagen alle zugrunde gingen und die übrigen Samen endlich ergaben ziemlich genau ein Drittel grüne und zwei Drittel aureablätterige Keimpflanzen. Im einzelnen war das Resultat der drei Aussaaten folgendes: Aussaaten grüne aureablättrige farblose Keimlinge Saat 08 Nr. 153 25 49 II ” 230633 282 36 80 31 » 99 293, 16 She 9 San 77 160 51 Diese Zahlen sind ohne weiteres verständlich. Es sind zwar weniger ganz farblose, d. h. homozygotisch gelbblatterige Keimpflanzen vorhanden, als nach der Spaltungsregel zu erwarten gewesen waren, aber da gerade von den ganz farblosen Individuen ein Teil schon in den ersten Stadien der Keimung im Absterben vorgefunden wurde, darf man wohl annehmen, daß gerade die nach der Theorie fehlenden, ganz farblosen Individuen schon vor der Keimung oder in deren ersten äußerlich noch nicht erkennbaren Stadien abgestorben sind. Daß das für diese Antirrhinumsippe gefundene durchaus nicht für alle Aurea-Sippen, vor allem solche anderer Arten gilt, habe ich schon ver- gangenen Herbst betont, es gibt eine Menge von prinzipiell völlig ver- schiedenen Typen von Bunt- bzw. Aureablätterigkeit, die total verschiedene, zum Teil höchst eigenartige und mir vorläufig noch unverständliche Erblich- keitsverhältnisse aufweisen. Berlin. Botan. Institut d. Universitat. Erwin Baur. Referate. Herbst, Curt, (Heidelberg): ,,Vererbungsstudien. V. Auf der Suche nach der Ursache der größeren oder geringeren Ähnlichkeit der Nachkommen mit einem der beiden Eltern.“ Arch. f. Entwicklungsmech., XXIV. Bd., 2. Heft, p. 185—238, Taf. IV—VI, August 1907. Nebst zusammen- fassenden Bemerkungen über die früheren ‚„‚Vererbungsstudien“, I—III, ebenda, XXI. Bd., 2. Heft, p. 173—305, 24 Fig., und IV, ebenda, XXII.Bd., 4. Heft, p. 473—497, Taf. XIV. Die Fragestellung der ganzen Serie von Vererbungsstudien ist: Warum stehen die Nachkommen mit ihren Eigenschaften bisweilen in der Mitte zwischen ihren Eltern, warum gleichen sie bisweilen mehr oder nur dem einen davon? Dieses „Warum“ will Verfasser von seinem Stand- punkt als Experimentalbiologe aus anders aufgefaßt wissen als von den Ver- erbungstheoretikern, an denen er, zumal an Weismann, scharfe Kritik übt. Solange wir kein Mittel besitzen, um die Vererbungsrichtung nach unserem Willen zu leiten, solange sei die Frage ungelöst. Um deutliche Merkmalskriterien zu gewinnen, verwendet Herbst Bastardzuchten, und zwar zweier Seeigelarten, Strongylocen- trotus 3 oder Echinus 3 x Sphaerechinus 2 und umgekehrt. In den Resultaten wurden nur Skelettcharaktere verwertet, weil das Spermatozoon sicher einen Einfluß auf die Skelettbildung ausübt. Namentlich an dem Vorhandensein von Gitterbildung an Analarmstützen und Analfortsätzen (dreikantige Gitterstäbe mit vielen Querverbindungen) sind beispielsweise die Plutei mit Sphaerechinus-Charakter zu erkennen. Herbst begnügt sich nicht damit, gleich den meisten Bastardforschern statistisch ds Zahlenverhältnis der muttergleichen, vatergleichen und gemischtcharakterigen Bastarde zu ermitteln, sondern es ist sein Be- streben, die Ursachen der Vererbungsresultate aufzudecken. Die erste Vererbungsstudie enthält das Arbeitsprogramm ‘und betitelt sich „Ein Plan zu rationellen Studien über Vererbungs- erscheinungen“. 2 Das Hauptergebnis der zweiten Studie: ,, Uber den Einfluß der Temperatur auf die Ausbildung der Seeigelbastarde“ lautet: die Bastardlarven nähern sich im Sommer mehr dem mütterlichen Typus als im Winter (Vernon). Ursache davon ist einerseits die Temperatur, anderseits aber eine noch unbekannte Eigenschaft des Eies, nicht des Spermatozoons. Hauptergebnis der dritten Studie: „Ist die „Schädigung“ eines der beiden Sexualprodukte von Einfluß auf das Hervortreten der väterlichen oder mütterlichen Charaktere?“ Durch Schädigung entweder der männ- lichen oder gar der weiblichen Keimzellen können zwar kränkliche Nach- kommen resultieren, aber die größere oder geringere Ähnlichkeit mit einem der beiden Eltern wird dadurch nicht bestimmt. Referate. 127 Hauptergebnis der vierten Studie: ,,Das Beherrschen des Hervortretens der mütterlichen Charaktere“. Gibt man den Eiern vor der Besamung durch Säurezusatz einen Anstoß zur Parthenogenese, superponiert man künstliche und normale Befruchtung, so kommt es zum Uberwiegen der mütterlichen Charaktere. Dies kann abhängen erstens vom Anwachsen der mütterlichen Kernsubstanz infolge des Anstoßes zur Parthenogenese, zweitens von Zustands- änderungen im Ooplasma, drittens von beiden Faktoren zusammen. Die fünfte Studie, mit der wir uns hauptsächlich beschäftigen, baut auf dieser Grundlage durch genaue Analyse derjenigen Veränderungen, welche mit den Eiern im Beginne ihrer parthenogenetischen Entwicklung vor sich gehen, und ob sie allein wirken oder in Verbindung mit dadurch hervor- gerufenen Abweichungen im Schicksale des Spermakernes. Das kritische Stadium, von welchem an Verschiebung der Vererbungsrichtung nach miitter- licher Seite hin möglich ist, ist erreicht, sobald der Kern sich im Besamungs- momente infolge der ihm erteilten parthenogenetischen Anregung zu ver- größern begonnen hat. Der Höhepunkt aber jener Verschiebung ist dann erreicht, wenn der Same in dem Augenblicke zugeführt wird, als der Eikern sein größtes Volum besitzt; doch sinkt die Vererbungsverschiebung auch nachher nicht auf Null. Die Ursachen der Vererbungsverschiebung erscheinen im Lichte der 5. Studie mannigfaltig, werden sich nach Ansicht des Verfassers im Laufe weiterer Untersuchungen sogar vermehren; sie laufen aber darauf hinaus, daß sieim Verhältnis der Kernmassen der beiden Geschlechtskerne zu erblicken sind. ,,Uberwiegen die Eikernsubstanzen, so tritt mehr der miitterliche, überwiegen die Spermakernstoffe, so erscheint mehr der väterliche Typus in den Nachkommen.“ In dem in verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen verschiedentlich veränderten Zustand des Ooplasmas könnte man höchstens denjenigen Faktor sehen, von dem das Schwanken der Ver- schiebungsintensität abhängt. Die Wege aber, auf denen die mütter- liche Kernmasse die Oberhand gewinnt, können folgende sein: I. Auf einem frühen Stadium des pathenogenetischen Entwicklungsan- satzes noch ohne Störung des Kopulationsvorganges der Kerne, einfach nur durch beginnende Vergrößerung des Eikerns, Normalbleiben des Spermakerns. 2. Verzögerung oder Verhinderung der Kernkopulation, woran die Schuld den als normal anzusehenden Spermakern nicht trifft, sondern die Ver- änderung des Eies; ob die Kernvergrößerung oder eine Veränderung im physikalischen Zustande des Ooplasmas bleibt unentschieden, und zwar a) Gänzliche Elimination des Spermakerns ‚Entstehung der halbkernigen, daher ganz oder fast reinen Sphaerechinus-Plutei. b) Vereinigung der Kerne, wenn der Eikern sich schon zum erstenmal geteilt hat usw. a) der erste Teilungsschritt bestand aus einem Dyaster: Kopulation des Spermakerns mit einem der beiden ersten Furchungskerne, Entstehung partiell thelykaryotischer Plutei, „welche auf der einen Seite weibliche Halb- kerne und auf der anderen Kopulationskerne besitzen‘ ,seltenes Vorkomm- nis. Ihre morphologische Ausbildung ,,entspricht ungefähr den Vorhersagungen Boveris. Die Seite mit den weiblichen Halbkernen ist bis auf einige Ab- weichungen im Skelett rein weiblich, während die andere Seite mit den Kopu- lationskernen typischen Bastardhabitus zur Schau trägt. Es gibt ganz oder piven symmetrische, aber auch asymmetrische partiell thelykaryotische utei.“ 8) der erste Teilungsschritt war ein Monaster: Kopulation nach Er- reichung der doppelten Eikerngröße, namentlich bei Vorhandensein eines 128 Referate. großen hellen Hofes im Eiinnern, d. h. Ansammlung von körnchenfreiem Plasma um den dadurch verschwommen gewordenen Kern, also Kopulation eines Diplothelykaryons und eines Arrhenokaryons. Hierdurch entstehen — häufiges Vorkommnis — Bastarde mit mutterwärts verschobener Ver- erbungsrichtung, deren Kerne noch größer sind als bei den normalkernigen parthenogenetischen Pluteis. Der geringfügige, in Vergrößerung des Eikernes und physikalischer Ver- änderung des Cytoplasmas sichtbare Anlauf zur Parthenogenese ist der soge- nannten „Überreife‘“ der Eier gleichzusetzen, welche vermutungsweise auch schon von anderen Autoren als Ursache des Überwiegens mütterlicher Cha- raktere herangezogen war aber erst durch Herbsts Fassung dem Ver- ständnisse nahekommt. Da jene „UÜberreife‘“ bei vielen, wenn nicht allen Eiern vorkommen dürfte, erlangen die Herbstschen Befunde einen weiten Gültigkeitsbereich. Dr. PaulKammerer. Przibram, Hans, Biol. Versuchsanstalt Wien, ‚„Vererbungsversuche über asymmetrische Augenfärbung bei Angorakatzen“. Arch. f. Entwicklungs- mech., XXV. Bd., Heft 1/2, p. 260—265. Dez. 1907. In stark differenzierten Gruppen bilateraler Tiere kommt es vor, daß homologe Organe der beiden Seiten ihre symmetrische Korrelation nicht in allen Charakteren bewahrt haben. So z. B. bei vielen dekapoden Crusta- ceen, wo die eine Schere zur Knack- oder Knoten-, die andere zur Zwick- oder Zähnchenschere ausgebildet ist. Wegen der Schwierigkeiten der Crustaceen- zucht hat sich die Vererbungsform dieser Asymmetrie nicht experimentell verfolgen lassen; da jedoch innerhalb einer Spezies die Knack- bzw. Zwickschere fast immer nur auf der einen, linken oder rechten Seite steht, und Aus- nahmen auf Regeneration einer Zwickschere nach Verlust der Knackschere unter Umbildung der alten Zwick- zur Knackschere zurückzuführen sind (vgl. vom selben Verf. „Die Scherenumkehr‘, ebenda, S. 266—343), so scheint die Korrelation zwischen den Körperseiten trotz der Asymmetrie bei der Vererbung als ungetrennte Einheit zu wirken. Leichter einer experimentellen Prüfung zugänglich sind analoge Asymme- trien bei der Färbung der Haustiere, z. B. der weißen Angorakatzen, welche öfters ein blaues und ein gelbes Auge haben. Es zeigte sich zunächst, worauf schon Darwin aufmerksam gemacht hat, daß Katzen mit zwei blauen Augen taub sind. Ist nur das eine Auge blau, so ist auch nur das eine Ohr, dasjenige der entsprechenden Körperseite, taub. Es zeigte sich ferner, daß die jungen Katzen, wenn man untrüglich ihre definitive Augenfarbe feststellen will, erst bis zur Halbwüchsigkeit aufgezogen werden müssen, da beide Augen aller beobachteten Exemplare zunächst blau waren, sich aber zum Teil später in Gelb verfärbten. Auf die Hauptfragestellung: Kann die Asymmertie als Ganzes oder jede Seite getrennt vererbt werden?, ergab sich als Antwort, daß jede Augen- farbe asymmetrischer Eltern in jedem Auge der Nachkommen in beliebiger Kombination wiederkehren kann. Beispielsweise blieb bei Kreuzung eines Katers mit rechtem gelben, linkem blauen Auge und einer Katze mit zwei gelben Augen die Asymmetrie rechts gelb, links blau durch 3 Generationen erhalten; bei Kreuzung einer rechts blau-, links gelbäugigen Katze mit einem beiderseits blauäugigen Kater trat die Asymmetrie auch in ihrer Umkehrung auf; und in mehreren Versuchsreihen, z. B. Kreuzung eines blau-blauen Katers mit blau-gelber Katze, traten über- haupt alle Kombinationen auf: gelb-blau, gelb-gelb, blau-blau, und blau-gelb. Referate. 129 Auch beim Menschen kann unter Umstanden, die ebenso unbekannt sind, wie bei den Haustieren, die Korrelation zwischen der Farbung beider Augen eines Individuums verloren gehen. In einem als Beleg angefiihrten Stammbaum besitzen die Großeltern symmetrische (der Großvater ,,helle“, die Großmutter blaue) Augen. Der Vater jedoch, dessen zwei Geschwister (1 6 und I ?) beiderseits helläugig sind, hat rechts ein helles, links ein braunes Auge. Seine Kinder, welche der Ehe mit einer beiderseits grauäugigen Frau entwuchsen, waren wieder alle intra-individuell gleichäugig, und zwar fanden sich helle Augen wie das rechte des Vaters bei einem Kind, braune wie das linke Auge des Vaters bei zwei Kindern, graue wie beide Augen der Mutter bei drei Kindern. Dr. Paul Kammerer. Cuénot, L., L’Hérédité de la pigmentation chez les souris. (5° Note.) In: Archives de Zoologie experimentale et generale. p. I—XIII. Verf. setzt seine Kreuzungsversuche mit Mäusen fort. Die einzelnen Kreuzungen, ein gelbes Männchen mit roten Augen und albinotisches Weibchen und deren Nachkommen, ebenso die Kreuzungen der Braunen mit Grauen im einzelnen zu verfolgen, würde den Rahmen eines Referates übersteigen. Wichtig ist, daß Verf. die Nachkommen der ersten Kreuzung als Trihy- briden erklärt. Die weiteren Folgerungen, die er aus seinen Versuchen zieht, sind folgende: Die Balgfarbe der Mäuse ist zusammengesetzt aus einer Anzahl von Elementen, die schon im Keimplasma durch eine ebenso große Zahl von Determinanten (bis jetzt 5 bekannt) vertreten ist. So besteht die Farbe der wilden Mäuse aus 3 Komponenten: schwarz, braun, gelb». Dazu kommt noch die Abwesenheit des Pigmentes: weiß. Jede dieser Farben hat ihre bestimmte Determinante. Nun werden einfarbige Rassen nicht etwa durch Fehlen von Determinanten erzeugt, diese sind vielmehr immer in gleicher Anzahl vorhanden, sondern die Einfarbigkeit ist das Resultat der gegenseitigen Beeinflußung der Determinanten. Also nicht ihr Quantität, sondern ihre Qualität ist das Maßgebende. Ist z. B. A die De- terminante für Albinismus (die Determinanten für die einzelnen Eigenschaften werden mit Buchstaben benannt), so verhindert sie alle anderen Determinanten an ihrer Wirkung. Das eine wichtige Resultat ist also der Nachweis einer gegenseitigen Beeinflußung der Determinanten. Außerdem gibt es aber auch Determinanten, die nicht beeinflußt werden, wie die für das Tanzen der Tanzmäuse und die Fleckenzeichnungen. Bei letzterer ist übrigens nur die Gesamtanlage dazu, nicht jeder einzelne Fleck im Keimplasma determiniert. In einer Liste werden die verschiedenen möglichen Kombinationen zu- sammengestellt und soweit sie bekannt sind, die ihnen entsprechende Färbung beschrieben. Die Regeln der Dominanz werden in einer zweiten Liste über- sichtlich tabellarisch geordnet aufgeführt. Aus beiden zusammen lassen sich dann unter Berücksichtigung der Mendelschen Regeln die Resultate aller möglichen Kreuzungen vorher berechnen. Hilzheimer- Stuttgart. Fischer, Dr. med. E. in Zürich. Zur Physiologie der Aberrationen- und Varietäten-Bildung der Schmetterlinge. In: Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie. 4. Jahrg. 6. Heft, p. 761—792, mit einer Tafel. Verfasser wendet sich gegen die Ansichten Standfuß’',v.Lindens u. a., welche die durch extreme Temperaturen bedingten Falter,‚aberrationen‘ Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre I, 9 130 Referate. als durch schwere Entwicklungs- und Stoffwechselstörungen entstandene krankhafte Anomalien, in Gegensatz zu den Kälte- und Wärme-,,Varietäten“ gebracht haben, welch letztere als normal-physiologisch bezeichnet werden. Zunächst wird besprochen, wie extreme Temperaturen und Narkotika auf den Organismus der Schmetterlingspuppe wirken. Unter extremen Temperaturen ist eine Kälte von 0° bis — 20°C. und eine Hitze von + 42° bis + 46° C. zu verstehen. Die bei diesen Temperaturen entstandenen Ab- errationen betrachtet F. als Entwicklungshemmungen. Die v. Linden- schen Versuche haben infolge zuweit getriebener Narkose ein viel zu kleines Material ergeben, um daraus bestimmte Schlüsse bezüglich der Wirkung von Kohlensäure auf die Entwicklung der Schmetterlingspuppen zu ziehen. So wird denn auch ihre ganze Beweisführung hinfällig, die in der Kohlen- säure-, Frost- und Hitzewirkung Störungen, die bis in das Zellplasma wirken, erkennen will. Vielmehr ist die Wirkung ,,in einer mehr oder weniger lang dauernden Suspension der Entwicklung‘ zu suchen. Puppen der Sommer- generation von Araschnia levana var. prorso L. wurden wiederholt einer Temperatur von — 44° C. ausgesetzt. Sie schlüpften teilweise zwar noch den gleichen Sommer, aber verspätet aus, teilweise sogar erst im nächsten Sommer. Dadurch hält F. die Entwicklungshemmung für erwiesen. Ist wie aus der v. Lindenschen Schädigungstheorie auch die end- gültige aberratige Färbung zu erklären? F. zeigt zunächst, daß v. Linden und Schröder, dessen Lehre zum Vererbungsprozeß vom Verfasser in einem anderen Aufsatz widerlegt werden soll, geirrt haben. Die Aberrationen haben nicht immer mehr schwarzes Pigment, sondern vielmehr meistens gleichviel, oft sogar weniger als die Stammform, was durch die Tafel hübsch illustriert wird. Auch die Sauerstoffversuche v. Lindens, die gewisser- mafen ein Gegenstück zur Kohlenstoffwirkung sein sollten, sind nicht weit genug ausgedehnt. Vielmehr ist die Sauerstoffwirkung keine bestimmte und gleichsinnige. Während v. Linden, die nur mit Vanessa urticae L. experimentierte, bei ihrem Objekt eine übrigens stark verkrüppelte Über- gangsform zur südlichen ichnusa erhielt, bekam Verf. bei Einwirkung durch Sauerstoff auf verwandte Arten vielfach eher ,,verdunkelte Kalte-Varietiten“. Die v. Linden-Schrödersche Theorie des Färbungsprozesses, daß die verschiedenen Pigmente in fertigem Zustande vom Blutstrom nach den Flügeln transportiert und dort abgelagert werden, hatte sich gerade auf die Beobachtung gestützt, daß sich die Aberrationen in bezug auf die schwarze Farbe gerade umgekehrt verhalten sollten bei Sauerstoff- und bei Kohlenstoffein- wirkung. Sie ist zurückzuweisen, unter anderem (z. B. Interferenzfarben) führt die Erwägung dazu, daß sie vollständig der Tatsache gegenüber versagt, „daß, je nachdem die Puppen früher oder später der extremen Temperatur ausgesetzt werden, entweder nur die Vorderfliigel oder nur die Hinterfliigel am fertigen Falter sich verändert zeigen. Diese Beobachtung läßt sich auch wieder zugunsten der Hemmungstheorie des Verf. deuten. Dann hält Verf. seine Beobachtungen, daß die Kältevarietäten auch durch Wärme hervorgerufen werden können, gegen v. Lindens An- zweifelung fest. Zum Schlusse hält F. auch noch seine Ansicht aufrecht, welche die Frost- und Hitzeaberrationen als ,,Hemmungsprodukte, also als Rückschläge auf alte Formen auffaßte, wie sie etwa im Miozän gelebt haben könnten“. Über- haupt ist er der Ansicht, daß es zwischen Varietäten und Aberrationen keine Gegensätze gibt. Hilzheimer - Stuttgart. Referate. 131 Kammerer, Paul, Biolog. Versuchsanstalt Wien, ,,Vererbung erzwungener Fortpflanzungsanpassungen. I. u. II. Mitteilung: Die Nachkommen der spatgeborenen Salamandra maculosa und der frühgeborenen Salamandra atra. Arch. f. Entwicklungsmech., XXV. Bd., Heft 1/2, p. 7-51, Taf. I, Dez. 1907. Salamandra maculosa und atra weichen durch ihre Ovoviviparität und Viviparität von den übrigen Angehörigen der zentraleuropäischen Urodelen- fauna, welche sich echter Oviparität befleißigen, in eigenartiger Weise ab: Maculosa gebiert 14—72 Larven von durchschnittlich 25 mm Länge, die durch Kiemen, Ruderschwanz und glatte Haut dem Wasserleben angepaßt sind, auch tatsächlich ins Wasser abgesetzt werden und sich dort mehrere Monate aufhalten, bis sie ihre Larvencharaktere resorbieren, Lungen und drüsige Haut bekommen und endlich als Vollsalamander ans Land gehen. Manchmal, besonders im Tiefland, sind jene Larven, obwohl schon vierbeinig, bei der Geburt noch von der Eimembran umschlossen, welche sie aber durch eigene Muskeltätigkeit binnen wenigen Minuten zerreißen. Atra gebiert nur 2 Junge, aus jedem Uterus eines, die ihre ganze Larvenentwicklung im Mutter- leibe absolvieren, bei ihrer Geburt also schon vollkommen ausgebildete, lungenatmende Landtiere sind; jedoch ist hervorzuheben, daß gelegentlich der Ovulation nicht etwa auch nur 2 Eier sich vom Ovar lösen, sondern daß vielmehr ebensoviele Eier wie bei Maculosa in den Ovidukt treten, nur ent- wickeln sie sich nicht weiter, da die lange Inanspruchnahme des Uterus durch je einen groß werdenden Fötus ihnen keinen Platz läßt, sondern zerfließen zu einem Dotterbrei, von dem die bevorzugten Jungen sich ernähren. Daß hier nicht prinzipielle, sondern nur durch besondere Lebensbedin- gungen erworbene graduelle Unterschiede vorliegen, wird durch das Eintreten der im Mittel gleichen Eierzahl in die Tuba des Oviduktes von vornherein wahrscheinlich. EinindirekterBeweishierfür muß auch darin erblickt werden, daß an den Grenzzonen der vertikalen Verbreitung — Maculosa steigt nur bis höchstens 1200 m ins Gebirge, Atra bis 800 m ins Tal—férmliche Über- gänge vorkommen; je höher oben, desto länger werden schon bei Maculosa die Föten getragen, welche dann in geringerer Menge als sonst im Uterus Raum haben und einer Anzahl von Geschwisterkeimen mehr minder früh die Ent- wicklungsmöglichkeit entziehen, welche Anzahl von Abortiveiern und -Embryonen zur Zahl der sich weiter entwickelnden Jungen in verkehrter Proportionalität steht. Je tiefer unten, desto kürzer werden bei Atra die Föten getragen, welche dann nicht nur schon zur Welt kommen, solange sie noch Kiemenstummel aufweisen, sondern sogar die sonst fixe Zweizahl um ein Geringes zu übersteigen vermögen. Den direkten Beweis aber erbringt der Versuch, die beiden immerhin weit divergierenden Zeugungsformen vollkommen ineinander über- zuführen und die dann erzwungenen Fortpflanzungsveränderungen erblich werden zu lassen. In der Tat vermag man durch mechanische Einflüsse (Abmassieren), Temperaturerhöhung und Wasserüberfluß (Gewährung großer Wasserbecken, nasse Umgebung) — durch jeden dieser Faktoren allein, gleichwie durch alle kombiniert — den Zeitpunkt der Geburten zu verfrühen, durch niedrige Temperatur und Wassermangel (Entzug des Wasserbeckens, den Salamendern gerade noch erträgliches Feuchtigkeitsminimum der Umgebung) hinauszu- schieben. Wirken die experimentellen Bedingungen durch mehrere Trächtig- keitsperioden ununterbrochen auf die Zuchttiere ein, so wird die Veränderung nicht allein verstärkt, sondern auch derart zur Gewohnheit, daß nach Er- reichung der Extreme die Faktoren minder strenge sein dürfen, ohne daß 9* 132 Referate. gleich wieder ein Zurücksinken in die ursprüngliche Fortpflanzungsart herbei- geführt wird. Man erhält so Maculosa-Weibchen, welche habituell ovipar sind: Eier von 8,5—9 mm Durchm., die einer Nachreife von g—16 Tagen bedürfen und aus denen die erst mit Vorderbeinen versehenen, 12—15 mm langen Larven nicht durch ihre eigene Muskeltätigkeit, sondern passiv durch Hüllenmazeration frei werden; ferner Maculosa-Weibchen, welche auf verschiedensten Ent- wicklungsstufen stehende Larven gebären; endlich Maculosa-Weibchen, welche Vollsalamander gebären wie Atra, und zwar nur 2—7 an der Zahl, 39 bis 43 mm an der Länge und von fast schwarzer Farbe, welche Jungen, eben- falls ganz wie diejenigen von Atra, den yon den übrigen Eiern gebildeten Speisebrei verzehren. Man erhält des weiteren Atra-Weibchen, welche vollmolchgebährend bleiben wie im Naturzustande, außerdem aber Atra-Weibchen, die habituell 35—45 mm lange Larven ins Wasser gebären, und zwar in einer die normale Zwei übersteigenden Zahl (3—9). Bis zum Erscheinen der in Rede stehenden Abhandlung war es mir nur in zwei Versuchsreihen all dieser unter abweichenden Verhältnissen sich fort- pflanzenden Erdmolche gelungen, die Nachkommen der ersten Versuchs- generation zu geschlechtsreifen Tieren aufzuziehen und von ihnen abermals Nachzucht zu erlangen, nämlich erstens von den infolge Wassermangels als Vollsalamander geborenen Maculosa und zweitens von den infolge Wasser- überfluß als Larven geborenen Atra (Notabene immer von Weibchen und Männchen derselben Versuchskategorie als Elterntieren). Die von diesen Zuchten beanspruchte Mühewaltung kann nur derjenige ermessen, der selbst schon in der Pflege lebender Tiere Erfahrungen gesammelt hat; muß man doch von der Geburt der Tiere angefangen 3 % Jahre warten; bis sie geschlechtsreif werden, und wie viele hofinungsvolle Exemplare gehen noch im letzten Augen- blick infolge irgend einer ganz sekundären Ursache zugrunde. Das Zuchtmaterial, von welchem die 3. Generation der Versuchstiere (2., in Gefangenschaft geborene Generation) zu erwarten war, wurde zum Teil unter denselben Experimentalbedingungen wie die vorige Generation, zum Teil aber unter den normalen Bedingungen des Freilebens gehalten. Eine Vererbung der aufgezwungenen Fortpflanzungsveränderung hat nun in allen bisher zur Beobachtung gelangten Geburten unverkennbar stattgefunden. Bei Fortdauer der Versuchsbedingungen trat die Veränderung sofort gleich- stark oder sogar der vorigen Generation gegenüber verstärkt auf, während diese sich doch erst allmählich den neuen Modus hatte aneignen müssen. Ohne Fortdauer der Versuchsbedingungen gebaren: I. Die infolge Wasserreichtum als Larven geborenen Atra unter Benutzung des Wasserbeckens zum Geburtsakt abermals Larven, und zwar 3—5 von 2I bis 40 mm Totallänge und von vornherein guter Adaption fürs Wasserleben, eine davon nach ihrer Metamorphose gelb gesprenkelt. 2. Die infolge Wasserarmut als Vollsalamander geborenen Maculosa in den bisher erzielten Fällen stets Larven, die aber den normal geborenen in bezug auf Entwicklungsstadium weit voraus waren, um somehr, je kürzere Zeit verstrichen war zwischen der Rückversetzung in primäre Bedingungen, und der Geburt. Mit einer Ausnahme wurden jene vorgeschrittenen Larven ins Wasserbecken abgesetzt; gerade die Larven jenes einzigen Ausnahmefalles aber, wo die Geburt auf dem Lande erfolgte, waren fast gar nicht weiter ent- wickelt als normale Larven, so daß es schien, als hätte hier eine Trennung von Instinktvariation, welche vererbt wurde (Geburt außer Wasser), und morphologischer Variation, welche nicht vererbt wurde (Kleinheit der Larven) Referate. 105! stattgefunden. Doch muß mehr dahinter gesucht werden, da die Larven des in Rede stehenden Wurfes mit ihren rudimentären Kiemen (ihrer Unfähigkeit, in tiefem Wasser zu leben), walzenrundem statt dorsoventral kompressem Rumpf und langgestrecktem Schädel eine Mutation darzustellen scheinen. In der theoretischen Wertung dieser Ergebnisse habe ich betont, daß sie zwar zur Anerkennung der erblichen Wirksamkeit äußerer Einflüsse zwingen, daß aber anderseits die Ungewißheit zuzugestehen ist, ob es sich bei jenen durch die Willkür des Experimentators „erworbenen“ auch tatsächlich um „somatogene‘ Merkmale in dem strengen Sinne handelt, daß sie nicht unmittelbar physikalisch, sondern mittelbar physiologisch von den Körperzellen aus dem Keimplasma aufgeprägt wurden. Zwei Möglichkeiten für direkte Mitbeeinflussung des Germinalteiles machte ich geltend: I. osmotische Fortleitung der Feuchtigkeitsveränderung, denn dasjenige Agens, welches in meinen bisherigen Vererbungsresultaten-einzig in Betracht kommt, ist eben die Feuchtigkeit; 2. Eindringen von Wasser durch die Kloake in die Geschlechtswege. Für letztere Eventualität brachte ich als experimen- tellen Beleg bei, daß es gelingt, Spuren gefärbten Alkohols, den man in kurzen Bädern auf das Tier einwirken läßt, noch Tage nachher hoch oben im Ovidukt nachzuweisen. Meinen theoretischen Erwägungen sind in letzter Zeit zwei Einwände ge- macht worden, die zueinander in konträrem Verhältnisse stehen: der eine nämlich, von Se mon (Mneme, 2. Aufl. S. 175—177) im Sinne einer in meinen Fällen dennoch stattgefundenen Vererbung somatogener Eigenschaften, der andere, von Plate (Arch. f. Rassen- u. Gesellschaftsbiol., V, S. 120) im Sinne einer nicht bewiesenen Vererbung somatogener Eigenschaften, selbst abgesehen von den schon durch mich selbst erhobenen Einschränkungen. Semon gedenkt des Umstandes, daß die Keimdrüsen auch der land- lebenden Vertebraten stets von lymphoider Flüssigkeit umspült werden. Ob diese auf osmotischem Wege ein wenig vermehrt oder verringert werde, könne _ für die Manifestation komplizierter Instinkt- und Körpervariationen nicht von ausschlaggebender Bedeutung sein. Ferner betont Semon, daß die von Alkoholbädern hervorgerufenen Kloakenerweiterungen, die das Ein- dringen von Flüssigkeiten gestatten, für normale Vorkommnisse unbeweisend sind, umgekehrt sei durch das Nichtaufquellen der viele Amphibieneier um- gebenden Gallerte, solange jene sich noch im Ovidukt befinden, der Beweis ge- liefert, daß normalerweise kein Wasser in die Geschlechtswege eindringe. Ich kann nun zwar Fälle anführen, wo ein intrauterines Aufquellen trotz- dem stattfindet, und zwar bei Froschweibchen, die nicht rechtzeitig ein brünstiges Männchen finden, während die Eierlast in ihnen derart anschwillt, daß es ebenfalls zu einer gewaltsamen, mechanischen Ausdehnung des Kloaken- spaltes kommt. Natürlich sind derartige, vorzeitig gequollene Eier nicht mehr befruchtungsfähig. Ich erwähne diese Möglichkeit auch nur, ohne mich ihrer als Gegenargument zu bedienen, weil wir ja hier wiederum abnormale Zustände vor uns haben, wogegen bei meinen Salamandernzuchten, mochten siesich auch noch so sehr von den heute im Freileben herrschenden Fortpflanzungs- gewohnheiten unterscheiden, von pathologischen Erscheinungen nichts zu bemerken war. Nach alledem bin ich geneigt, mich Se mons Einwand zu beugen und meine eigenen Bedenken für unbegründet zu halten. Besondere Versuchsanordnungen, die eben in Arbeit stehen, werden hoffentlich in diese Fragen, soweit es die von mir ermittelten Fälle anlangt, volle Klarheit bringen. Plates Einwand lautet: „Wie das Verhalten der Tiere an den Grenz- gebieten beweist, vermag Sal. maculosa seine Larven lange im Uterus zurück- I34 Referate. zu halten, während umgekehrt Sal. atra sie auch auf einem Larvenstadium absetzen kann. Kammerer hat den Molchen daher keine neuen Eigen- schaften aufgezwungen, sondern schon vorhandene, aber in der Regel ver- borgen bleibende, zur Auslösung gebracht, und es hat sich gezeigt,.daß solche reaktivierte Anlagen die Tendenz haben, bei den Nachkommen wieder aktiv zu werden.’ „Meines Erachtens lassen sich diese Versuche nicht zugunsten der vielumstrittenen Frage deuten.“ Ich antworte ihm mit den Worten Semons („Beweise für die Er- werbung erworbener Eigenschaften“, Arch. f. Rassen- u. Gesellschaftsbiol., | IV, S. 26): „Für den Kernpunkt der vorliegenden Streitfrage ist aber die speziellere Beschaffenheit der erworbenen Eigenschaft ohne jede Bedeutung; es ist nur zu beweisen, daß sie somatogen erblich geworden ist... Wird das Keimplasma durch Leitungsreize verändert oder nicht? Das ist die Frage. Die Beschaffenheit der Veränderung aber, mag sie sich nun in dem Auftreten einer neuen oder im Wiedererscheinen einer latent gewordenen Disposition manifestieren, ist für die prinzipielle Entscheidung dieses physiologischen Problems selbstverständlich ohne jede Bedeutung.“ Außerdem ist nicht anzunehmen, daß die Dispositionen der zufällig an den Grenzgebieten lebenden Exemplare beider Salamanderarten auf alle übrigen, nicht an den Grenzen lebenden — und auch mein Versuchsmaterial stammt nicht etwa daher! — übergegangen sein sollten. Wäre somit bei der höher differenzierten Atra, wenn sie Larven zur Welt bringt, sogar an die bloße Reaktivierung atavistischer Tendenzen zu denken, so kann doch hiervon bei der weniger differenzierten Maculosa, wenn sie Vollsalamander gebiert, keine Rede sein: hier sind es wirklich neue Eigenschaften, die dem Organismus experimentell aufgeprägt und auf seine Nachkommen übertragen wurden. Eben die Reziprozität der Anpassung bei Atra einer-, Maculosa andererseits überzeugt von der Tatsache, daß es sich höchstens in einer von den beiden Reihen, keinesfalls aber in allen beiden um ein Wiedereinlenken in die Bahnen uralter Ahnen- charaktere gehandelt haben kann. Autoreferat. Guyer, M. F., Do offspring inherit equally from each parent? Science, N.S. Vol. 25, 1907, S. I006—IOIO0. Es ist nach Verfasser wahrscheinlich, daß die Grundzüge der Entwicklung eines Individuums nur vom Ei bestimmt werden (siehe die Versuche von Driesch). Daraus folge, daß ein Nachkomme von seinen beiden Eltern nicht gleichmäßig erbt. Sieht man nun die Chromosomen als die ausschließ- lichen Vererbungsträger an, so läßt sich mit der genannten Tatsache das nicht vereinigen, daß ein Kind von seinen beiden Eltern nach Zahl und Beschaffenheit gleiche Chromosomen erhält. Verfasser gibt nun eine andere Erklärung für die Bedeutung der Chromosomen: Jede Art hat ihr spezifisches Zellplasma und ihre spezifischen Chromosomen. Plasma wie Chromosomen der Geschlechtszellen sind Vererbungsträger; ersteres bestimmt die kon- stanteren Grundmerkmale der Art, letztere die varıableren und individuellen. Bei dieser Auffassung ist auch verständlich, warum die Chromosomenzahl bei naheverwandten Arten so verschieden sein kann. — Verf. möchte mit dieser Hypothese vor allem folgendes zeigen: Faßt man die Chromosomen nicht als die ausschließlichen Vererbungsträger auf, so bedingt die Tatsache, daß ein Nachkomme von seinen beiden Eltern gleich viel Chromatin erhält, nicht, daß er auch von ihnen gleich viel erbt. Schleip- Freiburg. Referate. 135 Conelin, G. E., The mechanism of heredity. Science, N.S. Vol. 27, 1908, p- 8999. Zu einem ganz ähnlichen Resultat wie GuyerkommtauchConclin, wenn auch auf einem etwas anderen Wege. Ausgehend von einer Erörterung des Begriffes Vererbung sieht er die Ursachen der Vererbung als gleich- bedeutend mit den Ursachen der individuellen Entwicklung an und im wesentlichen gegeben in der ursprünglichen Beschaffenheit der befruchteten Eizelle. Die Annahme eines Keimplasmas, das wesentlich verschieden ist von dem Plasma der jungen Keimzelle überhaupt, sei unnötig. Die Ent- wicklung, also auch die Vererbung besteht darin, daß in der Eizelle ,,un- gleiche‘, vorher nicht vorhandene Substanzen auftreten und in bestimmter Weise lokalisiert werden. Ihre Entstehung, die sehr frühzeitig im Ei erfolgen kann und die im genaueren nicht bekannt ist, beruht wohl auf einer Wechsel- wirkung zwischen Kern und Plasma. Dagegen spielt bei ihrer Lokalisation der Kern eine minderwichtige Rolle als das Protoplasma. Jedenfalls folgt daraus, daß sowohl das Protoplasma als auch der Kern der Keimzellen beim Vererbungsmechanismus beteiligt sind. Die andere Auffassung, daß die Chromosomen die ausschließlichen Vererbungsträger sind, ist unhaltbar. Zahlreiche Beobachtungen über die Beziehungen der Lage der sog. organ- bildenden Substanzen im Ei zur späteren Lage bestimmter Organe, über die Beziehungen des symmetrischen oder auch assymetrischen Baues des Eies zu der Grundform des daraus entstehenden Tieres u. a. führen Verf. zu der, übrigens schon von Boveri geäußerten Auffassung, daß die Grundzüge des Organismus schon bestimmt sind durch den Bau des Eiplasmas. Aus den Bastardierungsversuchen von Boveri, Loeb und Godlewsky zieht Verf. ferner wie Guyer den Schluß, daß die Grundzüge der Entwick- lung nur vom Eiplasma bestimmt werden, während von dem Spermatozoon und dem Eikern nur die Einzelheiten der Entwicklung abhängen. — Schon früher hatte Verf. hervor gehoben, daß diese Auffassung nicht ohne Be- deutung ist für die Erklärung der Stammesentwicklung: eine geringe Variation in der Lage der organbildenden Substanzen im Ei muß tiefgreifende Ver- änderungen des erwachsenen Tieres zur Folge haben. Schleip - Freiburg. Hagmann, G. Dr., Die Landsäugetiere der Insel Mexiana. Als Beispiel der Einwirkung der Isolation auf die Umbildung der Arten. In: Archiv für Rassen- und Gesellschafts-Biologie. 5. Jahrg. ı. Heft. p. 1-31. Mit 2 Tafeln und 6 Textfiguren. Verf. hat das vorliegende Material während eines 11/2 jährigen Aufenthalts auf Mexiana, einer Insel in der Mündung des Amazonenstroms selbst ge- sammelt. Nach einer Aufzählung der Fauna der Insel selbst, der benachbarten Inseln Marajö und Cavianna und des Festlandes folgt eine eingehende topo- graphische Beschreibung. Da die Strömung so stark ist, daß mit Ausnahme des Tapirs und Wasser- schweins kein Säugetier die Insel schwimmend erreichen kann, so macht das Vorhandensein größerer Säugetiere die Annahme bedeutender orographischer Veränderungen nötig. Auf Marajé ist es allgemein bekannt, daß die Nordseite jährlich durch Brandung viel Land verliert. Ähnliches konnte Verf. auf Mexiana selbst beobachten. Es mögen also die Inseln früher Gujana näher gelegen sein und von dort ihre Fauna erhalten haben. Auf jeden Fall ist exiana nunmehr so lange vom Festland getrennt, daß an seiner Fauna gut die Wirkung der Isolierung studiert werden kann. 136 Referate. Im Verlauf der mit außerordentlicher Sorgfalt durchgeführten Unter- suchungen kommt Verfasser an der Hand zahlreicher Maßtabellen zu der Überzeugung, daß die Mexianaformen durchgehends kleiner geworden sind als die des Festlandes. Aber auch andere Veränderungen lassen sich konstatieren, bei den Jaguaren z. B. eine flachere Nasenpartie und dementsprechend schmälere Nasenbeine, bei den Hirschen andere Stellung und anderer Ansatz der Geweihe, dies wird durch 4 Zeichnungen hübsch illustriert. Der Nasenbär hat ein absolut und relativ stärkeres Gebiß als der des Festlandes. Der Tapir- schädel ist besonders stark verändert. Er ist breiter, der Hirnschädel bauchiger, die Profillinie eine andere geworden als bei der Form des Südens, selbst Ober- und Zwischenkiefer haben Änderungen erfahren. Dazu kommen natür- lich noch andere Unterschiede. Es soll das Angeführte nur zeigen, in welch sorgfältiger und eingehender Weise Verf. sein Material durchgearbeitet hat. Alle diese für jede Art konstanten Unterschiede haben Hagmann veranlaßt, eine besondere Lokalrasse für Mexiana anzunehmen, die er dann jedesmal als var. mexianae unterscheidet. Außerdem finden sich bei allen Tierarten der Insel auffallend viel Zahn- anomalien. Unter den 34 Hirschschädeln haben 7 überzählige Zähne. Als besonders interessant mögen noch Zahnanomalien bei Coelogenys und bei dem Faultier hervorgehoben werden. Bei den Hirschen zeigen sich noch vielfach Spuren überstandener Erkrankungen, Periostitis usw. Dieses schiebt Verf. auf die verderblichen Folgen der Inzucht, die das Gefüge lockern. Auf Grund seines Materials kommt Hagmann zu dem Resultat, daß Inseln neue Formen bilden können, daß aber bei langer Dauer vollständiger Isolation infolge der nachteiligen Wirkung der Inzucht eine Degeneration ein- tritt, wie bei den Mexianahirschen, die schließlich zum Aussterben führt. Letztere Ansicht kann Ref. nicht teilen. Es sind die Ansichten der Tier- züchter über die Wirkung der Inzucht noch sehr geteilt. Und eine neue und in ihren Charakteren nochschwankende Haustierrasse wirdgerade durch Inzucht oder Inzestzucht gefestigt, die also in diesem Falle nicht Gefüge lockernd, sondern Gefüge festigend wirkt. Es lassen sich übrigens die Zahnanomalien und Krankheitserscheinungen auch aus einer allgemeinen Variabilität der Tiere und weniger strengen Auslese infolge verminderten Kampfes ums Dasein erklären. Schließlich ist noch darauf aufmerksam zu machen, daß Verf. seine Aus- beute hauptsächlich mit Tieren aus dem Süden des Amazonenstroms verglich; während nach seiner eigenen Ansicht die Fauna Mexianas aus Gujana, also dem Norden stammt. Doch mag ihm daher wohl das nötige Material gefehlt haben. Davon abgesehen ist die Arbeit ein sehr wertvoller Beitrag für unsere Erkenntnis der Wirkung der Isolation, da wohl hier zum erstenmal ein größeres Material aus einem kleinen abgeschlossenen Gebiet untersucht wird. Und so mag die Arbeit zu mannigfachen weiteren Untersuchungen anregen. Es wäre sehr interessant, z. B. die Veränderung, die H ag mann konstatiert hat, auch einmal mit denen zu vergleichen, die junge wilde Tier beim Aufwachsen in der Gefangenschaft erleiden. Es scheinen sich da manche Vergleichspunkte zu ergeben, z. B. die geringe Größe, die Periostitis, die stark geknickte Profillinie des Tapirs mit derselben Erscheinung bei Schweinen, die Zahnanomalien bei Haustieren u. a.m. Nur ist das Material dafür schwer zu beschaffen, da be- dauerlicherweise viele Sammlungen überhaupt keine Tiere aus Tiergärten nehmen und die schon vorhandenen sogar ausmerzen. Hilzheimer- Stuttgart. Referate. 137. Wheldale, M. Miss, The Inheritance of Flower Colour in Antirrhinum majus. Proc Roy soe, bao) 7007. Ss: 288: Die Verf. hatte schon auf der letzten Hybrid-Konferenz in London über ihre Antirrhinum-Kreuzungen berichtet und veröffentlicht jetzt eine Reihe von Untersuchungen über die Erblichkeitsverhältnisse einiger der häufigsten Farbenrassen dieser so ungemein vielförmigen Art. Die untersuchten Farbenrassen sind: weiß, elfenbeinfarbig *) (ivory), gelb, magentarot und feurigrot (crimson); die letzten beiden Kategorien auch ın der Delilaform, d. h. mit elfenbeinfarbiger Röhre. Verf. kommt zu dem Resultat, vier unabhängig mendelnde Faktoren zu unterscheiden, nämlich: I. Yein Faktor, der gelbe Farben in den Lippen und elfenbeinfarbige Röhre bedingt; ; 2. J ein Faktor, der das durch Y bedingte Gelb der Lippen in elfenbein- farbig modifiziert; 3. L ein Faktor, der das Auftreten roter Farbe in den Lippen und 4. T ein Faktor, der das Auftreten roter Farbe in der Röhre bedingt. Alle Pflanzen, die Y nicht enthalten, blühen weiß, auch wenn im übrigen die Faktoren J, L, T vorhanden sind. Der Faktor T bleibt wirkungslos, wenn nicht auch gleichzeitig L vorhanden ist. Feurigrot kommt zustande durch Zusammentreffen von Gelb und Magenta in den Lippen, also in Pflanzen, die Y und L, aber nicht J enthalten. Magentarot tritt dagegen auf in Pflanzen, welche Y, L und J enthalten. Auf Grund dieser Feststellung läßt sich eine lange Reihe von Kreuzungs- ergebnissen glatt verstehen. Im einzelnen kann aber über diese interessanten Versuche in einem kurzen Referat nicht berichtet werden, zumal Verf. ohnehin schon über ihre Versuche in sehr erfreulicher Kürze und Knappheit berichtet hat. Von Interesse ist z. B., daß, wie tatsächlich beobachtet, eine Kreuzung von weißen mit gelben Individuen eine magenta delila F 1 ergeben kann (Weiß von der Formel y J LTxGelb Yilt, wenn die kleinen Buchstaben das Fehlen der betreffenden Faktoren bedeuten). Neues Licht werfen die Versuche der Verf. auch auf die Beobachtungen von de Vries über Kreuzung von fleisch- farbigen mit magentadelila Individuen. Die Deutung, die de Vries seinen Befunden gegeben hat, ist jetzt wesentlich zu modifizieren. Im einzelnen muß aber auch in dieser Frage auf die Originalarbeit verwiesen werden, die doch jeder, der auf diesen Gebieten arbeitet, einsehen muß. Baur. E. Strasburger, Chromosomenzahlen, Plasmastrukturen, Vererbungsträger und Reduktionsteilung. Jahrb. f. wiss. Botanik, 14 H. 4. 1908. Noch immer ist die Frage nach der Individualität der Chromosomen Gegenstand lebhafter Diskussion, und Fick kommt in seiner eingehenden kritischen Arbeit ,,Vererbungsfragen‘‘ usw. zu dem Schluß, „daß weder theoretische noch sachliche Beweise für die Erhaltungslehre vorliegen, sondern daß im Gegenteil unwiderlegliche sachliche Beweise gegen sie vorhanden sind". Zu den vielen Kontroversen in dieser Frage hat wohl auch der Umstand bei- getragen, daß die verschiedenen Anhänger der Individualitätshypothese eigentlich noch nicht darüber einig sind, was von den Chromosomen erhalten bleibt, ob das Chromatin oder Linin oder irgend ein anderer Bestandteil der Chromosomen. Andererseits ist es klar, daß die Gründe, die von verschiedenen Seiten gegen die Hypothese angeführt werden, erst auf ihre Stichhaltigkeit *) In Deutschland ebenfalls als A. m. album im Handel. 138 Referate. geprüft werden müssen. Die vorliegende Arbeit von Strasburger stellt auch eine solche unbedingt notwendige kritische Untersuchung einiger der als Beweise angeführten Fälle dar, und er hat dadurch in sehr klarer Weise zeigen können, daß wenigstens einer dieser Beweise bei näherer Prüfung nicht nur nichts gegen die Individualitätshypothese beweist, sondern im Gegenteil eine sehr schöne Bestätigung derselben ausmacht. Schon 1882 machte Guignard die Beobachtung, daß im Embryosack von Lilium die Kerne in dem oberen und unteren Teil desselben ungleiche Anzahl von Chromosomen aufwiesen, daß m. a. W. im unteren Teil eine spon- tane Vermehrung der Chromosomenzahl sogar bis auf das Doppelte und mehr stattfinden konnte. Diese Angabe konnte allerdings damals nicht sonderlich auffallen, da zu jener Zeit die Hypothese von der Erhaltung der Chromosomen noch nicht die Bedeutung erworben hatte wie jetzt. Spätere Untersuchungen haben für einige andere Pflanzen die genannte Angabe bestätigen können, und jetzt wird diese Tatsache häufig als einer der Beweise gegen die Richtig- keit der Individualitätshypothese angeführt. Der Bildung des Embryosackes der Angiospermen geht gewöhnlich eine Tetradenteilung der Embryosackmutterzelle voraus. Bei diesen Teilungen ist die erste die heterotypische oder Reduktionsteilung, wo also die gepaarten Chromosomen sich in Einzelchromosomen trennen, um die Tochterkerne zu konstituieren. Die zweite Teilung ist die sog. homöotypische, die schon während der Anaphasen der ersten Teilung vorbereitet wird, indem dort die Einzel- chromosomen auf dem Wege zu den Polen gewöhnlich längsgespaltet werden. Diese Längsspaltung stellt auch zugleich die Teilungsebene der Chromosomen in der folgenden homöotypischen Teilung dar. Hierdurch wird eine Reihe von vier Zellen gebildet, deren unterste die Embryosackzelle konstituiert. Ausnahmen von diesem Schema kommen allerdings vor. Bei Lilium kommt es nicht zu einer Zerlegung der Embryosackzelle in vier Zellen, sondern diese Zelle stellt nach Erreichung des 8-Kernstadiums ohne weiteres den fertigen Embryosack dar. Die zwei ersten Teilungen der Embryosackzelle entsprechen dann der Reduktionsteilung und der homöotypischen Teilung, für welche letztere charakteristisch war, daß die Chromosomen schon in den frühesten Prophasen längsgespaltet auftreten. Die Chromosomen zeigen bei Lilium oft V-förmige Gestalt, wobei die Schenkel an dem einen Ende weit voneinander abstehen, an dem anderen noch miteinander verbunden sind. Strasburger fand nun, daß die Doppelchromosomen des oberen Kerns in der Metaphase der homöotypischen Teilung in gewöhnlicher Weise in Einzelchromosomen zerlegt werden, die zu entgegengesetzten Polen gelangen. Im unteren Teil fand dagegen Strasburger, daß die Teile der Doppel- chromosomen oft schon in der Kernhöhle sich voneinander trennen und dem- nach sich als Einzelchromosomen in die homöotypische Kernspindel einfügen. Die beiden Kernspindeln unterscheiden sich auch schon äußerlich vonein- ander dadurch, daß die Chromosomen der oberen viel dicker sind als die der unteren. Die Einzelchromosomen der unteren Spindelfigur zeigen zugleich eine Längsspaltung, die sich typisch erst in der folgenden Kernteilung zeigen sollte. Die Chromosomenzahl der unteren Spindelfiguren mußte infolge dieser Bildungs- weise entsprechend größer sein als in den oberen. Wenn alle Doppelchromo- somen aus der Metaphase der ersten Teilung in dieser Weise geteilt werden und als Einzelchromosomen in der homöotypischen Kernplatte vorkommen, so ist die Chromosomenzahl des unteren Kerns doppelt so groß wie die des oberen, doch zeigten sich oft einige Chromosomen in der homöotypischen Spindelfigur viel dicker als die übrigen, welch erstere also in den vorhergehenden Prophasen nicht in Einzelchromosomen zerlegt wurden. Referate 139 Das Angeführte mag genügen, um zu zeigen, daß die auffallende Ver- mehrung der Chromosomen in Lilium sehr gut mit der Erhaltungshypothese vereinbar ist. In seiner Arbeit geht Strasburger auch auf die so viel diskutierte Frage nach dem Vererbungsmonopol des Kerns ein. Botanischerseits ist schon oft hiergegen angeführt worden, daß in den Pollenzellen die generativen Kerne von Eigenplasma umgeben und demnach die befruchtenden Elemente Zellen und nicht nur Kerne sind. Verschiedene Forscher haben überdies nachgewiesen, daß Plasma von dem Pollenschlauch wenigstens in die Synergiden entleert wird und möglicherweise auch in die Eizelle gelangen kann. Letzteres ist jedoch nirgends mit Sicherheit beobachtet worden. Strasburger findet nun, wie schon früher Körnicke, daß die beiden generativen Kerne im Pollenschlauch ganz ohne Eigenplasma auftreten und als freie Kerne im Zytoplasma des Pollenschlauchs liegen. Plasma von den generativen Zellen kann also nicht dem Embryosack zugeführt werden, sondern wenn überhaupt Plasma in die Synergiden gelangt, so muß es von dem zytoplasmatischen Inhalt des Pollenschlauches herstammen. Strasburger meint auch, daß die ganze Bildungsweise der Pollen- zellen und das Verhalten ihrer Protoplasmen im Pollenschlauch gegen ihre Qualifikation als Vererbungselemente sprächen. Sehr wahrscheinlich ist wohl eine solche Übertragung von Protoplasma nicht. Es ließe sich mit Recht fragen, wie auch Strasburger hervorhebt: wozu alle die komplizierten Vorgänge bei jeder Kernteilung, die augenscheinlich dahin zielen, völlig gleiche Teilungsprodukte der Chromosomen herzustellen, wozu die be- sonderen Einrichtungen der Reduktionsteilung usw., wenn das Zytoplasma entsprechenden Anforderungen in so einfacher Weise genügen könnte? Andererseits können die Gegner des Vererbungsmonopols einwenden, daß, wenn auch jetzt keine fürsorgliche Scheidung der Protoplasmen bei der Teilung der Pollenmutterzellen morphologisch mit den jetzigen Hilfsmitteln nachweisbar ist, eine solche doch jedenfalls bestehen könnte. Für die weiteren sehr. interessanten Ausführungen des Verf. zur Frage der Mitbeteiligung des Protoplasmas an der Vererbung muß auf die Arbeit selbst verwiesen werden. Ebenso betreffs seiner Besprechung der verschiedenen Ansichten über die Reduktionsteilungsphasen. Ref. möchte nur auf einen Punkt hinweisen, nämlich betreffs der von Strasburger und seinen Schülern begründeten Gamosomentheorie. Strasburger bemerkt, daß sicher bei vielen Pflanzen in den prosynaptischen Phasen Gamosomen auf- treten, daß aber andererseits bei anderen Pilanzen die Verhältnisse so liegen könnten, wie Grégoire u. a. meinen, und daß diese Verschiedenheit viel- leicht damitim Zusammenhang stehe, daß in den ruhenden vegetativen Kernen vieler Pflanzen ebenso sicher sog. Prochromosomen wahrgenommen werden können, wie solche Gebilde bei anderen Pflanzen erwiesenermaßen nicht auftreten. O. Rosenberg. Winkler, H, Über Pfropfbastarde und pflanzliche Chimären. Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellschaft. 25. 1907. S. 568. Verfasser berichtet kurz über das eigentümliche Doppelwesen, die „Chimäre“, von Solanum nigrum und S. Lycopersicum, das er schon auf der Dresdener Versammlung der Deutschen Botanischen Gesellschaft demonstriert hatte. In der Absicht, Pfropfbastarde zu erzeugen, hatte Verf. Solaneen- pfropfungen in großer Zahl ausgeführt und nach einiger Zeit die Pflanzen quer durch die Verwachsungsstelle hindurch abgeschnitten. Es wurden dann 140 Referate. zahlreiche adventive Vegetationspunkte von dem Wundcallus gebildet und aus einem derartigen adventiven Vegetationspunkte, dergeradeaufder Grenze der beiden Pfropfsymbionten (Solanum nigrum und (S Lycopersicum) entstanden war, wurde ein Sproß, der auf der einen Seite rein Solanum nigrum, auf der anderen rein Solanum Lycopersicum war. Blätter, die auf der Grenze inserierten, waren auf dem einen Teile der Spreite und des Stieles völlig Solanum nigrum, auf dem andern völlig S. Lyco- persicum. Über die Deutung dieser Erscheinung kann kein Zweifel bestehen, der Vegetationspunkt dieses Chimärensprosses muß zusammengesetzt sein aus zweierlei Zellen, er muß auf der einen Seite aus Zellen von S. nigrum, auf der andern aus Zellen von S. Lycopersicum bestehen. Ob dieses zweifellos in mannigfacher Hinsicht hochinteressante Gebilde, wie Verf. annimmt, auch geeignet ist, ein Licht auf die Entstehung der Pfropf- bastarde zu werfen, möchte Ref. dahingestellt lassen. Bei den Pfropfbastarden muß doch wohl schon die einzelne Z e 1] e ein Doppelwesen sein, Bastardnatur haben, die Annahme eines mosaikartig aus Zellen verschiedener Herkunft zusammengesetzten Vegetationspunktes genügt nicht, um die Pfropfbastarde verständlich zu machen, darüber ist ja zu Dresden sehr lebhaft diskutiert worden. Ein Analogiefall zu dr Winklerschen Pfropfchimäre ist vielleicht in einem 1786 in Amsterdam anonym erschienenen Buche, betitelt ‚Des Jacinthes beschrieben. Hyazinthenzwiebeln wurden der Länge nach durch- schnitten und dann derartige halbe Zwiebeln mit Hälften von Zwiebeln anders- gefärbter Hyazinthenrassen vereinigt und zur Verwachsung gebracht. Auch hier wurden wohl gemischte Vegetationspunkte gebildet, es entstanden nämlich hier und da Blütenstände, die auf der einen Seite blaue, auf der andern weiße und auf der Grenze zusammengesetzte Blüten trugen. Der Versuch ist seither freilich — auch mehrfach vom Ref. — nachgemacht worden, aber stets ohne Erfolg. Wahrscheinlich unterblieb die Bildung eines Doppelvegetationspunktes aber hierbei nur deshalb, weil die Operation in allen Fällen zu spät ausgeführt wurde, zu einer Zeit, wo die Blüten in den Zwiebeln schon zu weit entwickelt waren. Baur. Edler, W. Ein Beitrag zur Frage des Vorkommens von Pfropfmischlingen. Fühlings Landwirtsch. Zeit. 57. 1908. S. 170. Rübenpfropfungen waren zur Gewinnung von möglichst viel Saatgut von einer bestimmten ausgesuchten Eliterübe einige Jahre lang sehr viel angewendet worden, und dabei glaubten vielfach Praktiker einen Einfluß der als Unterlage verwendeten Rübe auf die Nachkommenschaft des darauf gepfropften Sprosses konstatieren zu können. Verf. hat hierüber systematische Versuche durchgeführt. Es wurden Sprosse von Zuckerrüben auf rote Salatrüben gepfropft und umgekehrt. Eine gegenseitige Beeinflussung der beiden Pfropfsymbionten ließ sich zunächst nicht feststellen, die Grenze zwischen dem dunkelrot gefärbten Gewebe des einen Symbionten und dem hellen des andern blieb scharf erkennbar, auch im Zuwachs. — Dagegen glaubt auch Verf. einen deutlichen Einfluß der Unterlage auf die Nachkommenschaft des Pfropf- reises konstatieren zu können. Es zeigte sich nämlich z. B., daß von den Sämlingen einer Zuckerrübe, die auf eine rote Salatrübe gepfropft war, rund 71 % rein hell wie die Zuckerrübe, 28 % deutlich rötlich und 0,6 % rot gefärbt waren, waren, während sonst die zu den betreffenden Versuchen ver- Referate. I4I wendete Zuckerrübenrasse keine roten oder deutlich rötlichen Keim- pflanzen ergibt. Es liegt natürlich nahe, an den Einfluß einer Befruchtung der betreffenden Zuckerrübenpflanze mit Pollen anderer rötlicher oder roter Rübenrassen zu denken, aber Verf. hat alle Vorsichtsmaßregeln angewendet. Dagegen vermißt Ref. präzise Angaben darüber, ob auch wirklich das Zuckerrüben- individuum, das zu diesen Versuchen gedient hat, nicht auch schon in seinen ungepfropften Sprossen einen gewissen Prozentsatz gefärbter Nachkommen zu ergeben pflegte. Verf. macht nur Angaben über die Rasse zu der das betreffende Individuum gehörte. Ehe nicht dieser Punkt völlig klar gelegt ist, sind die Versuche nicht beweisend. Sollten aber wirklich ganz einwandsfrei durchgeführte Versuche eine derartige Beeinflussung ergeben, dann wären sie freilich von der denkbar größten theoretischen Bedeutung. . Baur. E. v. Tschermak. Die Kreuzungszüchtung des Getreides und die Frage nach den Ursachen der Mutation. Monatshefte f. Landwirtschaft 1908. Heft ı. S. 24—31. Neben den allgemeiner bekannten Verhältnissen bei den Kreuzungen weist der Verf. darauf hin, daß viele von den neuen in den Handel gebrachten Kreuzungen der Getreide Rückschläge in die Stammformen aufweisen und somit mit bezug auf das Verhalten einzelner Merkmale kryptomer sind. Auch das Auftreten erblicher Eigenschaften nach Frostwirkungen, wie es A r nim - Schlagenthin beim Square-head-Weizen beobachtete, muB als ein Riickschlag aufgefaBt werden. Die Ursachen dieser Mutationen sind in Wachstumsstörungen zu suchen, durch die ein latent gebliebenes Merkmal wieder aktiv wird. ,,Neigung zum Mutieren, beziehungsweise zu sog. Riick- schlage, darf zunächst den Verdacht auf die Bastardnatur oder genauer Kryptohybridnatur der betreffenden Pflanzenform erwecken.“ H. C. Schellenberg. C. Fruwirth. Untersuchungen über den Erfolg und die zweckmäßigste Art der Durehführung von Veredlungsauslese- Züchtung bei Pflanzen mit Selbstbefruchtung. Archiv f. Rassen- und Gesellschafts-Biologie 1907 umd separat p. I—59. — — Einmalige oder fortgesetzte Auslese bei Individualauslese- Züchtung von Getreide und Hülsenfrüchten. Zeitschrift f. das landwirtschaftliche Versuchswesen in Österreich 1907. Heft 5, p. 477—531. Die beiden Arbeiten behandeln den Erfolg der Auslese mit besonderer Rücksicht auf die praktische Züchtung. In der ersten wird als Einleitung eine Übersicht über die verschiedenen Verfahren der Züchtung landwirt- schaftlicher Kulturpflanzen gegeben. Als Veredelungsauslese-Züchtung bezeichnet der Verfasser die Auswahl innerhalb der kleinen individuellen Variabilität. Seine Untersuchungen, die sich bei der Erbse auf das Korn- gewicht, die Zahl der Körner, die Zahl der Hülsen beziehen, bei der Gerste auf die Ährendichte, bestätigen das Ergebnis Johannsens, daß innerhalb der reinen Linie die Auslese das Mittel des Ausmaßes einer Eigenschaft nicht ändert. Das gleiche Resultat zeigt sich bei der Zusammenstellung der Unter- suchungen von Krarup über den Fettgehalt des Hafers. Durch Hinauf- oder Herabzüchten gelang es nicht, den Fettgehalt wesentlich zu ändern. Bei Pflanzen mit Selbstbefruchtung gibt die Veredlungsauslese somit Trennung 142 Referate. der einzelnen Linien; bei Pflanzen mit Fremdbefruchtung wird nur eine fortgesetzte Auslese zum gleichen Ziele führen. - Trotzdem empfiehlt der Verfasser auch bei Pflanzen mit Selbstbefruchtung „ständige Fortsetzung“ der Auslese im Gegensatz zude VriesundJohannsen, weil innerhalb der reinen Linie gelegentlich Mutationen auftreten können, auch Bastar- dierungen infolge Fremdbefruchtung nicht ausgeschlossen sind und die Sicherheit in der Beurteilung der Auslese nur gewinnt. Das weitere Argument des Verfassers, daß ,,die Unmöglichkeit des Erfolges der Auslese in reinen Linien nicht erwiesen ist,‘ dürfte durch die Untersuchungen Johannsens und der Saatzuchtanstalt Svalöf in genügendem Maße widerlegt sein. In der zweiten Arbeit, die nach des Verfassers eigener Ansicht nur die Fortsetzung der erstern sein soll, werden aus der landwirtschaftlichen Tages- literatur und der bereits anderorts vom Verfasser veröffentlichten Beispiele Materialien zusammengetragen, um zu zeigen, daß einzig die Fortsetzung der Auslese bei den verschiedenen Züchtungsmodalitäten zum Konstant- machen einer Züchtung führt. Nur unter besonders günstigen Verhältnissen kann bereits eine einmalige Auslese zum gleichen Ziele führen, wie das in seinem näher ausgeführten Beispiele von Triticum compactum (Tyroler Kölbelweizen) sehr schön hervortritt. Dieses Hauptergebnis richtet sich namentlich gegen de Vries, der betont, daß eigentlich die einmalige Auslese genüge, um die Linien voneinander zu trennen. Die Argumente hierfür sind die gleichen wie in der ersten Arbeit, nur daß versucht wird, auf breiterer Basis für die verschiedenen Züchtungsformen den Satz zu stützen. Besonders beachtenswert ist die Geschichte der Ausleseverfahren, wo manche wertvolle Details zu finden sind. EHS@=Srchhreillemybrerge? H. C. Schellenberg: Der Abbau der Sorten und seine Bedeutung für die Land- wirtschaft. Mitteilungen der Gesellschaft schweiz. Landwirte 1907. Der Verfasser bekennt sich im vorliegenden Referate zu der Ansicht, daß die Sorten bei unsern Obstbäumen, Weinreben, Kartoffeln und anderen Kulturpflanzen sich nicht ewig nur auf vegetativem Wege vermehren lassen, sondern daß die Sorten wie ein anderes Individuum eine beschränkte Lebens- zeit besitzen und infolge davon nach gewissen Zeiten in der Kultur die Er- scheinungen des Alterns aufweisen. Jede Sorte ist aus einer Befruchtung hervorgegangen; alles was zu einer Sorte gehört, ist im physiologischen Sinn ein Individuum, das nur durch die vegetative Vermehrung geteilt wurde; alles das besitzt gleiche Lebenseigenschaften und gleiches Alter. Daß dieses Alter aber auch bei allen Teilen zu konstatieren ist, zeigt das verschiedene Verhalten der Pfropfreiser, wenn diese von jungen und alten Sorten auf die gleiche Unterlage versetzt werden. Ebenso ist der gleiche Unterschied bei Stockausschlägen von jungen und alten Bäumen zu konstatieren. In beiden Fällen entspricht die Blüten- und Fruchtbildung dem Alter des In- dividuums (Sorte) und nicht dem Alter des Sprosses. Aus dieser Auffassung der Sorten folgert der Verfasser weiter, daß diese Sorten nicht älter sein werden als die ältesten Bäume der betreffenden Spezies. Dafür wird besonders für den Apfel- und Birnbaum eine Menge historischen Materiales beigebracht. Als wichtigste Erscheinung des Alterns wird der Nachlaß der Wachstumsenergie hingestellt, aus welcher sich die Beziehungen zur Blüten- und Fruchtbildung und auch zu einzelnen Pflanzenkrankheiten leicht nachweisen lassen. Alte Sorten zeigen Nachlaß des Wachstums, reichliche Blütenbildung, aber schlechte Ernährung der jungen Früchte, deswegen massenhaftes Abfallen unreifer Früchte bei hinzutretenden Er- nährungsstörungen und wenig vollkommene Ausbildung der einzelnen Früchte. Referate. 143 Durch Aufpfropfen alter Sorten auf junge kräftige Unterlagen können diese Nachteile nicht aufgehoben werden. In der Landwirtschaft zwingt die Verminderung der Erträge und nament- lich der Sicherheit der Erträge zum Verlassen der alten Sorten, selbst wenn diese sonst vorzügliche Eigensch ıften besessen haben und man wartet nicht, bis das Absterben der Sorten durch das Alter eintritt. Alle als ertragreich gerühmten Sorten sind relativ jungen Datums, denn nur sie zeigen kräftiges Wachstum und große Sicherheit in den Erträgen. Die Sätze sucht der Verfasser auch für die Weinrebe zu beweisen. Dort ist aber ein hohes Sortenalter vorhanden, das nach den Ermittlungen aber nicht 1000 Jahre überschreiten dürfte, eine Zahl, die nichts Außergewöhnliches bietet, wenn man bedenkt, daß Eichen bis 1400 Jahre und die Sequoia gigantea 2000 Jahre alt werden kann. Auf die Folgerungen, die der Verfasser für die landwirtschaftliche Praxis, besonders den Obstbau aus diesen Verhältnissen zieht, soll nicht näher einge- gangen werden. HAC. sic hel Kem be ne Schlosser, Beitrag zur Osteologie und systematischen Stellung der Gattung Necrolemur, sowie zur Stammesgeschichte der Primaten iiberhaupt. Neues Jahrb. für Mineralogie, Festband 1907, p. 197—226. 1 Taf. Schon in seiner früheren grundlegenden Arbeit über die Primaten hatte der Verfasser, als nur Kiefer- und Schädelfragmente von Necrolemus bekannt waren, diese oligocäne Gattung auf Grund des Gebisses in die Verwandt- schaft der rezenten Gattung Tarsius gestellt. Tarsius steht ja in vieler Be- ziehung durch eigenartig spezialisierte Merkmale abseits von den Lemuroiden. Diese Merkmale bestehen, soweit sie das Skelett betreffen, besonders in der enormen Vergrößerung der Orbita und Verlagerung des Hinterhauptloches auf die Unterseite des Schädels, ferner in der Ausbildung der hinteren Extremität, an welcher neben enormer Streckung des Femur und Calcaneus die Verwachsung von Fibula und Tibia in der distalen Partie als eine unter den Primaten einzigartige Ausbildung dasteht. Die entsprechenden Knochen von Necrolemur zeigen nun eine über- raschende Ähnlichkeit, und zwar fällt besonders die hochgradige Überein- stimmung in der Ausbildung von Tibia und Fibula auf, an welchen die Spezialisierung einen ähnlichen Grad erreicht hat, wie bei der rezenten Form. Femur und Calcaneus sind, wenn auch im übrigen ähnlich, nicht so stark ge- streckt, also primitiver. _ Diese überraschende Ähnlichkeit im Extremitätenbau sind als Zeichen von wirklicher Verwandtschaft aufzufassen. Der Schädelbau, der bei Necro- lemur wesentlich geringere Spezialisierung aufweist, läßt eine Ableitung des Schädels von Tarsius von dem von Necrolemur als möglich erscheinen. Da- gegen glaubt Verf. trotz der engen Beziehungen in Necrolemur nicht den direkten Vorfahren von Tarsius sehen zu dürfen, und zwar gründet er diese Ansicht auf Merkmale des Gebisses. In der Zahnzahl unterscheidet sich Necrolemur von Tarsius durch den Besitz von 4 gegen 3 Prämolaren, ist also rimitiver. Im Bau der Inzisiven dagegen — der einzig persistierende I. des nterkiefers von Tarsius ist größer als der von Necrolemur — und im Bau der Prämolaren und Molaren des Unterkiefers sieht Schlosser bei Necrolemur größere Differenzierung von Necrolemur gegenüber Tarsius. Wie dem auch sein mag, es ist für phylogenetische Betrachtungen ein hochwichtiges Ergebnis, daß sich zu einer im Schädel- und Extremitätenbau eigenartig spezialisierten rezenten Primatenform, bereits im Oligocän nah verwandte Typen einstellen, bei welchen die charakteristischen Merkmale 144 Referate. der rezenten Form besonders im Extremitäten- und Kieferbau — weniger im Bau des Schädels — bereits in hohem Grad erreicht sind. Es liegt außerordent- lich nahe, an ein Analogon in der Entwicklung des Menschen zu denken. Die zum Schluß gegebene Systematik der Primaten entspricht dem heutigen Stande unserer Kenntnisse. Nach den Hinweisen des Verf. scheint es keinem Zweifel zu unterliegen, daß sich die Vorläufer der verschiedenen rezenten Familien als im älteren Tertiär getrennt nachweisen lassen. K. Deninger. Charles Depéret, Les transformations du monde animal. (Bibliothéque de philosophie scientifique. Paris. E. Flammarion.) 1907. 358 S. Trotzdem die deutsche Literatur reich ist an -wissenschaftlichen halb- und ganzpopulären Büchern und Schriften über die Abstammungslehre, fehlt es bei uns doch so gut wie ganz an Versuchen, die Lehre vorwiegend auf das paläontologische Material zu gründen oder dieses auch nur in reichlicherem Maße zu ihrer Erläuterung beizuziehen. Anders in Frankreich, wo natur- historische Methode und Verständnis für die Bedeutung des paläonto- logischen Materials nie hinter der spekulativen und theoretischen Richtung zurückgetreten sind. De Saporta, Gaudry, Zeiller und jetzt Dep&ret verdankt man solche historische Begründungen der Abstammungs- lehre, und De péret steht dabei nur chronologisch an letzter Stelle. Wenn dieses Buch auch auf einen größeren Leserkreis berechnet ist, so wird es doch auch der Fachmann nicht ohne Nutzen lesen, denn es schöpft aus einer großen Fülle positiver Kenntnisse der fossilen und lebenden Tierwelt, und rein theoretische Ausführungen sind fast ganz vermieden. Höchstens wird man das Fehlen aller illustrativen Beigaben vermissen, die ein solches Buch für den Laien zu einer viel mehr anregenden und belehrenden Lektüre gestalten und unter Umständen schon durch die Auswahl und Nebeneinanderstellung der Gegenstände auch dem Fachmann nützlich sind. pf Das Buch zerfallt in zwei Abschnitte, einen historischen Uberblick, der etwa ein Drittel, und die Begründung der paläontologischen Gesetze, die den Hauptteil einnimmt. Im historischen Rückblick begegnen wir be- sonders folgenden Namen: Cuvier, Lamarck, Darwin, Ernst (nicht Edouard!), Haeckel, Waagen, Neumayr, Cope, Gaudry, Zittel. Mit Recht betont Dep., daß weder Darwin noch Haeckel das paläontologische Material gebührend berücksichtigt haben. Erst mit Waagen und besonders mit Neumayr hebt die Periode induktiver Forschung auf paläontologischer Grundlage an. Die Bedeutung Neumayrs ist entsprechend gewürdigt, besonders seine Betonung des Zusammengehens von paläontologischer und zoologischer Forschung, die scharfe, von Waagen inaugurierte Unterscheidung von Variation und Mutation; seine Fest- stellung, daß am fossilen Material weder der Ursprung, noch die Beziehungen der größeren Tiergruppen sich ermitteln lassen, und daß die von der Ab- stammungslehre geforderten Verknüpfungen zwischen den Haupttypen so selten zu finden sind, mit anderen Worten die Unstimmigkeit zwischen Theorie und historisch gegebenem Stoff. Cope wird es mit Recht als Verdienst angerechnet, daß er der ontogenetischen Methode geringe Bedeutung beilegte, daß er vielmehr aus dem fossilen Material die Gesetzmäßigkeiten zu ermitteln suchte. Aber es läßt sich darüber streiten, ob das von ihm ermittelte Gesetz derNicht-Spezialisation wirklich, wie D e p. meint, einen wichtigen Fortschritt, oder ob es nicht trotz seiner bestechenden Einfachheit vielmehr eine gefährliche Entgleisung bedeutet. De p. liegt die zweite Möglichkeit fern. Seinen Landsmann Gaudry scheint mir Dep. nicht ganz objektiv zu be- Referate. I45 urteilen. Wenn er ihm zum Vorwurf macht, daß er bei der Konstruktion von Stammreihen zu viel Gewicht auf die funktionelle Ausbildung eines oder einiger Organe gelegt hat und so nach oberflächlichen Ähnlichkeiten vielfach zu falschen Verknüpfungen gekommen ist, so kann man ihm nur beistimmen. Aber man darf Gaudrys Versuche, genetische Beziehungen zwischen Orthoceren und Belemniten oder zwischen Crustaceen und Panzerfischen zu suchen, doch nicht der Lächerlichkeit preisgeben; dazu enthalten sie doch zu viel Berechtigtes. Da die Geschichte der induktiven und historischen Abstammungslehre nur an einigen besonders hervorragenden Namen verfolgt wird, so schließt dieser Abschnitt mit Zittel. Die grundlegende Bedeutung seines Handbuches wird nicht minder gerecht gewürdigt als sein wenig gehörter und doch so berechtigter Alarmruf, den er nach Abschluß dieses großen Werkes hat ertönen lassen: Die Anwendung der Abstammungslehre hat zur Unsicherheit und zu großen Enttäuschungen geführt, die Urformen lassen sich nicht nachweisen, und es fehlen die Übergänge zwischen den größeren Gruppen, die Anwendbarkeit der ontogenetischen Methode für die Ermittlung der Stammesgeschichte wird durch die Paläontologie nicht bestätigt, und die Abstammungslehre ist somit, vom Standpunkte des Paläontologen be- trachtet, eine Theorie, die noch bewiesen werden muß. Für Dep&ret besteht die Aufgabe der Forschung zunächst im Auf- suchen von Spezialgesetzen, richtiger gesagt in der Feststellung ‚häufiger Wiederholungen derselben Tatsachen“. Der Zukunft muß es vorbehalten bleiben, die allgemeinen Gesetze der Umbildungen zu ermitteln und eine einheitliche Theorie aufzurichten. Denn keine der bestehenden Theorien wird der paläontologischen Entwicklung gerecht, sie lassen alle viele nahe- liegende Probleme ungelöst, und daher gebührt vorläufig der induktiven Forschung die erste Stelle. Die seiner Ansicht nach am besten ermittelten Spezial-Gesetzmäßigkeiten sind nun folgende: Der Unterschied zwischen Variationen (Abänderungen im Raume) und Mutationen (Abänderungen im Laufe der Zeit) steht im Vorder- grund der Betrachtung. Es werden zunächst an Beispielen der heutigen Landschnecken (Helix und Bulimus nach den Studien von Coutagne) die verschiedenen Arten und die Weite der Variation erläutert, ferner die Tatsache betont, daß manche Arten fast gar nicht, andere fast ins Unüber- sehbare abändern, und daß unabhängig von diesen Änderungen die Groß- arten unverbunden und unvermittelt nebeneinander bestehen. Abfällig wird die heutige Methode beurteilt, aus jeder Form schlechthin eine Art zu machen, vor der babylonischen Verwirrung, die durch dies unsystematische Vorgehen unvermeidlich erscheint, kann uns nur die trinominale Bezeichnung retten, die von verschiedenen Seiten befürwortet wird. Dann werden Bei- spiele für die Variation in früheren Zeiten vorgeführt, die Nassa-Arten, des Neogens in Piemont nach den Studien Bellardis, die Oppelien (Neu- mayria) aus dem oberen Malm von Crussol nach Fontannes, die cam- brischen Trilobiten nach Bergeron usw., und an diesen wird gezeigt, daß früher ebenso wie heute Arten mit fast verschwindender Variabilität neben solchen mit exzessiver Vielgestaltigkeit bestanden haben. Innerhalb der Variationen sind zu unterscheiden die unbestimmten Abänderungen, die überall und jederzeit auftreten, und die Lokal- und Regionalrassen, die an bestimmte Wohngebiete gebunden sind, und die sich vom Typus oft recht weit entfernen. Diese letzteren bleiben zunächst durch reichliche Uber- gänge zu einer Großart verbunden, erst durch den andauernden Ein- fluß der umbildenden Kräfte werden sie im Laufe der Zeit in Arten getrennt. : Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre I. 10 146 Referate. Es gibt zwei Methoden, die paläontologische Entwicklung der Tierwelt zu verfolgen. Die approximative sucht nah einemodernach einigen wenigen Merkmalen zeitlich mehr oder minder weit getrennte Formen von allgemeiner Ähnlichkeit zu verknüpfen und so ein ungefähres Bild der Gesamtentwicklung zu schaffen, das keinen Anspruch auf wissenschaftliche Exaktheit erheben kann, da es meist nur die funk- tionelle, nicht die wahre Entwicklung wiederspiegelt. Die andere, wirklich exakte Methode gipfelt in der Verfolgung geschlossener Formenreihen, deren Mutationen in allen Merkmalen so wenig als möglich abweichen. Sie ist zuerst von.Waagen und Neumayr bei Ammoniten angewendet und von Osborn, Schlosser, Depéret u. a. auf die Säuger übertragen worden. Der Gegensatz und der unterschiedliche Wert beider Methoden wird an Beispielen erläutert. und dabei setzt der Verfasser gewisse Gesetzmäßigkeiten auseinander, die sich bei der Verfolgung von Formen- reihen ergeben haben. Voran steht die Erscheinung der ,,polyphyletischen Gattungen‘, wie sie zuerst durch Neumayr an der Ammonitengattung Phylloceras ermittelt ist. Jede größere Gattung setzt sich aus einer Anzahl von Zweigen zusammen, die parallel miteinander verlaufen und sich um- bilden. Es ist aber zu beachten, daß Depéret die Bezeichnung poly- und monophyletisch nicht im streng genetischen Sinne verwendet, sondern darunter nur den zusammengesetzten oder einfachen Bestand der Gat- tungen versteht ohne Rücksicht darauf, ob die Gattung auf einer oder mehreren Linienentstandenist. Die phyletische Entwicklung erfolgt verschieden schnell in den einzelnen Zweigen: Es gibt sowohl langlebige Zweige, die sich im Laufe längerer Zeiten nur wenig (manche Mollusken und Fische, unter den Beuteltieren die Plagiaulaciden) als auch kurzlebige, die sich rasch ändern. . Hiernach formuliert der Verfasser das Gesetz: „Die Geschwindigkeit der Entwicklung steht im umgekehrten Verhältnis zur Langlebigkeit“. Dabei wird jedoch ausdrücklich hervorgehoben, daß man die Geschwindigkeit der Entwicklung bei den Wirbeltieren, i. B. bei den Säugern, vielfach überschätzt hat. So sind die meisten Stämme der Säuger schon im Eocän mehr oder minder scharf gesondert, und wo man ihre weitere Entwicklung innerhalb des Tertiärs genau verfolgen kann, vollzieht sie sich langsam, wie an den Beispielen der Anthracotherien und Proboscidier gezeigt wird. Im Anschluß an diese Darlegungen wird der Unterschied erörtert, der zwischen den systematischen und phylogenetischen Kategorien „Art und Gattung in Zoologie und Paläontologie‘ besteht. In der Gegenwart, wie in jedem früheren Querschnitt der Schöpfung stehen Arten, Untergattungen und Gattungen i. A. scharf gesondert nebeneinander und sind nur ausnahms- weise mit einander durch Übergänge verbunden. Zwischen den einzelnen Mutationen einer genetischen Reihe dagegen gibt es nur künstliche Schnitte und Grenzen. Man sollte daher schärfer, als es gewöhnlich geschieht, zwischen diesen beiden verschiedenen Kategorien. (systematischen und phyloge- netischen) scheiden. Im 5. Buche behandelt De p éret in vier Kapiteln die Frage des Au s- sterbens der Arten und der größeren Tiergruppen. Hier finden wir die Vorstellungen verwertet, die besonders von den amerika- nischen Paläontologen Cope, Hyatt, usw. entwickelt worden sind. Innerhalb der einzelnen Stammreihen findet allgemein eine Zunahme der Körpergröße und der Spezialisation der Organe statt, und diese Vorgänge sind keineswegs die Ursachen für eine zunehmende Prosperität der betr. Zweige, sie führen vielmehr ‚fatalement‘‘ zum Erlöschen, da die Entwicklung Referate. 147 vielfach nicht umkehrbar ist (Dollo). Jeder Stamm durchläuft im Laufe der Zeit die Phasen der Jugend, der Reife und des Alterns oder der Degeneration, und letztere bereitet das Aussterben vor. Somit erscheint die Lebensdauer der Stammreihen keineswegs unbegrenzt, wie es die Darwinsche Theorie voraussetzt, und wie solches heute besonders von Weismann verfochten wird. Lamarcks Satz: ,,Les races des corps vivants subsistent toutes malgré leurs variations’ scheint dem Verfasser entgangen zu sein. Sind nun die eigentlichen Ursachen des Aussterbens nicht ersichtlich (d. h. sie sind vitalistischer Natur!), so liegt doch der Mechanismus des Vorganges oder die gesetzmaBigen Umstande, unter denen er sich vollzieht, klar zutage. Für Depéret stellt sich der gesamte Entwicklungsgang der Tierwelt dar als ein in ungezählte Fasern geteiltes Bündel von Stämmen, die sich in mehr oder minder paralleler Entwicklung und ohne zu verschmelzen durch einen kürzeren oder längeren Zeitraum hindurch verfolgen lassen. Jeder Stamm führt mit für ihn eigenartiger Geschwindigkeit zu Mutationen von beträcht- licher Körpergröße und weitgehender Spezialisation, und diese sterben schließlich aus, ohne Nachkommen zu hinterlassen. Jeder verschwindende Stamm wird gewissermaßen durch einen anderen abgelöst, der sich bis dahin langsamer entwickelt hat, und der nun seinerseits die Phasen der Reife und des Alters durchläuft, -bis er erlischt. Die heutigen Gattungen und Arten sind Stämme, die das Altersstadium noch nicht erreicht haben, aber manche, wie die Elefanten, Bartenwale, Strauße usw. nähern sich dieser Altersphase (!), In dem Abschnitt, der die Entstehung der Arten, Gattungen und der größeren Gruppen behandelt, betont der Verfasser vor allem die Tatsache, daß der Fortschritt der Forschung die immer weiter zurückreichende Trennung der Stämme erwiesen hat, im Gegensatz zu der früher vertretenen Annahme eines raschen Konvergierens nach rückwärts. Die verschiedenen Ansichten über die letzten Ursachen der Veränderungen über die Bedeutung der La - marckschen und Darwinschen Faktoren werden nur kurz berührt, aber es wird hervorgehoben, daß die Erklärungsversuche Dar winsin den * letzten Jahrzehnten gegenüber den Erklärungen der direkten Anpassung sehr an Boden verloren haben. Daneben wird von vielen Seiten die Mit- wirkung einer unbekannten (Lebens-)Kraft für nötig erachtet, die erklären soll, warum der Entwicklungsgang der Stämme zeitlich beschränkt ist. Depéret hebt nur auf den beobachtbaren Mechanismus ab und verfolgt die Art und Weise, wie die Natur Arten, Gattungen und größere Gruppen hat entstehen lassen. Man hat zwischen zwei Arten der Umbildung zu unterscheiden: Die langsame, schrittweise, der wir überall bei der Verfolgung der vorhandenen Stammreihen durch die geologischen Zeiten begegnen, die die einzelnen Stämme nach gewissen Gesetzen von Mutation zu Mutation und schließlich zur Senilität und zum Tode führt. Das ist gewisser- maßen der ständige, normale, durch Beobachtung verfolgbare Vorgang. Die zahlreichen Lücken in unseren Kenntnissen erklären sich durch die andauernden Verschiebungen, die die Wohngebiete im Laufe der Zeit erfahren haben. Derandere Vorgang setzt nur periodisch ein, durch ihn entstehen neue Zweige, er führt zur Divergenz. Solche divergente Entwicklung gründet sich nachweislich vielfach auf geographische Isolierung und Einwirkung neuer Lebensbedingungen, wodurch Lokalrassen und im Laufe längerer Zeiten neue Arten und wohl auch Gattungen entstehen. Daneben scheint ein anderer, heute noch ganz unklarer Prozeß stattzufinden, der zu einer rapiden, explosions- artigen Divergenz, etwa nach Art der „‚Mutationen‘‘ — richtiger Saltationen von de Vries führt. Aber solche Saltationen sind aus 10* 148 Referate. früheren Zeiten nicht nachgewiesen, “Alle WdiesesyUm- bildungen können uns aber die Entstehung der höheren Kategorien, etwa von der Familie aufwärts, nicht erklären, und wir müssen gestehen, daß wir diese nur „par de simples vues theoriques“ deutenkönnen. In dieser wichtigen Frage läßt uns das fossile Material gänzlich im Stich. Zwei weitere Kapitel sind den Migrationen gewidmet. Mit Recht führt Depéret aus, daß so viele Versuche zur Ermittelung der Phylogenie unfruchtbar geblieben sind, weil man die Bedeutungen der Wanderungen unter- schätzt und daher nicht zusammengehörige, parallelen Entwicklungsreihen angehörige Formen in einer Reihe vereinigt hat. Es werden die Migrationen durch die verschiedenen Perioden hindurch verfolgt und in der Geschichte der tertiären Säuger in Europa sicher solche Einwanderungen nachgewiesen. Den Schluß bildet ein Kapitel über das erste Auftreten des Lebens auf dem Planeten, das nichts Bemerkenswertes darbietet. Für den nicht fachmännisch gebildeten Leser des Buches sind in tabellarischer Übersicht die Formationen mit ihren wichtigsten Abteilungen des Tierreichs und deren bekanntesten Vertretern angehängt. Ich habe mich darauf beschränkt, dem Leser eine annähernd vollständige Vorstellung von dem wesentlichen Inhalte dieses bemerkenswerten und mit viel Sachkenntnis verfaßten Buches zu geben und nur gelegentlich kurze kritische Bemerkungen einzuflechten. Es repräsentiert im wesentlichen die Auffassung, wie sie wohl von der Mehrheit der heutigen Paläontologen, die sich nicht auf die Spezialforschung beschränken, geteilt wird. Eine vollständige kritische Abhandlung dieser Vorstellungen würde aber über den Rahmen einer Besprechung weit hinaus gehen, und da ich selbst vor kurzem in meinen „Geologischen Grundlagen der Abstammungslehre‘ (Leipzig 1908) alle die ein- schlägigen Probleme behandelt und zu zeigen versucht babe, daß die gleichen Tatsachen auch einer anderen Deutung als der bisher üblichen zugänglich sind, und daß dabei die bestehenden Probleme eine befriedigende Lösung erfahren können, so verweise ich den Leser auf diese Schrift. Steinmann. G. Steinmann, Einführung in die Paläontologie. 2. vermehrte und neu- bearbeitete Auflage. Leipzig 1907. XII und 542 S. 902 Fig. Steinmanns „Einführung in die Paläontologie‘ ist gegenwärtig das einzige deutsche Lehrbuch, das die gesamte Paläontologie, Pflanzen, Wirbel- lose und Wirbeltiere umfaßt. 4 Jahre nach der ersten ist es in zweiter Auflage erschienen, inhaltlich und äußerlich in wesentlicher Erweiterung. Das Buch will auch jetzt vor allen Dingen eine Einführung in die Wissenschaft von den Lebewesen der Vorwelt für Studierende sein. Hierzu ist es durch die Be- schränkung im Stoff, durch die Klarheit der Darstellung und durch die vor- züglichen Abbildungen mit ihren aufs genaueste durchgearbeiteten Erläute- rungen geeignet wie kein zweites. Die jetzt erfolgte Aufnahme der wissen- schaftlichen Fachausdrücke in das Register bedeutet eine wesentliche Er- leichterung für den Lernenden. Ausführlicher als in der 1. Auflage sind die dikotyledonen Angiospermen sowie die Insekten behandelt. Den Abschnitt über diese letzteren hat A.Handlirsch geschrieben. Bei den Säugetieren ist der fossilen Fauna der patagonischen Region der gebührende Platz einge- räumt: Pyrotherium, Notostylops und andere dieser in neuester Zeit so viel genannten eigenartigen Tierformen sind aufgenommen. Dem Fortschritt der Wissenschaft ist überall Rechnung getragen, so z. B. in dem Abschnitt über die Pteridospermeae, in der Versetzung der Fusuliniden aus den perforaten in Referate. 149 die imperforaten Foraminiferen, in der Darstellung der primären Septenbildung bei den paläozoischen Einzelkorallen und in vielen anderen Kapiteln. Was aber an dieser Stelle eine besonders eingehende Würdigung verdient, das ist der Reichtum des Buches an Material für die stammesgeschichtliche Seite der Paläontologie. Noch nie ist die Gesamtheit der vorzeitlichen orga- nischen Welt so wie hier unter dem Gesichtspunkt behandelt: Wie hat sich der Entwicklungsgang des Tier- und des Pflanzenreiches gestaltet? Die Palä- ontologie hat sich bisher in dieser Hinsicht große Reserve auferlegt; in Fragen der Abstammungslehre hat sie nur selten das Wort ergriffen. Die Zoologie und die Botanik betrachten dies Gebiet als ihre Domäne; die Paläontologie wurde ausgeschaltet, weil man die Reste, mit denen sie sich beschäftigt, für so unvollkommen hielt, daß sie neben den in der gegenwärtigen, lebenden Natur vorhandenen Dokumenten für die Deszendenz nur in einzelnen Fällen und nebensächlich in Betracht zu kommen schienen. Die so oft verkündete Wahrheit, daß etwas Gewordenes nur aus seinem Werdegang, nicht aber aus seinem gegenwärtigen Zustande begriffen werden könne, schien für die Welt der Lebewesen nach stillschweigender Übereinkunft ungültig zu sein. Steinmann stellt in seinem Buch die Wichtigkeit der Versteinerungen für die Stammesgeschichte der Organismen in das richtige Licht, und das Resultat, zu dem er bezüglich des Entwicklungsganges des Lebens auf der Erde kommt, ist im höchsten Grade bemerkenswert und sehr abweichend von den herrschenden Vorstellungen. Das kommt zum Teil schon in der Systematik zum Ausdruck. Weil wir z. B. bei den fossilen Schnecken nichts von der Gestalt und der Lage der Kiemen wahrnehmen können, so ist bei ihnen auf die in der Zoologie übliche Einteilung verzichtet und eine solche durchgeführt, die sich auf die Gestalt des uns in versteinertem Zustande allein erhaltenen Gehäuses bezieht. Da der Verf. die Eigenschaften des Armgerüsts der Brachiopoden als ein Merkmal betrachtet, das sich in der Stammesgeschichte ebensogut ver- ändern kann wie irgend ein anderes, so verzichtet er auf die Einteilung der Testicardines in Aphaneropegmata, Ancistropegmata usw. und unterscheidet statt dessen Strophomenacea, Pentameracea, Rhynchonellacea usw. Der Gedanke, daß unsere übliche Systematik aus Zeiten stammt, in denen man von der Abstammungslehre noch keine Ahnung hatte, daß sie vielfach keine genetischen Grundlagen besitzt und daß systematische Einheiten oft keine genetischen sind — das ist das Leitmotiv, das sich durch das ganze Buch und namentlich durch die den einzelnen Abschnitten angehängten Überblicke über die geologische Verbreitung und die Bedeutung der besprochenen Gruppen hindurchzieht. Es könnten vielleicht Fachgenossen, die im übrigen dem Verfasser für die Würdigung, die er der Paläontologie für die Deszendenz- lehre zu teil werden läßt, dankbar sind, Bedenken dagegen hegen, daß diesen Ideen in einem Buche für Studierende Ausdruck verliehen ist. Bei ihrer eminenten Wichtigkeit für das ganze Verständnis der Versteinerungen war das aber nicht zu umgehen. Die Fossilien sind nun einmal die historischen Urkunden für den Werdegang des Lebens; überall drängt sich die Frage nach den Zusammenhängen gebieterisch auf. In allen Wissenschaften strebt man nach einer nach genetischen Gesichtspunkten durchgeführten Behandlung; sollte gerade die Paläontologie sich mit einer rein deskriptiven begnügen ? Und sollte der Verfasser die Mitteilung seiner Gedanken deshalb unterdrücken, weil sie neu sind? Wenn Schardt im Jahre 1893 ein Lehrbuch der Geologie geschrieben hätte, hätte er die großen Überschiebungen unerwähnt lassen sollen ? Doch betrachten wir Steinmanns Auffassung im einzelnen! Schon in dem Rückblick auf den Entwicklungsgang der Pflanzenwelt‘ (p. 72) er- I50 Referate. scheint der Grundgedanke der Steinmannschen Abstammungslehre: Merkmale, nach denen wir uns gewöhnt haben, systematische Einheiten zu trennen, bilden sich in verschiedenen getrennten Stämmen selbständig heraus. Wir fassen in unserer Systematik Organismen von gleicher Entwicklungsstufe als genetisch einheitliche Gruppen auf und die herrschenden Vorstellungen von der Deszendenz leiten solche Gruppen von Urformen ab. Der Unterschied zwischen dieser Auffassung und derjenigen Steinmanns ist fundamental. Nach Steinmann gibt es keine Urgymnospermen oder Urangiospermen. Die Fortschritte der Paläontologie haben gezeigt, daß die „„Gefäßkryptogamen“ des jüngeren Paläozoikums die Grenze der Gymnospermen schon überschritten hatten: die Farne und die Lepidodendren sind, jeder Stamm für sich, gymno- sperm geworden. Trotzdem bestehen noch auf der niedrigeren Organisations- stufe verharrende Farne und Lycopodialen fort. Prinzipiell Gleiches läßt sich im Reich der wirbellosen Tiere erweisen. Ein charakteristisches Beispiel für die Auffassung des Verfassers bietet der Abschnitt über die Korallen. Mit einer Abtrennung der Rugosen von den Hexakoralliern war schon in der 1. Auflage gebrochen. Die paläozoischen Tetra- korallier sind die Vorläufer der mesozoischen und tertiären Steinkorallen. Jene wären danach nicht ausgestorben, diesenicht von unbekannten Vorfahren abzuleiten. Die Einteilung der Madreporarier in Tubo-, Muro- und Septo- corallia ist beibehalten; in den Unterabteilungen ist aber die Gruppierung mehrfach geändert. Die Heliolitidae, die bisher den Tabulaten zugerechnet waren, werden als Vorläufer der Stylophoridae und der Pocilloporidae, z. T. auch der Stylinidae angesprochen. Die Ähnlichkeit im Skelettbau ist frappant; sie als Konvergenzerscheinung aufzufassen, müßte sehr willkürlich erscheinen. Wenn uns die paläozoischen Korallen und die paläozoischen Faunen überhaupt in vieler Hinsicht den jüngeren gegenüber fremdartig erscheinen, so liegt das an dem Umstande, daß uns aus Perm und Trias gerade von den Korallen nur so wenige Vertreter bekanntsind. Ähnlich ist es auch mit den Schwämmen und Seeigeln. Die paläozoischen Seeigel, die früher ale besondere Gruppe und als ausgestorben galten, werden heute als Vorläufer der jüngeren Seeigel betrachtet. Für andere Tiergruppen einen entsprechenden Standpunkt zu vertreten — das ist in Steinmanns Buch durchgeführt. Bei den Crinoidea ist die Einteilung der 1. Auflage im wesentlichen bei- behalten; aber es ist auch mit alle Schärfe darauf hingewiesen, daß die gegen- wärtigen Klassifikationen völlig unbefriedigend sind. Denn alle Unterschei- dungsmerkmale, die man ihnen zugrunde gelegt hat, haben sich im Laufe der Zeit in verschiedenen Stammreihen verändert „und bezeichnen mehr eine bestimmte Organisationshöhe der einzelnen Stämme als diese selbst‘. Die allgemeine Entwicklungstendenz geht bei den Crinoiden auf eine Reduktion der Basis, auf eine größere Beweglichkeit der Arme, auf eine größere Ge- schmeidigkeit der Kelchdecke und vielfach auf die Reduktion des Stieles. Das gilt für alle Stämme. In den lebenden Antedoniden mögen z. B. die ver- schiedensten paläozoischen Gruppen vorhanden sein. Die Cystoideen werden als Ursprungsgruppe für die übrigen Echinodermen aufgefaßt. Der Verfasser hat diese Deutung schon in den „Elementen der Paläontologie‘ vertreten. Sie findet sich ähnlich in Haeckels Buch über die Cystoideen wieder. Genetisch ist ein Hexacrinus mit einem Caryocrinus viel enger verwandt als Hexacrinus mit irgend einer beliebigen Crinoidee; denn es gibt keine Urseelilie, vielmehr haben sich verschiedene Cystideen- stämme in verschiedene Crinoideenstämme verwandelt. Die Saleniden stehen genetisch den Blastoideen, von denen sie stammen, viel näher als anderen regulären Seeigeln, die von anderen Cystideen abzuleiten sind. Referate. TEE Doch ist es unmöglich, alle diese interessanten Einzelheiten aufzuführen, an denen das Buch so reich ist. Bei allen Tierkreisen wird versucht, die Formen genetisch zu verbinden. So wird — um nur einiges herauszugreifen — bei den Brachiopoden Rhynchonellina von Orthis abgeleitet, bei den Lamelli- branchiaten ist auf die Abstammung der Ascidier von den Hippuriten und Radioliten hingewiesen, bei den Gastropoden sind die Pleurotomiden an die Pleurotomariiden angeschlossen, bei den Cephalopoden die Octopoden der Jetztzeit als Nachkommen der Ammoniten angesprochen. Vieles von alledem findet sich schon in der I. Auflage der ‚Einführung‘, und man muß sich nur wundern, daß auf alle diese Dinge im Laufe der verflossenen Jahre noch nicht mehr reagiert ist. Handelt es sich doch um eine Auffassung, die nicht nur die heutige Syste- matik in ein ganz neues Licht setzt, sondern in der sich auch die gesamte orga- nische Welt der Vorzeit, namentlich in ihren Beziehungen zur gegenwärtigen Schöpfung, ganz anders gruppiert. Sie verliert ihre Fremdartigkeit, sie zeigt sich als Vorläuferin der heutigen Pflanzen und Tiere, die anderseits auch nicht mehr von unbekannten, phantasiegeborenen Urformen abgeleitet zu werden brauchen. Für die wirbellosen Tiere wird der Verfasser daher wohl vielfach freudige Zustimmung, mehr Widerstand dagegen vielleicht bei seinen Darlegungen über die Stammesgeschichte der Wirbeltiere finden. Freilich, wer A sagt, wird auch B sagen müssen; und wenn bei den Pflanzen und Evertebraten das Gesetz herrscht, daß verschiedene Stämme ähnliche Entwicklungs- stadien durchlaufen, so darf man diese Möglichkeit nicht bei den Wirbeltieren a priori von der Hand weisen. Hier genügt es nicht, einfach abzulehnen oder gar von Sucht nach Originalität zu sprechen, wie es ein Kritiker getan hat, dem der Sinn des Steinmannschen Gedankenganges offenbar verschlossen geblieben ist. Hier heißt es nachprüfen und die Erscheinungen, die der Ver- fasser zum ersten Male in dieser Weise beleuchtet, auf eine andre Art begreif- lich machen, als er es tut. Mit den Abschnitten „Stammesgeschichte‘ (der Säuger) und „Rückblick auf den Entwicklungsgang der Tier- und Pflanzen- welt“ wird sich jeder Deszendenztheoretiker auseinanderzusetzen haben. In dem ersteren dieser Kapitel erklärt der Verfasser das bisher ungelöste Problem ,,des Verschwindens der meisten Reptiliengruppen am Ende der meso- zoischen Zeit und des unvermittelten Auftretens etwa ebenso vieler und ganz ähnlich organisierter Säugetiergruppen zu Beginn des Tertiärs‘ dadurch, daß er die einzelnen Säugetierstämme (abgesehen von den Beuteltieren, Mono- tremen und Insektivoren) von den einzelnen Reptilstämmen ableitet. Damit fällt die Vorstellung von einem Ursäugetier und die Annahme einer gelegent- lichen, aus dem Rahmen des gesetzmäßigen Naturgeschehens herausfallenden sprunghaften Entwicklung fort. Durchgeführt ist diese Idee an dem Beispiel der Cetaceen, deren rapide Herausbildung aus kleinen Landsäugern in der kurzen Zeit vom Unter- bis zum Mitteleocän man sich schwer vorstellen kann, während für ihre Herkunft von den Meersauriern (für deren Aussterben sich kein plausibler Grund finden läßt) das Zusammentreffen von Merkmalen spricht, die in gleicher Kombination gerade in denjenigen Gruppen der Meer- saurier einerseits und der Waltiere anderseits auftreten, die auch im ganzen Habitus übereinstimmen. Die Delphiniden stellen die Säugerstufe der „Ichthyotheria‘“ dar, deren Reptilstufe die Ichthyosauria vertreten. Die Physeteriden sind die Nachkommen der Plesiosauria, die Mysticeten die der Thalattosauria. Prinzipiell ist es nichts anderes, wenn die Warmblütigkeit und das Lebendiggebären sich in verschiedenen Stämmen herausbilden, als wenn verschiedene Kryptogamenstämme gymnosperm werden. Wir 152 Referate. stehen ganz im Bann der Systematik. In dieser haben die Ichthyosaurier ihren Platz bei den Reptilien. Bei monophyletischer Betrachtungsweise ist ein Ichthyosaurier viel näher mit einer Schildkröte verwandt, als mit einem Delphin. Nach Steinmann sind die Reptilien und die Säuger polyphyletischen Ursprungs. Thatsächlich wissen wir ja von der Organisation der Saurier fast gar nichts. Wir wissen jaz. B. gar nicht, ob sie warmes oder kaltes Blut gehabt haben. Nach des Verfassers Meinung sind die morphologischen und habituellen Merkmale das Bleibende, das Beständige. Auf sie ist aber in der herrschenden Systematik am wenigsten Wert gelegt worden, sondern in ihr sind die Lebe- wesen gerade nach solchen Merkmalen gruppiert, die sich im Laufe der Stammesgeschichte verändert haben. Die Art oder Rasse erscheint demnach als das Bleibende, die Organisationsstufe als das Wandelbare. Die systema- tischen Linien fallen mit den genetischen nicht zusammen, sondern kreuzen sich mit ihnen. Wir verzichten auf die Einzelheiten in der Darstellung der Vertebraten und kommen zum Schluß, um so mehr, als eine ausführliche Begründung der Steinmannschen Abstammungslehre bereits erschienen ist und manche Vervollständigung des in der ‚Einführung‘ oft nur Angedeuteten bringt Nur eine Seite der Steinmannschen Theorie möge noch hervorgehoben werden. Nach ihr gibt es weder ein Erlöschen ganzer großer Gruppen noch ein „explosives‘‘ Erscheinen neuer. Schon aus ganz all- gemeinen Gründen muß die Steinmannsche Theorie denen sympathisch sein, die es befremdet, daß nach der herrschenden Meinung so viele abgestorbene Äste am Baume des Lebens vorhanden sein sollen, die sich nicht vorstellen können, daß die Natur so unendlich oft lebensunfähige Organismenstämme hervorgebracht haben sollte und sich immer wieder hat korrigieren müssen, die endlich Einheitlichkeit und gesetzmäßiges Geschehen in der Natur an- nehmen. Otto Wilckens (Bonn). Neue Literatur’). Zusammengestellt von E. Baur-Berlin, W. 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Verlag von Gebriider Borntraeger in Berlin SW 11 Großbeerenstraße 9 Arten und Varietaten und ihre Entstehung durch Mutation. An der Universität von Kalifornien gehaltene Vorlesungen von Hugo de Vries. Ins Br Deutsche übertragen von Professor Dr. H. Klebahn. Mit 4 2 53 Textabbildungen. Geheftet 16 Mk., gebunden 18 Mk. ee She eee Das umfangreiche Werk von de Vries, Die Mutationstheorie, wird nur = a fiir denjenigen wissenschaftlichen Leser Interesse haben, der eigene Untersuchungen ¢ - i me) . Je . . dei anstellen oder auf die-Quellen zurückgehen will. Um aber Ziele, Erfolge und 2 “2 Grenzen der Forschung auf diesem Gebiete dem allgemein gebildeten Leser, dem f ~~ praktischen Pflanzenzüchter oder auch dem auf anderen Gebieten arbeitenden Botaniker wie dem Biologen überhaupt vorzuführen, ist das vorliegende Buch geeigneter. Es bietet den Stoff in abgerundeter Form, mit den wichtigsten Einzelheiten, in neuer Anordnung und teilweise auch nach neuen Gesichtspunkten. Eine Neuerung des Werkes ist ferner eine stattliche Reihe von Abbildungen | großenteils Originalzeichnungen nach Photographien und Skizzen von de Vries. Die Bedeutung der Reinkultur. : — Eine Literaturstudie von Dr. Oswald Richter, Privat Re. dozenten und Assistenten am Pflauzenphysiologischen Institut | der Deutschen Universität in Prag. a drei Textfiguren. Ge- heftet 4 Mk. 40 Pig. = Stadion ‚über. die Regeneration von Professor Dr. B. Némec. Mit 180 Textabbildungen. ’ Geheftet 9 Mk. 50 Pfg., gebunden 11 Mk. 50 Pfg. | Auf Grund zahlreicher neuer und origineller Versuche wird in dem Buche < “das wichtige ‚Problem der Regeneration von verschiedenen Seiten aus behandelt. Die vielen Fragen, die an die Regenerationsvorgänge anknüpfen, sucht der Ver- fasser der Lösung nüherzubringen, indem er ausgewählte und günstige Objekte "einer eingehenden experimentellen Untersuchung unterwirft; so gelangt er zu einer | Reihe von Resultaten, die auf die fraglichen Vorgänge in vieler Beziehung ein neues Licht werfen und die für jeden Biologen von Interesse und Wichtigkeit sind. ~ a Ve he, ae ——_ —_—$ nn nn nn Ausführliche Verlagsvorzeichnisse ae und fans. re Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre 77) FEN > Er Ce Tahalt.” re Ahbandlünten.z Piers ‘ Johannsen, i Uber Knospenmutation bei. Phaseolus 3 Ms an: Gerth, H. Beiträge zur Phylogenie der Tubocorallier . . we Sowie 1 Sose Porsch, ©. ‘Die deszendenztheoretische Bedeutung sprunghafter Blüten. if ' variationen und korrelativer Abänderung für die Orchideenflora Süd- _ -brasiliens. Ein | Beitrag zum Problem der ERAHNEN! - Kleinere Mitteilungen. .der neuesten Resultate . ss ecg E. ‚Die‘ Buseetsippen von Pa, alas Rn $ essen V: Przibram, |W. Vereibiinkeveisuäh über pres ‘ _ metrische _Augenfarbung bei Ankorakatzen: Cuénot, L., L’Hérédité de Aa (“chi ouris 5° Note. Fischer, 1 7 - und en-Bildung bei udn 2 Fortpflanzungsanpassungen „Haament, 6., Die e et ‚of Flo lasm oe, tra; | : he anzfiche, En Edler, Ww, in Bei rage. ens von Pf Techernak, ED Fe Ss reides und = Frage nach den Ursac ‘Fruwirth, C., ” Intersuchungen über den Erfolg un "der Durch hruv g von en bei Pflanzen tung, cder ‘fortgesetzte en Heften,. von denen vier ‚bis für € nm aa Seated aad Bi ree "Von den Sei “es weitere Exemplare gegen. a in IR wur Bee fh yx RR eee ee ey ACER pe Reyes te BAND | HEFT 3 JANUAR 1909 ZEITSCHRIFT FUR INDUKTIVE ABSTAMMUNGS- VERERBUNGSLEHRE HERAUSGEGEBEN VON C. CORRENS (.eiezic), V. HAECKER (stutreart), G. STEINMANN (sonn), R. v. WETTSTEIN (wien) REDIGIERT VON E. BAUR (eertin) BERLIN VERLAG VON GEBRUDER BORNTRAEGER SW 11 GROSSBEERENSTRASSE 9 1909 Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin ~ SW 11 Großbeerenstraße 9 Leitfossilien. Ein Hiltsvuch zum Bestimmen von Versteinerungen bei geologischen Arbeiten in der Sammlung und im Felde von Professor Dr. G. Gürich. Erste Lieferung: Kambrium und Silur. Text: ‚Bogen 1 bis6 — Tafel 1 bis 28 nebst Erklärungen. Subs sm EBERLE 14 Mk. 80 Pfg. N BEN Flora von Steiermark, ae Eine systematische Bearbeitung der im Herzogtum Steiermark wildwachsenden oder im Großen gebauten Farn- und Blüten- ‘pflanzen nebst einer pflanzengeographischen Schilderung des _ Landes von Dr. August von Hayek, Privatdozenten an der Universität Wien. Band I Heft 1—6 ‚sind erschienen. Sub- skriptionspreis 18 Mk. x43 a ee ‚Erscheint in etwa 18 Lieferungen zu je 5 Druckbogen. ae Der ne eis des Dr uckbogens i 60 Pig. Pa Thesaurus” litteraturae rycologicae et che nologicae — ee ratione. hatte praecipue omnium quae Node scripta. sunt de _mycologia. applicata quem congesserunt 8. Lindau et P.. Silene - Volumen: ‘primum complectens enumerationem ‘siphabeheat, ; suai ee Geheftet 72 Mk. —Vol. un pars) gehetten: 2B NK. at bh RE en: Kuren Lehrbuch der allgemeinen. Ei ne Professor Dr. E. Warming und Professor Dr. w. ART sen. _ Herausgegeben von Dr. E. P. Meinecke. Erster Teil. Mit rable reichen euer. :Geheftet: 18: Mk. 5 2 Der zweite ai vil befindet sich un 1 Vorbereitung. = — =~ : Be > en re gratis und franko, a FED 27 1909 A Sport of the Silk-Worm, Bombyx Mori L., and its Hereditary Behavior. By K. Toyama. (Zoological Institute, College of Agriculture, Tokyo Imperial University.) Amongst our experienced silk-worm breeders it is known that certain breeds occasionally throw off some red worms, but as to how ‚they are produced and how they behaved in inheritance much obscurity still prevails. In the year 1905 I found some red worms suddenly arisen from a cross between two normal black breeds, and thus a series of experiments was conducted with the intention of working out the laws of its inheritance. The results will be given in the following pages. The first generation (F,). In the spring of 1905 we crossed a Japanese univoltine breed called “Datenishiki’ with the male of a tetravoltine breed ‘“‘Tobuhime’’, and obtained 18 batches of eggs. The newly hatched worms of both parent breeds are brownish black, i. e., normal in color. In the fifth stage, however, we have only commonly marked worms in the former breed and both common and pale worms in the latter. The eggs obtained from this cross hatched out on the 20oth—2ıst April of the next year. All the worms when hatched were brownish black in color, that is to say, they remained true to the parents. The second generation (Fy). The dark worms derived from the cross above mentioned spunn cocoons on the 23rd—26th May and the moths emerged on the 8th—ıoth, June, 1906. From these moths we obtained 627 batches of eggs which hatched on the 21st—z22nd June of the same year. The newly hatched worms Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. I, 12 LIBRARY NEW YORK BOTANICAL GARDEN. 180 Toyama. of some batches, to my astonishment, were of two kinds, one quite normal in color and the other beautiful orange-red without any intermediate forms. The characteristics of the red worms: the head of the newly hatched worm is shinig brownish-red, the ground color of the body beautiful orange-red, the hair bearing-tubercles lighter than the ground color and the hairs or bristles light reddish-brown. After the first moult, the ground color of the body becomes whitish and in the later stages we find two kinds of worms, one having the common markings, the other destitute of all markings, as in the pale worms of the common breeds. We can distinguish, however, the worms of the normal breeds from the red, since the markings which are dark brown in the former are light brownish red in the latter. In the common breed, however, the head of newly hatched worm is shining black, the ground color of the body smoky black, the hair tubercles light brown and the hairs and the bristles light smoky. For the sake of convenience, we shall call hereafter the former as the “red worms’” and the latter or the normal worms the “black worms’’. Of the 627 matings before mentioned, some, e. g., No. 6 gave rise to tow kinds of worms, red and black, while others produced black worms only, as is shown in Table 1. Table 1. No ofeggbatch Ze from each. Date of hatching Kind of worms hatched out parentage parent I 134 21st—22/June ’06. | Every batch produced simply black worms. 2 139 do. do. 4 102 do. do. 7 115 do. do. 6 137 do. 110 batches produced only black worms, 27 batches red and black worms in the proportion shown in Table 2. Each batch is the total of the eggs laid by a moth. The number of the red and black worms given by each mating of the parentage No. 6 is shown in Table 2. A Sport of the Silk-Worm, Bombyx Mori L., and its Hereditary Behavior. I8I Table 2. Kind of worms hatched from each batch x No. of egg- Total number of batches Bele onine Rediworms worms hatched I 356 . 100 (21%) 456 2 383 108 (21.99 %) 491 3 353 80 (18.47) 433 4 358 92 (20.66 %) 450 5 329 85 (20.53 9 is 414 6 268 95 (20.66 %, ) 363 7 285 109 (27.66 %) 394 3 346 103 (22.93 2) 449 9 296 85 (22.36 %) 380 10 311 107 (25.59 % . 418 II 314 IOI (24.33 %) 415 12 267 87 (24.57 %) 354 13 225 63 (21.87 %) 288 14 265 68 (20.42 %) 333 I5 241 79 (24.37 % 320 16 217 73 (25-17 %) 290 17 240 73 (23.32 %) 313 18 329 Z (18.74 %) 405 19 327 7 (22.87 %) 424 20 205 ae (21.45 %) 261 21 346 102 (22.76 %) 448 22 237 58 (19.66 %) 295 3 Both red and black worms were produced, but the number was not recorded. 27 25 315 | 94 (22.98 %) 409 26 350 112 (24.24 %) 462 Total 7,162 2,103 (22.69 %) 9,265 Expected Mendelian figures' 6,948 2,316 These figures immediately suggested that we had to do with the phenomena of Mendelism, with the black worm dominant over the red. The offspring from other matings which yielded simply black worms remained true to the parents in the subsequent generations and never once produced any red worms, as far as my experiments went. The third generation (F,). Both red and black worms found in each mating of the second generation were reared separately. The mounting took place on the ı6th—ı8th July and the moths emerged between 29th July and 2nd August 1906. 12” 182 Toyama. 69 matings of the black worms and 65 matings of the red worms were made, of which the former laid the eggs which yielded uniform (black only) and mixed (red and black) offsprings, and the latter only red worms, as is shown in Table 3. Table 3. en Emergence of ‘ Parentage Zu moths and nr Kind of worms hatched Parent worms oviposition the eggs black 29/7—2,8/06 | 16—17/4/07 | Of the 58 matings obtained from this parentage, 35 yielded only black worms, and the rest red 25 and black worms. red do. do. Of the 25 matings, all produced red worms. black do. do. Of the 11 matings, 8 yielded only black worms, and 3 red and black worms. red do. do Of the 12 pairings, 11 produced h simply red worms while only 20 one red and black worms nearly in the proportion of 1 red:1 black. It must be supposed, however, that this was due to accident. Mixed red do. do. Of the 20 batches, all produced parentage uniform red worms, no black ones. The number of both red and black worms found in each black mating is shown in Table 4 and 5. Table 4. Number of red and black worms found in each pairing of parentage No. 25. No. of egg- Number of black Number of red worms Total batches!) worms 8 53 (25.6 %) 154 207 9 53 (22.45 %) 183 236 12 73 (20.11 %) 290 363 15 60 (24.59 %) 189 244 77 66 (24.81 %) 200 266 6 70 (28 %) 180 250 7 32 (27.11 %) 86 118 1) Each batch of eggs represents the total of the eggs laid by a pairing. A Sport of the Silk-Worm, Bombyx Mori L., and its Hereditary Behavior. 183 No of egg- Number of black == Number of red worms Total batches 1) worms 8 54 (24.1 %) 170 224 II 79 (23-93 %): 251 330 14*) 2 401 403 15 90 (24.45 %) 278 368 16 98 (24.62 %) 300 398 19 66 (22.93 %) 309 375 20 82 (27.51 %) 216 298 23 78 (22.28 %) 282 350 Fe) 18 225 243 27 26 (20%) 104 130 29 65 (32-27 %) 137 202 33 27 (16.16 %) 140 167 39 43 (25.14%) 128 171 41 83 (22.49%) 285 369 46 44 (11 42 %) 341 385 Total?) 1,242 (22 78 %) 4,214 5,456 Expected number from Mendelian theory 1,364 4,092 5,456 Table s. Number of red and black worms in each mating of parentage No. 26. No. of egg- Number of black Number of red worms Total batches worms 9 54 (20.45 %) 210 264 10 67 (24.10 %) 210 ZU Total ı21 (22.36 %) 420 541 Mendelian Expectation 135 406 541 Discrepancy —14 +14 From the results of these two generations, ı think, it is sufficiently clear that the „black worm“ is dominant over the ‚red‘ and that the segregation of both characters in the offspring follows Mendel’s law of heredity. It is important to notice, however, that sometimes there occurred an incomplete segregation of the two characters. In Nos. 14, 25 1) Each batch of eggs represents the total of the eggs laid by a pairing. 2) Excluding those marked with an asterisk. 184 Toyama. and 46 described in Table 4 the segregation of the recessive character is not complete, as was the case in No. 29 for the dominant character. Similar cases of seeming exception to Mendel’s law are mentioned by Correns. Of the 65 pairings of red worms, all yielded uniform red offspring, except one mating No. 2 from parentage No. 26, which produced 187 red worms and 194 blacks, that is to say, nearly in the proportion of ı red: 1 black. I accounted it to be a case of (D+R)>< red, or DR=R. Q Dark worms from No. 3 of the fourth generation. 13 Red worms from No. ı of the fourth generation. 1) Excluding those marked with an asterisk. 186 Toyama. Their results are given in Table 7. Table 7. Kind of worms hatched No. Oviposition | Hatching = Total Red | black I 17/9/06 7—8/10/06 190 | 198 388 2 165 | 146 311 3 125 137 262 Total 480 | 481 961 As the Mendelian principle demands, every mating gave red and black worms in the proportion of ı red to 1 black. 2. Pure black >< pure red, or D>< red. The results. Red worms .80 + black worms 481 (reciprocal crosses). Pure black worms >< red. The first generation All black worms (15 matings). — to The second generation 231 matings Red (8,173) + black (24,098). Summary. ’ I. The sport “red worms’ may arısed from the normal black breed by crossing which apparently bring about the segregation of the dominant character. 2. The red worm thus produced remains constant from its first appearance. It is recessive toward the ordinary black worms and segregates from the latter according to the Mendelian law of heredity. 3. Sometimes it happens that the segregation of both characters is not complete, as in the case observed by Correns’) in plants. 4. In the experiment described in a previous paper?) we obtained a new form quite different from the parents. We may mention another case, in which “blue worms” and brindled worms or ‘“Kasuri” arose spontaneously from the normal worms. All of them, however, were results of crossing and are quite constant from their first appearance. Any instance of pure mutation not yet observed. Hence we are now inclined to believe that the sporting which aise commonly met with in the silk-worm is mostly due to hybridization, that is to say, hybrid-mutation as Lidforss®) says, and not mutation in the sense of De Vries. 1) Correns, Scheinbare Ausnahmen usw. Ber. d. d. Bot. Gesell. Bd. 20. 2) Toyama, Studies on the hybridology of insects. 1. Bull. of Agric. coll. vol. 7. 1906. 3) B. Lidforss, Studier öfver artbildningen etc. Archiv f. Botanik Bd. 4 1905. Uber zwei bemerkenswerte Mutationen bei europäischen Alpenpflanzen. Von R. v. Wettstein, Wien. Mit 3 Textfiguren. Seit einer Reihe von Jahren mit der Sammlung von Beobachtungen und mit der Durchführung von Versuchen, welche sich auf die Entstehung neuer Formen im Pflanzenreiche beziehen, beschaftigt, möchte ich im folgenden über zwei Mutationsfalle kurz berichten, die mir nicht uninteressant erscheinen und deren Studium ich aus äußeren Gründen zum Abschluß bringen mußte. I. Soldanella pusilla Baumg. Schon wiederholt wurden Fälle von Calycanthemie, d. h. von corollinischer Ausbildung der Kelche bei So/danella pusilla beobachtet. So besprach Fr. Thomas solche in Mitt. d. bot. Ver. f. Thüring., IV S. 921, K. Fritsch bildete in Verhandl. d. zool.-botan. Gesellsch. Wien, XL S. 52, einen solchen Fall ab und erwähnt zugleich, daß A. v. Kerner zweimal dieselbe Erscheinung beobachtete. Im Juli des Jahres 1900 beobachtete ich eine Gruppe von vier Individuen mit corollinischen Kelchen zwischen zahlreichen normalen Pflanzen unter dem Simminger Joch in Gschnitztale in Tirol bei 2750 m Meereshöhe. Die vier Individuen waren zweifellos durch Teilung des Rhizoms aus einem hervorgegangen, was sich an Ort und Stelle recht gut noch konstatieren ließ. Da ich im gleichen Jahre zum Zwecke der Ein- richtung meines alpinen Versuchsgartens, der nächst der Bremerhütte unfern jenes Standortes lag, noch wiederholt an den Ort zu kommen beabsichtigte, beschloß ich einen Versuch über die Erblichkeit der Calycanthemie anzustellen, nahm die Bestäubung der vier erwähnten Blüten mit ihrem eigenen Pollen vor und markierte die Exemplare durch eingesteckte Holzstäbe. Im September desselben Jahres sammelte ich dann die Samen ein, welche zwei Exemplare gereift hatten; die 190 Wettstein. beiden anderen hatten keine Früchte gebildet. Zwei Stunden später wurden die Samen in einem kleinen Versuchsbeete des erwähnten Versuchsgartens (bei 2390 m) angebaut. Ich zog es vor, die Aussaat dort vorzunehmen, da mir bekannt war, wie schwer Soldanella pusilla in einem botanischen Garten der Ebene aufzuziehen und zur Blüte zu bringen ist. Im Jahre 1902 konnte ich in dem Versuchsbeete eine ganze Anzahl junger Pflanzen kon- statieren. Im Jahre 1903 und 1904 gelangten dieselben noch nicht zur Blüte, entwickelten sich aber gut weiter. Als ich im September 1904 den er- wähnten Versuchsgarten auf- lies (zum Teile wegen der zu hohen Lage, zum Teile wegen Übertragung meiner sonstigen Versuche in den neu angelegten Versuchsgartenaufder Raxalpe in Niederösterreich) ließ ich die Soldanellen neben einigen anderen, noch weiter zu beob- achtendenPflanzenindemsonst entleerten Versuchsgarten. In den Jahren 1905 und 1906 be- suchte ich denselben, konnte Fig. 1. aber noch immer keine Blüten Soldanella pusilla f. calycanthema. Exemplar der 2., konstatieren. Um so freudiger im Versuchsbeete erzogenen Generation. Nach : re der Natur mit dem Zeichnenapparate gezeichnet War, ich überrascht, als ich von A. Kasper. — 21/,fach vergr. endlich im August Igo7 vier blühende Exemplare antraf, welche durchweg die Calycanthemie in schönster Ausbildung zeigten. Die beistehende Abbildung (Fig. 1) zeigt eines dieser Exemplare, das sofort in Alkohol konserviert wurde. Ein zweites Exemplar wurde zu der noch zu erwähnenden Untersuchung verwendet; die beiden übrigen Exemplare bestäubte ich mit ihrem eigenen Pollen in der Hoffnung, Samen für eine dritte Generation zu erhalten. Leider gelang dies nicht, da ein früh eintretender Schneefall die Fruchtreife verhinderte. Über zwei bemerkenswerte Mutationen bei europäischen Alpenpflanzen. IgI Trotz der geringen Anzahl von beobachteten Exemplaren und trotz der Beobachtung von nur zwei Generationen ist kaum daran zu zweifeln, daß es sich um einen Fall von Mutation handelt. Wäre die Calycanthemie in der zweiten Generation nicht aufgetreten, so würde ich dem Fall, als einem nicht. eindeutigen, kein besonderes Interesse zuschreiben; nachdem aber das auffallende Merkmal in sämtlichen beobachteten Exemplaren der zweiten Generation ungeschwächt wieder auftrat, halte ich die gegebene Deutung für die einzig ungezwungene. Ein einziger Einwand erscheint mir zulässig, und zwar der, daß es sich bei der erwähnten Bildungsabweichung um die Folge einer parasitären Einwirkung handeln könnte, da es ja bekannt ist, daß ähnliche Bildungsabweichungen die Folge des Auftretens von Parasiten sind. Aus diesem Grunde habe ich das erwähnte zweite Exemplar sorgfältig untersucht, aber nicht den geringsten Anhaltspunkt für die Berechtigung jener Annahme gefunden. Der geschilderte Fall erscheint mir aus zwei Gründen nicht uninteressant. Zunächst handelt es sich um das Auftreten eines Merkmales, das nicht geradezu als schädlich angesehen werden kann; das eventuell sogar infolge der mit demselben verbundenen Verstärkung des Blütenschauapparates einen gewissen Selektionswert besitzen könnte. Anderseits handelt es sich gerade um eine Bildungs- abweichung, wie sie auch bei anderen Primulaceen vorkommt!), bei denen sie mehrfach zur Entstehung konstanter Gartenrassen (Primula acaulis, elatior u. a.) geführt hat. 2. Ranunculus alpestris L. Im Juli des Jahres 1906 beobachtete ich im Padastertale bei Trins in Tirol (bei 2100 m Meereshöhe) unter einer großen Anzahl normaler, eben im Abblühen begriffener Exemplare von R. alpestris ein Exemplar, das mir durch seine zwerghaften Dimensionen zunächst auffiel und das sich bei näherer Betrachtung als eine ganz interessante Abweichung vom Typus erwies. Ich zeichnete das Exemplar, so gut es die obwaltenden Umstände zuließen, ohne es dem Boden zu entnehmen und reproduziere diese Zeichnung (vgl. Fig. 2) hiermit. Während R. alpestris sonst mehrjährig ist, war das Exemplar zweifellos annuell Hierfür sprach vor allem die Gegenwart der beiden Cotyledonen (c). Dieses Merkmal interessierte mich zunächst, da ich seit Jahren mit 1) Vgl. Reimann, R., in Verh. d. zool.-bot. Ges. 1883 betreffend Cyclamen europaeum.—Penzig, O., Pflanzen-Teratologie II.S. 125 ff. 1894 inbezug auf Primula, — Masters, M., T. in Vegetable Teratologie S. 284 betreffend Anayzallis. 192 Wettstein. einer Untersuchung über die Entstehung annueller Arten beschäftigt bin, über die ich demnächst ausführlich zu berichten gedenke. Dann aber zeigte das Exemplar noch eine ganze Reihe anderer auffallender Merkmale. Sämtliche Laubblätter waren voll- ständig einfach; ihre Zahl betrug im ganzen vier; von diesen saßen zwei nahezu in gleicher Höhe unmittelbar über den Cotyledonen, die beiden anderen am Blütenstengel, diese waren von sehr un- gleicher Größe. Die Blüte zeigte drei Kelchblätter, drei Corollen- respektive Honigblätter; im übrigen war sie von normalem Baue. Ich ließ die Pflanze an Ort und Stelle, bestäubte die Narbe mit dem Pollen derselben Blüte und markierte die Pflanze durch einen Kreis herumgelegter Steine. Zwei Monate später, im Sep- tember, konnte ich an der Pflanze drei Früchte einsammeln; die übrigen Fruchtknoten waren ver- kümmert. Diese Früchtchen setzte ich in der nächsten Nähe des Standortes in einer leicht auffind- baren feuchten Felsspalte ein, die ich von allen anderen Pflanzen sorgfältig gereinigt hatte. Ich zog auch in diesem Falle eine Kultur Fig. 2. Annuelles Exempl. von Ranunculus al- Fig. 3. bestris, aufgefund. AN Ort und Stelle vor, um die Abkömmling der in Fig. 2 im Jahre 1906 bei Früchte den Gefahren eines Trans- abgebildeten Pflanze. Trins in Tirol. c— portes nicht auszusetzen und um © = Colyledonen. Colyledonen. — Nach der Natur mit dem die günstigsten Bedingungen für : 3fach vergr. Nach .. : Zeichnenapparat gez. der Natur gez. von die Entwicklung zu erhalten. v. A. Kasper. — 21/, fach Wettstein. Im Juli 1907 suchte ich die vergrößert. Felsspalte wieder auf und fand ein Exemplar vor, welches dem im Vorjahre beobachteten außerordentlich glich. Figur 3 stellt dieses Exemplar dar. Es erwies sich wieder als zweifellos einjährig, es hatte nur ungeteilte Laubblätter, von denen zwei zur Entwicklung gekommen waren, die wieder nahezu gegenständig unmittelbar über den Cotyledonen standen. Die Blüte zeigte einen noch einfacheren Bau, als das frühere Exemplar. Sie wies zwei Über zwei bemerkenswerte Mutationen bei europäischen Alpenpflanzen. 193 Kelchblatter und zwei Honigblätter auf. Die Fruchtknoten waren durchwegs verkiimmert, was eine Fortführung des Versuches unmöglich machte. Auch an der Stelle, an der im Vorjahre die Pflanze gefunden wurde, zeigte sich kein ähnliches Exemplar mehr. Dem hier beschriebenen Falle kommt in mehrfacher Hinsicht besonderes Interesse zu. Zunächst handelt es sich um das Auftreten einer einjährigen Form bei einer Pflanze, die perenn ist, und um das erbliche Festhalten dieses Merkmales. Dieses Auftreten erscheint um so mehr beachtenswert, als R. alpestris ein hochalpiner Pflanzentypus ist und gerade unter diesen bekanntlich einjährige Pfanzen — sofern autotrophe Formen in Betracht gezogen werden — sehr selten sind. Dann handelt es um einen Fall, der zweifellos eine schöne Illustration für die Bedeutung der Helikomorphie liefert, welche Diels vor kurzem in einer sehr wertvollen Abhandlung besprochen hat!). Die beschriebenen Exemplare von Ranunculus alpestris gleichen in vegetativer Hinsicht Jugendformen dieser Art; auch bei diesen sind die Primaerblätter einfach oder wenigstens viel einfacher als die Folgeblätter. Beachten wir diese morphologische Eigentümlichkeit der beobachteten Exemplare und bringen wir sie in Zusammenhang mit der abgekürzten Entwicklungsdauer des Individuums, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß hier ein Fall von „Neotenie‘”) im weiteren Sinne des Wortes vorliegt. Diels hat a. a.O. schon auf die Möglichkeit hingewiesen, daß solche Neotenien zum Ausgangspunkte für die Neubildung von Arten werden können. Es kann dies auf zweifachem Wege erfolgen; entweder dadurch, daß die Neotenien durch äußere Bedingungen veranlaBt?) und schließlich erblich festgehalten werden oder dadurch, daß sie als Mutationen auftreten. Der geschilderte Fall spricht zweifellos für die letzere Möglichkeit. Von speziellem Interesse wird der geschilderte Fall dadurch, daß gerade für die Gattung Ranunculus Diels schon darauf aufmerksam gemacht hat, daß mehrfach Arten an Jugendformen anderer Arten lebhaft anklingen. Er weist mit Recht insbesondere auf einige Arten mit einfachen oder nahezu einfachen Blättern hin, welche nicht nur darin, sondern auch in ihren Dimensionen an solche Jugendformen erinnern. Die beschriebene Form von R. alpestris verhält sich zum typischen R. alpestris in ganz analoger Weise und gibt eine Vorstellung 1) Diels, L., Jugendformen und Blütenreife. Berlin 1906. 2) Boas, I. E. V., Uber Neotonie in Gegenbaur-Festschrift 1896. 3) Vgl. Goebel, K., Experiment, Morphologie, S. 7. 1908. 194 Wettstein. davon, wie eventuell jene Arten entstanden sein konnten. Auf ein Beispiel möchte ich speziell zur Ergänzung des von Diels Aus- geführten hinweisen, dies ist Ranunculus polyphyllus W.K. R.polyphyllus W.K. ist in Ungarn und Süd-Rußland verbreitet und ist eine kleine zarte Pfanze. Sie läßt sich nicht schwer in Beziehungen zu dem verbreiteten A. sceleratus bringen, von dem sie sich hauptsächlich durch die konstant viel geringeren Dimensionen, durch die kleinen ganz einfachen oder nur wenig gelappten Blätter, dann aber auch durch die häufige Vereinfachung im ‚Blütenbaue unterscheidet, da Exemplare mit nur 2 bis 4 Kelch- und ebensovielen Honigblättern nicht selten sind. Wer X. polyphyllus mit R. sceleratus vergleicht, wird zugeben müssen, daß das Verhältnis der beiden Pflanzen zu- einander vollständig dem Verhältnisse der hier beschriebenen Zwergformen zu R. alpestris entspricht. Ich möchte damit nichts in bezug auf die Entstehung des R. polyphyllus aus R. sceleratus behaupten; derartige Feststellungen müssen dem Monographen überlassen werden; doch hielt ich es nicht für überflüssig, auf die Möglichkeit einer analogen Entstehung wie die der beschriebenen 2. alpestris-Form hinzuweisen. Die deszendenztheoretische Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen und kor- relativer Abänderung für die Orchideen- flora Südbrasiliens. Ein Beitrag zum Problem der Artentstehung. Von Otto Porsch, Wien. (Fortsetzung.) Die starre Sektion Archi-Gomesa. Wie ich in meiner oben zitierten Orchideenbearbeitung zeigte, zerfällt die Gattung Gomesa in die beiden Sektionen Archi- Gomesa und Neo-Gomesa unter der Voraussetzung, daß man die von Barbosa Rodrigues als Gattung ausgeschiedene Theodorea gomezoides Barb. Rodr. in die Gattung Gomesa überhaupt nicht ein- bezieht. Im Gegensatz zu Cogniaux, welcher diese Art als Gomesa Theo- dorea zu Gomeza zieht, schließe ich mich hier dem Vorgehen Barbosa Rodrigues’ an. Daß die Gattung Theodorea keiner Gattung so nahe steht wie Gomesa ist über jeden Zweifel erhaben. Bei der Varia- bilität tropischer Orchideen wäre gegen ihre Einreihung in die Gattung Gomesa prinzipiell auch nichts einzuwenden, vorausgesetzt, daß man sie sämtlichen übrigen Arten mindestens als scharf getrennte Sektion oder besser als Untergattung gegentiberstellt. Denn Theodorea ist von sämtlichen übrigen näher verwandten Gattungen der Odonto- glosseae durch folgende Merkmale geschieden: hängende Blüten, zu- sammenneigende akuminate Sepalen und Petalen, akuminates Labellum, zusammengesetzten behaarten Callus mit stark zerfransten Lippen- flügeln. Diese Merkmale bedingen in ihrer Gesamtheit eine von den echten Gomesen vollständig verschiedene Blütentracht, welche die generische resp. subgenerische Abtrennung gebieterisch verlangt?). 1) Vgl. die Abbildung Cogniaux’s in Flora Brasil. III. 6, Taf. 55. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre, ' J, 13 196 Porsch. Die Gomesa-Arten in diesem engeren Sinne zerfallen aber, wie bereits angedeutet, selbst wieder in zwei Sektionen, die durch ein zwar graduelles aber konstantes morphologisches Merkmal charakterisiert sind, welches in der bisherigen Systematik der Gattung noch keine Berücksichtigung gefunden hat. Ich kam auf dieses Merkmal auf folgende Weise. Wahrend namlich die Mehrzahl der mir zur Verfügung stehenden Formen in ver- schiedenem Grade mutabel waren, blieb eine Art in sämtlichen Blütenmerkmalen ausnahmslos konstant, ohne die geringste Spur einer Abänderung, obwohl sie bis heute im ganzen siebenmal blühte und in mehreren Individuen vertreten war. Und zwar handelt es sich hier um eine Art, welche sich auch durch ihre abweichende Verbreitung in der alpinen Region des Itatiaya zu den übrigen Arten in einen Gegensatz stellt. Die Blüten dieser konstanten Spezies, welche ich ihrem Standorte entsprechend als G. alpina beschrieb!), zeigen folgende Merkmale: Sepalen und Petalen sind schmutzig Zu schwefelgelb, im gut ausgefärbten Zu- Fig. 21. stande direkt braungelb*), linear, spitz, Blüte von Gomesa alpina Porsch regelmäßig flach, niemals auch unse os Veran) nur eine Spur gewellt; die Petalen stehen vom dorsalen Kelch- blatte fast in einem rechten Winkel ab, dieseitlichenSepalen Sind zu Aven Diete sell Lange nanltetm amcor wer wachsen, ihre Seitenränder gerade, nahezu einander parallel (vgl. Textfig. 21). Das charakteristischste Merkmal, welches diese Art auf den ersten Blick unzweideutig charakterisiert, ist die lebhafte Orange- färbung des Labellums; diese erstreckt sich nicht bloß auf die gesamte Basis desselben, sondern auch auf die Region der beiden Lippenkiele mit Ausschluß der Außenhälfite der weißen Flügel, außerdem noch auf die Basis der Flügel und die Basalhälfte des Mittellappens (vgl. Textfig. 21, daselbst die orangegefärbten Partien dunkel gehalten). In allen diesen Merkmalen blieb diese Art unveränderlich konstant. Gerade 1) Vgl. Orchideenbearbeitung 1. c. p. 147. 2) Farbige Abbildungen der ganzen Blüte und Säule mit Labellum finden sich in meiner Orchideenbearbeitung, Taf. XV, Fig. 11—12, sowie bei Regel in Gartenflora 1881 Taf. 1053, Fig. 1a—e (als G. planifolia Lindl. var. crocea). Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. 197 durch dieses letztere Merkmal entfernt sie sich von sämtlichen übrigen „Arten‘ der Gattung, denn bei diesen ist die in der Regel viel hellere Gelbfärbung regelmäßig bloß auf einen goldgelben Farbenton zwischen den beiden Lippenkielen beschränkt. Die durch diese Verschiedenheit des Zeichnungstypus gegebene Isolierung der Art findet ihre weiteren Parallelen in der vertikalen Verbreitung und der gänzlichen Immutabilität desselben. Da sich mir beim Studium anderer Gattungen, wie unter den ein- heimischen Labiaten namentlich bei Galeopsis, Stachys und Satureja, unter den Orchideen bei Masdevallia und Oncidium gerade der Zeichnungs- typus als ein ausgezeichnetes phyletisches Merkmal bewährt hattet), erwartete ich, daß die aus dem abweichenden Zeichnungstypus resul- tierende isolierte Stellung dieser Art sich möglicherweise auch noch in einem morphologischen Merkmale aussprechen dürfte, und unterzog deshalb den Bau des Labellums und die Beziehung desselben zur Säule bei sämtlichen Arten einer eingehenden vergleichenden Untersuchung. Diese Untersuchung führte zu dem befriedigenden Ergebnisse, daß sich G. alpina tatsächlich im Bau des Labellums und seiner Beziehung zur Säule von sämtlichen übrigen Arten der Gattung konstant unter- scheidet, und letztere untereinander wieder gerade nach dieser Richtung vollkommen übereinstimmen. Und zwar handelt es sich hierbei um folgende Unterschiede. Bekanntlich ist die Gattung Gomesa überhaupt dadurch charakterisiert, daß die Basis des Labellums zwei zu einander parallele oder schwach konvergierende Längserhebungen besitzt, welche in der vorliegenden Darstellung kurz als ,,Lippenkiele“* bezeichnet wurden (vgl. Textfig. 5, 6, 15 usw. und die Tafelfiguren). Diese beiden Lippen- kiele setzen sich an der Säule in je eine breite, flache Platte fort und mit diesen beiden Platten, welche als ‚Flügel‘ bezeichnet sein mögen, umgreift das Labellum in engem Anschluß die Säule, ohne jedoch mit dieser zu verwachsen. Der Mittellappen des Labellums ist in der Regel mehr oder weniger gegen die Basis der Säule zurückgeschlagen (vgl. Textfig. 22). BeiG. alpina ist die Säule kürzer und dicker, und die hier sehr stark entwickelten dreieckigen Flügel reichen bis zur Anthere, bei allen übrigen Arten dagegen bloß wenig über die Mitte der Säule und stehen auch in ihrer relativen Größe jenen der G. alpina nach (Textfig. 22). Bei diesen bleibt also stets mindestens das obere Drittel 1) Vgl. Porsch, Die österreichischen Galeopsis-Arten der Untergattung Tetra‘it. Abhandl. d. k. k. zoologisch-botan, Gesellsch. Wien 1903 II. 2, Über den Wert des Zeichnungstypus der Orchideenblüte als phyletisches Merkmal. Verhandl. d. k. k. zoologisch-botan. Gesellsch. Wien LV 1905, p. 257 ff. 13* 198 Porsch. der Säule frei. Außerdem ist bei G. alpina der Mittellappen verhältnis- mäßig sehr kurz, so daß er im zurückgeschlagenen Zustande, der den Normalzustand darstellt, gerade bis zur Säule reicht, ohne sich daselbst an der Spitze umzubiegen. Aber auch dann reicht er nicht bis zur Basis der Säule, während er bei den übrigen Arten absteht und weit über die Säulenbasis hinausreicht (vgl. Textfig. 22). Aus dem Gesagten resultiert: Innerhalb der Gattung Gomesa in dem oben definierten Sinne ist die die Sektion Archi-Gomesa repräsen- tierende, höchst wahrscheinlich ältere, immutable G. alpina außer der Verschiedenheit des Zeichnungstypus und gewisser morphologischer Merkmale durch die vollständige Konstanz zweier Merkmale charakte- Fig. 22. Säule mit Labellum der beiden Sektionen von Gomesa. Links der Typus von Archi-Gomesa (G. alpina), rechts jener von Neo-Gomesa (G. polymorpha). (Beide vergr.) risiert, welche in dem mir vorliegenden Materiale der jüngeren Sektion Neo-Gomesa sprunghaft variieren können. In diesen beiden Merk- malen, nämlich der Beschaffenheit des Blumenblattrandes und dem Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen ist G. alpina bereits in ein Ruhestadium eingetreten, welches sich derzeit in dem vollständigen Mangel jeder Wellung und in Zweidrittelverwachsung der seitlichen Sepalen ausspricht. Die geänderten hiesigen Ernährungsbe- dingungen, welche bei einem Teil der übrigen Formen der Gattung eine Mutationsperiode einleiteten, waren bis heute, nachdem die Pflanze im Maximum siebenmal zur Blüte ge- langte, nicht imstande, diesen Gleichgewichtszustand zu stören. Es wäre von Interesse zu erfahren, ob dies bei lange andauernder Kultur nicht doch möglich ist. Leider teilt G. alpina das u Ze Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 199 Schicksal so vieler anderen Orchideen, nach längerer Kultur immer schwächer zu werden. Diskussion der Einzelmerkmale, ihrer Korrelation und Schlußfolgerungen für die Reform des Systems der Gattung. Der vorhergehende Abschnitt hat uns eine Fülle gesicherter Beob- achtungstatsachen geliefert. Es frägt sich nun, ob und wie dieselben deszendenztheoretisch verwertbar sind. Bevor wir jedoch an eine Diskussion dieser Frage herantreten können, sind zunächst zwei Punkte klarzustellen, deren Entscheidung für die richtige Beurteilung der geschilderten Beobachtungstatsachen unerläßlich ist. Es handelt sich nämlich um die Beantwortung der beiden Fragen: ı. Sind die sprunghaft abändernden Blüten nicht vielleicht bloß teratologische Bildungen ? 2. Sind dieselben nicht als Produkte einer Arbeitsteilung im Sinne einer rein physiologischen oder biologischen Differenzierung innerhalb der Blütentraube aufzufassen ?1) Die erste Frage, ob es sich um Teratologien handelt, findet ihre negative Beantwortung vor allem darin, daß die sprunghaft ab- ändernden Blüten in allen übrigen morphologischen, anatomischen und zytologischen Merkmalen wie im Bau der Säule, der Pollinien, des Fruchtknotens, des Labellums, der Samenanlagen, in Form und Farbe der Blütenhülle vollständig normal sind, sich also streng inner- halb des Bereiches der normalen Variationsweite bewegen. Weiters erstrecken sich ja, wie aus dem detaillierten Tatbestande hervorgeht, die sprunghaften Abänderungen fast ausschließlich auf Merkmale, welche nicht nur bisher allgemein als phyletische Merkmale der Gattung gegolten haben, sondern sogar die ausschlaggebenden Charaktere für die Artunterscheidung der vielfach und seit lange konstanten Vertreter der Gattung darstellten. Die unzweideutige, nachdrückliche Konsta- tierung, daß hier rein teratologische Bildungen vollkommen aus- geschlossen sind, ist im vorliegenden Falle doppelt wichtig, da ja, wie bekannt, gerade innerhalb der Orchideen derartige Bildungen keines- wegs selten sind und andererseits leider bereits mehrfach der Anlaß für unberechtigte Art-, ja sogar Gattungsgründungen waren. Ich 1) Der dritte mögliche Einwand, daß Kreuzung mit im Spiele ist, widerlegt sich, abgesehen von der großen Seltenheit natürlicher Bastarte bei Orchideen durch die oben geschilderte Variationsart der einzelnen Stöcke. Außerdem waren, wie mir Prof. v. Wettstein mitteilte, die Entfernungen der einzelnen Standorte sowie die speziellen Standortsverhältnisse derartige, daß ihm beim Einsammeln des Materials die Möglichkeit des Anteiles eventueller Hybridisation als beinahe vollkommen ausgeschlossen schien. 200 Porsch. verweise hier auf die von Lönnroth auf drei ein einzigesmal auf- gefundene Exemplare gegründete „Gattung“ Stenanthus, welche Fries als eine Monstrosität von Orchis maculata L. erkannte !). Hier lag übrigens der teratologische Charakter derselben so offenkundig zutage, daß man sich wundern muß, daß derselben überhaupt noch eine syste- matische Bedeutung zuerkannt wurde. Denn es handelte sich um Pflanzen mit Blüten ohne die geringste Spur eines Fruchtknotens und einer Säule, mit sechs untereinander fast gleich langen, gestreckten, schmalen, gleichbreiten, am Grunde zu einer Röhre verwachsenen Perigon- blättern. Einen zweiten Fall stellt das bekannte Uropedium Lindent Lindl. dar, welches nach Pfitzer bloß als eine pelorische Form von Phragmo- pedilum caudatum (Lind!l.) Rolfe za betrachten ist. Hier handelt es sich wohl eher um einen Rückschlag, denn diese in Kultur befindliche Form ist durch drei gleichlange Petalen und eine dritte, dem inneren Kreise angehörige Anthere ausgezeichnet *). Ganz anders sind dagegen Fälle wie Argyrorchis und Gymnochilus zu beurteilen. Die erstere monotype javanesische Gattung ist nach Bentham von der eben- falls monotypen javanesischen Gattung Macodes streng genommen bloß dadurch geschieden, daß bei ihr das Labellum den Petalen gleich- gestaltet ist, bei letzterer dagegen nicht. In gleichem Verhältnisse stehen nach demselben Autor die beiden Gattungen Gymnochilus resp. Goodyera zueinander ?). In diesen Fällen handelt es sich tatsächlich um derzeit gefestigte Gattungen, bei deren Entstehung sprunghafte Abänderung wohl eine entscheidende Rolle spielen konnte. Bezüglich des diesbezüglich instruktivsten, von Godron bei Corydalis beob- achteten Falles verweise ich auf das im zweiten Abschnitte der vor- liegenden Arbeit Gesagte. Nachdem wir uns darüber im klaren sind, daß wir es in den mutierenden Blüten keineswegs mit Teratologien zu tun haben, ist noch die zweite Möglichkeit auszuschließen, daß hier vielleicht eine physiologische resp. biologische Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Blüten der Traube vorliegt. Dieser Einwand 1) Fries, Om Stenanthus curviflorus Lönnr. in Botan. Notiser 1888 p. 224—26. Ausführlich referiert in Botan. Centralbl. XL (1889) p. 37. 2) Brongniart, Note sur le genre Uvopedium. Ann. d. sc. natur. III. ser. XIII (1850) p. 113; Ortgries, Uvopedium Lindenii Lindl. Regels Gartenflora 1861 p. 5—7 Taf. 315; Pfitzer, Orchidaceae-Pleonandrae.e. Englers Pflanzenreich IV. 50 (1903) Pp. 15, 28, 52. Daselbst Angabe der weiteren Literatur und Abbildungen. 3) Bentham, Notes on Orchideae. Journ. of the Linn. Soc. London. Bot. XVIII. (1881) p. 346. Gattungscharakteristik bei Pfitzer l. c. (1889) p. 115—119. Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. 201 ist deshalb nicht a priori zu umgehen, da ja bekanntlich gerade die Orchideen wie kaum eine zweite Familie diesbeziiglich geradezu klassische Beispiele liefern. Die Arbeitsteilung kann nämlich eine sexuelle Differenzierung bedeuten, wie bei Catasetum !), Cycnoches ven- tricosum Batem., C. pentadactylum?) Lindl., Bolbophyllum mirabile Hallier 3) usw., oder sie kann anderweitig blütenbiologisch oder all- gemein oekologisch bedingt oder ihrer Bedeutung nach uns gegenwärtig noch unbekannt sein (Renanthera Lowii Reichb. und andere Arten *), Oncidium heteranthum Poepp. und Endl.°), O. ornithocephalum Lindl. °). Auch diese Möglichkeit ist hier vollkommen ausgeschlossen. Die mutierenden Blüten sind ausnahmslos echte Zwitterblüten, in ihren Sexualorganen sowohl grobmorphologisch als anatomisch und zyto- logisch von normalen Blüten nicht zu unterscheiden und auch sonst in der Größe und Form aller übrigen Organe, wie aus der Einzel- darstellung hervorgeht, allseits übereinstimmend. »Der Unterschied erstreckt sich bloß auf den Grad der Verwachsung normal ausgebildeter Organe, der seitlichen Sepalen, den Divergenzwinkel derselben und die Randbeschaffenheit von Perigonblättern, deren Größe und Gestalt von jenen typischer Blüten in nichts abweicht. Wir wissen also nach dem Gesagten, daß es sich in den mutierenden Blüten keineswegs um teratologische Bildungen oder um Differenzie- rungen im Sinne einer physiologischen resp. biologischen Arbeitsteilung handelt. Wir wissen ferner nach dem im geschichtlichen Teile über das bisherige System der Gattung Mitgeteilten, daß es sich in den sprunghaft abändernden Merkmalen um Charaktere handelt, welche bisher die Hauptkriterien für die Artunterscheidung innerhalb der Gattung lieferten. Inwieweit dies berechtigt ist oder nicht, wird der spätere Verlauf dieser Diskussion zeigen. Eines ist jedoch sicher, daß den Literaturangaben und meinen eigenen Beobachtungen zufolge diese Merkmale andererseits 1) Bezügl. dieser Gattung vgl. die weiter unten p. 223 Fußn. ı zitierte Literatur. 2) Vgl. Bateman, Orchids of Mexico and Guatemala (1837—43) Taf. 40, Morren, Cycnoches ventricosum Batem. in Ann. d. ]. soc. d’agricult. et d. bot. d. Gand. IV. 1848 p- 127ff. Taf. 187. Lindley, in Botan. Register XXIX (1843) Miscell. p. 77, Hooker, Botan. Magazine (1844) Taf. 5054, Pfitzer, 1. c. (1889) p. 160 Fig. 164, Cogniaux, l.c. III. 5 p. 452; daselbst ausführliche Literaturangaben. 3) Hallier, Neue und bemerkenswerte Pflanzen aus dem malaiisch-papuanischen Inselmeer. Ann. d. jard. d. Buitenzorg XIII. (1896) p. 316. 4) Näheres bei Winkler, Botanische Untersuchungen aus Buitenzorg I. 1. Über den Blütendimorphismus von Renanthera Lowii Rehbf. Daselbst XX. 1906 p. ı ff. 5) Vgl. Cogniaux, l.c. III. 6 p. 378—379 Taf. 87. 6) Pfitzer, |. c. (1889) p. 71 Fig. 7. 202 Porsch. wieder vollkommen konstant sein können. Halten wir innerhalb der Orchideen diesbezüglich weitere Umschau, so finden wir, daß gerade die beiden im vorliegenden Falle der gelegentlichen Mutation unterliegenden Charaktere, Wellung und Verwachsungsgrad von Blüten- hüllblättern in dieser Familie vielfach ausgezeichnete phyletische Merk- male darstellen und zwar nicht nur Art-, sondern auch Gattungs- merkmale. Wellung sämtlicher oder bestimmter Perigonblätter ist für so viele Orchideenspezies als Artcharakter verbreitet, daß es beinahe überflüssig erscheint, spezielle Beispiele anzuführen. Aus der großen Fülle derselben seien daher bloß die wenigen folgenden genannt: Cyrtopodium punctatum Lind., Dendrobium undulatum Fitzger., D. super- biens Rchb., Oncidium crispum Lindl., O. Forbesii Hook., Odontoglossum crispum Lindl., O. Edwardi Rchb. f., Miltonia Warscewicz Lind. und viele andere. Als Gattungsmerkmal ist dieselbe beispielsweise für die Gattung Schomburgkia charakteristisch, worauf wie bei einem Teil der vorigen Fälle schon die Speziesnamen hindeuten (Sch. erıspa, Sch. un- dulata usw.). Dasselbe gilt für die meisten Arten von Trichopilia (T. tortilis Lind!. usw.). Aber auch außerhalb der Orchideen ist die Wellung häufig Artcharakter; ich erinnere an die bekannte, häufig kultivierte Amaryllidacee Nerine undulata Herb. gesamtes Perigon gewellt), an Gentiana crispata Vis. (Sepalen gewellt) usw. Für die hohe phyletische Bedeutung des Verwachsungsgrades im Bereiche der Blütenhüllblätter brauche ich nach dem oben Gesagten keine weiteren Beispiele anzuführen; ich verweise überdies auf das S.215—21 und im zweiten Abschnitt über den Tribus der Pleurothallidinae Gesagte, wo dieses Merkmal nicht nur eines der wichtigsten Art- charaktere darstellt, sondern meist geradezu die Grundlage für die gegenwärtige Gattungsunterscheidung bildet. Noch ungleich wichtiger als die Wellung tritt gerade dieses Merk- mal außerhalb der Orchideen als ein phyletischer Charakter auf, welcher innerhalb der Angiospermen ganze Familienreihen charakterisiert, wie vor allem die beiden großen Reihen der danach benannten Formen- kreise der Choripetalen und Sympetalen. Mit Rücksicht darauf, daß es sich in diesen wenigstens teilweise um unserem Falle analoge Verhältnisse handelt, möchte ich hierbei kurz verweilen. Es ist nicht meine Aufgabe, hier die Frage zu erörtern, inwieweit die beiden großen Reihen der Choripetalen und Sympetalen als mono- phyletische oder polyphyletische Formenkreise natürliche oder un- natürliche Verwandtschaftsreihen darstellen. Derjenige, der sich näher dafür interessiert, sei auf die bezügliche Auseinandersetzung inv.Wett- Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 203 steins Handbuch verwiesen, wo er auch die nötigen Literatur- verweise findet. Ich bin mir meinerseits der eminenten Schwierig- keiten einer gründlichen und ehrlichen phylogenetischen Untersuchung zu wohl bewußt, um mir die Entstehung der Sympetalen als Ganzes bloß im Sinne von de Vries vorzustellen). Die Geschichte der unendlich verzweigten Formenfülle der Sympetalen ist viel zu verwickelt, ihre Be- ziehungen sind viel zu heterogen, um sich auf so einfache Weise zu klären. Hier kann nur die gründliche Detailarbeit schrittweise in das Geheimnis der gegenseitigen Verwandtschaftsbeziehungen eindringen helfen. Mir gilt es an dieser Stelle bloß zu betonen, dal sowohl inner- halb der Sympetalen als-innerhalb der Choripetalen und zwar in zahl- reichen in ihrer Abgrenzung klaren und verwandtschaftlich einheit- lichen Familien immer wieder einzelne Typen auftreten, welche sich gerade im Verwachsungsgrade bestimmter Teile der Blütenhülle zu dem Gros ihrer Familienangehörigen in Gegensatz stellen und so die auf dieses Merkmal gegründete Einteilung zum Teil illusorisch machen. Besonders lehrreich sind jene Fälle, in denen es sich bloß um einzelne Arten ober bestimmte Sektionen einer Gattung handelt. Zur Illustration dessen mögen die beiden folgenden Tabellen dienen, welche als bloße Auswahi der wichtigsten Beispiele keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben wollen. Tabelle I. Sum peraler Choripetalen?). Nymphaeaceae: Barclaya. Papaveraceae: Papaver bracteatum monopetalum *). Achariaceae. Caricaceae. Loasaceae: Eucnide, Sympetaleia?). Linaceae: Linum Sect. Syllinum *). Rutaceae: Correa, Ticorea, Rauia, Galipea, Raputia, Decagonocarpus, Erythrochiton, Naudinia, Ravenia, Mosmiera *). Celastraceae: Microtropis (basale Verwachsung) °). 1) Vgl. de Vries, Mutationstheorie I. (1901) p. 11 Fußn. 2) Systematische Anordnung nach v. Wettsteins Handbuch II. 2 1907. 3) Vgl. de Vries 1. c. 1901 p. 11 Fig. 1, Masters l. c. p. 45 Fig. ız. Gilg in Engler-Prantls Natürl. Pflanzenfamilien III. 6a, p. 103, 111, 112. 4) Reiche in Engler-Prantls Natürl. Pflanzenfam. ILI. 4 p. 32. 5) Engler, Rutaceae in Engler-Prantls Natiirl. Pflanzenfam. III. 4 p. 161—68. 6) Lösener, daselbst III. 5 p. 193, 202. 204 Porsch. Stackhousiaceae: Petalen in der Mitte verwachsen, oben und unten frei t). Icacinaceae: Platea, Phytocrene, Alsodeiopsis, Leptaulus, Gonocaryum, Lasianthera u. a.*). Crassulaceae: Bryophyllum, Grammanthes, Kalanchoe, Cotyledon, Rochea *). ( Pittosporaceae: Starke Tendenz zur Verwachsung®)). Tabelle II. Choripetale Sympetalen. Plumbaginaceae: Armeria °). ‚Clethraceae: Clethra °). Pirolaceae: Chimaphila, Pirola, Allotropa, Monotropa, Pleuricospora, Cheilotheca 7). Ericaceae: Elliottia, Tripetaleia, Cladothamnus, Bejaria, Ledum, Ledo- thamnus, Leiophyllum, Catanthera, Calluna '). Primulaceae: Lysimachia, Naumburgia, Trientalis, Pelletiera *). Myrsinaceae: Heberdenia, Embeha, Suttona, Rapanea acrantha, R. erythroxyloides ”). Polemoniacee: Cobaea Sect. Rosenbergia '°) (unvollständige Choripetalie). Cucurbitaceae: Alle Übergänge von Sympetalie bis zu vollständiger Choripetalie ''). Campanulaceae: Michauxia, Phyteuma spez. Cephalostigma, lastone, Cyphia, Nemocladus '?). Überblickt man diese beiden Tabellen, so findet man, daß im Verwachsungsgrade abweichende Gattungen zwar keineswegs selten einander verwandtschaftlich nahe stehen, ja selbst einem Tribus zu- gehören können, daß aber andererseits nicht nur genau das Gegenteil vorkommt, sondern in einer formenreichen Familie derlei Abweichungen 1) Pax, daselbst p. 231--33. 2) Vgl. Engler. daselbst III. 5 p. 240 und die Charakteristik der einzelnen Gattungen. 3) Schönland, daselbst III. 2a p.26 und Charakteristik der einzelnen Gattungen. 4) Pax, daselbst III. 2a p. 106. 5) Pax, in Engler-Prantls Natürl. Pilanzenfam. IV. ı p. 124. 6) Drude, daselbst IV. ı p. 1. Z)EDiem(diesslsgc: SED ARSal.zcH 9) Mez in Englers Pflanzenreich IV. 236 p 7. 10) Brand, daselbst IV. 250 p. 28—29; Vgl. Hooker, in Botan. Magaz. Taf. 5757. 11) Müller, Pax in Engler-Prantls Natürl. Pflanzenfam. IV. 5 p. 5. Vel. ‘die Charakteristik der einzelnen Gattungen. 12) Schonland, daselbst p. 44, 52, 58, 59, 63, 66. Die Bedeutung sprunghafter Bliitenvariationen. 205 auch vollkommen isoliert auftreten. Imersteren Falle ist es wohl klar, daß das vom Typus einheitlich abweichende Verhalten auf eine gemein- same Anlage infolge gleicher Abstammung zurückgeht. In jenen Fällen aber, wo Abweichungen in diesem Merkmale ganz isoliert auf- treten, trifft dies nicht zu, und ich halte es keineswegs für ausgeschlossen, daß in diesen und n ur in diesen Fällen wenigstens bei deren Entstehung sprunghafte Abänderung mit im Spiele war. Wie auf manchen Kultur- feldern von Papaver bracteatum jährlich einzelne Pflanzen mit ver- wachsenen Petalen auftreten!), ebenso konnte und kann auch auf dem großen Kulturfelde der Natur gelegentlich eine choripetale „Sympetale‘“ oder eine sympetale ‚‚Choripetale‘“ auftreten, die zum Teile mit Pollen der Normalform, zum geringeren Teile vielleicht mit Pollen von ihres- gleichen gekreuzt, ihre abweichenden Merkmale resp. die Disposition hierzu auf eine beschränkte Anzahl von Nachkommen vererbte. Damit war aber schon die Bedingung für eine numerische Steigerung derselben in den Deszendenten gegeben. Was überdies diese in den beiden Tabellen aufgeführten Fälle abweichender Verwachsungsver- hältnisse gerade in deszendenztheoretischer Hinsicht interessant macht, ist ihre vollkommene Konstanz. Handelt es sich hierbei ja um selbst- ständige Art, Sektions- resp. Gattungsmerkmale. Nach Verneinung der beiden eingangs gestellten Fragen resultiert also aus dem Gesagten, daß die beiden bei Gomesa sprunghaft abändern- den Merkmale phyletische Merkmale darstellen, welche nicht nur bei Gomesa zur Artunterscheidung dienten und auch sonst innerhalb der Orchideen ausgezeichnete konstante Charaktere abgeben, sondern auch auBerhalb dieser Familie zur Charakteristik systematischer Einheiten niederer und höherer Ordnung ausgedehnte Verwendung finden. Bes trachten wir nun die an Gomesa beobachtete Merkmalsvariation etwas näher. Was zunächst de Beschaffenheit des Blumenblatt- randes anbelangt, so ergaben sich nach dem oben Mitgeteilten folgende Spezialfälle: Der Blumenblattrand bleibt konstant ungewellt: Stock 74, 81, 70, 61, 73. » »» en x gewellt : 3 75, 04,70; Die Wellung wird gesteigert: 4 10,005; a 4 tritt plötzlich auf: „67, 66, 68, 62. Ein Überblick über diese Zusammenstellung liefert also kurz das Ergebnis, daß zwar nicht gewellte Stöcke entweder 1) Vgl. de Vries l.c. (1901) p. 11 Fußn. 1. 206 Porsch. konstant ungewellt blieben oder plötzlich zur Wellungübergingen,daß aberdie Wellung, wenn sieeinmalerreicht war,in keinemeinzigenFalle zurückging, sondern entweder gleichblieboder gesteigert wurde. Wir wissen gegenwärtig nicht, durch welchen Faktor die Wellung in der Ontogenese der Pflanze bedingt wird. Daß hier- bei entwicklungsmechanische Einflüsse eine Rolle spielen, dürfte sich zwar kaum bezweifeln lassen. Da aber, wie wir aus dem früher Gesagten gesehen haben, die Wellung einerseits in verwandtschaftlich mehr oder weniger weit getrennten Formenkreisen ein konstantes phyletisches Merkmal abgibt, andererseits zwischen nächst verwandten Arten als Speziesmerkmal auftritt, so ist schwer daran zu glauben, daß dieselbe durch die bei ihrer Bildung eventuell mit beteiligten ent- wicklungsmechanischen Faktoren allein bedingt sein solle. Es spielt, um ein stark mißkreditiertes Wort zu gebrauchen, die spezifische Konsti- tution der Art unbedingt hierbei auch eine Rolle. Da die Wellung als konstanter Charakter vollkommen entwickelter Blumenblattorgane kein ursprüngliches, sondern ein sekundäres Merkmal darstellt, so haben die oben mitgeteilten Einzelbeobachtungen also für Gomesa rücksichtlich der Wellung sowohl Konstanz und Steigerung als auch progressive Mutation, niemals aber in diesem Sinne retrogressive oder atavistische Mutation ergeben. Wir werden gleich sehen, daß sich unsere Gattung in dem zweiten, der sprunghaften Variation unterliegenden Merkmale genau umgekehrt verhält. In diesem zweiten Merkmale, dm Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen waren im wesentlichen folgende Spezial- fälle zu konstatieren: Die seitlichen Sepalen bleiben konstant getrennt: Stock 63, 65, 67., 66, 76, 75, 64. Die seitlichen Sepalen bleiben konstant verwachsen: Stock 73. Der Verwachsungsgrad variiert sprunghaft von Verwachsung zu steigen- der Trennung: Stock 74, 70, 61, Der Verwachsungsgrad variiert sprunghaft von Trennung zu teilweiser Verwachsung: Stock 81, 62, 68. Diese Tabelle ergibt also kurz folgendes: Ver wachsung blieb entweder konstant oder variierte zu steigender Trennung. Vollständige Trennungbliebdagegen, wenn einmal erreicht, regelmäßig konstant und ging niemals später. sprunghaft in deutliche Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 207 Verwachsung über. Die in obiger Tabelle erwähnten Stöcke 81, 62 und 68 bilden keinen Einwand dagegen, da es sich auch in diesen Fällen nicht um vollständige Trennung mit deutlich divergierenden seitlichen Sepalen und weitgehende Verwachsung handelt. Da dem Diagramm der Orchideenblüte entsprechend die Trennung der Sepalen den ursprünglichen Zustand, die weitgehende Verwachsung derselben ein abgeleitetes Stadium darstellt, so können wir sagen: ImGegen- Sea zu Varıatiomsrichtunesdes Blumenpblatt- randes erwies sich die sprunghafte Variation des Verwachsungsgrades der seitlichen Sepalen als vorwiegend retrogressiv oder atavistisch. So wirkt also hier inden mir vorliegenden Fallen die sprunghafte Variation nur durch die Kom- bination beider Merkmale progressiv schaffend. Betrachten wir weiter die Variationen der einzelnen Stöcke gerade rücksichtlich der tatsächlich beobachteten und nicht beobachteten Merkmalskombinationen, so gelangen wir zu einem sehr merkwürdigen - Ergebnis. Es zeigt sich nämlich, daß ungewellter Blumenblattrand so- wohl mit Verwachsung als mit Trennung der Kelchblätter in Kombi- nation tritt, daß dagegen starke Wellung konstant mit voll- ständiger Trennung, der seitlichen Sepalen korre- lativ verknipftist. Ich sage hier konstant, da in dem einzigen Ausnahmefall in Stock 62 teilweise Verwachsung bloß mit schwacher Ausprägung der Wellung verbunden war. Diese für das mir gegenwärtig wenigstens vorliegende Beobachtungsmaterial vollständig gesetzmäßige Korrelation zwischen starker Wellung und Trennung der seitlichen Sepalen bedingt bei einem plötzlichen Auf- treten der Wellung als unbedingte Begleiterscheinung die Trennung der Sepalen. Es liegt mithin der deszendenztheoretisch interessante Fail des plötzlichen Auftretens zweier Merkmale vor, deren Kombination als Ergebnis einen neuen Blütentypus, nämlich den dadurch charakterisierten „Crispa-Typus“ liefert, den selbst eine weitere Speziesauffassung spezi- fisch trennen würde, falls er dem Beobachter zum erstenmal unvermittelt auftaucht. Wenn man bedenkt, daß der hochgradig an Windverbreitung angepaßte Orchideensame sehr leicht in ein Gebiet mit stark geänderten Ernährungsbedingungen gelangen kann, welche aber immerhin derart sein können, daßsie dem Keimling seine Entwicklung ermöglichen, so erscheint die Annahme wohl gerechtfertigt, daß die G. crispa auch in der freien Natur auf diese Weise entstanden ist resp. gelegentlich noch entsteht. Jedenfalls ist gegen die Möglichkeit einer derartigen Entstehungsart nichts 208 Porsch. einzuwenden, nachdem sich dieselbe sozusagen unter meinen Augen voll- zog. Dieser Fallechter phyletischer Korrelation liegt deshalb so klar zutage, weil die konstante Verkettung beider Merkmale vom Augenblicke ihres ersten Auftretens an fiir bestimmte Individuen durch die direkte Beob- achtung festgestellt werden konnte. Da weiter nach dem oben Gesagten die vollstandige Trennung der seitlichen Sepalen bis jetzt wenigstens niemals in eine merkliche Verwachsung überging, so resultiert hieraus im Verein mitdererwähnten Korrelation zwischen Wellung und Trennung, daß der auf diesem Wege entstandene ‚‚Crispa-Typus“ sich derzeit als konstant erweisen muß. Die gegenwärtig als ,,G. crispa“ vorliegenden Stöcke sind auch bis dato über diesen Typus nicht hinausgekommen. Ob sie dies später können, läßt sich vorläufig nicht voraussagen; aber eines läßt sich wohl als höchst wahrscheinlich prophezeien, daß nämlich, falls in den Knospen Wellung schon zu einer Zeit deutlich nachweisbar ist, wo die Trennung der einzelnen Blumenblätter noch unvollständig ist, die Trennung der seitlichen Sepalen im entwickelten Zustande der Blüte damit sicher verbunden ist. Durch welche Faktoren diese Korrelation bedingt ist, entzieht sich gegenwärtig noch unserer Einsicht. Es liegt die Vermutung nahe, daß der Vorgang der Trennung der Sepalen hier eher das Sekundäre als das Primäre ist. Der Verlauf des Vorganges läßt sich in.der Art vorstellen, daß aus uns unbekannten Gründen frühzeitig die Tendenz zur Wellung der Blumenblattanlagen auftritt und die im Laufe der Ontogenese immer mehr zunehmende Wellung rein entwicklungsmechanisch die Trennung der Sepalen bedingt. Die Neigung zur Wellung muß aber irgendwie erblich in der Anlage bedingt sein, oder sie wird, wie im vorliegenden Falle wahrscheinlich ist, durch Vorgänge induziert, welche wieder in dem Wechsel der Existenzbedingungen ihre Veranlassung finden. Man wäre versucht, anzunehmen, daß die erste Veranlassung für das Auf- treten der Wellung im Raummangel der jungen Blattorgane in der Knospe begründet sei. Diese Annahme findet aber in der Tatsache, daß die Blüten mit gewellten Anlagen im entwickelten Zustande keineswegs regelmäßig längere Perigonblätter besitzen, keine Bestätigung. Siesind im Gegenteil oft relativ kürzer als jene ungewellter Exemplare. Andererseits ist bei dieser Annahme wieder schwer einzusehen, warum die Wellung für viele Arten ein ausgezeichnetes und vollkommen konstantes phyletisches Merkmal darstellt und bei nahe verwandten Formen wieder fehlt. Es liegt daher nahe, die Ursache der Wellung wo andershin zu ver- legen. In diesem Sinne wäre es vielleicht eine lohnende Aufgabe, auf dem Wege des Experimentes den eventuellen entwicklungsmechanischen Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 209 Anteil des Labellums fiir die Trennung der seitlichen Sepalen zu unter- suchen und zwar sowohl bei gewelltem als bei ungewelltem Blumenblatt- rande. Denn da das Labellum dem Diagramm und seiner Anlage nach zwischen die beiden seitlichen Sepalen zu liegen kommt, so könnte ein Vorauseilen in der Entwicklung desselben bei bestimmter Stellung die Trennung derselben bedingen. Vergleicht man aber zahlreiche fertige Blüten verschiedener Stöcke auf die Stellung des fertigen Labellums hin, so zeigt sich bei Vergleich eines entsprechend umfangreichen Beob- achtungsmaterials, daß wenigstens im entwickelten Zustande die relative Lagebeziehung des Labellums zu den beiden Sepalen bei Verwachsung und Trennung dieselbe ist: Selbstverständlich ist auch dieser Befund des Tatbestandes deshalb kein entscheidender Einwand kontra, weil ja die Stellung des Labellums sich später in beiden Fällen gleichsinnig ändern kann. Jedenfalls wäre es lehrreich, experimentell festzustellen, was geschieht, wenn in zahlreichen sehr jungen Knospen verschiedener Stöcke die Labellumanlage möglichst frühzeitig operativ entfernt würde. Vorläufig müssen wir uns damit begnügen, die regelmäßige korrelative Verknüpfung von starker Wellung und vollkommener Trennung der seitlichen Sepalen als eine gesicherte Beobachtungstatsache hinzunehmen. Ihre deszendenztheoretische Bedeutung für die Formenneubildung innerhalb der Gattung liegt jedenfalls klar auf der Hand, und auf diese kommt es in der vorliegenden Frage in erster Linie an. Die eben besprochene Korrelation zwischen einem Merkmal des Verwachsungsgrades von Blütenhüllblättern und einem zweiten morpho- logischen, hier auf die Beschaffenheit des Blumenblattrandes bezüglichen Charakter ist geeignet, unser Augenmerk auf eine zweite systematisch wichtige Merkmalskombination zu lenken, deren ich bereits früher flüchtig gedachte (p. 85); es ist dies die wenn auch nicht ausnahmslos, so doch für große Formenkreise konstante Verkettung der Choripetalie oder Sympetalie mit einer bestimmten Integumentzahl der Samenanlage. Bekanntlich ist das Gros der Sympetalen durch den Besitz eines einzigen Integumentes, jenes der Choripetalen durch zwei Integumente der Samen- anlage ausgezeichnet. Aber ebenso wie unter den Sympetalen ver- einzelt Choripetalie vorkommt und umgekehrt, so gilt dies auch für diese Regel, wie aus der folgenden Zusammenstellung hervorgeht, welche ich der Güte Prof. v. Wettsteins verdankel). 1) Vgl. diesbezüglich van Tieghem, L’oeuf des plantes considerée comme base de leur classific. Ann. d. sc. natur. Botan. VIII. Ser. T. XIV. (1901) p. 213. Sur les phanérogames sans graines, formant la division des ins¢minées. Bull. d. 1. soc. bot. d. France 1897 p. 99 ff. 210 Porsch. Tabelle III. Dialypetalae mit ı Integument: Olacaceae,') Loranthaceae pr. p., Grubbiaceae, Loasaceae, Limnanthaceae, Icacinaceae, Empetraceae, Escalloniaceae, Bruniaceae, Pittosporaceae, Araliaceae, Umbelliferae?). Sympetalae mit 2 Integumenten: Plumbaginaceae, Primu- laceae, Myrsinaceae, Ebenaceae, Styracaceae, Salvadoraceac, Cucurbi- taceae. Diese Tabelle wird für die vorliegende Frage doppelt interessant, wenn man sie unter vergleichender Berücksichtigung der beiden früheren auf die Abweichungen im Verwachsungsgrad bezüglichen Tabellen kritisch überblickt. Es zeigt sich hierbei erst so recht klar, wie tief diese Merkmalskombination vieler Familien eingreift. Denn es begegnet uns in den meisten Fällen immer wieder die Erscheinung, daß sich in Familien, welche in einem der beiden Merkmale vom Normaltypus ab- weichen, in einzelnen oder zahlreichen Vertretern sich die Tendenz Bahn bricht, auch das andere Merkmal im Sinne der erwähnten Kombination abzuändern. Ich habe schon früher auf einige diesbezügliche Beispiele hingewiesen. So fallen die durch ein einziges Integument ausgezeichneten Icacinaceen, Pittosporaceen, Loasaceen usw. durch die bei verschiedenen Vertretern unverkennbare Neigung zur Sympetalie auf, welche bei einer Reihe von Gattungen sogar sehr typisch entwickelt ist (vgl. Tab. I). Das Gegenstück hierzu bilden wieder die in der Regel sympetalen Cucurbitaceen bei Zweizahl der Integumente, also einem sonst für die Choripetalen charak- teristischen Merkmale, mit der entgegengesetzten Neigung zur Chori- petalie. Noch interessanter wird das Verhältnis, wenn wir die ineinem der beiden Merkmale vom Typus abweichenden Familien auf ihre mut- maBlichen Verwandtschaftsbeziehungen hin vergleichen. In den meisten Fällen lassen sich Verwandtschaftsbeziehungen zu einer Familie oder zu Formenkreisen feststellen, die indem anderen Merkmale mit ersteren übereinstimmen. So zeigen die mit einem Integument versehenen ch ori petalen Loasaceen Beziehungen zu den Campanula- ceen, die Saxifragaceen zum Teil Beziehungen zu den Tubifloren, die Limnanthaceen zu den Convolvulales, die Umbelliferen zu den Rubiales; umgekehrt zeigen wieder die mit zwei Integumenten versehenen sympetalen Plumbaginaceen Beziehungen zu den Centrospermen, die Pri- mulaceen und Myrsinaceen mögliche Beziehungen zu den Parietales*) usw. 1) Systematische Anordnung nach v. Wettsteins Handbuch II. 2) Nicht einbezogen wurden in dieses Verzeichnis selbstverständlich die Monochlamydeae. mit einem Integument. 3) Nach v. Wettsteins Handbuch II. p. 396. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 2II Ja es ist dem Gesagten zufolge keineswegs ausgeschlossen, daß sich die Berücksichtigung dieser Merkmalskombination unter Umständen bei der Feststellung verwandtschaftlicher Beziehungen sogar als heuris- tisches Mittel verwerten ließe. Selbstverständlich setzt dies voraus, daß wenigstens der größte Prozentsatz der Vertreter der einzelnen Familien auf die Integumentzahl hin wirklich untersucht ist, was namentlich bei tropischen Familien wenigstens gegenwärtig auch nicht annähernd der Fallist. Daß die erwähnte Verkettung zwischen dem Verwachsungs- grad der Petalen und der Integumentenzahl sogar auf diesen bestimmten Blattquirl im Bereiche der Blüte, die Petalen nämlich, beschränkt ist, beweisen die gamopetalen Liliifloren (Convallaria, Polygonatum, Muscari u.v.a.) mit zwei Integumenten. Diese bilden, wie bereits oben erwähnt wurde, nur eine scheinbare Ausnahme gegen die vorherrschende Kombi- nation von Sympetalie mit der Einzahl des Integumentes. Denn hier handelt es sich nicht um die Verwachsung von Perigonblättern eines einzigen Kreises untereinander, sondern um seitliche Verwachsung von je einem Sepalum und einem Petalum, also um je ein Blumenblatt des äußeren und des inneren Quirls. Bevor ich diesen nur vergleichsweise herangezogenen Parallel- fall verlasse, fühle ich mich, um Mißverständnissen vorzubeugen, nur noch veranlaßt, meinen Standpunkt gegenüber der Einschätzung der Wertigkeit dieser Merkmalskombination kurz zu charakteri- sieren. In dem von mir beobachteten, auf Gomesa bezüglichen Falle liegen die Verhältnisse in einer Hinsicht wenigstens voll- kommen klar zutage. Gleichgültig, ob die Wellung des Blumenblatt- randes in letzter Instanz rein entwicklungsmechanisch bedingt ist oder nicht, eines ist sicher, daß es sich in der Kombination von Wellung und vollkommener Trennung der seitlichen Sepalen um echte Korre- lation handelt. Denn außer der Regelmäßigkeit dieser Ver- kettung konnte dieselbe von dem Augenblicke ihres ersten Auftretens an direkt beobachtet werden. Anders liegen die Dinge im Falle Kronen- blattverwachsung und Integumentzahl. Dieser Merkmalskombination stehen wir vorläufig bloß als einer fertigen Tatsache gegenüber, ohne zu wissen, obessichuminihrem ersten Auftreten aneinander gebundene Merkmale handelt oder ob sich die in so vielen wenn auch nicht in allen Fällen nachweisbare Verkettung der beiden Merkmale erst allmählich herausgebildet hat. Ja überblickt man die oben gegebene Zusammenstellung der vermutlichen Verwandtschaftsbe- ziehungen einiger diesbezüglich abweichender Familien, so muß sich einem geradezu die Überzeugung aufdrängen, daß das eine der beiden Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. I. 14 212 Porsch. Merkmale u. zw. die Integumentzahl historisch alter ist. Denn in den meisten Fällen zeigen die erwähnten abweichenden Familien mit den ihnen verwandtschaftlich verknüpften, aber in beiden Merkmalen normalen Reihen gerade in der Integumentzahl die Übereinstimmung. Dies ist auch leicht verständlich. Denn der Unterschied in der Inte- gumentzahl bedeutet doch ein Plus oder Minus eines Organs, während der Unterschied im Verwachsungsgrad dieselbe Organzahl voraussetzt und nur auf einen Wechsel in der Art ihres gegenseitigen Anschlusses hinausläuft. Ersterer greift demgemäß viel tiefer in das Formbildungs- vermögen der Pflanze ein als letzterer und dieser kann ‘daher leichter der Abänderungsmöglichkeit unterliegen. Andererseits läßt sich wieder nicht leugnen, daß die weite Verbreitung dieser Merkmalskombination sehr zugunsten der Auffassung derselben als Korrelation spricht. Kurz, vorläufig läßt sich diese so interessante und meines Wissens bis heute nicht entsprechend gewürdigte Frage nur durch eine allerdings die Arbeitskraft des einzelnen stark beanspruchende Detailuntersuchung dem Verständnisse näher bringen. Bevor ich diesen Abschnitt über die Merkmalsdiskussion schließe, erübrigt mir noch meinen Standpunkt in der Frage nach den praktisch systematischen Konsequenzen meiner oben in extenso geschilderten, auf Gomesa bezüglichen Beobachtungen klar zu präzisieren. Denn daß dieselben für das System der Gattung von einschneidender Be- deutung sind, liegt auf der Hand. Ich werde mich diesbezüglich möglichst kurz fassen, da diese Seite der Frage nur zum Teile in den Rahmen der vorliegenden Darstellung gehört, und kann dies um so eher, als durch das Vorhergegangene der Boden für meine Auffassung bereits vor- bereitet erscheint. Ich übergehe diese Frage absichtlich nicht, um mich gegen den Vorwurf der Überschätzung der systematischen Be- deutung meiner Beobachtungen zu verwahren. Es ist selbstverständlich und zunächst schon eine einfache Forderung des gesunden Menschenverstandes, daß die in der Sektion Neo-Gomesa bisher unterschiedenen ‚Arten‘ auf Grund meiner Einzelbeobach- tungen als echte Arten der Praxis für alle Zukunft unhaltbar geworden sind. Denn ein Pflanzenindividuum kann, wofern es nicht ein Kreuzungs- produkt ist, nur die Verkörperung einer einzigen Spezies sein. So sehr man sich auch bei Betrachtung der Extreme dagegen sträuben mag (vgl. Taf. I Fig. 5, 6, 17 usw.), so ist doch durch die geschilderte Variation jeder Zweifel ausgeschlossen, daß sämtliche innerhalb der Sektion Neo-Gomesa aufgestellten und von mir beobachteten Formen spezifisch vereinigt werden müssen, oder mit anderen Worten aus- Die Bedeutung sprunghafter Bliitenvariationen. 213 gedrückt, die ganze Sektion Neo-Gomesa bloß eine ein- zieren danswellt. In der systematischen Zusammenfassung der Gattung, welche ich in meiner Orchideenbearbeitung lieferte, welche mehr eine provi- sorische Tatbestandsaufnahme -sein wollte, habe ich diese Konsequenz praktisch noch nicht gezogen, sondern ich beschränkte mich vorläufig darauf, den Divaricata-, Crispa-, Foliosa- und Planifolia-Typus mit den ihnen nach den Nomenklaturregeln zukommenden binären Namen einstweilen beizubehalten. Steht einem am natürlichen Standorte gesammeltes Herbarmaterial zur Verfügung, so genügt in der Regel ein Blick, um die Zugehörigkeit eines bestimmten Individuums zu einem der vier Typen festzustellen. Am natürlichen Standorte dürfte auch das Material, von der fluktuierenden Variabilität abgesehen, im allgemeinen ziemlich konstant sein. Haben sich ja doch den bis- herigen Literaturangaben zufolge die bisher aufgestellten „Arten“ in vieljahriger Kultur als solche bewährt, und ist ja doch auch unter dem zum Teil sehr stark zu sprunghafter Variation neigenden lebenden Material, welches mir vorliegt, ein gewisser Prozentsatz bis heute vollkommen konstant geblieben. Nach dem Gesagten ist es also klar, daß eine kritiklose Zusammenziehung sämtlicher Typen, ohne ihnen einen systematischen Rang zweiter Ordnung beizumessen, alle die interessanten Tatsachen der sprunghaften Variabilität einerseits und der dieser entgegenarbeitenden, vielfach sehr weitgehenden Konstanz andererseits verdeckt würden; und zwar gilt dies ohne Rücksicht darauf, ob die auf diese unleugbaren Beobachtungstatsachen hin gegründeten deszendenztheoretischen Vermutungen richtig sind oder nicht. Der prak- tisch deskriptive Systematiker will Ordnung und klare systematische Be- griffe und muß dadurch notgedrungen mit dem Deszendenztheoretiker, der gewissermaßen die Stelle eines Interpreten der formenumbildenden Natur spielt, öfter in Konflikt geraten. Die Resultierende dieses wenn auch friedlichen Konfliktes ist das ‚System‘, welchem demgemäß alle Vorzüge und Fehler eines Kompromisses anhaften müssen. So liegen die Dinge auch im vorliegenden Falle. Die praktisch-syste- matische Lösung besteht also nach dem Gesagten einfach darin, alle bisher unterschiedenen ‚Arten‘ der Sektion Neo-Gomesa unter einem Speziesnamen zusammenzuziehen. Der Vielgestaltigkeit derselben entsprechend wähle ich den Namen G. polymorpha. Dieser großen Art sind dann die vier Haupttypen, unter denen sich die meisten Varia- tionen leicht unterbringen lassen, als systematische Einheiten niederer Ordnung zu subsummieren. Ob man dieselben als ‚Unterarten‘ oder 14* 214 Porsch. mit dem nach keiner Richtung verbindlichen Ausdrucke ‚Formen‘ bezeichnen will, mag dem Geschmacke des einzelnen überlassen bleiben. Unter Berücksichtigung des oben über die beiden Sektionen Gesagten!) ergibt sich dann folgendes System der Gattung: Sektion Archigomesa: Flügel des Labellums die Säule bis zur Anthere umfassend. Einzige Art: G. alpina. Sektion Neo-Gomesa: Lippenflügel bloß den basalen Teil der Säule umfassend, obere Hälfte daher frei. G. polymorpha. a) Subspezies (forma) divaricata b) ss 5 crispa Cc) » A folvosa d) > 5 planifolia mit den bezüglichen Merkmalen der vier gleichnamigen oben (p. 9I—93) charakterisierten Typen. III. Gattungen mit Arten, für deren Entstehung wahrscheinlich sprunghafte Variabilität im Vereine mit korrelativer Abänderung maßgebend waren. Wir haben im Vorhergehenden in Gomesa eine Gattung kennen gelernt, innerhalb welcher, wie die Vertreter der jüngeren Sektion Neo-Gomesa zeigen, wahrscheinlich durch die veränderten Ernährungs- bedingungen der hiesigen Kultur eine Mutationsperiode induziert wurde. Das Studium ihrer Mutabilität hat weiter ergeben, daß sich dieselbe I. hauptsächlich auf zwei Merkmale erstreckt, welche als die bewährtesten phyletischen Charaktere der Gattung bisher die Grund- lage für die Artunterscheidung bildeten und 2. daß das Merkmal starke Wellung des Blumenblattrandes konstant mit vollständiger Trennung der seitlichen Sepalen korrelativ verknüpft war?). Da wir einerseits aus den auf die Gattung bezüglichen Literaturangaben und Abbil- dungen schließen müssen, daß die bisher beschriebenen Haupt- arten?) derselben sich als konstant erwiesen, da ferner in dem mir zur 1) Bezüglich der von Cogniaux ebenfalls in die Gattung gestellten Theodorea gomezoides Barb. Rodr. vgl oben p. 195. 2) Bezügl. Stock 62 vgl. das oben p. 207 Gesagte. 3) Ich sage hier ausdrücklich „Hauptarten‘, denn die von v. Hoffmannsegg als Arten beschriebenen Varietäten können in der Mehrzahl wohl kaum Artrechte beanspruchen. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 215 Verfiigung stehenden Beobachtungsmateriale eine ganze Reihe von Individuen trotz der gleichsinnig veränderten Ernahrungsbedingungen bis heute vollkommen konstant blieb, so liegt der Schluß nahe, daß die bisher unterschiedenen Arten zum Teil wenigstens sprunghaften und später erblich fixierten Abänderungen ihre Entstehung verdanken. Die Veranlassung zur Entstehung derartiger Mutationsperioden konnte in der freien Natur im wesentlichen dieselbe gewesen sein wie im vor- liegenden Falle, nämlich ein starker Wechsel in den Ernährungs- bedingungen resp. in der Summe der Außenbedingungen überhaupt. Die ausgezeichnete Anpassung des winzigen Orchideensamens an die Windverbreitung auf weite Strecken, welche den Übertritt der Samen in Gebiete mit stark veränderten Außenbedingungen gewährleistet, bildet eine weitere Stütze für eine derartige Annahme. Stellen doch unter den Samen der höheren Pflanzen die Orchideensamen geradezu ein Paradigma der Anemochorie dar. Die eben geäußerte Vermutung über die Entstehung einiger Gomesa-Arten, welcher bloß die Bedeutung eines auf breit empirischer Grundlage aufgebauten Wahrscheinlichkeitsbeweises zukommt, muß naturgemäß an Überzeugungskraft erheblich gewinnen, wenn es möglich ist zu zeigen, daß sich in demselben Gebiete auch die Artgliederung anderer verwandtschaftlich getrennter Gattungen zum großen Teile wenigstens auf Merkmale stützt, welche bei Gomesa sprunghaft ab- änderten, und daß sich bei diesen Gattungen diese Merkmale resp. Merkmalskombinationen wenigstens derzeit als konstant erweisen. Denn damit ist im zweiten Falle der Abschluß eines Vorganges gegeben, welcher bei Gomesa unter den veränderten hiesigen Kulturbedingungen gegenwärtig noch im Gange ist. Daß dies tatsächlich der Fall ist, soll im Folgenden zu zeigen versucht werden. Ich begnüge mich hierbei mit der Charakteristik einiger Spezialfälle, welche ich gelegentlich der Bearbeitung der v. Wettsteinschen Orchideenausbeute ge- nauer studieren konnte. Die systematische Reihenfolge entspricht jener meiner Orchideenbearbeitung. Pleurothallis. Innerhalb dieser formenreichen Gattung, welche in ca. 500 Arten!) von Brasilien und Bolivien bis Mexiko und Westindien verbreitet ist, spielt der Verwachsungsgrad der Sepalen und zwar vor allem jener 1) Pfitzer gibt l.c. p.139 gegen 400 Artenan. Mit den seitdem von Cogniaux, mir und anderen Autoren neu beschriebenen Arten beläuft sich die Gesamtzahl derselben gegenwärtig auf rund 500. 216 Porsch. der seitlichen Sepalen nicht nur als artunterscheidendes Merkmal, sondern auch als ein Charaktermerkmal der Unterabteilungen der groBen Sektionen eine entscheidende Rolle. Dabei verhalten sich die einzelnen Arten nach dieser Richtung in der Regel vollkommen konstant. Nur diese Konstanz berechtigt zur weitgehenden systematischen Verwendung dieses Merkmales. Welche Bedeutung demselben in der gegenwärtigen Systematik der Gattung zukommt, wird besonders klar, wenn man den analytischen Bestimmungsschlüssel, den Cogniaux in seiner neuesten verdienstvollen Bearbeitung der Gattung geliefert hat’), gerade auf dieses Merkmal hin überblickt. Immer und immer kehrt bei den Unterabteilungen der einzelnen Sektionen gerade der Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen als Artgruppen vereinender und trennender Faktor wieder. Ein Überblick auf die folgende tabel- larische Übersicht, welche bloß einen geringen Bruchteil des umfang- reichen Schlüssels exzerpiert, dürfte dies anschaulich illustrieren. Sectio II. Hymenodanthae. B. Brachystachyae. II. A. Sepala lateralia usque ad apicem connata. Hierher die folgenden Spezies: P. acianthera‘ Lindl., P. secunda Poepp. et Endl. B. Sepala lateralia fere usque ad apicem connata, apice bidentata. Hierher die folgenden Spezies: P. muscicola Barb. Rodr., P. albi- flora Barb. Rodr., P. barbacenensis Barb. Rodr., P. sulfurea Barb. Rodr., P. Mantiquivana Barb. Rodr., P. pruinosa Lind!., P. myrticola Barb. Rodr., P. punctata Lindl., P. longirostris Focke, P. Capanemae Barb. Rodr., P. glanduligera Lindl., P. Fockei Lindl., P. modestissima Reichb. J. et Warm., P. ramosa Barb. Rodr., P. auriculata Lindl., P. variegata Barb. Rodr. C. Sepala lateralia basi tantum vel vix usque ad medium connata. Hierher die folgenden Spezies: P. lobiserrata Cogn., P. vecurvi- petala Cogn., P. brevipes Focke, P. cuneifolia Cogn., P. pavimentata Reichb. f. 1) In Flora Brasil. III. 4 p. 377—593 und Nachträge III. 6 p. 559—563. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 217 C. Aggregatae. II. C. zr. Sepala lateralia inferne tantum connata. Hierher die folgenden Spezies: P. fimbriata Lindl., P. papillosa Lindl., P. Kegehi Reichb. f., P. modesta Cogn. 2. Sepala lateralia usque ad apicem vel fere usque ad apicem connata. Hierher die folgenden Spezies: P. crassicaulis Cogn., P. ruscifolia B. Rr., P. undulata Pocpp. et Endl. (Ganz dasselbe gilt für die Ab- teilung D. Depauperatae, E. Caespitosae sowie für die Sektion III, Sarcodanthae. Zum Verständnis obiger Tabelle sei bemerkt, daß sich die einzelnen Arten resp. Artgruppen selbstverständlich auch in einer Reihe anderer auf die Blüte und die vegetativen Organe bezüglichen Merkmale sicher unterscheiden. Angesichts der aus diesem Tatsachenmateriale resultierenden systematischen Bedeutung sowie der Konstanz dieses Merkmals einer- seits und der an Gomesa gemachten Erfahrungen andererseits war es für meine Schlußfolgerungen besonders wertvoll, auch bei Pleurothallis I den Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen als derzeit konstanten Hauptartunterschied äußerst nahe verwandter Arten und 2. ge- legentlich, wenn auch selten sprunghafte Abänderungen desselben zu finden. Dies gelang auch in der Tat, wie aus der Darstellung der folgenden ausgewählten Fälle ersichtlich ist. Pleurothallis ophiantha Cogn. und Pl. suleata Porsch. Unter dem lebenden Pleurothallis-Materiale der v. Wettstein’schen Ausbeute, welche ungefähr 30 Arten umfaßte, befand sich eine größere Individuenzahl einer in ihren morphologischen Merkmalen bis heute aus- nahmslos vollkommen konstant 1) verbliebenen Art, die sich nach dem Cogniaux’schen Bestimmungsschlüssel absolut nicht bestimmen ließ. Die natiirliche Verwandtschaft dieser Pflanze interessiertemich um so mehr, als sich dieselbe auf Grund ihres Blütenbaues, der Blütenfarbe sowie ihres intensiv widerlichen Geruches als hochgradig angepaßte Aasfliegen- blume erwies. Ein eingehenderes systematisches Studium der Gattung ergab mir, daß diese von mir als Pl. sulcata beschriebene neue Art ?) 1) Die Variabilität erstreckte sich bloß auf die Verteilung des dunklen Farbstoffes, welche drei verschiedene Farbenspielarten bedingte, bezüglich deren Abgrenzung ich auf die farbigen Abbildungen meiner Orchideenbearbeitung verweise (l. c. Taf. XIII Fig. 1—3). 2) Vgl. Porsch, Neue Orchideen aus Südbrasilien. Österr. Botan. Zeitschr. 1905 p- 157 und Orchideenbearbeitung. p. 113. 218 Porsch, ihre unmittelbar nächsten Verwandten in Pl. foetens Lindl. und PI. ophiantha Cogn. und weiters Beziehungen zu dem Verwandtschaftskreis der Pl. convexifolia Barb. Rodr. und Pl. macrophyta Barb. Rodr. besitzt. Ich konnte aus dem Grunde unmöglich auf die Sektion der beiden ersteren Arten kommen, weil meine Art konstant fast bis zur Basis freie seitliche Sepalen besitzt, die bei Pl. foetens und Pl. ophiantha fast bis zur Spitze miteinander verwachsen sind und bloß die äußersten Spitzchen frei lassen, so daß ihr Verwachsungsprodukt eine zweispitzige Klappe bildet (vgl. Textfig. 23). Mit Pl. foetens teilt diese Art auch den widerlichen Geruch, der noch am ehesten an den eines karidsen Zahnes erinnert, und den auch schon der Autor Lindley, abgesehen von der Speziesbezeichnung, ausdrücklich hervorhebt. Zu Pl. foetens Fig. 23. ı u. 2: Pleurothallis ophiantha Cogn. 3: P. sulcata Porsch. 1: Blüte von der Seite, 2: die seitlichen Sepalen, 3: Blüte von der Seite. Sämtliche Figuren vergrößert. (1 u. 2 nach Cogniaux.) und Pl. ophiantha zeigt dieselbe in sämtlichen Blütenmerkmalen die nächsten Beziehungen, abgesehen von dem gänzlich verschiedenen Ver- wachsungsgrad der seitlichen Sepalen, welcher namentlich die Vorder- ansicht der Blüte wesentlich beeinflußt. Andererseits zeigt Pl. sulcata gerade in diesem Merkmale nähere Beziehungen zu Pl. convexifolia und Pl. macrophyta, von denen sie sich wieder durch die Form der Sepalen, Petalen und des Labellums sowie die Bildung des Säulen- fußes weiter entfernt. Bei der großen Ähnlichkeit der Pl. sulcata mit Pl. foetens glaubte ich beim Anblick des ersten blühenden Exemplars eine bloße Mutation von Pl. foetens vor mir zu haben. Seitdem haben aber sämtliche verschiedenen Standorten entstammende Stöcke im ganzen über zehnmal geblüht und in sämtlichen Blüten fast bis zur Basis freie seitliche Sepalen geliefert. Einschließlich der geringen, Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 219 aber ebenfalls konstanten Unterschiede in den Merkmalen der Petalen und des Labellums kann demgemäß über das Artrecht der Pl. sulcata kein Zweifel bestehen. Da aber gerade der Verwachsungsgrad der Sepalen bei der geringen Größe der Petalen und des Labellums den Gesamteindruck der Bliite beherrscht, so wird bei oberflachlicher Be- trachtung durch Abänderungen desselben die natürliche Verwandtschaft häufig verdeckt. So stehen, um aus den zahlreichen Fällen innerhalb der Gattung nur einen Spezialfall herauszuheben, die einen eng zu- sammengehörigen Verwandtschaftskreis einander sehr nahe stehender Arten bildenden Spezies Pl. convexifolia Barb. Rodr., foetens Lind., ophiantha Cogn., macrophyta Barb. Rodr., pelioxantha Barb. Rodr. usw. bei Cogniaux in den beiden verschiedenen Sektionen Sarcodanthae und Anathallis durch eine Fülle verwandtschaftlich weitentfernter Arten voneinander getrennt. Der Formenkreis dieser Arten umfaßt eine Reihe in ihrem gesamten morphologischen Aufbau nahe verwandter Arten, für welche sich der Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen in Kombination mit anderen Blütenmerkmalen als ausgezeichnetes Arten charakterisierendes Merk- mal erweist, welches aber bei Bestimmung der natürlichen Verwandtschaft nur unter gleich- mäßiger Berücksichtigung sämtlicher übrigen Merkmale verwertbar ist. Ich betone dies hier deshalb, um mich gegen die Zumutung zu ver- wahren, die systematische Bedeutung Fig. 24. dieses Merkmales überschätzen zu wollen. Die Links: Seitliche Sepalen von deszendenztheoretische Bedeutung PewothalisGlazionn a desselben fiir die Formenneubildung wird dadurch aie en DR: En keineswegs tangiert. Bezüglich der Konstanz (Vergr.) desselben bei Pl. sulcata wurde bereits oben erwähnt, daß es sich bei dieser Art an dem reichhaltigen lebenden Materiale als ausnahmslos vollkommen konstant erwies. Pleurothallis Glaziovit Cogn. und Pl. vitellina Porsch. Einen zweiten Fall stellt die von mir neubeschriebene Pl. vitellina dar. Auch hier bot die Einreihung derselben urspriinglich deshalb große Schwierigkeiten, weil die ihr nächstverwandte Pl. Glaziovit Cogn. als konstanten Speziescharakter bis zur Spitze verwachsene seitliche Sepalen besitzt, welche bloß als zwei kurze Spitzchen noch erkennbar sind. Bei Pl. vitellina dagegen sind dieselben fast bis zur Hälfte frei. 220 Porsch. (vgl. Textfig. 24). Hand in Hand damit gehen geringe Unterschiede im Clinandrium, Form und Farbe des Labellums usw. (vgl. Taf. XIII, Fig. 18—25 meiner Orchideenbearbeitung). In der Kultur zeigte Pl. vitellina bis jetzt bloß sehr geringe graduelle Schwankungen im Ver- wachsungsgrad der seitlichen Sepalen und niemals das durch Pl. Glaziovii repräsentierte Stadium. Pleurothallis serpentula Barb. Rodr. und Pl. laxiflora Porsch. Während es sich in diesen Fällen, welche sich auf ein reiches, lebendes Material stützen, um ausnahmslose oder fast ausnahmslose Konstanz im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen, im letzteren Falle aber immer um eine die Spezies unzweideutig charakterisierende Ausprägung desselben handelt, konnte ich, wenn auch nur in sehr vereinzelten Fällen, sprunghafte Abweichungen desselben nachweisen, so bei Pl. serpentula Barb. Rodr. und Pl. laxiflora m. Bei Pl. serpentula sind die seitlichen Sepalen in der Regel zu zwei Drittel verwachsen, im äußeren Drittel dagegen frei. Während sowohl das von mir unter- suchte Herbarmaterial als auch das im hiesigen botanischen Garten kultivierte lebende Material diesem Merkmale treu blieb, zeigte eine Blüte eines sonst normal blühenden Stockes fast bis zur Spitze ver- wachsene seitliche Sepalen. Der zweite Fall betrifft die von mir neu- beschriebene Pl. laxiflora. Für diese Art sind bis zur Spitze ver- wachsene seitliche Sepalen charakteristisch, welche bloß als zwei kurze Spitzchen noch die Trennung aufweisen. Auch hier trat als seltener Ausnahmsfall Trennung derselben bis zur Mitte auf (vgl. Taf. XII Fig. 24—32 meiner Orchideenbearbeitung). Aber auch in diesem Falle war der Divergenzwinkel dadurch keineswegs beeinflußt. Die seitlichen Sepalen lagen einander mit fast parallelen Rändern dicht an. Die auf die Gattung Pleurothallis bezüglichen Ergebnisse lassen sich also kurz dahin zusammenfassen: Innerhalb der Gattung Pleurothallis stellt derVerwachsungs- grad der seitlichen Sepalen eines der wichtigsten Arten und Artgruppen charakterisierenden Merkmale dar. Im gesamten morphologischen Bau einander nahestehende Arten werden durch dieses in der Regel vollkommen konstante Merkmal getrennt; andererseits dagegen werden morphologisch fern- stehende Arten infolge der durch übereinstimmenden Ver- wachsungsgrad der seitlichen Sepalen bedingten habituellen Ähnlichkeit der Blüte einander scheinbar genähert. Für die Feststellung der natürlichen Verwandtschaft innerhalb Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 227 der Gattung resultiert hieraus die unbedingte Forderung einer möglichst eingehenden Berücksichtigung der Varia- bilität dieses Merkmales bei gleichmäßiger Berücksichtigung aller übrigen phyletischen Merkmale. Sprunghafte Ab- änderungen im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen waren in den von mir untersuchten Fällen im allgemeinen sehr selten. Obgleich also die Gattnng rücksichtlich dieses Merkmales in der Gegenwart bereits bis zu einem gewissen Abschluß gelangt ist, spricht das gelegentliche, wenn auch seltene Auftreten sprunghafter Abänderungen desselben zu- gunsten der Annahme, daß auch in der historischen Formen- ausgliederung der Gattung sprunghafte Abänderungen im Verwachsungsgrade der seitlichen Sepalen vielfach eine entscheidende Rolle gespielt haben. Ob und inwieweit hiermit auch korrelative Abänderung anderer Blütenmerk- male verknüpft sein kann, bleibt an der Hand eines umfang- reichen lebenden Materiales noch festzustellen. Cochlioda. Einen weiteren interessanten Fall, der sich eng an den oben fiir die Sektion Neo-Gomesa geschilderten Sachverhalt anschließt, stellt die peruanische Gattung Cochlioda dar. Hier erscheint der für die Formenneubildung innerhalb Neo- Gomesa theoretisch postulierteund in der Kultur beobachtete Vor- gang gegenwärtig bereits abge- schlossen und durch zwei nahe- verwandte Arten repräsentiert, welche nebst anderen Merkmalen gerade durch den Verwachsungs- grad der seitlichen Sepalen kon- stant geschieden sind. Es sind Fig. 25. dies die beiden schon seit lange Cochlida. 1. Blüte von C. vulcanica Benth. in Kultur befindlichen Arten C. sanguinea Benth. und C. vul- canica Benth. Wie aus der nebenstehenden Textfig. 25 ersichtlich ist, besitzt C. sanguinea seitliche Sepalen, welche den größten Teil ihrer Längenausdehnung miteinander verwachsen sind. Bei C. vul- cania dagegen sind dieselben konstant bis zur Basis vollkommen frei 2. Blüte von C. sanguinea Benth. (Nach Cogniaux.) 222 Porsch. und spreizen unter einem Winkel von go Grad und darüber. Wie bereits erwähnt, unterscheiden sich beide Arten auch durch andere konstante Merkmale wie die Form des Mittellappens, welcher bei ersterer Art ungeteilt, bei letzterer dagegen dreilappig ist!). Die im Leben lebhaft rosenrot blühenden Pflanzen erinnern wegen ihrer Ähnlichkeit im Blütenbau und gesamten vegetativen Aufbau stark an Gomesa, nur sind ihre Kronenblätter niemals gewellt. Der durch C. sanguinea repräsentierte Typus entspricht dem Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen nach der G. planifolia, jener von C. vulcanica der G. divaricata. Abgesehen von der verschiedenen Grundfarbe unterscheidet sich jedoch dieser Fall von jenem von Gomesa Sect. Neo-Gomesa dadurch, daß bei Cochlioda mit dem vollkommen konstanten Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen auch noch Unterschiede in der Form des Labellums in Kombination treten, bei Gomesa dagegen höchstens mit der Wellung des Blumenblattrandes. Jede der beiden durch die morphologischen Merkmale des Labellums charakterisierten Arten könnte durch sprung- hafte Änderungen im Verwachsungsgrade der seitlichen Sepalen, C. sanguinea durch Trennung, C. vulcanica dagegen durch Verwachsung derselben den Ausgangspunkt für die Entstehung neuer Formen bilden. Würden die auf diesem Wege entstandenen Formen erblich fixiert, dann hätten wir eine ähnliche systematische Gliederung der Gattung Cochlioda wie jene von Gomesa. Es wäre sehr interessant, die beiden Arten in einem umfangreichen Materiale in ihrer Heimat gerade auf die Variabilität dieses Merkmales hin zu prüfen resp. vom natürlichen Standorte unter fremde Kulturbedingungen versetzte Exemplare der- selben darauf hin zu beobachten. Das in den kaiserlichen Hofgärten in Schönbrunn in größerer Individuenzahl kultivierte Material, welches ich gerade auf dieses Merkmal überprüfte, ergab bloß für C. vulcanica eine geringe Variabilität im Divergenzwinkel der aber stets voll- kommen freien seitlichen Sepalen. C. sanguinea fand ich dagegen in sämtlichen daselbst kultivierten Stöcken vollkommen starr. Die auf Cochlioda bezüglichen Ergebnisse lassen sich demgemäß kurz dahin zusammenfassen: In der Gattung Cochlioda sind die beiden Arten C. sanguinea Benth. und C. vulcanica Benth. auBer morphologischen Merkmalen des Labellums durch den Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen geschieden, welcher bei seiner durch die Kultur bestätigten Konstanz 1) Gute Abbildungen der beiden Arten finden sich in Hookers Botan. Magaz. (1867) Taf. 5627 (als Mesospinidium sangnineum) und Tafel 6001 (1872) als M. vulcanicum sowie bei Cogniaux in Flora Brasil. III. 6 Taf. 44. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 223 eines der wichtigsten Artmerkmale darstellt. Nach denan Gomesa gemachten Erfahrungen liegt die Vermutung nahe, daB bei der Entstehung dieser beiden Arten sprunghafte Variabilität im Vereine mit korrelativer Abänderung eine entscheidende Rolle spielte. Catasetum. Aus dieser blütenbiologisch, morphologisch und physiologisch- anatomisch so hochinteressanten und mit Recht berühmt gewordenen Gattung!) sei hier ein Fall kurz be- sprochen, welcher es als wahrscheinlich erscheinen läßt, daß auch innerhalb dieses Genus gelegentlich Formenneu- bildung auf dem Wege sprunghafter Abänderung und eventuell im Vereine mit korrelativer Variation stattfand’). Wie ich in meiner Orchideenbearbeitung zeigte, tritt C. fimbriatum Lindl. in dem von Prof. v. Wettstein be- reisten Gebiete Südbrasiliens in vier Formen auf, die ich als Normaltypus, var. aurantiacum, brevipetalum und micranthum beschrieb und abbildete (l.c. Taf. XIV Fig.9—ı1ı und 15). Damit ist die Variationsweite der Art selbst- verständlich noch lange nicht erschöpft (vgl. die 1. c. Fig. 5 abgebildete, aus Fig. 26. Catasetum fimbriatum Lindl. Paraguay stammende von Grosse Blüte der Normalform Süd-Brasiliens gesammelte Varietät). Alle diese süd- von:vorne gesehen. (Natürl. Gr.) brasilianischen Varietäten sind durch einen niedrigen, flachen, entweder ungeteilten oder dreiteiligen Lippen- kallus ausgezeichnet (vgl. Textfig. 26). Unter dem reichen lebenden 1) Vgl. Porsch, Die Honigersatzmittel der Orchideenblüte in Knys Erläuterungen zu den botan. Wandtafeln Taf. CXI u. CXII Berlin 1908 und v. Guttenberg Über .den Bau der Antennen bei einigen Ca‘asetum-Arten. Sitzungsber. d. Wiener Akademie Mathem.-naturw. Kl. Bd. CXVII, Abt. ı (1908) p. 347 ff; daselbst die weitere Literatur. 2) Diese Annahme will, wie hier ausdrücklich betont sein mag, bloß auf den vorliegenden Einzelfall bezogen sein. Einer Erklärung der Entstehung der geradezu raffinierten Zweckmäßigkeit des Blütenbaues in Anpassung an die Sicherung der Fremdbestäubung stehen wir wohl nach wie vor vollkommen ratlos gegenüber. 224 Porsch. Materiale dieser Art befindet sich ein Stock, welcher bei wiederholtem Blühen bis heute sowohl vom Normaltypus als von den vier erwähnten Varietäten in folgenden Merkmalen konstant abweicht. Vor allem ist der entfernt an einen Vogelschnabel erinnernde Lippenkallus auffallend stark entwickelt, kantig, spitz und drei- bis vierzähnig. Außerdem ist der Lippenrand gekraust und vorne zweireihig gekämmt (vgl. Textfig. 27). Überdies weicht die Pflanze durch armblütige Trauben und schmälere Laubblätter vom Normaltypus ab. Weitere anatomische Unterschiede im Bau der Antennen hat neuerdings v. Guttenberg nachgewiesen!). Auf Grund dieser morphologischen Selbststandigkeit habe ich die Art vorläufig als C. ornithorrhynchus Fig. 27. Catasetum ornithorrhynchus Porsch. Links oben Labellum in Seitenansicht, unten von vorne gesehen. Rechts ganze Blüte vorne. (Natürl. Gr.) beschrieben 2), ohne damit dem dauernden Artrechte derselben irgendwelche Bedeutung beilegen zu wollen. Wie bereits erwähnt, ist der Stock in den genannten Merkmalen bis heute vollkommen konstant geblieben. Dem Gesagten zufolge liegt also der Fall vor, daß ein Individuum einer variablen Art die Variationsweite derselben für das Individuum in zwei, soweit bisher beobachtet werden konnte, konstanten Merkmalen durchbricht. Da ich den Vor- gang des Abweichens vom Typus nicht a limine beobachten konnte, bleibt es für diesen Fall fraglich, ob die beiden auf das Labellum be- züglichen Merkmale schon von dem Augenblicke ihres ersten Auftretens. IN IL eh jek Sob 2) Porsch, Neue Orchideen aus Südbrasilien |. c. p. 161 und Orchideenbearb.. p- 127 Taf. XIV Fig. 6—8. Die Bedeutung sprunghafter Bliitenvariationen. 225 an miteinander korrelativ verknüpft waren, oder ursprünglich bloß das eine plötzlich auftrat und sich erst später das zweite hinzugesellte. Seit Igor liegt in dem gesamten hier kultivierten Materiale von C. fimbriatum Lindl. s. 1., welches zum größten Teil bereits mehrmals blühte, bloß ein einziges Exemplar des aus demselben Gebiete stam- menden C. ornithorrhynchus vor. Wäre diese Form samenbeständig und wäre sie, was allerdings nur sehr wahrscheinlich ist, aber nicht direkt beobachtet werden konnte, als sprunghafte Abänderung vom Normaltypus plötzlich in Erscheinung getreten, so wäre bei korre- lativer Verkettung der beiden unterscheidenden Merkmale mit einem Schlage eine neue Sippe entstanden. Es bleibt allerdings noch ab- zuwarten, ob C. ornithorrhynchus nicht später in den Normaltypus zurückschlägt. IV. Die mutmaßliche Entstehung der Gattung Meiracyllium. Ein für die Frage nach der deszendenztheoretischen Bedeutung sprunghafter Variationen innerhalb der Orchideen besonders wertvolles Objekt stellt die seltene Gattung Meiracyllium dar. Diese äußerlich ziemlich unscheinbare Gattung ist bisher in drei von Reichenbach beschriebenen Arten (M. trinasutum, Wendlandi und gemma) bloß für Mexiko und Guatemala nachgewiesen. Dazu kommt noch als vierte Art das von mir für Südbrasilien neu beschriebene M. Wettsteinii!). Sowohl in seinem gesamten vegetativen Aufbau als in seinen Blüten- merkmalen steht Meiracyllium der Gattung Sophronitis sehr nahe, obwohl sie wegen ihrer zusammengeneigten oder im untersten Teile verwachsenen Sepalen diese nahe Verwandtschaft auf den ersten Blick keineswegs klar zur Schau trägt. Was die Gattung Meiracyllium in deszendenztheoretischer Hinsicht so interessant macht, ist folgender Sachverhalt. In der ihr zunächst verwandten, in den brasilianischen Gebirgen endemischen Gattung Sophronitis finden sich meist Arten mit breiten (kreisrunden, elliptischen, länglichen) Blättern, wie S. coccinea Rchb. f., S. cernua Lindl. usw., selten solche mit linearen Blättern (S. violacea Lind/.). Von den acht Arten besitzen drei brennend feuerrote oder schwefelgelbe Blüten (S. coccinea Rehb. f., S. cernua Lindl. und S. Rossiteriana Barb. Rodr.), 1) Vgl. Porsch, Neue Orchideen aus Südbrasilien 1. c. p. 160 u. Orchideenbearb. p- 124 u. Taf. XVI Fig. 19 226 Porsch. drei Arten blühen rosenrot bis rötlichviolett (S. Wittigiana Barb. Rodr., S. pterocarpa Lindl. und S. violacea Lindl.) und zwei Arten grünlich- weiß (S. rupestris Cogn. und S. australis Cogn.). Einheitlicher sind die Arten dagegen im gegenseitigen Anschluß der Blütenhüllblätter. Während diese nämlich bei S. cernua obwohl freiblättrig mehr oder weniger zusammenneigen, stehen sie bei den übrigen Arten meist weit ab und bilden so eine sternförmige Blütenhülle. Aus dem Gesagten ergeben sich die bei Meiracyllium realisierten Merkmalskombinationen von selbst. Im Gegensatz zu Sophronitis sind dagegen, wie bereits Fig. 28 Meirasyllium Wettsteinii Porsch. Links oben Blüte von der Seite, unten im Längsschnitt, rechts von vorne gesehen. (Vergr. 6:1.) erwähnt, die Perigonblätter bei sämtlichen Meiracyllium-Arten aus- nahmslos zusammengeneigt und dabei entweder frei oder an der Basis mehr oder weniger verwachsen!). Die Laubblätter sind entweder linear oder keilförmig langlich. Soviel zur allgemeinen Charakteristik der beiden Gattungen und ihrer daraus resultierenden gegenseitigen Beziehungen. Betrachten wir nun unter Berücksichtigung des eben gesagten das für Brasilien neue?) Meiracyllium Wettsteinit (Textfig. 28). Wie aus der beistehenden 1) Vgl. Bentham u. Hooker Gener. plant. III. p. 493 „‚sepala basi subcohaerentia‘‘. 2) Wie mir Prof. Cogniaux freundlichst brieflich mitteilte, besitzt er zwei dem Verwandtschaftskreise des M. Wettsteinii zugehörige unvollständige Exemplare aus Apiahy und Sao Beato (Prov. S. Caterina), die er aber in seiner Orchideenbearbeitung in der Flor. Brasil. nicht einbezog; auch in den dem letzten Bande beigegebenen Nach tragen fehlt jeder Hinweis hierauf. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 227 Abbildung ersichtlich, besitzen die in Einzahl stehenden Blüten folgenden Bau. Die Sepalen sind länglich, deutlich spitz, die beiden seitlichen etwas breiter als das dorsale und in ihrem untersten Drittel vollständig miteinander verwachsen. Die seitlichen bilden mit dem Säulenfuß einen kurzen, bauchig erweiterten Sporn. Im Leben ist die Grundfarbe der Blütenhülle lebhaft rosenrot mit einem Stich ins Violette, die Spitzen der Sepalen sind grünlich, ihre Basis ist rostbraun'). Der ungeteilte, vorne erweiterte Mittellappen besitzt an der Basis zwei weißliche, kurze, wulstförmige Auftreibungen. Der bis 1 cm lange Pseudobulbus trägt ausnahmslos je ein einziges, lineares, spitzes, nadel- förmiges Laubblatt. Überblicken wir die nahe verwandte Gattung Sophronitis auf die für Meiracyllium Wettsteinii charakteristischen Blüten- und vegetativen Fig. 29. Sophronitis coccinea Reichb. /. Links Blüte in Seitenansicht, Mitte Blüte von vorne gesehen, rechts im Längsschnitt, den verlängerten Achsensporn zeigend. (Natürl. Gr.) Merkmale, so ergibt sich die überraschende Tatsache, daß es innerhalb der Gattung Sophronitis tatsächlich eine vollkommen isoliert da- stehende Art gibt, welche sich in ihren Artmerkmalen von M. Wett- steinii streng’ genommen bloß graduell unterscheidet. Es ist dies die von Lindley beschriebene S. violacea. Im Gegensatz zu allen übrigen Sophronitis-Arten tragen die einblättrigen Pseudobulben von 5. violacea je ein nadelförmiges, längsgefaltetes, spitzes Laubblatt?). Die Blüten stehen auch hier meist in Einzahl und stimmen in ihrer violettrosenroten Färbung mit jenen von M. Wettsteinii vollkommen 1) Eine farbige Abbildung findet sich in meiner Orchideenbearbeitung 1. c. Taf. XVI Fig. 19. 2) Vgl. die farbige Abbildung in J. D. Hookers Botan. Magaz. (1886) Taf. 6880. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. 1, 15 228 Porsch. überein. Weiter stellt sich S. violacea zu allen übrigen Sophronitis- Arten durch zwei Blütenmerkmale in Gegensatz, welche ihrerseits gerade wieder Charaktermerkmale von M. Wettsteinii sind. Wie M. Wettsteinii besitzt nämlich auch S. wiolacea kein dreilappiges, sondern ein ungeteiltes, vorne verbreitertes Labellum (vgl. Hooker l. c. Fig. I), welches wie Meiracyllium zwei basale weißliche Längs- auftreibungen besitzt. Überdies ist bei S. violacea an Stelle des bei den übrigen Arten der Gattung meist kürzeren und schmäleren Achsen- spornes (vgl. z. B. den Längsschnitt der Blüte von S. coccinea in Textfig. 29 auf p. 227) eine breite, geräumige, bauchig erweiterte Achsen- spornhöhle genau wie bei M. Wettsteinii vorhanden (vgl. Fig. 30). Ein Ver- gleich zwischen S. violacea und M. Wettsteinii ergibt also als qualitativen Unterschied streng genommen bloß den Ver- wachsungsgrad derSepalen,welche bei letzterer bis ein Drittel mit- einander verwachsen sind und dadurch eine geschlossene Korolle bedingen, während sie bei ersterer Sobhronitis violacea Lindl. 1. Ganze Blüte frei abstehen, woraus eine stern- von vorne, 2. Langsschnitt durch die Saule formige Korolle resultiert (vgl. den erweiterten Achsensporn zeigend. Textfig. 28 u. 29). Die übrigen Unterschiede sind bloß gradueller Natur wie die Größe der Pseudobulben (bei ersterer 1,5—3 cm lang und 3—8 mm breit im Gegensatz zu durchschnittlich ı cm Länge und 5—8 mm Breite bei letzterer), die Länge und Breite der Blätter (4—7 em Länge und 3—5 mm Breite bei ersterer gegen bloß 1 mm Breite bei derselben Länge bei letzterer) usw. Wir gelangen also bezüglich Meiracyllium kurz zu folgenden Er- gebnissen: Wie die weitgehende Übereinstimmung im Blüten- bau und dem vegetativen Gesamtaufbau zeigt, sind die beiden Gattungen Meiracyllium und Sophronitis unzweideutig gemeinsamen Ursprungs. Die jüngere Gattung Meiracyllium hat wahrscheinlich von Vertretern der älteren Gattung Sophronitis durch sprunghafte Abänderung im Verwachsungs- grade resp. gegenseitigen Anschluß der Sepalen ihren Aus- gangspunkt genommen. In beiden Gattungen finden sich in ihren phyletischen Merkmalen einander entsprechende Parallelarten. Die weitestgehende Parallele zeigt M. Wettsteinit, Fig. 30. (Nach Pfitzer.) Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 229 welches mit S. violacea näher als mit den übrigen Meiracyllium- Arten verwandt ist und mit dieser Art merkwürdigerweise gerade in jenen Blatt- und Blütenmerkmalen übereinstimmt, durch die sich S. wiolacea zu den übrigen Arten der Gattung Sophronitis in Gegensatz stellt. V. Gelegentliches Auftreten sprunghafter Ab- änderungen im Verwachsungsgrade der Sepalen ohne nachweisbaren Einfluß auf die Formen- neubildung. Wir haben in den vorhergehenden Abschnitten einige Gattungen kennen gelernt, für deren Formenneubildung sich der Anteil sprung- hafter Abänderungen im Verwachsungsgrade der Sepalen wenigstens sehr wahrscheinlich machen ließ. Zur Illustration dessen, wie wenig sich gerade in deszendenztheoretischen Fragen die für eine Gattung gewonnenen Ergebnisse auf andere zum Teil nahe verwandte Gattungen derselben Familie anwenden lassen, sei in Kürze auf einige Gattungen verwiesen, bei denen dieses Merkmal, obwohl gelegentlich sprunghaft variierend, nach der gegenwärtigen Konstitution der bezüglichen Gattungen zu schließen, ohne nachweisbaren Einfluß!) auf die Formen- neubildung war. Ich lege Wert darauf, dies zu betonen, um mich gegen die Zumutung jeder voreiligen Verallgemeinerung zu verwahren. Selbstverständlich ist auch in diesen Fällen keineswegs die Möglichkeit abzuleugnen, daß in der zukünftigen Weiterentwicklung dieser Gattungen die sprunghafte Abänderung des erwähnten Merkmales eine Rolle spielen könnte. Miltonia. (Orchideenbearb. Taf. XVI Fig. 10—ır). Von dieser Gattung stand mir bloB von M. flavescens Lindl. und M. Regnellia Rehb. f. \ebendes blühendes Material vom natürlichen Standorte zur Verfügung. M. Regnellii zeigte bis heute nicht die ge- ringste Spur irgend einer Abweichung im Verwachsungsgrad der Se- palen. Anders verhielt sich dagegen M. flavescens. Diese Art gelangte im Laufe der letzten fünf Jahre in sechs Stöcken im ganzen achtmal 1) Ich sage hier ausdrücklich ohne „nachweisbaren‘“ Einfluß auf die Formen- neubildung, weil theoretisch wenigstens trotzdem noch keineswegs ausgeschlossen ist, daß dies tatsächlich der Fall war, und die auf diesem Wege entstandenen Formen entweder ausgestorben oder derzeit noch unbekannt sind. Veto 230 Porsch. zur Blüte. Von den hierbei gelieferten elf Blütenständen waren neun in sämtlichen Blüten vollkommen normal, die beiden übrigen lieferten jedoch unter sonst vollständig normalen Blüten je eine resp. zwei Blüten, welche bei voller Übereinstimmung in allen übrigen Merkmalen im Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen sprunghaft abwichen. Während nämlich, wie aus der nebenstehenden Textfigur ersichtlich ist, die seit- lichen Sepalen der typischen Blüte bis zur Basis vollkommen frei sind Fig. 31. Miltonia flavescens Lind’. Links normale, rechts mutierende Blüte. (Natürl. Gr.) und fast unter einem rechten Winkel divergieren, waren sie bei den drei mutierenden Blüten dauernd fast bis zur Hälfte miteinander verwachsen (Textfig. 31). Die Verwachsung war mit dem Aufspringen der Knospe gegeben und blieb bis zum Verblühen vollkommen konstant. Ich betone dies hier deshalb, weil sich darin der Fall Miltonia zu dem weiter unten besprochenen Fall von Epidendrum longifolium Bard. Rodr. in Gegensatz stellt. Ein dritter Blütenstand mit acht Blüten zeigte in der untersten Blüte zwar bis zur Basis freie seitliche Sepalen, aber einen für die Art auffallend spitzen Divergenzwinkel derselben. Dieser Fall ist deshalb besonders instruktiv, weil er zeigt, daß der größere Sprung, nämlich die halbe Verwachsung der seitlichen Sepalen durch diese Abweichung mit dem Normaltypus verbunden wird. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 231 Innerhalb der Gattung Miltonia ist meines Wissens keine einzige Art durch weitergehende Verwachsung der seitlichen Sepalen charak- terisiert, wenigstens unter den brasilianischen Arten, welche die neueste gründliche Bearbeitung Cogniaux’s zusammenfaßt !), sicher nicht. Epidendrum. Von dieser Gattung stand mir von folgenden Arten am natür- lichen Standorte gesammeltes lebendes blühendes Material zur Ver- fügung. E. oncidioides Lindl., E. longifolium Barb. Rodr., E. ionosmum Lindl., E. variegatum Hook., E. Latro Reichb. f., E. fragrans Sw., E. glumaceum Lindl., E. calamarium Lindl., E. armeniacum Lindl., E. patens Sw., E. tovarense Barb, Rodr., E. longovarium Barb. Rodr., E. elongatum Facg., E. ellipticum Grah., E. denticulatum Barb, Rodr., E. Mosenii Rchb. f., E. longicolle Lindl., E. latilabre Lindl., E. flori- bundum Kunth, Humb. Bonpl., E. imbricatum Lindl., E. rigidum Facq. und E. Léfgreni Cogn. Mit Ausschluß von E. longifolium Barb, Rodr. und E. variegatum Hook. blieben bis jetzt wenigstens sämtliche Stöcke im Verwachsungs- grad der seitlichen Sepalen vollkommen konstant und zeigten aus- nahmslos den Normaltypus. Aber auch bei diesen handelt es sich bloß um je eine einzelne abweichende Blüte. Epidendrum longifolium Barb. Rodr. Wie aus Textfig. 33 auf p. 233 ersichtlich, sind die seitlichen Sepalen bei dieser Art bis zur Basis vollkommen frei und spreizen unter einem stumpfen Winkel ?). Bis Ende 1907 zeigten sämtliche Blüten der mir zur Verfügung stehenden Stöcke ausnahmslos diesen Normal- typus. Ende Januar 1908 lieferte ein Stock einen Blütenstand mit fünfzehn Blüten, welche mit Ausnahme einer einzigen Blüte vollständig normal waren. Diese zeigte dagegen die seitlichen Sepalen mit Aus- nahme der Spitze ihrer ganzen Länge nach dicht aneinandergelegt und miteinander verwachsen, ließ aber die mediane Verwachsungsnaht als Längsrinne noch deutlich erkennen. Die beiden Sepalen bildeten da- durch scheinbar ein einheitliches kahnförmiges Gebilde, auf welchem das dreilappige Labellum zu liegen kam (vgl. Textfigur 32). Trotz voller Übereinstimmung der seitlichen Sepalen in der Form, Größe, Farbe und Zeichnung mit dem dorsalen Sepalum und ihrer sonstigen vollkommen normalen Ausbildung bot die Blüte durch diese bloße 1) In Flora Brasil. III. 6 (1904—06) p. 267—286. 2) Gute Abbildungen des Habitus und der Blütendetails dieser Art finden sich bei Cogniaux |. c. III. 5, Taf. XVIII. 232 Porsch. Veränderung in der gegenseitigen Lagebeziehung der einzelnen Blüten- hüllblätter ein ganz verändertes Aussehen dar. Gegen Ende der Anthese änderte sich jedoch das Bild. Die seitlichen Sepalen trenntensichzwar,spreiztenabervonnunanbis z umesvollsstandisen Verbluhen der BilıwtezssiagtzE MMESe SuMinpicun Winkel "un Benss ernten Es piltzzgegn Winkel (vgl. Textfig. 33). Hier gelangte also das Organisations- merkmal der vollstän- digen Trennung der seit- lichen Sepalen noch im Laufe der Ontogenie der Blüte zum Durchbruch, der für die Spezies cha- rakteristische stumpfe Divergenzwinkel war aber nicht mehr er- reichbar. Wäre der die Verwachsung der seit- lichen Sepalen bedin- gende, uns unbekannte Faktor noch stärker ge- Fig. 32. phot. A. Mayer. wesen, so hätte es die Epidendrum longifolium Barb. Rodr. Mutierende Blüte Blüte auch nicht einmal in den ersten Tagen der Anthese. zur Bildung des spitzen Divergenzwinkels ge- bracht, die Verwachsung wäre dauernd gewesen. Es sei hier ausdrücklich betont, daß sich diese Blüte in sämtlichen übrigen Merkmalen, vor allem im Bau der Anthere als vollständig normal erwies. Ich erwähne dies hier deshalb, weil man auf Grund des geschilderten Verhaltens die- selbe nicht leicht als bloße Monstrosität betrachten kann. Der Fall ist doppelt lehrreich. Einerseits zeigt er, wie der oben für Multonia flavescens nachgewiesene Fall den bloß graduellen Unterschied in den einzelnen sprunghaften Abänderungen, andererseits aber, wie hart derlei Bildungen bei oberflächlicher Betrachtung an das bloß Patho- logische streifen. Wenn ich oben (S. 90) die Mutabilitat als eine Krankheit in der Geschichte der Art bezeichnete, so will dieses Bild nur besagen, daß die zur Induktion einer Mutationsperiode notwendigen Faktoren über ein bestimmtes Normalmaß hinausgehen müssen, um den Organismus so stark zu beeinflussen, daß er die für ihn typische Variationsbreite plötzlich durchbricht. S -afe : after B Fratione z Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 233 Epidendrum variegatum Hook.!). Ein zwölfblütiger Stock dieser Art lieferte eine Blüte, welche bei vollständiger Übereinstimmung in allen übrigen Merkmalen die seit- lichen Sepalen bis über die Mitte verwachsen zeigte?), während sie normal bis zur Basis vollkommen frei sind und fast unter einem rechten Winkel spreizen (vgl. Textfig. 34, Blüte 3 von unten’). Im Gegensatz zur vorigen Art blieb die Verwachsung bis Ende der Blütezeit. Wie bei Fig. 33. phot. A, Mayer, Epidendrum longifolium Barb. Rody. Links normale Blüte, rechts die mutierende Blüte von Fig. 32 am Ende der Anthese. Miltonia kommt auch bei Efidendrum dem Verwachsungsgrad der Sepalen wohl kaum eine deszendenztheoretische Bedeutung zu; wenigstens spielt dieses Merkmal in der gegenwärtigen Konstitution der Gattung als phyletischer Charakter keine Rolle. 1) Gute Abbildungen der Art geben Hooker in Botan. Magaz. Taf. 3151 (1832) als E. variegatum, Taf. 3595 (1837) als E. coriaseum und Cogniaux |. c. III. 5 Taf. XXXII. 2) Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß auch in dem von Cogniaux ab- gebildeten Blütenstand merkwürdigerweise gerade Blüte 3 von unten durch einen auffallend spitzen Divergenzwinkel der aber bis zur Basis vollkommen freien seitlichen Sepalen von den übrigen normalen Blüten abweicht. Genau das Gegenteil ist in einem Blütenstande von Laelia autumnalis der Fall, den Bateman in seinen Orchids of Mexico and Guatemala auf Taf. 9 abbildet. Im Gegensatz zu den übrigen drei Blüten mit spitzem Divergenzwinkel der seitlichen Sepalen zeigt merkwürdigerweise auch hier wieder Blüte 3 von unten einen auffallend stumpfen Divergenzwinkel. Vgl. überdies Cogniaux in Flor. bras. III. 6 Taf. 51 Fig. 1 mit 4 und Habitusbild von Gomeza planifolia. 3) Für die photographische Aufnahme bin ich Herrn I. Brunnthaler ver- bunden. 234 Porsch. Oncidium. Zum Teile ähnlich verhält sich in dieser Hinsicht die artenreiche und vielgestaltige Gattung Oncidium.s Wie aus der neuesten gründlichen Bearbeitung der brasilianischen Arten durch Cogniau x ersichtlich, welche eine Weiterführung der von Reichenbach, Lindle y und Pfitzer gegebenen Systeme ist!), stellt speziell der Verwach- sungsgrad der seitlichen Sepalen ein sehr brauchbares, einzelne Sektionen trennendes und verbindendes Merk- mal dar. So sind die Sektionen Barbata, Synsepala und Crispa durch an der Basis mehr oder weniger verwachsene seitliche Sepalen von den meisten übrigen Sektionen mit 3asis freien Sepalen ge- DiS za schieden (vgl. den analytischen Sektionsschlüssel bei Cogniaux l. c. III. 6 p. 288—9). Es war demgemäß besonders wertvoll, die Variabilität dieses Merkmales an einem reicheren leben- den Materiale näher zu studieren. Mir standen im ganzen im blühenden Zustande vom natürlichen Stand- orte folgende Arten zur Verfügung: O. uniflorum Booth, O. longicornu phot. J. Brunnthaler, Mutel, O. raniferum Lindl., O. van- Fig. 34- cosum Lindl., O. flexuosum Süns., Blütenstand von Epidendrumvariegatum 0. amictum Lindl., O. cornigerum = oe oO Lindl., O. crispum Lodd., O. sarcodes em se Lindl., O. pumilum Lindl., O. pulvi- natum Lindl., O. Ceboletta Sw. Von geringen Schwankungen abgesehen, welche in den Bereich der fluktuierenden Variabilität gehören, verhielten sich diese Arten im Ver- wachsungsgrad der seitlichen Sepalen konstant. Eine Ausnahme machte in dieser Hinsicht bloß O. vaniferum Lindl., indem die Blüten in der Regel bis zur Basis freie, aber auch bisweilen, wenn auch viel Mitte verwachsenen seitlichen Sepalen. !) Genaue Literatur bei Cogniaux ]. c. unter den einzelnen Sektionssynonymen. Die Bedeutung sprunghafter Blütenvariationen. 235 seltener bloB an der Basis mehr oder weniger verwachsene seitliche Sepalen zeigten. Wie wichtig aber gerade fiir diese Art die Beriick- sichtigung der Variabilität dieses Merkmales ist, dürfte aus folgendem Tatbestande hervorgehen. O. ranıferum wurde zum erstenmal von Lindley im Jahre 1837 im Botan. Register XXIII sub Taf. 1920 unter No. 11 beschrieben und im nächsten Bande auf Taf. 48 ab- gebildet. Zwei Jahre später (1840) beschrieb W. J. Hooker im Botan. Magaz. unter Taf. 3712 eine dem O. ranıferum Lindl. äußerst nahestehende Form als O. raniferum var. major, welche sich vor allem durch etwas größere Pseudobulben, längere Blätter und reicher ver- zweigten Blütenstand auszeichnet, ihrem Gesamtbau nach sich also dem- gemäß von O. raniferum im wesentlichen bloß graduell unterscheidet. Der einzige deutlich charakterisierbare Unterschied besteht den kurzen Beschreibungen Lindleys und Hookers zufolge im Ver- wachsungsgrad der seitlichen Sepalen, welche bei O. raniferum var. major an der Basis mehr oder weniger verwachsen, bei O. ranıferum dagegen frei sein sollen. Kurz, ich halte in voller Übereinstimmung mit Hooker O. raniferum var. major Hook. bloß für eine Varietät des O. raniferum Lindl. Durch dieses Merkmal ließ sich selbst Cogniaux verleiten, die beiden einander so nahe verwandten Pflanzen als zwei verschiedene Arten zwei verschiedenen Sektionen zuzuweisen und zwar das O. ranıferum Lindl. unter diesem Namen der Sektion Basilata mit freien seitlichen Sepalen, die von Hooker be- schriebene var. major dagegen den Nomenklaturregeln entsprechend als O. Hookeri Rolfe der Sektion Synsepala, welche durch an der Basis verwachsene seitliche Sepalen charakterisiert ist’). Durch diese voll- kommen unnatürliche Trennung kommen beide Pflanzen direkt neben Arten zu stehen, mit denen sie nicht die geringste engere Verwandt- schaftsbeziehung verbindet, so z. B. O. raniferum neben das ganz aber- rante O. heteranthum Poepp et Endl., die Varietät dagegen neben O. geraense Barb. Rodr., O. chrysothyrsus Rchb. f. O. viperinum Lindl. usw. Der Fall zeigt, mit welcher Vorsicht der Verwachsungsgrad der seitlichen Sepalen zu verwenden ist, er zeigt aber auch andererseits, wie wenig sich die für eine Gattung resp. Art gewonnenen Ergebnisse ohne weiteres auf andere Arten derselben Gattung resp. andere Gattungen anwenden lassen. Weiters gibt aber gerade dieser Fall dem Zukunfts- monographen der Gattung einen ernsten Fingerzeig dafür, daß für eine natürliche Sektionseinteilung unbedingt die Gesamtheit der Blüten und vegetativen Merkmale die Grundlage bilden muß, so bequem auch m c. IH. 6 p. 320 und 379. 236 Porsch. gerade dieses Merkmal sein mag, vorausgesetzt natürlich, daß es voll- kommen konstant ist. Einheimische Orchideen. Daß sprunghafte Abänderungen im Verwachsungsgrad der Sepalen oder in andern Merkmalen wie der Reduktion resp. dem vollständigen Schwinden des Spornes usw. auch bei einheimischen Orchideen vor- kommen, ist schon: seit lange bekannt. Uns interessieren hier selbst- verständlich bloß jene Fälle, in denen es sich, wenigstens nach den An- gaben der Autoren zu schließen, keineswegs um krankhafte Mib- bildungen handelt, sondern bei denen diese Abweichungen mit sonst vollständig normalem Gesamtblütenbau einhergehen. Es ist hier nicht meine Aufgabe, aus der Hochflut der Einzelbeobachtungen, welche zum großen Teile in das Gebiet der Teratologie gehören und beiPenzig und Masters sorgfältig zusammengetragen sind!), eine erschöpfende Auswahl zu treffen. Ich kann um so eher darauf verzichten, als Stenzel neuerdings eine sehr fleißige, ausführliche und nach Materien geordnete, speziell auf die heimischen Orchideen bezügliche Zusammen- fassung geliefert hat, auf die ich hiermit verweise?). Ich beschränke mich hier bloß auf eine kurze Charakteristik einiger weniger ausgewählter Fälle. Jeder, der sich für diese Frage näher interessiert, findet in den erwähnten Schriften detaillierte Auskunft und eingehende Literaturverweise. Bezüglich ds Verwachsungsgrades der Sepalen möchte ich hier bloß auf die beiden Extreme verweisen, nämlich einerseits Trennung der normal verwachsenen und umgekehrt, Verwachsung der sonst getrennten Sepalen. Für den ersteren Fall möge Cypri- pedilum Calceolus L. als Beispiel dienen. Bei dieser Art sind die seit- lichen Sepalen in der Regel bis zur Spitze verwachsen oder bloß an der Spitze getrennt. Aber auch weitgehende Trennung derselben wurde gelegentlich von verschiedenen Autoren beobachtet, so vonSchulze, Heinricher, Penzig, Freyhold?) u. a. und zwar mit Aus- i 1) Penzig, Pflanzenteratologie II. (1894) p. 324ff.; Masters, Pflanzenteratologie. ‘Deutsch von U. Dammer 1886. 2) Stenzel, Abweichende Blüten heimischer Orchideen usw. in Biblioth. botan. Heft 55 (1902). 3) Schulze, Die Orchidaceen Deutschlands, Deutsch-Osterreichs und der Schweiz, 1894, Taf. I. A. (Untere Blite), Heinricher, Beitrage zur Pflanzenteratologie und Blütenmorphologie. 2. Eine Blüte von Cyprip. Calceol. mit Rückschlagserscheinungen. Österr. Botan. Zeitschrift 1891 p. 41ff., Penzig, l.c. II. 331, 367, Freyhold, Kleinere botanische Mitteilungen über Orchideen in Tagbl. d. 52. Versamml. deutsch. Naturforsch. und Arzte in Baden-Baden (1879) p. 73 u. 105. Die Bedeutung sprunghafter Blitenvariationen. 237 nahme der von Heinricher beschriebenen bei sonst vollkommen normaler Blütenausbildung. Teilweise Verwachsung der Sepalen bei sonst vollkommen normalem Blütenbau wurde, wenn auch sehr selten, bei verschiedenen Orc/zs-Arten beobachtet, so bei O. mascula von Mettenius, bei ©. latifolia von Stenzel u. a.!) Ein weiteres phyletisch sehr wichtiges Merkmal, dem oft direkt die Bedeutung eines Gattungsmerkmales zukommt, ist die Ausbildung desSpornes. Und doch unterliegt auch dieses Merkmal der gelegent- lichen, wenn auch im allgemeinen selteneren Reduktion durch sprung- hafte Variation. Einen ersten Schritt in dieser Richtung bedeuten jene Fälle, in denen der Sporn zwar vorhanden, aber bei sonst normalem Gesamtbau der Blüte auffallend kurz ist, so z. B. indem von Wirtgen beschriebenen Fall von O. morio L. mit einem warzenförmigen, ungefähr 2Y, mm langem Sporn?). In jenen Fällen, in denen bloß eine einzige, sonst normale Blüte der Traube durch einen stark oder vollständig reduzierten Sporn sprunghaft abweicht, ist die Wahrscheinlichkeit einer Kreuzung so groß und jene der Bestäubung mit eigenem Pollen so gering, daß selbst für den Fall, als es sich um eine vererbungsfähige Mutation handelte, die Erhaltung derselben beinahe ausgeschlossen ist. Größer ist dagegen die Wahrscheinlichkeit in den wiederholt beobachteten Fällen, in denen sämtliche, in allen übrigen Merkmalen normale und keineswegs teratologische Blüten einer Traube durch den vollständigen Mangel eines Spornes vom Normaltypus abweichen, wie bei der von Petermann beschriebenen Var. ecalcarata von O. latifoha L., wo sämtliche Blüten bei sonst vollkommen normalem Bau nicht den geringsten Ansatz eines Spornes zeigten?). Dasselbe gilt für die voll- ständig ungespornte von Haläcsy und Braun beobachtete Form von Platanthera chlorantha Rchb.*), Gymnadenia odoratissima’) u.a. Unter der Voraussetzung der vorläufig noch vollständig un- bewiesenen Vererblichkeit ist die Kreuzung spornloser Blüten namentlich bei Orchis latifola sehr leicht möglich. Denn wenn man bedenkt, daß wie vor allem Hermann Müller durch direkte Beobachtung unzwei- ' deutig nachwies, die Orchis-Arten den Insekten (bes. Hummeln) keinen freien Honig darbieten, sondern letztere sich denselben aus den honig- 1) Stenzel, |. c. p. 56. Daselbst weitere Literatur. 2) Wirtgen, Flora der preußischen Rheinprovinz (1857) p. 441. Weitere Fälle bei Stenzel, 1. c. p. 101. 3) Petermann, Beiträge zur deutschen Flora, Flora 1844 I. p. 367. 4) Haläcsy und Braun, Nachträge zur Flora von Niederösterreich 1882 p. 61. 5) Genaue Literaturangaben über diesen Fall bei Stenzel, l. c, p. 101. — 238 Porsch. reichen Geweben des Spornes erbohren müssen'), ist es begreiflich, daß die Tiere an mehreren Blüten wenigstens in der Region des fehlenden Spornes Bohrversuche anstellen und dabei die Pollinien eventuell übertragen können. Dasselbe könnten bei der*spornlosen Platanthera chlorantha Saugversuche von Schwärmern oder anderen Nachtfaltern bewirken, wenn auch beides nicht gerade wahrscheinlich ist. Ich schließe hiermit den ersten Abschnitt, welcher, wie ich glaube, für die formen- resp. artbildende Bedeutung sprunghafter Variation und korrelativer Abänderung innerhalb bestimmter Verwandtschaftskreise der Orchideen wohl einen überzeugenden Wahrscheinlichkeitsbeweis. erbracht hat. (2. Abschnitt folgt in Heft 4.) Kleinere Mitteilungen. Zur Paläontologie und Phylogenie der Insekten?). Die Erforschung der Phylogenie der Arthropoden und speziell der Insekten ist bisher fast ausschließlich nach der morphologisch-embryologischen Methode betrieben. worden. Man kam aber auf diesem Wege bis jetzt noch zu keinem allseits befriedigenden Endresultate, und die Ansichten der einzelnen Forscher stehen einander oft geradezu diametral gegenüber. Die einen Autoren hielten diese Gruppe für älter, die anderen jene, aber trotzdem wurde kaum jemals ernstlich der Versuch gemacht, die Lösung solcher Streitfragen auf dem nächstliegenden Wege, d. i. durch das Studium der Paläontologie anzustreben. Man konstruierte allerlei hypothetische Urformen und bemühte sich nur in vereinzelten Fällen, die fossilen Arthropoden auf ihre stammesgeschichtliche Bedeutung hin zu prüfen; man baute Stammbäume, ohne auch nur einen Moment an das relative Alter der einzelnen Gruppen zu denken. Paläonto- logie und Zoologie gingen meist ihre eigenen Wege, als ob sie gar keine gemeinsamen Ziele zu verfolgen hätten. Auf Seite der Zoologen herrschte immer eine gewisse Aversion gegen alles ‚fossile‘; die Paläontologen kümmerten ~ sich meist sehr wenig um die Fortschritte auf zoologischem Gebiete und ihre Arbeiten trugen nur zu oft den Stempel des Laienhaften oder sogar Schwindel- haften an sich; brauchbare zusammenfassende Arbeiten fehlten gänzlich. 1) H. Müller, Befruchtung der Blumen durch Insekten. 1873 p. 83. 2) Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse aus dem Handbuche „Die fossilen Insekten und die Phylogenie der rezenten Formen‘. Leipzig, Engelmann 1906— 1908. Kleinere Mitteilungen. 239 Diese bedauerlichen Zustande waren es nun, welche den Verfasser vor einer Reihe von Jahren veranlaßten, sich dem Studium der fossilen Insekten zuzuwenden und zunächst an eine Kompilation und kritische Sichtung des paläontologischen Tatsachenmateriales zu schreiten, um dann später die auf diesem Wege erzielten Resultate mit den Ergebnissen morphologischer Forschung zu kombinieren und dadurch die Phylogenie der Arthropoden von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Als Vorarbeit für eine Revision des fossilen Materiales mußte ein ver- gleichendes Studium der rezenten Formen vorgenommen werden, und zwar ganz besonders in bezug auf jene Organisationsverhältnisse, welche an den fossilen Funden hauptsächlich der Untersuchung zugänglich sind, also in erster Linie auf die Chitingebilde und besonders auf das Flügelgeäder. Quasi als Resümee dieser Vorarbeit ist die Konstruktion eines hypothetischen Protentomon, eines Urtypus der geflügelten Insekten zu betrachten, dessen Richtigkeit dann durch die Paläontologie bestätigt oder widerlegt werden sollte. Naturgemäß kann ein solches hypothetisches Protentomon nichts anderes sein als die Andeutung der denkbar ursprünglichsten Gestaltung jedes Organes der Insekten. Die Untersuchung eines überaus reichen Materiales an fossilen Insekten und die kritische Prüfung der bisher beschriebenen Formen führte zu dem Resultate, daß wir nunmehr über 880 paläozoische, etwa 960 mesozoische und mindestens 5800 kainozoische Insektenformen als bekannt betrachten können, also zusammen über 7 600! Die ältesten zweifellos als Insekten kenntlichen Fossilien gehören dem unteren Oberkarbon an, und alle (8) bis jetzt in diesen tiefen Schichten gefundenen Formen bilden eine durch sehr ursprüngliche Organisation aus- gezeichnete und von allen lebenden Formenkreisen sehr verschiedene Gruppe, welche im mittleren Oberkarbon noch reich vertreten ist, im oberen Ober- karbon aber wieder erlischt. Diese Insektengruppe, die Zalaeodictyoptera, zeichnet sich durch homonome Flügel aus, welche noch aller heute allgemein verbreiteten Spezialisierungen entbehren und deren Geäder in den Haupt- zügen dem von Comstock und Needham auf Grund ontogenetischer Untersuchungen ermittelten Urschema eines Insektenflügels entspricht. Beide Flügelpaare waren nur in vertikaler Richtung beweglich, voneinander gänzlich unabhängig und wurden in der Ruhe horizontal ausgebreitet. Faltungen, Verdickungen, Gelenke der Flügeltläche, Vergrößerungen des Analteiles, Ader- kreuzungen, Verschmelzungen von Adern, regelmäßige Verteilung von Quer- adern und alle anderen „höheren“ Bildungen, ohne welche wir uns keinen rezenten Insektenflügel mehr vorstellen können, fehlten diesen ältesten Insektenformen vollständig. Dazu kommen noch eine auffallend homonome, ursprüngliche Segmentierung des Körpers, einfache homonom vielgliedrige Fühler, drei homonome Schreitbeinpaare mit einer geringen Zahl von Tarsen- gliedern, Zerzi, kauende Mundteile usw. Von besonderem Interesse ist 240 Handlirsch. aber, daß bei vielen Paläodietyopteren auf dem 1. Thorakalsegmente noch ein Paar lateraler flügelartiger Anhänge vorkommt, die den Eindruck rudimentärer Organe machen, und daß bei manchen Formen auch noch die Abdominalsegmente Seitenlappen besitzen. Manche Paläodictyopteren dürften wohl noch im Imaginalstadium deutliche abdominale Extremitäten- kiemen gehabt haben, ähnlich jenen, welche wir heute noch bei den Larven der Ephemeroiden finden. Nachdem von den heute lebenden Formen die palaodictyopterenahnlichsten (Ephemeriden, Odonaten, Perliden) fast alle amphibiotisch sind, liegt es nahe, auch den Paläodietyopteren eine solche Lebensweise zuzuschreiben. Daß sie heterometabol waren, wird durch einige fossile Larvenformen bewiesen, bei denen außer vollkommenen Facetten- augen auch noch die horizontal abstehenden Flügelscheiden nachweisbar sind. Bis jetzt sind 115 Paläodictyopteren bekannt geworden, welche sich nach morphologischen Charakteren in etwa 22 Familien verteilen dürften. Soviel man aus dem fossilen Materiale schließen kann, stimmt die Organi- sation der Paläodictyopteren so gut mit jener des hypothetischen Proten- tomon überein, daß-wir nunmehr diese reelle Gruppe, die ja erwiesener- maßen existiert hat, an die Stelle der hypothetischen stellen können. Dadurch haben wir eine sichere Basis für alle weiteren phylogenetischen Spekulationen. Neben den Paläodictyopteren finden sich aber vom mittleren Ober- karbon an bereits etwas höher spezialisierte Insektengruppen, von denen einige, die der Verfasser als ,,Ubergangsordnungen“ bezeichnet, deutlich eine Kombination von ursprünglichen Charakteren mit solchen moderner, d. h. noch heute lebender Gruppen erkennen lassen. Solche Gruppen sind die Protorthopteren, Protoblattoiden, Protodonaten, Protephemeroiden, deren Beziehungen schon in den Namen ausgedrückt sind, ferner die Mega- secopteren, aus denen später offenbar die mit den Panorpaten näher verwandten Gruppen hervorgingen, die Hapalopteroiden, vermutliche Vor- fahren der Perloiden und die Hadentomoiden, die präsumptiven Ahnen der Embioiden. Nebenbei seien noch als zweifelhafte Gruppen, vielleicht aberrante, ohne Nachkommen gebliebene Seitenzweige, die Mixotermitoiden und Reculoiden erwähnt. Von noch heute lebenden Ordnungen fand sich im Karbon erst jene der Blattoiden, diese aber, namentlich in den oberen Schichten der Formation, in besonders großer Individuen- und Artenzahl. In der Permformation, in welcher trotz zahlreicher Insektenfunde kein Paläodictyopteron mehr nachzuweisen war, treten zu den erwähnten höher entwickelten Gruppen noch Ephemeroiden, ? Perlarien, Mantoiden und in dem hochinteressanten Zugereon Böckingi auch die Vorläufer der Hemipte- roiden hinzu. Dieses letztgenannte prächtig erhaltene Fossil aus dem unteren Perm zeigt uns in den Flügeln noch die wesentlichen Charaktere der Paladictyopteren, besitzt aber schon verlängerte Mundteile, aus denen sich der bekannte eigenartige ,,Schnabel‘‘ der Hemipteroiden ableiten läßt. Kleinere Mitteilungen. 241 Im oberen Perm finden sich dann Formen, deren Fliigel zwischen den beiden Hauptreihen der Hemipteroiden, den Heteropteren und Homopteren die Mitte halten. Die Physiognomik der paläozoischen Insektenfauna und vor allem das Dominieren großer Formen (es gab Individuen, deren Flügelspannweite über einen halben Meter betrug!) läßt auf ein mildes frostfreies Klima während des größten Teiles jener Periode schließen, denn nur in den jüngeren paläozoischen Schichten beginnt die Durchschnittsgröße abzunehmen. Damit steht auch in Einklang, daß alle bisher gefundenen paläozoischen Insekten offenbar heterometabole Formen waren, daß aber heterometabole Insekten, wie statistisch nachzuweisen ist, vorwiegend Bewohner von Gegenden ohne ausgesprochenen Winter sind, also, kurz gesagt, thermophil, während unter den holometabolen Insekten ein relativ hoher Prozentanteil auf die kälteren Gebiete entfällt. Es ist nun von hohem Interesse, festzustellen, daß bereits in der ältesten Formation der mesozoischen Periode, in der Trias unter den leider noch in geringer Zahl gefundenen Insekten die holometabolen Typen dominieren, denn es treten plötzlich Coleopteren und Megalopteren auf, denen sich dann in den reicheren Lagern des Lias die echten Neuropteren, Panorpaten, Phryganoiden und Dipteren zugesellen. Diese Tatsachen drängen den Verfasser zu der Annahme, die von vielen Forschern angenommenen gewaltigen Änderungen des Klimas am Ende des Paläozoikum, die permische „Eiszeit“ habe direkt oder indirekt die Entstehung der Holometabolie, also der vollkommenen Verwandlung mit ruhendem Puppenstadium bewirkt, und diese höhere Ausbildung sei heterophyletisch in mehreren Entwicklungs- reihen gleichzeitig eingetreten (Coleopteren — Neuropteroiden — Panorpaten). Ein Blick auf die Zusammensetzung der mesozoischen Fauna lehrt uns übrigens, daß auch jene Formengruppen, welche sich nicht bis auf die Höhe der Holometabolie emporarbeiten konnten, von den veränderten Ein- flüssen keineswegs verschont blieben, denn wir finden nunmehr an Stelle der „Übergangsordnungen“ bereits durchwegs jene Ordnungen, welche noch heute bestehen: Wir finden echte Odonaten (Libellen), vorerst in einer Formengruppe, welche zwischen den heute lebenden großen Unterordnungen Anisoptera und Zygoptera in der Mitte steht und heute nur mehr in einer japanischen Relikt- form (Neopalaeophlebia superstes) bekannt ist. Verfasser bezeichnet diese Schalt- gruppe „Anisozygoptera“. Später tritt diese Gruppe etwas zurück, und es vermehren sich dafür die Formen der beiden noch heute sehr artenreichen oben genannten Unterordnungen. Von echten Orthopteren treten zuerst nur locustidenähnliche Elemente auf. Ein Teil derselben, die Elcaniden und Locustopsiden, besaß noch keine Stridulationsorgane, während ein anderer Teil schon solche Organe im männlichen Geschlechte erkennen ließ (Zocustidae s. 1.), ganz so wie die 242 Handlirsch. schon damals im Lias vorhandenenen echten Grillen. Im Malm fand sich dann eine interessante Orthopteroidenform, deren Organisation uns auf eine ähnliche Lebensweise schließen läßt, wie sie heute die bekannten Wasserläufer unter den Hemipteren führen. Es sind die Chresmodiden, offenbar der Ausgangspunkt für die spätere Ordnung Plesmoidea, in der es noch heute unter den tiefstehendsten Elementen einige wasserbewohnende gibt. Ephemeroiden wurden gefunden, bei denen die beiden Flügelpaare noch wie bei den paläozoischen Protephemeroiden gleich groß waren, was heute nicht mehr vorkommt. Daneben gab es aber schon im Malm auch Arten mit heteronomen Flugorganen. Hemipteren und Homopteren liegen in einer Reihe sehr interessanter Formen vor, die Charaktere von verschiedenen heute lebenden Familien verbinden. So wurde im Lias eine als Vorläufer der Psylliden zu deutende Art entdeckt, ferner einige als Procercopiden und als Archijassiden zu deutende Tiere, dann einige Wanzen, die ebensogut zu den Gymnoceraten als zu den Cryptoceraten gehören können. Im Malm ist schon eine scharfe Scheidung zwischen den zwei letztgenannten Gruppen eingetreten und es finden sich von der letzteren die Belostomiden, Naucoriden, Corixiden und Nepiden; letzteren scheint aber die lange Atemröhre noch zu fehlen. Auch kommen bereits Blattläuse vor. Unter den Holometabolen des Lias dominiert einerseits eine Familie der Panorpaten, die Orthophlebiiden, und anderseits eine noch relativ ursprünglich organisierte Familie der Neuropteren, die Prohemerobiiden. Nebenbei treten aber auch schon einzelne Phryganoiden auf, deren Geäder damals noch mit jenem der Panorpaten viel mehr Übereinstimmung zeigte, als es heute der Fall ist. Die bisher gefundenen Liasdipteren bilden meist eigene Familien, welche aber alle in die große Hauptgruppe der Orthorrhapha nematocera gehören, und erst im Malm treten brachycere Orthorrhaphen hinzu. Dogger und Malm liefern uns die ersten sicher als Lepidopteren zu deutenden Fossilien, die Paläontinidden. Es sind bereits einigermaßen spezialisierte Typen, zunächst verwandt mit den noch heute (vorwiegend in Australien) verbreiteten Limacodiden, einer Gruppe, welche nicht zu den Blütenbesuchern gehört. Einen weiteren Zuwachs in der mesozoischen Insektenfauna bilden die im Malm gefundenen ersten Hymenopteren, die Pseudosiriciden, deren Flügel ein noch viel tiefer stehendes Geäder erkennen lassen, als ihre heute lebenden Nachkommen, die Siriciden oder Holzwespen, die noch nicht zu den auf Blüten angewiesenen Hautflüglerformen gehören. Auffallend ist die äußere Verschiedenheit zwischen der Fauna des Lias und jener des oberen Jura in Europa. Dort fast durchwegs kleine, un- scheinbare Tierchen, die in der Durchschnittsgr62e kaum an ihre noch heute in denselben Breiten lebenden Nachkommen heranreichen, hier Kleinere Mitteilungen. 243 vorwiegend iippig entwickelte Riesenformen, ein Unterschied, der vermutlich wieder mit klimatischen Faktoren in Beziehung steht. Lassen sich die paläozoischen Insekten als von den rezenten immer der Familie nach und meistens der Ordnung nach verschieden bezeichnen, so ergibt sich im Mesozoikum bereits durchwegs eine Übereinstimmung der Ordnung und sehr oft auch der Familie. Die Genera sind aber noch allgemein andere. Mit anderen Worten, das Mesozoikum enthält keine ganz fremden Gruppen mehr. Es enthält aber doch noch weitaus nicht alle Formengruppen, welche der heutigen Insektenwelt das Gepräge verleihen, und wie uns eine Übersicht der kainozoischen Insektenfauna lehrt, auch schon der tertiären Insektenfauna verliehen. Es fehlen unter den mesozoischen Insekten z. B. die Acridioiden oder Feldheuschrecken, es fehlen die Physopoden (Blasenfüße), die Dermapteren (Ohrwiirmer), Isopteren (Termiten), es fehlen die zyklorrhaphen Dipteren, also in erster Linie die Syrphiden und Musciden, es fehlen die höheren Hymenopteren, die Bienen, Wespen, Ameisen, Grabwespen, Gallwespen, das Heer der Schlupfwespen, ebenso wie das Heer der blütenbesuchenden Lepidopteren und der blutsaugenden Insekten usw. Alles Gruppen, welche schon im Tertiär nachzuweisen sind, wie denn überhaupt in dieser jüngsten erdgeschichtlichen Periode bereits große Übereinstimmung mit der Gegenwart herrscht. Es liegt wohl nahe, diese neue gewaltige Änderung in der Insektenwelt teils direkt, teils indirekt, mit dem in die Kreidezeit fallenden Auftreten der Angiospermen (Laub- oder Blütenpflanzen) in Verbindung zu bringen. Leider hat uns gerade die Kreide in bezug auf die Erhaltung von fossilen Insekten fast gänzlich im Stiche gelassen. Um die allmähliche Entwicklung der Insektengruppen im Laufe der geologischen Perioden möglichst anschaulich zu machen, hat der Verfasser eine Reihe tabellarischer Übersichten ausgeführt, deren eine hier auszugs- weise wiedergegeben sei. Man sieht aus einem Vergleiche der Zahlen sehr gut, wie die einzelnen Gruppen sich emporschwingen, um dann wieder zurück- zugehen, wie die ,,héheren‘‘ geradezu die „tieferen‘‘ ablösen. Wer diese Tabellen vorurteilslos studiert, wird wohl kaum mehr daran zweifeln können, daß das Studium der Paläontologie sich auch bei den Insekten als gleichwertiger Faktor neben Morphologie und Entwicklungsgeschichte stellen darf. Im Gegensatze zu der Mehrzahl der „modernen“ Morphologen geht der Verfasser bei seinen phylogenetischen Betrachtungen nicht von der Voraussetzung aus, daß die Insekten von noch ungeflügelten, aber bereits landbewohnenden tracheaten Formen, also von Thysanuren, Campodea, beziehungsweise von Myriopoden und Peripatus abstammen müssen, sondern sucht vorerst jede einzelne Gruppe in bezug auf die Ableitbarkeit von anderen zu prüfen, wobei selbstverständlich die gesamte Organisation 16 Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre, I. 244 Handlirsch. Verteilung der Insektengruppen in den geologischen Perioden. In %Joo99 ausgedrückt. (Die Zahlen sagen uns, wie viele von je 100000 Insektenarten der betreffenden Formation auf die betreffende ee er entfallen würden.) ee 8 5 : & me | Senne Meise |= Palaeodictyoptera . 100 COO} 29 444 267, — = = Mixotermitoidea A = a a LL _ | — Reculoidea . an — =, 267 = | = = m Protorthoptera & — ane a a 337 704 — — || == Locustoidea — — — — | 10130 789 859 Acridioidea. | ı = 498| 781 Phasmoidea | I 782 68| 650 Dermaptera | 309 130 Thysanoptera Zee = == 463 52 Protoblattoidea . = _ 7500| 3208| 2112] — =, = Blattoidea . _ 33 333| 93 583) 85 211) 6279 669 312 Mantoidea . _- — — I 408} 2216 51) 208 ligoyeiieiey o 5 oO G oD — — — — | — 1047 91 Corrodentia — _ — — | = 377 78 Mallophaga. —_— — _ — = _ 338 Siphunculata . — |. | = = — = 13 Coleoptera . — — — — | 47 8392| 39 220) 44 898 Strepsiptera — _ — = | = | 17 3 Hymenoptera Saye ta. — — — —_ 2484 549 835 r apocrita _ — = _ 189| 9 594! 13 430 Hadentomoidea . — 275 — — _ — | — Embioidea . _ — — == — | 51 8 ae — = 267| — — | — —_ Perlaria — | =>] = 704 568) 360 78 Protodonata — | 1666 535) 7094 — — — Anisozygoptera . — _ - 3 592 17 03 Zygoptera . - - — — — — 990 498 260 Anisoptera . . 6% == En — —_ 2 316 691 338 Protephemeroidea. . . — 275| — — _ — — Plectoptera. . . — — — 2 817| 3409| 309 104 Neuropteroidea . . . a —_ —_— | — 5214| 634] 364 Megasecoptera _ 5 833) — -- — _ _ Banorpataee re = = a 2 361 103 26 Phryganoidea. .... .- — — — 2225| 1768 364 Lepidoptera a5 — _ — —_— 2651| 1441 15 617 Diptera Orthorrhapha nematoc. _ = — — 315/18 314| 1562 ms brachyc. . u _ — — 189, 4016 3124 i Cyclorrhapha E — — — _ — 3 776 6 767 Srictoniay ee é = = = = = ?17 28 Protohemipter ea = = 704, — — _ Palaeohemiptera cı OA 4 — _ _ 1408 277 — _ lemiptera oO 6 2 3 oe 6 _ — — — 2295| 7827| 4945 Homopteraur- Wr 6 — — — — 6 364) 4428) 3644 SEHEN meme |e _ = u —_ 171 | iz Campedeoidea a TE = _ _ — — | 13 TEysanuras een en = = = = 463| 39 Kleinere Mitteilungen. 245 berücksichtigt wird. Es ergibt sich, daß eine Reihe von Gruppen (Ordnungen) z. T. direkt, z. T. durch Vermittlung der sogenannten Übergangsordnungen auf Paläodictyopteren, also auf die Ur-Insekten zurückgeführt werden kann, während sich andere Ordnungen aus bereits höher spezialisierten Typen ableiten lassen. Am leichtesten gelingt es, die noch heute amphibiotischen Plectopteren (Ephemeroiden), die sich auch schon im Perm finden, durch Vermittlung der im Karbon vorkommenden Protephemeroide (Zriplosoba) von Paläodictyopteren abzuleiten. Auch die Odonaten lassen sich in fast lückenloser Reihe durch die Anisozygopteren und Protodonaten aus den Paläodictyopteren ableiten, Beide Ordnungen sind daher als getrennte Entwicklungsreihen aufzufassen und beanspruchen einen hohen systematischen Rang, weshalb sie der Ver- fasser zu Unterklassen erhebt. Ähnlich steht es mit den Perlarien, die sich ihrer vielen ursprünglichen Charaktere wegen von keiner der noch heute lebenden Gruppen ableiten lassen. Auch sie sind durchwegs amphibiotisch und reichen aller Voraussicht nach bis in die Permformation zurück. Vielleicht bildet die noch etwas unsichere karbonische Hapaloptera eine Brücke zu den Ur-Insekten. Eine weitere ebenso selbständige Reihe, die sich aber vollkommen dem Land- leben angepaßt hat, bilden die Embiden, die heute nur mehr in wenigen Relikten vorhanden sind, im Tertiär aber offenbar noch reichlicher ver- treten waren. Trotzdem diese Tiere in mancher Hinsicht sehr stark modi- fiziert sind, zeigen sie doch anderseits noch so viel Ursprüngliches, daß sie von keiner anderen noch lebenden Gruppe abgeleitet werden können. Daß die bis ins mittlere Oberkarbon zu verfolgenden Blattoiden, sowie die bereits aus dem Perm nachgewiesenen Mantoiden aus tiefstehenden karbonischen Protoblattoiden hervorgegangen sind, wird jedem, der das Geäder der drei Gruppen vergleicht, als ziemlich selbstverständlich erscheinen. Die Protoblattoiden selbst aber stehen den als Protorthopteren bezeichneten paläozoischen Tieren wohl sehr nahe, beide können aber trotzdem nicht voneinander, sondern höchstens von nahestehenden Paläodictyopterengruppen abgeleitet werden. Nachdem nun zwischen /gewissen Formen der Prot- orthopteren und den mesozoischen tiefstehenden Locustoidenformen nur eine sehr geringe Kluft besteht, müssen wir annehmen, daß die alten sogenannten „Orthopteren“ in zwei seit uralter Zeit getrennte und selbständig auf Paläodietyopteren zurückführbare Reihen zerfallen, denen Verfasser dem- gemäß auch den Rang der Unterklassen zuschreibt mit den Namen Z/attae- fornia bzw. Orthopteroidea. In die erstere dieser Gruppen gehören außer den genannten Ordnungen Protoblattoidea, Blattoidea und Mantoidea auch die Isopteren oder Termiten, bei denen interessanterweise eine sekundäre Homonomie der Flügel nach- zuweisen ist und deren gesamte Organisation auf enge Beziehungen zu Blattoiden hinweist. Es gehören hierher aber auch aller Voraussicht nach 10. 240 Handlirsch. die Psociden oder Corrodentien (Copeognathen), von denen sich wieder zwanglos die sehr jungen auf Warmblütern parasitierenden Mallophagen ableiten lassen, und von diesen endlich, die von vielen Autoren bis in die neueste Zeit mit einer gewissen Hartnäckigkeit den Hemipteren angehängten echten Läuse oder Pediculiden (Siphunculaten). Wie schon erwähnt, existierten bereits 1m Lias Locustoidenformen mit dem bekannten Stridulationsorgane an den Vorderfliigeln (des 3); zu diesen gehören Vertreter der Familie Zocustidae s. 1. und der Grylliden, von welch letzteren sich auch zwanglos die Gryllotalpiden ableiten lassen. Daneben gab es aber zwei Familien, die nach den Fühlern, Beinen und Genitalien zu den Locustoiden gehörten, aber noch keine Stridulationsorgane besaßen: die Elcaniden und Locustopsiden. Es ist nicht zu bezweifeln, daß aus solchen Tieren, deren Geäder mehr jenem der Feldheuschrecken gleicht als der Laubheuschrecken, in der Kreide die phytophagen Acridioiden hervor- gegangen sind, die wir dann auch tatsächlich in den tertiären Ablagerungen häufig finden, während sie noch im Jura fehlen. Bemerkenswert ist, daß sich bei den Elcaniden an den Beinen Organe finden, welche auf eine Lebens- weise auf der Oberfläche des Wassers schließen lassen, und daß wir solche Organe noch heute bei den Tridactyliden finden, einer kleinen Reliktgruppe, welche ihrer Organisation nach nicht von zirpenden Locustoiden, sondern nur von noch tieferstehenden Formen abgeleitet werden können, und solche Formen waren offenbar die Elcaniden. Aber auch die Phasmoiden sind aus morphologischen Gründen von Locustoiden abzuleiten, und offenbar von noch nicht stimmbegabten Formen. Die Homonomie der Beine ist also hier offenbar eine sekundäre und läßt sich vielleicht leichter begreifen, wenn wir berücksichtigen, daß die ältesten Phasmoiden (im Malm) auf dem Wasser lebten, wo Sprungbeine überflüssig waren. Als das Sprungvermögen bereits verloren war, begaben sich offenbar solche ‚„Wasserläufer‘‘ wieder auf Pflanzen (Angiospermen — Kreide!), konnten aber das Sprungvermögen nicht mehr wiedererlangen. Im Tertiär finden sich dann schon echte Pflanzenphasmiden. Auch bei den Dermapteren oder Ohrwürmern, sind offenbar die Beine sekundär homonom. Es ist höchst wahrscheinlich, daß sich diese Gruppe aus gryllidenähnlichen Tieren erst in jüngerer Zeit entwickelt hat. Gleiches gilt für die parasitischen Hemimeriden oder Diploglossaten. Schwieriger erscheint es, die Wurzel für die Physopoden zu ermitteln, welche ihrer saugenden Mundteile wegen oft und gerade in jüngster Zeit wieder mit den Hemipteren in Beziehung gebracht wurden. Ein vorurteilsloses Studium dieser Mundteile ergibt aber, daß sie unmöglich aus solchen von Hemipteren hervorgegangen sein können, sondern nur aus ursprünglichen kauenden, also orthopteroiden, und Verfasser kommt zu dem Schlusse, daß auch diese: merkwürdige Insektengruppe nur ein aberranter Seitenzweig der Orthopteroidea sein könne, analog etwa mit den Phasmoiden, ein junges Endglied, von dem Kleinere Mitteilungen. 247 man keine anderen Gruppen und am wenigsten die uralten Hemipteroiden ableiten kann, welch letztere ja durch eine ziemlich lückenlose Reihe (Pa/aco- hemiptera, Protohemiptera) mit Paläodietyopteren verbunden sind. Die weitere Gliederung der Hemipteroiden stellt sich Verfasser in folgender Weise vor: Aus triassischen Palaeohemipteren sind zwei Formen- reihen hervorgegangen, die Protohomoptera und die Protoheteroptera. Erstere zerfielen bald in zwei Gruppen, Z/goridae und Procercopidae. Aus Fulgoriden zweigten die Aphididen und Aleurodiden ab, aus Procercopiden einerseits die Cercopiden mit den Cicadiden, anderseits die Jassiden und in dritter Linie die Psylliden und Cocciden. Die vier als ,,Phytophihires’ zusammen- geworfenen Gruppen sind daher nicht monophyletischen Ursprunges und zu trennen. 2 Aus Protoheteropteren, die vermutlich Ufertiere waren, haben sich frühzeitig die Cryptoceraten durch Übertritt inJdas Wasser abgelöst, um sofort in eine Reihe von Familien zu zerfallen, während der Rest sich in einige Zweige auflöste, von denen einer zu den Saldiden, Velocipediden, Isometopiden, Capsiden, Anthocoriden, Cimiciden und Ceratocombiden führt, ein anderer zu den Nabiden, Henicocephaliden, Reduviiden und Phymatiden, . ein dritter zu den Mesoveliiden, Aepophiliden, Hydrometriden und Hebriden und ein vierter einerseits zu Lygaeiden, Pyrrhocoriden, Aradiden, Tingitiden, Berytiden, Coreiden, anderseits zu der großen Familie der Pentatomiden im weiteren Sinne. Es ergibt sich somit, daß die sogenannten Heterometabolen, also die geflügelten, oder sekundär flügellosen Insekten mit unvollkommener Ver- wandlung in sieben Hauptreihen zerfallen, welche nur aus Paläodictyopteren abzuleiten sind. Verfasser bezeichnet diese sieben Reihen als Unterklassen. Bezüglich der Holometabolen, also jener Insekten, bei denen die Flügel nicht allmählich, sondern erst während des ruhenden Puppenstadiums er- scheinen, gelang der Nachweis, daß diese nicht als eine monophyletische Gruppe betrachtet werden können, sondern wieder mehrere Reihen bilden, in denen die Holometabolie selbständig entstand. Zu einer solchen Reihe gehören vermutlich die Megalopteren (= Sialiden), Raphidoiden und Neuropteren im engeren Sinne, die weder von anderen Holometabolen noch von irgend einer der Heterometabolen, mit Ausnahme der Paläodictyopteren abzuleiten sind. Ob alle drei Ordnungen durch eine gemeinsame uns noch unbekannte Übergangsordnung mit den Ur-Insekten zusammenhängen oder aus verschiedenen einander sehr nahestehenden Paläo- dictyopteren hervorgegangen sind, bleibt noch unentschieden. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Larven der Megalopteren noch heute durch echte abdominale Extremitätenkiemen atmen, und ebenso noch einige tiefstehende Formen der Neuropteren (s. str.), die Sisyriden, mit denen die liasischen Prohemerobiiden eine weitgehende Übereinstimmung im Flügelbau erkennen lassen. Das spricht wohl zugunsten einer direkten Ableitung von amphi- 248 Handlirsch. biotischen Formen. Nach Ansicht des Verfassers dürften sich frühzeitig, etwa im Dogger aus Prohemerobiiden die Mesochrysopiden, Nymphitiden und Kalligrammiden abgelöst haben, aus denen später die Chrysopiden und Apochrysiden, beziehungsweise Nymphesiden — Myrmeleoniden — Ascala- phiden, beziehungsweise die Nemopteriden hervorgingen, während der Rest der Stammgruppe später in die Familien Osmylidae, Myiodactylidae, Poly- stoechotidae, Mantispidae, Psychopsidae, Hemerobiidae + Coniopterygidae, Berothidae, Dilaridae und Sisyridae zersplitterte. Es wäre somit in diesen Neuropteroiden im Sinne des Verfassers die 8. Unterklasse zu suchen, denn die von vielen Autoren zu den ,,Neuropteren“ gestellten Panorpaten und Phryganoiden (Trichopteren) können aus morpho- logischen Gründen weder die Vorfahren der echten Neuropteroiden sein, noch von ıhnen abgeleitet werden. Daß von den zwei zuletzt genannten Ordnungen, die heute nur in einer geringen Zahl von Reliktiormen erhaltenen Panorpaten die ursprünglicheren sind, ist kaum zu bezweifeln; sie sind im Lias in der Familie Orthophilebudae bereits reich vertreten und offenbar aus Megasecopteren abzuleiten, welche gewiß noch amphibiotische Zeierometabola waren und ihrerseits leicht auf Paläodietyopteren zurückzuführen sind. So hätten wir denn hier eine 9. Entwicklungsreihe vor uns und einen zweiten Fall von selbständiger Erwerbung der Zolometabolie Die ursprünglichen Panorpaten waren es offenbar, welche den Ausgangspunkt für die sekundär amphibiotischen Phryganoiden einerseits und für tiefstehende jugate Lepidopterenformen bildeten, ähnlich jenen, welche uns noch heute in der Reliktgruppe der Eriocephaliden erhalten sind, und aus denen direkt auch die Hepialiden und Micropterygiden hervorgingen. Schon im Lias muß sich ein Seitenzweig dieser Ur-Lepidopteren entwickelt haben, den Verfasser als hypothetische Protofrenatae bezeichnet und aus welchem sich im Laufe des Mesozoikum, vorwiegend aber in der Kreide alle Familien der Frenaten ablösten. Auch die Dipteren entstammen offenbar den altmesozoischen Panorpaten und ist anzunehmen, daß wir in den Pachyneuriden noch ein Relikt der Stammgruppe besitzen, aus welcher sich schon sehr früh sowohl Bibioniden als Mycetophiliden ablösten, also die noch heute peripneustischen euzephalen nemozeren Orthorrhaphen. Aus Mycetophiliden sind offenbar erst in der Kreide die Cecidomyiden hervorgegangen, aus den Ur-Dipteren aber jedenfalls schon in der Trias eine Formenreihe, welche noch euzephal blieb, sich aber bald in die amphi- oder metapneustischen Familien Ahyphidae, Ptychopteridae, Blepharoceridae, Psychodidae, Dixidae, Culicidae, Chironomidae, Simulidae und > Orphnephilidae teilte. Ungefähr um dieselbe Zeit muß sich aus den Ur- Dipteren auch jener Zweig abgelöst haben, der zu den Tipuliden führte und den der Verfasser in den liasischen Architipuliden sucht. Ganz nahe der Basis dieses Zweiges diirfte endlich auch eine uns noch unbekannte Gruppe entsprungen sein, welche noch im Laufe der Juraperiode durch mehrfache Kleinere Mitteilungen. 249 Spaltung zur Entstehung der einzelnen Familien der brachyzeren Orthor- rhaphen führte. Hier scheinen es die Rhachiceriden zu sein, welche ein Relikt der ursprünglichsten Brachyzeren bilden, von denen sich offenbar zu allererst die Stratiomyiden und später die Xylophagiden + Coenomyiden ablösten, nahe deren Wurzel auch die Acanthomeriden, Leptiden, dann die Tabaniden sowie die Nemestriniden und Acroceriden abzweigten. Gleichfalls aus der Basis dieser rhachiecridenähnlichen alten Stammformen mag ein Zweig entsprungen sein, der in den noch heute lebenden Thereviden ausläuft und von dem sich offenbar schon in der Kreide einerseits die Scenopiniden, anderseits die Apioceriden, Midaiden, Bombyliden, Asiliden, Empiden + Dolichopodiden ablösten. Ein älterer Seitenzweig solcher Ur-Thereviden bildete offenbar auch den Ausgangspunkt für die heute so mächtig entwickelte Gruppe der Cyclorrhaphen, von denen im Jura noch nichts nachzuweisen ist. Im Gegensatze zu einer Reihe von Forschern leitet Verfasser auch die Suctorien (Pulicidien oder Flöhe) von tiefstehenden Dipteren, etwa von Mycetophiliden, ab. Alle diese Ordnungen, welche durch Vermittlung der Panorpaten und Megasecopteren auf Palädietyopteren zurückzuführen sind, bilden die Unterklasse Panorpoidea. Einige Schwierigkeiten ergaben sich bei dem Versuche einer Ableitung der Coleopteren. Die relativ ursprünglichen Mundteile und Larven dieser Insekten schließen alle anderen holometabolen Insekten aus der Ahnenreihe der Coleopteren aus und zwingen uns, an heterometabole Formen zu denken, und zwar an terrestrische Formen, weil sich die amphibiotischen Coleopteren durchaus als von terrestrischen abgeleitete Formen erwiesen. Bei Berück- sichtigung aller wesentlichen Momente hat sich ergeben, daß die größte Wahrscheinlichkeit für eine Abstammung von ursprünglichen blattoiden Formen spricht, also vermutlich von Protoblattoiden, unter denen sich ja manche Genera finden, die bereits an Coleopteren erinnern (Zucaenus usw.). Es handelt sich also hier höchstwahrscheinlich um einen 3. Fall selbständig erworbener Holometabolie. Die ältesten in der Trias und im untersten Jura (Lias) gefundenen Coleopterenreste sind nicht in moderne Familien einzureihen, sie gehörten wahrscheinlich einer heute ausgestorbenen Gruppe an, welche vermittelnd zwischen den heute scharf geschiedenen Hauptgruppen, den Adephagen und Polyphagen im Sinne Ganglbauers stand und am besten als Protocoleoplera zu bezeichnen sein wird. Aus dieser Stammgruppe sind einerseits die (hypothetischen) Protadephagen, anderseits die /’rotopolyphaga abzuleiten, welch beide Gruppen höchstens von der Trias bis zum Malm gelebt haben können. Bedeutende Schwierigkeiten bietet die Gruppierung und Ableitung der zahlreichen Familien, welche der Polyphagenreihe angehören; Verfasser gelangte zu der Überzeugung, daß sie sich auf mindestens 14 selbständige Zweige der Protopolyphagen verteilen dürften. 250 Handlirsch. Von den Coleopteren sind jedenfalls die Strepsipteren abzuleiten, aber nicht, wie meistens angenommen wird, von Phipiphoriden, bzw. Heteromeren, ns N N N N N N xD IN > < BS ~ IN IAE NSS EN N Na SS VS 8 a8 LV KS IS I TER SRP 8-8 Sw FIN VY WS WS SXS 8 v8 SF EINEN PNR ISS WW sl as§ SS INN SUN ye 8 8S S SISES TSH CRS EN-SIN SI F Fhg.8 S$ GSRTY Y x x \ > N ZS YSLE SSS GSP § IS Vw HSV S38 sVH Fy S RNS SLY 9 Nos S I IS Q S N N SOS NES NIS ISIN HBS SSS FS YS SSS SS § WRPIS NW TSAN NSS LISS SENET SE VW IBY GPS ITSGA8BN DSASSDS QDSHVWWS IIIN DS Hel | | Untcarbors sondern von normal pentameren Formen und vermutlich von Canthariden (Malacodermen). Ähnlich wie die Coleopteren sind auch die Hymenopteren von keiner anderen holemetabolen Gruppe abzuleiten, sondern nur entweder von uns unbekannt gebliebenen Derivaten der Paläodictyopteren oder von tief- stehenden orthopteroiden bzw. blattoiden Formen. Verfasser neigt zu der Kleinere Mitteilungen. 251 letzteren Alternative, für welche einige Gründe anzuführen sind. Trotzdem hält er es für angezeigt, vorläufig den Hymenopteren ebenso wie den Cole- opteren den Rang einer eigenen Unterklasse beizumessen. Die Entwicklung des Hymenopterenstammes stellt sich Verfasser in folgender Weise vor: Die ersten Hymenopteren waren symphyte Formen, phytopag, mit freilebenden Larven, welche etwa nach dem Typus der Pamphiliden (Z/yda) gebaut gewesen sein dürften. Diese Formen dürften im untersten Jura oder schon in der Trias gelebt haben und den Ausgangspunkt für Tenthrediniden s. 1. gebildet haben, denn bereits im Malm finden sich höher spezialisierte offenbar als Larven holzbohrende Formen, die Pseudosiriciden, daneben aber auch schon einzelne Formen, die zweifellos entomo-parasitische Larven besaßen und zu den Ichneumoniden (speziell Pimplinen) hiniiberleiten. Aus solchen im Larvenstadium parasitischen und daher in bezug auf Extremitäten sehr reduzierten, bereits apokriten Formen sind dann die verschiedenen Unter- abteilungen der Ichneumoniden im weiteren Sinne, also die Braconinen, Evaninen, Chalcidinen, Chrysididen usw. hervorgegangen, desgleichen die Pflanzengallen erzeugenden Cynipiden und die Scoliiden, bei welch letzteren sich der Parasitismus zu einer höheren Stufe entwickelt hat, und Hand in Hand damit auch der Legebohrer in einen Giftstachel, dessen Aufgabe es nunmehr war, die Beutetiere zu Jihmen. Aus solchen tiefstehenden scoliiden- ähnlichen Formen sind offenbar sowohl die Mutilliden, Thynniden, Formiciden, als auch die faltenflügeligen Vespiden, die Pompiliden und Sphegiden (s. 1.) abzuleiten, aus den letztgenannten endlich auch die Apiden, bei denen die früher karnivoren Larven zur Honigkost übergingen. Und diese großartigen Umwandlungen müssen sich alle während der Kreidezeit vollzogen haben, denn schon im untersten Tertiär finden wir alle heute lebenden Hymenopteren- typen bis hinauf zu den Honigbienen fertig entwickelt. Beistehendes Entwicklungsschema mag des Verfassers Ansichten über die Evolution des Pterygogenenstammes erläutern. Nun handelt. es sich aber noch darum, der Abstammung der Ur-Ptery- gogenen also der Paläodictyopteren einerseits und der sogenannten aptery- gogenen Insekten, welch letztere, wie erwähnt, während der letzten Dezennien, fast allgemein als Vorläufer der Pterygogenen angesehen wurden, etwas näher zu treten; dies führt zum Studium der gesamten Arthropodenphylogenie. Das Endresultat dieser Studien sei hier in Kürze mitgeteilt, in bezug auf die Beweisführung jedoch auf das Originalwerk verwiesen: Aus marinen Polychäten (Anneliden) entstanden im Präkambrium bereits primitive Trilo- bitenformen, in denen Verfasser die tiefststehenden Arthropoden und nicht, wie einzelne Autoren, einen Seitenzweig der Krustazeen erblickt. Aus Trilo- biten sind direkt die Krustazeen, ferner die Gigantostraken (wieder erloschen), Xiphosuren oder Merostomen beziehungsweise die Arachnoiden abzuleiten. Ebenso sind die Myriopodenreihen (Progoneaten und Opisthogoneaten), die 252 Handlirsch. Hilzheimer. noch im Palaozoikum vollkommene Komplexaugen besaßen, auf Trilobiten- ahnen zurückzuführen. Die Pterygogenen sind weder von Krustazeen noch von Arachnoiden noch von Myriopoden, sondern selbständig von Trilobiten abzuleiten, sie haben ihr Tracheensystem offenbar unabhängig von jenem der Tausendfüßer erworben und die Flügel sind aus den ‚Pleuren“ der Trilobiten hervorgegangen. Flügelscheiden von Paläodictyopterenlarven sind von solchen ,,Pleuren‘‘ nicht zu unterscheiden, ebensowenig wie die Seiten- lappen der anderen Segmente. Komplexaugen waren auch bei den mit vermutlich gespaltenen Abdominalbeinen versehenen Ur-Insektenlarven vor- handen. Bezüglich der sogenannten Apterygogenen, die sich als in mancher Beziehung sehr hoch spezialisierte (reduzierte) Endglieder und keineswegs als ursprüngliche Formen erweisen, läßt sich mit Sicherheit nur sagen, daß sie nicht die Ahnen der Pterygogenen oder Myriopoden sein können. Nachdem aber anderseits eine Ableitung dieser reduzierten Tierchen von Pterygogenen oder Myriopoden gleichfalls nicht annehmbar erscheint, wird es wahrscheinlich, daß sie als Endäste von selbständigen, den Pterygogenen und Myriopoden gleichwertigen, aus ähnlichen Trilobiten wie diese hervor- gegangenen Reihen zu betrachten sein werden. Zu den aus Trilobiten abzuleitenden Arthropodenreihen rechnet Verfasser ferner die wieder erloschenen Arthropheuriden, die Pantopoden und den rätselhaften Dostrichopus. Dagegen betrachtet er die Malacopoden (= Pro- trachaeten, Peripatiden) als hochspezialisierten Zweig der Anneliden, dessen Arthropodenähnlichkeit auf Konvergenz beruht. Desgleichen werden die Tardigraden aus der Reihe der Arthropoden ausgeschlossen und als hoch- spezialisiertes Endprodukt der Rotatorienreihe angesehen. Die Stellung der Linguatuliden bleibt dem Verfasser zweifelhaft. Durch seine phylogenetischen Studien ist der Verfasser zu einem deszendenz-theoretischen Glaubensbekenntnis gelangt, welches in folgenden Sätzen zusammenzufassen ist: Die Evolution erfolgt auf Grund direkter Einwirkung äußerer Faktoren, funktioneller Anpassung (und Korrelation) und auf Grund der Vererbung erworbener Eigenschaften. Die Evolution wird durch verschiedene Arten von Selektion im weiteren Sinne, durch die Konstitution der Organismen und die physikalisch-chemische Möglichkeit, sowie nicht in letzter Linie durch den Zufall gefördert, begrenzt und reguliert. A. Handlirsch-Wien. Versammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Stuttgart. 1908. Vom 8.—1ı2. Juni tagte in Stuttgart die 18. Jahresversammlung der deutschen zoologischen Gesellschaft unter außerordentlich starker Teilnahme. Aus der Fülle der interessanten Vorträge seien an dieser Stelle kurz diejenigen angeführt, die für die Zwecke dieser Zeitschrift von besonderem Interesse sind, vorbehaltlich weiterer eingehender Besprechung einzelner, wenn die Verhandlungen gedruckt vorliegen. Kleinere Mitteilungen. 253 Prof. Meisenheimer sprach: „Über den Zusammenhang von Geschlechtsdrüsen und sekundären Geschlechtsmerkmalen“, Bei Schmetterlingen von kastrierten Raupen fand der Vortragende keine Änderung der sekundären Geschlechtsmerkmale. Auch bei Transplantationen der Geschlechtsdrüsen des einen Geschlechts auf das andere im Raupen- stadium, zeigte sich keinerlei Änderung beim fertigen Schmetterling, obwohl die so überpflanzten Drüsen gut gediehen. Da sich nun auch bei Schmetter- lingszwittern, bei denen die eine Hälfte äußerlich männlich, die andere weiblich ist, doch innerlich beiderseits gleichgeschlechtliche Geschlechts- organe finden, zieht Redner daraus den Schluß, daß zwischen primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen jede Übereinstimmung fehle und daß diese somit keinen formativen Reiz auf jene ausüben. Bei Wirbel- tieren scheine ähnliches zu gelten. In der Diskussion warnten Referent und Prof. Korschelt vor einer Ausdehnung der Resultate auf Wirbeltiere. Aus dem Vortrage Prof. Spemanns über „Neue Versuche zur Entwicklung des Wirbeltierauges“ sei besonders die Feststellung bestimmter Linsenbildungszellen hervorgehoben, die von der Mitwirkung des Augenbechers in verschiedener Weise abhängig sind. Durch Trans- plantation wurde festgestellt, daß Haut aus der Gegend des Hörorgans Linsen bilden kann. Prof. Korschelt hat bei Schnecken festgestellt, daß die Schale in weitgehendster Weise regeneriert werden kann. Bei Versuchen an Regen- würmern wurde durch Transplantation festgestellt, daß die Polarität des Körpers umgekehrt werden kann, so daß an Stelle eines Schwanzes ein Kopf entsteht. Diese Versuche führten zur Entstehung von Würmern, die in sich umgekehrt gerichtete Körperstücke enthalten, trotzdem aber einen einheitlichen Wurm darstellen. Prof. Maas sprach über den „Bau des Meduseneies“. Er zeigte, daß der Keim der Medusen schon im Eistadium polaren Bau hat, so daß aus die Verlagerung auch gewisse bestimmte Unregelmäßigkeiten resultieren. Es kommen also nicht nur dem Kern, sondern auch dem Plasma Bedeutung für die Entwicklung zu. Prof. Simroth glaubt eine „Einwirkung der letzten Sonnen- flecken auf die Tierwelt‘ nachweisen zu können. Aus verschiedenen Berichten hat er das besonders zahlreiche Auftreten vieler Tiere in diesem Jahre festgestellt, z. B. des Tannenhähers. Bei diesen hat er dann gefunden, daß in seinem Erscheinen eine 11 jährige Periodizität herrsche, welche sich mit der Sonnenfleckenperiode decke. Auch das Auftreten albinotischer Schnecken, die er vorführte, das neue Auffinden eines Seesternes in Island usw. bringt er mit der Sonnenfleckenperiode in Verbindung. Prof. Künkel hat über „Vermehrung und Lebensdauer der Nacktschnecken“ eingehende Untersuchungen angestellt. Nach seinem Vortrag herrscht große Variation, besonders in bezug auf die Geschlechtsreife. 254 Hilzheimer. Referate. Prof. Haecker sprach über seine Kreuzungsversuche mit Farbenvarietäten vonmexikanischen Axolotl (Amblystomatigrinum). Er erhielt zwar die genauen Zahlenverhältnisse in der Mendelschen Proportion, aber die Nachkommen, die der Erwartung nach rein albinotisch sein sollten, zeigten in geringerem oder höherem Grade ein Hinneigen zur melanistischen Form. An die Befunde wurden Erörterungen über das Wesen des totalen und partiellen Albinismus geknüpft. Schließlich sei noch erwähnt, daß Prof. Woltereck zwei verschiedene Daphnienformen im Ober- und Untersee bei Lunz fand. Durch Über- führen der einen Form in das Wasser der andern wurde die Körpergestalt nicht geändert. Jedoch durch Mästung oder Hunger wurden sie stark umgestaltet; Redner sprach z. B. von Hungerformen, dabei konnte dann auch die eine Form der andern genähert werden. Hilzheimer- Stuttgart. Referate. Me Cracken, Isabel. Occurence of a Sportin Melasoma (Lina) seripta and ist Behavior in Heredity. Journ. Exp. Zool. 4. 1907 221—238, I plate. Der Blattkäfer Melasoma scripta Fabr. tritt für gewöhnlich an Weiden und Pappeln, und zwar an ein und derselben Fundstelle, in zweierlei Farben auf: braune Flügeldecken mit schwarzen Flecken (S) oder ganz schwarze Flügeldecken (B). Das Halsschild ist in beiden Fällen gleich gefärbt: schwarz mit rotem Saum, auf welchem beiderseits noch je ein schwarzer Punkt steht. Viel seltener tritt sowohl in der Natur als auch in Laboratoriums- zuchten, hier in der Nachkommenschaft von S oder B, eine dritte melanische Form auf, bei der Elytren und Halsschild total schwarz erscheinen (AB). Durch Kreuzung von B und AB wurde noch eine vierte Form erhalten, die sich von B dadurch unterscheidet, daß im roten Saum des Thorax statt eines schwarzen Pünktchens ein großer schwarzer Fleck liegt. Züchtungsversuche mit diesen Formen unter gleichen Bedingungen und in mehreren Generationen zeigen, daß die beschriebenen Charaktere sich gegenseitig ausschließen, und daß jedes Merkmal als dominant oder reze-siv nur in relativem Sinne betrachtet werden kann. S dominiert bei Kreuzung SxB, S und B dominieren, wenn gekreuzt mit AB. Letztere, somit beiden anderen Formen gegenüber rezessive Form zieht zwar in Inzucht rein weiter, verschwindet aber gänzlich, wenn mit jenen zurückgekreuzt. Darin ist der Grund zu suchen, daß die untersuchte Spezies in der Hauptmasse ihrer Individuen konstant nur zwei und nicht drei Farbrassen liefert. Kammerer-Wien. Referate. 255 Plate, L., Die Variabilität und die Artbildung nach dem Prinzip geographischer Formenketten bei den Cerionlandschnecken der Bahama-Inseln. In: Archiv für Rassen- und Ges:llschafts-Biologie. 4. 1907 4. Heft S. 434—470 und 5. Heft S. 581-614. Mit 5 Tafeln, einer Karte und einer Textfigur. (Auch als Sep. erschienen Preis 2 M.). Gelegentlich eines Aufenthaltes auf den Bahama-Inseln hat Plate sich besonders mit der Variabilität der Cerions beschäftigt. Er hat im ganzen ein Material von 3057 Schalen mit ganz genauem Fundorte gesammelt und untersucht. Diese Schnecke neigt außerordentlich zur Bildung von Lokal- formen, zwischen denen häufig nur ein geringer räumlicher Abstand ist. Größere Inseln zeigen in ihrer Schneckenfauna einen einheitlichen Charakter. Die fossilen Formen stimmen meist mit den rezenten überein, jedoch nicht immer. Ein solches Vorkommen spricht wie auch anderweitige Tatsachen dafür, daß Verschleppung möglich ist. Auf Grund der Schalenontogenie kommt Plate unter Berücksichtigung des biogenetischen Grundgesetzes dazu, eine vermutliche Stammform aut- zustellen. Die so gewonnene Erkenntnis legt er bei der Beurteilung der Schalen zugrunde und berücksichtigt dabei vornehmlich die Zahl der Rippen, deren Stärke, das Peristom und die Pigmentierung. Auf New Providence konstatiert er nun von West nach Ost eine gleich- mäßige Verminderung, die Stärke der Rippen nimmt allmählich ab, ihre Zahl zu, so daß die östlichsten schon fast glatt sind. Die einfürbige Pigmentierung geht in eine Fleckzeichnung über, und der Peristomrand verbreitert sich. Eine völlig glatte Form, die sich an die 6st ichsten von New Providence anschließt, findet sich noch weiter östlich nämlich auf den 72 km davon entfernten Inseln Current, Harbour und Elenthera. Trotz dieser Gesetzmafigkeit in der Entwicklung von West nach Ost, glaubt Ver/asser nicht eine, sondern zwei Entwicklungsreihen auf Grund der Schalenontozenie annehmen zu sollen, und zwar glaubt er in einer in der Mitte gelegenen Form die noch lebende Stammform gefunden zu haben. „Von hier aus führt eine Entwicklungsreihe nach Westen, indem das Pigment allmählich abblaßt, die Rippen an Zahl geringer werden, dafür aber an Stärke zunehmen, während gleichzeitig auch das Peristom sich verbreitert und verdickt.“ Nach Osten dagegen werden die Rippen immer zah!reicher und feiner, das Pigment konzentriert sich auf einzelne Stellen, so kommt die Fleckung zustande, das Peristom verdickt sich gleichfalls. Das Resultat ist aber beidemal dasselbe, ind«m beide Entwicklungswege schlieflich zu einfarbig weißlichen Formen mit stark verdicktem Peristom führen, nur haben erstere starke Rippen, letztere sind glatt. Wichtig ist, was ausführlich ausgeführt wird, daß sämtliche Entwicklungsstadien mit dem vorhergehenden durch alle Übergänge verbunden sind. Die Ursache dieser Variabilität glaubt P. im Klima zu finden. Die starken, dickschaligen westlichen Arten sollen Trockenformen, die glatten, dünnschaligen östlichen Feuchtigkeitsformen sein. Wenn auch vorläufig noch die nötigen klimatologischen Beobachtungen fehlen, um diese Klima- veränderungen nachweisen zu können, so erhält diese ,,klimatische Theorie“ doch noch eine weitere Stütze durch die Cerion-Arten auf den übrigen Bahamas, die nun in West- und Ost-Formen (vom 77° w. B. aus) zerlegt und gesondert betrachtet werden. Einzelne’geringfügige Ausnahmen sowohl im Westen wie im Osten werden zwar konstatiert, d. h. Formen, die ihrem Gepräge nach sich nicht in das Gesamtbild einfügen. Aber sie sind zu geringfügig, um diescs zu verwischen, sie erklären sich wohl als Folge „lokaler Einfliisse‘‘ oder ‚„sekundärer Verschleppung‘“. 256 Referate. In einer eingehenden Diskussion wird als Ursache für diesen Formen- reichtum angenommen: I. eine große Labilität des Keimplasmas, 2. die Selbständigkeit der verschiedenen Zahlencharaktere, 3. klimatische Faktoren, 4. lokale Unterschiede des Bodens und der Vegetation, 5. Isolation. Da- gegen ist die Möglichkeit, daß Selektion eine wichtige Rolle gespielt habe, nicht sehr wahrscheinlich. Die so von Verf. auf den Bahamas bei den Cerions konstatierte Formen- kette veranlassen ihn, auf diesen Begriff näher einzugehen. Er unterscheidet eine rein morphologische Formenkette, eine morphologisch-paläontologische und eine morphologisch-geographische. Ist der Ausdruck Formenkette nicht zu speziell, wäre nicht Formenkreis vorzuziehen ? Letzterer Ausdruck dürfte auf alle derartigen Variationen passen, auch wenn sie nicht in Form einer Kette auftreten. In der Frage nach den Ursachen dieser phyletischen Umbildung stimmt er nicht mit der Ansicht von P. und F. Sarasin überein, kommt vielmehr dazu, das Keimplasma als eine „historische Substanz“ aufzufassen: ,,Be- zeichnen wir 25 verschiedene äußere Faktoren mit den Buchstaben des Alphabets und gehen wir von derselben Amöbe aus, so werden verschiedene Lebewesen daraus hervorgehen im Laufe der Phylogenie, je nachdem aflpkz oder rbstpkz oder kziuv a auf sie eingewirkt haben. Bedenkt man, welche Fülle von physikalisch-chemischen Reizen in der Welt vorhanden sind und daß die Organismen sich gegenseitig beeinflussen und zueinander wie äußere Faktoren stehen, so scheint mir die unendliche Mannigfaltigkeit der Lebewesen nicht nur verständlich, sondern wir müssen sie direkt erwerben‘. Den Schluß dieses Teiles bildet eine Untersuchung über den Artbegriff, dessen Definition sich mit der aus Ps. Handbuch her bekannten deckt. An diesen allgemeinen Teil schließt sich dann ein 21 Seiten umfassender spezieller, der sich mit der Systematik und genauen Beschreibung der einzelnen Formen von Cerion beschäftigt. Hilzheimer- Stuttgart. Castle, W. E. Color Varieties of the Rabbit and of other Rodents; their Origin and Inheritanee. Science, N. S., 26, 1907, p. 287. Castle begins by discussing the relation of certain colour varieties of the rabbit to one another. He shews that the six varieties with which he deals may he arranged in two series according as they possess or do not possess fur in which the hairs are barred with yellow. The six varieties are: Series I. Series 2. Grey, NB BY: Black, IBV Blue-grey, ABLY Blue, BLY White-bellied yellow, AB2Y Sooty yellow, B2Y. Each number of the two series contains both black (B) and yellow pigment (Y), but the members of Series 1 differ from the corresponding members of Series 2 in possessing an additional factor, viz. the barring factor (A), and the members of this series behave as simple dominants to those of Series 2. Thus grey is dominant to black, and the white-bellied yellow is dominant to the sooty yellow (the tortoise shell of the English fancy). The difference between the three members of the same series lies in the fact that the black pigment may exist in two distinct states of dilution in addition to the full colour. These stages we have re-resented above as B! and B®. From the data which Castle gives it is clear that Referate. 257 both B1 and B2 behave as simple recessives to the fully ;igmented state B. But what the relation between B! and B?2 is has not yet been worked out. Castle suggests that the various colour varieties have all arisen by loss, partial or complete, of one or more of the independent factors which contribute to the production of the grey coat of wild rabbits. He proceeds to an interesting comparison of the coat-colours in other rodents. In guinea-pigs the three main colour factors viz, black, yellow, and the barring factor are also present. But a point of difference between this animal and the rabbit, so far as is hitherto known, is that the black factor may be wanting. Such animals have a chocolate coat and their eyes are brown instead of black. Dilute chocolates are yellow with brown eyes, while dilute agoutis (wild type) and blacks are in ap; earance black-eyed yellows. The chocolate stock originally used did not contain the barring factor (A), but Castle suggests that there seems no reason to doubt that such chocolates may be made by appropriate matings. They would of course give agoutis when crossed with blacks. In rats and in mice the relation of the wild grey and black coats is the same as in the rabbit. But in mice we have to deal with two other forms of pigmented coat, viz. chocolate and yellow. The chocolate in the mouse appears to bear the same relation to the black as it does in the guinea pig, i. e. chocolate arises from black by the loss of the black factor B. When the chocolate carries the barring factor the animal is spoken of as a cinnamon agouti and such mice when crossed with blacks revert to the wild grey type. Yellow in the mouse offers a remarkable contrast to yellow in the rabbit and the guinea pig. In the first place it is dominant to all other colours, and in the second place the various observers who have worked with this colour are agreed that it does not occur in a homozygous condition. The existing evidence points to the so-called yellow in the rabbit and the guinea pig being a dilute form of grey or agouti (and in the guinea pig ot black also), and it seems most natural to regard some dilute form of grey in the mouse as comparable to the yellow of the other two rodents. Yellow in the mouse may possibly be of a different nature and further experimental work must be awaited before we can hope to assign to it its place in the general colour scheme. Summing up we may say that in all the four species of rodents dealt with the black form has arisen from the wild type by the loss of a dominant barring factor (A). Further loss of the black factor (B) leads to the production of a chocolate but this is only known to occur certainly in guinea pigs and mice. The three main colours grey (or agouti), black, and chocolate may be further modified by dilution factors. Of such factors two certainly occur in the rabbit and one in the guinea pig, while there may be several in mice. Yellow in rabbits and guinea pigs arises through the operation of a dilution factor but the jeculiarities of behaviour of yellow in the mouse suggest that the nature of the pigmentation is here different, but before the nature of this difference can be cleared up further experimental work is required. ey 62 Bunnect Mac Curdy, H. and Castle, W. E. Selection and Crossbreeding in Relation to the Inheritance of Coat Pigments and Coat Patterns in Rats and Guinea-Pigs. Contrib. Mus. Comparat. Zoolog. Harvard. 70, 1907. The authors of this paper start by formulating two questions, Viz. (1) Can®discontinuous variations be modified by selection alone? (2) Can 258 Referate. discontinuous variations be modified by cross breeding? These questions the authors have attempted to answer by several series of experiments on rats and guinea pigs. As regards the pattern relations of colour and white four classes may be distinguished in the rat, viz: (1) Self, whole body pigmented. (2) Irish, whole body pigmented except more or less of the ventral surface. (3) Hooded, only the head, shoulders, and usually a median dorsal stripe pigmented. (4) Albino, no pigmentation. Incidentally the authors confirm the work of previous observers who have shewn that pigmentation is dominant to albinism, that self colour is more or less completely dominant to the Irish and hooded patterns, and that Irish is on the whole dominant to hooded. Moreover the albino may be shewn to contain either the self colour or either of the pattern characters. — A series of experiments was made in which a hooded strain was crossed with Irish. Several hundred individuals in all were bred and the authors conclude as the result of these experiments that the effect of crossing the hooded with the more fully pigmented Irish form is to produce a strain of hooded with a distinctly greater amount of pigmentation in the dorsal stripe than the original strain exhibited. “A cross with the Irish stock raises considerably the average size of „the dorsal stripe in hooded rats, as well as the range of variation upward „in size of stripe’. The hooded rats so produced were bred inter se (p. 12) for thee further generations. In the first two of these the average increased size of the dorsal stripe was maintained but in the third it became distinctly smaller, smaller even than it was in the original hooded strain before the Irish cross was made. In view of this result we think that caution should be exercised in drawing any deduction of a far reaching nature from these experiments. A further series of experiments deals with the selection of strains of hooded rats for reduced and for increased size of the dorsal stripe. Selection of rats in which the dorsal stripe was reduced led in four generations to a strain in which it was very much smaller than in the normals. The reduction process was apparently a steady one and the absence of what may be called regression has led the authors to the conclusion that the effects of selection ,,in reducing the extent of the pigmentation will be „permament, that is, that a stable, narrow-striped variety of hooded rats „can be established by selection, and that this variety will breed true”. — A similar set of experiments in which selection was for increased size of the dorsal stripe led to a similar conclusion. While recognising the need of further experiment the authors are inclined to consider that , selection is a most important factor, not only in the isolation of discon- tinuous variations, but also in their production“. And here it may be suggested that Mac Curdy and Castle’s results are not inconsistent with the idea that pure lines differing in the extent of the dorsal stripe may exist in hooded rats similar to the pure lines which Johannsen was able to demonstrate in his beans. If this were so selection would be concerned here also with the isolation of preexisting discontinuous variations. It would be of great interest to establish a race of hooded rats breeding true to the minimum amount of pigmentation, and then to select these for fuller pigmentation. If, as Mac Curdy and Castle are inclined to maintain, Referate. 259 selection is a factor in the production of discontinuous variations we ought in a comparatively short time to establish a race of fully pigmented hooded rats from a race in which selection has already reduced the pigmentation to a minimum. Work such as this is of great interest and importance and we hope that the authors will one day give us the results of those further and longer continued experiments of which they recognise the need. The experiments with guinea pigs are more complicated and without entering into details we may briefly give the conclusions to which the authors have arrived. In guinea pigs with partially pigmented coats the pigment is not distributed without order over the body but five paired pigment centres may be recognised, viz. the eye, ear, shoulder, side, and rump areas. Sometimes only one pair and sometimes more than one pair may be present. In the Dutch guinea pig for example all the pigment areas are present with the exception of the shoulder ones. The authors conclude as the result of their experiments ,,that one can by selection „either increase or decrease the extent of the pigmented areas, but it is „impossible by selection to fix this pigmentation in a particular pattern, „retaining pigment areas on certain parts of the body and eliminating them „from others. As the pigmentation changes in extent, under the influence „of selection the various areas typically pigmented are affected in the „following order: Shoulder, side, rump and head, the change being greatest „in the first-named and least in the last-named area, irrespective of what „particular spots were present in the selected ancestors’. Re CPi mert t. Noorduyn, C. L. W. Die Erblichkeit der Farben bei Kanarienvogeln. In: Archiv f. Rassen- u. Gesellschaftsbiologie. 5 1908, 2. Heft. S. 161—177. Der bekannte Kanarienziichter Noorduyn berichtet in dieser schönen Arbeit über seine Beobachtungen über die Vererbbarkeit der Farben bei Kanarienvögeln. Diese Arbeit ist um so mehr mit Freude zu begrüßen, als hier ein Praktiker reine Tatsachen ohne weitere wissenschaftliche Erwägungen berichtet. Alle Kanarienrassen stammen vom wilden Kanarienvogel (Zringilla canaria) ab. Von den verschiedenen Farbenvarietäten der Zahmen werden auf- gezählt: 1. Die Gelben. Sie haben gewöhnlich schwarze Augen. Sie sind keine Albinos, da ihnen nur das schwarze und braune Pigment fehlt. Verf. versteht nämlich unter Albinismus nur völligen Pigmentmangel. 2. Die „‚Zinnamons“, deren Farbe zwischen dunkelbraun und leicht isabell- farben schwankt. Diese haben immer braunrote Augen. Diese Augen- färbung bei gelben Vögeln weist stets auf Zinnamonblut hin. Manche zahmen Zuchten machen Farbenveränderungen während des Lebens durch. Auch mittels Farbenfutters werden Farbenveränderungen erzielt. Letztere Farben schwinden jedesmal bei der Mauser und sind auch nicht erblich, Bei Paarung gleichgefärbter Varietäten sind zu unterscheiden: a) hoch- gelbgriine, b) weißgelbgrüne, c) hochgelbbraune, d) weißgelbbraune, e) orange» gelbe, f) hochgelbe, g) weißgelbe Farbe. Bei Zusammenstellung der Farben nach dieser Rangordnung, können bei einer Paarung nie Junge von höherem Range entstehen, d. h. aus Paarung a>x gelben vielerlei Varietäten. Fortgesetzte Zucht orange- oder hochgelb >< weißgelb nähert die Jungen immer mehr der weißgelben Farbe. Ein Rückgewinnen des Hochgelb oder Erhöhen des Weißgelb ist durch folgende Kombination möglich. grün d >< weibgelb 2 weißgelb d >< grün 2 grünbunte 9 322 as grünbunte 22d d Sollte dieser Fall nicht fiir eine gegenseitige Beeinflussung der Vererbungs- träger sprechen? Die grünbunten der 2. Generation enthalten doch weiß- gelben latenten Zustand. Wenn nun die Nachkommen eine etwas höhere Rangstufe der Farbenordnung bekommen, so ist dies doch nur so zu er- klären, daß die in der Rangstufe am tiefsten stehende weißgelbe Farbe, durch die am höchsten stehende grüne Farbe in erhöhtem Sinne beeinflußt ist. Merkwürdig ist, daß bei Paarung eines braunen Männchen mit anders gefärbten reinen Weibchen die braune Farbe nur auf die Weibchen übergeht, obwohl ein Weibchen gelegentlich auch andere Farben haben kann. Bei Paarung braun > grün treten häufig atavistisch wieder grüne Farben auf. Ist bei einer Paarung gelb >< braun das gelbe Tier ein Männchen, so sind die Jungen stets grünbunt, Interessant ist, wie Verf. aus einem rein gelb und rein braun gezüchteten Exemplar durch immer wiederkehrende Paarung der grünbunten Jungen mit braunen Tieren in 5. Generation den Wildling erhielt. Die braune ' Farbe geht nur dann auf Männchen, wenn sie mehr als 50°, Zinnamon- blut haben. Verf. gibt mehrere Schemata, wie solche braunen Männchen zu erzielen sind. Ähnliches wie für die braune Farbe scheint auch für die braunrote Farbe der Augen zu gelten. Auch sie geht nur auf Weibchen über. Übrigens scheint es Ref. so, als zeigen rote Augen bei anders gefärbten Kanarienvögeln stets latente Zinnamonfärbung an. Bei Paarung wildlebender Kanarien mit gelben entstehen Junge mit zur Hälfte gelbem Gefieder, also richtige intermediäre Bastarde. Die an diese Beobachtungen geknüpften theoretischen Betrachtungen sind auf zu einseitiger Grundlage aufgebaut, um größeren Wert zu haben, denn die Gültigkeit der Mendelschen Gesetze hängt nicht immer von der langen Dauer der Reinzüchtung der Varietäten ab. Zum Schluß wird noch mit einigen Worten der Paarung von behaubten Kanarien und der Bastardierung mit anderen Arten gedacht. Wenn wir uns auch nicht immer den übrigens sehr zurücktretenden theoretischen Erwägungen anschließen können, so hat doch Verf. eine sehr schöne Arbeit geliefert, die eben, weil auf praktischer Erfahrung beruhend, großen Wert hat. Möge sie dazu dienen, auch andere Züchter zu veran- lassen, ihre Erfahrungen auf diesem Gebiete kund zu geben. Tritt auch bei Nutztieren der Wert der Farbe gegenüber anderen Punkten zurück, so daß sie weniger beachtet wird, so liegen meines Wissens sowohl beim Rindvieh wie bei Hunden doch schon verschiedene Beobachtungen vor. Und es wäre dankbar zu begrüßen, wenn ein Großzüchter sich einmal ent- schließen würde, seine Erfahrungen darüber zu veröffentlichen. Hilzheimer- Stuttgart. Ss ee 0 Referate. 261 Hansen, E. Ch. Oberhefe und Unterhefe. Zentralbl. f. Bakt. usw. II. Abt. 18. 1907. S. 577—586. Barber, M. A. On Heredity in certain Microorganisms. Kansas University, Science Bullet. 4, 1907. Nr. 1, p. 3—48, mit 4 Tafeln. Garbowski, L. Uber Abschwächung und Variabilität bei Bacillus luteus Smith et Baker und Bacillus tunescens Zopf. Zentralbl. f. Bakt. usw. II. Abt. 19. 1908. S. 641—655, 737—749. 20. 1908. S. 4—20, 99—113, mit 2 Tafeln. Die Mikroorganismen sind sehr dankbare Objekte fiir Vererbungsstudien, weil man mit sehr groBer Individuenzahl und vielen Generationen innerhalb kurzer Zeit arbeiten kann. Eine Schwierigkeit besteht aber darin, die Individuen zu isolieren. Hansen benutzte bei seinen sämtlichen Versuchen als Ausgangskulturen garantierte Einzellenkulturen, verwandte aber bei ihrer Analyse auch Plattenkulturen, während Barber immer von einer Zelle aus- ging. Er fängt die einzelnen Zellen mittels sehr feiner durch Schrauben bewegter Pipetten”aus dem Hängetropfen. Einzelheiten seiner Methodik, die genau beschrieben wird, sind im Original nachzusehen. Hansen hatte in seiner ersten Mitteilung gezeigt, daß sıch Ober- und Unterhefe auseinander entwickeln können; aus einer einzigen Zelle kann also eine Nachkommenschaft hervorgehen, die aus beiden Formen zusammengesetzt ist. Beide können lange Zeit nebeneinander bestehen, doch gewinnt gewöhnlich eine die Ober- hand und erweckt den Anschein, als ob die Vegetation einheitlich sei. Diese an einer ganzen Anzahl von Hefenarten angestellten Versuche hat der Autor neuerdings fortgesetzt. Bei der Hefe Johannisberg II kann eine Zelle ent- weder eine gleichmäßige Vegetation bilden, und zwar Ober- und Unterhefe, oder sie kann eine in Variationsbewegung begriffene Nachkommenschaft haben, welche sowohl aus Ober- als aus Unterhefenzellen besteht. Den ersten Fall bezeichnet er als Einheitstypus, den zweiten als Mischtypus. Das gleiche gilt ebenso für die Sporen wie für die vegetativen Zellen, irgend- eine Einwirkung äußerer Faktoren ist nicht nachweisbar. Die Unterhefen zeigen die stärkste Variationsbewegung, während die Oberhefen die stärkste Erblichkeit: zeigen. Die letzteren sollen die älteren Formen sein, aus denen sich die Unterhefen entwickelten. Auch Barber hat eine Hefe für seine Versuche benutzt, und zwar Saccharomyces anomalus. Die Auslese besonders großer Zeilen hatte keinen Erfolg, indem die Nachkommenschaft bald zum normalen Typus zurückkehrte. Es glückte jedoch, eine Rasse zu isolieren, welche sich durch ‚länger aus- wachsende Sprossungen auszeichnete und locker zusammenhängende Zell- gruppen bildete. Der Ausgangspunkt war eine durch obige Eigentümlich- keiten auffallende Zelle, die einer sonst gleichförmigen von einer Ausgangs- zelle abstammende Nachkommenschaft angehörte. Nach der Isolierung wuchs der Komplex zunächst schwächer, wurde aber allmählich kräftiger. Während der 3% Jahre, wo diese neue Sippe kontrolliert wurde, blieb sie vollständig konstant, selbst unter verschiedenen äußeren Bedingungen, und zeigte nie einen Rückschlag zur Stammsippe. Weitere Auslese veränderte den Typ nicht. Trotzdem sie die Fähigkeit, Sporen zu bilden, teilweise verloren hatte, also etwas geringere Vitalität zeigte, behauptete sich die neue Sippe der alten gegenüber, wenn beide in gleicher Menge in Bouillon ae wurden, auf Agar wurde sie jedoch etwas zurückgedrängt. Physio- ogisch unterschied sich die Mutante von der Stammform durch etwas größere Gärkraft, größere Wiederstandskraft gegen Hitze und Trockenheit und geringeres Verflüssigungsvermögen auf Gelatine. Häufig war sie nicht, 177% 262 Referate. immerhin fand der Autor vier unter sich gleiche Mutanten im Laufe seiner Untersuchung. Inähnlicher Weise isolierte Barber in Kulturen von Bacil/us coli communis eine ganze Anzahl von Linien, welche verschieden stark zur Fadenbildung neigten. Auch sie waren anfangs weniger kräftig (eine große Anzahl von isolierten Fäden wuchs überhaupt nicht weiter), erstarkten aber schließlich. Sie waren meist von vornherein konstant, nur einige bedurften weiterer Auslese. Eine der neuen Sippen hatte eine etwas höhere Gärkraft als die Stammform. Versuche, langfädige Sippen des Typhusbazillus zu finden, mißlangen mit einer leider nicht genau genug verfolgten Ausnahme. Sehr interessant ist es, daß einmal eine sporenlose Rasse von einer nicht näher bestimmten, vielleicht als Baci//us megatherium ansprechenden Art isoliert wurde. Barber fing die sporenfreien beweglichen Stäbchen, die sich stets in einer sonst in Sporenbildung begriffenen Kultur vorfinden, heraus, und eins von diesen gab die asporogene Sippe, die weiterhin selbst unter günstigen Bedingungen für Sporenbildung sporenfrei blieb, aber schließlich einging. Hier sei bemerkt, daß schon Beijerinck}?) auf die Möglichkeit aufmerksam machte, daß bei der gewöhnlichen Art des Uberimpfens leicht asporogene Rassen isoliert werden können. Er empfiehlt deshalb, vor dem Überimpfen die alte Kultur zu pasteurisieren. Ich brauche im Hinblick auf die vorliegende mit Verstand und Geschick angestellte Untersuchung kaum auf die Un- zulänglichkeit der meisten früheren Angaben über Variabilität, Anpassung, Erblichkeit usw. bei Bakterien hinzuweisen. Garbowski arbeitet nicht mit Einzellkulturen, sondern mit Massen- aussaat. Er untersucht rein statistisch die Dimensionen der Sporen, das Verhalten zum Sauerstoff, die Säurebildung, den Entwicklungsgang unter dem Einfluß äußerer Bedingungen (Temperatur, Nährboden usw.) und besonders unter der Einwirkung abschwächender Agenzien (Kaliumbichromat, Phenol, Kupfersulfat), bei Bacillus luteus und Bacillus tumescens. Da die etwas unübersichtliche Untersuchung nicht von klaren vererbungstheoretischen Gesichtspunkten aus geleitet wurde, seien hier nur die allgemeinen Ergebnisse mitgeteilt. Die chemischen und physikalischen Abschwächungsfaktoren ver- zögerten die Sporenbildung, verminderten die Zahl der sporenbildenden Individuen, verkleinerten die Größe der Sporen, beeinträchtigten oder be- beschleunigten die Teilung der vegetativen Individuen, setzten die Säure- bildung herab und näherten die Minima und Maxima der Sauerstoffpressung. Ziemlich ausführliches Literaturverzeichnis. Miehe - Leipzig. Massini, R. Über einen in biologischer Beziehung interessanten Kolistamm (Bacterium coli mutabile). Arch, f. Hygiene. 61, 1907. p. 250—292. Burk, A. Mutation bei einem der Koligruppe verwandten Bakterium. ibid. 65 1908. p. 235 —242. Massini beobachtete, wie innerhalb gewisser Kolonien eines (übrigens nicht sehr genau beschriebenen) Kolistammes auf fuchsinmilchzucker- haltigem Agar (und zwar nur auf diesem) kleine rote Knötchen in großer Zahl auftraten. Diese bestanden aus Bakterien, welche, wie versichert wird, in allen Eigenschaften dem ursprünglichen Kolistamm glichen, mit Ausnahme einer starken Gärwirkung in Milchzuckeragar, in welchem die ursprüngliche weiße Abart nur kleine Bläschen bildete. Massini ist nun der Ansicht, daß die neue Koliférm durch Mutation aus der gewöhnlichen 1) Beijerinck, M. W. Anhäufungsversuche mit Ureumbakterien. Zentralbl. f, Bakt. usw. II. Abt., Bd. 7, S. 45. 1901. Referate. 263 entstanden sei. Er ist sich des naheliegenden Einwandes bewußt, daß Misch- kulturen vorliegen könnten und bemüht sich, mit den üblichen Methoden der Reinzüchtung diesen Einwand zu entkräften. Da aber bei einer prinzipiell so wichtigen Untersuchung Kulturen, die von einer einzigen mikroskopisch isolierten Zelle ausgehen, ein unbedingtes Erfordernis sind (das übrigens nicht einmal diskutiert ist), so müssen wir einstweilen noch die Entscheidung über die mitgeteilten Tatsachen der Zukunft überlassen. Erwähnt sei noch, daß die Züchtung roter Kolonien aus weißen oft und sicher gelang, das umgekehrte jedoch nur in einem Falle. Burk hat ganz anlaloge Kolonien auf demselben Nährboden gesehen, und zwar auch bei bakteriologischer Analyse von Fäzes. Seine Angaben stimmen ganz mit denjenigen Massinis überein, nur vermochte er nie aus den Knöpfchenkolonien die gewöhnliche Koliform zu züchten. Auch Burk zweifelt nicht an der Reinheit seiner Kultur und schließt sich dementsprechend der Massinischen Deutung an. Wir müssen jedoch auch hier die Möglichkeit, daß es sich um eine fremde, außerorordentlich fest am Kolibakterium haftende, durch starke Milchzuckergärung ausgezeichnete Form handelt, noch offen lassen. Diese entwickelt sich natürlich nur dann, wenn ein Milchzucker- agar geboten wird, bleibt aber auf anderen Nährböden unterdrückt. - M ie he- Leipzig. Bower, F. O., The Origin of a Land Flora. London 1908, Macmillan and Co. 8772725. In diesem Buch faßt Bower seine langjährigen Studien über die Pteridophyten zusammen. Es liegt seiner Darstellung die hypothetische Anschauung zugrunde, daß bei den Pteridophyten die für eine Pflanze beim Übergang vom Wasserleben zum Lande erforderlichen Wandlungen an den Gegensatz zwischen den beiden alternierenden Generationen anknüpfen. Als eine Phase, die sich zwischen Chromosom-Verdoppelung und Reduktion in den primitiven Lebenszyklus einschob, war der Sporophyt entstanden. Wechselte er nun mit dem Gametophyten regelmäßig ab, so bot der Wechsel zwischen trocken und feucht für diese Alternanz eine biologisch günstige und bedeutungsvolle Bedingung. Denn das Verhältnis der beiden Gene- rationen konnte sich vorteilhaft verschieben: die Beschränktheit des aquatischen Gametophyten ließ sich durch die aufsteigende Entwicklung des Sporophyten kompensieren. Der Sporophyt wurde nach und nach selb- ständig. Bower denkt ihn entstanden durch zunehmende Sterilisation potentiell sporogener Zellen und Gewebe. Wenn die biologischen Umstände Vermehrung der Sporen forderten und diese an entsprechende Vergrößerung der vegetativen Sphäre gebunden war, so mußte eine Zunahme des Sporo- phyten notwendigerweise erfolgen. Dabei war innere und äußere Kompli- zierung unvermeidlich. Um wirksam ernährt zu werden, lokalisierte sich die Sporenbildung anf getrennte Sporangien; besondere Organanhänge wurden deren Träger und Ernährer. So erscheint als einfachste Form des höheren Sporophyten der „Strobilus‘: eine Achse, welche (gleichartige) Sporen und „Sporangiophore“ oder ,,Sporophylle‘‘ hervorbringt. Diese Anschauung erblickt die primitivste Form des Pteridophyten dem- zufolge in dem Lycopodien-Typus. Es ist ein strobiloider Körper, der die Sporangien noch dicht der Achse genähert in bestimmter Zahl und Lagerung hervorbringt. Vermehrung oder Verminderung der Sporangien durch Septation und Einschiebung — bzw. durch Verschmelzung und Abort — führen zu den komplizierteren Gestaltungen hinauf. Progression erfahren 264 Referate. auch die Anhänge des Strobilus, das-Sporangiophor und das Sporophyll; sie scheinen polyphyletischen Ursprungs, aber jedenfalls phyletisch jünger zu sein als die Achse. Das gilt also auch für das echte „Blatt“; auch die „Blätter“ der Pteridophyten mögen verschiedenen Ursprungs sein, nur glaubt Verf. darin alle ähnlich, daß die rein vegetativen von sterilisierten Sporophyllen herzuleiten seien. 4 Diese Auffassung von Entstehung und Progression des. Sporophyten bei den Pteridophyten begegnet zweifellos manchen Schwierigkeiten, viele Argumente stehen auf schwachen Füßen, und auf allgemeine Zustimmung wird Bowers Hypothese vorläufig kaum rechnen dürfen. Verf. will auch nicht mehr dafür beanspruchen als Gleichberechtigung mit andersgearteten Hypothesen. Zu ihrer Stützung gibt er im zweiten Teil (S. 255—657) eine kritische Übersicht sämtlicher Pteridophytenstämme und beleuchtet dabei in scharfsinniger Weise eine Fülle von bekannten und neuen Tatsachen aus der Entwicklungs- geschichte, der Morphologie und Anatomie, sowie aus der Paläobotanik. Es sind dies höchst lehrreiche Kapitel; sie enthalten auch viel allgemein Bedeutungsvolles und geben in dieser Hinsicht zahlreiche Ergänzungen zu dem allgemeinen Abschnitt (I. Teil S. 1—254). Methode und Anschauung des Verf. schlagen sich kondensiert nieder in seinen phylogenetischen Schlußergebnissen. Der Sporophyt zeigt den einfachsten Bau (einfache Sporangien) bei den Zycopodiales, wo ein Gewächs wie Z. Selago dem anzunehmenden Grundtypus noch am nächsten kommt. Schärfere Trennung von steriler und fertiler Sphäre beginnt dann mit Abort von Sporangien in der unteren Hälfte der Achse. Zugleich werden die Sporangien besser geschützt; Vervollkommnung des Leitsystems und der Embryoentwicklung stellen aufwärts führende Tendenzen dar. Die ligulaten Lycopodien stehen durch Heterosporie höher, zeigen sonst aber entsprechende Progressionen. Als Sporangiophore Pteridophyten gehören zusammen Zgwisetales, Sphenophyllales und Psilotaceae. Ihr Hauptcharakter ist das Sporangiophor, das dem Hochblatt vielleicht phyletisch nicht homolog ist. Quirlige Blatt- stellung, welche den primitivsten Pteridophyten wahrscheinlich allgemein zukam, scheint von sekundärer Bedeutung; deshalb kann man Zszlotum anschließen. Wichtig aber ist die Neigung von Blatt und Sporangiophor, sich zu spalten. So ergibt sich die phyletische Verwandtschaft von Spheno- phyllales und Equisetales als zweifellos recht nahe; nur durch die sekundären Abwandlungen in Zahl und Verhältnis der Anhänge und ihrer Verzweigung, sowie in Änderungen des ursprünglich protostelischen Baues der Achse kommen die Verschiedenheiten zustande. Eine Sonderstellung gibt Verf. den Ophioglossales. Er hält sie nicht für nähere Verwandte der großblättrigen Farne, sondern leitet sie von sporangio- phorischen Ahnen ab. Der ganze Sproß wäre ein einfacher Strobilus mit (potentiell sämtlich fertilen) Blättern, welche durch Verzweigung und Spaltung große Kompliziertheit erreichen. Sehr vereinsamt stehen die /7//ca/es: sie bilden den am meisten ab- weichenden Stamm der homosporen Pteridophyten. Ihre Blätter sind amplifiziert wie bei manchen anderen Pteridophyten, aber dieser Vorgang ist nur analog zu jener Amplifikation, phyletisch ganz verschieden davon und außerdem zur höherer Stufe hinauf gelangt. Die Sori entsprechen Sporangiophoren; bei Vergrößerung des Laubes vermehren sie sich an Zahl. Verzweigungen des Laubes nach Art der Spaltung der Sphenophyllales spielen eine große Rolle; sie gaben den echten Farnen ihren hochstehenden Blattbau. Die Leptosporangiaten dürften jünger sein als die Eusporangiaten, was auch Referate. 205 paläobotanisch bestätigt wird, indem ihr Vorkommen im Paläozoium zweifelhaft ist, während die Eusporangiaten in jenen alten Perioden wohl den leitenden Typus der Farnkräuter darstellten. Die phyletischen Haupt- zweige der Leptosporangiaten scheinen angedeutet durch die Art der Sporangienbildung im Sorus: ob simultan (Szmplices), ob basipetal (Gradatae) oder ob beides zugleich (‚Mixtae). Doch ist auch Verf. von der vorläufigen Unvollkommenheit dieser spezielleren Farnsystematik überzeugt. Bowers Buch ist seit längerer Zeit wieder einmal ein tiefgründiger Versuch, die dunklen Beziehungen der Pteridophyten nach allen Seiten zu erleuchten und alles, was bis heute an Daten ermittelt ist, zu einem ein- heitlichen Ganzen kritisch zusammenzufügen. Der Hauptgewinn, den es bringt, ist sozusagen ideellen Wesens, und davon wird jeder viel Nutzen und Freude haben, auch wer an die Wirklichkeit des Bowerschen Hypothesen- gebäudes nicht glauben mag. Diels: Zederbauer, E. Variationsrizhtungen der Nadelhölzer. Sitzb. Akad. Wiss, Wien, math.-naturw. Kl. I. 116 1907. Heft 10. S. 1927 —ı963. Verf. stellt an der Hand von Beißners Handbuch der Nadelholzkunde, Gordons The pinetum und eigenen Untersuchungen die zahlreichen Variationen der Koniferenarten zusammen, soweit sie sich auf die vegetativen Teile beziehen. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, daß die große Mannigfaltigkeit dieser Variationen sich auf 14 Typen zurückführen läßt. Diese kommen einmal allen Familien gemeinsam zu (variegata, glauca); andere (pyramidalis, pendula, nana, aurea) fehlen nur den Araucariaceen, wieder andere sind auf einzelne Familien (iniertexta, crispa die Cupresseen; virgata, nudicaulis die Abietineen) oder mehrere Familien (frostata, filiformis, squarrosa, argentea) beschränkt. Es ‚ergibt sich dabei die interessante Tatsache, daß ,, e ähnlicher zwei Familien oder Gattungen einander sind, sie, desto mehr gemeinsame oder parallele Variationsrichtungen haben“. — Ähnliche Verhältnisse, wie bei den soeben besprochenen Variationen der vegetativen Teile, die haupt- sächlich als solche spontaner und erblicher Natur anzusehen sind, ließen sich auch bei den reproduktiven Teilen feststellen, bei welchen es sich allerdings meist um fluktuierende Variabilität handelt. Rote und grüne Zapfen finden sich bei zahlreichen Abietineen, die Zapfen der //nws-Arten aus der Gruppe Pinaster variieren, was Länge, Breite, Gestalt der Apophysen, Samengröße usw. betrifft, gleichsinnig usw. Auch bei Vergleichung der Variationen von dikotylen Bäumen mit denjenigen der vegetativen Teile der Koniferen' ergeben sich verschiedene Parallelen. Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchungen somit zu den Sätzen: „Gleiche oder parallele fluk- tuierende Variationen finden sich bei Organen von ähnlicher Beschaffenheit und Gestalt“ und ‚die Variabilität ist eine Eigenschaft der Organismen, wie die Wachstums- und die Fortpflanzungsfähigkeit. Wie diese bei ähn- lichen Arten, Gattungen und Familien ähnlich sind, so auch die Variabilität‘. Daraus ergibt sich, „daß die Beschaffenheit des Organismus der wichtigste Faktor bei Abänderungen ist‘‘ und weniger Wert auf den direkten und bestimmten Einfluß der Lebensbedingungen zu legen ist. Es wäre nach Ansicht des Ref., besonders in Hinsicht auf den letzten Punkt, zweifellos von Interesse, wenn ähnliche Zusammenstellungen von Variationen auch in anderen größeren Verwandtschaftskreisen angestellt würden. E. Lehmann 266 Referate. Cramer, P. J. S. Kritische Übersieht der bekannten Fälle von Knospen- variation. Natuurk. Verhandel. van de Hollandsche Mattschappij der Wetensch. 3. Verzameling, Deel 6, 3. Stuk. 49, XVIII+474S. Haarlem 1907 (De Erven Loosjes). Uber Knospenvariationen im weitesten Sinne des Wortes existiert eine geradezu beängstigend große Anzahl von kleinen und kleinsten Mitteilungen, die vor allem in zahlreichen gärtnerischen Zeitschriften veröffentlicht, oder vielmehr begraben sind. Sehr viele dieser kleinen Notizen sind freilich völlig wertlos, es ist aus der Beschreibung nicht zu erkennen, was der betreffende Autor wohl gesehen haben mag, aber trotzdem steckt in dieser Literatur eine Fülle von Anregung und vor allem auch eine Fülle von Hinweisen auf Objekte, mit denen man bestimmte Fragen experimentell anfassen könnte. Die vorliegende Arbeit stellt diese ganze Literatur übersichtlich und kritisch zusammen, und zwar in wohl nahezu erschöpfender Weise. Ref. war selbst schon seit einigen Jahren dabei, diese Literatur allmählich zusammen- zubringen, er hat keine der ihm schon bekannten Publikationen in dem Buche Cramers vermißt, wohl aber eine lange Reihe wichtiger, ihm bisher gänzlich unbekannt gebliebener Zitate darin gefunden. Die Zusammenstellung ist im Dezember 1904 abgeschlossen, später erschienene Literatur ist nicht mehr berücksichtigt. Das ist aber kein großer Nachteil, da ja gerade die ältere Literatur bisher so unzugänglich war, Im einzelnen eine Übersicht über den Inhalt zu geben, ist im Referat nicht möglich. Wer selbst auf dem Gebiete der Vererbungslehre mit Pflanzen arbeitet, wird das Buch im Orginal einsehen müssen und wird es dann auch wohl noch häufig als Nachschlagewerk benützen. Die theoretischen Ansichten des Verfassers, die vielfach für die Kritik und auch für die Gruppierung des Inhalts maßgebend waren, sind heute, vier Jahre nach dem Abschluß des Manuskriptes zum Teil wohl sicher überholt zum andern Teil wird mancher vielfach anderer Ansichten sein, aber es sind ja nicht diese theoretischen Vorstellungen, die den Wert des Buches ausmachen. Baur. Magnus W. u. Friedenthal, H. Ein experimenteller Nachweis natürlicher Verwandtschaft bei Pflanzen. Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellschaft. 24 1906. S. 601. — — Über die Spezifizität der Verwandtschaftsreaktion der Pflanzen. Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellschaft. 25 1907. S. 242. — — Uber die Artspezifizität der Pflanzenzelle. Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellschaft. 25 1907. S. 337. Der von Zoologen schon lange beschrittene Weg, Präzipitinreaktionen zu Untersuchungen über die phylogenetische Verwandtschaft zu benutzen, ist von Botanikern bisher sehr wenig begangen worden. Die Verfasser der vorliegenden Mitteilungen haben entsprechende Versuche in größerem Umfange nun auch mit Pflanzen ausgeführt. Ebenso wie durch tierische, wird danach auch durch pflanzliche Säfte (Preßsaft aus verschiedenen Organen) im Serum der Versuchstiere die Bildung von spezifischen Präzipitinen ausgelöst. Serum eines Versuchstieres, dem Trüffelpreßsaft in die Blutbahn injiziert worden war, enthält weiterhin ein Präzipitin, welches mit Trüffel- preßsaft einen Niederschlag gibt. Die Präzipitine, die im Serum von Versuchstieren entstehen, denen tierische Säfte injiziert worden waren, sind bekanntlich streng „spezifisch“, wirken nur präzipitierend auf gewisse Referate. 267 Eiweißkörper ein, die im Gewebesaft gerade der Tierart enthalten sind, von welcher die Injektionsflüssigkeit stammt. Das gleiche Verhalten haben die Verfasser auch für pflanzliche Säfte und die entsprechenden Präzipitine feststellen können. Serum, das ein Präzipitin gegen Trüffelsaft enthält, wirkt nicht präzipitierend auf Erbsensaft usw. Bei Tieren weiß man nun, daß diese letztgenannte Spezifizität begrenzt ist; Präzipitine wirken außer gegen die Zellsäfte der einen Tierart, gegen welche sie gebildet sind, auch fällend auf Zellsaft von anderen Tierarten, die mit dieser ersteren Tierart verwandt sind. Man kann dementsprechend, mit Vorsicht allerdings, aus der Serumreaktion einen Rückschluß auf den Grad der Verwandtschaft zweier Arten ziehen. Für Pflanzen zeigen die Verfasser nun auf diese Weise, daß „serologisch‘ eine Verwandtschaft zwischen Piswm sativum und Vicia sativa zu erkennen ist, während Piswm sativum und Lupinus luteus bei der gleichen Versuchs- ausstellung keine Verwandtschaftsreaktion mehr zeigen. In ganz entsprechender Weise zeigt sich serologisch, daß z. B. Zriticum sativum näher verwandt ist mit Secale cerale, Hordeum sativum und Elymus arenarius als mit Zolium perenne und Avena sativa. Es wird Aufgabe weiterer systematischer Untersuchungen sein, fest- zustellen, ob diese Methode zur Lösung phylogenetischer Streitfragen in der Botanik mit herangezogen werden kann. Baur. Smith, Essie Alma. Development and Variation of Pentremites conoideus. Ann. Rep. Geol. Indiana. 30. 1906. p. I219—1242, pls. 43 —47. Miss Smiths paper, included in a „Report on the Salem Limestone of Indiana“ by E.R. Cumings and others, though published as the close of 1906, deserves notice as the first attempt to apply biometric methods to blastoids. Indeed few fossils of any kind have been treated in this elaborate manner, for the specimens studied were more than 5,700, of which 4,700 all came from one locality. Actual measurements were made of 735 specimens. We are here confined to discussion of the phylogenetic results inferred from the observed ontogeny. The number of ,,poral pieces‘ fi. e., outer side-plates] in each individual was taken as the criterion of its age. The smallest specimens (0.82 mm. long) had no side-plates, for the origins of the subvective grooves were only just adumbrated by an in- dentation on the upper rim of each radial. The deltoids were not preserved; but radially placed in the thecal cavity were five small reniform bodies, which Miss Smith regards as the beginnings of the hydrospires [those, however, are interradial structures: are these not lancet-plates ?]. Hambach has asserted that the embryonic base consists of 5 plates, but in these minute specimens Miss Smith detects only the usual 3 basals. In the following stages the subvective skeleton develops: the sinus grows downwards [or rather the sides of the radials grow upwards] and the side-plates are always formed at its lower end. When 7 or 8 side-plates have developed, the deltoids begin to show externally. There is a gradual change in shape, from the flat-topped young with long tapering bases and short subvective grooves, to the conoidal dome of the old form with flat or concave base and long subvective grooves. Thus the young Pentremites closely resembles Codaster in shape, and another similarity obtains in the oblique position of the side-plates [Miss Smith unfortunately does not trouble to distinguish between inner and outer side-plates, so that one cannot estimate the extent of this similarity]. Thus is indicated the conclusion that ,,Codaster may 208 Referate. be the ancestor of Pentremites, or Codaster and Pentremites may have des- cended from a common ancestor“. [This confirms in a very interesting manner the conclusion expressed by the reviewer in 1900 (Treatise on Zoology, Echinoderma, p. 82—86); but in his opinion Pentremites represents the extreme link in the series: Codaster, Phaenoschisma, Cryptoschisma, Oro- phocrinus, Pentremitidea, Pentremites). F. A. Bather. Woodward, H., On some Coal-measure Crustaceans with Modern Represen- tatives. Geological Magazine Dec. V. vol. 5, S. 385. 1908. Schon seit über zehn Jahren kennt man durch Thomson und Calman aus Bergseen Tasmaniens (in ca. 1200 m Höhe) einen Krebs, Anaspides, der eine auffallende Ähnlichkeit mit gewissen fossilen Süßwasserformen aus Karbon und Perm aufweist, wie Gampsonyx, Acanthotelson, Palaeocaris. Alle diese Formen gleichen habituell den Amphipoden, besonders durch den kurzen Cephalothorax, besitzen aber die Spaltfüße und andere Kennzeichen der Schizopoden. Es ist daher geboten, ihnen wegen ihres hohen geologischen Alters eine Sonderstellung neben jenen beiden Ordnungen anzuweisen (Syncarida oder Anaspidacea). Woodward beschreibt nun einen neuen Fund aus der Kohlenformation von Derbyshire, den er Pracanaspides praecursor nennt. Das Bemerkenswerte daran ist die weitgehende, iiberraschende Ubereinstimmung mit dem lebenden Anaspides. Diese erstreckt sich, so weit es das gut aber doch nicht ganz vollständig erhaltene Material zu sehen erlaubt, auf die gesamte Organisation. Als einzige Unterschiede verzeichnen wir die geringere Größe, den längeren Kopf, die etwas stärkeren Antennen und die nicht einfachen, sondern gespaltenen fünf Abdominalanhänge. Bei diesen geringfügigen Unterschieden erscheint die Bezeichnung Pracanaspides durch- aus gerechtfertigt. Woodward erscheint es auffallend, daß die lebenden Vertreter einer so alten Gruppe heute nicht eine weltweite Verbreitung besitzen, wie das doch für andere persistente Typen z. B. Zimulus zutrifft. Dem gegenüber ist aber daran zu erinnern, daß viele persistente Süßwasserbewohner heute eine lokal beschränkte Verbreitung aufweisen, ein Ceratodus, Lepidosiren, Protopterus, Polypterus, Amia usw. Diese Erscheinung erklärt sich leicht durch die Annahme, daß solche Tiere, die frühzeitig aus dem Meere ins Süßwasser gewandert sind, den umbildenden Einflüssen mehr entzogen blieben als ihre Verwandten, die im Meere zurückblieben. Mit einem der- artigen Aufenthalte geht aber eine geringe Verbreitung naturgemäß Hand in Hand. Steinmann. Neue Literatur. Zusammengestellt von E. Baur-Berlin, W..Schleip-Freiburg, 0. Wilckens- Bonn. I. Arbeiten allgemeineren Inhaltes (Baur, Schleip, Wilckens). 1. Theoretisches jüber Artbildung und über Vererbung. Lehrbücher Zusammenifassende Darstellungen. Sammelreferate. Arthur, J. C. The physiologic aspect of the species question. The amer, Naturalist. 42 1908. S. 243—248. Bacearini, P. Intorno a una nuova ipotesi di evoluzione a rovescio. Nuovo Gjorn. Bot. Ital. 14 1907. S. 608—645. Baur, E. Neuere Untersuchungen über Atavismus bei Bastarden. Medi- zinische Klinik. 6 1908. S. 1I98—1202, Bessey, E. Ch. The taxonomic aspect of the species question. 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Geheftet 4 Mk. 50 Pig. Die Bestimmung und Vererbung des Geschlechtes nach neuen Untersuchungen mit höheren Pflanzen . von Professor Dr. C. Correns. Mit neun Textabbildungen. Geheftet 1 Mk. 50 Pfg. Über FE rogenesats Vortrag gehalten in der gemeinschaftliche n Sitzung der natur- wissenschaftlichen und der medizinischen Hauptgruppe der Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Meran am 27, September 1905 von Prof. Dr. C. Correns. Mit vier zum Teil farbigen. Abbildungen. Preis kartonniert 1 Mk. 50 Pfg. Ausführliche Prospekte gratis und franko. Zeitschrift für induktive ‘Abstammungs- und Vererbungshre. A Ba a Inhalt Rey Abhandiunpen a z a Seite Toyama, K. A Sport of the Silk-Worm, ees Mori L, and its, Hereditary Behavior . ..... - \ er . 179 v. Wettstein, R. Über zwei Leimerkenswerie Mutationen? Bets europa- _ ischen Alpenpflanzen Ben, en) Porsch, O. Die Be enilheprefische Bedeutung er anehaier Bliiten- se ; variationen und kor¥élativer Abänderung für die Orchideenflora. ‚Süd- — 2 vr brasiliens. Ein Beitrag zum Problem der ee Vor eeteRaen 195 Kleinere Mitteilungen RF En "Handlirsch, A. Zur Palaeontologie und Bhyloeeue der EN Re = Hilzheimer, 2 M. Versammlung der Deutschen es Gesellschaft AR Rn in Stuttgart 1908 . er a hg ad tanen tee Be Pe cs Referate ; 7 kin ; ; Gat Cracken, J FA | Oceurence of a Sport in’ Metasenia (Li its Behavior in . eredity. Plate, L., Die Variabilität u nach dem Prinzip geographischer Formenketten be schmecken Gr Bahama-Iuseln. Castle, W. E., Color of other Rodents; their Origin and In E., 2 < ch. lie Fand Unterhefe. Barber, M. A., ©: ain Big s. . Garbowski, L., Uber SEE ng u Ss ‚um 2 BEN un ni Zede: aa PMetepeonscishtangen der Nädelhölzer eee ersicht er bekannten Falle von Knospenvar ation. L ( H , Ein experimenteller Nachweis — natürliche Sr u Piknien, — —- Über die Spezifizität der Verwa an u) a, —_— Über die Aue „De i? ie eee sen we du re Abstammungs- BER Ver e a zwang Heften, von denen vier bis fü ckbogeı bilden Der Preis des Bandes betr te, zu au) Desstarite Bacher u ER A alle: geschäftlichen m Mitte Le Borntraeger i in B | Br Mitteilungen ein ‚ Literaturlisten Von ‚den Abkandiüngen ‚werden den Klaren 50 Separate weitere Exemplare gegen Berechnung geliefert. ‘ ini Großbeerenstraße 93% erhalten für Ar upd eo onorar von 32 Mk., BAND | HEFT 4 : MARZ 1909 ZEITSCHRIFT INDUKTIVE ABSTAMMUNGS- N ern VERERBUNGSLEHRE I HERAUSGEGEBEN VON gi C. CORRENS asırzıc), V. HAECKER (stutteart), G. STEINMANN (sonn), R. v. WETTSTEIN (WIEN) REDIGIERT VON E. BAUR (eatin) : a E> > u er Pr + ; » 12 br a % ar eu er r= dn e 6 BERLIN VERLAG VON GEBRÜDER BORNTRAEGER sw m GROSSBEERENSTRASSE 9 % 1909 » Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin SW 11 Großbeerenstraße 9 Leitfossilien. Ein Hiltsbuch bei der geologischen Arbeit in der oe 5 Sammlung und im Felde von Professor Dr. 6. Giirich. oy i ‘Erste Lieferung: Kambrium und Silur. Text: Bogen 1 bis 8 Hit und Tafel 1 bis 28. Großlexikonoktavformat. Subskrip Ä tionspreis: 14 Mk. 80 Pf. ! Se Unter dem Titel „Leitfossilien“ sind in den letzten Jahren eg EL Dee „ mehrere deutsche Bücher erschienen, die mehr oder minder nur Abrisse ae ae der Paläontologie sind. Damit soll das vorliegende Werk nicht re oe 27. werden. Nur ein Buch gibt es, das das paläontologische Material im. | geologischer Anordnung behandelt: Koken’s Leitfossilien,; es ‘ist ‚ein Hand- buch. für den Unterricht, BEN für den Lehrer wie für den Schuler eee ten, oe ee ‚der Formen ca das ee ee Bases es mee ie, aie Ala ; + Bai des Safe hat. es 5 Usher nicht ge age 7 m Ar ist Be img Werk Pee ras Sp an 1 Universität und. technischen Hochschulen bestimmt; aber auch. jeder a an hak Hand der Aare des u shes die Lorne l ee vn ; be aint en, a ap “alle. ahs re ungefähr u Tif u By) owe in sir Zeige erscheinen werden. y ar vorerg ent NE BER APR 8 1903 Vererbungsversuche mit blass(gelb)grünen und buntblättrigen Sippenbei Mirabilis Jalapa, Urtica pilulifera und Lunaria annua. Von €. Correns, Leipzigt). Seit acht Jahren habe ich auf die Vererbungserscheinungen bei Sippen geachtet, die in ihrem Chlorophyligehalt irgendwie vom Typus abwichen. Die meisten Beobachtungen wurden an Mirabilis Falapa- Sippen angestellt, zwei andere Objekte, Urtica pilulifera und Lunaria annua, sind am Schlusse dieser Mitteilung wenigstens kurz erwähnt. Mirabilis Falapa ist in mancher Hinsicht ein sehr ungünstiges Versuchsobjekt. Jede gelungene Bestäubung gibt nur eine einsamige Frucht; dazu kommt die relativ geringe Zahl von Früchten, die man bestenfalls von einer Pflanze erhält, besonders im Jahre der Aus- saat, und der große Raum, den man zur Aufzucht der Sämlinge nötig hat2). Die Herstellung und Heranzucht einiger Dutzend Mirabilis- Bastarde macht mehr Mühe und braucht mehr Platz, als die von vielen hundert Sämlingen in anderen Gattungen. So sind die Ver- suche nur außerordentlich langsam vorgeschritten. Dazu hat freilich auch beigetragen, daß mein Augenmerk in erster Linie auf die Ver- erbung der Blütenfarben gerichtet war, die hier nur gelegentlich zum Vergleiche herangezogen werden sollen. So geben auch heute, wo ich diesen Bericht zusammenstelle, die Versuche nur ein Bild, das noch in vielen Punkten der weiteren Ausführung bedarf. Da sich 1) Die gleichzeitige Veröffentlichung dieser Arbeit mit der folgenden Abhandlung E. Baurs beruht auf gegenseitiger Verabredung, doch hat keiner von dem Inhalt der Arbeit des andern Kenntnis gehabt. 2) Ohne die Unterstützungen, die ich erst von der Albrechtstiftung der Universität, dann von der kgl. sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften erhielt, wäre es mir nicht möglich gewesen, meine Versuche mit Mirabilis-Sippen durchzuführen. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre, I. 19 LIBRAKY NEW YORE BOTANICAL GARDEN. 292 Correns. aber das Interesse auch für Gelb- und Buntblättrigkeit regt — ich verweise auf die wichtigen Arbeiten E. Baurs!) und Johannsens?) —, halte ich es für besser, damit hervorzutreten. E. Baur hebt wiederholt hervor, daß sich gewiß die verschiedenen als ,,gelbblattrig und „buntblättrig‘“ bezeichneten Sippen, in ver- schiedenen Verwandtschaftskreisen und auch im selben Kreis, nach ihren Vererbungserscheinungen unterscheiden würden. Unsere Er- gebnisse liefern einen guten Beleg für die Richtigkeit dieses Satzes: Die fünf im folgenden studierten Eigenschaften gehören zu vier ver- schiedenen Typen. Aus demselben Grunde verzichte ich auch auf eine Zusammenstellung und Besprechung der Literatur über Gelb- und Buntblättrigkeit überhaupt®), die doch nur zum geringsten Teil den kritischen Ansprüchen von heute genügt und erst jüngst von P. J. S. Cramer zusammengestellt wurde’). Außer den schon genannten Abhandlungen Baurs und Johannsens seien noch die De Vries’#) und Beyerincks®) hervorgehoben und Shulls*) Beobachtungen über Vererbung von ,,budsports‘‘ bei Oenothera. Auch auf E. Panta- nellis’) morphologische, und physiologische Studien sei hier hin- gewiesen. Soweit für unsere Objekte Literatur vorlag, ist sie natürlich zitiert. 1) Baur, E., Untersuchungen über die Erblichkeitsverhältnisse einer nur in Bastardform lebensfähigen Sippe von Antirrhinum majus, Berichte d. Deutsch. Botan. Gesellsch. Bd. XXV (1907), S. 442 und: Die Aurea-Sippen von Antirrhinum majus, Diese Zeitschrift Heft 1, 2 (1908) S. 124. 2) Johannsen, W., Uber Knospenmutation bei Phaseolus, diese Zeitschrift, Heft 1, 2 (1908) S. 1. 3) Cramer, P. J. S., Kritische Übersicht der bekannten Fälle von Knospen- variation (Natuurkund. Verhandel. v. d. Holland. Maatsch. d. Wetensch. Derde Ver- zameling, Deel VI, Derde Stuk, 1907); dort sind die Beobachtungen und Anschauungen De Vries’ vollständig zitiert. Vgl. auch die Einleitung zu der Arbeit Porschs, diese Zeitschrift Heft 1, 2 S. 69. 4) De Vries, Mutationstheorie, Bd. I S. 597 u. f. und an anderen Stellen, vor allem Bd. II S. 355 u. f. 5) Beyerinck, M. W., Chlorella variegata, ein bunter Mikrobe, Recueil d. Trav. Botan. Néerland. Vol. 1 p. 14. 6) Mac Dougal, D. T., Vail, A. M., Shull, G. H., Mutations, Variations and Relationships of the Oenotheras. Carneg. Jnst. of Washingt., Publ. No 81, p. 59 (1907). : 7) Pantanelli, E., Studii sul’ albinismo nel regno vegetale, I—V, Malpighia, Bd. XV(1902)—XIX(1905) und: Uber Albinismus im Pflanzenreich, Zeitschr. f. Pflanzen- krankh., Bd. XV (1905). Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen. 293 I. Mirabilis Jalapa. A. Die chlorina-Sippen. Untersucht man eine größere Anzahl Mirabilis-Pflanzen der ge- wöhnlichen, grünen Sorten, so fallen oft beträchtliche Unterschiede in der Intensität der Grünfärbung auf. Ich habe ihre Konstanz noch nicht eingehender geprüft, ein Versuch jedoch, den ich 1904 und 1905 anstellte, spricht dafür, daß sie wenigstens zu einem sehr großen Teil individueller, nicht erblicher Natur sind. 1904 wurde (Ende August) auf dem schon früher eingeschlagenen Wege!) der Chlorophyllgehalt dreier besonders auffällig verschiedener Pflanzen, einer besonders dunklen, A, einer besonders hellen, C, und einer mittleren, B (an vergleichbaren Proben), bestimmt. Sie standen auf demselben Beet, waren Enkel derselben zwei Stöcke und einmal überwintert. A verhielt sich zu B und C annähernd wie 100 zu 75 und 50; C führte also nur etwa halb soviel Chlorophyll als A, B stand in der Mitte. Dabei hatte die Lösung von B und besonders die von C gegen- über der von A einen deutlichen Stich ins Gelbe, der die Vergleichung etwas erschwerte. Von allen drei Pflanzen wurde 1905 eine durch Selbstbestäubung entstandene Nachkommenschaft nebeneinander unter möglichst gleichen Bedingungen aufgezogen — von A 18, von B 22 und von C 17 Pflanzen. Die Felder A und B konnten aber gar nicht unterschieden werden, das Feld C war zwar etwas heller, aber lange nicht in dem Maße, wie die Pflanze C gegenüber den Pflanzen A und B. Neben diesen oft ganz auffallenden aber jedenfalls also nur zum Teil erblich fixierten Schwankungen um einen Mittelwert herum, der als ,,typisches‘‘ oder ,,normales‘‘ Grün bezeichnet werden mag, kommen nun noch Pflanzen mit viel geringerem Chlorophyllgehalt vor. Sie gehören zu konstanten Sippen, die im folgenden den Namen chlorina führen sollen. Früher?) habe ich sie als aurea-Sippen bezeichnet, weil sie in der Literatur unter diesem Namen gehen). 1) Über die dominierenden Merkmale der Bastarde, Berichte d. Deutsch. Botan. Gesellsch., Bd. XXI (1903) p. 140. Ich habe nun auch den Hoppe-Seilerschen Colorimeter mit dem Albrechtschen Glaswürfel zur Kontrolle verwenden können (dank dem freundlichen Entgegenkommen meines Kollegen Prof. Dr. Siegfried ohne abweichende Resultate zu erhalten. 2) Über Bastardierungsversuche mit Mirabilis-Sippen, Berichte der Deutschen Botan. Gesellsch. Bd. XX (1902) p. 598. 3) De Vries, Mutationstheorie, Bd. I p. 601. Die „Tom Thumt‘-Sorten des. Handels gehören zum Teil hierher, zum Teil werden variegata-Sippen darunter ver- standen. 19* 294 Correns. Ich möchte aber jetzt den aurea-Namen auf jene Sorten beschränken, bei denen der alkoholische Blattauszug gegenüber dem der typischen Sorten relativ viel mehr Xanthophyll und Carotin enthält!), während bei den Sorten, die ich jetzt cA/orina nennen will, die Quantität des Chlorophylls und des Xanthophylls sowie der Carotine abgenommen hat, ohne sehr auffällige Verschiebung im Verhältnis der grünen und gelben Bestandteile zueinander. Dabei wird sich nach den Farb- stoffen allein wohl nur eine künstliche Grenze zwischen c/lorina- und aurea-Sippen ziehen lassen. Eine schärfere Trennung ermöglicht viel- leicht das Verhalten bei Bastardierung mit den typisch grünen Sippen; Baurs aurea dominiert, oder hat doch einen sehr starken Einfluß auf die ,,griine‘‘ Anlage des anderen Elters; meine ch/orzna-Sippen sind rezessiv, wie wir bald sehen werden. Die alkoholische Lösung aus den c/lorina-Blättern ist bei gleicher Konzentration etwas mehr gelblichgrün; das ist aber auch bei den hellergrünen Pflanzen der typischen Sippen der Fall, wenn man sie mit dunklergrünen Pflanzen vergleicht (S. 293). Bei einer auch unter dem Namen „aurea“ im Handel gehenden c//orina-Sippe des Tropaeolum majus habe ich selbst diesen kleinen Unterschied in der Nuance nicht mehr sicher beobachten können, auch nicht mit dem Hoppe-Seiler- schen Colorimeter. Die chlorina-Pflanzen sehen ja wirklich mehr en aus, das hängt aber zum großen Teil nur von der geringeren Konzentration der Farbstoffe ab, denn auch der alkoholische Auszug aus den typisch grünen Blättern wird gelblicher grün, wenn er verdünnt wird. Bei unserer Mirabilis Falapa chlorina enthält eine gleichgroBe Blatt- fläche nur etwa 28/, 99 Dis ?°/]00 der Farbstoffmenge in den typisch grünen Blättern; bei deren starken Schwankungen muß man zum Vergleiche Blätter einer mittelstarkgrünen Pflanze oder besser ein Gemisch aus Blättern verschiedener derartiger Pflanzen extrahieren. — Fig. ı kann einen Begriff vom Unterschied zwischen einem c/lorina-Blatt (B) und einem mittleren (D) oder besonders stark grünen (C) Zypzca-Blatt geben. Was ich von c/lorina-Sippen aus dem Handel erhalten habe, hat durchgingig Zwergwuchs, d. h. im ersten Jahr werden die Biische 1) So bei der von Baur (Berichte d. Deutsch. Botan. Gesellschaft, Bd. XXV, S. 442) untersuchten aurea-Sippe von Antirrhinum majus, wo (nach Untersuchungen F. Kränzlins) ‚die Chlorophylle in wesentlich geringerer Menge vorhanden sind, als in den grünen Sippen, während die gelben Farbstoffe, Xanthophylle und Carotine. in normaler oder nur wenig verminderter Menge vorkommen“ (l. c. S. 451). Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen 295 Fig. 1. Mirabilis Jalapa. A variegata, B chlorina, C typica, besonders dunkel, D typica, mittel, E albomaculata. Je ein Blatt gleichzeitig und gleichlang auf photographischem Papier kopiert, wobei die durchgelassene Lichtmenge annähernd proportional dem Chlorophyligehalt ist. In der Figur sind hell und dunkel wieder richtig verteilt. 296 Correns. etwa 30 cm hoch, auf einem Boden, auf dem die typischen Sippen etwa 80 bis 90 cm hoch werden; im folgenden Jahr werden sie zwar höher, die Büsche der typischen Sippen aber auch!). Die Blätter und Blüten sind auch relativ kleiner. Im folgenden werde ich von nana-Sippen und dem zana-Merkmal sprechen, gegenüber den typischen (alta-)Sippen. Das chlorina-Merkmal ist aber mit dem Zwergwuchs nicht untrennbar verbunden; wie wir noch sehen werden (S. 302), läßt es sich auch mit dem hohen Wuchs der gewöhnlichen Sippen verbinden. Doch bedingt es dann eine Größenabnahme von etwa 10% oder etwas mehr; statt 90 cm werden die Büsche nur etwa 80 cm hoch. Es beruht das nach meinen Erfahrungen nicht auf dem Auf- tauchen irgend einer latenten Anlage, sondern ist eine einfache Folge des geringeren Chlorophyllgehaltes und der dadurch bedingten schwächeren Ernährung der Pflanzen. Das chlorina-Merkmal kann mit jeder Blütenfarbe kombiniert werden; die geringere Größe der Blüten ist dagegen, wie die geringere Größe der Blätter, mit dem Zwergwuchs untrennbar verbunden, alle drei Merkmale hängen gewiß korrelativ zusammen und sind durch dieselbe Anlage bedingt, nicht durch konjugierte, eigentlich verschiedene Anlagen. Die ch/orina-Sippen sind völlig konstant. Meist ist schon das aus den Samenhandlungen bezogene Saatgut rein oder so gut wie rein, wo das nicht der Fall ist, lassen sich sofort reine Linien isolieren ’). Statt besondere Versuche anzuführen, verweise ich auf Tabelle 3, 4 und 12, bei denen sich die Konstanz an der Nachkommenschaft der aus den Bastarden herausgezogenen ch/orina-Individuen schön zeigt. B. Die variegata-Sippen. Von den ch/orina-Sippen unterscheiden sich die variegata-Sippen durch ihre teilweise noch reingrünen Blätter: über den Grund, der chlorina-Färbung besitzt, sind Flecken von typischem Grün zerstreut, 1) Die Höhe, die eine Mirabilis-Sippe erreicht, ist natürlich sehr von äußeren Bedingungen abhängig; ich sehe auf meinem Versuchsfeld immer wieder dort, wo der Boden schlechter bearbeitet und gedüngt ist, die Höhe bis auf die Hälfte herabsinken. Es bleibt jedoch der relative Höhenunterschied zwischen den hochwüchsigen und den zwergigen Sippen annähernd bestehen. 2) Es genügt, Äste der Pflanzen in Gazesäcke einzuschließen. Auf diese Weise sind, soweit nichts anderes bemerkt ist, stets die durch Selbstbefruchtung entstandenen Nachkommen erzielt. Vor dem Säcken müssen selbstverständlich alle offenen Blüten, alle verblühten und alle jungen und älteren Früchte entfernt werden. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen, 297 in einer dunkleren und helleren Stufe. Zahl und Größe dieser Flecke ist sehr verschieden, zum Teil schwanken sie individuell von Blatt zu Blatt, zum Teil sind sie erblich fixiert. So gibt es varzegata-Sippen, die kaum von ch/orina zu unterscheiden sind, bei denen man nach den grünen Flecken suchen muß (ein Teil der „Zom Thrumb“‘-Sorten des Handels gehört hierher), und andere, bei denen die tiefgrünen Flecken zahlreich sind (variegata-Sorten des Handels). Natürlich ist der durch- schnittliche Chlorophyligehalt größer; ich habe ihn früher für eine der letztgenannten Sippen zu 40% (gegenüber 30% für c/lorina) bestimmt. Hier und da findet man an den varzegata-Stöcken kleinere oder größere fast oder vollkommen typisch grüne Äste. Ob sie sich zeigen oder nicht, steckt in der betreffenden Pflanze drin; ist die Disposition vorhanden, so treten sie Jahr für Jahr oder fast jedes Jahr auf, wenn auch in verschiedenem Maße; andere Pflanzen zeigten sie auch bei jahrelanger Beobachtung nie. Die starkgescheckten Sippen dürften sie häufiger bilden.- Eine Grenze zwischen einem kleinen grünen Fleck auf einem Blatt und einem ganzen grünen Ast existiert nicht, man kann alle möglichen Übergänge zusammensuchen. Hinsichtlich ihrer Höhe verhalten sich die im Handel befindlichen Sippen verschieden. Manche haben im wesentlichen die Zwergform der chlorina-Sippen, ‚„nana“-Wuchs; es sind das die „Zom Thumb‘- Sorten und dann oft schwach gefleckt. Andere haben einen merklich höheren Wuchs, etwa 50 cm Höhe, wenn die zanae 30, die altae 80 bis go cm hoch sind. Ich will sie Aumifes nennen. Hierher gehören die eigentlichen varzegata-Sorten des Handels, sie sind stärker gefleckt. Es lassen sich endlich auch, wie aus den zwergigen hochwüchsige chlorina-Sippen, aus den zwergigen und niedrigen hochwüchsige varze- gata-Sorten durch Bastardierung herstellen, die aber im Durchschnitt etwas niedriger sein dürften als die typisch grünen a//a-Sippen (S. 304), ebenso humilis chlorina-Sippen (S. 305); nana variegata-Sippen gibt es sowieso schon. Die leichte Modifizierbarkeit des Höhenmerkmales durch allerlei Einflüsse macht sich aber bei der Unterscheidung der humiles und nanae erschwerend geltend. Die variegata-Sippen sind nicht völlig konstant; in der durch Selbstbestäubung erzielten Nachkommenschaft treten, wenigstens bei den stärker gescheckten Sippen, stets einzelne reingrüne Pflanzen auf, wenn nur genug Individuen aufgezogen werden. Die grünen Exemplare sind relativ sehr viel häufiger als variegata-Exemplare mit 298 Correns, vielen grünen „Rückschlägen‘‘, so daß sie nicht als die Endglieder einer eingipfligen Variationskurve aufgefaßt werden können; sie stellen ein zweites, relativ starkes Maximum der Kurve dar!). Ein sicheres chlorina-Individuum sah ich dagegen nie darunter. Bei noch aus- gedehnteren Versuchen wird es vielleicht noch gefunden werden; sehr viel seltener als die reingrünen werden die cklorina-Pflanzen wenigstens in der Nachkommenschaft der stärker gescheckten varzegata-Sorten ganz gewiß sein. Diese reingrünen ,,Riickschlags‘‘pflanzen verhielten sich hinsicht- lich ihrer (durch Selbstbefruchtung erzielten) Nachkommenschaft ver- schieden. Die einen, wohl selteneren, gaben lauter Pflanzen, die rein grün waren (Fall 1), die anderen, wohl häufigeren, gaben teils gescheckte, teils einfach tiefgrüne Pflanzen, fast immer mehr bis viel mehr grüne als gescheckte (Fall 2). Anbei einige Belege (Tabelle ı und 2): Einmal waren von 51 Sämlingen 9 (= 18%), zweimal von 27 Sämlingen 7(=26%), einmal von 30 Sämlingen 11(=37%) ge- scheckt, zusammen von 135 Sämlingen 34(=25%)?). Die so ent- standenen variegata-Pflanzen gaben wieder einzelne normalgrüne, die normalgrünen, wohl nur zufällig, lauter normalgrüne. Die Zahlen sind ja noch recht klein, trotzdem scheint mir einstweilen die Aufstellung der zwei Typen gerechtfertigt, weil zwischen ihnen eine ausgesprochene Kluft besteht. Was endlich die Früchte anbetrifft, die auf den normalgrünen Rückschlagsästen sonst variegater Pflanzen (durch Selbstbefruchtung) entstehen, so liegt mir darüber einstweilen leider nur eine Beobachtung vor (Tabelle 1). Obschon ich solche Äste wiederholt gesäckt hatte, habe ich doch nur einmal so viel Früchte erhalten, daß sich die Aus- saat einigermaßen zu lohnen schien. Von 7 Nachkommen waren 3 gescheckt und 4 normalgriin; ein zum Vergleich gesäckter gescheckter Ast derselben Pflanze gab 8 gescheckte, keinen grünen Sämling. Danach scheint die Nachkommenschaft der grünen Äste von der der gefleckten verschieden und der der reingrünen Rückschlagspflanzen ähnlich. In Tabelle r und 2 gebe ich die zwei am weitesten geführten Versuche; für den zweiten ist zu bemerken, daß die Pflanzen des ersten Jahres (1903) aus gekauftem Saatgut stammten. Es scheint 1) Zu demselben Resultat kam schon De Vries (Mutationstheorie, Bd. I S. 498) bei seinem Antirrhinum majus striatum. 2) Ähnliche Zahlen fand auch De Vries bei seinen roten „Samenvarianten‘ des Antirrhinum majus striatum; einmal beobachtete er 100°/, rote Nachkommen (I. c. S. 503). Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblatterigen Sippen. 299 a priori wobl manchem wahrscheinlich, daß die darunter befindlichen fünf grünen Pflanzen Bastarde, ,,Vicinisten“, zwischen varzegata und einer rein grünen Sippe waren; sie stimmten aber nach Wuchs und Blütenfarbe (gelb) genau mit den gescheckten (und chlorina-)Exem- plaren überein und blieben hierin auch konstant, was jeden Gedanken an Vicinisten ausschließt, da alle Wuchs- und Farbenmerk- male mendeln. Die Nachkommenschaft jeder einzelnen Pflanze ist von oben mit einer Klammer —— zusammengefaßt; wo also zwei oder mehr Klammern, z. B. vier, durch Striche mit einer darüberstehenden An- gabe, z. B. 14 variegate oder 4 grün, verbunden sind, heißt das, daß von den I4 variegaten oder 4 grünen Pflanzen entsprechend viele, z. B. zwei oder vier, gesäckt und ihre Nachkommen aufgezogen wurden. Das gilt auch für alle die folgenden Tabellen in Stammbaumform. (Wegen des Auftretens der c/lorina-Pflanzen bei Vers. 2 vgl. S. 305 f.) Tabelle r. 1900 | (hum.) variegata (rubra), geschützt. 1901 | 20 varieg. 2 varieg. mit grün. Ästen 2 grün | varieg. Ast grün. Ast | a oe le 1903 8 varieg. 3varieg. 4grün oQvarieg. 42 grin | are ee BA le 1904,1905 | ı4varieg. Ivarieg.mitgrün. Ast 48 grün 36 grün Tabelle 2. Saatgut: (humilis) variegata (flava), ungeschützt. 1903 | 84 chlor. u. varieg. (hum. flava) 5 grün (hum. flava) | | — nn. mm m 1905 37 chlor. 2 chlor. 5 varieg. 23 grün En P.12% en er | INN. — —— 1906 | 15 chl. Schl. 14 var. 14 var. 4 grün 28 grün —_— — —— — — — ——_ —— 1907 | 11 chlor. Qvar. Qvar. 25 var. 4 gr. 7 var. 20 gr. 7 var. 20 gr. II var. 19 gr. 56 gr. Im allgemeinen macht das Verhalten den Eindruck, als ob sich von der variegata-Anlage!) hier und da die latente (dominierende ?)) grüne trennen würde, und zwar bei den Blüten auf den grünen Rück- schlagsästen häufiger als auf den geschecktblättrigen Ästen, und als ob die ganz grünen Pflanzen dadurch entstünden, daß entweder zwei 1) Es wäre ganz unmöglich, für die variegala-Sippen eine chlorina- und eine „normalgrüne“ Anlage anzunehmen, und das Mosaik durch einen Streit dieser An- lagen, mit wechselndem Sieg, zu erklären, 2) Daß Normalgrün über Gescheckt dominiert und das Merkmalspaar typisch spaltet, wird bald (S. 303) gezeigt werden. 300 Correns. Keimzellen mit der rein grünen Anlage (Fall 1) oder eine Keimzelle mit der rein grünen und eine Keimzelle mit der rezessiven varzegata- Anlage (Fall 2) zusammen kamen und so teils reingriine Pflanzen mit konstanter Nachkommenschaft (Fall 1), teils reingriine Pflanzen mit gespaltener Nachkommenschaft (3 griin: I varzegata, Fall 2) hervorgingen, indem einfach ein Bastard entstanden ware. DaB in diesem letzteren Falle bald etwas zu viel, bald etwas zu wenig varzegata-Sämlinge ge- funden wurden, dürfte nicht schwer ins Gewicht fallen. — Würden die ,,griinen‘‘ Keimzellen ganz gleichmäßig über die Pflanze verteilt gebildet (auch in den einzelnen Antheren), so müßten grüne Pflanzen mit konstanter Nachkommenschaft (Fall ı) sehr viel seltener auftreten als solche mit inkonstanter (Fall 2). Bei 10% „grüner“ Keimzellen kämen dann auf 81 variegate 18 inkonstante und I konstanter grüner Sämling, bei 5% „grüne“ Keimzellen auf 361 variegate 38 inkonstante und ı konstanter grüner Sämling. Ist die Verteilung der verschie- denen Keimzellen aber ungleichmäßig — dafür spricht das Verhalten der grünen Rückschlagsäste —, so steigen natürlich die Chancen, daß die „grünen‘ Keimzellen sich treffen, und es entstehen mehr konstante grüne Pflanzen!). — Aus einem experimentell gefundenen Verhältnis der beiderlei grünen Pflanzen ließe sich die Prozentzahl der grünen Pflanzen nicht berechnen, da eine zweite Unbekannte, die ungleiche Verteilung der ‚grünen‘ Keimzellen, mitspielt. Hier können nur weitere Experimente, womöglich auch mit einem günstigeren, nicht nur eine Samenanlage im Fruchtknoten führenden Objekte, vollen Aufschluß geben?). Im übrigen komme ich auf diese Fragen noch- mals zurück (S. 324). C. Die Bastarde zwischen chlorina-, variegata- und typica-Sippen. I. Chlorina + typica. Wie ich schon früher 'gezeigt habe?), dominiert im Bastard die normale grüne Farbe des Laubes, aber nicht vollständig; die Bastard- pflanzen sind im Durchschnitt merklich heller. Ich habe seinerzeit die 1) „Spaltet‘“ ein Teil der reingrünen Nachkommen, wie es den Anschein hat, wirklich wie der Bastard variegafa + typica, so ist damit der Beweis erbracht, daß schon die Keimzellen auf der variegata verschieden sein können, und daß nicht erst im Embryo entschieden wird, ob eine variegata oder eine grüne Pflanze entsteht, was von vornherein wenig wahrscheinlich ist. 2) Über Bastardierungsversuche mit Mirabilis-Sippen, Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft Bd. XX (1902) S. 62 und: Über die dominierenden Merkmale der Bastarde, ebendort Bd. XXI (1903) S. 142. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen. 301 Chlorophyllmenge zu go (87 bis 91)% bestimmt. Die Spaltung der zweiten Generation war in allen Fallen ganz rein, speziell zeigt sich das variegata-Merkmal nie in einzelnen Sämlingen. (Wenn es auf- tritt, sind die gescheckten Pflanzen viel häufiger als die chlorina- Pflanzen, vgl. S. 307.) Die Heterozygoten ließen sich von den rein- grünen Homozygoten wohl im Durchschnitt, aber nicht in jedem einzelnen Fall unterscheiden, so daß ich sie nicht sicher auszählen konnte; im einzelnen habe ich mich nie getäuscht, wenn ich ein Exemplar auf Grund seiner Laubfarbe als Heterozygot ansprach und dann die Nachkommenschaft aufzog. In Tabelle 3 und 4 gebe ich zwei Versuche in Stammbaumform wieder (vgl. S. 299). Es sind in kleinerer Schrift auch gleich die Er- gebnisse hinsichtlich des Wuchses mitgeteilt (ho.—hoch, na.—zwergig). Tabelle 3. Qos 3 Eltern: (nana) chlorina (alba) typica (alba) 1905 8 grun eS aaa hoch (70—85 cm) pie Sk ——_ — m OO or! 1906 *5 chlorina 13 grün +6 chlorina 14 grün 24 chlorina 93 grünl) 4 ho. 11 ho. 3 ho. 9 ho. ı na. 2 na, BZ 3 a 5 = a eee — mn. — mn. — — — 1907 17 chlor. ı8chlor. -ı2gr. 5schlor.12gr. 36 gr. 12 ho. ıı ho. ı2 na. 3ho. 7 ho. 28 ho. 5 na, 7 na. 2na. 5 na. 8 na. Tabelle 4. | 2 6) Eltern: (humilis) chlorina (flava) typica (alba) 190 17 grün 23 hoch 1906 ı2 chlorina 40 grün!) br ho. 32 ho, PART» SS = 8 IN ae — m—m m — nn —_— — 1907 | 4chlorina 13 chlorina #7 chlorina 18 grün 36 grün | 4 ho. 10 ho. 7 ho. 18 ho. 36 ho. | 3 na. Die Bastarde der ersten Generation waren wenigstens annähernd so hoch wie das hochwüchsige a/da-Elter. Etwas niedriger dürften sie wohl sein; die gemessenen Werte schwanken zwischen 70 und 85 cm, sind aber nicht ganz beweisend, weil ich keine reinen a/ba-Sämlinge gleicher 1) Die Höhenausgaben waren bei diesen zwei Versuchen, infolge starker Schwankungen in der Bodenqualität, nicht ganz sicher, es sind deshalb beim einen gar keine Angaben gemacht. 302 Correns. Herkunft dicht daneben gezogen hatte. In der zweiten Generation war die Spaltung nach dem »ana-Merkmal (35 bis 40 cm) und dem alta-Merkmal (65 bis 85 cm) ganz ausgesprochen; es gab aber unter den hochwüchsigen und den zwergigen Exemplaren ch/orina und tiefes Grün. Wieviel von den cklorina- und den normalgrünen Exemplaren hoch und wieviel niedrig waren, ist bei den meisten Ver- suchen der Tabellen 3 und 4 angegeben. Das Verhältnis ala: nana = 3:1 tritt aber bei den kleinen Zahlen nicht immer recht hervor ’). Die beiderlei a/ta-Pflanzen zeigten übrigens einen deutlichen, wenn auch geringen Unterschied in der Höhe. Bei Versuch * und + von Tabelle 3 betrug z. B. die mittlere Höhe der normalgrünen Pflanzen 79 cm, die mittlere Höhe der ch/orina-Individuen dagegen nur 72 cm, so daß sie in diesem Fall um 6 cm im Mittel niedriger waren. Bei anderen Versuchen schien mir der Unterschied noch etwas deutlicher. Die durchschnittliche Höhe der beiderlei Zwergpflanzen betrug bei den gleichen Versuchen (* und 7) 38 cm. Wäre eine größere Anzahl gemessen worden, so hätte sich wohl auch bei ihnen ein Unterschied herausgestellt, der aber, proportional der geringeren absoluten Höhe, gewiß unbedeutend ausgefallen wäre, vielleicht 2 bis 3 cm betragen hätte. Die tiefgrünen „ana-Pflanzen der zweiten Generation konnten, wie Versuch | der Tabelle 3 zeigt, eine konstante Nachkommenschaft geben, und ebenso die hohen cA/orina-Pflanzen (Versuch $% der Tabelle 4), während mehr davon sich, wie zu erwarten, als heterozygot er- wiesen. So habe ich zwei konstante neue (auch nicht im Handel befindliche) Sorten erhalten, von denen besonders die zwergige tief- grüne wirklich hübsch ist. Mit der von Baur studierten aurea-Sippe des Antirrhinum majus hat unsere Mirabilis Falapa chlorina (und auch die später (S. 325) zu besprechende chlorina-Sippe der Urtica pilulifera) die Konstanz und das regelmäßige Spalten bei der Keimzellbildung im Bastard gemeinsam; die aurea-Anlage dominiert aber über die für typisches Grün, während die c/klorina-Anlage ihr gegenüber rezessiv ist. Das scheint mir ein auffallender Unterschied zu sein (abgesehen von dem im Verhalten der Farbstoffe (S. 294); sehr interessante Folgen, ergeben sich daraus, daß das aurea-Merkmal nur in Heterozygoten |lebensfähig sein und in Homozygoten nicht existieren kann, so daß die 1) Es sieht fast so aus, als ob zuviel nana- und zuwenig alta-Sämlinge heraus- kämen; um solche Fragen zu studieren, ist Mirabilis ein zu ungünstiges Objekt. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen. 303 aurea-Sippe nur als Bastard vegetativ existiert!). Doch ist das viel- leicht kein prinzipieller Unterschied von chlorina. Die von Johannsen®*) beobachteten ,,awrea‘‘-Linien des Phaseolus vulgaris gehören vielleicht zu meinem c//orina-Typus; doch ist darüber, ob sie rezessiv sind (wieich vermute) oder dominieren, noch nichts bekannt. II. Variegata + typica. Das variegata-Merkmal verhält sich genau wie das c/l/orina-Merkmal dem typischen Grün gegenüber: varzegata ist rezessiv*), freilich nicht vollkommen, denn die ı. Generation des Bastardes ist gerade noch merklich heller grün als die typische Mirabilis Falapa es im mittel ist; die 2. Generation des Bastardes spaltet. Bei der nicht vollkommenen Konstanz der variegata-Sippen sind etwas weniger als 25 % variegata-Sämlinge zu erwarten, weil zu den 75 % grüner Homo- und Heterozygoten noch einzelne grüne Rück- schlagpflanzen der .varzegata kommen werden (S. 297). Nach dem, was wir jetzt wissen, werden sie kaum von den grünen Homo- und Heterozygoten unterschieden werden können. Tabelle 5 bringt den am längsten fortgesetzten Versuch. Tabelle 5. 2 aa (nana) variegata (flavarubrostriata) typica (alba) .Gen, ü Guns 58 grin 1903), hoch ae 2var. 4 Hf 8 variegata „nr hellgrün 33 Ben 1904) el BANN Ser ee ie IIL G. *c3 gr. 6 var. pellet: 25 gr. 4var. gr. 33 8T- (1904, ve 5: ye N | 7 NS RL 1905) SS a ES er Sa eS SS Iv.G. 3var. Gvar.isgr. ıdgr. 4gr. 25 gr. 2gr. 3gr. 2gr. 3 gr. (1906) | V.Gen. tha (1907) 33 var. 1) Vgl. die Literaturangabe auf S. 292. 2) Dasselbe kommt aus anderm Grund bei calycanthema-Sippen der Campanula Medium mit völlig oder fast völlig sterilem Ovar und völlig tauglichem Pollen vor. (Einige Bastardierungsversuche mit anormalen Sippen. Jahrbücher für wissensch. Botanik, Bd. XLI, Heft 3, S. 473 (1905).) 3) de Vries, (Mutationstheorie Bd. II, S. 356) sah bei Oenothera und Nicotiana Bunt wenigstens bei einem Teil der Keimlinge dominieren. Es handelte sich dabei gewiß um ein ganz anderes „Bunt“ als bei unserer variegata, um eines, das wohl mehr der aurea-Sippe Baurs bei Antirrhinum entsprach, wenn nicht einfache Homozygoten- bildung beobachtet wurden war. 304 Correns. Das Merkmalspaar /nilis (resp. nana) — alta spaltet natürlich ebenfalls, und es lassen sich auch hier konstante niedrige oder zwergige griine Sorten und (fast) konstante hohe, gescheckte herstellen, wie wir entsprechendes schon bei den ch/orina-Sippen fanden. Um nur ein Beispiel zu nennen, waren die 53 Pflanzen der in der Tabelle mit * bezeichneten Aussaat alle normal griine Zwerge. III. Chlorina + variegata. Auch diese Bastarde folgen den Mendelschen Vererbungsgesetzen, wobei das variegata-Merkmal dominiert. Bei genügender Ausdehnung der Versuche werden natürlich in der 1. Generation und den folgenden reingrüne Individuen, aus der variegata stammend, auftreten, wie es z. B. der erste und der dritte der nachfolgenden Versuche (Tabelle 6—8) zeigt. Der als Tabelle 6 mitgeteilte Versuch hatte hinsichtlich der Abgrenzung der chlorina und variegata besondere Schwierigkeiten ge- boten. Die als chlorina? bezeichneten 2 Pflanzen waren an ihrer Blütenfarbe als Bastarde kenntlich; bei dem mit * bezeichneten Ver- such waren wohl schwache varzegata-Streifen bei einem Teil der „chlorina“-Pflanzen übersehen worden. Tabelle 6. 2 ; 3 Eltern: (nana) chlorina (alba) (humilis) variegata (flava) 1905 2 chlor.? 3 var. fast chlor. 14 var. zZ Ba N nn en N I, 1906 | *14chlor. 4 fastchlor. 3var. 3chlor.6var. 13 chlor. 6 fast chlor. 24 var. 2 gr. fa —_—_—_—_—_ 1907 t5 chlor. 8 gr. Tabelle 7. 3 Eltern: (nana) chlorina (alba) (nana) variegata (flavarubrostriata) 1906 6 (nana) variegata (flavarubrostriata) Be ae: 1907 4chlorina 12 variegata 4 chlorina 14 variegata Tabelle 8. 2 Eltern: | (nana) chlorina (alba) (nana) variegata (rubra) 1906 13 (nana) variegata (rubra) ee — oe: ae 8 1907 FAR EEE See 6 chlorina 19 variegata 8 chlorina 16 variegata EN [u | 1908 4 variegata I grün! Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblatterigen Sippen. 305 Wenh eine variegata-Sippe vom humilis-Wuchs mit einer chlorina- Sippe vom zana-Wuchs verbunden wird, wie bei Versuch 6, dominiert der erstere über den letzteren, und in der zweiten Generation tritt Spalten ein, das sich aber bei der Zusammenstellung aller Höhen nicht zeigt, weil die Kurven der »ana- und der Aumzlis-Individuen stark übereinander greifen. Im folgenden gebe ich für die in Tabelle 6 mit * bezeichnete Aussaat die Höhenmaße, auf 5 cm abgerundet (im ersten Jahr, c = chlorina, v = variegata, g = grün)! Höhe in cm: 25 30 35 40 45 50 Pflanzen: DC NO NE SCHTONGEE2CAY LO ae “ini fs Sie lehren wenigstens, daß die Merkmale: hoher und niedriger Wuchs mit den Merkmalen: c/lorina und variegata beliebig kombiniert sind, so daß zana variegata- und humilis chlorina-Sippen entstehen; daß die zwei rein grünen Exemplare zu den höchsten gehören, ist gewiß nur Zufall. Auch der in derselben Tabelle mit + bezeichnete Versuch zeigte das Spalten nach dem Wuchsmerkmal, unabhängig von der Laubfarbe: Höhe in cm: 20 25 30 35 40 45 50 55 Pflanzen: i Cn Go : Los Chie, C2 le eee ae Von den 13 Pflanzen gehörten 3 sicher in die mana-Klasse: 2 chlorina und eine dunkelgriine. — Ob einzelne Kombinationen häufiger, andere seltener gefunden werden, als die Rechnung verlangt, läßt sich hier schlecht verfolgen. IV. Fälle, wo in der 2. Generation des Bastardes neue Merkmale auftraten. Bei den bisher besprochenen Bastardierungsversuchen bildeten die Merkmale einfache Paare, die den Mendelschen Gesetzen folgten. Ich habe auch verwickeltere Verhältnisse angetroffen; als Beispiele gebe ich zunächst in Tabelle 9, 10 und ıı drei Versuche wieder. Tabelle 9. ? 3 Eltern typica alba (humilis) variegata (rubra) 1902 45 grün (hoch) ER 1903 | 4 varieg. 7 grün 3 chlor. 7 varieg. 42 grün 5 chlor. 9 varieg. 56 grün | ~——____ (zusammen 8 chlor. 20 varieg. 105 gr.) SO — 1904 ‚8 chlor. 27 varieg. 8 chlor. 28 grün 306 Correns. Tabelle ro. Q [6} Eltern \(humilis) variegata (rubra) typica (alba) 1902 | 37 grün u. 1903 = noch I os = en —— Fo — — — 24 gr. 3 var. 26 gr. DB 1904 |3 chlor. 17 var. 62 gr. 7 chlor. 10 var. 61 gr. 2chlor. 4 var. u.1905 (zusammen: 12 chlor. 34 var. 173 gr.) ZEN | 1906 4var. 5 var. 24 gr. Tabelle 11. 2 6) Eltern |(humilis) variegata (alba) ö typica (gilva) 1964 24 grün A eee u———. em Es —ee 1905 |4 chlor. 6 var. 18 gr. 3 chlor. 3 var. 37 gr. 1 chlor. 13 var. 27 gr. (zusammen: 8 chlor. 22 var. 82 gr.) In allen Fällen war variegata mit Zypica verbunden worden. Die Bastarde waren, wie zu erwarten, in der I. Generation stets ganz grün und hochwüchsig, in der zweiten trat aber keine Spaltung im Ver- hältnis 1 variegata :3 typica ein (S. 303), sondern eine in chlorina, variegata und Zypica im Verhältnis 1:3:12! Das zeigen alle drei Ver- suche ganz gut!). Die neu auftretende cAlorina ist gewiß konstant. Die variegata-Pflanzen geben teils ch/orina und variegata (im Verhältnis 1:3) teils lauter gescheckte Sämlinge?). Die grünen Pflanzen geben teils wieder grüne, teils c//orina und grüne (im Verhältnis 1:3). Daß keine grüne Pflanze wieder varzegata und grüne, oder chlorina, variegata und grüne im Verhältnis 1:3:12 gab, ist wohl nur Zufall. — Die zu den Bastardierungen verwendeten Pflanzen waren sicher konstant. 1) In folgender kleinen Tabelle sind die Zahlen zusammengestellt: chlorina variegata grün zusammen Versuch 9 8=6% 20=15% 105=79% 133 Versuch 10 1B= HA 34=15,5% Boss 219 Versuch 11 870% 22=19,5% Bay 113 zusammen: 28=6% 76=16,5% | 360=78,5% 465 berechnet: 6,25% 18,75% 75% 2) Abgesehen von den einzelnen reingriinen Exemplaren, die sich in der Nach- kommenschaft der variegata-Sippen befinden. Vererbungsversuche mit blaBgriinen und buntblatterigen Sippen. 307 Ich habe aber auch in der 2. Generation des Bastardes ch/orina + typica auf einmal variegata-Sämlinge auftreten sehen, während sie ja sonst (vgl. S. 301) aus 75% typisch grünen und 25% c/hlorina-Pflanzen besteht. Ein so verlaufender Versuch ist in Tabelle 12 mitgeteilt. Tabelle 12. 2? 3 Eltern typica (alba) (nana) chlorina (albarubrostriata) 1903 7 grün (hoch) 1904 | 3 chlorina 4 variegata 63 grün | See as se ER | SS ——@—_——_ 0-— ———e— Om — 1905 |2chlor. 8 chlor. ıchlor. 5 var. 4gr. 3chlor. 3 var. ı gr. I var. 4gr. 11 var. 44gr.2gr. 2gr. EINE TR ee || — —_———_. —_——_— 1906 |4chlor. 24chlor. 22 Fame 1) ıchlor. 25 gr. 25 gr. Die 2. Generation dieses Bastardes hat also dieselbe qualitative Zusammensetzung wie die eines der eben besprochenen auffallenden Bastarde zwischen varzegata und ¢typica. Daß quantitativ viel zu viel grüne und zu wenig gescheckte Sämlinge beobachtet wurden, will nicht viel sagen; hier spielt der Zufall eine zu große Rolle. Auch die folgende 3. Generation stimmt überein. — Daß auch hier die Eltern, ¢ypzca und c/lorina, konstant waren, ist sicher. Bei der letzteren hätte man höchstens denken können, es wäre ein besonders schwach- geflecktes variegata-Exemplar gewesen; dann bliebe aber das Auf- treten der echten, konstant bleibenden ch/orza, das der Versuch zeigt, unverständlich. Wir sehen also in der Nachkommenschaft der Bastarde zwischen variegata- und typica-Stécken, die beide konstant sind, auf einmal chlorina-Sämlinge auftauchen, und in der Nachkommenschaft der Bastarde zwischen ch/orina- und typica-Stöcken, die ebenfalls konstant sind, variegata-Sämlinge. Wie erklärt sich das? Wir haben bisher immer mit Mendel von Merkmalspaaren: variegata-typica, variegata-chlorina, chlorina-typica, gesprochen. Nach einer neueren Auffassung ist das nicht richtig; wir hätten mit einzelnen Merkmalen zu rechnen, die im zweiten Elter gar keinen Paarling 1) Das Auftreten dieser einzelnen chlorina ist auffallend, vielleicht liegt ein Ver- sehen beim Auspflanzen der (in Töpfen gezogenen) Keimlinge vor, obschon ich es überwachte, — 6 chlorina Ex. und 20 grüne wären leicht verständlich gewesen. 4 Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. I. { 20 308 Correns. fänden (,,presence and absence‘‘-Theorie Batesons und Shulls)t), Ich darf vielleicht hier etwas weiter ausholen. 2 Wenn wir nach dem bekannten Mendelschen Beispiel eine gelb- samige und eine grünsamige Erbse bastardieren, hätten wir dann in den Keimzellen der letzteren die Anlage für „grün“, die für „gelb‘“‘ müßte fehlen. In den Keimzellen der ersteren fänden wir dagegen die für „gelb“ Ge und die für „grün“ Gr, beide in aktivem, entfaltungs- fähigem Zustand. Die Anlage der grünen Sippe wäre demnach Gr, die Anlagen der gelben wären GeGr. Gelb verdeckt grün, deshalb ist GeGr gelb und ebenso der Bastard GeGr Gr; wenn Ge fehlt, kann Gr sich zeigen. Das Gelb ist dem Grün gegenüber nach Batesons Terminologie „epistatisch‘“, das Grün dem Gelb gegenüber „hypostatisch“. Bei der Keimzellbildung des Bastardes erhielte jede Keimzelle Gr, die eine Hälfte der Keimzellen außerdem Ge, die andere nichts. Etwa so wie bei der Spermatozoenbildung der Hemiptere Protenor die Heterochromosomen verteilt werden, würden die Anlagen verteilt; es würden keine Anlagenpaare gespalten. — Die Anlage für grün müßte neben der für Gelb aktiv in der gelben Erbse vorhanden sein, sonst erhielten wir in der 2. Generation auch reinweißsamige Erbsen. Denn ein Viertel der Keimzellen des Bastardes erhielte sonst weder Ge noch Gr, und wenn solche Keimzellen (in 1/,, der möglichen Fälle) zusammenkämen, gäbe es überhaupt keine Färbung. Man ist aber nicht gerade gezwungen, mit Bateson anzunehmen, die „epistatische“ Anlage des einen Elters fehle dem andern Elter (in unserm Falle also Ge der grünen Erbse); es genügt, wenn man sie unentfaltbar, völlig ,,latent‘‘, sein läßt, um dieses vieldeutige Wort zu gebrauchen. Man hat dann wieder die Paare und kann in ge- wohnter Weise den aktiven Zustand der Anlage mit großen, den unentfaltbaren Zustand mit kleinen Buchstaben bezeichnen. Im oben- genannten Fall hätte die gelbe Erbse die Anlagen GeGr, die grüne die Anlagen geGr. Das wesentliche für uns hier liegt vielmehr in dem, was Bateson „Hypostasie‘“ getauft hat: daß ein Merkmal durch ein anderes ver- deckt oder gehemmt werden kann und doch völlig aktiv vor- handen ist. 1) Bateson, W., Facts limiting the Theory of Heredity, Science, Nov. 15, 1907, D. 652. Shull, G. H., A new Mendelian Ratio and several Types of Latency. Americ. Naturalist, Vol. XLII (July 1908) p. 444. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen. 309 Wenden wir diese Anschauungen auf unsere Falle an, so hatten wir als Anlagen der typisch griinen Sippen: G (fiir normales Griin), V (fiir variegata) und C (für chlorina), also GVC, wobei V das C verdeckt und G alle beide. Für die varzegata-Sippen hätten wir: g (die fehlende!) oder latente Anlage für reines Grün), V (die für variegata) und C (die für chlorina), also gVC, wobei V das C verdeckt, sich selbst aber zeigen kann, weil G fehlt oder latent ist. Die ch/orina-Sippen hätten endlich die Anlagen gvC, wobei C sich zeigen kann, weil es nicht daran durch G und V gehindert ist. Bei der Bastardierung einer typisch grünen mit einer variegata- Sippe kämen so GVC und gVC zusammen, und wir erhielten in der 2. Generation, da ja nur nach G und g ,,gespalten‘‘ (resp. ,,verteilt*‘) werden kann, 3 grüne auf I variegata-Sämling. Das haben wir bei Versuch 5 auch wirklich beobachtet (Fall 1). ; Wenn bei derselben Bastardierung aber, wie bei Versuch 6, 7 und 8, in der zweiten Generation neben variegata- noch chlorina-Sämlinge, im Verhältnis 3:1, auftreten, außer den grünen, braucht man nur an- zunehmen, dem einen Elter fehle V, oder es sei V in ihm ganz latent. Variegata kann dies Elter natürlich nicht sein; so bleibt nur übrig, zu schließen, in solchen Fällen habe das typisch grüne Elter die Anlagen GvC, was ja, da man das Fehlen des verdeckten V nicht merken kann, auf sein Aussehen (und seine Konstanz) ohne Einfluß ware 2). Es kämen also bei der Bastardierung zusammen: GvC und gVC; das gäbe bei der Keimzellbildung des Bastardes viererlei Keimzellen: GVC, GvC, gVC, gvC, die bei der Selbstbefruchtung in sechszehnerlei Weise zusammen kämen. Diese einzelnen Kombinationen sind in Tabelle 13 S. 310 aufgeführt, gleich nach dem Aussehen und dem Verhalten der 3. Generationen geordnet. Man sieht, 12 Kombinationen geben grün, 3 geben variegata und eine gibt ch/orina. Von den zwölf grünen Pflanzen der 2. Generation geben vier wieder 12 griin:3 variegata:1 chlorina, zwei geben 3 grün: I variegata, zwei geben 3 griin: I ch/orina, und vier sind konstant grün, wenn auch den Anlagen nach nicht gleich; so tritt z. B. darunter 1) Dafür, daß die Anlage für Grün nicht ganz fehlt, sondern nur latent ist, spricht doch das Auftreten der rein grünen Sämlinge in der Nachkommenschaft. 2) Nach dem helleren Grün, das die Bastarde typica + variegata der typica gegenüber zeigen (S. 303), erscheint es wenigstens wahrscheinlich, daß eine in der typica steckende, hypostatische variegata-Anlage nicht ganz wirkungslos bleiben würde, daß also die iypica GVC konstant etwas heller grün sein müßte als die typica GvC. Durch diesen Nachweis ließe sich die Hypostasie-Theorie etwas stützen. 20* 310 Correns. Tabelle 13. Kom- Resultat binationen t eee a = Zu der Keim- II. Generation zellen der ee eee en III. Generation I. Generation Aussehen Anlagen GVC-+gvG Klasse _ grün Klasse , GgVvC GvC+gVC | grin | GgVvC Sy € gVC-+-GvC I grün I GgVvC | 12 grün: 3 varieg:1 chlor. gvC+GVC grün GgVvG GVC+gVC j grün | j Gev-C |) if : gVC-LGVC I | grün 2 ee || 3 grün: ı variegata GvC-+gvC | j grün j Gg.vC Iı . A EvC-EGYC. | I en 3 \ Gg.vc |f 3 grün: ı chlorina GVC+GyC j grün ENTE : GvC-+GVC I en 4 \ &.we |i grün (1 GVC, 2 GVvC, 1 GvC) gVC+gvC J varieg. ff SAKE. {I : 4 , gvC+gVC II Nseries: 5 \ we Nf 3 variegata: ı chlorina GVC+GVC I grin 6 GV. € grün (mit den Anlagen GVC) GvC+GvC I grin 7, G..vc grün (mit den Anlagen GvC) gVC+gVC II varieg. 8 .gV.C variegata gvCc+gvC III chlorina 9 Bil fone chlorina die oben angenommene grüne Sippe GVC auf. Von den drei variegata Pflanzen geben zwei sowohl varzegata als chlorina Nachkommen im Ver- hältnis 3:1, eine ist konstant, ebenso ist die eine chlorzma konstant. Nach dem weiteren Verhalten können wir also neunerlei Pflanzen in der 2. Generation unterscheiden (in der Tabelle mit arabischen Ziffern bezeichnet), von denen wir noch nicht alle kennen (S. 306; Fall 2). Genau dieselbe Zusammensetzung der 2. Generation miiBte aber auch der Bastard zwischen Zyfzca und chlorina geben, wenn die Zypica alle drei Anlagen (aktiv) enthalt: GVC. Wie bei der obersten der in Tabelle 13 aufgeführten Kombinationen käme da GVC und gvC zu- sammen; V hätte eben bloß seine Stelle gewechselt, es ist aus der variegata gVC herausgetreten, (wodurch diese zu cAlorina wurde) und bei der ¢ypica GvC eingetreten, die dabei äußerlich unverändert ge- blieben ist, obschon sie jetzt GVC ist. Ein Versuch, der so verlief, ist in Tabelle 12 mitgeteilt (Fall 3). Nun haben wir aber noch den (von uns häufiger beobachteten) Fall zu erklären, bei dem der Bastard /ypzca + chlorina in der zweiten Generation auf je 3 typisch grüne 1 c/lorina Sämling gibt (Vers. 3, 4). Chlorina kann nur die Anlagen gvC enthalten, es frägt sich also, wie die grüne Pflanze beschaffen sein müßte. Es würde genügen, Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sıppen. 311 wenn von ihren Anlagen V inaktiv wiirde, also aus GVC GvC. Dann käme bei der Bastardierung GvC und gvC zusammen, das Spalten (oder Verteilen) könnte nur nach G und g erfolgen, und die Nach- kommenschaft des Bastardes bestünde aus normal grünen und ch/orina- Pflanzen im Verhältnis 3:1 wie bei Klasse 3 in Tabelle 13 (Fall 4). Die gleiche grüne Sippe mit den Anlagen GvC haben wir schon bei den Bastardierungen mit variegata kennen gelernt (Fall 2, oben S. 309). Das Verhalten des Bastardes zwischen varzegata und chlorina bedarf keiner besondern Annahmen; bei seiner Entstehung kommen gVC und gvC zusammen, die nur nach V und v gespalten werden können, so daß es auf 3 variegata Sämlinge 1 chlorina Sämling geben wird (Fall 5). Wir hätten also zweierlei gleich aussehende typisch grüne Sippen, eine mit den Anlagen GVC und eine mit den Anlagen GvC. Da steht nichts im Wege, auch die Existenz eines Grüns mit den Anlagen GVc (also ohne chlorina-Anlage oder mit ganz latenter) und eines mit Gvc (bei dem die ch/orina- und die variegata-Anlage fehlen oder in- aktiv sind) anzunehmen, so daß es viererlei normales Grün gäbe. Wenn eine der beiden letzteren — einstweilen ganz hypothetischen — Sippen mit chlorina bastardiert würde, erhielte man eine sehr merkwürdige 2. Generation: im ersten Falle käme durchschnittlich auf 63 Sämlinge ein reinweiBer, im zweiten schon auf 15 ein solcher. Es könnte auch zweierlei varzegata-Sippen geben, neben der bekannten mit den An- lagen gVC auch eine mit den Anlagen gVc, die, mit ch/orina bastardiert, als 2. Generation des Bastardes 12 variegata: 3 chlorina: 1 reinweiB hervorbrächte. Ich will hier auf diese und andere einschlägige Fragen nicht weiter eingehen, die zu eng mit dem Begriff „Anlage“ zusammen- hängen; das Gesagte zeigt, wie hübsch die Annahmen einer Hypostasie das tatsächliche Verhalten wenigstens formell erklärt. Nur eines will ich noch bemerken: es gibt sicher Fälle, wo in der 2. Generation eines spaltenden Bastardes auch dreierlei Pflanzen im Verhältnis 12:3:I auftreten, von denen die mittleren neu sind (wie variegata beim Bastard Zypica + chlorina), und wo man mit der Annahme einer „EHypostasie‘‘ doch nicht ausreicht. Ich habe schon 1902 gezeigt, daß der — rotblühende — Bastard zwischen Mirabilis Falapa rubra und M. ¥. alba als 2. Generation rubra-, albarubrostriata- und alba- Pflanzen gab (in % 88:9:3)1), und spätere Untersuchungen haben 1) Über Bastardierungsversuche mit Miyabilis-Sippen. Berichte der Deutschen Botan, Gesellsch. Bd. XX, S. 601. 312 Correns. mir das Verhältnis 12:3:1 gelehrt (z. B. 217 rubra 47 albarubrostriata 18 alba). Trotzdem kann man nicht annehmen, in der ruéra-Sippe sei aktive albarubrostriata, „hypostatisch‘ verdeckt oder gehemmt, vorhanden, denn die rwéra gibt mit andern hellblühenden Sippen, z. B. mit der blaßgelben gzl/va, Bastarde, in deren 2. Generation keine rotgestreiften Pflanzen auftreten. Die entfaltete Anlage zur Rot- streifung muß aus der a/éa-Sippe stammen, und da die albarubrostriata- Sippen unter allen Umständen über die a/da-Sippen dominieren, kann sie nicht aktiv, aber „hypostatisch‘ in dieser a/ba gesteckt haben. Hier bleibt eben, wie ich schon früher’ (für die Rotstreifung bei alba + gilva) zeigte, nur ein Aktiv-Werden inaktiver, wirklich ,,latenter“ Anlagen unter dem Einfluß des fremden Idioplasmas übrig, und so müssen schließlich vielleicht doch auch die eben geschilderten, komplizierteren Spaltungsfälle bei c//orina- und variegata-Bastarden noch einmal erklärt werden. V. Mirabilis Jalapa variegata + M. longiflora typica. M. Falapa und M. longiflora smd zwei Arten, die sich zwar bastardieren lassen und sogar mehr oder weniger fruchtbare Bastarde geben, die sich aber doch in jedem Organ, vom Kotyledo bis zum Fruchtperigon, deutlich, zum Teil sogar sehr auffällig unterscheiden. So einförmig die erste Generation der Bastarde ist!), so vielförmig ist die zweite, und wenn es auch schwer fällt, die Merkmale scharf zu fassen, soviel scheint mir nach jahrelangen Beobachtungen schon jetzt sicher: konstant ist der Bastard kaum in einem Merkmal, wahrscheinlich ,,mendeln‘ alle. Da die Laubfarbe ein besonders leicht zu erkennender Charakter ist, habe ich 1903 auch den Bastard zwischen einer geschecktblattrigen, zwergigen M. Falapa und einer gewöhnlichen, weißblütigen JZ long:- flora hergestellt, wobei natürlich letztere den Pollen liefern mußte. Sie war völlig konstanz; überhaupt sind mir von ihr weder ch/orina- noch varzegata-Sippen bekannt. Das Verhalten des Bastardes ist in Tabelle 14 mitgeteilt: Tabelle 14. 2 Eltern |M. Jalapa (nana) variegata (flavarubrostriata) M. longiflora (alba) 1904 2 grin 1905 f 33 chlorina u. variegata 113 grin -1907 1) Uber Bastardierungsversuche mit Mirabilis-Sippen 1. c. S. 603. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblatterigen Sippen. 313 Man sieht sofort, daß dieser Artbastard genau ebenso spaltet, wie einer der Sippenbastarde innerhalb der Art falapa. Wenn neben variegata auch, als Novum, chlorina auftritt, so kommt das ja auch bei diesen vor (S. 306), spricht aber nicht gerade für die Erklärung durch Hypostasie, die wir dafür oben gaben, denn, wie schon gesagt, eine /ongiflora variegata und longiflora chlorina sind unbekannt. Auch das Verhalten der dritten Generation entspricht, soweit ich es verfolgt habe, ganz den Erwartungen. Wie die Laubfarbe spaltet aber auch das Merkmal von der Höhe der ganzen Pflanze (der hohe Wuchs, besser die größere Länge der Triebe der M. longiflora dominiert auch hier über den Zwergwuchs) und das vom Habitus (M. Falapa ist aufrecht, M. longiflora ausgebreitet- niederliegend, die erste Generation ist intermediär, aber der M. longi- flora ähnlicher). So war es z. B. leicht, unter den Pflanzen der zweiten Generation zwergige varzegata-Pflanzen mit dem Jongiflora- Habitus und dunkelgrüne hohe mit dem ¥a/afa-Habitus zu finden, D. Die albomaculata-Sippe. I. Aussehen und Vererbung bei Selbstbestaubung, Verhalten beim Piropien. Im Jahre 1904 trat neben den 22 typisch griinen Pflanzen bei Versuch 40 eine auf, deren Laub zum Teil auffallig weiBbunt war. Im Vorjahre war eine reine alba (Nr. 36) mit dem Pollen einer albaflavostriata (Nr. 256) bestaubt worden; die so erhaltenen 30 Friichte waren das Saatgut des bewuBten Versuches. Die a/ba-Pflanze hatte schon zu zahlreichen anderen Versuchen gedient, ohne daß sich in ihrer Deszendenz je eine weißbunte Pflanze gezeigt hätte. Die a/ba- flavostriata war ein Stock aus der zweiten Generation des Bastardes alba + gilva vom Jahre 1900; von ihren Geschwistern und Ver- wandten und deren Deszendenz hatte ich damals schon viele hunderte gezogen, und seitdem habe ich noch mehr unter den Händen gehabt, ohne daß ein zweites weißbuntes Individuum aufgetreten wäre. In der Literatur habe ich nichts über eine weißbunte Mirabilis gefunden, und im Handel kommt, soviel ich weiß, auch keine vor. All das macht es wenigstens sehr wahrscheinlich, daß das Exemplar, das im Jahre 1904 auftrat, einer ‚Mutation‘ sein Dasein verdankt. Ein ganz exakter Beweis läßt sich dafür aber überhaupt kaum führen. Die weißbunten Teile der ersten Pflanze und ihrer Deszendenz, soweit sie ebenfalls weißbunt war, entsprachen etwa einer noch stark 314 Correns. grüngescheckten varzegata, bei der die Farbstoffe an den ch/orina- Stellen fast oder völlig geschwunden sind, so daß die Blätter (und Stengel) grün und blaßgelb bis rein weiß gefleckt sind. Im allgemeinen dürfte sich bei der albomaculata das Grün mehr an die Blattmediane D Fig. 2. A, B, C Mirabilis Jalapa variegata, D, E, F, G M. J. albomaculata, H Chenopodium hybridum; Blatter auf photographischem Papier kopiert. Die Figur gibt hell und dunkel richtig wieder. halten als bei der varzegata, wie aus den beigegebenen Abbildungen (Fig. r A, E und Fig. 2) hervorgeht, doch ist das kein durch- greifender Unterschied. Bei beiden sind Pantanellis ,,nervi limitantes‘“ sehr deutlich. — Wenn noch Farbstoff in den blassen Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblatterigen Sippen. 315 Flecken vorhanden ist, sind es ganz vorwiegend die Xanthophylle und Carotine; das Chlorophyll verschwindet also hier (wie bei den aurea-Sippen in unserer Fassung) viel rascher, im Gegensatz zu der variegata und chlorina. Vergleicht man einen alkoholischen Auszug aus den blassen Stellen mit einem aus den hellen Stellen der varzegata- Blätter (oder aus ganzen ch/orina-Blattern), so ist daran nicht zu zweifeln. — Das Mosaikmuster der Ober- und Unterseite des Blattes deckt sich durchaus nicht; schon dadurch kommen Schwankungen im Grün zustande, die durch Abstufungen im Chlorophyligehalt noch auffälliger werden. Wie die Blätter verhalten sich natürlich auch die Achsen, die (an und für sich blasseren) Hüllkelche und die (bei der f. Zypica hellgrüne) Basis der Perigonröhre, aus der die Fruchthülle (das „Anthokarp‘‘) hervorgeht, die auch, so lang sie noch unreif ist, weißgefleckt oder ganz weiß sein kann. Die einzelnen Äste derselben Pflanze sind gewöhnlich sehr-un- gleich stark weißbunt. Hier und da kommen ganz reinweiße Äste vor, die dann wesentlich kleiner als gleichwertige teilweis grüne bleiben, zwar auch blühen, aber ihre Knospen leicht verlieren und schlechter ansetzen; ganz grüne und dann kräftiger entwickelte Äste sind fast stets vorhanden. Beim selben Stock schwankte die Stärke des Weiß- buntseins zuweilen vom einen Jahr zum andern sehr stark. — Wieviel Chlorophyll vorhanden ist, bleibt ohne wesentlichen Einfluß auf die Blütenfarbe. Soweit ich die Deszendenz der ersten weißbunten Pflanze ver- folgt habe, ist sie in Tabelle 15 zusammengestellt. Leider ging die Pflanze selbst und ihre Eltern in dem nächstfolgenden Winter zu- grunde, ebenso ein Teil der weißbunten Deszendenz, als ich die richtige Überwinterungsweise der Mirabilis-Rüben noch nicht heraus- gefunden hatte. Man kann aus dem Stammbaum und den dazugehörigen, hier nicht mitgeteilten Aufzeichnungen!) wohl folgende Schlüsse ziehen: 1) Ich habe wiederholt beobachtet, daß in den Töpfen, die die Nachkommen- schaft weißbunter Äste oder Pflanzen enthielten, weiße, zugrunde gehende Sämlinge auftraten, aber leider nur in einer Versuchsreihe vergleichbare Zählungen gemacht. Die hellere, fleckige Färbung der Kotyledonen scheint nicht immer sicher spätere Weißbuntheit anzuzeigen. So haben einige Sämlinge, die ich 1905 nach den Kotyle- donen im Verdacht hatte, weißbunt zu werden, rein grüne Pflanzen mit reingrüner Deszendenz gegeben. 316 Correns. Tabelle 15. 1904 1905 | 1906 | 1907 | 1908 N {28 gr. / 161 gr / | 03 gr ZAM grüner Ast —88 gr. ee 21 gr. Ss 126 gr. 18 gr. / 3 gr. iy 129 gr. ji l 30 gr. 1 weiß- ze bunt — 48 gr. —| 15 gr. N J 2I er Neal iste \\ \ 16 gr. \ \ 30 gr. | 12 gr. 3mit |\ : weiBbunter „Spuren | | Ast —_|v. weiß \ 4 er. | | u = 8 gr. an 2 gr en (Keiml.) Fe wb | Äste: 2GB: Äste ganz weiß — {2 weiß — Sn 6 ee w ı wb. _jı2gr. 13gr. = 4 wb, stark wb. \27, wb. Swbr 8 gr. Eure _Jı8 gr. 18 gr. h a 6 wh. 1 wb. run 8 gr. b.ıwb. | g ie ae __frggr. 16gr. schw. wb. | 1 wb. — grin — 16gr. 16 gr. 153 er. 4 gr. J 35 gr. gr. = grün | wb, = weißbunt, bei Keim- J 62 gr. lingen auch ganz weiß A 3 wb K. = Keimlinge N J 4 gr. E. =erwachsene Pflanzen \— wb. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen. 317 I. Die Sämlinge schwanken zwischen vollkommener Chlorophyllosigkeit und normalem Chlorophyligehalt, sie bleiben erst von einem gewissen relativ ansehnlichen Gehalt an dauernd am Leben. 2. Je stärker weißbunt eine ganze Pflanze oder ein Ast ist, desto mehr reinweiße und weißbunte Nachkommen ent- stehen; reinweiße Äste geben lauter chlorophyllfreie, nicht lebens- kräftige Sämlinge, reingrüne lauter reingrüne. 3. Ein reingrünes Individuum aus der Nachkommen- schaft einer weißbunten Pflanze gibt nur mehr reingrüne Sämlinge; weißbunte treten nicht mehr auf!). So habe ich z. B. von 6 reingrünen Pflanzen, die von einem grünen Ast der ersten Pflanze stammten, 177 reingrüne Nachkommen gezogen, von 7 rein- grünen in der Nachkommenschaft des weißbunten Astes 144 reingrüne. Umgekehrt würde ganz gewiß ein reinweißer Sämling, wenn es mög- lich wäre, ihn zur Blüten- und Fruchtbildung zu bringen, wieder lauter reinweiße Keimpflanzen geben. Durch diese Vererbungserscheinungen steht unsere Mirabilis Falapa albomaculata im Gegensatz zu andern gut beobachteten Fällen von Weißbuntheit. So sah Beyerinck?) in der Nachkommenschaft weiß- bunter Pflanzen des Melzlotus coeruleus var. connata z. B. nur grüne Sämlinge. Ich selbst beobachtete 1906 ein isoliertes Exemplar des Chenopodium hybridum mit einem schön weißbunten Ast, der sich im Aussehen ganz wie unsere weißbunte Mirabilis verhielt. (In Fig. 2 ist als H ein kleines Blatt davon dargestellt.) Die (sicher durch Selbstbestäubung entstandenen) Früchtchen dieses Astes und solche der übrigen Pflanze wurden getrennt im Freiland ausgesät, es waren aber alle aufwachsenden Nachkommen (mehrere Hundert) grün. Ob einzelne reinweiße, absterbende darunter waren, habe ich leider nicht geprüft (auch hätten sie zum Teil besser ernährt sein können). Da- gegen ist vielleicht die weiße Phaseolus-Sippe Johannsens*) im Prinzip mit unserer albomaculata identisch, wenigstens gab auch hier der reinweiße Ast 4 nur reinweiße Keimlinge. 1) Das gilt natürlich nur für meine bisherigen Versuche. Ich halte nicht für aus- geschlossen, daß einzelne grüne Pflanzen bei sehr großen Aussaaten hier und da einen weißbunten Sämling geben können; von einem auch nur einigermaßen regelmäßigen Abspalten kann jedenfalls keine Rede sein. 2) Beyerinck, Chlorella vulgaris, ein bunter Mikrobe. Rec. Trav. Botan. Neerland. Vol. I p. 24. %) Diese Zeitschrift Heft 1 S. 2. 318 Correns. Nach dem Mitgeteilten einerseits und den bekannten Beobach- tungen Baurs') an panaschierten Gewächsen andererseits war es von vornherein ganz unwahrscheinlich, daß sich die Weißbuntblättrigkeit der Mirabilis Falapa durch Pfropfen auf reingrüne Pflanzen über- tragen ließe, da sie ja bei einem Teil der Sämlinge wieder auftrat. Da es mir aber nicht unmöglich scheint, daß noch einmal eine zu- gleich erbliche und infektiöse Blattkrankheit — natürlich von anderer infektiöser Natur als in den von E. Baur studierten Fällen — ge- funden wird, habe ich im verflossenen Sommer Sprosse von fast allen meinen weißbunten Pflanzen zu solchen Pfropfversuchen verwendet, indem ich teils weißbunte Reiser auf die grüne Unterlage, teils rein- grüne Reiser auf sehr stark weißbunte Unterlagen setzte. Die Ver- bindungen gelangen bei genügend vorsichtiger Behandlung fast aus- nahmslos (es wurde stets in den Spalt gepfropft), es war jedoch in keinem einzigen Falle eine irgend merkliche Infektion nachzuweisen. II. Bastardierungsversuche. Bei den gleich zu besprechenden Versuchen wurde stets der Pollen von Blüten verwendet, die auf ganz weißen Ästen ge- wachsen waren oder doch einen weißen oder fast ganz weißen Hüll- kelch besaßen, so daß man annehmen darf, der Pollen habe stets oder doch fast stets die Disposition gehabt, weiße oder weißbunte Nachkommen zu geben (S. 317, Satz 2). Es wäre nun sehr wünschenswert gewesen, auch Bastarde vergleichen zu können, die auf dem umgekehrten Wege entstanden gewesen wären, also durch Belegen der Narben von Blüten, die auf weißen Ästen gewachsen waren, mit dem Pollen reingrüner Sippen, wo also die Eizellen die Disposition für weiß oder weißbunt gehabt hätten. Solche Bestäubungen habe ich 1907 gemacht, aber etwas zu spät, so daß ich infolge des frühen Frostes vom 23. September keine reifen Früchte erhielt; diesen Sommer habe ich sie mit besserem Erfolge wiederholt. Gerade hier erscheint es nicht ganz ausgeschlossen, daß die zwei Kombinationen A + B und B + A sich verschieden verhalten. 1) Baur, E., Zur Ätiologie der infektiösen Panaschierung. Berichte d. Deutsch. Botan. Gesellsch. Bd. XXII p. 453 (1904). Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen, Sitzungsber. d. kgl. preuß. Akad. d. Wissenschaften, 11. Jan. 1906. Weitere Mit- teilungen über die infektiöse Chlorose der Malvaceen und über einige analoge Er- scheinungen bei Ligustrum und Laburnum, Berichte der Deutsch. Botan. Gesellsch. Bd. XXIV S. 416 (1906). Über infektiöse Chlorosen bei Ligustrum, Laburnum, Fraxinus, Sorbus und Pielea, ibid. Bd. XXV S. 410. Vererbungsversuche mit blaBgriinen und buntblatterigen Sippen. 319 A. typica + weißbunt. Diese Verbindung wurde zweimal gemacht, das Ergebnis ist in Tabelle 16 und 17 mitgeteilt. Tabelle 16. Q Eltern typica (alba) albomaculata (albarubrostriata) 1905 23 grun (albarubrostriata Fre —_— err —— 1906 7 grün 12 grün I1 grün Tabelle 17. 2 ) Eltern |typica (rubra) albomaculata 1906 6 rubra ——— eer —— 1907 | II grün IQ grün 17 grün Man sieht, daß 1. der normal grüne Zustand über den weißbunten dominiert, und 2. die Nachkommenschaft nicht spaltet. Daß keine erwachsenen weißbunten Pflanzen beobachtet wurden, zeigen die Tabellen; in den Saattöpfen waren aber auch keine reinweißen, absterbenden Keimlinge aufgegangen. B. chlorina + weißbunt. Als ich diesen Versuch begann, wußte ich schon aus dem vor- bergehenden, daß die weißbunte Disposition von der typisch grünen unterdrückt wird; es schien mir aber möglich, daß sie gegenüber der chlorina-Anlage ,,starker‘‘ wäre. Tabelle 18 gibt das Resultat: Tabelle 18. | Q Eltern (nana) chlorina (alba) albomaculata 1906 17 grün ae ‘ ; 1907 15 chlor. 59 gr. 28chlor. 79gr. 13chlor. 34gr. ZEN u ae & m m ee ee — nn nn oo —— 1908 |5 chlor.? ı gr. 4ochlor. ıchlor. rogr. 3chlor. 11 gr. gchlor. 16gr. 22 gr. ı3gr. 6chl. 27 gr. Der Bastard verhält sich also genau wie der zwischen einer chlorina und einer normalgrünen Sippe (mit den Anlagen GvC, S. 301)! Das albomaculata-Merkmal ist völlig verschwunden; an seine Stelle ist 320 Correns. aber nicht das ch/orina-Metkmal, sondern das normale Grün ge. treten, und das Merkmalspaar grün-cklorina spaltet nun ganz normal. Jetzt verstehen wir auch das Ergebnis des vorhergehenden, eine konstante Nachkommenschaft gebenden Versuches 16: die Konstanz ist nur scheinbar. Der Bastard spaltet auch, man sieht es nur nicht, weil das aldomaculata-Merkmal durch typisches Grün ersetzt, und das andere Elter von vorn herein typisch grün ist. Ich sehe darin eine Bestätigung für die von mir früher!) diskutierte Möglichkeit, daß ein Bastard scheinbar nicht spaltet, weil in ihm das Merkmal des einen Elters dem des andern gleich geworden ist. E. Vergleich der Vererbungserscheinungen der albomacu- lata-, variegata- und striata-Sippen. Ein Stock der Merabilis Falapa albomaculata stellt, wie wir sahen, ein Mosaik farbloser oder gelblicher und mehr oder weniger intensiv grün gefärbter Teile an Stengeln, Blättern, Kelchen, Fruchtperigonen dar, bald ein sehr grobes: wenn z. B. ganze Äste grün oder weiß sind, bald ein sehr feines: wenn selbst ein junges Fruchtperigon noch weiß und grün gesprenkelt erscheint. Wenn wir annehmen dürfen, daß die Disposition im Idioplasma der Zellen den äußerlich sichtbaren Unter- schieden parallel geht, so kommen wir auch zu einer mosaikartigen Verteilung verschiedenartiger Keimzellen über den Stock: „grüner“, „weißer“ und wohl auch ‚mehr oder weniger weißer“, und können uns die beobachteten Vererbungserscheinungen bei Selbstbestäubung bis zu einem gewissen Grade verständlich machen. (Von einer solchen Vorstellung ausgehend, suchte bekanntlich schon Morren?) zu er- klären, warum Zex-Sippen mit weißrandigen Blättern lauter chloro- phyllfreie Keimlinge, Zex-Sippen mit gescheckten Blättern dagegen bunte und grüne Keimlinge geben.) Wenn die Blüten völlig weißer Äste reinweiße Keimlinge, die völlig grüner reingrüne hervorbringen, und deren Nachkommenschaft, soweit sie sich prüfen läßt, völlig konstant ist, so wären eben Keimzellen mit der gleichen Disposition zusammengekommen. Das wird auch zum Teil in den Blüten weiß- bunter Zweige der Fall sein; kommt dagegen die Disposition für Weiß mit der für reines Grün zusammen, so gäbe es, wie die Bastardierungs- 1) Über Vererbungsgesetze S. 29. 2) Morren, E.. L’Heredite de la panachure. Bull. Acad. Roy. de Belg. zme Ser. T. XIX (1865). Daß Morrens Ansicht nicht allgemein gültig ist, ist bekannt und lehrt auch Lunaria annua albomarginata, deren Sämlinge weißbunt, nicht weiß sind. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblatterigen Sippen. 321 versuche wenigstens für die Kombination grün © 4- weiß d lehren, eine grüne Nachkommenschaft, die scheinbar nicht spaltet, weil die Disposition für „weiß‘‘ in der auf weißem Mosaikflecken gebildeten Keimzelle nach der Bastardbefruchtung aufgehoben ist (S. 320). Aber schon die Frage, wie die weißbunten Sämlinge, durch die sich die Sippe erhalten läßt, zustande kommen, muß unentschieden bleiben, ob durch die Vereinigung von Keimzellen mit intermediärer oder unentschiedener Disposition, untereinander oder mit solchen mit weißer usw.) Die Frage, wie ein Mosaik der Merkmale überhaupt zustande kommt, will ich hier nicht zu lösen versuchen ?), rein entwicklungs- mechanisch mag der Prozeß bei M. F. albomaculata und M. F. vari- egata z. B. identisch sein, so verschieden sie sich sonst verhalten. Es frägt sich, die Mosaikbildung einmal gegeben, wie in unserm Fall die mosaikähnliche Verteilung der verschiedenartigen Keimzellen zu- stande kommt, warum sich das Mosaik der vegetativen Merkmale und das der Keimzellen offenbar decken, und warum nach einer Bastar- dierung die sicher ‚‚weißbunte‘“ Disposition verschwunden und durch die normal grüne ersetzt ist. Alle hier untersuchten Blattmerkmale — von den ch/orina- bis zu den albomaculata- und albomarginata-Sippen — fallen eigentlich unter den Begriff „Krankheit“ ®): die normale Funktion des Blattes ist durch sie herabgesetzt. Diese „Krankheiten“ müssen ihrem Wesen nach aber völlig verschieden sein, auch wenn sie äußerlich, und viel- leicht auch zytologisch und histochemisch, noch so ähnlich wären. Das zeigen gerade die albomarginata- und albomaculata-Sippen; die eine ist völlig konstant, sie wird im Bastard abgespalten wie irgend eine mendelnde Eigenschaft (S. 328), die andere verhält sich ganz anders. Eine Erklärung kann einstweilen nur von Fall zu Fall gegeben werden. 1) Versuche, wie sie Molisch (Über die Panachüre des Kohls, Berichte der Deutsch. Botan. Gesellsch. Bd. XIX (1901) S. 33) mit weißbuntem Kohl angestellt hat, und bei denen durch Temperatursteigerung eine Zunahme des Grün erzielt wurde, habe ich noch nicht gemacht. Falls sie einen positiven Erfolg hätten, müßten sie besonderes Interesse erwecken, weil bei unserer Mirabilis der äußerlich sichtbaren Mosaikbildung eine ungleiche Verteilung ungleichwertiger Keimzellen entspricht, während sich Molischs Brassica wohl wie Beyerincks Barbarea verhält und lauter gleichwertige Keimzellen bildet. 2) Vgl. dazu E. Pantanelli, Über Albinismus im Pflanzenreich. Zeitschr. f. Pflanzenkrankh. Bd. XV, S. 3 u. f. des S. A. (1905). 3) Pantanelli, E., l. c. 322 Correns. Von allen Annahmen die ich mir zur Deutung des a/bomaculata- Merkmales überlegt habe, scheint mir die einer — nicht ansteckenden — Chlorose des Plasmas allein noch am besten zu passen, einer Chlorose, die den Kern unverändert läßt. Die Kerne wären so auf der ganzen Pflanze gleichartig und gesund, das Plasma dagegen auch in den Keimzellen, dem Mosaik entsprechend, krank oder gesund. So erklärte sich, daß krank und krank wieder krank (weiß), gesund und gesund wieder (konstant) gesund (grün) gibt; die albomaculata-Pflanzen müßten aus Keimzellen hervorgehen, die nur teilweise krankes oder schwächer krankes Plasma enthielten. Vor allem aber würde die Annahme gut erklären, daß sich der Bastard zwischen varzegata 9 und albomaculata S wie ein Bastard zwischen variegata und fypica verhält, denn bei der Bastardierung tritt ja wohl nur der (gesunde) männliche Kern ins (gesunde) Ei. Schwierigkeiten entstehen aber, wenn, wie es wahrscheinlich ist, a/bomaculata © + variegata © oder —+- /ypica S auch vollkommen gesunde grüne Keimlinge geben, obwohl krankes Plasma und gesunde Kerne zusammenkommen; auch bei der Selbstbefruchtung der Blüten weißbunter Äste wird die Kom- bination weißbunt © und grün J' oft genug vorkommen. Hier muß er zunächst das Experiment weiterhelfen. Dieser Mosaikbildung der aldomaculata-Sippe steht nun die der gestreiften Blüten der s¢vzata-Sippen bei Mirabilis Falapa scharf gegen- über. Es ist allbekannt, daß es hier neben einfarbigen auch zahl- reiche gestreift blühende Sorten gibt, und daß diese letzteren teilweise oder ganze einfarbige Blüten oder ganze Äste mit solchen Blüten hervorbringen!). An dieser Änderung nehmen Perigon, Androeceum und Gynaeceum, soweit sie überhaupt gefärbt sind, teil; eine weiß- und rotgestreift blühende e/darubrostriata-Pflanze bringt also z. B. neben den weiß- und rotgestreiften Blüten solche hervor, die zu ®/; oder 7/1) oder %/,9 „sektorial‘“ oder; ganz rotgefärbt sind, oder Aste mit lauter roten Blüten (dann sind auch die Zweigachsen viel stärker rot gefärbt); auch fast oder ganz weiße Blüten kommen vor. Obein Stock solche ganz abweichende Äste bildet oder nicht, steckt in ihm, der eine zeigt sie jedes Jahr oder fast jedes, der andere nie; einzelne homogen gefärbte Blüten werden natürlich viel häufiger gebildet. — Nach der Selbstbestäubung geben die s/riata-Sippen eine Nach- 1) Braun, A., Verjüngung, S. 336, Naudin, Ch., Nouvelles recherches sur Vhybridité dans les végétaux, Nouvelles Archives du Museum, Tome I, Taf. 2 (1863). Die Pflanze ist dort irrtümlich als M. Jalapa +longiflora bezeichnet. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen, 323 kommenschaft, in der neben der Hauptmasse gestreift blühender Sämlinge auch einige Prozent einfarbige zu sein pflegen. Wie bei den variegata-Sippen die reingrünen (S. 297) sind diese einfarbigen Individuen relativ viel zu häufig, und umfangreiche einfarbige Partien an gestreift blühenden Pflanzen viel zu selten, als daß man sie als extreme Fälle von Mosaikbildung ansehen könnte. Ich habe nun schon 1902 gezeigt), daß dieser Mosaikfärbung der Blüten durch- aus kein Mosaik von Keimzellen mit entsprechender Disposition ent- spricht. Bestäubt man z. B. eine reinweiße M. Falapa (alba) einer- seits mit dem Pollen aus roten Antheren einer M. ¥. albarubrostriata, andererseits mit dem aus nichtroten (gelben) desselben Stockes, so sind die Bastarde alle genau gleich, und zwar weißrot gestreift, nicht die einen rot, die andern weiß. Entsprechende Ergebnisse habe ich seitdem immer und immer wieder mit verschiedenen s/riata-Sippen erhalten, mochte ich die Nachkommenschaft ganzer einfarbiger Äste mit der der gestreiften Äste an derselben Pflanze vergleichen oder mit dem Pollen der beiderlei Äste Bastardierungen ausführen). — Die Nachkommenschaft der ganzen homogen blühenden Pflanzen, die in den Aussaaten der s/riata-Sippen auftreten, ist dagegen wesentlich verschieden: bald besteht sie aus lauter homogen blühenden, bald aus gestreiften und aus homogen blühenden; dann überwiegen aber die homogen blühenden stark, vielleicht sind es dreimal so viel, Man sieht also: bei den s¢rzata-Sippen fällt das Mosaik der sicht- baren Merkmale und das der Keimzellen mit verschiedenen Anlagen nicht zusammen. Das Auftreten der homogen gefärbt blühenden Sämlinge und deren Nachkommenschaft zeigt ja wohl, daß hier auch die Keimzellen hinsichtlich ihrer Anlagen verschieden sind. Um bei unserm konkreten Beispiel zu bleiben, wird man annehmen müssen, daß bei der Keimzellbildung hier und da die latente Anlage für rudra (aus der die albarubrostriata durch teilweise Unterdrückung der Farbstoff- bildung hervorgegangen ist) von der Anlage, die die Weißstreifung bedingt, irgendwie getrennt wird, so daß außer den albarubrostriata- auch einige rudbra-Keimzellen entstehen. Das wäre ein Vorgang, der, 1) Über Bastardierungsversuche mit Mirabilis-Sippen, |. c. S. 600 und S, 607. Dort ist auch schon hingewiesen, daß das Versuchsergebnis gegen die Annahme erb- ungleicher Zellteilungen während des vegetativen Lebens spricht. 2) Dies Ergebnis steht im Gegensatz zu dem von De Vries an Antirrhinum majus striatum gewonnenen: „Der Grad der Erblichkeit ist für die roten Knospen- varianten im wesentlichen derselbe wie für die roten Samenvarianten‘‘ (Mutations- theorie Bd. I S. 503). Auch sonst besteht keine volle Übereinstimmung. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. 1, 21 2 We S 324 Correns. an sich verschieden, in der Wirkung einer Mendelspaltung ent- spräche, aber ganz unabhängig davon, ob die Blüte gestreift oder homogen rot ist, eintreten müßte). Möglicherweise sind die ganz rot blühenden Sämlinge einfach teils »xöra-Homozygoten, teils Hetero- zygoten der Abstammung albarubrostriata + rubra, und dann müßten die einzelnen rvubra-Keimzellen auch ungleich dicht über die ganze Pflanze verteilt, aber unabhängig von der Färbung der Blüten entstehen. Betrachten wir nun noch das Verhalten der varzegata-Sippen, so sehen wir, daß es nicht dem der a/bomaculata-Sippe, sondern dem der eben besprochenen s¢rzata-Sippen sehr ähnlich ist. Nur scheint hier die Bildung der homogen grünen Nachkommen nicht ganz unab- hängig vom Mosaik der vegetativen Merkmale zu sein, weil, wie wir wenigstens in einem Fall sahen, die grünen Äste desselben Stockes mehr reingrüne Sämlinge geben als die gescheckten Äste (S. 298) 2). Darin nähern sich die varziegata- den albomaculata-Pflanzen, so daß wir sie nach ihrem Verhalten zwischen den s/riata- und den albo- maculata-Typus stellen können. Vielleicht ist das in seinem Wesen ja ganz unbekannte vegetative Abspalten der Keimzellen mit der grünen Anlage nicht ganz unabhängig von äußeren Einflüssen, wie sie bei den grünen Rückschlagsästen (z. B. durch bessere Ernährung) leicht gegeben sein könnten. Die von Beyerinck studierte Barbarea vulgaris var. variegata und die gleich zu erwähnende Zunaria annua albomarginata (variegata Hort.) gehen dagegen über den s/riata-Typus noch hinaus, indem beide, trotz ihrer Mosaikbildung an den vegetativen Teilen, eine ganz gleichartige, bunte Nachkommenschaft geben. Daraus, daß man die verschiedenen untersuchten Mosaikmerkmale in eine Reihe bringen kann: Mirabilis Falapa albomaculata — M. F. variegata — M. F. striata — Lunaria annua albomarginata, kann man natürlich nicht auf genetische Beziehungen schließen; im Gegen- teil scheint mir alles dafür zu sprechen, daß z. B. AZ F. albomaculata grundverschieden von J/ F. variegata ist. i) Läßt sich das einmal exakter beweisen, so würde ich darin doch keinen Beweis dagegen sehen, daß das typische Spalten bei der Keimzellbildung durch eine Reduktionsteilung erfolgt. Man vergleiche aber die Arbeit Johannsens im ı. Heft dieser Zeitschrift (S. 8). 2) Hierin scheint. sich also unsere variegata der striatum-Sippe des Antirrhinum majus De Vries’ zu nähern. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblatterigen Sippen, 325 II. Urtica pilulifera chlorina. Bei Massenaussaaten, die zu anderen Zwecken gemacht wurden, traten seit Jahren in der 2. Generation des Bastardes zwischen der typischen Urtica pilulifera und der f. Dodartii!) regelmäßig eine An- zahl ganz auffallend hell(gelb)griiner Keimlinge auf, etwa ı %, unter sich übereinstimmend und von der typisch grünen Form leicht zu unterscheiden, sowohl mit dem frlulifera- als dem Dodartüi-Blattrand. Sie glichen in der Nuance ganz den ch/orina-Sippen der Mirabilis Falapa; es trat niemals grüne Scheckung oder ein reingrüner Rück- schlag auf. Ausgewachsen zeigten die verglichenen Individuen, gewiß nur zufällig, keinen augenfälligen Unterschied in der Größe, unter gleichalten Keimlingen waren jedoch, unter ganz gleichen Bedingungen, die c/hlorina-Exemplare sehr deutlich kleiner (in einem bestimmten Fall waren sie z. B. im Mittel 35 statt 45 mm hoch). Auch hier ist offenbar mit dem - ch/orina-Merkmal ein etwas niedrigerer Wuchs verbunden, wie bei Mirabilis Falapa. Weder unter den Pflanzen der ersten Generation des Bastardes, noch unter den Eltern waren entsprechend hellgefärbte Individuen bemerkt worden, trotzdem ist es nicht ausgeschlossen, ja sogar sehr wahrscheinlich, daß die ch/orzna-Pflanzen nicht als Mutationen, sondern als Rückschläge von früherer Bastardierung (Zyfzca + chlorina) her auf- traten. In der Literatur finde ich sie nicht erwähnt; die bekannte gelbbunte Form der Urtica dioica?) hat gar keine Ähnlichkeit. Wiederholte Versuche haben mich gelehrt, daß diese ch/orina-Sippe sich leicht isolieren läßt und sofort völlig konstant ist. Da Urtica pilulifera, wie ihre Verwandten, windblütig ist, mußten die zu prüfenden Individuen natürlich sorgfältig isoliert werden, was nicht immer vollständig gelang. Daß sie monözisch ist und zuerst die männlichen und dann erst die weiblichen Infloreszenzen zu entwickeln pflegt, schadet wenig; eine isolierte Pflanze setzt auch ohne Nachhilfe einigermaßen Samen an. 1906 erhielt ich z. B. von einer pzlulifera chlorina 22 chlorina-Keimlinge, von einer Dodartii chlorina 39 chlorina und 2 grüne, die sicher durch angeflogenen Pollen rein grüner Pflanzen entstanden waren, denn einer hatte den pe/u/éfera-Blattrand. 1908 gaben zwei zusammen isolierte ci/orina 41 und 27 ganz gleichartige Nach- kommen. 1) Über die Eltern und den Bastard vergleiche man: Vererbungsgesetze p. 17 (1905).. 2) z. B. Beyerinck, M. W., Chlorella vulgaris, 1. c. p. 22. 21" 326 Correns. Das Verhalten des ch/orina-Merkmales bei der Bastardierung mit typisch grünen Pflanzen geht aus den folgenden Versuchen hervor: A. Mit zwei pzlulifera chlorina-Pflanzen wurde eine dunkelgrüne Dodartii isoliert und von Zeit zu Zeit kastriert; zuletzt war aber ein Seitenzweig übersehen worden. Bei der Aussaat gab die eine c/lorina 94 hellgelbgrüne und 3 reingrüne, die andere 220 hellgelbgrüne und 3 reingrüne Keimlinge, die Dodarti dagegen 159 sicher dunkelgrüne und 2 fragliche. Die reingrünen Keimlinge in der Nachkommenschaft * der chlorina-Pflanzen waren sicher Bastarde mit der Dodartiz, deren Nachkommenschaft aus 148 dunkelgrünen Bastarden mit dem ?zlulifera Blattrand und 9 dunkelgrünen, durch Selbstbestaubung entstandenen Dodartü-Keimlingen bestand; 2 starben ab, ehe sie auf ihren Blatt-, rand untersucht werden konnten. B. Eine andere dunkelgrüne Dodarti-Pflanze, die mit einer pilulifera chlorina isoliert und besser kastriert worden war, gab bei der Aussaat lauter dunkelgrüne Keimlinge; da aber die c//orina hinsichtlich des Blattrandmerkmales eine Heterozygote war, war nur die Hälfte der Keimlinge (97) ohne weiteres (am gesägten Blattrand) als Bastarde zu erkennen, die andere Hälfte (99 Keimlinge) hatte den Dodarti-Blattrand. C. Eine auffällig heller grüne Pflanze, die jedoch unzweifelhaft zur f. Zypica gehörte, gab nach sorgfältiger Isolierung 51 dunkelgrüne, 15 chlorina- und 5 völlig chlorophyllfreie Keimlinge?). D. E. Einige entschieden dunkelgrüne Pflanzen gaben dagegen, nachdem sie ebenfalls jede für sich gut isoliert worden waren, 240 und 234 typisch grüne Keimlinge. Aus diesen Ergebnissen kann man schließen, daß das chlorina- Merkmal dem typischen Grün gegenüber rezessiv ist, gleichgültig, ob das Pollenkorn oder die Eizelle Träger der ch/orina-Anlage ist, und daß die zweite Generation des Bastardes typisch spaltet. Urztca pilulifera chlorina schließt sich also vollständig an Meirabilis Falapa chlorina an. III. Lunaria annua albomarginata. Die Sippe geht in den Katalogen der Samenhändler, z. B. von Haage und Schmidt, als Zunaria biennis f. fol. variegatis, ich nenne sie hier albomarginata, denn ihre Blätter sind nicht eigentlich gefleckt, 1) Diese weißen Keimlinge entfalteten wohl ihre Kotyledonen wie die normalen, aber auf einem ganz kurzen Hypokotyl, blieben dann einige Wochen völlig unver- ändert und gingen endlich ein. Ähnliches war schon bei früheren Aussaaten hier und da beobachtet worden. Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen. 327 sondern mehr oder weniger breit weiB gerandet, oft nur schmal. Die Versuche, die ich seit 1902 mit ihr angestellt hatte, muBten 1907 aufgegeben werden, als nach dem Winter sämtliche Rosetten aller Sätze erfroren waren. Immerhin läßt das bis dahin ermittelte er- kennen, daß sie sich ganz anders verhält als die a/bomaculata-Sippe der Mirabilis Falapa. ü Soviel ich fand, kommt die Sippe aus Samen ganz konstant; bei Selbstbestäubung erhielt ich von einem Exemplar 29 Pflanzen, die alle mehr oder weniger, aber stets deutlich weißbunt waren!); ein reinweißer Keimling war nicht darunter?). Eine Anzahl Blüten des- selben Exemplares wurde kastriert und mit dem Pollen eines Exemplares der L. annua atropurpurea bestäubt. Diese Sippe hat besonders dunkelgrünes Laub und war, wenigstens in diesem letzteren Merkmal, ebenfalls völlig konstant: 43 durch Selbstbestäubung von dem ge- nannten Exemplar erzogene Nachkommen waren alle tiefgrün. Außer- dem waren auch an diesem Exemplar einige Blüten kastriert und mit dem Pollen der zlbomarginata-Pflanze bestäubt worden. Es war also, außer der Nachkommenschaft der beiden Eltern, der Bastard, in den beiden möglichen Weisen hergestellt, vorhanden. Von der Kombination A: albomaculata 9 + atropurpurea S kamen 24 Pflanzen zur Blüte, von der Kombination B: atropurpurea Q + albomarginata S 42; bis auf drei weißrandige, gewiß durch ein Versehen bei der Kastration bedingte Individuen bei A waren alle gleichmäßig grün, wenngleich merklich heller als die atropurpurea-Sippe. — Die Kotyledonen der arropurpurea- Keimlinge waren merklich kleiner als die der alöomarginata-Keimlinge, die der Bastarde standen den letzteren sehr nahe. Ebenso war schon der Chlorophyligehalt der Keimlinge sehr merklich verschieden: die atropurpurea-Kotyledonen waren tief dunkelgrün, die albomaculata- Kotyledonen hellgriin; die Kotyledonen der Bastarde waren intermediär, die der Kombination 9 atropurpurea + albomaculata S merklich heller als die der umgekehrten Kombination. Bei den aldomarginata-Sämlingen wurde dann das erste Laubblattpaar meist sehr stark weißbunt, das 1) Nach P. J. S. Cramer (l. c. p. 119) ist schon in der Rev. Hort. 1896 die völlige Konstanz angegeben; über seine weitere, nach Gard. Chron. 1889, I. p. 629 u. 1896, I, p. 768 gemachte Angabe, im ersten Lebensjahr zeige die Pflanze noch fast keine bunten Blätter, erst im zweiten erreiche das Merkmal seine ganze Entwicklung (l. c. p- 128) vgl. den Text. Mir steht weder die eine noch die andere Quelle zur Ver- fügung. 2) Der Keimungsausfall war sehr gering (von 77 hatten 73 gekeimt), die Kotyle- donen waren bei allen auffällig hellgrün (sie waren nie weiß gerandet, auch wenn die Pflanzen später stark weißbunt wurden). 328 Correns. zweite schon zuweilen etwas weniger, die Rosetten im Herbst waren nur mehr schwach weiBbunt, mit ihrem Austreiben nahm die Bunt- blättrigkeit wieder zu, und die Infloreszenzen waren oft ganz weiß, so daß wir also für die WeiBbuntheit eine Kurve mit zwei Maxima, am Anfang und Ende der Entwicklung, haben. Von den Bastarden waren verschiedene gesäckt und selbstbestäubt worden, ein Teil der Samen wurde ausgesät, doch kann ich, wegen des eingangs erwähnten Mißgeschickes, nur über die Nachkommen- schaft einer Bastardpflanze (atropurpurea 9 + albomarginata 3) genaue Angaben machen, weil nur bei ihr die Keimlinge ausgezählt worden waren, als sie das zweite Laubblattpaar entfaltet hatten: 45 waren reingrün, 2I mehr oder weniger stark, immer deutlich, weißbunt. Wenn die Prozentzahl der weißrandigen Keimlinge auch etwas zu hoch ausgefallen ist (31%), kann es doch keinem Zweifel unterliegen, daß der Bastard spaltet. Wir sehen also, daß das Merkmal ‚‚weißrandig‘“ bei Zunaria völlig konstant und dem Merkmal (tief-)grün gegenüber rezessiv ist und typisch abgespalten wird, es verhält sich also ganz wie das ch/orina- Merkmal von Mirabilis Falapa und Urtica pilulifera. Die von Beyerinck!) studierte Barbarea vulgaris var. foltis variegatis ist, was die bei Selbstbefruchtung entstandene Nachkommenschaft betrifft, unserer Zunaria ähnlich; das Verhalten bei der Bastardierung erörtert Beyerinck?) nicht. Schlußbemerkung. In der nachfolgenden Tabelle habe ich versucht, die wichtigeren Tatsachen vergleichend zusammenzustellen; dabei sind auch die Er- gebnisse der Versuche mit gestreift blühenden Mradilis-Sippen berück- sichtigt, soweit sie zum Vergleiche wertvoll schienen. Die knappe Tabellenform hat dabei einigemal eine bestimmtere Formulierung gefordert als die breitere Darstellung im Text. Auf eine Zusammen- stellung der Folgerungen will ich, um nicht zu weitläufig zu werden, verzichten, und verweise ihretwegen auf die Arbeit selbst, vor allem auf S. 320f., wo die Deutung der Vererbungserscheinungen der weiß- bunten Mirabilis-Sippe versucht ist und sie mit denen der anderen Mosaikbildungen verglichen werden. 1) Ursprünglich war meine Absicht gewesen, Bastarde zwischen der perennierenden Lunaria vediviva und der hapaxanthen L. annua herzustellen; alle Versuche, bei denen Lunaria vediviva sowohl als 5 als als Q diente, schlugen jedoch fehl, ein Er- gebnis, das mir bei der nahen Verwandtschaft beider Arten unerwartet kam. 2) Chlorella vulgaris, ein bunter Mikrobe, 1. c. p. 24. 329 Vererbungsversuche mit blaßgrünen und buntblätterigen Sippen. "ueS | Ppus1orunuop “ung 371917593 ("re ) (oaatfoy) ‚nung “souoy (Peg) aıpue J9po “urs “YN arp woses | usdowoy rayne, |'Tweg 'yngq “Sowoy | aissezor | ujazuronzep [ues| want aqiey (a9 | *1gUa5) “I aIp atm |"yniq }1e1}S8e8 [orA| uarqıeod vdow£ | -yunp) outa ajsy uapueyniq yleq}ses arp ora :uoeRmusg *Z ruorjeiauey “I | uasomoy| 71011593 sign uaypedsa3 aıp u08ad :ajsy apusyngg uodouoy :9)sy epuaynyq 471917598 yur oISYy WERE DDa.uS (our.o7y2 ym =prejseg) aes “PII. }[aPURMIOA sunıd ı97ne] [wes aunıd s unıdarsı ur [eu « é z a1sy 193y9sa Be is ‘TWeS 'q1oIs aouas) St erpers TES alroauaag3 ounıd unısjemlou pgow£ -09 sep Tram "JueS aunıdursl -qe 'aglamurı —_— *]WIES agıtaMm Ua zued pun sytgpar yy ‘ima soqe jueys| (requioyas) | :'rerauay '@ mL :uoryelauss) “I :uolfel9uan) “Zz [UOT}BIIUED “I pun agraa|(YOITqIP5 18p0)| Promo -uoy Iequrayos AlIssazor aysy ouni3 :oqSy ages :aysy 2719940593 zues GPa queT | -Dwoqın ‘puresa}joayoses (7 4) ‘ureSa7oayosea(% ¢) Jıarzıydıuoy pun sunıd (P/g:) pun ound (P/ei) (aıse}sodAy) yone Yy9TaLaTA 19po 'JWES a {PUI puszaruruop| Tes auni3 Jayne] “Wes sunıduraı auUNISUTAI Ione] ‘jures ounisutTer }yoayos apusjaryyne \p1140/49 ‘3583| [9TA nzep ujozuro nzep [weg -98 unis Nau yoınp 'L 'z | ‘Alssazaı é ‘Tues a}yIYOSeS | "Iauaz) “I SIP am ayyoayoses [TA aisy yeuriou pun | 2fomw£ “ua} uni 'd4} | :uoneruan) 'z :uorfeIousg) "I :uoNeIauad) 'T :uoelousg) ‘I aunis unis (qjes) | signer -jedsa3 yostd4y | sep uadad | } :ojsy euns3 :ojsy ayyoayoses zues ey qnuey [pmBorıma (pue yy pnuuv wogtem ru | vuounT zpepg) yung) pypwd uojpedsa3 yostdA}| Arssazar yue4suoN goutey | -giem que |-ımwoqı» yıarzıpduoy paafynnd (atseysod zy) [227779] “Wyo, "Payne ‘pdop£f Neu yoinp '’L "zZ unas (qrad) | surgoaumy “uoypedsadyosrdA}] Atssozai yue}suoN aurmy “Hoy que | punıoryd uonEdauag) 'z uonvIausg) 4 uaddıg *yostdAy "ur ‚piejseg “p 'q uoyeydo‘ Sunqnejsaqsqyas Taq IFeyosuswmonyseN UOLWON ~10,\ pun owen ‘o[VUY II WO}ZYONSIOPUN Jop uorjeyıoy Sep JoqN Fydrsıoqg oydstıerfoqeL Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse der „Varietates albomarginatae hort.“ von Pelargonium zonale. Von Erwin Baur, Berlin. Schon wiederholt habe ich darauf hingewiesen, daß unter den Bezeichnungen Albicatio, Variegatio, Panaschierung usw. durchaus verschiedene Dinge zusammengefaßt werden, die untereinander nur eine sehr oberflächliche Ähnlichkeit haben. Eine erste Gruppe von solchen Panaschierungen, die von allen andern prinzipiell verschieden ist, habe ich als infektiöse Chlorose be- zeichnet, und ich habe darüber in einer Reihe von kleineren Mit- teilungen berichtet!). Hier beruht die Buntblätterigkeit, der partielle Verlust des grünen Pigmentes der Chlorophyllkérner, nicht auf einer erblichen Eigenschaft, sondern auf einer eigenartigen fortwährenden Autoinfektion, oder wenn man will, Autointoxikation. Man kann der- artige gelb- oder weißfleckige Pflanzen durch Verhinderung der Auto- intoxikation jederzeit zu weiterhin konstanten grünen Pflanzen machen und kann andererseits eine bis dahin grüne Pflanze durch Pfropfsymbiose mit einer bunten selbst buntblätterig machen. Durch Samen über- trägt sich diese Art der Buntblätterigkeit in den bisher bekannten Fällen nicht. Auch abgesehen von dieser infektiösen Buntblätterigkeit sind nun aber die übrigen nicht infektiösen Arten von Albicatio, Panaschierung usw. nichts Einheitliches: Es gibt zunächst einmal samenbeständige, völlig konstante Rassen, die dadurch ausgezeichnet sind, daß ihre Chromatophoren die grünen Farbstoffe in beträchtlich verminderter, die gelben Farbstoffe aber in unveränderter normaler Menge führen. Diese Rassen haben infolgedessen lebhaft gelbgrüne Blätter. Bei 1) Sitzungsberichte Akad. Wiss. Berlin 1906 S. ı, Berichte der Deutsch. Botan. Gesellschaft 24 1906 S. 416, 25 1907 S. 410, 26a 1908 S. 711. Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse usw. 331 Kreuzung mit grünen Rassen erweist sich das grün als dominierend und in F2 erfolgt ein regelrechtes Aufspalten in 3/, grüne und !/, gelb- grüne Keimpflanzen. Über Versuche mit einer derartigen konstanten gelbgrünen Rasse werde ich bei einer andern Gelegenheit berichten. Eine weitere Kategorie von gelblichgrünen Rassen ist ebenfalls in gewissem Sinne konstant, aber die Sache liegt hier so, daß die gelblichgrünen Pflanzen alle Heterozygoten sind, die bei Selbstbefruchtung aufmendeln in 1/, rein gelbe, nicht lebensfähige, !/, rein grüne, Fig. 1. Blatt von Pel. 4. Etwa 4:3 vergrößert. weiterhin konstante, und °/, gelblichgrüne, weiterhin wieder spaltende Individuen. Mit andern Worten, es liegt hier eine rein gelbblätterige Rasse vor, die homozygotisch nicht existenzfähig ist, weil sie nicht assimilieren kann. Näheres über diese sonderbaren Rassen habe ich vor einiger Zeit mitgeteilt 1). Damit ist die Zahl der verschiedenen Arten von Albicatio jedoch bei weitem nicht erschöpft, es gibt noch eine ganze Reihe von andern Kategorien, die, soweit ich darüber schon ein Urteil habe gewinnen können, wieder andere, höchst eigenartige Erblichkeitsverhältnisse auf- 1) Berichte der Deutsch. Botan. Gesellschaft 25 1907 S. 442 und Zeitschrift f. i. Abst. u. Vererbungslehre 1 1908 S. 124. ’ 332 Baur. weisen. Es soll die Aufgabe dieser Zeilen sein, über Untersuchungen zu berichten, die nach meiner Meinung das Wesen einer weitern Kategorie klar legen und die außerdem auch auf einige allgemein wichtige Fragen der Vererbungslehre einiges Licht werfen. e Die Versuche betreffen die Natur der weißrandblätterigen Varietäten, die von Acer Negundo, Cornus alba, Pelargonium zonale und zahlreichen andern Pflanzen bekannt sind und als Zierrassen sehr viel kultiviert werden. Versuchsobjekt waren im wesentlichen derartige weißrand- blätterige Sippen von Pelargonium zonale, von denen ein Blatt in Fig. ı dargestellt ist. : Bekannt ist über das Wesen und die Erblichkeitsverhaltnisse der- artiger Rassen bisher fast nichts. Einige Angaben macht Morren!), er gibt pag. 232 im allgemeinen an, daß die Randpanaschierung mehr samenbeständig sei als andere Arten der Panaschierung und erwähnt speziell, daß ein weißrandblätteriger /er nur ganz weiße, nicht lebens- fahige Keimpflanzen ergab. Analoge Ergebnisse hatten Aussaatver- suche von Reutter*) mit Samen einer weißrandigen Quercus pedunculata, alle Sämlinge waren rein weiß, und auch Graf von Schwerin?) erhielt von Acer Negundo fol. albomarginatis nur weiße Sämlinge. Schwerin sucht die Erklärung hierfür darin, daß die Samenanlagen auf dem — weißen — Rande der Fruchtblätter aufsitzen, eine Er- klärung, die übrigens auch Morren schon erwähnt hat. Das dürfte wohl das Wichtigste sein, was über die Erblichkeit weißrandiger Rassen bekannt ist. In Gartenzeitschriften, Gärtnereikatalogen und dergleichen finden sich freilich noch manche Beobachtungen mitgeteilt, aber die Angaben sind wohl meist derartig ungenau, daß man sie nicht ver- werten kann. Eine einigermaßen umfassende Zusammenstellung der Literatur über diese Fragen gibt übrigens Cramer‘), auf die hiermit „ verwiesen sei. Berichte über umfangreiche systematische Unter- suchungen habe ich jedoch in der Literatur nicht finden können, es steht in der Hinsicht mit den Weißrandrassen nicht anders als mit den mehr oder weniger samenbeständigen buntblätterigen Pflanzen über- 1) Morren. Heredite de la panachure Bull. Acad. Roy. de Belg. 2. Ser. 19 1865 S. 224. 2) Reutter. Monatschrift Beförd. Gartenbaues 1878 S. 184. 3) Schwerin, Graf von. Mitt. d. Deutsch. Dendrolog. Gesellschaft 1896 S. 93. 4) Cramer, P. I. S. Kritische Übersicht der bekannten Fälle von Knospen- variation. Natuurk. Verhand. Hollandsche Maatschappij Wetensch. 3. Verz. Deel VI 3. Stuck. Harlem 1907. Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse usw. 333 haupt, von denen de Vries!) sagt: ,,Merkwiirdigerweise muß fest- gestellt werden, daß die Weißfleckigkeit der Blätter vielleicht die am allgemeinsten bekannte Anomalie ist, während die erblichen Ver- hältnisse derselben wohl am wenigsten bekannt sind.“ Eigene Untersuchungen. 1. Untersuchungsmaterial. Ich operierte mit folgenden Pflanzen (alles Rassen von Pelargonium zonale Hort.): Pel. 42). Pflanze aus einer Handelsgärtnerei in Friedrichshagen. 1904 von mir in Kultur genommen. Blätter grau-grün mit weißem Rande (Fig. ı). Blüten rosa, teilweise gefüllt, Antheren vielfach steril. An dem Stocke entstanden mehrfach an ganz verschiedenen Ästen rein grünblätterige Zweige. Abgetrennt und als Stecklinge selbständig gemacht, sind einige dieser Zweige zu kräftigen dauernd grünen Pflanzen herangewachsen. Keiner der grünen Zweige ist später wieder buntblätterig geworden. Im Jahre 1906 bildete die Pflanze einen rein weißen Zweig, der bis Herbst 1907 am Leben blieb und bis dahin rein weißblätterig weiterwuchs. Pel. 9. Gekauft 1907 als ,,Pe/. zonale $. C. Mapping“ von E. Benary in Erfurt. Weißrandblätterig wie Pel. 4. Blüten weiß mit zartem rötlichen Geäder (apfelblütenfarbig), ungefüllt, gut fertil in beiden Geschlechtern. Im Sommer 1907 trieb die Pflanze einen rein weißen Zweig, der dunkelrote Blüten bildete. Der Zweig wuchs dauernd rein weißblätterig weiter?). Im Frühling 1908 entstand ein Zweig mit grünen Blättern, die aber im Zentrum deutlich gelblichgrün sind. Die Blüten dieses grünen Zweiges sind weiß wie die der Stammpflanze. Der reinweiße Zweig ist weiterhin mit Pel. gb, der grüne mit Pel. ga bezeichnet. Pel.ıo. Gekauft 1907 als ,,Pe/. zon. Mrs. Lennor 22“ von E. Benary, Erfurt. Weißrandblätterig wie die vorigen, leuchtend rote Blüten, fertil in beiden Geschlechtern. 1) de Vries-Klebahn, Arten und Varietäten. Berlin, Borntraeger, 1906 S. 262. 2) Stammbuchnummer der Pflanze. Mit dieser Nummer werden die Versuchs- pflanzen im folgenden immer bezeichnet werden. 3) Offenbar handelt es sich hier in bezug auf die Blütenfarbe um eine vegetative Mutation. Untersuchungen, die diese Frage klarstellen sollen, habe ich im Gange. Daß die Mutation gerade auf dem rein weißen Aste erfolgte, ist wohl nur ein Zufall. 334 Baur. Pel. 12. Gekauft als ,,Pel. zon. Snowflok«‘ von E. Benary, Erfurt. Weißrandblätterig wie die vorigen, Blüten dunkelrot, fertil in beiden Geschlechtern. Pel. 8. Sämling von mir gezogen aus einer völlig konstanten, rein grünblätterigen, leuchtend rot blühenden Sippe. Pel. ı und Pel. 13 ebenfalls auf ihre Konstanz in mehrjährigen Aussaatversuchen geprüfte, grüne, rosablühende Pflanzen, Pel. 13 ist ein durch Selbstbefruchtung erhaltener Deszendent von Pel. 1. Pel. 7. Ein grüner leuchtend rot blühender Deszendent aus der Kreuzung) Pel 8s< Pel. x. ; 2. Anatomie der weißrandblätterigen Pflanzen. Die mikroskopische Untersuchung ergibt, daß die Zellen des weißen Blattrandes statt normaler grüner Chromatophoren farblose Chroma- tophoren aufweisen, die CO, nicht assi- milieren, aber imstande sind, aus Zucker Stärke zu bilden. Die Grenze zwischen dem grünen und dem weißen Gewebe ist sehr scharf, in der Weise, daß die eine Zelle noch nur farblose, die an- grenzende nur völlig normale rein grüne Chromatophoren führt. Des weitern ist leicht zu konstatieren, daß nicht bloß der Blattrand aus Zellen mit farblosen Chromatophoren aufgebaut ist, sondern die ganze Pflanze, Blatt, Blatt- stiel und Stamm stecken quasi in einerfarblosen Haut. Etwas schema- tisiert ist das in Fig. 2 dargestellt. Die peripheren zwei bis drei Zellagen, die sonst, bei rein grünblätterigen Pflanzen durch einen beblätterten Sproß einer (natürlich mit Ausnahme der Epidermis- Weißrandpflanze. ,,Griines‘‘ Gewebe zellen), grüne, chlorophyllhaltige Chro- punktiert, albikates weiß. matophoren führen, sind bei diesen Weißrandpflanzen überall, auch in den scheinbar grünen Teilen farblos, z. B. führen auch die Schließzellen aller Spaltöffnungen bei diesen Weißrandpflanzen nur farblose Chromatophoren. Eine Übersicht über die Verteilung und die Grenzen der grünen und der albikaten Gewebspartien im Blatte Fig. 2. Schematischer Längsschnitt Das Wesen und die Erblichkeitsverhaltnisse usw. 335 gibt Fig. 3a, während in Fig. 3b ein entsprechender Schnitt durch ein Blatt einer grünblätterigen Pflanze abgebildet ist. Der genaue Verlauf der Grenze zwischen dem peripheren albikaten und dem Fig. 3. Schnitte durch die Randteile eines weißrandigen (a) und eines normalen grünen Pelargoniumblattes. Grünes Gewebe punktiert. Der Inhalt der kleinen Rechtecke links in den Figuren ist in Fig. 4 noch einmal bei stärkerer Vergrößerung gezeichnet. Fig. 4. Links (a) Schnitt durch obere Epidermis und Pallisadenzellen eines Weiß- randblattes (Pel. 10). Die Zellen der obersten Pallisadenschicht — mit farblosen Chromatophoren — auch in ihrer Form verändert. — Rechts (b) der entsprechende Schnitt durch ein Blatt einer rein grünen Pilanze (Pel. 8). Grüne Chromatophoren in beiden Figuren mit schwarz wiedergegeben. 336 Baur. zentralen grünen Gewebeanteil in den mittleren Partien eines weiß- randigen Blattes ist in Fig. 4a dargestellt. Ein Vergleich mit dem entsprechenden Schnitt durch ein rein grünes Blatt (Fig. 4b) zeigt sehr deutlich, wie auch die Form der obersten, in Fig. 4a albikaten, Pallissadenzellen stark in Mitleidenschaft gezogen ist. Die entsprechenden Bilder für den Blattstiel und den Stamm geben, die Fig. 5—6 zu denen ein weiterer Kommentar wohl nicht notwendig ist. „Man gewinnt Fig. 5. Teil eines Quer- schnittes durch d. Stengel einer Weißrandpflanze (Steckling von Pel. 10). Grünes Gewebe punktiert, albikates weiß, mecha- Fig. 6. Schnitt durch peripheren Teil eines nisches und Leit-Gewebe Blattstieles von Pel. 4. Die 3—4 äußersten schwarz. Zellagen haben albikate Chromatophoren. durch die anatomische Untersuchung schon den Eindruck, daß einer- seits alles grüne Gewebe und andererseits alles albikate Gewebe dieser Weißrandpflanzen in sich genetisch zusammenhänge, indem nämlich die ganze Zelldeszendenz der 2 oder 3 periphersten Zellschichten des Vegetationskegels (Fig. 7) albikate, die ganze Zelldeszendenz der inneren Zellen des Vegetations- kegels grüne Chromatophoren hat. Sicher zu beweisen ist diese Vermutung auf anatomischem Wege nicht, weil erst ein Stückchen hinter dem Vegetationskegel die Farbe der Chromatophoren zu erkennen ist. Diese Frage wird jedoch durch die jetzt zu besprechenden eigenartigen Erblichkeitsverhältnisse der Weißrandpflanzen entschieden. Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse usw, 337 3. Erblichkeitsuntersuchungen. Es war zunächst festzustellen, wie die durch kontrollierte Selbst- befruchtung der Weißrandpflanzen gewonnenen Sämlinge beschaffen sind. Das Ergebnis meiner Versuche ist in Tabelle 1 zusammengestellt. Daraus ist zu ersehen, daß alle derartige Keimpflanzen rein weiß (also nicht etwa weißrandig!) sind, ein. Resultat, das mit den oben (S. 332) genannten Befunden von Morren u.a. übereinstimmt. Diese Fig. 7. (Mikrophotogramm von einem Paraffinschnitt) Vegetationspunkt von Pelar- gonium zonale (Zweig von Pel. 8). Verlauf der Zellschichten. Das jüngste Blatt rechts (= Nebenblatt!) zeigt sehr schön, wie die Zelldeszendenz der dritten Schicht schon ein Stück vom Blattrande entfernt auskeilt, so daß unmittelbar am Blattrande das ganze innere Gewebe — Pallisaden nur Schwammparenchym — nur von Zellen, die aus der zweiten Schicht stammen, gebildet wird. rein weißen, völlig chlorophyllfreien Keimpflanzen blieben sämtliche nur etwa acht Tage am Leben, ikamen bestenfalls noch dazu,) das erste Laubblatt zu entfalten und verhungerten dann wegen der für sie unmöglichen CO,-Assimilation. Ganz genau die gleiche Deszendenz wie diese Weißrandpflanzen haben auch die auf Pel. 4 und Pel. 9 entstandenen rein weißen Äste. Der im Jahre 1906 auf Pel. 4 entstandene weiße Ast blühte 338 Baur. im gleichen Jahre und setzte bei Selbstbefruchtung einige Samen an, ich erzog daraus 7 rein weiße Keimlinge. Blüten des weißen Astes von Pel. 9 setzten bei Selbstbefruchtung nur sehr schlecht Samen an, ich erhielt in 1908 nur vier Samen, von denen nur einer keimte und ebenfalls eine rein weiße Keimpflanze lieferte. Tabelle tr. Eltern Rein weiße Keimlinge Belaa2><'Pel.9 8 Pel to) >< Bel. ro 23 Belsm22><2Pel-T2 ol) Sa. Weißrand >< Weißrand 42 Grüne Äste, die auf Pel. 4 wiederholt entstanden waren, gaben bei Selbstbefruchtung eine rein grüne Deszendenz; im ganzen habe ich in zwei Sommern von den grünen Ästen von Pel. 4 rund 50 durch Selbstbefruchtung innerhalb des grünen Astes gewonnene Samen aus- gesät. Alle — etwa 30—40 — aufgegangenen Keimpflanzen waren rein grün und sind, soweit sie groß gezogen wurden — vier Pflanzen —, zu dauernd rein grünen Pflanzen herangewachsen. - Es bestehen also für diese Weißrandpelargonien folgende Erblich- keitsverhältnisse: 1. Die weißrandblätterigen Zweige haben eine rein weiße Deszendenz. 2. Die gelegentlich auftretenden weißen Zweige haben eine eben- falls rein weiße Deszendenz. 3. Die gelegentlich auftretenden grünen Zweige haben eine rein grüne Deszendenz. Eine nächste Serie von Versuchen betraf Kreuzungen zwischen weißrandigen Pflanzen bzw. ihren rein weißen Ästen einerseits und grünen Pflanzen andererseits. | A. Kreuzung von grün = rein weiß und reziprok. Der weiße Ast von Pel.4 wurde nicht zu Kreuzungen verwendet, der weiße Ast von Pel. 9 — weiterhin als Pel. gb bezeichnet — ergab bei Kreuzung mit Pel. ı3 die in Tabelle II dargestellte Nachkommen- schaft. 1) Pel. 12 setzte bei Selbstbefruchtung nie Samen an. Das Wesen und die Erblichkeitsverhaltnisse usw. 339 Tabelle II. Fir Nr. der Eltern Blattfarbe der Eltern Z : rein grün | are weiß | marmoriert Pel. ob >< Pel. 131) weiß >< grün I | Pel. 13 >< Pel. gb grün >< weiß 38 7 | o Sa. 39 | 7 | oO B. Kreuzungen von grün X weißrand und reziprok. Ich gebe die Resultate wieder in Tabellenform. Tabelle III. 1 A Nr. der Eltern Blattfarbe der Eltern = = rein grün EEE weiß marmoriert | I>x< 9 grün >< weißrand I I o 13,0% 49 2 27 6 I 2210 ” >< PR 53 7 2 7. >22 12 I tek - 58 4 I Aen weiBrand >< grin 14 4 [e) Os 15 en Sa, 20 Gi ° LOSS 17 en Sa 19 5 fo) 12>) rs rn 7 7 o Sa 199 41 4 C. WeiBrand =< WeiB2). Keimfähige Samen erhielt ich nur aus der Kreuzung Pel. 9 > Pel. gb, alle vier aufgegangenen Keimpflanzen waren rein weiB. Diese Kreuzungsversuche ergeben also: Kreuzung erhaltene Keimpflanzen Weiß >< Weißrand . . . . . . .| nur weiße Weiß >< Grün und reziprok . . . . | teils grüne, teils grün-weiß marmorierte Weißrand >< Grün und reziprok. . . | teils grüne, teils grün weiß marmorierte, teils rein weiße 1) Stets 9 x 8. 2) Aus der reziproken Kreuzung habe ich keinen Samen erhalten können, nur ein kleiner Bruchteil der ja sehr schlecht ernährten Blüten von Pel. gb setzte Samen an. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. I. 22 340 Baur. Die Frage, wie nun alle diese Ergebnisse wohl zu deuten sind, wollen wir zunächst einmal ruhen lassen, ich komme nachher (s. 348) darauf zurück. Zunächst sollen, um das Verständnis der Sache zu erleichtern, einige andere Beobachtun- gen mitgeteilt werden. _ Diese Beobachtungen be- treffer’ die als „grün-weiß marmoriert‘ bezeichneten Sämlinge. Bildervonsolchen Keimpflanzen geben die Fig. 8 und g. Diese Pflänzchen sind quasi mosaikartig zu- sammengesetzt aus großen und kleinen rein grünen und rein weißen Gewebekom- Fig. 8. Grün-weiß marmorierte Keimpflanze. (Pel. 23) plexen, die sich zwar sehr aus der Kreuzung Pel. 31> F ; (Pel. 24) aus der Kreuzung Pel. 10><7. Ein derartiger weiß gewordener Linkes Keimblatt stark marmoriert, rechtes Keimling mit ursprünglich mar- größtenteils grün. Bildete weiterhin einen = 5 age . sektorial weiß und grün geteilten Stengel, morierten Cotyledonen ist In Fig. der 11/, Monate später der mikroskopischen IO abgebildet. Untersuchung geopfert wurde. (Vgl. Fig. 15.) Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse usw. 341 Ein zweiter Teil bildete weiterhin nur griine Laubblatter und wuchs zu dauernd grünen Pflanzen heran, die später, nachdem die marmorierten Keimblätter erst abgefallen waren, in nichts mehr von den von vornherein rein grünen Keimpflanzen verschieden waren. Zwei derartige ursprünglich marmorierte, später rein grün gewordene Keimpflanzen (aus der Kreuzung Pel. 8 =< Pel. 4) habe ich zwei Jahre in Beobachtung gehabt, irgend welche weiße Flecken oder dgl. traten Fig. 10. Pel. 20. Sämling aus der Kreuzung Pel. 4 >< Pel. 7. Grün-weiß marmorierte Cotyledonen, auch das erste Laubblatt (links oben) noch teilweise grün, alles weitere rein weiß. Photogr. am 29. Oktober 1908. Mitte Dezember starb die Pflanze Hungers. [4 nicht auf, Sämlinge dieser Pflanzen — rund 50 — waren ausnahmslos rein grünblätterig. / Ein dritter Teil der Keimpflanzen mit grün-weiß marmorierten Blättern bildete weiterhin auf dem einen Teile des Stengelumfanges nur grüne, auf dem anderen nur !weiße Blätter aus (Fig. 11—13). Blätter, die an solchen sektorial geteilten Pflanzen gerade auf der Grenze des grünen und weißen Sektors aufsitzen, sind ganz ent- sprechend auch geteilt. Sitzt ein Blatt zufällig genau mitten auf der Grenze, dann ist es auch genau median geteilt (Fig. 14), ist das Blatt mehr seitlich auf der Grenze inseriert, dann entstehen Blätter, wie sie in Fig. 11-13 und in Fig. 17 verschiedentlich zu seben sind. tv * 342 Baur. Diese Pflanzen haben demnach ganz offenbar einen sektorial geteilten Vegetationskegel, so wie etwa die bekannten Winkler- schen Chimären!). Die Grenze zwischen dem grünen und dem weißen Gewebe ist an solchen Sektorial- chimären, wie ich sie weiterhin nennen werde, nicht bloß auf den Blättern, sondern auch auf den Blattstielen und Stengeln mit aller Deutlichkeit zu schen und mikroskopisch Zelle für Zelle bisnahe an den Vegetationskegel hin zu verfolgen. Achselsprosse auf der grünen Seite Fig. 11. Pel. 16 aus der Kreuzung = solcher Sektorialchimären wachsen zu Bel 7 >< Bel 102»Photogr. am ; be : Sen ose) era. 1g, Feingrünen; Achselsprosse auf der weißen Seite zu rein weißen Asten aus. Über die Deutung dieser Beobachtungen dürfte wohl kaum eine Meinungsverschiedenheit entstehen. Die grün-weiß marmorierten Keim- linge sind, wie wir gehört haben, mosaikartig zusammengesetzt aus grünen Gewebekomplexen und aus weißen; sitzt nun einmal der Hauptvegetationskegel einer solchen marmorierten ‚Mosaik“- Pflanze zufällig in einem grünen Komplexe, so produziert diese Keimpflanze weiterhin nur grüne Blätter, sitzt der Hauptvegeta- tionskegel ganz in einem weißen Komplexe, so wird die Pflanze weiterhin nur rein weiße Blätter Fig. 12. Pel. 16 aus der Kreuzung Pel. 7 >< und Sprosse bilden können, und Pel. 10. Photogr. am 29. Sept. 1908. Ent- sitzt der Vegetationskegel end- wicklung zur Sektorialchimäre. lich zufällig gerade auf der Vgl. Fig. 11 u. 13. Grenze zwischen einem weißen und einem grünen Gewebekomplex, dann entstehen die sektorial geteilten, auf der einen Seite weißen auf der andern Seite grünen Pflanzen, die eben beschriebenen Sektorialchimären. 1) Winkler, H. Über Pfropfbastarde und pflanzliche Chimären. Berichte d. Deutsch. Botan. Gesellschaft 15 1907. S. 568. (Referat in Zeitschrift f. i. Abst. u. Vererbungsl. 1 1908. S. 139.) Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse usw. 343 Die grün-weißen Sektorialchimären können als solche lange Zeit fortwachsen. Es kann aber auch früher oder später dazu kommen, Fig. 13. Pel. 16 aus der Kreuzung Pel. 7 >< Pel. 10 Photogr. am 29. Okt. 1908. Sektorialchimare. Vgl. Fig. 11 u. 12. daß der eine der beiden Sektoren schmaler wird und schließlich auf diese Weise, (oder in anderen Fällen auch durch eine Art von Über- gipfelung) ganz verschwindet. Ich habe diese Erscheinung öfters beobachtet. Von 23 in Beobachtung genommenen Sektorialchimären ist bei allen bis auf eine einzige der Hauptvegetationskegel im Laufe eines halben Jahres entweder rein grün oder (in zwei Fällen) rein weiß geworden. Durch welche Prozesse am Vegetationskegel diese Erscheinung zu- stande kommen muß, brauche ich wohl nicht im einzelnen zu besprechen. Die Entwicklung der Sektorialchimären kann aber auch noch in einer ganz anderen Richtung weitergehen, und dadurch wird eigentlich mit einem Schlage das ganze Wesen und die sonst Fig. 14. Blatt von Pel. 14 genau auf der Grenze eines weißen und eines grünen Sectors aufsitzend. so unverständlichen Erblichkeitsverhältnisse der Weißrandpflanzen, von denen wir ausgingen, klar. 344 Baur. Wenn man sich auf dem Stengel einer der sektorial geteilten Pflanzen den Verlauf der Grenze zwischen griinem und weiBem Gewebe betrachtet, dann kann man sehen, daß häufig die Grenze in ungefähr radiärer Richtung in das Innere hinein verläuft, so wie etwa bei a in Fig. 15; Blätter, die median auf einer solchen Grenze aufsitzen, sind so geteilt, wie das in Fig. 14 dargestellte Blatt. Es kommt aber auch oft vor, daß die Grenze nicht radial. verläuft, sondern so, wie in Fig. 15 bei 6, d. h., daß a quasi eine weiße Schicht das grüne Gewebe ein Stück weitüberlagert. An einem solchen Sektor muß also am Vegetationskegel die Ver- teilung der weißen und der grünen Zellen eine derartige sein, wie sie in Fig. I6 im Längsschnitt leicht schema- tisiert dargestellt ist. — In allen Fällen, wo nun bis- her an meinen Pflanzen in einen derartigen Sektor Blätter gebildet wurden, sind diese Blätter weiß- randiggewesen, genau wie die Weißrandblätter von Pel. 4, 9 usw. Ein solcher Fig. 15. Querschnitt durch den Stamm einer Fall, wo gerade an einer Sek- sektorial weiß-grün geteilten Pflanze (Pel. 24, torialchimäre an einer der- aus der Kreuzung Pel. 10>< Pel. 8. Ursprünglich sektorial geteilte Pflanze, welche eben auf der so wie in Fig. 15 bei b verlaufenden Grenze ein Weißrand- blatt (links oben im Sinne des Beschauers) gebildet hat. Ein auf der andern Grenze aufsitzendes Blatt (nach rechts oben gerichtet) ist genau median in eine weiBe und eine grüne Hälfte geteilt, so wie das Blatt in Fig. 14. Das völlig im weißen Sektor inserierte Blatt (nach oben gerichtet) ist rein weiß, die völlig im grünen Sektor in- serierten (unteren drei) Blätter sind rein grün. Aus der Achsel des Weißrandblattes ging später ein typischer weißrandblätteriger Zweig hervor. Fig. 18. Stecklingspflanze von Pel. 9. Das Blatt ganz rechts läßt eine Störung in der Verteilung der beiden Chimärenelemente erkennen. Erklärung im Texte. Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse usw, 347 Befunde, sie verhalten sich in bezug auf ihre sexuelle Deszendenz genau so wie eine rein grüne Pflanze, ich habe von Pel. ga im ganzen Fig. 19. Schematischer Querschnitt durch den Blattrand einer „umgekehrten“ innen weißen, außen grünen Periklinalchimäre. 35 durch Selbstbefruchtung erzeugte Sämlinge großgezogen, alle waren ausnahmslos rein und konstant grün. Eine dritte eigentümliche Sorte von Chimären ist in Fig. 20 ab- gebildet, hier ist der Vegetationskegel ziemlich genau halbiert in eine Fig. 20. Pel. 4c. „Doppel‘“-Chimäre, ein Sektor rein grün (im Bilde unten), ein Sektor periklinal grün weiß geteilt. Die auf der Grenze aufsitzenden Blätter entsprechend in eine grüne und eine weißrandige Hälfte geteilt. grüne und eine weißrandige Hälfte. Auch entsprechende weiß- randige Chimären habe ich beobachtet. Auch diese beiden letzt- genannten Chimären wuchsen zwar mehrere Monate als Chimären weiter, wurden aber beide später durch allmähliches Verschwinden des einen Sektors zu reinen Weißrandpflanzen. 348 Baur. Unklar ist an allem dem jetzt noch ein Punkt, nämlich die Frage, als was sind die mosaikartig zusammengesetzten griin-weiBen, durch Ver- einigung von ,,griinen“ mit „weißen“ Sexualzellen entstandenen Bastard- sämlinge aufzufassen. Eine endgültige Antwort auf diese Frage kann ich noch nicht geben, doch dürfte auch diese Frage in absehbarer Zeit zu entscheiden sein. Wir hatten gesehen, daß aus der Vereinigung einer weißen mit einer grünen Sexualzellen dreierlei Arten von Pflanzen entstehen können, rein grüne, rein weiße und grün-weiß marmorierte. Dieser Befund ist fürs. erste schwer verständlich. Wenn man sich aber die rein grünen Bastardkeimpflanzen — am besten beim ersten Pikieren, wo man sie doch aus der Erde heraus nehmen muß — mit einer starken Lupe betrachtet, dann kann man sehen, daß manche dieser anscheinend rein grünen und auch als rein grün gezählten und registrierten Pflänzchen doch irgendwo am Hypokotyl einen oder einige weiße Zellkomplexe aufweisen und ebenso habe ich auch bei einem der vier als rein weiß gezählten Bastardsämlinge (Tabelle III) einen kleinen grünen Zellkomplex am Hypokotyl beobachten können. Es ist mir auf Grund dieses Befundes wahrscheinlich ge- worden, daß am Ende doch nur einerlei Art von Bastardsämlingen produziert wird, nämlich nur grün-weiß marmorierte und daß die rein grünen und die rein weißen nur quasi extreme Fälle der Verteilung und Ausbildung der beiden Anteile sind, wo also der eine Anteil (bei den scheinbar rein weißen Keimlingen der grüne Anteil) auf ein paar Zellen beschränkt ist, die man bestenfalls bei einer mikroskopischen Untersuchung finden könnte. Beweisen kann ich diese Vermutung jedoch vorläufig nicht. Der einzige erkennbare Unterschied zwischen den weißen Zellen und den grünen Zellen beruht wohl auf der Farbe der Chromato- phoren!). Eine der mosaikartig aus grünen und weißen Gewebe- komplexen zusammengesetzte Bastardkeimpflanzen enthält also erstens Zellen mit nur grünen und zweitens Zellen mit nur farblosen Chromato- phoren. Es frägt sich nun, woher kommen in den Keimpflanzen diese beiden Zellkategorien, einmal war ja jede Keimpflanze eine Zelle, die befruchtete Eizelle, wann und wie erfolgt in der Embryo- entwicklung das Aufspalten in die zwei Zellkategorien? Erfolgt die Aufspaltung einmal oder öfter ? 1) Alle anderen Unterschiede, in Größe und Wanddicke z. B., sind wohl erst sekundär, hängen mit der ac Ernährung der ja nur als Parasiten lebenden weißen Zellen zusammen. Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse usw 349 Zunächst ist die letzte dieser Fragen leicht zu entscheiden. Es läßt sich sicher feststellen, daß an grünen, mit wenig „weiß“ mar- morierten Keimpflanzen, etwa der Pflanze in Fig. 8, eine ganze An- zahl von weißen Inseln vorhanden sein kann, die rings von grünem Gewebe umschlossen sind und genetisch untereinander nicht zusammen- hängen. Man kann also sicher sagen, daß die Differenzierung von rein weißen Zellen, die dann bei allen ihren weiteren Teilungen nur weiße Zelldeszendenz haben, wiederholt erfolgt und zwar müssen diese weißen Zellen entstehen aus grün aussehenden Zellen. Schon schwieriger ist die andere Frage zu beantworten, wann diese Ent- stehung von weißen, in ihrer Zelldeszendenz konstanten weißen Zellen erfolgt. Aus der Art und Weise, in der die weißen Komplexe in den Cotyledonen verteilt liegen, kann man jedoch auch hier mit aller Sicherheit schließen, daß noch längere Zeit nach der ersten Anlegung der Cotyledonen eine solche Herausdifferenzierung von weißen Zellen erfolgen kann. Das ist vorläufig alles, was mit genügender Sicherheit festzustellen ist. Bindende Schlüsse lassen sich hieraus natürlich nicht ziehen. Ich habe mir jedoch auf Grund dieser Beobachtungen eine theoretische _ Vorstellung gebildet, die bei weiteren Untersuchungen als Arbeits- hypothese dienen soll. Allzugroßen Wert lege ich auf diese Hypothese nicht, will sie aber mitteilen: Die befruchtete Eizelle, die entstanden ist durch Vereinigung einer ‚grünen‘ mit einer ‚weißen‘ Sexualzelle, enthält danach zweierlei Chromatophoren, grüne und weiße. Bei den Zellteilungen der zum Embryo auswachsenden Eizelle verteilen sich die Chromatophoren ganz nach Zufallsgesetzen auf die Tochter- zellen. Erhält eine Tochterzelle nur weiße Chromatophoren, so wird diese Zelle weiterhin nur weiße Zelldeszendenz haben, ein weißes Mosaikstück aus sich hervorgehen lassen, erhält eine Tochterzelle nur grüne Chromatophoren, so entsteht daraus ein konstant grüner Zell- komplex. Zellen mit beiderlei Chromatophoren werden auch weiter- hin aufspalten können usw., ich brauche das wohl nicht im einzelnen auszuführen. Trifft es sich schon bei einer der ersten Teilungen so, daß die Zellen, welche weiterhin Cotyledonen und Vegetationspunkt aus sich hervorgehen lassen, nur grüne Chromatophoren abbekommen, dann entstehen die scheinbar rein grünen Bastarde, im umgekehrten Falle entstehen die scheinbar rein weißen usw. Es ist nun weiterhin durch eine einfache Überlegung, die ich wohl hier auch nicht erst lange schriftlich auseinander zu setzen brauche, festzustellen, daß nach einer größeren Zahl von Teilungen die Zellen mit beiderlei 350 Baur. Chromatophoren prozentualiter rasch zurücktreten müssen gegenüber den Zellen mit nur einerlei Chromatophoren. Mit allen bisher empirisch festgestellten Tatsachen steht diese Hypothese durchaus im Einklang, sie wird durch weitere Unter- suchungen — die ich mir aber durchaus nicht etwa vorbehalten möchte — zu prüfen sein. Die Hypothese macht, um das noch einmal hervorzuheben, nur eine bisher noch unbewiesene Annahme, nämlich die, daß die be- fruchteten Eizellen die entstanden sind durch Vereinigung einer „weißen“ mit einer „grünen‘ Sexualzelle, zweierlei Chromatophoren enthalten: weiße und grüne!). — Woher diese zweierlei Chromato- phoren kommen könnten, weiß ich nicht. Nach der heute allgemein herrschenden Lehre stammen die Chromatophoren der befruchteten Eizelle nur von der Mutter, ob diese Ansicht wirklich absolut sicher gestellte Tatsache ist, mag dahingestellt bleiben. Stammen die Chromatophoren wirklich immer nur von der Mutter her, ist also die heute herrschende Lehrmeinung richtig, dann liegen hier sehr merk- würdige Erblichkeitsverhältnisse vor. Es müßte dann bei der Kreuzung weiß © = grün © ein Teil der weißen Chromatophoren der Eizelle unter dem Einfluß der männlichen Sexualkerne zu grünen Chromato- phoren werden und in der reziproken Kreuzung müßte ein Teil der grünen Chromatophoren der Eizelle unter dem Einfluß der von einer weißen Pflanze stammenden männlichen Sexualkerne zu weißen Chromatophoren werden. Etwas derartiges ist ja natürlich denkbar, aber irgend eine analoge andere Erblichkeitserscheinung ist meines Wissens nicht bekannt. Sollte es sich aber entgegen unserer bisherigen Lehrmeinung herausstellen, daß auch die männ- lichen Sexualzellen Chromatophoren übertragen, dann wären diese Erblichkeitsverhältnisse der Weißrandpflanzen völlig verständlich. Die Entscheidung aller dieser Fragen müssen weitere Untersuchungen bringen. Auf alle Fälle wäre es dringend zu wünschen, daß einmal mit neueren Methoden die in dem letzten Jahr- zehnt so sehr vernachlässigte Entwicklungsgeschichte der Chromato- phoren höherer Pflanzen sorgfältig und lückenlos von der Sexualzelle bis wieder zur Sexualzelle verfolgt würde. Wichtigste Ergebnisse. Die Untersuchung der Anatomie und der Erblichkeitsverhältnisse der weißrandblätterigen Rassen von Pelargonium zonale (Fig. ı) führt 1) Oder besser: ‚nicht ergrünungsfähige‘‘ und ‚ergrünungsfähige“. x Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse usw. 351 zu der Schlußfolgerung, daß die Weißrandindividuen Chimären sind mit periklinal geteiltem Vegetationskegel. Die peripheren zwei oder drei Zellagen des Vegetationskegels haben nur albinotische Chro- matophoren, denen die Fähigkeit zur Chlorophyllbildung völlig abgeht. Die zentralen Zellen des Vegetationskegels enthalten dagegen völlig normale ergrünungsfähige Chromatophoren. Die ganze Deszendenz der peripheren Zellen ist weiß. Schematisch ist der Bau einer der- artigen Weißrandpflanze in Fig. 2 dargestellt. Sprosse, welche nur aus dem weißen Anteil entstehen, sind rein weiß und haben auch sexuell eine rein weiße nicht lebensfähige Deszendenz. Sprosse, welche aus dem grünen Anteil entstehen, sind rein und konstant grün. Sexual- zellen, die auf den Weißrandpflanzen entstehen, entstammen nur den peripheren weißen Zellschichten, die durch Selbstbefruchtung einer Weißrandpflanze gewonnene Nachkommenschaft besteht infolgedessen nur aus rein weißen (nicht lebensfähigen) Keimpflanzen. Bastarde, die entstanden sind durch Vereinigung einer weißen mit einer grünen Sexualzelle (WeiBrand>WeiBrand, WeiB>< Grün oder Griin> O20 EYE rs ; 2 3/1 ¥ 10: » 63, Erste “a cee ur NE her = 3/1 = LE: 563, Zweite 7 en Sete REEL A Pr 3/1 35 12. on 5 > BE Go ics tee Ree aCe i 3/1 A 13: 897, 0 Er a, COMER OH ro 7 2.5/1 na TAS) IS WErste Re DO a EEE or ZN rn 15: » 65, Zweite en Er HET: kn 2 ZB ES = 10% 4, 64; A A MEER, oe tn = 2G ee w= 5, 164, Erste ar aM! EEE Urn 3/1 Literatur '). Barbosa Rodrigues. Genera et species Orchidacearum novarum. I. (1877) II. (1882). Bentham. Notes on Orchideae. Journ. of the Linn. Soc. London. Botan. XVIII. (1881). Bentham u. Hooker. Genera plantarum. III. Bateman. Orchids of Mexico and Guatemala. London 1837—43. Bateson. The progress of genetics since the discovery of Mendels papers Progress. rei bot. I. 2. Heft. Bitter. Dichroismus und Pleochroismus als Rassencharaktere. Ascherson- festschr. 1904. Brand. Zolemoniaceaee Englers Pflanzenreich IV. 250. 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Die vorliegende Arbeit befaBt sich mit der Frage, ob und wie weit es möglich ist, trotz der Unmöglichkeit des direkten Experimentes den Fragen der Vererbung beim Menschen nachzugehen, mit der Bedeutung der bisher aufgestellten Vererbungsgesetze und mit eigenen Versuchen ' zur Auffindung von solchen. Zwei Fragen können die Erforschung der Vererbung beim Menschen beschäftigen, sie lauten: I. Welche Eigenschaften sind überhaupt erblich ? 2. Welche Gesetze beherrschen die Vererbung überhaupt und bei bestimmten Eigenschaften ? Im folgenden soll nur die zweite Frage ausführlich behandelt werden. Die erste sei hier nur insoweit kurz gestreift, als die Ge- schichte der Versuche zu ihrer Lösung geeignet ist, auch auf die Unter- suchung der zweiten Frage fördernd einzuwirken. Der Nachweis der Vererbung bestimmter Erscheinungen beim Menschen bewegte sich lange in den Bahnen der Kasuistik. Man be- gnügte sich damit, Fälle zu sammeln, in denen bestimmte Erscheinungen mehrfach in einer Familie aufgetreten waren, und derartige Erfahrungen in Form von Stammbäumen darzustellen. Mit der einfachen Tatsache der kasuistischen Beobachtung solcher Zusammenhänge glaubten und glauben jetzt noch viele Autoren das Bestehen von Vererbung bei einer Eigenschaft bereits nachgewiesen zu haben. Je häufiger nun eine Er- scheinung überhaupt vorkam, um so leichter war es, derartige Familien zu finden, und um so fester setzte sich dementsprechend die Ansicht von der Erblichkeit derartiger Erscheinungen in den Köpfen der Autoren fest. Die Erkenntnis, daß solche Zusammenhänge auch bei nicht erblichen Ursachen einer Eigenschaft sich nach den Regeln der 378 Weinberg. Wahrscheinlichkeitsrechnung mit einer gewissen Häufigkeit einstellen müssen, führte nun zunächst zu dem Bestreben, nachzuweisen, daß der- artige Erscheinungen auffallend häufig seien. Diesem Bestreben fehlte jedoch so lange die Beweiskraft, als man nicht imstande war, die ge- fundenen Prozentsätze familiärer Beziehungen mit den Ergebnissen der Wahrscheinlichkeitsrechnung zu vergleichen und aus dem Bestehen von Unterschieden zwischen erfahrungsmäßiger und erwartungsmäßiger Häufigkeit eines familiären Zusammenhangs bestimmter Erscheinungen auf das Bestehen besonderer Ursachen dieser Zusammenhänge zu schließen. Diese besonderen Ursachen können nun aber auch in be- sonderen Einflüssen äußerer Umstände bestehen, welche bei Gliedern einer Familie in nahezu gleicher Weise wirken und daher das häufigere Eintreffen derselben Erscheinung bei einer Familie verursachen. Es genügt aus diesem Grunde für den Nachweis der Vererbung nicht, die Häufigkeit einer Erscheinung in den Familien bestimmter Individuen zu vergleichen mit ihrer Häufigkeit bei der Gesamtheit oder bei den Familien zufällig ausgewählter Individuen. Ein strikter Nachweis erblicher Einflüsse kann vielmehr, wie ich mehrfach ausgeführt habe, nur dann geführt werden, wenn bei den verglichenen Gruppen von Individuen oder Familien die Wirkung der äußeren Umstände einen gleich starken Einfluß hatte, so daß bei einem ‘Vergleich das Vor- handensein solcher Wirkungen des Milieus keine Störung verursacht oder Unterschiede vortäuscht, die tatsächlich nicht auf erblicher Grund- lage beruhen. Da beim Menschen die Wirkung äußerer Umstände sehr nahe zusammenhängt mit sozialen Unterschieden, so handelt es sich wesentlich darum, die Wirkung sozialer Faktoren auszuschalten. Dies kann geschehen, indem man nur bestimmte soziale Klassen unter- sucht, oder indem man nur solche Gruppen vergleicht, deren durch- schnittliche soziale Zusammensetzung identisch ist. Dieser Forderung trägt z. B. der von mir mehrfach angewandte Vergleich der Familien bestimmter Individuen mit denjenigen ihrer Ehegatten in weitgehender Weise Rechnung, wie ich direkt nachweisen konnte. Unabhängig von diesen Bestrebungen des Nachweises der über- haupt bestehenden Erblichkeit bestimmter Erscheinungen hat sich in England unter der Führung Gartons eine biometrische Schule ent- wickelt, deren Streben von Anfang dahin ging, das Bestehen bestimmter Vererbungsgesetze beim Menschen festzustellen. Die Lehre von den latenten Anlagen, der Regression der Verwandten und dem durch- schnittlichen Anteil der einzelnen Ahnen an der Bestimmung des In- dividuums sind die wesentlichsten allgemeinen Ergebnisse dieser Richtung 5 - & Über Vererbungsgesetze beim Menschen. 379 der Forschung, die im Gegensatz zu den bisher geschilderten Be- strebungen von vornherein ihre Probleme nach den exakten Grund- sätzen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und somit nach wahrhaft statistischen Gesichtspunkten behandelte. Die Lehre Gattons, daß die sichtbaren Eigenschaften der Eltern das Individuum nicht aus- schließlich bestimmen, und daß für die Erklärung des Individuums das Wiederauftauchen latenter Eigenschaften der Eltern in Betracht gezogen werden muß, scheint nun namentlich mit Rücksicht auf die Bedeutung, welche die Lehre von den latenten Eigenschaften durch die Wiederentdeckung und weitere Ausgestaltung der MENDELschen Regel inzwischen erlangt hat, ein Beweis für die selbständige Be- deutung der statistischen Methode zu sein, welche sie direkt an die Seite des Experiments stellt. Denn wenn man auch die Lehre von der Regression als ein rein statistisches Gesetz betrachten kann, so hat die Aufstellung der Lehre von den latenten Elementen doch zweifellos einen ganz ausgesprochen biologischen Charakter. Inzwischen ist aber die Bedeutung der Lehre GALToNs und der Leistungen der biometrischen Schule überhaupt durch das von JOHANNSEN aufgestellte Prinzip der reinen Linien erheblich erschüttert worden, nach welchem die Re- gression der Verwandten bestimmter Individuen lediglich als eine Folge der Vermischung verschiedener Typen in der Bevölkerung erscheint. Mit der Betonung des Satzes, daß die meßbaren Eigenschaften der Individuen teilweise durch zufällige Abweichungen vom Typus der Linie bestimmt werden, taucht auch die Frage auf, ob die Lehre von den latenten Elementen überhaupt zur Erklärung der biometrisch festgestellten Tatsachen notwendig war und ob sie nicht nur eine auf die Fälle der Dominanz bestimmter Merkmale beschränkte Geltung hat. Dies scheint auch aus gewissen Erfahrungen der Bastardlehre hervor- zugehen. Der Fehler der biometrischen Schule scheint also unter dem Ge- sichtspunkt der Ausführungen JOHANNSENS darin zu bestehen, daß sie trotz Anerkennung der Möglichkeit äußerer Einflüsse, deren Bedeutung unterschätzt und bei der Erklärung der gefundenen Tatsachen nicht berücksichtigt hat. Die Frage, ob mit Hilfe statistischer Methoden biologische Ver- erbungsgesetze gefunden oder im Einzelfall nachgewiesen werden können, ist also durch JOHANNSENS Arbeit von neuem in Fluß ge- kommen. Es erscheint daher zunächst notwendig, sowohl die von der bio- metrischen Schule gefundenen Tatsachen als auch die Tragweite des 380 Weinberg. von JOHANNSEN aufgestellten Prinzips der neuen Linien einer kritischen Durchsicht zu unterziehen. Weiterhin ist es unumgänglich notwendig, die wesentlichsten Ergebnisse der Bastardlehre zu berücksichtigen. Auf Grund einer solchen Untersuchung läßt sich dann die Frage er- örtern, ob es möglich ist, den Einfluß des Zufalles bei statistischen Untersuchungen über Vererbung in einer Weise auszuschalten, daß die Wirkung bestimmter Vererbungsgesetze klar zutage tritt, und in welcher Weise sich diese bei bestimmten genealogischen Richtungen der Untersuchung äußern muß. 2, Grundlagen der Untersuchung. A. Methode. Statistik und Experiment bei der Vererbung. Panmixie und Inzucht. Die statistische Untersuchung der Vererbung geht von ver- schiedenen Gruppen unter sich anscheinend gleichartiger Individuen aus und erforscht die Wirkung der Unterschiede der verglichenen Gruppen auf die Zusammensetzung der Verwandtschaft oder deren Durchschnittsmaße in bezug auf eine bestimmte Eigenschaft. Dabei bringt es schon die beim Menschen häufig bestehende Schwierigkeit, die Nachkommenschaft von beobachteten Zeitgenossen lange genug zu verfolgen, mit sich, daß man auch die Aszendenz und Seitenverwandt- schaft in den Kreis der Untersuchung einbeziehen muß, um genügend reichliche Erfahrungen zu sammeln. Im Gegensatz hierzu stellt das Experiment des Biologen nur die Nachkommenschaft bestimmter Kreuzungen fest und legt auf die Kenntnis der Vorfahren gekreuzter Individuen nur insoweit Wert, als diese eine genauere Beurteilung der bei der Kreuzung in Betracht kommenden Erbqualitäten gewährt. Die Züchtungsversuche bestehen teils in Paarung gleichartiger, teils in der Kreuzung verschiedenartiger Individuen. Erstere bezeichnet man als Inzucht. Die exakteste Form der Inzucht erreicht man bei Pflanzen durch Selbstbestäubung. Bei Tieren ist die Inzucht oft nur eine vermeintliche, indem die Gleichheit der äußeren Eigenschaften eine Gleichheit der Erbqualitäten nur vortäuscht. Die Kenntnis der Ahnentafel der gekreuzten Individuen ist geeignet, derartige Irrtümer bis zu einem gewissen Grade vermeidbar zu machen. Das Experiment ermöglicht es nun, die Ergebnisse der einzelnen Kreuzungen für sich zu betrachten und aus dem Vergleich der Ergeb- nisse bei den einzelnen Kreuzungsarten Schlüsse zu ziehen. Hingegen Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 381 liefert die statistische Untersuchung nur das Gesamtresultat einer Anzahl von verschiedenartigen Kreuzungen. Ist man nun imstande, das Ergebnis jeder einzelnen Kreuzung vorauszusagen, so wird dies auch bei einer Vielheit von Kreuzungen möglich sein, sofern man nur die Verteilung der verschiedenen Kreuzungen und ihre Fruchtbarkeit kennt. Umgekehrt fragt es sich nun, ob man aus dem bestimmten Durchschnittsergebnis einer Anzahl von Kreuzungen, wie sie eine Be- völkerung liefert, ebenso zutreffende Schlüsse auf das Bestehen be- stimmter Vererbungsprinzipien ziehen kann wie bei dem einzelnen wohlüberlegten Kreuzungsexperiment. Dies ist offenbar nur möglich, wenn der allgemeine Plan bekannt ist, der die relative Häufigkeit der Kreuzungen in einer Bevölkerung regelt. Beim Menschen beruht dieser Plan häufig auf einem völligen Mangel an Auslese bei den einzelnen Kreuzungen, auf Panmixie. Die Folgen bestimmter Vererbungs- tendenzen lassen sich nun mit Hilfe der Gesetze des Zufalls oder der Wahrscheinlichkeitsrechnung voraussagen, wenn dieser ausschließlich obwaltet, also Panmixie stattfindet. Es muß daher auch bis zu einem gewissen Grade möglich sein, aus der Tatsache des Bestehens von Panmixie und der Übereinstimmung der tatsächlich gefundenen Ver- _ teilungs- oder Durchschnittszahlen mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung auf das Bestehen eines bestimmten Vererbungsprinzips zu schließen. Auch bei jedem anderen Kreuzungsplan, reiner Inzucht sowohl wie bestimmten Gemischen von Inzucht und Panmixie müssen sich charakteristische erwartungsmäßige Zahlen für jede Art von Ver- erbungsprinzip ergeben. Die reine Panmixie hat jedoch den Vorteil, verhältnismäßig einfache Berechnungen zu ermöglichen. Vergleichbar werden verschiedene Untersuchungsresultate nur, wenn man sie auf denselben Kreuzungsplan reduziert. Das Walten eines bestimmten Kreuzungsplanes in einer Bevölkerung hat nun die Folge, daß nicht nur die Deszendenz bestimmter Individuen, sondern auch deren Eltern, Geschwister und sonstige Verwandte eine Zusammensetzung und Durchschnittsmaße aufweisen, welche mit dem einer untersuchten Eigenschaft eigentümlichen Vererbungsprinzip in Beziehung stehen. Hierauf beruht die Möglichkeit einer genealogischen Untersuchung von Vererbungsproblemen beim Menschen und erhält zugleich die Vererbungsforschung beim Menschen auch einen gewissen berechtigten selbständigen Charakter. Es erhebt sich nun die Frage, wie verschiedene Vererbungsprinzipien die Zusammensetzung der Verwandtschaft bestimmter Individuen beeinflussen, je nachdem ein bestimmter allgemeiner Kreuzungsplan 382 Weinberg. eine Bevölkerung beherrscht, und wie weit sich die hieraus ergebenden charakteristischen Beziehungen zwischen verschiedenen Verwandt- schaftsgraden durch die Einwirkung des Zufalls, d. h. der äußeren Umstände, auf die ererbten Anlagen der Individuen einer Bevölkerung modifiziert und verdeckt werden. Der Beantwortung dieser Frage strebt, wenn auch teilweise auf notwendigen Umwegen, die ganze vor- liegende Untersuchung zu. B. Tatsachen. a) Allgemeine Ergebnisse der biologischen Erforschung der Vererbung. So wenig die Erforschung der Vererbung beim Menschen die all- gemeinen Gundsätze statistischer Fragestellung vernachlässigen darf, vielmehr diese lediglich auf das besondere Objekt der Vererbung anzu- wenden hat, ebensosehr muß sie den grundlegenden durch Experimente an Pflanzen und Tieren gewonnenen Tatsachen und Theorien Rechnung ~ tragen. Von besonderer Wichtigkeit sind hier folgende Ergebnisse der Bastardlehre !): Die verschiedenen Eigenschaften einer und derselben Art oder Rasse vererben sich selbständig und nach verschiedenen Vererbungs- gesetzen oder Vererbungsprinzipien. Daher muß die Vererbung der einzelnen Eigenschaften gesondert untersucht werden. Dabei kommen zwei Hauptprinzipien in Betracht: I. Vermischende Vererbung (blending inheritance). Die Anlagen beider Eltern durchdringen sich im Nachkommen vollständig, aus dieser Vermischung geht ein einziger Bastard hervor (F,-Generation). Derartige Bastarde sind konstant und verhalten sich wie reine Rassen, ihre Kreuzung ergibt eine ihnen völlig ähnliche F,-Generation. Rück- kreuzung mit den Typen der Eltern ergibt weitere konstante Zwischen- formen. Die Bastarde stellen meist annähernd, aber nicht völlig ein Mittel zwischen den beiden Eltern dar, sind also nicht völlig inter- mediär, sondern goneoklin, d. h. dem einen der Eltern etwas ähnlicher als dem andern. Latente Anlagen kommen hier nicht in Betracht. 2. Alternative Vererbung. Unterscheiden sich zwei Rassen nur durch ein Merkmal einer Eigenschaft, so entsteht durch ihre Kreuzung, 1) Ich darf hier wohl darauf verzichten, die Verdienste von Mendel, Correns, Tschermak, de Vries, Häcker und Bateson, deren Arbeiten ich als bekannt voraussetze, auf diesem Gebiete im einzelnen zu zitieren. Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 383 als F,-Generation nur ein einziger Bastard. Dieser kann dem einen der Eltern völlig gleichen oder nur ihm ähnlicher sein als dem anderen oder ein Mittel zwischen beiden Eltern darstellen, also völlig einseitig, goneoklin, oder intermediär sein. Im ersteren Falle dominiert das eine Merkmal völlig über das andere, im zweiten nur teilweise, das andere Merkmal ist also völlig oder teilweise rezessiv, beide Merkmale sind ungleichwertig (Prävalenzregel), im dritten Falle sind die Merkmale gleichwertig. Kreuzung der Bastarde unter sich ergibt eine F,-Gene- ration, bestehend aus je 14 Vertreter der gekreuzten Rassen und 1% Bastarde, welch letztere denen der F,-Generation gleichen. Bei völligem Dominieren des einen Merkmals über das andere ergibt sich eine F,-Generation, bestehend aus 34 Vertretern des dominierenden und !/, Vertretern des rezessiven Typus. Rückkreuzung der Bastarde mit einem der beiden reinen Typen ergibt je zur Hälfte reine Typen (Homozygoten) und Bastardtypen (Heterozygoten). Die rezessive Form kann also in der F,-Generation völlig ver- schwinden und in der F,-Generation wieder auftreten, hieraus erklärt sich das Überspringen von Generationen bei der Vererbung bestimmter Eigenschaften. Diese Verhältnisse erklären sich wie folgt: Die reinen Typen erben ihr Merkmal von väterlicher und miitterlicher Seite zu- gleich, sind also charakterisiert durch die Bezeichnungen A,A, und A,sA,. Von den beiden Anlagen jedes der gekreuzten Typen geht jeweils nur eine in die reife Keimzelle über und kombiniert sich bei der Be- fruchtung mit dem entsprechenden Merkmal der anderen Keimzelle, so daß der Bastard durch die Bezeichnung A,A, charakterisiert ist. Die im Bastard vereinigten Merkmale A,A, spalten sich wieder bei der Reifung der Keimzellen, so daß je die Hälfte der Keimzellen das Merkmals A,, die andere A, enthält. Bei Kreuzung von Bastarden unter sich entspricht daher die Häufigkeit der möglichen neuen Kom- binationen A,A,, A,As, AzA,, A,A, jeweils dem Produkte der Wahr- scheinlichkeiten ihres Vorkommens in den beiden das Individuum kon- stituierenden Keimzellen, also für jede dieser Konstitutionen dem Wert ° Ya x Yy =V%. Manche Eigenschaften werden nun nicht nur durch ein einziges Merkmalspaar A, und A, bestimmt (Monohybridismus), sondern durch zwei und mehrere (Dihybridismus, Polyhybridmus), die unabhangig von- einander spalten und von denen sich jedes Merkmalspaar fiir sich in der F,-Generation im Verhältnis 1:2: 1 bzw. 3:1 rekombiniert. Ist das zweite Merkmalspaar also B, und Bg, so erhält man aus der Kreuzung 384 Weinberg. von A,A, B,B, mit A,A, B,B, als F,-Generation A,A, B,B, und als F,-Generation 1 A,A, B,B, +2 A,A, B,B, +1 AsA 5; B,B, +2 A,A, BıBa +4 A, A, BıBa +2 AoA, By Bo +1 A,A, B.B, +2 AgA5 ByBo +1 AsA, BoBo. Bei völligem Dominieren von A, und B, über A, bzw. Bg erhält man, indem A,A, = A,A,=D,, AsA,=R,, B,B, = BıB>= D;, B,B, = R, gesetzt werden kann, nur 4 Formen der F,-Generation im Ver- hältnis s 9 D.D, + 3 D;,R, +3 R,D, + RR». Beeinflussen sich die beiden oder mehrere Merkmalspaare gegen- seitig (komplizierter Polyhybridismus), so können die Bastarde Eigen- schaften aufweisen, welche keinem der Eltern eigen waren, (Krypto- hybridismus oder Hybridatavismus). Dieses Verhältnis hat mit dem Wiederauftreten der beim Bastard latenten rezessiven Eigenschaft in der F,-Generation nichts zu tun. Während nun das Experiment nur mit je zwei allelomorphen Merk- malen rechnet, die sich miteinander kombinieren und voneinander wieder abspalten, muß man damit rechenen, daß in der Natur tat- sächlich ganze Reihen solcher allelomorpher Merkmale vorkommen, von denen sich je zwei zu einem monohybriden Typus kombinieren können, und daß sich auch die polyhybriden Typen aus mehreren Reihen alle- lomorpher oder korrespondierender Merkmale kombinieren. So dominiert z. B. braune Augenfarbe beim Menschen über Grau- Blau und Albinismus, Grau über Blau und Albinismus, Blau über Albinismus nach den einfachen Regeln des Monohybridismus. Man hat also hier mit mindestens 4 korrespondierenden Merkmalen A,, Ay, As, A, zu rechnen, wobei, wenn A, = Braun, A, = Grau, A, = Blau, A, = Albinismus ist, A,A, = A,A, = A,A, = A,A, Braun, A,As = AsA, = AzA, Grau AGAS = AsAs Blau, AA, Albinismus darstellt. In Wirklichkeit diirfte sich bei Unterscheidung der Nuancen von Braun, Grau und Blau eine weit größere Reihe von korrespon- dierenden Merkmalen herausstellen. Das Experiment kann dabei jeweils nur zwei Gruppen ohne Rück- sicht auf die feineren Nuancen unterscheiden, sofern aber nur die Grenze stets bei derselben Nuance gezogen wird, wird eine Kreuzung von Bastarden aus den beiden Gruppen stets das einfache Verhältnis 3:1 ergeben. A a u Dr a a * Über Vererbungsgesetze beim Menschen. 385 Mit anderen Worten, es ist gleichgültig, ob man Braun allein allen anderen Augenfarben als dominierenden Typus gegenüber stellt, oder Braun und Grau zusammen gegenüber Blau und Albinismus, oder end- lich Braun, Grau und Blau gegenüber Albinismus allein. Stets wird die Kreuzung der einen Gruppe mit der andern bei völliger Dominanz eine nur Formen der ersten Gruppe darstellende F,-Generation und Inzucht bei diesen Formen die zweiten Gruppe nur mit der Gesamthäufigkeit 14 ergeben. Der von den englischen Biometrikern gegen die Bedeutung der alternativen Vererbung erhobene Einwand, daß sie die Nuancen der Eigenschaften nicht genügend berücksichtige, ist also deshalb belanglos, weil die charakteristischen Erscheinungen der alternativen Vererbung auch bei noch so vielen Nuancen zum Vorschein kommen müssen, wenn nur die Abgrenzung zweier summarisch vereinigten Nuancengruppen stets dieselbe bleibt. Den verschiedenen Merkmalsreihen, deren Kombinationen zu je zweien die Eigenschaft eines Individuums oder Typus bei Polyhybri-. dismus determinieren, kommt dabei eine verschiedene biologische Be- deutung zu, sie stellen die verschiedenen Faktoren dar, welche den Gesamteindruck einer einheitlichen Eigenschaft hervorrufen. Es ist daher eine Hypothese wie die PEARsons, wonach eine polyhybride Eigenschaft durch eine ganze Reihe gleichbedeutender Merkmalspaare bedingt wird, lediglich von rein mathematischer Bedeutung und trägt den biologischen Tatsachen in verschiedener Hinsicht keine Rechnung. Die Spaltung der elterlichen Merkmale ist nun aber keine ab- solut vollkommene, sondern es findet ein geringer Grad von Durch- dringung statt. Den dominierenden Formen der F,-Generation haftet ein geringer Anflug des rezessiven Merkmals an, umgekehrt der rezessiven Form ein Teil des dominierenden. Zwischen vermischender und spal- tender Vererbung ist also keine ganz scharfe Grenze. Mit der Zeit muß die Wiederholung dieses Vorgangs zum Auftreten zahlreicher Zwischenformen zwischen den ursprünglichen reinen Typen führen; jedoch kann die jeweilige Vermischung so gering sein, daß ihr Erfolg erst im Verlaufe vieler Generationen merklich zutage tritt. Die Vererbungsgesetze der Mutationskreuzungen, bei denen bereits in der F,-Generation zwei Bastarde auftreten, die entweder konstant sind oder in der F,-Generation weiter spalten, müssen als seltenere Ab- arten der alternativen Vererbung aufgefaßt werden und können hier außer Betracht bleiben, ebenso die Mosaikvererbung, deren Feststellung ohnehin keine Schwierigkeiten bietet. 386 Weinberg. Sowohl das Vorkommen polyhybrider Eigenschaften wie die Not- wendigkeit der Annahme ganzer Reihen allelomorpher Merkmale und endlich die Unvollkommenheit der Spaltung müssen zu einem Auf- treten zahlreicher erblicher Abstufungen einer Eigenschaft führen. Die tatsächliche Variabilität der sichtbaren Eigenschaften der Individuen beruht aber nicht nur auf der Verschiedenheit der erblichen Anlagen, sondern auch auf dem modifizierenden Einfluß der äußeren Umstände. Dieser kann alle möglichen Übergänge hervorrufen, so daß die graphische Darstellung der tatsächlichen Abstufungen eine kontinwerliche Kurve ergibt, die häufig der Gauss-LaLPaceschen Kurve der zufälligen Beobachtungsfehler ähnelt. Im Gegensatz zu diesem „tuktuierenden“ Charakter der Modifikationen muß man prinzipiell für die erblichen Typen eine sprungweise, ,,diskontinuierliche‘‘ Ab- stufung annehmen. Da jedoch die Sprünge zwischen zwei Typen sehr gering sein können, so hat diese Unterscheidung keine große praktische Bedeutung. Der Charakter der Häufigkeitskurve der beobachteten Abstufungen einer Eigenschaft entscheidet also nicht ohne Weiteres über das Maß des Einflusses, den die äußeren Umstände auf die Entstehung der tat- sächlichen Abstufungen der Eigenschaften ausüben. Lediglich das eine ist festzuhalten, daß man ein beobachtetes Maß einer Eigenschaft mit Rücksicht auf den möglichen Einfluß der äußeren Umstände nicht ohne weiteres für im vollen Betrage erblich halten darf. Aus den Tatsachen der Bastardlehre ergeben sich nun folgende Fragen: Läßt sich beim Menschen mit Hilfe statistischer Methoden das Vorhandensein einfacher Vermischung oder alternierender Vererbung oder das wesentliche Vorwiegen eines dieser Vererbungsprinzipien nachweisen? Läßt sich ferner im Falle des Bestehens alternierender Vererbung das Dominieren und die Rezessivität bestimmter Ab- stufungen einer Eigenschaft, der Grad der Praevalenz, die Zahl der erblichen Typen und der Grad der Kompliziertheit der alternativen Vererbung feststellen ? Eng damit zusammen hängt die Frage, ob eine Vererbung so- genannter individueller Eigenschaften auf Grund des Bestehens zahl- reicher erblicher Typen möglich ist. Die Untersuchungen von BATESON u. a. haben zwar bewiesen, daß bei gewissen Eigenschaften der Menschen das Bestehen MENDELscher Vererbung anzunehmen und der Nachweis der rezessiven und dominieren- den Merkmale möglich ist. Die angewandte Methode eignet sich jedoch Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 387 nur fiir solche Eigenschaften, die auffallend selten vorkommen. Hier erhalt die statistische Untersuchung wegen der Einfachheit ihrer Vor- aussetzungen direkt den Charakter des Experimentes. Gerade für das Verständnis der alltäglichen und damit auch praktisch wichtigeren Erscheinungen der Vererbung sind aber die von BATESON angewandten Methoden und Voraussetzungen unbrauchbar, weil sie nur einen Spezial- fall treffen. Hier kann es sich nur darum handeln, die Wirkung be- stimmter Vererbungsprinzipien auf die Zusammensetzung und damit auch auf die Durchschnittsmaße der Verwandtschaft bestimmter Individuen festzustellen und nachzusehen, ob sich hier charakteristische Unterschiede der Wirkung ergeben, welche umgekehrt auch Schlüsse auf das Vorhandensein bestimmter Vererbungsgesetze aus der Zusammen- setzung und den Durchschnittsmaßen der Verwandtschaft gestatten. Von besonderer Wichtigkeit für solche Untersuchungen sind Eigen- schaften, die in irgend einer Weise meßbar sind, sogenannte meristische Eigenschaften, mit denen sich die statistische Forschung in besonderem Maße zu beschäftigen hat. b) Statistische Nachweise von Vererbungsgesetzen. Das Verdienst, die Fragen der Vererbung beim Menschen erst- mals nach exakten statistischen und mathematischen Grundsätzen behandelt zu haben, gebührt Francıs GALTON. GALTON ging von der Beobachtung aus, daß die Söhne geistig hervor- ragender Personen auffallend häufig Durchschnittsmenschen sind und suchte die Ursachen dieser Erscheinung aufzuklären. Er wies nach, daß in bezug auf zahlreiche Eigenschaften Panmixie stattfindet. Er sammelte weiterhin Material über eine Reihe von Eigenschaften, Körper- größe, Augenfarbe, bestimmte geistige Eigenschaften und krank- hafte Anlagen. Soweit diese Eigenschaften nicht direkt meßbar waren, benutzte er die Tatsache der Anordnung vieler Eigenschaften nach der Fehlerkurve, um sie meßbar zu machen. Er faßte nun alle Individuen mit gleichem Maße x einer Eigenschaft zu Gruppen zusammen und bestimmte für jede dieser Gruppen das entsprechende Durchschnittsmaß y verschiedener Grade ihrer Ver- wandten. Dabei zeigte sich allgemein, daß die Abweichung des Durch- schnittsmaßes der Verwandten von dem Durchschnittsmaß g der unter- suchten Gesamtheit, also y—g, geringer war, als die Abweichung x—g der entsprechenden Gruppe von Individuen, von denen die Unter- suchung ausging. Diese Annäherung der Verwandten an den Durch- schnitt der Gesamtheit bezeichnete GALTon als Regression und als Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. J. 25 388 Weinberg. ihr Maß bezeichnete er das Verhältnis der verwandtschaftlichen Ab- weichung zur individuellen Abweichung, also den Wert y—& 2153 GALTONs Schüler, PEARSON, der die Theorie der Vererbung durch zahlreiche mathematische Arbeiten bereichert hat, bezeichnete dieses Verhältnis, welches gleichzeitig ein Maß der Ähnlichkeit zwischen Ver- wandten darstellt, als Korrelation. Regression stellt für ihn nur die Tatsache dar, daß die Ähnlichkeit nicht vollständig ist, sie erscheint daher vollständig, wenn das Maß der Verwandten dasjenige der Bevölke- rung die Korrelation also = 0 ist, somit keine spezifische Ähnlichkeit von Verwandten in bezug auf eine Eigenschaft besteht. Diese Bezeich- nungen sind im folgenden im Sinne PEARSONS gebraucht. PEARSON hat ferner gezeigt, wie sich mit Hilfe des Begriffes der Korrelation und Regression auch der Grad der Auslese zwischen Ehe- gatten bestimmen läßt. Findet eine Auswahl der Ehegatten nach be- stimmten Eigenschaften nicht statt, bestimmt vielmehr nur der Zufall die Häufigkeit bestimmter Verbindungen, so wird die Gesamtheit der Ehefrauen jeder bestimmten Gruppe männlicher Individuen dieselbe Verteilung und daher auch dasselbe Durchschnittsmaß (g) zeigen, wie die Gesamtheit der Bevölkerung. Es findet also bei Panmixie bei den Ehegatten bestimmter Individuen eine vollständige Regression nach dem Durchschnittsmaß der Bevölkerung statt und die Korrelation oder Ähnlichkeit ist = = 0. Findet hingegen völlige Inzucht statt, so ist die Ähnlichkeit der Ehegatten vollständig oder = =I, eine Regression nach dem Durchschnitt findet nicht statt. Indem man also die Korrelation der Ehegatten bestimmter Individuen feststellt, und zwar für alle vorhandenen Gruppen, ergibt das erhaltene Durchschnittsmaß der Korrelation Aufschluß darüber, ob die Ehen durch Panmixie, Inzucht oder ein Mittelding zwischen beiden bestimmt werden. GALTON hat nun zumeist Material untersucht, bei dem er das Be- stehen von Panmixie nachweisen konnte. In diesem Falle war bei Unter- suchungen an Gruppen, bei denen je der eine Ehegatte das gleiche Maß hatte, das der anderen Ehegatten durchschnittlich = g und somit das Durchschnittsmaß der Ehegatten me 8, ihre Abweichung vom Durch- schnitt der Bevölkerung) 6 —g = —. Wenn nun die Kinder durch- Sa ee, Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 389 schnittlich ein Mittel zwischen ihren Eltern darstellen, muß sich ihr Maß = == und somit ihre Abweichung vom Maß der Bevölkerung = “8 er- 4 eben, sie verhält sich also zu der Abweichung x—g bestimmter to} Vater wie = 8. x—g oder die Korrelation der Kinder bestimmter Väter ist in diesem Falle =1%. Beim Vergleich der durchschnittlichen Ab- weichung der Kinder mit der Abweichung des Mittels beider Eltern ergibt sich, daß beide Werte =e betragen, die Korrelation muB also in diesem Falle 1 betragen, eine Regression findet hier nicht statt. GALToN fand nun aber bei dem Vergleich der Kinder mit ihren be- stimmten Vätern nur eine Korrelation = 4, statt %, und ebenso bei dem Vergleich der Kinder mit dem Durchschnitt zwischen Vater und Mutter (Durchschnittselter) nur eine Korrelation von °/; statt I. Pearson fand allerdings später höhere Korrelationswerte für dieselben Eigenschaften wie GALTON, diese entstammen aber nicht einer reinen Panmixie, sondern einer nicht geringen Tendenz zur Auslese ähnlicher Gatten!). Es darf also angenommen werden, daß dasselbe Material bei reiner Panmixie einen niedrigeren, und zwar dem von GALTON berechneten ziemlich nahen Korrelationswert ergeben hätte. GALTON zog nun aus der Nichtübereinstimmung der von ihm ge- fundenen Korrelationen mit der Erwartung bei intermediären Nach- kommen den Schluß, daß die sichtbaren Eigenschaften der Eltern nicht ausschließlich die Nachkommenschaft bestimmen. Den weiteren mit- bestimmenden Faktor suchte er in der Existenz latenter Anlagen bei den Eltern, die bei den Nachkommen wieder sichtbar werden und bei den Vorfahren ebenfalls sichtbar waren. Da nun auch vom Durch- schnitt meist abweichende Individuen in der Mehrzahl Durchschnitts- menschen zu Vorfahren haben, so erklärt sich die Regression der Kinder gegenüber den Eltern durch die Wirkung des latenten Ahnenerbes in den Eltern. Jeder Ahne trägt durchschnittlich einen bestimmten Anteil 1) So betrug die Korrelation zwischen den Ehegatten in bezug auf Körpergröße 0,2804, Länge des Vorderarmes 0,1989, Spannweite der Arme 0,1977. Ebenso beruht die Tatsache, daß Schuster bei Taubstummheit eine Korrelation der Eltern = 0,62, bei Geschwistern sogar = 0,73 fand, auf der Tatsache, daß die Neigung der Taub- stummen, miteinander Ehen einzugehen, sehr groß ist. Nicht weniger als 622 = 36% aller 1736 verheirateten Taubstummen hatten taubstumme Ehegatten. Die Resultate einer solchen Auslese können vollends mit den Verhältnissen bei Panmixie nicht verglichen werden. 25” 390 Weinberg. zu den Eigenschaften des Individuums bei und man kann daher bei Kenntnis der Eigenschaften mehrerer Ahnenreihen der Eltern den Erfolg einer Kreuzung genauer vorhersagen als bei Kenntnis der sichtbaren Eigenschaften der Eltern allein. Gatton fand ferner auch eine Korrelation der Eltern bestimmter Individuen = 4%, während er für die Korrelation zwischen Geschwistern den Wert °/, angibt. Dieser Wert stammt jedoch nicht aus demselben Material wie das für elterliche und kindliche Korrelation, den ,,RFF- data“, obgleich auch diese verwertet werden konnten, sondern aus einem anderen, dem „Spezial-Data‘, bei denen das Vorhandensein von Panmixie nicht nachgewiesen wurde. Die RFFdata, die auf Panmixie beruhen, ergeben nur eine Korrelation — zwischen 1, und 0,375. Letztere Berechnung stammt von PEARSON. Aus der Korrelation der Eltern, die er = 1, fand, berechnete GALTON i : I die der Großeltern = und die der rten Ahnen — und fand so eine 2 3 r rein geometrische Reihe der Ahnenkorrelationen. Es muß aber aus- drücklich hervorgehoben werden, daß diese Berechnung eine reine mathe- matische Konjektur darstellt und ihr Ergebnis den Tatsachen wenigstens bei reiner alternativer Vererbung nicht entspricht. ‘Wenn GALTON trotzdem zu dem richtigen Satz gelangte, daß das Ergebnis einer Kreu- zung um so genauer vorausgesagt werden kann, je genauer man die Ahnen- reihe kennt, so kommt dies hauptsächlich auf Rechnung von GALTONS Lehre von den latenten Elementen und nicht auf GALTONs spezielle mathematische Formulierung des Verhältnisses der Ahnenkorrelationen. Tatsächlich spielt auch bei der Vorhersage der Ergebnisse von Kreu- zungen MENDELscher Typen die Kenntnis der Ahnen eine nicht un- wesentliche Rolle. Bei vollständiger Prävalenz kann man reine domi- nierende und Bastardtypen nicht unterscheiden und muß, auch wenn beide Eltern solcher Typen die dominierende Form besaßen, damit rechnen, daß irgend ein Vorfahre das rezessive Element besaß und latent auf das untersuchte Individuum übertrug. Je mehr Ahnen man untersucht, um so genauer läßt sich daher die Wahrscheinlichkeit bestimmen, daß man es mit einem reinen oder Bastardtypus zu tun hat, und eine um so genauer zutreffende Vorhersage des Erfolgs der Kreuzungen eines Individuums machen. Eine ganz andere Erklärung des Zustandekommens der Regres- sion als GALTON und seine Schule hat JOHANNSEN gegeben. Er wendet sich gegen GALTONs Auffassung der Bevölkerung als eines einzigen Typus, von dem die einzelnen Individuen mit ihren einzelnen Eigen- Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 391 schaften völlig erbliche Abweichungen darstellen und faßt seinerseits die Bevölkerung als eine diskontinuierliche Reihe mehrerer erblicher Typen einer Eigenschaft auf, von denen die einzelnen Individuen Abweichungen darstellen, die auf der Wirkung äußerer Ursachen be- ruhen und daher nicht erblich sind. Den populationistischen Unter- suchungen GALTONs und seiner biometrischen Schule stellt er sein Prinzip der reinen Linien oder der individuellen Nachkommen- beurteilung gegenüber. Bei Selbstbefruchtung von ebenfalls durch Selbstbefruchtung erhaltenen und äußerlich sehr verschiedenen Ge- schwisterpflanzen erhielt er Enkelgruppen, innerhalb deren jeweils zahlreiche und weite Schwankungen der gemessenen Eigenschaften stattfanden, deren Durchschnittsmaße aber identisch waren. Während also GALTON eine unvollkommene Regression auf den Typus der Be- völkerung fand, findet JOHANNSEN eine vollständige Regression auf den Typus der Linie bzw. auf dessen temporäre Modifikation. Diesen Unterschied erklärt JOHANNSEN dadurch, daß die Individuen mit gleichem Maße aus zufälligen Abweichungen von verschiedenen Typen bestehen und daß der Durchschnittstypus allen Individuen mit gleichem Maße sichtbarer Eigenschaften nicht mit dem Durchschnittstypus der Bevölkerung identisch ist. Auch bei dem Materiale GALTONs fand also nach JOHANNSENS Auffassung eine völlige Regression auf-den Typus der Eltern statt. Es werden also nicht die individuellen Eigenschaften der Eltern, sondern nur der Typus vererbt. Nach den Ausführungen von JOHANNSEN kann es scheinen, als hätte GALTON und seine Schule den Einfluß der äußeren Umstände bei seinen Untersuchungen über Regression völlig vernachlässigt. Dies ist nun nicht der Fall. GALTon selbst war jedenfalls bemüht, möglichst sozial homogenes Material zu erhalten, bei dem die wichtigen Einflüsse der Ernährung ausgeschaltet waren; er nahm offenbar an, daß damit die zufälligen Abweichungen der Individuen sich mit denen ihrer Ge- samtheit decken und hierdurch der aus dem Zufall resultierende Fehler ausgeschaltet wird. Er führte auch die auffallend große Ähnlichkeit der Geschwister auf eine größere Ähnlichkeit der Ernährung zurück. Daß aber bei Berücksichtigung der allgemeinen Ernährung einer Bevölkerung doch zufällige individuelle Unterschiede auftreten können, geht aller- dings aus JOHANNSENs Experimenten hervor. Die Frage ist nur, ob diese Zufälligkeiten so bedeutend waren, daß sie bei GALTONs Material einen erheblichen Einfluß hatten. Bei der Vererbung der Augenfarben ist dies entschieden zu verneinen. 392 Weinberg. JOHANNSEN hat nun aber nicht untersucht, ob die von GALTON gefundenen Regressionen tatsächlich vollständig auf Rechnung der äußeren Umstände kommen und es unterlassen, die von GALTON berech- neten Korrelation der Eltern und ihre Übereinstimmung mit der- jenigen der Kinder zu erklären. Diese Erklärung wird sich nun aus dem folgenden Kapitel ergeben. Daß mit Hilfe von Selbstbefruchtung Vererbungsgesetze nach- zuweisen sind, hat nun bereits MENDEL mit seinen Bastardkreuzungen bewiesen. Dabei erhielt er aber verschiedene Typen, je nach dem Grade der Dominanz und der Zahl der Merkmalspaare. Die Resultate JOHANNSENS, der bei den Nachkommen aller untersuchten Geschwister stets denselben Typus fand, beweisen nur, daß er mit Eigenschaften gearbeitet hat, bei denen Vermischung der Anlagen und somit konstante Bastarde bestehen). Es ergibt sich also eben sowohl aus den Untersuchungen JOHANNSENS wie aus denen GALTONs die Frage, ob die von GALTON gefundenen Regressionen, ihr Verhaltnis bei Eltern und Kindern und namentlich auch die auffallende hohe Korrelation von Geschwistern ihre Erklarung nicht wenigstens teilweise in der Wirkung alternativer Vererbung finden. Die Antwort lautet auf Grund meiner nunmehr folgenden Untersuchungen bejahend. > Es muß aber bei dieser Gelegenheit ausdrücklich darauf hin- gewiesen werden, daß eine allzugroße Betonung des Prinzips der reinen Linien nicht nur der anthropologischen, sondern auch der zoologischen Erforschung von Gesetzen der Vererbung jede Berechtigung nehmen würde. Da es sich beim Menschen schließlich doch auch um Gewinnung praktisch verwertbarer Resultate handelt, so muß eine solche An- schauung a limine zurückgewiesen werden. Die folgenden Ausführungen werden beweisen, daß nicht nur bei Inzucht und vollends bei Selbst- befruchtung, sondern auch bei Panmixie, also bei Wirkung des Zufalls, sich Gesetzmäßigkeiten sowohl in der Häufigkeit der möglichen Kreuzungen wie im Aufbau der Bevölkerung ergeben müssen, die ihrer- seits wieder zu charakteristischen Wirkungen der verschiedenen Ver- erbungsgesetze auf die Zusammensetzung der Verwandtschaft in jeder genealogischen Richtung führen. Mit Hilfe dieser Wirkungen läßt sich auch bis zu einem gewissen Grade die Wirkung der äußeren Umstände ausschließen. (Fortsetzung folgt.) 1) Einem Vortrag von JOHANNSEN auf dem 3. internat. Kongreß für Genetik entnehme ich, daß er teilweise auch mit MENDEL schen Eigenschaften gearbeitet hat. =e Referate. Davenport, G. ©. and Davenport, Ch. B. Heredity of Eye-color in Man. Science, N. S. 26 1907, p. 589. Hurst, C. C. On the Inheritance of Eye Colour in Man. Proc. Roy. Soc , B., 80 1908, p. 85. These two papers deal with the inheritance of eye colour in man from the same standpoint and may be conveniently considered together. In each case the authors have arrived at a similar conclusion which may be briefly stated as follows. All eyes (other than those of albinos) have a layer of pigment on the inner surface of the iris, but in addition to this there may be present more or less brown pigment on the outer surface. Human eyes may therefore be classified under two headings, viz. (a) those with brown pigment on the outer surface of the iris, and (b) those without such brown pigment. The former of these two classes containing the various shades of browns and greens Hurst calls ‘‘duplex’’, while he proposes the term “simplex” for the latter class which consists of blues and greys. As the result of a careful investigation among the inhabitants of the village of Burbage in Leicestershire Hurst concludes that the duplex type (D) behaves as a simple dominant to the recessive simplex (R). The evidence upon which he arrives at this conclusion is as follows: Result. Expectation Mating Nature of mating = Duplex | Simplex | Duplex | Simplex Simplex >< Simplex N | 101 = All Duplex >< Duplex DD >< DD| SEN ee or DD >< Duplex DR >< DR 45 | 18 47 16 Duplex >< Simplex DD > RR (a = All = Duplex >< Simplex DR >< RR 121 137 129 129 The evidence of Mr. & Mrs. Davenport, though much less extensive is confirmatory of the view that the presence or absence of brown pigment on the outer surface of the human iris constitutes a pair of characters exhibiting Mendelian inheritance. Hurst subdivides the duplex eyes into three types viz. self-coloured, ringed, in which the brown pigment tends to disappear at the periphery of the iris, and spotted in which the greater part of the iris may be free of brown pigment. He considers that the existing evidence suggests that the ringed type is recessive to the self-coloured type, but of the inheritance of the spotted pattern there is practically no evidence available. = In dealing with these different forms of duplex eyes a complication is introduced through growth changes. The brown pigment present in children tends to increase with age though to what extent, or till what age, is not yet known owing to the limited period of observation. 394 Referate. It should be pointed out that there is some possibilitiy of confusion in the nomenclature of “grey” eyes. Eyes popularly known as grey may either belong to the simplex type, or they may be duplex eyes of. the ringed type which contain very little pigment. Though differing but little in appearance their behavion in Kern, may be very distinct. For while the former crossed with simplex eyes never give eyes with any brown pig- ment, the latter may give eyes of the fully coloured brown type. Hurst considers that the two forms of “grey” can be distinguished by careful examination. The Davenports restrict the term grey to eyes which have a little brown pigment, i. e. to the low grade duplex eyes of Hurst. In this way the Davenports’ use of the term ‘blue’ is wider and contains the simplex greys as well as the really blue eyes of Hurst. Though so much remains to be done in working out the inheritance of the various types of eye colour it is evident that the start made by the present papers is of the greatest importance to the anthropologist. For the classificatory systems of eye colour at present in vogue will have to undergo considerable revision if they are to be of scientific value. R. C. Punnett Hurst, C. C. Mendels Law of Heredity and its Application to Man. Trans. Leicester. Lit. and Phil. Soc., 12 1908. In this paper, the abstract of a lecture read to the Leicester Literary and Philosophical Society Hurst alludes to previous results with regard to the heredity of eye colour and disease in man, and adds some unpublished observations on the inheritance of hair colour and of the musical sense. These observations were made on the population of Burbage where the author gathered his material for the study of eye colour. General pedigrees are given to shew that the hair known as “fiery red” behaves as a recessive to brown. In some cases however the domi- nance of brown over red is not complete. Certain pedigrees are also given which point to the musical temperament behaving as a simple recessive to the non-musical. In one pedigree of 38 individuals the seven families concerned all had musical parents and were all without exception musical. In another pedigree containing both musical and non-musical individuals the distribution of the two types is in full accordance with the view that the musical sense is recessive. It will be of great interest to see how far future observation will bear out Hurst’s view of this case, the first attempt to mvestigate a temperamental quality in man on Mendelian lines. RC) Pinnett Pearson, K. A first Study of the Statistics of Pulmonary Tuberculosis. Eugenic Laboratory Memoirs. London 1907. Die Arbeit beginnt mit einer guten Charakteristik der bis jetzt auf dem Gebiet der Vererbung begangenen Fehler, welche zu einer großen Verschwendung von Arbeit führten. Pearson selbst hat die sorgfältigen Anamnesen einer englischen Lungenheilanstalt dazu benutzt, um die Korrelation der Phthisiker mit ihren Eltern und Geschwistern zu berechnen, d. h. also den Grad der Ähnlichkeit in bezug auf die Anlage zur Tuberkulose. Pearson fand dabei, daß die Korrelationskoeffizienten der Tuberkulose den auch sonst für Ver- erbung gefundenen gleichen und gelangt zu dem Schluß, daß die Tuber- kulose mit derselben Intensität vererbt wird wie irgend ein normales erbliches Merkmal. Der Fehler dieser Schlußfolgerung beruht darauf, daß auch die Referate. 395 Gleichheit der äußeren Lebensbedingungen zu Erkrankungen mehrerer Mit- glieder einer Familie führen muß und daß man daher aus der Größe einer Korrelation nicht ohne weiteres auf die Erblichkeit einer Eigenschaft schließen darf. Der Einfluß der äußeren Umstände müßte erst ausgeschaltet werden und erst die dann etwa noch übrige Korrelation könnte auf das Konto der Vererbung gesetzt werden. Der von Pearson gemachte Versuch, das Vorhandensein des Mendelschen Prinzips bei der Tuberkulose auszuschließen, weil die Kinder der als rezessiv betrachteten Tuberkulösen nicht das klassische Zahlen- verhältnis in bezug auf Erkrankung aufweisen, ist deshalb ohne Beweiskraft, weil die Anlage zur Tuberkulose im besten Falle nur eine relative ist und bei Panmixie die klassischen Zahlen nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Weinberg - Stuttgart. Hardy, G. H. Mendelian Proportions in a mixed Population. Science N. S., 28 1908 S. 49. Yule hatte die Ansicht ausgesprochen, daß Brachydaktylie als domi- nierender Charakter mit der Zeit ®/, der Bevölkerung ausmachen müsse. (Die Anschauung von einer Zunahme der dominierenden Charaktere hat übrigens auch Plate vertreten) Hardy weist nun darauf hin, daß Panmixie bei alternativer Vererbung zu stabiler Bevölkerung führen müsse, was für einen speziellen Fall bereits 1904 Pearson und zu Anfang 1908 unabhäng von ihm und in einfacherer Weise Referent nachgewiesen hat. Siehe auch diese Zeitschrift S. 377 ff. Weinberg- Stuttgart. Staples-Browne, R. On the Inheritance of Colour in Domestie Pigeons, with Special Reference to Reversion. Proc. Zool. Soc. 1908. This paper possesses a peculiar historical interest for students of evolution. It is well known that Darwin, in discussing the origin of the domestic races of pigeons, laid great stress upon the appearence of reversionary forms very like the blue rock (Colwnba livia) which is not infrequent when widely differing breeds are crossed and the hybrids bred together. Staples- Browne has investigated from a Mendelian standpoint the conditions under which such reversionary forms appear. The main series of experiments lay in the working out of a cross between a black barb and a white fantail, a cross origi- nally made use of by Darwin in the most striking case given by him of the occurrence of the reversionary blue. The F, birds were all blacks with some white feathers. In the F, generation came blacks (with or without some white feathers), whites, and blues (also with or without some wh te feathers. The blues were not identical in appearance with C. /via for their wings were somewhat smoky, and the distinctive wing bars of the wild form were partially or almost completely obscured. Nevertheless, as the coloured plates shew, they were of the same general colour, and presented the characteristic black tail bar of C. “wa. Experiments with F, and F, birds shewed that: a) Blacks bred together could give blacks, blues, and whites. 4) Blues bred together gave either blues and whites, or blues only. +) Whites bred together gave only whites. +) Blues crossed with heterozygous blacks gave equal numbers of the two colours. : 2) Blues crossed with whites gave either all blues, or else blues and whites. The facts all point to a case of dihybridism in which the two pairs of factors concerned are black dominant to blue, and colour dominant to white. 396 Referate. The black barb carries both the dominant factors, and the white fantail neither of them. The normal redistribution of characters in F, results in a certain proportion of birds which contain the colour factor but are without the factor for black. These are the reversionary blues which, owing to the dominance of black, can only appear in the F, generation from such a cross as this. The numbers though not large accord on the whole fairly well with Men- delian expectation, but heterozygous blues crossed with whites gave a curiously aberrant result. Where equality is the simplest expectation these matings resulted in 13 blues and 28 whites. The author points out that this excess of whites is most striking where the white is the 3 parent. Such matings gave 8 blues and 21 whites as against 5 blues and 7 whites where the 3 parent was blue. It is suggested that the excess of recessives which occurs when the white goes in from the 3 side may possibly be comparable with the curious differences that obtain in the production of the recessive red eye in cinnamon canary crosses accord ng as the 3 or the ° cinnamon is used as a parent. In certain of the barb-fantail crosses reds appeared in F, and the author brings forward evidence to shew that red is recessive to blue or black. Being a coloured form red behaves as a dominant towards whites which are not carrying blue or black. But, as is only to be expected, whites which carry black give blacks when mated with reds. A few experiments were made with the nun pigeon but no reversionary blues were produced. A cross between the white tumbler and the white fantail gave an inter- esting result. The F, birds were either pure white or shewed a few coloured feathers (’’ticked whites“). Two of the latter bred together gave whites, ticked whites, and tricolors. The appearance of these coloured birds in F3 points to the white tumbler being a dominant white, i. e. a coloured breed in which a dominant colour-inhibiting factor prevents the apparance of the colour. The cross with the recessive white leads to the separation of the factors for colour and colour-inhibition and consequently to the production of some coloured birds in F,. The case would appear to be similar to one that has been more amply worked out in poultry. The author has made some investigations into the inheritance of the three forms of iris, white, orange, and black, which were met with in the course of the experiments. While admitting the necessity for further ex- perimental work he brings forward evidence to shew that white behaves as a simple dominant to black, and suggests that black will be eventually found to be recessive to orange, and that orange may be recessive to white. A point of considerable interest lies in the marked correlation between the black iris and white plumage, and, to a lesser degree, between black plumage and the white iris. Pigment in the beak and claws would appear to be correlated with certain types of plumage, and in this way behaves as a simple dominant to the absence of such pigment. RE Ca ea timiokentas Lang, Arnold. ,,Uber“die Bastarde von Helix hortensis Müll. und Helix nemoralis L., eine Untersuchung zur experimentellen Vererbungslehre.“ Mit Beiträgen von H. Bosshard, P. Hesse, E. Kleiner. — 120 S., 4 lithogr. Tafeln. Jena, G. Fischer, 1908. (Nebst ergänzenden Bemerkungen aus Lang, ‚Über Vorversuche zu Unter- suchungen über die Varietätenbildung von Helix hortensis Müll. und H. nemoralis L.“ — Jenaische Denkschriften XI., Festschrift für E. Haeckel, 1904.) Referate. 397 Als Unterscheidungsmerkmale zwischen der Garten- und der Hainschnirkelschnecke können nur solche der Gestalt, nicht auch solche der Farbe in Betracht kommen; denn beide sind sehr oft über- einstimmend gefärbt und bilden auch dieselben Farbvarietäten, insbesondere eine mit braun gebändertem und eine mit einfarbig gelbem, nicht ge- bänderten Gehäuse. Meist sind zwar die Mündungsränder bei H. nemoralis dunkel, bei /. Aortensis farblos, aber bei letzterer Art kommen auch pigmentierte Lippen vor, ebenso bei ersterer Albinos mit pigmentfreier Lippe. Hingegen sind die Formunterschiede (Verlauf des Ober- und Unter- randes der Mündung, Mündungsbreite, Spindellänge, größter Durchmesser des letzten Umganges, Gesamtgröße, Glandulae mucosae und Liebespfeil) gut verwendbar. Sehen wir also zunächst von den bloß Rassencharaktere liefernden Farb- und Zeichnungscharakteren ab, so weisen die von Lang gezüchteten Bastarde hauptsächlich intermediäre Merkmale auf: „Was die Form der Mündung anbetrifft, so neigen die meisten Hybriden mehr nach der hortensis-Seite hin, deren Mündungsform bei einigen Exemplaren ganz typisch ausgeprägt ist, bei anderen den Eindruck macht, etwas weiter, etwas offener zu sein als typisch bei Aortensis“. Drei Hybride unter den 16 untersuchten „zeigen keine recht charakteristische Mündung, man kann sie weder zemoralis noch hortensis zuteilen‘‘. Ein Hybride hingegen hatte „der Form nach eine ganz typische emoralis-Miindung“*. Spindellänge 11,7 mm, ' Mündungsbreite 8,6 mm, größter Durchmesser des letzten Umganges 21,2 mm, Gesamtgröße 20,3 mm, Länge des Liebespfeiles 6,5 mm, Ansatz und Profil der Kreuzleisten sind fast rein intermediär. In der Form des Liebespfeiles ist meist die Geradestreckung des »emoralis-Elters beibehalten, die Glandulae mucosae neigen mehr nach Aortensis, manchmal geht die Hälfte der Zweige nach zemoralis. Ganz andere Vererbungsart sehen wir bei den Färbungen eintreten. Ausnahmslos dominiert die dunkle Pigmentierung der zemoralis-Mündung über die unpigmentierte der /ortensis. Bei Verwendung je eines roten und eines gelben Exemplares der beiden Arten zur Kreuzung dominiert Rot über Gelb, bei Verwendung von ungebänderter /ortens’s und fünfbänderiger nemoralis dominiert die Bänderlosigkeit. Eine schwache Abweichung hiervon ergab Kreuzung einer ungebänderten gelben /ortensis mit gelber nemoralis, deren Bänder Verschmelzungen aufwiesen: es waren an einzelnen Bastarden blaß-tüpfelstreifige Bänder wahrzunehmen. Bei Verwendung einer roten ungebänderten zemoralis und gelben fünfbänderigen sortensis erzeugte jedoch jeder Paarling — bekanntlich sind ja die Landpulmonaten zwitterig— bloß Junge seiner eigenen Färbung und Zeichnung. Eine weitere Ausnahme bildete auch noch der Versuch, in welchem eine rötliche, verschmolzen- bänderige wemoralis mit einer grünlichgelben ungebänderten Aortensis ge- kreuzt worden war: neben den normalen bänderlosen schwarzlippigen Bastarden trat auch ein bänderloses, weißlippiges, also /ortensis-gleiches und ein gebändertes schwarzlippiges, also wemoralis-gleiches Exemplar auf. Diese Ausnahmsfälle würden (nach Ref.) ihre ungezwungene Erklärung finden, wenn es bei den untersuchten Arten Selbstbefruchtung gäbe, die dann für die rein mütterliche Nachkommenschaft allein, für die gemischte mit verantwortlich wäre. Lang fand nun allerdings nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, daß bei seinen Schnecken Selbstbefruchtung vorkäme, doch hat er verhältnismäßig wenige Exemplare vom Ei an isoliert auf- 398 Referate. gezogen, und bei anderen Schnecken ist neuerdings die Fruchtbarkeit solcher isoliert aufgezogener Exemplare konstatiert worden). Bei Paarung seiner Bastarde erhielt Lang trotz jahrelanger Bemühungen bloß einmal ein Junges, das leider früh verloren ging. Bei Paarung ungebänderter Bastarde mit gebänderten nemoralis oder hortensis erwiesen sich die Jungen als ungebändert. Auch hier konnten nicht viele Junge und diese nicht bis zur Geschlechtsreife erzogen werden. Wir wenden uns daher zur Kreuzung der Varietäten innerhalb einer und derselben Art (Lang 1904). Ebenso wie bei den Artkreuzungen schlägt Rot die gelbe Farbe bei Paarung von zwei /elix hortensis, Bänderlosigkeit die Bänderung bei zwei Z. hortensis oder nemoralis. Doch kann eine — wahrscheinlich nicht rassenreine — ungebänderte Aortensss mit einer fünf- bänderigen Zortensis zur Hälfte auch fünfbänderige Nachkommen ergeben. Kreuzung von zwei fünfbänderigen Aortensis untereinander ergab stets fünf- bänderige, in einem einzigen Falle war das mittlere Band ausgeblieben (vierbänderige ,,Mutation‘‘). Die Kreuzung von zwei ungebänderten Aorzenszs ergibt entweder bloß ungebänderte oder auch zu einem Viertel gebänderte Nachkommenschaft. Die Art der Bänderung, wie Anzahl, Breite der einzelnen Bänder, Verschmelzungen usw., hält sich bei Verwendung gleicher Elternformen recht konstant. Bei Kreuzung einer ungebänderten /iortensis mit einer ganz schwarzen, d. h. verschmolzenbänderigen, traten blaß tüpfelstreifige Exemplare auf. Auch kommt es vor, daß bei der Kreuzung ungebänderter mit typisch fünfbänderigen Schnecken etwas heller gebänderte auftreten. Ob eine Schnecke als Mutter oder Vater fungiert, hat bei diesen Versuchen keinen Einfluß auf die Jungen. Um dies nachzuweisen, müssen die (hermaphroditischen) Tiere nach der Kopulation isoliert werden, und es zeigt sich dann, daß bei jenen Kreuzungen ungebänderter Exemplare, in denen eine gewisse Anzahl gebänderter Nachkommen auftreten, diese ebenso wie die ungebänderten Nachkommen aus den Eiern beider Exemplare hervorgehen, und ebenso bei analogen Kreuzungen ungebänderter mit ge- bänderten Tieren. Auch das Alter der Tiere und des im Receptaculum seminis jahrelang aufbewahrten Spermas ändert nichts an der Vererbungspotenz. Die Fähigkeit, den Samen nach einmaliger Begattung Jahre lang befruchtungs- fähig mit sich herumzutragen, bildet einen bedeutenden Nachteil für die Kreuzungsversuche mit dieser Tiergruppe, da nur von klein auf isolierte Tiere als jungfräulich angesehen werden können. Kammerer, Wien. Schenck, H. Uber die Phylogenie der Archegoniaten und der Characeen. Englers Botan. Jahrbücher. 42, 1—37. 1908. Die Abstammung der Moose und Farne ist bisher wenig geklärt. Trotzdem man vom deszendenztheoretischen Standpunkte aus kaum zweifeln kann, daß die Vorfahren der Moose und Farne sich von algenartigen Orga- nismen ableiten, ist bisher keine Einigung darüber erzielt, an welchen Algen- stamm man sie anzuschließen hatte. Am verbreitetsten ist die Ansicht, daß grüne Algen die Stammeltern der Moose und Farne gewesen sind, und man hat in erster Linie an einen Anschluß an die Coleochaeten gedacht. Der Verfasser erwägt in seiner interessanten Mitteilung die Möglichkeit einer Ableitung der Archegoniaten von Braunalgen und meint, daß sich aus neueren Arbeiten Stützen für diese Annahme gewinnen ließen. 1) Ziegeler, ,,Selbstbefruchtung bei Limnaea stagnalis‘‘. — Wochenschr. für Aquarien- u. Terrarienkunde, V., S. 189, 1908. Referate. 399 Bei Dictyota ist von Williams ein regelmaBiger Generationswechsel festgestellt. Aus den Tetrasporen entwickeln sich die Geschlechtsorgane tragenden Pflanzen, deren Kerne 16-chromosomig sind. Aus der durch Befruchtung der Eizelle entstehenden Oospore geht die Tetrasporenpflanze mit 32 Chromosomen hervor. Bei der Bildung der Tetrasporen findet Reduktionsteilung statt. Die beiden Arten von Pflanzen, aus denen sich der Entwicklungsgang von Dictyota zusammensetzt, entsprächen also den Generationen der Archegoniaten, z. B. der Moose, die Geschlechtspflanze dem Moosgametophyten, die Tetrasporenpflanze dem Moossporophyten. Ein auffallender Unterschied zwischen dem Generationswechsel von Dictyota und von den Archegoniaten besteht darin, daß bei Dictyota beide Genera- tionen äußerlich gleich aussehen (homomorpher Generationswechsel), während sie bei den Archegoniaten verschieden sind (heteromorpher Generations- wechsel). In schematischer Darstellung hätten wir also: Moos Dictyota (heterothallisch) Spore Spore Tetraspore Tetraspore ‘ x Chromosomen | | | | 16 Chromosomen ö Gametophyt 92 3 Gametophyt 9 | sa | Antheridium Archegonium Antheridium Oogonium | | | | Spermatozoid Eizelle Spermatozoid Eizelle N ¢ 2 Se a Y Zi Br Sex Gna an Gob oe 6 N ( 1 2 x Chromosomen Sporophyt Tetrasporenpflanze 32 Chromosomen | | | | Veh a . . . » Reduktionsteilung : 2 = EN BER FE ES ERS Sporen Tetrasporen Die in gleicher Zeile genannten Glieder wären einander homolog. Der Verfasser sucht das im einzelnen für die Archegoniaten und die Braunalgen zu begründen. Man wird ihm zugeben müssen, daß die Gameto- phyten der niederen Lebermoose den Sexualorgane tragenden Thalli der Braunalgen ähnlicher sind als denen der Grünalgen. Der Vergleich der Sexualorgane der Archegoniaten mit den pluriloku- lären Gametangien der Braunalgen bietet größeres Interesse. Der Verfasser leitet ähnlich wie Davis von den plurilokulären Gametangien der Braun- algen die Antheridien der Lebermoose aus der Gruppe der Marchantiaceen dadurch ab, daß er annimmt, die äußerste Zellschicht des Gametangiums der Braunalgen habe beim Übergang dieser Pflanzen zum Landleben die Produktion von Geschlechtszellen aufgegeben und sei zur Wand geworden. Der Anschluß der Antheridien der Marchantiaceen an die der übrigen Leber- moose und die Homologie zwischen Lebermoos-Antheridium und Leber- moosarchegon bietet seit Goebels Arbeit keine Schwierigkeiten mehr. Die Laubmoossexualorgane dagegen lassen sich nicht so leicht an die eben geschilderte Entwicklungsreihe anschließen. Die Sexualorgane der Pterido- he repräsentieren nach der Meinung des Referenten einen besonderen ypus. Ob sie sich aus denen der Moose entwickelt haben, ist nicht ersichtlich. 400 Referate. Die Ableitung des Tetrasporangiums der Dictyotaceen vom unilokulären Sporangium des Phaeosporeen halt Referent fiir sehr unsicher, so lange die entwicklungsgeschichtlichen Verhältnisse der Phaeosporeen so wenig geklärt sind. Zunächst müßte der Entwicklungsgang und die Zytologie einer größeren Anzahl von Phaeosporeen genauer bekannt sein, ehe man sichere Schlüsse ziehen könnte. Die Annahme der Homologie des Tetrasporangiums mit der Sporenmutterzelle der Archegoniaten wird durch das Auftreten der Re- duktionsteilung im Tetrasporangium gestützt. Für die Auffassung, daß die Reduktionsteilung im Entwicklungsgange der pflanzlichen Organismen nicht immer an derselben Stelle eintrete, liegt — auch bei Fucus — nach der Meinung des Referenten kein Grund vor. Die Erörterungen des Verfassers zeigen, daß möglicherweise engere phylogenetische Beziehungen zwischen den Braunalgen und Archegoniaten vorliegen. Recht überzeugt ist allerdings Referent bisher nicht, obwohl er seit Jahren in seinen Vorlesungen ähnliche Anschlußmöglichkeiten auf Grund der Arbeiten von Davis, Goebel und anderen erörtert hat. Er glaubt vielmehr, daß es ein vergebliches Bemühen sein wird, die Archegoniaten, die ja selber sich aus isolierten Gruppen zusammensetzen, irgendwo ab- zuleiten. Diese Ansicht wird wohl auch für die Characeen zutreffen. Auch diese Pflanzengruppe denkt sich der Verfasser aus den Braunalgen entstanden. Die plurilokulären Gametangien gewisser Braunalgen (Stilophora, Myriactis) stimmen morphologisch mit den spermatogenen Fäden von Chara überein. Diese, und nicht die Gebilde, die man bisher so nannte, sind nach ihm die Antheridien. Die Auffassung hat den Vorzug, die bisher nirgends recht unterzuordnenden männlichen Sexualorgane zuständlich zu machen. PP Gann Brea Winkler, H. Solanum tubingense, ein echter Pfropfbastard zwischen Tomate und Nachtschatten. Ber. d. Deutsch. Botan. Gesellsch. 26a 1908. S. 595 bis 608. Die gleiche Versuchsanstellung, welche schon die eigenartige Chimare?) ge- liefert hatte, hat jetzt auch zu einem Gebilde geführt, das Winkler als zweifel- losen Pfropfbastard deutete. Außer einigen neuen Chimären entstanden im vergangenen Sommer auch Adventivsprosse, von denen wenigstens einer alle Eigenschaften eines echten Pfropfbastardes erkennen ließ: Ein Sproß von Solanum lycopersicum war durch Keilpfropfung auf S. zigrum trans- plantiert worden und nach der Verwachsung wurde quer durch die Ver- wachsungsstelle hindurchgeschnitten. Es entstanden zahlreiche Adventiv- sprosse auf der Wundfläche, von denen jedoch nur diejenigen belassen wurden, welche auf der Grenze zwischen Nrgrum- und Lycopersicum--Gewebe aufsaßen; insgesamt waren dies 14 Sprosse. Sie wurden nach einiger Zeit abgetrennt, als Stecklinge zur Bewurzelung gebracht und so zu selbständigen Pflanzen herangezogen. Acht von diesen Pflanzen erwiesen sich als reines S. 2igrum, fünf als reines S. Zycoperszcum, aber eine war eine ganz ausgesprochene Mittel- bildung zwischen diesen beiden Spezies. Das gilt für die Gestalt und Be- haarung der Blätter, die Dicke und Form des Stengels und vor allem auch für 1) Ref. diese Zeitschrift S. 139. 2) Sexuell entstandene Bastarde zwischen S. nigrum und S. lycopersicum kennt man nicht, und es ist auch Winkler nicht gelungen, auf sexuellem Wege einen Bastard zwischen den beiden Arten zu erhalten. Die entsprechenden Befruchtungen waren immer ergebnislos. Referate. 401 die Blüten. Nach der sorgfältigen Beschreibung, die Verfasser gibt, und nach seinen Abbildungen, besteht wohl kein Zweifel, daß hier eine Pflanze vorliegt, die so aussieht, wie man es von einem typischen Bastard zwischen den beiden zusammengepfropften Arten erwarten muß. Dieses S. /udingense, wie Winkler den Pfropfbastard benennt, hat auffälligerweise völlig normal entwickelte Sexualzellen, hat bei Selbstbestäubung gut Samen angesetzt und Samen mit normalem Embryo entwickelt. In diesem Punkte weicht S. /ubingense demnach von den bisher bekannten wahrscheinlichen Pfropfbastarden (Crataegomespilus und Cytisus Adami), die in beiden Geschlechtern völlig steril sein sollen!), ab. In bezug auf die vegetative Aufspaltung stimmt dagegen S. Zudingense mit den andern Pfropfbastarden überein, es hat auf vegetativem Wege bisher schon wenigstens S. nigrum wieder aus sich hervorgehen lassen, und zwar als Adventivsproß aus einem dekapitierten Exemplare. Referent ist noch nicht völlig überzeugt, daß hier ein wirklicher Pfropf- bastard vorliegt, wenn schon diese Deutung die allergrößte Wahrscheinlichkeit für sich hat; ihm scheint die Möglichkeit noch nicht ganz ausgeschlossen, daß S. tubingense eine „Periclinalchimäre‘ ist, analog den vom Ref. in dieser Zeitschrift 2) beschriebenen Periclinalchimären bei Zelargoniumn. Wenn dieser allerdings wohl letzte überhaupt noch mögliche Einwand be- seitigt ist — und die Feststellung, ob eine Periclinalchimäre vorliegt oder nicht, kann nicht schwer sein — dann ist allerdings durch die ganz mustergültig durchgeführte Versuchsreihe Winklers diese jetzt bald 100 Jahre alte Streit- ' frage entschieden. Freilich entstehen damit sofort neue Fragen, von der größten Tragweite, vor allem zytologische Fragen nach dem Modus der Chromo- somenreduktion bei diesen Pfropfbastarden. Baur. Shull, H. G. A new Mendelian Ratio and Several Types of Lateney. The Americ. Naturalist 42. 1908. S. 433—451. Verfasser berichtet über einige in vieler Hinsicht interessante Fälle von Bohnenkreuzungen (Phaseolus vulgaris). Er unterscheidet folgende Erb- einheiten: zunächst einen Faktor P=Fähigkeit zur Bildung von braunem oder gelbem Pigment, p=Fehlen dieser Fähigkeit; ferner B= Fähigkeit, die vorhandene Farbe in schwarz zu modifizieren, b = Fehlen dieser Fähig- keit; drittens endlich einen Faktor M, der bedingt, daß die Färbung nicht gleichmäßig ist, sondern als Sprenkelung auftritt, m= Fehlen dieses Faktors. B äußert sich nur in Individuen, welche auch P enthalten. Infolgedessen ist z. B. eine Bohnenpflanze von der Formel oa nicht schwarz, sondern weiß. M äußert sich nur in Individuen, die in bezug auf diesen Faktor heterozygotisch sind, eine Pflanze von der Formel ao ist braun ge- sprenkelt, aber eine von der Formel an oder Eon ist einfarbig braun Pbm und entsprechend ist En schwarz gesprenkelt, aber eo oder ae r ist einfarbig schwarz. 1) Ob die Sterilität vollkommen ist, ist freilich nach den neuesten Angaben von Hildebrand und Johannsen etwas fraglich. ‘ 2) Dieses Heft S. 330. Eine Periclinalchimäre mit S. Lycopersicum außen und S. nigrum innen müßte wohl ungefähr das Aussehen von S. tubingense haben! 402 Referate. Durch die Annahme dieser Erbeinheiten wird die sonst ganz unver- ständliche Erblichkeit dieser Farbenrassen vollkommen verständlich und theoretisch berechenbar. Gesprenkelte Individuen, die durch Kreuzung einer schwarzen mit einer weißen Sippe entstanden sind — etwa weiß: a SE EN It: PEM. eae oan schwarz: PBM gesprenkelt : Don spalten, nämlich in F, auf in 18 schwarz: 18 schwarzgesprenkelt: 6 braun: 6 braungesprenkelt: 16 weiß, und daß tatsächlich diese empirisch gefundenen Verhältniszahlen theoretisch verlangt werden müssen, wenn man die Erbeinheiten, so wie Verfasser es tut, annimmt, wird wohl jeder mit diesen Dingen einiger- maßen Vertraute leicht berechnen können. Es ist ferner, wie Verfasser her- vorhebt, von Interesse, daß mit dieser Formulierung der Erbeinheiten auch die Ergebnisse von analogen Phaseoluskreuzungen von Tschermak}) durchaus im Einklang stehen. Im Anschluß an diese Mitteilung bringt Verfasser dann weiterhin noch eine interessante und gewiß klärende Diskussion dessen, was alles mit dem Terminus ‚„Latenz“ in der hybridologischen Literatur bezeichnet wird. Verfasser unterscheidet: I. Latency due to separation. Die Latenz beruht hier darauf, daß das betreffende Außenmerkmal von mehreren unabhängig mendelnden Erbeinheiten abhängt, sich also nur äußern kann in Induviduen, welche auch diese andern Erbeinheiten enthalten. Solche Fälle von Latenz sind besonders für Blütenfarben von Wirabzlis, Lathyrus, Antirrhinum usw. ja in großer Zahl genau bekannt. — 2. Latency due to combination liegt vor, wenn wie in dem eben referierten Beispiele der Bohnen eine Erbeinheit sich nicht im homozygotischen, sondern nur im heterozygotischen Zu- stande äußert2). — 3. Latency due to hypostasis liegt vor, wenn das Außen- merkmal (z. B. ein gelbes Pigment in einer Bohne) zwar vorhanden ist, aber nicht erkennbar wird, weil irgend ein anderes davon ganz unab- hängiges Merkmal (z. B. ein dunkelbraunes Pigment) es verdeckt. Solche Fälle sind ebenfalls sehr viele genau bekannt, sie liegen überall da vor, wo, wie Verfasser sagt, „one positive character seems to dominate another positive character“. — 4. Latency due to fluctuation endlich nennt Verfasser diejenigen Fälle, wo ein Außenmerkmal nicht in Erscheinung tritt unter dem Einfluß irgend welcher Außenfaktoren — Ernährungs- bedingungen etwa, — welche auf das betreffende Individuum eingewirkt haben. Baur. Price, H. L. and Drinkard, A. W. Inheritance in Tomato Hybrids. Bull. Vir- ginia Agr. Exp. Station. No. 177. pp. 17—53. 1908. With 10 colored plates. The autors present the data from a series of crosses quite comprehensive in the number of characters considered. The small number of the progeny of each cross under observation precludes any conclusion as to the coupling of gametes belonging to different allelomorphic pairs or the idiosyncrasies of indivi- dual parents, but that they are sufficient to show clearly partial or complete dominance with subsequent gametic segregation in each of the pairs of cha- racters investigated. The conclusions would have been more convincing had the behavior of “extracted” dominants and recessives been reported. 1) Tschermak, Weitere Kreuzurgsstudien p. p. Zschr. Landw. Versuchsw. 7 1904. S. 533—638. 2) Weitere Fälle, die hierher gehören, sind Ref. nicht bekannt. Referate. 403 I. Round fruit was dominant to pear shaped fruit, the result supposedly being due to the dominance of the open corolla of the former over the long constricted corolla of the latter. 2. Two-celled ovaries were dominant to many-celled, the F, generation from five distinct crosses showing 95 two-celled fruits to 25 many-celled fruits. It is interesting in this connection that one of the two-celled varieties used in this series of crosses belongs to a distinct species, Z. pimpinellifolium, 3. Conic shape was dominant to oblate or roundish-compressed shape. 4. Colors of flesh and skin were found to be dominant to their absence, thus corroborating the earlier results of Hurst. 5. In the F, generation of crosses between pubescent and smooth types, a peculiar condition resulted, no explanation of which is attempted by the author. In this generation 11 pubescent and 4 smooth plants resulted. Selfed pubescent plants gave 16 pubescent to 8 smooth in the F, generation, while selfed smooth plants gave 20 smooth to 4 pubescent. 6. In the F, generation of a cross between green and yellow foliage, the plants were all green. In the next generation 118 green and 38 yellow plants were produced. 7. Normal or cut leaf foliage dominated entire or potato leaf foliage, the F, generation producing 138 cut leafed to 50 entire leafed plants. 8. Standard stature dominated dwarf stature, the figures in the F, gene- ration being 36 : 12. Probably the most important result is the fact that in crosses between L. pimpinellifolium and L. esculentum, the characters observed behaved in exactly the same manner as when varieties of the latter species were crossed. East, New Haven, Conn. Orton, W. A. On the Theory and Practice of Breeding Disease-resistant Plants. Ann. Rpt. Amer. Breeders’ Assn. 4 pp. 144—156. 1908. Text fig. 7. From investigations conducted by the author he concludes that anatomical differences between plants have little to do with variation in their resistance to parasitic fungi. He has found no correlation between disease resistance and thickness of cell walls or epidermis, or presence of hairs. Immunity appears to be the result of the formation of inhibiting enzyems or anti-bodies analogous to those developed in animal circulatory systems. These products are inherited as unit characters. Segregation occurs, but it cannot be definitely stated that Mendelian ratios are secured in every case. The obvious conclusion is that while we cannot hope to originate the quality of disease resistance, it is entirely possible to breed disease-resistant varieties when the quality already exists in the species in question or in another species that will hybridize with it.“ East, New Haven, Conn. Grosch, P. Phylogenetische Korallenstudien. (Die Axophylliden.) Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. 61. 1909. S. 1—38, 8 Textfig., ı Tafel. Vielfach wird heute noch eine Einteilung der Korallen in die paläozoischen Tetracorallier oder Rugosen einerseits und die jüngeren Hexacorallier anderer- seits, sowie in Madreporaria porosa und Madreporaria aporosa aufrecht er- halten, obwohl schon die verschiedensten Forscher darauf hingewiesen haben, daß die Formen dieser Abteilungen auseinander hervorgegangen sind. Aus- gehend von den paläozoischen Axophylliden, versucht es der Verfasser die Nachkommen dieser Gruppe der Rugosen unter den jüngeren Korallen auf- zufinden und ihre phylogenetische Entwicklung, unabhängig von den oben Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. I, 26 404 Referate. erwahnten, Einteilungen klarzustellen. Drei Formenkreise lassen sich unter den Axophylliden nach der Struktur der für sie charakteristischen Säule unterscheiden : An die karbonischen Lithostrotien und die eng damit verkniipften /etalaxis- Arten mit griffelförmiger oder seitlich abgeplatteter Columella schließt der Autor die tertiär und lebend bekannte Gattung Zurörnaria an, die in Ausbildung der Septen und Säule viele Ähnlichkeiten mit den paläozoischen Formen aufweist. Das Coenenchym der porös gewordenen Turbinarien muß man sich aus der blasigen Randzone der L/thostrotion-Kelche entstanden denken. Die Gattung /leurocora der kretazeischen Korallenfauna dürfte als Zwischenform zwischen Lithostrotion und Zurbinaria anzusprechen sein. An die büschelförmigen Zithostrotion-Arten, die der Verfasser in der Gattung S7phonodendron M. Coy. emend. Grosch abgrenzt, reihen sich die jurassischen Goniocoren und an diese die Stylocoren der Kreide an; alle diese Formen stimmen im Habitus und der verhältnismäßig geringen Kelch- größe vollkommen überein. Mit den paläozoischen Gattungen Zonsdalera und Chonaxis wird die lebende Astrordes calycularis Pall. in Beziehung gebracht. Charakteristisch für diese Gruppe ist die aus Aufwölbungen der Böden im Kelchzentrum gebildete Säule. Die lebende Koralle besitzt am Außenrand der Kelche ein spongiöses, poröses Gewebe, das der blasigen Randzone der Lonsdaleien entspricht. Die dritte Gruppe enthält Einzelkorallen, die Gattungen Cliszophylium und Axophyllum. Die vom Jura bis zum Tertiär bekannten Parasmilien zeigen im Aufbau der Säule aus vertikalen Lamellen, in deren Zentrum nicht selten ein Medianblatt steht, große Übereinstimmung mit C/vophyllum. An Axophyllum aus dem Carbon schließt sich die jurassische Gattung Axosmulia an. Nach den Ergebnissen dieser phylogenetischen Untersuchungen setzen die Axophylliden in parallelen Entwicklungsreihen vom Paläozoikum bis zur Jetztzeit fort. Die Veränderungen, die ihr Skelett in diesem Zeitraum er- fahren hat, bestehen im wesentlichen in einer Auflockerung der ursprünglich kompakten Hartteile, die schließlich zur Porosität führen kann. In einem Anhang weist der Verfasser noch auf die Verwandtschaft der lebenden C/adocora caespitosa L. mit dem obersilurischen Cyathophyllum dragmoides Dyb. hin. Trotzdem diese beiden Korallen zeitlich so weit auseinander- liegen, stimmen sie doch sowohl im Habitus, der Sprossung des büscheligen Stocks, als auch in Größe und Bau der Kelche fast vollkommen überein. isn Grenatans Anderson, G. E. Studies in the Development of certzin Palaeozoic Corals. The Journal of geology. 15. 1907. Eine kleine Sippe paläozoischer Korallen (z. B. Craspedophyllum) ist durch eine eigentümliche Innenmauer gekennzeichnet, die einen sehr kleinen zentralen Raum des Kelches einschließt, in den keine Septen eindringen, während bei anderen Korallen mit Innenmauern (z. B. Acervularia) die Septen diese durchdringen und in den zentralen Teil des Kelches hineinragen. Verfasser hat an der Hand von Ouerschliffen durch den Kelch von Craspedophyllum die Entstehung der Innenmauer studiert. Er kommt zu dem Ergebnis, daß sie durch Umbiegen und Verwachsen der freien Enden der ursprünglich fiederförmig zu einem Gegen- und zwei Seitensepten an- geordneten Septen zustande kommt. Das Hauptseptum bewahrt am längsten seine isolierte Stellung und ragt durch den Hals der anfänglich hufeisenférmigen: Innenmauer in den Zentralraum des Kelches. Schließlich Referate. 405 wird es zur Größe eines Septums des inzwischen eingeschobenen zweiten Zyklus reduziert, und die Innenmauer durch eine Dissepimentbrücke voll- kommen geschlossen. Gleichzeitig treten auf den Seitenflächen der Septen Kielleisten auf, die gebogen vom Außenrand nach Innen und Oben ver- laufen. Der Autor nennt die Innenmauern von Crasfedophyllum und Ver- wandten echte, im Gegensatz zu falschen Innenmauern, wie sie z. B. Acervularia und viele andere paläozoische Korallen aufweisen. Die Auffassung des in Rede stehenden, nur bei einer ganz beschränkten Korallengruppe auftretenden Gebildes als echte Innenmauer erscheint dem Ref. wenig angebracht, da es mit den sogenannten echten und falschen Mauern aller übrigen Korallen gar nichts gemein hat. Die Schnitte durch Craspedophyllum Fig. I1—5 geben uns ein vortreffliches Bild von dem all- mählichen Auswachsen einer ursprünglich bilateralen und fiederförmigen Septenanordnung zu einer vollkommen radialen. Die Kielleisten auf den Flächen der Septen deuten an, daß sich in ihrem Aufbau eine Komplikation der Struktur vollzieht, wie wir sie von allen jüngeren Korallen kennen Hy Gerihy Rothpletz, A. Uber Algen und Hydrozoen im Silur von Gotland und Orsel. Kungl. Svenska Vetensk. Handl. 43 Nr. 5. 1908. 25 S., 6 Taf. Diese Arbeit enthält die Untersuchung einiger silurischer Organismen, | von denen besonders die Repräsentanten der Kalkalgen von Interesse sind. Man hat schon mehrere Familien kalkabscheidender Algen bis in die ältere paläozoische Zeit zurückverfolgen können, nämlich die Dasycladaceen und vielleicht auch die Codiaceen bis ins Silur, die Characeen bis ins Devon. Der Verfasser untersuchte nun die knolligen Reste des baltischen Silur und fand, daß sie z. T. mit der früher von ihm aus der Trias be- schriebenen Gattung SpAacrocodium identisch sind, von der ähnlichen eben- falls silurischen Gattung Gzrvane//a aber durch feines Zellgewebe und durch das Vorhandensein von zweierlei Gewebearten unterschieden sind, der normalen, sehr dünnen Zellfäden und der einfach breiteren Schlauchzellen. Beide wechseln lagenweise miteinander ab. Da Sphacrocodium und Girvanella mit den lebenden Codiaceen eine ausgesprochene Ähnlichkeit aufweisen, so ist es nicht ungerechtfertigt, sie dieser Familie als primitive Formen anzuschließen. Ihr höheres geologisches Alter läßt es auch begreiflich er- scheinen, daß soweit gehende Differenzierungen des Zellgewebes und die Ausgestaltung besonderer Fortpflanzungszellen noch fehlen. Es hat bisher als eine auffallende Tatsache gegolten, daß diejenige Familie kalkabsondernder Algen, die in der Gegenwart weitaus die wichtigste Rolle als Kalkbildner spielt und die zugleich ungemein weit verbreitet ist, die Corallinaceen, aus vorkretazischer Zeit so gut wie unbekannt ist; um so mehr auffallend, als die aus der Kreidezeit nachgewiesenen Vertreter nicht nur dem im Wachstum gar nicht oder wenig differenzierten Typus Zithothamnion angehören, sondern sich daneben schon stark verzweigte, dünnästige Ge- stalten finden, aus denen sich die reichverzweigten und gegliederten Ge- stalten der heutigen Gattungen Amphiroa, Cheilosporum und Corallina ähnlich ungezwungen ableiten lassen, wie die gegliederten Formen anderer Kalk- algenfamilien aus ihren älteren ungegliederten Vorläufern. Als einzige, einigermaßen sichere Vorläufer der Corallinaceen aus vorkretazischer Zeit konnten die Solenoporen gelten, die Brown 1894 als solche angesprochen hatte. Sie waren aus dem Silur und aus dem mittleren Jura bekannt geworden. 26* 406 Referate. Rothpletz hat die jurassische Form nachuntersucht und gefunden, daß sie von der silurischen So/enopora unterschieden ist durch das Fehlen von Poren in den Zellwänden und dadurch, daß die Verkalkung nicht in sondern nur außerhalb der Zellmembran vor sich geht. Sie wird als Solenoporella abgetrennt. Von den silurischen Solenoporen konnte festgestellt werden, daß ihnen z. T., wie S. compacta, besondere Schlauchzellen abgehen, z. T., wie S. gotlandica, zukommen. Ferner unterscheidet sich S. gotlandica von der Mehrzahl der bekannten Silurarten durch den viel geringeren Durchmesser der Zellen, wodurch sie sich den jüngeren Corallinaceen weit Fig. 3 Fig. 1, 2, 3 Corallinaceen aus dem Perm Siziliens. Fig. 1 und 2 schirmförmige Ge- stalt von der Seite und von oben. Fig. 3 héckerige Form von oben und von der Seite. mehr annähern, als die Mehrzahl der älteren Formen, die sich durch auf- fallende Großzelligkeit auszeichnen. Der Verfasser kommt hiernach zu dem Schlusse: zwischen der silurischen Solenopora und dem seit der Kreide bekannten /7thothamnium besteht eine auffallend große Ähnlichkeit. Man kann diese Tatsache mit Al. Brown dahin verwerten, daß man in den So/. die Vorläufer der Z7¢/. sieht. Dann hätte einerseits die Größe der Zellen im Laufe der Zeit eine Abwandlung erfahren, andererseits hätten auch ursprünglich besondere Zellen nur für die ungeschlechtliche Fortpflanzung (den Tetrasporangien entsprechend) bestanden und die geschlechtliche Fortpflanzung wäre erst ein Erzeugnis der phylogenetischen Entwicklung (jüngerer Zeiten). Der anderen Deutung, wonach die Solenoporen ausgestorben wären und mit der Kreidezeit ein neuer ganz ähnlicher Algenstamm als Zithothamnium hervorgetreten ware, möchte der Verfasser nicht allzuviel Kredit geben, trotz der weiten zeit- lichen Lücke, die zwischen Silur und Kreide klafft. Auf alle Fälle haben aber so die So/. eine ähnliche Rolle im Haushalte der Natur gespielt, wie später die Zrth. Hiezu wäre folgendes zu bemerken: In Wirklichkeit existiert eine solche weite Lücke auch gar nicht. Im oberen Jura kommt in weiter Verbreitung (Frankreich, Süddeutschland, Krim) ein Fossil vor, das knollige, halbkugelige Gestalt mit der Zellstruktur vereinigt — Chaetetes polyporus Qu., im Jahre 1883 von Haug genauer untersucht und als Psewdochaetetes beschrieben. In den Permkalken Siziliens finden sich aber Referate. . 407 in großer Häufigkeit unbeschriebene Fossilien, die ihrer Zellstruktur nach ebenfalls hierher gehören. Sie sind aber auch durch ihre Form wichtig. Denn während man bisher aus vorkretazischen Schichten nur kugelige oder knollige Vertreter der Corallinaceen kennt, aber keine Übergänge zu den höckerigen oder korallenartig verzweigten Zzthothamnien oder zu den blatt- artigen Lithophyllen und Mastophoren, liegen dort einerseits Formen vor, die nur mit der Spitze aufgewachsen sind und sich in der Form eines stark- gewölbten Schirmes seitlich ausbreiten (Fig. 1, 2), andererseits Gestalten, die anfangs nur die Form eines verkehrten Kegels besitzen, beim späteren Wachstum sich aber höckerig zerteilen, indem tiefe, z. T. miteinander verschmelzende Radialfurchen zwischen dem Thallus offen bleiben (Fig. 3). Hier haben wir also genau diejenigen Übergangsformen, die wir fordern müssen, wenn wir die jungmesozoischen Z7¢#. von den silurischen So/. ab- leiten wollen. Unter diesen Verhältnissen erscheint die zweite von Roth- pletz angedeutete Möglichkeit wohl gänzlich ausgeschlossen, und wir dürfen behaupten: die phylogenetische Entwicklung der Corallinaceen beginnt für uns heute im Silur; im Laufe der Zeit entwickeln sich aus einfach knolligen Formen die mannigfaltigen Gestalten der Gegenwart durch Auswachsen in verschiedenem Sinne. Dabei tritt im Laufe der Zeit eine Differenzierung des Zellgewebes in verschiedener Richtung ein, und auch die Entstehung der ungeschlechtlichen und geschlechtlichen Fortpflanzungszellen wird im Aufbau desZellgewebes erkennbar. Damit wäre denn auch für die Corallinaceen eine kontinuierliche und orthogenetische Stammesentwicklung festgestellt, wie sie für die übrigen Gruppen der Kalkalgen schon wahrscheinlich gemacht ist. Es würde den Rahmen einer Besprechung überschreiten, wenn ich im einzelnen darlegen wollte, wie besonders bei den Siphoneen die früh ent- standene Divergenz durch alle Zeiten bis auf heute sich erhalten hat, daß mit anderen Worten die einmal entstandenen Rassen persistiert haben. Steinmann. Matthew, W. D. Mammalian Migrations between Europe and North America. American Journal of Science 1908. 4. Ser. 25 No. 145 p. 68—70. Depéret nimmt zur Erklärung der Ähnlichkeit der nordamerikanischen und europäischen tertiären Säugetierfaunen einen nur wenig unterbrochenen Formenaustausch zwischen den beiden Kontinenten in der Tertiärzeit an (Les transformations du monde animal, Paris 1907, p. 32I—324). Seiner Anschauung tritt Verf. auf Grund der Annahme einer parallelen Entwicklung, besonders der Creodontierstämme entgegen. Die Ansicht der beiden Autoren über die Beziehungen der beiden Kontinente zeigt folgendes Schema (| Trennung, — Verbindung, —*) Verbindung über Ostasien). Matthew Deperet Pleistocän — —*) Pliocän _ —*) Ob. Miocän I —*) Mitt. Miocän | = Unt. Miocän | I | Ob. Oligocän I — Mitt. Oligocän Il = Unt. Oligocän ai} = Ob. Eocän I | Mitt. Eocän ‘ —_— Unt. Eocän —*) — Paleocän — — K. Deninger. 408 Referate. Noetling, Fritz. Bemerkungen über die angeb!iche Menschenspur im Sand- stein von Warrambool (Vie.) Australien. Zentralbl. i. Min., Geol., Pal. 1907. S. 498—502. Verfasser hatte Gelegenheit, in den Bergen Tasmaniens Spuren von Känguruh in Neuschnee zu beobachten. Die einzelnen Abdrücke zeigten eine frappante Ähnlichkeit mit denen eines schmalen Frauenfußes. Die Abdrücke folgten entsprechend der büpfenden Fertbewegung in Paaren in Abständen von 2—5 Fuß. Die beigegebene Abbildung zeigt die über- raschende Ähnlichkeit dieser Spur mit der von Klaatsch (Zeitschrift f. Ethnologie. 38. Jahrg. 1906. Heft IV u. V. S. 782) gegebenen Abbildung der fossilen Spur von Warrambool, so daß es in höchstem Grad wahrschein- lich ist, daß diese nicht auf einen -fossilen Menschen, sondern auf ein Känguruh zurückzuführen ist. K. Deninger. Schoetensack, Otto. Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg. Fin Beitrag zur Paläontologie des Menschen. Leipzig, Engelmann, 1908. Bei dem Dorfe Mauer, Io km südöstlich Heidelberg, wurde im Herbst 1907 ein menschlicher Unterkiefer gefunden. Die fluviatilen Sande, in welchen das Fossil lag, sind reich an Säugetierresten, und zwar zeigt ihre Fauna nahe Beziehungen zu der des Mosbacher Sandes. | Verfasser gibt folgende Arten an: Zelis leo fossilis= F. spelaca Goldf. Felis cf. catus, Canis Neschersensis Bl., Ursus arvernensis Croizet, Ursus Deningeri Reichn., Sus scrofa var., Alces latifrons Johns., Cervus elaphus var., Bison sp. nov. ind., Equus sp, Rhinoceros etruscus Falc., Elephas antiquus Fale., Castor fiber L. Es fehlen Rhinoceros Mercki Jaeg. u. Llephas trogontherii Pohlig. Es handelt sich also zweifellos um altdiluviale Ablagerungen. Das Zusammenleben des Menschen mit Zlephas antiquus bewiesen schon früher die (viel jüngeren, nach Wüst dem letzten Interglazial angehörigen, Ref.) Funde von Taubach. Der in diesen Schichten gefundene Unterkiefer zeigt eine Kombination von Merkmalen, wie sie bisher weder an einer rezenten noch fossilen Mandibula angetroffen: worden ist. Während der Kieferknochen starke Besonderheiten aufweist, liefert die Beschaffenheit des Gebisses den absolut sicheren Beweis dafür, daß wir es mit einem menschlichen Teile zu tun haben. Die Caninen zeigen keine Spur einer stärkeren Ausprägung den anderen Zahngruppen gegenüber, und die Zähne treten überhaupt in ihren Dimensionen nicht aus der Variationsbreite des rezenten Menschen heraus. Allerdings sind die Maße groß, wenn man moderne europäische Objekte zum Vergleich heranzieht. Sowie man aber diesen auf jetzige niedere Rassen ausdehnt, verschwindet die Differenz. Auffallend ist die gegenüber den Proportionen des Gebisses erstaunliche Größe des Kieferknochens. Was die Größenverhältnisse der Zähne untereinander anlangt, so zeigt hier der 3. Molar geringere Dimensionen wie die vorhergehenden. Die Molaren zeigen den 5-Höckertypus stark ausgeprägt und ihre Pulpahöhlen sind von ungewöhnlicher Größe. Letzteres ist ein Merkmal, das im Jugend- zustand bei Europäern regelmäßig vorkommt. An dem Kieferknochen fällt das Fehlen einer Kinnvorragung auf. Ebenso fehlt eine echte Spina mentalis interna. Der Kieferknochen ist ganz außerordentlich massiv, be- sonders in der Region des letzten Molaren, der Basalrand von beträchtlicher Dicke. Die Rami steigen sehr steil an und sind durch sehr bedeutende Breitendimensionen ausgezeichnet. Referate. 409 Dem Verfasser scheint es möglich, daß der //omo heidelbergensis in die Vorfahrenreihe des rezenten Europäers. gehört.° Wir müßten dann an- nehmen, daß Reduktionsprozesse am Kiefer eingetreten . sind, besonders an dem distalen Teile des aufsteigenden Astes und eine Verkürzung (viel- leicht besser ein Zurückrücken, Ref.) der Zahnreihe, wodurch die Kinnpro- minenz zustande käme. In der ontogenetischen Entwicklung des Europäers würden manche Momente dafür sprechen. Außereuropäische Kiefer ähneln gelegentlich dem Mauerer Fossil in einzelnen Merkmalen. Die Anthropomorphen zeigen keine großen Über- einstimmungen mit dem Heidelberger Kiefer, am nächsten stehen noch in der Gestalt des Ramus die Gibbonen. Wo Annäherungen vorkommen, faßt Verfasser sie als primitive Merkmale auf, die bei den rezenten Anthro- pomorphen eine Weiterbildung erfahren haben, die dafür sprechen, daß das Fossil dem Ausgangspunkt der Anthropoiden nahe stehe. Die Kiefer des Homo primigenius endlich von La Naulette, Spy, Krapina und Ochos stehen dem Heidelberger Kiefer in vielen Beziehungen nahe und repräsentieren ihm gegenüber ein etwas fortgeschrittenes Stadium, das besonders in der größeren Grazilität des Knochens zum Ausdruck kommt, aber kein Hindernis für die Ableitung dieser Formen von Homo heidelbergensis darstellt. Aus den Schlußfolgerungen des Verfassers wäre folgendes hervorzuheben: „Die Mandibula des Homo heidelbergensis Jaßt den Urzustand erkennen, welcher dem gemeinsamen Vorfahren der Menschheit und der Menschen- affen zukam. — Angenommen, es würde ein geologisch noch älterer Unter- kiefer aus der Vorfahrenlinie des Menschen gefunden, so stünde nicht zu erwarten, daß er viel anders aussehen würde, als unser Fossil, das uns bereits bis zu jener Grenze führt, wo es eines speziellen Beweises bedarf (wie hier des Gebisses), um die Zugehörigkeit zum Menschen darzutun. Noch weiter abwärts kämen wir zu dem gemeinsamen Ahnen sämtlicher Primaten.“ Unter den Ausführungen Schoetensacks findet sich neben einigem, das allgemeine Anerkennung finden wird, doch mancherlei, das eine Kritik herausfordert. Was der Arbeit einen dauernden Wert verleihen wird, ist der sorgfältig aufgenommene Fundbericht, der uns auch über die Lagerungs- verhältnisse in befriedigender Weise orientiert. Die Fossilliste dagegen kann schon keinen Anspruch auf Vollständigkeit machen. In der Be- schreibung des Kiefers zeigt sich im ganzen eine löbliche Beschränkung der Spekulation. Fassen wir aber den Gesamteindruck des anthropologischen Teiles zu- sammen, so glaube ich, daß wohl niemand die Arbeit ohne ein Gefühl der Unbefriedigung aus der Hand legt. Wir müssen heutzutage größere An- sprüche an die anthropologische Beschreibung eines so wichtigen Fundes stellen, als in früheren Zeiten, und diesen genügt die vorliegende Arbeit nicht. Es lag wohl auch nicht in der Absicht des Verfassers, eine er- schöpfende anthropologische Arbeit zu liefern, dann ist es aber bedauerlich, da; er sich dieser Mühe unterzogen hat, die günstigsten Falles, das heißt, wenn sich bald ein Anthropologe findet, der sich mit einer erschöpfenden Darstellung den Dank der Wissenschaft verdient, zwecklos war. Was nun zunächst die Altersbestimmung anlangt, so ist diese fiir die Sande von Mauer ja als altdiluvial festgelegt. Die Beziehungen zu den Mosbacher Sanden sind sehr innige. Ich halte es für am wahrscheinlichsten, daß sie zeitlich einen Ausschnitt, und zwar aus den tieferen Lagen des Mosbacher Profiles darstellen. Dafür spricht besonders das Auftreten des Alces latifrons 410 Referate. und das Fehlen des Rhinoceros Mercki. Es kame ihm also ein ähnliches Alter zu, wie wir es mit großer Wahrscheinlichkeit auch für den javanischen Pithekanthropus annehmen müssen. Diese Reste lassen sich ja ihrer Ver- schiedenartigkeit wegen nicht vergleichen. Nehmen wir aber die Reste des jungdiluvialen Homo primigenius zum Vergleichsstück für beide, so sehen wir beide Formen eine ähnlich niedere Stufe in der Organisationshohe entsprechend ihrem Alter einnehmen. Verfasser behauptet, nur das Gebiß diene zum Beweise der mensch- lichen Natur des Stückes. Woran haben wohl die Finder, noch bevor Herr Schoetensack das Stück gesehen und die Zähne frei legte, dessen menschliche Natur richtig erkannt? Vermutlich doch an dem Gesamt- habitus des Stückes, besonders dem breit ausladenden Kieferbogen. Das scheint mir überhaupt ein schönes Beispiel für die Persistenz habitueller Merkmale zu sein, die Erhaltung der Form bei einem funktionell so be- deutungslosen Gebilde, wie es der Unterrand des menschlichen Unterkiefers darstellt. Was nun die von Schoetensack ausgeführten Vergleiche mit anderen menschlichen und tierischen Unterkiefern anlangt, so haben die doch wohl nur dann einen Zweck, wenn sie auf breiter Basis aufgebaut sind. Die Schlüsse, die man aus ihnen ziehen kann, haben also kaum einen provisorischen Wert. Nur eines scheint mir bereits aus der Beschaffenheit des Gebisses hervorzugehen. Wir haben den alten Adam — den Vorfahren aller Menschen — wieder einmal nicht gefunden. Vielleicht können auf den Homo heidelbergensis, der Homo primigenius und rezente Europäer, sicher nicht die Australier zurückgeführt werden. Die Monophylie fordert ein neues Opfer, einen weiteren ausgestorbenen Seitenzweig. Am wenigsten geklärt sind durch Schoetensacks Arbeit die Be- ziehungen zu den Anthropoiden. Sehr eng sind sie keinesfalls und auf eine bestimmte Form scheinen sie auch nicht hinzuweisen, die gemeinsamen Vorfahren müßten wir also weit in der Vergangenheit suchen, was ja auch mit dem Auftreten echter Anthropomorphen im Miocän harmoniert. Die Äußerungen Schoetensacks über diese Frage sind besonders unklar gefaßt. Sie sind wohl dahin zu deuten, daß er für Menschen und Anthropoide gemeinsame Vorfahren annimmt, an die der Heidelberger Kiefer durch primitive Merkmale erinnert. K. Deninger. Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin SW 11 Großbeerenstraße 9 Jahresbericht - der Vereinigung tirangewandteBotanik Der Jahresbericht verfolgt die Aufgabe der Förderung und Vertiefung der wissenschaftlichen Erkenntnis im Dienste von Land- und Forstwirtschaft, Handel und Gewerbe durch botanische Forschung. Gerade die. landwirtschaftlich-prak- tische Botanik ist in kurzer Zeit zu einem Wissenszweig herangewachsen, der bei vollständiger Selbständigkeit in seinen Errungenschaften bereits hervorragend maßgebend geworden ist für den weiteren Fortschritt auf den bezeichneten Gebieten. Der Jahresbericht dient daher als Sammelpunkt für die auf landwirtschaftlichen und verwandten Gebieten ausgeführten botanischen Forschungen. Bis jetzt liegen vor: Erster Jahrgang 1903. Geheftet 4 Mk. Zweiter Jahrgang 1903—1904. Geheftet 5 Mk. 20 Pf. Dritter Jahrgang 1904—1905. Mit zwei Tafeln und 10 Textabbildungen. Geheftet 10 Mk. Vierter Jahrgang 1906. Mit acht Tafeln und 7 Text- abbildungen. Geheftet 14 Mk. Fünfter Jahrgang 1907. Mit fünf Tafeln und fünf Textabbildungen. Geheftet 16 Mk. 40 Pf. ee Ausführliche Prospekte gratis und franko. Zeitschrift fiir “induktive Abstammungs- und Vererbungslehre — mn aoe Inhalt Abhandlungen Seite Correns, C.. Vererbungsversuche mit blaß(gelb)grünen und buntblättrigen Sippen bei Mirabilis Jalapa, Urtica pilulifera und Lunaria annua . . 291 Baur, E. Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse der „Varietates ' albomarginatae hort.“ von Pelargonium zonale . . . . A i 330 Porsch, O. Die deszendenztheoretische Bedeutung apcunehones Blüten- variationen und korrelativer Abänderungen für die Orchideenflora Süd- brasiliens. Ein Beitrag zum Problem der Artentstehung (Schluß) . . 352 Weinberg, W. Uber Vererbungsgesetze beim Menschen . . .„ «+ . 377 Referate Davenport, G. C. and Davenport, Ch. B., Heredity of Eye-color in Man. Hurst, C. C., On the Inheritance of Eye Colour in Man, — — Mendels Law of Heredity and its Application to Man. Pearson, K., A first Study — of the Statistics of Pulmonary Tuberculosis. Hardy, G. H., Mendelian Propor- tions in a mixed Population. Staples-Browne, R., Qn the Inheritance of Colour in Domestic Pigeons, with Special Reference to Reversion. Lang, w A., Uber die Bastarde von Helix hortensis Müll. und Helix nemoralis L., eine Untersuchung zur experimentellen Vererbungslehre. Schenck, H., Uber die Phylogenie der Archegoniaten und der Characeen. Winkler, H., Solanum. tubingense, ein echter Pfropfbastard zwischen Tomate und Nachtschatten. Shull, H. G., A new Mendelian Ratio and Several Types of Latency. Price, H. L. and Drinkard, A. W., Inheritance in Tomato Hybrids. Orton, W. A., On the Theory and Practice of Breeding Disease-resistant Plants, Grosch, Pe Phylogenetische Korallenstudien. (Die Axophylliden.) Ander- son, 6. E., Studies in the Development of certain Palaeozoic Corals. — Rothpletz, A., Uber Algen und Hydrozoen im Silur yon Gotland . und Oesel. Matthew, W. D., Mammalian Migrations between Europe and North - America. Noetling, F., Bemerkungen über die angebliche Menschenspur _ im Sandstein von Warrambool (Vic.) Australien, Schoetensack, 0., Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei ;, EA CIDETE: Ein BE zur elecatologte: des “Menschen. | Hey eri 393 Die Zeitschrift fax induktive Abstammungs- und Vererbungslehree erscheint in zwanglosen Heften, von denen vier bis fünf einen Band von — 25—30 Druckbogen . bilden. Der Preis des Bandes beträgt 20° Mark. Manuskripte, zur Besprechung bestimmte . Bücher und ‚Separata, sowie alle auf die Redaktion bezüglichen Anfragen und Mitteilungen sind an Dr. E. Baur, Berlin NW 7, Dorotheenstraße 5 zu ‚senden; alle geschäftlichen Mitteilungen an die Verlagsbuchhandlung Gebrüder Borntraeger in Berlin SWıı, Großbeerenstraße 9. Die Mitarbeiter erhalten für Originalabhandlungen - und ee Mitteilungen ein Bogenhonorar von ‚32 Mk., für Referate 48 Mk., für Literaturlisten 64 Mk. ee Von den Abhandlungen werden den. Autoren 50. Separaa, gratis, ane weitere Exemplare gegen ee geliefert. RER EUREN BAND I HEFT 5 APRIL 1909 ZEITSCHRIFT FUR INDUKTIVE ABSTAMMUNGS- UND VERERBUNGSLEHRE HERAUSGEGEBEN VON €. CORRENS eizic), V. HAECKER (stuttaart), G, STEINMANN (conn) R. v. WETTSTEIN (wien) REDIGIERT VON E. BAUR ertin) ce \ BERLIN en VERLAG VON GEBRÜDER BORNTRAEGER SW 11 GROSSBEERENSTRASSE 9 1909 BE Tr r EN, we di Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin Sw .1 Gr re 9 TABULAE BOTANICAE Ad; Privatdozent Dr. E. Baur (Berlin) und Dr. E. Jahn ur unter Mitwirkung von Blakeslee (Cambridge, Mass.), A. Guilliermond (Lyon) Tredigiert von Er Rage sind bereits: Tafel ” ” „ I: Myxobacteriaceae, Entwicklung von Polyangium fuscum. Il: Fruchtkörper von Chondromyces und Myxococcus. Sporenbildung von Myxococcus. II: Acrasieae. Dictyostelium. IV: Sporangien und Plasmodien der Nysomyoeten, Dietydium Trichia, Leocarpus. V: Stoma, Rhoeo discolor. VI und Vil: Mucorineae. Mucor, Rhizopus. Vill: Ustilagineae I: Ustilago Tragoponis. IX: Volvocaceae: Eudorina elegans. X: Phaeophyceae: Ectocarpus I. Aus einer länger en Besprechung der Tabulae botanicae in Science: The drawings are all accurately done, and the coloring is most excellent. The figures on these charts are so large and distinct, that even in a large lecture-room they may be easily seen by students. hereta is no crowding of figures (one of the common faults of bo- Tnical charts) and, as a consequence, students are in no danger of being confused in their study of the objects represented. Another pleasing feature is the fact that these are not copies of figures com- monly found in botanical text-books. — The high worth of these char Pe should insure their wide sale especially as the price is exceedingly cheap. They are by far the best botanical charts for lectwre-room use that we have yet seen. Ausfiihrliche Prospekte gratis und franko. 0 1909 Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen in seinem genetischen Verhältnis zum Unterkiefer des rezenten Menschen und dem der Anthropoiden. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Menschen. Von Hofrat Dr. Gorjanovic-Kramberger. In meinem gelegentlich der Prähistoriker-Versammlung (am 23. bis 31. Juli 1907) zu Köln gehaltenen Vortrag „Zur Kinnbildung beim Homo primigenins“ habe ich mich entgegen der Annahme des Dr. K. v. Bardeleben, der die Entstehung des Kinnes mit der Entstehung von „Bergen“ aus dem Plateau durch Erosionstäler ver- gleicht, dahin ausgesprochen, daß es sich bei der Entstehung des Kinnes — um Bardelebens geologischen Vergleich beizubehalten — nicht sowohl um ein Herausmodellieren eines Urgesteins durch Erosion, als vielmehr um die Bildung einer Quellkuppe über einem Spalt handelt. Nach Bardeleben wäre also das Kinn etwas Primäres, wogegen ich dasselbe für eine Neubildung halte. Aber auch Klaatsch sagte in seinem am Anthropologen-Kongreß zu Frankfurt a. M. (1908) gehaltenen Vortrag, daß die „mittlere rundliche Kinn-Prominenz des Menschen keine Neubildung wäre, sondern die lokale Erhaltung der rundlichen Wölbung der vorderen Kinngegend, wie sie auch den Anthropoiden zukommt‘. — Diese An- nahme teilt auch Dr. O. Schoetensack in seiner wichtigen Ab- handlung über den Unterkiefer des Homo heidelbergensis (Leipzig 1908), Sowohl Bardelebens als Klaatschs Annahme stehen aber in bezug auf Kinnbildung in Widerspruch mit der Auffassung, wie sie für den rezenten Menschen von Toldt und für den 47. frimigenius von mir dargelegt worden ist. Induktive Abstammungs- und Vererbungslchre. 1. 27 LIBRARY NEW YORK BOTANICAL GARDEN. 412 Gorjanovic-Kramberger. Ich will in dieser Studie mit einigen Beispielen die Unhaltbarkeit der Bardeleben-Klaatschschen Annahme bezüglich der Kinnbildung beim rezenten Menschen und beim Homo primigenius nachzuweisen suchen. Ferner soll auch die vordere Unterkieferpartie des Homo heidelbergensis in bezug auf die Kinnbildung in Vergleich gezogen und die Beschaffenheit seiner vorderen Kieferregion gegenüber der- jenigen des Homo primigenius und der Anthropoiden präzisiert werden. Das hier verwendete rezente Material wählte ich zum Teil in der reichhaltigen kraniologischen Sammlung des K. K. Hofmuseums in Wien (Anthropologische Abteilung), welches mir Herr Regierungsrat J. Szombathy auch freundlichst zur Verfügung stellte, teils in der kraniologischen Sammlung des kroatischen Archäologischen Museums in Agram, das mir mein Kollege Herr Prof. Dr. J. Brunsmid gerne zum Studium überließ. Den Abguß der Mandibula des Homo heidel- bergensis Schoet. verdanke ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. O. Schoetensack; die Abgüsse der Australier-Schädel K. 54 u. K. 80, welche Klaatsch aus Australien mitbrachte, sowie auch die Originale der Unterkiefer jener Schädel wurden mir von Klaatsch gespendet resp. zum Studium eingesandt. Für dies schöne Geschenk möchte ich meinem Freunde Klaatsch meinen ganz besonderen Dank aussprechen. Herr Direktor K. Stolychwo lieh mir in zuvorkommend- ster Weise den Unterkiefer eines Warschauers, dem Mussée d’histoire naturelle zu Paris endlich verdanke ich die Abgüsse der Unterkiefer von Malarnaud und Arcy. — Das übrige Material befindet sich im Besitze des geolog. palaeontol. Nationalmuseums zu Agram. I. Die Beschaffenheit der vorderen Unterkieferplatte. a) Beim rezentem Menschen. Es sollen bloß einige Beispiele gewählt werden, die uns die Art und Weise der Kinnbildung beim rezenten Menschen darlegen sollen. Ich gehe dabei von den diesbezüglichen Untersuchungen C. v. Toldts aus, die eben gezeigt haben, daß die Kinnbildung beim Menschen durch zwei Grundbedingungen eingeleitet wird: durch das Vorhandensein von Kinnknöchelchen und dem Wachstumsverhältnis des unteren Randes der Kieferhälften. Vorläufig wollen wir nur jene Verände- Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 413 rungen ins Auge fassen, die sich an der Symphysie des Unterkiefers sowohl bei Kindern als bei Erwachsenen beobachten lassen, und die uns jene Bildungen, die da zur Entwicklung gelangen — das Kinn —, als faktisch sekundäres Gebilde vorführen sollen. Am besten tun dies entsprechende Präparate des Unterkiefers von Kindern von der zweiten Lebenswoche an bis zum siebenten Monate. An derartigen Objekten hat Toldt niemals Kinnknöchelchen oder deren Spuren vermißt. Aus eben diesem Zeitraum wähle ich ein Beispiel aus Toldts Abhandlung: „Die Ossicula mentalia und ihre Bedeutung für die Bildung des mensch- lichen Kinnes“1) und zwar das eines zwei Wochen alten Kindes (l. c. S. 669 Fig. 4). An diesem Beispiel — Fig. 1 — bildet die Symphysenfuge an der vorderen Kinnplatte einen nach unten offenen Spalt, worin wir drei Kinnknöchelchen sehen. Diese Knöchelchen verwachsen im Laufe des weiteren Wachstums -mit anderen über Fig.3. Fig.2. Kind 2 Wochen alt. Kind 10 Jahre alt Tscheche aus Kradovec (Toldt.) 32 Jahre alt. denselben liegenden, bis sie den dreieckigen Symphysenspalt ganz ausfüllen. Fig. 2 (Taf. II, Fig. I) zeigt uns die vordere Kieferplatte eines zehnjährigen Individuums, dessen Symphysenspalt sehr weit war (12.5 mm) und nach oben in eine 1% mm breite Rinne ausläuft. Der Spalt ist nun ganz mit Knochensubstanz ausgefüllt, doch so, daß sie zwischen den entsprechenden Kieferrändern noch leicht eingesenkt ist, die Mitte aber eine leichte Kinnschwellung zeigt. Sehr bemerkenswert ist ferner Fig. 3 (Taf. II, Fig. 3), welche uns die vordere Kieferplatte eines Tschechen aus Kradovec (32 Jahre alt) 1) Sitzungsber. d. Akad. d. Wiss. mat. nat. Kl. Wien. 1905. Bd. CXIV, S. 657—692. 27* 4I4 Gorjanovic-Kramberger. zur Darstellung bringt. Hier war der Symphysenspalt an der Basis etwa 8 mm breit und ist durch zwei längsgestellte Rinnen resp. Leisten markiert, welche gleichzeitig die ursprüngliche Ausfüllung des Spaltes andeuten. Es ist hier auch statt einer Spina, eine 8 mm lange, hinten rauh endigende Querleiste sichtbar, hinter welcher die M. geniohyoidei inseriert waren. Die beiden Digastrici sind noch teil- weise an der Basis und etwa 12 mm voneinander entfernt und schauen etwas schräg nach rückwärts. Die jüngere Knochenauflagerung über den Spalt bildet die Kinnplatte — M. Pl. —, welche nach auf- wärts in eine mediane Rinne ausläuft, die man bis zwischen die mittleren J verfolgen kann. Die seitlichen Ausläufer der Kinnplatte reichen, in eine Spitze ausgezogen, bis knapp vor die Mentalöffnung, während der basale Teil der Platte über den unteren Rand zieht und durch eine konvex nach abwärts gebogene Linie begrenzt wird. Obwohl der Kiefer ganz ausgewachsen und kräftig ist, so ist das Kinn nur ganz mäßig entwickelt. — Eine ähnliche, seitlich ausgezogene Kinnplatte sehen wir beispielsweise beim Krapina-G-Kiefer, nur daß hier der mittlere Teil gar keine Prominenz besitzt. Nicht minder lehrreich ist der in Fig. 4 (Taf. II, Fig. 2) dar- gestellte Fall. Er stellt uns nämlich die vordere Unterkieferplatte eines vielleicht über 40 Jahre alten Menschen unbekannter Herkunft dar. Die mediane, von den mittleren J nach abwärts laufende ziemlich breite Rinne, breitet sich zur Kinnbasis gehend in einen vorstehenden Spalt von fünfeckiger Gestalt aus, welcher durch die Knochenmasse ausgefüllt ist, jedoch so, daß dieselbe zwischen den beiden Unterkiefer- hälften leicht eingesunken verbleibt. Das Kinn selbst bildet also keine eigentliche Protuberanz, vielmehr ist dieselbe bloß durch das Vor- wachsen der Basalteile und die längs der Symphysis ausgebogenen Kieferränder zum Ausdruck gebracht worden. Unser Kinn biegt an die Kieferbasis um und spitzt sich da zu einer Spina interdigastrica zu. Ohne das Vorwachsen der Basalteile, wäre der in Fig. 3 verzeichnete Fall entstanden. Unser Beispiel ist also noch insofern wichtig, als es uns auf das unzweifelhafteste zeigt, daß die Heranbildung der Kinn- prominenz außer den Kinnknöchelchen und der nachfolgenden Apposi- tion von Knochensubstanz, noch vom Verhalten der Kieferbasis ab- hängt. Doch darüber soll noch gesprochen werden. Das auffallendste Objekt hinsichtlich der Kinnbildung ist ent- schieden das durch unsere Fig. 5 (Taf. II, Fig. 4, 4a) zur Darstellung gebrachte. Es ist die basale Ansicht des Unterkiefers eines über 40 Jahre alten Neolithikers aus Vuéedol in Slavonien. (Im Archäolog. Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 415 Museum zu Agram sub Nr. 1268.) Wenn uns schon die bisherigen Beispiele ganz unzweifelhaft die sekundäre Natur des Kinnes zeigen, so tut dies der vorliegende Fall aus Vucedol in geradezu schlagender Weise. Das Kinn ragt als ein stark vortretender Wulst vor, welcher den sehr genäherten Kieferhälften — von der Basis betrachtet — wie ein Kuchen aufsitzt und welcher da wie vom Kieferkörper abgeschnürt erscheint. Die bloße Betrachtung unserer Figur belehrt uns sofort über die sekundäre Natur dieses Kinnes. (Vgl. insbesondere Taf. II, Fig 4a.) Aber auch die nähere Betrachtung des mittleren Teiles der Kiefer- basis zeigt uns die sekundäre Natur des Kinnes. Wir sehen die beiden Außenschenkel — Sch—Sch, — des Kiefers medianwärts eingebogen, so zwar, daß dieselben bis auf ca. 5 mm zueinander genähert sind. Fig.6. Fig. 5. ur KPL N if Y \ Sch. } ERDE © IN Erwachsener Mensch Erwachsener Neolithiker aus DoppelteKinnplatte. über Vucedol in Slavonien über Warschauer, altes 40 Jahre alt. 40 Jahre alt. Individuum. Darüber oder nebenan liegt nun die Mentalplatte, die sich somit ohne weiters als eine Neubildung dartut. Endlich hätte ich noch ein Beispiel, das uns die sekundäre Natur der Kinnprominenz zeigt. Es ist der Unterkiefer eines Warschauers, den mir Herr K. Stolychwo freundlichst zur Ansicht sandte (Anthropolog. Museum in Warschau Nr. 13). Der Unterkiefer rührt von einem alten Individuum her — Fig. 6 (Taf. II, Fig. 5). — Die Mentalplatte zeigt deutlich eine doppelte Auflagerung der Knochen- substanz, die sich in einer zweifachen dreieckigen Platte zu erkennen gibt, von denen die obere und jüngere — a — kürzer und schmäler ist als die untere oder ältere —b—. Von einer ursprünglichen Kinn- wölbung kann da gewiß nicht gesprochen werden. 416 Gorjanovit-Kramberger. b) Beim Homo primigenius. In meinem bereits erwähnten Vortrag auf dem Kongresse zu Köln, habe ich an einigen Beispielen dargelegt, daß die diluvialen Unter- kiefer mit den Verhältnissen übereinstimmen, die wir an rezenten Menschen beobachten. Ich möchte hier, um überflüssige Wieder- holungen zu vermeiden, bloß kurz erwähnen, daß sich die Krapina- Unterkiefer des Homo primigenius bezüglich der Kinnbildung in jene Kategorien einschalten lassen, welche in unseren Figuren I—4 zur An- sicht gebracht sind. Es wäre nur zu bemerken, daß es in keinem Falle zu einer stärkeren Kinnprominenz kam, als es die Fig. 2 dar- stellt. Es entspricht also der Krapina-Unterkiefer C eines dreizehn- jährigen dem Zustande unserer Fig. 1. Hierher gehört auch der fragmentäre Kiefer F. Der Krapina-Unterkiefer D zeigt den Zustand unserer Fig. 2 und 4. Der Krapina-Kiefer E eine Kombination des Zustandes Fig. ı und Fig. 3, insofern man nämlich deutlich noch den basalen Symphysenspalt erkennt (analog Fig. 1), über welchen die periostale Knochenauflagerung eine bloß dünne über dem Spalt eingesunkene Mentalplatte darstellt (Fig. 3). Der Krapina- Unterkiefer G zeigt bloß eine flache Mentalplatte entsprechend Fig. 3; der Unterkiefer H besitzt nebst der flachen Mentalplatte eine leichte Schwellung (durch lokale Einsenkung hervorgerufen) und endlich der Unterkiefer J einen ebensolchen Zustand, nur daß die Mentalplatte da noch bedeutend schwächer zur Ausprägung gelangte und mit ihren seitlich spitz austönenden Ausläufern auffallend der Mentalplatte jenes Tschechen gleicht, die wir in Fig. 3 (Taf. II, Fig. 3) dargestellt haben. Auf Taf. II, Fig. 7 habe ich die rechte intakte Unterkieferhälfte des Krapina-I-Kiefers abgebildet. Die Konturen der Kinnplatte habe ich nach den am Originale deutlich sichtbaren Grenzen der Kinnplatte mit Bleistift ausgezeichnet, damit sie auch am Bilde sichtbar werden. Die große Ähnlichkeit der Kinnplatte dieser fossilen Mandibula mit der des Tschechen fällt sofort in die Augen. Die Krapina-Unterkiefer C F besitzen also noch gar keine Kinn- platte; bei denselben ist bloß das Vorhandensein jenes basalen Sym- physenspaltes deutlich erkennbar, welchen die Ossicula mentalia ausgefüllt haben, ohne daß es zu irgend einer Kinnbildung kam. Auch alle übrigen Krapina-Unterkiefer lassen diesen jugendlichen Zustand erkennen, der sich in einer mehr oder minder deutlichen Eintiefung in der basalen Symphysengegend, als dem gewesenen Spalt, zu erkennen gibt. Die nachherige periostale Knochenauflagerung über- Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 417 kleidete diesen Spalt bloß in Gestalt einer dreieckigen Mentalplatte, an der hie und da noch eine leichte Rundung sichtbar ist. Es ist also beim Homo primigenius das Kinn bloß im Ent- stehen begriffen und bleibt in diesem Zustand durchs Leben hindurch stationär. Die soeben gemachten Beobachtungen an der vorderen Unter- kieferplatte des rezenten Menschen und an der des Homo primigenius haben ergeben: daß das Kinn, sei es in Gestalt einer einfachen Mentalplatte oder einer Vorwölbung, stets eine Neubildung ist, die zumeist mit der individuellen Entwicklung zur Entfaltung gelangt (rezenter Mensch) oder in einem Anfangsstadium der Entwicklung durchs Leben verbleibt (#7. primigenius). Es gibt, so viel es mir bekannt ist, kein einziges Beispiel unter den rezenten und diluvialen Unterkiefern (von #7. primigenius an), an dem nicht wenigstens die erste Anlage eines Kinnes nachweisbar wäre. Von einer lokalen Erhaltung einer ursprünglichen Wölbungdes Unterkiefers (im Sinne Klaatschs) kann an unseren Objekten nicht gesprochen werden, da ja eine solche: Wölbunggerade an jugendlichen Unterkiefern des /. prömigenius vorhanden sein müßte, und da eben fehlt sie vollkommen. Dr. Schoetensack hat in seiner Monographie bei Besprechung des Krapina-Unterkiefers H ıS. 42) die Anfänge der Kinnbildung für diesen Unterkiefer bestätigt. Doch ist es mir unverständlich, wieso Schoetensack dann gleichzeitig jene „Kinnschwellung“ nicht als eine positive Erhebung, sondern als eine lokale Erhaltung der ur- sprünglichen Wölbung ansieht. An einer anderen Stelle dieser Ab- handlung haben wir diese kleine Erhebung und ihr Dasein begründet. Auch für den G-Unterkiefer aus Krapina hebt Schoetensack her- vor, daß mein Nachweis einer ,,medianen Kinnprominenz“, die da gleichsam in ,,statu nascendi‘ angedeutet ist, zutrifft. Nur möchte ich hier bemerken, daß ich in meiner Beschreibung (,,Der diluviale Mensch aus Krapina‘‘ S. 154) von keiner ,,medianen Kinnprominenz“, sondern von einer dreieckigen Kinnplatte spreche, die 14 mm hoch und an 32 mm breit ist und die erste Anlage der Kinnplatte darstellt. Am Gipsabgusse, den ich Herrn Schoetensack zusandte, ist freilich eine leichte, quer verlaufende, erhabene Zone sichtbar, doch beruht dieselbe auf einem Gußfehler. c) Beim Homo heidelhergensis, Schoet. Für diesen nun ältesten Repräsentanten des Menschengeschlechtes gibt uns Schoetensack nachfolgende Charakteristik der vorderen 418 Gorjanovic-Kramberger. Unterkieferpartie: ,,An der äußeren Fläche des Corpus mandibulae fällt sogleich das Fehlen einer Kinnvorragung (Taf. VII. Fig. 19 u. 20) auf. Die völlig intakte rechte Kieferhälfte läßt darüber keinen Zweifel. Bei horizontaler Stellung des Alveolarrandes verläuft die Profillinie der Symphysenregion in sanfter Wölbung abwärts und nach hinten. An der Rundung, die das ganze Gebiet beherrscht, nehmen sogar die Inzisiven teil, wie dies die laterale Ansicht der Mandibula (Fig 19) und der Querschnitt in der Medianlinie (Fig. 20) erkennen lassen. Die teilweise freigelegten Wurzeln zeigen die Gleichartigkeit ihrer Krümmung mit der darunter befindlichen, nach vorn konvexen Fläche gerade an der Stelle, wo sich beim Europäer eine nach vorn konkave Linie bildet.‘ Aus dieser Beschreibung Schoetensacks geht deutlich hervor, daß der in Rede stehende Mensch kein Kinn besessen hat. Diese Tatsache ist äußerst wichtig, insbesondere im Vergleiche zu Verhält- nissen, die wir an der vorderen Kieferplatte des 4. primigenius beob- achten, an welcher wir eben die ersten Anlagen einer Kinnbildung mit allen charakteristischen Anzeichen, wie sie uns beim rezenten Menschen, insbesondere in seinem Jugendstadium, entgegentritt, beobachten können. Freilich betrachtet Schoetensack mit Klaatsch die Kinnvorwölbungen für primäre Zustände, was eben — wie dies unsere Auseinandersetzungen lehren — nicht der Fall sein kann, weil die Kinnbildung eben eine sekundäre Erscheinung ist, die bereits beim H. primigenius zum Ausdruck zu kommen begann. Speziell meint Schoetensack für meinen Unterkiefer H (l. c. S. 42), daß man jene sanfte Kinnschwellung dieses Unterkiefers für „eine lokale Erhaltung der ursprünglichen Wölbung ansehen kann, die nur infolge des Einsenkens der darüber befindlichen Knochenmasse hervortritt.‘‘ — Demgegenüber habe ich zu bemerken, daß diese sanfte Kinnschwellung hier ein integrierender Teil der an diesem Kiefer stark der Basis genäherten Kinnplatte ist und deren oberer Teil bis ans untere Ende der mittleren I reicht. Die seitlichen Begrenzungen jener Schwellung sind zugleich die seitlichen Ränder der Mentalplatte, wogegen diese Schwellung nach unten zu durch jene leichte Einsenkung getrennt erscheint, welche durch die unvollständige Ausfüllung jenes medianen Spaltes durch die Kinnknöchelchen verblieben ist. Die sehr tiefe Lage der Mentalplatte unseres H-Kiefers aber ist durch die bedeutende Länge der I und C bedingt. Ich betone nochmals, daß beim H. primigenius von einer lokalen Erhaltung einer „ursprünglichen Wölbung‘“ nicht gesprochen werden kann, weil man sie sonst gerade 2 Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 419 bei Kindern, an deren yorderer Kieferpartie noch keine Mentalplatte jene „ursprüngliche Wölbung‘ überdeckt hat, am besten sehen müßte, und da ist gerade keine Spur davon zu sehen. Die rundliche Wölbung der vorderen Unterkiefergegend hat also mit der Kinnbildung direkt nichts zu tun. Sie ist nichts weiter als der nackte Unterkieferkörper selbst. Die nebensächliche stärkere oder geringere Rundung dieser vorderen Kieferpartie ist der Ausdruck der Kieferprognathie gepaart mit der Stellung der entsprechenden Zähne (der I und C)'). Erstere, die Kieferprognathie, wird aber geregelt durch das Verhältnis der basalen Kieferhälften und durch die Reduktion des gefächerten Kieferteiles; eine mehr radial angeordnete Stellung der gebogenen vorderen Zähne, rundet jene Kieferpartie mehr oder weniger in vertikaler oder querer Richtung aus. Dies wäre wohl ein primäres Unterkieferstadium (den rezenten Menschen im Auge haltend), wie wir es eben an den Anthropoiden sehen. Dieses anthropoidische Stadium besitzt nur- der 4. Heidelbergensis in einer knapp vor der Kinnbildung stehenden Entwickelungsphase, wie uns dies sehr deutlich die Beschaffenheit seiner Kieferbasis lehrt, die wir bald eingehender ins Auge fassen wollen. II. Die Beschaffenheit der vorderen Unter- kieferbasis. a) An Unterkiefern rezenter Menschen. Die Unterkieferbasis läuft nicht nur bei älteren Embryonen und neugeborenen Kindern, sondern häufig auch an Unterkiefern er- wachsener Individuen, in zwei gegen die Symphysis gerichtete Schenkel 1) Bezüglich der Kieferprognathie hätte ich folgendes zu bemerken: Bekanntlich wird an den Unterkiefern außer einer Kieferprognathie häufig noch eine alveolare Prognathie beobachtet. Wird nun bei der Bestimmung dieses Ausmaßes letztere mit in Betracht gezogen, so erhalten wir stets zu große Werte, welche dann den wahren Prognathismus nicht anzeigen. Es kann dann auch vorkommen, daß ein Unterkiefer ohne Kieferprognathismus als ein prognather erscheint. Um derartigen Fehlern zu entgehen, schlage ich nachfolgende Methode zur Bestimmung des Kieferprognathismus vor. Man bestimmt die beiden Klaatschschen Kurven; die durch den Alveolarrand und die durch die Foramina mentalia gehende. Hat man nun den Prognathismus zweier oder mehrerer Unterkiefer untereinander zu vergleichen, so stellt man die vorderen Unterkieferprofillinien so aneinander, daß sich die Horizontalkurven der Mentalöffnungen, die mit jener der Alveolenkurve parallel zu stellen sind, decken. Nachdem der Punkt, welcher die Ebene der Mentalöffnungen mit der Symphysen- profillinie bildet, außerhalb des Bereiches der variablen alveolaren Prognathie liegt, so erhalten wir auch demgemäß den wahren Kieferprognathismus, wobei freilich die jeweilige Kinnschwellung in Abrechnung gezogen werden muß, 420 Gorjanovic-Kramberger. aus (vgl.: Toldt, 1. c. S. 682 [26]). Zwischen beiden liegt die Ansatzstelle des Musc. digastricus. Diese Ansatzstellen können nun je nach der gegenseitigen Lage der beiden Unterkieferschenkel ent- weder gerade nach unten oder schräg nach hinten gerichtet sein. Liegen diese beiden Schenkel in einer Ebene und sind dieselben gut entwickelt, so resultiert eine dicke, eingeebnete Unterkieferbasis mit gerade nach unten schauenden Fossae digastricae; ist der innere Schenkel schwächer oder aufwärts gebogen (d. h. auf der inneren Kieferplatte gelegen), so biegen mit ihm auch die beiden Zossae nach rückwärts und erhalten eine schief nach hinten gerichtete Lage. Der vordere Schenkel biegt entweder gegen die Symphysis hin, oder er kann in einer mehr oder weniger geraden Linie nach vorne sich erstrecken und so die Bildung des Tub. mentale veranlassen. Wenn die beiden Außenschenkel bogenförmig gegen die Symphysis biegen, so entsteht gewöhnlich kein vortretendes Kinn; letzteres wird aber bei gerade vorwachsenden Schenkeln oft wie aufgestaut. Häufig geht die Kinnplatte (besonders bei vorne abgerundeten Unterkiefern) in einen kurzen Dorn auslaufend auf die Kieferbasis über und bildet hier den von Klaatsch als Spina interdigastrica benannten Fortsatz. Ich möchte gleich bemerken, daß man bei dieser Spina, die genetischen Momente in Betracht ziehend, zweierlei zwar ähnliche, aber nach ihrer Entstehung ganz verschiedene Bildungen zu unterscheiden hat. Einmal wird diese Spina durch die beiden abgebogenen medianen Endteile der Außenschenkel des Unterkiefers — also durch ein paariges Gebilde zustande gebracht, ein andermal wiederum wird diese Spina durch den unpaaren Kinnstachel gebildet. Beiderlei Fortsätze sind wohl ihrer Lage nach ‚‚interdigastrical“, aber sonst ganz verschiedene Bildungen. Der Ausdruck Spina interdigastrica kann wohl nur im allgemeinen als topographische Bezeichnung gelten; um jedoch genetische Momente zu markieren, müssen beide Gebilde streng geschieden werden. Ich nenne deshalb das eine Gebilde Spina submandibularis, das andere Spina mentalis inferior. Die Notwendigkeit einer solchen Bezeichnung ergibt sich von selbst, wenn wir etwa den Unterkiefer eines Schimpansen oder Gorilla mit dem eines Menschen vergleichen. Bei den ersteren wird man von einer Spina submandibularis, bei letzterem aber von einer Spina mentalis inf. sprechen müssen, obwohl beide ihrer Lage nach ‚‚interdigastrical“ sind (siehe darüber beim #. heidelbergensis). Ich gehe nun zur Analyse der Basis einiger rezenter Unterkiefer über. Vor allen möchte ich jenes Unterkiefers Erwähnung tun, den Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 421 ich bereits in meiner Monographie „Der diluviale Mensch aus Krapina“ auf Seite 168 kurz beschrieben habe. Dieser Kiefer — Fig. 7 (Taf. III, Fig. 1) — eignet sich umsomehr zu einem Vergleich, als er uns direkte Anknüpfungspunkte mit dem 4. prémigenius liefern wird und zwar gerade bezüglich seiner dicken Unterkieferbasis. Die Kinnplatte — KPL — geht abbiegend auf die Kieferbasis über, wo sie mit einer stumpfen Spitze — der Spina mentalis inf. — Sp.m.i.— endet. Die Kinnplatte ist durch eine deutliche Furche —xx1— von der Kieferbasis gesondert. Die beiden Kieferschenkel sind hier sehr deutlich sichtbar und ihre Trennung geschieht noch im Bereich der Basis selbst. Zwischen denselben liegen die beidenzFossae Fig. 7. Fig.8. KORE. Die Unterkieferbasis eines an 50 Jahrenalten Neolitischer Mensch rezenten oder neolithischen Menschen un- aus bekannter Herkunft. Babska in Slavonien. digasrricae — dd! — doch so, daß zwischen diesen und dem Kinn- plattenrand —xx' — ein 1,5 bis 2 mm breiter Zwischenraum — das Interspatium postmentale — II! — zu liegen kommt. Die Ent- fernung der beiden Fossae beträgt I0o,I mm. Ähnlich verhält es sich bei einem neolithischen Unterkiefer aus Babska (Archäolog. Museum in Agram Nr. 2851) — Fig. 8 (Taf. III, Fig. 2). An diesem sehr kräftigen Unterkiefer ist das Kinn nur mäßig entwickelt, geht aber auf die Kieferbasis etwas weiter über als dies bei dem vorerwähnten Kiefer der Fall war. Hier sind die Furchen — xx1— unscharf. Dadurch, daß die beiden Fossae digastricae — dd! — sozusagen an der Kieferbasis liegen, schließt sich eben dieser Kiefer dem vorerwähnten eng an. Die Ansatzstellen der Digastrici sind sehr kräftig und nur leicht nach rückwärts gewendet. Zwischen denselben und dem Kinnplattenrand — x x! — sehen wir ebenfalls jenen leeren Raum (3 mm breit) nämlich das Interspatium postmentale — II! —. Zwischen den beiden Ansatzstellen — dd! — und etwas 422 Gorjanovic-Kramberger. rückwärts gelegen befindet sich ein starker Einschnitt — E — und darin ein median gelegener Längsgrat; beides für den M. geniochyoideus. Ich erwähne dies hier, weil gerade so situierte, mehr oder weniger stark ausgeprägte Einschnitte auch beim #7. frimigenius von Krapina, La Naulette, Malarnaud vorkommen. Vor dem soeben erwähnten Einschnitt — E — steht eine Querleiste — L—. Es kann sein, daß die Entstehung dieser Querleiste mit einer während des Kinnwachs- tums vor sich gegangenen Ausbreitung des symphysalen Kieferkörpers im Zusammenhange stand, womit weiter auch dıe Ausweitung jenes Einschnittes — E — zusammenhängen mag. Für eine solche Auf- fassung würde insbesondere der Umstand sprechen, daß zuweilen jene basalwärts gekrümmte Kinnspitze — Spina mentalis inf. ebenfalls quer ausgezogen vorkommt (Krapina-Unterkiefer D. E.). Dadurch wird natürlich auch die Entfernung der beiden Fossae digastricae direkt beeinflußt. In unserem Falle beträgt dieselbe 11,5 mm. (Ver- gleiche auch: Der diluviale Mensch aus Krapina S. 174.) Die beiden soeben beschriebenen Beispiele zeigen uns die Be- schaffenheit der Kieferbasis in solchen Fällen, wo dieselbe verdickt und mehr oder weniger eben ist. An einem Unterkiefer, welcher von einem Eingeborenen des Bismarck-Archipels — Fig. 9 (Taf. III, Fig 3) — (K. K. Hof- naturaliensammlung, Anthropologische Abteilung Nr. 3294) herrührt, beobachten wir den nachfolgenden Bau der Unterkieferbasis: Fig.10. M.Pl. Fr = Unterkiefer vom Bismark-Archipel. Unterkiefer v. Isabel, Salomon-Inseln. Die Kinnplatte bildet eine leichte Wölbung und biegt jäh an die Kieferbasis um, um da mit einer deutlichen Spina mentalis inf. zu enden. Der rechte und linke basale Mentalplattenrand — x x! — hebt sich scharf von den beiden Kieferschenkeln ab. Der innere Kieferschenkel ist gegenüber dem äußeren schwach entwickelt und stark aufgebogen, so, daß die beiden Fossae digastricae — dd! — ebenso plötzlich vom basalen Kieferrand abbrechen und nach rückwärts ge- richtet sind. Der zwischen den beiden Fossae digastricae und den Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 423 Mentalrändern verbliebene Raum — das Interspatium postmentale — I I! — spitzt sich medianwärts zu. Ich mache ganz besonders auf diesen Fall aufmerksam, da er in ganz ähnlicher Weise, jedoch in einer anderen Anpassungsform beim Homo primigenius auftritt. Es sollen auch die beiden von Klaatsch aus Australien mit- gebrachten mit K. 54 und K. 80 bezeichneten Mandibulae kurz be- sprochen werden. Beide Unterkiefer sind hoch, prognath und besitzen ein nur mäßig entwickeltes aber deutliches Kinn. Bei der Mandibula K. 54 ist die mit einem leichten medianen Längskamm versehene Kinnplatte deutlich erkennbar; in der Depressio subineisiva ext. spitz beginnend, verbreitet sie sich nach abwärts bis auf die beiden, durch das Vorwachsen der basalen Kieferhälften schon vorstehenden Tub. mentalia, welche bloß an 20 mm voneinander entfernt sind und etwas über der Kieferbasis stehen. Von da biegt die Kinnplatte nach unten und rückwärts und kippt an die Kiefer- basis mit der Spina mentalis inf. um. Der Innenschenkel der Kiefer- basis ist aufgebogen und die beiden Ansatzstellen der Digastrici liegen demnach auf der hinteren Kieferplatte jedoch scharf auf den Basis- rand herabgerückt. Zwischen den Digastrici und dem Kinnplattenrand sehen wir beiderseits das nicht mehr deutliche Inserspatium postmentale. — Es gleicht demnach dieser Australierkiefer genau jenem des Bismarck- Archipels — Fig. 9 — nur daß dieser etwas breiter und dünner ist und die Tub. mentalia weniger vortreten. Die Mandibula K. 80 — Fig. ıı und (Taf. II Fig. 6) — ist insofern interessanter als die soeben beschriebene, als sie nur eine ganz leichte Impressio subincisiva besitzt, welche durch die deutliche aber nur sehr mäßig entwickelte Kinnplatte (——W—) mit der Kinnschwellung Ls Ptb. — zum Ausdruck gelangt. Die Kinnschwellung selbst (......) reicht stumpf zugespitzt — Sp. m. sp. — und deutlich von der übrigen Kiefer- fläche sich abhebend bis 9 mm unter den Alveolarrand der mittleren I herauf. Auch hier stehen die beiden Tub. mentalia — T.m. — die hier bis auf 16,5 mm genähert sind, über dem Basisrande. Zwischen diesen Tuberculä ist das Kinn leicht eingesenkt, biegt dann nach unten und rückwärts, um an der Basis mit der Spina — Sp. — zu enden. Nachdem auch an diesem Kiefer der innere Kieferschenkel vom äußern jäh ab — resp. aufgebogen — ist, haben die beiden Digastrici — dd! — eine randständige Lage erhalten. Falls wir uns an diesem Unterkiefer das sekundäre, flach- tetraedrische Kinn — Ptb. — weggeschliffen denken, so würde eine an ihrer vorderen Kieferfläche gleichmäßig und nur leicht gebogene Gorjanovié-Kram berger. 424 Mandibula resultieren. Dabei müßten wir aber auch jenen einst vor- handenen und vermutlich etwa 12 mm breit gewesenen medianen Spalt (—.—.—) in Abrechnung ziehen. Daraus würde sich ein mäßig prognather Unterkiefer ergeben, welcher in seiner vorderen Ansicht dem des H. heidelbergensis nicht unähnlich ware. — Obwohl dieses Bild ein idealis ist, so fußt es dennoch auf tatsächlichen Momenten, die mit der Genesis des Kiefers überhaupt im Einklang stehen. Endlich möchte ich noch auf einen Fall aufmerksam machen, an welchem wir infolge Verkürzung der beiden basalen Außenschenkel des Unterkiefers, dementsprechende Adap- tionen an der Kieferbasis beobachten. Der in Rede stehende Unterkiefer stammt von Isabel, Salomoninseln (Wien, Hofnatu- raliensammlung, Anthropol. Abt. Nr. 3288) und gehörte einem erwachsenen Individuum 77 an — Fig. ro (Taf. III, Fig 4). Sehr bemerkenswert ist an dieser Man- dibula die vordere Kinnplatte und die Basis. Fig.11. Analytisches Schema der vor- deren Unterkieferpartie der Australier-Mandibula K. 30. (Klaatsch-Kollektion). Sp. m. sp. = obere Kinnspitze; Sp. m. inf. = untere Kinn- spitze. (---) Umriß der Mental- platte, (..... ) Protub. mentalis. T. m. = Tub. mentale; JJ, = Interspatium postmentale; M. m. = Kieferrand; dd! = An- satzstellen der M. digastrici. (----- ) Größe der supponierten medianen Spalte. Von den beiden Schenkeln des Unterkiefers sind die äußeren verkürzt und bilden in einem gegenseitigen Abstand von 33,5 mm die Tub. mentalia — T. m. —; die inneren Schenkel da- gegen sind aufgebogen und reichen bis an die Symphysis. Die Kinnplatte bildet wohl einen medianen Längswulst, welcher seitlich je eine flache Fovea bildet, doch ist die Kinnplatte basalwärts und beiderseits der Symphysis zu einer dünnen Lamelle redu- ziert — M. Pl. —, hinter welcher sogleich die Ansatzstelle des Musc. digastricus — d d! — liegt. Wir haben also hier einen Fall, wo der hintere Schenkel gegenüber dem vorderen hervortritt, infolgedessen auch die Ansatzstellen der M. digastrici und teilweise der M. geniohoidei eine randständige Lage erhalten haben. Durch die Verkürzung der Außenschenkel fällt hier selbstverständlich das Interspatium postmentale weg. — Der Unterkiefer ist sonst prognath; er bildet einen Winkel von 97° auf die Basis, oder 67° auf den Alveolarrand bezogen. Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 425 Ich habe diesen Beobachtungen nur mehr die allgemein bekannte Tatsache hinzuzufügen, daß an den rezenten menschlichen Unterkiefern die Ansatzstellen der M. digastrici eine schräg nach rückwärts gerichtete Lage besitzen, deren Ebene in einem Winkel von über 45° steht (vgl. Baume: ‚Die Kieferfragmente von La Naulette ----- “ Leipzig 1883 S. 9). b) Beim Homo primigenius. Um die Beschaffenheit der Unterkieferbasis dieses diluvialen Menschen richtig beurteilen zu können, wähle ich einige der besser er- haltenen Krapina-Unterkiefer erwachsener Individuen. Die Beschreibung der Kiefer soll entsprechend der Umlagerung der Ansatzstellen der M. digastrici vom vorderen zum hinteren Kieferrand geschehen. Ich beginne mit dem Unterkiefer — J, der uns hierfür das primi- tivste Objekt darstellt. Fig. ı2 (Tafel III, Fig. 5). Fig.12. Krapina-Kiefer J. Krapina-Kiefer H. Der 26,3 mm lange und 5,5 mm breite spitzelliptische kräftige Eindruck des rechten Digastricus beherrscht die etwas lingual geneigte Basisfläche und reicht von der Spina submentalis — S. s. m. — bis zur Spina mentalis inf. — Sp. -, dabei zieht er von letzterer ein Stück weit längs dem Rande der Kinnplatte — x — und nähert sich dabei dem Kieferrande so, daß nur ein schmales Interspatium postmentale — I — verbleibt. Am Unterkiefer — H — Fig. 13 (Taf. III, Fig. 6) fällt uns vor allem die auf die Kieferbasis umgekippte Kinnplatte auf, die hier mit der Spina mentalis inf. — Sp. m. i, — endet und sich gleichzeitig scharf durch die von der Basis stark abstehenden Mentalränder — x x1 — abhebt. Beiderseits der Spina ist die Basis eingeebnet und reicht so bis zum Tuberc. submentale hin. Bis eben dahin erstreckt sich auch die Incisura submentalis. An der eingeebneten Kieferbasis 426 Gorjanovic-Kramberger. lassen sich nun zwei Partien unterscheiden: eine glatte längs den Rändern — x x! — hinziehende, welche das Interspatium postmentale — J J! — darstellt und eine hinter dieser gelegene unebene und ein- getiefte, die bis zum Einschnitt — E — reicht und uns die beiden Fossae digastricae — d d! — veranschaulicht. Sehr bemerkenswert sind hier die an die Spina herangerückten Ansatzstellen der genannten Muskeln und dann ihre an der eingeebneten Kieferbasis zurück- verlegte Lage. Die beiden Muskeleindrücke sind noch nicht so selbständig entwickelt wie beim Unterkiefer (Fig. 7—8), und wir ge- wahren da auch durch das allmähliche Eintiefen der Fossa deutlich die Tendenz zu Verhältnissen, die z. B. am Unterkiefer des Menschen vom Bismarck-Archipel (Fig. 9) so deutlich ausgeprägt sind, wo die beiden Ansatzstellen bereits an der inneren Kieferplatte liegen. Beim jüngeren Unterkiefer — E — sehen wir den an der Basis weit gewesenen Symphysenspalt unvollkommen ausgefüllt und die Spina quer ausgezogen. Die Sonderung der Fossae vom Interspatium ist noch nicht so deutlich wie bei den übrigen Kiefern. Fig.18. KPL Krapina-Kiefer G. Krapina-Kiefer D; linke Halfte. Beim Unterkiefer — G — Fig. 14 (Tafel III, Fig. 7) sind die Ver- hältnisse an der Kieferbasis ähnlich den am H.-Kiefer verzeichneten, nur sind hier die beiden eingetieften Ansatzstellen der Digastrici noch mehr nach rückwärts verlegt und reichen an der eingeebneten Basis bis über den Einschnitt — E — heraus. Am Unterkiefer — D — Figur 15 (Taf. III, Fig. 8) endlich tritt uns eine ganz eigentümliche Erscheinung entgegen: das leicht gewölbte kleine Kinn biegt auf die Kieferbasis über und endet da mit einer 6 mm langen, quer ausgezogenen Spina — Sp. —. Knapp hinter dieser sehen wir eine der Spina entsprechend ebenfalls quer verlaufende 2,3 mm breite und 13 mm lange Rinne (dieselbe war ursprünglich gewiß 18 mm lang). Diese Rinne — d + d!, — welche gerade durch ihre Lage hinter der Spina zu einer zusammenhängenden wurde, war die Ansatzstelle der M. digastrici. Das Interspatium postmentale — J? Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 427 — ist glatt und spitzt sich gegen die dariiber aufragende Spina — Sp. — zu. Der Homo primigenius zeigt uns nun auf das eklatanteste, wie die Ansatzstellen der Musc. digastrici vom vorderen Kieferrand (Kra- pina — J) nach dem hinteren Kieferrand zuriickgehen (Kiefer H), bis dieselben über die Verhältnisse des Unterkiefers — G, wo nämlich die Ansatzstellen bereits an den hinteren Basalrand gelangen, denselben eintiefen und nach rückwärts auslappen, bis endlich die Fossae beim Unterkiefer — D hinter die Spina mentalis inf. kommen und da eine zusammenhängende Rinne bilden. Gleichzeitig kann schon beim Hi. primigenius ein allmähliches Abrunden der vorderen dicken Kiefer- basis (Unterkiefer — D) stattfinden, wodurch es ebenfalls zu einer Wendung der Digastrici nach rückwärts kommt. Die dicke eingeebnete Basis der vorderen Unterkiefer- partie ist zwar eine charakteristische, aber gleichzeitig auch eine bloß vorübergehende und variable Eigentümlichkeit des altdiluvialen Menschen, die bereits beim oberdiluvialen Menschen schwindet und beim rezenten Menschen nur hie und da — jedoch gepaart mit ganz modernen Merkmalen auftritt. Wir werden auch demgemäß mehr oder weniger prognathe Unter- kiefer mit beginnender Kinnbildung und dicker mehr oder weniger eingeebneter Kieferbasis mit nach abwärts gerichteten Ansatzstellen der Digastrici als das „Primigenius-Stadium‘ in der Entwicklungs- reihe des menschlichen Unterkiefers bezeichnen. Dieser Phase steht ein primitives ‚‚Anthropoiden-Stadium“ und ein ,,Sapiens-Stadium“ gegen- über. Ersteres charakterisiert durch eine kinnlose, mehr oder weniger eingerundete und nach rückwärts ausgebreitete vordere Kiefergegend, wie wir sie beim Gorilla, Schimpansen .'.. sehen; letzteres aber wird durch den Unterkiefer des rezenten Europäers mit wohl entwickeltem Kinn und schräg nach rückwärts schauenden Ansatzstellen der Diga- strici repräsentiert. Daß zwischen diesen Entwicklungsstadien des Unterkiefers alle möglichen Übergänge bestehen, das ist, glaube ich, selbstverständlich und es würde kaum gelingen, zwei absolut gleiche Unterkiefer aufzufinden. c) Beim Momo heidelbergensis Schoct. Die kinnlose Unterkieferplatte dieses sehr merkwürdigen Kiefers erinnert infolge seines gleichmäßig abgerundeten Profils an den der Anthropoiden, die Kieferbasis aber entspricht derjenigen des 4. primi- 28 Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre, I, 428 Gorjanovié-Kramberger. genius), Bezüglich der letzteren entnehme ich den Schoetensack- schen Aufzeichnungen folgende Dimensionen: Dicke des Corpus mandibulae zwischen den mittleren J = 17.5 mm. i - ¥ er 52 Caund ays — 10.3 5, Wir sehen also, daß der mittlere Teil der Kieferbasis sehr dick ist und diesbezüglich den dicksten Krapina-Unterkiefer übertrifft. Die beiden Ansatzstellen der Digastrici sind groB angelegt: die linke davon ist 22 die rechte 26 mm lang und sie sind im Maximum 7.5 mm breit. Die beiden Fossae digastricae schauen in ihrem medialen Teil fast genau nach abwärts und nur etwas lingualwärts. Sie zeigen medial- warts Vertiefungen, wie wir ähnliche — doch in größerem Maßstabe z. B. beim Krapina-H-Kiefer sehen. Die beiden Fossae sind 8.5 mm voneinander entfernt (letzteres konnte ich auf dem mir von Dr. Schoetensack freundlichst gespendeten Unterkieferabguß fest- stellen?). Zwischen den beiden Fossae sehen wir einen kleinen Vor- sprung — die Spina interdigastrica — welche in diesem Falle, da der Unterkiefer keine Kinnplatte besitzt — als Spina submandibularis zu bezeichnen ist, wie ich dies bereits erörtert habe. Die an diesem Unterkiefer charakteristisch auftretende Incisura submentalis als auch das Tuberc. submentale samt dem Sulcus supramarginalis sind Merk- male, welche wir auch an einigen Unterkiefern der Art 7. primigenius — ja auch beim rezenten Menschen in wechselnder Stärke ausgeprägt wiederfinden. Der Umstand aber, daß wir — vorläufig abgesehen vom Bau der Kieferäste — alle soeben genannten Eigentümlichkeiten mit einer kinnlosen vorderen Kieferplatte an einem und demselben Unterkiefer gepaart vorfinden, macht es zweifellos: daß wir eben in dem Unterkiefer des #4. heidelbergensis auch den primitivsten bis jetzt bekannten menschlichen Unterkiefer zu erblicken haben. Mit Bezug auf die bereits zum Ausdruck gelangte Reduktion der Zahngröße und der Annahme eines rudimentären Restes einer einst größeren resp. ausgebreiteteren Spina submandibularis und einer einst noch größeren Fossa genioglossa ist die Supposition eines noch primitiveren pliozänen Menschen nicht ungerechtfertigt. 1) Der H. heidelbergensis stellt uns in der Entwicklungsphase seines Unterkiefers den Typus eines unreinen ‚„Anthropoiden-Stadiums“ auf das eklatanteste dar, indem wir da eine abgerundete vordere Kieferpartie (Anthropoiden-Stadium) mit einer dicken, etwas eingeebneten Basis (Primigenius-Stadium) gepaart vorfinden. Es muß demnach diesem unreinen Unterkiefer-Typus, ein Anthropoiden-Stadium vorangegangen sein. 2 2) Meine Beobachtungen wurden nachher von Schoetensack am Originale machgepriift und richtig befunden. Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 429 Schoetensack meint beziiglich der Beschaffenheit der Zahne des H. heidelbergensis, daß an dieselben „keine großen Ansprüche gestellt worden sind“. Ich möchte dazu nur bemerken, daß die Ansprüche, welche an die Zähne des genannten Menschen gemacht wurden, kaum andere gewesen sind, als es jene waren, die an das Gebiß des 7. primigenius gestellt worden sind. Die relative Kleinheit der Zähne des H. keidel- bergensis mag vielleicht auf Geschlechtsunterschied beruht haben, doch sind die dünnwandigen großen Pulpahöhlen Charaktere, welche die Primitivität jenes Menschen außer Zweifel stellen. Hier möchte ich noch erwähnen, daß auch die Krapina-Molaren große Pulpahöhlen aufweisen (Unterkiefer-G), wodurch jedenfalls Anklänge an die beim H. heidelbergensis obwaltenden Verhältnisse gegeben sind. (Man ver- gleiche in Schoetensack Taf. IX, Fig. 32, 33 mit meiner Fig. 7 im „Anatom. Anzeiger von Bardeleben“ Bd. XXXI. S. 110)!). Schoetensack sagt weiter (auf Seite 28), „daß die kräftige Ent- faltung des Kiefers nicht im Dienste der Zähne zustande gekommen ~ ist.“ Und doch muß aus mechanischen Gründen eine Abhängigkeit zwischen beiden funktionell aufeinander angewiesenen Gebilden be- standen haben. Die massive Mandibula des #7. heidelbergensis setzt entschieden ein entsprechend starkes Gebiß voraus. Ich kann mir wenigstens den Zweck einer solchen Mandibula gegenüber einem relativ schwachen Gebiß vom Gesichtspunkte einer funktionellen Anpassung nicht vorstellen und glaube, daß die massive Mandibula des 1. herdel- bergensis wohl eine ererbte ist, die Zähne aber — wie gesagt — hier bloß individuell jene Kleinheit und Reduktion zeigen. Denn, beim geologisch etwas jüngeren 4. primigenius kommt beides — Kiefer und Bezeichnung — in einer harmonischen Weise zum Ausdruck. 1) Nachdem wir in der Serie der Molaren des H. primigenius aus Krapina auch Mahlzähne mit prismatischen Wurzeln kennen gelernt haben, die ganz in derselben Weise gelegentlich auch beim rezenten Europäer auftreten, ist es sehr wahrscheinlich, daß auch diese Erscheinung mit dem aufrechten Gang des Menschen resp. den damit nicht unwesentlich modifizierten Ernährungsverhältnissen zusammenfallen dürfte. Daß dabei auch das Gebiß tangiert werden konnte, dies dürfte wohl wahrscheinlich er- scheinen. Wenn nun in diese Periode der aufrechten Gangart des Menschen noch die Benutzung des Feuers hineinfällt, so wären dies gewiß sehr wichtige Faktoren, die wohl imstande waren, auch eine individuelle Modifikation resp. Variation im Ge bisse hervorzurufen, wie es eben die prismatischen Molarwurzeln des Krapiner sind, und welche Erscheinung gewiß mit der großen Pulpabildung des H. heidelbergensis in einen gewissen Zusammenhang stehen dürfte, 28* 430 Gorjanovic-Kramberger. Als eine logische Folge unserer Auseinandersetzungen über den Unterkiefer des H. heidelbergensis kann die Annahme gelten, daß dieser Mensch ein dauernd aufrecht gehendes Wesen war, dessen Mandibula noch alle dadurch erlangten Merkmale, wie solche die verdickte Basis, die Incisura submentalis und die ausgewulsteten Seitenränder sind, in ausgezeichnetster Weise ausgeprägt zeigt. Die Kinnlosigkeit dieser Mandibula läßt den weiteren Schluß zu, daß der aufrechte Gang dieses Menschen erst eine kürzlich erworbene Eigenschaft war, folglich, daß die Menschwerdung wahrscheinlich ans Ende des Pliozäns fällt. Wir haben im Laufe unserer Betrachtungen gesehen, daß der menschliche Unterkiefer vom ältesten Diluvium an bis auf heute be- deutenden Wandlungen hinsichtlich seiner Gestaltung unterworfen war. Diese Änderungen aber geschahen — wie wir dies leicht ersehen konnten — nach ganz bestimmten Regeln. Abgesehen von den uns noch unbekannten Vorfahren des Homo heidelbergensis — des ältesten bis jetzt bekannten Urmenschen — haben alle, auch den letzteren inbegriffen, eine dicke, mehr oder weniger eingeebnete Unterkieferbasis mit großen, meist gerade nach unten schauenden Ansatzstellen der M. digastrici. Diese Muskeln nehmen entweder den ganzen zu beiden Seiten der Spina interdigastrica gelegenen Raum ein, oder bloß seine hintere Hälfte so, daß zwischen diesen Ansatzstellen und dem hinteren Mentalrand jenes Interspatium postmentale verblieb. Bereits an einigen Unterkiefern des Homo primigenius sehen wir, daß die genannten An- satzstellen eine leicht nach hinten gerichtete Lage erhalten (Schipka, an einigen Krapina-Kiefern, La Naulette)!). Außer der an der ein- geebneten Basis stattfindenden Verschiebung der Digastrici gehen die fossilen Unterkiefer direkt durch die allmähliche Aufbiegung des Innen- schenkels des Unterkiefers und der mit dieser Aufbiegung im Zu- sammenhang stehenden Lageänderung der M. digastrici in Verhältnisse über, wie wir sie beim rezenten Menschen vorfinden. Einzelne an rezenten Unterkiefern zu beobachtende Fälle mit dicker, mehr oder weniger ebener Basis und gerade abwärts schauenden Fossae digastricae, sind noch Anklänge an Zustände, die wir am Homo primigenius als typisch und bezeichnend aufzufassen haben. Doch muß diese dicke, 1) Der Unterkiefer von Arcy zum Beispiel ist offenbar ein oberdiluvialer kräftiger Kiefer mit einem mäßig entwickelten Kinn, dessen randständiger medianer Teil eine etwa 9 mm weite Einsenkung (wie Fig. 2, 4) besitzt. Die Fossae digastricae sind stark nach rückwärts gewendet und befinden sich bereits an der inneren Kieferplatte. Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 431 eingeebnete Basis des Unterkiefers mit den gerade nach abwärts gerichteten Ansatzstellen der M. digastrici sowohl beim /. prünigenius als auch beim HX. keidelbergensis bloß als ein Übergangsstadium betrachtet werden; denn die Vorfahren des letzteren besaßen — nach der Spina submandibularis zu urteilen — jenen nach rückwärts ver- längerten Rand der vorderen Unterkieferpartie, welchen wir bei den Anthropoiden (außer Gibbon) beobachten. Durch das Zurückgehen desselben kam es zu jener dicken und eingeebneten Unterkieferbasis des altdiluvialen Menschen und durch die Verlegung des Musc. digastricus nach rückwärts allmählich zur Gestaltung der Kieferbasis des jetzigen Menschen. Durch die Verlegung der Fossae digastricae nach rückwärts resp. nach der inneren Unterkieferplatte haben auch die übrigen Muskel- ansätze, und zwar die der M. geniohyoidei und M. genioglossi eine Ver- schiebung nach der Mitte der Kieferplatte herauf erfahren. Die Lage dieser letztgenannten Muskelpaare ist beim JH. hezdelbergensis und H. primigenius im allgemeinen eine tiefere als beim rezenten Menschen, . mußte aber bei den Vorfahren der ersteren infolge der Ausbreitung des Kieferrandes nach rückwärts auch eine den Anthropoiden ent- sprechende gewesen sein. Aber auch die stark ausgeprägte Fossa genioglossa des 7. heidel- bergensis ist von Bedeutung. Kein bisher bekannt gewordener fossiler Menschenrest weist eine derartig tiefe Fossa auf. Durch den Rückgang des nach rückwärts ausgebreitet gewesenen unteren Kieferrandes und die dadurch bedingte Verdickung der Kiefer- basis wurde auch diese einst größere Grube reduziert. Sie tritt uns noch einmal beim 7. primigenius (La Naulette) ziemlich stark ent- gegen, verschwindet dann aber gegen den rezenten Menschen zu. Diese Grube ist neben dem kinnlosen Profil des Unter- kiefers eines der bedeutendsten anthropoidischen Merk- male des H. heidelbergensis. Fragen wir uns nach den Gründen, welche diese Umprägung der Basis des Unterkiefers und die damit im Zusammenhang stehende Verlegung der Musc. digastrici als auch die Reduktion der Fossa genioglossa bewirkten, so können wir dafür bloß die aufrechte Stellung des Menschen verantwortlich machen, wodurch der ursprünglich im Nacken liegende Kopf in eine mehr gebeugte Lage überging, wobei gleichzeitig der Unterkiefer, und zwar dessen vordere Basisfläche, vom Halse mehr oder weniger entfernt wurde. Baume bringt die Retraktion und Protraktion des Kiefers direkt mit der Entfernung oder Annäherung 432 Gorjanovic-Kramberger. des Kiefers an den Larynx in Zusammenhang (l. c: S. 25). Doch bevor ich in dieser Richtung fortfahre, möge auch noch die Kinn- bildung hier mit einbezogen werden, die zum Teil ganz denselben Ursachen ihr Dasein verdankt wie die Gestaltung der Kieferbasis. Der Homo heidelbergensis hatte noch kein Kinn; die Mensch- werdung war also nicht vom Dasein des Kinnes abhängig und es bildet demnach dasselbe kein die Gattung Homo charak- terisierendes Merkmal. Erst beim #7. prönigenius sehen wir die ersten Anfänge eines Kinnes ausgeprägt, jedoch gepaart mit den Merk- malen des Homo heidelbergensis. Die vordere Kieferbasis dieses letzteren Menschen ist aber nach Art der Anthropomorphen an der Symphysen- region gleichmäßig gerundet ohne jede Vorragung, und an dieser Rundung nehmen auch die Incisivi teil. Demzufolge besaß dieser Unterkiefer in seinem Entwicklungsgange keine mediane, basalwärts ausgeweitete und durch Kinnknöchelchen und weitere Knochen- wucherungen ausgefüllte Spalte und besitzt auch demzufolge keine Mentalplatte. Der 4. heidelbergensis hat aber eine Spina submandi- bularis, wonach man bei seinen Vorfahren auf eine nach rückwärts ausgezogene vordere Kieferregion schließen muß. Der Hauptunter- schied zwischen diesem Menschen und dem geologisch jüngeren H. primigenius liegt also in der allmählichen. Herausbildung eines Kinnes bei letzterem. Ich erblicke nun, um abermals an die Ursache dieser Unterschiede zu gelangen, in dem Übergang zum auf- rechten Gang — jenen umbildenden Faktor. Durch den aufrechten Gang wurde — wie bereits bemerkt — die Lage des Kiefers dem Halse gegenüber eine ganz eigene und die größere oder geringere Ent- fernung von Hals und Kiefer hat gewiß — wie dies Baume aus- einandersetzte — die Kiefergestalt in hohem Maße beeinflußt. Durch die Annäherung des Unterkiefers an den Larynx mußte vor allem an der vorderen Kieferpartie Platz geschaffen werden. Der nach rück- wärts ausgezogene Unterkieferrand ging ein, wodurch der Unterkiefer jene verdickte Basis erhielt. Noch mehr; es kam zu einer seitlichen - Ausbiegung des Unterkieferrandes und zu jenem Ausschnitte unter dem vorderen Unterkiefer, den Klaatsch als Incisura submentalis be- zeichnet!). Durch das Eingehen des verlängerten unteren Kieferrandes, 1) Es ist mir unklar, wieso jene Unebenheiten (Sulcus supramarginalis und Tuberc. submentale) an den lateralen Partien des Kieferfragmentes Krapina H und J — nach Klaatsch — für die Kinnbildung wichtig sein sollten. (Bei Schoetensack, S. 42 unten.) — Sie sind nur Folgeerscheinungen der Anpassung des Unterkiefers an cen Larynx. Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 433 wurde gleichzeitig auch jene so stark entwickelte Grube — die Fossa genioglossa — reduziert. Mit dieser Anderung des vorderen Unter- kieferabschnittes wurden selbstverstandlich auch die betreffenden Muskel- ansätze in Mitleidenschaft gezogen: sie mußten sich diesen neu ge- schaffenen Verhältnissen anpassen. Insbesondere sind es die Musc. digastrici gewesen, die sich uns in dieser Beziehung als außerordentlich lehrreich erwiesen haben. Sie inserierten sich zuerst mehr dem Außen- rand genähert, rückten dann an der eingeebneten Basis allmählich zurück. Mit der verschmälerten Basis, durch die Aufbiegung des hinteren Kieferrandes, gingen sie endlich an die hintere resp. innere Unterkieferplatte über.. Die verdickte, eingeebnete Unterkieferbasis mit den gerade nach abwärts schauenden M. digastrici sind — wie gesagt — bloß vorübergehende und nur für den altdiluvialen Menschen charakterische Eigenschaften gerade so, wie die Fossa genioglossa des H. heidelbergensis und des H. primigenius (La Naulette) allmählich zum Schwund gebrachte anthropoidische Merk- male sind. Während jene Anpassungserscheinungen infolge aufrechten | Ganges beim 7. heidelbergensis zum Ausdruck gelangten, zeigte sich noch ein weiterer Einfluß dieser Akkomodation, der aber erst beim H. primigenius infolge einer horizontalen Ausbreitung der Unterkiefer- hälften zur Geltung kam. Es bildete sich nämlich ein medianer, längs der Symphysis hinziehender Spalt. Derselbe wurde durch Kinn- knöchelchen und durch andere hier zur Auflagerung gelangte Knochen- substanz ausgefüllt und durch eine leichte Mentalplatte überdeckt. Wir haben da die erste Anlage des Kinnes vor uns. Auch dieses Stadium war bloß vorübergehend und nur auf den #7. primigenius gebunden! Denn die weitere Anpassung an die Larynxnähe er- heischte ein mehr gerades Vorwachsen der Unterkieferhälften. Damit aber schwindet auch die dem 7. primzgenius noch eigene abgerundete Gestalt des vorderen Unterkiefers; diese Partie wird eckiger gekenn- zeichnet durch die Tuberc. mentalia. Durch dieses allmähliche Vor- wachsen der Unterkieferhalften schwindet auch jene Juczsura sub- mentalis nebst der lateralen Ausrandung der Unterkieferhälften, die selbstverständlich ebenfalls eine vorübergehende Eigentümlichkeit des altdiluvialen Menschen war, und die gegen das obere Diluvium zu verschwindet. Das Auftreten dieses oder jenen Charakters (dicke Unterkieferbasis, Incisura submentalis usw.) beim rezenten Menschen, sind natürlich bloß sporadisch auftauchende Erscheinungen der seiner- zeit allgemein — wenn auch sehr variabel — verbreitet gewesenen Merkmale des Urmenschen. 434 Gorjanovic¢é-Kramberger. Schoetensack betrachtet die am H. Aeidelbergensis gegebenen Verhaltnisse an der vorderen Unterkieferpartie, speziell was die Inser- tion des Digastricus betrifft, im Vergleiche zu ähnlichen Verhält- nissen bei Gorilla, als die primären. Es muß — wie Schoetensack meint — für die Vorfahren des Gorilla ein ähnliches Stadium als Aus- gangspunkt angenommen werden, wie wir es beim 7. heidelbergensis vorfinden (1. c. 36, 37). Dies kann ich nicht zugeben, und zwar aus dem einfachen Grund, weil die Lage des Digastricus und die Ge- staltung des vorderen Unterkieferabschnittes durch die aufrechte Körperstellung des Menschen eine ganz andere geworden ist, als sie beim Gorilla oder seinen Vorfahren je sein konnte. Eine dicke ein- geebnete Unterkieferbasis konnte der Gorilla niemals besessen haben, denn es ist dieser Zustand ein durch den aufrechten Gang erworbenes Übergangsstadium mit allen daran zu beobachtenden — sowohl gegen den Gorilla als die übrigen Anthropoiden — differierenden Einzel- heiten. Diese Unterschiede sind eben der Ausfluß der Adaption an die geänderten Verhältnisse, nämlich an den aufrechten Gang. Aus ganz demselben Grunde konnte der Gorilla niemals weder eine Inci- sura submentalis noch ausgewulstete Seitenränder am Unterkiefer besessen haben, da ja diese Charaktere erst mit dem aufrechten Gang miterworbene, ebenfalls vorübergehende Eigentümlichkeiten sind, die die Anthropoiden ihres quadrumanen Ganges halber niemals besessen haben konnten!). Beim H. heidelbergensis sehen wir noch ein weiteres — schon erwähntes — sehr wichtiges Vörkommnis, nämlich ein aus relativ kleinen Zähnen bestehendes Gebiß auf einen recht massiven Unter- kiefer appliziert. Das Gebiß zeigt bereits eine Reduktion an Zahn- größe, und insbesondere ist es da der dritte Mahlzahn, der sich hierbei auszeichnet. Doch zu einer Reduktion des gefächerten Kieferabschnittes ist es hier noch nicht gekommen; an ihm hätte sogar noch ein vierter Molar hinlänglich Platz (Schoetensack |. c. 26) gefunden. 1) Schoetensack macht auf Seite 37 seiner Abhandlung auf Andeutungen einer Incisura submentalis als auch auf solche eines Sulcus supramarginalis bei den Hylobaten aufmerksam. Ich möchte vorläufig nur bemerken, daß die Incisura, die bei den Hylobaten hie und da auftritt, einer ganz anderen Ursache ihr Dasein ver- dankt, als dies beim Menschen der Fall ist. Dieselbe ist bei jenen bloß an den Raum zwischen den C beschränkt und teilweise gerade von der Stärke und Länge der Wurzeln dieser Zähne bedingt. Der Sulcus der Gibbons ist ebenfalls bloß eine ähnliche Er- scheinung, die man auch an Unterkiefern verschiedenster Säugetiere beobachten kann. Beispielsweise erwähne ich bloß Mericobotamus dissimilis, Lophiodon, dann bei Cheiropteren, und zwar Desmodus rufus usw. Doch darüber bei einer anderen Gelegenheit. Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 435 Und so haben wir denn im Z. heidelbergensis den ältesten bis jetzt bekannten Menschen zu erblicken, der im Bau seines Unter- kiefers neben anthropoiden Anklängen (die vordere Unterkieferpartie) ganz menschliche Charaktere aufweist, als welche vor allem die Be- zahnung aufzufassen ist. Letzterer Charakter, dann der Bau der Kiefer- basis und der inneren Kieferplatte sind wiederum Merkmale, die den HA. heidelbergensis direkt an den A. primigenius angliedern. Wir be- sitzen also, dank dem glücklichen Fund bei Heidelberg, eine ununter- brochene genetische Reihe in der Entwicklung des Menschen, und zwar von seiner (?) primitivsten Stufe an bis zu seiner jetzigen Entfaltung. Ich glaube dennoch, daß eventuelle weitere Funde menschlicher Unterkiefer aus Ablagerungen des tiefsten Diluviums einige Variationen in bezug auf Größe der Spina submandibularis und in der Bezahnung (Größe) ergeben werden. Doch wird die typisch menschliche Bezahnung des altdiluvialen Menschen stets ein Unterscheidungsmerkmal zwischen den Hominiden und den Anthropoiden abgeben. Ich muß jedoch bemerken, daß ich den Unterschied beider Abteilungen noch insbesondere im definitiven aufrechten Gang erblicke, durch welchen seinerzeit der im Bau der vorderen Unterkieferpartie dieses altdiluvialen Menschen zum Ausdruck gelangte Charakter erworben wurde. Schoetensack sagt für die Mandibula des Heidelberger Menschen (S. 28): „Kein Anthropoidenstadium kann hier voran- gegangen sein. Wir haben es hier vielmehr mit einem ur- alten gemeinsamen Urzustand zu tun, wie er auch dem der Anthropoiden vorangegangen sein muß.“ — Daß dieser Aus- spruch Schoetensacks nicht stichhaltig ist, dies glaube ich erwiesen zu haben. Der ZH. heidelbergensis ist dem gemeinsamen Urzustand entrückt und bereits spezialisiert. Es kann demnach diese Menschen- art infolge ihrer neuerworbenen und zum Teil schon variablen Merk- male nicht mehr als eine Ausgangsform der menschlichen Reihe an- gesehen werden, wiewohl sie derselben zweifelsohne sehr nahe steht. Denn eine solche Form dürfte wohl weder eine Incisura submentalis noch eine seitliche Ausrandung der Mandibula besitzen, Anhang: Ich gebe hier noch die Skizze einer Einteilung des Menschen- geschlechtes auf Grund der bisher bekannten fossilen Überreste. Genus: Homo. Zu den geläufigen Merkmalen dieser Gattung hat man -— im Zusammenhange mit meinen Auseinandersetzungen — insbesondere 436 Gorjanovic-Kramberger. den aufrechten Gang der Vertreter dieser Gattung zu betonen, daß eben dieser den Ausfluß einer Reihe von Charakteren bildet, wie man solche bei den Quadrumanen nicht vorfindet. Diese Charaktere aber spiegeln sich vornehmlich in der Konfiguration des Schädels, speziell der Mandibula, und in den Extremitäten. Die Mandibula, als eines der markantesten Skeletteile ins Auge gefaßt, erlaubt uns von selbst nachfolgende Einteilung der Gattung Homo in zwei Abteilungen, wovon sich die primitivere an noch un- bekannte Vorläufer resp. an Vertreter einer Gattung Prohomo direkt anschließt, für welche wir gewisse Eigentümlichkeiten im Baue der vordereren Unterkieferpartie als wahrscheinlich voraussetzten. Genus: Prohomo: unbekannt; im Pliozän. Genus: Homo: vom Ende des Pliozän an. — Zerfallt in zwei Ab- teilungen, und zwar in: A. Homines amentales mit der Art: Homo heidelbergensis, Schoet. aus dem untersten Diluvium von Mauer bei Heidelberg. B. Homines mentales mit der Art: Homo primigenius, Wilser. Diese Art zerfällt in zwei oder drei Varietäten und zwar: a) HM. primigenius var. Spyensis m. mit hohem Unterkiefer aus den älteren diluvialen Schichten von Spy, Krapina, Neander- tal, Ochos, Schipka, Gibraltar, Le Moustier, La Chapelle. b) #7. pimigenius var. Krapinensis m. mit niederem Unterkiefer aus den älteren diluvialen Schichten von Krapina, Malarnaud und La Naulette. c) H. sapiens fossiis m. Hierher gehört der Unterkiefer von Arcy ferner die Lössmenschen, überhaupt Überreste ober- diluvialer Menschen. Von diesen ist besonders der Unterkiefer von Arcy bemerkenswert, da er noch eine dicke Basis, jedoch bereits nach rückwärts verlegte Ansatzstellen der Digastrici besitzt. d) A. sapiens rec., der moderne Mensch. Was endlich den Unterkiefer des Homo Mousteriensis Hauseri aus der unteren Grotte von Le Moustier betrifft, so hat man denselben in die Abteilung „DB. Homines mentales“ einzureihen. An demselben finden wir wiederum alle jenen Charaktere, welche für den 7. primigenzus kennzeichnend sind und als welche eine dicke eingeebnete vordere Unterkieferbasis mit einer leichten Incisura submentalis, die Spur eines Sulcus supramarginalis mit der Spina submentalis zu gelten haben (nach Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 437 einem Abgusse zu urteilen). Der Unterkiefer gehörte einem 16jahrigen Individuum an und ist zweifelsohne der Art H. primigenius!) zuzu- teilen. Interessant ist der Mangel einer alveolaren Prognathie, wes- halb die Mandibula in ihrer vorderen Partie eine gleichmäßig leichte Wölbung aufweist, welche an jene des WH. heidelbergensis erinnert. Das Gebiß dieses Menschen zeigt ferner eine kleine Anomalie, die sich linksseits zwischen den P, und J, sehr deutlich zu erkennen gibt. Der C steckt noch tief im Kiefer, ebenso ein retendierter Milcheckzahn, der eben jenen C beim rechtzeitigen Hervorbrechen hinderte. Rechter- seits sehen wir, daß zwischen den M, und P, noch Raum für einen Zahn übrig blieb; es kann sein, daß ein solcher noch im Kiefer steckt. Geologische Entwicklungsskizze der Gattung Homo. Eli SUDIOUNS HELEN ee . jetzt ; „Sapiens-Stadium‘“: 2 H. sapiens foss. .. N ob. A: Homines A =| | IE e eh „Primigenius-Stadium“: = | H. primigenius .... unt.: »Diluvial | 5 mans Er En [#- heidelbergensis ......... amentales\ Stadium‘: „Anthropoiden-Stadium‘“ . Prohomo (unbekannt). | Pliozän Anmerkung. Auf S. 431 sollte bei Nennung Baumes als Fußnote noch folgende Bemerkung stehen: Auch Walckhoff würdigte in seiner Abhandlung ‚Der Unterkiefer der Anthropoiden und des Menschen . . .‘‘ (in Selenkas ‚Menschenaffen“ 4. Lief. Wiesbaden 1902. S. 280.) den aufrechten Gang des Menschen als einen die Kiefer- gestalt im allgemeinen beeinflussenden Faktor, speziell aber die stärkere oder ge- ringere Beteiligung der Digastrici bei der Umformung der Kieferbasis und Kinn- bildung. Doch geschieht dies in einer anderen und mit meiner Annahme nicht über- einstimmenden Weise. Erklärung der Abbildungen. Tafel II. Fig. 1. Die vordere Unterkieferpartie eines rojährigen rezenten Kindes, mit sehr weit gewesenen Symphysenspalt und leichter Kinnschwellung. Die Spaltausfüllung leicht eingesenkt. (Vgl. Textbild Fig. 2.) 1) Klaatsch möchte den gewiß unrichtig gewählten Speziesnamen ,,primigenius* durch den ,,Mousteviensis Hauseri‘‘ ersetzen. Doch hat sich ersterer bereits so ein- gebürgert, daß abgesehen schon vom Prioritätsrechte desselben, eine Änderung un- tunlich wäre. Es gibt ja unter den Artennamen so viele nichts- oder unrichtiges sagende, daß nur Verwirrung Platz greifen würde, wollte man sie alle richtig stellen. 438 Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. N 4a. in Gorjanovic-Kramberger. . Die vordere Unterkieferpartie eines erwachsenen Menschen (über 40 Jahre alt) mit über dem Spalt leicht eingesunkener Kinnplatte ohne Prominenz und breiter medianer Rinne. (Vgl. Textbild Fig. 4.) . Die. vordere Unterkieferpartie eines Tschechen aus Kradovet 32 Jahre alt. (K. K. Hofnaturaliensammlung. Anthropol. Abt. Nr. 313.) Die schwach vor- stehende Kinnplatte seitlich bis nahe zu den Mentalöffnungen reichend. Die Kinn- platte wurde am Originale mit Bleistift verstärkt, um sie am Bilde sichtbar zu machen. (Vgl. Textbild Fig. 3.) . Die Basisansicht der vorderen Unterkieferpartie eines Neolithikers aus Vuéedol in Slavonien (Kroatisches archäolog. Nationalmuseum Nr. 1268), um die Lage der beiden Digastrici und das auf den beiden Unterkiefer- hälften aufsitzende Kinn zu zeigen. (Vgl. Textbild Fig. 5.) Dasselbe in einer etwas anderen Lage, um die sekundäre Natur des Kinnes noch deutlicher zur Anschauung zu bringen. . Die vordere Unterkieferpartie eines erwachsenen Warschauer (aus dem An- thropol. Laboratorium des K. Stolychwo Nr. 13), eine doppelte Auflagerung der Kinnplatte zeigend. (Vgl. Textbild Fig. 6.) . Die vordere Unterkieferpartie des Australiers K. 80 (Klaatschsche An- sammlung) mit mäßiger Kinnprominenz und der oberen Kinnplattenspitze. Letztere als Beweis für die sekundäre Natur der Kinnplatte. (Vgl. Textbild Pig. 11.) . Die vordere Unterkieferpartie des Krapina J-Unterkiefers, die schmale nach rechts spitz auslaufende Kinnplatte zeigend, welche nach abwärts und hinten mit der Spina mentalis post. endigt. Die Kinnplatte wurde am Originale mit Bleistift verstärkt, um sie am Bilde sichtbar zu’ machen. Tafel III. . Die Unterkieferbasis eines an 50 Jahre alten rezenten oder neolithischen Menschen unbekannter Herkunft, die beiden Digastrici und die auf die Basis umgekippte Kinnplatte zeigend. (Vgl. Textbild Fig. 7.) . Die Unterkieferbasis eines neolithischen Menschen aus Babska in Slavonien (Archäolog. Museum in Zugreb, Nr. 2851), die beiden weit voneinander stehenden Digastrici und die sie trennende Querleiste zeigend. (Vgl. Textbild, Fig. 8.) . Die Unterkieferbasis eines Menschen vom Bismark-Archipel (K. K. Hofnatu- raliensammlung, Anthropol. Abt. Nr. 3294), die auf die Basis umgekippte, scharf vom Interspatium postmentale gesonderte Mentalplatte und die beiden an der inneren Kieferplatte gelegenen Digastrici zeigend. (Vgl. Textbild Fig. 9.) . Die Unterkieferbasis eines Menschen von Isabel, Salomon-Inseln. (K. K. Hof- nat. Sammlung, Anthropol. Abt. Nr. 3288.) Die beiden Außenschenkel des Kiefers verkürzt und die Digastrici gleich hinter der dünnen Mentalplatte inseriert. (Vgl. Textbild Fig. 10.) . Die Unterkieferbasis des Krapina-J-Kiefcrs, die an die Basis umgekippte Mental- spina und den beim Außenrand stehenden rechten langen Digastricus zeigend, welchen bloß ein enges Interspatium vom letzteren trennt. (Vgl. Textbild Fig. 12.) . Die Unterkieferbasis des Krapina-H-Kiefers mit der an die Basis umgelegten Mentalspitze und den beiden gegen den inneren Basalrand gerückten Digastrici und dem breiteren Interspatium. (Vgl. Textbild Fig. 13.) Yıuyosgeisjem.lejun S4epsoA 49q ‘AeBsequesy- plAoue[10H Vp INS + Insty 9 nal] Inst | ansiy a & 141, Tipe ‘atyapshungeata, pun -sBunuiunsqy Damp ne Yayasyoz Zeitschrift für induktive Abstammmngs- und Vererbungslehre. Bad. 1 Tafel 3 Figur 1 Figur 2 un Figur Figur 6 Figur 7 Figur 8 Gorjanovié-Kramberger, Der vordere Unterkieferabschnitt Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen usw. 439 Fig. 7. Die Unterkieferbasis des Krapina-G-Kiefers mit den breiten Interspatien und den auf den inneren, eingetieften Basisrand verlegten Eindrücken der Digastrici. (Vgl. Textbild Fig. 14.) Fig. 8. Die Unterkieferbasis des Krapina-D-Kiefers mit hinter der querverlängerten Spina mentalis inf. liegenden Rinne für die Digastrici und dem breiten Interspatium. (Vgl. Textbild Fig. 15.) Literatur. Baume, R., Dr. Die Kieferfragmente von La Naulette und aus der Schipka- Höhle als Merkmale für die Existenz inferiorer Menschenrassen in der Diluvialzeit. Leipzig 1883. Gorjanovic-Kramberger. Der diluviale Mensch aus Krapina in Kroatien. Ein Beitrag zur Palaoanthropologie. Wiesbaden 1906. — Die Kronen und Wurzeln der Mahlzähne des Homo primigenius und ihre genetische Bedeutung. (In Bardelebens Anat. Anzeiger. Jen 1907. Bd. XXXI) — Zur Kinnbildung des Homo primigenius. — Vortrag. (Bericht über die Prähistoriker-Versammlung am 23. bis 31. Juli 1907 in Köln.) — Der vordere Unterkieferabschnitt des altdiluvialen Menschen in seinem genetischen Verhältnis zum Unterkiefer des rez. Menschen und jenem der Anthropoiden. — Eine vorläufige Mitteilung. — Zagreb (Agram) Glasnik hrv. prirodosl. drustva, 1909. Bd. XXI. Klaatseh. Kraniomorphologie und Kraniotrigonometrie. — Verhandl. d. Anthropol. Versammlung in Frankfurt a. M. 1908. Klaatsch u. Hauser, ©. Homo Mousteriensis Hauseri. Ein altdiluvialer Skelettfund im Departement Dordogne und seine Zugehörigkeit zum Neandertaltypus. Archiv für Anthropologie, Braunschweig 1909. Bd. VII. Sehoetensack, O., Dr. Der Unterkiefer des Homo heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg. Ein Beitrag zur Paläontologie des ‚Menschen. Leipzig 1908. Toldt, C. v., Dr. Die Ossicula mentalia und ihre Bedeutung für die Bildung des menschl. Kinnes. — Sitzungsber. d. Kais. Akad. d. Wiss. in Wien. Math. naturw. Kl. Bd. CXIV. 1905. S. 657. — Zur Frage der Kinnbildung. — Korrespondenz-Bl. d. Deutschen Gesellsch. f. Anthropol. Ethnol. u. Urgeschichte. Braunschweig 1906. Bd. XX XVII. 44: Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. Von Dr. med. Wilhelm Weinberg in Stuttgart. I. Allgemeiner Teil. (SchluB.) 8. Wirkung verschiedener Vererbungsprinzipien auf Zusammensetzung, Durchschnittsmaße und Korrelationen der Verwandtschaft bei Panmixie. Es soll im folgenden zunächst untersucht werden, wie sich unter der Voraussetzung, daß die erblichen Typen keine zufälligen Abände- rungen erfahren, die Zusammensetzung und das Durchschnittsmaß der Verwandten bei verschiedenen Vererbungsprinzipien und bei Panmixie gestaltet. Weiterhin wird dann untersucht werden, wie sich das so erhaltene Ergebnis unter dem Einfluß zufälliger ındividueller Ver- änderungen abändert, und in welcher Weise der Einfluß des Zufalls ausgeschaltet werden kann. Voraussetzung ist dabei stets, daß keine Unterschiede der Fruchtbarkeit und Vitalität das Resultat stören. Diesen Faktoren wird später besonders Rechnung getragen werden. Ebenso ist der Einfluß von Wanderungen ausgeschlossen. A. Vermischende Vererbung. Hier lassen sich die zu erwartenden Verhältnisse auf einfache Weise aus der Tatsache konstruieren, daß nur ein konstanter Bastard vor- kommt. Es sind daher alle Individuen sich vollständig ähnlich, welche von denselben oder sich völlig ähnlichen Eltern abstammen. Es besteht daher vollständige Ähnlichkeit je zwischen den Ausgangsindividuen (T) und ihren Geschwistern C,, zwischen den Eltern (P,) und Eltern- geschwistern (P,F,), zwischen den Großeltern (P,) und Großeltern- geschwistern (P3F,) der Ausgangsindividuen; ebenso aber zwischen Kindern (F,) und Neffen (C, F,) derselben Individuen, sofern die Paarung der Individuen und ihrer Geschwister mit demselben Durchschnitt der Bevölkerung denselben konstanten Typus ergibt. Ebenso besteht Ober Vererbungsgesetze beim Menschen. 441 absolute Ähnlichkeit zwischen Enkeln (F,) und GroBneffen (C, F,) usw. In allen diesen Fällen ist die Korrelation =I.: Hingegen besteht nur teilweise Ähnlichkeit zwischen bestimmten Individuen und ihren Kindern, da diese auch von den Ehegatten der Ausgangsindividuen mit bestimmt werden. Je nach der Art der sich hieraus ergebenden Bastarde wird die Korrelation einen verschiedenen Wert haben müssen. Sind die Bastarde streng intermediär, so bleibt bei Panmixie das Durchschnittsmaß aller aufeinander folgenden Generationen konstant. In diesem Falle sind nicht nur die Geschwister bestimmter Indi- viduen, sondern auch die Durchschnittsmaße der Eltern und somit Elterngeschwister, Großeltern und Großelterngeschwister identisch mit denen der Ausgangsindividuen, ihre Korrelation ist = 1. Aus diesem Grunde wird dann auch die Korrelation der Kinder, Neffen, Vettern, Großelterngeschwisterkinder je =1% oder deren Maß gleich dem Mittel zwischen Ausgangsindividuum (T) und Gesamtheit (G), also = eh Eine ebenso in ihrem Durchschnittsmaß identische und die Korrelation Y, aufweisende Reihe bilden Enkel, Neffenkinder, Vetternkinder, Groß- elterngeschwisterkinder. Diese Korrelation entsteht, indem z. B. die Neffen mit dem Maß un und deren Ehegatten mit dem Maße der Be- ITS 4 völkerung, g, Nachkommen mit dem Maß haben. In allen Fällen einfacher Vermischung besteht aber ein erheblicher Unterschied zwischen den Durchschnittsmaßen der Eltern und Kinder, Großeltern und Enkel, Elterngeschwister und Geschwisterkinder als bestimmter Individuen. Daß bei einfacher Vermischung die Zusammensetzung der Generationen bei Panmixie nicht konstant bleibt, sondern eine zu- nehmende Anhäufung der Mittteltypen stattfindet, geht schon aus den Untersuchungen von Ammon hervor. Aber auch die Durch- schnittsmaße aufeinanderfolgender Generationen sind im allgemeinen nicht identisch, sondern nur dann, wenn jede Kreuzung genau inter- mediäre Bastarde liefert. Stellt ferner n, die relative Häufigkeit eines Typus T, in Generation G dar, C,, P., F, das Maß seiner Geschwister, Eltern, Kinder, und liegen die Maße der Typen zwischen T, und Ts, so ist =e Tae mn TG, 4 4; 442 Weinberg. hingegen s = Ss =, TSG. 21 2 BR CS De Ty Cy + 1/5 G je nachdem das größere Maß über das kleinere dominiert, mit ihm gleichwertig oder rezessiv ist. Hierin liegt ein weiteres Charakteristikum der einfachen Vermischung der Anlagen. Nach dem Ausgeführten kommt eine Regression nach dem Maß der Gesamtheit, deren mathematischer Ausdruck das Galtonsche Gesetz vom Ahnenerbe darstellt, nicht für die Aszendenz, sondern nur für die Deszendenz in Betracht. ; B. Alternative Vererbung. Die Wirkung der alternativen Vererbung bei Panmixie kann nur mit Hilfe einer Reihe mathematischer Überlegungen vollständig unter- sucht werden. Dabei ist es aber möglich, mit den einfachen Hilfsmitteln der Algebra auszukommen, wie im Gegensatz zu den teilweise sehr umständlichen und mit Integral- und Differenzialrechnung arbeitenden Untersuchungen der englischen biometrischen Schule hervorgehoben werden muß. Meine ausführlichen Untersuchungen über diesen Gegen- stand, welche das Problem erstmals in ganz allgemeiner Fassung be- handeln, sind in Teil II dieser Arbeit niedergelegt und ich gebe hier nur die Hauptresultate wieder. Ich gehe davon aus, daß jede allelomorphe Reihe aus einer Anzahl von Merkmalen A,, As, A, bis As, B,, By, Bz bis Bs usw. besteht und die Typen durch ein (Monohybridismus) oder mehrere (Polyhybridis- mus) Anlagenpaare charakterisiert sind, die unabhängig voneinander aus Kombinationen von zwei Merkmalen je einer und derselben allelo- morphen Reihe von Merkmalen entstehen. Eine Generation monohybrider Typen besteht demnach z. B. aus m,, AıAı +M19A1 Aa + Mg5A5A5 + M13Aı Az + MggAoA3 +MggA3A3 USW. Überlegt man nun, daß die Zusammensetzung einer Generation G, aus Typen verschiedener Art lediglich davon abhängt, in welcher Weise die Summe der von Generation G, gebildeten Gameten sich aus Gameten verschiedener Art zusammensetzt und daß sich die von Generation G, gebildeten verschiedenen Gameten des einen Geschlechts mit denen des anderen Geschlechts bei Panmixie mit einer Häufigkeit zu Individuen und Typen verschiedener Art kombinieren, welche den Gesetzen des Zufalls entsprechend gleich dem Produkte der relativen Häufigkeit je zweier Gameten ist, so ergibt sich, daß Generation G, unter allen Umständen ein Polynom zweiter Klasse darstellen muß. Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 443 Bildet also Generation Gy Gameten vom Typus Ax Bx Cx... Zx mit einer Häufig- keit = Fit x), so stellt die einfache Summation t(x=s) 2 SZ Ren tbe Bee) t(x=1) die Zusammensetzung der neuen Generation dar. Besteht zum Beispiel Generation Gp aus p A, Ai +2q A, Ay +r ApAy +25 A, A, +2 t AgA3+u AzA,, wobei p+t2q +r+2s+2t+u=1 sei, so sind, wenn jedes Individuum nur einen Gameten bildet, die Gameten von pA,A, =pA, 2qA,A, = qAi+q Ay tr AjAg = TA, ' 28 A,A3; = SA,+S A, 2tA,A, = tA,+t Ag u AzgAg = u Ag Man erhält also als Gameten von Generation Gy (p+q+s) Ay +(q+r+t) Ag+ (stt+u) As und hieraus als Generation G, die Kombinationen (p+q+s)?A,4, +(p+q +s) (q+r+t)AjAo+ +(p+q+s)(s +t+u) A, Ag +(q+r+t) (p+q+s)AgAj + +(s +t +u) (p+q+r) AgAy +(q+r+t) (s+t-+u) A Ag +(q+r+t)? AsAs +(s+t+u)(q+r+t)AzAs +(s +t+u)2AzA, oder insgesamt, wenn man auf die Abstammung der Merkmale keinen Wert legt, (p+qtr)PA A; +2 (p+qg+r)(g+r+t)ARAs+2(p+g+r)(s+t+u) AAs +(qtrtt)PAgAy+2 (qtr+ t)(s+t+u) AyA, +(s+t+u)2A3;A, wofür sich symbolisch die Formel [(p+atr) Aı + (g+r+t) Aa+ (s+t+ u) Ag]? setzen läßt, die ein Polynom zweiter Klasse in bezug auf Gameten vom Charakter A,, Ao, Ag darstellt. Bei monohybriden Eigenschaften fallt der Begriff der Gameten mit dem der Merkmale zusammen und es ergibt sich hieraus, daß alle unter dem Einfluß der Panmixie stehenden Generationen dieselbe polynomiale Zusammensetzung aus Typen aufweisen müssen, welche durch die relative Häufigkeit der einzelnen Merkmale bei der Gesamt- heit der Individuen von Generation G, bedingt ist. Bei Polyhybridismus stellt hingegen jede Generation in bezug auf ihre Entstehung aus Gameten ebenfalls ein Polynom zweiter Klasse dar, aber der Charakter dieses Polynoms wechselt unter dem Einfluß der Panmixie im allgemeinen, wenn auch in gesetzmäßiger Weise von Generation zu Generation, so daß eine stabile Zusammensetzung der Generationen aus verschiedenen Typen erst nach unendlich vielen Generationen vollständig erreicht wird. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. I. 29 444 Weinberg. Hingegen ist die relative Haufigkeit von Kombinationen je zweier Merkmale aus derselben allelomorphen Reihe zu Anlagenpaaren unter dem Einfluß der Panmixie stabil. Es wird also die Summe aller Individuen mit dem Merkmalspaar A,A, in jeder Generation = m, die aller Individuen mit dem Merkmalspaar B,B, in jeder Genera- tion = n sein, während ein dihybrider Typus A,A,B,B, in Generation G, eine Häufig- keit = v, in Generation G, eine solche = w besitzt usw. Erst nach unendlich vielen Generationen entspricht die Häufigkeit von bestimmten Kombinationen der Anlagenpaare aus verschiedenen allelomorphen Reihen ebenfalls den Gesetzen des Zufalls. Erst dann wird z. B. der Typus A,A,B,B, die Häufigkeit m n haben, wenn m und n die Häufigkeit der Anlagenpaare A,A, und B,B; darstellen. Dieser eigentümliche Unterschied zwischen der Zusammensetzung der Generationen aus Typen und aus Individuen mit gleichen Anlagen- paaren ist die Folge davon, daß einmalige Panmixie nicht imstande ist, bei Polyhybridismus die Kombinationen der Anlagen gleicher Abstammung in allen Fällen auseinander zu reißen und dem Spiel des Zufalls bei den Neukombinationen der Merkmale preiszugeben, daß nicht die einzelnen Merkmale, sondern Merkmalkombinationen der Gegenstand der Wirkung des Zufalls sind, oder daß die einmalige Spaltung im Sinne der Theorie der einen Gameten nur einen partiellen Erfolg hat. Immerhin vollzieht sich die Wirkung der Panmixie so schnell, daß man praktisch, sofern die Zahl der eine Eigenschaft konsti- tuierenden Anlagen nur gering ist, schon nach verhältnismäßig wenigen Generationen eine nahezu stabile Zusammensetzung der Generationen annehmen darf. Was PEARSON also für einen bestimmten Spezialfall auch bei Poly- hybridismus bereits für die ersten Generationen gefunden hat, gilt all- gemein theoretisch zwar erst nach unendlich vielen, praktisch aber schon nach relativ wenigen Generationen unter dem Einfluß der Panmixie. Aus dem Unterschied der Wirkung der Panmixie auf die Zu- sammensetzung der Generationen bei Monohybridismus und Polyhybri- dismus ergibt sich, daß man für die Zusammensetzung der Verwandt- schaft bestimmter Typen bei Monohybridismus absolut konstante Formeln berechnen kann, während dies bei Polyhybridismus nur unter der Voraus- setzung einer langen Dauer der Panmixie näherungsweise möglich ist. Aus der Konstanz der Formeln für die Zusammensetzung der Ver- wandtschaft ergeben sich auch konstante Formeln für deren Durch- schnittsmaße bei Monohybridismus. Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 445 Hingegen folgt bei Polyhybridismus aus der theoretischen Ver- schiedenheit der Zusammensetzung der Verwandtschaft der Individuen verschiedener Generationen nicht ohne weiteres auch eine Verschiedenheit der DurchschnittsmaBe. Eine solche ergibt sich vielmehr nur in dem komplizierten Falle, daß sich die Anlagenpaare eines Individuums gegen- seitig beeinflussen. Beruht hingegen das Maß einer Eigenschaft lediglich auf einer Addition der Wirkung der einzelnen Anlagenpaare im Individuum, so kommt für die Berechnung der Durchschnittsmaße der Verwandtschaft die Stabilität der Zusammensetzung der Generationen aus Individuen mit gleichen bestimmten einzelnen Anlagenpaaren in Betracht und es ergeben sich daher in diesem Falle des einfachen Polyhybridismus ebenso konstante Durchschnittsmaße wie bei Monohybridismus. Bei genügend langer Dauer der Panmixie ergibt sich nun ganz allgemein eine Identität der Zusammensetzung und Durchschnitts- maße von Eltern und Kindern, von Großeltern und Enkeln und all- gemein von Ahnen und Nachkommen gleichen Grades, ferner eine Identität der Zusammensetzung und DurchschnittsmaBe von Ge- schwisterkindern und Elterngeschwistern unter sich und mit denen der Großeltern und Enkel der Geschwisterenkel, Großelterngeschwister und direkten Vettern mit derjenigen der Urgroßeltern und Urenkel usw. Hingegen besteht allgemein ein Unterschied in der Zusammensetzung und den Durchschnittsmaßen der Eltern und Kinder einerseits und der Geschwister andrerseits. Bei der Berechnung der Zusammensetzung und Durchschnitts- maße der Geschwister habe ich dabei einen Weg eingeschlagen, der von dem PEARSONs grundsätzlich verschieden ist. PEARSON nimmt für die Beziehungen zwischen Geschwistern dieselben Verhältnisse als maß- gebend an, wie für die von Blättern eines und desselben Baumes, er ist ferner bei der Berechnung der geschwisterlichen Korrelationen bei alternativer Vererbung von der unzutreffenden Voraussetzung aus- gegangen, als sei die Wirkung der alternativen Vererbung auf die Zu- sammensetzung der Geschwister für jede einzelne Familie maßgebend, während dies tatsächlich nur für den Durchschnitt aller Familien gilt. Dadurch kam er zu Resultaten, welche von der Größe der Geschwisterzahl abhängig sind. Ich bin meinerseits von der Erwägung ausgegangen, daß die Zu- sammensetzung der Geschwister lediglich von der Art und Haufigkeit der Kreuzungen bedingt wird, von denen ein bestimmter Typus abstammen kann, und daß die Geschwister eines Typus durchschnittlich dem Gesamt- 29* 446 Weinberg. resultat dieser Kreuzungen entsprechen. Man gelangt auf diese Weise unabhängig von der Größe der Familie allgemein zu Ergebnissen, welche sich aus PEARSONS Formel in dem von ihm behandelten Spezialfall nur ergeben, wenn man die Zahl der Geschwister unendlich groß annimmt. Stellt ferner P, das Durchschnittsmaß der Eltern eines Typus T Er, $ ‚„ Kinder eines Typus T, Iga ep 40 „ rten Ahnen eines Typus T, Bra; > ,, rten Nachkommen eines Typus T, Er > „ Geschwister eines Typus T, GE: > „ Generationen dar, so ist BE Pr = Fr = u |Pı+ (21) G| = En IF, pier) G| = (Pr + G) = (Ro ar G) 1 P, | = en) und ferner C,=— 2 2 woraus sich ferner T=4 C,—2 P,—G =4 C,—2 F,—G ergibt. Es bestehen also bei alternativer Vererbung sehr einfache Be- ziehungen zwischen den Durchschnittsmaßen verschiedener Ver- wandtschaftsgrade, namentlich zwischen dem Maß der direkten Ahnen und Nachkommen und ferner zwischen Geschwistern einerseits und Eltern und Kindern eines Typus andrerseits. Endlich läßt sich die Beschaffenheit eines Typus aus Geschwistern, Eltern und Generation bestimmen. Der Abstand des Durchschnittsmaßes der Eltern und Kinder vom Mittel zwischen Typus und Generation ist: N TG ars Ban Zu 2 T+G er wird = Null, wenn P, =F, = ‚ und das ist bei Panmixie all- gemein der Fall, wenn alle Bastardtypen streng intermediär sind. Der Abstand des Durchschnittsmaßes der Geschwister vom Mittel zwischen Typus und Generation ist a ee] Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 447 also stets halb so groß wie der des Durchschnittsmaßes der Eltern und Kinder, er wird daher auch unter denselben Bedingungen = Null wie derjenige der Eltern und Kinder oder bei intermediären Bastarden haben Eltern, Kinder und Geschwister identische Durchschnitts- maße. Aus den Durchschnittsmaßen lassen sich auch die Korrelationen der Verwandtschaft berechnen. Dabei ergeben selbstverständlich Ver- wandtschaftsgrade mit gleichem Durchschnittsmaß auch gleiche Kor- relationen. Da die Abweichung eines Typus T vom Durchschnittsmaß der Generation = T—G, die seiner rten Ahnen | © re! ae oo LN ) | \ SZ: () peer | (?) so ist die Korrelation der rten Ahnen I P,—G 5 = W=6 I |: T—2P, eH 22 T—G wofür = x] gesetzt sei. Die Korrelationen der Ahnen und ebenso der Nachkommen stellen also eine geometrische Reihe nach Potenzen von 1/, dar. Ebenso ergibt sich die Abweichung der Geschwister von T 2 2 el und somit die Korrelation der Geschwister ı T—3G+2P, Dee Fe =i S| = a ae Bi(a2G)el 2% ee (=G) ll bla —— = | v|r ad I Speziell die Korrelation der Eltern und Kinder ist = = €] Es ist somit die Kor- relation der Geschwister vom Werte 1, stets halb soweit entfernt, wie die der Eltern und Kinder. Die Korrelation sowohl der Geschwister wie auch der Eltern und T—2 P,+G TG = oist oder wenn der Zähler dieses Kinder wird dabei identisch, wenn k = T+G Bruches = o ist. In diesen Fällen wird P,= Fı= oder es müssen die Eltern und Kinder eines Typus das Mittel zwischen Typus und Gesamtheit darstellen. Dies 448 Weinberg. ist allgemein der Fall, wenn alle Bastarde streng intermediär sind. Wenn dies der Fall 3 : : , 1/tf+G ist, wird der Durchschnittswert der Geschwister aber auch C = = — bie d. h. bei allgemein streng intermediärem Bestande haben Eltern, Kinder und Ge- schwister dieselbe Korrelation vom Werte 1,. Sowohl die Durchschnittsmaße wie die Korrelationen können also darüber Aufschluß geben, ob die Bastarde streng intermediär sind oder eine Praevalenz gewisser Merkmale besteht. Es ist ferner möglich, auf diese Weise festzustellen, ob absolute Praevalenz vorliegt und in welcher Richtung der dominierende oder rezessive Charakter zu suchen ist. Stellt nämlich T, das Maß eines beliebigen (reinen oder Bastard-) Typus, n, dessen relative Häufigkeit in Generation G, Px, F,,T, das Maß seiner Eltern, Kinder, Geschwister, G das der Generation dar, und liegen die Maße aller Typen zwischen T, und T,, so ist stets Ss Ss Ss Ss Sa, T. P, =>. TR S1/2{S my Te? + G2 oder S 5 n, T,C, 1 1 1 1 je nachdem das größere und geringere Maß einer Eigenschaft dominiert, bei genau intermediären Bastarden besteht Gleichheit beider Werte. Dies gilt auch bei polyhybriden Eigenschaften, wenn die Richtung die Praevalenz sich in jeder Merkmalsreihe im gleichen Sinne bewegt, Ebenso läßt sich die Richtung der Praevalenz auch bei Vorhandensein eines modifizierenden Einflusses der äußeren Umstände bestimmen, da s Ss die Werte Sax T, P, und >n, T,? sich indirekt bestimmen lassen. 1 1 Hingegen ist es nicht möglich, mit Hilfe der Durchschnittsmaße auch festzustellen, ob absolute oder nur relative Praevalenz vorliegt. Pearson hat allerdings für einen Spezialfall bei absoluter Dominanz eines Merkmals über das andere stets die elterliche Korrelation = 1/, gefunden, und zwar auch bei Polyhybridismus, wenn die verschiedenen allelomorphen Reihen dieselbe Be- deutung haben und nur aus zwei Merkmalen bestehen. Er glaubte damit die all- gemeine Bedeutung der alternativen Vererbung widerlegen zu können, da er selbst elterliche Korrelationen fand, welche etwa 0,5 betragen. YurE hat nun gezeigt, daß man unter denselben Voraussetzungen, die PEArson annahm, bei intermediärer Ver- erbung eine Korrelation = 1/, findet und hielt die Werte zwischen 0,5 und 1/3 für charakteristisch für den Grad der Praevalenz. Wenn man aber auch bei der An- nahme von nur zwei Merkmalen stehen bleibt und dem rezessiven Merkmal, statt wie Pearson die relative Häufigkeit %, allgemein die Häufigkeit m zuschreibt, so erhält man auch als elterliche Korrelation bei absoluter Dominenz des einen Merkmals einen Wert m = 5 B , der zwischen o und % schwankt, je nachdem m zwischen o und I m variiert. Man erhält also für einen und denselben Grad der Praevalenz die verschiedensten Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 449 Korrelationswerte und dies trifft erst recht zu, wenn die Zahl der allelomorphen Merk- male einer Reihe mehr als zwei beträgt und den verschiedenen Anlagenpaaren, welche einen polyhybriden Typus darstellen, entsprechend der biologischen Tatsachen ein verschiedener numerischer Wert zukommt. Aus der Tatsache, daß PEArRSon mehrfach die elterliche Korrelation = 1% fand, kann aber ein Schluß auf das Bestehen intermediärer Bastarde, wie ihn YuLE nahe- legt, schon deshalb nicht gezogen werden, weil die von PEARson gefundenen Werte nicht das Produkt reiner Panmixie darstellen, sondern von einer nicht unbeträcht- lichen Auslese bei der Wahl der Ehegatten beeinflußt sind. Es geht aus diesen Ausführungen wohl auch deutlich hervor, daß mit der Berechnung von Korrelationen nicht mehr erreicht wird wie mit dem direkten Vergleich der Durchschnittsmaße und daß daher die Korrelationen teilweise einen ziemlich unnötigen Ballast der Biometrik darstellen. Die geometrische Reihe, welche die Korrelationen darstellen, ent- spricht nun allerdings dem GaLtonschen Gesetz von Ahnenerbe, sie ist aber nur ein anderer Ausdruck dafür, daß die Ahnen und Nach- kommen eines Typus mit zunehmender Entfernung der Verwandtschaft sich immer mehr dem Maß der Gesamtheit nähern, was sich bereits aus den Formeln der Durchschnittsmaße ergibt. Charakteristisch für alternative Vererbung ohne komplizierten Polyhybridismus sind also Ahnenkorrelationen, die eine geometrische Reihe nach Potenzen von % darstellen. Die Frage, wie sich bei einem Mittelding zwischen alternierender Vererbung und einfacher Vermischung die Reihe der Ahnenkorrelationen gestaltet, bedarf noch weiterer Unter- suchung. Das Gesetz vom Ahnenerbe steht also in keinem Widerspruch mit der alternativen Vererbung, sondern ist eine direkte Folge derselben. Der Streit der Biometriker und Mendelianer über diese Frage ist auch angesichts der Tatsache, daß schon GALTON sein Gesetz mit der Lehre von den latenten Elementen begründete, völlig gegenstandslos. Da Monohybridismus und einfacher Polyhybridismus dieselben Beziehungen zwischen den verschiedenen Verwandtschaftsgraden auf- weisen, so ist eine Unterscheidung beider oder gar eine Bestimmung der Zahl der einen Typus bestimmenden Anlagenpaare auf Grund von Durchschnittsmaßen nicht unmöglich. Hingegen kann es unter Umständen möglich werden, aus den Störungen der einfachen Beziehungen der verschiedenen Verwandt» schaftsgrade zueinander auf das Bestehen eines komplizierten Polyhv- bridismus zu schließen. 450 Weinberg. Kennt man Zahl und Verteilung der Typen in einer Generation, so läßt sich bei vollständiger Praevalenz aus der Zusammensetzung der Verwandtschaft einen Schluß ziehen, wo der dominierende Charakter zu suchen ist. Stets müssen unter den Eltern und Kindern eines beliebigen Typus gleich oder stärker dominierende Typen zu mehr als der Hälfte vertreten sein. Bezeichnet D die mit einem beliebigen Typus T,m gleich stark oder stärker dominierenden, R die stärker rezessiveren Typen, so sind yo 8 2 2 Häufigkeit aller stärker rezessiven Typen bezeichnet, ebenso die Ge- | schwistern von Tnm = ah D+ En P R, beide Werte werden P R, wenn p die relative die Eltern von Tmn bei relativ großer Seltenheit der D-Typen, wobei p nahezu = I wird, annähernd =%D+SR. Stellt hingegen R die Summe aller mit T,. gleich oder stärker rezessiven, D hingegen die stärker dominierenden Typen dar und ist die Häufigkeit der ersteren Gruppe wieder = p, so sind die Eltern vonsie = Vp R+ı-yp D Go), Go G+Ve), 4 4 bei unendlich groBer Seltenheit der rezessiven Gruppe werden die Eltern = oR+1ıD, d. h. R unendlich selten, die Geschwister = %4R + 34D. Bei der Verwandtschaft von Trägern seltener Eigenschaften ge- langt man also zu den einfachen Zahlenverhältnissen des MENDELschen Experimentes, wie sie BATESON bei Albinismus usw. nachwies und es ist dann verhältnismäßig leicht, den rezessiven oder dominierenden Charakter zu bestimmen. Handelt es sich hingegen um nicht extrem seltene Eigenschaften, wie etwa die Anlage zu Tuberkulose und Geistes- krankheit, so darf man die klassischen Zahlen MENDELS nicht erwarten, auch wenn alternative Vererbung tatsächlich vorliegt. Dies ist gegen- über den Versuchen von HERON und PEARSoN, die Annahme einer alternativer Vererbung bei Geisteskrankheiten und Tuberkulose durch den Nachweis eines Mangels der klassischen MENDELschen Verhältnis- zahlen ad absurdum zu führen, mit allem Nachdrucke hervorzuheben. die Geschwister = Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. A451 C. Vergleich der Wirkung vermischender und alternativer Vererbung. Aus der Untersuchung der Wirkung vermischender und alter- nativer Vererbung ergibt sich allgemein ein erheblicher Unterschied. Wahrend bei vermischender Vererbung im allgemeinen die Durch- schnittsmaße nur bei Verwandtschaftsgraden gleich sind, die von den- selben Eltern stammen, also einer Generation angehören, liegen die in bezug auf Zusammensetzung und Durchschnittsmaß identischen Ver- wandtschaftsgrade durchweg in genealogisch verschiedenen Generationen, und zwar zeigen jeweils diejenigen Verwandtschaftsgrade dieselben Maße, welche zu einer durch die Zeitgenossen des Individuums, also Geschwister, Vettern I. 2. usw. Grades gezogenen Linie symmetrisch liegen. Dies wird durch die Diagramme 1. und 2. veranschaulicht, in welchen die verschiedenen Verwandtschaftsgrade, soweit sie identische Maße aufweisen, durch verstärkte kontinuierliche Linien verbunden sind, T bedeutet dabei das Ausgangsindividuum, P,, P, und P, dessen Vor- fahren, F,, F,, F, die Nachkommen 1. bis 3. Grades, C,, Ca, C3 die Ge- schwister und Vettern, C,F,, C,F., C.F,, C.F, deren Kinder und Enkel, P,C,, PoC, die Kollateralen der Eltern, P;C,, PzC, die Kollateralen der Großeltern. : Die Verbindungslinien der Verwandtschaftsgrade mit identischer Zusammensetzung und identischen DurchschnittsmaBen verlaufen also bei vermischender Vererbung im allgemeinen parallel zur genealogischen Symmetrielinie TC,C,C3, bei alternativer Vererbung aber in Ordinaten auf dieselbe. Sind nun die Bastarde streng intermediar, so ergibt sich bei einfacher Vermischung eine große Reihe weiterer absoluter Ähnlichkeiten, während bei alternativer Vererbung nur die Geschwister den Eltern und Kindern ähnlich werden. Dies ist durch Diagramm 3 und 4 versinnbildlicht, wobei alle Verwandtschaftsgrade identische Maße aufweisen, welche durch ein und denselben verstärkten Linienzug direkt oder indirekt ver- bunden sind. Hier erscheint die Wirkung der Vermischung erst recht asymmetrisch, die der alternativen Vererbung bleibt symmetrisch. Von besonderer Bedeutung ist, daß bei einfacher Vermischung niemals eine Identität zwischen Eltern und Kindern bestimmter In- dividuen oder zwischen deren Elterngeschwistern und Geschwister- kindern eintreten kann, während sie bei rein alternativer Vererbung vorhanden ist. Hierin liegt eine Möglichkeit der Untersuchung der Frage, inwieweit der alternierenden Vererbung bestimmter Eigen- schaft ein Anflug von Vermischung anhaftet. 452 Weinberg. Wirkung der vermischenden alternativen Vererbung Diagramm I a) überhaupt Diagramm II | Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 453 Von Wichtigkeit für die Ermittlung von Vererbungsgesetzen erscheint nach allem nicht das Maß der einzelnen Korrelationen, sondern der Vergleich der Maße verschiedener Verwandtschaftsgrade. Wie nun bereits eingangs erwähnt, ist die Spaltung der Merkmale meist keine vollkommene, sondern es findet stets ein wenn auch geringer Grad von Vermischung statt. Dies muß dazu führen, daß bei den einzelnen Eigenschaften die genealogische Verteilung der Individuen und die Durchschnittsmaße eine Mischung der Wirkung beider Vererbungs- prinzipien darstellen. Man kann daher keine absolute Identität be- stimmter Verwandschaftsgrade in bezug auf Zusammensetzung und Maß erwarten, sondern nur eine näherungsweise, wenn die Beimischung des einen Vererbungsprinzips zum andern nur in geringen Dosen erfolgt. Man kann daher nur den Nachweis der Vorherrschaft bestimmter Vererbungsprinzipien erwarten und darf sich nicht wundern, wenn der Nachweis eines bestimmten Prinzips auf Schwierigkeiten stößt, die mit dem Zufall nichts zu tun haben. 4. Der Einfluß der äußeren Umstände auf die Wirkung von Ver- erbungsgesetzen. Während bis jetzt die Wirkung verschiedener Vererbungsprinzipien ohne Rücksicht auf die Möglichkeit einer Modifikation der Typen durch äußere Umstände behandelt wurde, erhebt sich nunmehr die Frage, ob und inwieweit die charakteristischen Wirkungen verschiedener Vererbungsprinzipien durch den Einfluß äußerer Umstände verschleiert 17% We 15: Im. werden können. Infolge dieses Einflusses können die Angehörigen eines und desselben Typus verschieden starke Abweichungen von dem nor- malen Maß dieses Typus aufweisen. Denkt man sich die Abweichungen verschiedener Typen durch eine Anzahl nebeneinander stehender Fehlerkurven veranschaulicht (Fig. 5), deren Gipfelpunkte jeweils 454 Weinberg. eine dem normalen Maße jedes Typus T,, Tz, Tz, T, entsprechende Abscisse haben, so würden diese Fehlerkurven übereinander greifen und man muß damit rechnen, daß eine Gruppe von Individuen mit ein und demselben beobachteten Maß sich aus Angehörigen ver- schiedener Typen zusammensetzt, welche verschieden starke Modifi- kationen ihrer erblichen Anlage darstellen. Es fragt sich nun, ob die Untersuchung der Verwandtschaft solcher Gemische verschiedener Typen die charakteristischen Erscheinungen der Vererbungsprinzipien ebenso ergibt wie die Untersuchung bestimmter einzelner Typen. Diese Frage ist zu bejahen. Für die Beschaffenheit der Verwandt- schaft eines einzelnen Individuums kommt nicht das Maß seiner fälligen Modifikation, sondern lediglich seine erbliche Anlage in Be- tracht, verschieden starke Modifikationen desselben Typus müssen daher, sofern nur das statistische Material ausreichend groß ist, dieselbe Be- schaffenheit ihrer Verwandtschaft aufweisen. Die im vorigen Kapitel geschilderten charakteristischen Unterschiede zwischen der einfachen Vermischung und alternativen Vererbung bleiben also für verschiedene Modifikationen eines Typus bestehen und auch eine Summation von ver- schiedenen Individuen, die verschiedene Typen angehören, kann diese Unterschiede nicht verwischen. Liegt also einfache Vermischung vor, und ist das Maß sowohl der Eltern wie der Elterngeschwister eines Typus T, =E}, das der ent- sprechenden Verwandten eines Typus T, =E, usw., so würde eine aus x Angehörigen des Typus T, und y Angehörigen des Typus Ts bestehende Gruppe als Eltern xE, +yE;, als Elterngeschwister ebenfalls xE, +yE, ergeben, die charakteristischen Beziehungen zwischen Eltern und Elterngeschwistern bei einfacher Voraussetzung werden also durch Zusammenfassung der verschiedenen Typen nicht gestört. Sind ebenso bei alternierender Vererbung Eltern und Kinder eines Typus Tn, Pn = Fn, eines Typus T, P, =F,, so haben x-Individuen von Typus T,, und y-Individuen von Typus T, zusammen als Eltern xP„ + y P, und als Kinder xF,, +yF, und es ergibt sich ohne weiteres, daß & Port vem =XE, 4 yE, sein muß, wenn P,, =F, und P, =F.. Man erhält also dieselben Beziehungen zwischen den Durchschnitts- maßen verschiedener Verwandtschaftsgrade, gleichgültig, ob ein Ein- fluß äußerer Umstände vorliegt oder nicht, und gleichgültig, ob Individuen eines und desselben Maßes einem oder mehreren Typen angehören. Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 455 Alteriert werden jedoch die Korrelationen. Stellt nämlich das Durchschnittsmaß der in einer Gruppe von gleichem Maße M vereinigten Modifikationen von verschiedenen Typen den Wert T, also M—T die durchschnittliche Abweichung der Individuen, P das Durchschnitts- maß eines beliebigen Verwandtschaftsgrades, G das Maß der Generation dar, so erhält man als Abweichung des Maßes M: M—G Abweichung der Verwandten: P—G und = stellt die Korrelation aller In- dividuen des gleichen beobachteten Maßes M dar und da dieser Aus- druck den Wert M enthält, so werden die Korrelationen abhängig von dem Werte der durchschnittlichen Abweichung der Individuen gleichen Maßes von ihrer erblichen Norm, während die Durchschnitts- maße der Verwandtschaft nicht davon abhängig werden. Sind nun z. B. bei alternativer Vererbung und allgemein inter- mediären Bastarden die Eltern und Kindern der Individuen vom Maße M T+G = Br so erhält man als Korrelation den Wert 2 2 = —— M—G LG nach Umformung = 5 REE und diese Korrelation ist, da M von T verschieden, nicht = %, wie es die reine Theorie der alternativen Vererbung erfordern würde. Ebenso ergibt sich auch für die Geschwister bei alternierender Vererbung und intermediären Bastarden das Maß C, = P, = G und somit die Korrelation der Geschwister ebenfalls = — - ior 2 M—G a tat nap ee ; : ı P-G Ebenso wird die Korrelation der rten Ahnen allgemein = za MOG und bei allgemein intermediären Bastarden somit nicht, wie der Theorie entspräche = a Es stellen aber auch unter der Wirkung der äußeren Umstände die Korrelationen der Ahnen eine -geometrische Reihe dar. Die Beziehungen zwischen den Korrelationen verschiedener Ver- wandtschaftsgrade werden also ebenso wenig verändert wie die Durch- schnittsmaße der Verwandtschaft selbst, wohl aber wird der absolute Wert der Korrelationen durch den Einfluß der äußeren Umstände alteriert, und hieraus geht ohne weiteres hervor, daß der absolute Wert 456 Weinberg. einer einzelnen Korrelation weder über das Vorhandensein eines be- stimmten Vererbungsprinzips, noch speziell bei alternativer Vererbung über den Grad der Praevalenz bestimmter Merkmale über andere entscheiden kann. Es spricht also der Umstand z. B., daß Gatton die Korrelation der Eltern wie die der Kinder in bezug auf die Körpergröße je = % fand, entschieden für Bestehen der alternativen Vererbung bei der Körpergröße, es läßt sich hingegen aus der starken Abweichung dieses Mittels vom Wert 1, nicht der Schluß ziehen, daß etwa große Typen der Körpergröße über kleine völlig dominieren, und ebenso- wenig spricht die Tatsache, daß PEARSON später die Korrelation = % fand, für intermediäre Bastarde bei der Körpergröße. Wohl aber scheint der Unterschied zwischen der Korrelation der Eltern und Geschwister, den GALTON und PEARSON fand, zunächst dafür zu sprechen, daß tatsächlich ein Dominieren bestimmter Anlagen der Körpergröße stattfindet. Die Modifikation der erblichen Anlagen durch die äußeren Um- stände ist also nicht ohne weiteres imstande, die Wirkung bestimmter Vererbungsprinzipien zu verschleiern. Es ergibt sich nun weiterhin die Möglichkeit, aus dem Vergleich der Beschaffenheit der Eltern und Kinder einerseits, der Geschwister andrerseits den wahren Durchschnittstypus der in einem Maße ver- einigten Individuen und damit den Grad ihrer Abweichung fest- zustellen. _ Es sind nämlich bei alternativer Vererbung die Geschwister C,=4(T+G+2P,), und somit ist T =4 C,—2 P,—G und da M,P,.C, und G bekannte Größen sind, so gibt sich diese durchschnittliche Abweichung der Individuen vom Maße M vom Durchschnittstypus T =M—4 C, +G +2 Pj. Mit der Möglichkeit des MaBes von T bei jeder einzelnen beob- achteten Modifikation M ist nun die weitere Möglichkeit gegeben, festzustellen, inwieweit die Variabilität einer Eigenschaft durch den Einfluß der äußeren Umstände erhöht wird. Hierin liegt also auch ein Mittel zur indirekten Feststellung der direkt nicht ermittelbaren erblichen Variabilität einer Eigenschaft. Dieser Gegenstand ist im zweiten Teil meiner Arbeit eingehend behandelt. Das Hauptergebnis ist folgendes: Stellt C, die Geschwister, P, die Eltern (oder Kinder) einer Modifikation M, dar, deren relative Häufigkeit = m, sei, und T, einen Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 457 erblichen Einzeltypus von der Häufigkeit n., so ist die direkt beob- achtete Gesamtvariabilität der Modifikationen M, bis M, ve Re us)-=. rede Vi 4 Sm, M, C, + 2 > my M, P, — 2 G2 I a a und ihr auf der Wirkung äußerer Umstände beruhende Anteil et 7, VI. M, (6, Ne) 2) 2 ot 0 wobei V2 = E2 + Z?. © Die in diesen Formeln vorkommenden Werte lassen sich alle (mit i Ausnahme ve T,2 direkt beobachten. I Der Vergleich von E und Z läßt erkennen, welcher Faktor die beobachtete Variabilität der Modifikationen stärker beeinflußt, der endogene (erbliche) oder der exogene, auf der Wirkung äußerer Um- stände beruhende. Bei vermischender Vererbung erhält man noch einfachere Formeln, hier ist T,= C, und hieraus ergibt sich I t E-|/ > m, M, Cy —G? oO t 1 Z-\/ > mM, (,—c) oO Wo auch eine Erbschaft der äußeren Umstände stattfindet, wie bei sozialen Eigenschaften, ergibt die Formel für E ein Maximum, die für Z ein Minimum. Bei kompliziertem Polybybridismus treffen die Formeln für E und Z nicht genau zu, es läßt sich jedoch das Maximum ihres Fehlers bestimmen. 458 Weinberg. Die Richtung der Praevalenz läßt sich auch trotz des Einflusses der äußeren Umstände bestimmen. Es ist nämlich bei einfacher Vermischung t t gleichzeitig my WE 1s = yn, M, C, und oO oO t i Im, M, Fy 5/2 > m, M, Cy + 4/26? {0} oO hingegen bei alternativer Vererbung _ t t t MEZ >m,M, Py und m, M, F, = Sm, M, Cy o Oo Oo je nachdem das größere Maß dem kleineren gegenüber dominiert, gleichwertig oder rezessiv ist. 5. Fehlerquellen. Während der Einfluß der äußeren Umstände von verhältnismäßig untergeordneter Bedeutung ist, können eine Reihe von nicht zufälligen Faktoren die einfachen Wirkungen bestimmter Vererbungsprinzipien erheblich stören. Hierher gehören einmal zeitliche Veränderungen in der Beschaffen- heit der Generationen, die namentlich die Identität von Ahnen und Nachkommen bei alternativer Vererbung stören können. Das Vor- handensein solcher Störungen ist leicht festzustellen. Weiterhin ist es ein Unterschied, ob sich die Panmixie auf die Gesamtheit aller Geborenen oder lediglich auf die überhaupt zur Zeugung gelangenden Erwachsenen bezieht. Ferner kommt eine Reihe von Erscheinungen in bestimmten Altersklassen häufiger vor als in anderen, in solchen Fällen kann der Vergleich der Eltern mit den Kindern bestimmter Typen keine identische Zahlen ergeben. Hier wird sich die Untersuchung auf solche Verwandtschaftsgrade erstrecken müssen, welche Individuen aller Altersklassen umfassen, wie z. B. Elterngeschwister und Geschwisterkinder, oder sie muß auf ein bestimmtes Alter beschränkt werden. Endlich können Unterschiede in der Geburtanzahl oder in der Lebensfähigkeit der Nachkommen verschiedener Typen, ebenso auch Unterschiede in der Häufigkeit der Wanderungen erhebliche Störungen verursachen. Eine exakte Untersuchung der Vererbung beim Menschen wird nachweisen müssen, daß diese Einflüsse keine erhebliche Rolle spielen, oder die Größe der Wirkung solcher Einflüsse berechnen müssen. Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. 459 Zusammenfassung der Ergebnisse. Es hat sich ergeben, daß Panmixie zu charakteristischen Ergeb- nissen bezüglich der Wirkung bestimmter Vererbungsprinzipien führt, und zwar sowohl bezüglich der Zusammensetzung ganzer Generationen, wie der Zusammensetzung, Durchschnittsmaße und Korrelationen der Verwandtschaft bestimmter Typen und Gruppen. Für die Feststellung des wesentlich wirksamen Prinzips sind Beziehungen zwischen ver- schiedenen Verwandtschaftsgraden charakteristisch. Für die alternative Vererbung ist die identische Beschaffenheit der Verwandtschaftsgrade gleichen Abstands in Deszendenz und Aszendenz charakteristisch, für intermediäre Bastarde bei alternativer Vererbung eine Identität der Durchschnittsmaße von Eltern, Kindern und Geschwistern. Ab- weichungen der Durchschnittsmaße der Eltern und Kinder einerseits von denen der Geschwister andrerseits weisen auf Bestehen eines Praevalenz- verhältnisses hin. Die Untersuchung der Geschwister ist also von wesentlicher Bedeutung. Jedoch kann der dominierende Charakter nur durch Untersuchung der relativen Häufigkeit und Wiederkehr be-. stimmter Formen in ihrer eigenen Verwandtschaft bestimmt werden. Zwischen Monohybridismus und einfachem Polyhybridismus ergibt die Untersuchung von Durchschnittsmaßen allein keinerlei Kriterium, wohl aber für komplizierten Polyhybridismus. Der Berechnung der Korrelationen kommt keine besondere Be- deutung zu, insbesondere ist keine bestimmte Ziffer der Korrelationen für irgend einen Grad der Praevalenz charakteristisch. Der modifizierende Einfluß der äußeren Umstände allein kann die charakteristische Wirkung bestimmter Vererbungsprinzipien nicht verschleiern. Dies ist vielmehr nur der Fall, wenn auch eine Erbschaft der äußeren Lebensbedingungen stattfindet. Dies ist namentlich für soziale Erscheinungen wie die Tuberkulose von Bedeutung. Der Anteil erblicher und äußerer Faktoren an der Variabilität der beobachteten Modifikationen ist meßbar. Andere Fehlerquellen sind auszuschließen oder auf ihre Wirkung zu prüfen. Die Beziehungen zwischen den Durchschnittsmaßen der Eltern, Kinder und Geschwister ermöglichen bei einfachem Polyhybridismus und Monohybridismus die Feststellung des Einflusses der äußeren Umstände auf die Variabilität einer Eigenschaft und die Bestimmung ihrer erblichen Variabilität. Damit ist die Hauptfrage, welche die Untersuchung sich gestellt hat, in bejahendem Sinne zu beantworten. Es ist möglich, mit Hilfe Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. I. 30 460 Weinberg, Uber Vererbungsgesetze beim Menschen. statistischer Untersuchung auch beim Menschen das Bestehen bestimmter Vererbungsprinzipien festzustellen, sofern sich die Untersuchung auf eine genügende Anzahl von Generationen und Verwandtschaftsgraden erstreckt. Es darf aber von der Untersuchung rein meristischer Eigen- schaften nicht mehr erwartet werden, als die Feststellung des Ver- erbungsprinzips im allgemeinen und die Feststellung eines Bestehens und der Richtung eines Praevalenzverhältnisses. Hingegen läßt sich im allgemeinen ohne weitere Voraussetzungen weder der Grad eines bestehenden Praevalenzverhältnisses, noch die Zahl der in Betracht kommenden Typen und Merkmalsreihen auf Grund von Durchschnitts- werten allein feststellen, zu ersterem ist vielmehr die ungefähre Kenntnis der Verteilung der Typen nötig. Im ganzen sind also den Erfolgen der statistischen Forschung beim Menschen engere Grenzen gezogen als denen der experimentellen Biologie. Die Beschaffung des Materials für den Nachweis von Vererbungsgesetzen beim Menschen wird wesentlich Sache der Zukunft sein, da es bis jetzt fast nirgends möglich ist, ganze Generationen und namentlich mehrere Gene- rationen zu untersuchen. Im Übrigen sei auf eine in kurzer Zeit erscheinende Arbeit über die alternative Vererbung bei den Mehrlingsgeburten des Menschen verwiesen. (Archiv für Rassen und Gesellschaft Biologie 1909.) Eine wesentliche Förderung kann jedoch auch die statistische Erforschung der Vererbung beim Menschen erfahren, wenn es ermög- licht wird, bestimmte Eigenschaften und Anlagen in ihre Faktoren zu zerlegen und diese durch bestimmte leicht erfaßbare Stigmata zu charakterisieren. Immerhin lehren bereits die bisherigen statistischen Untersuchun- gen, daß der alternativen Vererbung beim Menschen eine weitgehende Bedeutung zukommt, und dieser Erfolg darf zu weiterer Inangriffnahme des schwierigen Gebietes veranlassen. Notwendig ist dazu vor allem aber eine exakte Fragestellung. Kleinere Mitteilungen. Vererbungs- und variationstheoretische Einzelfragen. I. Uber Trans- versienen (Überschläge). Unter den zahlreichen teratologischen Vorkomm- nissen, auf welche ich im Radiolarien-Material der „Valdivia‘“ gestoßen bin, scheinen mir diejenigen Fälle von besonderem Interesse zu sein, welche in augenscheinlicher Weise ein partielles, aberratives Über- greifenoder Überspringeneiner Speziesaufdienor- malen Formverhältnisse und Merkmalskomplexe eines benachbarten, aber in der Gegenwart scharf abgegrenzten Verwandtschaftskreises erkennen lassen. Ein besonders typisches Beispiel lieferte mir eine Aulosphäridenschale, welche, offenbar ohne die Grenzen der Lebensfähigkeit zu überschreiten, an verschiedenen, mehr oder weniger lokalisierten Körperstellen charakteristische Skelettmerkmale von nicht weniger als drei anderen, wohl unter- schiedenen Familien aufweist. Während nämlich das Aulosphäriden- skelett normalerweise aus lauter einzelnen, gallertgefüllten und von einem axialen Faden durchzogenen Kieselröhren besteht, welche in regelmäßiger Weise, meist zu sechsen, in den Knotenpunkten der Gitterschale gegen- einander gestemmt sind (Textfigur, bei a), zeigen in unserem Falle einzelne Knotenpunkte mit ihren „zusammengeflossenen‘‘ Tangentialbalken den Charakter der Castanellidenschale (b), bei anderen erscheint durch Zusammenfließen der Balken und gleichzeitig durch „sekundäre“ Verkieselung des Balkeninnern der Typus des Sagosphäriden- skelettes hergestellt (c), und endlich weisen einzelne Skelettbalken die gekammerte Beschaffenheit dr Medusettidenstacheln auf (d). Wie hier/nur ganz kurz angedeutet werden soll, hängen diese Verschieden- heiten, ontogenetisch betrachtet, hauptsächlich davon ab, in welcher Form die als Ausgangspunkt für die Skelettbildung dienenden Collen- chymtropfen abgeschieden werden und in welchem Umfang sie vor Eintritt der primären Verkieselung zusammenfließen, und ferner davon, ob das Innere der Röhren gallertig bleibt oder auf Grund eines fortschreitenden (sekun- dären) Verkieselungsprozesses sich zu einer porösen Füll- masse umwandelt!), sie beruhen also im wesentlichen auf leichten, zum Teil 1) Genaueres findet sich in den „Tiefsee-Radiolarien‘. Wiss. Ergebn. d. Deutsch. Tiefsee-Exped., Bd. XIV, 1908. Syst. T., S. 461; Allg. T., S. 599, 615, 619, 664. 30* 462 Haecker. durch physikalische Verhältnisse (Oberflächenspannungsänderungen u. a.) bedingten, zum Teil rein quantitativen Modifikationen der bei der Skelett- bildung beteiligten Elementarprozesse. Es brauchen diesen Aberrationen daher keineswegs bedeutende Abänderungen in der Konstitution derformbildenden Sarkode selber zugrunde zu liegen, und zwar ist dies um so weniger anzunehmen, als ja alle diese verschiedenen Abweichungen nebeneinander innerhalb derselben Zelle zutage treten. Vor allem scheint mir aber der Umstand wichtig zu sein, daß diese Aberrationen nicht als Entwicklungshemmungen (retrogressive Mutationen) und Rückschläge gedeutet werden können — speziell der Über- INS \ a d gang zum Castanelliden- und Sagosphäridentypus bedeutet eher eine pro- gressive Abänderung — und daß sie noch weniger auf Kreuzungen beruhen dürften, vielmehr handelt es sich offenbar um eine besondere Kategorie von Abänderungen. Ich möchte für derartige partielle, mehr oder weniger lokalisierte, auf die Merkmale anderer Formenkreise übergreifende Aber- rationen, welche nicht ohne weiteres als Entwicklungshemmungen, Atavismen oder Kreuzungsprodukte gedeutet werden können, die Bezeichnung Trans- versionen oder Überschlägel) in Vorschlag bringen. Speziell für die Transversionen der Radiolarien gilt nach dem obigen, daß sie auf einem sprunghaften (diskontinuierlichen) oder verschieden weitgehenden Ablauf eines einzelnen, elementaren Formbildungsprozesses beruhen. 1) Nicht zu verwechseln sind damit die transgressiven Variationen. Man spricht von einer transgressiven Variabilität, wenn die Variationskurven zweier Arten gegenseitig ihre Grenze überschreiten. Vgl. H. de Vries, Die Mutationstheorie. I. Bd., Lpz. 1901. S. 41, 308. Klemere Mitteilungen. 463 Aberrationen ähnlicher Art kommen nun offenbar auch bei anderen Organismengruppen vor, wie ich an der Hand zweier Beispiele zeigen möchte. Bekanntlich sind die durch Temperatureinflüsse bewirkten Zeich - nungsaberrationen der Schmetterlinge!) von ver- schiedenen Seiten teils als Atavismen, teils als ontogenetische Entwicklungs- hemmungen aufgefaßt worden. Insbesondere hat Dixey?:) den Versuch gemacht, einen Teil der von Merrifield bei verschiedenen Vanessinen künstlich hervorgerufenen Abänderungen als phylogenetisch ältere Zu- stände zu deuten, und E. Fischer:) hat speziell die Hitze- und Frost- aberrationen von Vanessa urticae u. a. als Entwicklungshemmungen be- trachtet. Indessen sind, wie auch die auf diesem Gebiete tätigen Fachmänner anerkennen, alle diese Deutungen mit gewissen Schwierigkeiten verbunden. So gibt z. B. Dixey die Möglichkeit zu, daß gewisse scheinbar ,,ancestrale“ Charaktere, die bei veränderter Temperatur auftreten, z. B. die diffuse Aus- breitung bläulicher Schuppen, die Umwandlung der schwarzen Grundfarbe in braun, keine echten Rückschläge, sondern de novo-Bildungen*) seien, welche bei den Nachkommen durch die gleichen Ursachen hervorgerufen werden, wie bei den Vorfahren, und Standfuß) versucht den Nachweis zu führen, daß bei den Temperaturversuchen allerdings unvollständige Atavismen zum Vorschein kommen — unvollständig insofern, als nur die dem einen äußeren Faktor, der Temperatur, adäquaten Zeichnungs- elemente der Ahnenformen entstehen —, daß aber auf dem gleichen Wege auch progressive Abänderungen hervorgerufen werden können. Um mir hier ein eigenes Urteil bilden zu können, bin ich seit mehreren Jahren bemüht gewesen, mir ein ausreichendes Vergleichsmaterial zu be- schaffen®). An der Hand dieses Materials bin ich zu der Meinung gelangt, daß es vielleicht zweckmäßig ist, nicht bloß Dixeys de novo-Aberrationen 1) Eine ausführliche Zusammenstellung aller diesbezüglichen Versuche findet sich in dem verdienstvollen Werke von P. Bachmetjew, Experimentelle entomologische Studien. 2. Bd. Sophia 1907. 2) F. A. Dixey, Mr. Merrifield’s experiments in temperature-variation as bearing on theories of heredity. Trans. Ent. Soc. Lond. 1394. 3) Vgl. E. Fischer, Zur Physiologie der Aberrationen- und Varietäten-Bildung der Schmetterlinge. Arch. Rass. u. Ges. Biol., 4. Jahrg., 1907. 4) Analoge oder parallele Variationen bei Darwin, independent variations bei J. A. Thomson (Heredity. London 1908, S. 128). 5) M. Standfuß, Handbuch der paläarktischen Großschmetterlinge. Jena 1896, S. 283 ff. 6) Mehrere schöne Reihen von Frost- und Hitzeaberrationen habe ich von Herrn Lehrer Loeffler in Heidenheim a. B., eine Serie natürlicher Kälteaberrationen von der Firma Staudinger und Bang-Haas bezogen. Zu besonderem Dank bin ich Herrn Heinrich Fischer am hiesigen Naturalienkabinett verpflichtet, der mich, ab- gesehen von sonstiger wertvoller Beihilfe, mit einigen der in Betracht kommenden ausländischen Pyrameis-Arten bekannt gemacht hat. 464 Haecker. und einen Teil der von Standfuß angenommenen progressiven Varia- tionen, sondern auch die Mehrzahl der partiellen „Rückschläge“ und ,,Ent- wicklungshemmungen‘“ zunächst einfach als Transversionen oder Über- schläge in dem für die Radiolarien geltenden Sinne zu bezeichnen. Denn was tatsächlich zur Beobachtung gelangt, ist doch nur die Erscheinung, daß unter abnormen Bedingungen eine Spezies in einzelnen Teilen sozusagen Anlehen bei anderen Spezies macht, und die nächstgelegene Deutung ist wohl die, daß unter der Wirkung eines einzelnen ab- normen Reizes von der Gesamtheit der im Art- oder Gattungsplasma steckenden Potenzen bald diese, bald jene einen dem speziellen Reiz adäquaten Aus- druck findet. Als eine Trarsversion möchte ich es also z. B. be- zeichnen, wenn eine so hoch spezialisierte Form wie unser Admiral, Vanessa (Pyrameis) atalanta, bei Kalte- und Wärmewirkung die verschiedensten Anklänge an die in ganz anderer Richtung spezialisierte, dem Genus Junonia sich nähernde Vanessa (Pyrameis) virginiensis Drur. (huntera F.) zeigt, wie dies Dix ey näher ausgeführt hat!), in die gleiche Kategorie würde aber auch die bekannte Erscheinung fallen, daß Vanessa urticae, polychloros, 20 und c-album bei Frost- und Hitzewirkung gewisse gleichsinnige Abänderungen aufweisen, daß insbesondere die Randflecke II und III2) des Vorderflügels bei allen genannten Formen in gleicher Weise miteinander verschmelzen. Man könnte hier sagen, daß unter der Wirkung der abnormen Reize eine Potenz ihren Ausdruck findet, welche bei den in der Jetztzeit bestehenden Kombinationen äußerer und innerer Formbildungsfaktoren normalerweise nicht zustande kommt, d. h. bei keiner lebenden Form einen normalen Artcharakter darstellt. Als spezielle Fälle von Transversionen können unter Umständen Entwicklungshemmungen einfacher Art und echte Rückschläge zutage treten — ob es sich im einzelnen Fall um solche handelt, könnte allerdings nur in der vonStand- fuB angebahnten Weise mittels ausgedehnter, auf zahlreiche Merk- male sich erstreckender vergleichender und experimenteller Untersuchungen wahrscheinlich gemacht werden —, dagegen haben die Transversionen nichts direktes mit dem adaptiven Saisondimorphismus zu tun, bei welchem nach Weismann?) ‚ein normaler Wechsel zwischen zwei Keimesanlagen, von denen allerdings die eine ohne Zweifel die ältere ist‘, stattfindet. 1) Über die gegenseitigen Beziehungen und die Verbreitungsweise der Vanessinen vgl. auch Standfuß, l. c., S. 296 ff. 2) Nach Dixey’s Bezeichnung. Eine andere Terminologie haben Eimer und Fickert angewandt. 3) A, Weismann, Neue Versuche zum Saison-Dimorphismus der Schmetterlinge. Zool. Jahrb. (Syst Abt.), Bd. 8, 1895, S. 66. Kleinere Mitteilungen 465 Noch an einer dritten Gruppe von Organismen möge der Begriff der Transversionen und die Anlehen-Hypothese erörtert werden. In dem un- geheuren, theoretisch noch wenig verwerteten Material, welches in Nau- mann’s Naturgeschichte der Vögel Mitteleuropas niedergelegt ist, habe ich eine Menge von partiellen Aberrationen verzeichnet ge- funden, welche bestimmten, bei anderen Formen konstant auftretenden Artmerkmalen entsprechen und welche jedenfalls nicht ohne weiteres als Entwicklungshemmungen! einfacher Art!), als Rückschläge oder gar als Kreuzungswirkungen betrachtet werden können. So wurde der weiße Halsring, ein Artmerkmal z. B. des Rohrammers (Zmberiza schoe- niclus), des Ringelfasans (Phasianus torguatus) und der: Märzente (Anas boschas) bei acht2), der in der Gattung Zoxza fixierte Kreuzschnabel bei zehn einheimischen Vögeln als gelegentliche Aberration beobachtet; die bei vielen Singvögeln verbreitete lasurblaue Strukturfarbe wurde einmal beim gelbköpfigen”Goldhähnchen (Regulus regulus) an Stelle der schwarzen und gelben Pigmentfärbung der Kopffedern angetroffen; schwarz-weiße „Augenflecke‘, bei verschiedenen Perlhühnern (Vwmida) und Satyr- hühnern (7ragopan) als Artmerkmal auftretend und im Übergangskleid der sibirischen Drossel (Geocichla sibirica) angedeutet, treten beim Drossel- Uferläufer (Tringoides macularius) in aberrativer Weise an Stelle der be- kannten ‚„Drosselflecke‘“ usw. Ein hierher gehöriger Fall hat bereits in der vererbungsgeschichtlichen Literatur Aufnahme gefunden, nämlich das Auf- treten von Schwimmhäuten bei Tauben®). Allerdings könnte man versucht sein, hier an einen Rückschlag zu denken, da von einigen Forschern verwandtschaftliche Beziehungen der Tauben zu verschiedenen Wasservögeln (Zimicolae nach Gadow, Charadrü nach Fürbringer) angenommen werden, indessen dürfte es bei der Unsicherheit und Weitläufigkeit dieser. Zusammenhänge vorläufig doch mehr angebracht sein, diese Aberrationen zu den Transversionen zu rechnen. Auch im Pflanzenreich finden sich zahlreiche Beispiele von Transver- sionen in dem hier umschriebenen Sinne, worauf mir insbesondere manche Daten in Maxwell Masters Pflanzen-Teratologie*) und die Ergeb- nisse von Klebs experimentellen Blütenstudien®) hinzudeuten scheinen. Offenbar liegt also eine sehr weitverbreitete Erscheinung vor und es ist daher 1) Wie z. B. Albinismus, Leukismus, Schizochroismus (Entwicklung nur eines oder jedenfalls nicht aller normalen Figmente). 2) Singdrossel (Turdus musicus), Buchfink (Fringilla coelebs), Staar (Sturnus vulgaris), Rebhuhn (Perdrix perdrix), Edelfasan (Phasianus colchicus), Austernfischer (Haematopus os’rilegus), Krickente (Anas crecca) und Moorente (Fuligula nyroca). 3) R. Staples-Browne, Note on heredity in pigeons. Proc. Zool. Soc. Lond., 1905, Vol. II. 4) MaxwellT. Masters, Pflanzen-Teratologie. Übers. v. U. Dammer. Lpz. 1886. 5) G. Klebs, Über Variationen der Blüten. Jahrb. f. wiss. Bot., XX XXII. Bd., 1905 406 Haecker. selbstverständlich, daß manche hierher gehörigen Vorkommnisse auch schon in anderem Zusammenhange eine Besprechung gefunden haben. Insbe- sondere decken sich die Transversionen in dem hier vertretenen Sinne wenigstensteilweise mit Darwinsanalogen oder paral- lelen Variationen. Darwin!) versteht bekanntlich darunter die Erscheinung, daß gelegentlich in den verschiedenen Varietäten oder Rassen derselben Spezies oder seltener bei den Angehörigen weit voneinander ent- fernter Spezies ähnliche Charaktere auftreten können, und zwar sollen dabei zwei Hauptgruppen von Erscheinungen in Betracht kommen, einerseits solche Abänderungen, ‚welche. eine Folge der Einwirkung unbekannter Ursachen auf organische Wesen von nahezu derselben Konsti- tution sind, welche infolge hiervon in einer analogen Manier variieren“, andererseits um Rückschläge auf mehr oder weniger entfernte Vorfahren. Der Begriff der Transversion ist ein wesentlich engerer. Durch seine Auf- stellung soll ja eben zum Ausdruck gebracht werden, daß in verschiedenen Formenkreisen sehr wohl gleichartige Potenzen stecken und geweckt werden können, ohne daß sie bei etwaigen gemeinsamen Vorfahren jemals zum Vorschein gekommen sein müssen. Es sind also die Transversionen zunächst nur mit den zur ersten Hauptgruppe gehörigen de novo-Bildungen zu ver- gleichen, und zwar auch nur mit einem Teil derselben. Es kommen nämlich nicht in Betracht die generellen ,,erblichen Aberrationen, welche eine sehr weite oder nahezu allgemeine Verbreitung besitzen und demnach in „„Universalzuständen‘““ der lebenden Substanz begründet sein müssen, welche mehr oder weniger unabhängig von den spezifischen Strukturen sind‘), z. B. Albinismus und andere retrogressive Mutationen, vielmehr handelt es sich bei den Transversionen um partielle (auf einzelne Körperteile lokali- sierte), hoch spezialisierte Bildungen, welche bei einzelnen Formen als natür- liche oder künstliche Aberrationen, bei anderen als konstante spezifische Merkmale auftreten (z. B. die von Darwin erwähnten gurkenähnlichen Früchte einer Melonenrasse). OhnenatürlichscharfeGrenzen ziehen zu wollen, möchte ich das gegenseitige Verhältnis dieser ver- schiedenen Vorkommnisse in folgender Weise zum Ausdruck bringen: Generelle (universelle) Variationen (z. B. viele retrogressive Mutatio- nen) de novo-Bildungen (in- Analoge oder parallele) dependent variations, Variationen (Darwin)| Thomson) Transversionen echte Rückschläge oder Reversionen 1) Ch. Darwin, Das Variieren der Tiere und Fflanzen im Zustande der Domesti- kation. Übers. von J. V. Carus. Stuttg. 1868. lI. Bd., S. 459. 2) V. Haecker, Über die lebende Sutstanz. Jahresb. Ver. Vaterl. Naturk. Württ. 1908, S. 364; Über Axolotlkreuzungen, II. Mitt., Verh. Deutsch. Zool. Ges. 1908. Kleinere Mitteilungen. 467 In etwas anderem Zusammenhang als Darwin, und zwar speziell mit der Absicht, seine Lehre von dem mutativen Charakter vieler Mendel- Merkmale zu begründen, hat neuerdings Davenport!) darauf hin- gewiesen, daß die meisten der bei den Hühnern vorkommenden Rassen- charaktere bei wilden Vögeln als normale Artmerkmale vorkommen, so die befiederten Läufe und Zehen bei den Waldhühnern, die eigentümlich ge- bildeten Hauben beim Schirmvogel (Cephalopterus), der lange Schwanz des Tosa- oder Phönixhuhns bei der Paradieswitwe (Vidua). Auf die Theorie der Transversionen, insbesondere auf ihre Erblichkeits- verhältnisse und auf die Frage, wie die Transversionen vom Boden der Weismannschen Determinantenlehre oder der Plasmamolekül-Hypo- thesen aus zu deuten sind, soll hier nicht näher eingegangen werden. Nur soviel möchte ich ausdrücklich betonen, daß bei der Auslösung der im Art- oder Gattungsplasma steckenden und ungewöhnlicherweise als Trans- versionen zur Äußerung kommenden Potenzen nicht bloß äußere, sondern auch innere Faktoren in Betracht kommen können. Was für äußere Faktoren bei der Entfaltung latenter Potenzen eine Rolle spielen, geht aus den bekannten Erfahrungen bei den Vanessinen und bei Salamandra (Kammerer), sowie aus den Umwandlungsexperimenten von Klebs' hervor, dagegen können wir uns natürlich zurzeit von den beteiligten inneren Faktoren, von den Zuständen des Plasmas, welche die schlummernden An- lagen zum Treiben bringen, keine Vorstellung machen. Immerhin mag an die Kreuzungsversuche von Cuénot, Bateson, Tschermak und Castle2) erinnert werden, aus denen hervorzugehen scheint, daß bei der Entfaltung von bestimmten zusammengesetzten Charakteren außerden komponierenden Anlagen nochbesondereinnere Zu- stände (aktivierende oder arrangierende Agentien oder Faktoren) eine wichtige Rolle spielen. So kann z. B. beim Meerschweinchen die ,,Wild- farbe‘ nur dann durch Kreuzung aus ihren Bestandteilen komponiert werden, wenn, außer den Anlagen der Einzelfarben (Schwarz, Rot), ein be- Somderwer, die Pıgmentein bestimmtex Weise arvomne gierender Faktor, der „Aguti-Charakter‘, wenigstens von einer der beiden Stammformen mitgeführt wird. Noch viel komplizierter liegen jedenfalls die Verhältnisse, wenn es sich, wie bei den meisten Trans- versionen, nicht um Merkmale handelt, welche mehr oder weniger gleich- mäßig an allen Punkten der Körperoberfläche zutage treten und inner- halb größerer Organismengruppen eine allgemeinere Verbreitung zeigen, sondern um das andere Extrem, nämlich um mehr spezialisierte, auf einzelne Körperteile beschränkte, nur bei einer geringeren Zahl von Formen zur 1) C. B. Davenport, Inheritance in poultry. Publ. Carneg. Inst. Wash., Nr. 52, 1906, S 9. 2) Vgl. besonders W. E. Castle, The production and fixation of new breeds. Proc. Am. Breed. Assoc., V. 3, 1907. 468 Referate. Entfaltung kommende Charaktere. Eine der Vorbedingungen fiir die ge- nauere Kenntnis jener inneren Faktoren besteht zweifellos darin, daB auch bei höheren Organismen die Ontogenese der Variationen auch nur annähernd in dem Maße klargestellt werden kann, wie dies für die Trans- versionen der einzelligen Radiolarien versucht worden ist. Stuttgart, I. März Igog. V. Haecker. Die Herren Lambert und Thiery sind im Begriff unter dem Titel: „Essai de Nomenclature Raisonnée des Echinides* eine vollständige Zu- sammenstellung aller bisher bekannten lebenden und fossilen Echiniden herauszugeben. Diese. soll außer einer vollständigen Literaturangabe die systematische Aufzählung aller Gattungen und Arten umfassen. Das Werk wird in vier oder fünf Lieferungen zu je 80 Seiten erscheinen. Der Preis der Lieferung beträgt 4,50 Fr. Subskriptionen. nimmt der Herausgeber L. Ferriére in Chaumont. Place de l’Hötel-de-Ville entgegen. Steinmann. Referate. Tower, William Lawrence. An Investigation of Evolution in Chrysomelid Beetles of the Genus Leptinotarsa. — Carnegie Institution of Washington, Publication Nr. 48, Papers of the Station for Experimental Evolution Nr. 4, 320 Seiten, viele Tafeln, Abbildungen, Tabellen, Kurven. — 1906. Von den durch vorliegende, außerordentlich gründliche Arbeit neu ermittelten Tatsachen sollen hier nur diejenigen referiert werden, welche streng in den Rahmen dieser Zeitschrift einschlagen. In dieser Beziehung wären zunächst die Kreuzungsversuche zu erwähnen, zu denen Verf. zwei Arten, Zeptinotarsa decemiineata und multitaeniata verwendet. Der gewöhnliche Kolorado-Kartoffelkäfer (Z. decemlineata) bildet ge- legentlich die seltenen Aberrationen pallida, tortuosa, melanicum, rubrivittata und andere, mehr in einzelnen Stücken auftretende. Wo ein Pärchen der- selben Aberration gleichzeitig zusammmengebracht werden konnte, zog es rein weiter. Bei Kreuzung der Stammform mit irgend einer dieser Aberrationen erwies sich jene stets als dominant, indem die erste Nachkommengeneration durchweg ihren Charakter trug und dann eine Aufspaltung bei den weiteren Generationen in etwa 3/, typische und 1%, Exemplare der verwendeten Aberration eintrat, während die extrahierten Aberrativen untereinander stets rein weiterzogen. Eine Modifikation dieses Mendelschen Schemas wies die Aberration rubrivittata in sofern auf, als die erste Nachkommengeneration und die ihr gleichenden abgeleiteten Formen nicht völlige Dominanz der decemlineata zeigten, sondern auch Anklänge an rwdriittata erkennen ließen. Ebenso verhielt sich die Kreuzung der Stammform der zweiten Art, L. multitaeniata, mit der aberr. melanothorax. Anscheinend noch größere Komplikation bietet die Kreuzung von JZ. multitaeniata mit der aberr. Referate. 469 rubicunda: hier treten ebenfalls in der ersten Nachkommengeneration durch- wegs intermediäre Formen auf, die aber in der zweiten Generation in rubicunda (etwa Y,), Intermediärformen (etwa %) und typische mu/titaeniata (etwa das restliche Viertel) sich spalten. Dieser Feststellung der Vererbungsregeln schon in der Natur vor- handener Aberrationen stehen andere Versuche Towers gegenüber, in denen er durch Einwirkung: bestimmter äußerer Faktoren Ab- weichungen vom Typus erst in seinen Zuchten hervorrief und deren Ver- erbungspotenz auf die Nachkommenschaft priifte. Der Zeitpunkt, um welchen sich bei Zepinotarsa die Geschlechtsorgane entwickeln, ist für diese Versuche, über Vererbung erworbener Eigenschaften, insofern ein äußerst günstiger, als er ein Kriterium dafür abgibt, ob die Vererbung infolge direkter Mitbeeinflussung des Keimplasmas oder infolge Reizleitung vom Soma her stattgefunden hat. Die Resultate entscheiden sich für die erstere Eventualität: man kann mit Hilfe von äußeren Faktoren, von denen Verf. namentlich Temperatur-, Feuchtigkeits- und atmosphärische Druckextreme anwendet, mehrere derjenigen Aberrationen künstlich erzeugen, wie sie auch in der Natur vorkommen, aber nur so lange, als der Käfer noch nicht ausgefärbt erscheint; und während die in der Natur aufgefundenen Aberrationen rein weiterziehen, tun dies die durch das Experiment ge- wonnenen nach Versetzung in normale Bedingungen nicht mehr. Man kann andererseits, nach erfolgter Ausfärbung des Käfers, durch keinerlei äußere Faktoren mehr eine Aberration zuwege bringen; die von solchen, scheinbar resultatlos beeinflußten Exemplaren unter normalen Bedingungen gewonnenen und aufgezogenen Larven aber liefern nunmehr die betreffenden Aberrationen. Berücksichtigt man hierzu, daß die Geschlechtszellen bei Leptinotarsa erst nach vollendeter Ausfärbung reifen, also wenn das Soma seine Plastizitätbereits verlor, und daß sie vorher unbeeinflußbar erscheinen, so ergibt sich für diesen besonderen Fall von Vererbung ‚‚erworbener‘‘ Eigen- schaften, daß sie nicht somatogen, sondern durch analoge Veränderungen im Keimplasma zustandekamen. Genau das gleiche Resultat erhielt Verf. auch in einer anderen Versuchsreihe, wo nicht die Färbung und Zeichnung, sondern ein physiologischer Charakter, die Anzahl der in einem Jahre vollzogenen Generationen (und zwar in einer in der Natur überhaupt nicht vorkommenden Weise) verändert wurde. Es wäre sehr verlockend, noch manch andere von den in Problemen und Methoden, in Erfindung und Kombination schier unerschöpflichen Untersuchungen zu referieren, aber der Raum gebietet Halt. Doch sei eine allgemeine Kritik an den Schluß unserer Besprechung gestellt, die am besten J. Loebs Worten ‘folgt, der vor dem Bostoner Zoologenkongreß, wo Tower über seine Untersuchungen vortrug, in der Diskussion hierzu darauf hinwies, daß wir in Towers Werk, vorausgesetzt, daß die meisten seiner Ergebnisse sich als richtig erweisen, die bedeutendste Arbeit an- erkennen müssen, welche auf dem Gebiete der induktiven Abstammungs- und Vererbungslehre bisher geleistet worden ist. Ein Urteil, dem sich Referent umso freudiger anschließt, als er hier eine Darstellung kennen gelernt hat, die trotz nüchternen Beharrens bei nackten Tatsachen und Verzichtens auf weit ausholende Hypothesen, trotz der bei keinem Versuche fehlenden ziffernmäßigen, tabellarischen und graphischen Belege eine so wunderbare Frische aufweist, derart durch Bedeutung und Interesse des Gegenstandes selbst fortreißt, derart durch Klarheit und Verständlichkeit auch über den engeren Kreis von Fachgenossen als tief genußreiche Lektüre berufen erscheint, daß eine befruchtende Wirkung auf weiteste Gebiete 470 Referate. der Naturwissenschaft nicht ausbleiben kann. Möge das Werk, das im bescheidenen Rahmen einer subtilen Spezialuntersuchung auftritt, derjenigen universellen Wiirdigung teilhaftig werden, die ihm seiner Verdienste um die Gesamtbiologie wegen zukommt! Kammerer, Wien. Mudge, G. P. On Some Features in the Hereditary Transmission of the Black and the ‘Irish’? Coat Characters in Rats. Papers I and II. Proc. Roy. Soc. 1908. The experiments of Doncaster (1905) in which the earlier work of Crampe was made use of rendered it clear that among tame rats three pairs of factors are to be met with. These are: Colour (C) dominant to albinism (c) Grey (G) m „ black (g) Self-colour (S) i „ piebald (s) (= hooded). In addition to the piebald form there occur animals which have less white. Among these “Irish” rats two distinct types occur — those with a very little white on the ventral surface (=“Irish a’). and those with a much greater amount of white on the belly as well as with some on the feet (= “Irish b”). It was pointed out by Doncaster that the “Irish b” is always heterozygous for the self-colour factor (S). On the other hand Doncaster was unable from the evidence at his disposal to differentiate the “Irish a“ from the fully self-coloured animals, but considered the latter to be the extreme forms in the reduction of the white area. As a result of the experiments recorded in these two papers Mudge has been able to confirm Doncaster’s account and to add a point of interest. Doncaster mentions Haacke’s description of an albino rat in which the hair differed in texture over the area where the coloured hood and back- stripe are found in the piebald form, and suggests that such an albino would have been found to be homozygous in the absence of the self-colour factor (s) if it could have been tested. Mudge finds that this “ghost’’ pattern is a transitory thing lasting only a few weeks, and is the normal appearance in albinos belonging to a piebald strain. It does not occur in strains which are homozygous for S, and as the result of crossing an albino which in early youth was not a “piebald ghost” with a coloured piebald, there came, as was expected, only “Irish” b individuals. One of the chief points of interest in these experiments with rats les in the constitution of the “Irish a” and the “Irish b” forms. With regard to the latter Mudge agrees with Doncaster, and it now seems clear that the “Irish b” rat is always heterozygous in these lf-colour factor (S). Mudge further points out that the “Irish b” can be readily distinguished from “Irish a’ by the possession of white carpal and metatarsal bands. The relation of the “Trish a” to the self colour is however still not clear. Though admitting, that there is no direct evidence for the view, Mudge suggests that the “Irish a” are heterozygous in the pigmentation factor (C). Doncaster however in his paper (Exp. 63 and 64) gives two cases in which ’’Irish a‘ mated together gave, in addition to albinos, 16 “Irish a’ but no self blacks. On the view of the “Irish a” suggested by Mudge I in every 3 blacks from such matings should be completely self coloured. It is evident that more experiments are needed before the relation between the self-coloured and the “Irish a” forms can be properly understood. RaCzBummterzie Relerate. 471 Cunningham, J. T. R., The Heredity of Secondary Sexual Characters in Relation to Hormones, a Theory of the Heredity of Somatogenie Characters. — Arch. f. Entw.-Mech. XXVI. Bd. S. 372—428, Okt. 1908. Die Arbeit ist der dritte, in neuester Zeit unternommene Versuch eines Zurückgreifens auf Darwins vielbekämpfte Pangenesistheorie, — ein gutes Zeugnis und schlagender Hinweis auf die Fruchtbarkeit und Bedeutung dieser Theorie. Zuerst kam Schiefferdecker mit seiner Erklarung der Vererbung somatogener Charaktere durch die innere Sekretion von den veränderten Organen zu den Keimdrüsen, dann Hatscheks Ausgestaltung der Pan- genesis in den Ausdrücken der modernen Chemie, jetzt Cunninghams Deutung derselben in Ausdrücken der modernen Physiologie. Cunningham geht von den sekundären Sexualcharakteren aus, deren wesentliche Eigenschaften nicht morphologisch, sondern physiologisch sind und nicht durch geschlechtliche Zuchtwahl erklärt werden können. Diese Merkmale werden bei beiden Geschlechtern vererbt, doch bleiben die dem einen Geschlecht zukommenden bei normaler Funktion der jeweils anderen primären Geschlechtsorgane latent. Während man früher nervöse Ver- knüpfungen zwischen primären und sekundären Geschlechtscharakteren ver- mutete, ist nun eine- chemische bewiesen worden (und kann sehr wohl neben der nervösen bestehen — Ref.). Darauf, und auf jene Tatsachen, welche den Schluß zulassen, daß die sekundären Geschlechtsmerkmale durch äußere Reize verursacht werden, gründet Verfasser eine Hormonen- theorie der Erblichkeit somatogener Merkmale. Durch Außenerregung be- dingte Hypertrophien erzeugen Hormonen, welche auf die sich entwickelnden Gameten wirken und die Determinanten anreizen, welche den Geweben entsprechen, von denen jene Hormonen abstammen. Von den sexuellen Anpassungen wendet sich die Theorie auch zu den nicht sexuellen, zu den funktionellen Anpassungen überhaupt. & Kammerer, Wien. Guthrie, €. C., Further Results of Transplantation of Ovaries in Chickens. Journ. Exp. Zool., Vol. V., Nr. 4, pp. 563—571, 3 figg., June 1908. Verf. vertauschte die Ovarien aus weißen und aus schwarzen Hennen. Paarte er eine weiße (schwarze) Henne, der solch ein fremdes Ovar implantiert worden war, mit einem gleichfarbigen, also ebenfalls weißen (schwarzen) Hahn, so ergab sich eine Nachkommenschaft von schwarzen, aber auch von schwarz-weiß gefleckten und reinweißen Kücken. Da die Kontrollexemplare im gleichen Falle nur reinweiße, bzw. reinschwarze Kiicken ergeben hatten, so glaubt sich Verf. aus dem Zuchtergebnis mit operierten Hennen zu dem Schlusse berechtigt, das transplantierte Stück sei von seiner Unterlage beeinflußt worden, ein Resultat, welches bekanntlich den sonst gewonnenen Erfahrungen bei Transplantation widerspricht. Nach Ansicht des Ref. lassen sich denn auch zwei Einwände geltend machen: ı. Es ist kaum auszuschließen, daß vom alten Ovar nach der Operation etwas zurückgeblieben sei. 2. Wie Verfasser selbst angibt, stammen seine gesamten Zuchttiere, die weißen wie die schwarzen, aus ein und derselben Bezugsquelle und gehören ein und derselben Rasse an: sie waren keineswegs vor dem Versuch durch mehrere Generationen rein durchgezüchtet ‚worden. Nach unseren Kenntnissen über Vererbungsregeln ist es jenem Tatbestand zufolge geradezu wahrscheinlich, daß gemischt- charakterige Nachkommen auftreten mußten und auch ohne Transplantation 472 Referate. aufgetreten waren, trotzdem solches bei den verwendeten (an Zahl viel zu geringen) Kontrollexemplaren — vielleicht nur zufallig — nicht der Fall war. Kammerer- Wien. Poll, H. und Tiefensee, W., Mischlingsstudien: Die Histologie der Keimdriisen bei Mischlingen. Sitz.-Ber. Ges. naturforsch. Freunde, 1907, No. 6. S. 157—166 mit 2 Taf. Die Verf. weisen nach, daß in den Hoden von Entenmischlingen (Cairina moschata L. x Anas boschas war. domestica L.) die Spermienbildung hoch- gradig gestört ist, indem der Prozeß der Samenbildung zwar normal beginnt, nach .der ersten Reifungsteilung aber abbricht. Dagegen werden in den Hoden von Finkenmischlingen (Zeisigkanarien u. a.) stets Spermien gebildet, .wenn auch in sehr wechselnder Zahl. Das steht in Übereinstimmung mit der Beobachtung, daß solche Finkenmischlinge zuweilen fruchtbar sind. Was die Gonomerietheorie Hackers anlangt, so konnten die Verfasser nichts beobachten, was dafür spricht, daß die Störung der Samenbildung auf einem Unterbleiben der Vereinigung der väterlichen und mütterlichen Vererbungs- substanz in den Keimzellen beruht. Bei weiblichen Cairina 8 x Anas 9- Mischlingen war das Ovar stets hochgradig degeneriert, bei den reziproken Mischlingen aber nie in demselben Grade, ja letztere brachten in manchen Fällen sogar annähernd normale Eier zustande, die aber stets unbefruchtet blieben. S chhl easp: Poll, H., Mischlingsstudien IH. System und Kreuzung. Sitzungsber. Ges. naturforsch. Freunde 1908, No. 6, S. 127—139, mit 1 Tafel. Verf. berichtet in einer an vorstehend referierte Mitteilung sich an- schließenden Arbeit über weitere Studien an Keimdrüsen verschiedener Enten- und Fasanenmischlinge. Vielleicht könne die größere oder geringere Störung in der Keimzellenbildung bei Mischlingen (nur Vollendung der sogenannten Vermehrungsteilungen, oder auch der ersten Reifungsteilung, oder schließlich auch noch der zweiten) benützt werden als natürlicher Maßstab der Ver- wandtschaft der beiden Stammformen der betreffenden NE chleip. A. D. Darbishire, On the Result of Crossing Round with Wrinkled Peas, with especial Reference to their Starch-grains. Proc. Roy. Soc., London, B. 80, 1908, S. 122—135. Bekanntlich hatte Mendel zu seinen Bastardierungsversuchen mit Erbsen auch solche Rassen herangezogen, welche sich durch ihre Formen unterschieden; die einen sind glatt und rund, die anderen eckig-runzelig. Es hatte sich ergeben, daß rund über eckig dominiert. Gregory hatte dann festgestellt, daß die beiden Erbsensorten immer ganz verschiedene Stärkekörner aufzuweisen haben. — Mit der Form dieser Stärkekörner und ihrem Verhalten in den Hybriden beschäftigt sich nun die vorliegende Arbeit. In den runden Erbsen treten nämlich hauptsächlich längliche und ein- fache, wie Verf. sagt, kartoffelförmige Stärkekörner auf, in den eckigen aber sind dieselben zumeist rundlich und zusammengesetzt; nur ganz vereinzelt konnten auch hier kartoffelförmige Körner beobachtet werden. Die Stärkekörner der Hybriden (F ı) sind nun nicht etwa, wie man nach der Dominanz der runden Erbsen annehmen könnte, auch kartoffel- förmig, sondern rundlich und einfach oder zusammengesetzt. Obgleich diese Körner von Fı denjenigen der eckigen Eltern an Größe nur wenig nach- stehen, zeigen sie doch eine geringere Zusammengesetztheit. Man muß also Referate. 473 annehmen, daß beide Eigenschaften der Stärkekörner getrennt vererbbar sind; dies wird auch dadurch bewiesen, daß in einer späteren Generation, F 5 — die zwischenliegenden konnten nicht beobachtet werden, da die Erbsen ursprünglich zu einem anderen Versuch verwendet wurden — sowohl rund- liche als kartoffelförmige Stärkekörner in allen Graden der Zusammen- gesetztheit gefunden wurden. Ebenfalls zeigte sich in F5, daß die Form der Samen nicht zusammen mit’ der Gestalt der Stärkekörner vererbt wird, da runde Erbsen nur zum Teil kartoffelförmige, in anderen Fällen aber rund- liche Stärkekörner aufwiesen. Genaues über die Trennung der Eigenschaften läßt sich bei dem Fehlen der Generationen zwischen F ı und F 5 nicht sagen; soviel aber konnte noch nachträglich sicher festgestellt werden, daß die von homozygoten, runden Erbsen stammenden Samen in F 5 stets kartoffel- förmige Stärkekörner aufzuweisen hatten, die von heterozygoten aber rund- liche, einfache oder zusammengesetzte. Gregory hatte nun aber noch weiter gezeigt, daß eckige Samen mehr Wasser bei der Keimung aufnehmen als runde; Verf. fügt dem hinzu, daß die Hybriden eine mittlere Stellung hierin einnehmen. Da aber, wie sich weiter herausstellte, die Hybriden mit kartoffelförmigen ebenso wie die mit rundlichen und zusammengesetzten Körnern gleichviel Wasser aufnehmen, so muß auch die Absorptionskapazität der Erbsensamen bei der Keimung eine besondere Erbkräft haben und wir kreuzen hiernach, soweit bekannt, bei Bastardierung von Erbsen mit eckigen und mit runden Samen vier ge- trennt vererbbare Charaktere: Die Form der Erbse — ob rund oder eckig. Die Absorptionskapazität der Erbse — ob hoch oder niedrig. Die Form der Stärkekörner — ob kartoffelf6rmig oder rundlich. Die Zusammengesetztheit der Stärkekörner — ob einfach oder zusammen- gesetzt. E. Lehmann. Zederbauer, E. Versuche über Vererbung erworbener Eigenschaften bei Capsella bursa pastoris. Österr. Botan. Zeitschr. 58. 1908. S. 231. Capsella bursa pastoris kommt in der Hochregion des Erdchias-dagh in Kleinasien nicht ursprünglich wild vor, sondern ist offenbar aus dem Tief- land erst in historischer Zeit eingeschleppt, das zeigt besonders ihr aus- schließlich auf Wegeränder und Lagerplätze der Hirten beschränktes Vor- kommen. Die Pflanzen von den höchsten Standorten zeigen trotzdem ausgesprochen alpinen Habitus — tiefgehende Wurzeln, ganz kurzen Stengel, kleine xerophil gebaute Blätter usw. —, die Pflanzen aus etwas tieferen Lagen zeigen diesen Habitus schon weniger ausgesprochen und es läßt sich so eine geschlossene Reihe von Übergangsformen zwischen typischen alpinen und typischen Tieflandspflanzen sammeln. Das scheint Ref. nichts Auffallendes. Capsella ist, wie jeder weiß, der einmal mit dieser Spezies experimentiert hat, be- sonders leicht durch Kulturbedingungen sehr weitgehend zu „‚modifizieren‘“). Verf. stellte sich nun weiter die Frage, ob wohl alle oder einzelne dieser „Modifikationen“, oder wie Verf. sagt, ,,erworbenen Eigenschaften“, welche die in den alpinen Regionen gewachsenen Individuen aufweisen, „erblich“ en sind, und kultivierte dementsprechend Samen derartiger ,,alpiner“ ndividuen im botanischen Garten zu Wien und später in Mariahilf. Das Resultat war, daß die hier gezogenen Pflanzen keinen xerophilen Bau der Blätter aufweisen, daß sie aber doch einen im Vergleich mit anderen Sippen 1) Im Sinne Naegeli’s. 474 Referate. niedrigen Stengel und den fiir ihre Mutterpflanzen vom Erdchias-dagh typischen Bau der Infloreszenzen annähernd beibehielten. Verf. schließt daraus: ‚Die in der Höhenlage erworbenen Eigenschaften werden von den verschiedenen Organen verschieden festgehalten. Die Assimilationsorgane ändern sich sofort bei Änderung der Lebensbedingungen. Die Fortpflanzungs- organe, bzw. die mit ihnen in nahem Zusammenhang stehenden (infloreszenz- tragende Stengel) zeigten hingegen ein größeres Beharrungsvermögen und änderten sich wenig oder gar nicht.‘‘ Dieser Schluß ist nach Ansicht des Ref. durchaus nicht zulässig. Daß die Merkmale der Erdchias-dagh-Sippe, welche sich als erblich erwiesen haben, d. h. der Bau der Infloreszenz und die geringe Länge des Stengels von dieser Sippe „erworben“ (im Sinne Zederbauers) seien, ist durch nichts bewiesen. Erwiesen ist durch die im übrigen ja gewiß dankenswerten Versuche nur, daß am Erdchias-dagh eine Capsella-Sippe wächst, die sich von anderen Sippen durch bestimmte Eigentümlichkeiten der Infloreszenz und einige andere erblich konstante Merkmale unterscheidet. Wie jedoch diese erblichen Eigenschaften ent- standen sind, darüber ist nichts bekannt. Und erwiesen ist ferner, daß auch in diesem Falle die durch die speziellen Standortsverhältnisse be- dingten „Modifikationen“ der Mutterpflanzen nicht vererbt wurden. Baur. Kiessling, L. Einige Beobachtungen über Weizenvariationen. (Fühlings land- wirtschaftliche Zeitung. 1908, S. 737—759.) Wie die meisten sogenannten Landsorten waren auch beobachtete ,,Land- weizen‘‘ aus Bayern vielförmig. Verfasser stellte die prozentische Vertretung der einzelnen Formen fest, die aus dem Grund von praktischem Interesse ist, weil man annehmen kann, daß die stärker vertretene Form die unter den herrschenden Verhältnissen ergiebigste ist. Sechsjährige Vergleiche der einzelnen Formen im Zuchtgarten zeigten zwar im allgemeinen eine Über- legenheit der unbegrannten, weniger deutlich der braunkörnigen Weizen, andererseits aber auch, wie verschieden der Einfluß der Jahreswitterung auf die einzelnen Formen einwirkt. Bei Individualauslesen mit im Land- weizen aufgefundenen Formen wurde mehrfach nur teilweise Vererbung ge- funden. Weitere beobachtende Auslese, die durch mehrere Generationen hindurch fortgeführt worden war, ergab eine zahlenmäßige Vertretung der einzelnen Formen. welche als Ursache der Variation eine spontane Bastardierung nahelegt. Als Schema für das Verhalten wurde ein solches gefunden, bei dem in der zweiten Generation neben reinmerkmaligen Indi- viduen auch solche vorhanden sind, welche Mittelbildung der zwei Eigen- schaften des Eigenschaftenpaares zeigen und bei welchen in der dritten Generation auch Spaltung der Nachkommen der reinmerkmaligen (extra- hierten) Individuen der zweiten Generation eintritt. Die beobachteten Eigenschaftenpaare waren begrannt und unbegrannt, braun- und weißspelzig. Besondere Versuche mit künstlicher Bastardierung zur Feststellung des Spaltungsverhältnisses der beobachteten Eigenschaften wurden vom Verfasser nicht ausgeführt. Ein Fall von Variation zeigt ein Verhalten, das eine Zurückführung auf spontane Bastardierung nicht nahe legte. Die Möglich- keit spontaner Bastardierung zwischen Weizenformen untereinander ist bei Nebeneinanderbau derselben im Zuchtgarten jedenfalls gegeben, worauf auch Referent bereits hinwies. Formentrennung mit nur einmaliger Auslese braucht, auch wenn keine weitere Bastardierung nach derselben eintritt, nicht zu konstanten Formenkreisen zu führen. Fruwirth. Inhalt. I. Abhandlungen und kleinere Mitteilungen. Baur, E. Das Wesen und die Erblichkeitsverhältnisse der ,,Varietates albo- marginatae hort.‘' von Pelargonium zonale . . 2... « « « » «9s © « « — — Die Aurea-Sippen von Antirrhinum majus .. . . Correns, C. Vererbungsversuche mit blaß(gelb)grünen und buntblättrigen Sippen bei Mirabilis Jalapa, Urtica pilulifera und Lunaria annua ..... Deninger, K. Zur Stellung des Pithecanthropus erectus Dubois auf Grund der neuesten Resultate. . . . - Stelle Baer. 2157.00 oy ONROBD ©; Johannsen, W. Über Knospenmutation bei Phaseolus . TAME ytd Boban gos Gerth, H. Beiträge zur Phylogenie der Tubocorallier. ....... a Gorjanovic- Kramberger. Der vordere Unterkieferabschnitt des alecilawtalent Menschen in seinem genetischen Verhältnis zum Unterkiefer des rezenten Menschen und dem der Anthropoiden. Ein Beitrag zur Entwicklungs- geschichte des Menschen . . . . ee .. Haecker, V. Vererbungs- und variationstheoretische Einzelfragen. NG Uber Trans- versionen (Uberschlage).... . sks SS Rea ee ist Handlirseh, A. Zur Palaeontologie und Phylogenie der Insekten ne Hilzheimer, M. Versammlung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft in Stutt- gart 1908. ... afte . .. le .. Porsch, 0. Die een icon. Bedentune sprunghafter Bläfenvariationen und korrelativer Abänderung für die Orchideenflora Siidbrasiliens. Ein Beitrag zum Problem der Artentstehung . . ay 0 = 2170, 1955 Toyama, K. A sport of the silk-worm, Bombyx Mori eye ead its hereditary iBeHavior™. i 3 aiarethe sh = A iad a hie et ts ie Weinberg, W. Uber Vererbungsgesetze beim Menschen on ety aus ae 377: v. Wettstein, R. Über zwei bemerkenswerte Mutationen bei europäischen Alpen- Pilanzens nen oy fe a: oh ah oa sae ee Garbowski, L. Über Abschwi ächung und Variabilität bei Bacillus luteus Smith et Baker und Bacillus tumescens Zopf. . . A Oo oro Grosch, P. Phylogenetische Korallenstudien. (Die Avophyilidenis . Guthrie, C. C. Further results of transplantation of ovaries in chickens . Guyer, M. F. Do offspring inherit equally from each parent? .. ..... Hagmann, G. Dr. Die Landsäugetiere der Insel Mexiana. Als Beispiel der Einwirkung der Isolation auf die Umbildung der Arten. ...... Hansen, E. Ch. ‘Oberhefe und Unterhefe ....... i Be Hardy, G. H. Mendelian proportions in a mixed popelation. je!) to; Cone Herbst, C. Vererbungsstudien. V. Auf der Suche nach der Ursache der größeren oder Saas ee Ahnlichkeit der Nachkommen mit einem der beiden Eltern ° onen.“ Hurst, C. C. Mendels law et heredity and its application to” Maly, "ie mare — — On the inheritance of eye colour in man .. e 4 jc ents Kammerer, P. Vererbung erzwungener Fortpflähzihgsanpassnhgen. U5 ils II. Mitteilung: Die Nachkommen der spatgeborenen Salamandra macu- losa und der frühgeborenen Salamandra atra. .. . Dec un L. Einige Beobachtungen über Weizenvafiätionen OD. 00 5 Lang, A. Über die Bastarde von Helix hortensis Müll. und Helix nemoralis L., eine Untersuchung zur experimentellen Vererbungslehre . e — — Über Vorversuche zu Untersuchungen über die NE an von Helix hortensis Müll. und H. nemoralis L.. ....% . Ö ..% Me Cracken Isabel. Occurence of N in Melasoma ee) ae aaa its behavior in heredity si tg ‘ ae Vat te SERIEN Met teers Mac Curdy, H. and W. E. Castle Selection and Grobebneeaiig in relation to the interitance of coat pigments and coat platterns in rats and guinea-pigs ... REES WO EEE A Pal vel Soham u Magnus, W. u. Bene H. Ein ae Nachweis natürlicher Verwandtschaft bei Pflanzen . . TER se) lo! “toon — — Uber die Spezifizität der Verwandtschaftsreaktion ‘der Pflanzen ... — — Uber die Artspezifizitat der Pflanzenzelle ..... ot Hel al Falke Massini, R. Uber einen in biologischer eine interessanten Kolistamm (Bacterium coli mutabile) ..... iat Matthew, W. D. Mammalian migrations Bey een Bere aaa North America Mudge, G. P. On some features in the hereditary transmission of the black and the ‘‘irish’’ coat characters in rats .. . ee a tal he Noetling, F. Bemerkungen über die angebliche Menschenspur im Senken von Warrambool (Vic.) Australien. . . co Noorduijn, €. L. W, Die Erblichkeit der Farben bei iRenariervorein ee Orton, W. A. On the theory and practice of breeding disease-resistant plants Pearson, K. A first study of the statistics of pulmonary tuberculosis Plate, L. Die Variabilitat und die Artbildung nach dem Prinzip geographischer Formenketten bei den Cerionlandschnecken der Bahama-Inseln. .. . « Poll, H. Mischlingsstudien III, System und Kreuzung. . . . Poll, H. und Tiefensee, W. a Die Piatglonie! der ee drüsen bei Mischlingen . . neh Price, H. L. and Drinkard, A. W. Bere ine tomato hybrids u ed Pizibram, Hans. Vererbungsversuche über asymmetrische Augenfärbung bei Angorakatzenr. me ee tae Ment fe Vets ee folate) oy Nike epee Wales Seite Inhalt. Rothpletz, A. Über Algen und Hydrozoen im Silur von Gotland und Oesel . Schellenberg, H. C. Der Abbau der Sorten und seine Bedeutung für die Landwirtschaft au SOO ay en a. OO AERO IE Schenck, H. Über die Phylogenie "der Archegoniaten und der Characeen Schlosser. Beitrag zur Osteologie und systematischen Stellung der Gattung Necrolemur, sowie zur Stammesgeschichte der Primaten überhaupt. . . Schoetensack, ©. Der Unterkiefer des Homo Heidelbergensis aus den Sanden von Mauer bei Heidelberg. Ein Beitrag zur Paläontologie des Menschen Shull, G. H. A new Mendelian ratio and several types of latency . 3 Smith, Essie Alma. Development and variation of Pentremites conoideus . Staples-Browne, R. On the inheritance of c lour in domestic pigeons, with especial reference to reversion. «. » Homo, chicec ee hoe od Steinmann, G. Einführung in die Paläontologie : Strasburger. E. Chromosomenzahlen, Plasmastrukturen, Vererbungsträger und Reduktionsteilung Tower, W. L. An investiedtion "of eyalation. in Chirysometid beetles of the genus Leptinotarsa . . . Tschermak, E. v. Die re Gee " Getreides rapes ae Frage nach den Ursachen der Mutation .... Wheldale, M. Miss. The inheritance of flower caine in a majus Winkler, H. Über Pfropfbastarde und pflanzliche Chimären. .. . — — Solanum tubingense, ein echter een zwischen Tomate und Nachtschatten . . . .. Woodward, H. On some coal-r -measure © erustaccans with ‘modern representatives Zederbauer, E. Versuche über Vererbung erworbener Eigenschaften bei Cap- selia bursa pastoris . . ee ne wobec Poh Cech ae — — Variationsrichtungen der Nadelhölzer” ON OR RO OU ET 6c 141 137 139 400 268 473 265 Ptr Neue’ Literatur -I0.2.2 22. :22207062,2608 IV. Liste der Autoren, von welchen Schriften unter der Rubrik „Neue Literatur“ angeführt sind. Abel, O. 176. 177. 285. Balls, W. R. 162. Allen, J. A. 153. Barber, M. ee 161. Almquist, E. 160. Basile, C. Ameghino, F. 176. 285. Bastian, ch, A. 153. Anderson, G. E. 233. Bateson, W. 153. 276. Andrussow, N. 172. Bather, F. A. 2 Angeloni, L. 165. Baumberger, E. 283. Appel, O. 165. Baur, E. 162. 164. 269. Arber, E. A. N. 286. Begelow, R. P. 273. Arber, E. A.N. und Parkin, J. 159. 272. 286. | Béguinot, A. 273. Arber, E. A. N. and Thomas, H. H. 286. | Behlen, H. 176. Arldt, Th. 153. 170. Beijerinck, M. W. 275. 276. Arnim-Schlagenthin, Graf von 165. Bennet, R. L. 277. Arnold, R. 283. Benson, M. 287. Arthaber, G. v. 175. Bernard, H. M. 153. Arthur, J. C. 269. Berry, E. W. 287. Ascherson, P. 273. Bertoni, G. 165. Auer, E. 175. Bertrand, C. E. 287. Bertrand, L. 2 Babak, E. 168. Bessey, E. Ch. 269. 272. Baccarini, P. 269. Best, F. 170. Bachmetjew, P. 279. Bethge, R. 165. Bailey 161. Beutler, K. 172. Bain, S. M. 277. Biffen, R. H. 165. 478 Inhalt. Black, J. M. 162. Davis, W. J. 163. Blaringhem, M. L. 153. 160. 161. | Deane, H. 177. Boas 169. | Dekker 154. Bölsche, W. 170. 269. | Depéret, Ch. 154. 171. 281. 285 Boldyreff 168. Dergane, A. 269. Boppe 165. | Detto, C. 154. Boule, M. 287. | Diener, C. 284. Boulenger, G. A. 160. | Döring, E. 154. Bower, F. O. 159. | Domin, K. 161. 163. Brainerd, E. 162. 275. | Doflein, F. 269. Branca, W. 282. 285. | Dollo, L. 175. Braunig, K. 153. Douvillé, R. 172. 173. 282. Breitenbach, W. 170. Douvillé et Zeiller 237. Briem, H. 277. Driesch, H. 154. 270. Britton, N. 269. | Driesmanns, H. 154. Broili, F. 172. Druery, C. T. 269. Brown, T. C. 233. Dubard, M. 150. Brozek, A. 279. Bruck, C. 170. | East, E. M. 165. 274. 277. Brues, Ch. T. 234. | Eastman, C. R. 285. Bruyker, C. de 273. Edler, W. 16s. Bull, C. P. 277. v. Ehrenfels, Ch. 171. Bumiiller, H. 153. Elofson, A. 277. Burk, A. 274. Engelhardt, H. 177. Busealioni, L. 160. Engelhardt, H. und Kinkelin, F. 287. Butler, E. J. 165. Erdner, E. 163. Ernst, A. 272. Carpentier, A. 237. Etheridge jun., R. 173. Carruthers, R. G. 283. Case, F. C. 175. Falqui, G. 272. 287. Castle, W. E. 169. 277. 279. 281. Famineyn, A. S. 276. Celi, G. 277. Famintzin, A. 154. Cesnola, A. P. di 168. Farabee, W. C. 171 Chalon, J. 153. Fauré-Frémiet, E. 154. Chatterton-Hill, G. 170. Favre, F. 284. Chrestensen, N. 165. Fick, R. 154. Cieslar, A. 165. 277. Fischer, E. 168. Clements, F. E. 269. Fischer, H. 160. Cockerell, T. D. A. 161. 174. 273. 284. 287. | Fischer-Planer 154. Collet, L.-W. 173. Fitting, H. 237. Combes, fils P. 237. Fliche 287. Comére, G. 273. Fletscher, F. 106. 162. Comes, O. 277. Fraas, E. 174. 175. 176. Conklin, E. G. 153. Franeé, R. H. 154. 270. Cook, O. F. 153. 275. 279. Franz, V. 154. Correns ©. 164. 276. Frech, F. 173. 270. 282. Cossmann, M. 283. Fruwirth, C. 166. 277. Cowles, H. C. 269. Freudl, E. 277. Cox, W. H. 170. Fritel, P. H. et Viguier, B. 287. 288. Cramer, P. J. S. 269. Focke, W. O. 154. 162. Cunningham, J. T. 154. Forel, A. 270. | Fülöp, S. 270. Dahl, F. 154. 269. | Dall, W. H. 173. Gabrieli, S. 277. Dantec, F. le 154. Gander, M. 154. Darbishire, A. D. 160. 275. | Gallardo, A. 154. Davenport, Ch. B. 154. 279. 281. Galli, G. 171. Davenport and Rietz 274. 277. Garbowsky, L. 160. Davenport, G. C. and Davenport, Ch. B. 169. | Gates, R. R. 162. 164. 276. Geerts, J. M. 164. Geley, G. 270. Gidley, J. W. 285. Giesenhagen, K. 154. Gighi, A. 279. Gilmore, Ch. W. 286. Goebel, K. 155. 160. Gordon, C. E. 283. Gorjanovic-Kramberger, K. 176. Gortani, M. 172. Gothan, W. 288. Grabau, A. W. 284 Grabner, E. 166. Graff, L. von 155. Granger, W. 286. Greenman, J. M. 275. Gregory, R. P. 275. Gregory, E. S. 164. Griffon, E. 276. Grimaldi, Cl. 275. Grosch, P. 283. Ginther, K. 270 Gürich, G. yaks Guignard, L. 27 Gulick, J. T. Gutherz, S. ae Guyer, M. F. 155. Haeckel, E. 270. Haecker, V. 165. Haecker, W. 171. Halle, G. 288. Hallier, H. 159. 272. Handlirsch, A. 284. Hanel, E. 169. Hans, A. 275. Hansen, E. Ch. 162. Hardy, G. H. 275. 279. Harper, R. A. 164. Harraca 166. Harris, J. A. 155. Harris, D. F. 270. Hartmann, F. 288. Harwood, W. S. 166. Hatschek, B. 155. 270. Hayek, A. v. 163. Heckel, C. 162. 272. Hedlund, Th. 163. Heinricher, E. 160. Hennig, E. 174. Henslow, G. 270. Herbst, K. 169. Heron, D. 230. Hertwig, R. 169. Hervey, J. L. 280. Hesse, R. 270. Hesselman, H. 160. 166. Hildebrand, F. 155. 165. 166. Hill, A. W. 163. 169. 270. Inhalt. Hinde, G. J. 282. Hink, A. 155. 270. 280. 281. Hoernes, R. 284. Hofmann, K. 270. Hollick, A. 288. Holtmeier-Scholtberg 278. Houssay, Fr. 168. Huber, A. 171. Huene, F. v. 175. Huene, F. R. v. and Lull, RS. 175 Hurst, C. C. 155. 163. 169. Jaceard, F. 175. Jacob, Ch. 2 Jaekel, O. 172. 174. 175. Janchen, E. und B. Watzl 163. Jeffrey, E. C. 177. 288. Jensen, P. 155. Jentzsch, A. 288. Ihering, H. v. 173. 282. Iltis, H. 2 Johnson, D. S. 270. Johnstone, M. A. 159. Jordan, D. S. 270. 285. 4/9 Jordan, D. S. und Kellog, V. L. 155. Jorns, M. J. 276. Issler, E. 275. Kadic, O. 176. Kammerer, P. 169. 280. Kapelkin, W. 155. Karplus, J. P. 168. Kellicot, W. E. 168. Kellog, V. L. 155. Kerr, J. G. 281. Kersten, H. 155. Khek, E. 275. Kidston, R. 177. 288. Kirchner, 0. 160. Kirsche 166. Klebelsberg, R. von 275. Klebs, G. 161. Knab, F. 169. 279. Knapp 231. Kneucker, A. 163. Knod, R. 232. Knowlton, F. H. 177. Kobus, J. D. 166. Koerber, F. 155. ‘Kohlbrugge, J. H. F. 281. Koriba, K. 274. Kowarzik, R. 288. Kraemer, H. 281. Kranichfeld, H. 155. Krasan, F. 274. Kribs, H. G. 279. Krüger, W. 276. Kuckuck, M. 155. Kuntz 275. Kurdiani, S. 2 480 Labergerie 274. Lammermayr, L. Lake, P. 174. Lambert, J. 283. Lang, H. 166. 278. Lang, H., Plahn, H. und Frohlich, G. Lang, W. H. 288. Lange, F. 155. Laurent, L. 288. Leake, H. M. Leavitt, R. G. Leeke, P. 1509. Leche, W. 170. Lehbert, B. 163. Lehmann, E. 160. Lehmann-Nitsche, R. 101. 278. 155. Leriche, M. 284. 285. Leveillé, H. 27 Lewis, F. J. 288 Lewis, Th. and D. Embleton 280. Lidforss, B. 162. Lignier, O. 288 Lingelsheim, A. 27 Linton, E. F. a Lock, R. H. 155. 163. Lodge, O. 270. Loeske, L. 161. Lohmann, E. 170. Lotsy, J. P. 155. Lull, R. S. 170. Lutz, A. M. 165. Lutz, F. E. 279. 280. 156. 176. 286. Me Alpine, D. 278. McCracken, J. 169. Me Curdy, H. and Castle, W. > Mac Dougal, D. T. 163. 271. 27 Mac Dougal, D. T., Vail, A. M. oer Shull, GH. 162: Mac-Leod, J. 161. Mac-Leod, J. und Burvenich, J. V. Magnus, R. 156. Magnus, W. und H. Friedenthal 164. Maillefer, A. 161. Malme, G. 274. Marescalchi 166. Marshall, E. S. 164. Marshall, J. H. A. 161. Martinet, M. 166. Mary, A. et A. 156. Mattei, G. E. 156. Matthew, W. D. 176. 286. May, W. 156. Mertens, P. Joh. Meunier, F. 174. Meyer, H. 271. Meyer, P. 271. Miehe, H. 156. Miller, K. 173. 172: 280. 161. Inhalt. | Molliard, M. | Moberg, J. | Mobius, M. | Moens, H. Montemartini, Morgan, T. H. 27 Mudge, G. P. 15 Münden, M. Murr, J. 164. 100. Nathorst, A. G. Nettleship, E Neudörfer 168. Neumann, Joh. 172. Nieotra, C. 272. Nilsson, N. Hj. Nilsson-Ehle, H. Noack, Th. 170. | Noetling, F. 176. | Noll, F. 276. | Noorduijn, C. L. W. | Norton, J. B. 278. 166. 160. 166. 278. O’Farell, H. H. Olfers, E. W Oliver, F. W. Oppliger, F. Ortlepp, K. 27 Ortmann, A. E Orphal, K. 166. Osborn, H. F. 156. 274 156. ° Paulcke, W. 173. Paulin, G. 271. Pauly 156. Pavlow, A. P. Pax, F. 289. Pearl, R. 163. 169. Pearl, R. und Clawson, A. B, Pearson, K. 230. Pelourde, F. 2839. Penhallow, D. P. Peola, P. 289. Pervinguiere, L. 234. Petersen, W. 156. Petrak, F. 164. Petrucei, R. 271. Pfeffer, W. 2 Piepers, M. C. Pike 170. Bilez, Avy 17/0. Pilsbry, H. A. 173. Plahn, H. 167. Plate, L. 156. Pleijel, C. 275. Plieninger, F. 175. Ploetz, A. 171. Pocock, R. J. 280. Pompeckj, J. F. 173. 173. 168. 289. 156. 170. Pontier, G. 236. Porsch, O. 159. Portis, O. 176. Potonié, H. 177. Powers, J. H. 279. Prochnow, O. 156. Prowazek, S. 156. Przibram, H. 170. Punnett, R. C. 156. Pynaert, Ch. 167. 282. Raeiborski, M. 162. Raffaele, F. 156. Ravn, J. P. J. 284. Reid, Cl. and Reid, E. M. Reid, A. G. 157. 271. 280. Reid, G. 161. Reinhardt, L. 157. Reinke, J. 157. 2 Reitsma, J. F. 274. Renier, A. 177. 2 Renner, O. 280. Revenstorf 168. Reynier, A. 161. Rhoden, G. von 171. Ricome, H. 10%. Rietz, H. L. Rignano, E. 187. Robertson 157- Robertson, A. 27 Römer, Th. 273. Rosenberg, oe I Rothe, K. C. 157. Roux, W. 157. Rümker, C. v. 167. 177. Nv Sagorski 160. 2 Salfeld, H. 177. Sardeson, F. W. Sargant, E. 159. 27 Schallmayer, W. 17 Bek-Henbezer Lp Cc. 167. Schenk, H. Baepalmaiin, E. 168. Scherren, H. 170. Sehlosser, M. 172. Sehmidt, F. 233. Schmidt, M. 173. Schnehen, v. 157. Schneider, K. C. 1 Sehöndorf, Fr. 172. Schott, P. K. 160. 167. Schouten, A. P. 274. Schribaux 167. Schubert, R. J. 283. Schütze, E. 174. NI ‘S w 732170. 57. 281. Schuster, E. and Elderton, E. M. Schweinfurth, G. 273. Schwerin, Graf F. v. 161. 289. 168. Inhalt. Seeley, H. G. Seitz, A. L. L. Selous 157. Semon, R. 157. 271. Senn, G. 159. Sernander, R. 162. Seward, A. E. 177. 178. 289. Seward, A. E. and Leslie, J. Shull, G. H. 160. 163. Sicherer, v. 171. Sieberer, K. 173. Siegfried, H. 236. Simioneseu, J. 1 Simroth, H. 157. Slater, J. L. wes Sollas, W. J. 2 Solms-Laubach, H. Graf zu 159. Sommer, R. 157. Spalding, V. M. 162. Spemann, H. 157. Spencer, H. 157. Spencer, W. K. 17 Sperling, J. 167. 2 Spicer, E. C. 161. Spillman, W. J. Spitz, A. 174. Staples-Browne, B. 280. Stauding, H. F. 236. Stehlin, G. H. 286. Steiger, A. 171. Steiner, M. 157. Steinmann, G. 157. 171 271. en Steinmann, G. und Wilckens, O. Sterzel, J. T. 239. Stevens, N. M. 170. Stirling, E. C. 236. Stock, J. E. v. d. Stoll 164. Stopes, Marie C. 178. Strampelli, N. 167. 278. Strasburger, E. 165. Strecker, F. 157- Strohmayer, W. 157. Stromer v. Reichenbach, E. Svedelius, N. 157. Sykes, M. G. 239 Sylven 164. 274. ikon Crist 167. 273.278. 177: Tammes, T. 161. Tansley, A. G. 2 W. 28 167. 168. 2 481 3. Tansley, A. G. and E. N. Thomas 159. Taub, S. 271. Tedin, H. 167. Teichmann, E. 155. v. Tellyesniezky, K. Thesing, C. 271. Thevenin, A. 172. 158. 482 Inhalt. Thiselton-Dyer, W. T. 158. Weiss 158. Thomson, A. 271. Weiss, F. E. 290. Tigges 281. Weldon, W. F. R. 170. Till, A. 174. Weller, St. 282. Timpe H. 158. Went, F. A. F. C. 158. Tischler, G. 165. Werner, F. 158. Toucas, A. 174. Wettstein, R. v. 164. 167. Tower, W. L. 169. Wheldale, Miss 163. Traquair, R. H. 174. White, D. 290. Tropea, C. 161. White, Ch. A. 275. True, F. W. 177. | Whitman 158. Tschermak, E. v. 162. 167. 271. 278. | Wieland, G. R. 175. 178. 290. Tschulok, S. 158. Wiinstedt, K. 276. Wilekens, O. 174. Willis, J. C. 162. Williston, S. W. 175. 272 Wilser, L. 170. Wilson, B. 158. Wilson, J. H. 167. Winkler, H. 16s. Witte, H. 279. Wittmack, L. 159. 167. Wittrock, V. B. 160. Wolff, G. 158. Woods, H. 174. Ungar, K. 281. Unold 158. Vadasz, M. E. 174. Vaillant, L. 175. von den Velden 158. Verrill, A. E. 282. Vialleton, L. 271. Vilmorin, Ph. de 158. 278. Virneisel-Mainstein 158. Vogler, P. 274. Vost ic 272 Woodward, A. S. 174. 286. Volz, Ww se : | Woodward, H. 235. Voss, W. 161. Wordsell, W. C. 159. Vries, H. de'158. 163. 167. 478. Wright, A., Lee, A. and Pearson, K. 169. Yakovlew, N. 172. Yule, U. 158. Yokoyama, M. 290. Waagen, L. 174. Wagner, A. 158. Wagner, P. 167. Waldow von Wahl, H. 282. Walther, J. 158. 171. Zabel, H. 168. Ward, Ch. W. 279. Zacharias, E. 168. Wasmann, E. 158. Zalessky, M. 290. Watson, D. M. S. 178. 289. Zederbauer, E. 273. Wein, K. 276. | Ziegler, H. E. 158. 281. Weinberg, W. 281. 282. Ziermer, M. 281. Weismann, A. 272. Zeiller, R. 178. 290. Verlag von Gebriider Borntraeger in Berlin SW 11 Großbeerenstraße 9 Monographia Uredinearum seu specierum omnium ad hunc usque diem descriptio et adumbratio systematica auctoribus. P. et H. Sydow. Volumen I: Genus Puceinia. Cum XLV tabulis. Ge- heftet 75 Mark. Die Ausgabe des Werkes erfolgt in zwanglosen Lieferungen von 12—15 Druckbogen. Zirka 69 Druckbogen bilden einen Band. — Der Subskriptionspreis des Druckbogens beträgt eine Mark; nach Vollendung eines Bandes wird der Preis für denselben. erhöht. »... Die Verfasser haben sich die große Aufgabe: ge- stellt, eine vollständige Darstellung der sämtlichen bis heute bekannten Uredineen zu geben. Es wird den Verjassern. die Anerkennung. nicht versagt werden, daß sie eine Arbeit in die Hand genommen haben, die nieht nur den Uredineen- forschern, sondern allen Mukologen gute Dienste leisten wird.“ Ed. Fischer in Botan. Zeitung. Thesaurus litteraturae mycologicae et liche- nologicae ratione habita praevipue omnium quae adhue seripta sunt de mycologia applicata quem congesserunt @. Lindau et P. Sydow. — Volumen primum complectens enumerationem alphabeticam autorum A—L. Geheftet 72 Mk. — Vol. II pars 1 geheftet 25 Mk. Lehrbuch der allgemeinen Botanik von Professor Dr. E. Warming und Professor Dr. W. Johannsen, Herausgegeben von Dr. E. P. Meinecke.. Erster Teil. Mit zahlreichen Text-Abbildungen. Geheftet 12 Mk. Der zweite Teil befindet sich in Vorbereitung. Ausführliche Prospekte gratis und franko. Zeitschrift ‚für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre Inhalt Abhandlungen Gorjauovié-Kramberger, Der vordere Unterkieferabschnitt des alt- diluvialen Menschen in seinem genetischen Verhältnis zum Unterkiefer des rezenten Menschen und dem der Anthropoiden. Ein Beitrag zur Entwicklungsgeschichte des Menschen . . eb sans pat eee Weinberg, W. Uber Vererbungsgesetze beim Menschen 5 ae is O90 We ee A Seite Kleinere Mirteilaupen Haecker. V. Vererbungs- a variationstheoretische Einzelfragen. I. Uber Mransversionenz(Überschläge) nu a Sane Ler ge ee Wale ee Se oe Referate Tower, W. L., An investigation of evolution in Chrysomelid beetles of the genus Leptinotarsa. Mudge, G. P., On some features in the hereditary transmission of the black and the ”irish“ coat characters in rats. Cun- ~ ningham, J. T. R., The heredity of secondary sexual characters in relation to hormones, a theory of the heredity of somatogenic characters. Guthrie, — C. C., Further results of transplantation of ovaries in chickens. Poll, H. et En, und Tiefensee, W., Mischlingsstudien: Die Histologie der Keimdrüsen ET bei Mischlingen. Poll, H., Mischlingsstudien III, System und Kreuzung. rey age Darbishire, A. D., On the result of crossing round with wrinkled peas, eh pie - with especial reference to their starch-grains. Zederbauer, E., Versuche == über Vererbung erworbener Eigenschaften bei Capsella bursa pastoris. 095 Kiessling, L., Einige Beobachtungen über Weizenvariationen, . . . . . 468 ‘ tes, : Inhaltsverzeichnis - von | Bd. I. he N Die »Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslel erscheint in zwanglosen Heften, von denen vier bis fünf einen Band ‚etwa 25 Druckbogen bilden. Der Preis des Bandes beträgt 20 Ma Manuskripte, zur Besprechung bestimmte Bücher und Separa sowie alle auf die Redaktion bezüglichen Anfragen und Mitteilun -sind an Dr. E. Baur, Berlin NW 7, Dorotheenstraße 5 zu send. alle geschäftlichen Mitteilungen an die Verlagsbuchhandlung Gebri Borntraeger in Berlin SW11, Großbeerenstraße g. ‚Die Mitarbeiter erhalten für Originalabhandlungen und kle Mitteilungen ein Bogenhonorar von 32 Mk., für Referate 48 Mk, Literaturlisten 64 Mk. : Oe Von den Abhandlungen werden den Autoren 50 Seppe gratis, weitere Exemplare gegen Berechnung geliefert. FR is N Riad oe chante S Bra) TE a; te Lamy ER pean i! 3 5185 00287 5068 Ui Wun ii] Botanical Garden Libra \ VM HERMANN h