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TE nt ere ee 58 eerie Sone sean) Scene at eve ee Ser BYYERE veri yr) u ae “ pee ee v ry} et ee riser) ah et 7 Li Cc) N a ee Re \ mle Rs ZEITSCHRIFT FÜR INDUKTIVE ABSTAMMUNGS- UND VERERBUNGSLEHRE HERAUSGEGEBEN VON E. BAUR (eertiny, C. CORRENS (oancem-sercin), V. HAECKER (HALLE), G. STEINMANN (sonny), R. v. WETTSTEIN (wien) REDIGIERT VON E. BAUR (BERLIN) XVII. Band 1917 LEIPZIG VERLAG VON GEBRUDER BORNTRAEGER 1917 Inhalt I. Abhandlungen Adametz, L:, Über die Vererbungsweise der Karakullocke bei Kreuzungen von bocharischen Fettschwanzschafen mit Rambouillets . ‘ Armbruster, L., Nachtsheim, H. und Roemer, Th., Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. Experimentum crucis theoriae mendelianae Ernst, A., Experimentelle Erzeugung Erhkicher ner Klebs, Georg, Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak Rasmuson, Hans, Kreuzungsuntersuchungen bei Reben Ubisch, G. v., Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste II. Kleinere Mitteilungen Kaltenbach, R., Über Eierstocktransplantation bei Rouen- und Pökingenten III. Sammelreferate Diels, L., Neue Beiträge zur Phylogenie der Angiospermen Hertwig, P., Beeinflussung der Geschlechtszellen und der Nachkommenschakt durch Bestrahlung mit radioaktiven Substanzen IV. Referate Burgeff. H., 1914/15, Untersuchungen über Variabilität, Sexualität und Erb lichkeit bei Phycomyces nitens Kuntze (Schiemann) - Correns, €., 1916, Uber den Unterschied von tierischem und flansbelict Zwittertum (Schiemann) Dahlgren, K. V. Ossian, 1916, Patoluminche en eo Studien über die Reihen Primulales und Plumbaginales (Tischler) : Hertwig, 0., 1916, Das Werden der Organismen. Eine Widerlegung von Darwins Zufallstheorie (Baur) er a bic ee Kammerer, P., 1915, Allgemeine Biologie (Baur) : ar Nawaschin, S., Zellkerndimorphismus bei Galtonia Gandioans amd einigen verwandten Monokotylen (Tischler) Seite 161— 204 273—355 205—250 53—119 1—52 120—152 251—253 153—159 254— 261 IV Inhalt. Palm, B., 1915, Studien über Konstruktionstypen und Entwicklungswege des rn der Angiospermen (Tischler) d eee Pascher, A., 1916, Uber die Kreuzung einzelliger, haploider Organismen Bae ee ee ee SR, oo Pearl, R., 1915, Studies on prireetine ‘VL. ‘Some further considerations regarding cousin and related kinds of mating (v. Graevenitz) Schaxel, J., Die Leistungen der Zellen bei der Entwicklung der Metazoen (Briiel) Ste sn ecm yer ice et A's) 2) EA Fe rr Täckholm, G., 1915, ara, über die Samenentwicklung einiger Onagraceen (Tischler) Tschermak, A. v., Über Verfärbung von Gehnersern Tels Easter und über Nachdauer dieser Farbänderung (Farbxenien und Färbungs- telegonie) (Stein) Tschernoyarow, M., Über die Chromoscrmensail il heconders beschaffen Chromosomen im Zellkern von Najas major (Tischler) 5 Walter, A. R., Über den Einfluß der Rassenkreuzung auf Gewicht, Form, Glanz und Farbe der Hühnereier, mit Beiträgen zur en der Eigestaltung (Stein) Winkler, H., 1916, Über die eeperimentalle ee N von Planen: mit abweichenden Chromosomenzahlen (Tischler) 359 363 BAND XVII HEFT 1/2 NOVEMBER 1916 ZEITSCHRIFT FUR INDUKTIVE ABSTAMMUNGS- UND VERERBUNGSLEHRE HERAUSGEGEBEN VON E. BAUR eertin), C. CORRENS (vanHLem-BerLin), V. HAECKER (HALLe), G. STEINMANN (sonny, R. v. WETTSTEIN (wien) REDIGIERT VON E. BAUR (BERLIN) LEIPZIG VERLAG VON GEBRUDER BORNTRAEGER 1916 Die „Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre“ erscheint in zwanglosen Heften, von denen vier bis fünf einen Band von etwa 20 Druckbogen bilden. Der Preis des im Erscheinen begriffenen Baudes beträgt 20 Mark. Manuskripte, zur Besprechung bestimmte Bücher und Separata sowie alle auf die Redaktion bezüglichen Anfragen und Mitteilungen sind an Prof. Dr. E. Baur, Potsdam, Jägerallee 16 zu senden; alle geschäftlichen Mitteilungen an die Verlagsbuchhandlung Gebrüder Borntraeger in Berlin W 35, Schöneberger Ufer 12a. Die Mitarbeiter erhalten für Originalabhandlungen und Kleinere Mitteilungen ein Bogenhonorar von 32 Mk., für Referate 48 Mk., für Literaturlisten 64 Mk. Bei Original- abhandlungen von mehr als drei Druckbogen Umfang wird nur für die ersten drei Bogen Honorar gezahlt. Dissertationen werden nicht honoriert. Der durch Textfiguren und größere Tabellen eingenommene Raum wird nur bis zu einem Umfang von je einer Seite pro Bogen honoriert. Außergewöhnlich hohe Korrekturkosten, die durch unleserliche Manuskripte oder größere nachträgliche Änderungen am Texte verursacht sind, werden vom Honorar in Abzug gebracht. Die Abhandlungen und Kleineren Mitteilungen können in deutscher, englischer, französischer oder italienischer Sprache verfaßt sein. Referiert wird im wesentlichen in deutscher Sprache. Von den Abhandlungen werden den Autoren 50 Separata ohne besonderen Titel auf dem Umschlag gratis geliefert, von den „Kleineren Mitteilungen“ gelangen nur auf besondere, rechtzeitige Bestellung 50 Gratis-Separata zur Anfertigung. — Werden weitere Sonderabzüge gewünscht, so ist die Anzalıl rechtzeitig, spätestens bei Rücksendung der ersten Korrektur, zu bestellen. Die über 50 Exemplare hinaus gewünschte Anzahl der Separata wird mit 20 Pfg. für jeden Druckbogen berechnet. Ein besonderer Titel auf dem Umschlag kostet 5 Mk. Etwa gewünschte Änderungen der Paginierung werden besonders in Ansatz gebracht. Bei mehr als 50 Separata gelangt stets ohne besonderen Auftrag ein Umschlag mit besonderem Titel zur Verwendung. Einseitig bedruckte Sonderabzüge der „Nenen Literatur’ können von den Abonnenten der Zeitschrift zum Preise von 5 Mk. pro Baud im Buchhandel bezogen werden. — NS l=?) — SEP 27 Band XVII Heft 1/2 November 1916 Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. Von Hans Rasmuson, Äspö (Schweden). (Aus der Kaiserl. Biol. Anstalt für Land- und Forstwirtschaft, Berlin-Dahlem.) (Eingegangen am 26. Januar 1916.) Einleitung. Um den Weinbau ertragreicher zu machen und ihn möglichst von den vielen Schädlingsbekämpfungsarbeiten zu entlasten, gibt es haupt- sächlich zwei Wege. Entweder kann man bei einer Rebensorte die er- tragreichsten, gegen Schädlinge und Krankheiten resistentesten oder sonst in irgend einer wichtigen Eigenschaft besten Stöcke auswählen und nur sie zur weiteren Vermehrung benutzen, also mit Selektion arbeiten, oder man schafft durch Kreuzung von Sorten, die einige der guten Eigenschaften schon in hohem Grade besitzen, neue Formen, bei denen mehrere oder sämtliche erwünschten Eigenschaften vereint sind. Selektion ist schon von den alten Römern getrieben worden, und auch in neuerer Zeit hat man, da die durch Stecklinge vermehrten „Sorten“ wohl keine Klonen sind und außerdem Knospenmutationen vorkommen, damit vielfach gute Erfolge erzielt (siehe Muth 36, Dern 21), und Molz (35) glaubt sogar an die Möglichkeit, durch Selektion die Reblausfrage zu lösen. Hier wird aber wahrscheinlich die Kreuzung bessere Resultate geben können. Seit dem Auftreten der aus Amerika eingeführten Rebenschädlinge, Peronospora, Oidium und Reblaus, ist eine große Zahl von Hybriden gezüchtet worden, die teils als Unter- lagen bei der Pfropfung der Reben gegen die Reblaus, teils als Direkt- träger, d. h. gegen die Feinde resistente weingebende Sorten, Anwendung finden sollten. Während bei der Züchtung von Unterlagen große Er- folge erzielt worden sind, kann dies von der Züchtung von Direktträgern nicht behauptet werden. Diese Züchtungen sind zu großem Teil von in der Praxis bewährten Männern, denen aber die wissenschaftlichen Arbeitsmethoden meistens fremd waren, ausgeführt, und es ist zu Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 1 2 Rasmuson. hoffen, daß es bei planmäßiger Züchtungsarbeit nach modernen wissen- schaftlichen Methoden gelingen wird, ein besseres Resultat zu er- zielen. Auf die große Litteratur über ältere Kreuzungen gehe ich im folgenden nur dann ein, wenn die dortigen Angaben sich auf die von mir untersuchten Eigenschaften beziehen und zur Erklärung der Ver- erbung dieser Eigenschaften beitragen können. Seit 1912 habe ich als Assistent in der Kaiserl. Biol. Anstalt für Land- und Forstwirtschaft in der Versuchsanlage dieser Anstalt zu Villers l’Orme bei Metz Kreuzungsversuche ausgeführt, um die Ver- erbungsverhältnisse bei den Reben aufzuklären und damit festzustellen, ob es möglich ist, gegen die Schädlinge und besonders die Reblaus resistente Qualititstraubensorten zu züchten. Es sind mehrere Hun- derte von neuen Bastarden gezüchtet worden, von denen ich aber bis jetzt keine zweite Generation bekommen konnte, da Rebensämlinge 4—5 Jahre bis zur Blüte brauchen. Von älteren Bastarden habe ich aber nach rechtzeitigem Einbeuteln ihrer Blütenstände eine zweite Generation ziehen können und dadurch einige Beobachtungen über die Vererbung einzelner Eigenschaften machen können, worüber ich teilweise schon kurz berichtet habe (41). Die Beobachtungen sind allerdings teilweise nur spärlich und erlauben nicht immer feste Schlüsse zu ziehen. Da ich aber die Untersuchungen nicht weiter fortsetzen werde, teile ich doch jetzt das Resultat meiner Studien mit. Es ist mir eine angenehme Pflicht meinem Direktor Herrn Ge- heimerat J. Behrens für die Anregung zu diesen Untersuchungen sowie ihm und meinem Laboratoriumschef, Herrn Geheimerat Dr. J. Moritz für das Interesse, das sie meiner Arbeit immer gezeigt haben, hier meinen ergebensten Dank auszusprechen. Herrn Ökonomierat Wanner, Inspektor in Reblausangelegenheiten für Elsaß-Lothringen, bin ich für seine Erlaubnis die Rebensorten der Anlage zu Kenchen zu benutzen sowie für viele gute Ratschläge zum großen Dank verpflichtet. Auch danke ich bestens Herrn Regierungsrat Dr. C. Börner, Mitglied der Kaiserl. Biol. Anstalt, der während meiner Abwesenheit von Villers l’Orme die Aussaat der Rebensamen besorgte. Material und Methodik. Das Material zu meinen Kreuzungen stammt aus den Anlagen der Kaiserl. Biol. Anstalt für Land- und Forstwirtschaft in Villers l’Orme und aus der Lothringischen Versuchsanlage zu Kenchen. Außerdem habe ich im Städtischen Weinbauinstitut Oberlin in Colmar Kreuzungen w Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. von europäischen, aus dem Rheintale stammenden Wildreben aus- geführt), da diese Wildreben weder in Villers l’Orme noch in Kenchen blühend vorhanden waren. Es sind außer Vinifera besonders die Arten Riparia und Rupestris bei den Kreuzungen verwendet worden. Eine Beschreibung von allen Vits-Arten gibt Schneider (45), von den amerikanischen Arten und ihren vielen Formen, darunter auch den meisten im folgenden erwähnten, Ravaz (43) und ich ver- zichte deswegen auf eine eingehende Beschreibung dieser Arten und Formen. Auch zwei Varietäten der Art Berlandieri sind zur Kreuzung benutzt worden. Sie sind in Villers l’Orme von Dr. Börner aus Samen gezogen worden, und ich habe sie deswegen Berlandieri Villers ’ Orme A und B genannt. Sie sind dadurch leicht zu unterscheiden, daß jene eine ganz oder fast geschlossene Stielbucht, diese eine weit offene be- sitzt. Die von mir benutzten Vinifera-Sorten werden im folgenden oft ohne den Artennamen genannt, und ich gebe deswegen hier ein Verzeich- nis von ihnen mit den deutschen und, soweit sie mit diesen nicht überein- stimmen, den ampelographischen Namen. Von Goethe (24) werden alle diese Sorten ausführlich beschrieben. Rießling, weißer, Elbling, weißer, Gutedel, weißer, Chasselas blanc, Gutedel, geschlitzter, Chasselas persil, Gutedel, halbgeschlitzter, Chasselas semi persil, Sylvaner, grüner, Gamay (de Liverdun, d’Orleans, Erice), Burgunder, blauer, Pinot noir, Burgunder, früher blauer, Pinot noir précoce, Burgunder, roter, Pinot gris, Auxerrois blanc, Spielart von weißem Burgunder, Pinot blane, Müllerrebe, Meunier, Trollinger, blauer, Rotgipfler, Traminer, weißer, Malingre précoce, Färbertraube, Teinturier, Hansen. 1) Herrn Verwalter Kühlmann, der die Frenndlichkeit hatte, diese Reben recht- zeitig einzubeuteln, spreche ich hierfür meinen besten Dank aus. 1* 4 Rasmuson. Bekanntlich werden in der Praxis die Reben nur durch Stecklinge vermehrt, und die verschiedenen Stöcke einer Rebensorte (-form, -varietät) sind also, wenigstens theoretisch, Teile eines einzigen Samenindividuums. Aus Samen gezogene Reben bekommen besondere Namen oder Bezeich- nungen. Die Hybriden haben meistens von ihren Züchtern Nummern bekommen, so daß jede Bastardpflanze eine Sorte bildet, die dann durch Stecklinge vermehrt wird. Bei den Kreuzungen in Villers Orme sind die bei solchen Ver- suchen üblichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen worden. Die Blüten der zwitterigen Sorten sind 5—6 Tage vor dem Aufblühen kastriert worden. Von mir ausgeführte Kontrollversuche mit kastrierten nicht bestäubten Blüten haben gezeigt, daß um diese Zeit keine Gefahr für Selbst- befruchtung vorliegt. Dagegen ist es sicher zu spät, das Kastrieren erst zu einer Zeit auszuführen, wo schon einzelne Blüten des Gescheins offen sind, wie Millardet (33) und anscheinend auch Hedrick und Anthony (25) getan haben, da die Staubbeutel sich dann beim Druck der Pinzette leicht öffnen und die Narbe mit Pollen belegen können. Kontrollversuche von den beiden letzten Forschern haben auch gezeigt, daß um diese Zeit kastrierte Blüten doch Samen ausbilden können. Den richtigen Zeitpunkt kann man am besten durch Vergleich mit früher blühenden Sorten feststellen, da es oft schwierig ist, das Entwicklungs- stadium einer Blütenknospe durch direkte Beobachtung zu bestimmen. Da die Rebenblüten sich durch Abwerfen der zu einer Mütze vereinigten Kronenblätter öffnen, hat sich mir als beste Methode beim Kastrieren bewährt, mit einer Pinzette die Mütze hochzuheben, wobei meistens gleichzeitig die Staubbeutel entfernt werden. Die Narbe wird dadurch bloBgelegt. Ein zu frühzeitiges Kastrieren ist deswegen schädlich und außerdem schwieriger auszuführen, da die Mütze leicht zerreißt, und man dann die Staubbeutel einzeln entfernen muß. Die kastrierten Blütenstände wurden in Beutel eingeschlossen, die im ersten Jahre teilweise aus dichtem Leinen, sonst aber immer aus Pergaminpapier bestanden. Die Pergaminbeutel zerreißen zwar leicht bei Regenwetter und sind vielleicht auch für die Entwicklung der Reben- blüten weniger günstig, sie bieten aber meiner Ansicht nach eine größere Sicherheit, daß kein fremder Pollen auf die Narben kommt. Auch die pollengebenden Blütenstände sind vor dem Aufblühen gebeutelt worden, oder ich hatte sie abgepflückt und in einem geschlossenen Raum auf- blühen lassen. Auch kann man vollständig entwickelte, aber noch nicht offene Blüten an einer geschützten Stelle in die Sonnenhitze legen, wo Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 5 sie dann nach einigen Minuten die Mütze abwerfen und die Staubbeutel sich öffnen. Da die Vitis-Arten nicht gleichzeitig blühen, habe ich oft Pollen frühblühender Sorten einige Zeit aufbewahren müssen. Dies war bei Kreuzungen von Vinifera mit männlichen Kiparia-Sorten fast immer notwendige. Der Pollen läßt sich in Uhrgläschen über Chlorkalzium sehr gut aufbewahren und kann sich unter diesen Umständen wochenlang halten. Mit einem Pinsel wurde er dann auf die Narbe gebracht. Hat man aber frisch geöffnete Blüten zur Verfügung, bringt man am besten den Pollen auf die Narbe in der Weise, daß man die Staubbeutel gegen die Narbe reibt. Die künstliche Kreuzung der Vits-Arten gelingt im allgemeinen sehr leicht. Doch muß man besonders bei regnerischer Witterung in der Blütezeit die Bestäubung mehrmals wiederholen, da dann oft, wie ich im Jahre 1914 beobachtet habe, an der sonst nur schwach feuchten Narbe Fliissigkeitstropfen ausgeschieden werden, die abfallen und dabei den Pollen entfernen können, ehe er in die Narbe hineingewachsen ist. Nach Viala et Pacottet (48) können zuweilen mehrere solche Tropfen an einem Tage gebildet werden. Die aus gekreuzten und selbstbestäubten Blüten erhaltenen Samen wurden im Monat Februar in Keimschalen im Gewächshaus ausgesät. Die Keimfähigkeit war auch bei ein und derselben Sorte in verschiedenen Jahren sehr ungleich. So keimten im Frühjahr 1914 die Samen sehr gut, und ich bekam mehr als 2000 Simlinge. Im Jahre 1913 keimten besonders die Vinzfera-Samen sehr schlecht, wahrscheinlich weil sie in unreifem Zustande von einem starken Frost getroffen worden waren. Aber auch 1915 war die Keimfähigkeit sehr gering. Samen von Riparia X Gamay, Oberlin 604, gaben 1913 143 Pflanzen, während 1915 aus ungefähr derselben Anzahl von Samen nur 10 Pflanzen er- halten wurden. Im Mai wurden die Keimpflanzen in ein Mistbeet über- tragen, wo sie den ganzen Sommer über blieben, um im nächsten Früh- jahr in den freien Weinberg ausgepflanzt zu werden. Im Jahre 1914 wurden Versuche gemacht, die Sämlinge noch während des Sommers in den Weinberg auszupflanzen. Es geschah dies im Monat Juli mit fast 200 kräftigen Pflanzen aus verschiedenen Kreuzungen. Sie wurden täg- lich reichlich begossen, und es gelang in dieser Weise fast alle leben- dig zu erhalten. Im Jahre 1915 zeigten diese Pflanzen sich viel kräftiger als die erst im Frühjahr dieses Jahres ausgepflanzten. Es ist also sehr vorteilhaft, die Sämlinge schon im ersten Jahre in den Wein- 6 Rasmuson. berg zu bringen, wenn nur Arbeitskräfte genug vorhanden sind, damit ihr Vertrocknen verhindert werden kann. Geschlecht. Die ersten experimentellen Untersuchungen über das Geschlecht der Reben verdanken wir Rathay (42). Er stellte fest, daß die drei von Bronner schon beobachteten, in der Blütenbildung morphologisch verschiedenen Typen auch physiologisch verschieden sind. Die andro- dynamischen sterilen Sorten besitzen lange Staubfäden und eine be- fruchtungsunfähige Narbe und sind physiologisch Männchen. Die andro- dynamischen fertilen Sorten haben lange Staubfäden und befruchtungs- fähige Narben und sind physiologisch Zwitter. Die gynodynamischen fertilen Sorten haben kurze, zurückgebogene Staubfäden und befruch- tungsfähige Narben und sind nach Rathay physiologisch Weibchen. Die Pollenkörner der androdynamischen fertilen und die der andro- dynamischen sterilen sind tonnenförmig mit drei Längsleisten und an diesen je einem kreisförmigen Tiipfel. Die Pollenkörner der gyno- dynamischen fertilen Sorten sind an den Enden zugespitzt. oder abge- rundet, und es fehlen ihnen die Leisten und Tüpfel. Jene bilden in verschiedenen Zuckerlösungen Pollenschläuche, diese aber nicht, und Rathay schließt hieraus, daß nur die Pollenkörner der androdynamischen, sterilen und fertilen, aber nicht jene der gynodynamischen Blüten zur Befruchtung taugen. Im Gegensatz hierzu behauptet Gard (22), daß die Pollenkörner der weiblichen Sorten zwar zur Befruchtung dieser Sorten selbst nicht fähig sind, wohl aber zur Befruchtung anderer Reben- sorten. Damit stimmen die früheren Angaben von Millardet (33), dab er ungefähr 300 Hybriden gezogen hat, wozu weibliche Sorten als Vater- pflanzen benutzt wurden, und von Oberlin (40), daß er die weibliche Riparia Millardet zu allen seinen Aiparia-Kreuzungen benutzt hat (wobei sie auch die Rolle als Vaterpflanze gespielt haben muß), überein. Nach Hedrick und Anthony (25) sind zwar einige weibliche Sorten völlig selbststeril, bei anderen soll aber die Selbststerilität nicht ganz vollständig sein. Sie vermuten, daß der Grad der Selbststerilität von äußeren Einflüssen abhängig ist. Um die Selbststerilität der von mir zu Kreuzungen benutzten, als weiblich angegebenen Sorten zu prüfen, habe ich in den Jahren 1912 bis 1915 wiederholt Gescheine von diesen Sorten vor dem Aufblühen in Pergamintüten eingeschlossen. Diese Sorten waren: Riparia grand glabre, Riparia Perrier, Riparia Millardet, Rupestris Geisenheim 187, Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 7 Berlandieri Villers VOrme A, Berlandieri Villers VOrme B, Labrusea (eine Varietät mit ganz fortlaufenden Ranken im Sortiment in Villers l’Orme) und im letzten Jahre ein Stock der Art Bicolor. In keinem einzigen Falle habe ich Samen bekommen, diese Sorten sind also völlig selbststeril. Sie besitzen alle kurze, zurückgebogene Staubfäden, bilden aber reichlich Pollen, der jedoch, wie bei den von Rathay (42) unter- suchten Sorten, sehr unregelmäßige Form und zuweilen eine seitliche Einbuchtung besitzt. Bei meinen allerdings wenig zahlreichen Keimungs- versuchen in Zuckerlösungen haben sie keine Pollenschläuche gebildet. Um Bastarde von der Kombination Zwitter X Weibchen zu be- kommen und gleichzeitig die Angaben von Gard nachzuprüfen, habe ich einige Versuche mit den weiblichen Sorten als Vaterpflanzen gemacht. Pollen wurde von in Pergaminbeuteln eingeschlossenen Gescheinen der weiblichen Sorten gesammelt und auf die reifen Narben einiger recht- zeitig kastrierten Vinzfera-Sorten gebracht. Es wurden die folgenden Kreuzungsversuche ausgeführt: Vinifera Sylvaner X Riparia Millardet, Vinifera Sylvaner X Riparia grand glabre, Vinifera Weißer Gutedel X Berlandieri Villers VOrme B. Der Pollen der beiden Riparia-Varietäten war einige Zeit über Chlorkalzium aufbewahrt gewesen, der Berlandieri-Pollen wurde dagegen an demselben Tag gesammelt und in reichlicher Menge zur Bestäubung benutzt. Dies war dadurch möglich, daß der benutzte Stock der sonst sehr spätblühenden Art Berlandieri in einem Gewächshaus stand und so gleichzeitig mit den im freien Weinberge stehenden Vinifera-Sorten zum Blühen kam. Bei keiner dieser Kreuzungen bekam ich Beeren. Ich vermute, daß der Mangel an Übereinstimmung mit den Resultaten von Gard nicht an der kleinen Zahl meiner Versuche liegt. Immerhin wäre es interessant, diese Versuche im größeren Maßstabe zu wiederholen, da es nicht ausgeschlossen ist, daß verschiedene weibliche Sorten sich in dieser Hinsicht verschieden verhalten, wie sie es im Grade der Selbst- sterilität nach Hedrick und Anthony (25) tun sollen. Uber die Vererbung des Geschlechts haben Hedrick und Anthony (25) Untersuchungen gemacht, deren Resultate aber kaum ganz zuver- lässig sind, da die Möglichkeit einer Selbstbestäubung der kastrierten zwitterigen Sorten wegen zu späten Kastrierens nicht ganz ausgeschlossen scheint. Sie haben bei den Kreuzungen Zwitter X Männchen ungefähr die- selbe Zahl von Zwittern und Männchen, bei Selbstbestäubung der Zwitter nur Zwitter bekommen. Als Erklärung wird unter den von Hedrick 8 Rasmuson. und Anthony als möglich erwähnten diejenige Annahme die beste sein, wonach die Zwitter homozygotisch, die Männchen dagegen hetero- zygotisch sind. Dann wäre Zwitter, selbstbestäubt 3% X 33 — 35 und Zwitter X Männchen 33 X 5f = 8% + 4B. Man würde nach dieser Erklärung die Männchen als umgebildete Zwitter betrachten können, und dies steht mit der Ansicht von Rathay (42, II, S. 58) in Übereinstimmung, daß zu den Reben nur zweierlei wesentlich verschiedene Individuen gehören, von denen „die Blüten der einen stets weiblich, jene der anderen je nach der vollkommenen oder unvollkommenen Entwicklung ihres Stempels entweder zwitterig, inter- mediär oder männlich sind“. Diese Ansicht stützte Rathay auf die Beobachtung, daß die weiblichen Individuen ausnahmslos weibliche Blüten, die männlichen niemals weibliche, aber zuweilen, neben männ- lichen, zwitterige und intermediäre, und die zwitterigen Individuen nie- mals weibliche, aber, neben zwitterigen, männliche und intermediäre Blüten ausbilden. Auf demselben Individuum können also niemals männ- liche und weibliche Blüten zusammen, wohl aber männliche und zwitte- rige vorkommen. Hedrick und Anthony haben auch Untersuchungen über die Ver- erbung der beiden Staubfädentypen ausgeführt. Sie haben die folgenden Resultate bekommen, wo U lange, gerade Staubfäden (,upright“) und R kurze, zurückgebogene („recurved“) bedeutet. U < U und U, selbstbestäubt, gaben 4,3 U:1 R, R&R und R, selbstbestäubt, gaben 12 U: 1 R, R XU gab SU: it des, U xR gab trotz zahlreicher Kreuzungsversuche nur sehr wenig Pflanzen. Als Erklärung für die Resultate nehmen die Verfasser eine ver- schiedene genotypische Konstitution der Eizellen und Pollenkörner an, ohne darauf näher einzugehen, wie sie sich dies denken. Leider haben die Verfasser nicht angegeben, ob sie als U-Pflanzen nur Zwitter (wie bei U, selbstbestäubt, und UX R) oder auch Männchen (bei RX U) ver- wendet haben. In diesem Falle wäre es natürlich nicht richtig, die ähnlichen Kreuzungen (z. B. RX U) aller U-Pflanzen zusammen aufzu- führen. Der scheinbare Gegensatz zwischen der Angabe, daß U selbst- bestäubt (wo es sich natürlich um Zwitterpflanzen handeln muß) auch R-Pflanzen abspaltet, und der oben erwähnten Angabe, daß die Zwitter bei Selbstbestäubung immer nur Zwitter geben, scheint darin seine Er- Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 9 klärung zu finden, daß die Verfasser auch die Sorten mit zurückgebogenen Staubfäden als Zwitter bezeichnen, wohl aus dem Grunde, daß sie nicht immer ganz selbststeril sind. Es ist zu bedauern, daß die Verfasser nicht ausführlichere Tabellen mit den verschiedenen Sorten getrennt mitgeteilt haben. Buntblättrigkeit. Bei den Pflanzen kommen bekanntlich viele Formen vor, deren Blätter vollständige oder stellenweise chlorophyllfrei und deswegen ganz oder teilweise nichtgrün sind oder das Chlorophyll in geringerer Inten- sität als gewöhnlich besitzen. Solche Formen sind vielfach auf die Ver- erbbarkeit des bezüglichen Merkmals geprüft worden und haben dieses entweder nicht vererbbar oder in verschiedener Weise vererbbar gezeigt. Nicht vererbbar, sondern infektiöser Natur ist die Buntblättriekeit vieler von Lindemuth (32) und Baur (1, 2, 3, 4) untersuchten Formen. Vererbbare Buntblittrigkeit gibt es von vier äußerlich verschiedenen Typen, nämlich: blaßgrüne, gelbe bis gelbgrüne, weiße und gelb- oder weißgefleckte. Zur ersten Gruppe gehört der von Correns (18) bei Mirabilis jalapa und Urtica pilulifera, von Baur (7, 8) bei Aquilegia vulgaris gefundene Chlorina-Typus, dessen Blätter dieselben Farbstoffe wie normalgrüne Blätter, aber in kleinerer Menge enthalten und deswegen blaßgrün erscheinen. Das Chlorina-Merkmal zeigt sich bei Kreuzungen mit normalgrünen Formen derselben Art rezessiv und tritt in der zweiten Generation bei einem Viertel der Nachkommen wieder auf. Shull (46) hat bei Melandrium zwei verschiedene blaßgrüne Sippen gefunden, die er Chlorina und Pallida nennt. Beide verhalten sich der normal- grünen Sippe gegenüber rezessiv. Bei Kreuzung untereinander geben sie normaldunkelgrüne Individuen, und in der zweiten Generation tritt eine Spaltung in 9 dunkelgrüne : 7 hellgrüne ein. Unter den hellgrünen sind einige chlorina, andere pallida. Rein gelbblättrige Individuen fand Baur (5) bei Antörrhinum majus. Sie enthalten nur die gelben Farbstoffe gewöhnlicher Blätter und sind nicht lebensfähig, sondern sterben kurze Zeit nach der Kei- mung ab. Bastarde zwischen normalgrünen und gelben Sippen von Antirrhinum sind gelbgrün, „aurea“-farbig, und spalten normalgrüne, aurea-farbige und gelbe Individuen im Verhältnis 1:2:1 ab. Da die gelben fast sofort absterben, bekommt man bei später Kontrolle das Verhältnis 1:2, normalgrüne und aurea-farbige. Johannsen (28) hat 10 Rasmuson. bei Phaseolus vulgaris aus Samen zwei aurea-Pflanzen gezogen, die sich aber konstant zeigten. Bei Roggen kommen nach Nilsson-Ehle (38) gelbblättrige Formen vor, die sich gegen normalgrüne rezessiv verhalten. Rein weiße Formen sind zuweilen als Knospenmutation aufgetreten. Eine solche hat Johannsen (28) bei Phaseolus gefunden, sie zeigte sich nicht lebensfihig. Bei Melandrium album fand Baur (7) einen weißrandigen Zweig, der eine Periklinalchimäre war, und dessen zwei äußere Schichten weiß waren. Die Geschlechtszellen stammten also aus einer weißen Schicht. Bei Kreuzung mit grünen Individuen wurde die erste Generation grün und in der zweiten trat Spaltung in 3 grüne : 1 weiße ein. Die subepidermale Schicht dieses Zweiges war in der Blattfarbe heterozygotisch und gab bei Selbstbestäubung grüne und weiße Pflanzen im Verhältnis 3:1. Ähnliche Knospenmutationen fand Baur bei Antirrhinum latifolium und Antirrhinum rupestre. Bei Gerste kommen gelegentlich rein weiße Formen vor, die, wie Nilsson-Ehle (38) gezeigt hat, sich gegen Normalgrün rezessiv verhalten. Ähnlich ver- halten sich Formen von Roggen, die aber meistens nicht rein weiß, sondern rosarot sind. Zur vierten Gruppe gehören Pflanzen, deren Blätter nur stellen- weise ohne Chlorophyll sind und infolgedessen gelbe oder weiße Flecke oder Streifen zeigen. Die Art der Vererbung ist bei diesen Formen sehr verschieden. Die Albomarginata-Form von Pelargonium zonale ist nach Baur (6, 7) eine Periklinalchimire mit grünen inneren und weißen äußeren Schichten. Sie ist bei Selbstbestäubung konstant und gibt bei Kreuzung mit der grünen Form Pflanzen, die mosaikartig aus grünen und weißen Gewebekomplexen gebildet sind. Die Geschlechtszellen übertragen hier die Eigenschaft, die der geschlechtsbildenden Schicht gehört. Dagegen ist nach Correns (18) die Albomarginata-Form von Lunaria annua gegen Grün in normaler Weise rezessiv. Die Variegata- Form von Mirabilis Jalapa besitzt an den Blättern chlorina oder heller gefärbte Flecke. Sie spaltet nach Correns (18, 20) immer vegetativ und besitzt sowohl Varzegata- als auch rein grüne Zweige. Bei Selbst- befruchtung der Blüten der grünen Zweige tritt eine Spaltung ein; !/; der Nachkommen sind konstant grüne, 7/4 wieder spaltende grüne und !/ı Variegata-Pflanzen. Bei Selbstbefruchtung der Blüten der Variegata-Zweige werden aber nicht nur Variegata-Pflanzen erhalten, sondern auch einige grüne Pflanzen, die entweder konstant bleiben oder wieder spalten. Das Variegata-Merkmal ist also gegen Grün rezessiv, aber nicht ganz konstant. Eine ähnliche Form kommt nach Baur (7) Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 11 bei Aquilegza vulgaris vor. Bei Mirabilis kommt auch eine weißgefleckte Form, Albomaculata, vor. Sie beruht aber nach Correns (19) auf einer ürkrankung des Plasmas und wird nur dann auf die Nachkommenschaft übertragen, wenn die Mutterpflanze krank ist. Eine kranke Eizelle überträgt diese Art von Buntblittrigkeit, ein krankes Pollenkorn aber nicht. Kajanus (30) hat bei Trifolium pratense eine ähnliche Form gefunden, für die er auch dieselbe Vererbungsweise annimmt. Für eine gelblichweib gefleckte Form von Vieia Faba minor hat dagegen Kiessling (31) eine andere Vererbungsart konstatiert. Sie zeigte sich gegen Normalgriin rezessiv und trat in der zweiten Generation wieder auf. Die bunten Pflanzen waren untereinander sehr verschieden sowohl in der Ausdehnung der gelbweißen Flecken als auch in ihrem zeitlichen Auftreten. Es waren Abstufungen vorhanden von nur ziemlich gleich- mäßiger Abschwächung des Grüns bis zur scheinbar vollständigen Ver- drängung des Chlorophylls. Bei einigen waren schon die ersten Blätter panachiert, die späteren dagegen normal grün; bei anderen waren um- gekehrt die ersten Blätter normal grün, und erst später traten bunte Blätter auf. Ein Teil der bunten Keimpflanzen vermochten die Erde nicht zu durchbrechen, einem anderen Teil gelang dies, sie starben aber doch bald ab. Wieder ein anderer Teil gab samentragende Pflanzen. Kiessling nimmt für die Grundunterschiede der Buntheit eine Mehrzahl mendelnder Faktoren an. Bei den Reben kommen auch buntblättrige Formen vor, worüber ich (41) früher kurz berichtet habe. Es gibt zwei äußerlich verschiedene Typen, einen mit weißen oder schwach gelblichen unregelmäßigen und einen anderen mit gelben, meistens streifenförmigen Flecken. Die erste, weiße Form von Panachüre habe ich in der Nachkommen- schaft dreier Hybriden zwischen den Spezies Rzparza und Vinifera ge- funden. Es sind die stellenweise als Direktträger benutzten Oberlin- schen Hybriden Riparia X Gamay, Nr. 595, 604 und 605. Im Frühjahr 1913 sind aus mehreren in Kenchen gebeutelten Gescheinen dieser Hy- briden erhaltene Samen ausgesät worden, und unter den Keimpflanzen zeigten sich dann mehrere, die buntblättrig waren. Sie hatten in vielem mit den weißbunten Pferdebohnen von Kiessling Ähnlichkeit. So waren alle Abstufungen vorhanden zwischen (scheinbar) rein weißen oder gelblichen und fast ganz grünen, die nur hier und da an ein- zelnen Blättern etwas Weiß zeigten, dabei aber auch ganz grüne Blätter besaßen. Jene starben kurz nach dem Erscheinen über der Erdoberfläche ab, während einzelne von diesen so reifes Holz erzeugten, 12 Rasmuson. daß sie überwintern und im folgenden Frühjahr in den Weinberg aus- gepflanzt werden konnten, wo sie indes noch im nächsten Winter teilweise abstarben. Im Sommer 1915 waren im Weinberge noch zwei Pflanzen vorhanden, die deutlich die Weißbuntheit zeigten. Auch im zeitlichen Auftreten der Weißbuntheit waren Unterschiede vorhanden. Meistens waren schon die Kotyledonen ganz oder teilweise chlorophylifrei, zuweilen aber waren sie ganz grün und erst an einem Laubblatt trat die Panachüre auf. Bei einzelnen von diesen war doch das Chlorophyll in den Kotyledonen etwas unregelmäßig verteilt, so daß Flecke von etwas hellerem Grün vorhanden waren. Diese Erscheinung kam aber bei einzelnen Pflanzen vor, auch ohne daß später eine Weißbuntheit auftrat. In den Jahren 1914 und 1915 wiederholte ich das Aussäen von aus gebeutelten Gescheinen der drei genannten Hybriden erhaltenen Samen. Eigentiimlicherweise zeigten diese aber, und besonders die im Jahre 1914 ausgesäten, eine sehr schlechte Keimfähigkeit, und dann kam hinzu, daß 1915 eine Menge Keimpflanzen in den Keimschalen von Schnecken gefressen wurden, ehe ich sie untersucht hatte. Da ich schon einige tote, fast ganz weiße Keimpflanzen entfernt hatte, konnte ich nicht mit der Möglichkeit rechnen, daß die beiden Sorten in demselben Ver- hältnis gefressen sein könnten, und es hatte also keinen Zweck die Zahlen festzustellen. Beide Jahre trat aber die Weißbuntheit auf und ungefähr in demselben Verhältnis wie im Jahre 1913, das heißt 1 weiß- bunte:3 grüne Pflanzen. Die 1913 gefundenen Zahlen und die nach dem Verhältnis 3:1 zu erwartenden zeigt die folgende Tabelle F,-Beobachtung | F,-Erwartung . + Name der F,-Bastardpflanze SSS — Differenug = grüne | bunte | griine | bunte mittlerer Fehler?) | Riparia X Gamay, Oberlin55 | 98 | 30 | 96 32 +2 + 4,899 = 5 » 604 108, | 41 | 108 | 86 —5 +5,196 B y » 605} 159 | 54 | 159,75 | 53,25 | — 0,75 + 6,320 *) Der mittlere Fehler ist nach der yon Johannsen (29, S. 215) angegebenen Methode berechnet. Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 13 Die Tabelle zeigt eine gute Übereinstimmung der gefundenen und der nach dem Verhältnis 3:1 zu erwartenden Zahlen. In keinem Falle ist die Differenz so groß wie der mittlere Fehler. Da die Bastarde selbst grün sind, ähnelt diese Spaltung vollständig derjenigen, die in der Nachkommenschaft eines Bastards zwischen grünen und bunten Sippen vorkommen würde, wenn Grün über Bunt dominant wäre. Durch diese Ähnlichkeit ist man zu der Vermutung berechtigt, daß die drei Oberlinschen Bastarde auch Bastarde zwischen einer grünen und einer bunten Sippe sind, d. h. ein für die Ausbildung der gewöhnlichen erünen Blattfarbe notwendiges Gen heterozygotisch enthalten. An eine Fig. 1. Buntblättriger Sämling von Fig..2. Buntblättriger Sämling von Riparia X Gamay, Oberlin 595. Riparia X Gamay Oberlin 604. Vererbung wie bei der Albomaeulata-Form von Mirabilis ist nicht zu denken, da die Mutterpflanze gesund und nur ein Viertel der Nach- kommen bunt ist. Vielleicht wird es möglich sein, die noch lebenden Pflanzen bis zur Blüte zu erhalten und dann durch Kreuzung eine genaue Analyse zu liefern. Es sind aber noch andere Tatsachen vor- handen, die die Mendelsche Vererbung der Weißbuntheit sicher machen. Wenn die Oberlinschen Hybriden im Gen für normale Ausbildung der grünen Blattfarbe heterozygotisch sind, so muß die Weißbuntheit durch irgendeinen der Eltern eingeführt worden und also wenigstens eine der Elternpflanzen selbst buntblättrig oder ein Bastard zwischen Grün und Bunt gewesen sein. Die Eltern — Réparia Millardet (wahrschein- lich, 40, 8. 114) und eine Varietät der Vinifera-Sorte Gamay — sind aber 14 Rasmuson. beide grün. Zwar könnte man hier an eine Analogie mit den Pferde- bohnen denken, wo anfangs bunte Pflanzen sich später grün zeigten, so daß die in Jugendstadien erkrankten Pflanzen nicht mehr zu erkennen waren (31). Dies ist aber wenig wahrscheinlich und könnte in keinem Falle für beide Elternpflanzen gelten, da in diesem Falle auch die Oberlinschen Bastarde genotypisch bunt und phänotypisch grün hätten sein müssen und deswegen die Weißbuntheit auf mehr als ein Viertel der Nachkommen, nämlich auf alle oder, im Falle von Dominanz der Bunt- heit, auf drei Viertel vererben. Dagegen würde die Annahme, daß eine oder beide Elternpflanzen heterozygotisch seien, eine gute Erklärung geben können. Dies müßte sich in der Nachkommenschaft der betreffen- den Sorte zeigen, da hier bunte Pflanzen auftreten müßten. In der Tat ist dies bei der Gamay-Rebe der Fall. In der Nachkommenschaft eines geselbsteten Stocks der Sorte Gamay de Liverdun im Kenchener Sortiment habe ich einige Individuen gefunden, die dieselbe Art von Weißbuntheit wie die oben beschriebene zeigten. Es waren zwar nur 2 unter 22 Pflanzen. Nach dem Verhältnis 3:1 wären teoretisch 5,5 bunte zu erwarten. Der mittlere Fehler ist aber + 2,031 und die Diffe- renz (Beobachtung — Erwartung — — 3,5) also nicht zweimal so groß und deswegen auch ohne größere Bedeutung, da das Dreifache des mitt- leren Fehlers sowohl nach der positiven als auch der negativen Seite hin als ungefährliche Grenze angesehen wird. Außerdem sind von den grünen Keimpflanzen einige gestorben, ehe sie andere Blätter als die Kotyledonen entwickelt hatten, und unter diesen waren zwei mit der oben erwähnten etwas unregelmäßigen Chlorophyllentwicklung. Vielleicht wären eine oder beide später bunt geworden. In Kenchen habe ich in der Aussaat eines Stockes von Gamay de Liverdun Mitte Juli 1 bunte und 8 grüne Keimpflanzen gezählt. Vielleicht waren doch um diese Zeit schon bunte Keimlinge gestorben. Auch in der Nachkommenschaft eines andern Gamay-Stocks, der von mir zu allen meinen Gamay-Kreuzungen benutzt wurde und wahr- scheinlich der Sorte Gamay Ericé angehört, traten bunte Pflanzen auf. Die Gescheine waren aber hier bei der Blüte nicht gebeutelt gewesen. Der Stock stand in einem Gewächshaus, und gleichzeitig blühten dort zwei Rupestris-Sorten, Rupestris du Lot und Rupestris de Fortworth Nr. 3. Es wäre also eine Kreuzung mit diesen Sorten möglich gewesen. Eine solche hätte aber nicht die Buntheit hervorrufen können, da die künstlichen Kreuzungen Gamay X Rupestris du Lot und Gamay X Ru- pestris de Fortworth Nr. 3 nur grüne Pflanzen, und zwar 34 bezw. 35, Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 15 gaben. Im Gegenteil würde eine solche Kreuzung eine zu große Zahl von grünen Pflanzen verursachen, und tatsächlich wurden 46 grüne und nur 4 bunte Individuen gefunden. Ein zweiter Gamay-Stock, der von den Rupestres etwas weiter entfernt stand, gab 45 grüne und 8 bunte Pflanzen, was dem Verhältnis 3:1 näher kommt, und dies spricht dafür, daß beim ersten Stock Fremdbestäubung die Zahl der grünen Pflanzen vermehrt hatte. Die theoretischen Zahlen sind beim ersten Stock 37,5 und 12,5, beim zweiten 39,75 und 13,25 und die mittleren Fehler + 3,062 bezw. 3,152. Die Differenz (Beobachtung — Erwartung) ist im ersten Falle 8,5, also beinahe dreimal so groß wie der mittlere Fehler, im zweiten Falle 5,25 und also nicht zweimal den mittleren Fehler. Beide Fälle könnten also einer Spaltung nach dem Verhältnis 3:1 ent- sprechen, wahrscheinlich ist aber doch wenigstens im ersten Falle Fremd- bestäubung teilweise an der zu großen Zahl der grünen Individuen Schuld ge- wesen. Auch in Kenchen zeigte die Nachkommenschaft eines Gamay Erice- Stocks bunte Pflanzen, die Beobachtung wurde aber so spät gemacht, daß die Zahlen nicht mehr festzustellen waren. Es ist also sicher, dab ver- schiedene Gamay-,,Sorten“ in einem Fig. 3. Buntblättriger Sämling Gen für gleichmäßige Chorophyllaus- von Gamay. bildung heterozygotisch sind und die An- lage von Weißbuntheit tragen. Damit ist das Auftreten von bunten Pflanzen in der Nachkommenschaft der Oberlinschen Hybriden erklärt. Es wäre aber möglich, daß auch die andere Elternpflanze, Riparia Millardet, die Buntblättrigkeit übertragen hätte. Da diese selbststeril ist, ist es nicht möglich die Frage von Heterozygotie in derselben Weise wie bei Gamay zu entscheiden. Es muß aber in einer andern Weise, durch Kreuzung mit Gamay, gelingen. Wenn das Gen A und sein Fehlen a bezeichnet wird, ist die Gamay-Rebe Aa, und wenn Riparia Millardet auch in diesem Gen heterozygotisch ist, muß sie dieselbe Konstitution Aa haben. Die Kreuzung Ziparia Millardet X Gamay wäre dann Aa X Aa und müßte !/; AA, d.h. konstant grüne, °/ı Aa, d.h. spaltende grüne und My aa, d.h. weißbunte Pflanzen geben. Es müßten also schon in der ersten Bastardgeneration bunte Pflanzen auftreten. Wenn aber Rzparia Millardet AA ist, müssen alle Bastarde grün werden und die Hälfte 16 Rasmuson. davon in der zweiten Generation spalten. Um festzustellen, welcher Fall zutrifft, habe ich diesen Sommer (1915) die Kreuzung ausgeführt, und werden die Samen im nächsten Frühjahr ausgesät. Dieselbe Art von Weißbuntheit ist auch in der Nachkommenschaft eines Rupestris-Bastards, Hybride Franc genannt, aufgetreten. Dieser stammte aus einem Samen von einer Rupestris-Sorte, und es wird an- genommen, daß der Vater eine Vinifera-Varietät, vielleicht Cabernet- Fig. 4. Buntblättriger Sämling von Riparia X Trollinger Geisenheim 110, im zweiten Jalıre. Sauvignon (43, 8. 279) war. Die Nachkommenschaft bestand aus 23 grünen und 9 bunten Pflanzen, und das Verhältnis war also fast genau 3:1. Die zweite oben erwähnte Form von Panachüre bei Reben, die gelbgefleckte, trat in der Nachkommenschaft des Bastards Trollinger X Riparia Geisenheim 110 auf. Die Samen stammten aus der Kel. Preußischen Lehranstalt zu Geisenheim a. Rh., wo die Gescheine des Bastards rechtzeitig gebeutelt worden waren. Die Flecke waren hier gelb auf grünem Grunde und oft, besonders an den Keimblättern, streifen- Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 17 förmig. Die Variabilität war nicht so groß wie bei der Weißbuntheit. Bei einigen Individuen traten aber auch ganz grüne Blätter auf. Die bunten Blätter waren auch in der Form von den grünen verschieden und dies war besonders auffallend bei Pflanzen mit sowohl bunten als auch grünen Blättern. Die Blattzähne waren bei den bunten viel länger und spitziger als bei den grünen und die bunten Keimblätter oft schmäler als die grünen. Nach Molz (35) tritt bei der Vinifera-Sorte Elbling infolge ungünstiger Ernährungsverhältnisse Spitzblättrigkeit auf, die aber durch Kalken und Gipsen des Bodens beseitigt werden kann. Die Form des gelbbunten Blattes würde danach darauf hindeuten können, daß diese Pflanzen schlechter ernährt sind als die grünen, und man könnte vermuten, daß die Erscheinung mit durch Kalk hervor- gerufener Chlorose zu tun hätte. Die Riparia-Sorten sind alle ziem- lich kalkempfindlich (Ravaz 43), der Trollinger liebt dagegen kräftige Kalkböden (Goethe 24), und in F2 wäre dann eine Spaltung in kalk- empfindliche und kalkresistente zu erwarten. Diese Erklärung kann aber nicht richtig sein, da die vielen unter genau denselben Verhält- nissen erwachsenen Keimpflanzen aus Kreuzungen verschiedener Riparza- Sorten keine solche Panachüre zeigen. Das Zahlenverhältnis weist auf eine monohybride Spaltung hin. Es waren 68 grüne und 15 gelbbunte Pflanzen vorhanden, und die nach dem Verhältnis 3:1 zu erwartenden Zahlen waren 62,25 und 20,75 mit dem mittleren Fehler + 3,945. Die Differenz ist also nicht zweimal so groß wie der mittlere Fehler, was eine genügende Übereinstimmung bedeutet. Durch welchen Elter die Panachüre eingeführt worden ist, habe ich nicht feststellen können. Aus Hunderten von gesäten Trol- lingersamen habe ich nur drei Pflanzen bekommen, und diese waren alle normal grün. Herbstverfärbung. Im herbstlichen Weinberg sind es zwei Farben, gelb und rot, die überwiegen, und je nach den vorkommenden Rebensorten ist die gebel oder die rote Farbe vorherrschend, denn jede Rebensorte verfärbt ihr Laub in für sie charakteristischer Weise. Die weiß- und die rotbeerigen Varietäten von Vinifera, sowie alle Varietäten von Riparia und Rupestris verfärben das Laub ins Gelbe, die blaubeerigen Vinifera dagegen ins Rote. Diese werden aber selten ganz rot, meistens zeigen sie neben dem Rot auch mehr oder weniger Gelb. Das gelbe Pigment ist näm- Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 2 18 Rasmuson. lich auch bei den rotverfärbten Sorten vorhanden, obgleich es vom roten Anthocyan mehr oder weniger verdeckt wird (Swartz 47, S. 90—91). Wie Combes (17) gezeigt hat, entsteht bei den Reben das herbstliche Anthocyan durch einen Reduktionsprozeß aus dem gelben Pigment, und da diese Anthocyanbildung von äußeren Faktoren stark beeinflußt wird, so bleibt das gelbe Pigment bei den meisten rotverfärbenden Sorten noch stellenweise sichtbar, und das Laub zeigt sowohl gelbe wie rote Stellen. Nur wenige Sorten, z. B. die Färbertraube, Teinturier, zeigen das Laub im Herbst intensiv rot ohne Spuren von gelber Verfärbung. Meistens ist aber die Variabilität sehr groß, und man findet oft an dem- selben Stock Blätter, die fast ganz gelb mit nur kleinen roten Flecken oder sogar ganz gelb sind, sowie solche, die ganz rot sind, so daß das gelbe Pigment nicht sichtbar wird. Diese große Variabilität wird wohl haupt- sächlich direkt oder indirekt durch den großen Einfluß der äußeren Faktoren auf die Anthocyanbildung verursacht. Von besonders großer Bedeutung sind Licht und Temperatur. Licht begünstigt die Anthocyan- bildung und ist bei vielen Pflanzen sogar eine notwendige Bedingung dafür. Auch niedrige Temperatur ist ein befördernder Faktor, und die stärkste Anthocyanbildung im Herbst findet man deswegen bei sonnigen Tagen und kühlen Nächten. Dadurch wird tagsüber stark assimiliert und nachts die Ableitung des gebildeten Zuckers verhindert, und es kommt zu einer Zuckeranhäufung in den Blättern, was eine Vorbedingung für die Anthocyanbildung ist (Swartz 47). Auch andere Faktoren, die eine Zuckeranhäufung in den Blättern verursachen, begünstigen die Bildung von Anthocyan. So konnte Rathay (nach Gertz 23, S. 277) durch Abschneiden der Blattrippen künstliche Rotfärbung der Blätter bei verschiedenen Vitis-Arten hervorrufen. Selber habe ich beobachtet, daß ein umgeknickter Zweig einer unbekannten Riparia X Rupestris im Herbst alle Blätter ganz rot hatte, während alle übrigen Blätter desselben Stocks, sowie die aller anderen Reparia und Rupestris und ihrer Hybriden, nur gelb waren, obgleich diese Amerikanerreben den ganzen Sommer ziemlich stark anthocyanhaltige Triebe haben. Dies zeigt, daß auch Sorten, die normalerweise gelb verfärben, doch rot ver- färben können, wenn abnorm günstige Bedingungen dafür vorliegen, und daß das für eine Sorte Charakteristische nicht die äußere sichtbare Eigenschaft, sondern die Reaktionsweise ist. Auf dieselben äußeren Einflüsse reagieren die rotverfärbenden Sorten durch Anthocyanbildung, die gelbverfärbenden durch Bildung von nur gelbem Piement. Auch bei rotverfärbenden Vinzfera-Varietiiten werden meistens die Blätter, die auf Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 19 überhängenden oder schwach geknickten Zweigen sitzen, stärker rot als die auf anderen Zweigen. Wie die Art der herbstlichen Verfärbung unter natürlichen Um- ständen in der Hauptsache konstant bleibt, so ist sie auch auf die Nachkommen vererbbar. Alle gelbverfärbenden Sorten, die ich unter- sucht habe, gaben bei Selbstbefruchtung sowie bei Kreuzung mit andern gelbverfärbenden Sorten ausschließlich gelbverfärbende Pflanzen. Die folgende Tabelle gibt eine Zusammenstellung dieser Sorten. Rot- Gelb- Elternpflanzen verfärbende | verfärbende Individuen | Individuen Weißer Traminer, selbstbefruchtet. . . . 22.2... 0 4 Bokampter, selbstbefruchtet . . «9. ... « « %* > 0 6 Malingre precoce, selbstbefruchtet . . - . . 2... 0 3 mean wselbsthetruchtet v. „tar nu. en ne. 0 2 Sulkanerwselbstbefruchtet 2 ©. = 2 2) «5 #08 0 1 Auxerrois blanc, selbstbefruchtet . . . a 0 1 Pinot X ay Oberlin 646%), setbathetruchtet. at, 0 al Riparia X Gamay, Oberlin 604, selbstbefruchtet . . 1 19 Kreuzungen verschiedener Formen von Riparia und Rupelris!. .. lee neem 0 688 Sylvaner X Rupestris du Tot OP RE Mia) Rote 0 13 Sylvaner X Riparia Geis. 1. GE oe 0 9 Ruländer, Pinot gris X Rupestris ie Tie, ae oe ere 0 2 Elbling X Riparia Gloire . . . N hc 0 1 Weißer Gutedel X Rupestris du TEN EE EEE 0 1 Berlandieri Villers VOrme AX Riesling . . . .. . 0 21 ” " A tO HLOLING) ss 2 ah 0 26 Mh es 5 OU LUGNEN wren faire Seance ale 0 17 1 831 Von mehr als 800 Pflanzen, die von gelbverfärbenden Elternsorten abstammen, hat nur eine einzige herbstliche Anthocyanbildung gezeigt. Vermutlich ist hier ein Fehler entweder beim Aussiien der Samen oder beim Auspflanzen in den Weinberg passiert. Ich halte es fiir wenig wahrscheinlich, daß diese Pflanze durch abweichende äußere Einflüsse zur Anthocyanbildung gebracht wurde, obgleich die unten erwähnten 1) Uber diesen Bastard siehe S. 28. Q* 20 Rasmuson. Trollinger-Kreuzungen für eine solche Deutung sprechen könnten. Im Jahre 1914 hatte ich bei den damals im Mistbeet wachsenden Sämlingen von Oberlin 604 keine Rotverfärbung beobachtet, und es ist deshalb möglich, daß beim Auspflanzen ein rotverfärbendes Individuum aus der daneben wachsenden Nachkommenschaft von Oberlin 595 oder Oberlin 605 irrtümlich unter die Nachkommen von Oberlin 604 kam. Rotverfärbende Sorten geben zuweilen nur rotverfärbende Nach- kommen. So waren fünf Sämlinge der intensiv rotverfärbenden Färber- traube, Teznturier'), alle im Herbst stark rot. Diese Zahl ist aber zu klein, um irgendeinen Schluß erlauben zu können. Dagegen sind einige europäische Wildreben höchst wahrscheinlich in der roten Herbstver- färbung Homozygoten. Sechs Bestäubungen verschiedener weiblicher Wildreben mit ein und derselben männlichen Wildrebe gaben ausschließlich rotverfärbende Pflanzen, während eine siebente weibliche Wildrebe, mit derselben männlichen Sorte bestäubt, rotverfärbende und gelbverfärbende Pflanzen ungefähr im Verhältnis 3:1 lieferte. Die Zahlen bei den sieben Bestäubungen werden in der folgenden Tabelle angegeben. Rot- Gelb- BEAL OSES verfärbende | verfärbende Knielingen x. SE ur p ROE A ReOue lier REN Riparia X Gamay, Oberlin 605 gelb X rot 9 | 38 12 37.5.1 125 Riparia X Gamay, Oberlin 595 elb X rot 14 BEI Als 40,5 | 13,5 8 Neckarau Wildrebe . . . . ? = al 7,5 2,5 — | 85 | 29 | 855] 285 Die gefundenen Zahlen stimmen hier mit den zu erwartenden sehr gut überein. Diese Zahlen sind im Jahre 1915 festgestellt worden, nachdem ich die Spaltung schon in den beiden vorigen Jahren beob- achtet hatte. Die im Jahre 1913 bei den Oberlinschen Hybriden ge- 22 Rasmuson. fundenen Zahlen, die auch sehr gute Übereinstimmung mit den zu er- wartenden zeigten, habe ich schon früher (41) mitgeteilt. Es waren bei 605 83 rote und 25 gelbe, bei 595 42 rote und 15 gelbe. Da viele der schwächeren Sämlinge mittlerweile gestorben sind, standen mir bei den letztjährigen Beobachtungen viel weniger Pflanzen zur Verfügung. Da sie aber jetzt beträchtlich größer waren, konnte ich versuchen, die roten in zwei Gruppen. die ich schon früher bemerkt hatte, einzuteilen, nämlich in solche, die die ganzen Blätter gleichmäßig stark rot besaßen, und solche, die neben dem Rot auch gelbe Flecke zeigten. Die ge- fundenen Zahlen zeigen, daß ungefähr ein Drittel der rotverfärbenden Pflanzen zur ersten Gruppe gehören. Theoretisch müßte aber ein Drittel der roten Pflanzen in der roten Verfärbung homozygotisch sein, und vielleicht fällt diese Gruppe von roten Homozygoten mit derjenigen mit gleichmäßiger roter Verfärbung zusammen. Dann würden also rote Homozygoten von roten Heterozygoten äußerlich unterschieden werden können. Daß gelbverfärbende Sorten nur gelbverfärbende Nachkommen, rot- verfärbende dagegen entweder nur rotverfärbende oder, wenn sie Bastarde sind, rotverfärbende und gelbverfärbende haben, zeigt, daß rote Ver- färbung über gelbe mehr oder weniger epistatisch ist. Daß die roten und gelben im letzten Falle im Verhältnis 3:1 auftreten, zeigt, dab nur ein Gen daran beteiligt ist, das bei den rotverfärbenden Sorten vorhanden ist, bei den gelbverfärbenden fehlt — oder umgekehrt. Denn da bei den bis jetzt als Bastarde festgestellten rotverfärbenden Sorten immer etwas Gelb neben dem Rot auftritt, könnte man mit gleichem Rechte annehmen, daß bei den gelbverfärbenden Sorten ein Hemmungs- gen vorhanden sei, das aber im Heterozygotenstadium dio Anthocyan- bildung nicht vollständig unterdrücken kann. Es ist aber praktisch vorteilhafter, vom Vorhandensein eines Gens für rote Verfärbung bei den roten zu sprechen, da es nicht sicher ist, ob rote Heterozygoten von roten Homozygoten äußerlich zu unterscheiden sind. Bei Kreuzung von gelbverfärbenden und rotverfärbenden Sorten müssen also entweder alle Bastarde rot verfärben oder, wenn der rot- verfärbende Elter heterozygotisch ist, so müssen sie zur Hälfte gelb, zur Hälfte rot verfärben. Das letztere war der Fall bei zwei rotver- färbenden Vinifera-Soiten Gamay und Früher blauer Burgunder, die ich zu Kreuzungen benutzt habe. Damit stimmt überein, daß von den Oberlinschen Kiparia X Gamay zwei, Nr. 595 und 605, rot verfärben, eine, Nr. 604, gelb. Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 23 Verfärbung Kreuzung = F, der P-Pflanzen F, rote | F, gelbe Gamay X Rupestris du Lt ...... rot X gelb --1) ae Gamay % Rupestris de Fortworth Nr.3 . .« rot X gelb 18 5 Berlandieri V.! 9. A X Früher blauer Burgunder gelb X rot 11 13 Die gefundenen Zahlen stimmen gut mit den nach dem Verhältnis 1:1, das sich bei einer Rückkreuzung eines Bastards mit dem rezessiven bezw. hypostatischen Elter zeigt, zu erwartenden iiberein. Gamay und Früher blauer Burgunder sind also in der roten Herbstverfärbung heterozygotisch. Interessant verhält sich der blaue Trollinger, indem er, ob- gleich blaubeerig, eine äußerst schwache herbstliche Anthocyanbildung in den Blättern zeigt. Ein Stock dieser Sorte, der an der Tür des Laboratoriums in Villers l’Orme wächst, zeigte jeden Herbst fast alle Blätter ganz gelb und nur wenige mit etwas Rot. Bastarde mit gelbverfärbenden Sorten (Riparia, Berlandieri) sind entweder ganz gelb oder sie zeigen wie der Trollinger selbst etwas Rot. Ein gelbverfärben- der Bastard, Riparia X Trollinger Geisenheim 110 gab bei Selbst- befruchtung 19 gelbverfärbende Individuen und eins, das an einem Zweige rote Blätter, sonst aber nur gelbe besaß. Ob hier die Verhältnisse ähnlich sind wie bei einem geknickten Riparza X Rupestris-Zweig, oder ob ein Versuchsfehler vorliegt, werden wohl weitere Beobachtungen der Trollinger-Bastarde zeigen. Der blaue Trollinger ist also wahrscheinlich heterozygotisch rotverfärbend, obgleich hier der rote Farbstoff nur sehr spärlich ausgebildet wird. Vielleicht sind bei Bastarden alle Übergänge zwischen fast gelben und stark roten Formen möglich. Eine solche stark fluktuierende Dominanz und doch deutliche Mendelspaltung kommt nach Bowater (11) der melanistischen Form doubledayaria der Schmetterlingsart Amphidasis betularia der typischen Form gegenüber zu. Man kann hier eine vollständige Serie von Übergangsformen zwischen dem Typus und der einfarbig rußschwarzen Form zusammen- stellen. *) Das Zeichen + bedeutet, daß zu dieser Gruppe gehörende Pflanzen vorhanden waren, ihre Zahl aber nicht festgestellt wurde, da die meisten Blätter braun wurden und abstarben, ehe sich die Verfärbung deutlich zeigte. Diese Erscheinung kommt auch öfter bei Rupestris du Lot, dem einen Elter dieser Bastarde, vor. 24 Rasmuson. Die Herbstverfärbung hat an sich keine praktische Bedeutung, sie gibt aber bei Züchtungen oft die Möglichkeit frühzeitig nachzuweisen, ob eine rotverfärbende Sorte heterozygotisch oder homozygotisch ist. Vielleicht ist es auch möglich von ihr auf eine andere wichtigere Eigen- schaft der Vinifera-Reben, nämlich auf die Beerenfarbe, zu schließen. Daß diese bei Vitis-Arten mit anderen Eigenschaften iu Korrelation stehen kann, geht aus den Angaben von Husmann und Dearing (27) hervor, daß bei der zur Gruppe Muscadinia gehörenden Art Rotundifolia die hellbeerigen (weiß- oder rotbeerigen) Sorten gelbliche junge Triebe, die blaubeerigen dagegen rötliche besitzen. Es gaben Kreuzungen von hellbeerigen, gelbtriebigen weiblichen Pflanzen mit gelbtriebigen Männ- chen fast ausschließlich hellbeerige, gelbtriebige Bastarde, mit rottriebigen Männchen nur dunkelbeerige Bastarde. Danach wären hier gelbe Triebe und helle Beerenfarbe zu rötlichen Trieben und dunkler Beerenfarbe rezessiv. Bei Vinifera scheint die Beerenfarbe mit der Art der Herbst- verfärbung in der Weise in Korrelation zu stehen, daß die blaubeerigen Sorten ins Rote, die rot- und weiß-(gelb, grün usw.)beerigen ins Gelbe ver- färben (Goethe 24, S. 22). Bei Rıparia und Rupestris ist es anders, da diese gelb verfärben, obgleich sie blaue Beeren besitzen. In einem Falle wenigstens kommt bei Vinifera Heterozygotie in der Beerenfarbe mit Heterozygotie in der Herbstverfärbung gleichzeitig vor. Die rot- verfärbende blaubeerige Vinifera-Sorte Gamay ist, wie oben erwähnt, in der Herbstverfärbung heterozygotisch, ihre Bastarde mit Rıparia sind alle blaubeerig wie diese Art. Wenn aber Gamay in der Beerenfarbe heterozygotisch ist, müssen einige dieser Bastarde bei Selbstbefruchtung weißbeerige (oder rotbeerige) Individuen abspalten. Wenn wir der Ein- fachheit halber vorläufig nur ein Gen, B, für blaue Beerenfarbe an- nehmen, so würde dann Riparia BB, Gamay Bb sein. Die Bastarde werden zur Hälfte BB, zur Hälfte Bb sein. Diese müssen aber bei Selbstbefruchtung (Bb X Bb) bb-Individuen abspalten, und diese werden rot- oder weißbeerig sein. Wenn mehrere Faktoren für blaue Beeren- farbe vorhanden sind, werden die Verhältnisse komplizierter, es werden aber auch dann bei genügend großer Zahl Bastarde auftreten, die weiß- oder rotbeerige Individuen abspalten. Da es zwei Typen von blauen Beeren gibt, nämlich solche mit dem Farbstoff nur in der Beerenhaut vorhanden und deswegen mit hellem Saft (z. B. Gamay und fast alle andere blaubeerige Vinzfera-Sorten) und solche, wo der Farbstoff auch im dadurch stark roten Saft vorkommt (Riparia, Rupestris, die Vinifera- Sorte Teinturier), so sind die Verhältnisse auch tatsächlich komplizierter. Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 25 Die Bastarde Riparia X Gamay besitzen den gefärbten Saft des Rzparia- Elters, und dieses Merkmal scheint also über farblosen Saft zu dominieren. In der Nachkommenschaft eines der Bastarde (Nr. 702) hat Oberlin (39) wirklich weißbeerige Individuen bekommen. Es waren unter mehreren hundert Individuen vier weißbeerige, was auf eine komplizierte Spaltung deutet. Mit amerikenischen Weinreben, den mitgeteilten Sortennamen nach meistens Zabrusca-Varietäten und -Kreuzungen mit den Arten Vönzfera, Aestivalis, Riparia usw., haben Hedrick und Anthony (25) Versuche über die Vererbung der Beerenfarbe ausgeführt. Obgleich die Kreuzungs- resultate wegen des späten Kastrierens etwas unsicher sind, so können doch aus den bei selbstbefruchteten Sorten erhaltenen Zahlen einige Schlüsse gezogen werden. Die Verfasser teilen die Farben der Beeren- haut in drei Gruppen, die aber nicht scharf getrennt sind, nämlich schwarze, rote und weiße, und unterscheiden außerdem innerhalb der roten Gruppe eine dunklere und eine hellere. Weiß zeigte sich zu schwarz und rot rezessiv. Schwarze Sorten gaben entweder nur schwarze Nachkommen oder schwarze und rote nach dem Verhältnis 3:1, oder schwarze und weiße nach dem Verhältnis 3:1, oder schwarze, rote und weiße. Auf das Verhältnis bei den letzteren gehen Hedrick und Anthony nicht ein. Die Zahlen zeigen aber deutlich das Verhältnis 9:3:4, und die folgende Tabelle zeigt die gute Übereinstimmung. Beobachtung Erwartung Beobachtung — Erwartung SONWATZEN N. ss 52 54,56 + 4,886 — 2,56 LU. A 16 18,19 + 3,425 — 19 Ve 29 24,25 + 4,265 4+ 4,75 Damit ist, meiner Ansicht nach, die Vererbung der Beerenfarben in der Hauptsache erklärt. Das Verhältnis 9:3:4 zeigt, daß zwei Gene vorhanden sind, von denen das eine allein die rote Beerenfarbe, das andere allein keine Farbe (= Weiß), mit dem ersten zusammen aber die schwarze Beerenfarbe verursacht. Bei Abwesenheit beider Gene entsteht weiße Beerenfarbe. Wenn das Gen für rote Beerenfarbe C, das andere Gen D und ihr Fehlen e bezw. d genannt wird, so können bei Dominanz jedes Gens über sein Fehlen weiße Varietäten cedd, eeDd oder ceDD, rote Cedd oder CCdd und schwarze CeDd, CeDD, 26 Rasmuson. CCDd oder CCDD sein. Dann wären die Resultate von Hedrick und Anthony so zu erklären: Weiße Varietäten, eedd, eeDd, eeDD sind alle äußerlich konstant. Eine rote Varietät CCdd ist konstant. 3 3 3 Cedd spaltet, 3 rote: 1 weiße (dies ist der Fall mit der dunkelrotbeerigen Sorte Regal, die 15 hell- rote und 5 weiße Nachkommen hat). Eine schwarze Varietät CCDD ist konstant. CCDd spaltet 3 schwarze : 1 rote. CeDD spaltet 3 schwarze : 1 weiße. 5 4 ä CeDd spaltet 9 schwarze: 3 rote: 4 weiße. Mit dieser Erklärung stimmt es zwar scheinbar nicht, daß Hedrick und Anthony in der Nachkommenschaft einiger dunkelroten Sorten auch schwarzbeerige Individuen gefunden haben. Da aber die Verfasser angeben, daß die Farbengruppen schwer abzugrenzen sind, vermute ich, daß diese dunkelroten Sorten genotypisch schwarz waren. ” ” ” ” ” Blattform. Die Form eines Rebenblattes variiert ziemlich stark, und es kénnen an demselben Stock sehr verschiedene Blätter vorhanden sein. Einzelne Eigenschaften der Blätter können doch verhältnismäßig konstant sein, so daß sie zur Unterscheidung verschiedener Sorten verwendet werden können. So ist die Stielbucht bei einigen Varietäten immer weit offen, so daß die Blattlappen ihre Mündung auch nicht annähernd schließen können, bei anderen dagegen eng und geschlossen, so daß die Blatt- lappen die Stielbucht teilweise oder ganz schließen. Es gibt aber auch Rebensorten, bei denen die Form der Stielbucht bei demselben Stock stark wechselt, und die sowohl Blätter mit offener als auch solche mit geschlossener Stielbucht besitzen. Dadurch ergeben sich drei Gruppen von Rebenvarietäten, die von der internationalen ampelographischen Kommission bei der Versammlung in Budapest 1879 innerhalb jeder durch Beerenform und Blattbehaarung charakterisierten Klasse und Ordnung der Vinzfera-V arietäten als Unterordnungen unterschieden wurden (Goethe 24, S.153). Ravaz (43,-S. 17) hält aber die Form der Stielbucht an sich für kein wertvolles ampelographisches Merkmal, da sie teilweise von Faktoren bestimmt wird, die von äußeren Einflüssen abhängig sind, und deswegen nicht ganz konstant ist. Konstant sind nach ihm die Winkel der vom Stielpunkt ausgehenden größeren Blattrippen (Fig. 5, «a, 8) sowie der Winkel zwischen der äußeren Hauptrippe und ihrer ersten Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 97 äußeren Seitenrippe (y). Nicht konstant sind dagegen die Winkel dieser Seitenrippe mit ihren nach außen ausgehenden kleineren Seitenrippen, und diese Winkel bestimmen auch die Form der Stielbucht mit. Wenn man also die Form der Stielbucht als Unterscheidungsmerkmal benutzen will, muß man deswegen nach Ravaz immer die Richtung der größeren Blattrippen berücksichtigen. Da meine Versuchspflanzen noch ziemlich klein waren, und auch die Richtung der Hauptrippen bei Blättern desselben Stocks etwas variiert, habe ich nur eine verhältnismäßig grobe Analyse versuchen können, Vielleicht wird es in einigen Jahren bei großen reichblättrigen Versuchs- pflanzen möglich sein, eine genauere Untersuchung mit exakten Winkel- messungen auszuführen. Dies war aber bis jetzt wegen der kleinen Zahl der Blätter eines Individuums nicht möglich, und ich habe deswegen nur die Stielbuchtform und die Blattrippenwinkel vergleichend geschätzt. Dies genügt aber, um allgemeine Schlüsse aus den Beob- a achtungsresultaten ziehen zu können. Im 3 folgenden wird nur die Form der Stielbucht )@ erwähnt, wobei aber auch die Blattrippen- AN winkel berücksichtigt gewesen sind. Die Form der Stielbucht ist vererbbar. Fig. 5. Basalnervatur eines Neun Sämlinge der Müllerrebe, die eine schwach Rebenblattes. geschlossene Stielbucht besitzt, zeigten unge- fähr dieselbe Stielbuchtform, wie sie die Müllerrebe besitzt. Fünf Sämlinge von Rotgipfler besaßen alle Blätter, deren Stielbucht wie die der Eltern- sorte geschlossen war. Diese Zahlen sind klein und können natürlich nicht als Beweis einer Homozygotie der betreffenden Sorten verwendet werden, sie zeigen aber, daß die Stielbuchtform überhaupt vererbbar ist. Da die Sämlinge schon im vierten Jahre standen, kann ihre Blattform als die endeültige betrachtet werden, was bei einjährigen Sämlingen nicht erlaubt ist, wenigstens nicht, wenn sie nur klein sind. Bei Kreuzungen zwischen Sorten, die eine ähnliche Stielbuchtform besitzen, zeigen die Bastarde dieselbe Form wie die Elternpflanzen, so- wohl wenn die Stielbucht bei beiden geschlossen ist als auch wenn sie bei beiden offen ist. So hatten alle 44 Pflanzen der Kreuzung Berlan- dieri Villers !’Orme A X Vinifera Trollinger wie die beiden Elternpflanzen geschlossene Stielbucht. Die Kreuzung Berlandieri Villers VOrme B X Rupestris du Lot, wo beide Elternsorten stark offene Stielbucht be- 28 Rasmuson. sitzen, gab eine Pflanze mit ähnlicher weit offener Stielbucht wie bei den Elternsorten und eine mit etwas weniger doch immerhin stark offener Stielbucht. Bei Kreuzungen zwischen Sorten mit ungleicher Stielbuchtform sind die Bastarde intermediär. So haben die Bastarde von Berlandieri Villers VOrme A X Rupestris du Lot Blätter, deren Stielbucht zwar offen ist aber nicht so stark wie bei Rupestris du Lot. In der Nachkommenschaft von Bastarden zwischen Sorten mit geschlossener und solchen mit offener Stielbucht tritt Spaltung in der Stielbuchtform ein, und Individuen, die in dieser Eigenschaft den Eltern- Fig. 6. Müllerrebe. Fig. 7. Sämling der Müllerrebe. sorten entsprechen, kommen vor. Dies ist der Fall in der Nachkommen- schaft von einer Rebe in Geisenheim, die dort als Pinot X Riparia Oberlin 646 bezeichnet ist. Wahrscheinlich ist sie indessen mit dieser Sorte nicht identisch, denn alle Stecklinge davon, die in Villers l’Orme vorhanden sind, sowie alle dortigen Pflanzen, die aus Geisenheimer Samen dieser Sorte stammen, zeigten gelbe Herbstverfärbung, während die Pinot X Riparia Oberlin 646 nach brieflicher Mitteilung von Herrn Ökonomierat Oberlin an Herrn Dr. Börner sich im Herbst ins Rote verfärbt. Jedenfalls ist der Bastard in Geisenheim eine Vinifera X Riparia, und die daran beteiligte Vinzfera-Sorte muß eine ganz geschlossene Stielbucht besitzen, da die Stielbucht beim Bastarde nur ganz schwach offen und zuweilen sogar geschlossen ist, Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 29 während die Azparia-Formen weit offene Stielbucht besitzen. Samen aus Geisenheim wurden 1913 in Villers ’Orme ausgesät, und die Pflanzen standen also 1915 im dritten Jahre. Die Blattform und damit die Stiel- buchtform konnte deswegen als endgültig betrachtet werden. Es kamen zwei in der Stielbuchtform voneinander ganz verschiedene Gruppen von Pflanzen vor, solche mit weit offener und solche mit ganz geschlossener Stielbucht. Außerdem gab es aber auch Zwischenformen, die sich der einen oder andern Gruppe näherten oder ganz intermediär waren. Ich ' Fig. 8. Berlandieri Villers VOrme A. Fig. 9. Trollinger. habe versucht, die Individuen in fünf Gruppen einzuteilen, wobei es aber oft schwierig war zu entscheiden, in welche Gruppe eine Pflanze gehörte. Die Zahlen können deswegen nicht als ganz sicher betrachtet werden. Bei Gruppe I hatten alle Blätter eine weit offene Stielbucht, bei II hatten einige Blätter eine weit, andere eine schwach offene Stielbucht (bei demselben Stock!), bei III hatten alle Blätter eine schwach offene Stielbucht, bei IV hatten einige Blätter eine schwach offene, andere eine geschlossene Stielbucht, bei V hatten alle Blätter eine geschlossene Stielbucht. JEEODACHUUN DE en Seh 3 4 + 5 Brwartune nach 1:22:17. 1. 5,5 11 5,5 30 Rasmuson. Diese Zahlen zeigen eine deutliche Spaltung in der Stielbuchtform, die dem Verhältnis 1:2:1 zu entsprechen scheint. Sie sprechen für die Zusammenführung der Gruppen II, III und IV zu einer hetero- Fig. 10. Berlandieri Villers l’Orme A X Trollinger. Fig. 11. Berlandieri Villers t'Orme B. zygotischen Gruppe, ich halte es aber für wahrscheinlicher, daß einzelne Individuen der Gruppen II und IV genetisch zu den Gruppen I und V zu führen sind. Jedenfalls scheint an dem Hauptunterschied nur ein Gen Fig. 12. Rupestris du Lot. Fig.13. Berlandieri Villers Fig.14 Berlandieri Villers l’Orme B X Rupestris du VOrme A X Rupestris du Lot. Lot. beteiligt zu sein, was bei intermediärer Ausbildung der Heterozygoten dem Verhältnis 1:2:1 entsprechen würde. Ähnlich sind die Verhältnisse bei den Nachkommen von Riparia X Gamay Oberlin 595. Die Eltern dieses Bastards waren Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 31 eine Riparia (Millardet?) mit offener Stielbucht und die Vinifera-Sorte Gamay mit schwach offener, bei einzelnen Untervarietiiten (Gamay d’Orleans, Goethe S. 69) geschlossener Stielbucht. Danach könnte die Gamay-Sorte in der Stielbuchtform heterozygotisch sein, was damit übereinstimmt, daß von den Oberlinschen Riparia X Gamay-Hybriden zwei, Nr. 595 und 605, schwach offene oder geschlossene, eine, Nr. 604, dagegen weit offene Stielbucht besitzen!). Die Nachkommen von Nr. 604 besaßen 1915 alle 15 offene Stielbucht, die zwar nicht bei allen ganz gleich, aber doch immer entschieden offen war. Anders verhielt sich N Fig. 16. Pinot X Riparia Oberlin 646, aus Geisenheim. Fig. 15. Riparia Gloire. die Nachkommenschaft von Nr. 595, denn in dieser trat eine deutliche Spaltung ein. Wie in der Nachkommenschaft von der eben erwähnten Oberlin 646 kamen hier Individuen mit geschlossener, solche mit weit offener Stielbucht sowie Zwischenformen vor. Ich habe versucht sie auch hier in fünf Gruppen einzuteilen, welche aber auch hier künstlich sind und wahrscheinlich genotypisch nur drei bilden. I II II IV V IBBOBRCHLUNG 0 2 alla ee ee 7 23 9 7 Birwartunenachll 221417... 2... 13,75 27,5 13,75 1) Wie oben gezeigt worden ist, ist Gamay außerdem sowohl in einem Chlorophyll- gen als auch in einem Gen für rote Herbstverfärbung heterozygotisch. Bei der Kreuzung Gamay X Rupestris du Lot sind auch die einzelnen Pflanzen in der Stielbuchtform sehr verschieden (Fig. 22). Sie sind aber noch sehr klein. 32 Rasmuson. Die Zahlen sprechen auch hier fiir eine Spaltung nach dem Ver- hältnis 1:2:1, wobei die Individuen der Gruppen II und IV wahrschein- lich auf I bezw. V und III zu verteilen wären, und danach wäre also auch hier nur ein Gen beteiligt. Wenn man zwei Gene annimmt, würde man zwar fünf Gruppen bekommen, die Übereinstimmung würde dann aber schlecht werden. Fig. 17. Drei Sämlinge (F,) von Pinot X Riparia Oberlin 646, aus Geisenheim. I u TL IVO CRE En ee gl 4 6 a Erwartung naeh (1 + 1)* auf 57 berechnet 3°/ıs 14*/ıs 21°/16 14*/16 3°/16 Beobachtunnsn gr... cit ae ed 7 23 9 7 Die Gruppen I und V würden also gar zu groß und I sogar größer als II sein, obgleich sie viermal kleiner hätte sein sollen. Noch schlechter wäre die Übereinstimmung bei Oberlin 646 und es ist wenig wahr- scheinlich, daß die Vererbung bei dieser Sorte anders ist. Ich halte es deswegen für sicher, daß der Hauptunterschied in der Stielbuchtform zwischen einer Sorte mit geschlossener und einer mit ungefähr wie bei einer Riparza offener Stielbucht durch nur ein Gen verursacht wird. Bei beträchtlich weiter geöffneter Stielbucht wie z. B. bei Rupestris du Lot könnte es natürlich anders sein. Auch ist nicht ausgeschlossen, Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. Be daß andere Gene auf die Form der Stielbucht so einwirken können, daß sie mehr oder weniger geschlossen, mehr oder weniger offen wird. Wenn die Winkel « und # (Fig. 5) sehr groß sind, wird die Stielbucht geschlossen, wenn sie sehr klein sind, dagegen offen. Dadurch werden eye Fig. 18. Gamay. Fig. 19. Riparia X Gamay Fig. 20. Riparia X Gamay Oberlin 595. Oberlin 604. die Gruppen mit offener und geschlossener Stielbucht gegeben. Daneben kann aber die Größe des Winkels y verschieden sein. Wenn er bei ge- schlossener Stielbucht groß ist, wird die Stielbucht stärker geschlossen, als wenn er nur klein ist, und wenn er bei offener Stielbucht groß ist, MR or Fig. 21. Zwei Sämlinge (F,) von Fig. 22. Zwei Bastarde Riparia X Gamay Oberlin 59. Gamay >< Rupestris du Lot. wird die Stielbucht weniger offen sein, als wenn er klein ist. Vielleicht ist hier ein modifizierendes Gen, das vom Gen für die Winkelgrößen « und 3 unabhängig vererbbar ist, vorhanden. Um dies feststellen zu können, muß man aber kräftige Pflanzen mit sehr zahlreichen Blättern Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 3 34 Rasmuson. zur Verfügung haben, damit es möglich wird, die Variabilität bei dem- selben Individuum genügend sicher festzustellen. Meine Versuchspflanzen waren dazu noch zu klein, und es ist mir deswegen nicht möglich zu entscheiden, ob an den kleineren Unterschieden in der Stielbuchtform ein zweites Gen beteiligt ist, oder ob sie reine unvererbbare Modifi- kationen sind. Außer der Form der Stielbucht können auch andere Blattcharaktere vererbt werden. Auffallend war die große Ähnlichkeit in der ganzen Blattform, die fünf Sämlinge von Rotgipfler und neun Sämlinge von der Fig. 23. Triebspitzen von Rupestris du Lot, Berlandieri Villers VOrme A und einer Vinifera. Müllerrebe, die im Jahre 1915 in Villers ’Orme in ihrem vierten Jahre standen, mit ihren Elternsorten zeigten. Eine in der Blattform von den meisten Rebensorten stark verschiedene Varietät ist Chasselas Persil, Geschlitzter Gutedel. Die Blätter sind hier bis auf die Haupt- rippen zerteilt, wogegen andere Chasselas-Varietiiten, z. B. Chasselas blanc, Weißer Gutedel, gewöhnliche tiefbuchtige Blätter besitzen. Es gibt aber noch eine Form, Chasselas semi-persil, die stark zerteilte Blätter besitzt, obgleich sie doch weniger zerteilt als bei Chasselas persil sind. Leider habe ich aus Samen dieser Sorten keine Pflanzen be- kommen und kann deswegen über die Vererbbarkeit der zerteilten Blatt- form nichts sagen. Dagegen bekam ich aus einer Kreuzung Chasselas Persil X Chasselas blane acht Pflanzen, die alle im ersten Jahre (1914) die gewöhnliche Rebenblattform, wie sie bei den ersten Blättern der we Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 3} Vinifera-Sämlinge vorkommt, zeigten. Leider sind sie im Herbst alle durch Peronospora vernichtet worden, da es wegen des Kriegs in der innerhalb des Bereichs der Grenzfestung Metz gelegenen Versuchsanlage an Arbeitskräften mangelte, so daß nicht genügend mit Bordelaiser Brühe gespritzt werden konnte. Dadurch war es auch nicht möglich, die end- gültige Blattform, die bei Rebensämlingen selten schon im ersten Jahre vorkommt, festzustellen, aber ich halte es nicht für wahrscheinlich, dab später eine von dem Blatttypus des Chasselas blane stärker abweichende hätte auftreten können. Danach würde man, wenn der zerteilte Blatt- Fig. 24. Triebspitzen von Berlandieri Villers VOrme A X Vinifera und von Berlandieri Villers VOrme A X Rupestris du Lot. typus überhaupt vererbbar ist, auf seine Rezessivität gegen den Blatt- typus von Chasselas blane schließen können. Vererbbar ist das verschiedene Verhalten der Blätter an den Trieb- spitzen. Bei den Rupestris-Formen sind diese Blätter lange längs der Mittelrippe mehr oder weniger gefaltet, bei Vinifera und Berlandieri (wenigstens bei der Sorte Villers !Orme A) werden sie fast sofort, wenn sie aus der Knospe heraus sind, flach ausgebreitet (Fig. 23). Bei Kreuzung verschiedener Rupestris-Sorten zeigen die Bastarde gefaltete Blätter, während bei der Kreuzung Berlandieri V.l’O. A X Vinifera die Blätter flach ausgebreitet sind. Bei der Kreuzung Berlandiert V.!O.A X Rupestris du Lot sind die Blätter gefaltet, aber schwächer als bei den Rupestres (Fig. 24). Der Bastard scheint in dieser Eigenschaft ungefähr intermediär zu sein. Ob in der zweiten Generation Spaltung eintritt, habe 3* 36 Rasmuson. ich nicht feststellen können, da die wenigen Nachkommen von Rupestris X Vinifera-Bastarde, die vorhanden waren, noch sehr klein waren’). Behaarung. Alle Formen von Rupestris und die meisten von Kiparia besitzen Stammglieder, die ganz kahl sind. Es gibt aber unter den Aiparia- Formen auch solche, deren Stammglieder dicht mit kurzen, geraden, ab- stehenden Haaren bedeckt sind. Es sind die „Reparia pubescents“ von Fig. 25. Triebspitze von Riparia X Fig. 26. Triebspitze von Riparia x Rupestris, Coudere 3306. Rupestris, Mill. et de Gr. 101%. Ravaz. Andere, „Aiparia semi-pubescent“, besitzen diese Behaarung nur an den Knoten. Eine Züparia pubescent ist von Coudere (49, S. 461) als Mutterpflanze bei einer Kreuzung mit Rupestris Martin ver- wendet worden, und aus dieser Kreuzung stammen zwei als Unterlagen sehr bekannte Hybriden, die Riparia X Rupestris Coudere 3309 und 3306. Diese sind leicht voneinander zu unterscheiden, da die Nr. 3309 wie die Rupestres ganz kahle Stammglieder besitzt, während 3306 eine *) Die Fig. 23, 24 zeigen, daß die wollige Behaarung der Berlandieri auch beim Bastard mit der ganz kahlen Rupestris du Lot, wenn auch bedeutend schwächer als bei der Muttersorte, so doch deutlich bemerkbar auftritt. Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 37 Behaarung ungefähr wie eine Riparia pubescent hat. Ob sie gleich stark ist mit der einer solchen, kann ich nicht entscheiden, da in den Anlagen zu Villers l’Orme und Kenchen keine Riparia pubescent vor- handen ist. Es treten also bei dieser Kreuzung schon in der ersten Generation zwei verschiedene Typen auf. Dies läßt sich im mendelistischen Sinn sehr gut dadurch erklären, daß eine der Kreuzungspflanzen heterozy- gotisch war und zwar in einem Gen, das der andern völlig fehlt. Das Fig. 27. Mill. et de Gr. 101 x Fig. 28. Mill. et de Gr. 101% X Coudere 3306. Stammglieder und Coudere 3306. Stammglieder kahl, Blattstiele behaart. Blattstiele behaart. Resultat müßte dann mit dem bei einer Rückkreuzung eines Bastards mit dem rezessiven Elter zu erwartenden übereinstimmen, d. h. eine Spaltung müßte eintreten, die, beim Beteiligtsein von nur einem Gen, das Verhältnis 1:1 zeigen würde. Es müßte also bei der in Frage kommenden Kreuzung entweder die Rzparia heterozygotisch behaart oder die Rupestris heterozygotisch kahl sein. Welches das Richtige ist, läßt sich aus dieser Kreuzung allein nicht schließen. Denn sie sagt nichts aus darüber, ob „behaart“ über „kahl“ dominiert, oder ob das Gegen- teil der Fall ist. Zwar spricht die Tatsache, daß alle Rupestres kahl sind, dagegen, daß Rupestris Martin heterozygotisch kahl sein sollte 38 Rasmuson. und also dafür, daß „behaart“ dominiert. Bewiesen ist dies aber da- durch nicht. Selbstbestäubung ist bei diesen Hybriden ausgeschlossen, da sie beide Männchen sind, man könnte aber daran denken, sie beide mit ähnlichen Geschwisterpflanzen zu kreuzen. In dem einen Falle müßte dann Spaltung eintreten, im andern nicht, da alle gleich behaarte Individuen dieser Kreuzung gleich sind und entweder heterozygotisch oder rezessive Homozygoten. Es sind von Coudere mehrere Geschwisterpflanzen von 3309 und 3306 erzogen worden, von denen aber nur eine, 3310, etwas Bedeutung gehabt hat. Sie ist aber wie 3309 und 3306 männ- lichen Geschlechts. Wenn also sowohl Selbstbestäubung als auch Kreuzung mit ähnlichen Geschwister- pflanzen ausgeschlossen ist, so ist doch die Möglichkeit vorhanden. eine Riickkreuzung beider Hybride mit einer der Elternsorten oder mit einer dem einen Elter ähnlichen Form auszuführen. Da mir keine behaarte Riparia zur Verfügung stand, konnte ich nur an die Kreuzung mit einer kahlen Sorte denken. Dann müßte eine von drei Fig.29. Mill.etde@r.101*X verschiedenen Möglichkeiten eintreffen. Die Couderc 3306. Stammglieder kahle Form wird vorläufig mit Q be- I. II. und Blattstiele kahl. zeichnet. Möglichkeiten: Kahl dominiert = D; behaart rezessiv = R; 2 = DD; 3309 = DR; 3306 = RR. 2 x 3309 = DD X DR = 1/2 DD + 7/2 DR = alle kahl. 23306) — Ds =. mw ze | 07: eel ea Galles SU9J0oUM uopuase.ıyuayuea u91S.19 sop JuwnN a sıugsadny x wıundıy ‘siajsadngy X sıagsadnyg ‘waandıy X visvdiy “HW aTIaqeL 43 Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. FOTO F F982 I Chi aI CEE eS FIT 1822 EIS Te ONES ee « 9020 ve cre’, | 2 6 8 I III . . . . . . . 5 . . “ 8310 F 9F6'L I 9 ge Bet I IE eee SE ua BELO F FILL I el L a ee ee 68T'O Fo ty + | 7 | II A N eens “u FET'O F OFS‘L | ea or ay I ride, TIT'0 F892 | We a3 SL air Te Te oe ean Ma 8 OUT GITOF SSL | I ba rSD | Sree el See il ieee Siw ace Sr a FLG'0 F 9FS'L I I L Ge yp! Uber eS > 601°0 F 820‘L 8 Tas en Ni Nk air pete ee LAO LES 1760 F COLL I 0 r 6 Sy] SM iy ile: Sages ASN edges ‘: sort, |ı | 8 Bellen 1) a ee ae i OST‘O F OOT‘L | N ea 1G eo TR | | 9.00 F 008'9 Ries ake loach nt ia) lee ee “ “ Mi 9010 + F289 | Jee I ra fey mar “ “ “ SIT0 F ¢9L'9 li el I "8 + sapunbang donvq AaynAaT m + or | 6 BY claudia lee su9J0ouy UAPUASRINUANUBL Waysdo sop Jommmx. “ “ “ “ “ [73 \ x FON A Marpunzag u x r OMA Marpuppag x FOL ‘A Marpunzag «Rn u wos 8G « x FOL A Marpunag é oe “ XV OA Mapupzag un en “ we u x Od ‘A Marpupag ‘OT "el Hie ‘PIGL Viasrury X 24ua2punjıag “A PTTEqRL, 44 Rasmuson. Tabelle ©. Wildrebenkreuzungen. Nummer des ersten rankentragenden Knotens 6 | 7 9.10 M+m LRU AChE HO DONEC. eee! | ae LL Bas 1 7,867 + 0,133 18. Niederanspach X Sponeck . . . II 1 8 nl 8,000 + 0,149 19. Drusenheim X Sponeck . . . . Il 1 Gil) on 8,125 + 0,295 20. Hlubeckia fertilis X Sponeck . . II 2 FA 8,176 + 0,128 21. Knielingen X Sponeck .... II 10 3 8,231 + 0,122 22. Diebolsheim X Sponeck . . . . II Daen6 8,545 + 0,157 23. Wiesloch X Sponeck = . . . . If 6212204 2) sl engigsin + 0,099 Die Differenz 16.—11. (1,064 + 0,129) ist sicher, und dabei ist auf- fallend, daß die zwei Sorten, deren Berlandieri-Hybriden frühzeitig Ranken bilden (Früher blauer Burgunder und Müllerrebe), auch sonst viel Ähnlichkeit miteinander besitzen (Goethe 24, S. 98). Da derselbe Berlandieri-Stock mit den verschiedenen V?nifera-Sorten gekreuzt worden ist, muß der zwischen diesen vorhandene Unterschied bei den Bastarden etwas geschwächt erscheinen und in der Wirklichkeit größer sein, als er hier gefunden wird. Es müssen also Elbling, Sylvaner und Trollinger erst spät, Früher blauer Burgunder dagegen frühzeitig Ranken bilden, und Riesling in dieser Beziehung eine Zwischenstellung einnehmen. Dies stimmt tatsächlich mit dem, was ich bei einigen wenigen Vinifera-Sämlingen 1912 gefunden habe, daß nämlich Riesling früher Ranken bildet als Trollinger und Elbling. Erster rankentragender Knoten 7.1.8 11292. 120° | 11 0) a Riesling, weißer 3 „I. = = © et Riesling’ roter, Ar enero 2 2S ale a 2 | Trollinger or edn | | SEG |B 1 Elblingy weißer? ern. et | | 2: Elbling, roter | | | 1 1 Bei den Wildrebenkreuzungen (Tabelle C) sind die Verhältnisse ähnlich. Auch hier sind verschiedene Sorten alle mit einer einzigen Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 45 gekreuzt, und auch hier sind wenigstens zwei Typen vorhanden. Die Differenz 23. — 17. (0,990 + 0,167) ist sicher, und die beiden Sorten mit später Rankenbildung (Wiesloch und Diebolsheim) ähneln sich außer- dem in der Form der Blattstielbucht, die bei beiden weit offen, während sie bei den übrigen, Hlubeckia fertilis ausgenommen, zwar auch offen aber doch nicht in so hohem Grade wie bei jenen ist. Aus diesen Resultaten geht hervor, daß unter anscheinend gleichen äußeren Bedingungen im zeitlichen Auftreten der ersten Ranke bei den Rebensämlingen zwischen verschiedenen Rebenarten und -varietäten Unterschiede vorhanden sind, die im genotypischen Charakter der be- treffenden Sorten begründet sind. Vermutlich sind mehrere Gene an diesen Unterschieden beteiligt. Peronospora und Reblaus. Von größter Bedeutung für den Weinbau wäre es, wenn es gelänge, gegen die gefährlichsten Krankheiten und Feinde resistente Qualitäts- traubensorten zu züchten. Durch Selektion kann man in dieser Richtung etwas erreichen. Ich glaube aber nicht, daß es auf diesem Wege mög- lich ist, wie Molz (35) annimmt, gegen die Reblaus resistente Vinifera- Sorten zu bekommen. Dagegen erlauben uns die bei anderen Pflanzen gewonnenen Ergebnisse die Hoffnung, dab es durch Kreuzung möglich sein kann, ein solches Ziel zu erreichen. Eine Grundbedingung dafür ist aber, daß die Resistenz gegen den betreffenden Feind eine nach den Mendelschen Regeln spaltende Eigenschaft ist. Dies ist bei Pilzkrank- heiten einiger anderen Pflanzenarten schon festgestellt worden, so bei dem Gelbrost des Weizens (Puccinia glumarum) von Biffen (9, 10) und Nilsson-Ehle (37), bei Claviceps purpurea des Weizens von Biffen (10), bei Phytophthora infestans des Solanum etuberosum von Salaman (44). Von Pilzkrankheiten habe ich bei den neugezüchteten Bastarden nur die Peronospora (Plasmopara viticola) zum Gegenstand genauerer Beobachtungen gemacht. Dieser Pilz ist einer der gefährlichsten Feinde des Weinbaus und seine Bekämpfung verursacht dem Winzer immer große Kosten und ist doch zuweilen ohne durchgreifenden Erfolge. Wenn nicht rechtzeitig und reichlich mit Kupferkalkbrühe gespritzt wird, kann die ganze Traubenernte verloren gehen. Als im August 1914 der Krieg ausbrach, wurden in den ersten Wochen die Arbeitskräfte in der Gegend von Metz zum größten Teil zu militärischen Zwecken in Anspruch ge- nommen, und es war deswegen in der Anlage zu Villers l’Orme nicht möglich, die Spritzungen gegen die Peronospora in genügendem Maße 46 Rasmuson. auszuführen. Der Pilz trat darum besonders unter den Sämlingen im Mistbeet verheerend auf, und viele Pflanzen gingen zugrunde. In dieser Weise war es möglich, Beobachtungen über den Grad von Resistenz bei verschiedenen Kreuzungen zu machen, und die folgende Tabelle zeigt, welche Kreuzungen von der Peronospora mehr oder weniger be- fallen wurden. Gesamt- es zahl der | Von Peronospora Indi- befallen viduen 1. Berlandieri Villers !Orme X Vinifera . ... 250 249 2., Trollinger >< Rumpesine) dus Dot a en eee 9 9 3. Elbling x Rupestris du Lot. . . . ae 5 5 4. Ruländer (Pinot gris) X Rupestris du late 3 3 5. Elbling X Riparia Gloire . 3 3 6. Elbling x Riparia Geisenheim 1 ee 3 3 7. Blauer Burgunder X Riparia en 1 Sr: 1 1 8. Früher blauer ee X. Riesling 3% 7 i 9. Labrusca (Will?) X Rupestris du Lot .. . 12 12 10. Rupestris Taylor X (Aramon X Rupestris) Ganzin I 7 7 11. Berlandieri Villersl ‘Orme A X Rupestris du Lot 35 Jallegrößeren Pflanzen schwach befallen 12. Berlandieri Villers VOrme B X Rupestris du Lot 9 9, nur schwach befallen 13. Rupestris Taylor X Rupestris du Lot . .. . ungefähr die Hälfte schwach befallen Außerdem waren im Mistbeete einige Hunderte von Hybriden zwischen Sorten von Riparia und Rupestris vorhanden, die alle, die beiden Rupestris Taylor-Kreuzungen (10, 13) ausgenommen, von der Peronospora gar nicht oder nur spurenweise befallen waren. In keinem Falle kam es zu einer ernsten Beschädigung der Blätter, und auch bei den schwach befallenen der Kreuzungen 11, 12 und 13 war dies selten der Fall, während bei allen Kreuzungen von Vinifera mit Berlandieri, Riparia und Rupestris die meisten Blätter durch den Pilz stark be- schädigt wurden, frühzeitig abstarben und abfielen. Da die Formen von Riparia und Rupestris vom Pilz niemals beschädigt werden und das- selbe auch bei Berlandieri Villers VOrme A der Fall zu sein scheint, da dieser Stock bei Peronospora-Verheerungen im Gewächshaus nie darunter gelitten hat, so sprechen die Resultate für Rezessivität der Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 47 Resistenz gegen Peronospora. Dies würde mit dem, was Salaman (44) bei Solanum etuberosum für Resistenz gegen den der Plasmopara viticola nahestehenden Pilz Phythophtora infestans gefunden hat, übereinstimmen, indem die Resistenz auch hier rezessiv ist. Ähnlich scheinen nach Heribert-Nilsson (26) die Verhältnisse bei der Kartoffel zu sein. Ich glaube aber bei der Peronospora eher an eine intermediäre Ausbildung der Bastarde. Auch dürften die erwähnten Resultate teilweise auf der größeren Empfindlichkeit der jungen Sämlinge beruhen, da es viele ältere Bastarde von Vinifera mit Amerikanerreben gibt, die verhältnismäßig resistent sind. Immerhin ist ein großer Unterschied zwischen Vinzfera-Kreuzungen und reinen Amerikaner - Kreuzungen vorhanden. Leider war es mir im Jahre 1915 nicht möglich, das Resultat durch künstliche Infektionen nachzuprüfen, da die Peronospora sich im Sommer fast gar nicht zeigte und ich deswegen kein Infektionsmaterial bekommen konnte. Da die erwähnten Bastarde erst nach einigen Jahren blühen werden, habe ich natürlich die zweite Generation noch nicht bekommen und des- wegen auch nicht feststellen können, ob hier eine Spaltung im Ver- halten gegen die Peronospora eintritt. Dagegen habe ich in der Nach- kommenschaft eines Bastards, Pinot X Riparia Oberlin 646, im Jahre 1913 mitten in einer Menge von der Peronospora stark beschädigter Pflanzen eine große kräftige beobachtet, deren Blätter sämtlich gesund und peronosporafrei waren, die also anscheinend resistent war. Hier ist höchst wahrscheinlich eine Spaltung aufgetreten. Es müssen aber weitere Beobachtungen und auch künstliche Infektionen gemacht werden, um diese Frage mit Sicherheit zu lösen. Ein für den Weinbau noch gefährlicherer Feind ist die Reb- laus, Phylloxera vastatrix, deren Verheerungen man allerdings durch Pfropfen der Vinifera-Reben auf resistente Amerikanersorten entgehen kann. Dies Verfahren hat aber große Nachteile und ist vor allem sehr kostspielig, und es wäre deswegen von großem Nutzen für den Weinbau, könnte man reblausresistente Qualitätstraubensorten bekommen. Die schon gezüchteten Fi-Bastarde zwischen Vinifera- und Amerikanerreben besitzen zwar zuweilen genügend Resistenz, sie lassen aber an Qualität ihrer Weine vieles zu wünschen übrig. Vielleicht würde es doch mög- lich sein, in späteren Generationen der Bastarde die gewünschte Rebe zu bekommen, und wenn gezeigt werden kann, daß sowohl Reblaus- resistenz als auch die Gene, die gute Traubenqualitiit bedingen, spalten, und zwar unabhängig voneinander, so wird man das mit Sicherheit be- haupten können. 48 Rasmuson. Bekanntlich gibt es von der Reblaus zwei sich parthenogenetisch fortpflanzende Reihen, Wurzelläuse und Gallenläuse. Jene kommen an den Wurzeln der Reben vor und können durch ihre Zerstörung die Reben völlig vernichten. Die Gallenläuse bilden an den Rebenblättern Gallen, fügen aber den Reben keinen wesentlichen Schaden zu. Aus ihren Eiern entsteht ein zu verschiedenen Jahreszeiten ungleicher Prozent- satz Wurzelläuse. Selbst kann die Gallenlausform, nachdem im Herbst sämtliche vorhandenen Gallenläuse gestorben sind, nur auf dem Umwege über Geschlechtstiere und befruchtete Wintereier aus den Wurzelläusen wieder hervorgehen. Da die kühle Herbstwitterung in Deutschland es nicht zur Ablage von Wintereiern kommen läßt, so ist hier die Gallen- laus im Freien nicht aufgetreten. Börner (13, 14) ist es aber gelungen sie in Villers l’Orme durch Gewächshauskultur zu züchten und jahrelang zu erhalten. Diese von Börner gezüchteten Gallenläuse, sowie die aus ihnen hervorgehenden Wurzelläuse, haben sich aber als von den süd- französischen verschieden gezeigt (13, 15, 16) und greifen einige Reben- sorten, die von diesen befallen werden, gar nicht an, sondern sterben ab, wenn sie darauf gebracht werden. Während in Südfrankreich fast alle Rebensorten (die Muscadinia-Gruppe ausgenommen) mehr oder weniger von der dortigen Reblaus angegriffen werden, sind in Lothringen tatsächlich einige immun, und dadurch ist es möglich geworden, Unter- suchungen über die Vererbung der Reblausimmunität zu machen. Meine Beobachtungen bezüglich der Vererbung der Immunität be- ziehen sich hauptsächlich auf die Gallenlaus, die für den Weinbau weniger schädliche Form. Da aber nach Börner eine gewisse Paral- lelität zwischen der Immunität gegen die Gallenlaus und der gegen die gefährliche Wurzellaus besteht, können doch die Resultate von Be- deutung für die Praxis werden. Früher (41) habe ich auf Grund da- maliger Beobachtungen die Hypothese ausgesprochen, daß Gallenimmunität über Gallenbildung dominiert. Wenn diese Hypothese richtig ist, müssen 1. Kreuzungen und Selbstbestäubungen gallenbildender Sorten nur gallenbildende Individuen geben, 2. Kreuzungen immuner und gallenbildender Sorten ausschließlich oder wenigstens zur Hälfte immune Individuen geben, 3. Kreuzungen und Selbstbestäubungen immuner Sorten entweder nur immune oder wenigstens mehr immune als gallenbildende Individuen geben. Leider habe ich in den letzten Jahren nur wenig Infektionsmaterial gehabt und habe deswegen die Zahlen der in meinen Züchtungen auf- getretenen immunen und gallenbildenden Pflanzen nicht mit Sicherheit Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 49 feststellen können. Wenn eine Pflanze Gallen bildet, weiß man zwar mit Bestimmtheit, daß sie anfällig ist. Wenn sie aber keine bildet, so bedeutet dies keineswegs eindeutig, daß die Pflanze immun ist, da auch ungünstige Witterung oder andere Umstände das Zustandekommen der Verseuchung verhindern können. Es war mir deshalb nur möglich zu untersuchen, ob die Verhältnisse so liegen, wie die Hypothese es fordert. Die Kreuzungen gallenbildend X gallenbildend gaben fast aus- schließlich gallenbildende Bastarde. Die gefundenen Zahlen teile ich hier mit. Gallenbildend Nicht urn e EEE? oe gallen- 1913 | 1914 1915 | Summa | Pildend | tt Gamay >< Rupestris du Lot 1913 13 13 0 Weißer Gutedel X Rupestris du Lot 1913 1 | E21 0 Rupestris Taylor X Rupestris du Lot 1913 2 +1 0178 0 Rupestris Taylor X Rupestris du Lot 1914 | 19 i+ 8] 22 2 | spontan inf. | | Rupestris Geis. 187 X Rupestris du Lot1914 | 29 | 14 43 7 | spontan inf. | Einige Pflanzen dieser Kreuzungen sind also unvergallt geblieben, obgleich alle Gallen bilden sollten. Ich vermute aber, daß auch diese Pflanzen bei reichlicher Infektion Gallen bilden werden. Sie sind nur zweimal, im August und September, bei wenig günstiger Witterung infiziert worden. Bei Kreuzungen immun X gallenbildend habe ich fast immer so- wohl gallenbildende als auch nichtgallenbildende Pflanzen gefunden. Es sind mehrere Bastarde von Riparia und Rupestris wiederholt infiziert worden, so daß ich die beobachtete Spaltung für sicher halte, obgleich die Zahlen möglicherweise noch nicht ganz sicher sind. Die gallen- bildenden waren bei diesen immer in der Minderzahl, bei einer Kreuzung Berlandieri V. VO. A (immun) X Elbling (gallenbildend) bildeten sie un- gefähr die Hälfte. Diese Bastarde waren durch von einer künstlich infizierten Nachbarsorte übergewanderte Gallenläuse infiziert worden und zeigten unter 23 Pflanzen 10 gallentragende. Bei zweimaliger künstlicher Infektion bildete außerdem noch eine Pflanze Gallen, so daß 11 Individuen mit, 12 ohne Gallen waren. Hier scheint also eine Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 4 50 Rasmuson. Spaltung nach dem Verhältnis 1:1 eingetreten zu sein, und danach würde Berlandieri V. lO. A heterozygotisch sein und hier nur ein Gen für Immunität in Frage kommen. Bei Kreuzungen gallenimmuner Sorten sind zuweilen auch gallen- bildende Individuen aufgetreten. So war es bei den Kreuzungen Riparia Perrier X Riparia Gloire, (Riparia X Rupestris) Mill. et de Gr. 101 X (Riparia X Rupestris) Coudere 3309 und 101!* X (Riparia X Rupestris) Coudere 3306 der Fall. Dies ist bei den beiden letzten Kreuzungen besonders interessant, weil hier die gekreuzten Pflanzen selber Bastarde zwischen immunen (&zparza-) und gallenbildenden (Aupestris-) Sorten sind und eine Spaltung also zu erwarten ist. Die Sorte 1011 kann zwar an den Wurzeln kleine Nodositäten bilden, und die Wurzelläuse können sich auf ihr erhalten, sie bildet aber nie fertile Blattgallen, obgleich etwas Hypertrophie der Blattgewebe auftreten kann. Die Zahlen, die noch genauer festzustellen sind, sprechen hier für mehrere Immunität verursachende Gene. Die mitgeteilten Beobachtungen sind natürlich zu spärlich, um Be- weise für die Richtigkeit der aufgestellten Hypothese geben zu können, sie sprechen aber nicht gegen sie, und sie kann deshalb weiter als Arbeitshypothese benutzt werden. Da es viele Abstufungen der Immuni- tät gibt, vermute ich, daß die Vererbungsverhältnisse ziemlich kom- pliziert sind, wenn sich auch in der Hauptsache die Annahme von Dominanz der Immunität als richtig erweisen würde. Schlußwort. Die meisten der erwähnten Untersuchungen beziehen sich auf für den Weinbau gleicheültige Eigenschaften der Reben und haben des- wegen für die Praxis zunächst wenig Wert. Sie sind dagegen von theoretischem Interesse, besonders weil es sich um Artbastarde handelt. Die beobachteten Spaltungen zeigen, daß auch die Artbastarde der Gattung Vitis denselben Regeln folgen wie die Varietätsbastarde, und, meiner Ansicht nach, wird dasselbe sich bei kritischer Untersuchung für alle bisher als konstant geltenden Artbastarde herausstellen. Da Arten und Varietäten von den Systematikern in oft sehr umstrittener Weise unterschieden werden, ist ja kein Grund vorhanden anzunehmen, daß die Vererbung prinzipiell verschieden sein sollte, obgleich natür- lich bei fernerer Verwandtschaft die Verhältnisse komplizierter werden können. bo 17. 18. 19. 20. 21. Kreuzungsuntersuchungen bei Reben. 5] Literaturverzeichnis. Baur, Zur Ätiologie der infektiösen Panachierung. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. XXII, 1904. — Über die infektiöse Chlorose der Malvaceen. Sitzungsber. d. Kgl. preuß. Akad. d. Wissenschaften. Berlin 1906. — Weitere Mitteilungen über die infektiöse Chlorose der Malvaceen und über einige analoge Erscheinungen bei Ligustrum und Laburnum. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. XXIV, 1906. — Über infektiöse Chlorosen bei Ligustrum, Laburnum, Fraxinus, Sorbus und Ptelea. Ber. d. Deutsch. Bot. Ges. XXV, 1907. — Untersuchungen über die Erblichkeitsverhältnisse einer nur in Bastardform lebens- fähigen Sippe von Antirrhinum majus. 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In den Versuchen mit ihnen gelang es bereits im ersten resp. zweiten Jahre eine Fülle von Abweichungen der vegetativen Organe wie der Blüten hervorzurufen. Aber es war nicht möglich irgend eine erbliche neue Rasse, eine Mutation, zu beobachten, ebenso- wenige nutzten in dieser Beziehung Bastardierungen. Ich griff daher zu einer Pflanze, die durch lange Kultur in einem labileren Zustand sich befindet: zum Tabak, der einerseits eine Unsumme von Sorten dar- bietet, andrerseits inbezug auf den Blütenbau doch als relativ stabil bekannt war. Der in dieser Arbeit beschriebene Fall von Mutation ist wie bei der Mehrzahl ähnlicher Beispiele nur bei einem einzigen Exem- plar aufgetreten, so dad mehr dem Zufall als der Methode das Verdienst zugesprochen werden muß. Bei den Zählungen der Blüten in den Jahren 1912 und 1913 haben stud. chem. Elsa Klebs und stud. med. Otto Klebs mich unterstützt. Im Sommer 1915 hat die Assistentin Fräulein Sprüth bei den Messungen und Zählungen mitgewirkt. Der Universitäts- girtner Behnick hat sich im Laufe der Jahre meiner Freilandkulturen sehr angenommen. Die Zeichnungen im Text und die farbigen Ab- bildungen der Tafel verdanke ich meiner Frau. 54 Klebs. I. Die Stammpflanze. Die Stammpflanze von Nie. tabacum, die den Ausgangspunkt meiner Untersuchung bildete, ging im Frühjahr 1909 zufällig in einem Topf auf, der im Institutsgewächshaus stand, in welchem tropische Pflanzen kultiviert wurden. Ich ließ den Keimling ungestört wachsen. Die Pflanze, die sich daraus entwickelte, kam im Laufe des Sommers zur Blüte. Nach der Fruchtreife starb der Stengel nicht ab, wie man es von dem Tabak als einer einjährigen Pflanzenart hätte erwarten müssen. Vielmehr trieb der Stengel unterhalb des alten Fruchtstandes neue Seiten- sprosse, die den ganzen Winter fortwuchsen. Im Frühjahr 1910 ent- stand eine Infloreszenz, später im Sommer wieder eine. Die Pflanze wuchs den zweiten Winter beständig weiter und blühte im Jahre 1911 ebenfalls zweimal. Im November 1911 wurde die alte Erde entfernt und durch frische ersetzt. Die Pflanze trieb den dritten Winter und blühte im März 1912. Dann aber starb sie nach der Fruchtreife ab (vergl. Klebs 1912, S. 279). Die einjährige Art hat sich also im Gewächshaus als eine mehr- jährige erwiesen, das Exemplar ist drei Jahre ununterbrochen ge- wachsen. Um ganz sicher zu gehen, habe ich in einem Winter Wachs- tumsmessungen gemacht. Ich benutzte dazu einen Steckling, der am 26. XI. 1911, frisch umgepflanzt, in den Schwitzkasten des Gewächs- hauses hineingestellt wurde. Die Temperatur war durchschnittlich 25°, Schwankungen von 20 bis 28°. Ich maß täglich die Gesamtlänge von der Stielbasis bis zur Spitze des Blattes. In der Tabelle gebe ich nur die Zahlen in Tagen an, die das Blatt von einer gemessenen Anfangs- größe ab bis zu seiner Enderöße gebraucht hat, und berechne daraus die durchschnittliche Zuwachsgröße pro Tag. Nr. des Datum der Anfangs- Enderöße Zuwachs | Zeit in Zuwachs Blattes Beobachtung gröbe 5 in em Tagen | pro Tag = 3 | 1 26.X1.11bis21.XIL.11] 8,7 15,8 7,1 2 | 0,28 2 26.X1.11 „ 3.XU.11| 5,7 14,6 8,9 29 | 0,3 3 SERIE SERIE 2,6 13,9 11,3 29 0.39 4 SERIE, O6 Nel 2,6 11.9 9,3 28 | 0,33 5 SORT STR 1,8 11,8 10 36 | 028 6. ||5,XELa1 “19 2,9 12,5 9,6 30 | 038 EE a nn ee Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 55 Am 11. I. brach der gemessene Trieb zufällig ab, die Pflanze wurde frei in das Gewächshaus gestellt, das Wachstum an einem neuen Seiten- trieb beobachtet: Nr. des Datum der Anfangs- |, x Zuwachs | Zeit in | Zuwachs > Endgröße . 5 ae Blattes Beobachtung größe in cm Tagen | pro Tag 1 18. I. 12 bis 30.1. 12 1,5 11,5 10 12 | 08 2 19.1.12 , 6.1.12 1,4 13,4 12 18 0,67 3 22.1.12 , 15.11.12] 2 15,2 13,2 24 0,56 4 284141277 Losier! 2 3 13 10 18 0,56 5 3.1.12 , 27.1L12| 25 13,3 10,8 24 0,45 6 GSIEST2 28, 12 2,2 15 12,8 25 0,51 7 Te Teg Da Mn a. 12,9 9,4 21 0,45 8 14.11.12 , 6.111.12} 3,7 12:97} 091 20 0,45 Das Wachstum war nach den Messungen an dem jungen Exemplar sehr langsam, so daß der tägliche Durchschnitt in der ersten Hälfte des Winters 0,3 cm, in der zweiten Hälfte 0,56 em betrug. ‘Als maximalen Zuwachs innerhalb 24 Stunden beobachtete ich in der ersten Hälfte des Winters 1,3 cm, in der zweiten Hälfte 3,1 cm. Bei der Stammpflanze wurden genau wie bei dem Steckling während der Winterzeit ständig neue Blätter gebildet, die aber nicht weiter gemessen wurden. Die Hauptfrage war, wie sich die Blüten des Tabaks unter den Bedingungen des Gewächshauses verhielten. In den sechs Blüten- perioden (dazwischen traten hier und da noch kleinere Infloreszenzen auf) im Laufe der drei Jahre habe ich viele hundert Blüten beobachtet, ihr Bau war extrem typisch. Ich konnte keine einzige deutliche Veränderung der Blütenteile bemerken, abgesehen davon, dab die Farbe der Korolle in ihrer Intensität schwankte und im allgemeinen schwächer war als bei Pflanzen des Freilandes. Man hätte vielleicht erwarten können, daß der Tabak unter den ungewöhnlichen Verhältnissen ab- weichende Blütenformen gebildet hätte. Die Tatsache, daß es nicht der Fall war, läßt sich bis zu einem gewissen Grade verstehen, wenn man die Anschauungen berücksichtigt, die sich aus der Untersuchung experi- mentell herbeigeführter Anomalien ergeben (Klebs 1906, S. 117, 120). Die Entstehung der Blüten ist bedingt durch ein bestimmtes Kon- zentrationsverhältnis zwischen den angesammelten Assimilaten (Kohle- hydraten) und den vom Boden aufgenommenen Nährsalzen (speziell den N-haltigen). Man kann weiter annehmen, daß die Bildung der einzelnen 56 Klebs. Blütenteile wie Kelch-, Blumen-, Staub-, Fruchtblätter auf verschiedenen quantitativ abgestuften Konzentrationsverhältnissen beruht (Klebs 1906, S. 121). Anomalien dieser Teile werden experimentell dann erzeugt, wenn man diese Verhältnisse ändert vor allem durch relative Steigerung der Nähr- salze. Damit stimmt die alte, von de Vries (1901, S. 97) vielfach be- stätigte Erfahrung überein, daß gute Düngung allgemein die Blüten- anomalien z. B. bei Papaver somniferum monstruosum befördert. Im Falle der Tabakpflanze war es entscheidend, daß sie sich in einem Topf mit begrenzter Erdmenge befand, die erst nach 2'/2 Jahren gänzlich er- neuert wurde. Der relative Mangel an Nährsalzen war Schuld an dem typischen Bau der Blüten. Theoretisch könnte man erwarten, daß Anomalien auch einträten, wenn die Assimilation zu einseitig gesteigert werden würde. Jedenfalls lag im Gewächshaus keine Veranlassung dazu vor, weil die im Verhält- nis zur Lichtmenge hohe Temperatur namentlich im Winterhalbjahr Prozesse der Dissimilation: Spaltungen, Oxydationen usw. beförderte, so daß die Konzentration der Kohlehydrate keinen sehr hohen Grad er- reichen konnte: Nach zahlreichen Erfahrungen mußte ich voraussetzen, daß eine solche Tabakpflanze unter anderen Bedingungen Blütenanomalien zeigen würde. Die Versuche wurden zuerst an Stecklingen, dann an Sämlingen ausgeführt. 1. Die Versuche mit Stecklingen. Es ist wohl bekannt, daß sich der Tabak durch Stecklinge vermehren läßt, wenn auch dieses Verfahren keine praktische Bedeutung besitzt. Ge- nauer hat sich mit der Frage Behrens (1899) beschäftigt, welcher junge Seitentriebe, an denen die Infloreszenz bereits angelegt war, im Mistbeet als Stecklinge kultivierte. Die sich entwickelnden Infloreszenzen wurden ent- fernt; aber es traten immer wieder neue Infloreszenzen auf bis in den Herbst hinein. Während des Winters blieben die Pflanzen in ihrer Entwicklung stehen. Als sie im Frühjahr im Mistbeet weiter kultiviert wurden, bildeten sie neue Infloreszenzen, und nach ihrer Entfernung wiederholte sich das Spiel. Behrens (a.a.O. S. 452) gelang es nicht aus solchen Steck- lingen normale Tabakpflanzen mit breiten Blättern zu erzielen, „der Charakter als Seitensprosse blieb den aus solchen erzogenen Pflanzen inhärent“. Behrens erinnert an die bekannten Versuche von Sachs mit Begonien; man kann auch die Versuche Goebels (1898, S. 39) mit Blättern von Achimenes erwähnen von denen jene aus der Blütenregion Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 5 blühende Sprosse, solche der basalen Region Blattsprosse erzeugen. Vor allem erinnern diese Beobachtungen an das Verhalten der Seiten- sprosse von Phyllanthus (Goebel 1896, S..492; 1908, S. 88), ebenso von Araucaria (Vöchting 1898, S. 147), die, als Stecklinge benutzt, ihren plagiotropen Charakter jahrelang bewahren. Es ist nicht zweifel- haft, daß man den Tabak mit Hilfe solcher Stecklinge während des ganzen Jahres beständig im Blühen erhalten kann, sofern man im Winter für genügende Beleuchtung sorgt. Unter den Verhältnissen meines Ge- wächshauses (wenig Licht im Winter, große Feuchtigkeit) hört die nor- male Blütenentfaltung Ende November auf und beginnt frühestens Ende Februar. Zum Unterschiede von Araucarza läßt sich beim Tabak leicht und sicher der „inhärente“* Charakter umändern. Wenn man im Herbst von Pflanzen des Gewächshauses Seitensprosse nimmt und sie feuchtwarm (im sog. Schwitzkasten) bei guter Düngung kultiviert, so sterben die etwa noch angelegten Infloreszenzen ab, es entstehen neue Sprosse, die rein vegetativ sind und es auch bleiben, wenn man später im Sommer neue Stecklinge davon macht. Es wäre keine schwierige Aufgabe, ‚den Tabak jahrelang rein vegetativ zu erziehen. Bei einer andern Form (einem Bastard des Tabaks mit N. tomentosa) wird dieser Versuch aus besonderen Gründen seit drei Jahren durchgeführt. Die Blühreife der Seitensprosse eines Tabaks ist die Folge be- stimmter äußerer Bedingungen, wie in zahllosen anderen Fällen. Wir haben hier einen relativ einfachen Fall für eine gewisse Fixierung der durch die Außenwelt hervorgerufenen inneren Bedin- gungen, so daß diese noch wirksam bleiben, auch dann, wenn äußere Bedingungen wie die eines warmen feuchten Mistbeetes und dergl. dem Prozeß entgegen wirken (Klebs 1903, S. 157). Es gelingt aber diese Fixierung zu beseitigen — und das wird wohl auch später bei Araucarza gelingen, um so wahrscheinlicher, als die Umwandlung eines Seiten- sprosses in einen Hauptsproß in sehr seltenen Fällen beobachtet worden ist (Vöchting 1904, S. 145). Die Stecklinge der Stammpflanze wurden hauptsächlich benutzt, um die Frage zu beantworten ob in der Pflanze, die so extrem typisch blühte, nicht doch die Potenzen zu Ano- malien vorhanden wären. Ich habe eine große Anzahl von Versuchen angestellt in der Weise, wie ich es früher für Sempervivum und Sedum maximum durchgeführt habe. Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen, will ich als Ergebnis hervorheben, daß die Tabakblüte ein sehr viel stabileres Gebilde vorstellt als die Sempervivum-Blüte. Eine bestimmte 58 Klebs. Methode, so regelmäßig und sicher Anomalien zu veranlassen, wurde bisher nicht gefunden. Relativ am reichsten war die Ausbeute bei der Kultur im Warmbeet. Dieses Warmbeet nach Art eines Mistbeetkastens wurde seit Ende Januar oder Anfang Februar durch eine Warmwasser- heizung erwärmt, die mit dem Kessel des Instituts-Gewächshauses in Verbindung stand. Über der Rohrleitung lagen anfangs Schiefer, später wiederstandsfähige Tonplatten, auf denen sich gut gedüngte Erde in einer Höhe von 30—40 cm befand. Das Warmbeet war mit Fenstern bedeckt, die in den Frühjahrsmonaten zur Zeit der Sonnenbeleuchtung gelüftet wurden. Die Heizung wurde im Mai unterbrochen, die Fenster wurden abgenommen, so daß die Pflanzen sich in freier Luft weiter entwickeln konnten. Seit Frühjahr 1910 kultivierte ich im Warmbeet einen Steckling der Stammpflanze, der sich kräftig entwickelte und typisch blühte. Im gedeckten vor Frost beschützten Beet überwinterte die Pflanze; sie wurde im Februar in neue, stark gedüngte Erde des Warmbeetes um- gepflanzt. Anfang Juli 1911 kam sie zur Blüte. Hierbei zeigte sich eine Menge Anomalien. Im Februar 1911 wurde gleichzeitig ein anderer, früher im Gewächshaus kultivierter Steckling in das Warmbeet verpflanzt, der im gleichen Sommer nur geringe Abweichungen im Bau seiner Blüten aufwies. Ein Steckling dieser Pflanze wurde im Herbst in einen Topf gesetzt und warm überwintert; er kam im Frühjahr in einen hellen kühlen Raum und zeigte im Mai eine Infloreszenz, die abgeschnitten in Wasser gesetzt wurde, und zwar war dieses Wasser etwas faulig. An der Infloreszenz entstand eine Reihe sehr anormaler Blüten, darunter folgende: 1. Stark gefranste, daher mehr als fünf lappige Blumenkronen; Kelch- zipfel etwas abstehend rot, petaloid (Fig. 1B). 2. Blumenkrone normal; Kelch zerspalten in einzelne (7) Zipfel, einer davon größer, grün blattartig, ein anderer etwas schüsselförmig (Fig. 10). 3. Aufspaltung der Blumenkrone in fünf Teile, deren Rand (schraf- fiert) rot gefärbt war, während das Übrige weiß war; einige der Zipfel am Ende triehterförmig ausgebildet (Fig. 1 £). 4. Blumenkrone aufgerissen, reduziert auf ein dreilappiges Stück, an welchem ein nach oben- sich trichterförmig erweiterndes Gebilde saß (Fig. 1Db); vier normale Staubblätter, eines umgewandelt in einen gestielten Trichter (Fig. 1 De); Kelch normal. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 59 ee Lo AUT Fig. 1. Blüten von Nicotiana tabacum Stammpflanze. A normale Blüte, B Blüten- saum gefranst, C Kelch in einzelne Teile gespalten, einer laubblattartig, D (a) Blumenröhre zerrissen, nur ein Teil ausgebildet mit einem trichterférmigen Ansatz (6), 5 Staubblätter, 1 petaloid trichterförmig (ec), E stark zerteilte Blumenröhre, 5 Teile, Rand rot (schraffiert), Inneres weiß. A—D natürliche Größe, E etwas vergrößert. Ein Steckling der Stamm- pflanze im Warmbeet 1911; davon ein Steckling im Topf, Gewächshaus; junge Inflores- zenz 18. V. 12 in sumpfigem Wasser. 60 Klebs. An der vorbin genannten Stecklingspflanze des Warmbeetes kamen folgende Anomalien hinzu: 5. Blumenkrone seitlich aufgerissen, ein Staubblatt samt Anthere mit einem Lappen verwachsen, Anthere zur Hälfte petaloid. 6. Doppelblüte: zwei Fruchtknoten nebst Griffel, acht Staubblätter, Blumenkrone seitlich aufgerissen, ebenso Kelch. 7. Blumenkrone normal, aber ein Staubblatt mit der Röhre ganz verwachsen, Anthere zu einem peta- loiden Zipfel umgestaltet. Einige solcher Blüten wurden selbstbefruch- tet; reife Samen erhielt ich nur von Nr. 1 (gefranst) und 6 (Doppel- blüte). Ähnliche Anomalien traten auch bei einem Steckling hervor, der sich im Juni 1911 im Schwitzkasten bewurzelt hatte, dann frei auf den , Versuchsbalkon gebracht wurde. Hier traten mehrere Blüten mit seit- lich zerrissenen Blumenkronen auf; zwei davon wurden selbstbefruchtet und lieferten reife Samen. Ferner entstand eine Blüte, die in mehrere selbständige Teile. zerspalten war (ähnlich wie Nr. 3); auch von ihr er- hielt ich reife Samen. Fig.2. Anormale Blüte Nicotiana tabacum; Zur Ergänzung führe ich auch an der Blumenröhre seitliche petaloide RE eee aa se Lappen (Catseaeollan) san einem Steck eee Versuche mit Stecklingen an, einer Pflanze der zweiten Generation. die von der zweiten Generation der 18. III. 12 im Warmbeet; Pflanze mosaik- Stammpflanze (siehe später) ge- krank. wonnen wurden. Die Samen waren im Herbst 1911 ausgesät worden; die überwinterten Sämlinge kamen im März 1912 in das neu gedüngte Warmbeet. Wahrscheinlich durch den Dünger wurden in das Warmbeet die Keime der Mosaikkrankheit eingeschleppt; denn im Laufe des Sommers wurden verschiedene Tabakpflanzen, darunter auch die Sämlinge krank. An den Infloreszenzen der Sämlinge zeigten sich Anomalien. Fast weiße oder rotweiß gefleckte Blumenkronen, seitlich aufgerissene Blumenkronen, Verwachsungen von Staubblättern mit der Blumenröhre, petaloide rot Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 61 gefärbte Kelchzipfel. Eine früher nicht beobachtete Anomalie bestand in der Bildung mehrerer petaloider gestielter Lappen, die an der Außen- seite der Kronenröhre wie Fahnen abstanden (Catacorollen, Fig. 2). Vielfach traten in den verschiedenen Experimenten verkümmerte Blüten auf, bei denen meist die Krone reduziert erscheint, während der Griffel weit hervorragt. Solche Bildungen sind von Goodspeed (1913, S. 178) beschrieben worden. Von den Sämlingen des Herbstes 1911 blieb ein Steckling im Gewächshaus und kam bereits im März 1912 zur Blüte. Ich benutzte die Blüten zu einer Bastardierung mit der im Frühjahr blühenden Nie. tomentosa. Nach der Wegnahme der Früchte Anfang Mai traten neue Blüten hervor, von denen eine besonders auffallend ge- staltet war (Fig. 3). Der eigentliche Blütenstiel war ganz reduziert; der Kelch stark verlängert und mit breiten rot gefärbten also petaloiden Zipfeln versehen, zu- gleich stark gekrümmt wie auch die Blumen- röhre, die seitlich aufgeschlitzt war. Diese Blüte ist von ganz besonderem Interesse, da wir sie später in einer besonderen Rasse wieder- finden werden; sie erinnert an die bekannten Varietäten calycanthema bei Primula, Mimulus, Campanula medium (vergl. Correns 1905), für die eine starke petaloide Umbildung des Kelches 2 charakteristisch ist. Fig. 3. Anormale Blüte von Die älteren Beobachtungen über Anomalien N. tabacum, ue Gene- des Datta = comes cee . ab ei Suites. a sammengestellt worden. Hier und da ist das Auf- a ; n reißen der Blumenkrone (Adesmie) beobachtet er er worden. Penzig selbst hat in einer speziellen Arbeit (1885) bei Tabak- pflanzen aus dem botanischen Garten von Pavia Blütenanomalien be- schrieben, die im späten Herbst entstanden waren. Darunter fanden sich solche Formen mit verlängertem petaloidem Kelch und zerrissener Blumen- krone wie bei meiner Pflanze. Ferner zeigte sich eine Vermehrung der Zipfel,der Staubblätter, eine völlige Verwachsung oder auch völlige Trennung von Staubblättern und vor allem auch die Bildung petaloider Lappen an der Basis der Kronenröhre (manchmal im Kelch versteckt) oder auch in der Mitte. Penzig bezeichnet diese Neubildungen als Catacorollen. Die Versuche mit den Stecklingen lehrten unzweideutig, daß in der so typisch blühenden Stammpflanze des Gewächshauses eine Menge Potenzen zu den mannigfachsten Umbildungen der Blütenteile steckte. 62 Klebs. Dieses Ergebnis spricht für meine Auffassung, nach der jedes be- liebige Individuum einer Blütenpflanze die Fähigkeiten zu solchen Um- bildungen besitzt und sie ausbildet, so bald die dafür geeigneten Be- dingungen verwirklicht werden. Große Unterschiede zeigen sich wesent- lich darin, daß es bei den einen Pflanzen leichter gelingt, diese Be- dingungen zu finden als bei anderen. Wir gehen jetzt über zu den Versuchen, durch Kulturen im Freiland das Auftreten der Blüten- anomalien zu verfolgen. 2. Die Nachkommen der Stammpflanze St I 1912. Der Tabak pflegt seinen Samen durch Selbstbefruchtung auszu- bilden, da in der völlig entfalteten Blüte die längeren Staubblätter so lang werden, daß ihre Antheren den Pollen auf die Narben abladen können. Es ist seit langem bekannt, daß diese strenge Inzucht keinen Nach- teil bringt (Darwin 1876, S. 210). Langjährige Kulturen amerikanischer Forscher wie Shamel und Cobey (1907, S. 19), Hayes (1913, S. 6) u.a. haben den genauen Nachweis dafür geliefert. Die beiden ersten Forscher behaupten sogar, daß die Nachkommen bei Selbstbefruchtung kräftiger sein sollen als bei Kreuzbefruchtung. Die Stammpflanze der wärmeren Abteilung des Gewächshauses erzeugte ihren Samen ausschließlich durch Selbstbefruchtung; bei vielen Blüten half ich noch etwas nach. Sie war die einzige, völlig isolierte Pflanze, da es auch in der näheren wie ferneren Umgebung des Instituts- gewächshauses nirgends blühenden Tabak gab. Die erste größere Aus- saat machte ich im Frühjahr 1910; 80 kräftig im Freiland des bota- nischen Gartens entwickelte Individuen zeigten bei flüchtiger Durchsicht nichts Auffallendes, eine genauere Untersuchung fand wegen einer Reise in die Tropen nicht statt. Erst im Jahre 1912 begann die eigentliche Untersuchung. Die Aussaat geschah unter meiner persönlichen Aufsicht; im Fe- bruar 1912 habe ich es versäumt die Erde zu sterilisieren, was in den folgenden Jahren stets geschah. Nach der ersten Erstarkung der Keim- linge wurden sie in größere Schalen verteilt (pikiert), die anfangs im Gewächshaus standen, im Laufe des April ins Freie unter Frostschutz kamen. Mitte Mai wurden die kräftigen Pflanzen in die vorbereiteten gut gedüngten Beete gesetzt. Da ich kein sehr großes Versuchsfeld zur Verfügung hatte, wurde nur ein Teil der Sämlinge ausgepflanzt; in den nächsten Jahren benutzte ich auch einige Beete im kleinen Garten des Institutes, der in der Stadt gelegen ist. Der Boden ist weniger gut Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 63 als im großen Garten, außerdem herrscht wegen benachbarter Häuser weniger Licht. In den Jahren 1913 und 14 pflanzte ich einen dritten Teil der Sämlinge auf den Schloßberg, im sog. Altangarten. Obwohl die Standorte im botanischen Garten, Institutsgarten, Altangarten inbezug auf Boden, Feuchtigkeit, Beleuchtung mancherlei Unterschiede zeigten, die sich in den vegetativen Organen ausprägten, so ließ sich ein wesent- licher Einfluß auf den hier interessierenden Blütenbau nicht deutlich erkennen. Im botanischen Gaften versuchte ich bei den Kulturen von 1912 den Einfluß starker Düngung. An den einzelnen Beeten wurden 1 oder 2 qm kurz vor dem Auspflanzen, dann später vor dem Blühen mit ver- schiedenen Düngemitteln versehen. Ich benutzte Kali-, Natronsalpeter, Superphosphat, Kalidünger (40°/o), kohlensauren Kalk, Ammonphosphat; ich will nicht näher darauf eingehen, da die Versuche, wie wir sehen werden, zu keinem sicheren Ergebnis führten. Eine Reihe von Samenproben wurde zur Aussaat 1912 verwendet, sämtliche rührten von der Stammpflanze St I direkt oder indirekt (Steck- linge) her und lieferten die zweite Generation StII. Nur eine Samen- probe stammte bereits von einem Sämling St Il, der im Herbst 1911 ent- standen und im Frühsommer 1912 gefruchtet hatte (s. S. 60); die Aus- saat dieser Samen, die noch im Mai des gleichen Jahres geschah, gab die dritte Generation St III. Ich führe die Samenproben mit den Nummern meines Versuchsprotokolls an. Nr. 189. Ein blühender Trieb von StI in 0,5°/o Knop im Gewächshaus kultiviert, selbstbefruchtet, Samen 23. X. 11 gesammelt. Nr. 190. Eine Frucht einer Blüte mit sechszipfeliger Blumenkrone von einem Steckling im Warmbeet. Nr. 191. Zwei Früchte von Blüten mit aufgerissener Blumenkrone (s. S. 60). Nr. 193. Früchte der Stammpflanze aus einer im Juni 1911 blühenden Infloreszenz; Samen 9. VIII. 11 gesammelt. Nr. 194. Frucht einer Blüte mit fast völlig getrennten einzelnen Kronen- teilen (s. S. 60). Nr. 196. Früchte einer Doppelblüte (s. S. 60). Nr. 211. Samen eines Sämlings StU. Aussaat Herbst 1911; Blüte im Frühjahr 1912, Früchte 1. V. 15, ausgesät, im Herbst 1912 zur Blüte kommend. Unter den 460 Exemplaren der Freilandkultur fand sich eine Pflanze von abweichendem Bau sämtlicher Blüten, dieser 64 Klebs. „Mutant“ ist das Hauptobjekt der Arbeit und wird weiter unten aus- führlich besprochen werden. Alle anderen Exemplare zeigten überein- stimmende Charaktere im vegetativen Aufbau, wie in der allgemeinen Organisation der Blüten. Es kam darauf an, die vorkommenden Ano- malien zu untersuchen. Von den Abweichungen des Kelches wurden zum Unterschiede von den Untersuchungen der nächsten Jahre nur die be- sonders auffallenden Merkmale: deutlich abstehende und rot petaloide Zipfel berücksichtigt (Taf. Fig. 1b). Besonders geachtet wurde auf das Vorkommen von Blüten mit seitlich aufgeschlitzter Blumenkrone (Taf. Fig. 1c) und von Doppelblüten. Auch Blüten mit abweichenden Zahlen der Kronenzipfel und Staubblätter wurden gefunden; indessen haben diese Anomalien für die weitere Arbeit kein besonderes Interesse. In den einzelnen Versuchsfeldern wurden zu verschiedenen Zeiten im Juli, September, Oktober Blüten von allen Exemplaren abgepflückt und untersucht. Tabelle I. Zahl der Blütenanomalien bei Aussaat der Stammpflanze. Sommer 1912. Ungedüngt Gedüngt Nr. = ] ai 7 = Zahl | | | der 2 Zahl | Kelch | Krone) u Zahl | Kelch | Krone| der | ‘Doppel-| der | Doppel- Samen der abwei- | zer- = der abwei- | zer- = Exem- es eg | bliiten | Exem- a 5 blüten Blüten | chend | rissen | Blüten | chend | rissen plare | | | plare 189 53 ey ee al 5 3 26 | 1140 15 8 6 190 35 | 790 20 5 4 36 409 — 1 i 191 71 210 |} 2 8 — 13 361 5 10 3 193 73 832 19 uit 3) 14 | 268 3 H 3 — 194 22 242 6 11 — =| = — =e a 196 70 2408 56 31 9 11 | 452 1 1 2 211 35 325 10 3 — = — — — — 359 | 4994 | 114 | 74 | 21 100 | 2630 24 23 12 | 209 | 59 Aus der Tabelle ergibt sich zunächst, daß die starke Düngung die Zahl der abweichenden Blüten nicht vermehrt, sondern sogar etwas ver- mindert hat. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 65 Ungedüngt Gedüngt Zahl der Blüten. . . 4669 2630 abweichend . . . . 209 = 4,5%o HO e220; Der Boden war im Frühjahr reichlich gediingt worden, so daß eine noch stärkere Zufuhr keinen Nutzen brachte. Von besonderem Interesse war die Frage, wie sich die Nachkommen jener im künstlichen Versuch abweichend gewordenen Blüten verhalten würden. Zum Ver- gleich nehme ich die Pflanze Nr. 193 der direkten Nachkommen der extrem typischen Blüten der Stammpflanze St I. Nr. 196 stammte von einer Doppelblüte. Zahl der Blüten von 196 2860; Doppelblüten 11 = 0,38°/o, En 37771931100; E 5 = 0,45%o. Die Nachkommen der Doppelbliiten hatten sogar etwas weniger Doppelbliiten gebildet als die typischen Bliiten. Nr. 191 stammte von zwei Bliiten mit aufgerissener Blumenkrone, 194 yon einer Bliite mit ganz gespaltener Krone. Zahl der Blüten von 191 571; zerrissene Blüten 18 = 3,1°/o, ” ” ” ” 194 242; ” ” 11 = 4,5°/o, ae =) 5) 931100: L » 4= 12%. In den beiden Versuchen 191 und 194 war die Zahl der zer- rissenen Blüten etwas gesteigert gegenüber den Nachkommen der nor- malen Blüten. Aber der Unterschied ist doch nicht so groß, daß man darauf großes Gewicht legen könnte. Unter sämtlichen Blüten 7624 fanden sich 93 zerrissene Blüten vor = 1,3°/o. Die Nachkommen Nr. 190 (Blüten mit gefransten Blumenkronen) hatten überhaupt nicht diese Ab- weichung gezeigt. Unter den seltenen Anomalien der Aussaat von 1912 können noch erwähnt werden: eine Verwachsung von drei Blüten, ferner neben völ- liger Zerfaserung der Krone, eine Durchwachsung durch Bildung einer zweiten Blüte im Zentrum. In sehr viel stärkerem Grade ist eine mehr- fache Durchwachsung der Blüten des Tabaks an einem Exemplar aus Java von Hunger (1904, S. 57) beobachtet worden. Die Kulturen im Freiland haben eine Reihe Abweichungen der Blüten dargeboten, die wir bei den Stecklingsversuchen schon kennen gelernt haben, wenn auch bei diesen gewisse Anomalien, wie starke Zer- spaltung der Krone und des Kelches, sehr ausgesprochene Petalodie des Kelches, Verwachsung eines Staubblattes mit der Kronenröhre nicht beobachtet worden sind. Die durchschnittliche Zahl der abweichend Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 5 66 Klebs. gebauten Blüten ist bei den Freilandexemplaren gering. Die Nach- kommenschaft der in den Experimenten abnorm gewordenen Blüten zeigten keine deutliche Zunahme der Anomalien gegenüber den normalen Blüten. 3. Die Nachkommen der Stammpflanze 1913. Für die Nachzucht benutzte ich nicht Individuen des Freilandes, son- dern in anderer Weise kultivierte Exemplare in dem Gedanken, möglicher- weise durch die besonderen Bedingungen der Blüten- und Fruchtbildung zu anders gearteten Nachkommen zu gelangen. Ich wendete dabei auch eine Methode an, die später für die Bastardierungen mehrfach benutzt wurde; ich schnitt blühende Infloreszenzen ab und ließ sie nach Selbstbefruchtung in einem Gefäß mit Wasser stehen in einem abge- schlossenen kleinen Gewächshaus des Versuchsbalkons. An solchen ab- geschnittenen Trieben entwickelten sich die Früchte in 4—5 Wochen. Man muß nur von vornherein neben allen bereits entfalteten auch alle jüngsten Blütenanlagen entfernen, so dal) eine kleine Anzahl geschlossener aber doch schon deutlich entwickelter Knospen vorhanden bleibt. Im folgenden gebe ich die Herkunft der Samenproben an und die Anzahl der ins Freiland 1913 ausgesetzten Pflanzen: Nr. 221. Pflanze (211) St III 1912 in einen Topf gesetzt in der kühleren Abteilung des Gewächshauses selbstbefruchtet; reife Früchte November 1912. Sämlinge St IV repräsentierend; 171 Exemplare. Nr. 236. Eine Pflanze St II gepfropft auf Nzcotzana glauca im Februar 1912; sie blühte erst im Herbst; Früchte gesammelt November 1912; 54 Exemplare. Nr. 219. Abgeschnittener Zweig von Nr. 193; 88 Exemplare. Nr. 224. Ein Steckling von St II im Gewächshause im November blühend; Früchte Januar 1913; 90 Exemplare. Nr. 234. Ein Steckling von St III. Früchte Anfang des Winters 1912; 88 Exemplare. Die Gesamtzahl der ausgepflanzten Exemplare betrug 446. Alle zeigten im wesentlichen die gleichen Merkmale. Ich habe eine viel ge- ringere Anzahl Blüten als 1912 untersucht; ich nahm von den einzelnen Versuchsfeldern zu verschiedenen Zeiten Proben. Diese wurden aber inbezug auf die Abweichungen des Kelches genauer untersucht. Ich berücksichtigte die Blüten, auch wenn am Kelch nur 1—2 Zipfel rot gefärbt waren und etwas abstanden und ferner wenn an seiner Basis kleine wulstige Erhebungen deutlich waren. Infolgedessen war die Ge- Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 67 samtzahl der als abweichend bezeichneten Blüten sehr viel größer. Für den Vergleich mit 1912 kann man nur die aufgerissenen Blüten und die Doppelblüten benutzen. Gesamtzahl der untersuchten Blüten 967: ganz normal : . . . . 452 = 46,7%o, Abweichungen des Kelches 489 = 50,6°/o, Krone aufgerissen - . . 25 = 2,6’, Doppelblütes zes eu I ONL): Beim Vergleich mit 193 (1912, S. 305) ergibt sich eine kleine Zunahme der zerrissenen, eine Abnahme der Doppelblüten. Es ist sehr merkwürdige, daß die Doppelblüten später immer seltener wurden, schließ- lich äußerst vereinzelt auftraten. 4. Die Nachkommen der Stammpflanze 1914. Im Sommer 1913 hatte ich verschiedene Exemplare in den Ver- suchsfeldern durch Gazehüllen vor Kreuzbefruchtung beschützt. Ich versuchte ferner noch einmal den Samen der alten Stammpflanze StI und zwar den letzten, den sie im: April 1912 vor ihrem Tode gebildet hatte, ebenso auch Samen von direkten Stecklingen von ihr. Infolge- dessen bestanden die Freilandexemplare von 1914 aus ganz verschiedenen Generationen. Tabelle II. Zahl der Blütenanomalien im Jahre 1914. Verschiedene Generationen der Stammpflanze St I. Kelch Nr. der Zahl der Zahl der as abweichend | Blumenkrone Samen Exemplare | Generationen a wulstig und | aufgerissen üten : petaloid 241 51 StV 336 114 1 253 47 _ 260 56 4 260 64 StIV 1080 223 0 261 37 — 671 183 2 264 60 — 733 112 1 267 52 St I 370 79 0 269 48 — 658 282 1 274 34 StIV 247 46 1 393 4355 1095 10 68 Klebs. Die Beobachtungen ergaben, daß die Abweichungen der Blüten von 1914 im Vergleich zu 1913 sich verringert hatten: Abweichungen des Kelches . 25,2°/o (50,2°/o 1913), zerrissene Blumenkronen . . 0,23% (2,6°/o 1913). Doppelblüten fanden sich nicht vor; dagegen sah ich eine Blüte mit petaloiden senkrecht abstehenden Seitenlappen an der Blumenröhre (Catacorollen). 9. Die Nachkommen der Stammpflanze 1915. Von den Versuchsfeldern Nr. 260, 267, 269 und 274 wurde je ein Exemplar unter der Gazehülle der Selbstbefruchtung überlassen. Da ich die Felder für die später zu besprechenden Tabaksorten brauchte, so wurde von den Sämlingen der genannten Nummern nur je ein kleiner Teil ausgepflanzt. Tabelle III. Zahl der Blütenanomalien im Jahre 1915. Verschiedene Generationen der Stammpflanze St I. Kelch Nr. der Zahl der Zahl der ren abweichend | Blumenkrone Samen Exemplare | Generationen Blüten wulstig und | aufgerissen petaloid 297 20 St V 132 9 0 299 32 St III 106 34 0 300 28 St IV 50 9 0 301 35 St V 800 338 5 115 1094 390 5 Die Bliitenanomalien haben 1915 im Vergleich zu 1914 wieder etwas zugenommen. Abweichungen des Kelches = 35,6°/o (25,2°/o 1914; 50,2°/o 1913), zerrissene Blumenkronen = _ 0,5°/o (0,23°/o 1914; 2,6°/o 1913). Die Zunahme erscheint noch etwas größer, wenn man die Zählungen bei Nr. 301 allein berücksichtigt; von den drei anderen Versuchsfeldern habe ich sehr wenig Blüten untersucht. Unter den Blüten von 301 fanden sich noch einige besondere Abweichungen, zerteilter Kelch und die seitlichen petaloiden Lappen (Catacorollen). Bei einer der Blüten war der Lappen grünlich weiß, entsprang an der Basis der Röhre und war dann so umgebogen, daß seine Spitze wieder im Kelch verborgen war, gerade wie es Penzig (1898, Taf. XIV, Fig. 29) abbildet. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 69 6. Bestimmung der Varietät; Zusammenfassung. Die Sammelspezies Nicotiana tabacum besteht aus einer sehr großen Anzahl von verschiedenartigen Formen. Ein erster wertvoller Versuch, in das Chaos Ordnung zu bringen, rührt von Comes (1899) her, der sechs deutlich verschiedene Hauptvarietäten unterschied, und die zahl- reichen Zwischenformen als Bastarde dieser Varietäten auffaßte. Die sechs Varietäten sind: fruticosa, lancifolia, virginica, brasiliensis, haba- nensis, macrophylla. Meine Stammpflanze in ihren im Freiland kulti- vierten Nachkommen stimmt der Mehrzahl der Charaktere nach mit der virginica Comes (a.a.0. S. 12, Taf. V) überein (vergl. das Bild Fig. 4, S. 317). Die Blätter des Stengels sind breit eiförmig gegen das Ende zuge- spitzt; die Spitze häufig an einer Seite etwas eingebogen. Nach der Basis zu verschmälert sich die Blattspreite ohne deutlichen Stiel und bildet beider- seits die stark entwickelten halbkreisförmigen etwas krausen Öhrchen. Am Stengel ist das Herablaufen nur durch zwei schmale Linien an- gedeutet. Am oberen Teil des Stengels, dort wo er in die Infloreszenz übergeht, werden die Blätter lanzettlich stark zugespitzt. Die Blatt- fläche ist drüsig behaart, relativ glatt, der Blattrand ein wenig wellig. An 10 Individuen eines Versuchsfeldes wurden die Blätter des Stengels aus der unteren und mittleren Region (die alleruntersten waren bereits vertrocknet) gemessen. An den 100 Blättern: Durehschnittslänge — 51,6; Minimum 40,1; Maximum 65, Durchschnittsbreite = 21,3; 4 aor 3 Sy. Länge SS un Breite Der Blütenstand bat die für den Tabak charakteristische Rispen- form mit cymésen Bliitentrieben. Die Blüte meiner Stammpflanze stimmt mit der von Comes abgebildeten Form bei verginica nahe überein; die Kronenzipfel sind an der Basis breit und verjüngen sich keilförmig in eine etwas gekrümmte Spitze (Fig. 1A, Taf. Fig. 1a). Dagegen unter- scheidet sich meine Pflanze von der virginica durch die Frucht. Die Kelchzipfel erscheinen länger gestreckt und hüllen die längliche Frucht bis fast zur Spitze ein, während bei Comes (Taf. I virginica) die Kelch- blätter nur ca. */; der Länge der etwas kürzeren und diekeren Frucht bedecken. Eine veränderte Gruppierung der Tabaksorten hat Angeloni (1906) vorgeschlagen, und sie ist dann durch Anastasia in seinem großen Tafelwerk (1906) durchgeführt worden. Es wurden nur vier Haupt- 70 Klebs. varietäten angenommen: havanensis, brasiliensis, virginica, purpurea, während alle anderen Sorten als Bastarde aufgefaBt wurden. Die Ab- bildung der vergenica (S. 48) stimmt in der Blattform mit der Stamm- pflanze wohl überein; der Blütenstand .der gezeichneten Pflanze war augenscheinlich etwas verkümmert, der Bau der Blüten wird nicht näher erwähnt. Auf Grund langjähriger Kulturen bei strenger Selbstbefruchtung der Tabaksorten hat Setchell (1912) neue Fundamente für die Systematik der Gattung Nicotiana geleet. Bei N. tabacum unterscheidet er sechs Hauptvarietäten: Brasilien, Carala, Maryland, calycina, white Tobacco, macrophylla. Die Varietiit Maryland entspricht im wesentlichen der virginica Comes und damit auch meiner Stammpflanze; absolute Identität ist bei dem Reichtum der Sorten nicht zu erwarten. Die Auffassung der italienischen Forscher, nach der die Zwischen- formen ihrer Varietäten Bastarde seien, ist von den beiden Howards (A. und G. Howard 1910) als unbewiesen zurückgewiesen worden. Beide haben von dem Tabak nicht weniger als 51 verschiedene, in Indien angebaute Sorten unterschieden die in mehrjährigen Kulturen bei Selbst- befruchtung ihre Charaktere konstant bewahrt haben. Alle diese Sorten unterscheiden sich wesentlich nur in quantitativer Beziehung. Auch die Versuche von Hayes (1912, 1913) mit praktisch wertvollen Kultur- formen des Tabaks lehren, daß diese ihre für sie charakteristischen quan- titativen Merkmale bei Selbstbefruchtung konstant vererben und daß bei Kreuzungen verschiedener Sorten eine Mendelsche Spaltung der Merk- male nachweisbar ist. Die Konstanz reiner Linien des Tabaks ist auch von Lodewijks (1911) eingehend geprüft worden. Es ist natürlich nicht möglich zu behaupten, daß irgend eine dieser sog. reinen Linien ursprüng- lich nicht durch eine Bastardierung hindurchgegangen wäre. Wir können es aber nicht nachweisen und begniigen uns zunächst mit der Fest- stellung, daß sich die Sorten unter den gewöhnlichen Gartenbedingungen rein vererben. Die Untersuchung während der letzten vier Jahre beweist in gleicher Weise, daß die Nachkommen der Stammpflanze meines Gewächshauses ihre Merkmale rein vererben. Im vegetativen Aufbau wie in dem Bau ihrer Blütenorgane sind die Individuen der vier Generationen unter einigermaßen ähnlichen äußeren Bedingungen übereinstimmend, man muß sie als homozygotisch bezeichnen, da eine Spaltung in irgend einem Merkmal nicht nachweisbar ist. Sobald die äuberen Bedingungen sich merklich ändern, verändern sich die sichtbaren Eigenschaften. Die Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 71 Blattorgane sind überaus empfindliche Organe und erscheinen in sehr abweichenden Formen z. B. im Gewächshaus, bei Stecklingskulturen und dergl. Hier interessieren nur die Änderungen der viel stabileren Blüten- organe. Die Experimente mit den Stecklingen, den Freilandkulturen im größeren Maßstabe haben gelehrt, daß die im Gewächshaus drei Jahre hindurch nur typisch blühende Pflanze die Potenzen zu den mannigfachsten Umbildungen enthielt. Für die weiteren Betrachtungen sind folgende Anomalien besonders hervorzuheben: 1. Wulstige Bildungen an der Kelchbasis, Abspreizung, Rotfärbung und Verbreiterung der Kelchzipfel. In geringem Maße sind diese Abweichungen bei Freilandkulturen relativ häufig, wenn auch ihre Zahl je nach den klimatischen Bedin- gungen des Jahres wechselt von 25—50°/o. Aber es gibt darunter auch Fälle mit stärker ausgebildetem Grade der Abweichung, bei denen vor allem die Petalodie der Kelchzipfel zunimmt, bis in seltenen Fällen (Fig. 3, s. S. 301) der blumenblattartige Kelch die ganze Blumenkronenröhre einschließt, wie bei den calycanthema-Varietiiten anderer Pflanzen. Die wulstigen Bildungen an der Kelchbasis sind dann auch gesteigert, der Blütenstiel erscheint reduziert. 2. Aufreißen der Blumenkrone. Die gewöhnliche Form ist das seitliche Aufreißen, so daß die Kronenröhre geöffnet ist (Taf. Fig. 1 ¢); es verbindet sich damit vielfach eine schraubige Drehung der ganzen Blumenkrone. Diese Anomalie tritt in den Freilandkulturen relativ selten auf, je nach den Jahren von 0,2—2,6°/o. In einzelnen Fällen, be- sonders bei den Experimenten mit Stecklingen zerteilt sich die Blumen- krone in mehrere getrennte Stücke. 3. Die völlige Verwachsung eines Staubblattes mit der Blumen- krone und Petalodie der Anthere. Seltene Erscheinungen bei der auf- gerissenen Blumenkrone, nur in einem Falle auch bei einer normalen Blüte beobachtet. 4. Petalodie der Anthere der in ihrem oberen Teile freien Staubblätter. Bisher wurden diese Fälle nur in den Experimenten beobachtet. 5. Bildung meist senkrecht abstehender petaloider Lappen, die aus der Röhre hervorgehen oder auch umgebogen vom Kelch einge- schlossen werden. Seltene Fälle bei den Experimenten und Freilandkulturen. Diese verschiedenen Anomalien der Blüten werden wir in viel höherem Grade der Ausbildung und Häufigkeit bei der neuen Rasse wiederfinden, die aus der Stammpflanze hervorgegangen ist. 72 Klebs. II. Die neue Rasse Lacerata. In den Kulturen von 1912 trat unter den 460 Individuen ein ein- ziges auffallend hervor, durch den stark anormalen Bau der Blüten. Es fand sich unter den mit Nr. 193 bezeichneten Individuen (s. S. 63), deren Samen durch Selbstbefruchtung der Stammpflanze im warmen Gewächs- haus gewonnen waren. Die Blüten hatten sich im Juni 1911 entfaltet, die Früchte wurden am 1. VIII. 11 gesammelt, im Februar 1912 aus- gesät. Die anormale Pflanze stand auf einem Stück des Freilandes (1 qm), das im Mai vor dem Pflanzen 120 & Ammonphosphat erhalten hatte. Da nur das einzige Exemplar auftrat, läßt sich irgend eine be- stimmte Beziehung zu den Kulturbedingungen nicht erkennen. Das betreffende Individuum zeigte im Vergleich zu den daneben stehenden Tabakpflanzen ein kümmerliches Wachstum; es erreichte nur die Höhe von etwa 80cm. Sämtliche Blüten waren anormal, sie zeigten stark petaloiden Kelch mit dicken wulstigen Erhebungen an der Basis. Die Krone war bei vielen Blüten aufgerissen und gespalten, wie wir es früher kennen gelernt haben. Später lernte ich die Arbeit von Setchell (1912, S. 6, Taf. 4) kennen, in der er eine Rasse als calycena beschreibt, deren Blüten durch petaloide Ausbildung des Kelches, Spaltung der Blumenkrone sehr stark an meine /acerata erinnern. Im vegetativen Aufbau, besonders dem Bau der Blätter nähert sich die calycina der Varietät Maryland (vir- ginica Comes), unterscheidet sich aber durch den Mangel wohl aus- gebildeter Ohrchen. In der mehr kompakten Infloreszenz, in den ob- longen Früchten zeigt die calycina gewisse Beziehungen zur Varietät angustifolia. Die Lacerata-Form meines Gartens stimmt in allen vegetativen Cha- rakteren mit der Stammpflanze überein (genaueres später). Da bisher eingehende Schilderungen der calyeina-Blüten nicht vorliegen, läßt sich nicht sicher erkennen, inwieweit sie sich von denen der lacerata unter- scheiden. In einem entscheidenden Punkte finden wir einen wesent- lichen Unterschied. Setchell gibt von der calyeina an: it has remained constant in its pecularities, ever since, under conditions of pure-line breeding.“ Es handelt sich also um eine konstante homozygotische Rasse. Dagegen verhält sich die /acerata wie ein nach der Mendel- schen Regel spaltender Bastard, sie entspricht einer Fı-Generation und bewährt stets ihre heterozygotische Natur. —1 Ne Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. Zusatz bei der Korrektur: Herr Setchell war so freundlich, mir die Samen seiner ealyeina zuzusenden. Die Pflanzen, die im Sommer 1916 blühen, fallen durch ihre geringe Größe gegenüber meiner lacerata auf und gehören entsprechend der Beschreibung Setchells sicher einer anderen Sorte an. Diese Blüten zeigen aber die gleichen Anomalien wie die der lacerata, nur ist die Farbe der petaloiden Kelchzipfel sowie der Krone dunkler rot als bei der lacerata. 1. Die Spaltung von lacerata. Von der Pflanze LI machte ich im Sommer 1912 einige Steck- linge, die nach der Überwinterung Frühjahr 1913 teils in das Warmbeet teils in ein gewöhnliches Mistbeet gesetzt wurden. Sie blühten im Juni und zeigten die gleichen Charaktere wie die Mutterpflanze. Die Hauptinfloreszenz von LI wurde durch Gazehülle der Selbst- befruchtung überlassen, ein anderer Teil wie die Nebenzweige blieb sich selbst überlassen. Die nicht geschützten Samen verhielten sich im nächsten Jahre genau so wie die geschützten. Ein kleinerer Teil der Samen wurde bereits im September des gleichen Jahres ausgesät; die überwinterten Pflanzen wurden im ersten Frühjahr in das Warm- resp. Mistbeet gesetzt. Die übrigen Samen wurden im Februar 1913 gesit und die jungen Pflanzen im Mai in das Freiland gebracht. Bei den verschiedenen Kulturen trat die gleiche Erscheinung auf, es entstanden drei Sorten von Individuen, 1. die /acerata-Form, 2. die typica, die durchaus mit der Stammpflanze übereinstimmte, 3. eine ganz neue eigenartige Form apetala, deren Kelch ganz blumenkronenartig geworden war, während die Krone selbst verschwunden war (Tafel Fig. 3). Im Jahre 1913 hatte ich 91 Individuen aus den Samen von LI; davon: lacerata 51 56 °/o, typica 27 29,7°/o, apetala 13 14,3°/o. Im Jahre 1912 wurden bei je vier Exemplaren die Infloreszenzen geschiitzt (Nr. der Samenprobe 237, 238, 248, 255); ein Trieb mit stark zerrissenen Blüten wurde abgeschnitten, ins Wasser gestellt und im kleinen Gewächshaus selbst befruchtet (Nr. 239). Eine Blüte mit nur halber Blumenkrone wurde an einem Freilandexemplar selbst befruchtet (Nr. 256). Klebs. Tabelle IV. Spaltung der /acerata-Form, Sommer 1914. 383 Individuen auf die drei Sorten verteilt. | | | | | | al Nr. des | | | Gesamtzahl auf 237 238 | 239 248 | 255 256 der Versuches | | Tadinidaen 100 | | | | | | — = | = nn | L lacerala . Sit iss] 92 || Kara 40 alae 182 47,5 lypica 23 | 17 19 35 | 34 18 146 38,1 apetala . LG veil er a Ne ei | 17 ns 55 14,4 I I Im Sommer 1914 wurden wieder aus den Versuchsfeldern je ein Exemplar der Zacerata mit Gazehüllen versehen. Von zwei Individuen wurde je ein abgeschnittener Zweig ins Wasser gestellt und selbst- befruchtet (291 und 293). Die Samen Nr. 298 stammten von einer Blüte mit auffallend langem Kelch. Die Samen 313 rührten von einer Kreu- zung zweier /acerata-Individuen her. Tabelle V. Spaltung der /acerata-Form, Sommer 1915. 498 Individuen auf die drei Sorten verteilt. | | | | Gesamt- Nr. des | | 7 r | auf rdes | 977 | ase.| ass | 290 | 201 | 293 | 206 | 298 | aia | 22h! der Versuches | | | | Indi- 100 | | | | | viduen — r = — an = a | 1 Bm lacerata . | 30 | 22 | 34 | 44 | 33 | 17 | 31 | 23 | 18 | 952 | 506 | | | | | typica 15) |) 10, |, 17) | 28 4) 27 | 10h] 20; 6,14 147 29,5 apetala . ae Reel ee 99 19,9 die Zahlen in den größeren Versuchen von 1914 und 1915, so ergibt sich, daß bei der Spaltung der lacerata wieder 50°, des Bastards entsteht. Dieses Verhalten entspricht dem Zea-Typus der Mendelschen Spaltung (Correns 1901, S. 9). Die beiden Eltern müssen der Regel zufolge zu je 25°/o abgespalten werden. Das trifft aber nicht zu, da abgesehen von den starken Schwankungen in den Zahlen die apetala in zu geringer Menge 14—20°/, erscheint. Beobachtungsfehler konnten, im Falle man einzelne Beete im Herbst untersucht, höchstens entstehen bei der Scheidung von lacerata und typica, niemals aber bei der Scheidung von Zypzca und apetala. Berücksichtigen wir nur —1 or Uber erbliche Bliitenanomalien beim Tabak. Solche Abweichungen von der Mendelschen Regel sind mehrfach beobachtet worden. Ich erinnere an eine Arbeit von Correns (1902) über einen Bastard der Zea mays coeruleo-duleis (dextrinhaltig, runzelig) und der Varietät /ewcoceras (stärkehaltig, glatt). Nach der Regel sollten bei der Spaltung 25°/o der Individuen runzelig sein (Dextringehalt), während tatsächlich sich nur 15,6°/o fanden, allerdings bei sehr großen Schwankungen (31,1°/o). Durch Rückkreuzung des Bastards mit dem rezessiven Elter (dextrinhaltig) ergaben sich ca. 50°/o runzelig; d.h. entsprechend der Mendelschen Auffassung, nach der der Bastard die beiderlei Keimzellen in der gleichen Anzahl bildet. Correns (a. a. 0. S. 166) meinte, daß von den theoretisch möglichen vier Kombinationen in solchen Fällen eine von ihnen schwerer gelingt, infolgedessen die Indi- viduenzahl dieser Klasse verändert wird. Selbst wenn aber alle Kom- binationen gleich gut gelingen, so kann das Zahlenverhältnis dann ge- ändert werden, wenn die Individuen der einen Klasse leichter im früheren Stadium absterben wie in den Versuchen Baurs (1907, S. 452) mit der heterozygotischen Varietät von Anterrhinum, bei der die gelben Keim- pflanzen nach wenigen Tagen absterben. Da die apetala-Rasse nicht so stark fruchtet wie die anderen Rassen und vielfach verkümmerte Früchte zeigt (s. später), so wird wahrscheinlich die ungenügende Aus- bildung mancher apetala-Samen die zu geringe Zahl der Individuen bei der Spaltung erklären. Die bei der Spaltung von lacerata entstandene typzca behält bei Selbstbefruchtung ihre Merkmale. Von einem Exemplar des Jahres 1913 stammten 1914 59 übereinstimmende Exemplare; von einem dieser hatte ich 1915 69 Individuen von wesentlich gleichem Charakter. Die abgespaltene apetala hat sich ebenfalls als eine reine Rasse erwiesen. Im Jahre 1913 waren je drei Individuen selbst- befruchtet. Davon hatte ich im Freiland 181 Individuen ausgepflanzt, die ausnahmslos apetal waren. Von drei Individuen erhielt ich Samen, die 1915 184 wieder rein apetale Individuen lieferten. Von den 1914 abgespaltenen apetala-Individuen wurden zwei der Selbstbefruchtung überlassen; sie lieferten 1915 86 apetale Exemplare. Wenn auch die Zahl der Generationen noch nicht sehr groß ist, so weisen die Beob- achtungen darauf hin, daß die beiden aus lacerata abgespaltenen Formen typica und apetala sich wie reine Rassen verhalten. Zusatz bei der Korrektur: Im Sommer 1916 haben sowohl die abgespaltene fypica wie apetala ihre charakteristischen Merkmale wieder gezeigt. 76 Klebs. 2. Der Bastard der Stammpflanze X apetala. Die lacerata war anscheinend als Mutation der Stammpflanze St I entstanden. Ich bastardierte Nachkommen der Stammpflanze mit der apetala. Die Bastardierungen wurden an zwei im Topf eingepflanzten Individuen im Sommer 1913 vorgenommen. Nr. 221 StIII 2 X apetala 77 Exemplare, Nr. 234 StIII 2 X apetala 57 Exemplare. Die sämtlichen 134 Individuen von 1914 zeigten den Cha- rakter der lacerata. Von zwei Individuen wurden Samen unter Gazehülle gewonnen (Nr. 276, 282), von einem (Nr. 281) wurde ein abgeschnittener Zweig benutzt. Im Sommer 1915 trat die normale Spaltung ein. Tabelle VI.- Spaltung des Bastards von StIII X apetala, Sommer 1915. 212 Individuen. Gesamtzahl | | Nr. des Versuches 276 9231 282 der aoe | ner | 100 | Individuen | = U ; I Taceratal en. Era wean. 57 | 44 5 106 | 50 UGG Io" oo ob. Gee fo 34 | 26 6 66 [7 sole aYelala ne sna aioe 20 18 2 40 18,9 Der künstlich erzeugte Bastard zwischen der Stamm- pflanze und apetala verhält sich bei der Spaltung genau so wie die ursprüngliche /acerata, die Zahlen für 1915 stimmen in beiden Fällen sehr genau überein; die apetala-Individuen traten auch hier in relativ zu geringer Anzahl hervor. 3. Rückkreuzung von lacerata X apetala, Nach den Mendelschen Regeln müßten bei einer solchen Kreuzung 50°/o lacerata und 50°/o apetala entstehen. Im Sommer 1914 führte ich drei Bastardierungen aus. Ich benutzte dabei stets /acerata als Mutter; in zwei Fällen nahm ich dafür die künstlich erzeugte /acerata (Nr. 312 und 317), im dritten die zweite Generation der ursprünglichen Mutation (316); Zahl der Individuen: Nr. 312 316 317 lacen LOS 23 45 OHH 6 eo oto AB 14 26 106 54,7 °/o, 88 45,3°/o. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. Die Zahlen stimmen nur ungefähr mit der theoretischen Forderung überein; im Durchschnitt ist die Zahl der apetala wieder etwas zu gering. 4. Rückkreuzung von lacerata X typica. Im Sommer 1913 führte ich zwei Bastar- dierungen aus, die Samen und 1914 die Nachkommen lieferten. Von dem einen Beet untersuchte ich nur 15 Exemplare genauer: 9 waren typisch, 6 lace- rat. Von 60 Exemplaren der zweiten Kreuzung waren 32 typisch, 12 lace- rat und 5 apetal. Leider habe ich versäumt die Versuche für 1915 zu wiederholen, was sehr nötig gewesen wäre, da die Versuche entgegen der Erwartung ausgefallen sind. Einmal ist die Zahl der typischen Exemplare viel zu groß im Verhält- nis zu den laceraten und zweitens ist das Auftreten der apetala sehr auffällig. Es sind neue Versuche im Gange, die die Frage beantworten sollen, ob solche Abweichungen des Verhaltensregelmäßigauf- treten. Fig. 4. Nicotiana tabacum typica aus der lacerala abgespalten; im Herbst 1915 photographiert (?/,,). 78 Klebs. Ill. Der Bau der drei aus /Zacerata abgespaltenen Rassen. 1. Typische Rasse. In ihrem vegetativen Aufbau stimmt die abgespaltene Rasse mit den direkten Nachkommen der Stammpflanze überein (Fig. 4). Die Laub- blätter haben die früher angegebenen Charaktere. Von einem Versuchs- feld im Institutsgarten wurden von 10 Individuen 100 Blätter vom Stengel (unterste bereits vertrocknet) gemessen: Durchschnittslänge — 41,2, Minimum 32,6, Maximum 51,8, Durchschnittsbreite = 18,3, 2 11,9, = >52 ang panes Eyes: Breite Im Vergleich zu der Stammpflanze (s. S. 69) waren die Blätter absolut etwas kleiner, was mit dem Standort im Institutsgarten zu- sammenhing; das Verhältnis von Länge und Breite war nahe überein- stimmend. Vor allem interessierte die Frage, in welchen Formen und in welcher Menge Blütenanomalien im Vergleich zur Stammpflanze vor- kommen. Es wäre denkbar, daß das Hindurchgehen durch eine hetero- zygotische Generation eine gewisse Nachwirkung auf den Blütenbau ausgeübt hätte. Tabelle VII. 20 Blüten von der Stammpflanze und der aus lacerata abgespaltenen typica. Stamm pflanze Abgespaltene typica an Dar | Min. | Max. Durch: Min. Max. schnitt | schnitt cm cm | cm em em | cm Länge des Stieles . . . . ai) ys! 1155 Tel 0,9 1,3 Länge des Kelches .. .; DD 5 2,7 28 2,1 2,7 Länge der Blumenröhre . . 26 mes: 4,9 4,2 5,6 Breite des Saumes. . . . 2,9 2 3,9 Ba 2,6 3,9 Länge des Griffels (+ Frucht- knoten) anew 4,5 4 4,9 4,6 4,1 5,1 Länge der längsten Staub- | Bidtber TU Mop ieenae 7 Vea ea 5,1 45 42 5,1 Unterer Durchmesser der | Röhrei su ana: 0,4 0,3 0,5 0,4 0,3 0,5 Oberer Durchmesser unter- halb des Saumes . . . 0,9 0,7 1,2 1 0,9 1,2 Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 79 Die normalen Blüten der abgespaltenen fypica stimmen mit denen der Stammpflanze durchaus überein. Ich gebe zum Vergleich die Messungen an je 20 Blüten. Die Länge des Kelches bezieht sich auf die Entfernung von der Basis bis zu den Kelchspitzen; auch für die Länge der Kronenröhre, der längsten Staubblätter und des Griffels ist die Kelchbasis als Ausgangspunkt genommen worden. Die Länge des Griffels bedeutet die Länge des Fruchtknotens und Griffels. pl er \ Ae za \ we Su A & Re: W- aS » af \y v : 94 | 4 at ’ ; - ) aN Fig. 5. Stück der Infloreszenz einer typischen Nic. tabacum; es ist eine Photographie eines Nachkommens der Stammpflanze; die direkt abge- spaltenen Individuen der typica haben die gleichen Blüten. Bei genauerer Betrachtung erkennt man an einzelnen Kelchen kleine wulstige Erhebungen, ferner einzelne abstehende Kelchzipfel, die im Leben rot gefärbt sind. Die Blüten der abgespaltenen Pflanzen sind ganz wenig größer, was bei dem geringen Umfang der Messungen nichts bedeutet. Im Jahr 1914 wurden von vier Versuchsfeldern, in denen die typzca von der lacerata abgespalten worden war, die Blüten der einzelnen Individuen untersucht. Die Blütenanomalien waren die gleichen, die wir früher für die Nachkommen der Stammpflanze kennen gelernt haben, 1. relativ häufig kleine, seltener stärker wulstige Erhebungen an der Basis des Kelches und Petalodie einzelner Kelchzipfel, 2. das Aufreißen der Blumenkrone. 80 Klebs. Tabelle VII. Zahl der Blütenanomalien bei der typica abgespalten von lacerata, Sommer 1914. Unter 1682 Blüten von 137 Exemplaren. | Neues | Gesamtzahl aaa Versuchsfeldes aan | = | = | 2° ee 100 | | Blüten Blüten normal . 177 471 106 178 932 55,4 Kelch abweichend 190. i) 2792| 91 | 180 740 | 44 Krone zerrissen . 197) 4 | 3 2 10 0,6 Aus dem Vergleich mit den Blüten der St.-Generationen im gleichen Sommer 1914 (s. S. 68) ergibt sich: St.-Generationen abgespaltene Pflanzen Blütenenormalye 76% 55,4°/o Kelch abweichend . . . . 25,2% 44 7p Kroneszerrissenee 02, 0,6°/o. Die Zahl der Blüten mit etwas abweichend geformtem Kelch hatte zugenommen, die der zerrissenen sehr wenig. Im Sommer 1915 säte ich durch Selbstbefruchtung erhaltene Samen einer 1914 abgespaltenen typischen Pflanze aus (Versuchsfeld 239). Ich untersuchte an den 30 Exemplaren 786 Blüten, unter denen sich 155 mit abweichendem Kelch (19,6°/o) und zwei aufgerissene Blüten (0,2°/o) vorfanden. Ferner wurden an den 1915 aus Jacerata neu abgespaltenen Individuen Blütenzählungen ausgeführt. Tabelle IX. Zahl der Blütenanomalien bei der fypica abgespalten von /acerata, Sommer 1915. 1871 Blüten von 69 Exemplaren. We, ake ona ea | a Gesamtzahl | auf 276 | 286 288 296 der Versuchsfeldes | Blüten 100 | | Blüten normal . 631 | 205 67 | 556 1459 | 78 Kelch abweichend | 220 | 9 En, IH 86 407 21,7 Krone zerrissen . 2 | 1 1 | 1 5 | 0,3 Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 81 Zum Vergleich nehmen wir die Bliiten an den im Sommer 1915 kultivierten Nachkommen der Stammpflanze. St.-Nachkommen neu abgespaltene typica Blüten normale a. Pre 6 31910 /0 78 Jo Kelch abweichend . . . . 35,7°/o 21,7°/o Krone zerrissen EAN, 0,3°/o. Die Zahl der Abweichungen war daher im Jahre 1915 im Gegensatz zu 1914 etwas geringer bei den neu abgespaltenen typischen Individuen — irgend ein bestimmter Einfluß der Bastardmutation auf die Zahl läßt sich Fig. 6. Nicotiana typica aus der lacerata abgespalten; einige Blüten mit etwas abweichend gebautem Kelch, wulstigen Bildungen an der Basis, ab- stehenden rot gefärbten Zipfeln. daher nicht nachweisen. Bei den Schwankungen in den relativ kleinen Abweichungen des Kelches spielen die ungleichen Bedingungen der Ver- suchsfelder wohl die Hauptrolle. Als Hauptresultat der Untersuchung kann man angeben: Die von der lacerata abgespaltenen typischen Pflanzen entsprechen in allen Beziehungen den Nachkommen der Stammpflanze. 2. Die Zacerata-Form. In den vegetativen Charakteren stimmt die lacerata mit der typica, damit auch mit den Nachkommen der Stammpflanze überein. Die Indi- Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 6 82 Klebs. viduen lassen sich nicht vor dem Blühen unterscheiden (siehe Habitusbild Fig. 6): Von einem Beet wurden 100 Stengelblätter von 10 Individuen gemessen. L t Fig. 7. Nicotiana tabacum var. lacerata. Im Herbst 1915 photographiert (*/,,). Über erbliche Bliitenanomalien beim Tabak. 83 Durchschnittslänge 51,1, Minimum 31,3, Maximum 65, Durchsehnittsbreite 21,6, cs 153% se 33,6, Länge Breite Die Zahlen stimmen wohl zufällig sehr genau überein mit denjenigen der Stammpflanze (s. S. 69), durchschnittliche Länge 51,6, Breite 21,3, = 2,36. Fig.8. Ein Stück einer Infloreszenz von N. tabacum var. lacerata; die Mehr- zahl der Blüten gespalten; Kelch sehr stark wulstig, petaloid; einzelne Blüten ge- krümmt; junge Früchte mit gesprengtem oder bereits abgeworfenem Kelch. Länge Breite Anomalien der Blütenteile hervor (Fig. 7, 8, Taf. Fig. 2 a—e). = 2,37. Die wesentlichen Eigentümlichkeiten treten in den a) Stellung der Blüte; Stielbildung. Die Blüten stehen im allgemeinen in lockerer Anordnung und häufig in schiefer Lage von den Achsen der Infloreszenz ab, und immer zeigt sich eine Anzahl stark gekrümmt, so daß sie nach unten gerichtet sind (Fig. 8). Der Stiel ist kürzer wie bei der normalen Form; bei der stark anormalen ganz verkürzt. 6* Klebs. D rss b) Der Kelch. Er zeigt in stärkerem Grade wulstige Erhebungen resp. Ver- tiefungen, die wir schon bei der Stammpflanze kennen gelernt haben. Hier erstrecken sich oft wellenförmige Erhebungen auf die ganze Kelch- röhre (Fig. 9 links). Die basalen Wülste greifen bei manchen Blüten über den Stiel hinüber. Die Petalodie der Kelchzipfel ist ebenfalls sehr viel stärker ausgebildet als bei der Zypica, sie findet sich bei fast sämt- lichen Blüten; der Kelchzipfel ist dabei breit rot gefärbt (Taf. Fig. 2a, b). In extremen Fällen verlängert sich der Kelch so stark, daß er die-Kronenréhre ganz einschließt und mit seinen roten Zipfeln dann den calycanthema-Formen anderer Pflanzen (Campanula, Mimulus usw., Correns 1905) entspricht (s. Taf. Fig. 2 e). c) Die Blumenkrone. In vielen Blüten ist die Krone seitlich aufgerissen oder in zwei, seltener mehr Teile zerspalten, die gewöhnlich ungleich eroß sind (Fig. S und 9). Der Blütensaum ist dann nicht mehr flach, sondern die einzelnen Zipfel streben ungleichmäßig in die Höhe. Man findet aber auch nicht zerrissene Blumenkronen, solche, die durchaus an die typische Form erinnern (Taf. Fig. 2a), ferner Übergangsstufen durch stärkeres oder geringeres Aufreißen der Röhre. Eine kleine Anzahl Blüten 'zeigt die seitlichen, senkrecht abstehen- den petaloiden Lappen an der Röhre (Catacorollen). d) Die Staubblätter. Sie können bei einem Teil der Blüten normal sein. Häufig aber findet sich die völlige Verwachsung eines Staubblattes mit der Kronen- röhre: und zwar bei den aufgerissenen Blüten an der einen Seite der Spalte oder an dem kleineren Teil der gespaltenen Krone (s. Fig. 9 rechts). Die Anthere kann dabei normal sein oder sie ist petaloid umgestaltet. Eine solche Umwandlung tritt, wenn auch seltener, bei nicht zerissenen Kronen ein. Unter den Staubblättern können auch ein, seltener zwei an ihren Antheren petaloid geworden sein. e) Fruchtknoten. An dem Griffel wurden, abgesehen von der wechselnden Länge, keine Besonderheiten beobachtet. Auch der Fruchtknoten selbst ist meist normal ausgebildet, wenn auch vielfach an einer Seite umgebogen Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 85 im Zusammenhang mit der Krümmung der ganzen Blüte. Nach der Befruchtung wird durch das Wachstum der jungen Frucht der Kelch seit- lich gesprengt; schließlich kann er abgeworfen werden, so daß manche Früchte ohne Hüllen erscheinen (Fig. 8). Alle Abweichungen der /acerata-Bliiten sind teils an den Steck- lingen, teils an den Freiland-Exemplaren der Stammpflanze wie der ab- gespaltenen Zypzca-Individuen nachgewiesen worden. Der Unterschied Fig. 9. Zwei Blüten von N. tabacum var. lacerata. Zerspaltung der Blumenkrone, Petalodie des Kelches; in der Blüte rechts ein Kronenzipfel mit Staubblatt verwachsen, Anthere noch sichtbar. An der gleichen Blüte Stiel ganz kurz, Kelchbasis stark wulstig; Blüten etwas vergrößert, ist lediglich quantitativer Natur; die Abweichungen sind stärker ausgebildet und treten in größerer Häufigkeit auf. Es gibt bei den /acerata-Exemplaren im Herbst manche Blüten, die aber geringere Abweichung zeigen als die stark abweichenden der fypica. Wir haben auch hier die bekannte Erscheinung der transgressiven Variabilität (de Vries 1907, S. 408). Um iiber die Zahl der Abweichungen ein Urteil zu gewinnen, sind in den Jahren 1914 und 1915 zahlreiche Bliiten genau gepriift worden. Ich stelle die Beobachtungen fiir jedes Jahr zusammen; ich habe dabei 86 Klebs. auch die künstlich erzeugte /acerata berücksichtigt, da sie mit der ur- sprünglichen Form und deren Nachkommen durchaus übereinstimmt. Unter den Abweichungen des Kelches will ich nur die extremen Fälle eines sehr langen Kelches erwähnen, da Wulstbildung und Petalodie der Zipfel allgemein, wenn auch in verschiedenen Graden der Aus- bildung, verbreitet sind. Aussaaten 1914. Das Aufreißen der Blüten war bei den Individuen der typica relativ selten (0,2—2,6°/o). Bei den /acerata-Individuen fanden sich vor unter 3952 Blüten: ganze Blumenkronen . . . . 2009 50,8°/o, zerrissene Blumenkronen . . . 1943 49 ,2°/o. Bei der Untersuchung zu verschiedenen Zeiten des Sommers und Herbstes stellte es sich heraus, daß die stark zerrissenen Blüten an den Hauptinfloreszenzen im Sommer in größerer Anzahl vorhanden waren als an den Nebeninfloreszenzen im Herbst, eine Erscheinung, die auch bei anderen Anomalien beobachtet worden ist (de Vries 1899, Tammes 1903). Am klarsten trat es hervor bei den Blütenzählungen, die an einer künstlichen /acerata-Form (St. X apetala) ausgeführt wurden; ich trenne die Zählungen von Juli bis 10. September von denen, die von Mitte September bis Anfang Oktober gemacht wurden. Juli—10. IX. 15. [X.—3. X. Blüten ganz. 2 451° — Alp HO — hielo. Blüten zerrissen . . 648 = 59°/o 499 = 49°/o. Gegen den Herbst hin nimmt die Zahl der zerrissenen Bliiten etwas ab. Das geht auch hervor aus Blütenzählungen, wobei die Blüten der einzelnen Individuen für sich genommen wurden. Die Zählungen be- ziehen sich auf 10 Individuen eines Feldes im Altangarten des Heidel- berger Schlosses. Die einzelnen Individuen sind bei den Zählungen die gleichen, aber sie entsprechen in den beiden Reihen nicht einander. 5. IX. 14: | | | | | Gesamt- | auf ae | 9 3 | 5 | | 9 | Individuen 1 | | 3 | 4 | ee | 8 Io oe 100 | | | | | | | | | | BEER 1 | | | Krone ganz . . 221.159 712212974 22.92 1952] eek 602 eng 98 42,8 Krone zerrissen . 129 E21 Eta sea EB fat Saal | 16 10 | 13 125 | 54,6 Sehr langer Kelch || a a | — | = | au | — 6 | 26 | | | Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 87 26. IX. 14. | Gesamt- | auf ivi Dal: 5 6 7 : 9 0 Individuen 1 2 3 4 > 5 7 8 1 wah 100 Krone gauze. . | 9 | Ja] 8/18] 5/|17] 5| 8 | 26 105 57,3 Krone zerrissen 5 hal) al 3 B 7 9| 5 5 70 38,3 Sehr langer Kelch AN Ra A lea reed a PJ 8 | 44 Man erkennt auch hier die Abnahme der zerrissenen Bliiten mit Zunahme der ungünstigen Ernährungsbedingungen im Herbst. Wenn man im Herbst blühende Stöcke von /acerata in das Gewächshaus bringt, werden die Anomalien verringert. Was den langen Kelch anbetrifft, so fanden sich unter 3952 Blüten 50 Blüten damit, also 1,3°/o. Noch seltener war die Ausbildung seitlicher Lappen, unter 3952 Blüten nur in 14 Fällen, 0,3°/o. Aussaat 1915. Im Jahre 1915 konnten die jungen Tabakpflanzen erst im Juni gesetzt werden. Dabei war der Juni wenig günstig, so daß die Pflanzen erst Ende Juli zu blühen anfingen. Ich konnte die Zählungen erst im September vornehmen, zu welcher Zeit ein Teil der Pflanzen (im Instituts- garten) überhaupt zu blühen anfing. Ich kann daher hier nicht eine solche Scheidung der früheren und späteren Blüten treffen, ich behandle die Zählungen in ihrer Gesamtheit. Unter 2402 Blüten fanden sich vor: KGROINS RNAS 5 i ae 1032ER, Krone zerrissen . . . . 1370 = 57°/o. Die Zahl der zerrissenen Blüten war etwas größer als 1914. Bei einem Teil der zerrissenen Blüten wurde auf das Vorkommen ver- wachsener Staubblätter (s. S. 84) geachtet. Unter 730 solcher Blüten: Ein Staubblatt verwachsen, meist Anthere petaloid 376 = 51,5°/o, Keine Verwachsung Be PR La iat ae 354 — 48,5°/o. Unter den Blüten mit ganzer Krone war die Verwachsung rela- tiv selten. Der extrem lange Kelch fand sich unter 2402 Bliiten bei 44 (0,2°/o). Im Sommer 1914 wurde eine Blüte mit langem Kelch selbst- befruchtet; aus den Samen erhielt ich 34 Exemplare, von denen 22 wieder lacerat waren. Die Blüten zeigten keinen auffallend langen Kelch, so daß der Charakter nicht vererbt wurde. Relativ zeigte sich 88 Klebs. eine gewisse Vermehrung; denn unter 134 Blüten waren 6 mit langem Kelch (4,4°/o). Die Seitenlappen an der Kronenröhre fanden sich unter 2402 Blüten bei 61 Blüten = 0,25°/o. Die lacerata-Form, die durchaus einer Fı-Generation entspricht, besteht aus Individuen, die sämtlich die charakteristischen Merkmale an sich tragen, also bei großer Variabilität der Blüten auch bei dem gleichen Individuum. 3. Die apetala-Rasse. Im vegetativen Aufbau entsprechen die Individuen denjenigen der lacerata und typica (Fig. 10). Die Blätter von gleicher Gestalt und Beschaffenheit erscheinen durchschnittlich etwas schmäler, was die Messungen bestätigten. Bei 100 Stengelblättern ergab sich: Durchschnittslänge — 45,2, Minimum 33,4, Maximum 58,3, Durchschnittsbreite = 17,9, a 12,6, = 26,1, Länge Breite In dem Habitusbild (Fig. 10) überragen die Seitenzweige die Haupt- achse — aber das trifft nur. im Herbst zu. Die Individuen blühen reichlicher bis in den Oktober hinein als /acerata und fypica und treiben immer neue Seitenzweige. Das hängt vielleicht zusammen mit der deutlich geringeren Fruchtbarkeit der apetala (s. weiter unten). Der wesentliche Charakter liegt in dem Bau der Blüten (Fig. 11 und 12, Taf. 1, Fig. 3a, b). Die Blumenkrone ist verschwunden. Ich habe viele Blüten untersucht und keine Rudimente gesehen; nur in einem Falle sah ich zwei kleine weißliche Stummeln, die möglicher- weise verkümmerte Anlagen sind. Der in der Blütenknospe bis zur Entfaltung rein grüne später petaloide Kelch ist an seiner Basis un- regelmäßig wulstig und sitzt in der Mehrzahl der Fälle ohne Stiel an der Infloreszenzachse. Dort wo scheinbar eine Blüte an einem Stiel sitzt, ist es nur der Infloreszenzzweig — daran kenntlich, daß sich dicht an der Blüte das Vorblättchen findet. Die Kelchbasis greift häufig mit ihren wulstigen Rändern über die Achse. Von der Basis ab ver- engert sich die Kelchröhre ein wenig, erweitert sich dann trompeten- förmig und geht in den breiten hellrot gefärbten Saum über. Dieser Saum kann flach ausgebreitet sein (Taf. Fig. 3b), ist aber häufig schief aufrecht oder mit seinen Spitzen auch abwärts gerichtet. Der Regel nach sind fünf Zipfel vorhanden, wenn auch nicht selten in den Blüten mit verwachsenem Staubblatt ein Zipfel eingefaltet ist. Andererseits — 2,5. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 89 kann durch Spaltungen die Zahl der Zipfel vermehrt sein (Taf. 1, Fig. 3a). Die Farbe der Zipfel ist hellrot, die Röhre grün mit rötlichem Schimmer. Gegen den Herbst hin ist der ganze Kelch auch am Saume Fig. 10. Nicotiana tabacum var. apetala aus der lacerata abgespalten; im Herbst 1915 photographiert (*/,,). 90 Klebs. viel mehr grün als rot. Bei einer Anzahl Blüten ist die Röhre seitlich aufgerissen oder in mehrere Teile zerspalten. Der zur Blumenkrone gewordene Kelch hat in gewisser Hinsicht den anatomischen Bau von ihr angenommen (vergl. die ähnlichen Er- gebnisse bei Campanula calycanthema, Correns 1905, S. 465). Die Oberseite des Saumes besitzt eine papillenförmige Epidermis wie die normale Korolle, nur daß die Papillen etwas stumpfer sind, zeigt keine Fig. 11. Stück einer Infloreszenz von Nicotiana tabacum var. apelala. Die Blüten sitzend. Spaltöffnungen, während an der Unterseite der Saumzipfel wie bei der Korolle Spaltöffnungen häufig sind, die Epidermiszellen länger gestreckt, etwas wellig und nicht papillenförmig sind. Die Staubblätter. In der normalen Blüte stehen die fünf Staubblätter alternierend mit der Krone und opponiert den Kelchzipfeln; sie sind an der unteren Hälfte ihrer Filamente mit der Kronenröhre verwachsen. Bei apetala stehen die Staubblätter wenig regelmäßig, manchmal den Zipfeln des Saumes entsprechend aber auch zwischen den Zipfeln. In den einen Fällen sind sie ein wenig nach der Basis mit der Kelchröhre verwachsen; Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 9] häufiger aber sind sie ganz frei und entspringen zwischen den Lappen des gelblichen Discus hypogynus, der die Basis des Fruchtknotens um- gibt (Eichler 1875, S. 295). In selteneren Fällen ist ein Staubblatt mit dem Fruchtknoten verwachsen (s. unten). Bei der normalen Blüte sind die Staubblätter ungleich lang, die längsten erreichen die Narbe des Griffels. Bei apetala sind die Staubblätter durchschnittlich etwas kürzer, bisweilen auffallend kurz, und erreichen daher nur selten die Narbe. Die Pollenkörner haben die gleiche Gestalt wie bei /acerata und Fig. 12. Zwei Blüten von Micotiana tabacum var. apetala; beide sitzend, an ihrer Basis je ein Vorbliittchen, die eine Blüte (rechts) seitlich aufgerissen; in der andern Blüte mitten aus ihr hervortretend ein gefärbtes Blatt, entstanden durch die Petalodie eines Staubblattes. typica und sind der Regel nach wohl ausgebildet. Bei vielen Blüten ist ähnlich wie bei lZacerata an der Blumenröhre die völlige Verwachsung eines Staubblatts mit der Kelchröhre eingetreten, und damit verbindet sich häufig die petaloide Umbildung der Anthere. Ferner kommt es vor, daß ein bis zwei Staubblätter in verschiedenem Grade an der Anthere petaloid umgestaltet sind (Fig. 12 links). Der Fruchtknoten zeigt keine Besonderheiten. An den Blüten- knospen tritt der Griffel mit der Narbe auffallend hervor, weil er schneller ausgebildet wird als der petaloide Kelch und die von ihm ein- 92 Klebs. geschlossenen Staubblitter. Auch in der offenen Blüte ragt er als längstes Glied hervor. Eine seltenere Anomalie ist die Verwachsung von einem (oder zwei) Staubblättern mit dem Fruchtknoten. Man sieht dann den wellenförmigen Verlauf des verkürzten Filaments an dem Fruchtknoten, die Anthere selbst kann ganz mit ihm verwachsen sein. Eine weitere Folge dieser Verwachsung ist die starke oft schraubige Verkürzung des Griffels. Die reife Frucht ist infolge des Vertrocknens der Kelchröhre stets nackt. Die Größenverhältnisse ergeben sich aus Messungen an 50 Blüten: Im : Minimum Maximum Durchschnitt Länge des Kelches bis zum Saum . .. 3,2 2,7 3,7 Breite” des Saumes peck Ver 3,3 2,9 3,8 Icangerdesy Giittelsie- rl ee 42: 3,5 5,3 Länge der Staubblätter . . » 2. ... 3,7 3 4,5 Schmale Stelle der Kelchröhre . . . . . 0,4 0,3 0,6 Obere breitere Stelle von ihr . . . . . 0,1 0,9 1,4 Ein auffallender Charakter von apetala ist die relativ geringe Fruchtbarkeit im Vergleich zu typica und lacerata. Der Pollen sowie die Samenknospen zeigten sich bei den Bastardierungsversuchen fertil, aber es scheint doch, als wenn bei vielen Blüten eine verminderte Frucht- barkeit mitspielt. Viel trägt dazu die für die Selbstbefruchtung zu kurze Länge der Staubblätter bei. Am klarsten ergibt sich die Sache, wenn man im Herbst an einer Reihe von Individuen die Gesamtzahl ihrer Früchte zählt. tte Gesamtzahl Pro ae i Individuen ae ae Minimum | Maximum der Friichte | Individuum Üpteo re 20 2467 123,3 66 250 lareratam rn: 16 1193 74,5 35 139 pela lire see Sr: 20 814 40,7 12 91 Davon gesund . . 957 27,8 8 65 Schon die /acerata fruchtet nicht so reichlich wie die typica; der Unterschied wird bei apetala sehr auffallend, namentlich wenn man be- rücksichtigt, daß stets ein Teil der Früchte von apetala verkümmert ist. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 93 Häufigkeit der Anomalien. Das Fehlen der Blumenkrone, die petaloide Ausbildung des Kelches ist bisher an jeder Blüte von apetala ausnahmslos beobachtet worden. Dagegen sind andere Anomalien in wechselnder Häufigkeit verbreitet. Im Sommer 1914 achtete ich nur auf das Vorkommen aufgerissener Blüten. Unter 830 Blüten eines Versuchsfeldes Korolle zerrissen bei 9 Blüten = 1,1°/o. In einem anderen Versuchsfeld beobachtete ich eine sehr auffallende Vermehrung der zerrissenen Blüten. Unter 118 Blüten einiger Indi- ( Vaux R) RL 2 j +4 BEN / i. I j) Je stat vi A B C Fig. 13. Je eine ganze Frucht von den drei Sorten typica, lacerata, apetala von Nicotiana tabacum. A typica, B lacerata, C apetala, bei B Kelch seitlich auf- gerissen, bei C fehlend. Die drei Friichte nicht in ganz gleichem Reifestadium. viduen zählte ich 56 zerrissene also 47°/o. Leider versäumte ich eine nähere Untersuchung und vor allem die Gewinnung von Samen; 1915 wurde Ähnliches nicht bemerkt. Im Sommer 1915 wurden Blüten (2096) von 13 verschiedenen Versuchsfeldern der apetala untersucht. | | | | | | Nr. des | | Ge- auf 277 osolasa 283 984 285, 288 293 312/313 316 317 323] samt- Versuchsfeldes | | | 100 _ | zahl | | | if if > Blüten ganz . . . . [55 365 0 84 181 110 93 Is 163 113 213 213 128] 1938 92,5 Blüten zerrissen . . . 4| 16) 7 37| 2 22 5 7 8) 11; 8} 12) 19) 2) 158] 7,5 | | | | | | 94 Klebs. Im Gegensatz zu lacerata (57°/o) war die aufgerissene Blumenkrone 1915 bei apetala sehr viel seltener (7,5°/o), dagegen etwas häufiger bei ihr als bei der typzca (0,3°/o). Bei den Zählungen von 1915 wurde ferner geachtet auf die Ver- wachsung eines Staubblattes mit der Kelchröhre. Bei jedem Individuum fand sich diese Anomalie vor, aber in verschiedener Häufigkeit. Unter den 1938 Blüten mit nicht zerrissener Kelchröhre zeigten sich 1391 ohne Verwachsung 71,8°/o, 547 mit 3 28,2°/o. Viel seltener war das Vorkommen der Verwachsung des Frucht- knotens mit einem Staubblatt; unter 1938 Blüten bei 62 —= 3,2°/o, ebenso das Vorkommen von nicht verwachsenen petaloiden Staubblättern: unter 1938 Blüten bei 84 Blüten = 4,3°/0. Mehr vereinzelt fanden sich Blüten, in denen zwei oder drei Staubblätter verwachsen waren, ferner solche, an deren Kelchröhre außen ein petaloider Seitenlappen saß oder Blüten mit nur vier Staubblättern. Vergleichen wir zum Schluß die apetala mit der lacerata und der typica, gleich ob diese von der lacerata abgespalten wird oder ob sie zu den Nachkommen der Stammpflanze gehört, so finden wir eine weit- gehende Übereinstimmung im vegetativen Aufbau. Charakteristische Unterschiede machen sich erst bei den Blüten und Früchten bemerkbar. Die eigentliche Apetalie ist bisher weder bei lacerata noch typica auf- gefunden worden, sie erscheint als ein neues d.h. bisher nicht beob- achtetes Merkmal der apetala mit völliger Konstanz unter den bis jetzt angewendeten äußeren Bedingungen. Genauere Versuche, ob diese Kon- stanz bei den Experimenten nicht doch erschüttert werden kann, sind noch nicht ausgeführt worden. Alle anderen Merkmale: Petalodie des Kelches, Aufreißen und Zerspaltung der Blumenkrone, Verwachsung von Staubfäden, Petalodie von ihnen, Bildung von Catacorollen treten bei allen drei Sorten auf, nur in durchschnittlich sehr verschiedener Häufigkeit und in wechselndem Grade der Ausbildung. Die für uns wesentlichsten Anomalien sind die Petalodie des Kelches und das Auf- reißen der Blumenkrone. Bei der typica tritt die Petalodie in ge- ringstem Grade und wenig häufig auf; für /acerata stellt sie einen all- gemeinen Charakter aller Individuen dar, in extremen Fällen erscheint der Kelch wie eine äußere Blumenkrone. Bis zu einem gewissen Grade kann man von einer intermediären Stellung der /acerata zwischen typica und apetala reden; bei der letzten wird anscheinend mit noch viel stärkerer Ausbildung der Petalodie korrelativ die Blumenkrone unter- Über erbliche Bliitenanomalien beim Tabak. 95 drückt. Inbezug auf die zerrissene Blumenkrone stellt die /acerata einen Höhepunkt vor, indem durchschnittlich 50°/, aller Blüten das Merkmal aufweisen. Bei typica ist sie eine seltene Erscheinung, bei apetala — hier betrifft das Aufreißen den petaloiden Kelch — tritt sie auch nur durchschnittlich in wenigen Prozenten auf. Je nach Individuen, Ver- suchsfeldern und den klimatischen Bedingungen der einzelnen ‚Jahre beobachten wir wie in so vielen anderen ähnlichen Fällen vielfache Schwankungen. IV. Die Bastardierung von apetala und lacerata mit anderen Tabaksarten. Von anderen Tabaksarten wurden zwei: silvestris und glauea be- nutzt, um den Einfluß von apetala und lacerata auf die Fı-Generation zu untersuchen. Wegen ihrer Sterilität ließen sich bisher die weiteren Generationen nicht erhalten. 1. Die Bastardierung mit Nicotiana silvestris. Als Stammpflanze von silvestris benutzte ich ein zufällig in einem Topf aufgegangenes Exemplar, das zur Blüte gekommen, alle cha- rakteristischen Merkmale der N. silvestris Spegazzini und Comes zeigte (Comes 1899, S. 34). In ihrem Habitus standen die Nachkommen meiner Pflanze in der Mitte zwischen dem sehr gedrungenen Stengel bei Comes und dem länger gestreckten Stengel bei Setchell (1912, Taf. 28). Durch Selbstbefruchtung gewonnene Samen lieferten 1913 232 Exemplare von durchaus gleichförmiger Bildung. Es war zunächst die Frage zu untersuchen, in welchem Grade die Pflanzen Blüten- anomalien zeigten. Im Laufe des Sommers wurden von den verschiedenen Individuen 2250 Blüten untersucht. Unter ihnen fanden sich 23 (ca. 1°/o) mit kleinen Abweichungen in der Zahl der Kronenzipfel und Staubblätter: bei 21 Blüten sechszipfelige Blumenkrone, 2 Blüten mit vier Zipfeln, von denen einer nur wenig ge- spalten war, 1 Blüte mit fünf Zipfeln, einer etwas gespalten. Bei der überwiegenden Mehrzahl der sechszipfeligen Blumen fanden sich auch sechs Staubblätter, bei anderen nur fünf. Irgend eine Anomalie der Form fand sich nicht vor. 96 Klebs. Aus Samen (unter Schutzhülle) eines Individuums erzog ich 1914 39 Exemplare von gleicher Ausbildung. Unter 400 Blüten beobachtete ich nur eine abweichende mit sechs Zipfeln. Die Aussaat 1915 zeigte den gleichen typischen Bau. Die Pflanze ist daher als reine Linie auf- zufassen mit auffallend stabilem Bau der Blüten. Im Sommer 1912 bastardierte ich die Stammpflanze der silvestris als Mutter mit dem Pollen eines Nachkommen meiner reinen Linie des Tabaks (St Il) = Nr. 215. [FREIE ST] Fig. 14. Nicotiana silvestris X tabacum (St II). Stück einer Infloreszenz; Blüten zart rot gefärbt. Bastardierungen von N. sé/vestris mit anderen Tabaksarten sind schon mehrfach ausgeführt worden. Hübsche Abbildungen des Bastards von silvestris und tabacum finden sich bei Baur (1914, Taf. VIII), der ihn als Beispiel steriler Speziesbastarde anführt. Habitusbilder des Bastards geben East und Hayes (1912, Taf. VI), die eine große Menge Speziesbastarde des Tabaks gemacht und auf ihre Größenverhältnisse im Vergleich zu den Eltern untersucht haben. Beide Forscher heben hervor, daß der Bastard szvestris X tabacum ein viel üppigeres Wachs- tum zeigt als die beiden Eltern. In der Tat gehört der Bastard zu den besten Beispielen für die von Gärtner bereits beobachtete Tatsache eines auffallenden Höhen- und Breitenwachstums gewisser Bastarde. Meine Tabaksorte erreichte eine Höhe bis zu 1,60 m, der Bastard eine solche bis zu 2,30 m, und er entfaltete eine unerhörte Fülle von Blüten. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 97 Wie in den Versuchen von Baur, ebenso von East und Hayes war der Bastard völlige steril. Indessen hat in neuerer Zeit Goodspeed (1913) bei Bastardierungen von szlvestris mit zahlreichen anderen Tabaks- arten doch in manchen Fällen eine kleine Anzahl reifer Samen erhalten, und er erwähnt dabei auch eines Berichtes von Bellair, der reife keim- fähige Samen des Bastards erhalten hat. Der Bastard meiner Tabaksorte mit silvestris zeigt ähnlich wie aus den Figuren bei East und Hayes und aus der Darstellung von Goodspeed hervorgeht, im vegetativen Aufbau eine gewisse Dominanz von tabacum. Die Blüten selbst haben einen mehr intermediären Cha- rakter. Sie hängen nicht herab oder bleiben horizontal, sondern stehen schief aufrecht. Die Blumenkrone ist kürzer als bei szlvestris, etwas länger als bei tabacum (Tabelle X), sie ist zart rosa gefärbt, eine richtige Mischung von rot und weiß. Einige Messungen an 20 Blüten von sé- vesiris, sowie des Bastards silvestris X tabacum St II erläutern die Unter- schiede; ich gebe zum Vergleich auch die Durchschnittswerte von tabacum St (s. 8. 78). Tabelle X. Messungen an Blüten des Bastards N. silvestris X tabacum und der beiden Eltern. tabacum silvestris X tabacum silvestris | | | Art der Messung |Durch-) Mini- Maxi- |Durch-, Mini- | Maxi-|Durch-; Mini- | Maxi- mum [schnitt mum | mum |schnitt mum | mum schnitt: mum incm ‚incm |inem | incm |incm | incm [in em |incm in em Länge des Stieles . | 11 | os | 1,5 | 1a | ıe Il ıs | 18 | 1,1 | 1,6 » des Kelches . POY MS SSM Tee RO En ae | Te at ale ER » der Kronen- | | | vohro We. 46 | 4 | el CaN | re 8,3 Breite des Saums . 2,9 35.) 89 [eee ated 34 | 28 | 39 Die Sämlinge des Bastards wurden an drei verschiedenen Stellen ausgepflanzt, im botanischen Garten, im Institutsgarten und Altangarten, um den Einfluß verschiedener Standorte zu prüfen. Von 50 Exemplaren des Bastards wurden während des Sommers untersucht: 1187 Blüten. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 98 Klebs. Unter diesen waren fiinf abweichend — 0,4°/o, also noch weniger als bei silvestris selbst. Darunter fanden sich zwei Blüten mit zerrissener Blumenkrone, zwei mit vierzipfeligem, eine mit sechszipfeligem Saum. Die Stabilität von silvestris hatte über die Variabilität von tabacum augenscheinlich dominiert. Von dem Bastard gewann ich Stecklinge, die sowohl 1913 wie 1914 und 1915 reichlich blühten, ohne Anomalien zu zeigen. Im Jahre 1913 führte ich noch einmal die Bastardierung aus, nahm ein Individuum meiner Sorte als Mutter und silvestris als Vater. Sommer 1914 wurden 69 Exemplare angepflanzt, die unter sich sehr gleichförmig, mit dem anderen Bastard durchaus übereinstimmten. Ich zählte 1000 Blüten, ohne eine Anomalie an- zutreffen. N. silvestris X apetala 1914. Ich führte drei Bastardierungen aus Nr. 249 silvestris 2 X apetala S' an einer Topfpflanze im Gewächshaus, Nr. 258 5 an abgeschnittenem Zweig in Wasser, Nr. 247 apetala 2 X silvestris d ,, 5 5 < x Die Blüten zeigten in hohem Grade das Auftreten von Anomalien, wie wir sie als charakteristische Merkmale der /acerata-Form kennen gelernt haben. Der Kelch war in der Mehrzahl der Fälle stark wulstig aufgetrieben. Die Kelchzipfel waren mehr oder weniger petaloid und nicht rot sondern weißlich bis zart rosa gefärbt. Bei einem Teil der Blüten war die Krone aufgerissen. Ferner war in manchen Blüten ein Staubblatt mit der Kronenröhre verwachsen, einzelne Staubblätter waren an ihren Antheren petaloid, an der Außenseite der Röhre fanden sich abstehende seitliche Lappen (Catacorollen). Zum Unterschiede von der lacerata treten bei silvestris X apetala immer einige normale Blüten auf, deren Zahl gegen den Herbst hin zunimmt. Nr. 249 26 Exemplare, Gesamtzahl der untersuchten Blüten 2079, darunter: momen re et Kelch abweichend . 1252 = 60,2°/o, Krone zerrissen . . 196 = 9,4°/o. Nach der Zeit des Pflückens kann man die Blüten in zwei Gruppen sondern, in solche des Monats August und solche vom 10. September bis 13. Oktober: Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 99 August 1914 September bis Oktober 1914 nel en (== PO 561 = 32,4°/o, Kelch abweichend 198 = 57 °/o 1054 = 60,9°/o, Krone zerrissen . 79 = 22,8°/o Il = Ni Mit der Zunahme der normalen Blüten im Herbst verbindet sich die Abnahme der zerrissenen ähnlich wie bei der lacerata (s. S. 87). Nr. 247 6 Exemplare, Zahl der Blüten 454: NOTING ern ee Ye Kelch abweichend on 59,8X% 0: Krone zerrissen . . 932 — melo: Fig. 15. Nicotiana silvestris X apetala mit der Blütenform lacerata; links Kronenröhre aufgerissen, Kelch wulstig, Zipfel abstehend, weißlich gefärbt, rechts Kelch ähnlich beschaffen. Nr. 258 99 Exemplare, Zahl der Blüten 2014: Wan 5 0 ng) et RN Kelch abweichend . 1221 = 60,6°/o, IKroneszertissenwer 5 Pel == ial ep Die Durchschnittszahlen in den drei Versuchen stimmen wesentlich überein. Es hat keinen Einfluß gehabt, ob apetala als Mutter oder als Vater gewirkt hat und ob ich die Bastardierung an einer bewurzelten Pflanze oder nur an einem abgeschnittenen Zweig ausgeführt hatte. Unter den Blüten mit abweichend gebautem Kelch kann man hier leichter als bei /acerata zwei Gruppen unterscheiden, solche, bei denen der Kelch wulstig aufgetrieben ist und solche, bei denen dazu noch 7* 100 Klebs. deutlich petaloide Kelchzipfel auftreten. Unter den 2669 Blüten mit abweichendem Kelch waren 1111 d.h. 42°/, mit petaloiden Zipfeln ver- sehen. Die einzelnen Individuen der Versuchsfelder zeigten vielfache Schwankungen in der Zahl der Anomalien; ein Beispiel dafür will ich für die Aussaat von 1915 geben. N. silvestris X apetala Sommer 1915. Im Sommer 1914 führte ich die, Bastardierung noch einmal aus an einem abgeschnittenen Zweig der silwestris mit Pollen von apetala. Ich pflanzte Sommer 1915 66 Exemplare aus, von denen eine große Zahl von Blüten untersucht wurde hauptsächlich im Oktober. Gesamtzahl der Blüten 5355: noel ee SIGS Wo. Kelch abweichend . 2810 = 52,5°/o, Krone zerrissen . . 1454 = 27,2°/o, seitliche Lappen . . 175 = 3,2%. Inter den 2810 Blüten mit abweichendem Kelch fanden sich 1906 (67,8°/o) mit wulstigen Auftreibungen und petaloiden Kelchzipfeln, die anderen waren nur wulstig. Bei den Blüten des Bastards von 1915 war nach den Zahlen ein sehr starker Unterschied gegeniiber 1914 be- merkbar. Besonders deutlich war die Abnahme der normalen, die Zu- nahme der zerrissenen Blüten und das Hervortreten der Blüten mit seitlichen Catacorollen, die 1914 nur bei wenigen Blüten bemerkt wurden. Dabei waren die Zählungen hauptsächlich im Oktober vorgenommen worden, wo nach den früheren Erfahrungen bei lacerata die Zahl der zerrissenen Blüten abnimmt. In der Tat zeigten auch 278 Blüten des Bastards, die Ende Juli gepflückt wurden, 100 zerrissene d.h. 36,4°/o, also wesentlich höher als die Durchschnittszahl. Da die Individuen neben der fortblühenden Hauptachse auch zahlreiche Nebenzweige mit Infloreszenzen bildeten, habe ich eine gewisse Trennung beider durch- geführt. Hauptsproß Haupt- und Nebensprosse Nebensprosse 9.X.—13.X. 20. X.—27. X. 6. XI. monte 5° og 1, IER == BOF 266 = 14,4°/o 247 = 32,4°/o, Kelch abweichend 732 = 53 °/o 952 —251,6%/0 430 = 56,5°%o, Krone zerrissen . 474 = 34,3°/o 556. 830,10, Eee SOs seitliche Lappen . 52 = 3,7% 71 3,9%/o Ile 229200778 I Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 101 Der größte Unterschied zeigt sich zwischen den Hauptsprossen und den Nebensprossen; bei den letzteren die starke Zunahme der nor- malen, Abnahme der zerrissenen Blüten, während die Blüten mit wul- stigem und petaloidem Kelch ziemlich gleich bleiben. Bei diesem Unter- schied wirkt augenscheinlich wieder die verschiedene Zeit der Pflückung mit, da die Nebenzweige Anfang November untersucht wurden. In der Mehrzahl der Fälle wurden die Blüten der einzelnen Indi- viduen getrennt untersucht. Um ein Beispiel der individuellen Schwan- kungen zu geben, führe ich die Zählungen an 10 Individuen vom 20. Oktober an; ich habe gleich die prozentische Berechnung in der Tabelle angegeben und die Individuen geordnet nach der steigenden Zahl der zerrissenen Blüten. Tabelle XI. Blüten von 10 Individuen von N. silvestris X tabacum, die Abweichungen in prozentischer Berechnung. Nr. der Individuen 1 2 3 4 5 BU 8 9 10 | | | SA l | | | Zahl der Blüten 85 77 | 69 121 | 83 | 53 | 188 | 168 | 92 | 138 | | | | | | | 02] | | | Blüte normal . . . . 31,8| 11,6] 145| 9,1) 6 | 11,3) 11,2] 10,7; 98) 43 Kelch abweichend . . | 55,3) 59,7 53,6 59,5 | 57,9 52,8 47,3) 44,6 41,3) 48,5 Krone zerrissen . . . 10,6 | 23,3 | 27,5 | 28,1 | 28,9) 30,2) 38,3 41,7| 44,6| 45,6 Seitliche Lappen . . . 23| 6,4 44 331 Tan eerie 43) 15 Relativ am wenigsten schwanken die Zahlen für die Blüten mit abweichendem Kelch, sehr stark dagegen die Zahlen für die normalen und die zerrissenen Blüten, die im ausgesprochenen Gegensatz zu- einander stehen. Nicht genauer wurden die anderen Abweichungen in den Blüten des Bastards untersucht. Bei der Mehrzahl der aufgerissenen Blüten fand sich die Verwachsung eines Staubblattes ähnlich wie bei lacerata; viel mehr vereinzelt die Petalodie einzelner Staubblätter, Verkümmerungen einzelner Staubblätter und ähnliches. Nieotiana silvestris X lacerata. Im Sommer 1913 führte ich zwei Bastardierungen aus: Nr. 259 silvestris ? X laceratad an einem abgeschnittenen Zweig, Nr. 268 5 5s im Freiland unter Schutzhiille. 102 Klebs. Die Individuen dieses Bastards hatten in der überwiegenden Mehrzahl normale Blüten; der Einfluß der lacerata trat nur bei wenigen hervor. Genauer geprüft habe ich allerdings nur eine kleine Anzahl. Von 20 Individuen Nr. 268, deren Blüten für sich untersucht wurden, besaßen 13 Individuen normale Bastardblüten. Keine Abweichung bei 1159 Blüten. 2 Individuen mit vereinzelten Abweichungen. Unter 170 Blüten 10 mit etwas wulstigem Kelch und einigen schwach petaloiden Zipfeln. 5 Individuen mit vielen abnormen Blüten. Unter 216 Blüten fanden sich vor: 77 normale (35,7°/o), 120 mit abweichendem Kelch (55,5°/o) und 19 aufgerissene (8,8°/o). Von der Nr. 259 untersuchte ich neun Exemplare, acht davon waren normal; 1000 Blüten zeigten keine Abweichungen, ein Exemplar hatte etwas lacerata-Charakter. Unter 78 Blüten waren 21 normal (27°/o), 39 mit abweichendem Kelch (50°/o), 18 aufgerissen (23 °/o). So weit sich aus diesen noch beschränkten Beobachtungen urteilen läßt, haben wir hier in verstärktem Maße die gleiche Erscheinung, wie kurz bei dem Bastard der Zypica X lacerata berührt wurde (s. 8. 77). Bei der Bastardierung mit /acerata ist ihr Einfluß gegenüber der ty- pischen silvestris-Form stark verringert, so daß er nur bei wenigen Individuen merkbar wird. Unter den Individuen von Nr. 268 fiel eins ganz besonders auf. Es zeigte ein ganz anderes Verhältnis der elterlichen Merk- male als alle anderen Bastarde von Zabacum und silvestris. Im vege- tativen Bau war die Dominanz von silvestris viel stärker, insofern die Blätter durch ihre Form und starke Kräuselung deutlich an szlvestris erinnerten. Die Pflanze erreichte auch kaum 1 m und bildete eine Infloreszenz, die auffallend szivestres ähnlich war. Die Blüten standen allerdings schief aufrecht; ihre Farbe war aber fast rein weiß, nur mit sehr schwachem rötlichem Schimmer. Acht Blüten wurden gemessen: Länge des Stieles . 0,9, Minimum 0,8, Maximum 1,1, Länge des Kelches . 1,5, i 1,4, , 1,6. Länge der Krone . 4,5, ” 4,3, 5 4,8, Breite der Krone . 2,7, ss Palle 5 2,8. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 103 Die Blumenröhre war deutlich kürzer als die von silvestris und von silvestris X tabacum (s. S. 97); besonders kurz waren auch die Staub- blätter. Der Saum war nie flach ausgebreitet. Der Einfluß von lacerata, der Beweis daß es sich um einen Bastard handelt, zeigte sich besonders in einigen Anomalien: in dem wulstigen Kelch mit ganz weißen, ein- zelnen petaloiden Zipfeln, seltener in der aufgerissenen Blumenkrone. Unter 131 Blüten: omg os a oo a ee ee Kelch abweichend . 26 = 20 Jo, Krone aufgerissen . BEA Io: Die Pflanze war steril; leider gingen auch die Stecklinge während des Winters zugrunde. Dieses abweichende Exemplar zeigt den sehr seltenen Fall, dab bei einer Bastardierung ein einzelnes Individuum erscheint, in dem gegen- über allen anderen Individuen eine veränderte Mischung der elterlichen Merkmale und zwar eine verstärkte Dominanz des einen (silvestris) hervortritt. Dadurch entstand eine neue ganz eigenartige Kombination. Nach einer freundlichen brieflichen Mitteilung von Herrn Setchell sind Kreuzungen seiner homozygotischen Varietät calycina mit anderen Arten, darunter auch mit szlvestris durch Goodspeed ausgeführt worden. Dabei zeigte sich der Charakter der calyeina-Blüten dominant, während bei meiner heterozygotischen /acerata nur ein sehr schwacher Einfluß auf silvestris ausgeübt wird. Eine lacerata-Form der silvestris ließ sich nur durch die Kreuzung mit apetala erreichen. 2. Nicotiana glauca X apetala. Nicotiana glauca unterscheidet sich in allen Beziehungen auffallend von tabacum. Trotzdem gelingt die Kreuzung, die bereits von Naudin (1862) ausgeführt wurde. In neuerer Zeit hat Lock (1909, S. 205, Taf. 18 und 19) den Bastard gewonnen, ferner East und Hayes (1912, S.28). Nach Lock zeigt er eine größere Annäherung an tabacum als an glauea, wenn auch gewisse intermediäre Merkmale deutlich sind. Die von mir hergestellten Bastardexemplare zeigten dagegen eine größere Annäherung an glauca; jedenfalls traten die Charaktere von ihr viel schärfer hervor, als die von silvestris bei ihrem Bastard mit den gleichen Tabaksorten. Die Reinheit von glauca war von mir nicht geprüft worden. Ich benutzte eine Pflanze des Gewächshauses und machte Sommer 1912 die beiden reziproken Kreuzungen: N. tabacum 2 (St II) X glauea 3, N. glauea 2 x tabacum (St I) &%. 104 Klebs. Die Bastarde der Kreuzungen verhielten sich gleich. Die Unter- suchung wurde besonders an dem zweiten Bastard ausgeführt. Die Blätter des Bastards erinnerten vielmehr an glauca als an tabacum, sie saßen an einem deutlichen scharf abgesetzten Stiel, der an der Insertionsstelle keine Öhrchen trug. Die Blattspreite war schmal länglich, dunkelgrün und glatt. An der Basis des Blattstieles zeigte sich die für glauea charakteristische rotviolette Färbung. Auch die Infloreszenz hatte nur wenig von dem Charakter des Tabaks, sie war sparsamer verzweigt und blütenarm, wenn auch in dieser Beziehung der Einfluß des Tabaks gegenüber glauca bemerkbar war. Die Blüten zeigten auffallender den intermediären Charakter; sie waren kleiner und kürzer als beim Tabak, größer als bei glauca, der Saum war auch von mittlerer Größe, die Färbung eine Mischung von grünlichem Gelb und Rot. Die Blüten des Bastards Sommer 1913 zeigten keine Anomalien, die Stecklinge davon, die 1914 und 1915 im Warmbeet den ganzen Sommer blühten, wiesen ebenfalls nichts anderes auf, als daß bei ein- zelnen Blüten etwas abstehende und schwach weißlich petaloide Kelch- zipfel auftraten. Im Sommer 1914 führte ich dann die Bastardierung von glauca und apetala aus. N. apetala ? X glauca %; an einer eingetopften Pflanze. Die 45 Individuen des Bastards waren sehr gleichförmig, boten in den vegetativen Teilen die vorher beschriebenen Merkmale dar. Die Infloreszenzen waren vielleicht noch etwas spärlicher verzweigt. Die Höhe der Individuen betrug etwa 1,20, sie waren niedriger als die Elternpflanzen tabacum und glauca und boten daher nicht das Bild gesteigerten Wachstums dar, wie silvestris X apetala; vergl. die ähn- lichen Beobachtungen von East und Hayes (1912, S.28) an dem Bastard von tabacum und glauca. Alle Individuen zeigten in den Blüten die Anomalien der lacerata. Unter 953 Blüten: normal ee Be Ooo, Kelch abweichend . 702 = 73,7%, Krone zerrissen . . 175 = 18,4°%o, sehr langer Kelch . "42 = 4,4°/o, seitliche Lappen . . 28 = 2,9%o. Die apetala hatte bei der Bastardierung mit glawea einen noch stär- keren Einfluß ausgeübt als mit sölvestris. Denn die ganz normalen Blüten Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 105 waren eine große Seltenheit, 98,4°/, waren anormal. Die häufigste Ano- malie war der wulstige und petaloide Kelch. Unter solchen Blüten fanden sich häufig stark gekrümmte Blüten, wie sie bei /acerata auf- traten, aber bei sélvestris X apetala selten beobachtet wurden. Damit verband sich auch eine extrem starke Ausbildung des Kelches (s. Blüte links Fig. 16 A); ich hatte anfangs solche Blüten bei den Zählungen nicht gleich berücksichtigt, so daß die angegebene Zahl zu gering ist. Ferner fanden sich auch hier Verwachsungen je eines Staubblattes mit der Blumenkrone bei den seitlich aufgerissenen Blüten; unter 175 A B Fig. 16. A Nicotiana tabacum var. apelala X glauca, Blüten mit wulstigem Kelch; Blüte links mit stark verlängertem petaloidem Kelch. B Nicotiana glauca X tabacum var. typica, Blüte normal. solcher Bliiten war die Verwachsung bei 40 zu finden, wiihrend sie bei den ganzen Blüten nur sehr selten erscheint. Im wesentlichen hatte die Kreuzung von N. glauca mit apetala das gleiche Ergebnis gehabt, wie bei der entsprechenden Kreuzung von apetala mit szlvestris und mit den Nachkommen meiner Stammsorte von tabacum. Es entsteht in der F,-Generation die /acerata-Form mit allen ihren Anomalien. Unterschiede zeigen sich in quantitativer Beziehung. Der Grad der Ausbildung und der Häufigkeit der einzelnen Anomalien erreicht bei der apetala X tabacum durchschnittlich die größte Höhe, er sinkt ein wenig bei apetala X glauca, etwas mehr bei apetala silvestris. 106 Klebs. Zusatz bei der Korrektur: Im Sommer 1916 blühten Pflanzen, die ich durch Bastardierung der apetala mit zwei anderen Varietäten des Tabaks gewonnen hatte. Die eine entsprach der macrophylla Setchell (1892, S. 8) mit großen dunkelroten Blüten; die andere gehörte zur angustifolia (a. a. 0. S. 9) mit relativ schmalen deutlich gestielten Blättern. Dabei zeigte sich die überraschende Tatsache, daß die apetala bei beiden Bastardformen keinen Einfluß auf die Entstehung der Blütenanomalien ausgeübt hatte, da diese auf ein äußerst geringes Maß beschränkt waren. Die gleiche apetala hat daher in der ersten Generation auf relativ nah verwandte Varietäten viel schwächer ein- gewirkt als auf die entfernt stehenden Arten silvestris und glauca. Was in dem einen Falle dominiert, wird in dem anderen rezessiy. Die Bastarde mit macrophylla und angustifolia sind, soweit es sich bis jetzt beurteilen läßt, fertil. V. Allgemeines. Die Stammpflanze von N. tabacum, die zu der Gruppe von virginica Comes (Maryland Setchell) gehörte und die drei Jahre hindurch in ununterbrochenem Wachstum im Gewächshaus beobachtet wurde, hat sich in ihren durch Selbstbefruchtung entstandenen Nachkommen bis zu der fünften Generation als homozygotisch erwiesen. Ein einziges Exem- plar var. lacerata ist in einer Aussaat von 1913 entstanden, das inbezug auf den Blütenbau andere erbliche Eigenschaften darbot. Es fragt sich, ob es berechtigt ist, diese neue Rasse als eine Mutation der Stamm- pflanze aufzufassen. Man kann einen Einwand erheben, den gleichen, den man in allen jenen Fällen machen kann, sobald nur ein einziges mutiertes Exemplar vorliegt. Man kann sagen, daß der Samen nicht von der Stammpflanze herrührt, sondern zufällig im Boden bereits vorhanden gewesen sei. Ich habe bei der Aussaat Februar 1913 den Fehler gemacht, die Erde für die Samenkeimung nicht zu sterilisieren, wie ich es später durch- geführt habe. Die weitere Untersuchung hat aber den Einwand als höchst unwahrscheinlich beseitigt. Denn der Mutant Zacerata stimmte abgesehen von dem Unterschied in der Blüte durchaus mit der Stamm- pflanze überein. Der Mutant war heterozygotisch; er lieferte bei der Spaltung drei verschiedene Sorten, in der Hälfte der Nachkommen wieder /acerata, außerdem eine typica und eine ganz neue apetala. Die typica stimmt Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 107 nun in allen Eigenschaften mit den Nachkommen der Stammpflanze überein; nach den bisher durchgeführten Untersuchungen erscheint sie identisch mit ihr. Die lacerata-Sorte ist bis jetzt noch nie beschrieben worden. Denn die ganz ähnliche cealyeina Setchell ist nach jahrelangen Kulturen zweifellos homozygotisch, also sicher durch eine andere Mu- tation entstanden; sie unterscheidet sich auch in ihrem vegetativen Aufbau von der lacerata (s. Zusatz 8.73). Vor allem ist die abgespaltene apetala noch niemals beobachtet worden. Der Tabak gehört zu den seit alter Zeit in ungeheuren Massen von Individuen, in den verschiedensten Welt- teilen kultivierten Pflanzen. Wissenschaftliche Stationen in Deutschland, Italien, Holland, Java, Indien, Nordamerika beschäftigen sich ausschließ- lich mit den mannigfaltigen Rassen des Tabaks. Besonders in Nord- amerika haben zahlreiche Gelehrten wie Shamel, Cobey, Hayes, East, Setchell, Goodspeed u.a. die eingehendsten Studien an den Tabakvarietäten angestellt. Herr Setchell war so liebenswürdig mir mitzuteilen, daß auch in der mir nicht zugänglichen amerikanischen Literatur über den Tabak nie eine «apetala-Rasse erwähnt worden ist. Es kann daher kaum einem Zweifel unterliegen, daß die «apetala- Rasse hier in Heidelberg entstanden ist. Daraus folgt, daß die /acerata, aus der die apetala entsprungen ist, als Mutation aus meiner Stammpflanze hervorgegangen ist. Die Entstehung eines heterozygotischen Mutanten hat bereits de Vries (II 1903, S. 504) klar vorausgesehen. Er hat den ohne weiteres einleuchtenden Gedanken ausgesprochen, daß gewöhnlich die Mutation bei der Vereinigung zweier Geschlechtszellen entsteht, von denen nur die eine mutiert ist, infolgedessen eine innere Bastardierung vor sich geht. Sehr viel seltener wird es der Fall sein, daß die beiden Geschlechtszellen gleichsinnig mutieren. Wir könnten dann voraussetzen, daß eine konstante homozygotische Mutation entsteht. Diese Auffassung von de Vries hat auch Nilsson-Ehle (1911, S. 6) benutzt bei seinen Untersuchungen am Hafer. In reinen Linien beobachtete er das spontane Auftreten von Individuen mit besonderer Begrannung. Nach Selbstbefruchtung trat in der nächsten Generation eine monohybride Spaltung ein, es entstanden 50°, der gleichen hetero- zygotischen Form, 25°/, der ursprünglichen reinen Linie und 25°. von Individuen, die völlig die Charaktere des Wildhafers (Avena fatua) auf- wiesen und die als Atavisten bezeichnet wurden. Nilsson-Ehle nimmt an, daß die Entstehung des Wildhafers aus der reinen Haferlinie durch Wegfallen eines Hemmungsfaktors bedingt 108 Klebs. war und daß dieses nur in der einen Geschlechtszelle eintrat. Von besonderem Interesse für die vorliegende Frage ist die Arbeit von Lodewijks (1911) über eine gefüllt blühende Tabaksorte. Diese Rasse ist mehrfach in Java aufgetreten, und Jensen hat ihre Konstanz bereits nachgewiesen. Lodewijks erhielt ein Exemplar von unbekannter Her- kunft, dessen Nachkommen das Merkmal rein vererbten. Die Füllung der Blüten kommt durch die Verdoppelung der Blumenkrone zustande. Bei der Bastardierung des einfach blühenden und des doppelten Tabaks verhielt sich wie in anderen Fällen die Füllung rezessiv. Die Fı-Gene- ration ließ sich von dem dominierenden Elter nur durch eine gewisse Körnelung der Blattunterseite unterscheiden. Lodewijks, sich an de Vries anschließend, nimmt an, daß der gefülltblühende Tabak durch eine Bastardmutation entstanden sei, aber wegen des rezessiven Verhaltens des Merkmals erst nach der Spaltung erkennbar gewesen sei; er weist darauf hin, daß die Wahrscheinlichkeit experimentell eine solche Mutation zu beobachten sehr gering ist.. In seinen Tabakkulturen beobachtete Lodewijks dreimal das Auftreten von aurea-Varietiiten, die sich als heterozygotisch erwiesen, da ihre Nachkommen sich in konstant grüne und sich spaltende awrea-Pflanzen trennten. Diese aurea-Pflanzen sind daher auch Mutanten, die als Bastarde entstanden sind. Diese aurea-Varietäten des Tabaks verhalten sich ganz entsprechend den seit langem bekannten aurea-Sorten von Antirrhinum majus, deren heterozygotischer Charakter zuerst von Baur (1907, S. 453) festgestellt worden ist. Unter zwei seiner reinen Bohnenlinien hat auch Johannsen (1913, S. 653) Individuen beobachtet mit relativ breitem Samen. Sie er- wiesen sich als heterozygotisch, da eine Spaltung in heterozygotische und breit mutierte (2:1) Nachkommen erfolgte. Johannsen (a.a.0. S. 628) spricht von ,,Mutationsbastarden‘. Merkwürdigerweise kann der Übergang aus dem homozygotischen in einen heterozygotischen Zustand am gleichen Individuum während seines vegetativen Lebens eintreten, wie es Correns (1910) für einige Mirabilis-Sippen nachgewiesen hat. An Individuen der varzegata-Sippe zeigten sich einzelne rein grüne Äste. Die Samen von ihnen lieferten Nachkommen, unter denen sich im Verhältnis von 3:1 variegata und rein grüne Individuen vorfanden. Die grünen Äste verhielten sich genau so wie der künstlich erzeugte Bastard von variegata X typiea (grün). Das Grün dominiert in der Fı-Generation, in F2 erfolgt die Spaltung in variegata und grün (3:1). Die entsprechende Erscheinung beob- Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 109 achtete Correns bei einer gestreift blühenden Sorte von Mirabilis. An ihr traten rotblühende Äste auf, aus deren Samen wieder gestreift blühende und rotblühende Individuen hervorgingen. Correns bezeichnet solche heterozygotische Pflanzen als „Autohybride*“. Zu diesen bekannten Fällen einer Selbstbastardierung gesellt sich auch die Jacerata-Form des Tabaks; sie zeichnet sich vor allen anderen Beispielen dadurch aus, daß sie von der Stammpflanze deutlich unter- schieden ist, infolgedessen ihr erstes Auftreten als Mutant sofort bemerkt werden konnte. Das beruht auf dem eigentümlichen Verhalten der charakteristischen Merkmale in der Fı-Generation. Wir können jeder- zeit die gleiche /acerata erhalten, wenn wir die aus ihr abgespaltenen typica und apetala miteinander bastardieren, und wir können daraus er- kennen, wie die ursprünglich zu apetala mutierte Geschlechtszelle auf die nicht veränderte Geschlechtszelle von typzea eingewirkt hat. Diese Wirkung der apetala läßt sich auch sehr deutlich bei der Kreuzung mit anderen Tabakarten nachweisen, von denen szlvestris und glauca ge- prüft wurden. Die verwendete silvestris- Pflanze gehörte einer homo- zygotischen Linie an, die sich durch sehr große Konstanz des Blüten- baues auszeichnete. Diese Konstanz wurde auch nicht geändert durch die Kreuzung mit der typischen Sorte von tabacum. In der Fı- Generation von silvestris X apelala zeigten aber die Blüten die Charak- tere der lacerata. In noch höherem Grade war es der Fall bei der Kreuzung der apetala mit glauca, einer Spezies, die systematisch relativ weit von tabacwm entfernt steht. Bei den meisten Kreuzungen von zwei durch ein Merkmal unter- schiedenen Rassen erweist sich die eine als in hohem Grade dominant, die andere rezessiv (Bateson 1909, S. 18—31). Doch finden sich auch Beispiele von intermediärer Ausbildung. Schon Mendel (1865, S. 23) hatte für Erbsen nachgewiesen, daß die Bastarde in ihrer Blütezeit zwischen den Blütezeiten der Eltern stehen. Für gewisse Merkmale der Maisrassen z. B.: Größe der Frucht, Farben des Endosperms usw. hat Correns (1901, S. 143) den intermediären Charakter der Fı-Gene- ration festgestellt; er nannte solche Merkmalspaare, die sich nebenein- ander in verschiedenem Grade entfalten „homodynam“. Seitdem sind verschiedene Beispiele dieser Art bei Pflanzen und Tieren bekannt ge- worden, vergl. die Liste bei Johannsen 1913, S. 488. In den bisher beobachteten Fällen handelt es sich um einfache, quantitativ d.h. nach Plus und Minus verschieden abgestufte Merkmale z. B. solche einer mittleren Höhe oder Breite oder Farbe usw. Bei dem 110 Klebs. Tabak haben wir es mit einer komplizierteren Erscheinung zu tun. Das Merkmal der Apetalie ist typisch rezessiv; bisher ist es niemals bei der lacerata aufgefunden worden. Der zweite wesentliche Charakter, die Petalodie des Kelches ist dagegen bis zu einem gewissen Grade domi- nant mit der Einschränkung, daß je nach den einzelnen Blüten des gleichen Individuums die Petalodie in sehr verschiedenem Grade zur Ausbildung kommt und nur selten sich jenem Grade nähert, wie er bei der apetala sichtbar ist. Das rezessive Verhalten der Apetalie ist eine Bestätigung der allgemeinen Regel, daß ein durch den Verlust von Faktoren gekennzeichnetes Merkmal rezessiv ist (Baur 1914, S 294). Man könnte für den Fall der /acerata sich vorstellen, daß die Unterdrückung der Blumenkrone korrelativ die petaloide Ausbildung des Kelches herbeigeführt hätte. Aber das Verhältnis könnte auch um- gekehrt sein. Jedenfalls geht aus den Untersuchungen von Correns an calycanthema-Rassen deutlich hervor, daß die Petalodie des Kelches auch ohne Beziehung zu einer unterdrückten Blumenkrone dominiert, während die Verdoppelung der Blumenkrone bei der gefülltblühenden Rasse des Tabaks (Lodewijks) rezessiv ist und auch keine Wirkung auf die Ausbildung des Kelches hat. Wir kennen in keinem Falle die äußeren und inneren Bedingungen für das dominante und rezessive Ver- halten der Merkmale, und daher kommen wir über die bloße Feststellung der Tatsachen vorläufig nicht hinaus. Gelegentlich seiner Untersuchungen der calycanthema-Rasse hat Correns (1905, S. 482) sich mit den Anschauungen auseinandergesetzt, die de Vries über progressive, retrogressive und degressive Mutation ausgesprochen hat. Correns betont, daß die petaloide Ausbildung des Kelches bei calycanthema durch progressive Mutation entstanden sein müsse. Obwohl das Merkmal unzweifelhaft phylogenetisch jünger ist, dominiert es über den phylogenetisch älteren normalen Kelch und stellt damit eine Ausnahme der Regel von de Vries dar. Correns hält es für richtiger zu sagen: „das Merkmal der höher stehenden Sippe do- miniert über das korrespondierende Merkmal der tiefer stehenden Sippe“. Mir scheint daß dieser Unterschied von „höher und tiefer“ nur sub- jektiver Wertschätzung unterliegt und am besten zu vermeiden ist, so lange man sich in relativ engen Verwandtschaftskreisen der Pflanzen bewegt. Die Annahmen von de Vries über die Entstehung der verschiedenen Formen der Mutation je nach dem Verhalten der vorausgesetzten Pangene hängen aufs engste mit seiner Pangenesistheorie zusammen. Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 111 Wer ihre Grundlagen nicht anerkennt (Klebs 1905, 8. 300) kann auch ihre Folgerungen nicht annehmen (vergl. auch Baur 1914, 8. 327). Aus meinen Versuchen über künstliche Metamorphosen (Klebs 1906, S. 86) ergab sich als Folgerung der Satz, daß die meisten wenn nicht alle Anomalien der Blüten oder der vegetativen Organe als Variationen unter dem Einfluß der Außenwelt entstehen. In der spezifischen Struktur zahlloser Pflanzenarten liegen alle diese Fähigkeiten (Potenzen); es hängt von dem Umfang unserer Kenntnisse ab, wie weit wir die Relationen der verschiedenen Strukturen zu den äußeren Bedingungen im Experiment beherrschen, ob es heute gelingt, diese oder jene Anomalie leicht, schwer oder noch gar nicht hervorzurufen. Dieser Satz von der Allgemeinheit der Potenzen gilt auch für die erblichen Anomalien, d. h. jede Anomalie kann unter Umständen zu einem erblichen Merkmal werden, weil die Potenz dafür in jeder Art vorliegt. Durch Mutation kann eine Rasse entstehen, die wir als neu d.h. bisher nicht beobachtet bezeichnen können (Klebs 1906, S. 87). Das Neue liegt in vielen Fällen nur in dem Erblichwerden einer vorher als individuelle Variation bekannten Potenz; es tritt erst dann sehr auffallend hervor, wenn das erbliche Merkmal vorher noch nicht als individuelle resp. experimentell erzeugte Variation bemerkt worden ist. Gerade der neue Mutant des Tabaks, die /acerata, zeigt die Be- rechtigung dieser Auffassung. Alle ihre Charaktere, Petalodie des Kelches, zerrissene Blumenkrone usw., treten in der typischen Sorte unter dem Einfluß gewisser äußerer Bedingungen auf — folglich müssen die Po- tenzen dafür in den embryonalen Zellen der typzea vorhanden sein. Man kann nun einwerfen, daß die /acerata doch erst durch die Wirkung der mutierten «apetala-Geschlechtszelle entstanden sei. Einmal ist vom physiologischen Standpunkt diese Wirkung auf die Zypzca-Geschlechts- zelle doch auch eine von außen eintretende; durch die Vermischung der verschiedenen Strukturen werden gewisse Potenzen der typzca ver- wirklicht. Vor allem aber beweist die von Setchell als homozygotisch erkannte calyeina mit den entsprechenden Merkmalen der Petalodie usw., daß in ihr Potenzen erblich geworden sind, die allen Tabaksorten zu- kommen. Worin liegt denn eigentlich der Unterschied zwischen der rein individuellen Variation der Zypiea und der erblichen Mutation bei calyeina. Der tatsächliche Unterschied zeigt sich in der quantitativen Steigerung der lacerata- oder calycina-Charaktere gegenüber typica unter annähernd gleichen äußeren Bedingungen. Folg- lich ist man theoretisch zu der Annahme gezwungen, daß eine innere 112 Klebs. Differenz bei beiden bestehen muß, die ich zurückführe auf eine Ände- rung der spezifischen Struktur und mir veranschaulicht habe durch eine Änderung der chemischen Struktur (1903, 8. 158) — eine Auffassung, die auch von Baur, Johannsen u. a. seitdem vielfach vertreten wird. Für unseren Begriff der spezifischen Struktur gebraucht Baur (1914, S. 3) den Ausdruck Naegelis Idioplasma, Johannsen (1909, S. 130) Genotypus. Die vorausgesetzte Änderung der Struktur bedingt die Ver- änderung der Reaktionsfähigkeit gegenüber den gleichen Äußeren Bedin- gungen, etwa wie das Eintreten eines Cl-Atoms oder der OH-Gruppe usw. den Schmelzpunkt eines Körpers, d. h. sein Verhältnis zu der Temperatur ändert (Klebs 1903, S. 158). Die Änderung der Struktur bedingt bei einem typischen Tabak, daß die Potenzen für gewisse Anomalien ein anderes Verhältnis zur Außenwelt erlangen, und die Folge davon ist, daß diese Anomalien unter den gewöhnlichen Kulturbedingungen in reicher Ausbildung erscheinen, während die Zypica unter den gleichen Bedingungen nur ganz schwach die Anomalien ausbildet. Es muß Be- dingungen geben, unter denen die relativ seltene lacerata-Blüte bei Individuen der typica in größerer Häufigkeit und stärkerer Ausbildung erscheint, und es muß auch Bedingungen geben, die die Vorherrschaft normaler Blüten bei den calycina- oder lacerata-Individuen herbeiführen. Die strukturelle d. h. erbliche Differenz der Rassen bleibt doch des- halb bestehen; sie tritt nur dann hervor, wenn man die Rassen den gleichen Bedingungen aussetzt. Viel stärker muß die Änderung der Struktur bei der apetala eingetreten sein. Bisher ist es praktisch noch nicht gelungen (allerdings auch noch nicht ausführlich versucht worden) die Apetalie bei der typica hervorzurufen oder bei der apetala zum Verschwinden zu bringen; beides wird aber vielleicht doch gelingen. Aus der Darstellung geht hervor, daß die anormalen Merkmale Petalodie des Kelches, Aufreißen der Blumenkrone in drei verschiedenen Zuständen bei dem Tabak vorkommen, 1. als allgemein verbreitete Potenz der Artstruktur, wohl auch der Gattungsstruktur, 2. als homo- zygotisch erblicher Charakter bei der calycina Setchell, 3. als hetero- zygotischer erblicher Charakter bei der /acerata. Es sind schon eine Reihe Fälle bekannt, in denen ein bestimmtes Merkmal nur in hetero- zygotischem Zustand existiert, so die blauschwarze Farbe bei dem anda- lusischen Huhn (Bateson 1909, S. 51) oder die hellrosa Farbe beim Mirabilis-Bastarde von alba X rosea (Correns 1905, S. 19) oder die aurea-Formen bei Antirrhinum (Baur 1907, S. 453). Einen Fall, der an den Tabak erinnert, hat Correns (1912, S. 62) kennen gelehrt. Bei Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 513 der Kreuzung von Silene armeria var. albida und var. rosea entsteht ein dunklerrot blühender Bastard rubra, und dieses Merkmal, rote Blumenfarbe, haftet nur an den heterozygotischen Nachkommen. Correns erwähnt aber dabei, daß es eine Silene armeria var. rubra gibt, die homozygotisch ist und sich rein vererbt. Die neuen Rassen des Tabaks haben die Eigentümlichkeit auffallender Inkonstanz aller oder wenigstens einiger ihrer charakte- ristischen Merkmale — eine Erscheinung, die noch bei anderen anor- malen Rassen, z. B. calycanthema-Formen (vergl. Correns 1905), wenn auch in geringerem Maße zutage tritt. Bei /acerata sind sämtliche Merkmale bei den Blüten desselben Individuums variabel. Die Peta- lodie des Kelches schwankt sehr nach den einzelnen Blüten von schwacher Ausbildung bis zu einem extremen Grade, wo der Kelch ganz einer Blumenkrone gleicht. Das Aufreißen der Blumenröhre findet sich durchschnittlich bei 50°/o der Blüten, kann dabei auch verschiedene Grade annehmen. Dazu kommen noch Anomalien anderer Art, wie die Verwachsung eines Staubblattes mit der Röhre, die bei zahlreichen zer- rissenen Blüten, nur bei wenigen ganzen Kronen auffällt. Noch seltener ist die Petalodie einzelner Staubblätter, die Bildung von seitlichen peta- loiden Lappen. Bei der apetala ist der Mangel der Blumenkrone unter den bis jetzt bekannten Bedingungen konstant; meist auch die Unter- drückung des Blütenstieles, dagegen das Aufreißen der Kelchröhre ist ein sehr variables Merkmal, das sich übrigens sehr viel seltener findet als das Aufreißen der Blumenkrone bei /acerata. Häufiger ist die Ver- wachsung eines Staubblattes mit der Kelchröhre, seltener wieder die Peta- lodie einzelner Staubblätter. Bisher fand sich weder bei der typica noch bei der /acerata die bei apetala auftretende Verwachsung eines Staub- blattes mit dem Fruchtknoten. Aus diesen Tatsachen können wir nichts anderes schließen, als daß jedes der anormalen Merkmale von besonderen äußeren Bedingungen abhängt, die in verschiedenem und sehr wechseln- dem Grade unter den stets schwankenden Kulturbedingungen vertreten sind. Es wird die Aufgabe weiterer Untersuchungen sein, diese Ver- hältnisse genauer zu prüfen. Schon jetzt weisen die Beobachtungen im Herbst draußen, wie im Gewächshaus darauf hin, daß das Aufreißen der Blumenkrone und die Petalodie des Kelches von der Intensität des Lichtes neben anderen Faktoren abhängen. Die Frage, unter welchen Bedingungen die neue heterozygotische Rasse /acerata und mit ihr die apetala entstanden ist, läßt sich nicht beantworten. Es ist nur eine Folgerung aus dem mechanistischen Kausal- Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 8 114 Klebs. prinzip, wenn ich behauptet habe, daß für eine solche Mutation äußere Be- dingungen maßgebend gewesen sind (Klebs 1903, S. 160). Als ich von dem Erblichwerden einer Anomalie z. B. der Petalodie sprach, hob ich ausdrück- lich hervor, daß es auf die Zeit und die Art der äußeren Einwirkung an- kommen müsse, ob ein solches Merkmal bloß als nicht erbliche Variation oder als erbliche Mutation erscheint (Klebs 1906, S. 125). Auf Grund dieser Auffassung haben sowohl Baur (1907, S. 448) wie Lehmann (1909, S. 201) mir vorgeworfen, ich hätte die beiden Arten der Veränderung nicht unterschieden. Da ich aber selbst gerade auf den Unterschied aufmerksam gemacht habe und die Formulierung so gegeben habe, wie sie heute auch von Baur und anderen vertreten wird, so kann dieser Vorwurf doch nur auf einem kleinen Mißverständnis beruhen. Dieses läßt sich wohl leicht beseitigen. Wenn ich durch eine gewisse Tempe- ratur einen Körper zum Schmelzen bringe und wenn ich anderseits durch Temperatur eine chemische Veränderung eines Körpers herbeiführe, infolge- dessen er bei einer anderen Temperatur wie vorher schmilzt, so wird niemand daraus schließen, daß Schmelzen und chemische Umwandlung das gleiche wären. Wohl aber ersehe ich daraus, daß beiden Vorgängen etwas Gemeinsames zugrunde liegt, nämlich die Abhängiekeit von be- stimmten Bedingungen der Außenwelt. In diesen Fällen nehme ich an — mehr kann man nicht sagen — daß nichterbliche Variation und erbliche Mutation beide durch die Außenwelt mit bedingt werden. Für die Variationen ist der Beweis reichlich geliefert worden — für die Mutation dagegen fehlt noch der entscheidende Beweis. In schroffem Gegensatze zu den von mir verteidigten Anschauungen steht die Auffassung Lotsys (1914), der die Bastardierung wesentlich als einzigen die ganze Phylogenie erklärenden Vorgang annimmt und die Mutation nicht bloß als völlig bedeutungslos auffaßt, sondern im Grunde als nicht existierend erklärt. Lotsy geht von dem merk- würdigen Satz aus, daß eine homozygotische Linie „indefiniment constante* sei (a. a. O. S. 51). Wir müssen in jeder solchen Pflanzeneinheit etwas Konstantes an- nehmen, wie ich öfters auseinandergesetzt habe, das, auf die Nachkommen übertragen, unter gleichen Umständen die gleichen Merkmale hervorruft. Die zahllosen Untersuchungen an Bakterien, Pilzen, Algen, neuerdings auch an Phanerogamen (Johannsen u. a.) sind Bestätigungen dieser notwendigen Voraussetzung, auf der die ganze Physiologie sich aufbaut. Lotsy behauptet aber eine absolute Konstanz bei Ausschluß der Bastar- dierung; das ist etwas anderes, das klingt wie aus vergangenen Zeiten Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 115 veralteter Anschauungen. Denn ob ich sage, eine Linnésche Spezies ist absolut konstant oder eine reine Linie, ändert an dem Wesen der Sache nichts. Für den modernen Naturforscher gibt es keine absolute Konstanz, sondern nur eine relative; d.h. das gleiche Verhalten eines Körpers erfolgt nur in einem gewissen Umkreis von Bedingungen, die bald sehr enge bald sehr weit gezogen sind. Der weiteste Umkreis findet sich bei den chemischen Elementen, deren absolute Konstanz lange angenommen wurde, während heute auch die Veränderlichkeit unter be- stimmten Bedingungen bei einigen nachgewiesen worden ist. Selbst wenn wir nichts über die Veränderlichkeit der Organismen wüßten, würden wir nie den Satz von Lotsy anerkennen. Nun steht er überhaupt in offenbarem Widerspruch zu allgemein anerkannten Tatsachen. Lassen wir die strittigen Oenothera-Mutanten von de Vries beiseite! Aber durch einwandfreie Untersuchungen ist festgestellt, daß in homo- zygotischen Linien von Weizen und Hafer (Nilsson-Ehle), von Antzr- rhinum und Melandrium von Baur (vergl. seine Darstellung 1914, Vor- les. XVI) Mutanten auftreten. Wir stehen auch in diesen Dingen in den ersten Anfängen der Forschung; diese bestätigt aber das, was aus früheren Beobachtungen über die Blutbuche, Chelidonium laciniatum, Capsella Hegeri erschlossen werden mußte (de Vries 1901, § 25). Ebenso ist es sicher, daß Knospenmutationen auftreten (Johannsen 1913, S. 651). Lotsy wittert hinter allen diesen unzweideutigen Fällen etwas von Bastardierung — aber das ist doch nur der Ausfluß seiner aprioristischen Vorstellung. Man kann die Ansicht weder widerlegen noch beweisen, daß irgend eine homozygotische Pflanze aus einer Bastardierung ursprünglich hervorgegangen ist. Es gibt kein Mittel das zu erkennen, und solange das nicht der Fall ist, können wir auch nie behaupten, daß irgend ein Merkmal einer homozygotisch sich verhaltenden Pflanze von einer früheren Bastardierung herrührt oder beeinflußt ist. Dagegen wenn aus ihr Nachkommen nach Selbstbefruchtung hervorgehen, die in ihren Reaktionen auf die Außenwelt sich auf einmal ganz anders ver- halten, so müssen wir eine Änderung der Struktur voraussetzen. Lotsy kann nicht ganz die Tatsachen umgehen; er tröstet sich damit, daß die meisten Mutationen, wenn sie existierten, nur durch Verlust von Merkmalen entstanden seien. Das mag, wenn es sich, was sehr zweifelhaft ist, als richtig herausstellen sollte, für die Phylo- genie bedeutungsvoll sein (vergl. die Kritik bei Baur 1914, S. 327). Für die prinzipielle Frage ist es völlig gleichgültig, wodurch sich der Mutant von seiner Stammpflanze unterscheidet. Die Hauptsache 8*+ 116 Klebs. bleibt, der Mutant beweist: es ist falsch von einer absoluten Konstanz zu reden. Auffallenderweise hat Lotsy gar nicht an die Möglichkeit der Selbstbastardierung gedacht, die schon seit einigen Jahren als Tatsache nachgewiesen worden ist, nachdem de Vries darauf hingewiesen hat. Ich habe vorhin (S. 107—108) die Fälle zusammengestellt, aus denen sich klar ergibt, daß eine homozygotische Pflanze eine heterozygotische Mutante erzeugt: es gibt sogar Fälle, wo dieser Übergang bei einer Knospen- mutation geschieht. Damit fällt erst recht die allgemeine Gültigkeit der Lotsyschen Auffassung. Denn jetzt kann vieles, was er der äußeren Bastardierung zuschreibt, der Autohybridation zukommen, und diese ist doch nur denkbar, wenn irgend welche äußere Faktoren mitgewirkt haben. Die Bedeutung der Bastardierung für die Artumbildung, für die Ent- stehung neuer Pflanzenformen durch Kombinationen verschiedener elter- licher Merkmale wird heute seit Mendels Entdeckungen allgemein an- erkannt. Die Beobachtungen an Artbastarden wie sie Baur an Antir- rhinum, Lotsy an der gleichen Gattung, ferner an Petunia usw. ge- macht hat, sind äußerst lehrreich und wertvoll. Sie lehren uns, daß bei solchen Artbastarden die buntesten Mischungen von Merkmalen, die mannigfaltiesten Kombinationen eintreten, unter denen eine Anzahl sich weiterhin homozygotisch verhält. Aber alle diese Merkmale entsprechen Potenzen, die innerhalb des engen Verwandtschaftskreises mehr oder weniger allen Arten der Gattung zukommen oder Potenzen, die wie das Radiärwerden zygomorpher Blüten den verschiedensten Strukturen an- gehören. Würde man in der experimentellen Beherrschung der Pflanze weiter fortgeschritten sein, so würde man vieles an jedem Individuum hervorlocken können. Was helfen uns aber diese Beobachtungen für das eigentliche Problem der Phylogenie: für die Frage nach den Ursachen der Ent- wicklung des Organismenreiches in den gewaltigen Schritten von den einfachsten bis höchsten Klassen? Bis jetzt sehr wenig! Wir wissen nicht, in welchem Maße Mutationen, Bastardierungen oder noch un- bekannte Vorgänge dabei mitgewirkt haben. Die Zoologen werden gewiß ein wenig lächeln über den kühnen Flug der Phantasie, den Lotsy wagt, wenn er aus der Kreuzung zweier Reptilien plötzlich den Archaeopteryx entstehen läßt (a. a. O. S. 27). Demgegenüber mutet die Lamarcksche Erklärung des langen Halses der Giraffe noch ganz empirisch an. Bei den Tieren sind in der freien Natur nach den bis- u oe - Über erbliche Blütenanomalien beim Tabak. 117 herigen Erfahrungen Artkreuzungen doch relativ selten, und dabei sind die Produkte der Kreuzung in den allermeisten Fällen steril. Auch bei den Artbastarden der Pflanzen ist bekanntlich die Sterilität die Regel. Nun kann man vielleicht annehmen, daß in früheren Zeiten die Frucht- barkeit größer war oder daß unter besonderen Umständen die Sterilität aufgehoben werden kann. Bis jetzt sind das aber unbewiesene Vor- stellungen. Und nun erst das Reich der höheren Pilze, die an Reich- tum der Formen den Phanerogamen nicht nachstehen. Dabei ist nach den heutigen Kenntnissen, an die wir uns halten müssen, bei diesen Pilzen überhaupt eine äußere Bastardierung nicht möglich, da die Kern- verschmelzung bei Ascomyceten, Aecidiomyceten, Basidiomyceten inner- halb des gleichen Individuums eintritt, so daß man höchstens an eine Autohybridisation denken kann. Wohin wir also blicken, entbehrt das Gebäude, das sich Lotsy errichtet hat, der festen Fundamente. Es liegt kein Grund vor von dem Problem abzustehen, Mutationen auf experi- mentellem Wege hervorzurufen. Mag sich auch der Naturforscher durch endlose Öden negativer Ergebnisse den Weg bahnen müssen, es wird früher oder später ihm oder seinen Nachfolgern doch gelingen sein Ziel zu erreichen. Tafelerklärung. Die Bilder sind von meiner Frau gemalt worden; sie sind ein wenig vergrößert, besonders Fig. 3a, b. la—c. Nicotiana tabacum var. virginica. Blüten der Stammpflanze; a normal, b Kelch an der Basis schwach wulstig, drei Kelchzähne abstehend, c Blumenröhre seit- lich aufgerissen, ein Kelchzahn petaloid. 2a—e Nicoliana tabacum var. virginica. Blüten der Mutante lacerata; a Kelch, stärker wulstig, drei Kelehzipfel verbreitert, lebhaft rot gefärbt, b Kelch wie bei a, Krone in zwei Teile zerrissen, e Kelch stark verlängert, alle Zähne breit pe- taloid, Kronenröhre seitlich etwas aufgerissen. 3a—b Nicotiana tabacum var. apetala, entstanden durch Abspaltung aus der lacerata; a ein Zweig mit drei Blüten, Krone verschwunden, Kelch als Blumenkrone entwickelt, bei der Blüte links Röhre etwas aufgerissen, ein Staubblatt an der Spitze petaloid, bei der Blüte in der Mitte Röhre seitlich bis zum Grunde aufgerissen, b normale apetala ohne sonstige Veränderungen. Literatur. Anastasia, E., Le varieta tipiche della Nicotiana tabacum. 1906. Angeloni, L., Costituzione e fissazione delle razze dei Tabacchi. Scafati 1906. 118 Klebs. Bateson, W., Mendel’s Principles of Heredity. Cambridge 1909. Baur, E., Untersuchungen über die Erblichkeitsverhältnisse einer nur in Bastardform lebensfähigen Sippe von Antirrhinum majus. Ber. Bot. 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Aus- führlichere Arbeiten, die auch F2 und F3 berücksichtigen, sind meines Wissens fast gar nicht vorhanden; die genauesten Angaben stammen von Tschermak!) und Biffen*). Eine nähere Untersuchung schien somit aus wissenschaftlichen Gründen geboten. Dazu kam noch, daß, da die moderne Landwirtschaft allmählich den Wert der künstlichen zielbewußten Kreuzung anzuerkennen beginnt, man ihr von einer per- sönlich uninteressierten Seite zu Hilfe kommen wollte. Erwägungen dieser Art veranlaßten Herrn Prof. Baur, mich während meines Aufent- haltes an der landwirtschaftlichen Hochschule in Berlin zu dieser Arbeit anzuregen. Nach meinem Fortgange habe ich sie dann weiter fortgesetzt 1) E. v. Tschermak, a) Die Theorie der Kryptomerie und des Kryptohybri- dismus. Beih. z. bot. Centralbl. Bd. 16, p. 11—35, 1904. b) Abschnitte über Korre- lationen und Bastardierung in C. Fruwirth: Züchtung der landw. Kulturpflanzen Bd. IV, 1910. 2) Biffen, R. H., a) Experiments on the Hybridisation of Barleys. Proc. of the Cambridge Phil. Soe. Vol. VIII, Part. V, p. 304—308, 1906. b) The Hybridisation of Barleys. Journ. of Agricult. Science Vol. II, Part. II, p. 183—206, 1907. Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 121 und möchte im folgenden einige Resultate veröffentlichen‘). Es handelt sich hier meist um äußerlich stark ins Auge fallende Eigenschaften wie Kapuze und Granne, Zwei- und Mehrzeiligkeit, lange und kurze Grannen, lockere und dichte Ähre. Zum Teil sind das quantitative Unterschiede, was die Untersuchung wegen der Variationsbreite des einzelnen Typs sehr erschwert. Eine Übersicht über die verwendeten Sorten findet sich am Schluß der Arbeit. Dort ist auch die Genenformel für jede Sorte angegeben, die sie nach den Spaltungen haben muß. Zur Numerierung sei bemerkt, daß die reinen Linien mit H1, H2 .... bezeichnet sind, während die Kreuzungen und ihre Spaltungsprodukte in F2 und Fa 01, 02 .... zur Unterscheidung heißen. I. Ährendichte. Auf den ersten Blick unterscheidet man zwei Typen bei Gerste, die nickenden und aufrechten Formen oder was meist dasselbe ist, die lockeren und gestauchten Ähren. Die Lockerkeit wird durch die Länge des Spindelgliedes bedingt, an dem ein resp. drei Körner sitzen. Ist das Glied länger als 3,5 mm, so erscheint die Ähre dem Auge locker, ist es kürzer, so macht sie einen gestauchten Eindruck. (Der Grad der Dichte ist der einzige primäre Unterschied zwischen vier- und sechszeiligen Ähren, der allerdings verschiedene andere im Gefolge hat. Ich komme darauf weiter unten zurück.) Die meisten Kulturgersten haben eine Spindeleliedlänge von 4—5 mm, die sechszeiligen japanischen 2—3 mm, Hordeum spontaneum 5—6 mm. Die Spindelgliedlänge ist natürlich nicht überall an der Ähre gleich lang, gemessen wurde immer im mittleren Drittel, wo die größte Länge und Regelmäßigkeit herrscht. Über die Vererbungsform finden sich verschiedene Angaben vor. Spillman (zitiert nach, Biffen, s. S. 120 ?®) findet, daß Fi intermediär ist, F2 im Verhältnis 1:2:1 spaltet. Nach Biffen (S. 120 ?®) ist es nicht möglich, in F2 die Typen auseinander zu halten, da die Kurve der Heterozygoten die Kurven der Elternpflanzen überdecke. Nur durch Nachzucht der einzelnen Pflanzen konnte festgestellt werden, dab die Spaltung in F> tatsächlich im Verhältnis 1:2:1 stattfindet. Die ver- wendete Kreuzung war Pyramidatum X decipiens. Tschermak (S 120 !®) findet ein Uberwiegen der gestauchten Ährenform und in Fz das Ver- hältnis gestaucht : locker = 3:1. *) v. Ubisch, Analyse eines Falles von Bastardatavismus und Faktorenkoppelung bei Gerste. Diese Zschr. Bd. XIV, Heft 3/4, p. 226—237, 1915. 37 x 4 08 0113 0140 0141 0142 0143 0144 0145 H 34 H 29 v. Ubisch. Tabelle Spindel- Jahr- Rene glied- | Ausschen| Zahl Spaltung exp. gang ration lange locker : gest. mm Kreuzung 1915 17 3,2 | gestaucht 1915 bs 5,1 locker 1913 F, 4,5 locker 1914 HS 221 164,5: 56,5 = 2,98: 1,02 1915 F, 184 140,6:43,4 = 3,06: 0,94 Elternpflanze 1915 F, 2,8 | gestaucht 74 0:74 1915 F, 5,0 locker 74 74:0 1915 F, 5,0 locker 92 68:24 = 2,96: 1,04 1915 18 2,5 | gestaucht 95 0:95 1915 F, 4,0 locker 86 86:0 1915 F, 4,5 locker 138 99:39 = 2,87: 1,08 Kreuzung 1915 Ve, 3,2 | gestaucht 1915 195 4,6 locker 1913 F, 4,0 locker 1914 Fy, 76 54:22 = 2,84: 1,16 1915 F, 508 383:125 = 3,02: 0,98 Elternpflanze 1915 FR, 2,5 | gestaucht 91 0:91 1915 F, 4,5 locker 9258 92:0 1915 F, 3,0 | gestaucht 95 0:95 1915 F, 4,0 locker 96 97:0 1915 F, 4,8 locker 98 78:20 = 3,18: 0,82 1915 FR, 2,8 | gestaucht 93 0:93 Kreuzung 1914 Be 2,0 | gestaucht 1914 P, 5,0 locker 1914 F, 4,0 locker 34 X 29 0117 1915 F, 166 127:39 = 3,06: 0,94 Spaltung theor. locker : gest. H37 x6 B © Mor - © 8 H37 x 4 ae Br] H 34 & 27 + 0,02 + 0,06 + 0,04 + 0,13 + 0,16 + 0,02 + 0,18 + 0,06 theor. + 0,18 + 0,15 + 0,20 + 0,08 +0,18 + 0,14 Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 123 Mittelwerte M,+m, mm 4,23 + 0,03 4,43 + 0,03 4,39 + 0,04 4,09 + 0,04 4,27 + 0,04 4,19 + 0,01 4,25 + 0,04 4,36 + 0,04 4,37 + 0,04 4,38 + 0,04 M,+m, 2,84 + 0,04 3,07 + 0,05 2,72 + 0,04 2,87 + 0,04 2,85 +: 0,02 2,98 + 0,03 3,02 + 0,04 2,95 + 0,07 2,88 + 0,05 124 v. Ubisch. Meine Versuchsergebnisse sind in Tabelle I zusammengestellt. Es handelt sich um drei Kreuzungen, von denen die beiden ersten Eltern- paare H 37 X 6 und H 37 X 4 in diesem Punkte so gut wie identisch waren. Die dritte Kreuzung bezieht sich auf eine andere japanische Gerste H 34 und die lockere zweizeilige Kapuzengerste H29. Aus allen Zahlen geht einwandfrei hervor, daß es sich um eine monohybride Spaltung nach der Formel 3:1 handelt, mit fast völliger Dominanz von „locker“ }). Was die verhältnismäßig starke Abweichung von Fe 1914 an- belangt, so hat schon Atterberg?) gefunden, daß die Spindelgliedlänge vom Klima sehr beeinflußt wird. F3 1914 wurde in einem feuchten Sommer in dem an sich schon sehr feuchten Klima in Münster i. W. auf schwarzer Gartenerde gezogen, während F> 1915 in einem sehr trockenen Sommer auf Dahlemer Sandboden kultiviert wurde. Überhaupt sind nur gleichzeitig und unter ganz gleichen Bedingungen gezogene Pflanzen vergleichbar. Bei dieser Gelegenheit dürfte es angebracht sein, auf einen recht schiefen Ausdruck in der Einteilung der mehrzeiligen Gersten aufmerk- sam zu machen, nämlich in vier- und sechszeilige. Von vornherein sollte man glauben, daß bei den zweizeiligen die Mittelblüte des drei- blütigen Spindelgliedes fertil ist, bei den vierzeiligen die beiden Seiten- blüten, bei den sechszeiligen alle drei. Dies ist nun bekanntlich nicht der Fall: bei vier- und sechszeiligen Gersten sind alle drei Blüten fertil, bei den vierzeiligen ist nur das einzelne Spindelglied so lang, daß sich das rechte Seitenbliitchen der einen Seite über das linke der anderen schieben kann; von oben gesehen, hat man dann vier ungleichwertige Reihen. Bei den sechszeiligen dagegen ist das Spindelglied so kurz, daß dazu kein Platz ist, die Blüten und Körner müssen sich, so gut es geht, in den Platz nebeneinander teilen: von oben gesehen erhalten wir das Bild eines sechsstrahligen Sternes. Die weitere Folge des kurzen Spindelgliedes ist die, daß der Platz nach oben so beschränkt ist, daß 1) Zusatz bei der Korrektur. Trotzdem haben wir es nicht nur mit einem Faktorenpaar zu tun, sondern müssen noch zwei Paare einführen, um allen Tatsachen gerecht zu werden. Diese beiden Paare sind im allgemeinen nicht in der Lage, einen Übergang von locker zu gestaucht oder umgekehrt zu bewirken, sie variieren die Spindel- gliedlänge nur innerhalb der Kategorien. Daher bleiben auch obige Zahlenverhältnisse davon unberührt und erst umfangreiche Kulturen dieses Jahres (1916) überzeugten mich von ihrer Existenz. Ich komme darauf an anderem Orte zurück. 2) Atterberg. Journ. f. Landw. Bd. 47, p. 1—44, 1899. Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 125 die Körner sich möglichst wagrecht stellen müssen, während die vier- zeiligen sich mehr an die Spindel anlegen können. (Bei den zweizeiligen Gersten entstehen durch kurze Spindelglieder die zeoerithum-Formen.) Die Textfigur 1 soll das Gesagte illustrieren und ist wohl ohne weiteres verständlich. Den Unterschied von „vier-“ und sechszeilig sieht man gut auf Textfigur 4 und 7, H20 und H34. Atterberg teilt in seinem System die Gersten nach der Dichte folgendermaßen ein: H. hexastichum, Spiedelgliedlänge 1,7—2,1 mm | H. parallelum, 2 2,1— 2,3 mm | sechszeilige Gersten, H. vulgare > 27—4 mm A. zeocrithum, > 1,7—2.1 mm H. erectum, 2 2.1—2,8 mm | zweizeilige Gersten. HA. nutans, = 37— mm Er sieht also auch ganz von vierzeiligen Gersten ab. DS Bs zweizeilig vierzeilig sechszeilig vierzeilig sechszeilig Fig. 1. Da in Europa die dichten sechszeiligen Gersten im Aussterben be- griffen sind, ist die Sache praktisch nicht von allzugroßer Bedeutung, wissenschaftlich hat die Unklarheit in diesem Punkte manchen Irrtum hervorgerufen. So gibt Tschermak (S. 120 !®) pag. 306 an, daß gestaucht über locker dominiere, pag. 303, daß Vierzeiligkeit über Sechszeiligkeit! Die komplizierte Annahme, die er pag. 309 machen muß, um zu erklären, daß aus Kreuzungen zwei- und vierzeiliger Gersten sechszeilige als „Nova“ entstehen, oder daß aus zwei- und sechszeiligen manchmal vier- zeilige hervorgehen, manchmal nicht, werden nach obigen Ausführungen unnötig. Sehen wir uns einmal die Beispiele an, die er loc. cit. gibt und berechnen wir sie mit Annahme eines Faktorenpaares L resp. 1 für locker resp. gestaucht und Z resp. z zweizeilig resp. sechszeilig. Locker und zweizeilig dominiere vollständig. 1. Zweizeilige zeocrithum X vierzeilige lange Form : ZZI X zzLL gibt in F» 2z:,4z2*:6z = 12:3:1; die sechszeiligen Nova sind von der Form zzll und betragen 1 auf 16. 126 v. Ubisch. 2. Zweizeilige zeocrithum X sechszeilige Form : ZZIL X zzll; es treten keine „vierzeiligen“ auf, da der Faktor L bei keinem der Eltern vertreten. 3. Sechszeilige Form X zweizeilige lockere Form : zzll X ZZLL; dasselbe Resultat wie 1, da die Gene in den Elterpflanzen nur anders kombiniert sind. 4. Zweizeilige lockere Form X vierzeilige lockere Form : ZZLL X zzLL gibt keine sechszeiligen „Nova“, da der Faktor | nicht vorhanden. Dal, \- H4 H4 Xx 37 1 2 3 4 5 F, B y 1 ri , - aReihe® H34 H13X23 1 aa 4 5 F, Fig. 2. II. Zwei- und Sechszeiligkeit. Die Zeiligkeit soll jetzt einer näheren Untersuchung unterzogen werden. Im ersten Abschnitt hatten wir mit nur einem Faktorenpaar für zwei- rezp. mehrzeilig gerechnet, der Einfachheit halber und weil es nichts an den Tatsachen, die dort behandelt wurden, ändert. Es ist aber leicht zu zeigen, daß wir es mit mehreren zu tun haben. Kreuzen wir eine der gewöhnlichen zweizeiligen Gersten, etwa die Chevalliergerste H4 oder 6 mit einer sechszeiligen Form, so erhalten Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 127 wir folgende Ausbildung der vorderen Blütenspelze des sterilen Seiten- blütchens: Fig. 2, Reihe 1. Von Typ 3 an hat das Seitenbliitchen ge- legentlich ein Korn, ebenso Fı; Typ 5 ist oft fast ganz fertil, unter- scheidet sich nur durch kürzere Granne von einer sechszeiligen Form. Ebenso liegt die Sache bei Kreuzung mit einer Kapuzengerste: Reihe 2. Die F,-Generation ist meist zweizeilig, hat aber gelegentlich ein Korn; die Blütenspelze kann als kleine Kapuze ausgebildet sein, oder als zugespitzte gerade Form; in Fs treten alle möglichen Uber- gänge zu Granne oder Kapuze auf; auch hier kann die Blüte von Typ 2 an fertil sein. Aus dieser großen Mannigfaltigkeit, die noch um ein Vielfaches vermehrt werden könnte, geht schon hervor, daß wir es mit mehr als einem Faktorenpaar zu tun haben, wenn auch angenommen werden muß, daß die Ernährung und andere äußere Bedingungen einen großen Ein- fluß ausüben, so z. B. auf die gelegentliche Fertilität von Fı. Es hat sich als zweckmäßig zur Analyse herausgestellt, alle Typen, die gelegentlich fertil sind, als zwei- bis sechszeilig zu bezeichnen. Die zwei- und zwei- bis sechszeiligen Pflanzen stehen zu den rein sechs- zeiligen immer im Verhältnis 3:1. Um trotz dieses monohybriden Spaltungsverhältnisses mit zwei Faktoren rechnen zu können, machen wir folgende Annahme: Z bezeichne den Faktor für Zweizeiligkeit an sich, eine zz-Pflanze kann nie zweizeilig sein. Dazu kommt ein Ver- stärkungsfaktor W, der nur in Gegenwart von Z in Wirksamkeit tritt. Die sechszeiligen zzWW-, zzWw-, zzww-Formen sind nicht zu unter- scheiden. Mangel an W bewirkt für die zweizeiligen Formen ein Über- gehen in den zwei- bis sechszeiligen Zustand. Wir erhalten demnach folgende Verteilung in Fo: ZZWW sterile Blütenspelze rund bis spitzlich, 2-zeilig | | 2ZıWW „ : paar een : j’söl, 2ZZWw iy ‘i spitz, 2- bis 2—6-zeilig | ZZww _ = spitz verlängert, 2- bis 2—6-zeilig o| 4 ZZWw meist 2—6-zeilig | 7 le 2 Zzww r x e J zzWW | | | 2 zzWw 6-zeilig Aes ZZWW | | | Es ist manchmal recht schwer zu entscheiden, zu welcher Kategorie eine Pflanze zu rechnen ist. Es hat sich als praktisch erwiesen, bei 128 v. Ubisch. Tabelle Cnr 7 Veen ac | | | | Exp. Spaltun Jahr-| Gene- Aussehen der | An- | ans! 2 Nummer Bi | | Kapuze Granne | gang ration Elternpflanze | zahl | S | | | 2:2—6:6 2:2—6:6 06 1x29) | F, | 1914 Qz Kap. spitz | 153 | 42:46:27 | 1:25:12 | | | 0122 F, | 1915 22 Kap. spitzlich | 62 | 62:0:0 | 0123 5 1915 | 6z Kap. 79 | 020 358) |= 2072081 0124 » | 1915 | 2z Kap. kleine Kap. | 185 | 13:43:16 ees 0325.3) 0125 51915 2z Kap. spitz 122 | 66:24:0 8:24:0 0126 lane | 1915 | 2—6z Gr. spitz 25 | 6:19:0 0127 » | 1915 | 2—6z Gr. kurze Gr. | 116 | 0:83:33 9128 „.1e1915 | 2z Kap. rund Gl |) ale OO 0129 | , | 1915] 2-62 Gr. spitz | 66 | | 0:66:0 0130 Is 1019152) 2z Gr. spitz | 18 | 0:18:0 0131 11915 2—6z Gr. spitz | 85 | 0:85:0 0132 E15 6z Gr. | 94 0: 0:94 0133 eee (LOD, | 6z Gr. | 104 | -702708:104 — oo ] | 0117 (34x27) | F, | 1915 | 2z Kap. kleine Kap. 167 48:52:23 | 9:21:14 0115 (13x23) | F, | 1915 | 2z Kap. kleine Kap. | 477 | 104: 165: 96 | 21: 642.27 0116 (13 x 6) F, | 1915 | | 2z Gr. spitz 390 | 143: 145 : 102 | 07 (37 x6) | F, | 1914 22 Gr. spitz 225 | | 88:90:47 07 (0114) LOLS 2z Gr. spitz | 184 | 71:69:44 | | 0134 F, | 1915 2z Gr. rund | 74 | 74:0:0 0135 5 1915 2z Gr. rund 76 76:0:0 0136 5 1915 | 2—6z Gr. kurze Gr. 99 | 41:36:22 0137 ose {he 2—6z Gr. spitz 96 ee) 0139 eas 1915 | 6z Gr. | 141 | | 0:0:141 | | | 08 (7x4) | F, | 1914 22 Gr. spitz | 77 | | 24: 34:19 08 ons) | „ | 1915 22 Gr. spitz 1509| 187: 188: 134 0140 jars | 1915 | 2z Gr. spitzlich | 73 | 73:2.0.30 0141 Al 2z Gr. spitz 92 69: 0 :238 0142 5 1915 2—6z Gr. spitz 95 | 28:42:25 0143 A 1915 | 2—6z Gr. kurze Gr. | 96 31:39:26 0144 » | 1915 6z Gr. 98 0: 0:98 0145 | se Mas 6z Gr. | 93 | 0: 0:98 Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 129 Il. ad ie ; IX SE Dr Kap. + Granne Theoretische Spaltung | Spaltungs- Förmel 2:2—6:6 2:2—6:6 formel ESO LGB) 43 + 5,62: 71,8 +6,17 :38,2 + 4,86 18:30:16 KkZzWw n:0:0 KKZZWW 08:5105:7798 © | 0: 0:n KkzzW W * 16:48:21 | 23,9 + 4,14: 39,8 +4,6 :21,2 +3,99 18:30:16 KkZzWw 78:48 a d. :45,6 + 5,36 10: 6:0 KkZZWw 6,26 : 18,74 + 2,16 1:3 :0 kkZZW w | 87:29 +4,66 Orze 1 kkZzww n:0:0 | KKZZWW 0:n:0 | kkZZww 07:0 kkZZww | Orem ="0 kkZZww 0:0:n kkzzW W * | 0:0:n kkzzW W * 57:73:37 | 47 + 5,8: 78,3 + 6,45: 41,7 + 5,6 | 18:30:16 | KkZzWw | | | 126 : 229: 123 | 134 + 9,81: 224 + 10,9: 119 + 9,45 | 18:30:16 KkZzWw 146 + 9,66: 146 + 9,66: 98 + 8,56 Gries: kkZzWw 84,4 +7,25: 84,4 + 7,25: 56,2 + 6,49 6: 6:4 kkZzWw 69 + 6,56: 69 +6,56: 46 + 5,87 enGisnGae4 kkZzWw n: 0:0 kkZZWw MeO kkZZW W 37,1 + 4,81: 37,1 + 4,81: 24,8 + 4,3 6: 6:4 kkZzWw | 24 +4,24: 48 + 49: 24 +4,24 1.29%: kkZzww | 0:0:n | kkzzWW* | | | 289+ 4,25 : 28,9 + 4,25 : 19,2 + 3,79 6:6:4 | kkZzWw | 190,9 + 10,95: 190.9 + 10,95: 127,2 + 9,75 6:6:4 kkZzWw | n:0:0 kkZZww | 69 e 0 > 23 +4,15 3::0:1 kkZzWW | 85,6+4,71:35,6+4,71:23,8 +4,22 6:6:4 kkZzWw | 36 +4,74: 36 +4,74: 24 +4,24 62624 kkZzWw | 0:0:n | kkzzWW* | | 0:0:n | kkzzW W * Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 9 130 v. Ubisch. Kreuzungen von Grannen mit Kapuzen, die Grenze von zwei- und zwei- bis sechszeilig zwischen spitzlich und spitz zu ziehen, also mit Verhält- niszahlen 3: 9:4 zu rechnen; die Kapuzen derselben Kreuzungen dagegen sind leichter zwischen spitz und spitz verlängert zu trennen (Verhält- nis 5:7:4). Bei Kreuzungen zwei- und sechszeiliger Grannen schließ- lich sind die spitz verlängerten noch zu den zweizeiligen zu rechnen (Verhältnis 6:6:4). Selbstverständlich ändert diese verschiedene Grup- pierung nichts an den Tatsachen, erleichtert nur eine Übersicht. Die Resultate sind in der vorhergehenden Tabelle II gegeben. Zu Rubrik IV ist zu bemerken, daß die erste Angabe z.B. zweizeilige Kapuze sich auf das Aussehen der ganzen Elternpflanze bezieht, während die zweite Angabe z. B. spitz die sterile oder fertile Blütenspelze des Seitenbliitchens charakterisiert. Was die Spaltungsformeln in X und daraus IX anbetrifft, so bedarf vielleicht die Spaltung 18:30:16 und 10:6:0 einer Erklärung. Wie oben erwähnt rechnet man die Kapuzen am besten nach den Verhältniszahlen 5:7:4, die Grannen aus derselben Kreuzung nach 3:9:4. Da nun Kapuze : Granne im Verhältnis 3:1 spaltet, erhält man beide zusammen nach der Formel (6: 7.4)23- 1b). 2119 3:9:4 = 32 O38 4 18:30:16. Wie ebenfalls erwähnt, rechnet man für Kapuze ZZWW und ZZWw zu zweizeilig, ZZww zu zwei- bis sechszeilig, für Grannen ZZWW zu zweizeilig, ZZWw und ZZww zu zwei- bis sechszeilig. Danach ergibt sich für die Formel ZZWw folgende Spaltung zweizeilig : zwei- bis sechszeilig 3 Kapuzen 3(3:1) 1 Granne 1:3 10:6 In XI ist die wahrscheinliche Genenformel verzeichnet, wobei K den Faktor für Kapuze (kk = Granne) bedeutet. Siehe Abschnitt V. Wie man aus IX sieht, stimmen die Ergebnisse recht gut mit der gemachten Annahme überein, wenn man die große Schwierigkeit der Trennung der Typen berücksichtigt. Die sieben verschiedenen Kombi- nationen, die auftreten können, und die teilweise nur aus den Spaltungs- zahlen, nicht aus dem Aussehen der Elternpflanzen erkannt werden Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 131 können, sind alle vertreten. Die drei sechszeiligen Kombinationen sind nicht möglich zu trennen und daher in Rubrik XI mit zzWW * bezeichnet. Mit der Form der Blütenspelze des Seitenblütchens deckt sich ihre geschlechtliche Ausbildung, so sind die ganz schmalen decipiens-Formen völlig steril, die meisten runden und spitzlichen Formen /. In den Kreuzungen treten nun g auf, die dann zwei- bis sechszeilig wirken. Eine Analyse in dieser Richtung wurde nicht unternommen. Diesbeziig- liche Angaben finden wir aber bei Biffen ?*). Für Kreuzungen von & mit hermaphroditischen (also sechszeiligen) findet er das Verhiltnis 2:2—6:6 = 1:2:1, was unserem Verhältnis 18:30:16 am nächsten entspricht. Für Fı wird öfters Pleiotypie (z. B. O. Pitsch, Deutsche landw. Presse 1899) angegeben, dies dürfte auf die Variationsbreite zu schieben sein. Die Angabe, daß die zwei- bis sechszeiligen Formen nicht kon- stant zu bekommen seien, dürfte durch obige Analyse auch widerlegt sein, denn die ZZww-Formen müssen konstant sein. Beispiele dafür sind 0129, 0130, 0131. Allerdings bilden bei ungünstigen Bedingungen die Pflanzen oft keine Körner in den Seitenblüten aus. Das gelegent- liche Fehlschlagen der Befruchtung ist aber weniger maßgebend für den Typ als die spitze breite Form der Blütenspelze. III. Grannenlänge. Die Länge der Grannen ist bei den verschiedenen Gersten sehr verschieden, sie variiert zwischen 2 und 20 cm. (Als Grannenlänge ist hier die Differenz Ähre mit Granne — Spindellänge bezeichnet.) Die Variationsbreite für die einzelne Sorte beträgt mehrere Zentimeter und ist von den Außenbedingungen abhängig. Eine Granne unter 6 em ist dem Augenschein nach kurz; auch aus den Kreuzungsversuchen geht hervor, daß hier die Grenze zu ziehen. Die Versuchsergebnisse dreier Kreuzungen sind in Tabelle III zu- sammengestellt und für die Kreuzung 08 in Kurven wiedergegeben. Aus der Tabelle geht hervor, daß lang dominiert, und daß sich lang : kurz in F; wie 3:1 verhält. Daß wir es trotzdem nicht mit einem einzigen Faktorenpaar zu tun haben, geht aus den Mittelwerten hervor. Noch deutlicher zeigen es die Kurven. Wir erhalten in F2 zwei Kurven nebeneinander, von denen die für längere Grannen den dreifachen Inhalt von der für kürzere Grannen hat, aber die Gipfelpunkte in Fs sind nicht die gleichen. Ganz besonders tritt das im rezessiven Gebiet hervor. Sehr instruktiv ist die zweigipfelige Kurve 0144 aus F3. Hätten wir g* 132 v. Ubisch. es mit einer einfachen monohybriden Spaltung zu tun, so miiBte sie die- selben Gipfelpunkte wie F2 1915 zeigen, ja überhaupt dieselbe Kurve, da Grannenlänge = f (Häufigkeit). Anzahl 220 = ae aa CBE ae BN Seas | Pe | ike | my Sea EEE NEN ERENSEEEEEE 1 Sa ASZereneeae eye ER ea EU HE EEE j % | 16 | Yo Geo hy “Ye Gem Grannen- pr Sou d länge aie eee F, 1915 d+++++++/3 0147 Denen F, 1914 Or. GOSS 0. O40 ER BERRUE NER Fy 0144 die Pflanzenzahl aller Kurven auf diese umgerechnet ist. Auch die Kurve 0142 ist über das Maß der Beobachtungsfehler nach der Seite der kurzen Grannen verschoben. Siehe Mittelwerte auf Tabelle II. 3 3 1 Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. T:€ | wo 0r'o F GL'01 + wo 86°0 F TT'C | 600 # | &0°0 F Z0'L:86'% = GIT :9FE ‘L | FI6t | ITX 25 | 145,2 + 7,03: 19,8: 19,8 + 4,24: 35,2 + 5,43 | 148 +6,95: 16,8: 16,8 + 3,93: 38,2 + 5,62 119,5 + 6,35: 16,3: 16,3 + 3,84: 28,9 + 4,92 | 121,8 + 5,86 :13,82: 13,82 + 3,63 : 31,4 + 5,09 93,1 + 5,61: 12,7: 12,74 $39: 22,55 +4,34 94,9 + 5,56 :10,75: 10,75 + 3,18 : 24,42 + 4,5 50,1+4,12:6,84: 6,844 2,49: 12,144 3,19) 51,1+4,08: 58 : 5,8 +2,31:13,18+ 3,3 83,4 + 10,16: 45,5: 45,5 + 6,74: 81 +8,24| 334 + 10,96 :38,73: 38,78 + 5,97: 8,81 + 8,5 64+ 4,66 :8,74:8,74 + 2,82: 15,5 +3,36 | 65,44 4,61: 7,41: 7,41 + 2,67: 16,9 + 3,74 29,7+ 3,18 :4,04:4,04 + 1,92: 7,2 +2,46 | 30,3 + 3,14: 3,44 : 3,44 + 1,78: 7,81 + 2,54 für eine Grannenlänge von 14,3 cm die Dichte 38 an, für eine Grannen- lange von 15,9 cm die Dichte 21 an. Letztere Angabe bezieht sich auf Hord. spontaneum. (Die Dichte ist hier nach Neergaard!) als Anzah Ährehen auf 10 cm angegeben. 38 entspricht etwa einer Spindelglied-1 länge von 2,6 mm, 21 = 4,8 mm.) Da wohl alle unsere lockeren Gersten lange Grannen haben, lag eine solche Beobachtung auch nahe. Bei den Kreuzungen langgranniger lockerer Formen mit kurz- grannigen dichten treten nun auch die beiden Kombinationen langgrannig gestaucht und kurzgrannig locker auf, wenn auch in einer viel kleineren Zahl als beim unabhängigen Mendeln zweier Merkmalspaare auftreten müßte. (Den zweiten Faktor für lange Grannen können wir hier füg- lich fortlassen, da er, wie oben gezeigt, die Grannenlänge nur inner- halb der Kategorien „lang“ resp. „kurz“ beeinflußt, nicht einen Über- tritt aus der einen in die andere bewirken kann.) Die Sache wurde daher näher untersucht. Tabelle IV. Wie aus dem Korrelationskoeffizienten (siehe Johannsen?), Ele- mente pag. 573) ist die kleinste mögliche Koppelung 4:1:1:4, die größte 7:1:1:7; nach den theoretischen Spaltungszahlen (siehe auch die übersichtliche Tabelle bei Baur°), Einführung pag. 157) hat wohl das Verhältnis 5:1:1:5 die größte Wahrscheinlichkeit. In der Tabelle ist das theoretische Spaltungsverhältnis für 4:1:1:4 und 5:1:1:5 *) Bruunv.Neergaard. Jahrb.d.d. Landw. Gesellsch. Bd. 12, p. 157—163, 1897. 2) W. Johannsen. Elemente der exakten Erblichkeitslehre 1913. 5) E. Baur. Einführung in die exp. Vererbungslehre 1914. 136 v. Ubisch. berechnet und das jeweils besser passende Verhältnis im Druck hervor- gehoben. Eine genaue Entscheidung wäre durch Rückkreuzung von Fı mit dem zweifachrezessiven Elter möglich. Die F3-Beete spalten ent- weder wie Fs (siehe Tabelle 0139 und 0144) oder lang locker : lang ge- staucht resp. kurz locker: kurz gestaucht = 3:1, oder sind konstant. Ein Beet zeigte die nach obigem unverständliche Spaltung lang locker : lang gestaucht : kurz locker : kurz gestaucht = 46:23 : 27:0, verhielt sich also so, als ob das Koppelungsverhältnis nicht 5:1:1:5, sondern etwa 1:5:5:1 gewesen wäre. Die Vererbung dieses Beetes wird weiter verfolgt werden. Fig. 3. F, Ahre aus der Kreuzung H13 X 23. ®/, der natürlichen Größe. V. Kapuze : Granne. Kreuzt man Kapuzen- und Grannengersten, so erhält man in manchen Kombinationen in Fı Pflanzen, bei denen die Kapuze auf einer kleinen Granne wie auf einem Stiele aufsitzt. Textfigur 3. Die Länge der „Stiele“ ist verschieden groß und es sind wohl Fälle denkbar, wo der Stiel die Kapuze so überwiegt, daß man von einem Dominieren der Granne reden kann, wie es gelegentlich geschehen ist. Bei meinen Kreuzungen langer Grannen und Kapuzen dominierte letztere immer deutlich. In F2 war das Verhältnis Kapuze : Granne stets 3:1, die Kapuzen waren aber sehr verschieden lang, das Verhältnis kurze : lange Kapuze war 1:3. Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 137 Ferner traten bei Kreuzung einer kurzgrannigen Granne mit einer Kapuze als „Novum“ lange Grannen auf im Verhältnis (kz:le) Kap. :(ig:kz) Gr. = 6:6:3:1. Diese Kreuzung gab den Schlüssel zum Verständnis der Faktoren für Kapuze und Granne. Nehmen wir an, Kapuze sei durch einen Faktor K bedingt, dessen Fehlen (kk) Grannen hervorruft. K dominiert. Der Faktor für lange Grannen an sich, A, den wir im Abschnitt III hatten annehmen müssen, tritt nun nur in Wirksamkeit in Gegenwart von k, des Faktors für Grannen. Das scheint selbstverständlich zu sein, bewirkt aber, daß die Kapuzengersten den Faktor A latent haben können. Im Falle nun des Heterozygotismus, also in Fı und einem Teil von Fs, tritt A in Wirk- samkeit und bewirkt „gestielte“ Kapuzen. Der Verkürzungsfaktor V resp. v verkürzt resp. verlängert Kapuze wie Granne. Mit dieser ein- fachen Annahme sind alle Resultate zu erklären. Wir können drei Fälle unterscheiden: I. Lange X kurze Grannen kkAAvy X kkaaVV. Die Spaltung ist schon in Abschnitt III auseinandergesetzt. II. Lange Granne X Kapuze kkAAvv X KKAAVV 3 eld kurze Kapuze » vv lange Kapuze 2 KKAAVY | 2 kurze Kapuze : lange Kapuze : lange Granne 4 , Vvlange Kapuze Stets er ww | SER kkAAVV | 2 , Vv | lange Granne aA | III. Kurze Granne X Kapuze kkaaVV X KKAAVV KKAAVV 2 Aa. „ (pes Kapuze ” aa ” EM 4 | lange Kapuze | kurze Kapuze : lange Kapuze : lange Granne Bg d..n £ :kurze Granne = 6:6:3:1. 2, aa „ kurze Kapuze kkAA , | lange Grannen 2 ” Aa ” | „aa „ kurze Grannen Wir wollen jetzt Fall II an Hand der Versuche prüfen. 138 v. Ubisch. Die Spaltungsverhältnisse der einzelnen Kombinationen von II sind folgende: | Formel - der Eltern- | Aussehen der Elternzahl | ge Typ | kurze Kap: lange Kap: lange Gr pflanze | KKAAVV | kurze Kapuze n 0 0 Ti KKAAVv | = n 3 1 0 1I KKAAvv | etwas verlängerte Kapuze 0 n 0 III KkAAVV lange Kapuze 1 2 1 NY KkAAVv fs 3 9 4 NV: KkAAvy mA 3 0 3 1 VI kkAAVV | lange Granne 0 0 n VII kkAAVv ne 3 0 0 n VIII kkA Avy " en 0 0 n IX AR | \ \ | NT I Fig. 4. H 20. Fig.5. Typ aus F, von H9 x 20. Fig. 6. H 27. Verkleinerung 7/,. ee ee ee Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 139 Zur Illustration des Gesagten mögen Tabelle VII und die Textfiguren 4 bis 13 dienen. Fig. 4 ist ein Spindelglied der einen Elternpflanze der Kreuzung 01 H (9 X 20) nämlich H 20. Fig. 5 eine Pflanze aus dem Fs- Beet 0151, das nur noch in lange Kapuzen und Grannen spaltete. Fig. 11 gibt die Eltern und Fı, Fig. 12 und 13 geben 12 Typen aus F» der Kreuzung 34 X 27 wieder. Wir sehen da die extrem langen Grannen in 7 und 10, die extrem kurzen Kapuzen 2 und 5. Fig. 13 Pflanze 12 gibt sehr deutlich eine zwei- bis sechszeilige Form wieder. In Textfigur 6—10 sind dann ein- zelne Spindelglieder vergrößert gezeichnet. Fig. 6 und 7 sind die Eltern- i nn 9 Fig. 8. Fig.9. Typaus Fıg. 10. Typ aus F, H 34x27. F,vonH34 x 27. von H 34 x 27. pflanzen der Kreuzung, Fig. 8 gibt F,; wieder und Fig. 9 und 10 zwei Typen aus Fe. Die auf Fig. 10 wiedergegebene Umgestaltung der linealen Hüllspelzen in kleine Kapuzen kommt in mehr oder minder starkem Maße in dieser Kreuzung fast durchgängig vor, auch in Fı ist sie andeutungsweise vorhanden. Noch eine andere Anomalie in Fı sei erwähnt, nämlich das Auftreten von zwei gut ausgebildeten Körnern oben in der Kapuze (rudimentärer Fruchtknoten und Staubfäden finden sich ja in fast jeder normalen Kapuze)!). Diese Körner wurden ausgesät, aus dem einen ging eine zwei- bis sechszeilige gestauchte kurze Grannen- 1) L. Wittmack. Über eine neue Gerstenvarietät. Ber. d. deutsch. bot. Ges. II, pag. LVI, 1884. 140 v. Ubisch. gerste hervor, aus dem anderen eine ganz kurze Kapuze; sie unter- schieden sich in nichts von den normalen Fs-Pflanzen, wie ja auch nicht anders zu erwarten war. So lang gestielte Kapuzen wie in Kreuzung Fig. 11. Kreuzung H 34 X 27. Eitern und F.. Fig. 12. Kreuzung H34 X 27. F,-Typen (vergl. Fig. 13). jeitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 141 H9 & 20 Fig. 5 kommen in dieser Kreuzung nicht vor infolge des Ver- kürzungsfaktors VV, den beide Eltern enthalten. Die ganz kurzen Kapuzen dagegen, die hier auftreten (Fig. 9), enthalten auch den Faktor A nicht, müssen also kürzer als die Elternkapuze H 27 sein. 142 v. Ubisch. Tabelle Jahr- | Gene-| Aussehen der Exp. Spaltun Nummer gang [ration | Elternpflanze zur kz Kap 8 ie Kap: Gr Kreuzung 06 (11x 29) 1914 | F, lange Kapuze | 144 Piha TE 37 0122 1915 | EB, kurze Kapuze 62 47: 15 0123 1915 5 lange Kapuze 78 alae ope 2) SMa 0124 1915| „ % = 85 12 : 60: 18 0125 1915 | „ ii S 122 30 : 60 : 32 0126 1915 ay Granne 25 25 9127 19150 © - 115 115 0128 1915 a kurze Kapuze 61 47 14 0129 1915 Granne 66 66 0130 1915 1%; .e 18 18 0131 1915 | „ E 85 85 0132 1915] „ N 94 94 0133 195 | „ > 103 103 Kreuzung 01+ 02 9x20) | 1914 | F, lange Kapuze | 788 143 : 432 : 213 0148 1915 | F, Granne 89 89 0149 1915| „ s 91 91 0150 1915 > kurze Kapuze | 117 93 : 24 0151 1915 5 lange Kapuze 95 Ting 5 D1: 0162—0165 1915 |) © R is 81 61 : 20 0066—0169 191531, ® = 75 60:15 Kreuzung 05 (3 x 15) 1914 | F, lange Kapuze | 153 82 : 86 : 35 0152 1915 F, Granne 77 77 0153 1915| ,, & 91 91 0154 1915 5 lange Kapuze 95 75 : 20 0155 1915 “5 kurze Kapuze 96 96 3 Kreuzung 0115 (13x28) | 1915 | F, | lange Kapuze | 475 | 85 :277 : 113 Für Fall II kurze Granne X Kapuze habe ich bisher nur die Exp. Spaltung Nummer Jahrgang Zahl kz Kap: lg Kap: lg Gr: kz Gr 0117 (4x 27) | 1914 | 167 | DET Hote BAT Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 143 NAT: Theoretische Spaltung Spaltungsverhalten Mutmaßlicher kz Kap: lg Kap: Gr kz Kap: lg Kap: Gr Typ 11 x 29 274+4,68: 81 + 5,95: 36 + 5,2 3 9 A. Vv 46,5 :15,5 + 3,4 3 1 II 14,6 + 3,44: 43,9 + 4,38: 19,5 + 3,82 3 9 4 Vv 15,9 + 3,59: 47,9 + 4,56: 21,2 + 3,98 3 9 4 v 30,5 +4,66: 61 + 5,5 : 30,5 + 4,66 1 2 1 IV n VO—IX n VII—-IX 45,8 :15,2+ 3,38 3 1 II n VO—IX n VII—Ix n VII—IX n VII—IxX n VOI—IX 9x 20 147 + 10,91: 443 + 13,9: 197 + 12,1 3 9 4 Vv n VII—Ix n VII—IX 87,8 : 29,2 + 4,6 3 1 II 71,2 : 23,8 + 4,26 3 1 VI 60,8 : 20,2 + 3,89 3 1 vI 56,3 :18,7 + 3,24 3 1 VI 3x1 28,7 +4,78: 86 + 6,1: 38,3 + 5,35 3 9 4 Vi n VIOI—IX n VII—IX 71,3 :28,7 +4,62 3 1 VI n I 13 x 23 89 + 8,5: 267 + 10,8:119 + 9,44 | Ber | V zweite Generation gezogen, die Zahlen sind folgende: Theoretische Spaltung Spaltungsverhältnis kz Kap: lg Kap : Ig Gr : kz Gr kz Kap: lg Kap: lg Gr: kz Gr 62,7 : 62,7 + 6,26: 31,3 + 5,04: 10,3 + 3,11 | REN EB 10 Den! 144 v. Ubisch. Tschermak (S. 120 1») behandelt die Faktoren für Kapuze und Granne im Zusammenhang mit Grannenlosigkeit. Er nimmt einen Faktor für Kapuze B, einen Faktor für Granne C und einen Hemmungsfaktor A an, der das Auftreten der Grannen durch seine Gegenwart hindert und dadurch Grannenlosigkeit hervorruft. Danach haben Kapuzen die Formel aBC, Grannen abC, Grannenlos AbC. Folgenden Kreuzungsergebnissen Tschermaks müssen wir mit diesen Faktoren gerecht werden können: 1. Granne X Kapuze gibtin F> Granne, Kapuze, Grannenlos (manchmal) 2. Granne X Grannenlos „ „ „ 3. Kapuze X a len = 3 1, Ich sehe nicht recht ein, wie das mit Tschermaks Faktoren möglich sein soll. Zum mindesten müssen wir annehmen, daß die Ka- puze in der doppelten Form aBC und ABC und das A nur in Gegen- wart von mindestens einmal b in Wirksamkeit tritt. Mit unseren Faktoren läge die Sache dann etwa folgendermaßen: S sei der Faktor für Grannenlosigkeit, der das Auftreten von Grannen und Kapuzen hindert, er tritt nur in Wirksamkeit in Gegen- wart von mindestens einem k, also nur bei heterozygotischen Kapuzen oder Grannen. Die Kapuzen haben die beiden Formeln SSKK und ssKK und die Grannen sskk. Grannenlos sind die Formen SSkk. Grannen- losigkeit dominiert. SsKk ist also grannenlos. Die beiden Formen für Kapuze erklären es, daß nur ganz selten aus den Kreuzungen von Kapuze X Granne Grannenlosigkeit hervorgeht, ich habe sie z. B. in all meinen Kreuzungen nie erhalten, also immer ssKK Kapuzen gehabt. Unerklärt bleibt die Angabe Rimpaus!), daß bei Kreuzung von zwei- zeiliger Zeocrithumgerste X zweizeilig grannenloser Gerste Kapuzen auf- traten, allerdings im Verhältnis Grannenlos : Granne : Kapuze = 61:23:2, was sehr nach einem Versuchsfehler aussieht. ” ” ” VI. Korrelation zwischen Zeiligkeit und Zähnung. Im vorigen Jahre habe ich kurz iiber eine Faktorenkoppelung zwischen zweizeilig ungezihnt und sechszeilig gezihnt berichtet, die derart war, daß die Kombination sechszeilig ungezähnt nicht gebildet werden konnte (S. 121 !, siehe daselbst auch die Literatur). Nach meiner diesjährigen Untersuchung von F2 und F3 liegt die Sache nun bedeutend komplizierter, als ich nach Analyse von nur F2 damals annahm. Was unter *) Rimpau. Kreuzungsprodukte der landw. Kulturpfl. 1891. Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 145 Zähnung verstanden wird, habe ich an genannter Stelle schon aus- einandergesetzt. Sehr gute Abbildungen finden sich in Broili'): Das Gerstenkorn im Bild. Daselbst findet sich auch eine Diskussion über den Wert der Zähnung als Sortenmerkmal. Der Verfasser findet, daß das Merkmal sehr variabel ist, daß oft auf einer Spelze mehrere, auf der anderen gar keine Zähne sind, und daß es wenig Sorten gibt, die absolut keine Zähne aufweisen. Ich habe nun feststellen können, daß es mindestens drei Sorten von Zähnen gibt, die man grob folgendermaßen unterscheiden kann: die H 34 Hıl H 29 H4 H 13 Fig. 14. Zähnung der ersten Seitennerven der vorderen Blütenspelze. erste Sorte ist mit bloßem Auge sichtbar, die zweite mit Lupe, die dritte mit Mikroskop. Die zweite Sorte Zähne ist allerdings nicht kleiner als die erste, die Zähne stehen aber so vereinzelt, daß man sie nur bei sehr guter Beleuchtung findet. (Am besten hält man die Ähre gegen eine Lampe, aber so, daß der Hintergrund dunkel ist, dann heben sich die Kieselhaare durch ihre starke Lichtbrechung gut ab.) Manchmal be- findet sich auf einer ganzen Ähre nur ein Zahn und doch muß man ihn zählen, denn die ungezähnten Sorten haben nie einen einzigen. Die !) Broili. Das Gerstenkorn im Bild 1908. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 10 146 v. Ubisch. dritte Art der Zähnung soll uns hier weiter nicht beschäftigen, sie be- steht in ganz feinen dicht gestellten Zähnen von etwa 0,03 mm Länge. Ich habe sie bisher nur auf zwei orientalischen Sorten gefunden. Sie stören die Untersuchung der beiden anderen nicht, da sie deutlich von ihnen zu trennen sind. H 34 auf Fig. 14 zeigt Zähnung I und II, H11 Zähnung I, H 29 Zähnung II, H4 keine Zähnung, H 13 I und II. Die Figuren sind mit 30facher Vergrößerung gezeichnet und auf die Hälfte verkleinert. Der erstgenannte Faktor ist nun der, der mit Sechszeiligkeit ge- koppelt ist und von dem ich voriges Jahr berichtet habe. Es hat sich nun herausgestellt, daß die Koppelung nicht absolut ist, wie ich an- genommen hatte, sondern in einer größeren Anzahl treten vereinzelt sechszeilig ungezähnte auf und einzelne sechszeilig gezähnte spalten. Es kommt aber ein Umstand dazu, der die Analyse erschwert, nämlich der zweite Zähnungsfaktor, der in diesen Kreuzungen auch vorhanden ist: von je vier mit der ersten starken Zähnung ungezähnten Pflanzen sind drei mit der schwachen Zähnung gezähnt und nur der vierte ist absolut ungezähnt. Es ergeben sich folgende Verhältnisse, wenn wir zweizeilig wieder mit Z, gezähnt mit @ bezeichnen und zwar den ersten Zähnungsfaktor mit G, den zweiten mit G“. n bezeichnet den Koppelungsfaktor (siehe Baur S. 135 °, pag. 160). Tabelle VIII. Zwei- sr 2 N R zeilig Sechszeilig ‘Oia :Zg:2G: Z t 3 = 2G:2g:2G:zg Zweizeilig gezähn ae gezähnt 2 5 G gezähnt as hg ia, Bn FA 2n?-+-4n +3 n?-+2n n?-+ 2n 1 | nicht vorhanden 1:n:n: 1 | 4(2n?+4n+38)+3(n?-+ 2n) | n?-+ 2n }4(n?+2n)4+-3] 1 vorhanden Ener 11n?—+22n +3 n®+2n|4n°+8n+3| 1 n ee ge 73 35 35 1 | nicht vorhanden 3G) Bi) ga 397 35 143 1 vorhanden Wir können also jede F2-Spaltung doppelt auswerten, einmal grob ohne Berücksichtigung von G‘ und einmal fein mit Berücksichtigung von G’. Beide Zahlenverhältnisse müssen dieselbe Koppelung n ergeben. Die grobe Bestimmung wird im allgemeinen keine besonders guten Resultate geben, glücklicherweise sind wir aber doch imstande, nur mit dem einen Faktor zur Zähnung zu rechnen, da in zwei Kreuzungen Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 147 H13X23 und H13%6 der zweite Faktor G‘ beiden Eltern fehlt. Diese müssen in F3 rein das ursprüngliche Koppelungsverhiltnis geben. Auch die drei Kreuzungen des vorigen Jahres sind nicht gleich in der Verteilung der Faktoren bei den Elternpflanzen. Wie aus Fig. 14 hervorgeht, heißen diese foleendermafen: jatjlıl = PAG Gree H29 = ZZggG’G‘, le Bi == HACIETE ME H4 und 6 = ZZgge’g‘, für F; und Fa macht das natürlich keinen Unterschied. In Tabelle IX und X sind die Versuchsergebnisse F2 und F3 zu- sammengestellt. Aus den Zahlen geht mit großer Wahrscheinlichkeit hervor, daß wir es mit einem Koppelungsverhältnis von ungefähr 1:5:5:1 zu tun haben; einige Male paßte eine etwas stärkere, einige Male eine etwas geringere Koppelung etwas besser. Auf Wiedergabe des Korrelations- koeffizienten wurde verzichtet, denn bei der Koppelungsreihe 1:n:n:1 ändert er sich nur minimal bei Änderung von n um mehrere Einheiten. Bei den großen Fehlern, denen wir bei der Abgrenzung unserer Typen (Übergang von zwei bis sechs (also hier Zweizeiligkeit) zur Sechszeilig- keit, von kaum gezähnt zu nichtgezähnt) ausgesetzt sind, und den teil- weise recht geringen Zahlen, hätte er keinen Wert gehabt. Für die beiden Kreuzungen H13 X 23 und H13 X 6 sei er wiedergegeben, im ersten Falle betrug er — 0,294 + 0,042, im zweiten — 0,3 + 0,04. Das kommt dem theoretischen Korrelationskoeffizienten für 1:5:5:1 = — 0,297 am nächsten. Siehe Tabelle pag. 573 bei Johannsen S. 135°. Resultate. 1. Die Ährendichte wird durch ein (3) Faktorenpaar LI bedingt; locker dominiert und entspricht einer Spindelgliedlänge von > 3,5 mm. (Die lockeren sechszeiligen Formen werden meist vierzeilig genannt.) 2. Zwei- resp. Sechszeiligkeit beruht auf zwei Faktoren- paaren ZzWw, von denen Z homo- oder heterozygotisch vorhanden sein muß, damit eine Pflanze nicht sechszeilig ist. W bringt die Übergänge zur Sechszeiligkeit hervor, die zwei- bis sechszeiligen sogenannten inter- medium-, muticum- und rostratum-Formen. 3. Die Grannenlänge ist abhängig von zwei (3) Faktorenpaaren, dem Faktor für lange Grannen an sich A, der vorhanden sein muß, da- mit lange Grannen auftreten. Dazu kommt ein Verkürzungsfaktor V, 10* 148 v. Ubisch. Tabelle F, = Aussehen der Exp. Spalt Nummer Jahrgang | Generation ö Anzahl Din pe (2G) Elternpflanze 2z g:2z ung: 6z g¢:6z ung 06 (11 X 29) 1914 F. 2z Kapuze gezähnt 147 66: 3 38) 2724370520 07 (37 X 6) 1914 “5 2z Granne gezähnt 226 1258 (3) 194 eran 1915 = a ‘a & 184 86 : 42 : 42 : 0 08 (37 X 4) 1914 % a > + 76 40 : 14 : 22 : 0 1915 ” ” ” ” 500 0117 (34 X 27) 1915 = 2z Kapuze gezähnt 162 86 : 42 : 42 :0 0115 (13 x 23) 1915 2 m a ” 468 240° 2 111 EEE 0116 (13 x 6) 1915 = 2z Granne gezähnt 391 18951039 rer der in verkürzendem Sinne wirkt, dessen Wirkung aber bedeutend ge- ringer ist als A im entgegengesetzten Sinne. 4. Der Faktor A für Grannenlänge steht mit dem Faktor L für Ährendichte in dem Koppelungsverhältnis 5AL:1Al:1aL: 5al. 5. Kapuze resp. Granne wird durch ein Faktorenpaar Kk bedingt. Kapuze dominiert. Die untersuchten Kapuzen enthalten den Faktor für lange Grannen A latent, dieser kann sich aber nur in Gegenwart von k äußern. Im heterozygoten Zustand KkAA oder KkAa erhält man „ge- stielte“ Kapuzen. 6. Für Zähnung der ersten Seitennerven der vorderen Blütenspelze wurden drei Faktoren gefunden und zwei auf ihre Vererbung näher untersucht. Der erste Faktor G (resp. g), der starke Zähnung hervor- ruft, ist mit dem Faktor Z (resp. z) für Zweizeiligkeit derart gekoppelt, daß die Genenkombinationen im Verhältnis ZG:5Zg:5zG:zg gebildet werden. Der zweite Faktor G‘g‘ bewirkt vereinzelte Zähne und ver- erbt sich unabhängig von dem ersten nach dem einfachen Verhältnis kaum gezähnt: nicht gezähnt = 3:1. Der dritte Faktor bewirkt ganz feine Zähnung, die nur mikroskopisch sichtbar ist. Beschreibung der verwendeten Sorten. H 3 Mandschureigerste, sechszeilig, locker, lange Grannen, gezähnt kkLLAAzzGGg’g‘BBrr H 4 Chevalliergerste (Hofbräu), zweizeilig, locker, lange Grannen, ungezähnt kkLLAAvvZZW Weeg’o’bbRR a Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 149 F, Theoretische Spaltung 1:5:5:1 Exp. Spaltung ZGG‘ Theoretische Spaltung 1:5:5:1 2zg:2zung:62g:6zung;73:35:35:1 |2zg:2zung:6zg:6zung 2z g:2zung:6zg:6zung:397:35:143:1 74,5 + 6,06 : 35,8 3 35,8 + 5,79: 1,02 + 1,01 er ne oo sO 101,1 45,62 :8,92 + 2,9 :36,5 +5,25: 0,26 + 0,5 114,8 + 7,51:55 :55 +6,44:157 +1,85 | 166 : 13 : 47:0 155,7 + 6,95:13,7 4 2,29: 56 + 6,24:0,392 + 0,63 93,2 + 6,78: 44,7 : 44,7 + 4,92: 1,28 + 1,13 LAGS) LES aidan sn(0 126,9 + 6,27: 11,18 + 2,61: 45,7 4 6,49: 0,32 + 0,62 38,6 + 4,35: 18,5:18,5-4+3,74: 05 +0,71| 51: 3: 22: 0 | 544+ 2,88:4,61 + 2,08: 18,86 + 3,78: 0,132 + 0,36 351 : 20 :129 : 0 | 344+ 10,34: 30,35 + 5,34:124 + 9,66: 0,87 + 9,93 82 + 6,36:39,4:39,4+5,45:1,12 +1,06 | 114 : 14 : 34 : 0 111,7 +5,89: 9,84 + 3,04: 40,2 + 5,5 : 0,28 + 0.53 237 + 10,8:113,6:113,6 + 9,28: 3,25 + 1,8 198,2 + 9,86: 95:95 + 8,47: 2,72 + 1,64 H 6 Chevalliergerste, zweizeilig, locker, lange Grannen, un- gezähnt kkLLAAvvZZW Wege’o’bbRR H 9 Norwegische Gerste aus Amble, sechszeilig, locker, lange Grannen, gezähnt kkLLAAzzGGe’e/bDbRR H11 Gerste aus Samaria, sechszeilig, locker, lange Grannen, gezähnt kkLLAAvvzzwwGGe’g‘BBrr H13 schwarze Gerste aus Algier, sechszeilig, locker, lange Grannen, gezähnt kkLLAAzzwwGGg’/g’bbRR H15 Nepalgerste, sechszeilig, locker, Kapuze, gezähnt KKLLAAzzGGG/G‘BBrr H 20 Nepalgerste, sechszeilig, locker, Kapuze, gezähnt KKLLAAzzGGe’g‘BBrr H23 Nepalgerste, zweizeilig, locker, Kapuze, ungezähnt KKLLAAZZW Weee’e’bbRR H 27 Nepalgerste, zweizeilig, locker, Kapuze, ungezähnt KKLLAAVVZZW Wege’e’bbRR H 29 Nepalgerste, zweizeilig, locker, Kapuze, kaum gezähnt KKLLAAVVZZW WegG’G‘'bbRR H 34 japanische Gerste Sekitori, sechszeilig, gestaucht, kurze Grannen, gezähnt kkllaazzwwGGG/G‘BBrr H 37 japanische Gerste Santoku, sechszeilig, gestaucht, kurze Grannen, gezähnt kkllaaV VzzwwGGG’G‘BBrr Hordeum spontaneum, zweizeilig, locker, lange Grannen, ge- zähnt kkLLAAZZW WGGG’G’BBRR 150 v. Ubisch. Tabelle F, 1915. Nummer | Titermpianse | Zhong | Anh | oor ung: Gag 0 ang Kreuzung 0122 2z Kap. gez. grob und fein 62 46 16 0 0 0123 6z Kap. gez. an ee - 78 0 0 78 0 0124 2z Kap. gez. n 85 42 42 21 0 0125 2z Kap. kaum gez. grob 122 0 : 122 0 0 fein 122 0 0 0 0126 |2—6z Gr. kaum gez. grob 25 0 25 0 0 fein 14 11 0 0 0127 2—6z Gr. gez. fein 116 tay 35 0 0128 2z Kap. Ngez. grob und fein 61 Ons 6 0 0 0129 2—6z Gr. Ngez. rn 5 65 02465 0 0 0130 2z Gr. gez. grob 18 14 4 0 0 fein 18 0 0 0 0131 2—6z Gr. Ngez. grob und fein 85 0 85 0 0 0132 6z Gr. gez. 00 ” 94 Ve: 20 94 0 0133 6z Gr. gez. nape. Er 104 OR One peas: 0 Kreuzung 0134 2z Gr. gez. grob und fein 74 61s IS 0135 2z Gr. kaum gez. fein 75 51 24 0 0 0136 2—6z Gr. Ngez. | grob und fein 99 0 77 0 : 22 0137 2—6z Gr. gez. grob 95 52 24 19 0 fein 95 76 0 19 0 0138 6z Gr. gez. grob und fein 86 0 0 86 0 0139 6z Gr. gez. grob und fein 141 0 : 141 0 Kreuzung 0140 2z Gr. kaum gez. grob 91 65 26 fein 90 1 0141 22 Gr. gez. grob 112 48 : 23 : 2 : 0 fein 89 1 22 0 0142 2—6z Gr. gez. grob 95 47 23 : 25 : 0 fein 70 0 25 0 0143 2—6z Gr. gez. grob 96 54 16 26 0 fein 70 0 26 0 0144 6z Gr. gez. grob und fein 98 0 0 98 0 Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste. 151 X. F, 1915. BEeGeRe Saline Theoretische ee en Danaea ot as se gue forme ination der Ea" Bn PB: 8 22 g:22 ung: 6z g: 6z ung | Elternpflanze 11x29 46,5:15,5+3,4:0:0 OMe le 2 Ok ee ZZGgg'g Das EEE ey aw) 2266GG'G‘ 43,1 + 4,6 : 20,62 : 20,62 + 3,96 : 0,59 + 0,76 U aa el ZzGgg'g‘ | ug n 0 0 o J zu | ZZ ‘oy 18,7 : 6,24 + 2,16 Bee ae Omen) Wee 80 + 4,98: 7,06 + 2,48: 28,8 + 4,54:0,24+0,45 | 397 : 35 143 0 ZzGgG’g‘ QO 8 meg Oe 1 ZZggg'g’ 0 nee) Zlggg'g' 13,5: 4,5 + 1,84 | ZZ&eG 16,87 : 1,12 + 1,03 Dil ae Le 0 n 0 0 Ziggg'g' 0 0 n 0 226GG'G‘ 0 0 n 0 2zGG Gg" 37 x 6 55,5 : 18,5 + 3,72 Seek, es 20 ZZGgg'g' 56,2 : 18,8 + 3,76 Brg il sO) ew ZZiggG’g’ 0 3 0 1 Zzggg'g‘ 48,1 + 4,86 : 23,1: 23,1 +4,16 : 0,66 + 0,81 3 0 il 0 2Z26g6G‘G‘ 0 0 n 0 226G66°G‘ 0 0 n 0 226GG'G‘ 37 %x4 68,2 : 22,8 + 4,13 3 1 0 0 N ne, x 0 0 0 ZZGgG‘G 47,1 + 4,57 : 22,6 : 22,6 + 4,13: 0,65 + 0,6 73 : 85 ey Bal 1h) = 3 0 anh Z2GgG'G 48,14 4,87: 24 : 24 + 4,23:0,66 +4 0,91 78 385) : 85) <9 11) nee EMO, voy en 48,64 4,9 :23,4:23,4+ 4,2 : 0,67 +0,82 73:85 : 35 iy | *% gs 08 Ms oe eee 0 0 n 0 226GG‘G‘ 152 vy. Ubisch. Es ist vielleicht von Interesse, daß Hordeum spontaneum, die mut- maBliche Stammpflanze unserer Gerste, mit Ausnahme des Kapuzen- faktors alle hier untersuchten Faktoren dominierend enthilt. Zu den Briichigkeitsfaktoren, die hier mit Rücksicht auf die vor- jährige Arbeit hinzugefügt sind, sei bemerkt, daß die Tabelle, die damals S. 231 für die Verteilung der Britchigkeitsfaktoren B und R auf die ein- zelnen Sorten gegeben wurde, nicht ganz richtig ist. Dort war die nicht bewiesene Annahme gemacht worden, dab alle Kapuzengersten denselben Faktor für Brüchigkeit enthielten. Dies ist nun nach den Kreuzungen dieses Jahres nicht der Fall, daher ist die Tabelle im obigem Sinne abzuändern. Zum Schluß möchte ich noch Fräulein M. Pfaff für die große Sorgfalt, mit der sie mir im verflossenen Sommer, als ich durch Krank- heit verhindert, meine sämtlichen Pflanzen geerntet hat, meinen herz- lichen Dank aussprechen. Sammelreferat. Neue Beiträge zur Phylogenie der Angiospermen. Von L. Diels. Coulter, John M. and W.J.G. Land: The Origin of Monocotyledony. Botan. Gazette, LVII, 509—519. (1914.) Nitschke, Johannes: Beiträge zur Phylogenie der Monokotylen, gegründet auf der Embryosackentwicklung apokarper Nymphaeaceen und Helobien. Inaug.-Diss. Halle 1914. 45 Seiten. Auch in Cohns „Beiträge zur Biologie der Pflanzen“, XII, 223 ff. Sinnott, Edmund W. and Irving W. Bailey: Investigations on the Phylo- geny of the Angiosperms: 1. The Anatomy of the Node as an Aid in the Classification of Angiosperms. American Journ. of Botany, I, S. 303—321, Taf. XXX bis XXXV (1914). 2. Anatomical Evidences of Reduction in certain of the Amentiferae, Botan. Gazette, LVIII, S. 36—60, Taf. III—V (1914). 3. Nodal Anatomy and the Morphology of Stipules. American Journ. of Botany, I, S. 441—454, Taf. XLIV (1914). 5.7) Foliar Evidence as to the Ancestry and Early Climatic Environ- ment of the Angiosperms. American Journ. of Botany, II, S. 1—22, Taf. I—IV. January 1915. Das Interesse an der Stammesgeschichte der Angiospermen, das etwa um 1905 eine kräftige Belebung erfuhr, hat auch in den letzten Jahren an- gehalten und spricht sich in zahlreichen Arbeiten allgemeineren und spezieller gerichteten Inhaltes aus. Aus dieser umfangreichen Literatur sollen im An- schluß an den Bericht in Bd. III (1910), 103—108 hier einige Veröffent- lichungen besprochen werden, in denen die hauptsächlichen Fragen des Pro- blems behandelt werden. Als solche kommen in Betracht: die zeitliche und *) Abhandlung 4: The Origin and Dispersal of Herbaceous Angio- sperms. Annals of Botany, XXVIII, Okt. 1914, ist wegen des Krieges uns gegenwärtig noch nicht zugänglich. 154 Sammelreferat räumliche Herkunft der Angiospermen und die allgemeine Richtung ihrer Entwicklung, sodann, als Einzelfragen von entscheidender Bedeutung, das Verhältnis der Monokotylen zu den Dikotylen und die Stellung der Amenti- feren. Wir beschränken uns dabei auf Arbeiten, die von morphologischer Seite ausgehen; einzelne serologische Versuche sind vorläufig noch so wenig gesichert, daß sie keine brauchbaren Kriterien geben. Die umfangreichsten Untersuchungen zur Gesamtfrage haben Sinnott und Bailey geliefert. Auf einem Gebiete, das bei uns in Deutschland zur- zeit wenig gepflegt wird, versuchen sie dem phyletischen Aufstieg der Angio- spermen nachzugehen. Während zu diesem Zwecke gewöhnlich die generative Sphäre durch- forscht wird, kennzeichnen sich die Versuche der beiden amerikanischen Autoren dadurch, daß sie vegetative Eigenschaften der Angiospermen in Betracht ziehen und sie in genetischen Zusammenhang zu bringen streben. Der Ideengang dabei ist etwa folgender. Das Verhalten der Leitbündel am Ansatz der Blätter bilde ein Merkmal, das öfters für große Gruppen konstant sei und das sicherlich syste- matischen Wert besitze. Die austretende Blattspur bilde nämlich im Bündel- zylinder entweder 1 Lücke oder 3 oder mehrere. Am ursprünglichsten sei der trilakunare Typus; denn er herrsche besonders bei Gruppen vor, die für primitivere gälten, so bei den Kätzchenträgern, den Ranales und den Rosales. Die beiden anderen Typen ließen sich daraus durch Reduktion oder Ampli- fikation ableiten. Der unilakunare entstehe entweder durch Verschmelzung der 3 Lücken zu einer (z. B. Cruciferae, Dilleniaceae) oder durch Verkümme- rung der beiden seitlichen (z. B. Centrospermae, Tubiflorae); er sei besonders bei den Metachlamydeen der vorwaltende. Der multilakunare entstehe durch „Amplifikation“, so bei den Polygonales und den Umbelliflorae. Er herrsche auch bei den Monokotylen. Aber mehrere Potamogeton seien trilakunar, ebenso auch die Sämlingspflanzen mancher Araceen und Liliaceen. Das deute an, daß auch bei den Monokotylen der trilakunare Typus der phyletisch ur- sprüngliche sei. Die zu vermutende Entwicklung des trilakunaren zum multi- lakunaren ließe sich bei den Dikotylen nicht selten innerhalb enger Verwandt- schaftskreise beobachten. Viel weniger häufig träten bei nahestehenden Gattungen trilakunare und unilakunare nebeneinander auf; doch käme es vor z. B. bei den Cruciferen, Dilleniaceen und Magnoliaceen. Mit diesem Aufbau des Knotens bringen die Verff. nun gewisse Eigen- schaften des Blattes in Verbindung. Bei den meisten Trilakunaren seien Nebenblätter vorhanden, bei fast allen Unilakunaren fehlten sie; bei allen Multilakunaren habe das Blatt eine breitscheidige Basis. Das träfe auch für die Monokotylen zu, indem bei den trilakunaren Potamogeton am ehesten echte Nebenblätter vorkämen. Man könne sich vorstellen, daß die seitlichen Blattspuren des trilakunaren Typus beim Wachstum einen Reiz auf ihre Um- Sammelreferat. 155 gebung ausübten, der zur Bildung eines umfänglicheren Gewebes, eben der Nebenblätter, führe. Jene Beziehung zwischen Lückenzahl und Nebenblättern sei nicht ausnahmslos, bestehe andererseits aber oft mit auffallender Genauig- keit: so seien die Rosaceen meist trilakunar mit Nebenblättern, Spiraea aber sei unilakunar und habe keine Nebenblätter. Die diöcischen Rumex hätten trilakunare Knoten und zwei typische Nebenblätter, die übrigen Polygona- ceen die bekannte Ochrea und multilakunare Knoten; ebenso verhalte sich Hydrocotyle im Vergleich zu den übrigen Umbelliferen. Mit der Stipular- bildung stehe auch die Zähnung des Blattrandes häufig in Beziehung: Fami- lien mit ganzrandigen Blättern hätten in der Regel keine Nebenblätter, selbst wenn ihr Knoten trilakunar sei. Ferner stehe mit der Leitbündel-Anordnung im Knoten die Aderung des Blattes und sein Umriß in Zusammenhang. Man müsse den palmaten Nervaturtypus dem pinnaten gegenüberstellen und bei jedem der beiden drei Formen unterscheiden: die einfache, gelappte und zusammengesetzte. Als der ältere Typus sei der palmate mit trilakunarem Knoten zu betrachten. Dafür sprächen Gründe paläontologischer und morphologischer Art. Blätter mit diesem Typus seien nämlich nach der Statistik in den Kreide- und Tertiär- floren häufiger gewesen, als heute: sie machten darin 32°/, der Gesamtheit aus, gegen 13°/, in den Floren der Jetztzeit. Anatomisch falle der palmate Typus meistens mit dem (als älter anzusehenden) multilakunaren zusammen, der pinnate dagegen mit dem (jüngeren) unilakunaren. Keimblätter, Hoch- und Blumenblätter zeigten vielfach „Persistenz“ des palmaten Typus auch bei sonst pinnaten Formen. Das höhere Alter des palmaten Typus bestätige sich auch darin, daß er häufig sei bei Familien, wie Ranunculaceen, Saxi- fragaceen, Hamamelidaceen, Malvaceen, die man ja für ursprünglicher halte. Im Gegensatz dazu sei der pinnate bei den Metachlamydeen vorherrschend: hier mache er bei den Holzgewächsen 89°/, aus. Die Holzgewächse aber gäben in solchen Fragen klarere Auskunft als die krautigen, denn sie seien den Außeneinflüssen stärker preisgegeben und hätten daher stärkere Wand- lungen durchgemacht. Daher sei es bedeutsam, daß der altertümlichere multilakunare Typus in den temperierten Gebieten durchschnittlich 90°, der Bäume umfasse, in den tropischen dagegen nur etwa 50°/,. Man könne daraus schließen, daß die Angiospermen im Laufe des Mesozoikums in tem- perierten Klimaten entstanden seien, vermutlich also in Gebirgslagen. Stammes- geschichtlich ergäben diese Verhältnisse den Hinweis, daß) der genetische An- schlußß der Angiospermen eher bei den palmaten Koniferen, als bei den pinnaten Cycadeen zu suchen sei. Auch ließen sich bei dieser Auffassung die so vorwiegend palmaten Monokotylen leichter von den Dikotylen her- leiten. Zur Kritik dieses Lehrgebäudes muß zunächst die methodische Unterlage beanstandet werden. Die Verff. bringen eine umfangreiche Stati- 156 Sammelreferat. stik zusammen, die sie einer weitschichtigen Literatur von Florenwerken und systematischen Handbüchern entnehmen. Sie ordnen die deskriptiven Angaben in ihre Rubriken ein und gewinnen damit die Prozentzahlen. Daß es da auf Schritt und Tritt Fehlerquellen gibt, liegt auf der Hand. Schlimmer noch ist es, wie schematisch die morphologischen Verhältnisse behandelt werden. Die „palmate Nervatur“ z. B. gilt ihnen als bestimmter Typus. In Wahrheit ist er durchaus nicht überall gleich im Wesen. Der äußere An- schein gibt darüber keinen Aufschluß. Die Entwicklungsgeschichte aber ver- nachlässigen die Verff. völlig, und dies nimmt ihren Daten einen großen Teil ihrer Brauchbarkeit. Ein unbestreitbares Verdienst bleibt es, die morphologischen Beziehungen zwischen Knotenbau, Nervatur und Blattgestaltung unter einem bestimmten Gesichtswinkel verglichen zu haben. Aber den phylogenetischen Ertrag dieser Studien hält Ref. für sehr geringfügig. Die Annahme der Verff., der tri- lakunare Typus des Knotens sei der ursprüngliche, ist ganz willkürlich, und damit verlieren alle daraus hergeleiteten Folgerungen ihre Stützen. Die verschiedenen Nervaturtypen zeigen ja bei den Dikotylen oft nur geringe Festigkeit. Wir wissen, daß sie von einer Blattformation zur nächsten wechseln können. In Goebels Organographie, 1. Aufl., S. 536 sieht man z. B. abgebildet, wie bei einer Jussiaea die Kelchblätter palmate Nervatur haben, die Blumenblätter pinnate. Ebenso finden sich bei vielen Formen- kreisen nebeneinander verschiedene Nervationstypen der Laubblätter. Die Verff. selbst erwähnen einen Fall derartiger Inkonstanz von Acer, betonen aber nicht genügend, wie häufig solche Fälle sind. Man denke etwa an Ranunculus, Rubus, Potentilla, Saxifraga, Senecio, um nur aus der heimischen Flora ein paar Beispiele zu wählen. Auch die Tatsache, daß die angeblich primitive palmate Nervatur noch bei den Compositen verbreitet ist, spricht nicht zugunsten ihres phyletischen Wertes. Ein Merkmal, das bei benachbarten Organen schwankt, das innerhalb der Gattungsgrenze wechselt und das bei einer unbestritten sehr hoch stehen- den Gruppe mehrfach hervortritt, wird keinen Anspruch erheben können, als phyletisch wertvolles Kriterium betrachtet zu werden. Auf keinen Fall können palmate Formen an sich als älter gelten. Es ist also unstatthaft, auf die Häufigkeit palmat-nerviger Bäume in der nördlich- gemäßigten Zone den Schluß zu gründen, die Angiospermen seien in tempe- rierten Gebieten entstanden. Das wäre unmöglich, selbst wenn die statistische Grundlage sicherer wäre, als sie bei Sinnott und Bailey wirklich ist. Und dasselbe gilt für die Verknüpfung mit den Cycadeen, deren „pinnater“ Typus übrigens allzu verschieden ist von dem der Dikotylen, um überhaupt damit parallelisiert zu werden. Bis jetzt scheint also der Gedanke Sinnott und Baileys, den Ner- vationstypus des Blattes und den Bau des Knotens phyletisch zu verwerten, Sammelreferat. 157 keine Aussicht auf förderliche Ergebnisse zu eröffnen. Vor allem aber müßte er, um dies noch einmal zu wiederholen, durch eingehendere Untersuchungen, besonders nach der entwicklungsgeschichtlichen Seite hin, erst kräftiger ver- ankert werden. Daß wir eine solche Vertiefung des Themas vielleicht von den Autoren selbst erwarten dürfen, läßt ihre Einzeluntersuchung (Nr. 2) über die Amenti- feren erhoffen. Sie gelangen darin über den Markstrahlbau dieser Reihe zu gut begründeten Ergebnissen, die mit einer vorhergegangenen Deutung von E. C. Jeffrey nicht in Einklang zu bringen ist. E. C. Jeffrey und seine Schule hatten für die phyletische Entwicklung der Markstrahlen bei den Angiospermen folgende Stufen angenommen: 1. Einreihige Strahlen bei den Ahnen der Angiospermen, ebenso wie bei den Koniferen. 2. Aggregationen einreihiger Strahlen an den Blattspuren bei den groß- blätterigen immergrünen Angiospermen des Mesozoikums, infolge des erhöhten Zuflusses von Assimilaten. 3. Verschmelzung dieser aggregierten einreihigen Strahlen: „zusammen- gesetzte“ Strahlen an den Blattspuren. 4. Vielreihige Strahlen im ganzen Stamm verteilt, infolge des herbst- lichen Blattfalls, der jenen Assimilatenzufluß veränderte. Ihre Beweisführung entlehnen sie meist dem Studium der Kätzchen- bäume, z. B. Quercus, und entwickeln aus ihren Befunden die Vorstellung, daß diese Gruppe eine primitive Stellung unter den Angiospermen einnähme. Bailey und Sinnott verwerfen diese ganze Hypothese. Sie zeigen zu Punkt 3, daß zusammengesetzte Strahlen ebensogut in ein Aggregat von einreihigen zerfallen können, wie umgekehrt aus einem solchen hervorgehen. Zu Punkt 4 bemerken sie, daß vielreihige Strahlen schon bei Arten der mittleren und oberen Kreide vorkommen und daß sie gegenwärtig charakte- ristisch sind u. a. für Anonaceen, Ebenaceen, Myristicaceen, Lauraceen, d.h. also vorwiegend tropische Gruppen. Eine Beziehung zum herbstlichen Blatt- fall, die ja an sich schon kaum einleuchtet, wird dadurch noch weniger an- nehmbar. Ferner stellen sie fest, daß vielreihige Strahlen bei der Eiche auch bereits in Sämlingen, im Knoten, in der Wurzel und im ersten Jahres- ring vorkommen, lauter Organen oder Organgebieten, die für besonders kon- servativ gelten. Sie zeigen, daß bei den Fagales und den Casuarinaceen sich eine deutliche Reduktionsreihe aufzeigen läßt, die zur fortschreitenden Einschränkung und zum Zerfall der vielreihigen Strahlen führt. Die soge- nannten „aggregierten“ Strahlen sind nur Stadien dieses Prozesses. Kräftiges Wachstum oder Verletzungen können die Rückkehr der vielreihigen Strahlen veranlassen; umgekehrt beschleunigen Hemmung des Wachsens und schlechte Ernährung den Reduktionsvorgang. 158 Sammelreferat. Nach den Feststellungen der Verff. spricht also der Bau der Mark- strahlen durchaus nicht dafür, daß die Amentiferen und die Casuarinaceen primitive Gruppen sind. Wenn bei ihnen die vielreihigen Markstrahlen, die schon in der mittleren Kreide vorhanden waren und noch heute bei den Dikotylen so verbreitet sind, sich deutlich zur Regression geneigt zeigen, so befestigt das vielmehr die Auffassung derer, die diese Gruppen für abgeleitet ansehen. Der Versuch der Jeffreyschen Schule, den Gegenstandpunkt ana- tomisch zu stützen, kann als gescheitert gelten. Man gewinnt aus der Kontro- verse den Eindruck, daß die Markstrahlen stark physiologisch bedingt und somit für phylogenetische Festsetzungen wenig geeignet sind. Den Ursprung der Monokotylie, also des wichtigsten Merkmals der danach benannten Klasse, erörtern Coulter und Land in einem Aufsatz, der das anomale Vorkommen zweier Keimblätter bei der Liliacee Agapanthus entwicklungsgeschichtlich beschreibt. Sie konnten feststellen, daß diese interessante Dikotylie nicht etwa auf der Beteiligung zweier Embryonen be- ruhe. Vielmehr bot zu Beginn der Scheitel des Proembryos nichts Eigen- tümliches. Bald aber gelangten dort an seinem ringförmigen Teilungsgewebe zwei Primordien zu stärkerer Entwicklung, während bei den Monokotylen normalerweise ja eines davon frühzeitig seine Wuchskraft einbüßt und zurück- bleibt. Der Fall zeigt also, daß die Gemeinsamkeit der Embryonalentwick- lung aller Angiospermen, nämlich die laterale Entstehung der Kotyledonen aus dem Ringmeristem am Scheitel des Proembryos, bedeutsamer ist, als der Unterschied; denn dieser ist ja bei der beobachteten Anomalie aufgehoben. Diese Deutung der Monokotylie widerspricht der von Hanstein stam- menden Auffassung, die sich auf das Verhalten bei Alisma gründet. Coulter hält aber den Alisma-Typus, der sich auszeichnet durch einen fadenförmigen Proembryo, für den abgeleiteten, den „massiven“ Proembryo dagegen für den ursprünglicheren Zustand. In einem uns noch nicht zugänglichen Vortrag beim 25. Jubiläum des Missouri Botanical Garden hat er die Frage auch für den so viel umstrittenen Keimling der Gräser behandelt. Nach einem Be- richt darüber, der in Botan. Gazette, LX, 497—499 von seinem Mitarbeiter Land gegeben ist, hat ihn die Nachuntersuchung der Entwicklungsgeschichte des Gräserkeimlings zu folgender Bestätigung seines Standpunktes geführt: „Die Endzelle des Proembryos bildet eine Gruppe von Zellen. Die peri- pherischen davon entwickeln den Kotyledonarring (oder -scheide), an dem zwei Vegetationspunkte erscheinen. Einer davon stellt frühzeitig sein Wachs” tum ein; die ganze Zone entwickelt sich vielmehr in Verbindung mit dem anderen Vegetationspunkt. Aber an der Basis dieses wachsenden Keimblattes bleibt eine Grube bestehen; sie stellt den Raum dar zwischen den beiden sehr ungleichen Keimblättern. Hier, am Grunde dieser Grube liegt also die wahre Spitze des Embryos, nicht am Ende des großen Keimblattes. An Sammelreferat. 159 dieser Spitze bildet in der Tat der Vegetationspunkt Blätter, scheinbar lateral, aber nur scheinbar eben, weil die zwei Keimblätter so ungleich groß sind.“ Allgemein betrachtet Coulter also die Monokotylie einfach als ein Verhalten, das „sich von der Dikotylie allmählich abgeleitet hat, aber keinen plötzlichen Übergang einer lateralen Bildung zu einer terminalen bedeutet“. Wie weit diese Auffassung Coulters berechtigt ist, wird sich heraus- stellen, wenn das entwicklungsgeschichtliche Studium auf möglichst ver- schiedene Monokotylenkeimlinge ausgedehnt wird. Einstweilen ist nicht zu leugnen, daß seine Deutung eine kräftige Stütze liefert für die sich immer allgemeiner verbreitende Ansicht, die Monokotylen hätten sich von den Dikotylen abgezweigt. Als diejenigen Gruppen, die für diesen Zusammenhang die besten Be- lege geben, gelten seit langem die Helobiae einerseits, die Ranales ander- seits. Strittig aber bleibt, welche Familien dieser Reihen dem gemeinsamen Stamme am nächsten stehen, bezw. die Merkmale jenes Grundstammes am treuesten bewahrt haben. J. Nitzschke versucht diese Frage der Lösung näher zu führen, indem er nach sorgfältiger Untersuchung die Embryogenie der apokarpen Nymphaeaceen Cabomba und Brasenia mit der der Helobiae Linnocharis, Butomus, Alisma, Echinodorus vergleicht. Zwischen diesen Gat- tungen findet er mehr Übereinstimmungen in Lage, Bau und Entwicklungs- geschichte der Samenanlagen, als zwischen den Ranunculaceen und den Helobiae. Im übrigen äußert er seine Deutungen mit gebotener Vorsicht: er meint, daß „eine Ableitung einer von der anderen Gruppe, der Mono- kotylen von den Nymphaeaceen, auf Grund der Entwicklungsvorgänge im Embryosacke wohl möglich erscheint“. In der Tat würde sich eine größere Bestimmtheit der Resultate erst erzielen lassen, wenn es gelänge, auch bei dem Embryosack der Pflanze ursprüngliche und abgeleitete Merkmale klar als solche zu erkennen. Über die Aussichten dazu sind gegenwärtig die Mei- nungen selbst sachverständiger Forscher noch geteilt; jedenfalls genügen die vorliegenden Erfahrungen nicht, diese grundsätzliche Frage zu entscheiden. Sicher ist vorläufig nur, daß die embryologischen Merkmale entsprechende Rücksicht bei systematischen Fragen’ verdienen. Ihre Brauchbarkeit für die Fragen der Stammesgeschichte der Angiospermen dagegen bleibt in Zukunft erst zu erweisen. Zeitfchrift f. ind. Abftammungs- und Vererbungslehre Bd. 17 Tafel | Klebs: Nicotiana 4 Verlag von Gebrüder Borntraener in Berlin w 35 Be A Nahen ea ae Bra = acres der : Der Jahresbericht verfolgt die Aufgabe der Förderung und Kir Vertiefung der wissenschaftlichen Erkenntnis im Dienste von Land- : ; und Forstwirtschaft, Handel und Gewerbe durch botanische Forschung. Gerade die landwirtschaftlich-praktische Botanik ist in kurzer Zeit zu einem Wissenszweig herangewachsen, der bei vollständiger Selb- 5 ‚slündigkeit in seinen Errungenschaften bereits hervorragend map- gebend geworden ist für den weiteren Fortschritt auf den bezeich- $ ‘ ~ neten Gebieten. Der Jahresbericht dient daher als Sammelpunkt pod 3 had a; fü ür die auf landwirtschaftlichen und verwandten Gebielen ausgeführten botanischen Forschungen. 5 is eo a Wes coal ; Bia et tigen vrs == SF oy +s ; £ ee er ee ioinkäne 1903. Geheftet 4 Mk. AS Zion Jahrgang 1904. Geheftet 5 Mk. 20 Pfe. ritter Jahrgang 1905. M. 2 Tafeln u. 10 Textabb. Geh. 10 Mk. i gr ee 1906. x 8 Boe u. .7 Textabb.. Geh. 14 Mk. Ne user Jhrgg 100, A. 1 Tafel u. 29, Textabb. Geb. 20 Mk. | Zehnter gang 1912. M. 20 Textabbildungen Geh. 12 Mk. = $ Ab 913. ee Geh. sa 5 : a Inhaltsverzeichnis von Bd. XVII Heft 12s Abhandlungen Rasmuson, Hans, Kreuzungsuntersuchungen bei Reben "3 Klebs, Georg, Uber erbliche Blütenanomalien beim Tabak . v. Ubisch, G., Beitrag zu einer Faktorenanalyse von Gerste . . . 1 = é Sammelreferat ER Diels, Li, Neue Beitriige zur Phylogenie der Angiospermen j an ir > Deutschland, dargestellt a aut Grund eigener t Beob Seit Albrecht Peneks großem Werk über oa i a peu Jahre 1887. ist keine geogr ae Dar pee Lees ae en Bring, genommen. wurden. die ¢ el Reiches in 1: 100000 und Ee abet lan 2 1. Gr die gerade jetzt, wo H Platze ist und Jedenfalls Beae rf 2 ia u HEFT 8) MARZ 1917 ZEITSCHRIFT Ay A ; : FUR : NDUKTIVE ABSTAMMUNGS- FA ER = UND na ‚ _ VERERBUNGSLEHRE ; HERAUSAEGEREN von m, C. CORRENS (DAHLEM-BERLIN), V. HAECKER (Hate), MAN | (Bonn), R. v. WETTSTEIN (wien) -REDIGIERT VON Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre Die „Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre“ erscheint in zwanglosen Heften, von denen vier bis fünf einen Band von etwa 20 Druckbogen bilden. Der Preis des im Erscheinen begriffenen Bandes beträgt 20 Mark. Manuskripte, zur Besprechung bestimmte Bücher und Separata sowie alle auf die Redaktion bezüglichen Anfragen und Mitteilungen sind an Prof. Dr. E. Baur, Potsdam, Jägerallee 16 zu senden; alle geschäftlichen Mitteilungen an die E Verlagsbuchhandlung Gebriider Borntraeger in Berlin W 35, Schöneberger Ufer 12a. Die Mitarbeiter erhalten für Originalabhandlungen und Kleinere Mitteilungen ein Bogenhonorar von 32 Mk., für Referate 48 Mk., für Literaturlisten 64 Mk. Bei Original- abhandlungen von mehr als drei Druckbogen Umfang wird nur für die ersten drei Bogen Honorar gezahlt. Dissertationen werden nicht honoriert. Der durch Textfiguren und größere Tabellen eingenommene Raum wird nur bis zu einem Umfang von je einer Seite pro Bogen honoriert. Außergewöhnlich hohe Korrekturkosten, die durch unleserliche Manuskripte oder größere nachträgliche Änderungen am Texte verursacht sind, werden vom Honorar in Abzug gebracht. Die Abhandlungen und Kleineren Mitteilungen können in deutscher, englischer, französischer oder italienischer Sprache verfaßt sein. Referiert wird im wesentlichen in deutscher Sprache. Von den Abhandlungen werden den Autoren 50 Separata ohne besonderen Titel auf dem Umschlag gratis geliefert, von den „Kleineren Mitteilungen“ gelangen nur auf besondere, rechtzeitige Bestellung 50 Gratis-Separata zur Anfertigung. — Werden weitere Sonderabzüge gewünscht, so ist die Anzahl rechtzeitig, spätestens bei Rücksendung der ersten Korrektur, zu bestellen. Die über 50 Exemplare hinaus gewünschte Anzahl der Separata wird mit 20 Pfg. für jeden Druckbogen berechnet. Ein besonderer Titel auf dem Umschlag kostet 5 Mk. Etwa gewünschte Änderungen der Paginierung werden besonders in Ansatz gebracht. Bei mehr als 50 Separata gelangt stets ohne besonderen Auftrag ein Umschlag mit besonderem Titel zur Verwendung. . Einseitig bedruckte Sonderabzüge der „Nenen Literatur“ können von den Abonnenten der Zeitschrift zum Preise von 5 Mk. pro Band im Buchhandel bezogen werden. Band XVII Heft 3. März 1917. Über die Vererbungsweise der Karakul- locke bei Kreuzungen von bocharischen Fettschwanzschafen mit Rambouillets. Von Hofrat Dr. Leopold Adametz. k. k. 0. ö. Professor, Wien. (Eingegangen am 15. März 1916.) Als ich im Jahre 1904 mit der Zucht der Karakulschafe begann und ihre Einbürgerung in Österreich-Ungarn anstrebte, entschloß ich mich u. a. auch gleichzeitig Untersuchungen über die Art der Vererbung jener charakteristischen Lockenbildung, welche das Vlies der neuge- borenen Lämmer dieser Rasse auszeichnet, anzustellen. Ist doch ge- rade diese Eigenschaft des Lammvlieses wohl das interessanteste bio- logische und zugleich auch wirtschaftlich wichtigste Rassenmerkmal dieser zentralasiatischen Steppenschafe. Diese bocharischen Fettschwanzschafe — bei uns nach dem gleich- namigen Oasenorte als „Karakul“ bekannt — sind nämlich die Produ- zenten jenes seit Jahrhunderten hochgeschätzten Pelzwerkes, das bei uns in Laienkreisen gewöhnlich als ,,Persianer“ (früher wohl auch „Astrachan* genannt) bezeichnet wird. Für mich war es gerade deshalb besonders wichtig, über diesen Punkt Aufklärung zu erhalten, weil nicht nur die Sarten Bocharas, die Züchter dieser Rasse, sondern auch so ziemlich alle erfahrenen Pelz- händler Mitteleuropas der Ansicht waren, daß diese Locken ein spezi- fisches Produkt der Scholle wären und nur unter den Daseinsverhält- nissen der Heimat dieser Schafe, der Umwelt Bocharas, zustande kämen. Für die Behauptung, daß diese Ansicht auch im Kreise der Bio- logen heimisch war, möge der Hinweis auf Darwin!) genügen, der mit !) Das Variieren von Tieren und Pflanzen im Zustande der Domestication. Bd. I, OP S. 107 (2. Aufl., Stuttgart 1873). — Es ist selbstverständlich, daß hier nur das Vlies des ~ SEP 2 neugeborenen Lammes gemeint ist, denn das erwachsene Karakulschaf triigt im Gegen- teil in der Mehrzahl der Fälle ein grobes, mischwolliges Vlies. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 11 162 Adametz. Burnes annimmt, „daß die Karakulrasse, welche ein feines, lockiges, schwarzes, wertvolles Vlies produziert, dieses eigentümliche Vlies ver- liert, wenn sie von ihrem eigenen Distrikte bei Bochara nach Persien oder andere Gegenden versetzt wird“. Wären diese Ansichten der Sartenzüchter und Pelzhändler richtig, so wäre die charakteristische Karakullocke natürlich als eine Modifikation, als eine Somation im Sinne der modernen Biologie aufzufassen. Sie wäre dann außerhalb Bocharas tatsächlich auch bei reinrassigen Tieren nicht zu erhalten und könnte nicht vererbt werden; zum mindesten müßte diese Eigenschaft rasch abklingen und nach wenigen (renerationen verschwinden. Im Gegensatze zu diesen Auschauungen vertrat ich, gestützt auf verschiedene Erwägungen, von Anbeginn an die Ansicht, daß es sich hier um eine durch Mutation entstandene und daher erblich fixierte Eigenschaft handeln müsse, welche auch außerhalb der Heimat dieser Schafe erhalten bleiben wird — natürlich unter der Voraussetzung, dab man ihrer Zucht entsprechende Sorgfalt zuwendet. In einer früheren Arbeit!) glaube ich auf indirekte und direkte Weise (d.h. durch den praktischen Zuchterfolg) den überzeugenden Beweis von der Richtigkeit meiner Ansicht erbracht zu haben. Es galt dann aber auch die Art und Weise der Lockenvererbung festzustellen, und das konnte am besten nur durch Kreuzung der Kara- kulschafe mit einer Schafrasse erfolgen, welche sich bezüglich des Lamm- vlieses entgregengesetzt verhielt, d. h. die ohne jede Lockenbildung war. Meine Wahl fiel auf die bekannten Rambouillets, Kammwollschafe, welche sich überdies auch noch in mehrfacher anderer Beziehung wesent- lich von den Karakuls unterscheiden. Was die in der Versuchswirtschaft der Hochschule für Boden- kultur zu Groß-Enzersdorf vorgenommenen Kreuzungsversuche anbetrifft, so möchte ich erwähnen, daß sie unter ungünstigen Verhältnissen vor- eenommen werden mußten, weil für diesen Zweck vollkommen unzu- reichende Mittel zur Verfügung standen. Sie konnten nur so nebenher vorgenommen werden. Deshalb ist auch die Zahl der beobachteten Kreuzungstiere (50 Stück) eine relativ geringe. Doch genügt dieselbe, um die wichtigsten Richtungslinien für die Vererbung der Karakullocke 1) Über den angeblichen Einfluß des Steppenklimas und Steppenfutters Bocharas auf das Zustandekommen und die Erhaltung der Karakullocke. Zeitschrift f. d. landw. Versuchswesen in Österreich, Wien 1911, S. 61 u. 63 der Arbeit. Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 163 erkennen zu lassen. Die erhaltenen Resultate beweisen, daß es sich hier um den Mendelschen Vererbungsmodus handelt, und das ist unter den gegebenen Verhältnissen immerhin interessant und sogar wichtig. Andererseits haben wir es hier freilich keineswegs mit einfachen Zahlenverhältnissen zu tun. Weil, wie aus den folgenden Tabellen er- sichtlich ist, die Eigenschaft der Lockenbildung unvollkommen dominant ist, so wäre die wichtige Feststellung des richtigen Zahlen- verhältnisses in der F>s-Generation nur unter Benutzung eines sehr eroßen Untersuchungsmateriales möglich (ich hoffe übrigens diese Ver- suche in nächster Zeit in größerem Maßstabe an anderem Orte von neuem aufnehmen zu können). (Gerade die unvollkommene Dominanz, deren Gültiekeit für eine Reihe von Domestikationserscheinungen unserer Haustiere bereits nach- eewiesen wurde (z. B. für die Extrazehen, die Glattbeinigkeit und be- sonders aber für die Schwanzlosigkeit beim Haushuhne), stellt einen ver- hältnismäßig noch recht dunklen Vorgang, einen noch wenig studierten Zweig der Mendelschen Vererbung vor. Deshalb dürfte die Feststellung eines neuen Falles, wie ihn die Vererbung der Karakullocke vorstellt, doch einiges Interesse besitzen. Nicht unerwähnt möchte ich hier die Feststellung der Tatsache lassen, daß unter 10 Individuen der Fs-Generation nur ein einziges weibliches war. Überhaupt war die Zahl der männlichen Individuen auch sonst in diesem Versuche, z. B. auch in der Fi-Generation (20 männ- liehe zu 7 weiblichen), eine ganz ungewöhnlich hohe. Dies machte sich bei der Weiterführung des Versuches natürlich sehr störend bemerkbar. ündlich möchte ich noch hervorheben, daß die Karakulrasse durch ihre relativ große Zahl von charakteristischen Merkmalen ein ganz besonders geeignetes und dankbares Objekt für Vererbungsversuche vorstellt. Außer der mich am meisten interessierenden Lockerbildung wurden dementsprechend noch folgende Merkmale bei den Kreuzungsversuchen berücksichtigt: 1. die Hiingeohrigkeit in Verbindung mit der Ohrenliinge, 2. die Haarfarbe, 3. der Fettschwanz, 4. die Schwanzkrümmung und 5. die Wollbeschaffenheit des Vlieses am erwachsenen Tiere. Mit Rücksicht auf diese zahlreichen Merkmalspaare einerseits und andererseits wegen der relativ geringen Zahl von erhaltenen Kreu- zungstieren (50) will ich das Verhalten eines jeden einzelnen Merkmales bei der Vererbung für sich allein berücksichtigen und will mit dem 11* 164 Adametz. Verhalten der Lockenbildung am Lammyliese als dem züchterisch wich- tigsten Merkmale beginnen. Zum richtigen Verständnisse des Ganzen sind jedoch bezüglich der verwendeten beiden Ausgangsrassen einige kurze, erklärende Bemerkungen notwendig, weil zum mindesten hinsichtlich der Karakulrasse selbst in landwirtschaftlichen Kreisen die Kenntnis der Rasseneigenschaften ent- weder vollkommen fehlt, oder doch nur eine mangelhafte ist. I. Die Karakulrasse (Syn. bocharisches Fettschwanzschaf; in Bochara selbst nur als ,Arabi*, d.h. als „arabisches Schaf“ bekannt) stellt ein kräftig gebautes, übermittelschweres Schaf vor, welches er- wachsen ein mischwolliges, meist grobes Vlies trägt. Die gewöhnliche Farbe ist schwarz. Im dritten bis vierten Lebensjahre (individuell recht verschieden!) schwindet jedoch das Pigment aus dem Vliese, bezw. aus den eigentlichen Wollhaaren und die Tiere werden schmutzigweiß. Hingegen bleibt der Kopf mit den Ohren und die untere Partie der Extremitäten bis ins höhere Alter schwarz. Hier sind nämlich Deck- haare oder Übergänge zum Wollcharakter vorhanden. Daß die neugeborenen Lämmer schön und hart gelockte Pelzchen tragen, ist bekannt (Persianer des Handels). Die Lockenqualität ist nun auch innerhalb der reinen Rasse und in Bochara selbst außer- ordentlich verschieden: wenn man wollte, so ließen sich, abgesehen von der Lockenform, schon bezüglich der Vollkommenheit der Drehung der Lockenhaare ohne weiteres eine Anzahl von Graden unterscheiden. Wenn schon in Bochara selbst, und innerhalb scheinbar reinrassiger Herden, bei den Lämmern senkrecht zur Körperoberfläche gestellte spiralig gedrehte Locken (im Laufe dieser Arbeit kurz als „Spirallocken“ im engeren Sinne bezeichnet) vorkommen, so muß dies doch als Aus- nahme angesehen werden. Die Charakteristik der echten, typischen Karakullocke hätte nach meiner Ansicht etwa kurz folgendermaßen zu lauten: die hier von den einzelnen Haaren gebildeten Spiralen, oder genauer gesagt: Teile von Spiralen, sind im Gegensatze zu den oben genannten senkrecht gestellten Spirallocken mehr oder weniger parallel zur Körperoberfläche angeordnet. Diese kurzen Spiralen (oder Spiral- stücke) liegen gewissermaßen auf der Haut, so daß ihre Höhe, praktisch gesprochen, parallel zur Körperoberfläche läuft. Dabei müssen die Spitzen der so gebogenen Haare nach unten, gegen die Haut gerichtet sein, derart, daß sie bei der Draufsicht vollkommen unsichtbar sind. Ist die Krümmung der eine Locke bildenden Haare eine kräftige, vollkommene, und liegen die Haare parallel zueinander, dann fühlt sich Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 165 die Locke hart an und gilt, besonders wenn sie den entsprechenden Glanz, die richtige Größe und die gewünschte Form besitzt, als erst- klassig. Wichtig, und zwar nicht bloß für den Pelzhändler, ist der Umstand, daß die spiralig gedrehten Haare sich zu Gruppen, zu charakteristischen Gebilden zusammensetzen, welche eine recht verschiedene Form auf- weisen können. Je nachdem unterscheidet man im Pelzhandel: erbsen- förmige, bohnenförmige, röhrenförmige usw. Locken. Daraus ergibt sich, daß zum Zustandekommen der Karakullocken nicht bloß jene Bestimmer, jene Faktoren notwendig sind, welche die Drehung der Haare veran- lassen, sondern daß wohl unabhängig von diesen noch ein (oder mehrere) Faktor für diese eigentümliche Anordnung der Haare, für die Form der Locke vorhanden sein muß. Wenn man will, so kann man hier eine gewisse, wenn vielleicht auch nur sehr entfernte Ähnlichkeit mit den Verhältnissen bei den sogenannten wirrhaarigen Meerschweinchen annehmen. Übrigens habe ich solche wirbelartige Gebilde wiederholt bei echten Karakulfellen feststellen können. Man findet nämlich auch breite, flache Locken, welche aus kurzen, schwachgebogenen Haaren bestehen, die um bestimmte Punkte angeordnet sind und daher tatsächlich eine Art von Haarwirbel bilden. Wichtig ist dann zu wissen, daß die liegende, gut geschlossene Karakullocke sich gewöhnlich schon nach wenigen Tagen mit ihrer Spitze erhebt, und, immer lockerer werdend, vermöge ihres Wachstums sich allmählich mehr oder weniger senkrecht zur Körperoberfläche stellt, so daß man gewissermaßen von oben in die Spirale hineinsehen kann. Im Verlaufe dieser mit der Karakullocke vor sich gehenden Veränderungen zerfallen die längeren Formen derselben in mehrere „offene“, korkzieher- artige Locken, d.h. in solche, welche weich sind, weit auseinander- gezogene Spiralwindungen besitzen und mehr Zottencharakter haben. Die Schnelligkeit, mit der diese Auflösung der Locken geschieht, ist übrigens in hohem Maße individuell. Ausnahmsweise konnte ich umgekehrt selbst nach 2—3 Wochen noch eine Verbesserung der Lockenbildung und zwar bei reinrassigen Individuen, wie auch bei Kreuzungen feststellen; doch betraf dies aus- schließlich Vliese, deren ursprüngliche Lockenbildung (im neugeborenen Zustande) mangelhaft war. Der Zusammenhang, der somit zwischen den senkrecht gestellten Spirallocken und den liegenden Karakullocken besteht, darf nicht über- 166 Adametz. sehen werden. Dabei wäre daran zu erinnern, daß erstere im Tier- reiche, wie ich an anderem Orte zeigte, keineswegs selten auftritt. Um die Beschreibung der Karakul-Schafe, nach dieser längeren, jedoch zum Verständnisse der zu behandelnden Vorgänge unbedingt notwendigen Abschweifung, zu enden, sei erwähnt, daß stets Hänge- ohren vorhanden sind, deren Form und Größe jedoch gewaltig schwankt. Endlich ist stets ein typischer Fettschwanz mit einem verschieden langen S-förmig gekrümmten mageren Endteile vorhanden. Wie man sieht, besitzt die Karakulrasse im Gegensatze zu unseren mitteleuropäischen Schafrassen eine Reihe von ganz charakteristischen Merkmalen, welche zu einer Prüfung auf ihre eventuelle Vererbbarkeit förmlich einladen. Von dieser Karakulrasse nun wurden reinblütige Böcke, welche sich bei uns in Gr. Enzersdorf in der Karakulreinzucht (bis auf eine Ausnahme) gut bewährten, zur Kreuzung mit reinblütigen Müttern der Rambouillets verwendet. Die Böcke entstammten teils einer reinblütigen südrussischen Nachzucht, teils wurden sie im Jahre 1907 von meinem damaligen Assistenten Herrn Dr. M. Duré in Bochara direkt auf der Steppe aus guten Herden gekauft. Ein Bock endlich war Enzersdorfer Nachzucht. Il. Die von mir zur Kreuzung mit Karakulböcken verwendeten Rambouillet-Mütter gehörten der vorzüglichen Strilecker Stammherde des Herrn Baron Baratta in Budischau in Mähren an. Herr Baron Baratta hatte die Freundlichkeit, dem Versuchsstalle der k. k. Hoch- schule f. Bodenkultur einen Bock, zwei Mutterschafe und zwei Mutter- lämmer geschenksweise zu überlassen. Die Abstammungsdaten der Tiere lauten: Bock Nr. 1 (unsere Numerierung) Stammzucht = Nr. 115; R. Mutter Nr. 1 = Stammzucht Nr. 27; R. Mutter Nr. 2 = Stammzucht Nr. 83; R. Nr. 3 = Stammzucht Nr. 328; und R. Nr. 4 = Stammzucht Nr. 348. Nur der Vollständigkeit halber wurden aus diesen weiblichen Ram- bouillets nach dem Rambouilletbock Nr. 1 sechs reinblütige Lämmer gezogen, welche natürlich, wie nicht anders zu erwarten war, von der vollen Blutsreinheit der verwendeten Tiere zeugten. Von einer Beschreibung dieser Kammwollschafe sehe ich ab, weil ich deren Aussehen wohl als bekannt voraussetzen darf. Hinsichtlich jener Merkmale, bezüglich welcher diese Rambouillets im Gegensatze zu den Karakuls standen, und experimentell untersucht Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 167 wurden, wäre mit Rücksicht auf der Zootechnik fernerstehende Leser zusammenfassend noch einmal kurz zu erwähnen, dal) sie: 1. Normale Ohrstellung bezw. -lage hatten (also keine Hänge- ohriekeit vorhanden war); 2. und 3. daß sie einen langen, geraden und mageren Schwanz besaßen (also kein Fettschwanz und keine Schwanzkriimmung existierte); 4. daß Haut, sichtbare Schleimhäute und Wolle pigmentfrei waren (gegenüber dem dunklen Pigment der Karakuls in Haut, sicht- baren Schleimhäuten und Haargebilden); 5. dab sie typische Kammwolle trugen, d. h. eine Wolltype hatten, die man zur Gruppe der Merinowollen rechnen kann (gegenüber den eine charakteristische Mischwolle tragenden Karakuls): 6. Daß die neugeborenen Lämmer keinerlei Lockenbildung auf- weisen (während die Karakullimmer bekanntlich durch ihre charakteristische Lockenbildung ausgezeichnet sind). In den folgenden Tabellen habe ich die Resultate der vorgenom- menen Kreuzungen zunächst bezüglich der Lockenbildung übersichtlich zusammengestellt. Uberblickt man die in Tabelle I zusammengestellte Fellbeschaffen- heit der Kreuzungslämmer der Fı-Generation ohne Rücksicht auf die Abstammung väterlicherseits, so ergibt sich ein vollkommener Übergang von lockenfreier Beschaffenheit des Vlieses, ohne irgend welche An- deutung einer Lockenbildung, bis zur echten Karakullocke mit guter Mittelqualität. — Man könnte nun leicht zu meinen geneigt sein, daß, soweit es sich ganz allgemein um die Beschaffenheit des Haarkleides der Fı-Lämmer handelt, bereits beide Elternformen neben verschiedenen Übergangstypen in dieser ersten Kreuzungsgeneration erscheinen würden. Dies wäre jedoch ein Irrtum. Wohl erscheint die typische Karakullocke, also die eine Elternform, in Fı, keineswegs jedoch finden wir das echte Lammvlies der Rambouillets. Denn auch die völlig lockenfreien Fı-Lämmer zeigen niemals jene charakteristische Wollbeschaffenheit, welche die reinblütigen Rambouilletlämmer auszeichnet. Geht man nämlich auf die Elemente des Vlieses, die Wollhaare ein, dann findet man, daß zwar jene der Karakulrasse, jedoch nicht jene der Rambouillets in Fı auftraten. Diese Tatsache ist deshalb wichtig, weil sich hieraus bereits ein nicht unwichtiger Hinweis auf den rezessiven Charakter der Lammwolle der Rambouillets gegenüber jenen der Kara- kuls ergibt. A 168 Adametz. Tabelle I. Vliesbeschaffenheit der Karakul-Rambouilletlämmer (Fı-Generation). | 5 2 is Geboren Zuchtnummer . Ee 5 E |$ fees ut Beschaffenheit des Vlieses s E oe ep = = |d. Karakul- 885 beim neugeborenen Lamme Sl E 8 ie AlS|s bockes SS (lockenfrei, gewellt oder gelockt) 1.| ab) | 9 | 22.) XII. 1905| 1oder4 |R.5| Lockenfrei. 2., b og |25. XII. | 1906] 1oder4 |R.4|\ Lockenfrei. 3.| e 925. XII.) 1906] 1 oder4 | R.4|J Beginnende Lockenbildung. 4.| d © 113. IH.|1907| 1oder4 | R.5] Lockenfrei. 5.) X4 || 4 IV. 1905] Loder4 |R.4| Leicht gewellt. 6.) xX7 | 3.) XI. 1905| 1oder4+ |R.1|\ Gewellt. 7.| e Sg | 3. XII. 1905] 1oder4 | R.1|J Beginn der Lockenbildung. 8.| x8 192] 4 I. 1906| 1oder4 |'R.4| Lockenfrei. 9.| x9 IgG |29 I. | 1906 1 oder 4 R. 2 || Lockenfrei. 10.) X10 ]29. I. 1906) 1oder4 | R.2]J Lockenfrei. 11. x 11|5|22.) XII. 1905] 1oder4 | R.5| Lockenfrei. 12.| X12 | 7417.) IV.|1906] 1oder4 |R.6| Lockenfrei. 13.) X13 | 9']10.) VI. 1906| 1oder4 | R.3 |) Lockenfrei. 14.| X14 2710.) VI. 1906] 1oder4 | R.3|J Lockenfrei. 15.) X15 ,9 | 1./VIIE 1906| 1oder4 R.5| Lockenfrei. 16.| x16 |g'|16.| III. | 1907 loder4 \,R.1| Lockenfrei. 17. | X18 |) ©| 7. IX. 1907| 1oder4 | R.3| Beginn der Lockenbildung (weiche, | | „offene“ Locke). 18. %20 | ]17. 1V. 1908|202 oder 214 R.6| Gleichmäßige, gute Karakullocke | (gute secunda). 19. | x2ıld 18. IV. 1908 | 202 oder 214 R.1| Mittelgute Karakullocke (secunda). 20.) % 23 | 5 |23.| III. 1908 |202 oder 214 | R.4| Karakullocke (secunda). 21. %27 | S| 6. III. 1900| Nr. 201 R.4| Vorhand: mindere Lockenbildung. | | : Hinterhand: Beginn der Locken- bildung. 22.| %29 | 7] 8. II. 1909| Nr.201 | R.6] Geringe Karakullocke. 23.| X32 | 3 |27. IV. 1910] 201 oder 214 | R. 4 | Wellige Beschaffenheit bis senk- | | rechte Spirallocke. 24. x33 | Q 127. IV. 1910|201 oder 214 | R.4 |) Schwach gewellt. 25.) x35 | 9 |24.| II. | 1911 Nr. 214 | R.4| Vorhand: geringe Locken. Hinter- hand: großgewellt. 39 | 7126.) ID. 1912| 8.68 2 ZB ockenfrei. 27.) x40 |J|26.. I..1912| 8.68 „AL 4 |J Lockenfrei. *) Das Kreuzungslamm a) ist ein Zwilling zu X Nr. 11. Sonst wurden die Zwil- linge durch eine ihre entsprechenden Daten verbindende Klammer des rascheren Er- kennens wegen gekennzeichnet. Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 169 Die bloße Feststellung der Abwesenheit der Vlieslockung genügt, wie man sieht, zum richtigen Verständnisse der hier herrschenden Ver- hältnisse durchaus nicht. Weil die Art und Beschaffenheit der Woll- haare am neugeborenen Lamme beider in Frage kommender Rassen zur richtigen Beurteilung der auftretenden Vliesformen notwendig ist, so muß ich mir gestatten, mit wenigen Worten auf sie einzugehen: Die echte Karakullocke besteht aus verschieden dieken Wollhaaren, welche durch eine Krümmung ausgezeichnet sind, die ich vielleicht zur An- schauung bringe, wenn ich sie mit einem unregelmäßig ausgeführten, nicht in einer Ebene liegenden Fragezeichen bezeichne. Oder noch besser: Man stelle sich eine Sichel vor, an welcher einerseits der Griff, andererseits das Sichelblatt, und zwar beide nach verschiedenen Seiten hin verbogen worden sind. Im Gegensatze zum normalen Sichelblatte, durch welches man sich eine Ebene gelegt denken kann, tritt also hier die Spitze und ein Teil des Sichelblattes aus dieser Ebene heraus und bilden den Anfang der Spiraldrehung des Haares. So ungefähr also sieht ein isoliertes Wollhaar einer guten Karakullocke aus. Das Vlies wenige Tage alter Rambouillet-Lämmer hingegen setzt sich aus sehr feinen, in ihrer Dieke geringere Unterschiede aufweisenden Wollhärchen zusammen, welche, weil zu diesem Zeitpunkte noch nicht zu Strähnchen verbunden, bei schwacher Vergrößerung folgendes Bild zeigen: Die einzelnen Wollhaare sind an verschiedenen Stellen ihrer Länge ungleich, jedoch eng gewellt und vollführen in ihrem Verlaufe überdies ab und zu noch eine einmalige Spiraldrehung. Beugungen, die überdies nicht in einer Ebene liegen, wechseln somit mit Umdrehungen im Verlaufe eines jeden Wollhaares bei jungen Rambouillet-Lämmern ab. -Diese typische Beschaffenheit der Wolle junger Rambouillets konnte ich unter den Fı-Lämmern überhaupt nicht feststellen. Nun liegt natürlich die Frage nahe: welcherart die Wollbeschaffenheit jener völlig locken- freien Fı-Lämmer gewesen ist? Die Antwort lautet, daß sie jener bei gewissen Zackelschafen vorhandenen glich. Schon im Vliese dieser neugeborenen Bastarde machte sich der Mischcharakter geltend, weil neben kürzeren, feineren, unregelmäßig gewellten Wollhaaren die gröberen, längeren und ganz flachwelligen Elemente die kräftigen Grannenhaare bezeichneten. — Hinsichtlich der Haardichte und des gegenseitigen Verhältnisses flaumiger und grannenartiger Elemente wurden keine speziellen Beobachtungen gemacht, weil gerade diese Verhältnisse auch bei den verschiedenen Zackelzuchten außerordentlich variabel sind. 170 Adametz. Beachtet man nun den Umstand, daß eine solche zackelartige Vlies- beschaffenheit, wie sie die lockenfreien Fı-Lämmer unseres Versuches zeigten, weder bei der Karakulrasse, noch bei den Rambouillets vor- kommt, so liegt die Annahme nahe, daß es sich hier um einen der bei Rassenkreuzungen keineswegs seltenen Fälle von Kreuzungs- atavismus handeln muß. Unter allen Umständen liegt somit bei der Vererbung der Locken- bildung ein typischer Fall der bei Haustieren wiederholt beobachteten sogenannten unvollkommenen Dominanz vor, die bekanntlich der Erklärung manche Schwierigkeit bietet. Hier möchte ich noch erwähnen, daß ich im Verlaufe der Arbeit manchmal die Bezeichnung „glatt“ angewendet habe. Damit meine ich natürlich allein die Abwesenheit jeglicher Lockenbildung im Vliese, je- doch durchaus nicht etwa das Vorkommen schlichter Haare am Vliese. Der erste Anlauf zur Lockenbildung wird durch eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Wellung, die an der Oberfläche des Vlieses sichtbar ist, ausgedrückt. — Die Krümmung der die Welle bildenden Haare ist dann nur eine sehr flache. Ein solches Haar stellt nur ein schwach gebogenes Teilstück einer stark auseinandergezogenen Spirale vor. Diese am Vliese neugeborener Kreuzungslimmer zum Ausdruck ge- langende „Wellung“ hat natürlich nichts mit jener Wellung, jenem wellenförmigen Gebeugtsein zu tun, welche ich weiter oben bei den Wollhaaren der Rambouillet-Lämmer beschrieben habe und welche an den Strähnchen edler Merinowolle älterer Tiere besonders schön aus- gebildet ist. — Diese letztere Wellung ist natürlich am Vliese selbst, bei der Draufsicht, gar nicht zu sehen. Daß die an den Vliesen der Karakulbastarde beobachtete Wellung tatsächlich den Beginn der Lockenbildung vorstellt und das Vorhanden- sein jener die Spiraldrehung des Haares auslösenden Kraft anzeigt, läßt sich aus mehreren Tatsachen erschließen. Einmal zeigen die Vliese reinrassiger Karakullämmer im nicht völlig ausgetragenen Zustande (d. h. also noch ungeboren) und zwar natürlich nur in einem bestimmten Stadium, eine ähnliche, wellige Beschaffenheit. (In der züchterischen Praxis bezeichnet man diese Felle als Übergänge zu Breitschwanz, welch letzteres Fell bekanntlich von in ziemlich frühem Stadium abortierten Karakulfrüchten herrührt.) Andererseits findet man bei Kreuzungen öfter Übergänge von der Wellung zur zunächst mangelhaft gebildeten Spirallocke. Es kommt auch gar nicht so selten Wellung in Verbindung mit teils geringen, teils Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 171 eut entwickelten Spirallocken am selben Vliese vor. — Ich verweise z. B. nur auf das Verhalten der Vliese von X Nr. 32 und X Nr. 35 der F,-Generation, wo diese Erscheinung sehr schön sichtbar ist. Überdies kann man bei Kreuzungstieren manchmal die Beobachtung machen, daß sich aus welliger Vliesbeschaffenheit bei der Geburt später (nach 2—3 Wochen) noch eine richtige Lockenbildung herausbildet, so daß es (obschon es sich hier nur um weiche Locken von geringer Qualität handelt) entgegen der Regel nachträglich doch noch zu einer Verbesserung in dieser Beziehung kommt. Ein Beispiel für diesen Fall liefert X Nr. 19 der F2-Generation. Der klarste Beweis jedoch für den engen Zusammenhang, der zwischen flacher Wellung und Spirallocken besteht, ergibt sich aus dem Verhalten älterer reinrassiger Karakullämmer mit ursprünglich besonders edler Lockenqualität. Solche Lämmer zeigen im Alter von ca. 1/2 bis »/, Jahren folgende Vliesbeschaffenheit: Die einzelnen, das Vlies bildenden Zotten zeigen am Grunde und in der Mitte ihrer Länge nur mehr eine weit- und flachwellige Beugung, während die Spitzen noch deutlich spiralie (korkzieherartig) gedreht sind. Die edle, liegende Karakullocke verwandelt sich eben, wie ich schon früher ausführte, zunächst in stark ausgezogene, korkzieherartige Locken, um noch später in Zotten überzugehen, welche die spiralige Drehung nur mehr an der Spitze besitzen, während Ursprung und Mitte derselben tatsächlich einen flachwelligen Verlauf zeigen. Die Wellung der Kreuzungsvliese bringt also die heterozygote Beschaffenheit der betreffenden Tiere zum Ausdrucke. — Für einen Zusammenhang zwischen flacher Wellung und Kräuselung des Haares sprechen dann auch die Ermittlungen der beiden Davenports!) und die interessanten Beobachtungen E. Fischers”) an menschlichen Haaren. Bei der Untersuchung der Rehobother Bastards, welche aus einer Kreu- zune von schlichthaarigen Europäern mit Hottentotten von charakte- ristisch spiralig gedrehtem Haarwuchse hervorgegangen sind, fand nämlich Fischer Individuen mit flach- oder weitwelligem Haare in ziemlich be- trächtlicher Anzahl. Was nun die eigentliche, aus spiralig gedrehten Haaren zusammen- gesetzte Lockenbildung anbelangt, so tritt dieselbe in der F;-Generation 1) Gertrude und Charles Davenport. Heredity of hairform in Man. The American Naturalist Vol. X, L. II. 1908. 8. 341—349. ®) Die Rehobother Bastards und das Bastardierungsproblem beim Menschen. Jena. G. Fischers Verlag 1913. 172 Adametz. bereits in recht verschiedener Weise auf. Es kommen senkrecht ge- stellte, korkzieherartig gewundene Spirallocken und ebenso liegende, echte Karakullocken vor. Beide treten in recht verschiedenem Voll- kommenheitsgrade auf. Dort, wo speziell die letzteren auftraten, wurde die Pelzqualität der betreffenden Vliese (am lebenden Tiere) von uns genau in derselben Weise am Tage nach der Geburt der Lämmer beurteilt, wie dies bei den reinrassig gezogenen Karakuls unserer Herde erfolgte. Die Be- zeichnung „secunda* z. B. bedeutet in unserem Bonitierungsschema eine Lockenqualität, welche, am reinrassigen Karakullamme festgestellt, bereits eine mittlere Güte seines Vlieses bedingt. Solche Felle stellen bereits gutes Pelzwerk vor und werden im Großhandel mit ca. 20 Kronen und darüber gehandelt. Felle dieser Qualität finden sich auch in Bochara bei reinrassigen Tieren öfters und in manchen Herden stellen sie pro- zentisch wohl die Hauptmenge vor. Ausdrücklich muß ich bemerken, daß wir im Laufe der Jahre durch Beurteilung von vielen Tausenden von Originalfellen und von vielen Hunderten von Kreuzungsfellen, die teils von uns, teils von befreundeter Seite gezogen worden sind, eine entsprechende, diesbezüglich unbedingt notwendige Übung erlangt hatten. Als wichtiges Gesamtresultat ergibt somit die Prüfung der Fell- beschaffenheit der Fı-Generation unserer Karakul-Rambouillet-Kreuzung die Feststellung, daß neben Individuen, die keinerlei Lockenbildung zeigen, also vollkommen glatt erscheinen, auch solche auftreten, welche echte Karakullocken von durchaus guter Beschaffenheit besitzen, wie z.B. X Nr. 20, und daß endlich zwischen diesen Extremen alle Über- gänge vorhanden sind. Der Vollständigkeit halber muß aber noch erwähnt werden, daß das Vlies jener als glatt bezeichneten Kreuzungslämmer nicht die Be- schaffenheit und den Charakter des Vlieses reinblütiger Rambouilletlämmer besaß. Ein Rambouilletlammvlies kam kein einziges Mal zur Erscheinung. Das Vlies unserer lockenfreien Kreuzungslämmer stellte gewissermaßen eine neue Art von Vlies vor, da es mehr den Charakter gewisser Zuchten der Zackelrasse hatte. Vielleicht könnte man hier auch von Kreuzungs- atavismus sprechen, weil ja bekanntlich von manchen Zootechnikern eine gewisse, auf Abstammung beruhende Verwandtschaft zwischen Karakuls und Merinos und auch den Zackeln angenommen wird. — Die Zusammen- stellung der verschiedenen Erscheinungstypen an den Kreuzungsversuchen liefert foleendes Resultat: Über dir Vererbungsweise der Karakullocke usw. 173 . Glatte (also lockenfreie) Viese . . . . . = 14 Individuen; a Gewelltesvilliese Er Fee ese a Zend 3. Beginnende Lockenbildung bis Spirallocken von verschiedenen Graden der Vollkommenheit. . = 6 4. Eigentliche Karakullocken von knapp mittlerer bis übermittlerer Qualität . . . a 5 (Unter den Vliesen der letzten Art befand sich 1 Stück von über- mittlerer Qualität.) Über Dominanz oder Rezessivität der fraglichen Merkmale läßt sich zunächst kein Urteil bilden. Ein etwas verändertes Bild erhält man, wenn man die Abstammung der F,-Lämmer väterlicherseits in Betracht zieht. Die Mütter kommen, weil überall dieselben verwendet worden sind, hier nicht in Betracht. Die ersten 17 Liimmer der F,-Generation stammen von zwei rein- rassigen Karakulböcken (Nr. 1 und Nr. 4)!) ab, welche aus einer gut geführten, verläßlichen, südrussischen Zucht erworben worden waren. Wegen des durch sie erzielten Resultates muß hervorgehoben werden, -daß sie sich bei der Karakul-Reinzucht in Gr.-Enzersdorf als gut durch- gezüchtete wertvolle Zuchttiere erwiesen haben. Ihre bei uns erhaltenen reinblütigen Lämmer wiesen im Mittel so hohe Pelzqualitäten auf, daß Dr. Duré deren Überlegenheit über jene mancher bocharischen Karakul- herden, besonders des südlichen Zuchtgebietes, feststellen konnte. Unter den Nachkommen dieser beiden Karakulböcke überwiegt nun ganz auffallend die glatte Fellbeschaffenheit; eine auch nur halbwegs annehmbare Lockenqualität existiert hier nicht und als Karakulfellchen käme kein einziges in Betracht. Das Zahlenverhältnis lautet hier: 12 Individuen mit glattem Vlies, 2 Individuen mit gewelltem Vlies und 3 Individuen mit beginnender Lockenbildung. — Nach dem Ausfall dieser Kreuzungen könnte man vermuten, daß eher die glatte Fellbeschaffen- heit den Charakter der Dominanz besäße. Ähnlich verhält es sich mit den beiden Kreuzungslämmern nach dem in Gr.-Enzersdorf gezogenen Karakulbock S. 68; beide Lämmer hatten ein vollkommen glattes Vlies. — Bei den Versuchen, S. 68 zur Karakulreinzucht zu verwenden, erwies er sich als nicht imstande, jene gute Fellqualität zu vererben, welche er als Lamm besessen hatte. !) Beide Böcke gingen mit der Herde der Karakulmutterschafe, denen auch die Rambouillet-Mütter zugeteilt waren; aus diesem Grunde läßt sich der Anteil eines jeden von beiden an den Zuchtresultaten nicht feststellen. 174 Adametz. Seine biologische Formel bezüglich der Lockenbildung dürfte durch den influß von mütterlicher Seite (ein bocharisches Importschaf) ungünstig beeinflußt gewesen sein. Vollkommen anders hingegen verhält sich die Nachkommenschaft der beiden Original-Karakulböcke Nr. 201 und Nr. 214. Beide wurden im Jahre 1907 von meinem früheren Assistenten, Herrn Dr. Max Dure, auf den nördlichen Steppen Bocharas aus edlen Herden, deren Lämmer in bezug auf ihre Pelzqualität vorher geprüft worden waren, ausgesucht und gekauft. Von 8 Kreuzungslämmern nach diesen Böcken besaß kein einziges ein glattes Vlies, und nur eins war gewellt (X Nr. 33). Beginn der Lockenbildung bis geringe Karakullocke zeigten die Vliese von 4 Indi- viduen. Endlich trugen die Vliese von 3 Kreuzungslämmern mitteleute bis übermittelgute Lockenqualität (X Nr. 23, X Nr. 21 und X Nr. 20). Würde man dies Kreuzungsresultat für sich allein betrachten, so müßte man wohl zur Ansicht gelangen, daß die Fähigkeit zur Locken- bildung als dominant gegenüber der lockenfreien Fellbeschaffenheit an- zusprechen wäre. Der praktische Züchter würde in diesem Falle von den Böcken als mit einer größeren Durchschlagskraft versehen gesprochen, und eine bei ihnen vorhandene größere Individualpotenz angenommen haben. Eine Berücksichtigung des Gesamtresultates der von den fünf be- nutzten Karakulböcken erzielten Vliesbeschaffenheit an den Fı-Kreuzungs- lämmern zeigt demgegenüber klar und deutlich, daß wir es hinsichtlich der Vererbung der Fähigkeit zur Bildung der Karakullocke mit einem typischen Falle unvollkommener Dominanz zu tun haben. Hierbei ist man vorläufig, bei bloßer Berücksichtigung der Fı-Generation nicht in der Lage, sicher zu entscheiden, ob die Fähigkeit zur Lockenbildung, oder jene zur Bildung lockenfreier Vliese dominanten Charakter besitzt. Um nun womöglich zu einer Entscheidung darüber zu gelangen, welche von beiden Eigenschaften sich im Mendelschen Sinne als domi- nant, und welche als rezessiv verhält, muß die diesbezügliche Fell- beschaffenheit der Fs-Generation untersucht werden. Ein Blick auf Tab. II zeitigt folgendes Ergebnis: 1. Lockenfreie Vliesbeschaffenheit fehlt vollkommen; 2. Sehr schwach bis gut gewellte Vliese kommen hier bei neuge- borenen Lämmern viermal vor; (X Nr. 17, X Nr.19, X Nr.22 und X Nr. 31); eines davon (X Nr. 17) ist in Verbindung mit korkzieherartigen, weichen Locken am Halse: bei zweien (X Nr. 19 und X Nr. 22) bessert sich das Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 17: | Vlies nach 2—3 Wochen, so daß es sogar bis zum Beginne der Locken- bildung kommt. Ähnliche Beobachtungen über Veränderung eines be- stimmten Merkmales während der Entwickelung von Tieren wurden be- kanntlich oft gemacht. Bei X Nr. 31 tritt jedoch keine Besserung ein. Tabelle Il. Vliesbeschaffenheit der Fo-Limmer der Karakul- Rambouillet-Kreuzungen (Fı mal F}). = DesTieres} Geboren Des Bockes Der Mutter BESSHAFENHeTTeR 8 oe |e = = Lamm- | = } Lammvlieses 3 E e = | = = = = ee (lockenfrei, ge- | 8 |& Steh ee g hae & CBC LE ELE TLE wellt od. gelockt) | 1.|x 17 | 18. TIL. 1907| X 4 leicht %x8| lockenfrei Gewellt (am Halse | | gewellt | Korkzieherlocken) 2.)% 19) | 6.\II1.|1908| X 4| leicht X%8) lockenfrei Leicht gewellt (nach gewellt 3 Wochen besser, Beginn der Locken- |. | bildung) 3.1x22| 5 ] 18.) IV.1908| x4) leicht |X15| lockenfrei' | Gut gewellt (nach 2 | | gewellt Wochen Beginn der | | Lockenbildung) 4.1xX24!9 | 4.| 11.1909] X 16 | lockenfrei x8 lockenfrei Vorhand: Spiral- | locke; Hinterhand: Karakullocke | (knapp secunda) 14 | lockenfrei Karakullocke x( 16 | lockenfrei | | | (secunda) 6.| X 261 10.| II.) 1909] X 16 | lockenfrei| X 18 | Beginn der | Karakullocke | | | Lockenbildung (secunda) 15 | lockenfrei Kleine Ringellocken, dazwischen Haar- x( | | 5.| x 25) 7} 5.| 11.1909 | | | -ı x to & x( & | #. VI. 1909| X 16 lockenfrei büschel ohne Lockenbildung (Mosaik-Charakter ?) 8.1%80|g5| 9. 111.1910) X 23 Karakul- |% 15 | lockenfrei Übergang zurLocken- h locke | bildung bis geringe | | | Karakullocke 9.1% 31) 11.111 1910] % 23 Karakul- | % 18 Beginn der | Sehr schwach gewellt | locke | Lockenbildung 10. X38 | f' 26. IL. 1912 x23 Karakul-|% 18! Beginn der | Gewellt bis lockere | | locke Lockenbildung| Spirallocke 3. Beginn der Lockenbildung zeigen zwei Vliese. X Nr. 38 be- sitzt neben gewellten Partien bereits weiche Spirallocken. Bei X Nr. 30 176 Adametz. kommt es bereits zur Bildung weicher, unvollkommen geschlossener, somit geringer Karakullocken. Solche Formen kommen auch bei echten Fellchen aus Bochara vor. 4. Ein merkwürdiges Bild zeigt das Vlies von X Nr. 28. Hier sind vorwiegend kleine enge Spirallocken vorhanden, zwischen denen Büschel von höherstrebenden wolligen Haaren auftreten, denen jede Lockenbildung fehlt. Man wird zur Vermutung gedrängt, daß es sich hier vielleicht um eine Art von Mosaikbildung handelt. Ich möchte mir erlauben, diesen Fall mit einer Beobachtung E. Fischers an den Rehobother Bastards in Parallele zu setzen. Seite 106 des zitierten Werkes heißt es: „Eine ganz eigentümliche Haarform, die einmal fest- gestellt wurde, muß hier noch besonders erwähnt werden. Ein 7 jähriger Bursche hatte förmliche „Grannenhaare“! Das Haupthaar war im ganzen dicht kraus, als eng sich berührende Klumpen lagen die Haargruppen beisammen, ein gleichmäßiges Vlies; dazwischen standen nun, das Vlies überragend, einzelne, längere, schlichte Haare, je 3—4 em lang (um 2— 3 cm über die anderen vorragend). Es bot das Aussehen, wie es gewisse Pelze mit Unter- und Grannenhaar haben! Ob man an die gleichzeitige Vererbung zweier Haarsorten denken darf, also an schlichtes Europäer- und krauses Hottentottenhaar?“ Auch hier scheint es sich um eine Art von Mosaikbildung zu handeln und die von E. Fischer aufgeworfene Frage dürfte wohl be- jahend zu beantworten sein. 5. Schließlich findet man drei Vliese mit mehr oder weniger guten Karakullocken. Die Fellchen X Nr. 25 und X Nr. 26 haben eine mittlere Pelzqualität, wie sie auch an Originalpelzchen der Karakulrasse häufig vorkommt; sie würden im Pelzhandel fragelos als Mittelqualität gehen. Das Vlies von X Nr. 24, das wir als mindere secunda bezeichneten, hat in der Vorhand vorwiegend senkrechte Spirallocken, während die Mittel- und Hinterhand aus großen flachen und mäßig guten Karakul- locken besteht. Zum Verständnisse der hier öfters erwähnten Verschiedenheit der Lockenart und Lockenqualität in Vor- und Hinterhand muß ich erwähnen, daß dieselbe, wenn vielleicht auch in quantitativ geringerem Grade, doch so häufig auch an reinblütigen Karakullämmern auftritt, daß ich sie geradezu als der Regel entsprechende Erscheinung ansehen möchte. Felle mit nach jeder Richtung hin vollkommener Gleichartigkeit der Lockenform, des -Schlusses und der Gleichartigkeit in Vor- Mittel- und Hinterhand usw. sind auch in Bochara sehr selten und werden dann bereits dort mit Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 17 enorm hohen Preisen (bis zu 100 Rubel) bezahlt. Sie gehen zunächst auch nach Persien oder nach anderen Ländern Asiens und nur ausnahms- weise nach Europa. Auffallend ist endlich das Fehlen von erstklassigen Lockenqualitäten am Vliese der 10 Stück Fs-Individuen. Weil doch immerhin besonders edle Vertreter der Karakulrasse (z. B. die Originalböcke Nr. 201 und Nr. 214 als Großväter von X Nr. 30, X Nr. 31 und % Nr. 38) unter den Vorfahren unserer F2-Liimmer vorhanden sind, so sollte man eigentlich voraussetzen, daß ein oder das andere Mal auch eine Primaqualität von Karakullocke hätte erscheinen sollen. Dies war jedoch nicht der Fall. Die Lockenqualität der Fs-Lämmer reicht über jene der Fı-Generation nicht hinaus, ja erreicht sogar speziell jene des F;-Lammes X Nr. 18 nicht ganz. Beachtenswert ist zunächst einmal die Feststellung, daß fast alle in F, auftretenden Vliese hinsichtlich des Lockencharakters mehr weniger die verschiedenen Übergangsmerkmale zwischen den beiden Ausgangs- rassen vorstellen, und daß zwar die Rasseneigenschaft der Karakuls (die charakteristische Locke am Lammvliese) wiedererscheint, jedoch nur in einem mittleren Grade der Vollkommenheit. Die eigentlichen End- glieder der Kette, nämlich die ganz lockenfreie (glatte) Beschaffenheit einerseits, und die Primalocke der Karakuls andererseits fehlen. Sonst zeigt die Beschaffenheit der F2e-Generation einwandfrei, daß es sich bei der Vererbung der Lockenbildung um eine mendelnde Eigenschaft handelt; diese Feststellung ist deshalb wichtig, weil man nach dem Verhalten der Fellqualitäten innerhalb der Karakulreinzucht doch vielleicht geneigt sein könnte zu meinen, es herrsche hier ähnlich wie beim Kaninchenohre eine intermediäre Vererbung, obschon ja auch dieser Fall bekanntlich eine andere Deutung zuläßt. Den Beweis für das eben Gesagte (Vorhandensein nur der mittleren, bzw. Fehlen der äußersten Glieder der Aufspaltungsreihe) soll folgende Zusammenstellung der F2-Generation liefern: Tabelle III. Lockenqualitäten der Fs-Kreuzungslämmer. Vlies gewellt Beginn : Küraknllacke ; der Lockenbildung Mosaik- we DER In- Pens 2 } Karakul- | dividuum gering Mittel- schwach | deutlich | Spiral-Locke | Locke | (u. Spirallocke)| qualität 1 3 1 1 1 1 2 — —_- —— | 4 2 1 3 Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 12 178 Adametz. Demnach würde die zahlenmäßige Aufspaltung hinsichtlich der Phänotypen entsprechend der Tabelle etwa lauten: 0:4:2:1:3:0, wobei die linksstehende Null das Fehlen der lockenfreien Vliese, und die rechtsstehende das Fehlen der hochentwickelten Karakullocke bester Qualität bedeutet. Berücksichtigt man, daß ein Vlies unter den deutlich gewellten es später zum Beginn der Lockenbildung brachte (X Nr. 19), daß man dies Individuum daher ebenso wie das Mosaikindividuum füglich zur zweiten Gruppe unserer Einteilung rechnen kann, und endlich, daß man eventuell auch das eine von den drei Vliesen mit Karakullocken, weil nur von minderer Qualität, zur genannten Gruppe stellen darf, dann wäre das Zahlenverhältnis der Hauptgruppen folgendes: 0:3:5:2:0. Mit Rücksicht auf die schwierige, weil unsichere Deutung und Zu- weisung der einzelnen Vliesqualitäten zu den Hauptgruppen, und be- sonders wegen des völligen Fehlens der lockenfreien Type, will ich von jedem gekünstelten Versuche, die ziffermäßige Aufspaltung theoretisch zu fassen, absehen, um so mehr als die zur Verfügung stehende Zahl der F>-Tiere eine so geringe ist. Trotzdem kann man mit voller Sicherheit behaupten, daß hier komplizierte Verhältnisse vorliegen müssen, und daß ganz bestimmt mehr als ein Faktor für die Entstehung der Karakullocke in Frage kommt. Wäre nämlich nur ein einziger Faktor maßgebend, so müßte doch die lockenfreie Vliesbeschaffenheit zum mindesten in 1/, der Fälle in Fs vorhanden sein, gleichgültig ob deren Vererbung nach dem Pisumtypus oder dem Zeatypus verläuft, und gleichgültig auch ob diese Eigenschaft des Vlieses dominanten oder rezessiven Charakter besitzt. Selbst die Annahme von zwei Faktoren erscheint nicht ausreichend, weil dann, unter der (naheliegenden) Annahme, daß die lockenfreie Vliesbeschaffenheit sich rezessiv verhält, sie unter je 16 Lämmern der F>-Generation mindestens einmal auftreten müßte. Leider haben wir eine zu kleine Zahl von Fs-Lämmern, um hierauf eine positive Antwort zu erhalten. ‚Jedoch spricht die bei Karakulkreuzungen, wie auch bei der Karakulreinzucht zu beobachtende auffallend große Zahl von Gruppen bestimmter Lockenqualitäten (Phänotypen) gegen diese Annahme. Auch das Verhalten der Fı-Individuen in unserem Versuche darf nicht über- sehen werden. Vorläufig läßt sich bezüglich der Faktorenzahl nur behaupten, daß mindestens zwei, höchst wahrscheinlich aber mehr Faktoren am Zustande- Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 179 »kommen der edlen, vollkommenen Karakullocke beteiligt sein müssen. Die Verhältnisse liegen also sichtlich komplizierter wie beim Lockenhaar der Europäer (nur ein Faktor Davenports) und beim spiralig gewundenen Kraushaar der Hottentotten, für dessen Zustandekommen E. Fischer mit zwei Faktoren reichlich das Auslangen findet. Was die Frage nach der Dominanz bezw. der Rezessivität der beiden in Frage kommenden Eigenschaften betrifft, so bietet auch das Verhalten der Fs-Generation, wie ersichtlich, keinen sicheren Aufschluß. Immerhin läßt hier (in F2) das ausschließliche Vorkommen mehr oder weniger weit gediehener Lockenformen den Schluß zu, daß dies Rassen- merkmal der Karakulschafe Dominanz besitze, während das völlige Fehlen der lockenfreien Vliesbeschaffenheit bereits die Vermutung ge- stattet, daß sich dieselbe im Mendelschen Sinne als rezessives Merk- mal verhalte. Man gestatte mir die vorgreifende Bemerkung, daß hierfür auch der Ausfall einiger Rückkreuzungen (F; mit reinrassigem Karakul- bock), sowie das Resultat einiger indirekter Schlußfolgerungen sprechen. Nichtsdestoweniger muß das vollkommene Fehlen lockenfreier Vliese in der Fs-Generation ganz besonders unangenehm empfunden werden, entgeht uns doch auf diese Weise die Möglichkeit, durch Kreuzung von F>-glatt mit Fs-glatt und Beobachten der Produkte den endgültigen Be- weis für die wahrscheinliche Rezessivität der lockenfreien Vliesbeschaffen- heit zu erbringen. Ehe ich die Besprechung der F2-Generation ende, möchte ich mir noch gestatten, auf einige interessante Resultate dieser Kreuzung zurück- zukommen. Beachtenswert sind z. B. die Kreuzungstiere Nr. 24 und Nr. 25. Beide besitzen charakteristische Karakullocken und speziell Nr. 25 weist auch eine bereits mittelgute Pelzqualität auf, obschon sie von Böcken stammen, die — ebenso wie die Mütter der Lämmer — keine Spur einer Lockenbildung am Lammvlies gezeigt haben. Das heterozygote Glatt (Lockenfreisein) mit dem heterozygoten Glatt lieferte somit richtige Karakullocken. Auch X Nr. 28 stammt von durchaus glattvliesigen Eltern ab und verfügt doch über eine gewisse, wenn auch ungleichmäßige Fähigkeit zur Lockenbildung. Andererseits wiederum liefern zwei mit Lockenbildung ausgestattete heterozygotische Eltern ein Produkt (X Nr. 31), welches durch sein schwach welliges Vlies nur eben die Anlage der Fähigkeit der Lockenbildung erkennen ließ. Daraus ergibt sich somit ebenfalls wiederum die wahrscheinlich heterozygotische Beschaffenheit auch dieser bereits mit größerer lockenbildender Kraft ausgestatteten Individuen. 12* 180 Adametz. Aus der Paarung solcher äußerlich nur mit dem einen von beiden Merkmalen ausgestatteten Fı-Heterozygoten spaltete sich also das je- weilig andere in klarer Weise ab. Von irgend welchem intermediären Verhalten ist keine Rede, wohl aber ist die mendelnde Vererbung er- wiesen. Durch das Verhalten der F,- und F2-Kreuzungsgeneration ist aber auch der positive Beweis dafür geliefert worden, dab die Fähigkeit zur Lockenbildung ein streng erbliches Merkmal, und nicht, wie unsere Pelz- händler glauben, eine bloße Modifikation vorstellt. Sie ist eine offenbar durch Mutation entstandene Domestikationserscheinung, keineswegs je- doch im strengeren Sinne des Wortes ein Ausfluß der bocharischen Um- welt, ein Produkt der dortigen Scholle. Tabelle IV. Vliesbeschaffenheit der F;-Lämmer einer Karakul- Rambouillet-Kreuzung (F2 mal F»). eS DesTieres| Geboren Des Bockes Der Mutter Beschaffenheit Ss is = Wee a Vlies- | „ Vlies: des Lammvlieses = S 2 | 2 ® = | 5 5 a er \beschaffenheit (glatt, gewellt oder ai Sala Neil i ee spe eee i als Lamm gelockt) = |S | Lamm Ale i He is || Seer | Ken | alts IV.) 1911]%19| leicht |X 24| Geringe Lockere Spiral- bis | gewellt | secunda- lockere Karakul- | |Karakullocke] locken!) 2.|x42 |} 7. IV. 1912|%31| schwach | X 24 | desgl. Geringe Karakul- | | gewellt locke 3. | x43 || 18./III.| 1913) x 30 | geringe | x 24) desgl. Ziemlich geringe | Karakul- | Karakullocke (als locke | geringe secunda bestimmt) Unter normalen Verhältnissen wäre das Verhalten der F3-Produkte imstande gewesen, interessante und wichtige Aufschlüsse über ver- schiedene einschlägige Vererbungsfragen zu liefern. Leider trifft dies für den vorliegenden Fall nicht zu. Befindet sich doch unglaublicher- weise unter den zehn Stück Fs-Individuen ein einziges weibliches Tier (< Nr. 24), auch kommt das höchstwahrscheinlich rezessive Merkmal der Lockenfreiheit des Vlieses überhaupt nicht vor. Die genaue Be- schreibung des Lammvlieses nun dieses wichtigen weiblichen Tieres x Nr. 24 lautet: Vorhand meist mit Spirallocken, Hinterhand mit großen (flachen) Locken bis Karakullocken versehen. Hieraus ergibt sich die ‘) Hinterhand: gewellt, breitschwanzartiges Aussehen. Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 181 Unwahrscheinlichkeit, daß wir es mit einem bezüglich mehrerer jener die Lockenbildung bedingenden Faktoren homozygotischen Individuum zu tun haben. Auch von den Fs-Kreuzungsböcken standen uns nur solche zur Verfügung, welche dem Verhalten ihres Lammylieses nach zu schließen als Heterozygoten angesprochen werden mußten. Viel In- teressantes konnte unter solchen Umständen aus den wenigen möglichen Kreuzungen nicht erwartet werden. Die Paarung des geschilderten heterozygotischen Mutterschafes X Nr. 24 mit dem Bocke X Nr. 31, der nach dem Verhalten seines Lammvlieses zu urteilen, die Fähigkeit zur Lockenbildung nur eben angedeutet führen konnte, der unter Annahme einer hier herrschenden Polymerie somit von den verschiedenen gleichsinnig wirkenden Faktoren höchstens einen oder den anderen enthalten konnte, lieferte ein Lamm, dessen Vlies zwar deutliche, jedoch in bezug auf Qualität nur geringe Karakullocken trug. Der experimentell erzeugte mittlere Qualitätsgrad der Lockenbildung stimmt ganz gut mit dem auf Grund theoretischer Erwägungen als wahrscheinlich erwarteten überein. Ähnlich verhält es sich mit der Paarung von „geringer Karakullocke“ mit „geringer Ka- rakullocke* (7 Nr. 43). Auch hier kommt ein Fell mit nur geringer Lockenqualität zustande, das jedoch immer noch deutlich besser ist als die zwei vorhergehenden. Es besitzt deutlichen Karakulcharakter und wurde als solches mit „geringer secunda“ bonitiert. Tabelle V. Karakul-Rambouillet-Kreuzungslämmer (Vliesbeschaffenheit der F,-Generation gekreuzt mit der Fs-Generation). = Des Tieres Geboren Des Bockes i Der Mutter Beschaffenheit = or 3 |, th Vlies |", Vlies- des Lammvlieses else \2| 2 5|= [Se |, ceschat 5,2 |beschaffenheit| (lockenfrei, gewellt, S N 2 : ES) nz °IS als Lamm gelockt) 1 34 | | 13. III! 1911] X 19 leicht | %18 Beginn Gewellt bis Spiral- gewellt der Locken- | locke bildung 2.1%36 QO] 27. III) 1911)% 19) leicht |}X%15 lockenfrei | Gewellt bis offene he gewellt Locken 3. | X41 | 7] 9. TIL] 1912] X30 | = &g|%15 lockenfrei | Gewellt bis Spiral- | Se bcs locken 4.] x 44/9 ips: |III.| 1913 | X 30 | 2255 *X15 lockenfrei | Gewellt bis Spiral- | | | 0 5 Bir: locken 5. | x 45 | ret | 18. IIL.) 1913 | x 30 8322 %15 lockenfrei | Karakullocken (ge- ringe secunda) 182 Adametz. Es ist interessant festzustellen, daß alle drei Lämmer dieser F3- Generation sich in ihrer Lockenqualität eigentlich ziemlich intermediär verhielten. Dies läßt wiederum die Annahme wahrscheinlich erscheinen, daß wir es bei der Fähigkeit zur Bildung der Karakullocke mit mehreren gleichsinnig wirkenden Faktoren zu tun haben. Ähnlich wie bei F3 beobachtet man auch bei mehreren dieser F, < F»s Kreuzungen ein scheinbar intermediäres Verhalten in der Locken- bildung. Dies gilt für die Kreuzungstiere Nr. 34, Nr. 41 und Nr. 44. Anders beschaffen sind die Kreuzungsindividuen Nr. 36 und Nr. 45, wo bei der Paarung von „leicht gewellt“ X „heterozygotisch lockenfrei* und von „sehr geringer Karakullocke“ X „heterozygotisch lockenfrei“ bessere Lockenformen herausmendeln als die Eltern besessen hatten, nämlich „gewellt bis offene Locke“ bezw. „Karakullocke“ von der Qualität „geringe secunda*. Diese beiden Fälle gleichen bezüglich ihrer Resultate den Fı X Fı Kreuzungen. Tabelle VI. Rückkreuzungen (Paarung von Fı (2) mit der Karakulrasse (J). Des Tieres (Geboren Des Bockes. Der Mutter j Hosier % 15) lockenfrei | Geringe Spiral- locken bis geringe Röhrenlocken x15 lockenfrei | Unentwickelt ge- boren, fast unbe- haart! lockenfrei | Spirallocken bis ge- ringe Karakul- locken 3. | x 48 | & | 18.| IV.) 1914 Karakulbock D. 4.| x 49 | J} 18.| IV.| 1914 A zs ee: c S a B= aie ind ie a WES des Lammylieses OOS lee SU Th || Zei pests eschaf- | = = , 5 "k i = & Zz = a = 2 cis fenheit als gr u aS = ann ‚ als Lamm g 1.| X 46 9131. V.| 1913 x35 Geringe Karakullocke - Locken- — sekunda | bildung 2.) x47 J | 14.! VI.) 1913 x18 Beginn Karakullocke | | | der Locken- — gute secunda bey bildung (weiche, offene Locken) } OU | | 1.]IIL.| 1915 XL | | x( or oO +O Prima Qualität (Bohnen- und Röhrenlocken) Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 183 Zur Rückkreuzung der Mütter von der F,-Generation wurde ein guter reinrassiger Karakulbock aus der Zucht des Herrn Dr. M. Dure verwendet. Derselbe stammte wieder von einem als Lamm in Bochara gekauften ganz erstklassigen Bocke ab, der nach seinen vorzüglichen Produkten in drei verschiedenen Wirtschaften Mährens und Ungarns zu schließen bezüglich der Lockenbildung') entschieden homozygotisch ge- wesen sein muß. Die verwendeten Mutterschafe der F}-Generation waren bezüglich ihrer Lammpelzqualitäten teils von sehr schlechter Be- schaffenheit (z. B. X Nr. 15 mit völlig lockenfreiem Vlies), teils hatten sie das Stadium der beginnenden Lockenbildung gerade erreicht (wie X Nr. 35 und X Nr. 18). Von den fünf erhaltenen Lämmern muß X Nr. 49, weil unent- wickelt und fast haarlos (als Zwilling) totgeboren, ausgeschaltet werden. Die restlichen vier Lämmer zeigen ein den theoretischen Er- wartungen vollkommen entsprechendes Verhalten, weil die Hälfte x Nr. 46 und % Nr. 47) eine ganz gute Lockenbildung und somit riehtige Karakulqualität aufweist, während die andere Hälfte (X Nr. 48 und X Nr. 50) zwar bereits eine mangelhafte Lockenbildung erkennen läßt, jedoch ihre heterozygotische Natur eben durch den vorhandenen niedrigen Grad von Lockenqualität deutlich zum Ausdruck bringt. Unter der Annahme, daß die Fähigkeit zur Lockenbildung dominanten Charakter besitzt, müßten alle (100 °/o) durch die Rückkreuzung er- haltenen Individuen Lockenbildung — wenn auch in verschieden voll- kommenem Grade — zeigen, und ferner müßte die eine Hälfte der Lämmer gute, der reinen Karakulrasse gleichende Fellqualitäten, und die andere Hälfte nur mangelhafte besitzen. Trotz der geringen Zahl der Kreuzungstiere stimmen die tatsächlich gefundenen Lockenverhält- nisse auffallend gut mit den theoretisch zu erwartenden überein. Leider gestatteten die ungünstigen Verhältnisse in Gr. Enzersdorf (in den letzten Jahren war durch die Weide eine Strongylus-Infektion erfolgt) keine Rückkreuzung der F,-Generation nach der Rambouilletseite. Wie bereits erwähnt, hoffe ich, diese Lücke später noch ausfüllen zu können. Kreuzungen der Karakuls mit anderen Schafrassen. Wie das Ergebnis der durchgeführten Kreuzungen zwischen den Karakuls und Rambouillets beweist, ist die Pelzqualität, die Voll- !) Ich selbst hatte Gelegenheit diesen Bock zwei Jahre hindurch als Zuchtbock in meiner eigenen Wirtschaft in Nordmähren zu benutzen und mich von seiner außer- gewöhnlich sicheren Vererbung hoher Pelzqualität zu überzeugen. 184 Adametz. kommenheit der Lockenbildung bei den aus dieser Kreuzung hervor- gegangenen Lämmern im allgemeinen eigentlich eine mangelhafte. Ähnliche Erfahrungen hat man mit Karakul-Merinokreuzungen auch in Rußland gemacht. In der züchterischen Praxis gilt daher der Satz, daß alle Zweige der Merinogruppe dort ein ungeeignetes Ausgangsmaterial vorstellen, wo man auf dem Wege der Kreuzungszucht Fellproduktion treiben will. Es ist hier nicht der Ort, um auf den Versuch einer physiologischen Begründung dieser Erfahrung näher einzugehen, es ge- niige die bloße Anführung der Tatsache. Hingegen hat man andererseits die Erfahrung gemacht, daß ge- wisse Schafrassen, namentlich solche, deren Vlies im erwachsenen Zu- stande aus Mischwolle besteht, und die daher auch in dieser Hinsicht bereits der Karakulrasse näher stehen, sich vorzüglich für Zwecke der Fellproduktion eigenen. Obenan steht in dieser Beziehung wohl die Zackelrasse; sehr gut geeignet sind für diesen Zweck dann das Kärntner Landschaf und ebenso gewisse Deutsche Landschafe, mit welch letzteren seinerzeit Exzellenz Julius Kühn schöne Resultate er- zielt hat. Weil mir speziell über Karakul-Zackelkreuzungen verläßliche Resultate zur Verfügung stehen, und weil andererseits die Ergebnisse dieser Kreuzungen wenigstens in einem Punkte imstande sind, die in dieser Arbeit niedergelegten Erfahrungen über Karakul-Rambouillet- kreuzungen zu ergänzen, so möchte ich mir im folgenden gestatten, auf sie kurz einzugehen. A. Karakul-Zackelkreuzungen. (Fı und Rückkreuzung.) Daß die mischwolligen Zackelschafe der Karpathen- und Balkanländer sehr geeignete Unterlagen für Kreuzungen mit den Karakuls abgeben, wurde schon vor vielen Jahren durch Kreuzungsversuche in Bosnien erwiesen. Diese bekannte Tatsache veranlaßte auch die H.sche Gutspachtung in . (Niederösterreich) vor ca. 7 Jahren, die Fellproduktion in der Weise aufzunehmen, daß eine Herde von Mutterschafen der Sieben- bürger Zackelrasse eingestellt und mit reinrassigen Karakulböcken ge- kreuzt wurde. Sämtliche so erhaltenen Lämmer wurden bald nach der Geburt geschlachtet, deren Fell ausgearbeitet und gefärbt und einem hiesigen großen Fellhändler verkauft. Durch die Freundlichkeit der Firma Schlammerdinger, welche die Bearbeitung und Färbung der Felle ausführte, konnte ich mir jährlich die Felle dieser F,-Generation — denn nur diese wurde dort erzeugt — genau ansehen. Das Re- sultat dieser kritischen Beobachtungen lautet: Stets war die Fellqualität der F,-Generation im allgemeinen und im Mittel eine recht gute. Je- Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 185 doch waren alljährlich neben einem kleinen Prozentsatze vorzüglicher, erstklassiger Felle, die auch als Originalkarakulfelle aus Bochara als prima bonitiert worden wären, einige ganz mindere, zackelartige, also vollkommen ungelockte vorhanden. Zwischen diesen beiden Extremen gab es dann alle möglichen Übergänge; jedoch waren brauchbare Mittel- qualitäten, die Fellen von reinrassigen Tieren mit Mittelqnalität voll- kommen glichen, in beträchtlicher Menge vertreten. Schon in der F,-Generation trat also eine äußerst weitgehende, man kann hier wohl sagen, vollkommene Aufspaltung ein, welche neben den zahlreichen Mittelgliedern auch — und das ist das interessante und wichtige an der Sache — die Endglieder der Aufspaltungsreihe, näm- lich direkt zackelartige Felle einerseits, und hochwertige, vollkommen karakulartige Felle andererseits umfaßte. So weitgehende Aufspaltungen pflegen sonst erst in der Fs-Generation einzutreten, und wie unsere Versuche mit den Karakul-Rambouillet-Kreuzungen beweisen, auch dann erst, wenn eine große Anzahl von Kreuzungstieren zur Verfügung stehen. Zur Illustration geniige die Erwähnung, daß eine dieser ca. 31/2 Hundert Felle umfassenden Ernten, wenn ich recht berichtet wurde, dem Großhändler um einen Durchschnittspreis pro Stück von 17—18 Kronen verkauft worden ist. Das ist natürlich ein vorzüglicher Preis, der ob- jektiv die wertvolle Beschaffenheit der F,-Felle feststellt. Von dieser Ernte konnte ich ca. 200 Stück fertiger Felle genau prüfen und mich vom häufigen Auftreten wirklich guter Karakullocken überzeugen. Rund 5 °/n der Felle hatten damals volle Prima- bis Primissimaqualität, gegen etwa 8 °/o schlechter mehr weniger lockenfreier Felle. An Ort und Stelle verglich ich mehrere dieser besten Kreuzungs- felle mit dort ebenfalls vorhandenen Original-Bocharafellen allerbester Qualität, ohne den geringsten Unterschied zu finden und zwar weder in der Form der Locke, der Vollkommenheit ihres Schlusses noch in der Gleichmäßigkeit des ganzen Felles. Sogar der Glanz war erstklassig. Das Hauptresultat dieser seit Jahren betriebenen Kreuzungszucht (nur F,-Produkte) kann ich dahin zusammenfassen, daß die F,-Generation dieser Karakul-Zackelkreuzungen beziiglich der Lockenbildung (Karakul- locke) in äußerst charakteristischer Weise unvollkommene Dominanz zeigte, und zwar in weit vollkommenerem Maße, als dies bei unseren früher beschriebenen Karakul-Rambouilletkreuzungen der Fall ge- wesen war. Weitaus die Mehrzahl der F\-Lockenformen und Vliescharaktere bewegte sich jedoch deutlich in der Karakulrichtung, derart, daß ein 186 Adametz. größerer Bruchteil der Vliese vollkommen den Karakulcharakter besaß, sie waren einfach von Fellen reinrassiger Tiere nicht zu unterscheiden. Aus diesem Grunde wurde mehrfach an verschiedenen Orten die Methode der sogenannten Veredlungskreuzung benützt, um aus den Zackeln heraus auf relativ billige Weise wertvolle Pelzschafe mit Karakul- charakter zu erzielen. Weil hier stets Rückkreuzungen von Fı und später von der ersten, zweiten usw. Rückkreuzungsgeneration mit rein- rassigen Karakulböcken vorgenommen. werden müssen, so ist es wohl nicht uninteressant, an einem solchen Beispiele die gemachten Erfah- rungen kurz zu erörtern. Es betrifft die Karakul-Zackelkreuzungsherde der Herrschaft Kees- kemet, welche vom königlichen Rate Georg von Szegedy geleitet wird, der mir in alter Freundschaft alle Daten zur Verfügung stellte. Der Einfachheit halber wähle ich die Ernteergebnisse der Fellproduktion des Jahres 1915. Es wurden im ganzen 79 Felle von Bocklämmern (denn nur diese werden ja bei der Veredlungskreuzung zwecks Fellgewinnung geschlachtet) erzielt. Dieselben hatten folgende Herkunft: 7 Stück waren von reinrassigen Karakullimmern, die ihrer geringeren Lockenqualität halber geschlachtet wurden; 56 stammten von Halbblutmüttern (d. h. die Felle waren erste Riickkreuzung, nämlich F; mal Karakul) und 16 Stück hatten ®/, blütige Mütter (d. h. die Felle stellten die zweite Rückkreuzungs- generation, nach der früheren praktischen Bezeichnung = ”/s Blut, vor). Im ausgearbeiteten und gefärbten Zustande, in welchem ein Irrtum hinsichtlich der Lockenbeurteilung ausgeschlossen erscheint, wurden die- selben von mir wie folgt bonitiert: I 1. Prima bis primissima . Peet Rh eee DB. 26 Stiick; 2. Mittelqualität der Karakullocken . . . . . = 24 4, 3. Untermittelqualität der Locken, d.h. weiche, zum Teile offene Locken usw. Se sr 4. Kleine Locke’), meist gut geschlossen... = 3 „ 5. Lockenfreie Felle = Ausschuß . ....= 4 6. Breitschwanz mit guter Zeichnung und schönem Glanz N MN Gen Für diese 79 Stück von mir auf rund 1900 Kronen bewertete Felle, denen noch 19 Stück Felle geringerer Qualität der vorjährigen Ernte 1) Mit „kleiner Locke“ bezeichnet der Pelzhandel schmale, gute Karakullocken, ihres Zweckes wegen heißen sie auch oft „Kappenware“. Die vorliegenden 3 Felle waren gut geschlossen, jedoch arm an Glanz. Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 187 hinzugefügt wurden, erzielte man im Wege der Lizitation in Keeskemet, an der sich nahezu ausschließlich einheimische, dem wohlhabenden Bauernstande angehörende Käufer beteiligten, 1897 Kronen. Die Tat- sache, daß 23 Felle einen Preis von je 35 Kronen und 3 Stück einen von je 30 Kronen erzielten, spricht deutlich für die hohe Qualität dieser Felle. Interessant ist die Tatsache, daß eine kritische Prüfung obiger Boni- tierungsresultate den Beweis erbringt, daß sich die tatsächlich gefundenen Zahlenverhältnisse mit den theoretisch erschlossenen ganz vortrefflich decken. Folgender Gedankengang möge dies verständlich machen: 1. Von den 7 reinrassigen Karakulfellen, die nur mäßige Locken- qualität besaßen, ist eines, als zu wenig Karakulcharakter be- sitzend, auszuscheiden. Daher bleiben nur 6 Stück Felle mit guter Lockenqualität übrige. Ein Fell, obschon der Abstammung nach DD, tritt phänotypisch hier wie DR auf. — Theoretisch betrachtet sollten 7 Felle DD-Charakter besitzen. 2. Von den 56 Karakulkreuzungen mal I; hätte theoretisch die Hälfte gute Lockenbildungen aufweisen sollen (DD). Daher sind 28 Felle mit guter Qualität zu erwarten. 3. Von den 16 Stück ‘/s-Blut Fellen muß angenommen werden, daß sie von 8 Müttern, die bezüglich der Lockenbildung DD- Charakter, also gute Lockenqualität besitzen, und von 8 Müttern, die diesbezüglich DR- Charakter, somit geringe oder keine Locken- bildung aufweisen. Daher sind hier 8 + 4 = 12 Felle mit guter Lockenbildung (DD) und 4 Felle (DR) mit minderer oder keiner Locke zu erwarten. 4. Die 3 kleinlockigen Felle haben biologisch betrachtet vollkommen Karakulcharakter (DD); nur schätzt eben der Handel schmale Locken, mögen sie sonst auch noch so vollkommen gebaut sein, niedrig ein. Somit haben wir hier 3 Felle mit guter Karakul- qualität. 5. Von den 6 Breitschwanzfellen (die bekanntlich von abortierten Früchten herrühren) kann man bestimmt annehmen, daß nach der schönen Zeichnung zu schließen mindestens die Hälfte (wahr- scheinlich aber mehr!), d.h. 3 Stück eine wirklich gute Locken- bildung erlangt hätten, falls sie im Mutterleibe volle Reife er- langt hätten. — Hier rechnen wir somit bestimmt mit 3 DD-Fellen als tatsächlich vorhanden. Von unseren 79 Fellen sollten nun unter der Voraussetzung, daß die Lockenbildung einen dominierenden Charakter besitzt, 47 Felle (näm- 188 Adametz. lich 7 + 28 + 12) DD-Individuen vorstellen und dies der Hauptsache nach durch bessere Lockenbildung (etwa Mittel- bis Übermittelqualitäten) zum Ausdrucke bringen. — Weil jedoch bei Karakul-Zackelkreuzungen erfahrungsgemäß ein nicht unbeträchtlicher Teil der heterozygotischen (DR) Individuen Lockenqualitäten besitzt, welche ihrem Charakter nach von solchen homozygotischer (DD) Tiere nicht zu unterscheiden sind, während andererseits wieder vereinzelte Homozygoten infolge der un- vollkommenen Dominanz so geringe Lockenquantitäten aufweisen, daß sie ihrem Aussehen nach als Heterozygoten betrachtet werden können, so folgt hieraus, daß auch theoretisch betrachtet, trotz des eben an- eedeuteten, vereinzelt vorkommenden gegensitzlichen Verhaltens, in unserem speziellen Falle etwas mehr als 47 Felle mit mehr weniger euten Lockenqualitäten versehen sein müssen. Dieser theoretischen Forderung wird durch das Züchtungsresultat entsprochen, insofern als wir hier tatsächlich 56 Felle (26 + 24 + 3 -+ 3) von guter Locken- qualität, also um rund 20°, mehr, festgestellt haben. Unter den Fellen der ersten Rückkreuzung (F; mal Karakul) befand sich auch eines, mit Nr. 010 bezeichnet, welches ein besonderes Interesse bot, da seine Herkunft einwandfrei nachweisbar ist. Nr. 010 stammt aus einer F,-Mutter Kecskemets nach jenem vorzüglichen, bereits er- wähnten Original-Karakulbocke, der von Herrn Dr. Duré als Lamm aus Bochara im Jahre 1907 importiert worden war. Nach Form, Geschlossen- heit und Glanz der Locken, sowie nach Einheitlichkeit der Locken- anordnung war dasselbe ganz erstklassig (primissima), so daß es einen Preis von 57 Kronen erzielte. Fraglos haben wir es bei dem Träger dieses Felles mit einem vollkommen homozygotischen Tiere zu tun, welches eine vollkommene Aufspaltung nach der Karakulrasse hin vorstellte. Unter allen Umständen beweisen diese vorwiegend die erste Rück- kreuzung umfassenden Züchtungen das von der Karakulrasse ausgehende starke Überwiegen der Fähigkeit zur Lockenbildung bei der Vererbung. Auch sprechen sie für die Annahme, daß diese Eigenschaft im Sinne Mendels dominanten Charakter besitzt. — Daß aber selbst in diesem Falle die Dominanz nur eine unvollkommene ist, ergibt sich aus dem Vorhandensein von 4 Fellen, die vollkommen frei von jeder Locken- bildung erschienen. Wennschon es mir nicht möglich ist, die genaue Abstammung derselben festzustellen, so bietet die Erklärung ihrer Existenz doch unter allen Umständen Schwierigkeiten, gleichgültig ob sie der ersten oder zweiten Rückkreuzung angehören. — Solange man die unvollkommene Dominanz im Mendelismus gelten läßt, solange wird Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 189 man sie in diesen und ähnlichen Fällen wohl zur Erklärung heranziehen müssen, auch dann, wenn sie uns keine volle Befriedigung gewährt. B. Karakul-Kärntner Landschaf-Rückkreuzungen. Ganz ähnliche Resultate ergaben sich bei einer ziemlich groß angelegten Kreuzungszucht von Kärntner Landschafen mit Karakulböcken. Auch hier handelte es sich um eine typische Veredlungskreuzung, bei welcher rein praktische Zwecke angestrebt wurden, und bei der bereits dritte Rückkreuzungs-Produkte vorhanden sind. — Wenn auch ganz wie bei den früher besprochenen Karakul-Zackelkreuzungen auch hier die große Menge der Felle aus recht guter Ware von voller Karakulqualität be- stand, so war es doch unmöglich gewesen, das vereinzelte Auftreten von ganz lockenfreien Fellen völlig zu hindern. Infolgedessen, daß bei vielen Fellen die Nummern verloren gegangen waren, war es mir auch hier im einzelnen nicht möglich die jeweilige genaue Herkunft der einzelnen Felle, ob aus erster, zweiter usw. Riickkreuzung stammend, festzustellen. Deshalb, und weil die Resultate ganz ähnliche wie bei den Zackel- Karakulkreuzungen waren, verzichte ich auf eine detaillierte Wiedergabe der gemachten Beobachtungen. Uberblickt man das Gesamtresultat der Kreuzungen der Karakul- rasse mit verschiedenen anderen Schafrassen, so fällt eine Tatsache be- sonders auf, nämlich das Auftreten der unvollkommenen Dominanz in der F,-Generation. Diese Erscheinung tritt ganz besonders scharf und einwandfrei bei Kreuzungen der Karakuls mit solchen Schafrassen zu- tage, welche im ausgewachsenen Zustande ein den Karakuls ähnliches (aus Mischwolle bestehendes) Vlies tragen. Über die unvollkommene Dominanz, diese schwierig zu erklärende Erscheinung, hat nun besonders C. B. Davenport!) gearbeitet. Als hierher gehörig zählt Davenport, abgesehen von der Lockenbildung des Europäerhaares, noch folgende Merkmale auf: Die Extrazehe, die Flügel- losigkeit, die Glattbeinigkeit und die Schwanzlosigkeit — alles Merk- male beim Haushuhne. Namentlich die beiden letzten Merkmale ver- halten sich bekanntlich so eigentümlich, ich möchte sagen so irreführend bei der Vererbung in der F,- und Fs-Generation, daß es durchaus nicht leicht war zu entscheiden, ob sie dominierende oder rezessive Merkmale vorstellen. Dieser Umstand zwingt uns auch bei der diesbezüglichen Beurteilung der Vererbungsweise der Karakullocke möglichste Vorsicht !) Imperfection of Dominance. American Breeders Association. Washington 1911. Vol. VI, Seite 29—32. 190 Adametz. zu üben. Deshalb müssen wir uns an die Erklärung halten, die Daven- port für die unvollkommene Dominanz gibt, und sehen, ob sie uns ein klares Verständnis speziell des Verhaltens der Karakullocke bietet. — Davenport nimmt in der zitierten Arbeit, nach Besprechung der er- wähnten Merkmale beim Geflügel, neben der Dominanz noch einen wichtigen, modizifierenden Faktor als vorhanden an, „the factor of the strength of the representative of the given character in the germ plasm“. Demnach sollte das Hervortreten, die Entwicklungsfähigkeit der Karakullocke, obschon sie ein dominierendes Merkmal vorstellt, von der Anwesenheit eines besonderen Faktors abhängig sein, einer besonderen Kraft im Keimplasma. Ist letztere schwach, wenig aktiv, so kommt es zur unvollständigen Dominanz, eventuell zum Unterbleiben der Ent- wicklung des betreffenden Merkmales überhaupt, wie z. B. in dem be- kannten interessanten Fall der Schwanzlosigkeit des Huhnes. Wen diese Erklärung befriedigt, der muß in unserem gegebenen Falle an- nehmen, daß die verschiedenen von mir benützten Karakulböcke bezüg- lich der Lockenbildung mit einer recht verschieden aktiven Kraft ver- sehen waren, ganz ähnlich wie es sich mit den beiden schwanzlosen Hähnen in den von Davenport geschilderten Versuchen verhalten hat, von denen einer dies sein Merkmal weder bei der Paarung mit ge- schwänzten, gewöhnlichen Hennen, noch mit geschwänzten, hetero- zygotischen Hennen seiner eigenen Nachkommenschaft zum Vorschein bringen konnte. Eine volle Befriedigung dürfte dieser Erklärungsversuch jedoch kaum bieten, weil über die Gründe, weshalb dieser Faktor in einem Individuum aktiver als im andern sein soll, nichts gesagt werden kann. Statt dieser von Davenport angenommenen Kraft, welche in unserem Falle auf das mehr oder weniger deutliche Hervortreten der Locken- bildung Einfluß nimmt, könnte man vielleicht auch das Vorhandensein eines hemmenden und eines verstärkenden Faktors neben dem gewöhn- lichen Lockenfaktor zum besseren Verständnisse heranziehen. Solche Faktoren hat man ja speziell bei der Vererbung bestimmter Färbungen mit Erfolg in Anwendung gebracht. Eine solche Annahme läuft schließ- lich jedoch auf die Annahme des Vorhandenseins von Polymerie hinaus. Ob es sich bei der Bildung der Karakullocke, dieser Auffassung entsprechend, um die Anwesenheit, bezw. Wirksamkeit von nur drei ver- schiedenen gleichsinnig wirkenden Faktoren handelt, oder ob noch mehr anzunehmen wären, läßt sich auf Grund des vorliegenden Materiales nicht entscheiden. Mit großer Wahrscheinlichkeit kann man jedoch, nach v7 Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 191 dem Verhalten der Kreuzungsprodukte zu schließen, annehmen, daß gewib mehr als zwei Faktoren hieran beteiligt sein müssen. Auch Erwägungen allgemeiner Natur sprechen für die Annahme von mehr als zwei Lockenfaktoren. Ich erinnere an den einzigen Faktor, der nach Davenport die allerdings lockere, weiche, wie wir sagen würden „offene“ Locke beim Weißen hervorbringt, und ferner an die beiden Faktoren E. Fischers bei engspiralig gewundenem Haare seiner Rehobother Bastards. So wie diese Bastardlocke einen vollkommeneren Grad der Lockenbildung gegenüber der weichen Europäerlocke vorstellt, und daher auch einen Faktor mehr zu ihrer Entwicklung braucht, so stellt, wie ich gezeigt habe, die liegende, harte, festgeschlossene Karakul- locke endlich einen noch höheren Vollkommenheitsgrad gegenüber der gewöhnlichen Spirallocke vor. Da ist es denn nur logisch, wenigstens noch einen weiteren, dritten Faktor für sie in Anspruch zu nehmen. Aber selbst in diesem Falle wird ein Umstand der Erklärung immer gewisse Schwierigkeiten bieten: die bei Karakulkreuzungen mit Zackel- und Kärntner Landschafen gemachte Erfahrung, wonach stets bei Rückkreuzungen mit reinrassigen Karakulböcken einzelne völlig lockenfreie Tiere auftreten, und zwar auch dann, wenn es sich um zweite und dritte Rückkreuzungs-Generationen (d.h. der alten züchterischen Auffassung nach um ‘/s- und "/ısblütige Tiere) handelt. Hierher gehören z. B. die 4 lockenfreie Felle unter 56 Stück erster und 16 Stück zweiter Rückkreuzung aus der Kecskemeter Karakul- Zackel-Kreuzungsherde, vom Jahre 1915. Immer wieder bringt das Auftreten einzelner heterozygotischer Individuen mit rezessivem Verhalten eine gewisse Unklarheit in den Gang und das Verständnis der Versuche. Und als Ursache hiervon kann man gemäß der bisherigen Ge- pflogenheit die unvollkommene Dominanz ansprechen. Um die Kompliziertheit der bei der Bildung der Karakullocke herrschenden Verhältnisse anzudeuten, wäre noch die Verschiedenheit der äußeren Lockenform (ob bohnen oder röhrenförmig usw.), die Art ihrer Verteilung, der Glanz der Haare, die Breitenverhältnisse (ob schmal, mittel- oder sehr breit) der Karakullocke zu erwähnen, alles Merk- male, welche erfahrungsgemäß erblich sind, und denen daher gewiß wieder spezielle Faktoren entsprechen dürften. Was die Verteilung, Gruppierung der Locken anbetrifft, so würde dieser Moment, nach den Abbildungen zu schließen, auch bereits bei dem Rehobother Bastardvolke zu berücksichtigen sein. 192 Adametz. Nicht zu übersehen wäre dann bei Behandlung der Frage nach der Vererbung der Karakullocke die wichtige und höchst charakteristische Rolle, welche der Zeitpunkt ihres Auftretens hierbei spielt. Typische Karakullocken sind in der Regel nur wenige Tage nach der Geburt der Lämmer vorhanden. Dann tritt eine Auflösung derselben in Spirallocken ein, welche noch später in flachwellige bis fast schlichte, oder in mittel- bis engwellige Haarformen zerfallen. Nur in der ersten Jugend scheinen jene mechanische Kräfte, welche die Karakullocken formen, in voll- kommenster Weise zu wirken. Das zeitliche Moment ist somit hier ausschlaggebend. Gerade dieser Umstand stellt aber, wie ich noch zeigen werde, einer auf histologische Verhältnisse aufgebauten mechanischen Erklärung dieses Vorganges Schwierigkeiten in den Weg. Mit Bezug auf die Wichtigkeit des Zeitmomentes im Verlaufe der Vererbung der Karakullocke könnte man eigentlich geradezu von einer temporären unvollkommenen Dominanz sprechen. Es darf jedoch andererseits wieder nicht übersehen werden, daß sich die Haarkeime auch im erwachsenen Karakulschafe bis zu einem gewissen Grade die Kraft zur Lockenbildung (speziell lockerer, mehr spiraliger Locken) bewahrt haben, wie dies aus dem erwähnten Verhalten der Karakuls kurze Zeit nach der Schur deutlich zu erkennen ist. Dies weist doch entschieden darauf hin, daß, ganz allgemein ge- sprochen, die lockenbildende Kraft in einem gewissen Zusammenhang mit der Wachstumsintensität der Haare stehen dürfte. Daß diese nach der Schur eine große ist, wird allgemein angenommen'). Wie es um dieselbe jedoch während der letzten Trächtigkeitszeit bei den Früchten der Karakuls steht, müßte allerdings erst durch spezielle Untersuchungen festgestellt werden. Zum Schlusse möchte ich noch den Versuch wagen, auf Grund histologischer Momente eventuelle Anhaltspunkte für ein besseres Ver- ständnis der bei der Vererbung der Karakullocke sich abspielenden Vor- eänge und der hierbei wirkenden Faktoren zu gewinnen. Die Möglichkeit der Annahme, daß zwischen den verschiedenen Haarformen und bestimmten Formen der Haarkeime gesetzmäßige Be- ziehungen bestehen, läßt sich zunächst nicht von der Hand weisen. Die mechanische Begründung der Haarwellung einerseits und der Haarkräuselung (spiralige Drehung) andererseits, ist leider noch immer nicht in einwandfreier Weise geliefert worden. Ich sehe von der An- 1) I. Bohm. Die Schafzucht. I. B. Wollkunde. Berlin 1873. S. 244—245. Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 193 führung verschiedener, offensichtlich versagender Hypothesen und Meinungen ab und beschränke mich auf den Versuch, die von A. Sticker!) auf Grund eingehender histologischer Untersuchungen des Wollhaares vom Schafe hierüber aufgestellte Hypothese heranzuziehen, um zu sehen, ob sie uns zu einem tieferen Verständnisse der lockenbildenden Vor- gänge verhelfen kann. Ob ein Wollhaar eine welliggebeugte oder spiraliggedrehte Form besitzt, hängt nach Sticker davon ab, ob der untere Teil seines Haar- balges mehr eine kugelige Bauart zeigt, oder aber mehr zylindrisch ge- streckt ist. Im ersten Falle soll eine wellige Krümmung, im zweiten eine spiralige Drehung des Haares hervorgerufen werden. Die kom- plizierte Begründung für diese Behauptung wird auf S. 17 und 18 seiner Arbeit geliefert. Abgesehen davon, daß die entsprechenden Unter- suchungen der Karakulhaut, noch ausstehen, erweckt andererseits auch die von Sticker selbst gemachte Feststellung, wonach bereits bei 18 Wochen alten Schafföten (Merino) gleichzeitig spiraliggedrehte und wellige Haarformen auftreten (Fig. 26 a bis e), ein gewisses Bedenken. Ist doch bei dieser Rasse die Wolle später durchaus einheitlich und charakteristisch fein und enggewellt. Dazu kommt noch das merkwürdige Verhalten der Wolle bei den Karakuls, nämlich die Erscheinung, daß jede charakteristische, liegende Spirallocke bloß während eines ganz bestimmten, kurzen, meist nur wenige Tage umfassenden Stadiums existiert, um sodann einer anderen Lockenform, die wieder nicht von Dauer ist, Platz zu machen. Wenn man die Wandlungen verfolgt, welche die Haarform bei der Karakulrasse während der verschiedenen Entwicklungsstadien durchmacht, so ergibt sich die Feststellung, daß trotz Vorhandenseins einer be- stimmten, gegebenen Form des „unteren Teiles des Haarbalges“ sehr verschiedene Lockenformen aus diesem hervorgehen können, und daß daher zwischen den verschiedenen Formen der Haare (flache bis enge Wellung und aufrechte und liegende Spirale von verschieden enger und vollkommener Beschaffenheit) trotz allem bestimmte Beziehungen vor- handen sind. Ich möchte den Beweis für diese Behauptung in zwei- facher Weise, nämlich für das Grannenhaar und den Flaum des Karakul- vlieses getrennt führen. Hierzu wäre zu bemerken, daß sich die Locke des neugeborenen Karakullammes aus verschieden dicken Haaren zu- 1) Uber die Entwickelung und den Bau des Wollhaares beim Schafe usw. In- augural-Dissertation. Berlin 1887. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII, 13 194 Adametz. sammensetzt, und daß unzweifelhaft aus den dickeren Elementen derselben die Grannenhaare, aus den dünneren, zum Teile wenigstens, die Flaum- haare des Vlieses erwachsener Tiere hervorgehen. A. Grannenhaare des Karakulvlieses. Für einen bestehenden innigen Zusammenhang zwischen der Karakullocke mit der senkrecht gestellten Spirallocke und der flachen Wellung sprechen, soweit es sich um Grannenhaare handelt, folgende Beobachtungen: a) Die schöngeschlossene, kräftige, normale Karakullocke des neu- geborenen Karakullammes geht bereits nach kurzer Zeit (nach wenigen Tagen bis höchstens wenigen Wochen) in mehr oder weniger lockere Spirallocken über; b) Außerdem kommen stets ab und zu auch reinrassige Karakul- lämmer zur Welt, welche an bestimmten Stellen des Felles auch senkrechte Spirallocken aufweisen; ja, bei gewissen Unterrassen der Karakuls (z. B. bei dem Malitsch- oder Krimerschaf) kommt dieser Vorgang sehr häufige und in solchem Ausmaße vor, daß das ganze Fell nur mit Spirallocken bedeckt ist; c) Halbwüchsige Lämmer oder manche erwachsene Individuen der Karakulrasse haben (ohne Haarwechsel) ihre Vliesbeschaffenheit in der Weise geändert, daß die Grannenhaare am Grunde sehr flach gewellt sind (die Wellenlänge beträgt 1—1,5 cm und mehr), während ihre Spitze korkzieherartig, also spiralig gedreht er- scheint. Wir finden somit flache Wellung und spiralige Drehung gleichzeitig am selben Haare entwickelt; d) Alte Karakuls, wenn sie aus edlen Zuchten stammen und selbst hohe Lockenqualität als Lämmer hatten, zeigen nach der Schur an verschiedenen Stellen des Körpers bei der nachwachsenden Wolle deutliche Spiraldrehung. Es kommt zur Bildung kurzer, etwas offener Spirallocken, manchmal sogar mit Tendenz zur liegenden Spirale. Diese Beobachtungen liefern somit den Beweis, daß ein und das- selbe Grannenhaar von der liegenden Spirale bis zur flachwelligen Form, bezw. sogar bis zur schlichten, alle Übergänge durchläuft. Die Gran- nenhaare im Vliese mancher erwachsener Karakuls kann man nämlich praktisch bereits als schlicht bezeichnen — namentlich bei kräftig ent- wickelten Böcken. B. Wollhaare des Karakulvlieses. Ähnlich wie für die Gran- nenhaare läßt sich auch für die mehr oder weniger engwelligen Woll- haare des alten Karakulvlieses der Nachweis erbringen, daß zwischen Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 195 diesen und den verschiedenen anderen Haarformen enge Beziehungen bestehen. Die dünnen Haare der jungen Karakullocke repräsentieren wohl das Anfangsstadium der späteren Flaumhaare im Vliese. Sie sind zu- nächst liegend spiralig gedreht, gehen später in eine mehr oder weniger senkrecht gestellte Spirale und schließlich in eine individuell recht ver- schieden enge Beugung über. Hier heißt es die Ansicht mancher Züchter, daß die Wollhaare erwachsener Karakuls keinen edlen Bau hätten, richtigstellen. Unter den 1907 importierten Karakuls befanden sich mehrere, aus sehr edlen, mit hoher Lammpelzqualität versehenen Herden stammende Mutterschafe, welche an bestimmten Stellen des Körpers in überwiegender Menge auf- tretende Wollhaare von folgender Beschaffenheit zeigten: Die Strähn- chen setzten sich aus feinen, am Grunde eng und regelmäßig gewellten (8—10 Bögen pro 1 cm) Wollhaaren zusammen, welche nur gegen die Spitze zu in etwas flachere Wellen übergingen. Die unteren zwei Drittel der Länge dieser Wolle hatten somit direkt echten Merino- charakter und waren von hoher Wollqualität. Diese Wollproben wurden denn auch von Fachmännern der Wollbranche als wertvoll eingeschätzt. Weil auch diese erwachsenen Individuen die eben erwähnte Er- scheinung der Löckchenbildung nach der Schur zeigten, so ist hierdurch wohl der Nachweis erbracht, daß — kurz ausgedrückt — aus der Karakulform des jugendlichen Wollhaares nicht nur das gewöhnliche, verschieden gebeugte, sondern schließlich sogar das direkt merinoartige, der Hauptsache nach treu- und äußerst enggewellte Wollhaar mancher erwachsener edler Rassetiere hervorgehen kann. Das Flaum- oder Wollhaar der Karakuls tritt daher je nach dem Entwicklungsstadium in Gestalt einer liegenden oder senkrechten Spirale und endlich sogar in mittel- bis sehr engwelligen Formen auf. Wie ersichtlich, hat die Berücksichtigung der histologischen Ver- hältnisse irgend ein praktisches Ergebnis somit nicht geliefert. Es besteht vorläufig keine Möglichkeit, aus der histologischen Beschaffenheit der Haarkeime eventuelle Schlüsse auf den Verlauf der hieraus ent- stehenden Haare der Karakuls zu ziehen. Und damit entfällt natürlich auch die Möglichkeit, hieraus eine nützliche Anregung für die Annahme bei der Lockenbildung wirksamer Faktoren zu schöpfen. 13* 196 Adametz. Die Vererbungsverhältnisse der Lockenbildung beim Karakulschafe, verglichen mit den Feststellungen, welche diesbeziiglich bei der Europierlocke und bei der Lockung des Hottentottenhaares erzielt worden sind. Berücksichtigt man, daß die Fähigkeit zur Lockenbildung ganz allgemein den Charakter einer Domestikationserscheinung besitzt, daß sie daher begreiflicherweise auch beim Menschen auftritt, so ergibt sich die Notwendigkeit, die Resultate der einschlägigen Arbeiten mit den von mir beim Karakulschafe erhaltenen zu vergleichen. Dies ist um so notwendiger, als über die tierische Lockenbildung überhaupt keine ex- perimentelle Arbeit vorliegt, während bezüglich des Menschen zwei wichtigere Studien vorliegen. Die eine derselben, von den beiden Davenports verfaßt, behandelt das erbliche Verhalten von schlichtem und verschiedenartig gekrümmtem Haar bei den Weißen Nordamerikas. Die Verfasser unterscheiden beim Weißen folgende Haarformen: 1. schlichtes Haar, 2. welliges Haar (das Haar ist von der Wurzel bis zur Spitze schwach spiralig gedreht, bildet also eine offene Spirale), 3. lockiges Haar (die distale Haarhälfte bildet eine engere Spirale), 4. krauses Haar (das Haar bildet eine enge Spirale von geringem Durchmesser). - Das wichtigste Resultat ihrer Arbeit lautet: Mit „großer Wahr- scheinlichkeit“ kann man annehmen, daß sich das schlichte Haar gegenüber dem spiralig gebogenen rezessiv verhält. Infolge unvoll- kommener Dominanz gelangt jedoch wahrscheinlich in manchen Fällen die Spiralform nicht zum Ausdrucke. Der Übersichtlichkeit halber stelle ich im folgenden zunächst die- jenigen am menschlichen Haare gefundenen Resultate Davenports, welche mit den an Karakulkreuzungen gefundenen übereinstimmen, ein- ander gegenüber. Anschließend daran soll dasselbe mit jenen Verhält- nissen geschehen, welche sich entgegengesetzt verhalten. Die wichtigsten, miteinander übereinstimmenden Punkte lauten: 1. Ähnlich wie beim nordamerikanischen Weißen die Fähigkeit zur Lockenbildung unvollkommene Dominanz besitzt, kommt diesem Merkmale auch bei den Karakulkreuzungen, nur in ganz be- sonders hohem Maße, unvollkommene Dominanz zu; 2. Das schlichte Haar der Weißen, ebenso wie die lockenfreie Vliesbeschaffeuheit der Lämmer gewisser Schafrassen, verhalten sich im Mendelschen Sinne rezessiv; Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 197 3. Wegen dieser unvollkommenen Dominanz können heterozygo- tische Individuen beim Menschen als äußerlich schlichthaarig, beim Schafe (Karakulkreuzungen) als mit lockenfreiem Lamm- vliese versehen auftreten. 4. Aus der Verbindung solcher scheinbar rezessiver Individuen d. h. schlichthaariger, bezw. mit lockenfreiem Lammyliese ver- sehener) untereinander mendeln dann lockige oder wellige Formen heraus; 5. Welliges Haar beim Weißen und wellige Vliesbeschaffenheit bei Karakulkreuzungen zeigt stets einen heterozygotischen Zu- stand an. 6. Die beim Weißen auftretende Lockenhaarigkeit kann teils homo-, teils heterozygotischer Natur sein. Dasselbe scheint beim Kara- kulschafe und seinen Kreuzungen der Fall zu sein, so daß man auch hier, wie das Verhalten gewisser F,-Individuen von Karakulkreuzungen beweist, nach dem bloßen Augenschein Lockenbeschaffenheit) nicht in der Lage ist, homo- und hetero- zygotisch dominantmerkmalige Individuen verläßlich zu unter- scheiden. 7. Könnte man der Vollständigkeit halber noch den H. Frieden- thalschen!) Satz anfügen: „Unter physiologischen Verhältnissen ist für den Europäer stark gelocktes Haupthaar ein Merkmal der Jugendlichkeit* — ein Satz, der natürlich für die Karakul- rasse und viele ihrer Kreuzungsprodukte in erhöhtem Maße Geltung besitzt. Verschiedenheit bezüglich der am Menschen und am Schafe ge- fundenen Resultate besteht für folgende Punkte: 1. Für die Lockenverhältnisse des Weißen liegen die Verhältnisse relativ einfach, für jene der Karakuls kompliziert. Schon die Art der Locke des Weißen stellt gegenüber der charakte- ristischen, harten, stark gewundenen Karakullocke einen wesent- lich niedrigeren Vollkommenheitsgrad der Lockenbildung über- haupt vor. : 2. Zur Erklärung der Lockenbildung des Weißen genügt demgemäß die Annahme eines einzigen Faktors vollkommen, namentlich *) Beiträge zur Naturgeschichte des Menschen. II. Lieferung: Das Dauerkleid des Menschen. Jena 1908, 8. 15. 198 Adametz. wenn demselben, wie dies Davenport tut, unter Umständen auch noch eine besondere Kraft, eine ungewöhnliche Aktivität zugeschrieben wird. Zur Erklärung des Zustandekommens der Karakullocke dürfte hingegen wohl die Annahme von Polymerie in Frage kommen. 3. Beim Weißen finden sich kaum Fälle, die eine intermediäre Vererbung vortäuschen würden; bei der Zucht der reinen Kara- kulrasse und z. T. auch bei gewissen komplizierten Kreuzungen dieser Rasse, z.B. Fs mal F, und auch F, mal Fs, ist dies der Fall. Auch dies Verhalten spricht bei den Karakuls für die Existenz einer bezüglich der Lockenbildung vorhandenen Polymerie. 4. Die Zahl der verschiedenen Arten und Formen der Locken ist beim Weißen eine geringe; bei den Karakuls und ihren Kreu- zungen hingegen sind die verschiedenen Arten von Locken- gebilden weit zahlreicher. Etwas anders als beim Europäer liegen nach den Untersuchungen E. Fischers!) die Verhältnisse bei den Rehobother Bastards (Kreu- zungen von Europäern mit Hottentotten). Es ist daher nicht ohne Interesse, die von ihm gewonnenen Resultate mit unseren zu vergleichen. Fischer stellte bei diesem Volke folgende Haar- bezw. Lockenformen fest: Schlichthaarigkeit, flach- und engwelliges Haar, gekräuseltes Haar, lockerkrauses Haar, dichtkrauses Haar und endlich als äußersten Grad des dichtkrausen Haares die reine Hottentottenform, das „fil-fil“ oder, wie es die Buren bezeichnend nennen, die Pepperkopp-Form. Diese Art von Haaren besteht aus „kurzen Spiralen, die von be- nachbarten Haaren gruppenweise zu kleinen Haarkügelchen sich zu- sammenschließen*“. Das Hauptresultat seiner Haarstudien faßt Fischer (S. 144) in die Worte zusammen: „Wir dürfen also als nachgewiesen betrachten, daß schlicht rezessiv, kraus dominant ist; daß man am Grade der Kräuselung die homo- oder heterozygotische Natur ziemlich erkennen kann, die stärkstkrausen sind homozygotische Individuen.“ Übereinstimmend mit unseren Resultaten erfolgt somit die Fest- stellung, daß auch beim Bastardvolke die Lockenbildung nur ein un- vollkommen dominantes Merkmal vorstellt. Bewiesen wird das durch 4) A. a. O. S. 103—107 und 142—147. Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 199 den Umstand, daß zwei Ehen „schlicht“ mal „schlicht“ zehn Kinder ergaben, von denen acht schlichthaarig, eins flachwellig und eins leicht- lockig von Haaren waren. Unter den schlichthaarigen Eltern steckte eben ein „rezessiver* Heterozygot Davenports. Nicht übereinstimmend mit den Verhältnissen beim Weißen, sich den Resultaten der Beobachtungen bei Karakulkreuzungen jedoch nähernd, ist der Befund Fischers, daß zum Verständnisse gewisser Vererbungs- fälle!) die Annahme von bereits zwei lockenbildenden Faktoren not- wendig ist. Der Faktor C bedinge eine wellige Krümmung, der Faktor S bringe dann daraus die Spiraldrehung hervor. Dann wäre SS-CC stärkstes Kraushaar und ss-ce schlichtes Haar. Alle übrigen Kombinationen stellen Übergänge zwischen diesen Extremen vor. Aber auch ein vollkommen entgegengesetztes Verhalten der Locken- bildung des Bastardvolkes sowohl gegenüber jenem der Weißen, als auch gegenüber jenem der Karakulschafe wurde festgestellt. Nämlich zwischen dem zeitlichen Verhalten der Haarkräuselung der Rehobother Bastards und jenem zunächst der Karakuls scheint ein Gegensatz zu herrschen, wie die von der Haarform der Erwachsenen „in einzelnen Punkten typisch“ abweichende Haarform der Bastardskinder beweist. Auf Grund seiner Beobachtungen sieht sich Fischer zur Annahme veranlaßt, daß ein Teil der lockerkrausen Kinder beim Heranwachsen noch enger ge- kraust werde. Der Jugend entspricht somit hier eine weniger voll- kommene Lockenbildung gegenüber den Erwachsenen. Dies ist, mit den Karakuls verglichen, ein völlig entgegengesetztes Verhalten. Im großen und ganzen besteht somit hinsichtlich der Lockenbildung bei Mensch und Tier eine weitgehende Übereinstimmung. Dort, wo Unterschiede zutage treten, sind sie mehr quantitativer Natur, ein Um- stand, der aus dem höheren Vollkommenheitsgrade der Karakullocken gegenüber jenem beim Menschen ohne weiteres verständlich ist. Der einzige tiefere Unterschied, der speziell zwischen dem zeitlichen Auf- treten der Karakullocke und der Hottentottenbastardlocke vorhanden zu sein scheint, ermangelt vorläufig noch des experimentellen Beweises bezw. einer direkten Beobachtung. ") Zur Verfügung stand an Material das Resultat einer einzigen Ehe, und zwar lieferte diese Verbindung von „wellig“ mal ,,wellig“ vier Kinder, von denen eins well- haarig und drei kraushaarig waren. 200 Adametz. Zusammenfassung. . Die dem bocharischen Fettschwanzschafe eigentümliche Fähigkeit zur Bildung der charakteristischen (liegenden) Karakullocke er- weist sich als ein streng erbliches Merkmal, welches von den Karakuls auch bei Kreuzungen mit solchen Schafen vererbt wird, deren Lammvlies vollkommen lockenfrei ist. . Bei solchen Kreuzungen traten bezüglich dieses Merkmals cha- rakteristische Aufspaltungen im Sinne Mendels auf. . Die Fähigkeit des bocharischen Fettschwanzschafes zur Bildung jener typischen Locken beim neugeborenen Lamme stellt somit ein Merkmal ver, welches unter keinen Umständen eine bloße Modifikation, eine Folge der Umwelt Bocharas sein kann. Viel- mehr ist sie als eine durch Mutation entstandene Domestikations- erscheinung anzusehen. Die Fähigkeit zur Bildung der Karakullocke stellt, ähnlich wie dies mit gewissen Lockenbildungen des menschlichen Haares der Fall ist, höchst wahrscheinlich ein unvollkommen dominantes Merkmal im Sinn Mendels vor. . Diese unvollständige Dominanz der Lockenbildung tritt bei ent- sprechenden Rassenkreuzungen insofern in äußerst typischer Weise auf, als bereits die Fı-Bastarde alle Übergänge vom völlig lockenfreien Lammvliese angefangen bis zum erstklassigen Lockenfell bester reinblütiger Lämmer der Karakulrasse auf- weisen. Bezüglich der Vererbungskraft der Lockenbildung, besonders in der F,-Generation, verhalten sich verschiedene Karakul-Individuen (Böcke) recht verschieden. Wir sehen hier die Individualpotenz im Sinne der älteren Ziichtungslehre walten. . Die Vollkommenheit der Karakullocke hängt jedoch bei den Läminern der F,-Generation, unter sonst gleichen Umständen, auch von der zur Kreuzung gewählten, mit lockenfreiem Lamm- vliese versehenen zweiten Rasse ab. Mischwollige Rassen, obenan die Zackelschafe, geben recht gute, Schafe der Merino- gruppe hingegen mindere Lockenqualitäten in Fı. Bei Kreuzungen von Karakuls mit Rambouillets läßt sich am Lammvliese locken- [freier Individuen Kreuzungsatavismus feststellen. Ze u 10. Wile 12. 13. 14. 15. Über die Vererbungsweise der Karakullocke usw. 201 . Weil das Auftreten dieser Lockengebilde jedoch zeitlich (und zwar auf die allererste Jugend) beschränkt ist, so kann man in diesem Falle eigentlich von einer temporären, unvollkommenen Dominanz sprechen. . Das verschiedenartige Verhalten jener die Karakullocke bildenden Haare in verschiedenen Altersstufen des Vlieses spricht dafür, daß zwischen der liegenden Haarspirale einerseits und der senkrecht gestellten Spiralform, ferner der eng- und flachgewellten Haarform andererseits ein naher Zusammenhang bestehen muß. Daraus folgt aber gleichzeitig auch, daß die Form des Haar- keimes, des unteren Teiles des Haarbalges, die nach A. Sticker in dieser Hinsicht so wesentlich sein soll, nieht wohl die Ur- sache dieses verschiedenen Verhaltens der Haare sein kann. Welcher Art die Wirksamkeit der bei der Bildung der Karakul- locke tätigen mechanischen Kräfte ist, läßt sich vorläufig auf Grund unserer bisherigen Kenntnisse der histologischen Ver- hältnisse bei spiraliggedrehten oder gewellten Haaren nicht feststellen. Für die Faktorenwahl bieten daher die histologischen Verhält- nisse der verschieden geformten Haare beim Schafe noch keinen brauchbaren Anhaltspunkt. Im Gegensatze zu den weniger vollkommen gebauten Locken des Menschenhaares, für deren Zustandekommen nur ein Faktor (beim Weißen nach Davenport) oder höchstens zwei Faktoren (nach E. Fischer beim enekrausen Hotten- tottenhaare) notwendig sind, müssen für die Auslösung der Karakullocke auf Grund der erhaltenen Resultate höchst wahrscheinlich mehr als zwei Faktoren angenommen werden. Berücksichtigt man jedoch auch die Art der Vererbung der Karakullocke innerhalb der reinblütigen Karakulrasse, dann er- gibt sich mit großer Wahrscheinlichkeit die Annahme, daß man es hier mit einer größeren Anzahl von gleichsinnig wirkenden Faktoren (Polymerie) im Sinne Nilsson-Ehles zu tun hat. Daß die Fähigkeit zur charakteristischen Lockenbildung der Karakulrasse von einer größeren Anzahl gleichsinnig wirkender Faktoren abhängig sein dürfte, läßt sich auch aus der Tatsache erschließen, daß bei den komplizierteren Kreuzungen unseres Ver- suches (F2 mal F2 und F, mal Fs) öfters Individuen auftreten, 202 16. Adametz. deren Lammfell eine Art von intermediärer Vererbung vor- täuscht. Eine Schwierigkeit bietet der Erklärung die Tatsache, daß selbst nach mehrfachen Rückkreuzungen nach der Karakulseite hin (d. h. im Verlaufe der sogenannten Veredlungskreuzung der praktischen Tierzüchter) immer wieder, wenn auch nur vereinzelt, Individuen mit lockenfreiem Lammvliese fallen. Offenbar handelt es sich hier um Heterozygoten mit rezessivem Aussehen. Die Davenportsche Annahme einer mit verschiedener Aktivität aus- gestatteten Kraft, welche solche unvollkommen dominanten Merk- male bald kräftiger auslöse, bald wieder unentwickelt lasse, vermittelt strenge genommen kein wirkliches Verständnis. Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. Vorläufige Mitteilung von Alfred Ernst. (Eingegangen am 30. September 1916.) Habituelle Parthenogenesis und die Erscheinungen der Apogamie und Aposporie sind im Pflanzenreich recht weit verbreitete Erscheinungen. Seit JUEL (1900) für Antennaria alpina Embryobildung aus unbefruchteten Ei- zellen beschrieben hat, ist Jahr für Jahr für weitere Angiospermen Ent- wicklung von Eizellen oder anderer Zellen des Embryosackes zu Embryonen ohne vorausgehende Befruchtung nachgewiesen oder doch wahrscheinlich gemacht worden. Unter den Gymnospermen sind Fälle von Parthenogenesis und Apogamie bis jetzt nicht mit voller Sicherheit nachgewiesen. Dagegen sind unter den Pteridophyten eine ganze Anzahl von Arten und Gattungen bekannt geworden, bei welchen die geschlechtliche Fortpflanzung durch Parthenogenesis oder andere denselben Effekt erzeugende ungeschlechtliche Fortpflanzungsvorgänge ersetzt worden ist. Seit 1900 ist das Studium der natürlichen Parthenogenesis und verwandter Erscheinungen bei höheren Pflanzen gewissermassen zu einem besonderen Forschungsgebiet geworden und schon 1908 hat H. WINKLER in seiner Studie „Parthenogenesis und Apogamie im Pflanzenreich“ eine treffliche Zusammenfassung und Besprechung des bis dahin über diese Erscheinungen bekannt Gewordenen gegeben und 1913 über den gleichen Gegenstand eine kürzere, auch die neuere Literatur berücksichtigende Fassung im „Handwörterbuch der Naturwissenschaften“ veröffentlicht. Der Hinweis auf diese beiden Übersichten enthebt mich der Notwendig- keit, an dieser Stelle auf die weitschichtige Literatur und die strittige 204 Ernst. Nomenklatur der in Frage stehenden Fortpflanzungserscheinungen ein- zutreten. In eytologischer Hinsicht hat die Untersuchung der günstigeren Fälle spontaner Eientwicklung bei Angiospermen zum Resultat geführt, daß der bei den normal geschlechtlichen Arten mit dem Generations- wechsel verbundene Wechsel in der Chromosomenzahl unterbleibt. Damit fällt auch der Vorgang der Reduktionsteilung bei der Teilung der Kerne in den Sporenmutterzellen, oder wenigstens in den der Bildung des weiblichen Gametophyten vorausgehenden Teilungen der Embryosack- mutterzelle aus. Geschlechtliche und ungeschlechtliche Generation dieser Pflanzen weisen in ihren Kernen gleich viel Chromosomen auf und zwar, bezogen auf die Chromosomenzahl nächst verwandter, geschlechtlich ge- bliebener Arten, die diploide Anzahl. WINKLER (1906, S. 234 und 1908, S. 303) bezeichnete die mit Ausschaltung der Chromosomenreduktion ver- bundene parthenogenetische Fortpflanzung als somatisch, da die Chromosomenzahl der Kerne während des ganzen Entwicklungszyklus diejenige der ungeschlechtlichen Generation, also der vegetativen Organe der höheren Pflanzen ist. Bei generativer Parthenogenesis weisen die Kerne in beiden Generationen die Chromosomenzahl der Geschlechts- generation auf. Diese Bezeichnungen sind nicht ohne Widerspruch eeblieben. Ein Teil der Forscher, die sich mit diesen Fortpflanzungs- vorgängen beschäftigt haben, vor allem STRASBURGER und TISCHLER, beschränkten die Bezeichnung „Parthenogenesis“ auf die Entwicklung von Eizellen mit generativer Chromosomenzahl. Die Weiterentwicklung einer Eizelle mit diploider Chromosomenzahl reihen sie der Erscheinung der „Apogamie* ein. Dem Vorgehen JUELS entsprechend wird der letztere Ausdruck, den DE BARY (1878, S. 479) zunächst für alle im Pflanzen- reich auftretenden Erscheinungen des Geschlechtsverlustes gebraucht hatte, für diejenigen Formen der asexuellen Fortpflanzung reserviert, welche in der Ausbildung eines neuen Individuums von einer unbefruchteten Eizelle oder einer anderen Zelle der Geschlechts- generation ausgehen. Die Entwicklung der diploiden Eizelle erscheint nach der Auffassung STRASBURGERS als ein Spezialfall der Weiterent- wicklung von Zellen dieser abnorm chromosomigen Generation überhaupt und wird mit der Bezeichnung ovogene Apogamie oder Oo-Apogamie belegt. Nach dem jetzigen Stand unserer Kenntnisse sind sämtliche Fälle von Parthenogenesis und Apogamie bei Angiospermen nach der Be- zeichnung WINKLERS somatischer Natur, Oo-Apogamie oder gewöhn- Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 205 liche Apogamie nach STRASBURGER. Für die Pteridophyten sind die Verhältnisse der bedeutend größeren Chromosomenzahlen wegen nicht so leicht zu übersehen. Zurzeit liegen Angaben über eine größere Anzahl von Fällen sicher somatischer Parthenogenesis und Apogamie vor, für einige weitere Fälle ist generative Apogamie angegeben worden, viel- leicht mit Unrecht. Als wirkliche Beispiele eigentlicher oder generativer Partheno- genesis im Pflanzenreich werden in der neuesten Literatur zitiert ge- wisse Entwicklungsvorgänge verschiedener isogamer Algen relativ niederer Organisationsstufen, wie Protosiphon, Ulothrix, Draparnaldia, Chlamydomonas usw. Ihre Fortpflanzungszellen haben die Fähigkeit, je nach den Umständen zu kopulieren oder sich einzeln zu entwickeln. Sie haben bald Gameten- bald Sporencharakter. Zur generativen Parthenogenesis gehören ferner die Fälle induzierter Parthenogenesis bei Sprrogyra, Cutleria usw., also in der Hauptsache diejenigen Fälle, welche unter den erweiterten Begriff der fakultativen Parthenogenesis fallen. Von Formen mit typischer oogamer Fortpflanzung werden der generativen Parthenogenesis einzelne oogame Saprolegniaceen und schließ- lich die schon von A. BRAUN (1856) als parthenogenetisch beschriebene Chara erinita zugeteilt. Für die Beantwortung der Frage nach den Ursachen von Par- . thenogenesis und Apogamie bieten ersichtlich die Fälle fakultativer Par- thenogenesis bei den niederen Pflanzen bedeutend einfachere Verhältnisse dar als die habituelle Parthenogenesis und Apogamie der höheren Pflanzen. Sie allein haben sich auch bis jetzt der experimentellen Behandlung zu- gänglich erwiesen. Es ist bekanntlich das Verdienst von KLEBS (1896) zuerst an einfachen Algen (Protosiphon botryoides, Spirogyra varians) und ebenso an Pilzen (Sporodinia grandis) die Bedingungen für das Eintreten der Gametenentwicklung ohne Befruchtung festgestellt zu haben. Nicht so einfach und klar liegen die Verhältnisse bei einigen anderen partheno- genetischen Prozessen, bei welchen es sich, wie z. B. bei Hetocarpus, Cutleria usw. um selbständige Weiterentwicklung von Gameten ver- schiedener Größe handelt, die normalerweise beim geschlechtlichen Fort- pflanzungsvorgang auch ein verschiedenes Verhalten zeigen. Immerhin spielt hier wiederum die Außenwelt eine entscheidende Rolle, ohne daß eine Präzisierung der einzelnen Faktoren möglich wäre In denjenigen Verwandtschaftskreisen der Algen, in welchen wie bei den Vaucheriaceen, Oedogoniaceen, Coleochaetaceen ausgeprägte Oogamie Regel ist, hat man natürliche Parthenogenese noch nicht mit Sicherheit 206 Ernst. nachgewiesen. Vorläufig steht das Beispiel von Chara erinita unter den oogamen Algen noch völlig isoliert da, wobei aber, wie auch OLTMANNS (1905, S. 255) meint, „nicht ausgeschlossen ist, daß in der Familie der Characeen wie in den oben genannten Familien weitere Fälle nachgewiesen werden, sobald man noch genauer untersucht.“ Was nun die Entstehung der bei den höheren Pflanzen ver- breiteten habituellen Parthenogenesis und der als solche ge- deuteten Fortpflanzungserscheinungen anbetrifft, so hat man sich vielfach vorgestellt, daß sie aus der fakultativen Parthenogenesis hervorgegangen sei. Dies führte weiter zur Annahme, daß die gleichen Faktoren, welche bei normal geschlechtlichen Pflanzen fakultative Parthenogenesis auszulösen imstande sind, auch als Ursachen der habituellen Parthenogenesis in Frage kommen könnten. Auf die Verhältnisse bei den Angiospermen übertragen, ergab sich die Hypothese daß speziell chemisch-physikalische Zustandsänderungen in der Umgebung der Eizelle als das veranlassende Moment für den Eintritt der apomiktischen Keimbildung anzusehen seien. So hat z. B. OVERTON (1902, S. 372), anknüpfend an J. Lozss Versuche über künstliche Partheno- genesis und die darauf gegründete Theorie der Befruchtung die Ansicht vertreten, daß die dichte Plasmahülle, welche nach seiner Feststellung bei Thalictrum purpurascens die Eizelle umgibt und vor der Eiteilung physikalische Änderungen erfährt, irgendwie den osmotischen. Druck inner- halb des Eies verändere und daß diese Druckänderung Entwicklung auslösend wirke. Da bis jetzt die spärlichen Versuche, experimentell den Befruchtungsprozeß der Eizelle zu beeinflussen oder durch andere Reize zu ersetzen, noch zu keinen allgemein anerkannten, positiven Resultaten geführt haben, ist auch die Möglichkeit solcher von außen kommender Einflüsse als Ursache der Apomixis bei höheren Pflanzen noch völlig unerwiesen. Zweifellos sind Parthenogenesis und Apogamie bei höheren Pflanzen von ursprünglich geschlechtlicher Fortpflanzung abgeleitete Fortpflanzungs- vorgänge. Speziell für parthenogenetische und apogame Angiospermen und Pteridophyten ist festgestellt worden, daß sie die Möglichkeit zu normaler geschlechtlicher Fortpflanzung ganz oder doch fast ganz verloren haben. Parthenogenesis und Apogamie sind bei ihnen erblich geworden. In Anlehnung an die von DE BARY (1878) geäußerte Vermutung, daß Pflanzen mit völligem Ersatz geschlechtlicher Fortpflanzung durch Apogamie eine morphologische Degradation erfahren und viel- Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 207 leicht „in ein letztes Stadium ihrer Existenz, in den Beginn allmäh- lichen Aussterbens getreten seien“, hat man auch das Auftreten von somatischer Parthenogenesis bei höheren Pflanzen in Beziehung zu Degenerationsvorgängen zu setzen gesucht. Dem widerspricht aber der Umstand, daß parthenogenetische (ooapogame) Fortpflanzungsvorgänge innerhalb der Reihen und Familien der Angiospermen ohne übersehbare Beziehungen zur systematischen Stellung auftreten und in der Mehrzahl der Gattungen mit apomiktischen Arten auch normal sexuelle gefunden worden sind. Wenig wahrscheinlich ist die Annahme, daß die Häufig- keit von Parthenogenesis und Apogamie unter den heterotrophen Angiospermen, den chlorophyllarmen Saprophyten und Parasiten, in Ver- bindung mit allerlei anderen Reduktionen in der generativen Sphäre gleich den vegetativen Reduktionen mit der veränderten Lebensweise in Beziehung zu setzen sei. Die zytologischen Untersuchungen an parthenogenetischen Blüten- pflanzen haben Anlaß gegeben, zwischen der Apomixis und der Chromosomenzahl der Kerne Beziehungen anzunehmen, die kausaler Natur sein könnten. Solche Beziehungen sind nach zwei Richtungen hin denkbar. Alle bisher bekannten Fälle von Partheno- genesis und Apogamie bei Pteridophyten und Angiospermen sind somatisch. Da sich die Eizellen sowie die anderen entwicklungsfähigen Zellen des Gametophyten dieser Pflanzen von denjenigen ihrer nächst verwandten amphimiktischen Arten außer durch die Entwicklungsfihigkeit auch durch den Besitz der diploiden Chromosomenzahl unterscheiden, war die An- nahme naheliegend, daß eventuell diese doppelte, sonst erst durch die Be- fruchtung zustande kommende Chromosomenzahl die Ursache der partheno- genetischen Entwicklung sein könnte. Mehrfach ist auch darauf hingewiesen worden, daß apomiktische Pflanzen sich durch relativ hohe Chromo- somenzahlen auszeichnen, ihr Chromosomensatz doppelt oder mehrfach so viele Einzelchromosomen zählt als derjenige der amphimiktisch gebliebenen Arten derselben Gattung oder Familie. Auch aus dieser erhöhten Chromo- somenzahl, die übrigens keineswegs bei allen apogamen Angiospermen vorhanden ist, lassen sich keine sicheren Schlüsse ziehen. Ähnliche starke Differenzen der Chromosomenzahlen wie in den Verwandtschafts- kreisen mit Apogamie, sind auch schon in anderen Gattungen und Familien mit ausschließlich normal geschlechtlich gebliebenen Arten gefunden worden. Durch die Untersuchungen von Ex. und EM. MARCHALL (1909 und 1911), sowie durch die neueste Untersuchung von H. WINKLER (1916) ist überdies gezeigt worden, daß experimentell erzeugte Rassen mit 208 Ernst. verdoppelter oder vervierfachter Chromosomenzahl keineswegs einen Verlust der geschlechtlichen Fortpflanzung zu zeigen brauchen. Von STRASBURGER (1905) ist ferner ein Zusammenhang zwischen Entstehung der Apomixis und Schwächung oder eänzlichem Ver- lust der Sexualität angenommen worden. Das Auftreten von Parthenogenesis und Apogamie bei einer größeren Anzahl diöcischer Pflanzen (Chara erinita, verschiedene Angiospermen wie Antennaria alpina, Thalictrum, Balanophora) gab Veranlassung zu Uberlegungen, ob nicht die apomiktische Fortpflanzung auch von einer Trennung der Geschlechter ursächlich ausgehen könnte. Zu Erklärungsversuchen der Apomixis ist schließlich auch der Umstand herangezogen worden, dab sich eine ganze Anzahl von Fällen apomiktischer Fortpflanzung in polymorphen Verwandtschaftskreisen vorfinden. Im besonderen hat sich wiederum STRASBURGER mit den kausalen Beziehungen zwischen Polymorphismus und Ursprung der Apogamie beschäftigt. Er hat dabei angenommen (1905, S. 144), daß z. B. der hochgradige Polymorphismus der Eualchimillen als der Aus- druck einer starken Mutation gelten könne und der Verlust des Ge- schlechts Folge dieser übermäßigen Mutation sei. Diese Ansicht hat er auf Grund der später bekannt gewordenen weiteren Beispiele 1910 dahin ab- geändert, „daß starke Mutation, nur wenn sie mit Chromosomenvermehrung zusammengeht, Ooapogamie fördert“. Im übrigen hielt er auch in der letzten Arbeit, in welcher er diese Probleme besprochen hat, durchaus an der Möglichkeit verschiedenen Ursprunges der Fälle habi- tueller Ooapogamie fest. Eine eingehende Besprechung und Kritik der bisherigen An- sichten über die Ursache der Apogamie ist im achten Kapitel der WINKLERschen Studie von 1908 enthalten. Prinzipiell neue Hypo- thesen sind seither meines Wissens über Ursache und Auslösung der habituellen Parthenogenesis nicht mehr geäußert worden. Noch heute gelten die Worte, mit denen WINKLER 1908 seine Betrachtungen über die Ursachen von Parthenogenesis und Apogamie im Pflanzenreich ge- schlossen hat: „Nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse können wir also über die Faktoren, die phylogenetisch die Einführung der habituellen Parthenogenesis oder Apogamie bewirkt haben, ebenso wenig etwas Sicheres aussagen als über die Natur der Reizvorgänge, die jeweils im Verlaufe der Ontogenese sie auslösen.“ Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 209 So sind wir zurzeit nicht nur von einer einwandfreien Erklärung der habituellen Parthenogenesis und Apogamie noch weit entfernt, son- dern es liegen unter den besprochenen Hypothesen kaum ein oder zwei vor, welche überhaupt einen Wee zur experimentellen Erzeugung habi- tueller Apomixis zeigen könnten. Als unerläßliche Bedingung für die Feststellung der Ursachen der natürlichen, habituellen Parthenogenese und verwandter Erscheinungen erschien mir seit Jahren die Ausdehnung der Untersuchungen über künstliche Parthenogenesis bei Pflanzen und die Anwendung der von den Zoologen gefundenen zahlreichen und ver- schiedenartigen Methoden der künstlichen Entwicklungs- erregung speziell auf Vertreter solcher Verwandtschaftskreise, welche Beispiele natürlicher Parthenogenesis aufweisen. Angesichts der wenigen Resultate, welche Versuchen über künstliche Parthenogenese im Pflanzenreich bis jetzt im Vergleich zu den glänzen- den Ergebnissen dieses Studiengebietes in der Zoologie beschieden ge- wesen sind, mußte allerdings dieser Weg von vorneherein recht dornenvoll und fast aussichtslos erscheinen. Es stehen solchen Versuchen zwei Gruppen von schwer zu überwältigenden Hindernissen entgegen. Die eine besteht darin, daß die morphologischen Verhältnisse der meisten Pflanzen, vor allem derjenigen mit ausgeprägtem Generations- wechsel der direkten Beeinflussung ihrer Sexualzellenbildung, der funktionsfähigen Sexualzellen, ihres Vereinigungsprozesses und der Entwicklung des Vereinigungsproduktes durch chemische oder physikalische Einflüsse große Schwierigkeiten ent- gegensetzen. Das gilt vor allem für diejenigen Pflanzenstämme, welche die meisten Beispiele von natürlicher Parthenogenesis und Apogamie auf- weisen, die Angiospermen und die Pteridophyten. Bei den Angzospermen spielen sich die Fortpflanzungsprozesse im Inneren geschlossener Gewebe und Organe ab. Die Komplexe sporo- gener Zellen sind zur Zeit ihrer wichtigsten Teilungen noch mikro- skopisch klein. Ihre Freilegung oder Isolierung ist ohne Schädigung der Weiterentwicklung nicht wohl möglich und in den intakten Organen sind die sporogenen Zellen der Pollensäcke und der Samenanlagen, ebenso später die Eizellen und die Zygoten, der experimentellen Beeinflussung fast unzugänglich. Eine Beeinflussung ihrer Entwicklung durch Injektion ist denkbar und hat in den Mac DouGaAuschen Versuchen, wie es scheint, bereits auch zur Auslösung erblicher Veränderungen an Pflanzen geführt. Die Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 14 210 Ernst. Schwierigkeit, durch Injektionen die generativen Entwicklungsvorgänge bei Angiospermen, speziell die wichtigen Stadien der Tetraden- und Reduktionsteilung, aber auch diejenigen der Befruchtung zu beeinflussen, besteht vor allem in der Unmöglichkeit oder außerordentlichen Schwierig- keit, im einzelnen Falle das Entwicklungsstadium der zu beeinflussenden Zellen genau festzustellen und im Experiment den Einfluß von Reiz- mitteln qualitativ und quantitativ zu regulieren. So scheinen z. B., wie v. RÜMKER und V. TSCHERMAK (1910) vermuten, beiden MAC DOUGALschen Versuchen die Injektionsflüssigkeiten nicht in die Embryosäcke einge- drungen zu sein, sondern nur die um die Mikropyle der Samenanlagen ge- legenen Zellen imprägniert zu haben. Eine direkte Beeinflussung der Ele- mente des weiblichen Gametophyten und im besonderen der Eizelle würde also bei diesen Versuchen nicht stattgefunden haben. Dagegen könnten die Pollenschläuche bei ihrem Wachstum durch die Mikropyle mit den in- jizierten Elementen in Berührung gekommen sein und es würde sich, ein positives Ergebnis der Versuche als richtig angenommen, wahrschein- lich um eine Beeinflussung der Spermakerne durch die injizierten Lösungen handeln. Immerhin ist ein weiterer Ausbau dieser Methode und speziell auch eine Auswahl der Untersuchungsobjekte denkbar, welche eine direkte Beeinflussung der generativen Zellen der Samen- anlage in den verschiedensten Stadien ihrer Entwicklung möglich machen würde. Auch bei vielen Pteridophyten und den meisten Moosen sind die Größen- und Stellungsverhältnisse der Geschlechtsorgane einer direkten Beeinflussung nicht günstig. Die mit der Sporenbildung verknüpfte Re- duktionsteilung findet wie bei den Angiospermen im Inneren geschlossener Organe statt, deren Entwicklungsstadium ohne Störung der weiteren Ent- wicklung nur annähernd bestimmt werden kann und die fast ebenso sehr wie die Geschlechtsorgane dieser Pflanzen infolge ihrer Kleinheit die experimentelle Beeinflussung erschweren. Bei den meisten Thallophyten dagegen, bei welchen die Beeinflussung der Fortpflanzungsvorgänge leichter sein dürfte, stehen der Ausführung ausgedehnter experimenteller Untersuchungen noch Schwierigkeiten der Kultur entgegen. Das gilt im besonderen für die marinen Braun- und Rotalgen, von welchen nur an marinen Stationen und auch hier nur nach Überwindung zahlreicher Schwierigkeiten in der Kultur eine normale Entwicklung der Pflanzen aus befruchteten und beeinflußten Eiern bis zu neuen, geschlechtsreifen Individuen erreicht werden dürfte. Auch der Verwendung einiger in morphologischer Hinsicht günstiger Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 211 oogamer Süßwasseralgen hätten vorerst mühsame Kulturversuche vorauszugehen. Eine Gruppe von Pflanzen nun, bei welchen beide Arten von Schwierigkeiten überwunden werden können, sind die Characeen. Ihre Vorzüge gegenüber anderen Pflanzen, die zum Teil vorauszusehen waren, zum Teil sich erst im Verlaufe meiner Untersuchungen gezeigt haben, sind: 1. Zahlreiche Vertreter der Familie lassen sich verhältnismäßig leicht kultivieren und zur normalen Fruktifikation bringen. Als Wasser- pflanzen machen sie eine experimentelle Beeinflussung der Entwicklung ihrer Sexualzellen, der Befruchtungsvorgänge und auch der Keimung der Sporen schon durch geringe Abänderung der in der Technik der Zoologen üblichen Methoden leicht möglich. 2. In morphologischer Hinsicht sind die Characeen zu solchen Ver- suchen durch Anordnung, Bau und Größe der Sexualorgane vortrefflich geeignet. Die Eizelle der Characeen gehört zu den größten Eizellen des Pflanzenreichs und ist vom Außenmedium nur durch eine Hülle spiralig gewundener Hüllschläuche (zur Zeit der Befruchtung nicht einmal voll- ständig) getrennt, also verhältnismäßig leicht beeinflußbar. 3. Die Befruchtung hat die Umwandlung der dünnwandigen Eizelle in eine Dauerzelle mit dicker und dunkel gefärbter Membran zur Folge. Eintritt und Ausbleiben der Befruchtung, ebenso die Wirkung eines die- selbe ersetzenden Reizes werden also durch das Eintreten oder Ausbleiben der Membranbildung an der Eizelle schon von bloßem Auge deutlich sichtbar, ohne daß eine mikroskopische Untersuchung und damit ein störender Eingriff in die Kultur notwendig würde. 4. Die Diöcie einzelner Arten und die leichte Unterscheidbarkeit der männlichen und weiblichen Pflanzen im fertilen Zustande geben die Möglichkeit, durch Individualkulturen in einfachster Weise jede un- gewollte Befruchtung oder Kreuzung auszuschließen. Es bieten daher die diöcischen Arten sowohl für Versuche über künstliche Parthenogenesis als zur künstlichen Bastardierung besonders günstiges Material. Die europäische Characeenflora weist zudem nicht weniger als 11 diöcische Arten auf, von denen namentlich die 8 diöci- schen Chara-Arten ziemlich weit verbreitet und verhältnismäßig leicht zu beschaffen sind. Des weiteren erfüllt die genannte Pflanzengruppe alle Anforderungen, welche an ein Untersuchungsobjekt für aussichtsreiche Versuche zur Fest- stellung der Bedingungen für das Eintreten künstlicher und habituell natürlicher Parthenogenesis zu stellen sind, weil sie in 14* 212 Ernst. Chara erinita einen alt berühmten, ja eigentlich den ersten sicheren Fall von Parthenogenesis im ganzen Pflanzenreich aufweist. Meine bisherigen Untersuchungen an Characeen haben mir gezeigt, daß diese Pflanzengruppe wirklich ein ausgezeichnetes Untersuchungs- material für experimentelle Studien über Variabilität und Ver- erbung, sowie zu Untersuchungen über experimentelle Par- thenogenese bilden. Eine der im Gange befindlichen Untersuchungen hat vorerst zu einem unerwarteten Aufschluß über das Wesen der Par- thenogenesis von Chara crinita selbst geführt. Er scheint mir nicht nur eine günstige Grundlage für die weitere Erforschung der Fort- pflanzungsvorgänge dieser Pflanze selbst, sondern auch ganz allgemein neue Anhaltspunkte für das Studium der Erscheinungen der Apomixis im Pflanzenreich zu geben. Den Ergebnissen meiner eigenen Untersuchungen über die Fort- pflanzungsverhältnisse von Chara erinita schicke ich eine kurze Dar- legung des bis jetzt über diese Pflanze bekannt Gewordenen voraus. I. Ergebnisse früherer Untersuchungen über die Par- thenogenesis von Chara crinita. Chara crinita ist eine fast über ganz Europa, Teile von Mittel- und Ostasien, Nord-Afrika und Nord-Amerika verbreitete Art. Sie liebt schwach salziges Wasser und findet sich daher vorzugsweise in salz- ärmeren Meeren, in Sümpfen und Teichen in Meeresnähe und in den stehenden Gewässern von Gegenden mit Salzboden und Salzquellen. Chara crinita ist diécisch. Während aber bei anderen diöcischen Characeen ein geselliges Nebeneinandervorkommen der’ beiden Ge- schlechter, bald mit leichtem Vorwiegen der weiblichen Pflanzen (z. B. bei Nitella syncarpa, opaca, capitata), bald der männlichen Pflanzen (z. B. bei Chara aspera, ceratophylla) beobachtet wird, macht Chara erinita von diesem Gleichgewicht in der Hervorbringung der beiden Geschlechter eine auffallende Ausnahme. ALEXANDER BRAUN hat schon 1856 in seiner Untersuchung „Über Parthenogenesis bei Pflanzen“ und wieder 1867 die Belege dafür gegeben, daß an zahlreichen Standorten verschiedener Länder (z. B. Italien, Frank- reich, Arabien, Algier, England, Irland, Holland, Deutschland, Ungarn, Dänemark, der südlichen Provinzen Schwedens, Finnland usw.) nur weibliche Pflanzen gefunden worden sind. Er gibt an, daß keiner Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 213 der zahlreichen Autoren, welche diese Art behandelten, die männlichen Pflanzen beschrieben hat, obschon sich mehrere derselben speziell, aber immer ohne Erfolg, um die Auffindung männlicher Pflanzen bemüht haben. Er selbst gelangte bei der Durchmusterung seiner eigenen um- fangreichen Characeensammlungen, zahlreicher fremder Herbarien, sowie bei der Untersuchung lebenden Materiales verschiedener Standorte zum gleichen, negativen Ergebnis. Trotzdem ist BRAUN der Nachweis gelungen, daß diese lokal ein- geschlechtlich auftretende Pflanze einer diöcischen Art angehört. Auf Grund spärlicher, einander teilweise widersprechender Literaturangaben und eigener Untersuchung kritischer Exemplare fremder Sammlungen, konnte er zeigen, daß Chara erinita in Wirklichkeit doch beide Ge- schlechter besitzt. Er fand männliche Pflanzen, die mit der weib- lichen Chara erinita im morphologischen Aufbau sicher zusammengehörten, entweder allein oder zusammen mit weiblichen Pflanzen in Proben ge- trockneter Charen von vier, allerdings weit auseinander liegenden Stand- orten, nämlich von Gurjew am kaspischen Meere, von Hermannstadt in Siebenbürgen, Piräus bei Athen und Courteison bei Orange in Siid- Frankreich. Nach diesem Befunde schien es ihm gewiß, daß es einzelne Lokalitäten gebe, an welchen Chara crinita beide Geschlechter hervorbringe, während sie offenbar gerade in denjenigen Gegenden, wo sie am reichlichsten wachse, nur eingeschlechtlich, und zwar weiblich erscheine. Da nun trotz des Fehlens männlicher Pflanzen an allen übrigen Standorten, im besonderen an den zahlreichen Standorten des nördlichen Europa die weiblichen Exemplare von Chara erinita ebenso reichlich Oogonien und in diesen reife Sporen bilden wie andere Characeen, diese Sporen keimen und wiederum weibliche Pflanzen erzeugen, so schloß BRAUN, daß sich diese Charaart an den meisten Standorten parthenogenetisch fortpflanzen müsse. Durch Kulturversuche von DE BARY (1872 und 1875) und MIGULA (1897, S. 357) ist die Richtigkeit der BRAunschen Angaben einwandfrei erwiesen worden. Weitere experimentelle Befunde über die Partheno- genesis bei Chara erinita oder über das Vorkommen von Parthenogenesis bei anderen Characeen liegen zurzeit nicht vor. Die Vorstellungen, die man sich bis jetzt auf Grund des Vorkommens, der Standortsverhältnisse und der Kulturversuche über Wesen und Ur- sache der Parthenogenesis von Chara erinita gemacht hat, gehen ganz allgemein dahin, für Chara erinita ähnliche Beziehungen 214 Ernst. zwischen Parthenogenesis und ökologischen Bedingungen an- zunehmen, wie sie für eine Anzahl fakultativ parthenogene- tischer Algen nachgewiesen worden sind. Es ist daher verständ- lich, daß auch OLTMANNS (II 1905, S. 257) im allgemeinen Teil seines vortrefflichen Algenbuches die Parthenogenesis von Chara erinita mit derjenigen der anderen Algen im Abschnitt „Abhängigkeit der Fort- pflanzung von der Außenwelt“ bespricht und dabei besonders eingehend die Analogie in den Fortpflanzungsverhältnissen von Chara erinita und der Cutlerien hervorhebt. Es sei gestattet an dieser Stelle, statt auf die Orginalliteratur selbst einzutreten, diesen Vergleich nach der OLTMANNschen Zusammenfassung durchzuführen. Cutleria zeigt an den südlichen Standorten, wie z. B. in Neapel, normale Befruchtung. Das Verhältnis der weiblichen und männlichen Pflanzen ist dort von REINKE als 2:3 festgestellt worden. An der Küste Englands dagegen treten im August männliche Pflanzen nur ganz spär- lich auf und werden in den übrigen Monaten des Jahres überhaupt nicht mehr gefunden. Die weiblichen Exemplare sind dagegen sehr reichlich vertreten und die entleerten Eier keimen fast alle ohne Befruchtung. Eine Analogie zwischen Üutleria und Chara erinita wird nun darin ge- sehen, daß auch letztere im Norden unseres Kontinentes nur in weiblichen Exemplaren gefunden wird, an denen trotzdem die Eiknospen ausreifen, während an gewissen Standorten Südeuropas wiederum Antheridien tra- gende Exemplare in nennenswerter Menge vorkommen, so daß hier einer Befruchtung nichts im Wege stehen dürfte. In anderer Hinsicht weichen die parthenogenetischen Vorgänge bei Out- leria und Chara, wie OLTMANNS ausführt, von denjenigen bei den niederen Grünalgen ab. Es handelt sich bei ihnen nicht um eine Hemmung der sexuellen Tätigkeit zweier vorhandener Gametenformen, sondern um die Beseitigung oder Nichtausbildung des einen Geschlechtes. „Hierfür äußere Faktoren verantwortlich zu machen, liegt um so näher, als es ja KLEBS bei Vaucheria gelungen ist, durch kulturelle Eingriffe die bevorzugte Ausbildung des einen Geschlechtes herbeizuführen; allein genauer präzisiert sind weder für Cutlerza noch für Chara jene Faktoren, und wenn CHURCH glaubt, die Temperatur sei für die erste Gattung das treibende Agens, so ist das wenigstens nicht mit voller Sicherheit er- wiesen.“ So klingen also, meint OLTMANNS, „die Befunde an Cutleria und Chara an das an, was LoTsy über Balanophora, speziell über Balanophora globosa berichtet. Von dieser Pflanze fand er überhaupt keine männlichen Exemplare und es ist fraglich, ob solche noch existieren. Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 215 Die Pflanze dürfte „verwitwet“ sein und es ist durchaus möglich, daß die Cutleria und Chara einmal dasselbe Schicksal ereilt, es brauchen z. B. nur die relativ wenigen Standorte, welche männliche Pflanzen von Chara erinita beherbergen, durch Natur oder Menschenhand zerstört werden, um dieses Resultat herbeizuführen.“ Embryologisch-cytologisch ist Chara erimita bis jetzt noch nicht untersucht worden. Die Kenntnis der Characeen weist in dieser Hinsicht überhaupt noch beträchtliche Lücken auf. Im besonderen liegen über die Befruchtung bei Chara und Nitella erst einige wenige Angaben in den Arbeiten von OVERTON (1890) und GOETZ (1899) vor. Die Kern- verhältnisse der Zygote während der Ruheperiode und namentlich während der ersten Keimungsstadien sind schon oft, aber immer mit geringem Erfolg gesucht worden. Die Ausbildung der harten und spröden Sporen- schale, der große Stärkegehalt der Eizelle setzen diesen Feststellungen bedeutende, nur durch außerordentliche Geduld und Sorgfalt zu über- windende Schwierigkeiten entgegen. Diese Lücke in der Kenntnis des Entwicklungsganges der Zygo- sporen ist auch die Ursache, daß für die Characeen bis in die aller- jüngste Zeit die Feststellung des Ortes und des Verlaufes der Reduktions- und Tetradenteilung ausstand. Ein Generations- wechsel mit verschiedener Chromosomenzahl der Generationen, wie er in neuerer Zeit auch für andere hochorganisierte Algen (Braun- und Rot- algen) nachgewiesen werden konnte, schien bei den Characeen nicht vor- handen zu sein. Ebenso wenig, wie eine mit einer Reduktion verbundene Sporenbildung, konnte eine während der Oogonium- und Antheridium- entwicklung vor sich gehende Reduktionsteilung festgestellt werden. So haben DEBSKY (1897 und 1898), ebenso GOETZ (1899) umsonst nach einer Reduktionsteilung im Verlauf der Spermatogenese und der Oogonium- entwicklung von Chara fragilis und foetida gesucht. Auch die Bemühungen STRASBURGERS blieben bei Untersuchungen an Chara fragilis und Nitella syncarpa in dieser Richtung völlig ohne Erfolg. Der Umstand, daß die Kerne, die bei den Charen zur Bildung der Spermatozoiden Verwendung finden, ebensoviel Chromosomen wie die Thalluszellen aufweisen, veran- laßte STRASBURGER (1897, S. 413) zur Vermutung, daß sich bei Chara die Zahlenreduktion der Chromosomen sehr frühzeitig vollziehe und viel- leicht der „Vorkeim“ der Charen die diploide Chromosomenzahl führe. Später (1908, S. 38) modifizierte er seine Ansicht dahin, daß die Re- duktionsteilung der Characeen bei der Teilung des diploiden Zygotenkerns stattfinden müsse. Die gleiche Ansicht hat fast gleich- 216 Ernst. zeitig und unabhängig von STRASBURGER auch WINKLER (1908, S. 310) geäußert. Es gehören die Characeen nach dieser Ansicht, die ich auf Grund eingehender Untersuchungen seit langem teilte und die in diesem Jahre in der vorläufigen Mitteilung von OEHLKERS (1916, S. 226) eine Be- stätigung gefunden hat, zu denjenigen pflanzlichen Organismen, deren Diploidphase einzig durch die Zygote repräsentiert ist und die als selbständige Bionten nur durch die Haploidphase vertreten sind. Mit SVEDELIUS (1915) können solche Organismen als Haplobionten be- zeichnet werden. Der Thallus von Chara ist also haploid, er erzeugt Geschlechts- organe, das befruchtete Ei liefert die diploide Zygote, welche nach einem mehrmonatlichen Ruhestadium bei Beginn der Keimung die durch die Befruchtung verdoppelte Chromosomenzahl wieder auf die einfache Zahl zurückführt. Ausgehend von der Annahme, daß bei den amphimiktisch gebliebenen Charen die beiden ersten Teilungsschritte in der keimenden Spore mit einer Reduktionsteilung verbunden seien, hat WINKLER (1908, S. 310) die Möglichkeiten diskutiert, die sich hieraus für die zytologischen Ver- hältnisse und die Entstehung der Parthenogenesis von Chara erinita ergeben. Er läßt dabei noch unentschieden, ob es sich um somatische oder um generative Parthenogenesis handle. Größere Wahrscheinlichkeit kommt nach seiner Ansicht der letzteren Annahme zu, „da nach ihr von allen Zellen nur die Oospore nicht die ihr ge- bührende Chromosomenzahl besitzt, während nach der anderen Annahme die Oospore als einzige von allen Zellen die normale Chromosomenzahl im Kerne hat‘. Angaben über die Chromosomenzahl von Chara erinita und einigen anderen Charen hat STRASBURGER (1908) wenig vor dem Erscheinen der WINKLERschen Zusammenfassung publiziert. STRASBURGER hat die Chro- mosomenzahl parthenogenetischer Pflanzen von Chara erinita an Material aus Kiel zu 18 bestimmt. Die gleiche Zahl fand er auch bei Chara fragilis. Unter der Annahme, daß die Reduktionsteilung sich beim ersten Teilungsschritt der Characeen-Zygote vollziehe, würde also, meint STRAS- BURGER, „Parthenogenesis, wie sie für Chara erinita angegeben wird, auf nicht all zu große Schwierigkeiten stoßen. Es braucht nur die Re- duktionsteilung bei der Keimung der Azygote ausgeschaltet zu werden. Für die auszubildende haploide Generation wäre ja die erforderliche Zahl von Chromosomen da.“ Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 917 STRASBURGER stellte ferner fest, daß die parthenogenetische Chara erinita und die amphimiktische Chara fragilis in der Größe ihrer Zellen und Kerne übereinstimmen. Ferner zeigten die Oogonien der beiden Arten, sowie die Kerne ihrer Eizellen auf gleichen Entwicklungs- stadien dieselbe Größe. Da sonst im allgemeinen diploide Eier und diploide Kerne apogamer Arten größer sind als die haploiden bei ver- wandten sexuell gebliebenen Arten, schloß er, daß die Oogonien tragende Generation von Chara crinita als haploid zu gelten habe. Der gleichen Ansicht hat sich auf Grund der STRASBURGERschen Befunde auch WINKLER (1913) in seiner zweiten Übersicht über die Er- scheinungen der „Apogamie und Parthenogenesis* angeschlossen. Er führt hier Chara erinita als einziges sicheres Beispiel von generativer ’arthenogenesis, also von Keimbildung aus einem unbefruchteten Ei mit haploider Chromosomenzahl des Kerns an und fügt hinzu: „Ob eine Befruchtung bei der Pflanze noch möglich ist, ist nicht bekannt, muß aber wohl als wahrscheinlich gelten. Denn es gibt Formen der Chara erinita, z. B. im Lago di Pergusa bei Castrogiovanni in Sizilien, bei denen männliche Stöcke so häufig sind, daß auf zwei weibliche Indi- viduen ein männliches kommt; das ist wohl nur möglich, wenn Amphimixis eingreift.“ So gehen also, kurz rekapituliert, auf Grund der bis jetzt vorliegen- den Daten die Ansichten dahin, daß bei den amphimiktischen Charen die Reduktionsteilung sich im Keimungsprozeß der Zygote abspielt, die Characeen denjenigen Formen unter den Algen beizuzählen sind, bei denen die ganze vegetative Entwicklung und die Bil- dung der Sexualzellen als Haploidphase verläuft, während die Diploidphase einzig durch die Zygote repräsentiert ist. Die Parthenogenesis von Chara crinita wird als generativ aufgefaßt. Ihre Parthenosporen führen im Kern gleich viel Chromo- somen wie die übrigen Zellen der ganzen Pflanze und erfahren bei der Keimung keine Reduktionsteilung. Befruchtung und damit Zygo- sporenbildung parthenogenetischer Pflanzen sind noch möglich und bleiben in der Regel nur aus, weil an den meisten Standorten der Pflanzen, im besonderen an allen nördlichen Standorten, die männlichen Individuen fehlen. 218 Ernst. Il. Eigene Untersuchungen über die Fortpflanzungs- verhältnisse von Chara crinita. Meine eigenen Untersuchungen an Chara erinita haben schon 1900 begonnen und sind veranlaßt worden durch die Entdeckung des eigen- tümlichen Pseudohermaphroditismus bei der diöcischen Netella syn- carpa (ERNST, 1901). Das Vorkommen von spermatogenen Fäden im Inneren der Oogonien eines weiblichen Stockes dieser Nitella gab Ver- anlassung, bei Chara erinita nach ähnlichen Anomalien und damit nach einer weiteren, bis dahin noch nicht vorausgesehenen Möglichkeit ge- legentlicher Befruchtung ihrer Eizellen zu suchen. 1. Das Untersuchungsmaterial. Die Beschaffung von Untersuchungsmaterial von Chara erinita ist trotz der weiten Verbreitung der Pflanze nicht leicht. Obschon die Characeen in mehrfacher Hinsicht Gegenstand interessanter Unter- suchungen gewesen sind und wohl auch in jedem Universitätslaboratorium zu kursorischen Zwecken gehalten und untersucht werden, scheinen nur verhältnismäßig wenige Botaniker über die Characeen-Arten ihres Sammelgebietes genauer orientiert zu sein. So ist STRASBURGER, der für die Beschaffung des Materials zu seinen Untersuchungen aus- gedehnte Korrespondenzen und die Inanspruchnahme von Fachkollegen aller Kontinente und Zonen nicht scheute, noch 1908 ausschließlich auf die Untersuchung einer Probe fixierten Materiales angewiesen geblieben, das seiner Zeit G. KARSTEN in Kiel gesammelt und fixiert hatte. Aus diesem Grunde ist es vielleicht nicht ganz unangebracht, wenn ich über meine, sich mehr als ein Jahrzehnt erstreckenden Bemühungen, mir Chara crinita zu verschaffen, hier berichte. Lebendes Material von Chara erinita erhielt ich 1900 und noch- mals 1902 durch die gütigen Bemühungen von Konservator L. HOLTZ in Greifswald, einem bewährten Characeenkenner und Bearbeiter der Chara- ceen Neu-Vorpommerns und der Insel Rügen und Usedom (1891). In den folgenden Jahren verschaffte mir CH. SONDER in Oldesloé, der 1890 mit einer Untersuchung über die Characeen der Provinz Schleswig-Holstein und Lauenburg promoviert hatte und auch später noch eifrig Characeen sammelte, zu wiederholten Malen neue Sendungen von Chara erinita. So habe ich seit 1900 Chara erinita nebst anderen Charen und Nitellen fast ununterbrochen in Kultur gehalten. Ausgedehnte Versuche für die Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 219 schon damals geplanten experimentellen Befruchtungsstudien und Unter- suchungen über die Variabilität mußten leider der Raumverhältnisse unseres Institutes wegen unterbleiben. Die Untersuchung der Oogonium- und Sporenbildung, sowie der Sporenkeimung von Chara erinita, wie auch anderer Characeen wurde in den folgenden Jahren anderer Arbeiten halber zu wiederholten Malen zurückgestellt und gedieh zunächst nicht über das für die Charen bereits Bekannte hinaus. Hermaphroditische Sexualorgane oder normale Antheridien, deren gelegentliches Vorkommen an den weiblichen Pflanzen von Chara erinita CLAVAUD (1878 u. 1884) angenommen hatte, waren trotz wiederholter und sorgfältiger Untersuchung an den parthenogenetischen Pflanzen aus Nord- deutschland nicht aufzufinden. So schien mir schließlich eine Aufklärung über das Wesen der Parthenogenesis von Chara crinita von der Untersuchung der weiblichen Pflanzen nördlicher Standorte allein nicht mehr zu erwarten. Mein Bestreben ging also dahin, mir Chara crinita von einem der wenigen Standorte zu beschaffen, an denen männliche Pflanzen gefunden worden waren. Die vier Standorte, von denen schon A. BRAUN männliche Pflanzen von Chara erinita vorgelegen hatten, sind bereits genannt worden. Aus der Umgebung von Gurjew am kaspischen Meere hatte LESSING (1834) unter dem Namen Ch. Karelini Less. eine diöcische Art beschrieben, die A. BRAUN (1856, S. 341) als Chara crinita erkannte. Eine Möglichkeit, die Pflanze dort von neuem ohne einen unverhältnis- mäßig großen Kostenaufwand suchen zu lassen, hat sich mir in aller- jüngster Zeit eröffnet. Über das Resultat dieser Nachforschungen kann aber erst später berichtet werden. Wegen der Beschaffung von Chara crinita aus dem Piräus bei Athen trat ich 1914 mit Prof. S. MILIARAKIS in Athen in Verbindung. Er stellte mir, wie auch Privatdozent N. MONTESANTOS in liebenswürdiger Weise seine Mithilfe in Aussicht. Das Ergebnis mehrerer Nachsuchungen des letzteren im Piräus und dessen Umgebung führte leider nur zur Auf- findung einiger Exemplare von Chara foetida, von Chara crinita war keine Spur zu finden. Der von A. BRAUN genannte Standort der Chara erinita in der Umgebung von Salzburg ‚bei Hermannstadt in Siebenbürgen ist wahrscheinlich eingegangen, denn PAX berichtet in seinen Grund- zügen der Pflanzenverbreitung in den Karpathen (1908, S. 122), daß er unter Führung eines sach- und ortskundigen Freundes, des Apothekers 220 Ernst. HENRICH in Hermannstadt, auf mehreren Exkursionen vergeblich nach Chara crinita gesucht habe. Nicht viel besser schienen die Verhältnisse zur Materialbeschaffung an dem von A. BRAUN (1856, S. 349) angegebenen Standort bei Cour- teison unweit Orange zu sein, denn in der neuen Characeenflora yon Frankreich gibt Hy (1913, S. 29) fiir Chara crinita den Standort bei Courteison nicht mehr an. Da er auch die Tatsache nicht erwähnt, daß dort Chara erinita S gefunden worden sei, noch sonst über das Vorkommen männlicher Pflanzen berichtet, ist zu schließen, daß auch unter allen anderen seither in Frankreich gemachten Funden dieser Art niemals mehr männliche Exemplare gewesen sein werden. Die Möglichkeit, Nach- forschungen in Courteison selbst anzustellen oder anstellen zu lassen, ist in den letzten Jahren nicht vorhanden gewesen. So wären meine Bemühungen völlig resultatlos geblieben, wenn nicht in der neueren Characeenliteratur zwei weitere Standorte von Chara cerita mit männlichen Pflanzen mitgeteilt worden wären. Die neuen Standorte sind wiederum ziemlich weit voneinander abliegend, der eine im ungarischen Tieflande, der andere in Sizilien. Nachdem in der älteren floristischen Literatur schon mehrere un- garische Standorte der weiblichen Chara crinita angegeben worden waren (s. Filarszky, 1893, S. 122), hat zuerst KERNER (1877,8.133) zwischen Budapest und Soroksar, in Lachen unterhalb der Gubacs- Csarda Chara erinita auch mit männlichen Pflanzen gefunden. Offen- bar an denselben Standorten, nämlich in zwei nahe beieinander liegenden Sümpfen und einem Teich nächst der Gubacser Pußta ist sie bis in die neueste Zeit zu wiederholten Malen von F. Filarszky, z. 7. Direktor der botanischen Abteilung des ungarischen Nationalmuseums in Budapest gesammelt worden. Er hat Chara erinita noch an einer größeren Zahl anderer Standorte in der näheren und weiteren Umgebung von Budapest aufgefunden und dabei die Wahrnehmung gemacht, daß an den meisten Standorten nur die weibliche Form, an einigen wenigen dagegen, wie in der Gubaeser Pußta, neben weiblichen Pflanzen auch männliche vorkommen (1893, S. 122). Ungefähr gleichzeitig mit MIGULA kam FILARSZKY durch Beobach- tung von Kulturen rein weiblichen Materiales Zu Ergebnissen, welche ebenfalls die von den früheren Forschern festgestellte Parthenogenesis dieser Art bestätigten. Dagegen war es ihm bei seinen wiederholten Exkursionen aufgefallen, „daß an solchen Standorten, wo beständig nur weibliche Pflanzen beobachtet wurden, von Jahr zu Jahr immer wieder Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 29] nur weibliche Pflanzen auftraten, männliche Pflanzen hingegen nicht er- schienen, wo hingegen weibliche Pflanzen mit männlichen Pflanzen ge- mischt auftraten, entwickeln sich immer von neuem wieder männliche und weibliche Nachkommen“. Diese Erscheinung beobachtete er an ver- schiedenen voneinander weit entfernten Standorten der Chara erinita in der Umgebung von Budapest (diesseits und jenseits der Donau) und folgerte daraus, „daß männliche Pflanzen der Chara crinita nur aus befruchteten Oosporen sich entwickeln, während weibliche Pflanzen aus befruchteten, aber auch aus unbefruchteten Oosporen entstehen können“. Diese 1893 publizierten Beobachtungen FILARSZKYS, welche auch in einem Referate von MOsrus (Just. Botan. Jahresber. 1893, 21. 1. S. 78) erwähnt worden sind, wären geeignet gewesen, schon längst das ganze Problem der Parthenogenesis von Charu erinita auf eine neue Basis zu stellen. Sie sind aber in der einschlägigen Literatur ähnlich den Mit- teilungen CLAVAUDS gänzlich übersehen worden und auf die Entwicklung der bisherigen Kenntnis von Chara erinita völlig ohne Einfluß gewesen. Ich muß gestehen, daß ich die separat im Buchhandel erschienene und heute nur antiquarisch erhältliche Originalarbeit FILARSZKYS ebenfalls erst vor wenigen Monaten in die Hände bekommen habe und 1909 fast zufällig auf die Mitteilung seiner Funde von Chara crinita in dem bereits zitierten Werke von PAX gestoßen bin. Als ich mich im Spätsommer 1910 an Dr. FILARSZKY wegen Beschaffung lebender männlicher und weiblicher Pflanzen von Chara erinita wandte, stellte er mir sofort in liebens- würdiger Weise seine Hilfe in Aussicht. Ein Ausflug, den er noch im Oktober jenes Jahres an den schon genannten Teich nächst der Gubacser Pußta unternahm, blieb resultatlos, da der Teich keinen Tropfen Wasser mehr enthielt. Auch einige andere Budapest näher gelegene Standorte der aus- schließlich weiblichen Form waren völlig eingetrocknet. In den Jahren 1911 und 1912 wurde die Einsammlung der Pflanzen durch den ungewöhnlich hohen Wasserstand verunmöglicht. Dagegen hatten Dr. FILARSZKYS Nach- forschungen im Sommer 1913 wieder Erfolg und am 27. Juni 1913 hatte ich die große Freude, von ihm eine Sendung gut erhaltener männlicher und weiblicher Pflanzen von Chara crinita zu erhalten, von denen ein Teil fixiert, der Rest dagegen in Kultur genommen wurde und gut gedieh. Auch 1914 und 1915 hatte Dr. FILARSZKY die Güte, die Exkursion an den Standort der seltenen Pflanze zu wiederholen, um für mich einiges Material zu sammeln. Auch 1914 war nach seiner brieflichen Mitteilung am 18. Juni der Wasserstand des Teiches sehr hoch. Die Pflanzen waren 95 22 Ernst. bo ohne Ausnahme stark gestreckt und Dr. FILARSZKY berichtete, früher nie- mals so lange Exemplare der Pflanze gefunden zu haben. Offenbar in- folge der mit dem schlafferen Bau verbundenen geringeren Festigkeit überstanden die 1914 gesandten Pflanzen die Reise weniger gut als. die- jenigen von 1913. In der Kultur gingen sie weniger gut an und sind in der Folge bis auf ganz wenige abgestorben. Im August 1915 war der Wasserstand des Standortes so hoch, daß eine breite, sonst trocken liegende Zone des Ufers überschwemmt und die Einsammlung der Pflanze aus den inneren und tieferen Partien des Teiches unmöglich war. üinen zweiten, auch von WINKLER (1913, S. 274) erwähnten neuen Standort von Chara erinita mit männlichen Pflanzen hat H. Ross in Sizilien entdeckt. Er fand im Juli 1893 den flachen Seegrund des Lago di Pergusa, bei Castrogiovanni, zum größten Teil mit einer reich fruktifizierenden Chara crinita überdeckt. Sein Bericht über diesen und andere Characeenfunde in Sizilien ist erst 1905 publiziert worden und enthält über seinen wichtigen Fund unter anderem folgende Angaben: Chara erinita bildet im See von Pergusa Pflanzen von 80 und mehr cm Länge. Ihre Stengelknoten sind sehr stark angeschwollen, was zuerst von L. HOLTZ (1905/06) als Anzeichen für die Möglichkeit einer Überwinterung gedeutet worden ist. Die Verzweigung ist spärlich, auf das obere Drittel der Pflanze beschränkt, die Bestachelung reichlich. Die Antheridien der miinn- lichen Pflanzen waren im frischen Zustande orangerot. Sie fanden sich zu vier, die Oogonien bis zu drei an den Blättern vor. Die männlichen Pflanzen bildeten nach der Schätzung von Ross ungefähr ein, die weib- lichen zwei Drittel des eingesammelten Materiales. In dem sizilianischen Florenwerke von TORNABENE (1887) wird Chara crinita für Palermo und Catania angegeben. Doch weder hier, noch in der neueren Aufzählung der sizilianischen Characeen von FORMIGGINI (1908) wird, ebensowenig wie für alle anderen Teile Italiens, das Vor- kommen männlicher Pflanzen dieser Art erwähnt. Es liegen also zum mindesten in Sizilien, vielleicht in Italien überhaupt die Verhältnisse ähnlich wie in Ungarn, das heißt, Chara erinita mit männlichen Pflanzen ist selten, so zu sagen eine Ausnahme, die meisten Standorte weisen ausschließlich weibliche Pflanzen auf. Meine Bemühungen, aus dem See von Pergusa lebendes Material zu erhalten, sind lange erfolglos geblieben. Im Sommer 1915 stellte mir Prof. BUSCALIONI in Catania seine Hilfe zur Erlangung von Pflanzen aus dem Lago di Pergusa in Aussicht, aber erst im Sommer 1916 bot sich Gelegenheit zur Ausführung der notwendigen Exkursionen. Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 293 In zuvorkommender Weise hat sich dabei Prof. MUSCATELLO in Vertretung des von Catania abwesenden Prof. BUSCALIONI der Angelegenheit an- genommen und mir durch einen Angestellten des botanischen Gartens zweimal, im Juni und im Juli dieses Jahres nach meinen Angaben Material einsammeln und zweckdienlich präpariert und verpackt zugesandt. Auch diese Pflanzen haben sich gut in Kultur nehmen lassen und werden es ermöglichen, noch in diesem oder im nächsten Jahre eine Über- prüfung der inzwischen an dem Budapester Material erhaltenen Resultate vorzunehmen. Seit 1913 habe ich mich auch bemüht, Material der ausschließ- lich weiblichen Chara erinita von möglichst verschiedenen Stand- orten Europas zu gewinnen. Dr. J. GROVES, London, hat mir im August 1913 einige im Sommer 1912 in England gesammelte und ge- trocknete Exemplare von Chara crinita mit scheinbar reifen Sporen über- mittelt. Die Aussaat derselben hat leider bis jetzt keine Keimung er- geben. Von den Standorten Norddeutschlands, von denen mein erstes Unter- suchungsmaterial herstammte, war es mir leider nicht möglich, in den letzten Jahren wiederum lebende Pflanzen zu erhalten. In Greifswald ist mit dem Tode von Konservator HOLTZ die Kenntnis der Fundorte von Chara erinita offenbar verloren gegangen und in den neuen „Bei- trägen zu einer Algenflora der Umgebung von Greifswald“ von A. WILZEK (1913) und SCHULTZ (1914) wird Chara erinita in der Liste der von ihnen aufgefundenen Charen nicht aufgeführt. Dr. SONDER in Oldesloé hat hohen Alters wegen das Botanisieren aufgegeben und mein ehemaliger Schüler Dr. A. Wirr, der sich auf meine Bitte hin der Mühe unterzog, an den seiner Zeit in Begleitung von Dr. SONDER besuchten Standorten von Chara crinita von neuem nach der Pflanze zu suchen, hatte leider weder dort noch an anderen Orten Erfolg. Dagegen ist es mir gelungen, sehr schönes Material von Chara crinita aus Dänemark und Schweden zu erhalten. Fräulein A. SEIDELIN, Assistentin am botanischen Museum in Kopen- hagen, besorgte mir Ende August 1913 gütiest lebendes Material von Chara erinila mit reifen Sporen von einem ihr bekannten Fundorte, Praestö Fjord auf der Ostseite von Seeland, und legte am Standorte selbst zahlreiche Vegetationsspitzen weiterer Pflanzen in Fixierflüssig- keiten ein. Eine zweite Sendung lebenden Materials hat sie mir auch im Oktober 1915 wieder besorgt. 224 Ernst. Ich bin ferner Prof. Dr. LAGERHEIM in Stockholm, dem hoch- verdienten Algenkenner Dr. O. NORDSTEDT in Lund und meinem ehe- “„maligen Schüler und Assistenten Dr. HARALD Huss, Botaniker am Ge- sundheitsamt in Stockholm, für freundliche Bemühuugen zu Dank verpflichtet, in besonderem Maße aber Herrn Pastor HAssLow in Hanaskog, der mir zwei habituell recht stark verschiedene Formen von Chara erinita von Standorten bei Sélvesborg und Valjö in der Provinz Bleking (süd- liches Schweden) nicht nur im September 1913, sondern wiederum in den Jahren 1914 und 1915 besorgt hat. Prof. Dr. DOHRN, Leiter der zoologischen Station in Neapel und sein derzeitiger Stellvertreter, Prof. Dr. RAFFAELE hatten die Güte, trotz der Ungunst der Zeitverhältnisse im Sommer 1915 in der Umgebung von Neapel, an einem schon von A. BRAUN (1856, S. 343) erwähnten Standort der Chara crinita, dem Lago d’Averno bei Pozzuoli, nach dieser Pflanze suchen zu lassen. Die Nachforschung hatte unerwartet rasch Erfolg. Zwei reichliche Sendungen, die mir im August 1915 zukamen, enthielten gemischt mit anderen Charen eine sehr langgliederige, der von ROSS im See von Pergusa gefundenen Form etwa vergleichbare, aber ausschließlich in weiblichen Exemplaren vorkommende Chara erinita. Alle die genannten Fachgenossen und Kollegen haben durch ihre freundlichen Bemühungen einen wesentlichen Anteil am Zustande- kommen meiner Untersuchungen. Ihnen allen, im besonderen aber Fräulein A. SEIDELIN, Herrn Dr. FILARSZKY und Herrn Pastor HASSLOW, welche persönlich zeitraubende Exkursionen für die Beschaffung der gewünschten Pflanzen ausführten, bin ich zu lebhaftem Danke verpflichtet. So bin ich denn seit Sommer 1913 allmählich in den Besitz eines mannigfaltigen Materiales der parthenogenetischen Chara crinita aus Dänemark, Schweden und Italien, sowie männlicher und weiblicher Pflanzen aus Ungarn und Sizilien gekommen. Nach dem Bezuge unseres neuen Institutes im Herbst 1913 standen mir auch genügende und passende Räumlichkeiten für ausgedehnte Kulturversuche zur Verfügung. Von Anfang an wurden parallel gehende experimentelle und eytologisch-entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen vor- gesehen. Die experimentelle Arbeit nahm ich selbst in Angriff. Die eytologisch-entwicklungsgeschichtliche Untersuchung mit den Hauptauf- gaben: Feststellung allfälliger Befruchtungsvorgänge und des Reduktions- prozesses im ersten Verlauf der Keimung wurde als Dissertationsthema vergeben. Leider ist hernach dieser Teil der Untersuchung infolge Er- krankung der Mitarbeiterin zuerst nur langsam vorgerückt und später Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 225 mehr als ein Jahr gänzlich liegen geblieben. Er ist erst im Winter- semester 1915/16 wieder aufgenommen worden und wird nun jedenfalls, zumal inzwischen die Fragestellung durch die Ergebnisse der experi- mentellen Untersuchung wesentlich verändert und bestimmter geworden ist, rasch zu seinen Zielen führen. So kann also vorerst nur über die von mir selbst vorgenommenen experimentellen Untersuchungen berichtet werden, die im Winter 1914/15 und besonders im Frühjahr 1915 zu recht unerwarteten und zu eifriger Weiterarbeit anspornenden Resultaten geführt haben. Ich sehe an dieser Stelle von einer eingehenden Beschreibung der von den verschiedenen Standorten stammenden Pflanzen, im besonderen der noch fast gar nicht bekannten!) männlichen Pflanzen und des Geschlechtsdimorphismus von Chara crinita, der ökologischen Be- dingungen ihrer Standorte, ebenso von Angaben über meine im Verlauf der Jahre ausprobierte Kultur- und Versuchstechnik ab. Dies alles wird Gegenstand einer besonderen, ausführlichen Arbeit sein, deren Haupt- ziel die Untersuchung der Formen- und Rassenbildung innerhalb dieser interessanten Chara-Art ist. 2. Erste orientierende Untersuchungen und weitere Fragestellung. Für die experimentelle Untersuchung schien die Fragestellung zum Teil durch die im vorigen Kapitel skizzierten Anschauungen über das Wesen der Parthenogenesis von Chara crinita, zum Teil auch durch die Befunde bei anderen parthenogenetischen und apogamen Pflanzen einiger- maßen vorgezeichnet. Da bei fast allen apogamen Pflanzen nicht nur die Entwicklung der weiblichen, sondern auch der männlichen Sexualorgane und Sexual- zellen im Vergleich zu den normal geschlechtlichen Verwandten gestört ist, war auch für Chara erinita an den in Kultur gezogenen männlichen Pflanzen vor allem zunächst die Entwicklung der Antheridien zu ver- folgen. In Analogie zu den höheren Pflanzen war die Frage zu prüfen, ob eventuell auch bei Chara crinita die männlichen Organe sich nicht 1) So schreibt MıGuLA (1897, S. 349) am Schlusse seiner Liste der in der älteren Literatur vorhandenen Abbildungen von Chara erinita: „Sämtliche Abbildungen geben nur die weiblichen Pflanzen wieder, es ist mir auch nicht erinnerlich, irgend wo die Abbildungen einer männlichen Pflanze gesehen oder eine solche zitiert gefunden zu haben.“ Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 15 226 Ernst. mehr, oder vielleicht nur noch innerhalb bestimmter Temperaturgrenzen normal entwickeln und funktionsfähige Spermatozoiden liefern und ob unter anderen, ungünstigen Bedingungen trotz der Anwesenheit männlicher Pflanzen — vergleichbar etwa der reichlichen Pollenbildung bei Taraxacum — alle Oogonien Parthenosporen bilden. Die Unter- suchung hat nun in dieser Hinsicht festgestellt, daß sich Anthe- ridium- und Spermatozoidenentwicklung an den in Kultur wachsenden Pflanzen in völlig normaler Weise abspielen. Die Antheridien erreichen bei günstigen Kulturbedingungen ungefähr dieselbe Größe, Form und Färbung wie am natürlichen Standorte. Die Schild- zellen reifer Antheridien fallen regelmäßig auseinander, so daß das Ge- wirr spermatogener Fäden als gallertiges Flöcklein zwischen den ge- lösten Schildzellen heraushängt und, was die Hauptsache ist, die mikro - skopische Untersuchung stellte die massenhafte Ausbildung völlig normaler Spermatozoiden fest, die sich im Wasser leb- haft bewegen. : Die Möglichkeit war also vorhanden, auch an den kultivierten Pflanzen Befruchtungsversuche auszuführen. Weitere Anhaltspunkte für die künftige Fragestellung gab eine bereits im Winter 1913 vorgenommene variationsstatistische Untersuchung eines Teils der von den verschiedenen Standorten erhaltenen reifen Sporen. Veranlassung zu diesen Messungen war die Wahrnehmung, daß die Sporen des vegetativ kräftig entwickelten Budapester Materiales kleiner schienen als diejenigen der viel kleineren Pflanzen aus Dänemark und der zum Teil wahre Kümmerformen darstellenden Pflanzen aus Schweden. Die Möglichkeit war also ins Auge zu fassen, daß eventuell nicht nur in der Sporengröße, sondern auch in der Art der Fortpflanzung erbliche Rassen vorliegen könnten. Anderseits waren diese Messungen auch eine Vor- bereitung zur Prüfung der nicht mit diesem Thema direkt zusammen- hängenden Frage, ob bei der großen Variabilität der Chara erinita im gesamten vegetativen Habitus in der Sporengröße ein sicheres Ver- gleichsmerkmal zur Feststellung eventuell vorhandener Unterarten oder sonstiger erblicher Formen bestehe. Es sollte gleichzeitig der Versuch unternommen werden, durch Kultur der Pflanzen verschiedener Stand- orte unter denselben und anderseits von Teilen derselben Pflanze unter verschiedenen Bedingungen hiefür die ersten sicheren Anhaltspunkte zu gewinnen. i Variationsstatistische Angaben über die Größe der Fortpflanzungs- zellen bei niederen Pflanzen und Erfahrungen über ihre Verwendbar- Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 227 keit bei der Umgrenzung der Arten und Formen liegen zurzeit noch sehr wenige vor. In der Characeenkunde speziell lauten die bis jetzt vorliegenden Äußerungen pessimistisch und den Oogonien und Oosporen von Charu crinita ist sogar von verschiedenen Seiten eine besonders große Variabilität nachgerühmt worden. So schreibt z. B. A. BRAUN (1856, S. 350): „Größe und Gestalt der Sporangien, sowie der Grad der Drehung der Hüllzellen und die dadurch bedingte Zahl der von der Seite sichtbaren Spiralwindungen sind kaum bei einer anderen Art in gleichem Grade veränderlich, was jedoch zur Unterscheidung der Varietäten nur ein schwaches Anhalten bietet, da die verschiedenen Formen zu sehr durch Übergänge zusammenhängen.“ Nach MIGULA (1897, S. 356) ist auch der Kern, das heißt die aus den Hüllschläuchen frei gewordene Oospore, von Chara erinıta sehr verschieden gestaltet, länglich-eiförmig oder rundlich- eiförmig und von sehr verschiedener Größe. „Die Länge desselben schwankt zwischen 360 und 600 «, die Breite zwischen 200 und 400 «. Man hat darnach früher drei Formengruppen unterschieden: leptospermae, pachy- spermae, microspermae, doch läßt sich diese Einteilung nicht aufrecht er- halten, da alle Übergänge zwischen den extremen Formen vorhanden sind und auch an ein und demselben Individuum nicht unerhebliche Schwankungen in der Kerngröße auftreten.“ Auf einer größeren Anzahl von Messungen beruhende variations- statistische Untersuchungen sind allerdings bis jetzt noch nicht vorge- nommen worden. Nach meinen bisherigen Feststellungen liegen die Ver- hältnisse lange nicht so schlimm, wie nach den beiden obigen Zitaten er- wartet werden könnte. Die Verwendbarkeit der Sporenmaße oder von Ver- hältniszahlen zur Umgrenzung von Formen erscheint vielmehr recht wahr- scheinlich. An dieser Stelle kann ich mich auf einige wenige Angaben über die Länge von Sporen beschränken, welche an den natürlichen Standorten meiner Versuchspflanzen gereift und von den mir zugekommenen Pflanzen geerntet worden sind. Als Klassengrenzen seien der Einfach- heit halber die Teilstriche des Okularmikrometers (Obj. Leitz Nr. 3, MeB- okular Nr. 2, Objektmikrometer von Zeiß 1 mm = 100 Teilstriche ange- geben). Für die Umrechnung in « sei erwähnt, daß der Abstand zweier Teilstriche des Mikrometers bei der angegebenen Vergrößerung 15,4 « beträgt. Die Messung von zweimal je 500 Sporen des am 2. Sept. 1913 von Pastor HASSLOW in Sölvesborg, Schweden, gesammelten Materiales ergab z. B. folgende Verteilung der Sporen auf die einzelnen Klassen. 15* Ernst. bo bo 9.2) Linge der Sporen ii in n Teilstrichen des Okularmikrometers 25 26 27 28 29 30 31 3233 3435 36 37 38 39 40 41 42 m oo | | | | Re | | | | Von a6 Sporen gehören | | Isla] 415/30 36 85 100 816041 obigen Klassen an | | 21 6lıl | . | | | | | | | | | | | | | | | C B 6 | ib chal lL Von 492 Sporen’ gehlren | | 3 115112343689) Vales 64 38 26 4) 1| obigen Klassen an | | I Fel | Die Verteilung der Varianten auf die einzelnen Klassen entspricht in diesem Sporenmaterial also einer ziemlich regelmäßigen eingipfeligen Kurve. Zu ganz ähnlichen Resultaten haben auch die Messungen der Sporen des Materials geführt, das am 31. August 1913 von Fräulein A. SEIDELIN bei Praestö, Dänemark gesammelt worden war, sowie später die Untersuchung weiterer Materialien. So geht z. B. aus der nach- folgenden Übersicht hervor, daß auch die Sporen der am 14. August 1915 im Averner See bei Pozzuoli, bei im allgemeinen etwas geringeren Dimen- sionen, wiederum eine Verteilung der Varianten nach der typischen Zu- fallskurve ergeben. Die Sporenlängen waren nämlich in diesem Material wie folgt: Länge der Sporen in en des Okularmikrometers 25 26 27 282930 31 3233 34 35 36 37 38 39 40 41 42 2 16)/25/42)114/108 | | | | | | | IR 5331] I aA rn) | — | | | Von 500 Sporen gehören obigen Klassen an 94 | | | | | A | ue 132) | | Von 499 Sporen gehören | obigen Klassen an | | | | | | | 11 1a) 391101|109 86 Zu einem ganz anderen Resultat führte dagegen die Messung der Sporen von dem im Juni und Juli 1913 aus Budapest erhaltenen Material. Auch hier wurden zweimal je 500 Sporen gemessen. Die Ergebnisse sind untereinander und auch mit dem Gesamtresultat der ca. 1000 Mes- sungen durchaus eindeutig. Es ergab sich dabei folgende Verteilung auf die einzelnen Klassen: Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 229 Länge der Sporen in Teil- striehen des Okularmikrometers 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 Von 486 Sporen gehören | j | | | | ied? Klein a le 14 24 25 4113221 33)51 6157/50 31129 7 | 3) 2 0 2 asse nD | | | | | tales | a a | | | | Ss Ber hn | aA E Pe | | eet Von 481 Sporen gehören ||, | 1 | g /15/99138/89/20125/28165!78/45/42130/18| 1 |—| 3 obigen Klassen an | | Karel | | | | Statt 13—14 Klassen wie die Sporen der schwedischen und dänischen Pflanzen und 12—15 Klassen wie die Pflanzen von Neapel, wies das Budapester Material 17—19 Klassen auf, zeigte also eine bedeutend größere Variabilität als die Pflanzen anderer Standorte. Innerhalb dieser größeren Klassenzahl war überdies die Verteilung auf die einzelnen Klassen derart, daß ein niederes Maximum von Varianten auf die Klasse 25—26, ein größeres auf Klasse 30—31 entfällt, eine Verteilung also, der bei eraphischer Darstellung eine zwar nicht sehr ausgeprägte zweigipflige aber doch sehr stark asymmetrische Kurve mit verlängertem und unregelmäßig ansteigendem Schenkel entspricht. Gegenüber dem Sporenmaterial der Standorte in Schweden und Dänemark, sowie aus dem Averner See bei Pozzuoli erschien dasjenige von Budapest also weniger einheitlicher Natur zu sein. Ein Gemisch von Sporen verschiedener Chara-Arten lag ent- schieden nicht vor. Das aus Budapest erhaltene und zur Sporengewinnung in Glasdosen aufbewahrte Material war ausschließlich Chara crinita. Eine Verwechslung dieser Art mit irgend einer anderen europäischen Chara ist übrigens, wie nur nebenbei bemerkt sei, bei der Eigenart ihres ganzen Habitus und den schon von bloßem Auge oder mit der Lupe wahrnehm- baren besonderen Merkmalen in der Berindung und der Bestachelung, völlig ausgeschlossen. So war also eine innere Verschiedenheit der kleineren und größeren Sporen von Chara crinita dieses Standortes anzunehmen und zu ver- suchen, die stärkere Variabilität der Sporenlängen mit dem Vorkommen der männlichen Pflanzen respektive dem Eintreten oder Ausbleiben der Befruchtung der Eizellen weiblicher Pflanzen in Beziehung zu bringen. Die Vermutung drängte sich auf, ob an diesem Standort der minn- lichen und weiblichen Pflanzen von Chara crinita eventuell nebeneinander Parthenosporen und Zygosporen gebildet würden und die verschiedene Entstehung die Größe der Sporen in dem Sinne beeinflusse, daß die eine Sporenform durehschnittlich 230 Ernst. srößer sei als die andere. Bei Erwägung dieser Möglichkeit waren wiederum zwei Fälle denkbar: 1. an allen weiblichen Pflanzen entwickeln sich die Eizellen ein- zelner Oogonien ohne Befruchtung zu Parthenosporen, während diejenigen anderer Oogonien befruchtet werden und Zygoten liefern. 2. die sporenliefernden Pflanzen der Population verhalten sich von- einander verschieden, indem die einen ausschließlich sich parthenogenetisch entwickelnde, die anderen ausschließlich befruchtungsbedürftige Oogonien erzeugen. Die eben mitgeteilten Messungsresultate, sowie die sich daran knüpfenden Vermutungen, waren Anlaß dafür, daß ich alle nach- folgenden Versuche zur Feststellung der Befruchtung und Parthenogenesis an den weiblichen Pflanzen des Budapester Materiales nicht an Kulturen mit kleinen Populationen, son- dern an sorgfältig isolierten Einzelpflanzen vornahm. Solche Individualkulturen wurden erhalten durch Einzelaussaat von ca. 100 der im Sommer 1913 an den Budapester Pflanzen vorgefundenen reifen Sporen, sowie durch vegetative Vermehrung von Pflanzen jener Sendung vermittelst einzeln gepflanzter Stecklinge. Beide Versuchsreihen haben in der Folge zu völlig übereinstimmenden Resultaten geführt. Die auf den Resultaten der Messungen des Budapester Sporen- materiales basierenden Vermutungen haben in Kombination. mit der von den früheren Autoren angenommenen habituellen und generativen Parthenogenesis für die experimentelle Feststellung der Befruchtungs- und Keimungsverhältnisse zu folgender Fragestellung Anlaß gegeben. 1. Für die Untersuchung der Population des Teiches nächst der Gubacser Pußta bei Budapest mit männlichen und weiblichen Pflanzen: Sind die isoliert gezogenen weiblichen Pflanzen dieses Standortes zur parthenogenetischen Entwicklung einzelner, der Mehrzahl oder aller ihrer Fizellen befähigt und wenn ja, gehen aus diesen Parthenosporen, wie aus denjenigen der Pflanzen anderer Standorte, ebenfalls ausschließ- lich weibliche Pflanzen hervor? Welcher Art sind die an diesen weib- lichen Pflanzen zur Entwicklung kommenden Sporen, wenn bei gemein- schaftlicher Kultur mit männlichen Pflanzen die Möglichkeit zur Be- fruchtung ihrer Eizellen gegeben ist? Findet eine normale Befruchtung und damit Zygosporenbildung statt und wenn ja, gehen aus ihren Zygoten bei der Keimung ungefähr zu gleichen Teilen männliche und weibliche Pflanzen hervor? Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 231 2. Für die Untersuchung von Pflanzen von Standorten ohne männ- liche Pflanzen (Material aus Schweden, Dänemark und Neapel): Sind auch die Eizellen der habituell parthenogenetischen Pflanzen nördlicher Standorte unter günstigen Außenbedingungen noch befruch- tungsfähig, und wenn ja, entstehen aus ihren Zygoten neben weiblichen ebenfalls wieder männliche Pflanzen? Ist eventuell die Befruchtungs- fähigkeit der von Neapel stammenden Pflanzen größer als diejenige der aus dem Norden stammenden Pflanzen? Die Versuche zur Beantwortung dieser Fragen sind sukzessive von Frühjahr bis Herbst 1915 ausgeführt worden. Es zeigte sich dabei bald, daß mit der Beantwortung der ersten Fragengruppe indirekt auch eine Lösung derjenigen der zweiten Gruppe gegeben war. Immerhin sind auch die für eine selbständige Lösung der letzteren Fragen not- wendigen Versuche angestellt, d. h. habituell parthenogenetische Pflanzen von den Standorten in Schweden, Dänemark und Neapel zusammen mit männlichen Pflanzen aus Budapest in demselben Gefäß herangezogen worden. Durch Kontrolle ist zu wiederholten Malen festgestellt worden, daß während der ganzen Zeit, während welcher an den weib- lichen Pflanzen Sporenbildung erfolgte, auch reichlich reife Antheridien und Spermatozoiden in den betreffenden Kulturen vorhanden waren. 3. Feststellung von Befruchtung und Parthenogenesis bei Chara erinita des Budapester Standortes. Isoliert herangezogene weibliche Pflanzen, die teils aus reifen Sporen des Standortes, teils durch vegetative Vermehrung aus weiblichen Exemplaren des Budapester Materials erhalten worden waren, ergaben bei ihrer Prüfung auf Befähigung zu Parthenogenesis zu meiner Über- raschung das folgende Ergebnis: Ein Teil dieser Pflanzen bildete normal aussehende Oogonien, deren Eizellen sich ohne weiteres in Sporen um- wandelten; unter gleichmäßige bleibenden, günstigen Bedingungen er- folgte Sporenbildung fast durchweg in allen Oogonien dieser Pflanzen. Sie verhielten sich völlig gleich wie die habituell parthenogenetischen Pflanzen anderer Standorte, lieferten also ebenfalls Parthenosporen. An anderen weiblichen Pflanzen desselben Materiales dagegen unterblieb bei Isolierung die Sporenbildung. Ihre gelblichen bis orangeroten Oogonien erreichten eine bestimmte Größe, die Ausbildung der dunkeln Hartschale an der Oberfläche der Eizelle und damit deren Umwandlung zur Spore fand aber nicht statt. Sie be- 232 Ernst. gannen nach einigen Wochen zu verblassen, wurden allmählich kreide- weiß und fielen schließlich ab. Besonders wichtig erschien nun vor allem ein eingehenderes Studium der letzteren Pflanzen. Anhaltspunkte zur Deutung des be- sonderen Verhaltens ihrer Oogonien gaben eigene und fremde Beob- achtungen an anderen Characeen. Weiße Oogonien werden auch bei anderen Charen und Nitellen in Kultur wie an den natürlichen Standorten, je nach Standort und Jahreszeit bald häufiger, bald seltener beobachtet. Ihr Vorkommen ist schon lange bekannt. ihre Bedeutung aber verschieden beurteilt worden. A. BRAUN (1856, S. 338) hat sie als Degenerationsstadien der Oogonien aufgefaBt und gibt an, daß sie besonders in vorgerückter ‚Jahreszeit sehr häufig seien, ihre Entstehung auf mangelhafter Aus- bildung der die Spore umgebenden, harten Schale beruhe und daß sie offenbar unbefruchtet geblieben seien. OVERTON (1890, S. 38) ver- trat dagegen die Ansicht, daß das Weißwerden der Oogonien mit der Befruchtung nichts zu tun habe, sondern durch das frühzeitige Ab- sterben der Hüllschläuche und das Ausbleiben ihrer Beteiligung an der Sporenwandbildung bedingt werde. MiGULA hat diese Frage (1897, S. 50) durch Kulturversuche an der diöcischen Nétella capitata zu gunsten der BrAuNschen Ansicht einwandfrei gelöst. An isoliert gehaltenen weiblichen Pflanzen der genannten Art unterblieb die Ent- wicklung der Hartschale aller Oogonien vollständig. Ihre Eizellen füllten sich fast reicher mit Stärke als an normal befruchteten Oogonien. Sie wurden nach einiger Zeit weiß und fielen schließlich ab. Daß den membranlos gebliebenen und weiß gewordenen Oogonien jede Entwick- lungsmöglichkeit abgeht, hat MıGuLa zum Überfluß auch noch durch Kulturversuche gezeigt, die programmgemäß völlig resultatlos blieben. Zu völlig gleichen Ergebnissen bin ich nun auch mit den genannten Pflanzen des Budapester Materiales von Chara erinita gekommen. War damit die Unfähigkeit derselben zu parthenogenetischer Fortpflanzung unter der gegebenen Kombination von Außenfaktoren festgestellt, so galt es jetzt, die Befruchtungsfihigkeit ihrer Oogonien zu prüfen. Ein erster Befruchtungsversuch wurde am 24. April 1915 aus- geführt. In zwei Kulturgläser mit je einer isoliert gezogenen, nicht parthenogenetischen weiblichen Pflanze mit zahlreichen fertilen Sprossen, deren unterste Quirle bereits weiß schimmernde, also abgestorbene Oogonien führten, wurden einige fertile Sprosse einer männlichen Pflanze eingesetzt. Reife Antheridien, die bald nachher sich öffneten, waren vorhanden. Am dritten, ebenso am vierten Tage nach Herstellung der Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 233 Befruchtungsmöglichkeit waren noch keine, von bloßem Auge sichtbare Veränderungen der Oogonien eingetreten. Am fünften Tage dagegen war eine erste, dunkelgefärbte Spore sichtbar und in den nächst- folgenden Tagen nahm deren Anzahl rasch zu. In der Folge konnte a b Fig. 1. Fertile Sprosse parthenogenetischer Pflanzen von Chara crinita mit schematisierter Darstellung der Oogonium- und Parthenosporenverteilung in den jüngsten Quirlen. a Chara crinita aus Praestö, Dänemark. Sproß von Ableger Nr. 379, vom 1. Juli 1916. Die beiden jüngsten, durch makroskopisch wahrnehmbare Internodien getrennten Quirle führen noch in Entwicklung begriffene Oogonien, im dritten Quirl hat die Umwandlung der Eizellen in Parthenosporen begonnen, wobei die Sporenbildung nicht genau mit der Entstehungsfolge der Oogonien übereinstimmt. 6 Parthenogenetische Chara crinita aus dem Teich nächst der Gubacser Pußta, Ungarn. (Sproß von Ableger Nr. 403 vom 13. Mai 1916.) Nur der jüngste Quirl führt noch junge Oogoniumanlagen, im zweiten Quirl ist bereits die Umwandlung sämtlicher Eizellen in Parthenosporen eingetreten. an den einzelnen Sprossen ein regelmäßiges Vorrücken der Sporen- bildung von den Quirlen mit den ältesten noch entwicklungsfähigen Oogonien gegen die der Spitze genäherten jüngeren Quirle hin sehr schön festgestellt werden. 234 Ernst. Der Versuch ist im Verlaufe des Sommers 1915 und wiederum 1916 mit Nachkommen derselben, wie mit anderen befruchtungsbedürftigen weiblichen Pflanzen in derselben Weise und auch mit verschiedenen ] fe ww : D eG SAGs. V9 LW RN N D Bl, > SO 2 b Q ü q SVP = NP N X GIT NS N IN AEE, Fr yf y EN, 9 IK | Moy NZ IN > a c Fig. 2. Befruchtungsversuche mit Chara erinita 2 von Budapest (Klon 132, Ableger vom 26. Mai 1916, Aufstellung Ostseite des Warmhauses.) a Fertiler Sproß eines isoliert gezogenen Ablegers mit ausschließlich degenerierten und überreifen Oogonien in den unteren und jungen Oogoniumanlagen in den jüngeren Quirlen. c Fertiler Sproß eines Ablegers desselben Klons, der gemeinschaftlich mit einer männ- lichen Pflanze in demselben Kulturgefäß gewachsen ist. Fast sämtliche Oogonien haben Sporen gebildet. 6 Fertiler Sproß eines dritten, isoliert gezogenen Ablegers, zu welchem für die Zeit vom 18. August 10 ha. m. bis 21. August 8 h a. m. fünf männliche Sprosse mit reifen Antheridien zugesetzt worden waren. Am 23. und 24. August waren an der Kultur noch keine Veränderungen sichtbar, am 25. August 10 a. m. dagegen waren an allen weiblichen Sprossen Sporen ungefähr in der an Sproß 5 eingezeichneten Zahl und Verteilung vorhanden. Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 235 Modifikationen vielfach wiederholt worden. Es ergab sich ‚dabei, dab an den befruchtungsbedürftigen Pflanzen die Oogonien je nach den Kulturbedingungen 2—5 Wochen im befruchtungsfähigen Zustande er- halten bleiben und dann bei nachträglichen Eintreten der Befruchtungs- möglichkeit rasch und gleichmäßig an mehreren Quirlen zugleich Sporen angesetzt werden können. In der Regel sind nach Verlauf von fünf Tagen die ersten Eizellen empfängnisfähiger Oogonien zu dickwandigen und dunkelhäutigen Sporen umgewandelt und die Sporenbildung schreitet in solchen Kulturen so lange fort wie reife Antheridien vorhanden sind. Setzt die Entleerung reifer Antheridien aus oder werden die männlichen Sprosse wieder aus der Kultur entfernt, so findet an den heran- wachsenden Wirteln der weiblichen Pflanze an Stelle von Sporenbildung wieder Degeneration der Oogonien statt. In Fig. 2 ist das Ergebnis zweier Befruchtungsversuche schematisiert dargestellt. Zur Ermöglichung der Befruchtung genügt es auch schon, daß je eine männliche und eine weibliche, in weiten Glasröhren kultivierte Pflanze in einem größeren, wassergefüllten Kulturgefäß zusammengestellt werden. Von besonderem Interesse ist der Umstand, daß auch ein mit großer Pipette sorgfältig ausgefiihrter vollständiger oder auch nur teilweiser Ersatz der Kulturflüssigkeit einer weib- lichen Kultur durch die Kulturfliissigkeit einer männlichen Kultur mit reifen Antheridien der ersteren eine genügend große Anzahl funktionsfähiger Spermatozoiden zuführt, um die Befruchtung einer ganzen Anzahl von gerade befruchtungsfähigen Oogonien zu be- wirken‘). Damit war für diese Exemplare der Chara erinita gezeigt, *) Abgesehen von dem beabsichtigten Nachweis der Befruchtung der Chara crinita ist die letztere Methode vor allem auch deshalb wichtig, weil sie zeigt, daß die diö- eischen Characeen die bisher so kleine Anzahl niederer Pflanzen vermehren, bei welchen ähnlich wie bei so zahlreichen tierischen Objekten durch Zusammenbringen ursprünglich getrennt gehaltener männlicher und weiblicher Geschlechtsprodukte die Vornahme künstlicher Befruchtung möglich ist. Es gibt diese Methode nieht nur das Mittel zur Ausführung von einwandfreien Bastardierungsversuchen, sondern wird sich auch für das eytologische Studium der Befruchtungsvorgänge als besonders wichtig erweisen. Sie macht es möglich, in einfachster Weise völlig lückenlose Serien von Befruchtungsstadien zu gewinnen. Wird einer Kultur weiblicher Pflanzen mit befruchtungsfähigen Oogonien zu einer bestimmten Zeit spermatozoidenhaltiges Wasser zugesetzt oder werden -einige männliche Sprosse mit reifen Antheridien in die Kultur hineingehängt, so werden nach der Entstehung der ersten schwarzen Sporen in dem diese Sporen aufweisenden und den nächst jüngeren Quirlen alle nur wünschbaren Stadien der Befruchtung und der Oogonium- bildung zu finden sein. 236 Ernst. daß die Bildung der dunkeln Hartschale der Spore erst nach erfolgter Befruchtung eintritt und ohne diese ausbleibt. Die Bildung der dicken und dunkel gefärbten Sporenwand wird, da sie, wie unser Versuch zeigt, jedenfalls unmittelbar nach der Befruchtung ein- geleitet wird und sehr rasch fortschreitet, gewissermaßen zu einem von bloßem Auge wahrnehmbaren Erkennungszeichen für die stattgefundene Befruchtung. Um in der Feststellung solcher Beziehungen zwischen Membran- bildung und Befruchtung völlig sicher zu gehen, habe ich ähnliche Ver- suche auch mit anderen diöcischen Characeen!) angestellt und für Nitella syncarpa und Chara ceratophylla schon 1915 völlig entsprechende Resultate erhalten. Auch von diesen beiden Arten wurden weibliche Pflanzen, jede in besonderem Kulturgefäß, völlig isoliert gezogen und erst nachdem ein Teil der ältesten Oogonien kreidige Degeneration zeigte und abfiel, männliche Pflanzen hinzugesetzt. Nach acht Tagen waren bei XNitella synearpa die ersten, von bloßem Auge glänzend schwarz erscheinenden Sporen vorhanden, während in den zwischen robusten Blättchen sitzen- den und verhältnismäßig kleinen Oogonien von Chara ceratophylla die ebenfalls lange unscheinbar bleibenden Kerne sich erst am zehnten Tage erkennen ließen. Es ist offenbar bei den einzelnen Characeen die vom Eintritt der Befruchtung bis nach vollzogener Ausbildung einer deutlich sichtbaren Sporenmembran notwendige Zeit verschieden. 1) Über die Verbreitung der Monöcie und Diöcie bei den Characeen hat schon A. BRAUN (1856, S. 338) trefflich orientiert. Die Zahl der europäischen Charaarten beträgt unter Anrechnung einiger ausgezeichneter Varietäten oder Subspezies als Arten insgesamt 53, unter welchen sich 11 diöcische befinden. Die Gesamtzahl der Arten verteilt sich nach A. Braun folgendermaßen auf die vier von ihm selbst unterschiedenen Gattungen oder Untergattungen: Monöeisch sind: Nitella 12, Tolypella 4, Lamprothamnus 5, Chara 21 Arten = 42 Arten. Diöeisch sind: 4 3, Rs 0, = Diners 83. Se ee In der Characeenflora Australiens sind nach A. BRAUN umgekehrt die didcischen Arten überwiegend. Unter 33 damals bekannten Arten sind 16 diöcische und 13 monö- eische, während bei den vier übrigen Arten die Verteilung der Geschlechter noch zweifelhaft war. Von den europäischen Arten sind diöeisch: Nitella syncarpa*, capitata* und opaca*, Chara stelligera*, crinita*, ceratophylla*, aspera*, galioides*, connivens und fragifera, von denen ich die mit * bezeichneten in Kultur besitze und bereits zu ver- schiedenen Befruchtungs- und Kreuzungsversuchen mit anderen diöcischen und monöcischen Arten verwendet habe. Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 937 Diese Kontrollversuche mit anderen diöcischen Arten haben, so- fern überhaupt noch ein Zweifel berechtigt gewesen wäre, völlig sicher gestellt, daß zur Sporenbildung eines Teils der weiblichen Pflanzen von Chara crinita aus dem Teiche nächst der Gu- bacser Pußta bei Budapest, wie bei anderen normalgeschlecht- lichen Characeen Befruchtung notwendig ist, sie bilden Zygo- sporen. Aus der von jenem Standort erhaltenen Materialprobe haben sich also dreierlei Individuen isolieren lassen: männliche, weib- liche parthenogenetische und weibliche befruchtungsbedürf- tige Pflanzen. 4. Generative oder somatische Parthenogenesis? Unter Berücksichtigung der Vorstellungen, die man sich bis jetzt über Wesen und Entstehung der Parthenogenesis von Chara erinita gemacht hatte, und vor allem der von mehreren Forschern ausge- sprochenen Hypothese, daß bei anderen apogamen oder parthenogene- tischen Pflanzen eine allmählich eingetretene Schwächung und schließ- licher Verlust der geschlechtlichen Fortpflanzung von gleichzeitigem oder unmittelbar nachfolgendem Ersatz durch Parthenogenesis oder Apogamie begleitet gewesen sei, war zu prüfen, ob diese Annahme auch für Chara erinita Gültigkeit haben könnte. Vor allem war denkbar, daß bei Chara crinita ähnliche Verhältnisse vorliegen könnten, wie sie von OVERTON (1904) für Thalictrum purpurascens, von OSTENFELD (1910) für einige Hieracium-Arten festgestellt worden sind. Im Gegensatz zu anderen apogamen Pflanzen ist bekanntlich bei Thalictrum und Hieracıum nur ein Teil der Blüten apogam, andere dagegen sind befruchtungsfähig. Handelt es sich bei diesen beiden monöcischen Pflanzen um ein ver- schiedenes Verhalten einzelner Blüten desselben Stockes oder desselben Blütenstandes, so war bei der diécischen Chara erinita nach Uber- gängen zwischen den beiden Typen weiblicher Pflanzen zu suchen, also Individuen, an denen bei Isolierung nur ein Teil der Oogonien Partheno- sporen bildet, und bei Herstellung der Befruchtungsmöglichkeit wieder nur aus einem Teil der Oogonien Zygosporen, zum anderen Partheno- sporen erzeugt werden. Im ersteren Falle müßten also die befruchtungs- bedürftigen Oogonien absterben und eine unregelmäßige Verteilung von Parthenosporen und kreidigen Oogonien in den aufeinanderfolgenden Wirteln der Sprosse zustande kommen, im zweiten Falle dagegen alle Oogonien sich zu Sporen entwickeln. Solche Individuen sind aber trotz sorg- fältiger Prüfung nicht gefunden worden. Die einen weiblichen 238 Ernst. Pflanzen bilden ausschließlich Parthenosporen, die anderen nur bei Herstellung der Befruchtungsmöglichkeit Zygosporen. Die auf dem Ergebnis der variationsstatistischen Voruntersuchung der Sporen fußende Vermutung eines heterogenen Ursprunges des Buda- pester Sporenmateriales ist also durch den Ausfall der Kultur- und Be- fruchtungsversuche völlig bestätigt worden. Der damit verbundene Beweis aber, daß zwei in der Fortpflanzung voneinander streng ver- schiedene Sippen weiblicher Individuen vorhanden sind, schien sich mit der Annahme generativer Parthenogenesis viel weniger in Einklang bringen zu lassen, als wenn Sporen beider Arten an jedem Individuum oder wenigstens an einzelnen Individuen gebildet würden. Einfacher dagegen war die Erklärung der experimentell festgestellten Verschieden- heit der weiblichen Pflanzen unter Annahme somatischer Partheno- genesis und des Vorkommens diploider und haploider weib- licher Pflanzen, von denen die diploiden sich parthenogene- tisch fortpflanzen, die haploiden dagegen einer Befruchtung ihrer Eizellen bedürften. Für diese in der früheren Literatur kaum ernsthaft in Erwägung gezogene Möglichkeit schienen mir wiederum einige Beobachtungen an meinen Budapester Pflanzen zu sprechen. Die Vergleichung der unter völlig übereinstimmenden Kultur- bedingungen heranwachsenden parthenogenetischen und befruchtungs- bedürftigen weiblichen Pflanzen hat nämlich gezeigt, daß sie in Größe und Aussehen, vor allem in der Bestachelung ihrer Stengel- internodien Unterschiede aufweisen, die schon habituell auffallen und an die Unterschiede erinnern, die von EL. und Em. MARCHALL (1909 und 1911) zwischen haploiden und diploiden Laubmoos-Gametophyten, neuerdings auch von WINKLER (1916) zwischen Solanum nigrum und Iyeopersicum und den tetraploiden S. nigrum und Iycopersieum gigas nachgewiesen worden sind. Eine genaue, mit Photographien und Zeich- nungen belegte Beschreibung dieser Unterschiede muß der ausführlichen Arbeit vorbehalten bleiben. Auch gewisse Unterschiede in der Form und im Verhalten der Oogonien parthenogenetischer und befruch- tungsbedürftiger Pflanzen erinnerten an Unterschiede zwischen apo- gamen und normal geschlechtlich gebliebenen Formen in anderen Ver- wandtschaftskreisen des Pflanzenreiches. Bei der befruchtungsbedürftigen Form von Chara erinita er- fährt das Oogonium, wie bei anderen Arten der Befruchtung voraus- gehend, eine Anzahl von Veränderungen, welche offenbar die Befruchtung Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 239 erleichtern sollen. Diese sind bei einigen Nitellen am auffallendsten und gekennzeichnet durch das Abfallen des Krönchens und breites Aus- einandertreten der am Ende kolbig erweiterten Enden der Hüllschläuche, d a b ec f Fig. 3. Verschiedene Ausbildung des Oogoniumhalses an unbefruchtet gebliebenen sowie auf verschiedenen Stadien der Empfängnisfähigkeit befruchteten Oogonien der befruchtungsbedürftigen Form von Chara erinita von Budapest. a und 5 Scheitelpartie unbefruchtet gebliebener, degene- rierter Oogonien. Hüllschläuche unter dem Krönchen stark verlängert, keulig ange- schwollen und zum Teil aus dem friiheren Verbande unter sich und mit dem Krénchen gelöst. e Befruchtetes Oogonium mit langer, große Spalten aufweisender Halspartie. d und e Während der Entwicklung der Halspartie befruchtete Oogonien, f befruchtetes Oogonium mit noch nicht gestreckter Halspartie. Vergr. ®/,. Alle Oogonien dieser Figur entstammen dem in Fig. 26 dargestellten Sprosse; a und b gehörten den unteren Quirlen an, die keine befruchtungsfähigen Oogonien mehr enthielten, c ist eines der (im vierten Quirle von unten enthaltenen) wohl am Ende ihrer Be- fruchtungsfähigkeit befruchteten Oogonien, d und e sind Oogonien aus dem mittleren der drei sporentragenden Quirle und f entstammt dem jüngsten derselben, in welchem die Befruchtung offenbar unmittelbar nach Erreichung der Befruchtungsfähigkeit erfolgt ist. so daß ein breiter Zugang gegen den Scheitel der Eizelle hin geöffnet wird. Bei anderen Nitellen und auch bei der großen Mehrzahl der Chara-Arten bleibt das Krönchen erhalten, die Hüllschläuche weichen 240 Ernst. dagegen unterhalb des Krönchens unter Bildung von engen oder mehr oder weniger breiten Spalten auseinander, so daß den Spermatozoiden ebenfalls Wege gegen die Eizelle hin geöffnet werden. Bleibt nun die Befruchtung längere Zeit aus, so findet eine bedeutende Verlängerung des Oogoniumhalses statt. Die Hüllschläuche treten weiter auseinander, nehmen vielfach unregelmäßige Formen an und lassen zwischen sich und dem Krönchen längere und breitere Spalten als gewöhnlich frei. An unbefruchtet gebliebenen und abgestorbenen Oogonien ist der Hals- teil oft halb so lang wie der die Eizelle enthaltende Hauptteil des Oogoniums und die Schläuche selbst sind sehr unregelmäßig gestaltet. Dies alles trifft nun auch für die Oogonien der befruchtungsbedürftigen Pflanzen von Budapest zu. Sie verhalten sich vor der Befruchtung und bei ausbleibender Befruchtung völlig wie Chara foelida und con- traria, für die schon DE BARY (1871, S. 235) ganz ähnliche Beziehungen zwischen dem Zeitpunkt der Befruchtung und der Länge des Oogonium- halses angegeben hat. Bei der parthenogenetischen Form von Budapest wie bei den habituell parthenogenetischen Pflanzen anderer Standorte unterbleiben solche Gestaltsänderungen des Oogoniums vor der Sporenbildung voll- ständige. Die Streckung des Oogoniumhalses unterbleibt, der Verband der Hüllschläuche untereinander und mit dem Krönchen bleibt intakt oder es bilden sich zwischen denselben nur schmale und wenig auf- fallende Spalten aus. Im allgemeinen aber wandelt sich das eizellen- haltige Oogonium allmählich ohne auffallende Veränderung seiner Größe und Gestalt in einen Sporenbehälter um. Mit diesem verschiedenen Verhalten der befruchtungsfähigen und der sich parthenogenetisch entwickelnden Oogonien erinnert Chara erinita auffallend an die von STRASBURGER untersuchten Vorgänge der Eibildung und Entwicklung in den Archegonien von Marsilia (1907, S. 166). Auch hier zeigt sich die mangelnde Befruchtungsbedürftigkeit und Befruchtungs- fähigkeit der Eizellen schon dadurch an, daß die Archegonien ge- schlossen bleiben, den Spermatozoiden der Zutritt zu der Eizelle eben- falls nicht ermöglicht wird. Während offenbar ein die reduzierte Chromo- somenzahl führendes und befruchtungsbedürftiges Ei von Marsilia die Kanalzellen des Archegoniumhalses zur Verquellung bringt, dadurch das Öffnen des Halses bewirkt, chemotaktisch die Bewegungsrichtung der Spermatozoiden beeinflußt, fällt dies alles bei Archegonien mit diploiden Eiern weg. Infolge der sicher diploiden Chromosomenzahl des Ei- kerns stellt sich nach der Ansicht STRASBURGERS bei der apogamen D Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 241 Marsilia Drummondii das Befruchtungsbedürfnis nicht ein und damit fällt auch der Reiz weg, welcher sonst alle anderen die Befruchtung vorbe- reitenden Tätigkeiten und morphologischen Änderungen auslöst. Trotz der morphologischen Verschiedenheit der weiblichen Organe von Chara und Marsilia lassen die im Verhalten der parthenogenetischen Sippen vorhandenen Ähnlichkeiten auch die Möglichkeit derselben Ursache ver- muten, also somatischer Parthenogenesis mit diploider Chromo- somenzahl der Geschlechtsgeneration. a b d Fig. 4 Oogonien mit Parthenosporen an parthenogenetischen Pflanzen von Chara crinita aus Budapest. Von den vier dargestellten Oogonien entstammt a dem jüngsten, 6 dem zweitjüngsten usw. sporentragenden Quirle des in Fig. 15 dar- gestellten Sprosses. Eine Streckung der Hüllschläuche unterhalb des Krönchens findet auf keinem Stadium der Oogonium- und Sporenentwicklung statt. Vergr. §7/,. 5. Die Chromosomenzahl der Kerne amphimiktischer und partheno- genetischer Pflanzen von Chara erinita. Ein völlig sicherer Aufschluß über den generativen oder soma- tischen Charakter der Parthenogenesis von Chara erinita war nur durch Feststellung der Chromosomenzahlen der beiden verschiedenen Formen zu gewinnen. Uber die Chromosomenzahlen von Characeen liegen bis jetzt erst wenige Angaben vor; ihre Bestimmung ist keine ganz einfache Sache. GOETZ (1899, S. 9) bestimmte die Chromosomenzahl in Kernen von Oogonien, Antheridien und vegetativen Zellen von Chara foetida zu 16—18, Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 16 949 Ernst. während für dieselbe Art schon früher von SCHOTTLÄNDER (1892, S. 290) mehr als 19 Chromosomen angegeben worden waren. DEBSKI (1897, S. 240) gab die Chromosomenzahl in Zellen der Vegetationsspitze von Chara fragelis nach den Resultaten von einigen zwanzig Zählungen „sowohl in der Asterplatte als in jeder der beiden Diasterplatten“ im Mittel zu 24 an und fügte hinzu, „die Zählung ist bei Polansichten hier nicht schwer, und ich bin sicher, daß die Zahl wirklich 24 beträgt.“ Zum gleichen Fig.5. Sporenbildung an parthenogenetischen Pflanzen von Chara crinita aus Praestö. a Scheitel eines Oogoniums mit Oospore aus dem zweituntersten fertilen Quirl des in Fig. 1a dargestellten Sprosses, 6 dickwandige Spore und 6, in Bildung be- griffene Spore aus dem zum Teil dunkle Sporen und noch helle Oogonien führenden Blattquirl desselben Sprosses, e junges Oogonium mit noch dünnwandiger Eizelle aus dem nächstfolgenden Quirl. Ein deutlicher Halsteil kommt während der ganzen Ent- wicklung von Oogonium und Parthenospore nicht zur Ausbildung. Vergr. *7/,. Ergebnis führten auch seine Zählungen an Kernteilungsbildern der sper- matogenen Fäden in den Antheridien, die ganz ähnlich wie diejenigen der Vegetationsspitze gebildet sind. „Man kann sich auch leicht über- zeugen, daß hier keine Reduktion auf die Hälfte stattfand; es sind sowohl in der Äquatorialplatte, wie im Diasterstadium (auch beim letzten Teilungs- schritt vor der Bildung der Spermatozoiden) stets deutlich mehr als 20 Chromosomen zu sehen, was auf 24 Chromosomen wie in der Vegetations- spitze hinweist.“ Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 243 STRASBURGER ist später (1908, S. 30) für dieselbe Art zu einer be- trächtlich abweichenden Chromosomenzahl gelangt. Die Bestimmung der- selben ist, wie er schreibt, nicht leicht. „Die Chromosomen von Chara fragilis sind verhältnismäßig lang, verschiedentlich umgebogen, sie greifen vielfach in- und übereinander, werden nicht selten durch den Schnitt zer- legt, und das alles wirkt zusammen, um die Sicherheit der Zählung zu beeinträchtigen.“ Schließlich glaubte er für die Kernteilungen in allen Teilen der Pflanze 18 Chromosomen annehmen zu diirfen'), „zu dieser Zahl gelangte ich freilich erst nach ganz bedeutender Häufung der Einzel- beobachtungen. Diese waren notwendige, weil die Zählung sich nur sehr schwer ausführen ließ und daher sehr schwankende Resultate ergab.“ Ein ähnliches Resultat hatte auch seine Untersuchung an Chara erinita, Die in den parthenogenetischen Pflanzen aus Kiel aufgefundenen Kern- teilungsbilder entsprachen völlig denjenigen der Chara fragilis. Die Zählung der Chromosomen war mit denselben Schwierigkeiten verknüpft, so daß er sich auch für Charu erinita wiederum erst nach Häufung der Beob- achtungen für die Chromosomenzahl 18 entschied. Nach meinen eigenen Untersuchungen, die ich im Sommer 1915 an Mikrotomschnitten vorgenommen habe, die mir der Präparator unseres Institutes von Vegetationsspitzen parthenogenetischer Pflanzen verschie- dener Herkunft, sowie weiblicher befruchtungsbedürftiger Pflanzen und von männlichen Sprossen mit jungen Antheridien hergestellt hat, stimmen nun die parthenogenetischen weiblichen Pflanzen von Budapest im ganzen Habitus der Kernteilungsfiguren und in der Chromosomenzahl mit den- jenigen nördlicher Standorte überein. Die befruchtungsbedürftigen weib- lichen und ebenso die männlichen Pflanzen enthalten in den Kernteilungen der vegetativen Organe nach mehreren genauen Zählungen 12 kurze und 1) Der Unterschied zwischen den Ergebnissen der Untersuchungen von DEBSKI und STRASBURGER an Chara fragilis ist schwer erklärlich. Bei der großen Kompetenz STRASBURGERS in allen Kernteilungsfragen und da auch DEBSKI von STRASBURGER als sehr genauer Untersucher anerkannt worden ist, ist schwer, an einen Beobachtungs- fehler eines der beiden Forscher zu glauben. Vielleicht liegt die schon von STRASBURGER ins Auge gefaßte Möglichkeit vor, daß beide als ,,Chara fragilis“ ver- schiedene Chara-Arten untersuchten. Dazu ist allerdings zu erwähnen, daß das STRAS- BURGERsche Material von MiGuLA ausdrücklich als Chara fragilis bestimmt worden ist. Es könnte auch, wie TISCHLER (1915, S. 172) meint, die Ursache vielleicht darin zu suchen sein, daß bei Chara fragilis Rassenbildung auf der Basis verschiedener Chro- mosomenzahl vorliegt. Derselben Ansicht ist neuerdings auch ÖEHLKERS (1916, S. 225), der auf Grund eigener Untersuchungen die Chromosomenzahl von Chara fragilis wieder zu 24, diejenige von Chara foetida zu 16 und von Nitella syncarpa zu 12 angibt. 16* 244 Ernst. gut unterscheidbare Chromosomen. Auch in den zahlreichen Kern- teilungsfiguren spermatogener Fäden sind ebenfalls häufig 12 Chromo- somen gezählt worden. In Teilungen vegetativer Zahlen parthenogene- tischer Pflanzen sind bedeutend mehr Chromosomen enthalten, ihre Kern- spindeln sind breiter, die Chromosomenzahl ist nicht die von STRASBURGER angegebene Zahl 18, sondern 24. Die männlichen und die weib- lichen befruchtungsbedürftigen Pflanzen können als haploid, die parthenogenetischen dagegen als diploid gelten. Noch stehen die Ergebnisse der Keimversuche mit den im Sommer 1915 erhaltenen Parthenosporen und Zygosporen aus. Es ist möglich, daß ein Teil der bei jenen Befruchtungsversuchen er- haltenen und einzeln ausgesäten Sporen überhaupt nicht zur Keimung kommen wird. Seit Anstellung jener Versuche hat sich gezeigt, daß die Ernte eines größeren Teils der Sporen und ebenso deren Aussaat verfrüht vorgenommen worden ist. Auch die damals gewählte Zusammensetzung des Substrates und ebenso die Konzentration der Lösungen stellen keinesfalls optimale Bedingungen für dieKeimung dar. Es ist wahrscheinlich, daß die Keimfähigkeit der Sporen, vielleicht auch die Weiterentwicklung eventuell entstandener Keimlinge durch die ungünstigen Bedingungen gelitten hat. Die Versuche sind seit Früh- jahr 1916 wiederholt worden. Ihre künftigen Resultate allerdings lassen sich nach der Feststellung einer diploiden parthenogenetischen und einer haploiden befruchtungsbedürftigen Rasse ziemlich genau vor- aussehen. Sie werden in den Hauptzügen wohl darin bestehen, daß 1. die Parthenosporen der diploiden Pflanzen aus dem Teich der Gubaeser Pußta bei Budapest wie diejenigen aller anderen Standorte mit ausschließlich diploiden Pflanzen wiederum ausschließlich weibliche par- thenogenetische Pflanzen liefern, 2. die Eizellen sämtlicher apogamer Pflanzen von Chara crinita nicht mehr befruchtungsfähig sind und daher auch in Gegenwart von männlichen Pflanzen mit reifen Antheridien entstandene Sporen apogamer Pflanzen unbefruchtet bleiben und als Parthenosporen immer wieder weib- liche parthenogenetische Pflanzen liefern. Mit der Diploidie und Parthenogenesis ist also bei Chara crinita, wie bei Marsilia Drummondi: und den apogamen Angiospermen, ein Geschlechts- verlust verbunden, so daß, wie an anderer Stelle auszuführen sein wird, wohl besser von Apogamie als von Parthenogenesis gesprochen würde. 3. die durch Amphimixis entstandenen Zygoten der haploiden be- fruchtungsbedürftigen weiblichen Pflanzen ausschließlich wieder haploide Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 245 und zwar ungefähr zur Hälfte männliche, zur anderen weibliche Pflanzen bilden. Sicher steht schon jetzt, daß gewiß gegen alle Voraussicht bei Chara erinita nicht eigentliche Parthenogenesis nach der STRASBURGER schen Auffassung, sondern ovogene Apogamie, nicht generative sondern somatische Parthenogenesis nach WINKLER vorliegt. Es reiht sich der berühmteste und scheinbar sicher stehende Fall habituell generativer Parthenogenesis im Pflanzenreich überhaupt, nach den Kernverhält- nissen den schon zahlreichen Beispielen der somatischen Parthenogenesis an, die bis jetzt erst bei Farnen und bei Angiospermen, hier aber be- sonders häufig festgestellt worden sind. Diese Feststellung macht es wahrscheinlich, daß auch bei anderen niederen Pflanzen alle habituelle, vom Verlust der geschlechtlichen Fortpflanzung begleitete Parthenogenesis somatisch sein wird. Sie regt dazu an, zu untersuchen, ob nicht, wie übrigens schon gelegentlich in der Literatur vermutet worden ist, auch von parthenogenetischen und apogamen Angiospermen und Pteridophyten, an vereinzelten Stand- orten neben oder an Stelle der apogamen di- oder polyploiden noch haploide und normal geschlechtliche Individuen vor- kommen. II. Über experimentelle Erzeugung von Parthenogenesis bei Characeen. Mit der Feststellung der im vorstehenden Kapitel geschilderten Fortpflanzungsverhältnisse von Chara erinita sind natürlich meine Unter- suchungen an dieser Pflanze noch keineswegs abgeschlossen, vielmehr ist erst die Basis für eine ganze Anzahl neuer Fragestellungen nach verschiedenen Richtungen gewonnen. Die unerwarteten Ergebnisse der Analyse des Budapester Materiales machen es notwendig, die Zusammensetzung der Populationen anderer Standorte von Chara erinita mit männlichen Pflanzen zu untersuchen und die von verschiedenen Standorten isolierten haploiden und diploiden Pflanzen untereinander zu vergleichen. Wie bereits erwähnt wurde, habe ich inzwischen auch männliche und weibliche Pflanzen von Chara erinita aus Sizilien erhalten und die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß mir in nächster Zeit noch von einem weiteren der genannten Standorte Untersuchungsmaterial zukommen wird. Sofern die Zeitverhältnisse es erlauben, hoffe ich in den nächsten Jahren auch persönlich einige Ge- IAG Ernst. biete besuchen zu können, in welchen weitere Standorte der haploiden Pflanze zu erwarten sind. Wahrscheinlich wird die Ausdehnung der Untersuchung in dieser Richtung zur Feststellung führen, daß Chara erinita an einigen Standorten ausschließlich mit haploiden männlichen und weiblichen Pflanzen vorkommt, an anderen dagegen, ähnlich wie im Teiche nächst der Gubacser Pußta bei Budapest, mit haploiden und diploiden Pflanzen vertreten ist, während an weitaus der großen Mehr- zahl der Standorte ausschließlich die diploide parthenogenetische Form vorhanden ist. Die Hauptbedeutung der bereits sicheren und der angedeuteten zu erwartenden weiteren Ergebnisse, über welche nach dem Abschlusse der Keimversuche und der zytologischen Untersuchungen eine eingehende Darstellung gegeben werden soll, liegt aber meines Erachtens darin, daß sie zu einer gänzlich neuen Fragestellung für die Erforschung der Ursachen der natürlichen Parthenogenesis und Apogamie anregen. Unter Annahme generativer Parthenogenesis hat man bis jetzt die Hauptursache der Parthenogenesis von Chara erinita im Verschwinden der männlichen Pflanzen unter der Ungunst der äußeren Verhältnisse und den Übergang der „verwitweten“ weiblichen Pflanzen zur fakul- tativen Parthenogenesis erblickt. Nunmehr wird es wahrscheinlich, daß an den meisten Standorten der Chara erinita nicht nur die männ- lichen, sondern auch die befruchtungsbedürftigen haploiden weiblichen Pflanzen fehlen und nur noch die offenbar von diesen abgeleiteten diploiden, parthenogenetischen Pflanzen vorkommen. Auffindung und Weiterkultur dieser haploiden Stammform geben für Chara crinita eine ungleich sicherere Basis für Untersuchungen über die Ursachen der Parthenogenesis als zurzeit für irgend eine andere parthenogenetische oder apogame Pflanze vorhanden ist. Aus der Tatsache, daß an einem und demselben Stand- orte neben haploiden und typisch normal geschlechtlichen Individuen auch typisch diploide und sich apogam fortpflanzende vorkommen, muß wohl geschlossen werden, daß Parthenogenesis und Diploidie jeden- falls genetisch in Zusammenhang stehen und Parthenogenesis wenigstens bei dieser Pflanze nicht durch eine allmähliche, sondern durch eine plötzliche Änderung entstanden sein muß. Als Momente, welche zur Entstehung der natürlichen Partheno- genesis von Chara erinita geführt haben könnten, kommen, wie mir scheint, vor allem Änderungen in den Vorgängen der Befruchtung und Entwicklungserregung der Fizelle, sowie der mit der Keimung Experimentelle Erzeugung erblicher Parthenogenesis. 9247 verbundenen Reduktionsteilung in Frage. Demgemäß werden Ex- perimente zur künstlichen Erzeugung der Parthenogenesis auch eine Be- einflussung der Eizellenbildung, Entwicklung und Befruchtung, sowie der Reduktionsteilung in den Zygoten versuchen müssen. Verschiedenartige Versuche dieser Art sind schon seit Sommer 1915 im Gang. Eine Subvention der Forschungsstiftung an der Universität Zürich machte es möglich, diese Untersuchungen auf breiter Basis und unter Benutzung aller notwendigen Hilfsmittel zu beginnen. Der bisherige Verlauf berechtigt zur Hoffnung, in absehbarer Zeit nicht nur über künstliche Parthenogenesis bei Chara erinita und anderen diö- eischen Characeen berichten, sondern auch die Ursache der natürlichen Parthenogenesis von Chara erinita aufklären zu können. Die Versuche zur Lösung dieser Fragen finden unter Berücksich- tigung und Anwendung aller Methoden und Vorsichtsmaßregeln der Par- thenogenesisforschung und der exakten Erblichkeitslehre statt. Da die Verfolgung dieser Ziele aber die Lösung einer ganzen Anzahl zeitraubender Vorarbeiten und Teilprobleme, die Feststellung günstiger Keimungsbedingungen, Abkürzung der Keimruhe der Zygo- und Partheno- sporen usw. notwendig macht, werden völlige gesicherte Endergebnisse noch einige Jahre auf sich warten lassen. Die wichtigsten derselben werden, wie sich jetzt schon voraussehen läßt, die folgenden sein: 1. Künstliche Entwicklungserregung von Eizellen der haploiden Chara erinita und ebenso anderer diöcischer Characeen, also künstliche generative Parthenogenesis ist möglich und führt zur Bildung von Sporen, aus deren Weiterentwicklung unter Ausfall der Reduktionsteilung wiederum haploide, wahrscheinlich weibliche Pflanzen hervorgehen, die wieder befruchtungsfähige Oogonien erzeugen. 2. Die Versuche, durch Beeinflussung des Keimungsvorganges der durch normale Befruchtung entstandenen Zygoten einen Ausfall der Re- duktion auszulösen und dadurch die Entwicklung diploider Individuen zu veranlassen, werden wahrscheinlich resultatlos bleiben. Verschiedene Gründe sprechen auch dafür, daß mit dieser Art experimentell erreichter Diploidie die mit der Diploidie der parthenogenetischen Chara erinita verbundenen erblichen Eigenschaften der spontanen Weiterentwicklung der Eizellen zu Sporen, der Verlust der Befruchtungsfähiekeit dieser Eizellen und der Verlust der männlichen Organe nicht verbunden wäre. 3. Die konstanten Rassen der außerordentlich polymor- phen parthenogenetischen Chara crinita sind Artbastarde, Kreu- 248 Ernst. zungen zwischen der haploiden Chara erinita und mehreren anderen, vermutlich gleichehromosomigen Arten. Die Darlegung meiner Arbeitsprogramme und bisherigen Unter- suchungen über künstliche Parthenogenesis und Bastardierung bei Chara- ceen, der Gründe, welche für die Auffassung der ovoapogamen Chara erinita als Artbastard sprechen, sowie die sich daraus ergebenden allgemeinen Fragestellungen und Diskussionen über das Ge- samtproblem der Apomixis, im besonderen der Verhältnisse bei den Angiospermen, bilden den Gegenstand einer eingehenden Studie „Bastardierung als Ursache der Apogamie im Pflanzen- reich“, die in den nächsten Wochen in Druck geht. Zürich, Institut für allgemeine Botanik der Universität, Sept. 1916. Literaturverzeichnis. Bary, A. DE, 1871, Uber den Befruchtungsvorgang bei den Charen. Monatsber. d. Akad. d. Wiss. Berlin 1871, S. 227—239. — 1872, Demonstration aus Sporen erzogener Exemplare von Chara erinita. Ber. üb. d. Verhandl. d. bot. Sektion bei der 45. Versammlung deutscher Naturf. usw. zu Leipzig vom 11. August 1872. Bot. 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Über Eierstocktransplantation bei Rouen- und Pökingenten. Von R. Kaltenbach. * (Eingegangen am 7. August 1916.) Bei der Untersuchung der Frage nach der Vererbung erworbener Eigen- schaften ist es von großer Bedeutung zu entscheiden, ob das Neuauftreten der gleichen Eigenschaft bei Eltern bezw. der Mutter und der Nachkommen- schaft darauf beruht, daß der elterliche Organismus und die Keimzellen in der gleichen Richtung durch äußere Faktoren beeinflußt wurden (Parallel- induktion), oder ob der äußere Reiz zuerst den elterlichen Organismus ver- änderte und diese Veränderung dann von diesem auf die Keimzellen über- tragen wurde. Um die prinzipielle Möglichkeit des letzteren Vorganges zu untersuchen, unternahm Guthrie im Jahre 1908 Transplantations-Versuche von Eierstöcken bei schwarzen und weißen Hühnerrassen, deren Ergebnisse seiner Ansicht nach die Übertragung neuer somatischer Eigenschaften auf die Keimzellen beweisen. Er transplantierte den Eierstock eines schwarzen Huhnes in ein kastriertes weißrassiges Huhn und erhielt nach Paarung dieser Tragamme mit einem schwarzrassigen Hahn weiß- und schwarzgefleckte Nachkommen. Gegen diese Ergebnisse wurde von Davenport eingewendet, daß die Färbung der Nachkommenschaft einfach darauf beruht, daß das nur teilweise entfernte Ovar der weißen Henne wieder nachwuchs und das implantierte „schwarze“ Ovar resorbiert wurde. Vor einer Reihe von Jahren habe ich die Guthrieschen Versuche an reinrassigen Rouen- und Pökingenten wiederholt. Zunächst stellte ich durch Vorversuche fest, daß es wegen der flächenhaften Verwachsung des Eier- stockes mit der Hohlvene völlig unmöglich ist, das Ovar von dem Blutgefäß irgendwie abzutrennen; Teile des Ovars zu entfernen, ist natürlich nicht schwer. Ich mußte also versuchen, den etwa bohnengroßen Eierstock auf eine andere Methode zu zerstören. Das gelang mir durch Fixation mit 40°%,igem Formalin. Tötet man das Tier nach der Ätzung, so zeigte sich, daß der Eierstock in 252 Kleinere Mitteilungen. toto gehärtet ist. Um aber sicher zu sein, daß das Ovar nicht aus über- sehenen Resten regeneriert, ließ ich zwei junge Pökingenten nach der Ka- stration ein Jahr leben. Beide bekamen nach der ersten Mauser die typischen Erpelfedern (Abbildung). Der Eierstock war, wie die Sektion ergab, ver- schwunden. Nachdem ich mich so vergewissert hatte, daß eine völlige Kastration überhaupt möglich ist, wechselte ich die Eierstöcke von etwa 8 Wochen alten, reinrassigen Rouen- und Pökingenten aus‘); implantierte ich nun in kastrierte Tiere den Hierstock einer anderen Rasse, Pöking-Eierstock in Rouen-Ente und umgekehrt, so war das implantierte Ovar nach Ablauf eines Jahres stets ver- schwunden und nach der Frühjahrsmauser trat wieder die Erpelbefiederung auf. In Anbetracht der anatomischen Übereinstimmung in der Topographie der Keimdrüsen bei Hühnern und Enten ist es wohl ziemlich sicher, daß die Resultate Guthries darauf beruhen, daß das implantierte Ovar resorbiert wurde und daß das nur teilweise entfernte wieder nachwuchs. Übrigens haben entsprechende Versuche von Castle bei Kaninchen, bei denen die Übertragung der Eierstöcke gelang, gezeigt, daß der Körper der Tragamme die Keim- zellen des neueingesetzten Eierstockes nicht beeinflußt. 1) Technik: Äthernarkose. Längsschnitt über die Mitte der linken Bauchseite parallel der Carina, Durchtrennung des Peritoneums, Einträufeln von Adrenalinlösung in die Bauchhöhle gegen die Blutung, Betupfen des Eierstockes mit 40°/,iger Formalin- lösung bis zur völligen Schrumpfung. Implantation des neuen Ovars in die laterale Peritonealfalte. Kleinere Mitteilungen. 253 Ich möchte nun vorschlagen, die Frage nach der Übertragung neu er- worbener Eigenschaften von den Eltern auf die Kinder durch einen Kontroll- versuch der bekannten Kammererschen Experimente über die Abänderung des Brutinstinktes bei der Geburtshelferkröte zu untersuchen. Bekanntlich wird gegen diese Versuche der Einwand erhoben, daß das Auftreten des neuen Brutinstinktes bei der F,-Generation nicht auf dem Übertragen einer elter- lichen Neuerwerbung beruht, sondern daß das Auftreten des veränderten Brut- instinktes durch die gänzlich veränderten Entwicklungsbedingungen verur- sacht wird, unter denen die Nachkommen aufwachsen; erhöhte Temperatur, Übertragung der Eier in Wasser auf einem viel früheren Entwicklungsstadium, wie unter normalen Umständen. Es lohnt sich meiner Ansicht nach, die Eier von Alytes obstetricans, die auf die gewöhnliche Weise durch Geburtshilfe geboren wurden, unter eben denselben Bedingungen aufzuziehen, unter denen sich die Eier der Kammerer- schen Geburtshelferkröten entwickelten. Besteht der oben angegebene Ein- wand gegen die Kammererschen Angaben zu Recht, so müssen die aus diesen Eiern entstehenden Tiere den abgeänderten Brutinstinkt besitzen. Literaturangabe: Guthrie: „Further results of Transplantation of ovaries in chickens.“ Journal of Exper. Zool. Bd. 5, 1908. — ,,Transplantations of ovaries.“ Science N. 5. 34, 1911. Davenport: ,,The transplantation of ovaries in chickens.“ Journ. of Morphology 1911. Castle: On germinal transplantation in Vertebrates.“ Publ. Nr. 144 Carnegie-Instit. of Washington 1911. Sammelreferat. Beeinflussung der Geschlechtszellen und der Nachkommenschaft durch Bestrahlung mit radioaktiven Substanzen. Sammelreferat von Paula Hertwig. Bald nach der Entdeckung des Radiums wurden die Forscher auf seine physiologischen Wirkungen aufmerksam und machten dieselben zum Gegen- stand eingehendster Forschung. Den Untersuchungen lagen hauptsächlich zwei Fragen zugrunde. 1. Rufen Radium und Röntgenstrahlen eine Schädi- gung der Gewebe und Zellen hervor? 2. Lassen sich auch die Keimzellen schädigen und wenn ja, wie wirkt die Schädigung, sei es des Eies oder des Samenfadens, auf die Nachkommenschaft? Durch die Forscher, die sich mit der ersten Frage beschäftigt haben, wurde übereinstimmend festgestellt, daß das Radium in stärkeren Dosen eine zerstörende, und bei embryonalen Geweben eine entwicklungshemmende Ent- wicklung ausübt. Nur bei sehr kurzer Bestrahlung mit schwachen Präpa- raten konnte von Gilman und Baetjer!), Lazarus-Barlow und Beck- ton?), Congdon’), Richards!) und Packard®) eine Beschleunigung der Zellteilungen beobachtet werden. — Zur Erklärung der schädlichen Wir- kungen der Radiumstrahlen auf die Zellen wurden verschiedene Hypothesen 1) Some Effects of Roentgen Rays on the Development of Embryos. Amer. Journ. Physiol. 1904, Vol. X. 2) On Radium as a stimulus of cell division. Arch. Middlesex Hospital 1913, Vol. 30. 3) A comparison of the alteration in the velocity of growth of certain seedlings through the action of the 8 rays of radium. Arch. f. Entwickl. 1912, Bd. 24. 4) The effect of X-rays on the rate of cell division in the early cleavage of Planorbis. Biol. Bull. 1914, Vol. 27. 5) The effects of the 8 and 7 rays of radium on protoplasm. Journ. exp. Zool. 1915, Vol. 19. Sammelreferat. 255 aufgestellt. Schwarz!) und Schaper?) — und ihnen sich anschließend Levy*) und andere — meinen eine Veränderung des Dotters feststellen zu können, die auf einer durch das Radium bewirkten Zersetzung des Lecithins beruhe. Hingegen statten sie die lebendige Substanz der Zelle mit einer überraschen- den Widerstandsfähigkeit gegenüber der Wirkung der Radiumstrahlen aus. — Mit dieser Lecithin-Hypothese stimmen Untersuchungen anderer Forscher nicht überein. — Körnicke*) konstatierte an den Vegetationskegeln von Wurzeln Chromatinveriinderungen als Folge der Bestrahlung. Bei embryo- nalen tierischen Geweben wurden pathologische Veränderungen der Kern- substanz von O. Hertwig®) bei Axolottl und Froschlarven, von P. Hert- wig®) und Payne’) bei Eiern von Ascaris meg., von Packard‘) bei Nereis und Echinodermeneiern festgestellt. Letzterer beobachtete auch Verände- rungen des Protoplasma und der achromatischen Kernbestandteile. Größere Bedeutung gewannen die Radiumuntersuchungen an Eiern und Embryonen erst, als O. Hertwig*) sie im Sommer 1909 in Beziehung zum Vererbungsproblem brachte. Vor ihm hatte bereits Bohn!) die Samenfäden und Eier von Seeigeln vor der Befruchtung bestrahlt und bei ersteren Un- fähigkeit zur Befruchtung, bei letzteren Anregung zur parthenogenetischen Teilung zu beobachten geglaubt. Doch haben sich beide Angaben in der Folge als irrtümlich erwiesen. Mithin ist O. Hertwig der erste, der syste- matische Untersuchungen über die Radiumwirkung auf die Geschlechtszellen durchgeführt hat. Zwei Annahmen liegen seinen Arbeiten zugrunde. Erstens, daß 1) Uber die Wirkung der Radiumstrahlen auf das Hühnerei. Arch. f. Physiol. 1903, Bd. 100. *) Experimentelle Untersuchungen über den Einfluß der Radiumstrahlen auf embryonale und regenerative Vorgänge. Anat. Anz. 1994, Bd. 25 und Dtsch. med. Wochenschr. 1904. ®) Mikr. Untersuchung zu Experimenten über den Einfluß der Radiumstrahlen anf embryonale und regenerative Entwicklung. Arch. f. Entw.-Mech. 1906, Bd. 21. * Über die Wirkung von Radiumstrahlen auf pflanzliche Gewebe und Zellen. Ber. der Dtsch. bot. Gesellsch. 1905, Bd. 23. 5) Die Radiumstrahlen in ihrer Wirkung auf die Entwicklung tierischer Eier. Sitzungsber. d. Königl. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1910, XI und XXXIX. °) Durch Radiumbestrahlung hervorgerufene Veränderungen in den Kernteilungs- figuren der Eier von Ascaris meg. Arch. f. mikr. Anat. 1911, Bd. 82, Abt. II. *) A study of the effect of radium upon the eggs of Ascaris meg. univalens. Arch. f. Entwickl.-Mech. 1913, Bd. 36. 8) The effect of radium radiation on the fertilization of Nereis. Journ. of ex- per. Zoology 1914, Vol. 16. ®) Die Radiumstrahlung in ihrer Wirkung auf die Entwicklung tierischer Eier. Sitzungsber. d. Königl. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1910, XI und XXXIX. 10) Influence des rayons du radium sur les oeufs, vierges et fécondés et sur les premiers stades du développement. Compt. rend. 1903, CXXXVI. . 256 Sammelreferat im Eikern und Samenkern gleichwertige Träger der Erbmasse zu sehen sind, und zweitens, daß, wie eigene vorangegangene Untersuchungen, sowie die Arbeiten anderer Forscher ergeben haben, die Kernsubstanz in erster Linie von den Radiumstrahlen geschädigt wird. Von diesen Voraussetzungen aus- gehend, vermutete er, daß eine Bestrahlung der Samenfäden einen störenden Einfluß auf die Entwicklung des mit bestrahltem Sperma befruchteten Kies haben müßte. Um diese Hypothese durch das Experiment zu stützen, be- strahlte er die Spermatozoen verschiedener Seeigelarten mit Radium in der Stärke von 7,4 mg reinem Radiumbromid, und, da es sich herausstellte, daß selbst eine Einwirkungsdauer von 20 Stunden die Beweglichkeit der Spermien nicht erheblich herabsetzte, befruchtete er mit dem so behandelten Samen normale Eier. Der Erfolg entsprach den Erwartungen, die Eier schlugen eine abnorme Entwicklung ein, als ob sie selbst unmittelbar geschädigt worden wären, und gingen, je nach der Einwirkungsdauer des Radiums auf die Spermatozoen, früher oder später zugrunde. Einen zytologischen Beweis fiir die Annahme, daß die Bestrahlung der Samenfäden die Entwicklungshemmung der Larven hervorrief, brachte 1912 G. Hertwig!) in seiner Arbeit „Das Schick- sal des mit Radium bestrahlten Spermachromatins im Seeigelei“. Es gelangihm nachzuweisen, daß die schlechte Entwicklung allein auf den Einfluß des ge- schädigten Spermachromatins zurückzuführen ist. Dieses ,,Radiumchromatin“ hat die Fähigkeit, Chromosomen zu bilden, verloren und verursacht die patho- logischen Teilungen des gesunden Eikerns, mit dem es spätestens während der Zweiteilung verschmilzt. 3 Nachdem durch diese ersten Arbeiten der Beweis erbracht worden war, daß sich Seeigelspermatozoen durch Bestrahlung schädigen lassen, ohne die Fähigkeit, in das Ei einzudringen, zu verlieren, wurden im Frühjahr 1910 die Radiumversuche von O. und G. Hertwig auf die Geschlechtsprodukte von Amphibien (Rana fusca) ausgedehnt. Die Ergebnisse dieser Experimente sind in den Abhandlungen: „Die Radiumkrankheit tierischer Keimzellen* [O. Hertwig’)| und „Radiumbestrahlung unbefruchteter Froscheier und ihre Entwicklung nach Befruchtung mit normalem Samen“ |G. Hertwig®)] nieder- gelegt. Beide Arbeiten bestätigen die schon bei den Seeigeln gemachten Erfahrungen, daß die durch Befruchtung erworbene Radiumkrankheit der einen Kern-Komponente, sei es der männlichen oder der weiblichen, auf den gesamten Kopulationskern übertragen wird. — Bei diesen Versuchen trat aber noch eine Erscheinung auf, die anfangs die ganzen bisherigen Resultate in Frage zu stellen schien. Während bei kürzeren Bestrahlungszeiten und zwar sowohl bei Bestrahlung der Eier als der Samenfäden, die Entwicklungs- 1) Das Schicksal des mit Radium bestrahlten Spermachromatins im Seeigelei. Arch. f. mikr. Anat. 1912, Bd. 79, Abt. Il. *) Bonn, Fr. Cohen 1911. 8) Arch. f. mikr. Anat. 1911, Bd. 77, Abt. II. Sammelreferat. 95 7 oO schädigung proportional der Einwirkungsdauer des Radiums ist, ändert sich von einem bestimmten Zeitpunkt ab das Verhältnis. Wir haben jetzt die merkwürdige Erscheinung: je länger wir die eine Gamete der Radiumwirkung aussetzen, desto besser verläuft die Entwicklung der Zygote. G. Hertwig stellt dieses Ergebnis in Form einer Kurve dar, die graphisch veranschaulicht, welches Durchschnittsalter die Embryonen bei Ei- bestrahlung von 5 Minuten, einer Viertelstunde oder 2 Stunden erreichen. Die Zeitdauer der Bestrahlung ist dabei als Abszisse, das Alter der Larven als Ordinate genommen. Die Kurve zerfällt in einen absteigenden und einen aufsteigenden Teil. Ihren tiefsten Punkt, der einem Durchschnittsalter von 2 Tagen entspricht, erreicht sie bei einer Bestrahlungsdauer von 15 Minuten. Der aufsteigende Ast zeigt an, daß bei verlängerter Radiumwirkung das Alter der Embryonen proportional der Bestrahlung wächst. Es erreichen z. B. !/, Stunde bestrahlte Eier das Durchschnittsalter von 8 Tagen, 1 Stunde bestrahlte Eier das Alter von 8!/, Tagen. Diese merkwürdige Tatsache erklären die Autoren durch die Annahme. daß die Schädigung des Ei- oder Samenkerns zwar stets proportional der Bestrahlungsdauer wächst. Aber, während nun geringfügig geschädigtes Chromatin noch die Fähigkeit zur Vermehrung besitzt und somit alle embryo- nalen Zellen mit erkranktem Chromatin infiziert, wird die stärker geschädigte Kernsubstanz mehr und mehr vermehrungsunfähig. Infolgedessen beteiligt sich der geschädigte Halbkern überhaupt nicht mehr an den mitotischen Vorgängen, er wird ausgeschaltet. Die Entwicklung wird also im extremsten Fall allein von dem gesunden männlichen resp. von dem gesunden weib- lichen Kern geleitet. Diese Entwicklungsart bezeichnet O. Hertwig, wenn sie allein vom Eikern verursacht wird, als eine experimentell parthenogene- tische, G. Hertwig spricht von einer merogonen oder arrhenokaryotischen Entwicklung seiner Eier, deren Entwicklung also nur vom männlichen Kern geleitet wird. Zytologisch wurde die Ausschaltung des Radiumchromatins von P. Hertwig!) durch die Verfolgung desselben während der ersten Teilungen des Froscheis, festgestellt. Das Spermachromatin liegt, ohne sich an der Karyokinese zu beteiligen, vermehrungsunfähig als Klumpen oder als lang ausgezogener Strang abseits vom mütterlichen Furchungskern, dessen nor- male Teilung in keiner Weise beeinflußt wird. Die gleichen Resultate ergaben Untersuchungen über das Radiumchromatin im Forellenei [Oppermann’)| und im Ei eines anderen Knochenfisches, Crenilabrus pavo [P. Hertwig?)]. — 1) Das Verhalten des mit Radium bestrahlten Spermachromatins im Froschei. Arch. f. mikr. Anat. 1913, Bd. 83, Abt. II. *) Die Entwicklung von Forelleneiern nach Befruchtung mit radiumbestrahlten Samenfäden. II. Teil. Arch. f. mikr. Anat. 1913, Bd. 83, Abt. II. 8) Arch. f. mikr. Anat. 1916, Bd. 87, Abt. IT. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 17 Sammelreferat. bo or (oa) Oppermann!) bestätigt ferner in seiner Arbeit „Die Entwicklung von Forelleneiern nach Befruchtung mit radiumbestrahlten Samenfäden“ die von O. und G. Hertwig erhaltenen Resultate. Er konstatiert ebenfalls das Ge- setz der Kurvenbildung und versucht ferner, die haploide Natur der Forellen- embryonen durch Kernmessungen festzustellen. Einen weiteren Ausbau und zugleich einen experimentellen Beweis fand die Theorie in der Arbeit G. Hertwigs?) „Parthenogenesis bei Wirbeltieren, hervorgerufen durch artfremden radiumbestrahlten Samen“. Nach Pflüger?) und Born?) sterben die Kreuzungsprodukte von Bufo vul- garis Q + Rana fusca 5‘, sowie von Rana esculenta 2° + Rana fusca S' nach normaler Zweiteilung und Furchung auf dem Keimblasenstadium ab. G. Hertwig bestätigt durch Kontrollversuche diese Resultate und erklärt die schlechte Entwicklung dieser Bastarde aus der Entstehung einer disharmo- nischen Idioplasmaverbindung, die durch die Kopulation zweier artfremder Kerne zustande kommt. Er bestrahlte nun die Spermatozoen von Rana fusea 4'/, Stunden mit Mesothorium in der Stärke von 55 mg Radiumbromid und erreichte hierdurch, daß sich die Bastardlarven Bufo vulgaris 2° + Rana fusca S und Rana esculenta Q + Rana fusca J über das Keimblasenstadium hin- aus zu kleinen Embryonen entwickelten; denn „die Ursache zu der Erkran- kung, die Vereinigung der beiden Bastardidioplasmen zu einer disharmo- nischen Verbindung ist ja bei den Radiumexperimenten durch die frühzeitige Elimination des artfremden radiumkranken Spermachromatins beseitigt.“ Er bezeichnet die Entwicklung dieser „falschen Bastarde“ als eine haploid-partheno- genetische, da nur der haploide Eikern sie leitet. Diese Behauptung wird durch Kernmessungen gestützt, die die reduzierte Chromatinmenge der „falschen Bastarde“ beweisen. — An den experimentellen Teil schließt G. Hertwig eine eingehende Untersuchung der haploid - parthenogenetischen Larven an. Dieselben waren stets erheblich kleiner als gleichalte Kontrollen. Da sämtliche Organe zwar annähernd ebenso weit wie bei gleichaltrigen normalen Tieren differenziert, aber stets viel kleiner sind, handelt es sich bei den haploiden Larven um echten Zwergenwuchs und nicht etwa nur um ein Zurückbleiben auf frühen Entwicklungsstufen. — Die Beobachtung, daß die Chromosomenzahl die Größe von Pflanzen und Tieren beeinflußt, wurden 1) Ebenda, 1913, Bd. 83, Abt. II. 2) Ebenda, 1913, Bd. 81, Abt. II. 5) Die Bastardzeugung bei den Batrachiern. Pflügers Arch. f. d. ges. Physiol- 1882, Bd. XXIX. 4) Beiträge zur Bastardierung zwischen den einheimischen Anurenarten. Pflügers Arch. 1883, Bd. 32. Sammelreferat. 259 bereits von Gates!) bei Oenothera und von Artom?) bei Artemia salina ge- macht. — Die Zwerglarven der falschen Krötenbastarde erwiesen sich als nicht lebensfähig, sie erreichten höchstens das Alter von 37 Tagen und gingen dann unter deutlichen Krankheitserscheinungen, wie vor allem Bauchwasser- sucht, zugrunde. G. Hertwig versucht diese Erkrankung der haploiden Larven aus dem Mißverhältnis zu erklären, das zwischen der verringerten Wachstumsenergie der Embryonalzellen infolge ihrer reduzierten Kern- und Plasmamenge und dem im Ei vorhandenen Dottermaterial herrscht. Die Beobachtungen G. Hertwigs fanden volle Bastätigung in der Untersuchung von OÖ. Hertwig”) „Versuche an Tritoneiern über die Ein- wirkung bestrahlter Samenfäden auf die tierische Entwicklung“ und in der Abhandlung von P. Hertwig*) „Durch Radiumbestrahlung verursachte Ent- wicklung von halbkernigen Triton- und Fischembryonen“. In der zuerst genannten Arbeit wurden die Samenfäden, in der zweiten die Eier von Triton taeniatus mit Mesothorium in der Stärke von 5l mg reinem Radium- bromid bestrahlt. Bei längerer Bestrahlungsdauer entwickelten sich hemi- karyotische Larven, die je nach der Ausschaltung des Samen- oder Eikerns als thely- oder als arrhenokaryotisch zu bezeichnen sind. Die wirklich ein- getretene Verringerung der Chromosomenzahl auf 12 konnte in beiden Ar- beiten durch Zählung der Mitosen im Flossensaum sowie durch Kernmessungen einwandfrei nachgewiesen werden. Sämtliche haploide Larven zeigen Zwergenwuchs und sind lebensunfähig; und zwar zeigen die durch Bestrah- lung der Eier erhaltenen hemikaryotischen Larven keine stärkeren Erkran- kungen, als wie diejenigen Zwerglarven, die durch Bestrahlung der Samen- fäden erhalten wurden. Dieser Vergleich beweist, daß Plasma und Dotter des Tritoneies ohne wesentliche Schädigung der Radiumwirkung ausgesetzt werden kann und daß vorwiegend die im Ei und Samenfaden "äquivalente Kernsubstanz durch Bestrahlung geschädigt wird. Zusammenfassend sei nochmals hervorgehoben, daß die Arbeiten aus dem Anat. Biol. Institut zu Berlin von der Frage ausgingen, ob sich Keim- . zellen durch Radiumwirkung schädigen lassen und ob sich die Schädigung der einen Gamete, sei es der < oder 2, in der Entwicklung der Nach- kommenschaft bemerkbar macht. Beide Fragen sind durch die Untersuchungen bejaht worden. Überraschend war die Möglichkeit einer vollständigen Aus- schaltung des einen Kernes und die dadurch hervorgerufene halbkernige !) The stature and chromosomes of Oenothera gigas de Vries. Arch. f. Zellforsch. 1909, Bd. III. *) Le basi citologiche di una nuova sistematica del genere Artemia. Arch. f. Zellforsch. 1912, Bd. 9. ®) Arch. f. mikr. Anat. 1913, Bd. 82, Abt. II. *) Arch. f. mikr. Anat. 1916, Bd. 87, Abt. II. 260 Sammelreferat. Entwicklung. Es ist uns durch die Radiumbestrahlung ein in der Hand- habung außerordentlich einfaches Verfahren gegeben, parthenogenetische Amphibienlarven zu erzeugen, ein Verfahren, das der mühsamen Anstich- methode von Bataillon!) zur Erzeugung von haploiden Larven entschieden vorzuziehen ist. Es wird dadurch die Möglichkeit gegeben, die Entwicklung perthenogenetischer Larven eingehend zu untersuchen, wie es ja bereits in den besprochenen Arbeiten teilweise geschehen ist. — Ferner zeigen die Arbeiten, daß sich das Radium mit Vorteil bei Kreuzungsexperimenten be- nützen läßt. Untersuchungen an Amphibien [G. Hertwig*)| und an Knochenfischen [P. Hertwig®)] beweisen, daß man durch Bestrahlung leicht feststellen kann, ob es bei der Entwicklung eines durch artfremde Besamung entstandenen Embryo tatsächlich zu einer Verschmelzung der Idioplasmen gekommen ist, oder ob das artfremde Spermatozoon nur einen Entwicklungs- reiz gegeben hat. Schon der verschiedenartige Ausfall der Amphibien und der Seeigel- experimente zeigt, daß die Geschlechtszellen verschiedener Tierarten ungleich- mäßig auf Radiumbestrahlung reagieren; bei den Seeigeln kam es bekannt- lich selbst bei einer langen Bestrahlung des Spermachromatins nie zu einer vollständigen Ausschaltung desselben von der Entwicklung und infolgedessen zu keiner Parthenogenese. Dieselbe Beobachtung wurde auch von dem Amerikaner Packard!) gemacht, der mit Eiern von Arbacia und den Ge- schlechtszellen von Nereis arbeitete. — Bei Bestrahlung von Arbacia-Kiern konstatierte er eine durch die Einwirkung von y-Strahlen hervorgerufene Beschleunigung der Zellteilungen, bei stärkerer Bestrahlung mit -Strahlen Verzögerung und pathologische Entwicklung. Zytologische Untersuchung zeigte keine Veränderungen im Protoplasma und in den achromatischen Teilen der mitotischen Figuren, aber einige verklumpte Chromosomen und Chromatinschollen. Andere Chromosomen bleiben hingegen normal. — Diese Beobachtungen stimmen also im wesentlichen mit G. Hertwigs See- igeluntersuchungen überein, nur daß bei letzteren die Chromatinveränderungen, wohl infolge stärkerer Bestrahlung, deutlicher sind. — Bei seinem zweiten Objekt Nereis, konnte Packard in erster Linie starke Veränderungen des Protoplasma beobachten. Seine Experimente zer- fallen in 3 Gruppen. Er bestrahlte erstens Sperma mit 4 mg Radiumbromid während 12 Stunden. Die meist normal eindringenden Samenfäden ver- . schmelzen häufig nicht mit dem Eikern. In diesem Fall geht das Ei bald 1) Le probleme de la fécondation circonscrit par l’impregnation sans amphimixie et la parthenogenese traumatique. Arch. de Zool. Exp. 1910, Tome 6. 2) Arch. f. mikr. Anat. 1913. Bd. 81, Abt. II. 3) Ebenda, 1916, Bd. 87, Abt. Il. *) The effect of radium on the fertilization of Nereis. Journ. Exp. Zool. 1914, vol. 16 und 1915, vol. 19. Sammelreferat. 261 zugrunde, ohne sich, wie das Amphibienei, parthenogenetisch zu entwickeln. — Oder aber, Ei und Samenkern verschmelzen. Es folgen dann normale Teilungen und die Radiumschädigung macht sich erst nach 20 Stunden im Fehlen der protrochalen Wimperschnur und des grünen Pigmentes bemerkbar. Nach spätestens 78 Stunden sind die Radiumlarven abgestorben. Zweitens bestrahlte Packard unbefruchtete Nereis-Eier während zwei Stunden. Als Folge der Bestrahlung wird die Gallerte nicht normal aus- gestoßen und die Eier häufig polysperm befruchtet. Das Plasma zeigt be- sonders an der Peripherie deutlich bemerkbare Veränderungen. Der Eikern bildet bisweilen eine fast normale 1. Richtungsspindel, häufiger ist diese jedoch pathologisch und zwar ist weniger die Chromosomenbildung anormal als wie die achromatische Figur. Trichter sind häufig. Der 2. Richtungs- körper wird ganz unterdrückt, es bildet sich dann ein anscheinend normaler, nur sehr großer weiblicher Vorkern, der häufig nicht mehr mit dem Samen- kern verschmilzt. In diesem Fall unterbleibt jede weitere Teilung. Oder aber, die beiden Kerne verschmelzen und die weitere Entwicklung verläuft wie. bei der ersten Serie, bei der normale Eier mit bestrahlten Spermatozoen befruchtet werden. In der 3. Gruppe wurden befruchtete Eier bestrahlt, und Eier vor und nach der Befruchtung. Sie zeigen im wesentlichen die gleichen nur etwas verstärkten Veränderungen, und die Embryonen erreichen nur das Alter von 24 Stunden. Der Verf. schliefit aus diesen Nereis-Versuchen, daß bei Nereis in erster Linie das Plasma und weniger die Kernsubstanz geschädigt wird. Er führt die Schädigung auf eine durch Radiumstrahlen erfolgte Aktivierung ento- lytischer Enzyme zurück, die die komplexen Zellproteide und wahrschein- lich auch andere protoplasmatische Substanzen verändern. Referate. Hertwig, 0. 1916. Das Werden der Organismen. Eine Widerlegung von Darwins Zufallstheorie. gr. 5°. 309 S. 250 Fig. i. T. Jena (Fischer). Das Buch hält vollkommen, was sein Haupttitel verspricht, aber es er- füllt nicht die Erwartungen, die wohl jeder an seinen Untertitel knüpft. Es ist eine ausgezeichnete, auch für weitere Kreise klar und verständlich ge- schriebene Einführung in die Entwicklungs- und Artbildungslehre, wohl sicher die beste, die es heute gibt. Daß das Buch ganz bewußt und absichtlich subjektiv gehalten ist, ist auf diesem Gebiete, wo wir so wenig wirklich wissen und wo die Stellungnahme gerade zu den wichtigsten Fragen noch Sache des Temperamentes und der individuellen philosophischen Grundan- schauung ist, nur ein Vorteil. Besser offener bewußter Subjektivismus als ein versteckter. Von diesem Gesichtspunkte aus ist das Buch zu begriifien, und es wird sicher auch einen dankbaren Leserkreis finden und überall anregend wirken. Be- sonders als ein Buch für Studenten, die sich mit diesen Fragen zu beschäftigen beginnen, ist es ausgezeichnet am Platze, füllt eine fühlbare Lücke aus. — — — Daß aber durch das Buch die „Darwinsche Zufallstheorie“ widerlegt sei, daß etwas Besseres oder auch nur etwas grundsätzlich Neues an ihre Stelle ge- setzt worden sei, kann Referent nicht finden. Gerade die Kapitel, die sich im besonderen mit der Kritik des Darwinismus befassen, fallen ausgesprochen gegen die übrigen Kapitel ab, bringen kaum etwas, was nicht schon oft ge- sagt worden ist. Im einzelnen auf eine Diskussion einzugehen, hat keinen Zweck. Es ist nun eben einmal, wie schon vorhin gesagt, die Frage, welches das wich- tigste Prinzip der Evolution ist, auf Grund des heute bekannten Materials verstandsmäßig überhaupt noch nicht zu beantworten und sie wird noch lange nicht zu beantworten sein. Je nach seiner philosophischen Grund- anschauung wird dem einen die eine, dem andern die ‘andere Vorstellung „sympathischer“, „glaubhafter“ sein. Sympathien und Glaubenssachen kann man aber nicht beweisen. \ Baur. Kammerer, P. 1915. Allgemeine Biologie. Stuttgart und Berlin. (Deutsche Verlags-Anstalt). kl. 8°. 351 S. 4 farbige Tafel. 86 Fig. i. T. Ein vorzüglich ausgestattetes aber fanatisch einseitig geschriebenes Buch. Das gilt im ganzen und gilt besonders für die hier allein zu besprechenden Kapitel über Vererbung und Abstammung. Die sattsam bekannten Salamandra- Versuche nehmen nahezu die Hälfte des Vererbungskapitels ein, das überhaupt as ay - Referate. 263 nur in die zwei Abschnitte „Vererbung angeborener Eigenschaften“ und ,,Ver- erbung erworbener Eigenschaften“ eingeteilt ist. Die „angeborenen Eigen- schaften‘‘ werden nach Kammerer ausschließlich nach dem Mendelschen Gesetze als einem „ausnahmefreien Naturgesetz“ vererbt! (Sehr viele Biologen werden mit dem Referenten da wohl anderer Ansicht sein). Das Kapitel über die Abstammungslehre entspricht dem über Vererbung. Referent hat selten ein so ausschließliches Arbeiten mit bloßer Dialektik, Operieren mit unscharfen Definitionen gefunden, wie in diesem Kapitel, das u. a. den „Zusammenbruch der Johannsenschen exakten Erblichkeitslehre‘ dartun will! Sehr wenig schön ist die Art der Literaturzitierung. Bücher, die dem Verfasser nicht gefallen, werden entweder nicht zitiert, so fehlen z. B. in der Literaturübersicht am Schluß des Kapitels über Vererbung Johannsens „Elemente der exakten Erblichkeitslehre‘‘, oder aber Kammerer hängt den Zitaten in Klammer eine oft geradezu als schnoddrig zu bezeichnende Be- merkung an, so steht z. B. hinter Reinkes Philosophie der Botanik: (fromm!) hinter Batesons Problems of Geneties: (äußerst dogmatisch verbohrtes Buch) usw. Daß der doch sonst entschieden glücklichere Verlag gerade auf Kammerer als Autor für diese Allgemeine Biologie verfiel, ist zu bedauern. Baur. Schaxel, Jul. 1914. Die Leistungen der Zellen bei der Entwicklung der Metazoen. 328 S. mit 49 Abbildungen im Text. Fischer, Jena. Dieses Buch vereinigt im wesentlichen die in vielen Einzelarbeiten zer- streuten Ansichten des Verfassers über die bewirkenden Ursachen des Ent- wicklungsgeschehens. Es sind natürlich meist nicht schlechtweg neue Er- kenntnisse, die er vorträgt, sondern aus dem Vorrat älterer, schon hin- und herdiskutierter Ideen diejenigen, für die er glaubt, nunmehr entscheidende Beweise gefunden zu haben. Großen Raum nimmt daneben die Bekämpfung der widerstrebenden Doktrinen ein. Als Beobachtungsgrundlage für sein Lehrgebäude sollen nach dem Willen des Verfassers nur „cytomorphologische“ Ergebnisse dienen. Er nennt so die von der bisherigen Zellforschung fast ausschließlich benutzte Methode der Vergleichung durch Fixation festgelegter, also toter Stadien; — der hier ein neuer Name nur verliehen wurde, um grundsätzliche Aus- schließung physiko-chemischer Daten aus ihren Argumentationen zu betonen: eine Selbstbeschränkung, die ohne weiteres vielen Folgerungen den Charakter des Vorläufigen aufzwingen muß. Das zeigt sich gleich beim ersten Schritt. In der noch ungereiften Eizelle stößt nach dem Verfasser der Kern Chromatin aus, und dieses wird zum Teil für die Dotterbildung benötigt: von der Verteilungsart des Dotters ist dann der Furchungsmodus mit abhängig. Da aber der Verfasser jene Dotteranordnung nicht von dem „Emissionschromatin“ selbst, sondern von der (unsichtbaren) Konstitution des Cytoplasma bestimmen läßt, so ist in der Emission keine der Ursachen für die Spezifität späterer Vorgänge erkannt. Und andererseits wird es, in Anbetracht der gleichen Färbbarkeit so vieler Stoffe, ohne Untersuchung der chemischen und physikalischen Verhältnisse, auch der Kernmembran, nie gelingen, den Chromatincharakter der fraglichen Körnchen im Cytoplasma oder ihre Auswanderung aus dem Kern, geschweige denn ihre Umwandlung in Dottervorstufen wirklich zu beweisen, so oft dies alles auch seit van der Stricht (1898) behauptet worden ist. 264 Referate. Die infolge ungleicher Dotterverteilung gewissermaßen sichtbar ge- wordene Eikonstitution, nach Umordnung durch den Reifungsbeginn, ist nun für Schaxel die eindeutig bestimmende Ursache für die gesamte spezifische Besonderheit der Furchung. Von Teilungsschritt zu Teilungsschritt hängt von der Lage des „Kernbezirks“ (Bildungsdotters) i in der betr. Furchungszelle die Richtung der Teilung ab, die Größe der Teilstücke, und deren den fol- genden Schritt wieder beherrschende Konstitutionsart selbst — alles im wesentlichen den Regeln O. Hertwigs entsprechend (deren Ausnahmen kurz erwähnt, aber nicht anerkannt werden s. S. 96). So wird das Furchungs- geschehen „in sukzessiven Akten“ determiniert. Auch an der Festlegung der ersten Furche besteht nicht der mehrfach beschriebene Anteil der Besamungsstelle — die Beobachtungen Rouxs, und stillschweigend diejenigen z. B. von Wilson-Mathews und Ziegler, werden durch Feststellungen an zwei anderen Objekten, und Erinnerung an das Ver- halten bei Parthenogenese, beiseite geschoben. Das Spermatosoma bringt lediglich einen (chemischen) Entwicklungserreger in seinem Mittelstück hinzu — an Kontinuität des Centrosoma glaubt der Verfasser nicht (auch in andern Zellarten: merkwürdig, nachdem es nun fast überall in Kernruhe gefunden ist!); der 5-Kern hat, ebenso wie übrigens auch der weibliche, auf Furchung und Organanlegung keinen aktiven Einfluß. Dagegen wirken bei der zweiten und den weiteren Furchungsteilungen die Lagebeziehungen zu den Geschwisterzellen („sekundärer Faktorenkomplex* — Rouxs „Nachbarschaftswirkungen“) determinierend, zusammen mit der Zellkonstitution (primärer Komplex) — was eytomorphologisch freilich nicht stets sichtbar ist (Ref.). Indem dann die unterschiedlichen Zellgruppen der Blastula nach der Determinierung ihres letztvergangenen Teilschritts sich weiterteilen, sollen Organanlagen sich ergeben. Der Anstoß zur Histogenese und zu ihrer Lokalisation ist unbekannt; Vorstufen der Differenzierungsprodukte werden aber vom Kern durch neue Chromatinemission in allen Fällen vorher ge- liefert: eine ja weitverbreitete Lehre, der aber die so große stoffliche Ver- schiedenheit der Produkte (u. a.) zunächst noch im Wege steht. Bei dieser Emission erst wird der vom Männchen stammende Anteil des befruchteten Eies für die Entwicklung determinierend wirksam, bei der Organanlegung fehlt solcher Einfluß noch ganz. Es ist natürlich unmöglich, dieses Axiom zu widerlegen; aber ebensowenig zu beweisen! Der Vorstellung der Be- stimmung durch Stoffausstreuung seitens des Kerns macht schon die Mendelei Schwierigkeiten — der Verfasser erwartet Aufklärung über die Ausschaltung bald des 5-, bald des ®-Einflusses von der Chemie! Alle diese Zellenvorgänge hält der Verfasser für zwangsläufig und irreversibel (im Anschluß an J. Minot), bis zur in der Histogenese sich aussprechenden Beendigung der Entwicklungsfähigkeit, wodurch den Zellen sogar das Teilungsvermögen verloren gehen soll (obwohl mitotische Teilungen für viele Arten hochdifferenzierter Zellen doch ganz feststehen). — Nur die Tatsachen der Variabilität veranlassen den Verfasser, eine gewisse Nach- giebigkeit der Determination gegen äußere Einflüsse zuzugeben. Man sieht, die Ausbeute an gesicherter Erkenntnis von seiten der eytomorphologischen Forschungsweise ist nicht allzu groß. Das Rätsel der Determination wird hier nur verschoben, nicht gelöst. Denn die Anzahl der nach der sichtbaren Innenorganisation zu unterscheidenden Eitypen ist so klein im Verhältnis zur Menge der Spezies, daß allenfalls ein Forschungs- Referate, 265 programm, nicht befriedigendes Wissen in Obigem erkannt werden kann. Und auch zu dessen Gewinnung mußte der Verfasser ziemlich weit über die Resultate der Beobachtung hinausgehen — begünstigt von einem Talent zu leichtflüssiger For mulierung, das ihn allerdings auch manchmal bis auf Forschungsgebiete führt, wo der Gedanke noch keine Ansammlung wissen- schaftlicher Substanz vorfindet, die er formen könnte. Zusammenfassende Sätze wie: „Das Massenwachstum kommt durch fortgesetzte Zellteilungen zustande, indem bei Einhaltung einer konstanten Zellengröße durch die Ver- mehrung der Anzahl der Zellen eine Massenzunahme des von ihrer Gesamt- heit zusammengesetzten Gebildes bewirkt wird“, oder: ,,Ortsveriinderungen durch Bewegungen der Zellen finden statt, wenn die Zellen den Ort, an dem sie sich am Ende der Furchung befinden, verlassen und sich vor, während oder nach der Vermehrung an einen andern Ort zu der Bildung der Organ- anlage begeben“ (beide auf S. 239) lassen doch wohl vermuten, daß nicht innere Notwendigkeit, sondern eher Vollständigkeitsbedürfnis zur Erörterung dieses Inhalts führte. Auf experimentellem Boden bewegt sich der Verfasser zum Teil bei seiner Polemik. Besonders um Widerlegung des Vitalismus, und zwar in Drieschs Prägung, ist es ihm zu tun. Dessen aus dem Vorhandensein von harmonisch-äquipotentiellen Systemen geschöpften Beweis, von Gebilden also z. B., deren Teile, isoliert, sich unter Umregulation zum Ganzen entwickeln können, hält er für logisch unanfechtbar (im Gegensatz zu andern), bestreitet aber die reale Existenz solcher Gebilde, und überhaupt von jeder Art Regu- lation!! Seine Experimente, z. T. Wiederholungen derer von Driesch, haben ihm abweichende Resultate ergeben und gezeigt, daß atypisch ge- machtes Ausgangsmaterial stets Atypisches liefert. Hier kann auf Einzelnes nicht eingegangen werden, umsoweniger, als manche Versuche des Verfassers so kurz geschildert sind, daß der Leser kein wirkliches Urteil ohne Nach- sehen der Originalarbeit gewinnt, und zumal die so viel bearbeiteten Regu- lationsvorgänge bei der Regeneration vom Verfasser mit Darstellung eines anders deutbaren Befunds erledigt werden. Nur soviel, daß es Wiederholung der Versuche Drieschs und der anderen Autoren am gleichen Tier und des Nachweises der Umdeutbarkeit vieler.an sich unbezweifelbarer Resultate be- dürfte, um jene (an sich nicht notwendig vitalistische) Lehre von der Regu- lation zu erschüttern. Die Abweisung der ganzen Gruppe von präformationistischen Theorien (Weismann, Rabl u. a.) seitens des Verfassers ergibt sich ohne weiteres aus seiner epigenetischen Deutung der Entwicklung. Wo Teilschritt für Teilschritt von der jeweiligen Konfiguration der Zellleibbestandteile zureichend determiniert ist, bedarf es keinerlei besonderer „Determinationsmaschine* im Kern oder Plasma. In diesem Zusammenhang äußert aber der Verfasser den weiteren, anscheinend extravaganten, in Wahrheit aber sehr beachtens- werten Gedanken, daf} überhaupt „neben den die ontogenetische Entwicklung leistenden Faktoren nicht noch besondere, die Vererbung besorgende existieren“: also eine Absage an alle „Vererbungssubstanzen“ (Ref.) — auch für Präformationisten der Überlegung wert! Im allgemeinen läßt sich nach allem sagen, daß Schaxels Buch, trotz wiederholungsreicher Breite vieler Teile, wohl interessieren kann als energischer Versuch darzulegen, wieweit epigenetische Vorstellungen mit unseren jetzigen Kenntnissen zu vereinigen sind, oder von ihnen gefordert werden. L. Brüel. 266 Referate. Correns, €., 1916. Über den Unterschied von tierischem und pflanzlichem Zwittertum. (Biol. Ctbl. 36, S. 12—24.) Hertwig und Demoll haben versucht, die Erklärung für Geschlechts- trennung und Vererbung, welche die cytologischen Untersuchungen bei Angio- stoma ergaben, auf die Pflanzen zu übertragen. Der Verf. bringt einen Be- weis dafür, daß bei den Pflanzen eine Geschlechtsbestimmung nach dem Angiostoma-Schema nicht erfolgt. Die Verhältnisse bei Angiostoma sind kurz die folgenden: Die 2° der getrenntgeschlechtlichen Generation haben 12, die ~~ 11 Chromosomen; alle Eier erhalten 6, von den Spermatozoiden die Hälfte 6, die Hälfte 5 Chro- mosomen. Die letzte Gruppe geht zugrunde, es kommen nur die Spermato- zoiden mit 6 Chromosomen zur Befruchtung und geben mit den Eiern zu 6 Chromosomen weibchenähnliche Zwitter. Bei den Reifeteilungen dieser Zwitter erhalten wieder alle Eier sowie die Hälfte der Spermatozoiden 6 Chromosomen; bei der bleibenden Hälfte wird 1 Chromosom ausgeschaltet; beide Arten von Spermatozoiden sind befruchtungsfähig und geben @ 2 mit 12 und oo mit 11 Chromosomen. In gleicher Weise nehmen die oben gen. Autoren an, daß bei den Pflanzen die Zwitterblüte und die © Blüte eines Monöecisten in | ihrem Fruchtknoten nur einerlei Samenanlagen mit weiblichem Chromo- somenbestand haben, dagegen die Staubbeutel zweierlei Pollenkörner, zu gleichen Teilen mit männlichem und weiblichem Chromosomenbestand ent- halten, von denen die letzteren allein funktionsfähig sind — d.h. nur die Hälfte der Pollenkörner führt eine Befruchtung aus. Um diese Theorie zu prüfen, hat der Verf. mit Pflanzen gearbeitet, deren Pollentetraden nicht in ihre einzelnen Körner zerfallen; so zunächst mit Epilobium hirsutis, das indessen überhaupt nicht ansetzte, hierauf erfolg- reich mit der Solanacee Salpiglossis variabilis. Der Fruchtknoten enthält etwa 300—400 Samenanlagen; die Narbe der kastrierten Blüten wurde mit 1—10 Tetraden belegt. So behandelt ent- wickelten sich, wenn man nur die gelungenen Versuche berücksichtigt, einmal bei 1 Tetrade 4 Samen, bei 3 Tetraden 9, bei 5 Tetraden 13, 13 und 16, bei 10 Tetraden 22, 24, 24, 25, 25 und 26 Samen. D.h. bei einer ganzen Reihe von Blüten hatte mehr als die doppelte Zahl der verwendeten Tetraden, also mehr als die Hälfte der verwendeten Pollenkörner befruchtend gewirkt; ja in 2 Fällen (4 bei 1 Tetrade, 16 bei 5 Tetraden) müssen sogar alle 4 Körner einer Tetrade funktionstüchtig gewesen sein. Damit ist der obigen Annahme der Boden entzogen. Andererseits erhält die schon früher!) ausgesprochene theoretische Erwägung des Verf. dadurch erneut Gewicht, derzufolge vom philogenetischen Standpunkte aus das Zwittertum bei Tieren und Pflanzen nicht in Parallele zu setzen ist. Bei den Pflanzen geht die Entwicklung vom zwittrigen (Moos) zum getrennt- geschlechtlichen Organismus (Populus): bei den Tieren ist die Getrennt- geschlechtlichkeit philogenetisch älter, das Zwittertum erst ein abgeleiteter Modus. Nimmt man mit Schleip die Möglichkeit einer voraufgegangenen primären Zwittrigkeit bei den Tieren an, so wäre die normale Zwittrigkeit der Tiere philogenetisch der sekundären Zwittrigkeit bei einer infizierten Melandryumpflanze zu vergleichen. E. Schiemann. !) Correns u. Goldschmidt, Die Vererbung und Bestimmung des Geschlechts. 1913. Referate. 267 Burgeff, H., 1914/15. Untersuchungen über Variabilität, Sexualität und Erbliehkeit bei Phykomyces nitens Kuntze. (I. Teil Flora N. F. 7, 1914, S. 259-316, 4 Taf., 20 Textfig.; II. Teil Flora N. F. 8. 1915, S. 353 bis 449, 13 Textfig.) Der vorl. Mitt. in den Ber. d. Dtsch Bot. Ges. (ref. ds. Ztschr. X, S. 277) folgt in 2 Arbeiten eine ausführliche und für gewisse Fragen ab- schließende Darstellung der mehrjährigen Erblichkeitsversuche des Verf. mit Thykomyces nitens. Der I. Teil bringt die Beobachtungen über die natürlichen Varianten plicans, piloboloides und pil-elongatus, von denen die beiden ersten in heterokaryotischer, die letzte in homokaryotischer Form auftraten, sowie die Versuche, die zur experimentellen Erzeugung der heterokaryotischen Varianten und anderer Mixochimären führten. Der II. Teil umfaßt die Kreu- zungsexperimente und ihre theoretische Deutung und Bewertung. Als natürliche Varianten kamen vor allem 3 Formen in Betracht. Die var. plicans wurde als abweichendes Keimmycel einer +-Kultur erhalten, morphologisch und physiologisch von nitens abweichend. Beim Altern der Kulturen und.bisweilen stellenweise spontan tritt eine + vollkommene An- näherung an nitens ein, desgleichen bei fortgesetzter selektiver Sporenaussaat in Richtung auf plicans, die schließlich zum plötzlichen Verschwinden der plicans-Form in der 10. Sporengeneration führt; danach wurde die Vari- ante nicht mehr beobachtet. Zur Erklärung dieses Verhaltens stellt der Verf. die Hypothese auf, daß das Mycel der var. plicans heterokaryotisch ist und daß die nitens-Kerne eine größere Teilungsgeschwindigkeit besitzen: vege- tative Rückschläge erfolgen dann, wenn ein Ast zufällig nur nitens-Kerne erhält, solche bei der Sporenkeimung, wenn bei der zufälligen Verteilung der Kerne bei der Sporenbildung ausschließlich nitens-Kerne in eine Spore gelangen. — Die 2. heterokaryotische Variante piloboloides, ihre Entstehung und experi- mentelle Erzeugung als Mixochimäre, ist in der vorl. Mitt. (a. a. O.) bereits beschrieben; die vorliegende Arbeit I bringt die sehr ausführlichen Versuchs- protokolle und mancherlei interessante Einzelheiten, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Selektion nach piloboloides und nitens führt in beiden Fällen nicht zu absolut reinen Homokaryoten; d. Verf, vermutet eine Art Anziehung der heterogenen Bestandteile, die dieser Selektion entgegen- wirkt. — Die 3. Variante, piloboloides-elongatus entstand bei der Sporenaussaat des Regenerationssporangiums der Mixochimäre nit. + in pil. als vegetative Abspaltung: ein schwärzliches, mit gelben Lufthyphen bedecktes Mycel, aus- gezeichnet durch schwarzgefürbte, elongate Kröpfe. Von der 5. Generation ab konstant, ist diese Form als homokaryotisch anzusehen. (Zur Zeit dieses Referates in der 30. Gen. vorhanden!) Der Beweis für die Heterokaryose der obigen Formen ist erbracht durch Herstellung der Mixochimäre nit. + in hoch selektionnierten piloboloides. Die hieraus hervorgehenden Sporen liefern neben Mischformen auch die reinen Elternformen; mit einer nunmehr reinen pil. +-Form wurde eine zweite Mixochimäre nit. — in pil. + hergestellt, sie regenerierte ein pil. —-Sporan- gium, aus dessen Sporen n —, p+, neutrale und gemischte Stämme hervor- gingen. Aus der Tatsache, daß alle nitens —, alle piloboloides + sind, geht hervor, daß die Eigenschaften an die Kerne, nicht an das Plasma gebunden sind. Uber die übrigen Mixochimären nit. + in nit. —, plicans in pil. sei auf das Original verwiesen, nur sei erwähnt, daß verschiedene Erscheinungen Bea uhren, die neutralen Mycelien als Anomalien im Entwicklungsgang an- zusehen. 268 Referate. Dem eigentlichen Kreuzungsversuche (I. Teil) vorangestellt sind An- gaben über die Zygosporenkeimung und Cytologie des Phykomyces, letztere noch als vorl. Mitt. Wesentlich für das Folgende ist, daß die Kerne des vielkernigen Mycels in der Zygote zur Paarung und teilweisen Kopulation kommen. Bei der Anlage des Keimsporangiums bzw. der Sporen findet eine Reduktionsteilung statt, auf die noch vor der Ausbildung der Sporen eine 2malige Teilung der reduzierten Kerne folgt. Jede Spore erhält 1 Kern, während in die ungeschlechtlichen Sporen 6—11 Kerne eingehen. Was dem- nach bei einer Kreuzung zur Beobachtung kommt, sind a) die P-Mycelien bis zur Bildung der Zygospore — haploid; b) das Keimsporangium, eine kurze diploide Phase, entsprechend der F, der höheren Pflanzen; c) die Urmycelien, die aus den durch Reduktion entstehenden wiederum haploiden Ursporen hervorgehen und den Gameten der F, höherer Pflanzen homolog zu setzen sind; d) hieraus geht dann durch P Paarung die 2. Zygotengeneration hervor, die mit Keimschlauch und Keimsporangium die diploide F, darstellt und in der 2. Zygosporengeneration und daraus hervorgehenden My- celien der F, höherer Pflanzen entspricht. „Kreuzt,“ so sagt der Verf. (S. 363), „das Vererbungsexperiment bei höheren Organismen die diploiden Phasen und überläßt den von ihnen ge- bildeten Gameten die Möglichkeit zufälliger Kombination, um aus dem Unterschied neuer diploider Phasen auf die stattgefundene Gametenspaltung zu schliefien, so kombinieren wir hier die Gameten selbst zu diploiden Phasen und beobachten direkt die Aufspaltung in neue Gameten.“ Für diese Homologisierung bringt der Verlauf der Arbeit noch Einzel- beweise. Die Analyse ist bis zur 3. Zygotensporengeneration vorgedrungen. Sachlich brachten diese Kreuzungen folgendes: Die diploide Phase (F,) zeigt unvollkommene Dominanz von nitens! ein Keimsporangium ohne oder mit —+-deutlichem Kropf, der auch zuweilen andere, z. B. perlschnurartige Formen annimmt; die Form ist dabei unab- hängig vom Inhalt, wie die Nachkommenschaft lehrt. — Die haploide F,, in der wir also die direkte Aufspaltung in Gameten vor uns sehen, hat nun alle theoretisch möglichen Kombinationen gebracht: n+, n—, p+, p—. Ein Keimsporangium kann enthalten: a) nur 1 von den 4 Arten von Gameten ein solches wird als mo- nokrat bezeichnet; b) 2 Arten von Gameten — dikrat — und zwar: «) heterodikrat — beide Varianten in verschiedenem Geschlecht, 6) hemiisodikrat — „ n >» einerlei a bzw. eine A » beiderlei aa c) alle 4 Arten von Gameten — tetrakrat. Alle diese Fälle sind vertreten; während aber bei Summierung aller Versuche die einzelnen Gametensorten in annähernd gleicher Zahl vorkommen, ist das, auf das einzelne Sporangium bezogen, nicht der Fall. Vielleicht läßt sich das durch die Annahme erklären, daß bei den auf die Reduktion folgenden Teilungen vor Abrundung zu Sporen eine Gruppe einen Vor- sprung gewinnt und somit eine größere Anzahl von Sporen auszubilden ver- mag; doch ist das Zahlenmaterial für eine Entscheidung zu gering. Am wichtigsten ist das Neuauftreten von pil. —, „weil es den Beweis für echte Sexualität und Vererbung liefert“, für das Vorhandensein eines selbständigen Referate. 269 Faktors für den +- bezw. —-Zustand. In gleicher Weise zeugt für eine Verschmelzung der P-Kerne, für eine echte Kopulation, das häufige Vor- kommen vertauschter Charaktere bei mono- und dikraten Keimsporangien (p + und n — aus p— X n-+). Zwischen reinen nit. und pil. stehen eine ganze Reihe von Zwischenstufen, die sich durch Stärke und Zahl der Träger, durch Farbe und Form der Kröpfe und durch die Größe der Köpfe unter- scheiden. Bei der 2. Zygotengeneration konnte auch die Reinheit der Aus- gangsformen geprüft werden. P (aus der Zygospore p X n) X p (gleicher Herkunft) gibt nur p-Keimsporangien und Nachkommenschaft; n (aus p X n) x n (aus p X n) gibt nur n-Keimsporangien und Nachkommenschaft. Damit kennzeichnen sich die diploiden Kombinationen als Homozygoten und man ist berechtigt, die kopulierenden Mycelien selbst als Gameten aufzufassen. P Xn und n X p verhielt sich wie die Zygotengeneration I, d.h. ergab Mischformen mit unvollkommener Dominanz von nitens mit spaltender De- szendenz, also Heterozygoten. Die sogenannten sekundiiren Geschlechtsmerkmale: wenige dicke und hohe Träger bei +--Mycelien, viele dünne und niedrige Träger bei —-My- celien sind nicht an das Geschlecht gebunden, sondern spalten unabhängig davon. Dies ist einwandfrei beobachtet, aber noch zahlenmäßig zu unter- suchen. Endlich geht der Verf. noch auf die Frage ein, wie weit sich die Ge- schlechtsvererbung diploider und haploider Organismen homologisieren läßt. Dabei werden die von Blakeslee aufgestellten Schemata der Geschlechts- verteilung auf Sporophyt und Gametophyt berücksichtigt. Bei den monöcisch-haploiden Organismen (z. B. Sporodinia oder ein men. Moos) bildet die haploide bisexuelle Pflanze © und Geschlechts- organe aus; diese kopulieren und geben der diploiden Generation den Ur- sprung, dem Sporophyten, aus dem durch Reduktion wieder die haploide Phase bervorgeht. Die äußerlich sichtbare, phänotypische Geschlechts- trennung folgt also der Reduktion. Bei den monöcisch-diploiden entstehen die 5’ und © Geschlechtsorgane an der bisexuellen diploiden Pflanze, und unmittelbar vor der Kopulation wird erst die Reduktion ausgeführt. Die phänotypische Geschlechtstrennung geht also der Reduktion voraus. Hiervon ist aber die genotypische Geschlechtstrennung zu unterscheiden, bei der die geschlechtsbestimmenden Gene im Kern wirklich voneinander getrennt werden; sie findet sich bei den diöcischen Organismen. Auch hier vollzieht sich die phänotypische Geschlechtstrennung bei der Aus- bildung der / und © Sexualorgane an der bzw. haploiden oder diploiden Pflanze. Bei den haploid-diöcischen Organismen (Phykomyces, Marchantia) geschieht dies an der haploiden Pflanze; aus der Kopulation geht dann die bisexuelle diploide Phase hervor (Sporenträger bei March., Zygote + Keim- sporangium bei Phyk.). Bei der Sporenbildung im Sporophyten, bei der Re- duktion, vollzieht sich gleichzeitig die genotypische Geschlechtstrennung; innerlich aber sind das ~ und das 2 Geschlecht gleich. Bei den diploid- diöcischen Organismen (Populus) dagegen führt die Kopulation direkt zur Ausbildung eines Männchens und eines Weibchens. Es muß auch hier bei der Reduktion die genotypische Geschlechtstrennung stattfinden. Will man aber nicht auf die Hypothese selektiver Befruchtung zurückgreifen, so muß man annehmen, daß diese Trennung nur bei dem einen Geschlecht stattfindet — übereinstimmend wird für Pflanzen dies für das 5 Geschlecht angegeben. Genotypisch sind also bei den diploid-diöcischen Pflanzen die 270 Referate. Keimzellen eines Geschlechts und der Hälfte des andern Geschlechts unter sich gleich und von der restierenden Hälfte verschieden. Will man also mit Rücksicht auf die Geschlechtstrennung prinzipiell scheiden, so stellen sich in bezug auf die phänotypische Geschlechtstrennungg die Haploiden mit Ge- schlechtstrennung am haploiden Gametophyten — also zwischen Reduktion und Kopulation — den Diploiden mit Geschlechtstrennung am diploiden Sporophyten — also zwischen Kopulation und Reduktion — gegenüber. In bezug aber auf die genotypische Geschlechtstrennung scheiden sich die monöcischen Haploiden und diploiden, denen sie fehlt, von den diöcischen Haploiden und Diploiden, die eine genotypische Geschlechtstrennung besitzen. Um diese Unterschiede zum Ausdruck zu bringen, nennt der Verf. die aus der phänotypischen Geschlechtstrennung hervorgehenden, äußerlich sexuell verschiedenen Organismen Androphän und Gynophän; die aus genotypischer Geschlechtstrennung innerlich sexuell verschiedenen Organismen Androgen und Gynogen. Im allgemeinen werden Androphän und Gynophän die Pflanze, Androgen und Gynogen die Sexualzelle bezeichnen. Bei den haploid-didcischen Organismen jedoch sind die Phäne den betr. Genen identisch, d.h. die Pflanze selbst spielt die Rolle des Gameten. Bei den diploid - diöcischen sind sie identisch bei männnlicher bzw. weiblicher Heterozygotie in dem betr. heterozygoten Geschlecht. Zum Schluß wird noch gezeigt, daß die haploiden Organismen für die Erblichkeitsanalyse besonders geeignet sind, weil die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten der Elternkombinationen viel größer ist als bei den diploiden. Bei n-Merkmalen ist der Unterschied: 1:2n—1 bei den haploiden, 1: 22"—! bei den diploiden, was z. B. schon für n=6 die Zahlen 1:32 bzw. 1:2048 be- deutet. E. Schiemann. Winkler, Hans, 1916. Über die experimentelle Erzeugung von Pflanzen mit abweichenden Chromosomenzahlen. (Zeitschr. f. Botanik, Bd. 8, S. 417—531, Taf. IV—VI, 17 Fig.) Die Frage, ob eine Veränderung der Chromosomenzahl in einem Orga- nismus auch eine Veränderung phänotypischer Merkmale bedingen könne, ist mehr denn je Gegenstand des Meinungsstreites. Zahlreiche Indizien sprechen dafür, daß zum mindesten in einigen Fällen eine derartige kausale Bedingtheit besteht. Namentlich hatte der Vergleich gewisser „Riesen“formen mit ihren „Stammarten“ ergeben, daß der verändeıte Wuchs mit einer Ver- doppelung der Chromosomenzahl verknüpft war. Nur konnte bisher nicht klar entschieden werden, ob es sich um „Ursache und Folge“ oder um ein mehr zufälliges „Nebeneinander“ handele und beides als Außerung einer schon stattgehabten Umänderung des Genotypus aufzufassen sei. Verf. sucht das Problem experimentell zu klären. Anknüpfend an seine Deutung des von ihm hergestellten Solanum Darwinianum als ,,Burdo* und somit als Produkt einer somatischen Kern- und Zellfusion, versuchte er, ob es nicht gelänge, ähnliche Verschmelzungen auch zwischen Zellen eines und desselben Indi- viduums zustande zu bringen. An Stelle des s. Zt. durch Keilpfropfung auf- gesetzten artfremden Sprosses auf die Pfropfunterlage setzte er jetzt einen abgeschnittenen Sproß von Solanum nigrum resp. Sol. Lycopersicum ebenfalls durch Keilpfropfung auf denselben Stamm, von dem ersterer abgeschnitten war, herauf. Dann ließ er die Gewebe zusammenheilen, dekapitierte wieder und wartete, bis aus dem Kallus, der an der Verwachsungsgrenze entstanden war, Adventivsprosse auftraten. Unter der großen Menge, die normale So- Referate. Zr lanum nigrum resp. Sol. Lycopersicum darstellten, fielen nun einige mit Riesen- wuchs auf. Davon waren 3 sicher tetraploide und zwar sah dies Verf. ein- mal bei Solanum Lycopersicum und zweimal bei Sol. nigrum. Im folgenden beschreibt er genauer die Entstehungsgeschichte seiner Riesenformen. Das wolle man im Original nachsehen. Die Chromosomen- zahlen dieser „Riesen“ wurden sowohl an Reduktionsteilungen der Pollen- Mutterzellen wie an somatischen Mitosen gepriift. Das Resultat war ganz eindeutig: Solanum Lycopersicum gigas besaß) 24 resp. 48 und Sol. nigrum gigas 72 resp. 144 Chromosomen, also das doppelte ihrer Stammformen. Theore- tisch überaus bedeutsam ist die Beobachtung des Verf., daß an den Riesen- formen „Rückschläge* zur Stammform auftraten, die somit wieder äußerlich den diploiden Pflanzen glichen. Die Chromosomen konnten allerdings hier noch nicht gezählt werden. Verf. vermutet es und Ref. möchte es auch für wahrscheinlich halten, daß die Kerne hier in der Tat wieder diploid geworden sind. Ist das aber wirklich der Fall, so muß auch eine Chromosomenreduktion in vegetativen Geweben möglich sein und eine alte Streitfrage zwischen Strasburger und Némec ist zugunsten des letzteren entschieden, wenig- stens insoweit, daß somatische Reduktionsteilung überhaupt existieren kann. Eine vergleichende morphologische Beschreibung ergibt, daß keine „durchgreifenden“ Unterschiede im Bau der Zellen und Organe zwischen den gewöhnlichen Solanum-Arten und ihren Riesenformen vorhanden sind. Durchweg sind nur die Zellen der letzteren größer und das kann Rück- wirkungen selbst für den ganzen Habitus haben. Hervorheben will Ref., daß selbst die Chloroplasten der var. gigas weit größer, als bei der Normalform sind, daß also die Chromosomenzahl nicht nur auf die Größe des Kerns und der Gesamtzelle, sondern auch auf die der Plastiden (und ihrer geformten Assimilationsprodukte) von Einfluß ist. Ferner ist des Verf. Beobachtung wichtig, daß mit der Erhöhung der Chromosomenzahl (wenigstens bei Sol. Lycopersieum) zahlreiche Blütenanomalien auftraten und in sehr weitgehendem Maße bei beiden Solanum-Arten Degenerationsphänomene bei der Bildung der Sexualzellen sich ergaben. Der Pollen ist außerordentlich „mischkörnig“ und der Grad der Taubheit der Körner konnte durch äußere Faktoren be- einflußt werden. Dabei ist aber sowohl die Bildung von 5 wie von © Ge- schlechtszellen prinzipiell möglich. Verf. hat mit solchen auch Befruchtung vorgenommen und bei Solanum nigrum bisher einen reifen Samen geerntet. Dieser ergab ausgesät eine Keimpflanze, die nach dem äußeren Habitus zu urteilen tetraploid war. Wie es theoretisch zu fordern war, so erwies sich in der Tat der Riesenwuchs und wohl ebenfalls die Tetraploidie als „erblich*. Der Verf. geht darauf zu einer ausführlichen Diskussion über, wie die gigas-Formen entstanden sind. Außer der Möglichkeit von somatischen Kern- fusionen hätten für ihren Ursprung ja noch „zufällige“ Veränderungen der Chromosomenzahl in gewissen Kernen des Wundgewebes, aus dem die Ad- ventivsprosse hervorgingen, in Betracht kommen können, ferner aber könnten normal heteroploide Nuklei in jeder Pflanze existieren und die mit solchen versehenen Zellen den gigas-Sprossen Ursprung gegeben haben. Der erste Einwand ließ sich leicht widerlegen, der zweite dagegen war schon ernsthafter zu bewerten, denn Verf. deckte die überraschende Tat- sache auf, daß in weit größerem Umfang, als man das bisher annahm, Ab- weichungen von der diploiden Chromosomenzahl möglich sind. Zwar wußte man längst, daß sie in den somatischen Zellen nie ganz streng eingehalten wird (ganz anders verhalten sich die Gametophyten-Zellen mit ihrer recht strengen Haploidie), aber vor allem fand man Anomalien in Zellen, die für 272 Referate. das Leben des Individuums nicht mehr viel Bedeutung hatten. Jetzt aber wies Verf. nach, daß außer gelegentlicher Hypo- oder Hyperdiploidie in manchen Geweben häufiger Polyploidie herrscht. Mark, Stärkescheide, Collenchym sind in dieser Hinsicht zu nennen, während meristematische Zellen im Einklange mit unserem bisherigen Wissen diese Verdoppelung resp. Ver- vielfachung der Chromosomensätze nicht zeigten. Wie diese tetra- und oktoploiden Kerne zustande kamen, ließ sich nicht direkt beweisen. Wahrscheinlich ist eine Kernfusion nach Ausbleiben einer Zellwandbildung, und es können sich auf diese Weise außerordentlich viel Chromosomen in einem Kern anhäufen. Bei Sol. Lycopersiewm wurden einmal gar 198 (also mehr als das Sechszehnfache des haploiden Satzes) ge- zählt, bei Sol. nigrum gigas ebenfalls 195. — Derartige Kerne resp. ihre Zellen können aber, wie Verf. mit Recht sagt, kaum Ausgangspunkt für die Ad- ventivbildungen sein, denn meistens regenerieren gerade die Gewebe am wenig- sten, in denen sie sich befinden, zweitens sind die heteroploiden selten ganz genau tetraploid, wie das für die gigas-Formen gefordert werden muß, drittens aber bilden sich diese ja nicht überall an Solanum nigrum und Lyco- persicum, sondern nur an den Exemplaren, mit denen Verf. die Pfropfung vor- genommen hatte. So ist in der Tat die wahrscheinlichste Annahme die, daß vege- tative Fusionen die Bildung der „Riesen“ auslösten. Die Schlußfolgerung muß freilich eine indirekte bleiben! Die „Mutation“ wäre aber dann hier kausal auf eine Verdoppelung des Chromosomensatzes zurückgeführt, eine neue „Art“ indes nicht entstanden, sondern nur eine „tetraploide Ausprägung ihrer Stammart“. „Theoretisch ist nach dieser Auffassung von jeder Art eine haploide, diploide, triploide, tetraploide usw. Ausprägung möglich, die man später vielleicht durch eine besondere Hinzufügung zum Artnamen kenn- zeichnen muß“. Alle tetraploiden Formen sind unter sich notwendig nur dann iden- tisch, wenn alle Chromosomen qualitativ gleich wären. Da dies mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit aber nicht der Fall ist und eine Tetraploidie nicht nur durch einfache Verdoppelung aller Chromosomen zustande kommen kann, so sind vielfache Ausprägungen von Tetraploidie möglich und jede einzelne könnte als eine „Mutation“ angesehen werden. Solche „Mutanten“ haben aber, wie wir hörten, infolge ihrer Polyploidie zahlreiche Störungen in ihrer Sexualsphäre: die Anhäufung von Chromosomen beeinflußt eben die Kern- und Zellgröße in einer Weise, daß diese damit eine optimale Entwick- lung des Individuums nicht mehr gestatten. So wird die äußerst interessante Arbeit des Verf. in vielfacher Be- ziehung überaus anregend für die weitere Forschung wirken. G. Tischler. Verlag von Gebrüder Borntraeger in Berlin W 35 Lehrbuch der ökologischen Pflanzengeo- . graphie von Professor Dr. Eug. Warming und Professor Dr. P. Graebner. Dritte gänzlich umgearbeitete und stark ver- mehrte Auflage. Mit zahlreichen Tafeln und Textabbildungen. 1.—4. Lieferung, enthaltend Bogen 1—40. Subskriptionspreis 40 Mk. Das 1595 in Dänemark erschienene Werk von Warming „Plantesumfund“ hat auf die Entwicklung der Pflanzengeographie einen bedeutenden Einfluß aus- geübt. Die beiden ersten Auflagen der deutschen Be- arbeitungen sind vergriffen, und es war um der Zeit, eine neue dritte Auflage in Angriff zu nehmen. Der greise, aber körperlich und geistig noch erstaunlich rüstige Verfasser hat sich diesmal selbst an der Heraus- gabe dieser dritten Auflage beteiligt, die insofern eine ganz neue Physiognomie erhält, als ihr ein außerordent- lich reiches und gut ausgewähltes Illustrationsmaterial beigegeben wird. So dürfte diesmal ein Werk zustande kommen, das weite Kreise interessieren und für lange Zeit grundlegend sein wird. Die Ausgabe des Werkes erfolgt in zwanglos erscheinenden Lieferungen, die zu einem Subskriptions- preis abgegeben werden. Nach Schluß des Werkes tritt eine Erhöhung dieses Preises ein. Ausführliche Verlagsverzeichnisse kostenfrei Zeitschrift für induktive Abstammungs- und a ve Inhaltsverzeichnis von Bd. XVII Heft 3 Abhandlungen Adametz, L., Über die Varia der Karakullocke bei nn von bocharischen Fettschwanzschafen mit Ram- et; bouillets Ernst, A. Bir heennnlüte Begins the Partheneraneats - . 205—25 + Kleinere Mitteilungen HE 2 P Ws Kaltenbach, R., Uber Eierstocktransplantation bei Rouen- ana : Pökingenten So ts: Sammelreferat x EM: Hertwi ig, P.; Be der Geschlechtszellen un der a h et Referate «aK , «Mtge Burgeff, H., 1914/15, Untersuchungen über Variabilität, Sexualitit == und Erblichkeit bei Phycomyces nitens Kuntze (Schiemann) . ioe Correns, ©., 1916, Über den Unterschied von tierischem und a un pflanzlichem Zwittertum (Schiemann) 6 Hertwig. O., 1916, Das Werden der Organismen. Eine Widerlegung EM von Darwin Zufallstheorie (Baur) i, ii ee ee so 262. Kammerer, P., 1915, Allgemeine Biologie (Bin) . 262 Schaxel, Je Die Leistungen der Zellen bei der Balvacklung der Alec (Brüel) BR: ; Winkler, H., 1916, Uber die See ea von "Pflanzen mit Ser eichenden Chromosomenzahlen (Tischler) . % Band I: Studien über die Mendelsche v rer Rassenmerkmale der a bei schrift fiir induktive ee BAND XVII HEFT 4 (Schlußheft von Band XVII) MAI 1917 ZEITSCHRIFT FUR INDUKTIVE ABSTAMMUNGS- UND VERERBUNGSLEHRE HERAUSGEGEBEN VON E. BAUR (eertiny, C. CORRENS (vAaHLem-BerLin), V. HAECKER (Hate), G. STEINMANN (sonny, R. v. WETTSTEIN (wien) REDIGIERT VON E. BAUR (ser-in) LEIPZIG VERLAG VON GEBRÜDER BORNTRAEGER ; 1917 Sty U Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre Die „Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre“ erscheint in A ver zwanglosen Heften, von denen vier bis fünf einen Band von etwa 20 Druckbogen bilden. Der Preis des im Erscheinen begriffenen Bandes beträgt 20 Mark. Manuskripte, zur Besprechung bestimmte Bücher und Separata sowie alle auf die Redaktion bezüglichen Anfragen und Mitteilungen sind an Prof. Dr. E. Banr, Potsdam, Jägerallee 16 zu senden; alle geschäftlichen Mitteilungen an die Verlagsbuchhandlung Gebrüder Borntraeger in Berlin W 35, Schöneberger Ufer 12a. . r Die Mitarbeiter erhalten fiir Originalabhandlungen und Kleinere Mitteilungen ein . Bogenhonorar von 32 Mk., fiir Referate 48 Mk., fiir Literaturlisten 64 Mk. Bei Original- 4 abhandlungen von mehr als drei Druckbogen Umfang wird nur für die ersten drei Bogen Honorar gezahlt. Dissertationen werden nicht honoriert. Der durch Textfiguren und größere Tabellen eingenommene Raum wird nur bis zu einem Umfang von je einer Seite pro Bogen honoriert. Außergewöhnlich hohe Korrekturkosten, die durch unleserliche Manuskripte oder größere nachträgliche Änderungen am Texte verursacht sind, werden vom Honorar in Abzug gebracht. Die Abhandlungen und Kleineren Mitteilungen können in deutscher, englischer, a französischer oder italienischer Sprache verfaßt sein. Referiert wird im wesentlichen in deutscher Sprache. Von den Abhandlungen werden den Autoren 50 Separata ohne besonderen Titel auf dem Umschlag gratis geliefert, von den „Kleineren Mitteilungen“ gelangen nur auf besondere, rechtzeitige Bestellung 50 Gratis-Separata zur Anfertigung. — Werden weitere Sonderabzüge gewünscht, so ist die Anzahl rechtzeitig, spätestens bei Rücksendung der ‘ag ersten Korrektur, zu bestellen. Die über 50 Exemplare hinaus gewünschte Anzahl der Separata wird mit 20 Pfg. für jeden Druckbogen berechnet. Ein besonderer Titel auf — dem Umschlag kostet 5 Mk. Etwa gewünschte Änderungen der Paginierung werden besonders in Ansatz gebracht. Bei mehr als 50 Separata gelangt stets ohne besonderen ER Auftrag ein Umschlag mit besonderem Titel zur Verwendung. a i, . Einseitig bedruckte Sonderabzüge der „Neuen Literatur“ können von den a: Abonnenten der Zeitschrift zum Preise von 5 Mk. pro Band im Buchhandel f bezogen werden. i “= 1919 Li Band XVII Heft 4 (Schlußheft von Bd. XVII). Mai 1917. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. Experimentum crucis theoriae mendelianae. Von Ludwig Armbruster, Dahlem, Hans Nachtsheim, Miinchen und Theodor Roemer, Bromberg. (Mit 4 Figuren.) (Eingegangen am 15. Juli 1916.) I. Zur experimentellen Verifikation des Kernpunktes der Mendelschen Lehre. ROEMER und NACHTSHEIM. Der Kernpunkt der Mendelschen Theorie ist die Annahme, daß ein Bastard, der Nachkomme zweier Eltern, die sich in n Grundelementen unterscheiden, 2" Arten Geschlechtszellen bildet. Ist z. B‘ die Zahl der Merkmale, in bezug auf welche die Eltern heterozygot sind, = 4, so bildet der Bastard, also die F,-Generation, 2 = 16 verschiedene Arten von Gameten. Das nachfolgende Schema (Fig. 1) möge die Gameten- bildung in der Fı-Generation bei Tetrahybridismus veranschaulichen. Die vier verschiedenen Merkmale der beiden Eltern sind mit A, B, c, d einerseits, a, b, C, D andererseits bezeichnet. wobei z. B. das Merkmal A des einen Elters dem Merkmal a des anderen entspricht. Der Bastard besitzt die Anlagen zu sämtlichen Merkmalen beider Eltern; erzeugt er aber seine Geschlechtszellen, so trennen sich bei der Reifung die Merkmalspaare, und es resultieren Gameten, die A oder a, B oder b usw., niemals aber A und a, B und b zugleich enthalten (Gesetz von der „Reinheit der Gameten“). Da die Verteilung der Merkmale, wie wir annehmen, vom Zufall abhängig ist, werden die einzelnen Typen Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 18 974 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. der 16 Arten Geschlechtszellen in gleichen Mengenverhältnissen ge- bildet, und da weiterhin auch der Zusammentritt dieser verschieden veranlagten Gameten zu Zygoten den Gesetzen des Zufalls unterworfen ist, so wird jede Kombinationsmöglichkeit verschieden veranlagter Gameten gleich häufig verwirklicht. Bei Tetrahybridismus sind (2)? = 16° — 256 verschiedene Kombinationen möglich. Es ist bekannt, daß die hier vorgetragene Vorstellungsweise für die Mehrzahl der Ba- stardierungsfolgen zutrifft, daß daneben aber auch abweichende Ver- hältnisse beobachtet worden sind bezw. aus speziellen Versuchsergeb- nissen erschlossen werden müssen. Es sind dies die Erscheinungen der Fak- torenkoppelung bezw. -abstoßung einerseits und die gesteigerte bezw. ver- minderte Lebensfähigkeit bestimmter Gametenkombinationen andererseits. Die Annahme der gesetzmäßigen Bildungsweise der Ge- schlechtszellen der Bastarde wurde zuerst von GREGOR MENDEL aus dem Ergebnis künstlicher Bastardierungen mit Pisum sativum ge- folgert. MENDEL selbst hat diese Schlußfolgerungen auf experimentellem Wege geprüft, indem er bei Erbsen gelbsamig, rund X grünsamig, runzlig und in einem zweiten Versuch violettblühend, lange Achse X weißblühend, kurze Achse bastardierte und diese Verbindung bis in die zweite Gene- ration verfolgte. Die Ergebnisse dieser und anderer gleichartiger, aber in der Veröffentlichung nicht mit Zahlen belegter Versuche brachten ihm die Bestätigung seiner Annahme, die er in den Worten zusammenfaßt: „Es ist daher auf experimentellem Wege die Annahme gerecht- fertigt, daß die Erbsenhybriden Keim- und Pollenzellen bilden, welche ihrer Beschaffenheit nach in gleicher Anzahl allen konstanten Formen entsprechen, welche aus der Kombinierung der durch Befruchtung vereinigten Merkmale hervorgehen.“ Eine derartige experimentelle Verifikation dieses Kernpunktes des Mendelismus ist seither von verschiedenen Autoren an Hand der ver- schiedensten Objekte erbracht worden. Alle eingehenderen Erbanalysen irgend einer Pflanzen- oder Tierart schließen sie in sich. Die Ver- suche laufen darauf hinaus, durch bewußte geschlechtliche Kombi- nationen und durch systematische Mannigfaltigkeit dieser die Richtigkeit der grundlegenden Annahme der Lehre MENDELS zu erweisen. Sie bilden aber nur einen Teil der Möglichkeiten, diese Vorstellungsweise zu prüfen und sie zur Gewißheit zu erheben. Experimenten anderer Art kommt für die Analyse der Gametenbeschaffenheit zum mindesten eleiche Bedeutung und Beweiskraft zu, nämlich Versuchen mit Individuen, die aus einzelnen Gameten, ohne Verschmelzung solcher zu Zygoten, Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 9275 erwachsen, Bastardierungsversuchen mit Individuen mit teil- weise parthenogenetischer Nachkommenschaft!). Die Entwicklung lebensfähiger und fortpflanzungsfähiger Individuen aus Geschlechtszellen ohne Vereinigung zweier Gameten zu Zygoten ist sowohl im Pflanzenreiche wie im Tierreiche verbreitet. Eine apomik- tische Entwicklung von Nachkommen kann auch vorliegen, trotzdem P,-Individuen P,-Gameten F,-Individuum F,-Gameten Fig. 1. Schema tetrahybrider Bastardierung {=} (in Anlehnung an WILSON). eine Bestäubung bezw. Begattung erfolgt ist. Diese ist nicht das Kriterium, vielmehr ist dies das Fehlen der Verschmelzung beider Ga- meten zur Zygote oder, noch genauer ausgedrückt, das Unterbleiben der Vereinigung des männlichen und des weiblichen Vorkernes zum Amphikaryon. Die begattete Bienenkönigin z. B. vermag neben be- samten Eiern solche abzusetzen, die nicht mit Samenfäden in Be- rührung gekommen sind, und aus denen sich dann parthenogenetisch 1) HARTMANN machte schon denselben Vorschlag 1912 mit Hinweis auf Bienen und Hummeln. 18* 276 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Drohnen entwickeln. Bei gewissen Pflanzen ist der Bestäubungsreiz erforderlich, um parthenogenetische Entwicklung der Eizellen anzuregen. Diese sogenannte Pseudogamie (FOCKE) bildet für konstante matromorphe Individuen verschiedener Aubus-Bastardierungen (LIDFORSS) bisher die einzige, allerdings noch nicht zytologisch gesicherte Erklärungsweise. Für gewisse Orchideen hat Hurst Pseudogamie nachgewiesen. Wahr- scheinlich gehört die von MILLARDET beschriebene Erscheinung „croise- ment sans hybridation“ bei Fragaria ebenfalls hierher. Es ist natürlich auch zu berücksichtigen, daß solche durch Bestäubungsreiz bewirkte Parthenogenesis neben normaler Amphimixis (vielsamige Früchte, deren Samen teils Amphimixis, teils Pseudogamie entstammen) vorkommen kann. Aus dem zoologischen Gebiete gehört hierher die wiederholt künstlich hervorgerufene „heterogene Befruchtung“, die Besamung eines Eies mit Sperma einer fremden Tierklasse (LOEB, GODLEWSKI, KUPELWIESER u. a.). KUPELWIESER z. B. besamte Eier einer Seeigelart mit Mollusken- sperma. In solchen und ähnlichen Fällen (PRZIBRAM) erfolgt aber keine Vereinigung der Kerne, sondern das Spermatozoon dient nur dazu, die Entwicklung des Eies zu erregen, also eine künstliche Parthenogenese einzuleiten. Auch aus männlichen Geschlechtszellen ist apomiktische Ent- wicklung von Nachkommen möglich. Allerdings ist diese nicht streng apomiktisch, da sie nach den bisherigen Versuchen nur einsetzt, wenn die männliche Geschlechtszelle mit einer zwar kernlos gemachten Eizelle verschmilzt. Diese als Merogonie bezeichnete Erscheinung hat sich sowohl bei Tieren (Experimente von O. und R. HERTWIG, BOVERI, DELAGE u. a.) wie auch bei Pflanzen (WINKLER, BERTHOLD und OLTMANS) verwirklichen lassen. Die apomiktische Entstehung von Nachkommen aus weiblichen Gameten, die wahre Parthenogenesis, ist im Tierreiche nicht selten, und hier wie im Pflanzenreiche mehrt sich die früher geringe Zahl der sichergestellten Fälle mit fortschreitender Erkenntnis. Parthenogenesis wurde übrigens für Tiere und Pflanzen ziemlich gleichzeitig erkannt, für Tiere durch C. TH. E. VON SIEBOLD 1856, für Pflanzen ebenfalls 1856 durch A. BRAUN. Das berühmt gewordene Objekt freilich, an dem man die pflanzliche Parthenogenese entdeckt zu haben glaubte, Caclebogyne ilicrfolia, eine neuholländische Euphorbiacee, pflanzt sich nicht, wie spätere Untersuchungen lehrten, parthenogenetisch fort; die Embryonen entstehen hier zwar ohne Befruchtung, gehen aber überhaupt nicht aus Eiern hervor, sondern sind adventive Sprossungen des Nucellargewebes. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 977 Wirkliche apomiktische Entwicklung weiblicher Gameten hat man im Pflanzenreich sowohl bei Kryptogamen wie auch bei Phanerogamen nach- weisen können; sie tritt in verschiedenen Familien auf, jedoch sind nicht alle Gattungen einer Familie, auch nicht alle Arten einer Gattung, hin und wieder auch nicht alle Glieder einer Art zu parthenogenetischer Fortpflanzung befähigt. Im Tierreiche findet sich parthenogenetische Fortpflanzung besonders häufig bei den Arthropoden (Entomostraken und Insekten). Auch bei den Würmern kommt Parthenogenese in ver- schiedenen Gruppen vor. Künstlich konnte sie sodann bei Mollusken, Echinodermen und bei einzelnen Fischen und Amphibien hervorgerufen werden. Eine in ihrem Wesen der Parthenogenesis gleichende Fort- pflanzung ist uns, wie schließlich noch erwähnt sei, von verschiedenen Protozoen bekannt. Die parthenogenetische Fortpflanzung kann als alleinige Fort- pflanzungsart auftreten entweder für alle Generationen oder auch nur für eine Anzahl von Generationen, um dann amphimiktischer Fort- pflanzung Raum zu lassen. Amphimixis und Parthenogenesis können aber auch in ein und derselben Generation nebeneinander hergehen; die Produkte beider können dann entweder deutlich verschieden sein, oder amphimiktisch und parthenogenetisch entstandene Individuen sind nicht sicher zu unterscheiden. Infolgedessen eignen sich nicht alle Ob- jekte mit parthenogenetischer Fortpflanzungsweise zur Prüfung der grundlegenden Annahme des Mendelismus. Es scheiden von vornherein jene Tiere und Pflanzen aus, 1. bei denen nur parthenogenetische Fortpflanzung auftritt, 2. bei denen ein wechselndes Verhalten verschiedener Generationen beobachtet worden ist, insofern dieser Wechsel nicht durch den Experimentator willkürlich geregelt werden kann, und 3. deren amphimiktisch und parthenogenetisch erzeugte Individuen gleicher Generation nicht unbedingt sicher zu unterscheiden sind. Der Begriff „Parthenogenesis“ bedarf noch einer genaueren Defi- nition. Er ist nicht eindeutig verwendet worden. Auf botanischem Ge- biete stehen sich zwei Auslegungen gegenüber, die nach ihren Haupt- vertretern als diejenige STRASBURGERS (1909) und diejenige WINKLERS (1908) bezeichnet werden können. Die Unterscheidung beider führt zu einem für die Verifikation der MENDELschen Hauptthese wichtigen Punkt. Die apomiktische Entwicklung des weiblichen Gameten setzt teils vor der Reduktionsteilung, d. h. unter Ausfall dieser, teils nach der Reduktionsteilung @in. Im ersteren Falle hat das parthenogenetisch 278 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. entstandene Individuum die diploide Chromosomenzahl, im zweiten Falle nur die haploide. STRASBURGER bezeichnet nur die apomiktische Entwicklung des weiblichen Gameten nach vollzogener Reduktions- teilung als Parthenogenesis, jene ohne Reduktionsteilung, also mit diploider Chromosomenzahl, als Apogamie. WINKLER dagegen versteht unter Parthenogenesis die apomiktische Entstehung eines Sporo- phyten aus einer Eizelle, einerlei ob diese die haploide oder diploide Chromosomenzahl führt. Diese Interpretation der „Parthenogenesis“ deckt sich mit der in der Zoologie allgemein gebräuchlichen Verwendung des Terminus; sie wird auch hier benutzt. Der sehr wichtigen Differenz zwischen diploid und haploid apomiktisch sich entwickelnden Eizellen wird bei Verwendung des Begriffes „Parthenogenesis“ im Sinne WINKLERS durch die Unterscheidung somatischer und generativer Partheno- genesis Rechnung getragen. Somatische Parthenogenesis beginnt ohne vorausgegangene Reduktionsteilung und liefert diploide Individuen, generative Parthenogenesis setzt nach der Reduktionsteilung ein und erzeugt haploide Individuen. Die Bezeichnungen „somatische“ und „generative“ Parthenogenese sollen auch im folgenden angewandt werden. Man wird vielleicht den Einwand erheben, die Bezeichnung „so- matische Parthenogenese“ sei deshalb nicht zweckmäßig, weil sie zu der Anschauung Anlaß geben könne, es handle sich nicht um eine Fort- pflanzung durch die Keimbahn. Der Einwand ist u. E. unbegründet. Schon die Bezeichnung der Erscheinung als „Parthenogenesis“ muß ge- nügen, um jeden Zweifel darüber, ob es sich um eine Fortpflanzung vermittels Geschlechtszellen handelt, auszuschließen. Fortpflanzung durch Zellen des Somas (Apogamie und vegetative Propagation WINKLERS) muß als ungeschlechtliche Vermehrung bezeichnet werden, die von der ein geschlechtlichen Fortpflanzung, der Parthenogenese, scharf zu trennen ist. Die Bezeichnungen „somatische“ und „generative“ Partheno- genese wurden im Hinblick auf die Chromosomenzahlen gewählt. Man könnte ja auch von „diploider“ und „haploider“ Parthenogenese sprechen. Da aber ein triftiger Grund gegen die Verwendung der erstgenannten Be- zeichnungen nicht vorliegt, erschien es uns schon aus Prioritätsgründen angebracht, die von WINKLER eingeführten Ausdrücke weiter zu benutzen. Bei experimenteller Verifikation der Hauptthese des Mendelismus ist scharfe Trennung der parthenogenetischen Fortpflanzungsweise in somatische und generative conditio sine qua non. Durch generative Parthenogenese entstandene Individuen weisen bei erneuter Gameten- bildung keine Reduktionsteilungsvorgänge auf. Auf die Ver- Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 979 erbungserscheinungen der Fs-Individuen muß es daher von erheblichem Einfluß sein, ob sie somatisch-parthenogenetisch oder generativ-parthe- nogenetisch (azygot) entstehen. Es ist nicht zu erwarten, daß Nach- kommen eines Fı-Bastardes, die teils durch somatische, teils durch generative Parthenogenese erzeugt sind, einander gleichen, weil den generativ-parthenogenetisch erzeugten Nachkommen infolge vorherge- gangener Reduktionsteilung erhebliche Teile fehlen, die den somatisch- parthenogenetisch erzeugten Geschwistern zukommen. Zur Prüfung der Hauptthese des Mendelismus können nur Objekte mit generativer Parthenogenese verwandt werden. Das Studium der Vererbungserschei- nungen an somatisch-parthenogenetisch entstandenen Nachkommen- schaften eines Fı-Bastardes bietet allerdings ebenfalls reichliches Inter- esse — siehe z. B. die Arbeiten von KUTTNER (1909), OSTENFELD (1910), KELLY (1913), AGAR (1914) u. a. —, namentlich im Vergleich mit Nach- kommen aus ungeschlechtlicher Vermehrung, sagt jedoch über die gesetz- mäßige Bildungsweise der Gameten von amphimiktisch sich fort- pflanzenden Individuen nichts aus. Auf botanischem Gebiete ist eine scharfe Trennung in somatisch- und generativ-parthenogenetische Fortpflanzungsweise durch die zu- sammenfassenden Arbeiten WINKLERS (1908) und STRASBURGERS (1910; bei diesem unter Gegenüberstellung von Apogamie und Parthenogenesis), durch welche mannigfache Spezialarbeiten angeregt worden sind, in wert- voller Weise gegeben. Leider haben sich bisher die meisten Pflanzen, bei denen Parthenogenesis sichergestellt ist, als somatisch-partheno- genetisch erwiesen. Unter den Archegoniaten und Phanerogamen ist bisher kein Fall generativer Parthenogenesis nachgewiesen worden; wo hier Parthenogenesis auftritt, ist sie somatisch. Die generative Parthenogenesis ist auf die Thallophyten beschränkt, und zwar tritt sie hier vorwiegend bei den Konjugaten auf, nämlich bei den Desmidiaceen und Zygnemaceen, und einmal in der Klasse der Characeen, nämlich bei Chara erinita‘). Auf zoologischem Gebiete ist dagegen die gene- !) Zusatz bei der Korrektur. Interessante Kreuzungsexperimente mit ha- ploiden, allerdings nicht parthenogenetisch sich fortpflanzenden Organismen veröffent- lichte kürzlich PASCHER (1916) in einer vorläufigen Mitteilung. PASCHER kreuzte zwei Chlamydomonas-Arten, die sich in mehreren Merkmalen unterscheiden. Die aus der Ver- schmelzung zweier Gameten entstehende Zygote ist das einzige diploide Stadium (20 Chromosomen), entspricht also bei der Kreuzung der F,-Generation. Aus der Zygote gehen vier haploide Zoosporen (mit je 10 Chromosomen) hervor, die somit den F,- Gameten zu vergleichen sind. Sie liefern ohne neue Verschmelzung, wie generativ- parthenogenetisch sich entwickelnde Gameten, die jungen Chlamydomonas, d.h. die F,- 280 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. rative Parthenogenesis verbreiteter. Für viele Fälle, in denen Partheno- genesis sichergestellt ist, steht allerdings die zytologische Untersuchung noch aus. Die folgende Tabelle (S. 282—285) gibt eine Übersicht über die- jenigen Formen mit parthenogenetischer Fortpflanzung, für welche die Frage nach dem Chromosomenbestand der parthenogenetisch erzeugten In- dividuen zurzeit als gelöst betrachtet werden kann. Die Zusammen- stellung führt zu dem interessanten Resultat, daß, soweit bisher unsere Kenntnisse reichen, die weiblichen Individuen immer somatisch-partheno- genetisch entstehen, während bei Rotatorien (mit Ausnahme der Seisoniden wahrscheinlich; s. LANGE 1913) und Hymenopteren die Männchen auf generativ-parthenogenetischem Wege erzeugt werden. Die Wahl eines geeigneten Versuchsobjektes ist durch die obige Zusammenstellung erleichtert, allerdings nur in bezug auf die grund- legenden Bedingungen. Die Lebensweise der einzelnen Arten fällt für diese Wahl noch wesentlich ins Gewicht; es sind durchaus nicht alle Arten mit amphimiktischer und zugleich generativ-parthenogene- tischer Fortpflanzungsweise geeignet, da noch eine Reihe anderer For- derungen erfüllt werden muß. Es müssen von der zu wählenden Art deutlich verschiedene Varietäten vorhanden sein, deren Bastardierung fruchtbare Individuen liefert, und das Elternmaterial aus den beiden Varietäten muß die zu benutzenden Eigenschaften konstant vererben. Weiterhin ist genaue Kenntnis der Lebensweise in allen Einzelheiten und zwar nicht nur jener unter normalen, sondern auch jener unter ab- weichenden Verhältnissen erforderlich. Am geeignetsten zu dem Experimentum crucis des Mendelismus sind Insekten mit teilweise parthenogenetischer Fortpflanzung. Die Aphiden allerdings kommen nicht in Betracht, da generative Partheno- genese bei ihnen nicht vorkommt. Bei einigen normalerweise amphi- miktisch sich fortpflanzenden Schmetterlingen soll auch parthenogenetische Generation. Die Bastardzygoten zeigen Merkmale beider Chlamydomonas-Arten. Die von diesen abstammenden Zoosporen und jungen Chlamydomonas lassen sich in zwei Gruppen teilen. In der einen Gruppe sind wieder beide Chlamydomonas-Arten rein vorhanden, zu 50 und 50°/,; hier war offenbar eine Durchmischung der elterlichen Chromosomen in der Bastardzygote nicht erfolgt und so eine reinliche Scheidung der väterlichen und mütterlichen Chromosomen bei der Reduktion möglich. Die zweite Gruppe bestand aus Mischformen, d. h. aus Neukombinationen der elterlichen Eigen- schaften, und zwar konstatierte PASCHER vier verschiedene Typen, was darauf hinweist, daß die beiden ersten Teilungen, durch welche die vier Zoosporen entstehen, Reduktions- teilungen sind. Rückschlüsse auf das Verhalten einzelner Allelomorphen bei der Re- duktion lassen indessen die bisherigen vorläufigen Mitteilungen PaSCHERS noch nicht zu. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 981 Fortpflanzung möglich sein, so z. B. bei Bombyx mori und bei Lyman- tria dispar. HARTMANN (1912) schlägt daher vor, eine von diesen Formen zu den Experimenten zu benutzen und gibt an, daß er mit Bombyx mori bereits Verstche begonnen hat: Aber abgesehen davon, daß bisher nicht feststeht, ob die parthenogenetischen Individuen haploid oder diploid sind — die Angabe, daß die unbefruchteten Eier zwei Richtungskörper abschnüren, darf uns zur Entscheidung dieser Frage keinesfalls genügen —, ist bisher auch nicht einmal sicher, wieweit über- haupt Bombyx mori und Lymantria dispar zur Parthenogenese befähigt . sind. Die Literatur ist zwar außerordentlich reich an derartigen An- gaben — man sehe nur die Literaturverzeichnisse bei TASCHENBERG (1892) und PHILLIPS (1903) nach —, aber die meisten sind sehr un- zuverlässig, und sicher beruht eine große Zahl auf Irrtümern. Die bis- herigen wirklich exakten Untersuchüngen über fakultative Partheno- genese bei den genannten Schmetterlingen sind fast ganz negativ aus- gefallen. NUSSBAUM (1899), der mit Bombyx mori, Porthesia chryso- rhoea und Lymantria dispar experimentierte, konnte nur bei Bombyx mort parthenogenetische Entwicklung feststellen, aber auch die un- befruchteten Eier dieser Art entwickelten sich nur zu 2°/o, und selbst diese gingen nach kurzer Zeit zugrunde'); aus keinem Ei schlüpfte eine Raupe aus. SEILER (1914) kam zu ähnlichen Resultaten: „In den 110 unbefruchteten dispar-Gelegen, die ich besaß“, sagt er, „fand keine parthenogenetische Entwicklung statt. Nun galt gerade dispar als Form, die unbefruchtet sich entwickeln kann! Ich zweifle deshalb an dieser und analogen Angaben.“ Große Skepsis ist jedenfalls am Platze. Immer- hin wäre es möglich, daß gewisse Rassen von Lymantria oder Bombyx besondere Neigung zu parthenogenetischer Fortpflanzung zeigen. Viel- leicht sind auch bestimmte äußere Bedingungen dazu notwendig. Doch, wie dem auch sei, vorerst sind die Schmetterlinge für unsere Zwecke nicht zu brauchen. Als Hauptgruppe bleiben die Hymenopteren, von denen sich Vespiden und Apiden am geeignetsten, weniger geeignet jedoch die Formiciden erweisen. Uber Vererbung bei Ameisen kat kiirzlich WASMANN (1915) zwei Arbeiten veröffentlicht. Aus Beobachtungen an anormal gemischten Kolonien aus Rassen der rufa-Gruppe zieht er den Schluß, daß zwischen einzelnen Rassen Bastardierungen in der Natur vorkommen. Und weiter glaubt er dann feststellen zu können, daß bei diesen Rassen- 1) Nach Bildung des Blastoderms bei Bombyx It. frdi. mdl. Mitt. HARTMANNs. bo je 8) bo Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Zusammenstellung der Arten, deren parthenogenetische Ordnung, Familie Art Entwicklung Rotatoria: Hydatinidae Hydatina senta © teils amphim., teils parth., dd parth. Asplanchnidae Asplanchna © © teils amphim., teils parth., priodonta Som parth. Nematodes: Anguillulidae Rhabditis aberrans © © proterandrische Hermaphroditen, o's sehr selten, Fortpfl. fast aus- schließlich parth. Phyllopoda: Branchipodidae Artemia salina in manchen Gegenden rein parth. Fortpfl. (nur @ 9) Daphnidae Daphnia pulex, © © teils amphim., teils parth., Polyphemus pedi- Oo parth. culus, Simocephalus velulus Ostracoda: Cypridae Cypris reptans, rein parth. Fortpfl. (nur 9 9) C. incongruens, C. fuscala Orthoptera: Phasmidae Bacillus rossit wahrsch. rein parth. Fortpfl., bisher nur wenige 59 bekannt Hymenoptera: Tenthredinidae Nematus ribesü, QQ teils amphim., teils parth., Poecilosoma So parth. luteolum Cynipidae Rhodites rosae rein parth. Fortpfl., nur 9 9 Neuroterus © © teils amphim., teils parth., lenticularis dd parth. Formicidae Camponotus QQ u. 8% amphim., oo parth. herculeanus Formica sanguinea QQ u. 3% amphim., oo parth. 1) Die älteren Arbeiten sind nicht zitiert. Diese sind in den Literaturverzeich- 2) Nach BRAUER (94) finden bei Artemia salina mitunter zwei Reifungsteilungen 3) Die Untersuchungen v. BAEHRs (07) über die Eireifung von Bacillus rossü Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 283 Fortpflanzung bisher zytologisch untersucht worden ist. Reifungsteilungen der Chromosomen- parthenogenet. Eier verhältnisse der Autoren?) QQ (u. BY) | oo QQ (u. 85) JS 1 Rfgst., | 2 Rfgst., dipl. hapl. WHITNEY 09, DONCASTER 14. keine Red. | Red. (20—30 Chr.)\(10—15 Chr.) 1 Rfgst., | 2 Rfgst., dipl. hapl. ERLANGER und LAUTERBORN 97, keine Red. | Red. MRAZEK 97. 1 Rfgst., | = dipl. —_ KRÜGER 13. keine Red. | (18 Chr.) 1 Rigst, |. — dipl. | = BRAUER 94°), PETRUNKEWITSCH 02, keine Red. | (84 Chr.) | FRIES 10. 1 Rfgst., | ? dipl. | dipl. KÜHN 08, CHAMBERS 13, TAYLOR 15. keine Red. | (wahrsch. |(8—10 Chr.) | (8—10 Chr.) | 1 Rfgst.) | 1 Rfgst., | _ dipl. | E WOLTERECK 98, SCHLEIP 09. keine Red. | 2 Rfgst., | -— wahrsch. E v. BAEHR 079), Red. ? dipl. 2 Rfgst.(?), 2 Rfgst., dipl. | hapl. DONCASTER 06, 07, 09. keine Red. | Red. 2 Rfgst., _ dipl. | _ SCHLEIP 09. keine Red. (12 Chr.) keine Rigst., 1 Rfgst., dipl. | hapl. DONCASTER 10, 11, 14. keine Red. | Red. (20 Chr.) | (10 Chr.) — | (wahrsch. 2 (dip.) | hapl. Lams 08. ‚Rfgst., Red.) —_ | 2 Rfgst., (dipl.) | hapl. SCHLEIP 08. | Red. (48 Chr.) (24 Chr.) nissen der neueren Arbeiten zu finden. statt. Der zweite Richtungskörper verschmilzt dann jedoch wieder mit dem Eikern. bedürfen der Nachprüfung, wie v. BAEHR in einer neueren Arbeit (12) selbst zugesteht. 284 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. (Fortsetzung der Ordnung, Familie Art Entwicklung Hymenoptera: Vespidae Vespa maculata, O° u. 3% amphim., i parth. V. erabro Apidae Apis mellifica OQ u. 3% amphim., oo parth. Osmia cornuta © © amphim., Jg parth. Xylocopa violacea OO amphim., Jg‘ parth. Rhynchota: 2 Aphidae Aphis aceris, © ° teils amphim., teils parth., A. rosae, A. oenothe- So parth. rae, A. saliceli Phylloxera fallax, © © teils amphim,, teils parth., Ph. caryaecaulis gg. parth. Diptera: Cecidomyidae Miaslor metraloas pädogenetisch sich fortpflanzende Larven Lepidoptera: Bombycidae Liparis dispar gelegentlich parth. Entwicklung, an- geblich Q© und Jg liefernd Bombyx mori angeblich bisweilen parth. Entwicklung 1) ARMBRUSTER (13) hält die Osmia--j'°f' fiir diploid, NACHTSHEIM (13) legt Beweise fiir deren haploiden Charakter aus. 2) Bei den pädogenetisch sich fortpflanzenden Miastor-Larven liegen besondere die Entwieklung beginnt also mit der diploiden Chromosomenzahl (20—24). Im acht- nution“. Die diminuierten Kerne besitzen nur die haploide Chromosomenzahl (10—11) 3) Die Angaben PLATNERS (88) über die parthenogenetische Entwicklung un- parthenogenetischen Eier zu normaler Entwicklung befähigt sind. Das Gleiche gilt für Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 285 Tabelle S. 282—283.) Reifungsteilungen der Chromosomen- parthenogenet. Eier verhältnisse der ‘Autoren u) cht ] 992%) | ve a : Al nn = | —_ | (wahrsch. 2 dipl. | hapl. MARK a. COPELAND 07, MEVES und |Rfgst., Red.) | DUESBERG 08. — | 2 Rfgst., (dipl.) | hapl. PETRUNKEWITSCH 01, 03, Red. (32 Chr.) (16 Chr.) | Meves 04, 07, MARK a. COPELAND 06, | DoNCASTER 06, 07, NACHTSHEIM 13. _ (wahrsch. 2 _ | hapl. ARMBRUSTER 131). ‚Rfgst., Red.) | (16 Chr.) —_ | (wahrsch. 2 _ | hapl. GRANATA 09, 13. [fast Red.) | (16 Chr.) 1 Rfgst., 1 Rfgst., dipl. | dipl. STSCHELKANOVCEW 04, STEVENS 05, keine Red. | keine Red. Hewitr 06, v. BAEHR 09. 1 Rfgst., | 1 Rfgst., dipl. dipl. MorGAN 06, 09, 12, 15. keine Red. | keine Red. 1 Rigs, | — (hap) | — KAHLE 083). keine Red. | (10—11 Chr.) 2 Rfgst., | 2 Rfgst., ? | ? PLATNER 888). Red. (?) | Red.(?) 2 Rigst, | 2 Rfgst., ? | ? HENKING 928), Red. | (?) Red.(?) aber die Beobachtungen von ARMBRUSTER in Übereinstimmung mit GRANATA (13) als Verhältnisse vor. Die einzige Reifungsteilung ist nach KAHLE (08) eine Äquationsteilung, zelligen Stadium erfolgt aber in den sieben das Soma liefernden Kernen eine „Dimi- und behalten diese auch bei. befruchteter Eier von Liparis dispar sind sehr zweifelhaft. Es ist fraglich, ob die die Angaben betreffend parthenogenetische Entwicklung bei Bombyx mori. 286 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. 2 kreuzungen die Vererbung nach den MENDELschen Gesetzen erfolgt. Zunächst einmal geht es indessen gar nicht an, aus bloßen Beobachtungen an Ameisennestern Rückschlüsse auf die Art der Vererbung ziehen zu wollen. Das ist keine moderne Erblichkeitsforschung! Sodann aber: WASMANN vergißt ganz zu berücksichtigen, daß das männliche Ge- schlecht bei den Ameisen parthenogenetisch entsteht, er überträgt ein- fach das bekannte MENDEL-Schema auf die Ameisen! Seine Ergebnisse sind also vollkommen unhaltbar und wertlos'). Für experimentelle Ver- erbungsstudien sind die Ameisen infolge ihrer besonderen Fortpflanzungs- verhältnisse leider nur sehr schwer verwendbar. Außerdem wäre zu- nächst noch durch Vorversuche festzustellen, ob aus unbefruchteten Eiern wirklich keine 22 und &% entstehen. Wiederholt ist nämlich behauptet worden, daß Ameisenarbeiterinnen auch Weibchen erzeugen können (TANNER 1892, REICHENBACH 1902, WHEELER 1903, der aber keine eigenen Beobachtungen mitteilt, CRAWLEY 1911). R. HERTWIG (1912) ist geneigt, diesen Angaben Glauben zu schenken; er sagt: „Bei Ameisen können sich unbefruchtete Eier noch gelegentlich zu Arbeiterinnen, also Weibchen, entwickeln.“ Auch VON BUTTEL-REEPEN (1915) rechnet damit — wenigstens für Zasius niger — als einer Tatsache. Gegen parthenogenetische Erzeugung von Ameisenweibchen äußern sich: FOREL (1874), LUBBOCK (1883), WASMANN (1891), FIELDE (1901, 1905), CASTLE (1904), JANET (1909). NACHTSHEIM (1913) läßt die Frage offen, weist aber auf die Möglichkeit hin, daß Ameisenarbeiterinnen bisweilen be- gattet werden, was die gelegentliche Erzeugung von Weibchen durch Arbeiterinnen einer einfacheren Erklärung zugänglich machen würde. Nach CRAWLEY (1911) besitzen indessen die Arbeiterinnen von Lasius kein Receptaculum seminis (s. auch ADAM 1912). Jedenfalls ist weitere experimentelle Prüfung der Frage notwendig. 1) In einem „Nachtrag“ hat WASMANN (1915), von unserer Seite darauf aufmerk- sam gemacht, seinen Fehler zugegeben. Er akzeptiert das von mir für den von ihm beschriebenen Fall entworfene Vererbungsschema und erklärt: „In bezug auf die Prozent- verhältnisse der Färbung der Arbeiterinnen in der Kolonie stimmt das NACHTSHEIM- sche Schema gut zu dem Befunde, daß auf 4%% von pratensis-Färbung nur 1 von truncicola kam, indem sämtliche $% der F,-Generation nur die pratensis-Färbung zeigen konnten, während in der F,-Generation die pratensis- und die truneicola- Färbung zu gleichen Teilen vertreten sein mußten.“ Das ist indessen wieder ein Irrtum, denn nach dem Schema haben alle Weibchen der F,-Generation pratensis-Färbung. Sie sind zwar hinsichtlich der Färbung zur Hälfte homozygot, zur andern Hälfte heterozygot veranlagt, aber diese genotypische Verschiedenheit läßt sich zwar in dem Schema wiedergeben, phänotypisch tritt sie jedoch in der Regel nicht in die Erscheinung! NACHTSHEIM. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 287 Für Vespiden und Apiden kann als sicher gelten, daß aus un- befruchteten Eiern keine Weibchen hervorgehen, fiir Apis mellifica auch, daß Arbeiterinnen nur unbefruchtete Eier ablegen. Die Möglichkeit der Entstehung von Männchen aus befruchteten Eiern bei Apis mellifica ist zwar zuzugeben, aber auf Grund unserer heutigen Kenntnisse sind wir berechtigt zu sagen, daß eine solche Entstehung sicherlich so selten ist, daß sie bei Ausführung der geplanten Vererbungsexperimente als Fehler- quelle kaum in Betracht gezogen zu werden braucht (s. NACHTSHEIM 1915). Bei der Entscheidung zwischen Vespiden und Apiden spricht namentlich mit, daß die Lebensweise einzelner Arten der Apiden ein- gehend bekannt ist, nicht nur in ihrem normalen Verlaufe, sondern auch in den abweichenden Formen. Dies gilt für verschiedene Bombusarten und Apisarten, von denen ganz besonders Apis mellifica L., die Honig- biene, in Betracht kommt. II. Analyse der Gametenbeschaffenheit durch Bastardierungsversuche mit Apis mellifica L. ROEMER und NACHTSHEIM. Apis mellifica L., als Honigbiene schon seit langer Zeit beob- achtet und genutzt, bietet für die experimentelle Verifikation des Kernpunktes der MENDELschen Lehre in der Tat eines der gün- stigsten Objekte. Die Technik der Bienenhaltung in ihrer mehr und mehr vervollkommneten Art (Mobilbau) läßt von Anfang an manche Schwierigkeiten leichter überwinden, an der sonst exaktes Experimen- tieren scheitern würde. Weiterhin hat. die Nutzung der Honigbiene Kenntnisse der biologischen Einzelheiten dieses Insektenstaates gezeitigt wie bei keiner anderen Art der Hymenopteren. Freilich hat — das kann nicht verschwiegen werden — die Verbreitung der Bienenhaltung auch zur Beurteilung des Lebens und Wesens der Honigbiene durch Imker ohne jede Schulung geführt, die gelegentlich die unglaublichsten und unsinnigsten Erklärungen, Hypothesen, ja Theorien (!) mit dem Brustton innigster Überzeugung und persönlicher Unfehlbarkeit aufstellten. Schon VON SIEBOLD (1856) spricht von den „unrichtigsten, abenteuerlichsten und abgeschmacktesten Behauptungen der Dilettanten*. Allerdings wurde die wissenschaftliche Bearbeitung der Bienenbiologie durch falsche Behauptungen von Imkern insofern gefördert, als die wissenschaftliche Widerlegung herausgefordert und auch erbracht wurde. Manche ge- 288 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. sicherte Feststellung wäre ohne diese wohl später erfolet, aber im ganzen ist doch die wissenschaftliche Erkenntnis der Bienenbiologie durch die imkerliche Praxis mehr gehemmt und verlangsamt als gefördert worden. Es sei in dieser Beziehung nur auf den Streit über die parthenogenetische Entstehung der Drohnen hingewiesen. Diese ist schon durch DZIERZON, VON SIEBOLD, LEUCKART und VON BERLEPSCH Mitte des vorigen Jahr- hunderts erkannt und bewiesen worden, bildet aber nach wie vor Gegen- stand unfruchtbarer Polemiken in zahlreichen apistischen Zeitschriften. Ja, wir müssen als besonders betrübende Tatsache konstatieren, daß selbst Zeitschriften, die sich wissenschaftlich nennen, auch heute noch sich bereit finden, den wildesten Phantastereien gewisser Imker ihre Spalten zu öffnen. Die in wirtschaftlicher Hinsicht sehr erfreuliche Popularität der Bienenhaltung hat eine Verflachung der apistischen Literatur und einen Wust der widersprechendsten Angaben gezeitigt; es finden sich hier nur wenige Körner zwischen sehr viel Spreu. Man tut in dieser Be- ziehung am besten mit ausschließlicher Benutzung der rein wissenschaft- lichen Werke und Zeitschriften. Gerade in neuester Zeit ist außerdem ein Werk VON BUTTEL-REEPENS über „Das Leben und Wesen der Bienen“ erschienen (1915), das für jeden, der mit Bienen experimentieren will, unentbehrlich ist und vor vielen Irrtümern und Fehltritten zu bewahren vermag und die gesamte ernst zu nehmende Literatur berücksichtigt. Auf Grund der im Bienenstaate herrschenden biologischen Verhält- nisse sei nun dargestellt, wie die experimentelle Verifikation des men- delistischen Fundamentalsatzes verlaufen müßte. Eine junge Königin der Varietät A, von einer Drohne der Varietät B begattet, wird, in den Stock zurückgekehrt, befruchtete Eier ablegen, aus denen Weibchen (Königinnen und Arbeiterinnen) mit Bastardcharakter, also Fı-Individuen, sich entwickeln, und unbefruchtete Eier, aus denen ausschließlich Drohnen mit Drohnenmerkmalen der miitterlichen Varietät entstehen, also Pı-gleiche Drohnen, die infolge generativ-parthenogenetischer Entstehung nicht nur rein mütterliche Merkmale tragen, sondern auch rein mütterliche Erb- masse führen. In dem der Befruchtung der P,-Königin folgenden Jahre wird also das erzeugte Volk sich zusammensetzen aus echten Fı-Weib- chen (ausschließlich Arbeiterinnen; Königinnen fliegen in wenigen Tagen aus zur Neubildung eines Volkes oder werden beseitigt) und mutter- gleichen Männchen. Vollständige Isolierung des Fı-Volkes muß bei dem Hochzeitsausflug der jungen F,-Könieinnen geschlechtliche Vereinigung von Geschwistern erbringen, die aber in Wirklichkeit eine Rückkreuzung Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 289 des Bastardes mit der Muttervarietät ist. An der Hand beifolgender Schemata (Fig. 2 und 3) wollen wir uns die Vererbung bestimmter Eigen- schaften in den ersten Bastardgenerationen bei Weibchen und Männchen veranschaulichen. Die beiden Varietäten A und a mögen sich zunächst in einem Merkmale unterscheiden (Fig. 2), das durch einen Faktor ver- P,-Individuen P,-Gameten F,-Individuen F,-Gameten F,-Individuen 2 F,-Gameten Fig. 2. Schema monohybrider Bastardierung beim „Hymenopterentypus“. erbt wird, welchen wir, da nur Varietät A ihn besitzt, mit A bezeich- nen wollen. Der Varietät a fehlt das Merkmal, mithin auch der Faktor A; sein Fehlen deuten wir mit a an. Bei Kreuzung der beiden Rassen haben wir also einen Fall von Monohybridismus. A sei dominant über a. Alle Weibchen der Fı-Generation sind dann äußerlich der Mutter gleich, aber auch nur äußerlich (Aa), während die aus unbefruchteten Eiern Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 19 290 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. entstandenen Männchen nicht nur äußerlich der mütterlichen Rasse an- gehören, sondern überhaupt nur mütterliche Erbmasse führen (A). Besteht nun das Gesetz von der „Reinheit der Gameten“ zu Recht, so bilden die Weibchen der Fı-Generation zweierlei Gameten, zur Hälfte mit dem Faktor A, zur anderen Hälfte mit a. Entwickeln sich die Eier der ersten Art parthenogenetisch, so entstehen Drohnen der Varietät A (A), parthenogenetisch sich entwickelnde Eier der zweiten Art liefern Drohnen der anderen Varietät, a (a). Die Weibchen der F2-Generation besitzen alle das Aussehen der Varietät A, sind aber hinsichtlich ihrer geno- typischen Konstitution ebenfalls zu 50 und 50°/o verschieden (AA und Aa). Die Zusammensetzung des Bienenvolkes zweiter Generation nach mono- hybrider Bastardierung ist daher: Fı-Königin + Arbeiterinnen: 50°/o = den Arbeiterinnen der miitterlichen Aus- gangsrasse, 50°/o = den Arbeiterinnen der ersten Generation, + Drohnen: 50° = den Drohnen der miitterlichen Ausgangs- rasse, 50°/o = den Drohnen der väterlichen Ausgangsrasse. Solches Volk ist also eine Population von rein väterlich und rein mütterlich veranlagten Männchen, rein mütterlich veranlagten und Bastardweibchen. Wird das Fs-Volk isoliert gehalten und weiter ge- züchtet, so erfolgt Rückkreuzung der Bastardweibchen mit Mutter- (A) oder Vaterrasse (a), außerdem neue Kreuzung der beiden Elternrassen und drittens Vereinigung von Weibchen und Männchen, die beide der Mutterrasse angehören. Es entstehen in der F3-Generation viererlei verschiedene Völker, die sich folgendermaßen zusammensetzen: 29 und 3% oflos Th, = INNES 5. 5 ss & ee 100°/o AA 100°/o A, 2. = 1. Generation nach Bastardierung 100°/o Aa 100°/o A, 3. = 2. Generation bei Reinzucht der We (CCN 5 5 o @ S Go one 50°/o AA 50°/o A Eu 50°/o Aa + 50°/o a, 4. = 2. Generation bei Rückbastardierung der Ey mit) Vaterrasser 2 rer 50°/o Aa 50°/0 A + 50°/o aa + 50°/o a, Als Produkt generativer Parthenogenese sind die Drohnen personi- fizierte Gameten; jede Bienenkönigin präsentiert uns in den von ihr er- Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 99] zeugten Drohnen ihre Erbeinheiten. Die Männchen der P,-Generation beweisen die Reinheit bezw. Unreinheit der erblichen Anlagen der Ps-9 © die Drohnen der 1. Generation nach Bastardierung solche der Pı-° die Drohnen der 2. Generation einer Bienenbastardierung veran- schaulichen dagegen die wirkliche Beschaffenheit der Keimzellen der Fı-22. Bei monohybrider Bastardierung erweist Spaltung der SJ-Reihe in der 2. Generation im Verhältnis 1:1 die Richtiekeit des Funda- mentalsatzes der Lehre MENDELs. Bei normalem Verlauf des biologischen Zyklus muß bei Apis mellifica die Spaltungsgeneration (Fz. nach Ba- stardierung) sowohl in den oo-Reihen als in den ® 2-Reihen im Ver- hältnis 1:1 spalten; aber in der “o-Reihe als Folge generativer Parthenogenese, in der °2-Reihe als Folge der Rückkreuzung des Fı-Bastardes mit der mütterlichen Form, Reinzucht vorausgesetzt. Es ist von ganz besonderem Interesse, daß DZIERZON 1854 — vor GREGOR MENDEL — wußte, daß die Drohnen der 2. Generation nach Bastardierung zur Hälfte mütterlicher Rasse, zur Hälfte väter- licher Rasse sind, und zwar der Zahl nach. Die Angabe findet sich in dem „Bienenfreund aus Schlesien“ Seite 64 und lautet: „Man muß die volle Gewißheit haben, daß die Königin von Geburt der echten Rasse angehört. Ist sie selbst schon aus Bastardbrut entstanden, kann sie auch unmöglich reine Drohnen erzeugen, sondern sie erzeugt halb italienische, halb deutsche Drohnen, aber merkwürdig nicht der Art, sondern der Zahl nach, als falle es der Natur schwer, beide Arten zu einer Mittelrasse zu verschmelzen. 5, Zum großen Erstaunen erschienen in diesem Sommer (in einem Stocke R. u. N.) auch die Drohnen zur Hälfte schwarz. Als der Stock abgetrieben wurde, kam eine Königin hervor, die durch ihre dunkle Farbe bewies, daß sie keine echte Italienerin von Geburt, sondern aus Bastardbrut nachgezogen worden war.“ Es sei zum besseren Verständ- nis hinzugefügt, daß unter „Bastardbrut* die Eier der Pı-Königin der Bastardierung zu verstehen sind, nicht die Eier, die von Bastarden (Fı-Königinnen) gelegt wurden. In der Literatur jener Jahre ist das Pı-? als „Bastardmutter“ oder merkwürdigerweise auch als „Bastardin*“ (besonders durch VON BERLEPSCH) bezeichnet; sie erzeugt die, Bastard- brut“, aus welcher die Fı-Individuen sich entwickeln. Wenn DZIERZON sich die Mühe genommen hätte auszuzählen, wieviele Drohnen der mütterlichen und wieviele der väterlichen Rasse entsprechen, und diese Zahlen in so vollständiger Weise wie MENDEL mitgeteilt hätte statt der zitierten allgemeinen Angabe, so hätte er die 19* ’ 299 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Analyse der Gametenbeschaffenheit von F,-Bastarden geliefert. Es sei bei dieser Gelegenheit daran erinnert, dafi MENDEL selbst eben- falls Vererbungsstudien an Bienen trieb, deren Ergebnisse leider un- bekannt geblieben sind. Bei dihybrider Bastardierung (Fig. 3) ergibt Inzucht der Fı-Köni- ginnen viererlei Typen Weibchen und ebenfalls viererlei Typen Drohnen. Die beiden unabhängige voneinander mendelnden Merkmale seien A und B, von denen das eine die mütterliche, das andere die väterliche Aus- gangsrasse charakterisiert; das Fehlen der Merkmale wird wieder mit den Symbolen a und b bezeichnet. 25°/o Männchen der Fs-Generation sind gleich den Drohnen der väterlichen (aB) und 25°/o gleich den Drohnen der miitterlichen (Ab) Ausgangsrasse; die restlichen 50°/o stellen neue Rassen dar, 25°/o eine Rasse, die die Merkmale der beiden Ausgangsrassen in sich vereint (AB), die letzten 25°/o eine zweite neue Rasse, der beide Merkmale fehlen (ab). Von der 29-Reihe sind 25°/o = den Arbeiterinnen der mütterlichen Ausgangsrasse (AAbb, also doppelt homozygot), 25°/o = den Arbeiterinnen des Fı-Volkes (AaBb, also doppelt heterozygot), 25°/o in dem einen Faktor homozygot, im zweiten heterozygot (AABb), die restlichen 25°/o in dem ersten Faktor heterozygot, im zweiten homozygot (Aabb). In der dritten Generation ergibt dihybride Bastardierung folgende Biotypen: a) Falls Hetero- und Homozygoten isophän sind: 2 verschiedene Völker mit je einerlei Art 22 und 3% und je einer- lei Art Id‘, 4 verschiedene Völker mit je zweierlei Art 22 und 3% und je zweierlei Art fd, 4 verschiedene Völker mit je viererlei Art 22 und 3% und je vierer- lei Art dd. b) Falls Heterozygoten schon äußerlich intermediäre Bildung zeigen: 4 verschiedene Völker mit je einerlei Art 22 und $% und je einer- lei Art SG, 8 verschiedene Völker mit je zweierlei Art 22 und $% und je zweierlei Art oc, 4 verschiedene Völker mit je viererlei Art 2° und 33 und je vierer- lei Art oo’. In der Regel diirfte bei Bastardierung zweier der heute existieren- den Bienenrassen Polyhybridismus vorliegen und die genetische Grund- lage selbst verhältnismäßig einfach gestalteter Unterschiede äußerer Merkmale dürfte in Wirklichkeit häufig weder monomer noch dimer, a Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 9293 sondern polymer sein. Aus den in der Literatur zerstreuten Notizen über die Nachkommenschaften von Bienenkreuzungen ist mit einer kom- plizierten Aufspaltung in der F2-Generation zu rechnen (insbesondere nach Sladen, der die ersten zahlenmäßigen Angaben über Aufspaltung P,-Individuen P,-Gameten F,-Individuen F,-Gameten F,-Individuen OS Fig. 3. Schema dihybrider Bastardierung beim „Hymenopterentypus“. der F2-o'o gibt). Bei trimerer Bastardierung erhalten wir in der 2. Generation bereits acht Drohnentypen. Infolgedessen ist für eine Analyse der männlichen Nachkommenschaft einer F}-Königin reiner Eltern eine erhebliche Zahl von Drohnen erforderlich. Dies ist insofern zu beachten, als nicht alle Rassen im unbeeinflußten Volke viele Drohnen 294 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. erzeugen (vel. VON BUTTEL-REEPEN 1906 und 1908). Z. B. die deutsche Biene, Apzs mellifica-mellifica, liefert sehr wenige Drohnen; in kleinen Zucht- kästen — und in solchen müssen derartige Versuche doch vorwiegend aus- geführt werden — bringt sie selbst in normaler Drohnenzeit meist keine Männchen hervor. Dagegen ist bei der Heidebiene, Apis mellifica-lehzeni, die Drohnenerzeugung stark; während Apzs mellifica-mellifica im ersten Jahre, d.h. im Jahre der Geburt und Begattung, keine Drohnenzellen baut und die Königin etwa vorhandene Drohnenzellen nicht „bestiftet“ (d.h. in diese keine Eier legt), geschieht dies bei lehzeni sehr leicht schon im ersten Jahr. Daher sind in den Völkern der Heidebiene immer zahlreiche Männchen vorhanden. Abgesehen von den Rassenunterschieden gibt es auch individuelle Verschiedenheiten; es kommen Königinnen vor, die nur Arbeiterinnen, nie Drohnen erzeugen. Um für eine Analyse der Drohnentypen in F> eine ausreichende Anzahl oo mit Sicherheit zur Verfügung zu haben, wird aber die Wahl bestimmter Ausgangsrassen nicht genügen, da über die Drohnenerzeugung der F,-Königin a priori nichts ausgesagt werden kann. Empfehlenswert ist daher, durch künstlichen Eingriff die Fortpflanzung in erwünschte Bahnen zu leiten. Für den vorliegenden Fall gelingt dies sehr leicht, indem man F,-Indi- viduen „drohnenbrütig“ werden läßt. Verhindert man F,-Königinnen am Hochzeitsfluge, indem man ihnen die Flügel stutzt oder sonstwie den Ausflug unmöglich macht, oder verhindert man die Begattung durch Ausbrütenlassen in drohnenloser Zeit, so beginnen sie meist nach einigen Wochen mit der Eiablage; die Nachkommenschaft ist dann rein männ- lich. Solche unbegattete Königin legt in alle Zellen unbefruchtete Eier, aus denen sich nur Männchen entwickeln können. Die Arbeiter- zellen sind für diese jedoch zu klein, daher vergrößern die Arbeiterinnen diese Zellen, indem sie sie nicht flach bedeckeln, sondern gewölbt ver- schließen; es entsteht die sogenannte „Buckelbrut*“. Allerdings sind solche Königinnen für die Weiterführung der Ver- suche verloren, da nachträgliche Begattung ausgeschlossen ist. Jedoch können von jeder P,-Königin mehrere (in einem Jahre über 20) F,- Königinnen gezogen werden, womit die Fortführung der Versuche ge- sichert ist, indem man nur einen Teil dieser gegen Begattung isoliert, andere jedoch begatten und neue Völker begründen läßt. Auf diese Weise gelingt es, eine beliebig große Zahl von Drohnen der 2. Gene- ration zu ziehen. Ein zweiter Weg ist nicht so einfach, führt aber rascher zum Ziele, nämlich die Entweiselung des F,-Volkes mit gleichzeitiger Ent- Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 295 fernung der mit Eiern und jungen Larven besetzten Waben und aller Drohnen und Drohnenzellen. Dieses Volk ist begründet durch die Pı- Königin und setzt sich zusammen aus dieser, den amphimiktisch er- zeugten Arbeiterinnen und den parthenogenetisch erzeugten Drohnen. Fängt man aus solch normalem Volke die Königin ab, „entweiselt“ den Stock, und nimmt den Arbeiterinnen die Möglichkeit, „Nachschaffungs- kéniginnen* zu erziehen, so beginnen die Arbeiterinnen nach einiger Zeit, Eier zu legen, aus denen, da die Arbeiterinnen nicht begattet sind und nicht begattet werden können, ausschließlich Drohnen entstehen, das Volk wird ,drohnenbriitig*. Diese Drohnen stammen allerdings im Gegensatz zu jenen im normalen, „weiselrichtigen“ Volke nicht von einem sondern von vielen Fı-Individuen ab. Alle diese eierlegenden Arbeiterinnen („Drohnenmütterchen“ oder „Afterköniginnen“) sind aber als Fı-Individuen genetisch gleichmäßig veranlagt, wenn die beiden Eltern homozygot waren. Daher müssen die von ihnen erzeugten Drohnen in jeder Beziehung den normaliter von den F,-Königinnen erst im nächsten Jahre, wenigstens in genügend großer Zahl, erzeugten Drohnen entsprechen. Wertvoll ist weiterhin, daß in solch weisellosem Volke die Drohnen nicht abgestochen werden. Andererseits ist besonders beachtenswert, daß der polymere Cha- rakter einer Bastardierung die Analyse der Drohnengesellschaft der 2. Generation nicht in gleichem Maße erschwert, wie bei amphimiktisch erzeugten Individuen. Es sind nämlich die in Fs auftretenden Drohnen- typen nicht durch Intermediäre transgressiv verbunden, wie wir dies bei polymeren Bastardierungen bei anderen Tieren und bei Pflanzen kennen, in denen der heterozygote Zustand der Erbeinheiten sich durch intermediäre Erscheinungsform ausweist. Es fehlen alle inter- mediären Bildungen, die z. B. die acht Drohnentypen in F> einer tri- meren Bastardierung verbinden könnten, da es heterozygote Drohnen im. Bienenstaate gar nicht gibt. Es gilt dies nicht nur für Bienen, sondern für alle Arten, die dem Hymenopterentypus der Ge- schlechtsbestimmung (HERTWIG 1912) angehören, das sind alle Arten, bei denen die oo generativ-parthenogenetisch erzeugt werden. Bisher sind Bastardierungen mit Apis mellifica fast ausschließlich unter dem Gesichtswinkel der Streitfrage über die parthenogenetische Entstehung der Drohnen betrachtet und daher nur bis Fı durchgeführt worden. Erst von SLADEN ist 1912-der Versuch einer Analyse der Drohnengesellschaft der 2. Generation nach Bastardierung unternommen worden, aber ohne das hier genannte Ziel zu verfolgen. Die vor zwei 296 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Jahren veröffentlichten Angaben NEWELLS über Kreuzungsexperimente mit Bienen tragen zu sehr den Charakter einer vorläufigen Mitteilung, als daß sich ein Werturteil über die Experimente NEWELLS abgeben ließe. Eine ausführliche Arbeit über seine Untersuchung mit einer Dar- legung, wie die Fehlerquellen vermieden worden sind, hat NEWELL unseres Wissens bisher nicht veröffentlicht. Aus der vorläufigen Mit- teilung ist für uns die Angabe von Interesse, daß die männlichen Nach- kommen der F,-Köniein zur Hälfte der mütterlichen, zur Hälfte der väterlichen Ausgangsrasse angehören; Zahlenangaben fehlen indessen vollständig. ; Besitzt man aber erst eine homozygote P,-Königin, die von einer Drohne einer scharf unterschiedenen Rasse begattet ist, so ist demnach das Experiment nicht allzu schwierig. Voraussetzung für solche Ana- lyse der Gametenbeschaffenheit eines Bastardes 1. Generation ist selbstverständlich noch genaue Kenntnis der Variabilität des zu verwertenden Merkmales bei beiden Ausgangsrassen, worüber im IV. Kapitel weiteres ausgeführt ist. Ill. Bisher Bekanntes über Bastardierungen von Apis mellifica L. ROEMER und NACHTSHEIM. a) Vielförmigkeit der F, ohne Heterozygotie der Pı? Die Bedeutung von exakten Bastardierungsversuchen mit Bienen ist keineswegs mit der Analyse der Gametenbeschaffenheit von F\-Bastarden erschöpft. Es liegen manche Angaben über Vererbungs- erscheinungen bei Bienen vor, die nach dem heutigen Stand der Ver- erbungswissenschaft nicht zu erklären sind. Es ist allerdings bei der Verwertung von Mitteilungen über Vererbungserscheinungen aus der imkerlichen Praxis ganz besonders große Vorsicht am Platze, um das wenige wirklich Wertvolle und Verwertbare als solches zu erkennen. 1. Die einheimischen Bienenvölker sind nur zum allergeringsten Teil reinrassig. Von guten Bienenzüchtern wird wohl darauf geachtet, daß die einzelnen Völker uniform sind, und Königinnen, die bunte Nach- kommenschaft liefern, werden aus der Zucht ausgeschaltet. Aber äußer- lich einheitlich erscheinende Völker geben noch keine Gewähr für ein- heitlich erbliche Veranlagung der aus solchen zu erziehenden jungen Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 297 Königinnen. Sie lassen nur die erbliche Veranlagung der Mutter- königin erkennen, diese ist aber, da nur einmalige Begattung während des ganzen Lebens statthat, für weitere Versuche nicht zu verwenden. Die jungen Königinnen eines äußerlich einheitlich erscheinenden Volkes können erblich homozygot sein, sie müssen es aber nicht sein. Solche Völker werden jedoch von den Imkern als „echt“ bezeichnet, darauf sei besonders hingewiesen. Es ist ganz sicher, daß wirklich reinrassige Völker in Deutschland sehr selten sind und immer seltener werden. Für die importierten Völker ist die Frage etwas anders zu beurteilen. Heute allerdings werden auch in den meisten anderen Ländern die vor- handenen Völker vorwiegend nicht mehr reinrassig sein, weil, wenn erst zwei Bienenrassen nebeneinander vorhanden sind, geschlechtliche Mischung infolge der Unkontrollierbarkeit der Begattung und der erheb- lichen Flugweite rasch vor sich geht. Die Folgen einer einzigen Ba- stardierung sind aber aus den weiteren Nachkommenschaften, selbst bei strengster Weiterzucht aus dem einen Volk, nicht mehr ohne Zucht- wahl — auch der Drohnengesellschaft, die kaum je erfolgt ist — zu beseitigen. Über den Import der einzelnen Rassen in die verschiedenen Länder sind wir jedoch durch die mühsamen Arbeiten VON BUTTEL- REEPENS (1906) gut unterrichtet, so daß für die früheren Berichte eine gewisse Kontrolle möglich ist. 2. Die Wissenschaft muß alle empirischen Erfahrungen mit Vorsicht verwerten, um nicht zu Fehlschlüssen zu ge- langen. Erst die Bestätigung durch exakte Versuche, die keinerlei andersgeartete Nebenziele verfolgen, kann die Erfahrungen zu Tatsachen erheben. 3. Selbst für sehr sorgfältige und kritische Versuchsansteller fließen die Fehlerquellen bei apistischen Versuchen zahlreich. Aus diesen Gründen sind Veröffentlichungen genauester Versuchsprotokolle inklusive Angaben über die Art der Vermeidung von Fehlerquellen un- erläßlich. : Solche Versuche mit Bienen sind u. W. überhaupt nicht ver- öffentlicht. Auch die Bastardanalysen von SLADEN (1912) können nicht herangezogen werden, da bei diesen sicher nicht alle Fehlerquellen aus- geschlossen waren, denn es fand Zuflug von Drohnen aus benachbarten Bienenständen statt. Trotzdem will uns scheinen, daß genügend ge- sicherte Beispiele von Vererbungserscheinungen bei Bienen vorliegen, die mit dem heutigen Stande der Wissenschaft nicht in Ein- klang zu bringen sind, und von deren Nachprüfung weitere Aufschlüsse zu erwarten sind, falls die Angaben einer solchen standhalten. Es wird hiermit in erster Linie auf Angaben über die erste Generation von 298 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Bastardierungen abgezielt. Es geht aus vielen Mitteilungen der ver- schiedensten Autoren hervor, daß die erste Generation der Ba- stardierung /igustica X mellifica (italienische Königin X deut- sche Drohne) und reziprok nicht einheitlich ist. Nun ist ein Grund der Vielförmigkeit der F, in diesen Fällen naturgemäß der grund- sätzliche Unterschied in der amphimiktischen Entstehungsweise der 2 © und der parthenogenetischen Entstehungsweise der do. Diese Ursache sei hier vorweg ausgeschaltet und durch die früheren Ausführungen als erledigt betrachtet. Es handelt sich vielmehr um die Vielförmigkeit der Weibchen (Arbeiterinnen und Königinnen) einer solchen Kreuzung. Sie alle haben einen gemeinsamen Vater und eine gemeinsame Mutter, weil diese nur einmal von einer Drohne begattet wird. Die Arbeiterinnen eines Volkes stammen also gemessene Zeit nach der ersten Eiablage der jungen Königin ausschließlich von zwei Individuen ab, sie sind Vollgeschwister. Vielférmigkeit von Vollgeschwistern legt in allen Fällen nicht nur den Verdacht auf Heterozygotie der Eltern nahe, sondern gilt allgemein bei allogamen Lebewesen als Beweis für solche. ‚Jedoch scheint diese Ursache in diesen Fällen nicht stichhaltig. Es soll in- dessen zunächst der spezielle Sachverhalt wiedergegeben werden, und zwar zum Teil in wörtlicher Wiederholung, da die Originalschriften nicht jederzeit zur Hand sind. VON BERLEPSCH in Seebach bei Langensalza, der Vorkämpfer für die Lehre DZIERZONS und dadurch bekannt, daß VON SIEBOLD und LEUCKART ihre grundlegenden Studien über Parthenogenese an den Bienen aus und in Seebach und unter der tätigen Mitwirkung VON BERLEPSCHs machten, berichtet über seine in erheblicher Zahl beobachteten Kreuzungen (32 F,-Generationen laut Bienenzeitung 1855, S. 80) von italienischen und deutschen Bienen in der Eichstädter Bienen- zeitung, 12. Bd., 1856, S.5 zusammenfassend: „Es steht fest: A. Manche italische Mutter erzeugt unter allen Umständen, d. h. gleichviel, ob sie von einer deutschen oder italischen Drohne be- fruchtet wird, teils schwarze, teils bunte Bienen, wird also, wie wir Imker zu sagen pflegen, (unter allen Umständen) Bastardin. Hierher ge- hören die schwarzen und die übrigen am wenigsten gelb aus der Zelle hervorgehenden Mütter. B. Manche italische Mutter erzeugt nur bunte Bienen, wenn sie von einer italischen Drohne befruchtet wird, aber bunte und schwarze gemischt, wenn die Befruchtung durch eine deutsche Drohne geschieht. Hierher gehören die Mütter, die sich der schönsten Art am meisten Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 299 nähern. Erzeugt eine solche Mutter aber einmal auch schwarze Bienen, so dauert dies für immer fort. C. Manche italische Mutter erzeugt unter allen Umständen, d.h. gleichviel, ob sie von einer italischen oder deutschen Drohne be- fruchtet wird, wenigstens nach einiger Zeit nur bunte Bienen, wird also, wie wir zu sagen pflegen, (unter allen Umständen) echt. Hierher ge- hören die schönstfarbigen Mütter. Werden sie von italischen Drohnen befruchtet, so erzeugen sie gleich anfänglich nur italische Bienen, werden sie aber von deutschen Drohnen befruchtet, so erscheinen anfänglich, teils längere, teils kürzere Zeit, auch deutsche Bienen. Was ich hier gesagt, beruht auf zweijährigen Beobachtungen und ‘ist Tatsache. Die schwärzlichen und alle weniger schönfarbigen Köni- ginnen wurden ausnahmslos auch in Zeiten Bastardinnen, wo es nur italische Drohnen gab, wogegen die schönstfarbigen auch mitten im Sommer, wo die Luft von deutschen Drohnen wimmelte, immer über lang oder kurz echt waren.“ In der Fortsetzung heißt es Seite 6: „Alle Königinnen, die äußer- lich schön gelb sind, erzeugen, auch wenn sie teils italische, teils deut- sche Arbeiterinnen hervorbringen, nur italische Drohnen. Eine deutsche Mutter, die von einer italischen Drohne befruchtet war, erzeugte deutsche und italische Arbeiterinnen, aber nur deutsche Drohnen. Wo hingegen die Mutter nicht schön gelb ist, wo sie Bruchteile schwarzen Blutes in sich hat, da kommen auch die Drohnen gemischt hervor, mag die Mutter von einem deutschen oder italischen Männchen befruchtet sein. Ganz natürlich, weil die Männchen nur der Mutter folgen.“ Noch deutlicher und einwandfreier spricht sich VON BRRLEPSCH in einem Brief an VON SIEBOLD aus (SIEBOLD 1856, S. 98): „Eine italische, von einer deutschen Drohne oder eine deutsche, von einer italischen Drohne befruchtete Königin bringt ganz konstant (mir kam nur erst eine einzige Ausnahme vor) dreierleifarbige Weibchen (Ar- beiterinnen, Königinnen) hervor: a) echt italische, d.h. so gelbe und so geringelte, wie die weibliche Deszendenz von italischen Königinnen ist, die auch von italischen Drohnen befruchtet wurde; b) echt deutsche und ce) Mischlinge. Bei mancher Mutter prävaliert die italische, bei mancher die deutsche Deszendenz, stets aber sind die Mischlinge, die der Farbe nach die Mitte zwischen deutsch und italisch halten, in der Minorität, und zwar in der stärksten Minorität, denn bei manchen Stöcken sieht man nur selten einen Mischling, bei manchen gar keinen. Da nun die Königinnen nur anders resp. weiter entwickelte Arbeiterinnen 300 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. sind, so findet bei ihnen dasselbe Verhältnis statt und bei Bastard- müttern hängt die Farbe der königlichen Deszendenz von dem Ei ab. Hätte das Ei eine echt italische Arbeiterin gegeben, so gibt es auch eine echt italische Königin usw. Die Männchen richten sich der Farbe nach ausnahmslos nach der Mutter, und ich habe im letzten Sommer trotz der sorgfältigsten Aufmerksamkeit und der genauesten Prüfungen bei Bastardmüttern auch nicht ein Männchen entdecken können, das nach dem Vater geartet gewesen wäre.“ DZIERZON, der durch Vermittlung des Zentralausschusses der K. K. Landwirtschaftsgesellschaft zu Wien den ersten Stock der lögustica-Rasse in Deutschland einführte, von welchem die in den fünfziger Jahren in Deutschland verbreiteten ligustiea-Königinnen abstammten, berichtet (1854, S. 136): „Ist die Befruchtung erfolgt, so fängt die Königin nach etwa zwei Tagen Eier zu legen an. Ob sie aber eine echt italienische Mutter geworden ist, stellt sich erst nach drei Wochen heraus, wenn die von ihr angesetzte Brut auszulaufen beginnt. Kommen lauter ita- lienische junge Bienen (nur 8% und 2° R. u. N.) zum Vorschein, so ist sie echt, kommen italienische mit deutschen gemischt hervor, so ist sie eine Bastardmutter* (Pi-2 R. u. N.). KLEINE, den wir neben DZIERZON und VON BERLEPSCH zu den sorg- fältigen Beobachtern und Autoren der fünfziger Jahre rechnen dürfen, schreibt (Bienenzeitung 1859, S. 200): „Die infolge dieser Bastardierung (deutsches @ X italienisches o und reziprok R. u. N.) hervortretende Aus- artung ist aber von eigentümlichen Erscheinungen begleitet, die anfäng- lich sehr befremdeten .... In beiderlei Bastardstöcken, deutschen wie italienischen (P,-Königinnen R. u. N.), kommen nämlich fast rein ita- lienische neben fast rein deutschen jungen Bienen hervor; ein dritter Teil hält zwischen beiden die Mitte, oder besteht aus wirklichen Bastarden. Dann kam’s aber gelegentlich auch vor, daß die von einer deutschen Drohne befruchtete Königin echt italienischer Abstammung bald vor- wiegend die eine oder die andere Varietät erzeugte, und wenn auch anfangs gemischte, später doch nur eine Farbe rein hervorbrachte, und wurden durch derartige Erscheinungen eigentümliche und übereilte Schlüsse begründet.“ Diesen Angaben aus den ersten Jahren nach Einführung der Apis ligustica nach Deutschland sei eine Mitteilung VON BUTTEL-REEPENS (1904, 8. 65) angefügt, die aus neuerer Zeit Gleiches sagt: „Ich möchte hier die Aufmerksamkeit auf die merkwürdigen Erscheinungen hinlenken, die sich mir in verschiedenen Beobachtungen ergaben, die aber nur die Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 301 alten Befunde von VON BERLEPSCH, PEREZ, DZIERZON, KLEINE, DATHE usw. bestätigen. Wird eine italienische Königin von einer deutschen Drohne befruchtet, oder eine deutsche Königin von einer italienischen Drohne, so ergeben die Arbeiterinnen nicht kurzweg ge- sagt halbmütterliche und halbväterliche Anzeichen, sondern nur ein Teil der Bienen sind regelrechte Mischlinge, ein anderer Teil zeigt rein italienische und der Rest rein deutsche Färbung.“ Der Hauptmangel all dieser Angaben ist schon erwähnt und ohne weiteres ersichtlich; er liegt in dem Fehlen jeglicher Zahlenangaben. Jeder Experimentator aber weiß, wie leicht Schätzungen täuschen. Es darf daher aus den mitgeteilten Fällen keinerlei Schluß auf die Mengen- verhältnisse der mütterlichen, intermediären und väterlichen Typen der Fı gezogen werden. Diese müssen eben in exakten Versuchen fest- gestellt werden. Die Tatsache der Vielférmigkeit der F, scheint jedoch nicht in Zweifel gezogen werden zu können, insbesondere da sie durch VON BUTTEL-REEPEN erneut beobachtet wurde. Allerdings ist die Erscheinung bisher nur bei Bastardierungen der italienischen und deut- schen Rasse beobachtet worden und auch hier nicht in allen Fällen vorhanden. Die Erklärung dieser Erscheinung durch Heterozygotie der Eltern ist zunächst zu prüfen. Wenn die Mutterkénigin (Pı-?) hetero- zygot ist, so müssen dies die F,-Drohnen als personifizierte Gameten, als azygot-haploide Individuen, durch Vielförmigkeit erweisen. Die Angaben VON BERLEPSCHS lassen in dieser Beziehung folgende Ana- lyse zu: Die unter A bezeichneten Königinnen sind heterozygot. Die Vielförmigkeit ihrer Nachkommenschaft bei Begattung durch eine ita- lienische Drohne spricht gleichzeitig gegen vollständige Dominanz der gelben Farbe über die schwarze, da bei solcher keine deutschen Ar- beiterinnen erscheinen würden. Die unter B und C bezeichneten Köni- einnen sind homozygot und zeugen bei Begattung durch eine schwarze Drohne eine gemischte erste Generation. Aus den weiteren An- gaben VON BERLEPSCHS geht hervor, daß die homozygoten Köni- einnen „schönfarbig“, die heterozygoten aber „schwärzlich und weniger schénfarbig* sind. Hiermit steht im Einklang: „Wo hingegen die Mutter nicht schön gelb ist, da kommen auch die Drohnen gemischt vor.“ Die Heterozygotie jeder Bienenkönigin muß sich ja in Vielförmigkeit oder wenigstens in Unreinheit der Drohnengesellschaft eines Volkes erweisen. VON BERLEPSCH gibt aber ausdrücklich an, daß die Drohnen in den Bastardvölkern, soweit die Königinnen schönfarbige Italienerinnen sind, 302 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. ausnahmslos der Mutter foleen. Hiermit wird in einer Weise die Rein- heit der Mutterkönigin für diese Bastardvölker (also nur einen Teil der ersten Generationen VON BERLEPSCHs) nachgewiesen, wie wir es bei allogamen Lebewesen gar nicht besser wünschen können. Der endeültig entscheidende Punkt ist natürlich die Zahl der Drohnen, deren gegen- seitige Übereinstimmung durch VON BERLEPSCH beobachtet wurde. Nun wird zwar eine ungenügende Anzahl beobachteter Drohnen sehr selten Veranlassung sein, etwaige Heterozygotie der Mutter nicht zu erkennen, da jede Königin mehrere Jahre (vier bis fünf) Eier legt und Drohnen zeugt, so daß im Laufe ihres- Lebens eine erkleckliche männliche Nach- kommenschaft zur Beobachtung gelangt. Immerhin kann dieser Einwand erhoben werden. Er gilt dann in erster Linie für die erste Generation der Kreuzungen deutsch 2° X italienisch o’, da die deutsche Rasse weniger Drohnen erzeugt als die italienische, deren junge Königinnen in der Regel schon in dem Jahre, in dem sie geboren werden, Drohneneier legen, sobald nur das junge Volk stark genug ist. Für die Kreuzungen italienisch @ X deutsch Ü können wir daher, auch ohne daß irgendwelche zahlenmäßige Angaben sich finden, mit weitgehender Sicherheit an- nehmen, daß eine genügend große Zahl von Männchen zur Beobachtung gelangt ist. So kann man denn aus den Mitteilungen VON BERLEPSCHS bei aller erforderlichen Vorsicht in der Verwertung derartiger Angaben ersehen, daß die Arbeiterinnen der ersten Generationen von homo- zygoten Bienenköniginnen, die durch deutsche Drohnen begattet worden sind, nicht einheitlich sind. Das Material VON BERLEPSCHs wurde vorangestellt, weil es einer Beurteilung in genetischem Sinne am ehesten zugänglich ist. Aus den zerstreuten Veröffentlichungen von DZIERZON ist nicht zu ersehen, ob die importierte ligustica-Königin eine einheitliche männliche Nach- kommenschaft erzeugte. Diese Angabe, die von Belang wäre, fehlt. Von dieser Königin hat DZIERZON nach eigenem Berichte, den er auf der Versammlung des Vereines deutsch-österreichischer Bienenwirte im Herbste 1853 in Wien erstattete, nicht weniger als 50 Königinnen in dem einen Sommer 1853 gezogen, von denen 30 durch italienische Drohnen und 20 durch deutsche Drohnen begattet worden waren, wie die Nachkommenschaft erwies (s. Bienenzeitung 1859, S. 199. Bericht von KLEINE). Auf die weibliche Nachkommenschaft dieser 20, von deut- schen Drohnen begatteten italienischen Königinnen bezieht sich die eben zitierte Angabe DZIERZONS: „Kommen italienische mit deutschen gemischt hervor, so ist sie eine Bastardmutter (Pı-Königin R. u. N.).“ An anderer Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 303 Stelle (1854, S. 63) sagt DZIERZON aber: „Die italienischen Bastard- mütter haben durchgängig (von uns gesperrt, R. u. N.) die Vermutung bestätigt und die schönsten italienischen Drohnen hervorgebracht, einer fast noch schönere als die echten Stöcke, als der Mutterstock selbst.“ Da diese Angabe August 1854 veröffentlicht ist, darf wohl mit Recht behauptet werden, daß diese sich nicht nur auf die eben erwähnten 20 Nachkommen der importierten Italienerin beziehen kann, deren weib- liche Nachkommenschaft eben als nicht einheitliche F,-Generation der Kreuzung ligustica © X mellifica S erwähnt wurde. Demnach würde auch für diese Fälle nicht Heterozygotie der Mutter Ursache der Vielförmigkeit sein. Die Angaben von KLEINE und VON BUTTEL-REEPEN können mangels weiterer Mitteilungen nicht darauf geprüft werden, ob Hetero- zygotie der Pı-2?® für die beobachtete Vielförmigkeit der F, verant- wortlich zu machen ist. Es sei noch darauf hingewiesen, daß VON BALDENSTEIN, der zehn Jahre vor DZIERZON 1843 das erste Zigustica-Volk nach der Schweiz brachte, berichtet, daß die Tochterköniginnen dieses Stockes, von dunklen Drohnen der schweizerischen Rasse begattet, Nachkommenschaften lie- ferten, von denen „ein Teil ganz italienisch, ein anderer Teil dagegen mehr oder weniger aussah wie die schweizerischen Bienen“ (Eich- städter Bienenzeitung, 1848, S. 26 und 1851, S. 81). Auch für dieses Beispiel kann die Homozygotie der P,-Königin nicht so sicher nach- gewiesen werden, wie für die durch VON BERLEPSCH erfolgten Mit- teilungen. Könnte nun für die Fälle, in denen die Mutterkönigin als homo- zygot anzusprechen ist, Heterozygotie des Vaters für die Viel- förmigkeit der ersten Generation in Frage kommen? Die Drohnen sind nach unserer Auffassung parthenogenetisch entstanden. Zwar wird dies noch immer von gewisser, allerdings nicht von wissenschaftlicher Seite angezweifelt, nachdem hierüber seit DZIERZON (1845—50) ununter- brochen diskutiert worden ist. Die Widerlegung dieser „Unentwegten“, die vorziehen, exakte Nachweise für die parthenogenetische Entstehung der Drohnen zu ignorieren, kann nicht in dieser Zeitschrift erfolgen; sie mag der Zankapfel der „den praktischen Bedürfnissen dienenden“ Imker- zeitschriften bleiben. Die zytologischen Untersuchungen von MEVES, MARK und COPELAND sowie DONCASTER beweisen in Übereinstimmung mit den zytologischen Untersuchungen von NACHTSHEIM, daß die Drohnen haploide Individuen sind. Die Eizellen, aus denen sich apomiktisch 304 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Drohnen entwickeln, entsprechen also nach unseren heutigen Kennt- nissen in jeder Beziehung den amphimiktisch zu Arbeiterinnen sich entwickelnden Eizellen. Infolgedessen sind die Drohnen personi- fizierte Gameten der Mutterköniginnen. Die Betonung des haploiden Charakters der Drohnen geschieht zwecks Prüfung der Frage, ob bei Apis mellifica überhaupt von heterozygoten Drohnen gesprochen werden kann. Zunächst scheint es ja berechtigt, für alle partheno- genetisch entstandenen Individuen den Begriff der Heterozygotie ab- zulehnen, da sie je aus einer Zelle, der Eizelle, ohne Verschmelzung dieser mit einer Spermazelle zu einer Zygote, hervorgehen. Infolge- dessen erscheint die Bezeichnung „heterozygot“ für solche Individuen zunächst sinnwidrig. Jedoch können mit Recht auch parthenogenetisch entstandene Individuen als heterozygot bezeichnet werden, nämlich alle diploid-parthenogenetischen Individuen, weil sie aus Eizellen hervorgehen, die keine Reduktionsteilung durchlaufen haben. Somatisch- parthenogenetisch entstandene Individuen führen daher mütterliche und väterliche Elemente der Ps-Generation, sie können also heterozygot sein. Die haploid-parthenogenetischen Individuen sind wirklich azygot, da sie aus Eizellen mit reduzierter Chromosomenzahl hervorgehen. Sie sind daher, solange an dem Prinzip der Reinheit der Gameten fest- gehalten wird, alle „rein“ oder homozygot, wenn man diese Be- zeichnung statt „azygot“ verwenden will. Die Lehre von der Reinheit der Gameten führt in Konsequenz zu der interessanten Feststellung, daß jede einzelne Drohne eines Bienenstaates homozygot, „erblich rein“ veranlagt ist, und daß alle Töchter (Arbeiterinnen und Königinnen) einer Mutterkönigin von der väterlichen Seite infolge- dessen gleiche Erbanlagen erhalten haben. Demnach ist Vielförmig- keit der Nachkommenschaft einer Bienenkönigin, soweit sie durch P\- Heterozygotie begründet ist, ausschließlich auf Heterozygotie der Mutter zurückzuführen. Dieses trifft sinngemäß auf alle Fälle zu, in denen die männlichen Individuen nur die halbe Chromosomenzahl führen und jedes ® nur einmal während des Lebens begattet wird (also für Bienen, Hummeln, Wespen, Ameisen, Gallwespen, Blattwespen usw., nicht dagegen für Blattläuse z. B., s. Tabelle S. 282—285). Hieraus ist ersichtlich, wie wichtig für die Erklärung von Vererbungserscheinungen die zytologische Prüfung der Gameten ist. Selbstverständlich ist, daß die von einer Königin abstammenden Drohnen untereinander erblich verschieden veranlagt sein können, es sein müssen, wenn die Königin heterozygot ist. Infolgedessen ist für Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 305 jeden Versuch, obwohl nur eine Drohne zur Begattung einer Königin für die ganze Lebensdauer kommt, nur ein von einer homozygoten Königin stammendes Volk als o’-Stock zu verwenden, damit nur Drohnen gleicher erblicher Veranlagung die Begattung ausführen können. Diese Tatsache, daß in einem Volk Drohnen verschiedener Veranlagung vor- kommen, hat aber mit der Vielförmigkeit der weiblichen Nachkommen- schaft einer homozygoten Königin nichts zu tun. Denn die Spermato- zoen jeder einzelnen Drohne sind betreffs ihrer erblichen Veranlagung gleichwertig, isogen. Es würden demnach — und damit kehren wir zu dem Ausgangs- punkte zurück — in den mitgeteilten Fällen erste Generationen von Bienenkreuzungen vorliegen, die nicht einheitlich sondern viel- förmig sind, ohne daß die Ursache hierfür in Heterozygotie der Eltern zu liegen scheint. b) Steigerung der mütterlichen Farbenmerkmale der Nachkommen bei zunehmendem Alter der Mutterkönigin. Eine andere merkwürdige Erscheinung in der Vererbung der Bienen steht hiermit in Zusammenhang, ist jedoch getrennt zu halten. Es geht schon aus den oben zitierten Angaben VON BERLEPSCHS und KLEINES hervor, daß eine durch eine Drohne anderer Rasse be- gattete Königin mit fortschreitendem Alter mehr und mehr Arbeiterinnen mit dem Charakter der Mutterrasse erzeugt. Es handelt sich hierbei nicht um eine Änderung der äußeren Eigenschaften mit zunehmendem Alter, wie wir solches z. B. an Orchideenbastarden, die in verschiedenen Jahren sehr verschiedene Blüten hervorbringen (s. Orchis, Bd. 5, 1911, S. 65), an den Bastarden Helix nemoralis X hortensis von LANG (1908), an Kanarien X Grünfinkenbastarden von GALLOWAY (1909), an Mäuse- bastarden von PLATE (1910) sehen, sondern um Veränderungen des Phänotypus der aus den Zellen ausschlüpfenden jungen Bienen, Ver- änderungen, die während des Lebens der einzelnen Arbeiterinnen keinem Wechsel unterliegen, sondern erhalten bleiben. Diese Farbenverände- rungen gehen immer in der Richtung zur mütterlichen Rasse. Die hierher gehörigen Angaben VON BERLEPSCHS sind in dem oben wieder- gegebenen Passus seiner wertvollen Veröffentlichung enthalten und zwar unter C; gleichzeitig geht aus dem Passus B hervor, daß diese Er- scheinung nicht bei allen ersten Generationen nach Bastardierung auf- tritt. Ebenso sind die Beobachtungen von KLEINE oben schon zitiert. In den sehr zerstreuten Mitteilungen von DZIERZON über seine Beob- Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. a0 306 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. achtungen an ersten Generationen nach Bastardierung findet sich nichts Diesbeziigliches. DZIERZON berichtet zwar (1854, S. 37): „Eine ita- lienische Königin erzeugt durch die ganze Zeit ihres Lebens entweder rein italienische Bienen oder Bastarde, je nachdem, ob sie bei dem einen Begattungsakt mit einer italienischen oder gewöhnlichen (deutschen R.u.N.) Drohne zusammengetroffen hat.“ Hieraus müßte man schließen, daß DZIERZON keine Veränderung der Zeichnung der F,-Individuen nach der mütterlichen Seite hin im Laufe des Lebens einer Mutterkönigin beob- achtet hat. Jedoch ist darauf hinzuweisen, daß DZIERZON dies im Mai 1854 schrieb, zu einer Zeit also, wo er von F,-Generationen (nach KLEINE 1859 waren es deren 20) nur den ersten Jahrgang beob- achtet haben kann und selbst diesen noch nicht vollständig, da er die aus Italien importierte Stammutter erst im Februar 1853 erhalten hatte. Die Worte „durch die ganze Zeit ihres Lebens“ entsprechen daher nicht der Beobachtung, sondern der Erwartung von DZIERZON. In späteren Jahren scheint aber DZIERZON hierhergehörige Beobachtungen gemacht zu haben, denn in dem Werke VON BUTTEL-REEPENS (1915) findet sich die Notiz, daß Preuss (1871) die Äußerung DZIERZONS wiedergibt: „Eins habe ich nur genau bemerkt, daß der mütterliche Körper auf die Nachkommenschaft mit der Zeit mehr und mehr Einfluß gewinnt. Die echt italienische Königin, auch von einer deutschen Drohne befruchtet, erzeugt allmählich immer mehr ihr ähnliche Bienen.“ Ob die Steigerung der mütterlichen Zeichnung auch bei F,-Ar- beiterinnen der Verbindung deutsche 9 X italienische S Biene auftritt, ist nicht sicher. VON SIEBOLD (1856, S. 94) sagt, VON BERLEPSCH habe mitgeteilt, daß von solcher P,-Königin im zweiten Jahre nur schwarze F,-Arbeiterinnen erzeugt worden seien. Da solches in den Veröffentlichungen VON BERLEPSCHs in der Eichstädter Bienenzeitung nicht zu finden ist, so ist die Angabe VON SIEBOLDs wohl auf eine briefliche oder mündliche Mitteilung VON BERLEPSCHs zurückzuführen. In neuerer Zeit hat VON BUTTEL-REEPEN (1904, S. 65 Fußnote) eben- solche Beobachtungen gemacht. Er sagt: „Das Eigentümlichste aber ist, daß mir eine besonders gelbe Italienerin, die von einer dunklen Drohne befruchtet sein mußte, da sie im ersten Jahr noch zahlreiche Mischlinge produzierte, im zweiten Jahr fast nur rein italische Ar- beiterinnen ergab und im dritten Jahr ausschließlich italische, so daß das Volk von jedem Kenner als ein echt italisches angesprochen wurde.“ Leider sind die (S. 66) in Aussicht gestellten weiteren Mitteilungen hierüber bisher nicht erfolgt. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 307 Es handelt sich hiernach um ein Anwachsen rein mütterlicher Eigenschaften in der ersten Generation nach Bastardierung mit fortschreitendem Alter der Mutterkönigin. Die Erscheinung tritt bei ersten Generationen der Kreuzung italienisches 2 X deutsches d auf, jedoch nicht stets und unbedingt; ob es bei reziproker Kreuzung oder Kreuzung anderer Rassen der Fall ist, ist fraglich. Ferner ist aus den verschiedenen Angaben zu schließen, daß die Erscheinung bei heterozygoten Königinnen nicht zu beobachten ist, was ja weiter nicht verwunderlich ist. Die einzige Parallele hierzu aus dem Gebiete der Zoologie sind die neuen Ergebnisse, die KOEHLER (1915/16) mit spon- tanen und zurückgehaltenen Gameten einerseits und mit Gameten ver- schiedenen Alters aus derselben Gonadenregion andererseits bei Sirongylo- cenlrotus bezw. Sphaerechinus erzielte. Bei den Angaben maßgebender Tierzüchter über ab- bezw. zunehmende Vererbungskraft einzelner Zucht- tiere handelt es sich um prinzipiell anderes, nämlich um Schwan- kungen je nach Gesundheitszustand, Futter und Konstitution (Ver- änderungen dieser durch Im- bezw. Export ins Ausland). Im Gegen- satz hierzu handelt es sich bei der an Bienen beobachteten Vererbungs- arscheinung um einseitige Abnahme der äußerlichen Wertigkeit väterlicher Eigenschaften oder um einseitige Steigerung der Wer- tigkeit mütterlicher Eigenschaften, speziell der Farbe. Daß solches auch für andere Merkmale gilt, ist bisher nicht berichtet worden; jedoch ist solches für andere Eigenschaften naturgemäß viel schwieriger zu beobachten, so daß das Fehlen diesbezüglicher Angaben lediglich die Folge ungenügender Beobachtung sein kann. SLADEN (1912) fand enge Korrelation der Farbe mit biologischen Eigenschaften wie Fleiß, Wider- standsfähigkeit, Schwarmlust usw. Sollten diese Eigenschaften wirklich so eng verknüpft sein, wie dies SLADEN meint, so wäre das Studium der biologischen Eigenschaften der in verschiedenen Jahren von einer P,-Königin erzeugten Arbeiterinnen nach dieser Richtung besonders interessant. Man ist versucht, diese eigenartige Erscheinung der Zunahme der mütterlichen Farbenmerkmale bei fortschreitendem Alter des Volkes in Zusammenhang damit zu bringen, daß jede Bienenkönigin nur einmal für die ganze Dauer ihres Lebens begattet wird. Die Folge hiervon ist, daß die Arbeiterinnen eines Volkes in den verschiedenen Jahrgängen aus Spermatozoen sehr verschiedenen Alters entstehen, Die Arbeiterinnen des ersten Jahrganges einer Königin gehen aus Verbindungen relativ gleichalteriger Gameten hervor, aus „isochroner*“ Amphimixis, während 20* 308 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. die Arbeiterinnen des nächsten Jahres durch wesentlich verschieden- alterige Gameten, ,,heterochrone* Amphimixis, erzeugt werden, und in den weiteren Jahren (bis zu fünf Jahren) vergrößert sich die Altersdifferenz zwischen den zu Zygoten verschmelzenden Gameten mehr und mehr. Die weiblichen Nachkommen einer Bienenkönigin gehen daher von Jahr zu Jahr in steigendem Maße aus heterochronen Verbindungen hervor. Der Einfluß des Alters der Gameten auf die äußere Wertigkeit von Farben- merkmalen ist zuerst von ZEDERBAUER (1914) an Erbsenbastardierungen nachgewiesen worden; von ihm stammen auch die hier verwendeten Be- zeichnungen „isochrone“ und „heterochrone“ Bastardierung. Wenn diese Versuche mit der hier zur Rede stehenden Erscheinung bei Bienen in Vergleich gestellt werden, so bleibt immer noch die Frage offen, ob die Veränderungen in der Färbung der Arbeiterinnen nach der mütterlichen Seite hin Modifikationen der äußerlich in Erscheinung tretenden Dominanz sind, verursacht durch eine Abnahme der Valenz der Erb- faktoren mit zunehmendem Alter der Spermatozoen, Modifikationen, wie sie bei heterozygoten Antirrhinum, Primula und anderen Pflanzen durch äußere Einflüsse erzielt werden können; oder ob die geno- typische Konstitution der Samenfäden im Receptaculum seminis im Laufe der Zeit erbliche Veränderungen erleidet, veranlaßt durch eine Beeinflussung des Somas der Bienenkénigin'). Sobald die Mutter- 1) KOEHLERs (1915/16) Versuch, die oben besprochene Erscheinung durch die Annahme „gerichteter Reduktion“ erklären zu wollen, ist nicht recht verständlich. KOEHLER sagt: „Da bei der Biene die Spermatozoen in die Oozyte eindringen, macht der Oozytenkern die Reduktionsteilungen durch, während das Spermatozoon bereits im Eiplasma liegt (NACHTSHEIM 1913).“ — Zur Zeit der Ablage des Bieneneies be- findet sich aber die erste Reifungsteilung nach meinen Beobachtungen in der Regel bereits im Stadium der Anaphase, die Trennung der Tochterchromosomen ist also bereits erfolgt! N. — „Es wäre also denkbar, daß die Spermatozoen durch ihre An- wesenheit auf den Ablauf der Reduktiom einen richtenden Einfluß ausüben, und daß die Stärke dieses richtenden Einflusses sich mit zunehmendem Alter der Spermien ändere. Wenn, je älter die Spermatozoen sind, bei einer um so größeren Anzahl von Eiern vor- wiegend die väterlichen Chromosome in die Richtungskörper gerieten, so wäre damit das von BOVERI erwartete Verhalten der F,-Bastarde ebensogut erklärt wie durch die einfache Annahme einer mit dem Altern der Spermien absinkenden Valenz ihrer Erb- einheiten.“ Was haben aber die „väterlichen Chromosomen“, d. h. die Chromosomen des P,-Vaters der P,-Mutter, mit der zunehmenden Mutterähnlichkeit der F,-Individuen zu tun? Die P,-Mutter ist ja in den beobachteten Fällen kein Bastard gewesen, sie ist homozygot gewesen, und dann ist. es ganz gleichgültig, ob bei der Reifung ihrer Geschlechtszellen väterliche oder mütterliche Chromosomen in die Richtungskörper ge- raten. Doch selbst bei heterozygoter Mutterkönigin hat die Hypothese wenig Wahr- scheinlichkeit für sich. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 309 königin homozygot ist — und bei heterozygoten ist die Erscheinung bisher nicht beobachtet worden —, sind, wie oben ausgeführt, alle von ihr erzeugten Arbeiterinnen isogen, da heterozygote Drohnen nicht vorkommen. Warum diese isogenen Individuen nichtisophän sind, das ist die Frage. Voraussetzung hierbei ist immer, daß die Angaben sich bei exakten Versuchen, d. h. solchen mit sicher homozygotem Ma- terial, wirklich bestätigen. ‚Jedoch läßt sich a priori Bestimmtes darüber nicht aussagen. Der Vererbungsversuch aber ist leicht. Es ist nur erforderlich, aus solcher Bastardierung Arbeiterinnen jeden Jahr- ganges drohnenbrütig werden zu lassen, d. h. durch Entweiselung und Entfernung aller Waben mit Eiern und jungen Larven sie an der Nach- zucht von Nachschaffungsköniginnen zu hindern und zur Eiablage zu zwingen. Es entstehen nur Drohnen, die ohne weiteres über die erb- liche Veranlagung der Arbeiterinnen jeden Jahrganges Aufschluß geben, jedoch nicht über die erbliche Veranlagung einzelner Arbeiterinnen, da viele gleichzeitig Eier legen. Die einzige Schwierigkeit des Experimentes liegt darin, daß für Erhaltung der P,-Königin durch künstliche Um- weiselung eines zweiten Stockes gesorgt werden muß, was nicht immer glückt. Auf diese Weise dürfte es gelingen, in der Lösung dieses eigen- artigen Phänomens einen Schritt voranzutun. IV. Biologische und technische Schwierigkeiten, die Ver- erbungsstudien mit Apis mellifica L. entgegenstehen. NACHTSHEIM und ROEMER. In Kürze seien noch einige Schwierigkeiten geschildert, die der Durchführung exakter Vererbungsstudien mit Apis mellifica entgegenstehen. Es gibt deren verschiedene, und die Überwindung ein- zelner stellt an den Experimentator, besonders an dessen Geduld, außer- gewöhnlich große Anforderungen. a) Beschaffung des Ausgangsmaterials. In allererster Linie ist der Beschaffung geeigneten Ausgangs- materials zu gedenken. Als Merkmale, deren Vererbung zu studieren ist, kommen zunächst Färbung und Zeichnung der verschiedenen Bienen- rassen in Betracht. Will man aber die Vererbung bestimmter Merkmale untersuchen, so ist vor allem genaue Kenntnis der Variabilität der 310 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Merkmale bei den zu bastardierenden Rassen erforderlich. „Das Studium der Vererbungserscheinungen“, sagt JOHANNSEN (1915) mit vollem Recht, „sollte stets mit der Variabilität anfangen“. Variabilitiitsstudien an den verschiedenen Bienenrassen fehlen aber bisher nahezu vollständig. Die bisherigen Diagnosen der verschiedenen Rassen sind außerordentlich dürftig. Den Anfang mit exakten Untersuchungen der Rasseneigentüm- lichkeiten der mellifica-Rasse einerseits, der lögustica-Rasse andererseits hat eigentlich erst BOVERI (1915) in seiner leider letzten Arbeit ge- macht'). Auch er weist darauf hin, daß „neue, den modernen Forderungen genügende Kreuzungsversuche zwischen deutschen und italienischen Bienen ein Postulat darstellen, bei dessen Inangriffnahme eine weit genauere Kenntnis der Rasseneigentümlichkeiten notwendig sein wird, als sie uns bisher zur Verfügung stand“. Die besonderen Merkmale der verschiedenen Rassen sind freilich lange nicht so in die Augen springend wie bei den außerordentlich stark variierenden und zudem sehr auffällig gefärbten Hummeln, bei denen (s. ARMBRUSTERS Beitrag) bereits umfangreiche Variabilitätsstudien vorliegen. Daß aber auch Variabilitätsstudien bei Bienen erfolgversprechend sind, zeigen bereits die BOVERIschen Resultate. Als eine Elternrasse wird man stets Apis mellifica-mellifica, die schwarze deutsche Biene, oder auch die biologisch von dieser verschiedene Varietät Apzs mellifica-lehzeni, die Heidebiene, verwenden können. Aller- dings sind die in Händen der Imker befindlichen Völker zum weitaus größten Teil nicht zu verwenden, da sie trotz äußerlicher Einheitlich- keit ein Gemisch verschiedenster Aufspaltungen darstellen. Jedoch wird schon an einzelnen Stellen aus wirtschaftlichen Gründen diesen üblen Folgen planloser Importe durch systematische Reinzucht entgegengearbeitet. Diese Bestrebungen kann man sich zunutze machen durch Bezug von Völkern mit bekannter Abstammung von den betreffenden Stellen, so daß man nur noch für Beschaffung der zweiten Elternrasse in wirklich rein gezogenen Individuen Sorge zu tragen hat. Selbstverständlich muß auch bei fehlerfreiem Abstammungsnachweis die Reinheit des speziellen Ausgangsmateriales durch Prüfung der Nachkommenschaft, insbesondere der gesamten J'J'-Sippe, besonders festgestellt werden. 1) Erwähnt seien noch die Variabilitätsstudien von CASTEEL und PHILLIPS (1903), die indessen andere Ziele verfolgten; sie untersuchten vergleichend die Variabilität der Drohnen und Arbeiterinnen (Dimensionen des Flügelgeäders und Zahl der Häkchen an den Hinterflügeln) und kamen gegen ihr Erwarten zu dem Resultat, daß die Drohnen stärker variieren als die Arbeiterinnen (vergl. dazu ARMBRUSTERS Beitrag S. 330f.). —— TEE Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen 311 Schwieriger ist die Wahl der zweiten Elternrasse. Das Nächst- liegende wäre, die /igustica-Rasse zu wählen, zumal, da die oben mit- geteilten Beobachtungen so gut wie ausschließlich an ersten Generationen geschlechtlicher Mischung der mellifiea mit der ligustica gemacht worden sind; auch BOVERI schlägt ja Kreuzung von mellifica mit ligustica vor. Aber gerade hinsichtlich der italienischen Rasse gilt das soeben Gesagte. Es sind zunächst ausgedehnte Variabilitätsstudien notwendig, um über die genetische Konstitution der lögustica-Rasse Aufschluß zu gewinnen. Es liegt Grund vor zu der Annahme, daß die italienische Biene aus einer Kreuzung von Apis mellifica-mellifica mit der ägyptischen Honig- biene, Apis mellifica-fasciata, hervorgegangen ist (s. VON BUTTEL-REEPEN 1906, 1915). Handelt es sich um ein konstantes Kreuzungsprodukt, so ist ja gegen die Verwendung der /égustica-Rasse nichts einzuwenden, aber das muß erst erwiesen werden; manche Beobachtungen sprechen dagegen. Zwischen der italienischen und der deutschen Rasse hat über- dies derartig oft Kreuzung stattgefunden, daß es — die Konstanz der hgustica vorausgesetzt — schwer sein dürfte, selbst aus Italien reines Material zu bekommen. Am interessantesten wäre wohl eine Kreuzung zwischen Apis mellifica-mellifica und Apis mellifica-fasciata. Die fasciata-Rasse unter- scheidet sich durch Färbung und Zeichnung wie auch durch verschiedene andere Merkmale deutlich von der deutschen Rasse. Da „Ägypten im ganzen noch ein verhältnismäßig wenige gestértes Gebiet“ ist (VON BUTTEL-REEPEN 1915), wäre die Beschaffung einer „reinen“ Rasse wohl nicht mit übermäßig großen Schwierigkeiten verbunden. Freilich ist auch die Verwendung der ägyptischen Biene zu den Experimenten mit gewissen Hindernissen verknüpft. Die Rasse ist außerordentlich empfind- lich gegen Kälte, und es ist nicht leicht, die Völker in Deutschland gut durch den Winter zu bringen. Außerdem besitzt die Rasse eine dem Bienen- züchter und vor allem dem Experimentator wenig angenehme Eigen- schaft: eine rasende Stechwut. Doch das sind Hindernisse, die nicht unüberwindlich sind. Es ist wiederholt behauptet worden, daß bei der fasciata-Rasse auch im normalen Volke, d. h. bei Vorhandensein der Königin, Arbeiterinnen Eier legen, daß, um es in der Imkersprache aus- zudrücken, auch im „weiselrichtigen“ Volke „Drohnenmütterchen“ auf- treten. Wäre das der Fall, so würden allerdings die Versuche dadurch eine erhebliche Störung erleiden, da dann Fy- und F2-Drohnen neben- einander vorkommen würden. VON BUTTEL-REEPEN (1906) gelang es indessen nicht, diese Angaben zu bestätigen, und er steht ihnen des- 312 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. halb skeptisch gegenüber. Immerhin wäre ein genaues Studium dieser Frage wie überhaupt der Biologie der ägyptischen Biene sehr am Platze. Auch aus diesen Gründen ist die Wiederholung des Versuches des Ber- liner Akklimatisationsvereines, die ägyptische Biene in Deutschland zu züchten (s. VOGEL 1856), sehr erwünscht. b) Regulierung der Begattung. Mit der Beschaffung wirklich einwandfreien Ausgangsmaterials ist zwar die größte Schwierigkeit, die den Versuchen entgegensteht, über- wunden, jedoch ist die nächste auch nicht einfach zu lösen, nämlich die Regulierung der Begattung. Jede Bienenkönigin wird nur einmal im Laufe ihres Lebens und damit nur von einer Drohne begattet. Dies ist ohne Zweifel in mannigfacher Hinsicht für Vererbungsversuche günstig. Dagegen ist sehr ungünstig, daß die Begattung immer außer- halb des Stockes erfolgt. Das Ideal wäre Erzwingung der Begattung innerhalb des Stockes durch Verhinderung des Ausfluges der Königin, sozusagen eine künstliche Isolierung. Auf diese Weise wird aber nie- mals der Zweck erreicht; das Resultat sind ausschließlich drohnenbrütige Königinnen. Die Begattung der Königin erfolgt regelmäßig im Freien, bald näher am Stand, bald weiter ab vom Stock; die Imker haben diesen einfachen Vorgang phantasievoll mit dem Zusatz „hoch in der Luft“ versehen. Es ist infolgedessen ohne besondere Maßnahmen nicht nur jede Regulierung, sondern auch jede Kontrolle der Begattung unmöglich. Räumliche Isolierung eines Volkes bietet auch deshalb keine Gewähr, weil über die Flugweite der Drohnen und der Königinnen keine zuverlässigen Maximalzahlen vorliegen. Als Entfernung, die an- geblich selten überschritten werden soll, werden 3 Kilometer bezeichnet, so daß man mit einer Entfernung von 7 Kilometern von jedem anderen Bienenstock gegen falsche Begattung „sicher“ sein soll. Dies ist aber ganz unzuverlässig. Seit in Kreisen der Bienenzüchter die Notwendig- keit der Reinzucht für die Erzielung leistungsfähiger Völker erkannt worden ist, streben diese durch Einrichtung von „Belegstationen“ Rein- zucht an. Es sind dies Stationen, die nachweislich weitab von jedem Dorf und Bienenstand, vorwiegend in weiten Waldgebieten oder Gebirgs- tälern liegen, so daß eine recht weitgehende Garantie gegen den Be- such fremder Drohnen erreicht wird. Auf diesen Stationen wird nur ein Bienenvolk mit Drohnen gehalten und die einzelnen Bienenzüchter schicken in kleinen Zuchtkästen die zu begattenden Königinnen mit einem schwachen Volk von Arbeiterinnen, aber absolut frei von Drohnen, Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 313 ein. Die Zuchtkästen werden auf der Belegstation aufgestellt und ge- öffnet, worauf die junge Königin jedes Zuchtkastens in wenigen Tagen den Hochzeitsflug unternimmt bezw. solange wiederholt, bis sie ihren Partner gefunden hat. Ist die Lage der Belegstation wirklich zuver- lässig, und wird scharfe Kontrolle über Drohnenfreiheit der eintreffenden Zuchtkisten geübt, so ist für die praktische Züchtung genügende Ge- währ gegeben, daß die eingesandten Königinnen von den Drohnen des einzig anwesenden vollständigen Volkes begattet werden. Der volle Erfolg dieser Einrichtung wird weiterhin nur erzielt, wenn dieses benutzte Drohnenvolk wirklich hohen Zuchtwert besitzt und genetisch gesprochen homozygot ist. Daß hiermit keine absolut einwandfreien Verhältnisse geschaffen sind, wie es für exakte Vererbungsstudien gefordert werden muß, ist hieraus ersichtlich; es besteht nicht die Gewähr, daß auffallende Vererbungserscheinungen sicher auf die Paarung der eingesandten Königin mit einer Drohne des auf der Belegstation aufgestellten Vater- volkes zurückzuführen sind!). Es wäre sehr erfreulich, wenn es-gelänge, bei künstlicher räumlicher Isolierung eine Begattung von Bienen- königinnen zu erzielen, z. B. in großen Gewächshäusern. Es wäre ein Verdienst, wenn ein praktischer Entomologe diese technische Einzelfrage zur glücklichen Lösung brächte. Damit würde eine feste Grundlage rationeller Reinzucht für wissenschaftliche Versuche an Bienen sowie für praktische Bedürfnisse geschaffen, die nicht nur unvergleichlich sicherer, sondern auch rascher Erfolge zeitigte als die mit unvermeid- lichen Mängeln behafteten Belegstationen. Zeitliche Isolierung, die DZIERZON angewandt hat (Bienenzeitung 1859, S. 201), bietet ebenfalls nicht genügende Gewähr. | c) Anfängliche Vermischung von P,- und F,-Arbeiterinnen. Neben diesen beiden Hauptschwierigkeiten experimenteller Unter- suchungen über Variabilität und Vererbung bei Bienen sind einige Fehlerquellen zu beachten, deren Vermeidung ungleich leichter gelingt, 1) Eine Belegstation, die m. E. weitestgehende Sicherheit bieten würde, ließe sich im Garten der Alten Akademie in München, in der sich das Zoologische Institut be- findet, begründen. Die Alte Akademie liegt gauz im Zentrum der Stadt, und im weiten Umkreise gibt es keine Bienenstöcke. Da der Garten von dem hohen Akademiegebäude vollkommen eingeschlossen wird, so ist es sehr wohl möglich, daß die Begattung der Bienenkönigin innerhalb des Gartens bezw. über ihm erfolgt. Nach dem Kriege hoffe ich mit diesbezüglichen Versuchen — wie auch mit Vererbungsexperimenten — beginnen zu können. NACHTSHEIM 314 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. jedoch protokollarisch für jeden einzelnen Versuch festgelegt werden sollte, damit die Zuverlässigkeit der Versuche von Dritten beurteilt werden kann. Zunächst liegt einmal eine Schwieriekeit darin, daß bei Beginn der ersten Eiablage der jungen Königin eine je nach Größe des Stockes oder Zuchtkastens verschieden große Anzahl von Arbeiterinnen vor- handen sein muß. 21 Tage nach Beginn des Eierlegens der jungen Königin sind die ersten F,-Arbeiterinnen da, und damit beginnt eine von Tag zu Tag sich steigernde Vermischung der P,-Arbeiterinnen und der F,- Arbeiterinnen. Infolgedessen kann das Studium der Variabilität bezw. Vererbungserscheinungen erst beginnen, wenn man sicher ist, daß die P,-Arbeiterinnen ausgeschieden sind, so daß nur noch Fı-Individuen vorhanden sind. Hierfür nun einen allgemein gültigen Termin anzu- geben, ist nicht möglich, da uns sichere Grundlagen über das Alter, welches Arbeiterinnen erreichen, fehlen. Es wird im allgemeinen mit 4—6 Wochen reger Arbeitstätigkeit und 6—8 Wochen Lebensdauer der einzelnen Biene (in der Haupttrachtzeit) gerechnet. Nach DZIERZON (1854, S. 72) sind in einem deutschen Stock, der mit einem italienischen 2 versehen wird, nach ea. 2 Monaten nur noch italienische Arbeiterinnen vorhanden. An den überwinternden Bienen sehen wir aber, daß dies kein wirklich allgemeingültiges Maß der Lebensdauer einer einzelnen Arbeiterin ist. Am besten sichert man sich gegen diese Fehlerquelle, indem man in dem ersten Lebensjahr einer jungen Königin von einer Beurteilung ihrer Nachkommen absieht und damit erst im nächsten Früh- jahr beginnt, es sei denn, daß es sich um die Entscheidung der im III. Kapitel unter b behandelten Frage der Steigerung der mütterlichen Farbenmerkmale der Nachkommen bei zunehmendem Alter der Mutter- königin handelt. Anfangs Mai sind von den überwinterten Bienen Keine mehr am Leben (DZIERZON 1854). d) „Stilles Umweiseln.“ Sogenanntes „stilles Umweiseln“ hat zur Folge, daß der Experi- mentator in einem Volke gleichzeitig zwei (Generationen gemischt vor sich hat. Geht z. B. die P,-Königin eines Kreuzungsversuches aus irgend einem Grunde ein, so werden die Arbeiterinnen des von ihr be- gründeten Volkes, also ihre direkten Nachkommen (Fı-$%), alsbald daran- gehen, die Zellen junger Larven zu Königinnenzellen auszubauen und die Larven besser zu ernähren. Diese wachsen infolgedessen nicht zu Ar- beiterinnen sondern zu Königinnen heran, zu sogenannten „Nachschaffungs- Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 315 königinnen“. Eine solche „Nachschaffungskönigin“ übernimmt nach er- folgtem Hochzeitsausflug und Begattung die Tätigkeit der in Verlust geratenen P\-Kénigin. In wenigen Wochen schlüpfen die ersten Nach- kommen dieser Nachschaffuneskönigin (F\-°) aus, so daß nunmehr in rasch steigendem Maße neben den bisher ausschließlich im Stock vor- handenen F,-Individuen Fs-Individuen auftreten. Eine Unterscheidung ist in kurzer Zeit nicht mehr möglich. Diese Fehlerquelle ist sehr leicht durch Zeichnung der P,-Königin mit beliebigem Farbenpunkt auf dem Rücken zu vermeiden, in der Art wie die Bienenzüchter sie vor- nehmen. Hierdurch ist jederzeit eine Kontrolle möglich, ob die ursprüng- liche P,-Königin noch vorhanden ist. Zweckmäßig ist es vielleicht auch darauf hinzuweisen, daß nach solcher unbemerkten Umweiselung der Versuch unter Umständen weitergeführt werden kann, insofern es ab- solut sicher ist, daß die neue zur Herrschaft gelangte Königin eine Tochter der ursprünglichen Königin (also F,-®) ist, da ja die Arbeiterinnen niemals befruchtete Eier legen, also auch keine weiblichen Nachkommen erzeugen können. Die männliche Nachkommenschaft der Nachschaffungs- kénigin kann daher unbedingt für den Versuch noch verwertet werden, da sie sicher eine F2-Generation darstellt, dagegen nicht die Arbeite- rinnen, da bei ihnen sich der Einfluß der keiner Kontrolle unterliegenden (weil unwissentlich vor sich gegangenen) Begattung geltend macht. e) Auftreten von Afterköniginnen. Bei unerklärlichen Vererbungserscheinungen bleibt ferner die Frage -zu prüfen, ob nicht trotz Vorhandenseins der Königin Arbeite- rinnen Eier abgelegt und somit Drohnen erzeugt haben. Diese so- genannten „Afterdrohnen“ sind ohne Zweifel vollwertige Männchen und entsprechen in dieser Hinsicht voll und ganz den Drohnen, die die Königin erzeugt hat, jedoch sind sie in genetischer Hinsicht von diesen wesentlich verschieden, denn sie sind in einem F}-Volke Fs-Individuen, daher können sie nicht den von der Königin erzeugten Drohnen gleichen, weil diese F,-Individuen, und zwar vollständig muttergleiche F, -Indi- viduen, sind. Über die bezeichnete Frage ist sehr viel gestritten worden. VON BUTTEL-REEPEN, dieser ausgezeichnete Kenner der Bienen und der apistischen Literatur, äußert sich wiederholt darüber, zuletzt in seinem wertvollen Werk (1915, S. 218) mit den Worten: „Das ist bei der deutschen Honigbiene nicht oder ganz überaus selten der Fall; eine wirklich exakte Beobachtung liegt meines Wissens überhaupt nicht vor, während es bei der ägyptischen Apis faseiata häufiger in die Erscheinung 316 Armbruster, Nachtsheim, Roemer, treten soll. Doch kann ich nicht bestätigen, daß es dort „regelmäßig“ vorkommt, wie man früher behauptete.“ Es wurde oben bereits darauf hingewiesen, daß bei Verwendung der fasciata-Rasse zu den Vererbungs- experimenten die Frage des Vorkommens von Afterköniginnen im weisel- richtigen Stock einer vorherigen Prüfung bedürfte. f) Verfliegen von Drohnen und Arbeiterinnen. Sicher ist, daß hin und wieder, trotzdem die Bienen im allgemeinen mit Eindringlingen aus fremden Stöcken kurzen Prozeß machen, sowohl Arbeiterinnen wie Drohnen aus fremden Völkern eindringen und auch im Stocke bleiben. Drohnen verfliegen sich häufiger als Arbeitsbienen, jedoch auch für diese ist es sicher beobachtet (VON BUTTEL-REEPEN 1915). Wie sehr dieser Umstand von Einfluß sein kann, sehen wir an dem historischen Beispiel DZIERZONs, der an seiner durch zahlreiche und sorgfältige Beobachtungen gesicherten Theorie der parthenogenetischen Entstehung der Drohnen nach vielen Jahren zweifelte, weil er in einem F,-Bastardvolke (deutsche Königin X italienisches JS) einige der ligustica- Rasse entsprechende Drohnen fand (1854, S. 63/64). Diese dürften sicher aus benachbarten Stöcken eingeflogen sein. VON BERLEPSCH schreibt schon 1856 (S. 4): „Allenthalben suchen die Italiener in fremde Stöcke einzudringen.“ Gegen das Eindringen fremder Drohnen könnte man sich leicht schützen durch Verwendung von Schiebern mit ver- schiedenen SchlitzgréBen, die an dem Ausflugloch angebracht werden. Diese verhindern das Ein- und Ausfliegen für die breiten Drohnen. Gegen das Verfliegen von Arbeiterinnen — übrigens eine Erscheinung, die schon DZIERZON (1854, S. 62 und 130) erwähnt — kann man sich durch getrenntes Aufstellen der Zuchtvölker und Zuchtkästen schützen. Auf den Ständen der Imker ist sie wohl meist eine Folge davon, daß viele Völker nebeneinander aufgestellt sind. Da man aber aus den oben dar- gelegten Gründen die Vererbungsexperimente nicht auf dem Stande eines Imkers durchführen kann, sondern nur weitab von Bienenständen, so wird man unschwer die Versuchsvölker isolieren, wenigstens sie soweit voneinander aufstellen können, daß die Gefahr des Verfliegens bei dem scharf ausgeprägten Ortssinn der Bienen minimal ist. g) Instinktsirrungen. Zum Schlusse sei noch darauf hingewiesen, daß für das Auftreten extremer Varianten auch sogenannte „Instinktsirrungen“ verantwortlich gemacht werden können. Solange die Variabilität und Vererbung der Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 317 Färbung und Zeichnung Gegenstand der Untersuchung ist, kommt dies allerdings kaum in Frage, wohl dagegen für die Beurteilung der Variabilität der Größe. So entstehen z. B. sehr kleine Drohnen, wenn die Ar- beiterinnen Arbeiterzellen, in denen unbefruchtete statt befruchteter Eier abgelegt worden sind, statt gewölbt, wie in solchen Fällen üblich ist („Buckelbrut“), flach deckeln. Den in solchen Zellen entstehenden Drohnen steht weniger Raum als in den normalen Drohnenzellen oder in den gewölbt gedeckelten Arbeiterinnenzellen zur Verfügung, sie bleiben daher wesentlich kleiner als die normalen Drohnen. Solch extreme Minusvarianten sind also keineswegs das Produkt irgendwelcher gene- tischer Ursachen, sondern sind auf Instinktsirrungen zurückzuführen. VY. Die Hummeln. LUDWIG ARMBRUSTER, Dahlem. Zur Einführung (Terminologie). Das Studium der Vererbungserscheinungen bei den höheren Hymeno- pteren muß insofern ganz besonders verlockend erscheinen, als hier die Natur unter wesentlich anderen Voraussetzungen arbeitet, als bei den meisten bisher untersuchten Objekten. Hier hat der eine Teil der Konjuganten und der eine Teil der Nachkommen, nämlich das gesamte männliche Geschlecht, eine ganz anders zusammengesetzte Erb- masse, als das weibliche Geschlecht. Die Art, wie der Genotypus der Männchen von dem der Weibchen sich unterscheidet, muß für den Theo- retiker ebenso interessant erscheinen, als sie für den Experimentator unmöglich herstellbar ist. Die zytologische Erklärung der MENDELschen Vererbungstheorie ist zwar in mehr als in einem Punkt noch sehr hypothetisch. Indes sind die kompliziertesten, interessantesten zytologischen Einzelheiten z. B. die Karyokinese sozusagen .erst verständlich geworden, als man sie irgendwie in Beziehung zur Vererbung brachte, zunächst zur Amphimixis (im Sinne WEISMANNS), sodann zur Spaltung und Neukombination von Erbfaktoren, also zu Kernfragen des Mendelismus. So ist auf die ebenso peinlich als hartnäckig im ganzen Organismenreich durchgeführte Reduktionsteilung bei der Reifung beider Keimzellenarten neues Licht gefallen. Bei der Reduktionsteilung werden die Gene oder Erbfaktoren- paare, die Allelomorphs getrennt, damit dann in der Befruchtung eine Neukombination stattfinden kann. 318 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Weil diese zytologischen Voreänge bei den höheren Hymenopteren sicher andere sind als bei der Mehrzahl der genetisch untersuchten Metazoen, muß also auch die Vererbungsweise in bezeiehnender Weise hier abgeändert sein. Trotz mancher dunkler und darum strittiger Punkte ist das eine Resultat der Keimzellenforschung bei Hymenopteren stets aufs neue be- stätigt worden, daß zum wenigsten die Chromosomenausstattung der Männchen eine andere ist als die der Weibchen (vergl. u. a. ARMBRUSTER 1913 a und b). Das steht in erfreulichster Übereinstimmung mit der zweiten, ebenso interessanten, auch auf anderem (z. B. biologischem) Wege immer wieder bewiesenen Tatsache, dab die Männchen aus parthenogenetisch sich entwickelnden Eiern entstehen (vergl. u. a. ARMBRUSTER 1913 a und b, 1914, 1916), und zwar aus Eiern, die genau wie alle andern gereift sind, die insbesondere die regelmäßigen Reifungsteilungen durchgemacht haben. Gleichgültig ob man nun die Gene in den Chromosomen lokalisiert oder nicht: jeder, der die „Reifungs“-Teilungen in Beziehungen bringt zur Spaltung der Erbfaktoren, wird zugeben, daß jedes Individuum A, das entstanden ist aus einem Gameten, dessen Gene gespalten aber nicht neu kombiniert sind (Reduktion ohne, folgende Befruchtung, Par- thenogenese STRASBURGER = generative Parthenogenese WINKLER — haploide Parthenogenese HARTMANN), eine andere genetische Be- schaffenheit, eine andere „zygotische Konstitution“ (JOHANNSEN) besitzt als jedes Individuum B, das entstanden ist aus einem Gameten, in dem etwa die Gene nie gespalten wurden, sondern ohne weiteres in der ersten mütter- lichen Kombination weiter wirken (keine Befruchtung aber auch keine vor- hergegangene Reduktion = Apogamie STRASBURGER = somatische Par- thenogenese WINKLER — diploide Parthenogenese HARTMANN), oder auch jedes Individuum C, das entstanden ist aus der Vereinigung zweier Gameten (von denen jeder gespaltene Gene aufwies, die aber dann bei der Vereinigung der Gameten zur Neukombination kamen). Die Eigenart der zygotischen Konstitution eines solchen Individuums A wird man am besten inne, wenn man sich klar macht, daß theoretisch ein Individuum A nie eigentlich heterozygot aber auch nie eigentlich homozygot sein kann, wie dies beim Individuum C aber auch B der Fall ist!). 1) Über das genauere Verhältnis von azygot, heterozygot und homozygot habe ich mich an anderer Stelle zu äußern. Bei den (tierischen und pflanzlichen) Protisten mit ihren überreichen Fortpflanzungs- möglichkeiten (Fortpflanzungsbiologie!) und ihrer zeitlich sehr verschieden fallenden Reduktion (Chromosomengeschichte!) kann man, worauf mich Herr Prof. HARTMANN auf- merksam machte, noch einen Fall D unterscheiden, von dem später mehr gesagt werden soll. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 319 Um diese im folgenden näher zu studierende, interessante gene- tische oder zygotische Konstitution von den Fällen B und © scharf, wie es sich gehört, zu unterscheiden, möchte ich sie „azygot“ nennen, also z. B. von „azygoten Individuen* reden, ähnlich wie man von homo- zygoten oder heterozygoten Individuen spricht. Bei dem Ausdruck azygot (und zygot) darf man natürlich nicht in erster Linie denken an die Zygote etwa.der Konjugaten-Algen (fortpflanzungsbiologischer oder schließlich zytologischer Begriff!); aber das hat man sich ja auch schon längst abgewöhnt bei den unverdrängbaren Ausdrücken homozygot und heterozygot, welche mit der Zeit ganz und gar genetische Begriffe, Termini der Vererbungslehre geworden sind. Und die Vererbungslehre tut doch gewiß gut daran, wenn sie sich grundsätzlich nicht (also auch in der Terminologie nicht) vorzeitig auf bestimmte zytologische Theorien oder mechanistische Vorstellungen festlegt. Wem azygot und zygot noch zu sehr zytologisch klingt, der könnte für das, was hier damit gemeint ist, auch monogen und amphigen sagen (vergl. isogen, gene- tisch); aber auch monogen wurde schon z. B. von JOST in rein fort- pflanzungsbiologischem Sinn gebraucht! Der Fall A und B braucht fortpflanzungsbiologisch nieht unter- schieden werden, die beiden Fälle wurden bis jetzt unter den einen Begriff Apomixis und viele ähnliche zusammengefaßt. Die eigentlich chromosomengeschichtlichen Begriffe haploid und diploid werden sich zwar — auch nach meinem zytologischen Standpunkt — in den meisten Fällen decken mit azygot und zygot'), aber nicht notwendiger- weise, zumal nicht bei den Hymenopteren, bei denen das bloße Zählen der Chromosomen bereits nicht geringe Überraschungen gebracht hat und zweifelsohne noch bringen wird. Außerdem legt man sich mit diesen Begriffen prinzipiell zu sehr auf stofflich-morphologische, zu sehr auf mechanistische Vorstellungen über den Begriff Gen fest: Eine reinliche Scheidung zwischen 1. der fortpflanzungsbio- logischen, 2. der morphologisch-zytologischen (chromosomengeschicht- lichen) und 3. der eigentlich vererbungsphysiologischen (genetischen, zygotischen) Terminologie erscheint mir dringend nötig. 1) Wenn man also azygote Individuen untersuchen will, wird man sich zunächst an die haploiden halten. 320 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. 1. Kapitel: Zur Variabilität des Außenmerkmals (die morphologische Analyse der Hummelfärbung). Bei den Hummeln ist man zunächst in der angenehmen Lage für Vererbungsstudien ein Außenmerkmal benutzen zu können, das bereits vielfach und unter den verschiedensten Gesichtspunkten untersucht worden ist, nämlich die Färbung und Zeichnung des Haarkleides. Kurz zusammengefaßt lauten die Resultate der bisherigen Studien über die so sehr veränderlichen Hummelfärbungen: HOFFER (1905), FRIESE & WAGNER (1904 ff.) halten die Hummelfärbungen in erster Linie für Modifikationen (im Sinne von FRUWIRTH und BAUR L. A.), Vo@GT (1909f) hält sie für Mutationen, ich möchte sie im fol- genden nicht nur für Kombinationen erweisen, sondern auch in diesem Sinne theoretisch verwenden. Es wären also nach meiner Ansicht die auffallenden Hummelfärbungen in erster Linie MENDELSche Vererbungs- erscheinungen, freilich MENDEL-Fälle von höchst merkwürdiger Eigenart'). Die MENDELsche Betrachtungsweise scheint mir erklären zu können 1. die ungewöhnliche Farbenvariabilität der Hummeln überhaupt, 2. die Variabilität der Hummelfärbung in ein und demselben Nest, 1) Wenn diese Aufstellung richtig ist, wird man konsequenterweise und zur Vor- beugung jeden Mißverständnisses z. B. die in ein und demselben Nest auftretenden Färbungs- „Typen“ oder „Formen“ usw. nicht mehr mit der systematischen Begriffs- bezeichnung „Sippe“ oder ,,Variatio“, Varietät („var.“) oder gar subspecies benennen dürfen, sondern man wird am besten die Bezeichnung „Combinatio“ („comb.“) einführen in enger inhaltlicher und sprachlicher Anlehnung an den wohleingeführten Baurschen Begriff „Kombination“ in obigem Sinne. Über das Verhältnis von combinatio zu aberratio habe ich mich anderwärts auszusprechen. Es heißt also im folgenden nicht mehr z. B. „Bombus pratorum var. luctuosus“ sondern „Bombus pratorum comb. luctuosus“. Der unterscheidende Zusatz typus, Typ ist am besten zu ersetzen durch eine eigentl. Farbenbezeichnung, durch einen eigentl. Namen. Der Bezeichnung Bombus pratorum typus Fr. et W. wird man prinzipiell die synonyme Bezeichnung B. pratorum comb. subinterruptus K. vorziehen oder der Bezeichnung B. pratorum typus Alfk. die synonyme Bezeichnung B. pratorum comb. dorsatus Fr. et W., im Einklang mit den Prioritäts- gesetzen. „Var.“ ist im folgenden durch „comb.“ ersetzt, auf die Bezeichnung „Typ“ konnte noch nicht verzichtet werden. Leider fehlt bei PLATE 1914 (Prinzipien der Systematik mit besonderer Be- rücksichtigung des Systems des Tierreichs. In Kultur der Gegenwart III, 4, 4) die Kategorie „Kombination“ (Mutation und Modifikation ist vorhanden). Biotypus umfaßt die isogenen Individuen, während „Kombination“ auch sämtliche isophaenen Individuen umschließt. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 39] 3. die Eigenart der spezifischen Hummelausfärbungen, 4. die bisher angestaunten singulär auftretenden Plus-Minus- Abweichungen, endlich 5. zum Teil auch das geographisch begrenzte Auftreten und Vorherrschen bestimmter Färbungstypen. Auf die bisherigen Erklärungsversuche der schon lange beachteten und schon überaus fleißig studierten!) Hummelkoloristik (sechs ausführ- liche Arbeiten liegen bereits vor) einzugehen, muß ich mir für eine andere Stelle vorbehalten. Aus dem reichlich zutage geförderten Beobachtungs- material möchte ich nur zum Verständnis für das Folgende die mir wohl begründet erscheinenden Regeln der Hummelausfärbung, kurz zu- sammengestellt, anführen. Als Belege und als Hilfsmittel zum Studium derselben verweise ich namentlich auf die übersichtlichen, verdienst- vollen Farbentafeln bei FRIESE & WAGNER. Die Farben des Kopfes, der Körperunterseite und des siebenten Abdominalsegmentes bleiben im folgenden unberücksichtigt. Es handelt sich stets nur um Haar- nicht etwa auch um Chitinfärbungen. 1. Die Zahl der Hummelfarben ist begrenzt. Es handelt sich nur um Schwarz, Weiß (mehr oder weniger rein), Rot (mehr oder weniger leuchtend) und Gelb (mehrere Schattierungen, hellchromgelb bis rötlich- gelb). Eine Anzahl von Hummelfärbungen lassen sich auf diese Grund- farben zurückführen; sie entstehen dadurch, daß z. B. Haare von zwei der genannten Färbungen fein verteilt durcheinander stehen und so den Eindruck einer Mischfarbe erzeugen (z. B. schwarzweiß, schwarzrot, schwarzgelb, gelbweiß). In manchen Fällen sind nur die Haarspitzen weiß. Dadurch entstehen hellere Farbwerte von etwas unbestimmterem Aussehen. 2. Auch diese wenigen Farben treten nicht zu jeder beliebigen Zeichnung zusammen. Die Farben sind in ausgesprochener Weise metamer, also segmental angeordnet, indem die einzelnen Segmente in den meisten Fällen eine und dieselbe Färbung (unter Umständen -Mischfärbung) aufweisen. Metamere Scheckung ist nur bei einer kleinen Artgruppe angedeutet (im Gegensatz z. B. zu Vespa und mehreren Apiden, z. B. auch Schma- rotzerhummeln, namentlich wenn man die Chitinfärbung mit berück- sichtigt). Die Zeichnung wird daher relativ einfach, prägnant, bunt- wirkend. Die Binden spielen eine wichtige Rolle. Die Mittellinie des ) Voar z. B. untersuchte über 75000 Hummelexemplare. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII, 2] 322 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. dritten Hinterleibsegments tritt ebenfalls ähnlich wie die Segmentgrenzen als Farbengrenze auf. Die Thoraxsegmentgrenzen sind weniger deut- liche Farbengrenzen. 3. Die Verbreitung der Einzelfarbe erscheint örtlich be- schränkt und zwar Rot mehr auf die abdominale, Gelb (besonders Chrom- gelb) mehr auf die orale Körperhälfte, Schwarz (in vereinzelten Fällen auch Weiß) hat die Neigung, namentlich auf der dorsalen Medianlinie sich auszubreiten und dadurch bisweilen die segmentale Farbenanordnung zu stören (die Binden median zu trennen: B. soroensis; B. pratorum; B. confusus bistellatus; auch B. agrorum tricuspis; B. pomorum nigro- maculatus). Eine Neigung zur Schwarzfärbung zeigen besonders die Mittelsegmente von Thorax und Abdomen (schwarze Mesothoraxbinde, schwarze dritte Abdomsegmentbinde). Das After (Segment 3—6, manchmal 2'/.—6: B. mastrucatus, 3'/2—6: B. soroensis, 2—6 B. po- morum, B. mucidus) ist fast immer einfarbig und zwar meist reinfarbig, nach obigem also nicht chromgelb, höchstens gelblich ohne echte Binden. Schwarz kann von vorn nach hinten dringen, es kann das Afterrot mehr oder weniger ausgiebig verdrängen. Nur bei einer Artengruppe der Steppenhummeln scheint das Afterschwarz vom kaudalen Ende her vor- zudringen (B. eversmanni, B. lassus, B. melanurus). 4. Die Ontogenie der Färbung ist verschieden beschrieben worden. Die jungen Imagines verlassen den Kokon mit fast unpigmen- tierten Haaren. Ihr Aussehen ist grauweiß. Schwarz, speziell das Schwarz der vorderen Körperhälfte entsteht über Hellgrau, Dunkelgrau. Zum wenigsten erscheint das Schwarz stets als Endresultat des Aus- färbungsprozesses; wahrscheinlich färbt sich aber auch Gelb nicht mehr weiter um, Gelb im weitesten Sinn genommen. Die Umfärbung in Schwarz erfolet in vielen Fällen so, daß im hellen Bezirk vereinzelt schwarz ausgefärbte Haare auftreten, die sich auf Kosten der hellen vermehren. Die Ontogenie der Haare mit andersfarbiger Spitze ist noch nicht bekannt. 5. Über Färbungseigentümlichkeiten als sekundäres Ge- schlechtsmerkmal läßt sich z. Z. noch nichts Sicheres mitteilen, ob- wohl diese Fragestellung gerade bei Hymenopteren für unser Thema von größter Tragweite ist. Aus zahlreichen Angaben bei verschiedenen Hummelspezialisten geht hervor, daß wahrscheinlich die Männchen wie bei vielen anderen Hymenopteren, speziell Apiden, auch bei den Hummeln ausgezeichnet sind gegenüber dem anderen Geschlecht durch reichlicheres Auftreten von weißen Haaren. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 393 e 6. In Ubereinstimmung mit Obigem besteht das Variieren der Hummelfärbungen darin, daß a) in dem vorderen Körperteil (Thorax + Segment 1—3, bezw. 1—2, 1—2!/s, 1—3!/s) das Schwarz von der Thoraxmitte und dem dritten Abdominalseement ausgehend verschieden stark vertreten ist, gegenüber dem a) Weiß, 6) Gelb (im weitesten Sinne), y) irgend einer Kombination Weißgelb; b) in dem hinteren Körperteil (After) das Schwarz in ver- schiedenem Maße vertreten ist auf Kosten des «) Weiß (seltener des Gelblich), 8) des Rot (der häufigere Fall). Es handelt sich also im Grunde wahrscheinlich um ein quanti- tatives Variieren. Im hinteren Körperteil liegt aber tatsächlich oft nur die Alternative vor, ob Schwarz vollständig vorherrscht, oder vollständig fehlt. Stark unabhängige voneinander erscheint das Variieren im vorderen und hinteren Körperteil, einigermaßen unabhängig in den einzelnen Segmenten des vorderen Körperteils. Offenbar infolge dieser Variations- eigentümlichkeit kann man die Hummelvarianten einer Art zunächst ein- teilen nach der Afterfärbung. Aber auch sonst lassen sie sich in ihrer Gesamtheit, trotz der Variationsbreite, leicht klassifizieren. Es finden sich mit anderen Worten prägnante Farbenkombinationen vor. 7. Wo die bisherigen Regeln deutlich Ausnahmen erleiden, handelt es sich entweder um Arten, deren sämtliche Vertreter einen ganz anderen Färbungscharakter aufweisen, die sog. diffuse Färbung (z. B. B. varzabilıs, B. muscorum usw.) oder um geographische Faunen, die durch extreme Lebenslage des Wohngebiets isoliert sind (z. B. After von D. lapponieus; die Steppenhummeln). Eine Hummelgattung, die überaus vieleeines hochentwickelte Gattung B. hortorum scheint sich auch dadurch auszuzeichnen, daß bei ihr eine sog. Korrelation (im Sinne der älteren statistischen Schule) besteht zwischen dem Vordringen des Schwarz im vorderen und im hinteren Körperteil. Dies zeigt sich wenigstens auf der beifolgenden Fig. 4 (VoGT 1909, Taf. 1) für eine Reihe von Männchen. Im gleichen Maße, wie Schwarz im oralen Teil sich ausbreitet, nimmt auch Schwarz auf dem After zu, und zwar hier von der kaudalen Bee her. Ähnliches besagen folgende zwei Feststellungen: VOGT (1909, S. 14) machte die Beobachtung: „Niemals wird eine stark schwarzafterige Form aus- ar 324 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. gesprochen gelbe Binden haben (als ausgesprochenes Beispiel sei B. mastrucatus angeführt)“. Und FRIESE und WAGNER (1909, S. 66) be- merken, es seien „fast alle rotafterigen Hummeln durch den Besitz gelblicher Haare auf Kopf, Thorax und Abdomenbasis, die unter die schwarzen Haare verstreut sind und bei den Insassen eines und des- selben Nestes in recht wechselnder Ausdehnung angetroffen werden‘, charakterisiert. Aus dem Vergleich der Vo@Tschen Figuren (siehe auch Figur 4) geht hervor, daß das Schwarz bei den einzelnen Arten. wie verschiedentlich schon erwähnt, in regelmäßiger Weise auf Kosten der hellen Partien sich vermehrt, daß aber diese Regelmäßigkeit von Art zu Art sich einigermaßen verschiebt. Sehr bemerkenswert erscheint es, daß die erwähnte koloristische Unabhängigkeit des vorderen und hinteren Körperbezirks nach VOGTs Figuren auch bei den Schmarotzerhummeln (Psithyrus rupestris) festgestellt werden. kann. Das Schwarz kann zwar in verschiedener Ausdehnung auf den Aftersegmenten 3—6 (kaudalwärts fortschreitend) vorhanden sein, aber diese Zunahme ist unabhängig von der Zunahme im vorderen Körperteile. Ein anderer Punkt unterscheidet in bezeich- nender Weise die Schmarotzerhummel von der Mehrzahl der echten Hummelarten. Im vorderen Körperteil tritt nämlich (z. B. bei Psythyrus rupestris) die Schwärzung so auf, dal} nicht jedes Segment einheitlich durchgefärbt erscheint, sondern daß eine metamer angeordnete Scheckung entsteht. Dabei handelt es sich nicht nur um verfärbte Haarspitzen, sondern sozusagen um eine „echte Scheckung“. Die Regeln 1, 2, 3 und 6 zeigen, daß es sich bei den Hummel- färbungen nur anf den ersten Blick um ein Chaos handelt, daß aber tatsächlich die Zahl der Möglichkeiten relativ begrenzt ist. Bei den meisten Arten handelt es sich zunächst um die Entscheidung: ob die vordere Körperhälfte eine deutlich gelbe Grundfärbung erhält oder nicht (sonst irgendwie hell’), ob die hintere Körperhälfte rote Grundfärbung erhält oder nicht rote (weiß, gelblich); und bei einer großen Zahl von Arten wird ferner eine Entscheidung getroffen, ob außer Mesothorax + drittes (Abdominal-) Segment auch Nach- barbinden geschwärzt werden oder nicht (sekundäre Möglich- keit: ob irgendwie teilweise oder gänzlich), 1) In diesem Punkte scheinen mir mehr als sonst auch Milieueinflüsse mit- zuwirken. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 325 ob es hierbei bleibt, oder ob auch noch Prothorax —+ erstes Segment geschwärzt wird (sekundäre Möglichkeit: ob irgend- wie teilweise oder gänzlich), endlich ob die hellere Afterfarbe durch Schwarz verdeckt wird oder nicht (und dabei geht wiederum totale Schwärzung der vorderen Körperhälfte vielfach Hand in Hand mit totaler Schwärzung der hinteren Körperhälfte). Bei dieser Sachlage spricht doch alles dafür, daß großenteils von einander unabhängige Faktoren, die MENDELschen Erbfaktoren ihre so bezeichnende alternative Wirkungsweise ausüben. Besonders deutlich ist diese Wirkungsweise bei den Ausfärbungsverhältnissen des Afters. Der vorderen Körperhälfte scheint bei der besagten Artengruppe ein ziemlich starrer Färbungstypus, ein Stammtypus, eine Stammkombination, zugrunde Fig. 4 (Erklärung S. 323 f.). zu liegen: helle Grundfärbung mit schwarzem Mesothorax und schwarzem dritten Segment. Er wurde schon bei den nachfolgenden zahlreichen Hummelarten verkörpert vorgefunden und hat die beigefügten (verbesse- rungsbedürftigen!) Namen erhalten: B. soroensis dives, B. terrestris scutatus, patagiatus, ca simlaensis B. derhamellus, albocaudatus, simulatilis, cullumanus (helle Komb.) B. pratorum flavicolor, B. silvarum typus FR. und W. (helle Komb.), daghestanicus, ca albicauda, B. lapidarius incertus, nigritulus, albidulus, ca alticolor, B. horlorum asiaticus, B. mendazx latofasciatus, B. kirbyellus typus FR. und W., B. pyrenaeus typus FR. und W. (Pyrenäen), brod- mannicus (Kaukasus), B. niveatus typus FR. und W. (Balkan), ca griseo- fasciatus (Kaukasus), vorticosus (Griechenland), ca skorikowi (Trans- kaukasien, Persien), B. melanurus apicatus, silantjewi. Die übrigen Binden der vorderen Körperhälfte variieren ziemlich stark, und zwar nicht nur rein alternativ, wie wir sahen (ob schwarz 326 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. oder gar nicht schwarz) sondern vielfach quantitativ (ob mehr oder weniger schwarz). Es handelt sich um viele Kombinationsmöglichkeiten, also, wie man zunächst vermuten wird, um zahlreichere Erbfaktoren mit kumulativer Polymerie. Auch die merkwürdige Erscheinung, daß gerade zwei Binden relativ konstant bleiben (der erwähnte Stammtyp), die übrigen aber variieren, ist mendelistisch viel einfacher zu erklären als etwa auf Grund der Modifikationstheorien HOFFERS und FRIESE-WAGNERS: sie sind ge- färbt durch eigene Erbfaktoren, in denen die Hummeln unserer Fauna homozygot sind, und sie werden darum zäh vererbt und fast stets an- getroffen. Erbfaktoren fallen dem, der nach ihnen sucht, bekanntlich am ehesten und sichersten auf, wenn sie abwesend sind. Es gibt abeı nun Kombinationen der betr. Hummelarten, bei denen diese fraglichen Erbfaktoren, die für die Schwärzung der beiden konstanten Binden ver- antwortlich zu machen sind, fehlen, denn die ganze vordere Körperhälfte ist bei diesen Formen hell durchgefärbt. Auf Grund der Häufigkeit dieser Formen kann man dann weitere Schlüsse über die Zahl und Wirkungsweise diese Faktoren machen. (Näheres hierüber im folgenden Kapitel.) Damit hoffe ich gezeigt zu haben, dab es sich, wie ich schon 1914 (Probleme des Hummelstaates, Kapitel 6, Farbenvarietäten im selben Hummelnest, S. 703) betont hatte, bei dem auffallenden Variieren des Hummelkolorits am ehesten um MENDELsche Vererbungserscheinungen handelt. Und zwar ist bei der oben erläuterten Eigenart der Erb- faktoren erklärt: 1. die ungewöhnliche Variationsbreite, 2, der auffallende Charakter der Farbenvariabilität, sodann 3. die bisher augestaunten singulär auftretenden extremen Plus- Minusabweicher, und namentlich 4. die bislang rätselhaft erscheinende starke Variabilität im gleichen Hummelnest. An anderer Stelle soll endlich auf mendelistischer Grundlage noch erläutert werden: 5. die von Art zu Art mehr oder weniger wechselnden Besonder- heiten der Variabilität, der Ausfärbung und 6. das geographisch begrenzte Auftreten und Vorherrschen ge- wisser Färbungskombinationen (bezw. Färbungsmodifikationen und Mutationen). Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 397 Daß bei dieser Eigenart der Färbungsvariabilität die Hummeln nicht nur allgemeines Interesse beanspruchen dürfen, sondern auch von allen Hymenopteren sich für Vererbungsstudien in erster Linie eigenen, liegt auf der Hand (vergl. ARMBRUSTER 1914). 2. Kapitel. Die Populationsanalyse. Bei azygoter Vererbung kann man die Erbformel eines Indi- viduums und zwar einer Königin auf wesentlich einfacherem Wege feststellen, als in allen Fällen der gewöhnlichen, der zygoten Vererbung. Dort ist die geeignete Bastardierung und sorgfältige Beobachtung von F,; und wenigstens noch Fs das epochemachende, aber das in den meisten Fällen sehr mühevolle Hilfsmittel gewesen, die Erbformel eines P-Tieres festzustellen. Bei dem gewöhnlichen Wege der Bastardanalyse genetisch unbekannter Individuen mußte man andere Individuen zur Hand haben von bekannten Erbformeln, und man muß je nach dem Genotypus der letzteren die Aufzucht, und vor allem die genaue Untersuchung einer eroßen Zahl von Kreuzungsprodukten in Kauf nehmen. Bei der azygoten Vererbung verrät uns das zu untersuchende Individuum seine genetischen Geheimnisse in einer für uns wesentlich bequemeren Weise, nämlich ohne Bastardierung. Es läßt uns z. B. die Hummelkönigin in ihren azygot-parthenogenetisch erzeugten Nachkommen alle ihre Gameten sehen, das sind alle möglichen Kom- binationen ihrer Erbfaktoren. Bei der Untersuchung der ‘genetischen Konstitution der Männchen kann man gar schon manches, bei einiger Vorkenntnis sehr vieles, aus ihrem Phänotypus ablesen, weil er nor- malerweise hier mehr als irgendwo mit dem Genotypus übereinstimmen muß. Bei der Untersuchung bräuchte man noch künstliche Nester, aber zunächst weniger zur Bastardierung als zum Sammeln der Brut des einen P-Weibchens. Bei den Männchen kann man hier gar zum guten Teil auf das Experiment verzichten und sich wieder der vor- mendelistischen Methode, der statistisch beobachtenden Methode bedienen, um Genetik zu treiben. Ein durch das Experiment geschulter Blick muß allerdings vorausgesetzt werden. Das Experiment, die Bastardanalyse, kann uns andererseits die durch Beobachtung durch Po- pulationsanalyse gewonnenen Kenntnisse nachprüfen und wie wir sehen werden in einem Punkte schön erweitern. Auch der azygote Ursprung der Hummelmännchen dürfte sich durch bloße beobachtende Analyse nachprüfen lassen, dadurch daß die Männchenfärbungen, nach Art und Zahl mit den Weibchenfärbungen 328 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. verglichen werden. Zunächst fragt es sich, ob es überhaupt Färbungs- kombinationen gibt, die nur bei Männchen, nicht aber bei Weib- chen vorkommen. Es ist nicht von der Färbung im allgemeinen die Rede, denn nach zahllosen Notizen unter dem reichlich vorliegenden Beobachtungsmaterial sind in vielen Genera die Männchen etwas lichter gefärbt als die Weibchen, offenbar deswegen, weil bei den Männchen häufiger weiße Haare oder farbige Haare mit weißen Haarspitzen ein- gemengt sind. Tatsächlich ist dieses Auftreten weißlicher Haare im männlichen Geschlecht bei mehreren Bienenfamilien häufig. Man könnte vielleicht in dieser Eigentümlichkeit ein sekundäres Geschlechtsmerkmal sehen. _Diese Eigentümlichkeit (die gewiß z. B. auf ihre Ontogenie noch näher untersucht werden muß) verdeckt aber die eigentliche Farben- kombination des Individuums keineswegs. Auf Grund des bereits vorliegenden Beobachtungsmaterials läßt sich nicht beweisen, daß es eine Farbenkombination gibt, die nie bei Weibehen vorkommt. Ein exakter Beobachtungsbeweis, also eine voll- ständige Induktion, ist freilich sowohl für das Ja als Nein so gut wie unmöglich. Aber ganz mühelos kann man aus den bisherigen Beob- achtungen entnehmen, daß gewisse Färbungskombinationen bei den Männchen sehr häufig, bei den Weibchen sehr selten sind, so daß man von einigen männlichen und einigen weiblichen Färbungs- kombinationen reden könnte. Als Männchenfärbungen erscheinen bei den bis jetzt beob- achteten in der Literatur verzeichneten Nestbefunden die Kombination martes der Spezies B. pratorum, die Kombination festivus mit breiten gelben Binden der Spezies B. confusus, die rotgefärbte Form von B. variabilis, endlich die Kombination italicus der Spezies B. agrorum. Als Weibchenfärbung kann vielleicht die rotgefärbte B. variabilis gelten. Es sind die Männchenfärbungen durchweg extreme Farben- kombinationen. ; Unter den von FRIESE & WAGNER aufgestellten Typen sind eine Reihe, für die den Autoren bis jetzt nur männliche Belegexemplare zur Verfügung standen. Auch hier fällt auf, dab es extreme Aberrationen sind: für BD. mastrucatus die extrem hellen Formen, die Kombination luteus (Alpen) und lutescens (Alpen); für B. terrestris, die fast ungebänderte Form fulvus (Korsika) und die melanistische Form cerberus (Sylt); für B. soroensis, die durch ihre Namen gekennzeichneten Kom- binationen bivittatus (Deutschland), magnificus (Deutschland) und dives Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 329 (Deutschland) das sind */, der schwarzaftrigen Typen (der extremste Melanismus ist hier auch im weiblichen Geschlecht schon nachgewiesen worden: sepulcralis Thüringen): für B. pratorum: die extrem hellen flavus (China) und flavicolor (Alpen, Schweden), sowie die farbenprächtige Form burellanus (Alpen, Mittelgebirge); für B. derhammellus: die extrem helle Form albocaudatus (Tunis) und die extrem dunkle obscurus (Tirol) und die helle schwedische Form eullumanus; für B. lapidarius: die durch den Namen hinreichend gekennzeich- neten Färbuneen albidulus (nur Männchen?, Sibirien) und nigritulus (nur Männchen?, Sibirien); für B. confusus: die Formen albescens („nur die Männchen häufig“, Deutschland), cinerascens („nur die Männchen häufig“, Deutschland) sowie die absolut melanistische Form infernalis („nur zwei Männchen bekannt“, Ungarn, Thüringen), das sind °/, der rotafterigen Typen (vergl. die Nestbefunde); für B. silvarum: die extrem, einheitlich rötlichgelbe Färbung uni- color (Sibirien); für B. lapponicus: die extrem helle Form flavicollis (Pikes Peak, Col.); für den arktischen B. körbyellus: die abgesehen vom After stark aufgehellte Form cinctus (Nowaja Semlja) nnd cinctellus (Nowaja Semlja); für den arktischen B. alpinus: die in ihrer Art absonderlichen Fär- bungen collaris (gelbe Binde, Alpen) und preciosus (Alpen. stark ge- schwärzt); für den arktischen B. haematurus: die Form lunofasciatus (Nord- kaukasus, schwarz auf dem Thorax stark zurückgedrängt) und flavo- implicatus (Kaukasus, schwarz auf dem Segment 4 zurückgedrängt); für den alpinen B. mendax: die Form atrocaudatus (durch den Namen gekennzeichnet); für B. pomorum luridus (schwarz extrem zurückgedrängt) finden FRIESE & WAGNER zwar auch Vertreter unter den Weibchen, die Männchen dieser Färbung sind „aber gemein“. Von B. hortorum besitzt VoGT (1909, S. 43) schwarze Exemplare nur im männlichen Geschlecht; FRIESE & WAGNER hatten ein solches Weibchen vor sich aus England. Die extremsten Färbungen kommen also hauptsächlich im männlichen Geschlechte vor und man kann ohne weiteres ersehen, 330 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. daß unter den Männchen ganz besonders jene Phänotypen auftreten, die man bei „reinen“ Tieren erwarten muß. Bei B. confusus fanden FRIESE & WAGNER, daß die Mehrzahl der rotafterigen Kombinationen Männchen sind. Das steht in schönster Über- einstimmung mit HOFFERs Nestbefunden und meiner Interpretation der- selben. Nach letzterer ist nämlich Rot bei B. confusus rezessiv. Alle die vielen heterozygoten Weibchen sind also nicht rot, sondern lediglich die in der roten Afterfarbe homozygoten, relativ seltenen Weibchen. Bei den Männchen kann aber die Hälfte sämtlicher Individuen (jedenfalls viel mehr als bei den Weibchen) ein rotes After besitzen. Wenn dann FRIESE & WAGNER bei B. soroensis die schwarzafterigen Farben haupt- sächlich unter den Männchen finden, wenn sie also feststellen konnten, daß hier die schwarzafterigen Männchen zwar häufiger sind’ als die schwarzafterigen Weibchen, aber trotzdem auch im ganzen selten, so liegt (wie in einem andern Falle auch die Nestbefunde lehren) die Ver- mutung nahe, daß hier bei dieser Art das Afterschwarz vom Zusammen- treffen mehrerer Faktoren abhängie ist. Bei B. hortorum scheint die an sich seltenere Schwarzafterigkeit bei den Weibchen öfter vorzukommen als bei den Männchen (FRIESE & WAGNER 1909, S. 16f., Anm.). VOGT 1909 behandelt zwar in einem kürzeren Artikel „die extremere Variabilität des weiblichen Geschlechts (Kéniginnen)*. Er glaubt allein deswegen zu dieser Ansicht berechtigt zu sein, weil er unter den Fängen eines engbegrenzten geographischen Bezirkes weibliche Färbungen vor- fand, die er bei seinen Männchen des gleichen Gebietes vermißte. Er betrachtet dieses extremere Variieren als Beweis für das phylogenetische Vorgeschrittensein der Weibchen und für ein Zurückbleiben der Männ- chen. Indes geht aus seiner Darstellung keineswegs klar hervor, was er unter extremerer Variabilität verstand, wie der eine Satz beweisen möge: „Wir sahen also, daß bei diesen nahe verwandten Sippen (! L A) der Ruderatusgruppe die Männchen weniger weit voneinander abweichen, als die Weibchen, sei es nun, daß die Männchen den Variationsgrad der Weibehen überhaupt nicht erreichen, oder aber, daß sie dieses zwar tun, aber daneben Übergangsformen zu verwandten Sippen zeigen, welche den Weibchen fehlen“ (1909, S. 32). In der Tat läßt sich auch aus dem Voarschen Material (Melanismus bei hortorum) zeigen, daß die Männchen eher extremere Färbungsvarianten zeigen als die Weibchen. Die ältere biometrische Schule hat schon die Frage aufgeworfen, ob die parthenogenetische Entstehung Einfluß habe auf die Variations- Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 33] breite gewisser quantitativer Indices, also quantitativer Eigenschaften. Die Resultate, die sich hauptsächlich auf verschiedene Längendimensionen im Flügelgeäder bei Männchen, Weibchen und Arbeiterinnen beziehen, widersprechen sich. CASTEEL & PHILLIPS 1903 (vergl. hierzu auch KELLOG 1906 und F. Lutz 1904) fanden, daß Drohnen variabler sind, als die Arbeiterinnen bei Apis mellifica. WRIGHT-LEE-PEARSON 1906/7 fanden bei Vespa vulgaris, daß die Männchen in der Variabilität zwischen den Arbeite- rinnen und Königinnen stehen, daß die Männchen also weniger variabel sind als die Arbeiterinnen, aber mehr variabel als die Königinnen. Die Azygotie hätte also auch nach den genannten biometrischen Unter- suchungen wenigstens keinen erheblichen Einfluß auf die Variations- breite. Nach meinen Feststellungen übt sie wahrscheinlich nur auf die Zahl der Vertreter in den verschiedenen Variationsklassen einen Einfluß aus, insofern bei den azygoten Individuen (Hummelmännchen) die aberrantesten Typen Abweichungen aufweisen, die in ihrer Stärke zwar auch bei den zygoten Tieren, den Weibchen möglich, aber viel sel- tener sind. Der Vergleich mit den azygoten Individuen ist freilich zurzeit noch einigermaßen unsicher, weil die zygoten Individuen, die Königinnen und Arbeiterinnen unter verschiedenen Lebenslagen aufwachsen, also auch bei isogenen weiblichen Individuen mit erheblich verschiedenen Phäno- typen zu rechnen ist. Es wäre für das Studium der Wirkungsweise der Erbfaktoren unter verschiedenen Lebenslagen gewiß lohnend, die Phänotypen auch der Arbeiterinnen mit denen der Königinnen genauer zu vergleichen. Denn der gewaltige morphologische, physiologische und psychologische Unterschied z. B. zwischen der Bienenkénigin und den Arbeiterinnen ist offenbar die verschiedene Reaktion isogener Individuen auf die verschiedene Lebenslage, namentlich die des Futters. Nur sind wir bis jetzt auf keine Vorkommnisse gestoßen, die zwischen Hummel- kéniginnen und Arbeiterinnen einen nur ähnlich großen Unterschied auch hinsichtlich des Farbkleides wahrscheinlich machten. Unter den relativ wenigen Nestbefunden, die von mir analysiert sind, ist ohne Zweifel schon mehr als ein Fall, bei dem die Uniformität der Brut vom selben Geschlecht auf Homozygotie der Eltern hinwies, demnach käme es hier auffallend häufig vor, daß reine Eltern sich paaren. Die Folge davon wird sein, daß rein gefärbte Tiere mit ihren prägnanten Farbenkombinationen gegenüber den mehr oder weniger un- ansehnlichen mischfarbenen gerade bei den Hummeln häufiger zu treffen 332 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. sind als etwa bei den Mäusen (mit zygoter Vererbung). Daß hier bei den Hummeln die rein gefärbten besonders auffallen, vielleicht mehr als z. B. bei der Honigbiene, ist begründet in der Eigenart der Ausfärbungs- regeln z. B. in der bei den Hummeln selten auftretenden metameren Scheckung und in dem häufigen Vorhandensein einheitlicher After- färbungen. Die viel bewunderte Farbenpracht bei den Hummeln dürfte zum Teil zusammenhängen mit der häufigen Kreuzung reiner Eltern und damit auch zu einer Stütze werden für die Hypothese der azygoten Konstitution der Männchen, die ja sämtlich nach dieser Hypothese als rein zu betrachten sind. Immer wenn ein reines Weibchen zur Be- gattung kommt, liegt darnach hier eine reine Kreuzung vor, zum Unter- schied gegenüber den allermeisten Pflanzen und Tieren. Hiermit hoffe ich gezeigt zu haben, daß die Populationsanalyse, das statistische Beobachten bei den Hummeln neben dem Experiment, der züchterischen Eigenschaftsanalyse ein nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel zum Studium der Vererbung bei Hummeln darstellt, und daß demnach sorgfältiges, zielbewußtes, beobachtendes Zusammenarbeiten vieler auch fernerhin sich wohl lohnen dürfte. In dieser Studie wurden Vererbungsfragen bei Hummeln unter dem Gesichtspunkte der azygoten Konstitution der Männchen angeschnitten, Es dürfte zunächst außerhalb ihres Zwecks liegen, auch andere ver- erbungstheoretische Probleme mit einzubeziehen, die an Hummeln viel- leicht gut zu studieren wären, wie die Frage der Entstehung neuer Arten, der Einfluß der Umwelt auf den Phänotypus und unter Um- ständen auch den Genotypus. Denn es ist kein Zweifel, daß die äußerst interessanten Erscheinungen, die VOGT „regionale Konvergenz“ genannt hat, wertvolles Beobachtungsmaterial zu all diesen Fragen darstellen. Auch dort wird die Frage der azygoten Vererbung eine gewisse Rolle spielen, aber nicht die hauptsächlichste. Es wird sich darum empfehlen diese Fragen und ihre bisherigen Beantwortungen gesondert zu behandeln. Beifügen müßte ich noch, daß die Hymenopteren überhaupt, weil azy- gote Vererbung verbreitet ist, sich durch eigenartige, starke Variabilität auszeichnen, z. B. sind viele Bienengenera eine Crux der Systematiker. Die Variationsbreite der Arten verwischt die Artgrenzen, „besonders bei den Männchen“, wie die Systematiker oftmals klagen wenn sie die Ein- leitung zu einem schwierigen Genus schreiben (Psithyrus, Andrena). Eine Biene, bei der man ebenfalls die Vererbung der Haarfarben studieren kann, die Pelzbiene (Anthophora z. B. A. parietina), weist eben- falls starkes Farbenvariieren auf. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 333 Besonders interessant mußten Vererbungsstudien an den Bienen- genera Halictus und Sphecodes sein, weil dort die bisher besprochene Vererbungeweise irgendwie abgeändert sein muß (vergl. ARMBRUSTER 1916). „Jedenfalls ist die Artabgrenzung auch hier äußerst schwierig. 3. Kapitel. Zur Bastardanalyse. Wie die übrigen höheren Hymenopteren erscheinen die Hummeln auch deswegen als besonders geeignetes Objekt zur Nachprüfung und zum Studium für die von uns postulierten azygoten Vererbungserschei- nungen und damit der mendelistischen Grundvoraussetzungen, weil wir offenbar hier mit zwei verschiedenen Vererbungsarten rechnen dürfen, der azygoten und der zygoten. Wir können z. B. auf zwei verschiedene Weisen hinter die geno- typische Zusammensetzung eines Hummelweibchens kommen, entweder dadurch, daß wir dessen männliche Nachkommen, dessen personifizierte Gameten studieren (azygote Vererbungserscheinungen), oder aber da- durch, daß wir es mit einem Männchen von bekanntem Genotypus paaren und die weiblichen Nachkommen studieren (zygote Vererbungs- erscheinungen). Es besteht wohl kein Zweifel, daß zwei Wege viel sichereren und schließlich leichteren Zugang zu dem Geheimnis bieten. Es wird sich also lohnen, daß wir von einem P-Weibchen nicht nur möglichst alle Fı-Männchen studieren (statistische oder Populations- analyse i. e. S.), sondern daß wir das P-Weibchen auch kreuzen und die eigentlichen Kreuzungsprodukte, die F,-Bastarde, heranzüchten (die F}- Weibchen) und deren Phänotypus sowohl als Genotypus untersuchen; letzteres namentlich durch das Studium der F>-Generation nach Reinzucht der Fı-Generation (eigentliche Bastardanalyse). Wir erblicken in den männlichen Nachkommen eines Hummel- weibchens dessen personifizierten Gameten, indem wir voraussetzen, daß bei den Hummelmännchen als azygoten Individuen am allerehesten Phänotypus mit Genotypus übereinstimmt. Diese Voraussetzung kann dadurch geprüft werden, daß man auch die Männchen einer Bastard- analyse unterwirft. Man kreuzt sie mit einem homozygoten Weibchen von bekanntem Genotypus und untersucht die weibliche I*\-Generation. Kennt man einmal 1. eine beträchtliche Zahl von Farbenfaktoren, 2. die Dominanzverhältnisse, 3. die Polymerieverhältnisse, 4. das genauere Maß der Übereinstimmung von Phänotypus zu Genotypus und 5. das Reaktions- maß. des Genotypus auf die Lebenslage bei azygoten Individuen — das 334 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. meiste hiervon wird uns nur die Bastardanalyse lehren können — dann erst wird man sichere aber auch bequeme Populationsanalyse (nament- lich die der F,-Männchen) treiben können. Züchtungsexperimente, die allen Anforderungen der modernen Genetik gerecht werden, sind bis jetzt noch keine ausgeführt worden, so notwendig sie sind, so wenig braucht man sich deren Schwierigkeiten verhehlen. Doch wurden schon von verschiedener Seite die Hummeln künst- lich gezüchtet und die Zusammensetzung der Brut hinsichtlich des Kolorits mehr oder weniger genau aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen wurden von mir gesammelt, die Resultate nebst eigenen Beobachtungen wiedergegeben und auf mendelistische Grundlage analysiert. Die Fehler- quellen, die hier besonders berücksichtigt wurden, sind im folgenden Kapitel besprochen. Das Resultat ist nicht nur eine Bestätigung dafür, daß die Farben- varietäten der Hummeln in erster Linie Kombinationen, nicht etwa Modifikationen (HOFFER, FRIESE & WAGNER) oder Mutationen (VOGT) sind, es dürfte auch mit erfreulicher Deutlichkeit zeigen, daß die Erb- masse der Hummelmännchen von azygoter Konstitution ist, was uns ja schon die Populationsanalyse nahe legte, daß es also bei den höheren Hymenopteren in der Tat eine doppelte Vererbung, eine zygote und azygote gibt, daß demnach der Mendelismus die ihm auferlegte Probe bestanden hat. Ja es lassen sich trotz der Unvollkommenheit der Ver- suche und ihrer Wiedergabe gar manche Schlüsse ziehen über Art und ungefähre Zahl von Farbenfaktoren, über deren Wirkungsweise (Dominanz, Polymerie) — erwünschte Fingerzeige für gründlichere Experimente. Die ausführlichere illustrierte Wiedergabe des Belegmaterials erscheint mir sehr lohnend, doch muß es wegen Platzmangels außerhalb des Rahmens dieser gemeinschaftlichen Veröffentlichung geschehen. Nur .die Ergeb- nisse seien hier mitgeteilt und zwar geordnet nach den in Frage kom- menden Hummelarten. Bombus pratorum: Ein Weibchen der comb. subinterruptus K. (= Typus FRIESE & WAGNER) erschien äußerlich als Mischling (durch Schwarz gestörte gelbe Binde, unreines Gelb), seine F,-Generation spaltete sich in die Färbungstypen, die man am ehesten als die Komponenten der Misch- färbungen vermutete. Ausgesprochene Mischfärbungen traten unter der weiblichen F,-Generation auf, unter der männlichen Fı-Generation aber Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 335 nicht. Die weibliche Färbungsreihe unterschied sich auch dadurch von der männlichen, daß sie durchschnittlich (in der vorderen Körperhälfte) schwärzer gefärbt war: offenbar weil das (unbekannt gebliebene) P-Männ- chen melanistisch gefärbt war (vergl. ARMBRUSTER 1914). In einem Falle ließ sich zeigen, daß die Färbung mit der Größe der Tiere wechselte (die Zuchtbedingungen waren in diesem Falle nur mangelhaft bekannt). Die comb. jonellus, die man aus den verschiedensten Gründen als eine von B. pratorum abspaltende neuentstehende Art bezeichnet hat, züchtet nicht rein weiter. Abweichungen, z. B. comb. martes, zeigen namentlich die Männchen. Bombus confusus SCHENCK: Schön rotafterige Weibchen sind homozygot. Das Afterrot ist hier rezessiv gegenüber weiß. Es wurde ein Nest gefunden, bei dem alle Männchen rotafterig, alle weiblichen Wesen jedoch weißafterig waren (F,-Generation nur innerhalb der Geschlechter uniform, besondere Ver- erbungsweise für jedes Geschlecht). Ein anderes Nest mit rotafteriger Königin (im vorigen Fall war die Farbe der Königin nicht angegeben) hatte rotafterige männliche Nachkommen und weißafterige weibliche. Eine weißafterige Königin hatte weißafterige Nachkommen, unter den Männchen befanden sich auch rotafterige (zwei solcher Vererbungs- fälle sind beschrieben). Eine Königin mit weißem After, aber vereinzelt eingemengten roten Haaren (Mischfärbung mit deutlichem „Dominieren“ von Weiß) züchtete nicht rein weiter. Die Fı-Männchen und F,-Weibchen spalteten auf und zwar die F,-Weibchen zeigten auch schwarzafterige Formen: es traten unter 60 Arbeiterinnen meist rotafterige, mehrere weißafterige und zwei schwarzafterige Individuen auf (die eine davon wies vereinzelte weiße, die andere vereinzelte rote Haare im After auf). Unter den 24 eigentlichen Weibchen (Königinnen) war das Verhältnis Weiß zu Rot zu Rötlichweiß wie 16 zu 5 zu 3. Die Färbungen der vorderen und der hinteren Körperhälfte sind im hohen Maße voneinander unabhängig, nur sind die schwarzafterigen Individuen hier durchweg melanotisch gefärbt. Bei der Färbung und Zeichnung der vorderen Körperhälfte (= Schwärzung von Abdominalsegment 1 und 2, Pro- und Metathorax) sind deutlich mehr Erbfaktoren beteiligt, denn die Spaltung ist ver- wickelter. 336 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. Bombus soroensis: Hinsichtlich der Afterfarben Rot, Weiß, Schwarz herrschen ähn- liche Verhältnisse wie bei B. confusus, doch ist das Afterschwarz wahr- scheinlich ein polymeres Merkmal. Bombus derhamellus: Die Umfärbune von Prothorax, Metathorax Segment 1 und Segment 2 vom lichtesten Hellgelb bis zum vollständigen Schwarz besorgen ca. sechs Allelomorphenpaare. Extreme Plus-Minusabweicher in Fı sind selten, aber bei den Männchen relativ häufiger als bei den Weibchen. Bombus hortorum: Afterschwarz erscheint als dominant. Bombus pomorum: Das fluktuierende Dominieren’erscheint verständlich bei Annahme von Polymerie. Häufiges Vorkommen von Dominanz (nur beim weib- lichen Geschlecht kann es sich um Dominanz handeln!) macht es ver- ständlich, daß gewisse Kombinationen (Phänotypen) bei Weibchen fast gar nicht vorkommen, relativ häufiger dagegen bei den Männchen. (Die Dominanz bei Schwarzfaktoren in der vorderen Körperhälfte wird bestätigt durch den oben erwähnten :Befund, daß aufgehellte Formen (luridus) unter den Männchen ungleich häufiger sind als unter den Weibchen.) Bombus variabilis: Die dunklen Färbungen tristis-fieberianus, die man für eine neu- entstehende Art betrachten wollte, züchten nicht notwendigerweise rein (hellere Färbungen zeigen sich namentlich unter ihren männlichen Nach- kommen); sie treten insbesondere auch als Kombinationen in andern Nestern auf. Das diffuse Rot bei B. varzabilis erscheint rezessiv. Die Ergebnisse verglichen mit den unabhängige davon gezogenen Folgerungen aus der morphologischen Analyse des Außenmerkmals (Kapitel 1) und der Populationsanalyse (Kapitel 2) zeigen, daß alle. drei Wege gangbar sind, und daß das Problem auf diesem dreifachen Wege mit Erfolg angefaßt wird. 4. Kapitel. Das Experiment, seine Ziele und Bedingungen. Vorliegende Studie soll zum Studium der Vererbungserscheinungen bei Hymenopteren und zwar hauptsächlich zum experimentellen Studium auf Grund des Zuchtversuchs anregen. Dem Ausbau einer experi- mentellen Methode mögen die folgenden Ausführungen dienen: Die Hymenoyteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 337 Die Hummel geht bei der Anlage ihres Baues nicht besonders sorgfältig, keinesfalls aber besonders wählerisch zu Werk, sie zeigt viel- mehr eine bewundernswerte Anpassungsfihigkeit. Es macht darum wenig Schwierigkeit ein Hummelnest auszunehmen und seine Weiter- entwicklung in dargebotener künstlicher Nistgelegenheit zu beob- achten. Die Art, wie man Hummelnester mit Erfole ausnehmen kann, ist ausführlicher bei HOFFER und auch bei ARMBRUSTER 1914 beschrieben. Damals benutzte ich ein Zigarrenkästchen, das außer dem Deckel oben fünf licht- und zugdicht verschließbare Öffnungen besaß: auf der vorderen Breitseite das kleine, ganz unten angebrachte Flugloch, an der hinteren Breitseite zwei große fast die ganze Breitseite einnehmende, mit leicht abnehmbaren Glasplatten versehene Fenster, durch die man, namentlich bei geöffnetem Deckel beobachten und photographieren konnte, endlich an den kleinen Seitenflächen in eine niedrig angebrachte kleine Öffnung, durch die Futterschalen eingeführt, einzelne Individuen und Unrat entfernt wurden. Unter dem Deckel war noch ein Glasabschluß angebracht, der aus drei Scheiben bestand, welche auf einer Reihe von vorspringenden Nägeln ruhten und deswegen fast geräuschlos nach Art von Schiebefenstern gegeneinander verschoben werden konnten. Um auch das Nest mit einer Flugröhre zu versehen, wie sie die Hygiene und die Lebensgewohnheit der Hummeln verlangt, wurde innen hinter dem Flugloch ein Tunnel (die äußere Hälfte eines Streichholzschächtel- chens) angebracht. Der ganze Boden und größtenteils auch der Tunnel wurden mit gewaschenem Sande bedeckt. Es erwies sich dies sehr nötig, denn die Tiere unternehmen keine Reinigungsfliige, sondern benutzen gewisse Ecken sehr ausgiebig, namentlich nach reichlicher Zucker- fütterung. Diese Nestform eignete sich durchaus für intensivere Beob- achtung. An das reichliche Licht gewöhnten sich die Tiere offenbar sehr gut. Geräusche und Erschütterungen, gegen welche die Tiere empfind- lich sind, ließen sich fast ganz vermeiden. Wenn man über das ganze noch ein zweites Kästchen stülpt und dabei. Flugloch und Flugröhre geeignet abändert, dürfte es auch gegen die im Freien herrschenden Temperaturschwankungen genügend geschützt sein. Eine andere, für länger dauernde Zuchtversuche erprobte Form hat LINDHARD verwendet und abgebildet. Die Maße für die auf der Abbildung sichtbare, durch ein zweites Flugloch verbundene Kammer und Vorkammer betrugen je 20> 20 x 20 cm. Die Kammer war innen mit einer 5 em dieken Schutzschicht aus Heu ausgekleidet. Induktive Abstammungs- und Vererbungslehre. XVII. 22 338 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. a) Die normale Entwicklung des Hummelstaates. Der normale Entwicklungsverlauf einer Hummelfamilie ist folgender. Das Erscheinen der Männchen ist wie bei den meisten Insektenstaaten das Signal zur Verjüngung des Gemeinwesens. Über diesen Zeitpunkt unterrichtet uns sehr gut eine Tabelle FRIESE & WAGNERS (1909, S. 90). Bald nach dem Erscheinen der Männchen, früher oder später je nach der Art, kommen auch die „echten Weibchen“ zum Vorschein und die Begattungen können vor sich gehen. Zwei bezeichnende Beispiele: BeiB.confusus erschien nach HOFFER das erste Männchen am3. August 1880, schon am 12. fand die erste beobachtete Begattung statt. Einige Zeit wurden dann von der alten Königin nebeneinander Männchen und Weibchen erzeugt, z. B. schlüpften aus dem königlichen Eigelege vom 21. Juli am 16. August eine rotafterige Arbeiterin, am 17. August zwei Männchen und eine Arbeiterin, sodann nach und nach noch fünf Tiere aus, darunter drei Königinnen. Das Verhältnis von Arbeiter zu Männ- chen zu Königinnen im gleichen Gelege war also hier 3:2:3. In meinem 1914 beschriebenen Neste von B. pratorum wurden die Männchen nicht nur sehr früh (von Mitte Mai ab erschienen Imagines) sondern auch eine Zeitlang ausschließlich erzeugt (vergl. ARMBRUSTER 1914, Tab. S. 696). Die Männchen sind in wenigen Tagen auspigmentiert und verlassen z. B. bei B. pratorum in wenigen Tagen das Nest auf Nimmerwieder- sehen. Die jungen Königinnen werden bald nach ihrem Erscheinen be- fruchtet, so lange eben noch die Männchen zur Stelle sind, deren Lebens- dauer 1—3 Wochen beträgt. Das Eilegegeschäft beginnt aber erst nach einem halben Jahr. In den meisten Fällen, namentlich bei den nicht zu frühen Arten ist nach der Befruchtung die Lebenszeit des Mutter- staates abgelaufen. Das Eilegegeschäft der alten Königin hat schon einige Zeit aufgehört und sie selbst ist nach 10—12 monatlicher Lebens- zeit zugrunde gegangen, ebenso rasch nacheinander die letzten Ar- beiterinnen, da ihre Lebensdauer nur 3—4 Wochen beträgt. Auch das Nest geht alsbald zugrunde, denn das relativ spärliche Wachs ist bei seiner eigenartigen Konsistenz sehr hinfällig und die aufgebrochenen Kokons sind bald unbrauchbar. Man kann also im Gegensatz zur Bienenzucht einer jungen Königin normalerweise nicht ein schon vor- handenes, schon einmal benutztes Nest anbieten, um dadurch etwa in- direkt ihre Fruchtbarkeit zu steigern. Wohl kommt es aber auch in der Natur vor, daß an ein und demselben Ort, weil er eben geeignet Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 339 ist, jährlich ein neues Nest angelegt wird. Die allmählich allein im alten Nest noch übrig bleibenden jungen Königinnen verlassen dasselbe vor seinem Untergang, sie überwintern, um dann im nächsten Frühjahr je ein neues Hummelgemeinwesen zu begründen. Zunächst leben sie dabei nach Art einer Einsiedlerbiene, später erfreuen sie sich der leb- haften Mitwirkung der allmählich sich um sie mehrenden jungen Brut. b) Der Unterschied zwischen Königinnen und Arbeiterinnen. Die älteren Autoren z. B. HOFFER unterschieden mindestens drei getrennte weibliche Kasten im Hummelstaate: 1. Die Königinnen, und zwar die alte Königin, die Nestmutter und die jungen Königinnen, die zukünftigen Nestmütter; 2. die Arbeiterinnen, das sind die verküm- merten Weibchen, die der Königin in allem helfen, jedoch nur ausnahms- weise Eier legen; 3. die zwischen diesen Extremen stehenden „großen Arbeiterinnen“, auch „kleine Weibchen“ genannt. Diese Dreiteilung wurde bisher offenbar zu strenge durchgeführt. Denn es sind alle Übergänge vorhanden, da es sich offenbar um individuelle Modifikationen handelt, die durch verschiedene Ernährung verursacht sind. Bei den Hummeln läßt sich dies leichter zeigen als bei der Honigbiene; denn so sehr und so deutlich dort die Nahrung verschieden ist für die Königinnen einer- für die Arbeiterinnen andererseits, so scharf zeigt sich in morphologischer, physiologischer und psychologischer Hinsicht der Unterschied zwischen den zwei genannten Kasten, so daß z. B. WEISMANN zwei ganz verschiedene Erbanlagen angenommen hat. Es mag zweifelhaft sein, ob die am stärksten „verkümmerten“ weiblichen Wesen des Hummelstaates noch mit Erfolg befruchtet werden können. Doch wird es naturgemäß nicht möglich sein, Tiere, die be- fruchtete Eier ablegen können, von Tieren, die nur unbefruchtete Eier ablegen können, zu unterscheiden, und die genannten wiederum etwa von Tieren, die überhaupt nicht Eier ablegen können. Es ist aber nicht ausgeschlossen, bislang nur noch zu wenig untersucht, daß unter Um- ständen die Abdomform eines Weibchens dem geschulten Beobachter Anhaltspunkte darüber gibt, ob dasselbe befruchtet ist oder wohl nicht’). Denn bei der Honigbiene z. B. regt die vollzogene Begattung die Frucht- barkeit dermaßen an, daß das Abdom mit der Zeit unförmig verlängert erscheint. Dieses unförmig verlängerte Abdomen weist aber auch, be- 1) Bei der Biene gibt sogar die Wage hierüber ziemlich untrügliche Auskunft. 22* 340 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. sonders deutlich im Höhepunkt ihrer Eierlegetätigkeit, die (alte) Hummel- königin auf, die gewiß nur ausnahmsweise nicht befruchtet sein wird. Es wird überhaupt eine gewisse Willkürlichkeit darin liegen, wenn man die einen als „große Arbeiter“, die andern als „echte junge Köni- einnen“ bezeichnet. Tatsache ist nur, daß die Größe der weiblichen Wesen von Frühjahr an bis zum Spätjahr durchschnittlich stets zunimmt, daß die größten weiblichen Wesen zum Schluß erscheinen, die allergrößten also z. B. auch nach den Männchen; ferner, daß die aller- letzten und größten ihre Lebensenergie normalerweise nicht gleich ver- brauchen durch Ausfliegen, Vorrätesammeln und Eierlegen (zum Teil hält sie von all dem schon die unfreundlich gewordene Witterung ab), sondern für das kommende Frühjahr aufsparen, also, in unsern Breiten wenigstens, erst überwintern. Der Züchter wird sich demnach wohl bewußt bleiben müssen: im Nest kann nicht etwa nur die Nestmutter Eier legen und nicht nur die allerletzten Weibchen können befruchtet werden. Andererseits aber wird es auch bei den abgeänderten Lebensbedingungen des Experiments möglich sein, nicht gerade nur die allerletzten Weibchen zum Über- wintern zu bringen, sondern auch die zeitiger ausgeschlüpften (s. unten) und umgekehrt die Eiablage der letzten Weibchen früher herbeizuführen, also z. B. schon im Geburtsherbste vor dem Winter, nicht erst nach demselben. In der Natur wird ja auch unter verschiedenen Breiten und Klimaten der Lauf des Hummellebens in verschiedener Weise abgeändert und in verschiedenen Perioden unterbrochen. Wenn in der Tat, wie HOFFER berichtet, daß aus ein und demselben königlichen Gelege (= die ca. 6—10 am gleichen Tage in ein und dieselbe Eizelle gelegten Eier) außer Männchen auch Königinnen und Arbeiterinnen entstehen können, so ist das freilich merkwürdig, aber nicht unerklärbar. Der Unterschied zwischen der königlichen und der Arbeiternahrung ist immer noch nicht genauer bekannt (vergl. ARM- BRUSTER 1914, S. 694), aber offenbar erhalten auch hier die heran- wachsenden „Königinnen“ eine eiweißreichere, besser zubereitete Nahrung als die Arbeiter. Im großen und ganzen würde also im Verlauf der Nestentwicklung mit wachsender Gehilfenschar eine fortschreitend bessere Nahrung verabfolgt. Es kommt aber trotz alledem auch vor, daß selbst Maden ein und derselben Larvenzelle ungleich ernährt werden. Die ersten, noch von der Nestmutter selbst vollständig versorgten Ei- bezw. Larvenzellen erhalten einen Vorrat von einem Honig- und Pollen- gemisch. Die ersten Tiere werden nicht geätzt. Die. „Geschlechtstiere“ Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 34] dagegen, also auch die Männchen, sollen nicht einen Vorrat von Honig und Pollen erhalten, sondern mit einem geleeartigen Futtersaft mehr oder weniger geätzt werden. Dieser Futtersaft ist offenbar mit dem königlichen Futter im Bienenstock zu vergleichen. Nach LINDHARD soll es sich freilich um etwas ganz anderes handeln, nämlich um einen Brei von zerkauten Eiern, hauptsächlich von unbefruchteten Arbeite- rinneneiern. Wenn die Zuchtversuche nähere Aufklärung über den besprochenen Unterschied der Lebenslage namentlich des Futters bringen, dann wird man möglicherweise die in Betracht kommenden Faktoren in die Hand bekommen und in das Zahlenverhältnis der weiblichen „Kasten“ etwa regulierend einzugreifen imstande sein. c) Die Befruchtung. Die Kreuzung bestimmter Männchen mit bestimmten Weibchen macht offenbar nicht dieselben Schwierigkeiten wie bei der Honigbiene, denn die Begattung findet nicht in der Luft statt, sondern auf Blättern, Blüten, an sonnenbeschienenen Hauswauden, auf dem Erdboden oder gar im Nest (HOFFER, LINDHARD, ARMBRUSTER). In Übereinstimmung mit meinen Beobachtungen wirken nach LINDHARD Licht und Wärme z. B. die Sonnenstrahlen fördernd. LINDHARD konnte wenigstens am sonnen- beschienenen Fenster seiner Vorkammer leicht mehrere copulae beob- achten, und ich konnte feststellen, daß, wenn ich an meinem Neste den Deckel öffnete und die Sonne ins Innere des Nestes schien, die Männ- chen ihre Liebesspiele und Werbeversuche begannen. Bei dieser Geneigtheit der Männchen, sich alsbald auf die er- scheinenden Weibchen zu stürzen, wird sich Inzucht experimentell un- schwer herbeiführen lassen, wie sie ja auch in der freien Natur nicht selten sein wird. Das relativ häufige Auftreten „reiner* Farben und rein züchtender Familien, also homozygoter Individuen dürfte hich hieraus erklären lassen. Im allgemeinen wird man bei Zuchtversuchen, namentlich bei aus- gedehnteren, mehrere Männchen und mehrere Weibchen von gewünschten Eigenschaften besitzen. Es wird vermutlich keine Schwierigkeiten haben, solche Tiere aus ihrem Mutternest zu entfernen, in ein Kästchen mit Glasfenstern bei künstlicher Ernährung vereint zu halten, um ge- wünschte Kreuzungen zu erzielen. Das Mutternest erträgt die Ent- fernung der jungen Geschlechtstiere ohne Schaden: die Männchen würden ja doch, wenn man sich ihrer nicht bald versichert, verschwinden 349 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. = ? , und die Weibchen (die „jungen“, „echten“ Königinnen) nützen dem Mutternest wenig mehr, fallen ihm vielmehr eher zur Last. Auch dem Züchter können sie lästie falleu, da namentlich bei den früher er- scheinenden Gefahr besteht, daß sie ihrerseits Eier legen und so die Genauigkeit des Zuchtergebnisses in empfindlicher Weise stören. Es ist nicht wahrscheinlich, daß auch bei den Hummeln eine Art Begattungszeichen vorkommt, auch ist es mir bis jetzt nicht gelungen zu zeigen, daß ein Männchen z. B. von solitären Bienen nur einmal die Begattung vollziehen kann (mehrere Umstände sprechen für letzteres). Da man aber den Geschlechtsinstinkt der Tiere z. B. durch Besonnung anregen kann, dürfte es keine zu großen Schwierigkeiten machen, die Copula der Tiere einfach abzuwarten und das Pärchen, das sich zu- sammengefunden hat, von den übrigen Tieren nach nochmaliger Re- gistrierung zu weiterer Verwendung zu sondern. Daß die Weibchen befruchtet werden, etwa bevor sie in das Befruchtungskästchen ge- kommen sind, kann man dadurch verhüten, daß man sie überträgt, bevor sie noch ganz auspigmentiert sind. Man kann so zu gleicher Zeit den Zuwachs des alten Nestes hinsichtlich Erscheinungszeit und Färbungstypus der einzelnen Kasten leichter und einwandfreier registrieren. Copulae zwischen verschiedenen Hummelarten sind nach VOGT (1909, S. 68) schon beobachtet worden, ja sogar solche zwischen Bombus und der Schmarotzerhummel Psithyrus (SCHMIEDEKNECHT, SMITH), da- gegen gelang es HOFFER nicht, solche Bastarde künstlich hervorzurufen (vergl. VOGT 1909, S. 68). Sie müßten indes äußerst lehrreich sein für die Hummelkoloristik, namentlich für die genauere Kenntnis der Wirkungs- weise einzelner Binden- und Schwärzungsfaktoren. Und es ist klar, was eine genaue Kenntnis der Erbfaktoren bedeutet für das Studium der Vererbungsprobleme. Da auch bei den Hummeln wegen des vorhandenen Receptaculum seminis nur eine einmalige Befruchtung nötig ist, wird das Studium der Vererbungserscheinungen sehr vereinfacht, denn alle Individuen, die aus befruchteten Eiern entstehen, haben denselben Vater. ‚Jedoch bedeutet es einen Nachteil für Zuchtversuche bei Hummeln, daß hier die Königin, die Nestmutter normalerweise nur einen Sommer Eier legt, also z. B. stets schon eingegangen ist, wenn die junge Königin ihr regelrechtes Eilegegeschäft beginnt. Wenn daher dem Ex- perimentator eine F,-Königin zugrunde gegangen ist, kann er nicht noch nachträglich eine solche von der P-Mutter nachziehen, wie das bei der Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 343 Honigbiene möglich ist. Unter Umständen könnte es aber mit der Zeit glücken, von @in und derselben Königin schon im Vorherbste einige F3-Individuen zu ziehen. Man hätte vielleicht Erfolg bei einer früh erschienenen jungen Königin, die man nach Ablage ihrer ersten Herbst- eier möglichst bald, zur Schonung ihrer Lebensenergie, etwas vorzeitig durch gelinde Anwendung von Kälte dem Winterschlaf zuführt. d) Die Überwinterung der künftigen Nestmütter. In der freien Natur verlassen die Weibchen, die kurz vor dem Ende des Gemeinwesens erschienen sind, also die größten Weibchen oder die jungen Königinnen, alsbald das Nest, um in einem selbst- gegrabenen Erdloch oder in einem sonstigen günstig sich darbietenden Versteck einzeln zu überwintern. Obwohl die Tiere sich nicht weit vom alten, dem Untergang geweihten Neste dabei entfernen, sind über- winternde Weibchen verhältnismäßig schwer zu entdecken. LINDHARD (1912, S. 340f.) insbesondere hat aber gezeigt, daß die Überwinterung bestimmter befruchteter Weibchen, also der künftigen Nestmütter, deren Nachkommenschaft uns interessiert, keine nennens- werten Schwierigkeiten bietet. Im einen Falle stellte er von B. terrestris ca. 40 Königinnen, deren Befruchtung er beobachtet, hatte in ein ge- schlossenes Zimmer, außerdem befand sich in dem Zimmer eine offene Kiste mit Torfstreu, mehr als die Hälfte benutzte die dargebotene Ge- legenheit und überwinterte vergraben in ‚der Torfstreu. Der Rest suchte weiter zu arbeiten und aus dem geschlossenen Raume zu ent- fliehen, so daß sie bald an Entkräftung eingingen. In einem anderen künstlichen Neste wollten die B. lapidarius- Weibchen bis in den November hinein sich nicht von ihrem Bau trennen. Das Nestmaterial wurde schließlich schon schimmelig und die Tiere konnten sich vor Kälte kaum mehr bewegen, als sie das Nest ver- lassen wollten. Da bedeckte er einfach die einzelnen Weibchen mit einer Hand voll Torfstreu und die Tiere überwinterten vorzüglich. Man konnte sogar den Winterschlaf künstlich unterbrechen durch zeitweiliges Einwirkenlassen von Wärme. Es dürfte also mit der Zeit gelingen wertvolle Zuchttiere allmäh- lich der Kälte auszusetzen, sie dann isoliert mit der mehr oder weniger antiseptisch wirkenden Torfstreu zu bedecken und so einem frühzeitigen Winterschlafe entgegenzuführen, der ja der Sicherheit der Tiere wegen wünschenswert ist. 344 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. e) Die Nestgründung in der Gefangenschaft. Ein bestimmtes Weibchen an einer bestimmten Stelle zur Nest- anlage zu bewegen (um nachher ihre Brut untersuchen zu können) ist eine Schwierigkeit, die wiederum LINDHARD 1912 überwunden hat, so- wohl bei Tieren, die er im Frühjahr frisch gefangen hatte, als auch mit Tieren, die in Gefangenschaft befruchtet und überwintert worden waren. Schon HOFFER war es gelungen, gefangen überwinterte Tiere bei der Anlage der ersten Zelle zu beobachten. Als er dann die Nestmutter störte, mißlang der Zuchtversuch. LINDHARD glückte das Experiment bei 7 von ca. 20 im zeitigen Frühjahr eingesammelten Hummelkéniginnen. Er sperrte sie je in eines seiner Zuchtkästchen, brachte dasselbe in ein Zimmer mit reichlich vorhandenen Blumen und zwar solchen, auf denen die Hummeln Pollen zu sammeln pflegen. Die Gefangenschaft im Zimmer und diese halbkünstliche Ernährung dauerte solange, bis die ersten Ar- beiterinnen, die ersten Jungen der Königin, erschienen waren, bis also eigentliches soziales Leben begann, dessen Pflichten dann die Königin stetsfort im Neste festhielten. Das Pollen wird im Zimmer weniger gern gesammelt als der Honig (der zudem ersetzbar ist durch Zucker oder Kandiszuckerlösung). Auch gilt es aufzupassen, daß gelegentlich der Erneuerung der Blumen die Zuchttiere nicht entwischen oder sonst ver- loren gehen. Der Versuch gelang bei drei Kéniginnen von B. terrestris, bei je einer von B. lapidarius, distinguendus, silvarum, agrorum, er gelang nicht bei zwei Exemplaren von B. subterraneus und ca. zehn von B. hortorm. In mancher Hinsicht ist es günstig, daß bei der Staaten- gründung in Gefangenschaft, wenigstens bei denen LINDHARDs, die ersten Arbeiterinnen 2—3 Wochen, die Geschlechtstiere einen Monat früher erscheinen als in den wilden Nestern. Ein Auszug aus einem LINDHARDschen Protokoll!) möge über diese schönen Versuche näher unterrichten: B. terrestris (Königin) eingefangen: 26. April; in den Zuchtkasten gesetzt: 17. April; Öffnung des äußeren Flugloches: 30. April; Pollen- sammeln im Zimmer, erste Eizelle von Haselnußgröße fertig: 2. Mai. — 3.—20. Mai: zweimal täglich Pollensammeln (dazu Kandiszuckerlösung); 19.—20. Mai: die erste Arbeiterin. Das Zuchtkiistchen kommt ins Freie. 24. Mai: erste Larvenzelle (fünf Arbeiterinnen) entleert; 5.—10. Juni: die zweite Larvenzelle (10—15 etwas größere Arbeiterinnen) entleert. 1) Für frdl. Beihülfe bei der Übersetzung der dänischen Arbeiten LINDHARDs bin ich Frau Pfarrer LUDEMANN, Karlsruhe zu großem Dank verpflichtet. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 345 Mitte Juli: erstes Männchen; 22. Juli: 18—20 junge Weibchen (Köni- ginnen); 4. September: die Nestmutter tot, Zahl der Nestinsassen nur noch gering. Als noch gelungener muß folgender Fall angesehen werden: „Das erste Exemplar (der in Torfstreu künstlich in Gefangenschaft über- winterten Königinnen L. A.) von BD. terrestris, das um den 20. April auskroch, verblieb, in ein verschlossenes Zuchtkästchen gesetzt, im Freien. In der ersten Zeit war es nachts kalt, und erst um den 1.—2. Mai begann das Tier mit dem Nestbau (Wachs ausscheiden und zu verarbeiten? L. A.). Am 5. Mai öffnete ich den Vorderkasten, die Hummelkönigin kam heraus, kreiste lange um das Kästchen, flog fort auf eine halbe Stunde, kam wieder zurück, schlüpfte hinein und ver- blieb im Bau“ (LINDHARD 1912, S. 340f.). Hier fiel also jede künstliche Fütterung ganz weg, im oben er- wähnten Falle dauerte sie drei Wochen. Welche Blumen, namentlich welche Pollenblumen LINDHARD mit Erfolg benutzt hat, gibt er leider nicht an. Es existiert noch ein Verfahren, Hummeln unter Kontrolle zu züchten. Es ist ebenfalls von LINDHARD mit Erfole angewandt worden und gibt, namentlich in Kombination mit den erwähnten Methoden, die Außenbedingungen noch mehr in die Hand des Experimentators. Man schließt ein Beet mit Hummelblumen, etwa mit Rotklee von der Außenwelt ab, indem man darüber ein Draht- oder Gazegehäuse errichtet. Von dem beweglichen Hummelzuchtkästchen läßt man nur das Flugloch in den so entstandenen Zwinger einmünden, so daß Beobachtung und Experiment am Kästchen völlig unbehindert sind. Wenn man der Nest- mutter von Anfang an einen solehen Zwinger darbietet (es gibt ja Mittel und Wege, frühzeitig blühende Beete zu erzielen), ist man der Sorge um ein Entkommen der Nestmutter und um ihre künstliche Er- nährung mehr oder weniger enthoben. Nötigenfalls könnte man mittels dieses Verfahrens verschiedene Fehlerquellen sicher ausschalten z. B. das Zufliegen nestfremder Indi- viduen. Daß man es mit Erfolge anwenden kann zur Zucht des voll- kommen selbststerilen Rotklees (Trifolium prat. L.) (LINDHARD 1911), sei nur nebenbei erwähnt. f) Die Einheitlichkeit der jungen Nestgeneration. Eine Fehlerquelle, unter Umständen eine sehr verhängnivolle, ist noch ins Auge zu fassen. Nicht alle Nestinsassen des gleichen Jahr- 346 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. gangs sind Kinder der Nestmutter, denn namentlich in der letzten Hälfte der Brutperiode pflegen außer der Nestmutter auch andere weibliche Individuen, also Töchter der Mutter sich am Eilegegeschäft zu beteiligen. Die Hummelbrut eines Jahrganges ist also in offenbar vielen Fällen gemischt aus Fı- und F2-Individuen. Leider sind unsere Erfahrungen in diesem Punkte noch lückenhaft, genauere Beobachtungen also dringend nötig. Nach dem unter b) Gesagten ist eine scharfe Grenzlinie zwischen den weiblichen Wesen, die Eier legen, und denen, die keine Eier legen können nicht ziehbar, ebensowenig eine solche zwischen den Individuen, die befruchtet, und denen, die nicht befruchtet werden können. Anderer- seits ist wiederholt festgestellt, daß nicht nur die eigentlichen (jungen) Königinnen (worunter ich die größten und die zuletzt, etwa nach den Männchen, erscheinenden weiblichen Wesen verstehe) zur Eiablage fähig sind. Ja diese „jungen Königinnen“ werden die Zuchtversuche noch am wenigsten stören, denn abgesehen davon, dab sie erst sehr spät erscheinen und sich in ihrem Geburtsherbste ziemlich untiitig zeigen, hat. der Experimentator auch aus anderen Gründen ein Interesse daran, sie möglichst bald aus dem Geburtsneste zu entfernen. Viel mehr Schwierigkeiten machen die hauptsächlich im Hochsommer auftretenden sog. „großen Arbeiter“ (= „kleine Weibchen“ oder „kleine Königinnen“). Sie beteiligen sicht nicht nur erwiesenermaßen an dem Eilegegeschäft, sondern sie können auch wenigstens teilweise befruchtet werden, da ihre Erscheinungszeit mit der der Männchen zusainmenfallen kann. HOFFER (1882, S. 76) hatte z. B. am 20. Juli 1881 ein Nest von B. agrorum (unvollständig) ausgenommen. Mehrere Arbeiterinnen und eine kleine Königin, die der Gefangenschaft entgangen waren, gründeten an derselben Stelle alsbald ein neues, „weiselloses“ Gemeinwesen. Am 12. September enthielt dasselbe 5 alte, beinahe ganze haarlose Arbeite- rinnen, darunter eben die „kleine Königin“, 9 junge Arbeiterinnen, 5 junge Königinnen (die aber etwas kleiner waren als die gewöhnliche Form) und 13 Männchen. Diese „Nachschaffungskönigin* hatte also offenbar Eier für Männchen und für Weichen geleet und zwar ließen sich aus den letzteren Arbeiterinnen und kleinere Königinnen (jedoch keine Königinnen von Normalgröße) erziehen. Diesen seinen Schluß konnte HOFFER durch direkte Beobachtung bestätigen: vor seinen Augen legte die abgeflogene ,Nachschaffungskénigin“ einen Eierklumpen (am 14. September), aus dem Anfang Oktober Männchen, Weibchen und Ar- beiter auskrochen. Ob diese sekundäre Nestmutter (F,-Weibcehen) be- Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen, 347 fruchtet war, hat HOFFER nicht untersucht, er hält es aber für möglich und setzt es auch voraus. Ähnliche Fälle, wo „Nachschaffungsköniginnen“ oder besser ,,Nachschaffungsweibchen* Eier legten für verschiedene Weibchen und Männchen, berichtet HOFFER (ebenda) für B. derhamellus und B. variabilis. Solehe. Nester mit „Nachschaffungsweibehen“ sind zwar für den Züchter keine störenden Erscheinungen, denn sie fallen auf durch den Mangel an einer normalgroßen Königin, durch den scharfen Altersunter- schied (Zustand des Haarkleides, wenigstens in den meisten Fällen) zwischen F\- und Fs-Individuen und durch vorzeitiges Siechtum, aber sie verdienen doch erwähnt zu werden, weil bei ihnen meist einwandfrei gezeigt werden kann, daß man in einem Hummelnest nicht’ nur mit F>-Männchen sondern auch mit F2-Weibchen (und zwar solchen von verschiedener Größe) zu rechnen hat. Diese Erscheinung ist vom Stand- punkt der DZIERZONschen Regel aus gar nicht unbegreiflich, für Zucht- versuche aber ohne Zweifel sehr lästig. Daß man aber deswegen nicht fürchten muß, in einem Neste mit normaler Königin legten die übrigen großen Weibchen auch nur ähnlich viele Eier wie die „Nachschaffungs- königinnen“, ist klar. Sonst ist gerade in diesem Punkte Genaueres leider nicht bekannt. Weder LINDHARD noch mir stehen Einzelheiten zu Gebote und HOFFER gibt abgesehen von gelegentlichen Bemerkungen nur an, er habe unter 40 beobachteten Eierlegerinnen nur drei Ar- beiterinnen wahrgenommen. LINDHARD glaubt, das plötzliche Anschwellen der Männchenziffer sei dann erklärlich, wenn man annehme außer der Königin seien auch noch andere weibliche arrhenotoke Wesen am Eilege- geschäft beteiligt. Das an Männchen reiche Nest von B. pratorum, das ich 1914 beobachtete und beschrieb, berechtigt jedoch aber zur gegen- teiligen Annahme. An einer anderen Stelle bemerkt denn auch LINDHARD, die Eier, die tatsächlich von anderen Weibchen als Nestmutter stammen, entwickelten sich zum geringsten Teil, würden vielmehr zur Heranzucht der echten Königinnen verfüttert. Es wäre nun zunächst festzustellen, ob es immer nur wenige bestimmte Individuen sind, die sich durch einen ausgeprägten Eilegeinstinkt von den übrigen unterscheiden, ob man sie infolge sonstiger biologischer oder gar morphologischer Merkmale aus den übrigen herausfindet, ob es Bombusarten gibt, bei denen nur die größten Weibchen Eier legen. Man könnte dann die Versuchsstörerinnen zeitig unschädlich machen und unter den Hummelarten die günstigste auswählen. Aber angenommen, diese Untersuchungen fielen negativ aus, so sind trotzdem exakte Vererbungsstudien möglich, nur werden 348 Armbruster, Nachtsheim, Roemer. daran an Genauigkeit des beobachtenden Züchters erhebliche Anforde- rungen gestellt. Die alte Königin, die Nestmutter hat die Gewohnheit, nur am Tage und zwar zu bestimmten Tageszeiten ihre Eier abzulegen, nämlich nach- mittags (HOFFER) und zwar z. B. bei B. lapidarzus zwischen 5 und 7 Uhr (LINDHARD 1912, S. 347). Das Eierlegen ist mit großen Umständlich- keiten verbunden. Erst wird nach der Darstellung HOFFERS (1882 a und b) die Königin unruhig und eilt über die älteren Zellen hin wie auf der Suche nach einem günstigen Bauplatz für die neue Eizelle. Die Zelle legt sie sich selbst an, mit Hilfe von Wachs, das sie ihren eigenen Bauchsegmenten entnimmt, errichtet sie einen durchschnittlich 6 mm hohen Wall. Dann beginnt die Versorgung der Zelle mit Nahrung (mit Blütenstaub und Nektar), die das Tierchen nach und nach aus den Vorratsbehältern herbeibringt, um sie in der „Wallzelle“ weiter zu bearbeiten. Das Eierlegen selbst bringt eine ungewöhnliche Aufregung in den Hummelstaat. Die Hummelkönigin, dicht umdrängt von den übrigen Nestinsassen versucht zunächst ca. fünf Eier in rascher Auf- einanderfolge in die Zelle gleiten zu lassen. Ungestüm stürzen sich die übrigen Weibchen, groß und klein auf die erscheinenden Eier, um sie weezuschleppen, während die Königin sich bemüht sie zu verteidigen. Dieser auffallende Streit ist nicht so bald vorüber. Die Königin sucht alsbald die abgelegten Eier mit einer Schicht bereitgehaltenen Wachses zu bedecken, um dann noch mehr Futter beischleppen zu können. Da manchmal lüsterne Weibchen in die Eizelle einzubrechen versuchten, kann die Königin oft erst nach neuen Streitereien die Eizelle zur Auf- nahme neuer Eier bereit machen. Der nachträgliche Eischub (oft sind es deren mehrere, ist schwächer als der erste, er besteht aus ca. vier Eiern. Wiederum suchen sich die Weibchen heranzudrängen und Eier zu erhaschen. Von den zahlreichen Eiern, die für eine einzige Zelle bestimmt sind, gehen auf diese Weise gar manche zugrunde. Es wurden schon 24 in einer Zelle gezählt (HOFFER 1882a, S. 72), durchschnitt- lich dürften sich ca. acht in jeder Zelle entwickeln. Die übrigen Weibchen, die Eier legen, machen dies unter ähn- lichen Umständen, auch sie werden von den übrigen Weibchen, ja sogar auch von der alten Königin stark belästigt. Die Zahl der Eier eines Eischubs ist geringer als bei der Königin (die Zahlen, die HOFFER 1882 a und b angibt: kleines Weibehen von B. lapidarius 5—8, von B. agrorum 3—5 beziehen sich wahrscheinlich auf Nachschaffungsköniginnen); auch die Eigröße ist merklich kleiner. Die Hymenopteren als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. 349 Die Gefahr, daß in ein und dieselbe Eizelle Eier von verschiedenen Individuen geraten, ist in Anbetracht der Kämpfe kaum vorhanden, ab- gesehen davon, daß man an der Größe ihre verschiedene Herkunft er- kennen könnte. Auch wenn die Eizelle schon geschlossen ist, kann man erkennen, ob eine Zelle von der Nestmutter oder etwa von einem anderen weib- lichen Wesen stammt, denn jede Eierlegerin pflegt ihr Gelege mehrere Stunden lang beharrlich zu hüten (von B. lapidarius die Königin 4—6 St.; von B. agrorum die Königin 4 St., die kleinen Weibchen 2—3!/2 St.; von B. variabilis die Königin 3—4 St., die kleinen Weibchen 2—3 St.; von B. confusus die Königin 4—5 St., die kleinen Weibchen 21/s—3 St., HOFFER 1882, S. 14). Auch der Umfang der Eizellen gibt Anhaltspunkte. Wenn die Eizelle zur Larvenzelle aufgetrieben und später zur Kokon-Morula geworden ist, tritt sie uns immer noch als Einheit ent- gegen. Da regelmäßige Kontrolle und fleißige Aufzeichnungen des all- mählichen Nestzuwachses unerläßlich sind, fällt es erfahrungsgemäß nicht gar schwer zu sagen, zu welchem Gelege ein eben ausschlüpfendes Tier gehört, wann und von welchem Weibchen (ob Nestmutter oder nicht) es seine Entstehung genommen hat. Also durch geeignete Kontrolle, wozu wiederum ein geeignetes Zuchtkästchen nötig ist, kann die uns beschäftigende Fehlerquelle aus- geschaltet werden. Wie man ein vorgefundenes, reichlich entwickeltes Nest auch nach- träglich noch auf die Art seiner Entwicklung hin untersuchen und den Entwicklungsgang etwa aufzeichnen kann, habe ich 1914 gezeigt. Literaturverzeichnis. ADAM, A., 1912, Bau und Mechanismus des Receptaculum seminis bei den Bienen, Wespen und Ameisen. Zool. Jahrb., Anat., Bd. 35. AGAR, W. E., 1914, Experiments on inheritance in parthenogenesis. Phil. Trans. R Soc. London, Vol. 205 B. ALFKEN, J. D., 1913, Die Bienenfauna von Bremen. Abh. Nat. Ver. Bremen, Bd. 22. (Enthält die Ergebnisse der Hummelspezialstudien von Alfken und Hoeppner sowie Ergänzungen zu Friese und Wagner, s. u.) ARMBRUSTER, L., 1913a, Uber die Chromatinverhältnisse bei solitären Bienen und ihre Beziehung zur Frage der Geschlechtsbestimmung. Ber. Naturf. Ges. Freiburg i. 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Die Heterozygoten keimten in geringer Zahl; bei 5 konnte das Austreten der Schwärmer unter dem Mikroskop direkt beob- achtet werden; in 8 weiteren Fällen wurde die keimende Heterozygote in einen größeren Kulturkolben übergeführt und dort zum Ausschwärmen und weiterer vegetativer Vermehrung sich selbst überlassen. Von diesen 8 Hetero- zygoten brachten 5 nur die Elternarten hervor in verschiedenen, aber ein- sinnig wachsenden Zahlenverhältnissen, was durch die größere Teilungs- geschwindigkeit von Chl. II zu erklären ist. Eine der mikroskopisch be- obachteten Heterozygoten zeitigte 2 Chl. I + 2 Chl. II; der Rest, also 1 Deckglas- und 4 Kolbenkulturen dagegen ergaben je 4 Intermediirtypen, die bei ziemlich starker Variationsweite doch scharf voneinander zu unter- scheiden waren. Die Vierzahl der Typen wird darauf zurückgeführt, daß aus der Zygospore 4 Zoosporen hervorgehen. Der Verf. sucht nun diese Erscheinungen in Parallele zu setzen mit den Kreuzungsergebnissen der diploiden höheren Pflanzen. Zieht man die uns heute geläufigen Homologien im Generationswechsel von Haploiden und Diploiden heran, die in der phylogenetischen Reihe eine Verschiebung des eigentlichen Pflanzenkörpers aus der haploiden in die diploide Phase zum Ausdruck bringen, so ist für den vorliegenden Fall folgendes klar: Die Zygote als diploide Phase entspricht der diploiden höheren Pflanze, und zwar ist sie speziell, da sie durch zweimalige Teilung und Reduk- tion 4 Sporen bildet, homolog der Sporenmutterzelle. Die Chlamydomonas- zelle und die Gameten sind homolog den bei den Diploiden durch Reduktion aus der Sporenmutterzelle gebildeten Sexualzellen oder ihren Teilprodukten. Die Mischformen der 2. Gruppe mit Eigenschaften beider Eltern lassen auf eine Verschmelzung der elterlichen Kerne und auf einen Austausch ihrer Anlagenträger bei der Reduktionsteilung schließen. Soweit der Verf. Hiervon ausgehend ließe sich folgendes bemerken: Haben wir es mit einer Kreuzung zweier in wenigstens 2 Merkmalen (A u. B) differierenden Organismen zu tun, so ist klar, daß bei der Spaltung in die Gameten neben den Kombinationen der Eltern auch Chromosomenbestecke entstehen, die Referate. 357 aus denen beider Eltern gemischt sind; es werden also normalerweise neben AB und ab auch die haploiden Kombinationen Ab und aB als Gameten entstehen. Es liegt dann aber m. E. nicht nur keine „Störung in der homogenen Zusammensetzung der Chromosomenbestecke vor“, sondern vielmehr der normale Fall. Nicht „trotzdem die Zoosporen im Prinzip haploid sind, zeigen sie Merkmale beider Eltern“, sondern sie zeigen sie ebenso, wie es bei den — haploiden — Gameten der Diploiden der Fall ist. Der Verf. be- Chlamydomenn Thy ko mars dınloıdı höher Hlamar N Brugia bode hal Fy Auge fy to erschilossite 4 Samelin dus A togedn RENT SEE 3 rücksichtigt diesen Fall auch, aber gewissermaßen als Ausnahme, wenn er sagt: „es ist sehr wahrscheinlich, daß haplomiktische Zellen auch bei der Bildung der haploiden Sexualzellen diploider Bastarde vorkommen können“. Es ist dann aber auch nicht deutlich, inwiefern sie „diploide Indi- viduen geben“ sollen, „die weder morphologisch noch in ihren Zahlenverhält- nissen den normalen Bastardregeln gehorchen und unter Umständen direkt Mutationen darstellen“, noch auch wie sie zur Erklärung abweichender Fälle diploider Bastarde beitragen sollen. 23** 358 Referate. Was bei den Chl.-Bastarden zu erklären bleibt, ist für die I. Gruppe das Fehlen haplomiktischer Formen: Der Verf., der bei den 35 untersuchten Heterozygoten Kernverschmelzung feststellen konnte, hält selbst ein Aus- bleiben der Verschmelzung in diesen 9 Fällen für möglich: der Nachweis ist nicht zu erbringen, da er mit dem Tode der betreffenden Heterozygote verknüpft ist. Bei der II. Gruppe ist umgekehrt der Ausfall der Elternkom- binationen zu erklären; dieser kann vielleicht darauf beruhen, daß aus jeder Kreuzung in den 4 Zoosporen nur 4 Gametenarten realisiert werden können, während schon bei (n =) 4 Faktoren (2" =) 16 Gametensorten entstehen können. Möglicherweise hat bei der geringen Zahl gelungener Heterozygoten- keimungen eine natürliche Selektion stattgefunden. Was nun den tiefen Wesensunterschied zwischen den diploiden und haploiden Neukombinationen betrifft, so ist festzuhalten, daß das, was im Bastardierungsexperiment als Bastard bezeichnet wird, die diploide Form ist — also die Zygote F, bzw. die befruchtete Eizelle F,. Ferner wird in der Sprache der Bastardliteratur bei den höheren Pflanzen der Ausdruck Gamet für die bei der Reduktionsteilung entstehende haploide Entwicklungs- phase gebraucht, gälte also wie für die Pollenkörner und den Embryosack einerseits, so für die 4 Zoosporen von Chlamydomonas andererseits. Daß das eine Mal die eine Phase, das andere Mal die andere im Entwicklungs- gang verlängert wird, kann keinen prinzipiellen Unterschied bedingen; nur muß man sich darüber klar sein, daß dadurch auch unsere Beobachtung der Kreuzungsprodukte auf eben diese verlängerte Phase gerichtet wird, wie dies Burgeff!) in seiner letzten Arbeit betont. Diese Tatsache kann es recht- fertigen, dem haploiden Kreuzungsprodukt einen besonderen Namen zu geben; der Verf. schlägt dafür den Namen Haplomikten vor. Daß aber die Haplo- mixis ein Vorgang ist, der nur bei haploiden Organismen vorkommt, läßt sich in der oben geschehenen Weise anfechten. Der Begriff „Gamet“ in der Phykologie und in der Genetik deckt sich nicht. Die „Gameten“, phykologisch gesprochen, gehen allerdings ohne Re- duktionsteilung, vegetativ aus der Deszendenz der Zoosporen — der Ga- meten im vererbungstheoretischen Sinne hervor. Aber streng ge- nommen liegt das gleiche für den „generativen Kern“ des Pollenschlauches, für die befruchtungsfähige Eizelle vor, die auch nicht das unmittelbare Pro- dukt der Reduktionsteilung sind. Nur ist die vegetative Phase, die sich dazwischen schiebt, verschieden lang, so daß sie bei Chlamydomonas wie bei Phykomyces der Beobachtung zugänglich ist, bei den höheren Pflanzen sich ihr entzieht. Diese Homologie von Chl.-Zelle und Gameten mit den Sexualzellen oder ihren Teilprodukten betont ja der Verf. selbst. Der Bastard bei Chl. ist nur die Zygote, bei Phykomyces Zygote + Keimsporangium, bei den Diploiden die ‚beblätterte Pflanze selbst. Wir beobachten im letzten Falle nur die Bastarde, und schließen aus den F,- Bastarden auf die haploiden F,-Gameten (bzw. aus F, diploid auf die F,- Gameten). Bei Chl. beobachten wir die Gameten selbst und einen geringen Teil ihrer Eigenschaften an der auf die Zygospore beschränkten Bastard- generation. Dazwischen steht dann ein Organismus wie Phykomyces, der mit seinem der Zygote entspringenden Keimsporangium in beiden Phasen der Beobachtung zugänglich ist. Das beifolgende Schema soll das verdeutlichen. E. Schiemann. 1) Siehe das Referat im vorigen Heft dieser Zeitschrift S. 267. Referate. 359 Tschermak, A. v. Uber Verfärbung von Hühnereiern durch Bastardierung und über Nachdauer dieser Farbänderung (Farbxenien und Färbungs- telegonie). Biol. Zentralbl. 1915 XXXV 1 S. 46—63. Nach kurzem Eingehen auf seine früheren Beweise für Färbungs- und Zeichnungs-Xenien bei Vogelkreuzungen, seine Theorien über dieselben und die seitherigen Ergebnisse von Holdefleiss und Walther, bringt Verfasser seine neuen Versuche mit Hühnern, die mit 3 brauneiigen (Langshan, Plymouth Rock, Cochinchina) und 3 weißeiigen Rassen: (Italiener Weiß, Italiener Rebhuhn- farben, Minorka Weiß [„alte Spezialform“]) ausgeführt wurden. — Die zuerst in Reinzucht kontrollierten Tiere wurden dann periodisch in Bastard- und Reinzucht gehalten; die Ergebnisse tabellarisch wiedergegeben. — Fast überall zeigte die Verfärbung der Eier eine Annäherung an die väterliche Rasse (Xeniodochie) sowohl durch Farbverminderung (Vater weiß- eiiger Rasse), als Farbverstärkung (Vater brauneiiger Rasse). Besonders deut- liche Ergebnisse brachten die Kreuzungen: Ital. Rebhuhnfarben 2 X Plymouth- Rock ¢ und Cochinchina © X Minorka weiß (alte Spezialform) ¢. Schwer zugänglich sind für obige Beobachtungen solche Hennen, die bezüglich der Eierschalenfarbe stark variieren. Die ohne äußere Einflüsse fortschreitenden Farbänderungen der Eier während des Lebens einer Henne scheinen noch nicht bearbeitet. — Verfasser betont also auch für die Formengruppe „Haus- huhn“ die Möglichkeit der Eischalen-Xenien-Bildung. Die Variabilität der Eifarbe wurde durch Bastardierung in 5 Fällen erhöht und nahm wieder ab bei der folgenden Reinzucht. Manchmal trat nach Bastardierung der eigene Rassencharakter sogar stärker zutage als bei Reinzucht, manchmal zeitigte die Bastardierung ungleichmäßige Färbung der Ei- Pole und -Hälften, Erscheinungen, die Verf. als „Gleichgewichtserschütterungen“ in der Pigmentsekretion durch das artfremde Sperma anspricht. Bei wieder- holter Bastardzucht und dazwischenliegender Reinzucht wurde der Einfluß der ersteren auf die Eifärbung immer schwächer, eine Beobachtung, die auch bezüglich der Nachwirkung von Bastardierungen, (Eischalen-Telegonie) gemacht wurde. Eine solche wurde in 2 Fällen festgestellt. In beiden zeigten die Eier der Hennen dauernd nicht mehr die Färbung der reinen Rasse, sie waren züchterisch gesprochen: „durch Bastardierung verdorben“. Hühner, deren Eier telegon verändert waren, legten nach erneuter Bastardierung Eier, die sowohl den direkten Einfluß dieser, als auch erhöhte Variabilität zeigten. Verfasser wünscht ausdrücklich die Eischalentelegonie nicht mit „echter,“ noch nirgend erwiesener Embryo-Telegonie zu identifizieren. Die früheren, eingangs der Arbeit in schematischen Zeichnungen erläuterten Theorien von intra- und extra-ovaler Xenienreaktion sieht Verfasser nunmehr als zugunsten der letzteren entschieden an. Verfasser nimmt an, daß durch Resorption gewisser Bestand- teile des Spermas fremder aber auch der gleichen Art durch den weiblichen Apparat, gewisse Funktionen desselben in Richtung väterlicher Rasse ver- ändert werden und daß somit die mütterliche Anlage in Wettstreit mit einem fremden intoxikativen Faktor tritt. E. Stein. Walter, A.R. Über den Einfluß der Rassenkreuzung auf Gewicht, Form, Glanz und Farbe der Hühnereier. mit Beiträgen zur Physiologie der Eigestaltung. Landw. Jahrb. 1914. XLVI Heft 1, S. 89—104. 1913 begonnene Vererbungsversuche des Verfassers mit Hühnern wurden zur Klärung obiger Fragen in Hinblick auf das Vorkommen von Xenienbildung und Telegonie im Tierreich verwendet. Veranlassung war eine kritische Stellung- 350 Heterate. nahme gegeniiber der Deutune der neueren, die Eillem des Vogeleies be wzeiienden Arbeiten Verfasser verwendete 3 Zwerzhühner- (Japanesen, Willefleurs, Siber- Sebright Bantams) umd 3 normalschwere Eühner-Rassen (Thürinzer Pause häckehen, Westäl Krüper. NVackthälse) und arbeitete mit 13 Henmem und + Hähmen. Untersucht: wurden 430 sicher befrachtete Eier. zuerst solche aus der Kreuzung mit eigenrassigen und nach einer Pause von $—10 Tagen aus page ee Hähnen. Eine Beeinftusung des Gewichts durch den fremdrassigen Bahr kann zus den Tabellen. tie die Schwankung zwischen Minimum und Maximum, dem VWirzelwers und die Streuung berechnen, nieht festgestellt werden zutz einzelner widerspreehen Beizeif dex die Form bestens Längen Beeiiensechäfins ee Verfasser zunächst einen Punkt aus, der die Frage nach dem „Einfinfl des Bahlns“ auf die Form der Eier üherhaupt sehr erschwert. nämlich dem, daß Breite. Die Länge des Eies hewegt sich absolut und relativ innerhalb: eines weiteren Spielrzums. Auch hier bringt Verfasser Tabellen wie vorier Die Zahlenerzebnisse spreehen gegen eine Beeinflussung durch den Haim. Die Fälle zu Ungunsien emer solehen überwiegen gegenüber dem weniger zu ihrem Gunsten — Für die Amahme emer Beeinflussung des Glanzes der Bühnereier durch den Hahn fehlt im dem Versuchen des Verfas Bandhabe — Was diz Anfienfasbe der Malicclale auprhi. an sind hice de WR ome Prüfume am fester Farbenskala semacht ond daher nicht entscheidend. Die Mögtiehkeit emer Beeinfiussnz durch den Bahn blieb oor in einem ee r agen Pal — Bet der Besprechung seiner also vorwiegend negatives Ergebnisse Verfasser kritiseh auf die Untersuchungen von Eoldefleiss und die ü vw. Tsehermak= ein. Verfasser führt aus. dafi die wenigen Tatsachen emer 7 Xentenbildang im Tierreich Vogeleifarbe) noch nieht zu weitgehenden Schlüssen Tickhoim. %. 1915. Beohachtunzen über die Samenentwickinng einiger Onagraeeen. Svensk botan. Tidsir Bi 9. 2 u HL Kfe Dahlgren. K. V. Ossian. SS Se üher die Reihen Primniales und Piumhaginales. Akad. Abhand. EK Sv. Vetensk. Akad Handi Bd. 56, Sr. 2 308 3 Tat Fe Referate 361 von zytologischen Daten zum Heterostylie-Probleme bringen. Aus dem reichen Inhalt der Arbeiten sollen also einseitig nur besondere Abschnitte entnommen werden. Täckholm hat eine Anzahl Onagraceen-Gattungen studiert (mehrere bei Jussieua, Boisduvalia, Epilobium, Godetia, Claricia, Fuchsia) und über- den 4kernigen Embryosack gefunden, der nur Eizelle, 2 Synergiden und 1 Polkern enthielt und sich aus der obersten von 4 Tetradenzellen entwickelt. - Nehmen wir die sonstige vorliegende Literatur hinzu, so dürfen wir wohl sagen, daß der ganzen Familie völlig einheitlich dieser Charakter zukommt. Vielleicht ist nur die isoliert stehende Gattung Trapa ausgenommen. Gewisse Kulturformen von Godetia und Fuchsia, offenbar Hybride, zeigten nun recht f aus dem Hybrid-Charakter der untersuchten Pflanzen sich ergeben, endlich Godetia „gloriosa* Hort. besaß in gewissen steril bleibenden Samen- anlagen ein außerordentlich mächtiges Archespor, das selbst den ganzen Nucellus mit Ausnahme von dessen Epidermis einnehmen konnte. Nur wenige der „Mutterzellen“ ließen ihren Kern aber in die Synapsis treten und nirgends kam es zu einer heterotypen Mitose. Das Wachstum der Samenanlagen wurde | dabei nicht sistiert, die Archesporzellen erfuhren Teilungen, die nun absolut somatischen Charakter trugen und zuweilen konnte der Nucellus. ähnlich wie bei Cytisus Adami, durch dıe Mikropyle nach außen sprossen. Von Fuchsia-Rassen zeigte eine parthenokarpe, „Marinka“ genannt, die meisten Absonderlichkeiten. Zwar kam zuweilen eine normale Ausbildung des _ 4kernigen Embryosacks vor, aber das blieb Ausnahme. Vor allem fie] auf, daß hier außer der oberen Megaspore auch noch die eine oder andere untere auszu- wachsen begann. Sie setzte dann häufig den Embryosack nach innen fort, die trennenden Wände konnten sich lösen, ja die Plasmainhalte miteinander ver- schmelzen, so daf) man einen einheitlichen und nun natürlich mehr als 4 Kerne besitzenden Embryosack hatte. Nicht selten konnten ferner die eigentlichen 4 Kerne ihre Teilung fortsetzen: einmal sah Täckholm an Stelle der 3 Zellen an der Spitze selbst 7. Ferner kam eine polare Umkehrung des Embryosacks vor, die Mikrophyle war zellfrei und an der Chalaza lag der umgekehrte Ei- In vielen Samenanlagen wurde auch eine Degeneration in wechselndem Grade beobachtet und das Plasma schrumpfte, wie man das bei Hybriden ja so oft sieht, frühzeitig. Doch bemerkte Verfasser auch eine anschließende “ der Megaspore: an Stelle der Plasmaarmut fand sich Plasma- reichtum, und mehrere chromatinreiche Kerne gaben dem ganzen ein Aus- sehen wie es jungen Endospermen zukommt. Andere Fuchsien zeigten weniger starke Störungen, doch war auch bei ihnen Fortsetzung des Embryosackes durch die unteren Tetraden. umgekehrte Polarität, Überzähhgkeit der Kerne usw. zu Von Dahlgrens großer Arbeit interessiert uns m erster Linie der Nach- weis, daß innerhalb der Familie der Plumbaginaceen eine Embryosack- - ‚entwicklung statthat, die nicht gut mehr verkürzt werden kann. In der Unter- der Plumbagineen nämlich (Plumbago, Plumbagella, Oeratostigma) ist osack auch Ener en anders als bei den Ons- graceen. Die Embryosack- rzelle gleich zum Embryosack, d. h. die ersten beiden Teilungen in ihr sind meiotisch. Von den 4 Kernen wird nun einer direkt zum Eizellkern, der zweite zum Antipodenkern, die beiden übrigen werden Polkerne. Sie verschmelzen darauf, so daß im reifen Embryosack nur 2 Zellen und daneben 1 sekundärer Embryosackkern vorhanden sind. Ge- 362 Referate. legentliche Anomalien können die Kernzahl wieder erhöhen, einmal sah Ver- fasser selbst bei Plumbago noch 8 Kerne. Aber das blieben seltene Aus- nahmen, ebenso die der Ausbildung einer Synergide an Stelle der Antipoden- zelle. So charakteristisch also diese Form des 4kernigen Embryosacks für die Plumbagineen ist, so wenig findet sie sich in der zweiten Unterfamilie, den Staticeen. Bei diesen war vielmehr stets der normale Skernige Embryo- sack zu beobachten. Nur konnten „überzählige* Kerne (z. B. bei Armeria) ausnahmsweise die Zahl bis auf 12 erhöhen. Von den sonstigen Mitteilungen des Verfassers verdient für uns die zytologische Untersuchung der beiderlei Formen von Primula offieinalis ge- nannt zu werden. Daß die Pollenkörner bei der brevistylen Form viel größer sind als bei der longistylen, wissen wir seit langem. Verfasser prüfte nun, wann der erste Beginn der Ungleichheit sich zeigt. Doch war das exakt nicht zu entscheiden, weil die Kern- und Chromosomengrößen viel zu sehr trans- gressiv übergriffen. Jedenfalls wies er nach, daß schließlich die Chromosomen der großen Kerne größer sind als die der kleinen. Dagegen — und das ist wohl besonders wichtig — verhielten sich die Eizellen und deren Kerne völlig gleich bei den beiden Formen, trotzdem bekanntlich die größten der Narben- papillen anzeigen, daß ungleiche Zellformen auch innerhalb der Fruchtblätter vorkommen können. Der Ansicht des Verfassers, daß wir bei den ungleichen Chromosomen der Pollenkörner es daher auch nur mit trophischen Einflüssen im weitesten Umfang und nicht mit solchen genotypischer Natur zu tun haben, stimmt Referent völlig bei, um so mehr als er (Progr. rei bot V p. 238) un- abhängig vom Verfasser schon dieselbe Meinung aussprach. Endlich muß noch eine letzte Angabe Dahlgrens an dieser Stelle er- wähnt werden. Bekanntlich hatte die englische Forscherin Miß Digby Primula floribunda (mit 9 Haploid-Chromosomen) und fertile Primula „Kewensis“ (mit 18 Chromosomen) gekreuzt und im Bastard anstatt 9+- 18 diploider nur 18 er- halten. Verfasser weist jetzt darauf hin, daß bei Primula floribunda sehr leicht Autogamie eintreten könne und daß wahrscheinlich gar keine reine Kreuzung von Miß Digby erreicht sei, besonders da sie die Bastardisierung durch andere hat ausführen lassen. Jedenfalls verdient daraufhin die Sache eine nach- drückliche Nachprüfung. Die letzte oben genannte Arbeit hat Bj. Palm zum Verfasser. In dem speziellen Teil werden eine große Zahl verschiedenster Spezies embryologisch untersucht (Ottelia lacnifolia, Piper subpeltatum, Hydrostachys sp., Bellis perennis, Emilia sagittata, Aster novae angliae, A. Pattersoni, Chrysanthemum Leucanthemum, ; Tanacetum vulgare, Pyrethrum parthenifolium var. aureum, P. balsaminatum, P. corym- : bosum, Dahlia coronata). So interessant die Ausfiihrungen vom vergleichend : morphologischen Standpunkt sind, in unsere Zeitschrift gehört ihre Besprechung kaum. Was Referent veranlaßt, die Arbeit an dieser Stelle zu nennen, ist ihr „allgemeiner Teil“. Hier ordnet nämlich Verfasser mit großer Sach- und : Literaturkenntnis die sämtlichen beschriebenen Modifikationen der Embryo- i sackentwicklung bei den Angiospermen in verschiedene Typen. Diese sind zwar, wie Verfasser sich bewußt ist, durchaus „künstlich“. Aber sie zeigen i doch — wie Referent glaubt — unwiderleglich, daß alle Abweichungen vom E 8kernigen Embryosack sekundärer Natur sind und sich in den verschieden- sten Familien in identischer oder ähnlicher Weise herausgebildet haben. Wenn man sie also phylogenetisch verwerten will, so kann das nicht für eine Phylogenie der Klassen oder Familien sein. wie manche Autoren glaubten, sondern höchstens für eine der Gattungen und Arten innerhalb einer Familie. Als Einteilungsprinzipien benutzt Verfasser einmal die Feststellung, wie viel Tei- Referate. 363 lungen von der heterotypen Teilung bis zur Bildung der Eizelle verlaufen, zweitens konstatierte er, wie viel Abkömmlinge der 4 Kerne, die von den beiden allotypen Mitosen gebildet werden, schließlich in dem Skernigen Embryosack hereingezogen werden. Referent möchte das instruktive Schema hier reproduzieren: 5 Teilungen 4 Teilungen 3 Teilungen 2 Teilungen 1 Megaspore Normaltypus Codiaeum-Typus Dicraea-Typus = 2 Megasporen — Seilla-Typus Cypripedium - _ Typus 4 Megasporen = Peperomia-Typus Lilium-Typus | Plumbagella- Typus!) Damit werden also die 8, + und l6kernigen Embryosäcke nicht in je eine Kategorie gesteckt, sondern es ist vor allem nach der Vorgeschichte gefragt. Die 8 Kerne des „Normal“- und des „Lilium“-Typus sind so wenig gleichwertig wie die 4 des „Cypripedium“- und des „Plumbagella*-Typus usw. Von jedem Typus beschreibt Verfasser noch eine Anzahl „Modifikationen“. Das wolle man aber im Original nachsehen. Es muß hier genügen, darauf hinzuweisen, daß Verfasser selbst bei Pyrethrum parthenifolium v. aureum eine neue und interessante Form des l6kernigen Embryosacks vom „Peperomia- Typus“ aufdeckte. G. Tischler. Nawaschin, S. Zellkerndimorphismus bei Galtonia candicans und einigen verwandten Monokotylen. Verhandl. Gesellsch. deutscher Naturf. u. Ärzte. 85. Vers. Wien. II. Teil. p. 629. Leipzig 1913. (vgl. auch die russisch ge- schriebene Arbeit in Bull. Acad. Imp. Sc. St. Petersburg. Nr. 4 S. 373—385. 5 Fig. 2 Tab. 3 Diagr. 1912). Tschernoyarow, M. Uber die Chromosomenzahl und besonders beschaffene Chromosomen im Zellkern von Najas major. Ber. d. d. bot. Ges. Bd. 32. S. 411—416. Taf. 10 (V. M). 1914. Die Arbeiten von Nawaschin sind dem Ref. nur in Form von kurzen Resumees zugänglich. In der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Arzte gibt der Autor selbst nur eine kurze „Zusammenfassung der Ergebnisse“ und die Publikation im Bulletin der Petersburger Akademie ist russisch ge- schrieben, mithin mir unverständlich geblieben. Allein das Resumé wurde mir seinerzeit von einem Fachgenossen übersetzt. Tschernoyarow, ein Schüler Nawaschins, geht aber auch in seiner Abhandlung auf die Resultate seines Lehrers ein. So können wir uns doch von der Wichtigkeit der hier genannten Arbeiten ein gutes Bild machen. Darnach existieren im Pflanzenreich „Kerndimorphe zwittrige Arten“, die in 2 Rassen existieren, welche sich in ihrem Chromosomenbestand etwas unterscheiden. Galtonia candicans hat diploid 18 Chromosomen, davon sind aber 2 sehr winzig und diese hängen als .,Trabanten‘ mit 2 anderen zusammen. Bei der Reduktionsteilung fusionieren sie mit ihnen und die Haploidzahl wird so nicht *) Verfasser kannte Dahlgrens Feststellungen bezüglich dieser Pflanze schon aus einer „Vorl. Mitteil.“ in Arkiv f. Botan. Bd. 14. 1915. 364 Referate. 9, sondern 8. Die eine Rasse von Galtoma besitzt nun 2 ganz gleiche „Idiochromosomen“ in ihrem vegetativen Bestand, während die andere ein größeres und ein kleineres aufweist. (Typus Lygaeus bei den Schmetterlingen). Muscari tenwiflorum besitzt gleichfalls 2 Rassen, aber die eine hat 2, die andere nur ein Idiochromosom, ein „Monosom“ (Typus Protenor bei den Schmetter- lingen). Bei Najas marina wies Tschernoyarow endlich ebenfalls 2 nur vegetativ ,sichtbare“ kleine Idiochromosomen nach, die zu 2 von den 12 größeren im einzelnen genau morphologisch charakterisierten und unterscheidbaren Chromo- somen sich als ,,Trabanten‘ stellen. Die Haploidzahl ist, wie Guignard seiner- zeit richtig angab, wegen der Fusion der Idiochromosomen mit den zuge- hörigen großen Chromosomen, nur 6. Nach einer „asymmetrischen“ Rasse suchte Tschernoyarow aber bisher vergeblich. Vielleicht existiert sie in der Tat nicht und es kommen immer 2 gleich große Trabanten vor. (Typus Nezara bei den Schmetterlingen). Der Vergleich mit den bei den Lepidopteren beobachteten Typen ließ zu- nächst erwarten, daß die Idiochromosomen irgendwie mit der Geschlechts- determinierung zusammenhängen. Aber davon zeigte sich bei den unter- suchten Pflanzen nichts, sind alles doch zwittrige Arten. Nawaschin meint daher nur, es wäre „denkbar, daß) eine ungerade Chromosomenzahl bezw. über- haupt ein asymmetrischer Chromosomenbestand vielmehr eine Folge oder Spuren der Abstammung der betreffenden Art, wie sonst bekannte Rudimente, darbietet“. (In der russischen Abhandlung hatte er noch gemeint: „die Existenz der beiden Rassen kann vielleicht für die Kreuzbefruchtung zweckmäßig sein“). Das klingt nicht sehr befriedigend, aber ehe man überhaupt ein Urteil wird wagen können, dürfte es wichtig sein, festzustellen, ob derartige Kerndimor- phismen eine weiter verbreitete Erscheinung repräsentieren. G. Tischler. Pearl, R., 1915. Studies on inbreeding VI. Some further considerations regarding cousin and related kinds of mating. Am. Nat., Vol. 49, p, 570—75. Eine Ergänzung der Bd. XV, S. 296—98 der Zeitschr. f. ind. Abstam- mungs- und Vererbungslehre referierten Arbeiten. Zunächst zeigt sich bei den Inzuchtserscheinungen der „single“ und „double cousins“, daß das Pedigree der früheren Arbeit etwas verändert werden muß, da die Annahme, daß die Hälfte des Inzuchtkoeffizienten der „double cousins“ gleich dem der „single cousins“ sei, irrig war. Ferner wird ein Pedigree über die Kreuzung Onkel X Nichte aufgestellt, wobei sich ergibt, daß der Inzuchtkoeffizient der gleiche ist wie bei „single cousins“. Aus allen Aufstellungen geht her- vor, daß jede ununterbrochene Inzucht, welcher Art die Verwandtschaft auch sei, nach ungefähr 10 Generationen zu einer, bis auf 1 oder 2°/,, voll- kommenen „Konzentration des Blutes“ führt. — Verf. stellt die von Jennings angegebene allgemeine Formel des In- zuchtkoeffizienten der n. Generation nun für jeden Verwandtschaftsgrad auf. v. Graevenitz. ger von Gebrüder Borntraeger in Berlin W 35 - TABULAE BOTANICAE unter Mitwirkung von J. Blakeslee (Cambridge, Mass.), A. Guilliermond (Lyon) redigiert von Professor Dr. E. Baur (Berlin) und Professor Dr. E. Jahn (Berlin) Erschienen sind bereits: Tafel 1: Myxobacteriaceae, Entwicklung von Polyangium fuscum. ; Subskriptionspreis: 20 Mk., Einzelpreis: 27 Mk. „ MH: Fruchtkörper von Chondromyces und Myxococcus, Sporenbildung von Myxococcus. Subskriptionspreis: 20 Mk., Einzelpreis: 27 Mk. „ lll: Acrasieae. Dictyostelium. Subskriptionspreis: 16 Mk., Einzelpreis: 21 Mk. 50 Pfg. ; „ IV: Sporangien und Plasmodien der Myxomyceten. : Dietydium Trichia, Leocarpus. Subskriptionspreis: 20 Mk., Einzelpreis: 27 Mk. VW: Stoma. Rhoeo discolor. ; ‘ Subskriptionspreis: 16 Mk., Einzelpreis: 21 Mk. 50 Pfg. » VI und Vil: Mucorineae. Mucor, Rhizopus. i, a Subskriptionspreis: je 16 "Mk., Einzelpreis: je 21 Mk. 50 Pig. „ Vill: Ustilagineae I: Ustilago Tragoponis. Subskriptionspreis: 12 Mk., Einzelpreis: 16 Mk. „IX: Volvocaceae. Eudorina elegans. TE ay ; Subskriptionspreis: 12 Mk., Einzelpreis: 16 Mk. X: Phaeophyceae. Ectocarpus I. ‘ ; Subskriptionspreis: 12 Mk., Einzelpreis: 16 Mk. » Xl: Phaeophyceae. Ectocarpus Il. TS | Subskriptionspreis: 12 Mk., Einzelpreis: 16 Mk. 0 All: Rhodophyceae. Nemalion. Tor Ar Nj Subskriptionspreis: 12 Mk., Einzelpreis: 16 Mk. 00 Xlll: Chlorophyceae I: Formae natantes. Dinas | Subskriptionspreis: 8 Mk., Einzelpreis: 10 Mk. 00009 XIV: Bacillariaceae I: Formae natantes. NER ER Subskriptionspreis: 8 Mk., Einzelpreis: 10 Mk. See _,, XV: Phaeophyceae (Fucaceae) Fucus vesiculosus I. My Se I: “ Subskriptionspreis: 16 Mk., Einzelpreis: 20 Mk. x: -Phaeophyceae (Fucaceae) Fucus vesiculosus Il. " Subskriptionspreis: 16 Mk., Einzelpreis: 20 Mk. Be Saccharomyceten. Subskriptionspreis: 14 Mk., Einzelpreis: 17 Mk. 50 Pig. > Citta pica) Tafelwerk soll die gesamte Anatomie und Entwicklungsgeschichte ; an ht Pflanzen” umfassen; besonders sollen auch die niederen Pflanzen mehr Ae _ deriieksic tigt werden. ot In arbendruck ausgeführt, haben die Tafeln ein Format von Merete 150 0: 100 em. Jeder Tafel wird eine Erklärung in drei Sprachen beigegeben. Ki Au | aufgezogen auf Leinwand mit Släben sind die Tafeln zu haben; der Preis erhöht sich dann um 7 Mk. pro Tafel. — Weitere Tafeln erscheinen nach dem Kriege. SSS Aus eS Verlagsverzeichnisse kostenfrei Zeitschrift für induktive Abstammungs- und Vererbungslehre Inhaltsverzeichnis von Bd. XVII Heft 4 Abhandlungen Armbruster, L., Nachtsheim, H. und Roemer, Th., Die Hymeno- pteren “als Studienobjekt azygoter Vererbungserscheinungen. i Experimentum crucis theoriae mendelianae . . . . . . . 273-855 Seite Referate Dahlgren, K. V. Ossian, 1916. Zytologische und embryologische ‘ Studien iiber die Reihen Primulales und Plumbaginales (Tischler) 360 Nawaschin, S., Zellkerndimorphismus bei Galtonia candicans und i einigen verwandten Monokotylen (Tischler) . . 363 Palm, B., 1915, Studien über Konstruktionstypen und Entwicklungs- wege des Embryosac kes der Angiospermen (Tischler) . . 360 Pascher, A., 1916, Uber die Kreuzung ne: haploider Orga- nismen (Schiemann) Pearl, R., 1915, Studies on inbreeding VI. "Some further conside- ‘vations regarding cousin and related kinds of mating (v.Graevenitz)* 364 Täckholm, G., 1915, Beobachtungen über die Samenentwicklung einiger Onagraceen (Tischler) £ 360 Tschermak, A. v., Uber Verfärbung von Hühnereiern durch Rastar- ; dierung und über Nachdauer dieser Farbänderung (Farbxenien und Färbungstelegonie) (Stein). . . 359 Tschernoyarow, M., Über die Chromosomenzahl und besonders beschaffene Chromosomen im Zellkern von Najas major (Tischler) 363 Walter, A. R., Über den Einfluß der Rassenkreuzung auf Gewicht, Form, Glanz und Farbe der Hühnereier, mit EeRIIEEL? zur Physiologie der Eigestaltung (Stein). . . » . .... . 859 Titel und Inhalt von Bd XVIL Verlag von Gebriider Borntraeger in Berlin W 35 Wandtafeln zur Vererbungslehre herausgegeben von Prof. Dr. E. Baur (Berlin) und Prof. Dr. R. Goldschmidt a Diese Tafeln sind in Farbendruck ausgefiihrt und haben ein Boriiat von 120; 150 cm. Den Tafeln wird eine Erklärung in deutsch und englisch beigegeben. Die „Wandtafeln für Vererbungslehre“ gelangen“ in zwei Serien von fe sechs Tafeln zur Ausgabe: eine zoologische und botanische Serie umfassend. Der Preis der zoologischen Serie beträgt . . . . . . 7 Maik, Der Preis der botanischen Serie beträgt . . . . . . 60 Mark Beide Serien zusammen kosten . . . . . . . . . 125 Mark Preis der Erklärung . . . . . 1,50 Mark Die Tafeln werden auch einzeln abgegeben zum Preise von 22 Mark für die 200- | logische Wandtafel und 17 Mark für die botanische Tafel. Zur Bequemlichkeit der Abnehmer werden die Tafeln auch aufgezogen auf Tale ward mit Stäben geliefert. Der Preis erhöht sich in diesem Falle um 6 Mark ‚pro Tafel. : Es kostet somit die zoologische Serie aufgezogen . die botanische Serie aufgezogen . Es liegen vor: Zoologische Serie Tafel 1 Botanische Serie Tafel 8 und 10. 9.2 A a KR 2 Me y w Ve RT, VERS TEE ae UN I] 3 5185 00289 1 a KA, TERROR EHE HEN pti Cntr wie tn hy, Adee sl i x 4 pik CHA h EL t BERKER Co ah Warns ; i it TAN N IN aN ALLAN | Harte Mt CRM Dan HR} Y V' Hee N ne ER R ine RSs TEN pre pears et ; Br etrt ie DREHEN ytd nee et Crag : pot nt Apel feria pice ind ee ee RE cen DER EHEREGRELHHRER | ve HAN (u are . i % ie EACH is i ote n ne Ha RA ‘th Kr Ki Ene Neth 4 Se CeCe en ae a es fe Ener tara ff BUG me nes nr wise Carts COOGEE, raat Race Host Kin et te Ait eb an BE ÄRHINACH KUH NR triers Hure ee Ay rc et pret fester Cte ol Ken ; . ni j {aaa WAL NER IR Shonda filed ay io {HN ‘ys DEM er iM a ‚or deg is sth tea et . glee Y v bebs bee Kenn, KR) uhr 1 Fiat Le Kl NER HE BRENNER? 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