This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project to make the world's books discoverable online.

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover.

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the publisher to a library and finally to you.

Usage guidelines

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.

We also ask that you:

+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for personal, non-commercial purposes.

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the use of public domain materials for these purposes and may be able to help.

+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.

About Google Book Search

Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers discover the world's books white helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web

at|http : //books . google . com/

über dieses Buch

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Regalen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfügbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde.

Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist.

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat.

Nutzungsrichtlinien

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nichtsdestotrotz ist diese Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch kommerzielle Parteien zu verhindern. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen.

Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien:

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden.

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen unter Umständen helfen.

+ Beibehaltung von Google -Markenelementen Das "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht.

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben.

Über Google Buchsuche

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser Welt zu entdecken, und unterstützt Autoren und Verleger dabei, neue Zielgruppen zu erreichen.

Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter http : //books . google . com durchsuchen.

LlURAR^

UNIVERSITY OF CALIFORNIA

"*'/•

y

X

Zeitschrift für Infektions ^ ,

parasitäre Krankheiten u\d Tiygiene

der ^^^IV S^i

Haustiere.

Herausgegeben

von

Dr. R. Ostertag,

Professor an der Tierarztl. Hochschule zu Berlin,

Dr. E. Joest, und Dr. K. Wolffhfigel,

Professor an der TierSrztl. Hochschule Professor an der Landwirischaftl. und

zu Dresden, Tierarztl. Hochschule zu Buenos-Alres.

Erster Band.

/"^^

Berlin 1906.

Verlagsbuchhandlung von Richard Schoetz.

WUhelmstraße 10.

UNTVERSITY OF CALIFORNIA

Berlin, Drack tod W. BOxaniteln.

Vorwort.

In den Kreis der wissenschaftlichen Disziplinen der Tiermedizin ist als jüngste die Hygiene getreten. Sie war schon in den Stndien- plänen der ersten Periode der ehemaligen Tierarzneischnlen als Lehrgegenstand vorgesehen. Eine wissenschaftliche Bearbeitung hat sie aber erst in den letzten zwei Jahrzehnten erfahren. In dieser Zeit ist auch die Abgrenzung des neuen Lehr- und Forschnngsgegenstandes von den übrigen Zweigen der Tierheil- kunde erfolgt, was äußerlich durch die Errichtung von Lehrstühlen und besonderen Instituten für Veterinäre Hygiene seinen Ausdruck gefunden hat. Nunmehr ist der hygienischen Forschung und der Verwertung ihrer Ergebnisse bei der Bekämpflihg der Tierkrank- heiten freie Bahn eröffnet. Als erfreuliches Zeichen der jetzigen richtigen Bewertung der so lange vernachlässigten Hygiene der Haustiere ist das Bestreben zu bezeichnen, durch Provinzial^ laboratorien die Zahl der Stätten zu vermehren, an denen die unmittelbar mit der Praxis in Berührung stehende und in die Praxis übertragende Wissenschaft gepflegt wird.

Damit die tierhygienische Forschung, die auf dem Wege ist, sich immer weiter auszudehnen, einen literarischen Mittelpunkt findet, und damit ihre Ergebnisse, soweit sie Anspruch auf Beachtung erheben können, der Tierheilkunde in vollem Umfange zugute kommen, ist die Schaffung einer besonderen Zeitschrift erforderlich, unbeschadet der Tatsache^ daß an tierärztlichen Zeit- schriften zur Zeit kein Mangel ist. Die Arbeiten, die das Gebiet der Tierhygiene betreffen, waren bisher in den verschiedensten veterinärmedizinischen Zeitschriften, manche wertvolle auch in medizinischen, die dem Tierarzt nicht immer zur Hand sind, zer- streut. Die neue Zeitschrift wird den wissenschaftlichen Arbeitern auf dem Gebiete der Hygiene als Sammelorgan für die einschlägigen

Z«iUcbrift für Infektionskrankheiten. I, 1. 1

2 -

VeröflFentlichungen willkommen sein. Die Vereinigung der tier- hygienischen Arbeiten in einem Blatte wird auch den Wert haben, anregend auf den weiteren wissenschaftlichen Ausbau der Hygiene zu wirken.

Diese Erwägungen haben in uns vor nunmehr vier Jahren den Plan reifen lassen, eine Zeitschrift für das Gesamtgebiet der Tierhygiene zu gründen. Wir halten jetzt den Zeitpunkt für ge- kommen, den Plan zu verwirklichen.

Was ist Hygiene? Es ist schon behauptet worden, die Hygiene sei ihrem Bereiche nach schwer von den anderen Wissensgebieten der Tierheilkunde abzugrenzen. Deshalb möge hier die Erklärung erlaubt sein, wie wir die Hygiene auffassen und in dieser Zeit- schrift behandeln. Hygiene ist „angewandte Ätiologie", die Lehre von der Verhütung der Krankheiten. Sie hat daher zu umfassen in erster Linie die Ätiologie, Epidemiologie und Bekämpfung der Infektionskrankheiten, die Biologie der tierischen Schmarotzer, soweit sie Krankheiten bei Haustieren hervorrufen, und die auf die Biologie gestützte Prophylaxe dieser Krankheiten sowie alle übrigen Zweige der Hygiene der Haustiere (Hygiene der Luft, des Bodens, des Wassers, der Ernährung und der Haltung und Pflege).

Die neue Zeitschrift, deren erstes Heft wir hiermit den Fach- genossen übergeben, soll einen streng wissenschaftlichen Charakter tragen. Sie bringt in erster Linie Originalarbeiten aus den vor- stehend bezeichneten Gebieten. Außerdem wird sie in Form von kritischen Referaten einen Überblick über die gesamte hierher gehörige inländische und ausländische Literatur zu geben versuchen-

Berlin, Dresden, Buenos-Aires, im Herbst 1905.

Die Heraasgeber.

Originalarbeiten.

Untersuchungen fiber eine maulseucheähnliche

Erkrankung des Rindes („gutartige Maulseuclie'S

Stomatitis papulosa bovis specifica).

(Mit 1 Tafel.) Von Dr. Ostertagy und Dr. Bugge^

Leiter ehemalig. Repetitor

des Hygienischen Instituts der Tierärztlichen Hochschule zu Berlin.

Im Frühjahr 1904 wurde bei bayerischen Ochsen, die auf dem Magerviehhof zu Friedrichsfelde zum Verkauf gestellt waren, eine seuchenhaft auftretende Erkrankung der Maulschleimhaut beobachtet. Die Erkrankung breitete sich rasch unter den Tieren aus, die mit den bayrischen Ochsen zusammen standen. Sie erweckte größeres Interesse, da sie in gewissen Stadien zm* Verwechslung mit Aphthenseuche fiihren konnte. Durch die freundliche Vermittlung des Herrn Veterinärrats Dr. Arndt und die Bereitwilligkeit der Verwaltung des Magerviehhofes haben wir Gelegenheit erhalten, am 6. Mai 1904 ein noch vorhandenes er- kranktes Tier zu untersuchen und von diesem Material zu weiteren Untersuchungen zu entnehmen.

Befund bei dem spontan erkrankten Ochsen.

Der Ochse war fünf Jahre alt und in gutem Ernährungs- zustand. Das Allgemeinbefinden war nicht gestört, insbesondere bestand keine fieberhafte Erhöhung der Innenwärme (39,0 ^ C). Das Tier nahm vorgelegtes Heu mit großem Appetit auf. Speichelfluß bestand weder vor der Futteraufhahme noch während des Fressens.

Lokalbefund: Nach Öfihung der Maulhöhle zeigten sich an den Staflfeln des vorderen Drittels des harten Gaumens mehrere linsen- bis fünft)fennigstückgroße, ziemlich scharf umschriebene Stellen, die etwas über die Umgebung hervorragten. Die Herde

1*

4

hoben sich durch eine schmale, etwa 1—1 V2 ^^ breite, graorote Zone, die gegen den erkrankten inneren Teil allmählich in Rot fiberging, von der normalen Nachbarschaft ab. Sie wiesen im Zentrum eine gelblich-graue, trübe, teils fein-, teils grobgekömte, zerrissene Oberfläche auf. Die gelblich - grauen Massen hafteten fest auf der Unterlage und ließen sich weder als Membran abheben, noch sonst leicht entfernen. An der Schleimhaut der Backen waren ebenfalls mehrere derartige Stellen von Linsen- bis Pfennigstfick- größe vorhanden. Femer fanden sich auf der Schleimhaut der Unterseite der Zunge in der Nähe des Zungenbändchens verschiedene längsovale Herde von 1—1^/2 cm Durchmesser, im übrigen von gleicher BeschaflFenheit, wie die bereits geschilderten Krankheits- herde. (Vgl. die Tafel am Schlüsse des Heftes.)

Obertragung8ver8uche mit veränderten Teilen.

Die Untersuchung des Futters, des Wassers und des Stalles ergab keinen Anhalt für die Annahme, daß das gehäufte Auftreten der Erkrankung einer physikalischen oder chemischen Noxe seine Entstehung verdanke. Es war vielmehr nach Lage der Sache zu folgern, daß die Krankheit anstecke. Um hierüber Klarheit zu er- halten, sind von dem erkrankten Ochsen drei an der Unterseite der Zunge befindliche Krankheitsherde mit einem kleinen Teil der normalen Umgebung ausgeschnitten und zu Übertragungsversuchen an Kälbern und älteren Rindern des Hygienischen Instituts verwendet worden. Ein Teil des Materials wurde sofort nach Entnahme zu histologischen Untersuchungen in Formalin und konzentrierter Sublimatlösung konserviert.

Die exzidierten Schleimhautstückchen wurden an fünf Kälber verimpft, die sich seit dem Herbst 1903 in den Versuchsstallungen des Hygienischen Instituts befanden. Die Übertragung geschah auf die Maulschleimhaut und ist in folgender Weise ausgeführt worden: Die Zunge wurde aus dem Maule herausgezogen; hierauf wurde die Schleimhaut in der Nähe des Zungenbändchens mit der Schere durchtrennt und mit der Spitze der geschlossenen Schere eine 1—2 cm tiefe Tasche hergestellt.

In derartige Taschen wurde je ein Stückchen der ausgeschnittenen Teile der Maulschleimhaut des erkrankten Ochsen eingeschoben, worauf die Impfwunden in der Weise verschlossen worden sind, daß

5

eine Naht gleichzeitig durch deren Ränder und das eingeschobene Material hindurchgefuhrt wurde.

Nach zwei bis vier Tagen war bei allen Kälbern eine stärkere oder schwächere Eötung und Schwellung der Umgebung der Impf- stellen eingetreten. Nach sechs bis sieben Tagen gingen indessen diese Entzündungserscheinungen in der Umgebung der Wunden allmählich zur&ck. Bis zum zwölften Tage konnten in der Maul- höhle bei keinem der Tiere verdächtige Veränderungen beobachtet werden, auchhattendieTierewedereineverminderteFreßlust, nocheine Gewichtsabnahme, noch eine Temperatursteigerung gezeigt. Erst am dreizehnten Tage traten bei den Impflingen plötzlich kleine, rote Flecke in der Maulschleimhaut zerstreut auf.

Befunde bei den Impflingen.

Kalb I| männlich, % *^^^^ ^1^> rotbunt, in mäßig gutem Nährzustand. Am 20. Mai, 14 Tagenach der Übertragung des Materials, waren secbs Senf- korn- bis linsengrofie, ^4 bis 1 mm über die Umgebung hervorragende, rote, umschriebene Stellen an der Unterseite der Zunge in verschiedener Entfernung von der Impfstelle sichtbar. Weitere ebenso beschaffene Stellen fanden sich in der Höhe des ersten Backenzahns und an der Innenseite der Unterlippe. Die Oberfläche der kleineren Stellen war glatt, die der größeren zeigte eine leichte KOmung im Zentrum. Bei genauerer Besichtigung fiel auf, daß sich in der Mitte dieser Stellen Substanzverluste, scharf, wie mit einem Loch- eisen herausgeschlagen, befanden; die Mitte lag somit, von steilen Wänden um- geben, etwa V4 his Va ^^ unter der entzündeten Nachbarschaft der erkrankten Stellen. Die Mitte der größeren Stellen hatte eine graurote Farbe und eine gekörnte Beschaffenheit. Nach zwei Tagen hatten die Herde die Größe eines Pfennigstückes und darüber erreicht. Ihr Zentrum nahm eine gelblich-graue Farbe an, und nach zwei weiteren Tagen erlangten zwei der Herde etwa die Größe eines Zehnpfennigstückes und waren durch ein graugelbes, zerrissenes Zentrum ausgezeichnet. Zwischen dem sechsten bis achten Tage zeigte sich an den Rändern der meist runden erkrankten Stellen der rote Saum verblaßt, und in ihrem Bereiche begann sich eine Insel von glattem, mattrotem Epithel zu bilden. Dieses erreichte bald auf einer Seite die gesunde Schleimhaut, so daß die erkrankten Stellen vielfach nach einiger Zeit Sichelgestalt angenommen hatten. Von der mattroten Insel sowie auch vom Rande her schritt nun die Neubildung von Epithel schnell vor, und 14 Tage nach Entstehung der Flecke waren ^e erkrankten Stellen meist nur noch durch leichte Rötung und Schwellung von der gesunden umgebenden Schleimhaut zu unterscheiden. Die letzten Überreste der Erkrankung waren jedoch noch bis zu zwei Monaten nach Beginn der ersten Erscheinungen nach- weisbar. Später ist dieses Kalb nochmals erkrankt Bei einer Besichtigung, die drei Monate nach dem ersten Übertragungsversuch vorgenommen wurde, fanden wir das Flotzmaul, die Lippen, den harten Gaumen, die Backen und die

6

Zunge in der beschriebenen Weise erkrankt Diese Erscheinungen gingen bald wieder zuröck, indessen stellten sich später neue Veränderungen ein, so daß das Tier monatelang, wenn auch in leichter Form, die Veränderongen auf der Maolschleimbaut in den verschiedensten Stadien aufwies.

Kalb n, männlich, rotbunt, ^/^ Jahr alt, in mäßigem Käbrzustande. Am 20. Mai wurden bei dem Tiere an der Unterseite der Zunge drei linsengroße. graurote, scharf umschriebene Flecke mit rotem Saum von IV9 mm Mächtigkeit beobachtet. Die Stellen ragten über die Oberfläche hervor und hatten ein zum Teil seriLlüftetes Zentrum. Die Gaumenstaffeln wiesen zwischen dem zahn- losen Bande der Zwischenkiefer und dem ersten Backenzahn vier linsengroße, granrote, etwas erhabene Stellen auf. Diese dehnten sich in der Folgezeit nicht weiter ans, sondern nahmen im Zentrum an den beiden nächsten Tagen eine graugelbliche, schließlich eine gelbliche Farbe an und erhielten eine schollige Oberfläche. Am 28. Mai war ihr Vorhandensein nur noch an einer düToBen Bötnng erkennbar. An der Innenseite der Unterlippe befanden sich am 20. Mai einige linseng^oße Herde gegenüber der linken Zange. An der gleichen Stelle der Oberlippe bemerkte man einen etwa fünfpfennigstückgroßen graagelben Herd. Letzterer vergrößerte sich während der nächsten vier Tage bis zur Große eines 10 Pfennigstückes. Bei dieser Ausdehnung griff der Prozeß auf die Schließungsflächen der Lippen über. Hiemach verschwanden zunächst die Felder und Furchen der Lippenschleimhaut. Die erkrankten Teile erhoben sich über die Umgebung um 1 mm und nahmen eine graurote Farbe an. Bisher war die Oberfläche gleichmäßig gewesen. Nach zwei Tagen zeigte sich das Innere der Stelle gegen den umgebenden Saum scharf abgesetzt, unter dem Niveau der Oberfläche gelegen und leicht gekörnt. Die Farbe nahm allmählich einen grauen, graugelblichen und schmutzig-gelblichen Ton an. Mehrfach bildete sich nun von der in Heilung begriffenen Mitte ein Steg nach der gesunden umgebenden Schleimhaut, und auf diese Weise entstand wieder die Sichelform des Schleimhautdefektes. Indessen trat auch häufig von innen und außen eine Heilung gleichzeitig ein. An der den Zangen gegenüber liegenden Schleimhaut der Unterlippe ging der Heilungsvorgang viel lang- samer, als bisher beobachtet, vor sich. Die Folderung an den Schließungs- rändem der Lippen fehlte nach Abstoßung der gelben Massen zunächst noch. Das an dieser Stelle neu gebildete Epithel war anfangs verdickt, und erst nach mehreren Wochen trat die Furchenbildung auf.

Nachdem sich der Prozeß an der beschriebenen Stelle zurückgebildet hatte, erkrankte die Schleimhaut in der Umgebung der Hungerwärzchen. Hier nahm die Veränderung der Schleimhaut eine unregelmäßige Gestalt an, und die Abheilung ging sehr langsam von statten. Sie war erst einen Monat später als an den übrigen Stellen vollendet Der Heilungsprozeß hatte sowohl von der Mitte als auch von den Rändern aus begonnen.

Am 24. Mai war am unteren inneren Winkel des rechten Nasenloches eine leichte, umschriebene Rötung vorhanden. In den folgenden Tagen wurde das Zentrum grau, nahm die Größe eines 10 Pfennigstückes an und zeigte weiterhin eine mehr graugelbliche Färbung. Auch hier waren anfangs die Furchen und Felder des Flotzmaules geschwollen und verschwommen. Die Heilung begann gleichzeitig von den Rändern und der Mitte aus; nach Neo-

7

bildimg des Epithels hob sich diese Stelle von der Umgebung durch ihre Dicke ab und zeigte noch längere Zeit eine ins Gelbliche spielende Farbe. Nach längerer Zeit traten dann auch wieder die Furchen auf. An den Drüsen des Flotzmaules schienen die Erkrankungen seines Epithels keine Veränderungen hinterlassen zu haben; jedoch waren während der Er- krankung die Stellen trocken.

Nachdem bei Kalb U die im Anschlüsse an die Impfung aufgetreteneu Ver- änderuDgen fast völlig verschwunden waren, trat auch bei diesem Tiere ein Rezidiv auf. Die Erkrankung zeigte sich plötzlich wieder im Bereich der ganzen Schleimhaut der Maulhöhle, aber in leichter Form. Die Abheiinng schritt nur langsam vorwärts, und als diese beendet war, stellten sich zum dritten Male plötzlich neue Erkrankungsherde ein.

Bei der Mitte Juli vorgenommenen Tötung des Tieres wurden zahl- reiche veränderte Stellen an der Ober- und Unterlippe, an dem harten Gaumen, an der Unterseite der Zunge und dem Flotzmaul aufgefunden. Femer sind auf dem Gaumensegel, und zwar auf der Rachenseite desselben, je zwei Stellen mit graugelblichem zerfetztem Zentrum und rotem Saum und schlieBlich drei gleiche Stellen in dem Schlünde angetroffen worden. Im Magen und Darm fehlten ähnliche Veränderungen, wie auch der übrige Obduktionsbefund negativ war.

Kalb III. Schwarzweiß, männlich, 3/4 J^^i* &1^ Nährzustand mäßig gut. Am 20. Mai befanden sich unterhalb der Nasenlöcher am Flotzmaul vier schmutzig gelbgraue, scharf umschriebene Flecke, die etwas über die Nachbar- schaft hervorragten. Diese Herde hatten eine feingekömte Oberfläche. In der Mitte der Unterlippe befand sich eine 2 cm große runde Stelle, die drei ver- schieden gefärbte konzentrische Ringe erkennen ließ. Der äußerste Ring war dnnkelgrau, der zweite etwas ins Gelbliche spielend und das Zentrum gelb- grau. Die Stelle trat über die Oberfläche hervor und war leicht gekörnt. IVj cm von dem rechten Maulwinkel entfernt, war an der Ober- wie an der Unterlippe je eine veränderte Stelle vorhanden. Diese Stellen lagen am Schließungsrande der Lippen und ragten über die gesunde Nachbarschaft um ^'s mm hervor. Sie hatten eine schmutziggrauschwarze Farbe und ließen keine Furchen mehr erkennen. Im linken Maulwinkel fanden sich die gleichen Veränderungen, und zwar waren dieselben an der Oberlippe zehnpfennigstück- groß, an der Unterlippe linsen groß. An allen diesen Stellen fiel ihre trockene Beschaffenheit auf. Am oberen zahnlosen Kieferrande befanden sich, je 2 cm von der Mitte entfernt, mehrere hanfkorngroße Stellen, die von einer bläalichroten Zone umgeben waren und etwas hervorragten. Etwas weiter von der Mitte entfernt, war auf der linken Seite eine weitere Stelle von gleicher Beschaffenheit vorhanden, bei der das Zentrum Va ™™ unter der sie umgebenden erhabenen Einfassung lag, also eine kraterartige Ein- Benkung mit steilen Wänden bildete. Die Stelle hatte eine graurote Farbe und eine gekörnte Oberfläche. An der Innenseite der Unterlippe trafen wir an der Schleimhaut dort, wo die drei ersten Schaufeln der Milchzähne die Unterlippe berühren, auf jeder Seite drei linsengroße, gelblichgraue, schan umschriebene Stellen, die von einer geröteten, ansteigenden Zone umgeben waren. Das Innere der Herde war durch steile Wände gegen die geschwollene

8

amgebende Schleimhaut abgegrenzt und wies eine gekörnte Besehaffenheit auf. An den Staffeln des harten Gaumens bis nahe zum Gaumensegel befanden sich 40 50 1 3 mm grofie, scharf umschriebene rote Flecken, die sich etwas fiber die Umgebung erhoben. Es fiel auf, daß diese Veränderungen besonders an dem hinteren gefranzten Rande der Staffeln sich vorfanden. An der Unterseite der Zunge und am Zungenbändchen fanden sich 12 der oben beschriebenen Stellen vor, die in wenigen Tagen die Größe eines Zehnpfennigstückes er- reichten und dann ein gelbliches, zerklüftetes Zentrum und eine erhabene grau- rote periphere Zone erkennen ließen. Die Impfstelle selbst war 3 cm lang, IV3 cm breit und hatte wulstige, gelbliche Ränder.

Die Veränderungen der Maulschleimhaut zeichneten sich durch ihre Größe und Tiefe aus. Besonders schwer waren die Veränderungen an der Innen- seite der Unterlippe und an der hinter den Schneidezähnen gelegenen Schleim- hautplatte. Einzelne am harten Gaumen befindliche Flecke erreichten in wenigen Tagen die Größe eines Markstückes und darüber und erstreckten sich dann über mehrere Staffeln. Auffällig war im Verlaufe der Krankheit noch, daß sich ein süßlicher, übler Geruch aus der Maulhöhle einstellte, der lange Zeit bestehen blieb. Die Heilungsvorgänge nahmen beim Kalb IXT einen langsamen Verlauf, obgleich sie sowohl im Zentrum wie von den Rändern her begonnen hatten. Während der Abheilung sahen wir an den verschiedenen Stellen wieder neue Flecke auftreten. Durch diese neuen Efflores- zenzen wurde die Krankheit bis zum Oktober hingehalten.

Die beiden übrigen Kälber (Nr. IV und V) sind ebenfalls am 20. Mai erkrankt, haben jedoch nur wenige veränderte Stellen im Bereich der Staffeln des harten Gaumens und an der Unterseite der Zunge gezeigt, die rasch wieder abheilten.

Am 21. Mai 1904 wurden drei weitere Kälber (Nr. VI, VII und Vm) mit Material der Kälber I, 11 und HI geimpft. Diese Tiere erkrankten innerhalb 14 Tagen, zum Teil recht heftig und zeigten die gleichen Erscheinungen, wie sie bei den Kälbern Nr. I in beobachtet worden waren. Auch bei den Kälbern Nr. VI— vm traten häufige Rezidive auf.

Durch diese Versuche ist erwiesen, daß die hier in Kede stehende Krankheit eine Infektionskrankheit ist.

Übertragungsversuche mit Blut.

Bei den fünf Kälbern, die am 6. Mai 1904 mit dem von dem spontan erkrankten Ochsen stammenden Material geimpft worden waren, sind, wie bei den drei weiteren Impftieren, im Wesen übereinstimmende Veränderungen an der Schleimhaut der Maulhöhle aufgetreten. Bei der ersten Besichtigung dir Kälber Nr. I V am 20. Mai war aufgefallen, daß sich die Veränderungen nicht von der

9

Impfstelle ans entwickelt nnd znerst die ihr nächstgelegene Schleimhaut im Maule ergriffen hatten, sondern plötzlich an den verschiedensten Teilen der Maulhöhle aufgetreten waren. Aus diesem plötzlichen und verstreuten Auftreten der krankhaften Ver- änderongen konnte geschlossen werden, daß der Krankheitserreger, ähnlich wie bei der Maul- und Klauenseuche, durch die Blutbahn verbreitet wird.

Zur Prüfung dieser Frage wurden neben einer bakterio- logischen Untersuchung des Blutes auch Übertragungsversuche mit dem Blut der erkrankten Kälber auf gesunde Kälber vorgenommen. Am 21. Mai, am Tage nach dem Hervortreten der ersten Erschei- nungen bei den Kälbern Nr. I— V, wurde von Kalb IH, das die schwersten Veränderungen zeigte, Blut mit einer angewärmten Pravazspritze entnommen. Davon erhielt sofort Kalb IX 10 ccm intravenös und Kalb X 10 ccm subkutan injiziert. Bei Kalb IX traten bereits am 23., bei Kalb X am 24. Mai, also 2—3 Tage nach der Impfung mit Blut, Krankheitserscheinungen auf. Wir müssen aber hervorheben, daß bei den Kälbern Nr. IX und X eine zufällige Übertragung der Krankheit von den Kälbern I— V nicht mit ausreichender Sicherheit auszuschließen ist, da sie von dem nämlichen Wärter gepflegt werden mußten, wie die Kälber Nr. I— V. Der Wärter hat die mit Blut infizierten Kälber zwar immer zuerst gefiittert und sich nach der Fütterung der Kälber Nr. I— V desinfiziert. Trotzdem bleibt die Möglichkeit bestehen, daß die Kälber Nr. IX und X nicht durch die Blutinfektion, sondern zufiLUig mittelbar durch Krankheitsprodukte aus der Maulhöhle der Kälber Nr. I— V infiziert worden sind.

Die Krankheitserscheinungen bei den Kälbern Nr. IX und X waren ganz ähnliche wie bei den Kälbern Nr. I— III.

Bei Kalb IX (intravenös) zeigte sich am 23. Mai hauptsächlich das Flotzmanl von Veränderungen betroffen. Auf demselben befanden sich, be- sonders in dem unterhalb der Nasenlöcher gelegenen Teile, zahlreiche mohn- samengrofie, randliche Stellen, die sich ein wenig über die Umgebung hervor- wMbten, felngekömt und trübe aussahen. Ihr Zentrum war vertieft. Es war mit scharfen Rändern versehen und lag etwa 73 mm unter der unmittelbaren Umgebung. Die an diese Stelle grenzende gesunde Zone mit spiegelndem Glanz war etwas dunkler gefärbt, als das übrige grauschwarz pigmentierte FlotzmauL Am 24. Mai hatten die feingekömten, unter der Oberfläche gelegenen Stellen sich vergrößert, so daß die größten fast Hantkomgröße besaßen. Auch waren an den vorderen Staffeln mehrere diffus rote Stellen sichtbar. In den laschsten Tagen traten zahlreiche rote Stellen mit breitem Saum an der Schleim-

- 10 --

hant des Zwischenkiefers auf, die eine schmutzig gelblichgraae Farbe und eine unebene, fetzige Oberfläche annahmen. Am 26. bis 27. wurden drei mohnkom- bis hantkomgroße Stellen an der Unterlippe sichtbar. Ihre Umgebung war etwas geschwollen. Die Krankheitsherde selbst lagen Y4 mm unter der Ober- fläche, zeigten scharfe Ränder und waren feingekOrnt. An diesen Stellen der Lippe und des Flotzmauls war die Feldenmg verloren gegangen. Auch sonderten die in den einzelnen Feldern gelegenen Drüsen des Flotzmaules keine Flüssigkeit ab. Die zuerst erkrankten Stellen [des Flotzmaules be- deckten sich inzwischen zum größten Teil wieder mit Epithel, jedoch blieben eine Schwellung und dunklere Färbung der erkrankten Stellen noch mehrere Tage sichtbar. Auch die Felderung trat erst im Laufe von zwei Wochen wieder deutlich hervor. Die Flotzmauldrüsen sonderten schon bald nach der Bildung des neuen Fpithels und dem Rückgang der Schwellung wieder ab.

An der Unterlippe, an den Seitenflächen der Zunge traten nur leichte Ver- änderungen auf. Bei Kalb X wurden mehrere der eben beschriebenen Herde auf dem Flotzmaul beobachtet, die am 25. Mai die Größe eines silbernen 20-PfennigstückeB erreichten, eine schmutzig gelbliche Farbe und eine rauhe, trübe Oberfläche aufwiesen. Die Heilung der erkrankten Stellen der Maul- schleimhaut ging verhältnismäßig schnell vonstatten. Außerdem waren an der Unterlippe einige geringfügige Veränderungen bemerkt worden, die sich jedoeb ebenfalls bald zurückbildeten.

Am 9. Tage nach der Einspritzung wurden bei den Kälbern Nr. IX und X auf der Haut schmutzig graubraune Krusten bemerkt, die nach Ablauf einer Woche wieder verschwanden. Diese Krusten fielen bei den Kälbern Kr. IX und X zuerst auf. Später wurden sie auch noch bei anderen Versuchstieren beob- achtet und dürften deshalb ebenfalls als ein Krankheitssymptom anzusehen sein.

Infektionsversuche mit Blutserum.

Zur weiteren Feststellung der Rolle, die das Blut als Träger des AnsteckungsstoflFes der hier in Frage stehenden Krankheit spielt, wurde dem Kalb Nr. IX am 23. Mai Blut entzogen, das zum Teil zur Anlegung von Kulturen benutzt, zum Teil zur Senim- gewinnung in den Eisschrank gestellt wurde. Das Blut ist in Ausstrichpräparaten und im hängenden Tropfen geprüft und auf alle verfügbaren Nährböden (Agar, Glyzerinagar, Blutagar, Blutserum. Serumagar, Bouillon, Serumbouillon, Zuckerbouillon, Glyzerinbouillon, Kartoffeln) ausgesäetworden. Das Ergebnis der mikroskopischen und Kulturprüfungen war negativ. Dasselbe Resultat hatte die informatorische Prüfung des Blutes des spontan erkrankten Ochsen und der Kälber Nr. I— Vin gehabt.

Am 24. Mai hatte sich aus dem in den Eisschrank gestellten Blut reichlich Serum abgeschieden. Dieses wurde durch Chamber- landkerzen filtriert; das Filtrat, das ebenfalls frei von sieht- und

11

züchtbaren Keimen war, wurde 24 Stunden nach Entnahme dem Kalb XI in der Menge von 4 ccm und dem Kalb XII in der Menge von 6 ccm subkutan eingespritzt. Von diesen beiden Kälbern, die in einem besonderen Stalle untergebracht waren und durch einen be- sonderen Wärter gepflegt wurden, erkrankte Nr. XII am 8. Juni unter den mehrfach geschilderten Erscheinungen im Bereich des Flotzmaules und der Maulhöhle. Bei der am 26. Juni vorgenommenen Tötung des Tieres wurden neben den Veränderungen des Flotzmaules und der Maulhöhle drei linsengroße Stellen mit trübem Zentrum und zerklüfteter Oberfläche in der Schleimhaut des Schlundes festgestellt. Der Magen und Darm wies auch bei diesem Tier Veränderungen nicht auf. Kalb Nr. XI ist nicht erkrankt.

Da bei dem Versuche einer Übertragung der Krankheit durch Blut bei den Kälbern Nr. IX und X eine andere Ansteckungsmöglichkeit als dm^h das verimpfte Blut nicht mit voller Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, sind zwei weitere Kälber, Nr. Xm und XTV, am 12. Juni mit Blut des Kalbes Nr. Xn subkutan und intravenös infiziert worden. Die Kälber Nr. XHI und XIV wurden in einem besonderen Gebäude untergebracht und von einem Wärter gepflegt, der im übrigen mit Versuchstieren nichts zu tun hatte. Kalb Nr. xm erhielt 6 ccm Blut subkuten, Kalb Nr. XIV 8 ccm intravenös eingespritzt. Kalb Nr. XIII erkrankte am 28. und Kalb Nr. XIV am 26. Juni unter ebenso heftigen Erscheinungen wie das Kalb Nr. HI.

Bei den Kälbern Nr. XIII und XIV ist hervorzuheben, daß etwa 7—8 Tage vor dem Ausbruch der Krankheit auf der Maul- schleimhaut verdächtige Flecke bemerkt wurden, die nach 24 Stunden wieder verschwunden waren. Im übrigen traten auch bei diesen Tieren Rezidive ein, so daß sie noch im Oktober 1904 Erscheinungen der Krankheit aufwiesen.

Die bisher angestellten Übertragungsversuche hatten die Über- tragungsmöglichkeit nicht nur durch die Krankheitsprodukte in der Maulhöhle, sondern auch durch Blut und filtriertes Blutserum ergeben. Während bei den Übertragungsversuchen mit den Krankheitsprodukten und dem Blut . sämtliche Versuchstiere erkrankten, ist von den beiden mit Blutserum geimpften Tieren nur eines krank geworden. Die Krankheitserscheinungen traten nach ver- schieden langen Inkubationsperioden auf. Bei dem Ursprungsmaterial waren die ersten Symptome nach 14 Tagen, bei den Übertragungs-

12

versuchen mit Material der zweiten Generation nach 13—15 Tagen, nach der intravenösen und subkutanen Impfung mit Blut einerseits nach 2 3 Tagen, andererseits nach 14—16 Tagen und bei den Übertragungsversuchen mit Serum nach 15 Tagen aufgetreten.

Um über die Infektiosität des Blutes und des unfiltrierten, so- wie des filtrierten Blutserums weitere Erfahmngen zu sammeln, sind von uns noch weitere 12 Rinder, die uns von anderer Seite hierzu zur Verftigung gestellt worden waren, zu Versuchen benätzt worden. Diese Rinder standen im Alter von IV2 bis 2 Jahren.

Das Material zu den weiteren Übertragungsversuchen lieferte das Kalb Nr. XIV. Diesem wurde am 8. Juli 1904, als es gerade schwere Veränderungen in der Maulhöhle aufwies, Blut entnommen. Ein Teil des Blutes ist deflbriniert, ein anderer zur Serumgewinnung kalt aufgestellt worden.

Von den uns zur Verfügung gestellten 12 Tieren wurden 8 zu je zweien in den vier Ecken eines großen, geräumigen, außerhalb der Tierärztlichen Hochschule gelegenen Stalles aufgestellt. In den in der Diagonale gegenüberliegenden Ecken befanden sich die mit Nr. XV, XVI, XVII und XVm bezeichneten Tiere, und zwar standen Nr. XV und XVI frei, XVn und XVm zusammen. Die Rinder Nr. XV— XVIII dienten als Versuchstiere, die übrigen vier (Nr. XIX~XXn) als Kontrolltiere. Am 9. Juli erhielten Nr. XV und XVI je 4 ccm unflltriertes Serum, Nr. XVII 10 ccm und XVni 4 ccm deflbriniertes Blut subkutan eingespritzt. Das injizierte Serum enthielt eine geringe Menge roter Blutkörperchen.

Bei der ersten Besichtigung am 16. Juli wurden bei Nr. XVH und XVIII auf der Schleimhaut der Maulhöhle typisch veränderte Stellen beobachtet, die aber bei der nächsten Prüfling am 19. Jnli verschwunden waren. Die Krankheitsherde befanden sich nament- lich an den Staffeln des Gaumens und an der Innenseite der Unter- lippe. Bei der weiteren Untersuchung der Tiere am 24. und 28. Jnli waren Veränderungen nicht mehr bemerkbar. Erst am 9. August 1904 waren bei Nr. XVII und XVIII an den Staffeln des harten Gaumens sowie an der Schleimhaut der Unterlippe und der Zunge bis zehnpfennigstückgroße erkrankte Stellen vorhanden. Bei dem Rind Nr. XVn wurde auch eine leichte Krustenbildung auf d^r Haut bemerkt, die jedoch nach wenigen Tagen wieder verschwand.

Bei den mit Serum geimpften Tieren und bei den Kontrolltieren wurden in der angegebenen Zeit keine verdächtigen Erscheinungen

13

in der Maulhöhle gesehen, weshalb die Tiere kurz darauf ander- weitig verwendet worden sind.

Bei diesem Versuch ist also die Infektion mit dem defibrinierten Blut gelungen, während die Verimpfung von Blutserum keine Erkrankung zur Folge hatte.

Zu dem letzten von uns angestellten Versuche wurde dem Rinde Nr. XVn am 9. August 1904 Blut entnommen. 20 ccm des abge- schiedenen Serums sind durch Chamberlandkerzen filtriert worden. Das Filtrat, das sich, wie das Blut, von dem es stammte, als frei von nachweisbaren Keimen erwies, wurde am 10. August den Jungrindem Nr. XXin und XXIV je zur Hälfte und das unfiltrierte Serum den Jungrindem Nr. XXV und XXVI eingespritzt.

Während einer einmonatlichen Beobachtung erkrankten diese Tiere nicht. Nach dieser Zeit hatten wir nicht mehr Gelegenheit, die Tiere zu sehen.

Das Ergebnis der an den Rindern Nr. XV XXVI ausgeführten Übertragungsversuche mit Blutserum stimmt mit den Resultaten der früheren Versuche nicht ganz überein. Bei sämtlichen Rindern, die mit unverändertem, frisch aus der Ader entnommenem Blute geimpft worden waren, sind Erkrankungen aufgetreten. Dagegen erkrankten von den beiden mit filtriertem Blutserum geimpften Kälbern Nr. XI und XII nur eines (Nr. XII) und von den mit nicht- filtriertem Blutserum geimpften Jungrindem Nr. XV und XVI, so- wie von den mit nichtfiltriertem und filtriertem Blutserum geimpften Jungrindem Nr. XXIII— XXVI keines. Aus dem positiven Über- tragungsversuch mit filtriertem Blutserum bei einem Kalbe ist zwar zu schließen, daß das Virus der hier in Rede stehenden Infektionskrankheit filtrierbar ist. Das negative Ergebnis der übrigen mit Blutserum angestellten Versuche kann aber nur so gedeutet werden, daß das Blutserum den Ansteckungsstoff nicht immer enthält. Diese Folgerung wird insbesondere durch den Versuch bei den Rindern Nr. XV— XVni gestützt, in dem die mit defibriniertem Blute infizierten Tiere erkrankt sind, während die mit dem Serum desselben Blutes behandelten Rinder gesund blieben. Wodurch dieses wechselnde Verhalten des Blutserams er- krankterTiere zu erklären ist, entzieht sich vorläufig unserer Kenntnis.

Bei der Würdigung der Ergebnisse der Übertragungsversuche ist in Betracht zu ziehen, daß ältere Tiere schwerer zu in- fizieren sind als jüngere. Bei zwei Kühen im Alter von 6 und

14

9 Jahren gelang uns die Übertragung der Krankheit durch Krank- heitsprodukte von der Schleimhaut der Maulhöhle erst bei der zweiten Übertragung, und auch diese hatte nur den Ausbruch einer sehr leichten Erkrankung zur Folge. Bei einem dreijährigen Bullen ist selbst eine dreimalige Impfung mit dem bei den Kühen an- gewandten Infektionsmaterial ohne Besultat geblieben. Die uns von anderer Seite zur Verfügung gestellten Tiere waren l^/o bis 2 Jahre, die zu den ersten Versuchen verwandten Kälber dagegen ^/g bis höchstens 1 Jahr alt gewesen.

Zu bemerken ist noch, daß sich der Krankheitsprozeß bei sämt- lichen Tieren auf die Schleimhaut der Maulhöhle und auf das Flotz- maul beschränkte, und daß nur bei einigen Tieren außerdem Krusten- bildung auf der Haut beobachtet wurde. Bei der Sektion des Versuchs- tieres Nr. Xn konnten auch Veränderungen an der Schleimhaut des Schlundes ermittelt werden. Dagegen ließen sich in keinem Falle Veränderungen im Bereiche der Nasenschleimhaut, der Lidbinde- häute und bei weiblichen Tieren der Schleimhaut der Vagina nachweisen. Selbst bei künstlichen Übertragungen von Krankheits- material aus der Maulhöhle auf die zuletzt genannten Schleimhäute erkrankter Tiere blieben die Nasenschleimhaut, die Lidbindehäute und die Schleimhaut der Vagina ohne Verändening.

Spontane Übertragung der Krankheit

In dem Stalle des Hygienischen Instituts, in dem die fünf zuerst infizierten Kälber untergebracht waren, befanden sich fnnf weitere Kälber, die ungeimpft geblieben sind. Von letzteren er- krankten zwei Ende Juni und zwei weitere im Beginn des Monat« Juli 1904. Mithin ist erwiesen, daß auch eine spontane Über- tragung von Tier zu Tier stattfindet.

Wesen des AnsteckungsstofTes.

Bei Schilderung der Übertragungsversuche ist schon darauf hingewiesen worden, daß alle Versuche, in dem Blute, durch dessen Verimpfung der Ausbruch der Krankheit hervorgerufen werden konnte, Mikroorganismen nachzuweisen, vergeblich gewesen sind. Es konnten weder Protozoen noch Bakterien in den Blutbestand- teilen ermittelt werden. Da in einem Falle die Übertragung der

15

Krankheit dnrch filtriertes Blutserum gelang, muß der Ansteckungs- stoff zu den filtrierbaren, ultravisiblen gerechnet werden, wie die Ansteckungsstoffe der Maul- und Klauenseuche, der Hühnerpest und der Geflugelpocken.

In Schnitten durch die erkrankten Schleimhautstellen fanden sich, wie nicht anders erwartet wurde, Bakterien verschiedener Formen. Kontrolluntersuchungen bei gesunden Rindern bestätigten, daß es sich hierbei um Bakterien handelte, die zur Flora der normalen Maulschleimhaut des Eindes gehören.

Histologie der Veränderungen der Maulechieimhaut.

In dem ersten Stadium der Erkrankung zeichnet sich die Schleimhaut makroskopisch durch ihre höhere Eötung, Schwellung und weiterhin durch einen ins Gelbliche spielenden Farbenton aus. Auf senkrechten Schnitten durch die Schleimhaut, die mitHämatoxylin- Eosin, Methylenblau und Fuchsin gefärbt worden sind, sieht man an den erkrankten Stellen dieses Stadiums, daß die Epithel- schicht bedeutend verbreitert ist, daß die Papillen an Lange und Umfang zugenommen haben, daß in der unter dem Epithel gelegenen Schicht der Mukosa die Blutgefäße strotzend gefüllt, und daß zahlreiche weiße Blutkörperchen in diesen Teil der Mukosa ausgetreten sind. Betrachtet man die einzelnen Abschnitte genauer, so findet man die Zellen des Bindegewebes der Mukosa auseinander gedrängt und in die Maschen reich- * lieh weiße Blutkörperchen eingelagert. Die Gefllße sind mit roten und weißen Blutkörperchen prall gefiillt und von weißen Blut- körperchen mantelartig umgeben. Die Grenze zwischen der Mukosa und den Epithelien des Stratum cylindricum ist ver- schwommen. Zwischen diesen Zylinderepithelien und den darüber befindlichen Zellen des Stratum germinativum befinden sich zahlreiche mehrkemige Leukozyten. Die Zellen des Stratum germinativum weisen meist kleinere ungefärbte Bäume auf, die gegen das Stratum granulosum an Zahl und Größe weiter zu- Dehmen und in den Zellen des Stratum granulosum fast aus- nahmslos anzutreffen sind. Das Stratum lucidum und corneum ist noch als einheitliche Lage vorhanden.

Im zweiten Stadium, in dem sich die Epitheldecke im Zentrum der erkrankten Stellen abgehoben hat, trifft man die Papillen nur

16

mit wenigen Epithellagen bedeckt an. Zuweilen sind die Papillen an den Spitzen selbst verletzt. Der den Epitheldefekt der erkrankten Stellen umgebende rote Sanm zeichnet sich dnrch starke Vakuolenbildung in den Zellen des Stratum germinativom bis Stratum lucidum aus. Das Stratum comeum ist hier zum Teil ver- loren gegangen. Die Papillen und die Mukosa weisen die gleichen Veränderungen auf wie im vorigen Stadium.

Das dritte Stadium läßt eine wesentliche Abnahme der weißen Blutkörperchen in der Mukosa und den Papillen, sowie auch eine Abnahme des Querdurchmessers der Papillen er- kennen. Demgegenüber fallen die Papillen durch ihre Länge auf, so daß die zwischen den Papillen gelegenen Epithelmassen als schmale Leisten erscheinen. Die neugebildete Epithelschicht des Grundes der Vertiefung sieht einem Lattenzaun ähnlich, an dem man Stäbe und freie Felder unterscheiden kann. Als Stäbe sind die dünnen Epithelmassen zu betrachten, die den Tälern der Papillen ihre Ent- stehung verdanken. In diesen Stäben haben die Epithelien schon ihre normale Lagerung und Beschaffenheit angenonmien; oberhalb der Spitzen der Papillen sieht man Körnung und leichte Verhomung eintreten. Die freien Felder bilden die Gewebsmassen, die an den oberen Teilen der verletzten Papillen entstanden sind. Zunächst ist die Grenze zwischen den Spitzen der Papillen und den darüber befindlichen Zellen kaum feststellbar. Die Zellen selbst setzen sich aus Epithelien mit großen Vakuolen und aus weißen Blut- körperchen zusammen, zwischen denen amorphe Massen lagern. Die obere Schicht dieser Stellen bildet nicht eine einheitliche glatte Fläche, sondern es ragen die von den Spitzen der Papillen ausgehenden Zellmassen über die normalen Epithelzüge aus den Tälern der Papillen hervor. Hierdurch erhält die Oberfläche dieser Stellen schon eine makroskopisch erkennbare unregelmäßige, unebene Beschaffenheit.

Im vierten oder Abheilungsstadium sind die Ent- zündungserscheinungen zum größten Teil zurückgegangen. Auch über den Papillen beginnt sich ein von weißen Blutkörperchen freies Epithel zu bilden, so daß das Epithel wieder seine noimale einheitliche Beschaffenheit erhält. Im Stratum lucidum und comeum sieht man noch zerfallene weiße Blutkörperchen vereinzelt und in Nestern liegen. Dort, wo die Prozesse bis auf die Papillen selbst übergegriffen haben, finden wir nach der Abheilung eine Ver-

17

kürzung der Papillen. In diesem Falle liegen dann die erkrankten Stellen etwas tiefer als die intakte Umgebung.

Zwischen den oberflächlich gelegenen Zellen der erkrankten Stellen findet man im Stadium 2 und 3 bei Färbung mit Hämar toxylin-Eosin, Fuchsin und Methylenblau Mikroorganismen der verschiedensten Formen (schlanke und plumpe Stäbchen, Kokken, ins- besondere aber Streptokokken). Dieselben Mikroorganismen haben wir aber auch, wie erwähnt, bei zahlreichen Untersuchungen des Maulschleims gesunder Kühe angetroffen, weshalb diesen Beftinden eine Bedeutung nicht zukommt.

Wesen der Krankheit

Durch die erfolgreichen Übertragungen der Krankheit von dem spontan erkrankten Ochsen auf Kälber, die in einem räumlich weit entfernten Stalle untergebracht und mit einwandfreiem Futter und Wasser ernährt wurden, sowie durch die späteren gelungenen Über- tragungen der Krankheit mit Krankheitsprodukten und Blut diesek- Kälber auf weitere Rinder ist bewiesen, daß die Krankheit an- steckend ist, und daß sich der Krankheitserreger im Blute befindet. Wie im vorstehenden schon dargelegt wurde, muß aus einem positiv ausgefallenen Übertragungsversuch geschlossen werden, daß der Ansteckungsstoff zu deh filtrierbaren gehört. Hiermit stimmt auch äberein, daß es bei keinem der erkrankten Tiere jemals ge- lungen ist, Mikroorganismen, die als Krankheitserreger angesehen werden könnten, durch die angewandten Untersuchungsmethoden nachzuweisen.

Klinisch charakterisiert sich die Krankheit, die in unseren Versuchen nach einer durchschnittlichen Inkubationszeit von zwei Wochen ausbrach, als fleberlose und ohne Störung des Allgemeiö- befindens verlaufende umschriebene Stomatitis, bei der es zur Bildung kleiner Knötchen mit rotem Hofe kommt. Die Knötchen können zusammenfließen und größere Knoten bilden. Die Knötchen, die auf allen Teilen der Maulschleimhaut und auf dem Nasenspiegel auftreten können, sind zunächst rot, wie ihr Hof, nehmen aber bald eine ins Gelbliche übergehende graue Farbe an. Eine Bildung von Bläschen und Blasen haben wir niemals beobachtet. Im weiteren Verlauf der Krankheit wird das veränderte Epithel abgestoßen. Infolgedessen

ZeiUcbrift »r Infektionskrankheiten. I, 1. 2

18

entstehen in der Mitte der Knötchen scharftimgrenzte, in der Regel mnde Vertiefungen. Der Grund der Vertiefungen ist leicht gekörnt and je nach der Farbe der Schleimhaut von verschiedenem Aus- sehen. Bei rosaroter Schleimhaut ist der Grund höher gerötet, bei grauschwarzer mehr schwarz. In diesem Stadium vergrößern sich die erkrankten Stellen nach der Peripherie zu. Später wuchert das Epithel auf und zwischen den Papillen der Zungenschleimhaut Das neugebildete Epithel besitzt wie die histologische Unter- suchung lehrte, durch die Beimengung von weißen Blutkörperchen eine gelbliche Farbe. Endlich beginnt etwa acht Tage nach dem Auftreten der Knötchen durch normale Epithelbildung Heilung. Die Neubildung des Epithels nimmt gleichzeitig im Zentrum und an den Rändern der Erosionen ihren Anfang. Die überhänteten Stellen haben eine matüote Farbe, die bald an Ausdehnung ge- winnt, so daß nach abermals einer Woche kleinere Stellen mit einer neuen Epithelschicht bedeckt sind. Von der Umgebung heben sich diese Stellen durch vermehrte Röte und Rauhigkeit ab. Diese beiden Zeichen der Erkrankung schwinden meist erst nach einem Monat. Bei tiefgreifenden Prozessen verzögert sich der Heilungs- vorgang ganz wesentlich. Hierdurch und durch die häufig ein- tretenden Rezidive kann sich die Krankheit über Monate erstrecken.

Während des Bestehens der Veränderungen in der Maulhöhle zeigen die Tiere meist keine weiteren E[rankheitserscheinungen. Ob die nur bei einigen Versuchstieren festgestellte Krustenbildung auf der äußeren Haut zu den Symptomen der Krankheit gehört, müssen weitere Untersuchungen entscheiden. Bei den von uns be- obachteten Tieren konnten weder Temperatursteigerung, noch ver- minderte Freßlust, noch Speichelfluß ermittelt werden. Nur bei sehr stark erkrankten Tieren ging der Ernährungszustand etwas zurück, das Haarkleid wurde struppig, und es machte sich ein übler Geruch aus der Maulhöhle bemerkbar.

Die histologische Untersuchung der veränderten Stellen der Maulschleimhaut zeigte, daß die knötchenfbnnigen Erhebungen durch eine exsudative Entzündung entstanden waren, die sich auf einzelne Papillen und kleinere Papillengruppen beschränkte. Der Krankheitsprozeß zeigte anatomisch die größte Übereinstimmung mit der papulösen Entzündung der Haut, dem Ekzema papulosum. Wir schlagen daher für die Erkrankung die Bezeichnung Stomatitis papulosa infectiosa des Rindes vor.

19

Bei Durchsicht der Literatur glaubten wir zunächst, daß die Krankheit noch nicht beschrieben ist. Wir wurden indessen auf den Bericht über die Verhandlungen des Vn. internationalen tierärztlichen Kongresses in Baden-Baden aufmerksam gemacht, in dem sich eine ähnliche Krankheit beschrieben findet. Professor Heß hat in seinem Beferat über die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche unter den Krankheiten, die mit dieser Seuche ver- wechselt werden können, einen eigentümlichen Ausschlag genannt and hierüber folgendes ausgeführt:

„Ein eigentümlicher Ausschlag, der jederzeit bei Stall- und Weidetieren vorkommt und möglicherweise mit dem in der Literatur erwähnten ,,Bläschen- anssehlag im Maule, syn. Aphthen, sporadische Maulseuche*' identisch ist, daher unter der Form einer gutartigen Maulseuche verläuft. Die Krankheit befäUt Rinder und Kühe und beginnt mit kaum merklicher Verminderung der Frefilust und geringgradigem Geifern. Die Tiere zeigen im Maule leicht ver- mehrte Wärme, geringgradige Empfindlichkeit, stellenweise Rötung, in älteren Fällen gelbfleckige Verfärbung der Maulschleimhaut und deutliche Schwellung ihrer Papillen. In ganz frischen Fällen findet man an der Zungenspitze und in sehr ausgedehntem Mafie auf der Maulschleimhaut und am Lippenrande hanfkom- bis erbsengroße, hochrote oder gelbliche Knötchen, die in der Mitte ein kleines, graues, rasch platzendes Bläschen zeigen. Nach seinem Platzen entstehen stets kleine, linsen- bis erbsengroße, mehr oder weniger zahlreiche, leicht zusammenfließende und dann bohnen- bis höchstens fUnffrankstück- große, wenig schmerzhafte, stets oberflächliche Schleimhautgeschwttre (Erosionen). Solche Geschwüre beobachtet man unten in den Nasen- löchern, an den Nasenflügeln und am Flotzmaul, an welchen Stellen sie sehr große Ähnlichkeit mit den infolge des Katarrhalfiebers auftretenden Epithel- defekten haben und sich sehr rasch mit einer bräunlichen Kruste bedecken, ferner auf der Maulhöhlenfläche der Unterlippe, am zahnlosen Rande des Ober- kiefers, auf der Schleimhaut des harten und weichen Gaumens, am Zahnfleische des Unterkiefers und des Oberkiefers, an den Lippenrändem und -winkeln, an der Backenschleimhaut, im Rachen, an der Zungenspitze und neben und vor dorn Znngenbändchen. Frische Geschwüre zeigen einen rötlichen Grund mit einem gelblich-käsigen Belag und hochrotem oder blaurotem, wulstigem, scharfem Rande. Bei älteren Geschwüren ist der Grund gelblich, zunder- ähnlich, trocken und sogar die gesunde Umgebung etwas überragend. Die Abheilung der Erosionen findet innerhalb fünf bis acht Tagen unter Zurück- Usaung von kleinen, isolierten oder diffusen, roten, blauroten oder gelben Flecken oder kleinen, sehr wenig erhabenen, gelben, rauhen, trockenen Epithel- Wucherungen statt. Das Allgemeinbefinden wird nicht beeinträchtigt Die Tiere zeigen weder Fieber, noch eine Verminderung des Milchnntzens. Die Krankheit verläuft stets gutartig, ohne Folgekrankheiten zu hinterlassen und ist durch Impfung von Maulschleim auf andere Rinder nicht übertragbar. Der Umstand, daß das Allgemeinbefinden niemals leidet, daß Zungenrücken und Klanen stets normal bleiben und daß die bei der Maul- und Klauenseuche

2*

20

charakteristiBchen Blasen mit den nachfolgenden SchleimhaatgeschwfireD nnd der so typischen Yenu^rbnng fehlen, ist bezeichnend für diese gntartige Maol- affektion, die anatomisch am ehesten als Folliknlarkatarrh der Manlschleimhaat aufgefaßt werden konnte. Die Ätiologie ist noch nicht bekannt Von den Besitzern werden Ameisen- und Wnrmhaafen, die im Nachsommer auf den grasarmen Äckern und Weiden hänfig vorkommen, als Ursache betrachtet Ich glaube aber, dafi dieses Leiden aasschliefilich Fntterschädlichkeiten, die sich im Sommer im Gras und im Winter im Heu vorfinden, zugeschrieben werden mnß.'^

Die von uns beobachtete und untersachte Erkrankung unter- scheidet sich von der von Heß beschriebenen, ganz abgesehen von der von uns nachgewiesenen Ansteckungsfähigkeit, dadurch, daß wir niemals Bläschen beobachtet haben. DieBezeichnung „sporadische Aphthen" würde daher auf das von uns beschriebene Leiden nicht passen. Denn mit dem Namen Aphthen bezeichnet man in der Tier- heilkunde Bläschen auf der Maulschleimhaut, und die aphthöse Stomatitis ist daher gleichbedeutend mit der vesikulären (Fried- berger-Fröhner, Lehrbuch der speziellen Pathologie und Therapie der Haustiere, 6. Aufl., S. 6). Auch als „Folliknlarkatarrh der Maul- schleimhaut" läßt die Krankheit sich nicht benennen, wenn man die Bezeichnung nach Analogie der follikulären Rhinitis verstehen wollte. Denn an den Schleimdrüsen, die bei der follikulären Rhinitis erkrankt sind, fehlen bei der hier in Rede stehenden E[rankheit Ver- änderungen. Immerhin stimmt aber die von Heß geschilderte Erkrankung mit der von uns beobachteten Stomatitis papulosa in vielen Merkmalen überein, so daß wir annehmen, daß auch Heß sie beobachtet und die Beschreibung nur mit der der sogenannten sporadischen Aphthen vermischt hat.

DifTerentialdiagnose.

Die Stomatitis papulosa infectiosa des Rindes kann mit den sogenannten sporadischen Aphthen und mit der Aphthen- seuche verwechselt werden. Von beiden Erkrankungen unterscheidet sich die Stomatitis papulosa durch das Fehlen von Bläschen und Blasen, von der Aphthenseuche außerdem dadurch, daß sich bei der Stomatitis papulosa der Krankheitsprozeß auf die Maulhöhle beschränkt, die Haut und Klauen aber nicht befällt.

^^a;^

«^ «cciP^PG

U, RtSP-l

tC

P^osthogollimus^l;^^^us 4^iiy3MS einem Hfihnerei.

Prof. Dr. K. WolffhBgrel

in Buenos Aires.

Durch Herrn Dr. Angel Gallardo wurde mir in einem Fläschchen frisches Hühnereiweiß mit der Bitte äbeimittelt, die darin lebend gefundenen Parasiten zu bestimmen. Das Eiweiß war Herrn Gallardo aus Lobos, Provincia Buenos Aires, als von einem ganz normal gebauten Hühnerei stammend, zugeschickt worden. In dem Eiweiß fand ich vier größere und einen kleineren Trematoden, die alle bei gelindem Erwärmen Körperbewegungen ausführten. Das Ei war mindestens seit dreimal 24 Stunden gelegt. Außer den Parasiten enthielt das Eiweiß noch ein Klümpchen Kot (Pflanzen- reste, Sand), etwa in der Größe einer Erbse. Mit Hilfe der wert- vollen Arbeit M. Brauns,^) auf die ich mich im folgenden stütze, war es leicht, die vier größeren Trematoden unzweifelhaft als Prosthogonimus cuneatus (Rud.) zu bestimmen.

Zunächst seien die an den vier genannten Exemplaren gewonnenen Befunde mit den Angaben in Brauns Arbeit verglichen. Zwei Exemplare hatten drei- eckige Form mit abgerundetem Hinterrande. Die Maße sind: Länge 3,5 mm, größte Breite im Hinterende 2,2 mm. Zweites Exemplar: Länge 3,3 mm, größte Breite 2,9 mm. Braun gibt 5,2 mm Länge und für die größte Breite 1,7 mm an. Die Maße sind mit Bezugnahme auf die verschiedenen Kontraktions- zustände von genügender Übereinstimmung. Die beiden anderen Exemplare zeigten sich derartig kontrahiert, daß sie in ihren Umrissen Gastrodiscus ^gyptiacus glichen. Das Vorderende bis zum Bauchsaugnapf ist dabei vom übrigen Körper abgesetzt. Die Länge betrug 2,9 mm, die größte Breite 2 mm. Die Körperoberfläche aller Exemplare fand ich bestachelt, in der Art, wie für die Spezies bekannt. Mundsaugnapf 0,30 mm bis 0,35 mm Durchmesser. Bei einem Exemplar mit Gastrodiscusform war er 0,41 mm breit und 0,34 mm lang. Pharynx mit 0,14 mm Durchmesser. Bauchsaugnapf 0,6 mm breit und 0,5 mm i*Qg, auch bloß 0,5 mm beide Maße. Bei den zwei Exemplaren mit dreieckiger Form ist zwischen Mund- und Bauchsaugnapf ein Abstand von 0,7 mm; in der Mitte dieses Abstandes liegt die Darmgabelungsstelle. Die letztere ist also weiter vom Bauchsaugnapf abgelegen als Braun es für P. cuneatus angibt; ^ie liegt etwa so wie bei P. ovatus Rud. Diese Abweichung wird aber

22

leicht aoi verschiedene Kontraktionszustände zurückzuführen sein. Dafür spricht, dafi der Oesophagus in unserem Exemplar geschlängelt verläuft. Die Hoden sind oval, glattrandig, 0,68 mm lang und 0,47 mm breit Meist ragen die vorderen Lappen des Ovars noch Über die hintere Wandung des Bauch- saugnapfes vor. Die Dotterstöcke der dreieckigen Exemplare ragen noch wenig über den Vorderrand des Bauchsaugnapfes vor, während sie Braun in dessen Mitte oder an dessen Hinterrand beginnen fand. Infolge der Kontraktion sind die DotterstOcke bei den gastrodiscusfbrmigen Exemplaren breiter und reichen weiter über den Bauchsaugnapf nach vom. Ein Dotterstock ist deutlich in drei Pakete geteilt (auch in Brauns Fig. 45), das hinterste sendet dem vordersten einen Gang zu, was auch das zweite tut. Der Uterus ist ganz so charakteristisch angeordnet wie von Braun beschrieben, gefüllt hatte er 0,15 mm Durchmesser. Die Eier fand ich oval, 0,0196 bis 0,025 mm lang und 0,014 mm breit, auch 0,0216 mm lang und 0,0126 mm breit. Braun gibt 0,0228 bis 0,0273 mm Länge und meist 0,013 mm, selten 0,016 mm als Breite der Eier an. Porus genitalis und Endabschnitt des Yas deferens verhalten sich genau wie von Braun beschrieben.

Nach der soeben gegebenen Beschreibung unterliegt es, trotz sehr geringer Abweichungen von den von Braun festgelegten Art- merkmalen, keinem Zweifel, daß in den vier größeren Prosthogonimus- exemplaren die Spezies cuneatus (Rud.) vorliegt. Schwierigkeiten bietet der kleine, in demselben Hühnerei gefundene Trematode. Er ist zwar sofort als zum Genus Prosthogonimus gehörig zu erkennen und steht von den durch Braun beschriebenen Arten dem P. cuneatus am nächsten, zeigt jedoch, bloß in bezug auf Größenverhältnisse, bedeutende Abweichungen. Die Unterschiede wird die Gegenüber- stellung der gefundenen Verhältnisse mit den Braunschen Angaben klarlegen. Zu gleicher Zeit gebe ich die von Looß für Prymnoprion anceps Looß gegebenen Maße an. 2)

Die Form unseres Exemplares ist elliptisch, vom etwas schmäler als hinten. Nach Braun ist P. cuneatus langgestreckt, oval, mit zugespitztem Vorderende und verbreitertem Hinterteil. Unser Exemplar ist 2,2 mm lang und von 0,8 mm größter Breite, Prymnoprion anceps Looß 2,6 mm lang und 1,2 mm breit, während P. cuneatus 5,2 mm lang ist und 1,7 mm größte Breite besitzt Ich fand eine Bestachelung wie von Braun für P. cuneatus angegeben. Mund- saugnapf in dem fraglichen Exemplar von 0,2 mm Durchmesser, der von P. cuneatus nach Braun 0,3 bis 0,4 mm. Looß gibt 0,18 mm Länge und 0,15 mm Breite ftir den Pharynx seines Prymnoprion anceps an. Braun sieht aber mit Recht, nach der Abbildung von Looß, das von letzterem als Pharynx gedeutete Gebilde als den Mundsaugnapf an. Der Bauchsaugnapf liegt auch in unserem Exemplar etwa auf der Grenze zwischen vorderem und mittlerem Körperdrittel. Der Bauchsaugnapf hat 0,31 mm Quer- und 0,306 mm Längs- durchmesser, der von P. cuneatus nach B r a u n 0,6 mm bis 0,8 mm Durchmesser, der von Prymnoprion anceps Looß 0,56 mm Durchmesser. Pharynx des fraglichen

23

Exemplares 0,12 mm Quer- und 0,08 mm Längsdurchmeseer, P. cuneatue 0,2 mm. Ösophag des fraglichen Exemplares 0,10 mm lang, P. cuneatus 0,2 bis 0,4 mm. Die Gabelstelle des Darmes liegt in unserem Exemplar nicht so nahe am Banchsaugnapf wie für P. cuneatus angegeben, sondern hat mehr die Lage wie bei P. ovatus (Bud.). Der rechte Hoden (der linke war sehr undeutlich zu sehen) ist oval, ganzrandig, 0,22 mm lang und 0,17 mm breit Das Ende des Darmes überragt den Hoden um des letzteren einfache Länge, bei P. cuneatus nm einfache bis IVsfache Länge. Die Lappen des Ovars noch die hintere Hälfte der hinteren Saugnapfwandung überragend. Gelegentlich werden nach Braun Lappen des Ovars bei P. cuneatus auch vom Hinterrand des Saugnapfes verdeckt. Das Ovar liegt rechts von der Medianlinie und ebenfalls das zwischen der Vereinigung der Dottergänge gelegene Receptaculum seminis. Hier liegt zentral eine ziemlich grofie Schalendrüse. Die Dotterstöcke beginnen etwa in der Mitte des Bauchsaugnapfes (bei P. cuneatus ebenso oder mit dessen Hinterrande) und überragen auch nur wenig die Hoden nach hinten. Die Lage und Verteilung der Uterusteile ist wie bei P. cuneatus, nur daß die Schlingen im Hinterteil etwas lockerer liegen und daß am stärksten mit Eiern gefüllte Uterusteile bloß 0,054 mm Durchmesser haben, während ich bei den großen Exemplaren von P. cuneatus, wie schon angeführt, sie zu 0,15 mm fand. Die Eier fand ich oval, 0,018 mm lang und 0,0108 mm breit, 0,0216 mm lang und 0,014 mm breit, während Braun für P. cuneatus 0,0228 mm bis 0,0273 mm Länge Qod 0,013 mm, selten 0,016 mm Breite angibt. Von Prymnoprion anceps Looß 0,02 mm lang und 0,012 mm breit. Für den Endabschnitt des Vas deferens, Porus genitalis fand ich relativ dieselben Verhältnisse wie für P. cuneatus festgestellt ist.

Nach der ganzen Untersuchung liegt, abgesehen von unbedeu- tenden sonstigen Abweichungen, ein Prosthogonimus cuneatus (Eud.) in verkleinertem Maßstabe vor: Es beträgt seine Größe etwa die Hälfte derjenigen des typischen P. cuneatus, ebenso die seiner Saugnäpfe, des Pharynx, des Oesophagus. Nur die Größe der Eier ist, wenigstens des größten gemessenen, dieselbe. Trotz dieser ungewöhnlichen Größennnterschiede, die wohl für vollkommen geschlechtsreife Exemplare als Variationsgrenze bei Trematoden nicht bekannt sind, will ich den Parasiten als Zwergform von P. cuneatus (Eud.) an- sehen, da auch Braun Prymnoprion anceps Looß als kleinen P. cuneatus (Rud.) bezeichnet. Mit diesem Prymnoprion anceps stimmt unser eben besprochenes kleines Exemplar gut überein, auch in den Maßen, mit der einzigen Ausnahme, daß der Banch- saugnapf von P. anceps einen ebenso großen Durchmesser besitzt, wie die normalen von Braun beschriebenen Exemplare von P. cmieatus. Unsere Zwergform hingegen besitzt einen viel kleineren Bauchsaugnapf, der mit den verkleinerten Dimensionen ihrer übrigen Körperbestandteile harmoniert.

24

Das Vorkommen von Prosthogonimns coneatos (End.) in der Borsa Fabricii resp. dem Darm ist für folgende Vögel durch Braun festgestellt: Cygmes musicus, Anas clangula, Otis tarda, Machetes pagnax (Piymnoprion anceps Looß), Grus cinerea, Pavo cristatus, Fulica atra, Corvus corax, Corvus corone, Corvus comix, Corvus frugilegus, Garrnlus glandarius, Fnngilla coelebs, Passer domesticus (Prymnoprion ovatus [B.] Looß).

Ein aus einem Hühnerei stammender Prosthogonimns schien Braun P. cuneatus zu sein, aber der schlechte Erhaltungszustand ließ eine Bestimmung nicht zu. Als Parasiten von Gallus domesticus und für Argentinien hätten wir hiermit Prosthogonimns cuneatus (Rud.) festgestellt. Der Fund in einem Hühnerei ist nicht be- fremdend, da nach Braun-') der normale Wohnsitz der Prostho- gonimusarten die Bursa Fabricii zu sein scheint. „Mit dem mehr oder weniger weitgehenden Schwund dieses Organes, dessen Be- deutung noch vollkommen unbekannt ist, ist für seine Bewohner die Notwendigkeit der Auswanderung gegeben, die entw^eder zu einem Verlassen des Wirtes oder zur Überwandernng in den Darm resp. mit diesem in Verbindung stehende Kanäle führt. Bevorzugt ist hierbei der Eileiter, womit die Möglichkeit des Einschlusses in das Eiweiß von Eiern gegeben ist." Wie Braun weiter erwähnt, scheint es sich in Mitteleuropa bei Einschluß in Hühnereier ausschließlich um Prosthogonimns pellucidus (v. Lstw.) zu handeln, soweit das Genus Prosthogonimus in Betracht kommt. Braun glaubt, daß ein in der Sammlung des Berliner Museums für Naturkunde aufbewahrter Tre- matode, der aus einem Hühnerei stammt, auch Prosthogonimus cuneatus (Eud.) sei, der schlechte Erhaltungszustand des Exemplares konnte aber darüber keine Sicherheit verschaffen. Ebenso scheint mir auf Prosthogonimus cuneatus (Rud.) der Trematode zu beziehen zu sein, den Perron cito*) auch lebend aus einem Hühnerei in Italien erhalten hat und den er als Dist. ovatum Eud. 1809, Fasciola ovata R.1802, D.bursicola, Cephalogonimus ovatus Stossich 1892 bezeichnet hat. Die Beschreibung und Abbildung (Fig. 6 Taf. XVI.) ermöglichen aber keine Identifiziening. Interessant ist, daß die Parasiten in Per- roncitos und unserem Fall noch lebten und daß gleichzeitig mit den Trematoden auch Kotteile mit in das Eiweiß eingeschlossen wurden.*)

*) Perron cito sagt, daß sich in seinem Falle im Eiweiß eine branne, kömige Masse befand, die er als Entleerung des Parasiten anffaßt Es wird sich dabei aber auch um Bestandteile aus dem Darm gehandelt haben.

25

Aus der Gegenwart der Eotteile kann man schließen, daß nicht ein aktives Wandern der Schmarotzer in die Legeröhre ans ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort, dem Darm, der Bursa Fabricii, nötig ist. Wenn eine so große Kotmenge in die Legeröhre geschafft und in die Eischale eingeschlossen werden kann, so ist dies naturlich noch viel leichter möglich mit den kleinen Trematoden (trotz ihrer feinen Stacheln). Was die Anregung zur „antiperistal- tischen" Bewegung der Legeröhre gibt, darüber kann man bloß Vermutungen aussprechen. Vielleicht, daß ein schwerer Legeakt die Disposition zum Hineingelangen von Kot in dieselbe gibt.

Uteratur.

^) Braun, M., Fascioliden der Vögel, Zoologische Jahrbücher. Abt. für

Systematik, Geog. n. Biologie. 16. B. 1902. ^ Looß, A., Weitere Beiträge zur Kenntnis der Trematodenfauna Ägyptens,

Zoolog. Jahrbücher. V. 12 Syst. 1899, S. 722. ^ Brann, M., Trematoden der Bursa Fabricii, des Eileiters und der Eier der

VOgel. Zentralblatt für Bakteriolog., Parasitenk. und Infektionskr. Erste

Abt, 29. Bd. 1901, S. 12—19. *) Perroncito, E., I parassiti deiruomo e degli animali utili. 1901,

S. 343.

Ober einige Kulturmerlcniale des Rausclibrandbazilius.

Von

Dr. Theobald Smith,

Profesior der vergleichenden Pathologie an der medisinischen FakuUftt der Harvard Univereitj,

Boston, U. 8. A.

Überblickt man die Literatur über anaerobe Bakterien, be- sonders diejenigen Arbeiten, die sich mit Rauschbrand und malignem Ödem befassen, so findet man wenige Merkmale aufgezeichnet, die uns Klarheit über die Unterschiede zwischen diesen zwei Arten verschaffen. Dieses gilt auch fär die jüngsten wertvollen Zu- sammenstellungen von Kitt und Jensen^) in dem Handbuch der pathogenen Mikroorganismen. Auch Leclainche und Vall^e^) geben nur ein sicheres Unterscheidungsmerkmal an: Auf dem Bauchfell des Meerschweinchens, kurz nach dem Tode, sollen die Bazillen des malignen Ödems lang, die des Rauschbrandes kurz sein. Auch geben diese Autoren an, daß jene zwei Arten sehr oft zusammen gefunden werden, daß die Kulturen indessen nicht immer als Mischkulturen anerkannt worden sind.

Solche Unsicherheit in der Diagnose beweist keineswegs, daß hervorragende Forscher diese Mikroorganismen nicht leicht er- kennen; denn jeder Arbeiter findet schließlich gewisse Merkmale, die ihn selbst, aber nicht jeden andern zurechtweisen. Es fehlt an ganz einfachen, unzweideutigen Kulturmerkmalen, die jeder leicht nachweisen kann.

Die Kultur der Anaeroben hat mich, wie jeden Bakteriologen, seit Jahren interessiert, und ich habe seit 1890^) in dem Gämngs- kölbchen ein sehr wertvolles Kulturgefäß gefunden, in welchem obligate Anaeroben ohne Sauerstoffausschluß sich sehr leicht ver- mehren. In dem geschlossenen Schenkel des Kölbchens gehen reduzierende Prozesse vor sich, wie ich mich durch Lackmus und Methylenblau überzeugen konnte.*) Impft man nun ein Gärungs- kölbchen mit Organstückchen, Blut, Agar usw., Substraten, die

27

Anaeroben in Bazillen- oder Sporenform enthalten, so wird der geschlossene Schenkel getrabt, nnd es sammelt sich Gas oben an, das die Flüssigkeit nach unten verdrängt. Je nach dem Gehalt an Zucker wird mehr oder weniger Gas gebildet; auch Sporen- bildung geht bei gewissen Arten rasch vor sich. Bei diesen Ver- suchen fand ich nun, daß manchmal die Vermehrung sich entweder spät, erst nach einigen Tagen, und dann plötzlich, oder gar nicht einstellte. Um nun diesem selten vorkommenden Fehlschlagen der Kultur vorzubeugen, impfte ich die sterile Bouillon mit Stückchen Leber, Milz oder Niere eines gesunden Kaninchens oder Meer- schweinchens. Das Stück, welches so groß wie eine Bohne sein kann, wird in die kleine Verbindungsröhre hineingeschoben. Nach zwei- oder dreitägigem Aufenthalt im Thermostaten können die so zubereiteten Kölbchen geimpft werden.*) In solchen Kölbchen wachsen die Bazillen des Tetanus, des Eauschbrandes, des malignen Ödems und andere noch nicht genau bestimmte Anaäroben, die in gewöhnlichen Reagensgläsern sich nicht vermehren können. Vor einigen Jahren kultivierte ich auch den Bacillus necrophorus aus einer Kaninchenepizootie in dieser Weise. Auf den Wert der Methode, sterile Organstückchen zu gebrauchen, wurde ich schon im Jahre 1890^) aufinerksam. Im Jahre 1899 bin ich noch einmal in einer kleinen Schrift, die leider vielen nicht zugängig ist,^) darauf zurückgekommen. Kürzlich ist diese Methode von Tarozzi^) wieder entdeckt und warm empfohlen worden. Auch Kitt^) hat angegeben, daß Fleischstückchen in Bouillon far die Entwicklung von Rauschbrandbazillen sehr vorteilhaft sind. Auch Zusatz von Blut wird von ihm als gutes Hilfsmittel gepriesen. Blut habe ich nicht probiert, aber Blutserum, das ich indessen nicht besonders empfehlen kann.

Mit dieser Methode ausgerüstet, prüfte ich und zwei meiner Assistenten seit 1900 eine Reihe anaerober Kulturen, die ich zum größten Teil selbst isoliert hatte, um ausfindig zu machen, ob sich nicht gewisse Kulturmerkmale aufstellen lassen. In einigen früheren Arbeiten über fakultativ-anaerobe Bakterien (B. coli, Hog-cholera, Typhus) fand ich, daß zwei verschiedene Merkmale aufgestellt

*) Bei alten Meerechweinchen enthält manchmal die Leber, viel seltener ^e Niere, Bakterien. Man soU deshalb junge, ausgewachsene Tiere ge- brauchen.

28

werden können: 1. Die Gaspro^uktion aus gewissen Znckerarten (selektive Gärong) und 2. die (rasfonnel, die die relative Quantität

des CO2 zum explosiven Gas feststellt. Diese Formel -gg— kann

leicht durch Absorption mit Kali- oder Natronhydrat nach einer Methode, die ich im Jahre 1890 beschrieb, 3) bestimmt werden.

Um nun die selektive Gärung bestimmen zu können, wurde Peptonbouillon angewandt, die zuerst von Fleischzucker durch Vergärung mit B. coli befreit wurde, nach einem Schema, das ich im Jahre 1899 beschrieb.^) Zu dieser Bouillon wurde nun ein Prozent Dextrose, Saccharose oder Milchzucker in steriler Lösung zugesetzt; sodann wurden die Kölbchen noch einmal kurz gekocht.

Es zeigte sich nun, daß fast alle anaerobe Bazillen Dextrose vergären und dabei reichlich Gas bilden. Einige greifen auch Milchzucker an, keine der untersuchten Arten aber Saccharose. Manchmal bleibt das Wachstum aus; in solchen Fällen wird nach einer Woche noch einmal geimpft.*)

Zur Bestimmung der Gasformel können obige Kulturen oder noch besser Kölbchen, die in 1 prozentiger Dextrosebouillon Organ- stückchen*) enthalten, benutzt werden. In diesen wird immer Gas schnell und reichlich gebildet. Auf die Bedeutung der Gasformel komme ich später zurück.

Bei diesen Untersuchungen wurde auch Milch zur Kultur im Gämngskölbchen verwandt und als besonders wertvolles Kultur- substrat befunden. Zur Sterilisierung wurde die Milch zuerst viermal im Dampfkochtopf erhitzt. Es fanden sich aber im Sommer viele sporenbildende Anaeroben in der Marktmilch, und diese keimten nach drei- oder viermaliger Erhitzung, selbst noch nach einer Woche, aus, da das Gämngskölbchen ihnen die beste Wachstumsgelegenheit bot. Zur Vermeidung dieses Übelstandes wurden die Kölbchen zwischen der zweiten und dritten, sowie der dritten und vierten Erhitzung in den Thermostaten gestellt. Durch diese einfache Prozedur wurden alle Kölbchen sicher sterilisiert. Nach der Impfung der Milch geht die Kultur nur in ganz ver- einzelten Fällen erst einige Tage später an. In der Eegel erfolgt

*) Unsere Stammkultoren werden in tiefer Agarschicht im Eisschiank aufbewahrt. Von diesen werden Kulturen in Gämngskölbchen angelegt, die dann als Stammkulturen monatelang gebrauchsfähig sind. Von diesen wird ein Tropfen mit einer ausgezogenen Pipette in frische Röhrchen geimpft.

29

das Wachstum und die Veränderung der Milch ungemein schnell. Folgende Kulturmerkmale kommen dabei zur Beobachtung:

1. Koagulation der Milch im geschlossenen Schenkel.

2. Koagulation und Gasbildung.

8. Verdauung des Kaseins und langsame Gasbildung.

4. Sehr schneUe Gasbildung und Verdauung.

5. Säurebildung.

6. Geruch.

Diese lange Einleitung zu dem eigentlichen Thema dieser Mitteilung habe ich als notwendig erachtet, da meine vor- stehend erwähnten Arbeiten in Deutschland größtenteils unbekannt geblieben sind.

Während der vergleichenden Prüfung verschiedener Anaäroben wurden auch mehrere Kulturen aus anderen Laboratorien bezogen, darunter einige Rauschbrandkulturen. Es wurde nun bald bemerkt, daß die verschiedenen Stämme dieser Bazillenart sich nicht glichen. Auf diese Tatsache wurde meine Aufmerksamkeit zuerst durch das Verhalten der Gasformel gelenkt. Es fand sich nämlich, daß ein Stamm aus einer Fabrik für Eauschbrandimpfstoff eine andere Gas- formel besaß als derjenige, den ich selbst aus einem sporadischen Fall isoliert hatte, sowie ein Stamm, den ich aus einer anderen Fabrik bezogen hatte. Die erstgenannte Kultur hatte die Formel

Uli

- = bu— ; die anderen Kulturen zeigten dagegen die Formel

H ^ 3

g^=Ybu— , Der Gärungstypus war also grundverschieden. In

der Milchkultur waren die Unterschiede sehr in die Augen fallend. Der erstgenannte Stamm verdaute das Kasein sehr schnell unter schwacher Gasbildung; die anderen koagulierten das Kasein, ver- dautet es aber nicht.

Bei der Meerschweinchenimpfung töteten beide Kulturtypen nach 16 bis 24 Stunden. Bei dem zweiten Typus fand sich etwas mehr Gas im Unterhautzellgewebe, sonst waren aber keine besonderen Unterschiede zu verzeichnen. Der erstgenannte Stamm verbreitete in allen Kulturen einen widerlichen, stinkenden Geruch. Bei den anderen war der Geruch auch manchmal widerlich, aber meist nur säuerlich.

*) Es soll hier bemerkt werden, daß Organstttckchen immer zu Gas- bildung Anlaß geben. Das Gas stammt wahrscheinlich zum Teil aus Organzncker.

30

Es könnte möglich sein, daß die eine Fabrik einen weit ver- breiteten sporenbildenden pathogenen Bazillus aus der Gruppe des malignen Ödems als Eauschbrandimpfstoff benutzt. Denn zu dem- selben Typus gehörten eine Kultur, die ich aus der Wunde einer Kuh isolierte sowie Bazillen, die ich öfters im faulenden Fleisch fand. Die Sporen widerstehen langem Kochen. Daß die Kultur, die ich als Rauschbrand isolierte, wirklich Eauschbrand ist, will ich nicht behaupten, aber sie ist identisch mit einigen anderen Stämmen, die mir als Rauschbrand zugeschickt wurden, und sie gleicht am genauesten dem Bilde, das ich mir aus Beschreibungen machen konnte.

Aus diesen Versuchen geht zur Genüge hervor, daß das Gärungs- kölbchen ein sehr wertvolles Hilfsmittel flr die Kultur der anaöroben Bakterien ist und daß es zur Bestimmung der Artmerkmale dieser Bakterien in Zukunft kaum entbehrt werden kann. Es kommen hier folgende Merkmale in Betracht: Säurebildung, Gasbildung und Gas- formel in Bouillon, die mit verschiedenen Zuckerarten versetzt ist; in Milch: Fällung des Kaseins, Verdauung und Gasbildung sowie Säurebildung und Geruch.

Vorläufig möchte ich folgende Artmerkmale des Rausch- brandbazillus, die mit dem Gärungskölbchen bestimmt werden können, aufstellen:

1. In Peptonbouülon (ohne Fleischzucker und ohne Organ- stückchen) wird 50 bis 100 Prozent (des geschlossenen Schenkels) Gas aus Dextrose und Laktose, aber kein Gas (oder nur ein wenig) aus Saccharose gebildet.

H 2

2. Gasformel: v,^- = ungefähr -.

3. Die Milch gerinnt nach einigen Tagen im geschlossenen Schenkel. Weitere Veränderungen unterbleiben.

Für die oben geschilderte, weitverbreitete Rasse des malignen Ödems können folgende Artmerkmale aufgestellt werden:

1. Gasbildung (50 bis 100 Prozent) in Dextrosebouillon, keine Gasbildung in Saccharose- oder Laktosebouillon.

2. Gasformel: " = l bis l.

3. Milch wird in einigen Tagen in eine wässerige Flüssigkeit verwandelt, auf der eine Fettschicht schwimmt. Dabei

31

wird langsam Gas gebildet. Geruch in allen Kulturen

stinkend. Schließlich soll noch bemerkt werden, daß zum Studium der Sporenbüdung, Sporenkeimung und Beweglichkeit dieselbe Kultur zu jeder Zeit auch der mikroskopischen Untersuchung zugängig ist, was bei den sonst üblichen Methoden nicht möglich ist.

Boston, September 1905.

Literaturverzeichnis.

1. Kitt, Th., Raaschbrand. Jensen, C. 0., Malignes Ödem. Handbuch

der pathog. Mikroorganismen. 1903, IL 3. Leclainche et Vallöe, Annaies de Tlnst. Pasteur, 1900. XIV. S. 202, 590. 3. Smith, Th., Das Gämngskölbchen in der Bakteriologie. Zentralblatt für

Bakteriologie, 1890, VII., S. 502. 4. Rednktionserscheinungen bei Bakterien usw. Zentralblatt f. Bakt.,

1896, XrX., S. 181. 5. Some devices for the cultivation of anaerobie bacteria etc. Joum.

Boston, Soc. Med. Sciences.

6. Tarozzi, Ober ein leicht in aerober Weise ausführbares Knltormittel. Zentralbl. f. Bakt, I. Abt. Orig. 1905. XXXIX., S. 619.

7. Smith, Th., Jonmal of Experimental Medicine, 1899, FV., S. 375.

Aus der medizinischen Klinik der K. u. K. Tierärztlichen Hochschule in Wien. (Vorstand: Professor Dr. Hugo Schindelka.)

Weitere Versuche zur Desinfektion der Eisenbatinvieh- transportwagen mit wässerigen Formaldetiydlösungen.

(Mit einer tabellaiischen Übersicht.)

Von

Dozent Dr. Josef Sctanftrer.

Im Oktoberheft 1. J. der Zeitschrift für Tiermedizin wurde über Versuche berichtet, welchen die Absicht zugrunde lag, eine den "wissenschaftlichen und gleichzeitig den praktischen Anforderungen entsprechende Desinfektionsmethode verseuchter Eisenbahnvieh- transportwagen vorerst an Wagenmodellen von ungefähr ein Vier- zehntel der durchschnittlichen wirklichen Größe der Wagen fest- zustellen.

Die Resultate dieser Vorarbeiten waren unter Einhaltung be- stimmter Bedingungen derart günstige, daß die eigentlichen bindenden Versuche, welche Dank dem Entgegenkommen der K. K. Staatsbahn- direktion Wien in der Desinfektionsstation Kaiser-Ebersdorf an Eisenbahnviehtransportwagen selbst vorgenommen werden konnten, Aussicht auf guten Erfolg gewärtigen ließen.

Das Prinzip, das sowohl bei den Vorversuchen als auch in den Wagen selbst zur Anwendung kam, ist dasselbe, welches Grub er im Jahre 1895 mit Benützung von Chlorkalklösungen heranzog: nämlich das wiederholte Bespritzen der Wände unter Druck mit großen Mengen stark verdünnter Desinfektionsflüssigkeit. Die starke, aber selbstverständlich ausreichende Verdünnung gestattet die An- wendung großer Mengen des Desinfektionsmittels, wodurch ohne Erhöhung der Kosten eine Massenwirkung, verbunden mit einem hohen Grade von Sicherheit, gewährleistet wird.

Die Bespritzung mit einer gewöhnlichen Saug- und Druckpumpe unter einem mäßigen Überdruck gestattet einerseits ein bequemes

33

Arbeiten außerhalb des Wagens, andererseits aber bedingt der unter Druck auftreffende durchaus nicht fein verteilte Flüssigkeitsstrahl eine gründliche Durchtränkung der Holzflächen, wobei die Flüssig- keit selbst durch die feinen Holzfugen durchgepreßt wird und an der Außenseite des Wagens herabrinnt. Die wiederholte Bespritzung soll den Zweck erfüllen, einerseits den Desinfektionseffekt möglichst von der Sorgfalt des Arbeiters unabhängig zu gestalten, anderseits aber auch die Massenwirkung zu steigern, was bei einer einmaligen Bespritzung mit der gleichen Menge Flüssigkeit nicht möglich wäre, da, wie unsere Vorversuche gezeigt haben, das prozentische Verhältnis des Ablaufes der auf einmal verspritzten Flüssigkeits- menge direkt mit dem verwendeten Gesamtquantum an Desinfektions- fltissigkeit wächst. Einer Wiederholung der Bespritzung nach einem Intervall, das zum Teil durch die praktischen Verhältnisse, zum Teil durch die Ergebnisse entsprechend variierter Versuche selbst gegeben erscheint, kommt daher eine für den Endeffekt durchaus nicht zu vernachlässigende Bedeutung zu.

Als Testobjekt kamen Seidenfäden, an denen Milzbrandsporen angetrocknet waren, zur Verwendung. Gewöhnliche chirurgische Nähseide wurde eine Stunde in Iproz. Sodalösung gekocht, sodann in ca. 1 cm lange Stücke geschnitten und bei 160^ C (trocken) sterilisiert. Sodann wurden sie mit der Sporenemulsion Übergossen. Dieselbe wurde so hergestellt, daß 8 Tage alte Agarkulturen mit steriler Kochsalzlösung abgeschwemmt und diese Emulsion durch ein gewohnliches Filter von schwedischem Filterpapier filtriert wurde. Das Filtrat wurde sodann im Wasserbade eine halbe Stunde auf 15^ C erwärmt und durch Agarstriche auf seine Eeinheit und Sporen- haltigkeit geprüft. Die Tränkung der Fäden geschah über Nacht im Eisschranke. Am anderen Tage wurden die Fäden bei 60^ C rasch getrocknet und weiter auf ihre Dampfresistenz geprüft. Dies geschah in einem kleinen Kochschen Dampfsterilisator, durch dessen obere Mündung ein Glasstab gesteckt wurde, der ein zugeschärftes Platin- häkchen trägt; auf dasselbe wurden nun die Fäden gesteckt und die entsprechende Zeit dem strömenden Dampfe ausgesetzt.

Da die Fäden aus naheliegenden Gründen nicht frei im Wagen befestigt werden konnten, so wurden sie, wie dies auch andere Autoren schon getan hatten, in Filterpapier, wie Pulver in den Apotheken expediert werden, eingepackt, und zwar je zwei Fäden in ein Päckchen, jedoch durch eine fiinffache Lage von Filterpapier

Zeitschrift fOr Infekttonikninkheiten. I. 1. 3

34

von einander getrennt. Diese Verpackung soll einerseits die Ver- streunng von Fäden unmöglich machen und andererseits gewisser- maßen die tatsächlichen Verhältnisse nachahmen, in denen die Sporen sich in der Natnr eingebettet in organische Substanzen (Ex- und Sekrete der Tiere) vorfinden. Allerdings decken sich auch hier, wie überall, Natur und Experiment nur teilweise. Sichtig ist, daß im Experiment wie in der Natur die zu desinfizierenden Objekte (Sporen) nicht direkt von der Desinfektionsflüssigkeit ge- trofien werden, sondern daß diese in beiden Fällen eine mehr oder weniger dicke Schichte durchdringen muß; während aber in der Natur diese Schichte unter umständen stark eiweißhaltig (Blut) nnd mit hoher chemischer Aggressivität ausgestattet ist (Schwefel- wasserstoff, Ammoniak), ist im Experiment die reaktionlose Zellulose die trennende Schicht. Noch eines Dmstandes ist zu gedenken. Das Filterpapier ist natürlich nur so lange eine Scheidewand als es trocken oder wenig feucht ist; gründlich durchnäßt dagegen hält es direkt die Flüssigkeit zurück, so daß mehrfach derBeAmd notiert werden konnte, „Wände fast trocken, Päckchen feucht", anderseits aber halten ja auch die organischen Schichten das Des- infektionsmittel zurück.

Diese Päckchen wurden nun mit Tintenstift fortlaufend numeriert und mit kleinen Nägeln, teils frei an Wand und Fuß- boden des Wagens, teils in Kitzen, hinter vorspringenden Leisten, Eisenringen etc. befestigt.

Die Wagen waren vorher nach der in der Desinfektionsstation üblichen Methode durch Dampf von 4—5 Atmosphären Dnick im Kessel von makroskopisch sichtbarem Schmutze gereinigt worden.

Es sei an dieser Stelle gestattet, auch einige Worte über diese Reinigung mit Dampf zu sagen. Vielfach wurde dieser Vor- gang irrigerweise als „Desinfektion" bezeichnet. Schon andere Autoren (Redard, Gruber, Junack) betonten die gänzlich un- zureichende Desinfektionswirkung eines derartigen Vorganges. Den wie bereits erwähnt, im Dampfkessel auf 4—5 Atmosphären ge- spannte Dampf (~ 151,3—158,3^ C.) verliert bei seinem Aus- tritt aus der Düse infolge Abnahme des Druckes, Kondensation und direkter Abkühlung sofort seine hohe Temperatur, so daß ein Thermometer in einer Entfernung von 5 cm vor der Düsenmündung 80 ^ C, in einem Abstände von 10 cm 60 ° C und auf eine Distanz von 1 m 34 ö c zeigte. Selbst eine 5 Minuten anhaltende Ein-

35

leitnng des Dampfes in den Wagen bei geschlossenen Türen und Fenstern ergab als höchste Temperatur in einem Versuche nur 62 ^ C, in einem anderen 58 ^ C im Wageninnem, auf Maximalthermometem abgelesen. 5 Minuten nach beendeter Einleitung des Dampfes war die Temperatur schon auf 44 <^ C, nach weiteren 5 Minuten auf 34 ^ C und nach weiteren 5 Minuten auf 32 ^ C gesunken. Aller- dings mußte behufs Ablesung der Temperaturen die eine Türe fiir kurze Zeit geöffnet werden. Die Außentemperatur betrug 17 ^ C. Es ist sonach auf Grund dieser Temperaturnachweise vollkommen ausgeschlossen, daß durch die Methode der Einleitung von Dampf in das Wageninnere bei der gegenwärtig üblichen Anordnung ein irgendwie gearteter DesinfektionseflFekt bei Milzbrand erreicht werden könnte. Dagegen leistet diese Art der Verwendung frei aus Düsen austretenden Wasserdampfes Vorzügliches als Beinigungs- methode. In verhältnismäßig sehr kurzer Zeit wird der vom größten Schmutze durch Besen gereinigte Wagen auch von sämt- lichen makroskopisch sichtbaren Schmutzteilchen vollständig befreit. Bei unseren Versuchen wurden nun in die derart gereinigten und durch Stehenlassen bei geöflöieten Türen oberflächlich ge- trockneten Wagen die Sporenpäckchen befestigt (eine Planskizze bezeichnete aus Sicherheitsgründen die genaue Situation jedes einzelnen Päckchens). Nun wurde in einigen Versuchen von innen, in der Mehrzahl der Versuche aber von außen durch die Tür mittelst einer kleinen Saug- und Druckpumpe (Type Torpedo I der Firma E. Fischl in Wien) mit der stark verdünnten wässerigen (0,1—2%) Formaldehydlösung gespritzt. Als Düse diente ein einfach quergeschlitztes Ansatzstück, das bei einer Entfernung von 2—3 Metern einen dreieckigen Wasserfächer von ca. 1—2 m Basis- länge erzeugte. Diese Düse war bei der Bespritzung im Inneren auf ein Metallrohr („kurzes Handrohr") von ca. 80 cm, bei der Be- spritzung von außen auf ein längeres Metallrohr („langes Hand- rohr") von ca. 2 m Länge anmontiert. Die Verbindung zur Pumpe, welche neben dem Schienengeleise stand, bewirkt ein gewöhnlicher Kautschukschlauch von beliebiger Länge.

Bei Bespritzung von außen wurde nach Verbrauch der Hälfte der präliminierten Flüssigkeitsmenge die Türe gewechselt und die Bespritzung von der jenseitigen Längsseite des Wagens fortgesetzt. Die näheren Details mögen aus der beigegebenen Tabelle ersehen werden, zu deren Erläuterung noch folgendes bemerkt sei:

3*

-se- in den Spalten 16—19 und 22—25 bedeuten die oberen Zahlen die bei jeder einzelnen Bespritzung verbrauchte Flüssigkeitsmenge in Litern; die darunter stehenden Ziffern die dazu nötige Zeit, welche in hohem Grade von dem durchschnittlich aufgewendeten Drucke sowie dem Querschnitt der Leitung und der Düse etc. (vgl. Vers. X u. VI Spalte 16) abhängig ist. Die in den Gabeln stehenden Zahlen geben die zwischen den Einzelbespritzungen vergangene Zeit in Minuten an, während die Gesamtmenge der bei jedem Turnus aufgewendeten Flüssigkeit und Zeit in Spalte 20 bzw. 26, die Ge- samtmenge im ganzen Versuche in Spalte 28 und 29 zum Ausdrucke kommt. Aus dieser Notierung geht ohne weiteres der Gang jedes Versuches mit voller Klarheit hervor. Z. B. wurden beim ersten Versuche 78,5 Liter einer l,5proz. Formaldehydlösung (3,75 Liter Formalin auf 100 Liter Wasser in 2 Turnus von je 4 Einzel- bespritzungen verbraucht. Die ganze Zeit von der ersten Be- spritzung bis zur Entnahme der Fäden resp. deren Neutralisation betrag 6 Stunden 25 Minuten.

In den Versuchen X. und Xu. kam die Feuerspritze der Station zur Verwendung, indem durch Einbinden eines flach ge- rollten Blechstückes in das Steigrohr gleichfalls ein Flachstrahl erzielt wurde.

Nach Ablauf der Gesamteinwirkungsdauer (Spalte 28) wurden nun sämtliche Päckchen, nach Nummern geordnet, aus dem Wagen entnommen, in eine mit Deckel versehene Glasdose eingelegt, hierauf mit einer öproz. Ammoniaklösung Übergossen (5 ccm off. Liq. Amnion, caustic. auf 100 ccm steriles Wasser) und bis zur Verarbeitung im Laboratorium (ca. 172 Stunden später) darinnen belassen. Kontroll- versuche bewiesen, daß weder durch diese Behandlung mit Ammoniak noch durch Übertragung von Ammoniak in die Nährflüssigkeit die Keimfähigkeit der Sporen beeinträchtigt wurde.

Im Laboratorium wurden nun die Päckchen mit sterilen Pinzetten geöffnet, die Fäden, jeder für sich, in eine Eprouvette mit Bouillon eingeführt und nach Anlegung entsprechender Kontrollen der Bruttemperatur ausgesetzt. Die Beobachtungsdauer betrog 4 Wochen*); jede Bouillon, in welcher ein Faden Wachstum zeigte, wurde durch Striche auf Agarplatten auf die Natur der aufgegangenen Mikroben untersucht, der Faden selbst auf die

*) Die Beobachtung wurde während der Drucklegung der Arbeit fort- gesetzt und erst bei Absendung der Korrekturen abgeschlossen. (24. Okt 1905.)

37

Platte ausgelegt und die aufgegangenen Kolonien bei schwacher Vergrößerung bestimmt.

Im Versuche XI. kam eine 5proz. Chlorkalklösung zur Ver- wendung. Nach genauen Bestimmungen, welche der Vorstand des chemischen Instituts, Herr Professor Storch, auszuführen die Liebens- würdigkeit hatte, enthielt der verwendete Chlorkalk 30 % wirk- sames, d. i. durch Säure frei gewordenes Chlor. 10 kg dieses Chlorkalkes wurden in Wasser verrührt, indem zuerst mit wenig Wasser ein dicker Brei angemacht und dann erst allmählich bis zu 100 Liter aufgefüllt wurde. Nach Absetzen des ungelösten Teiles wurde die klare, stark nach Chlor riechende Flüssigkeit durch einen einfachen Schlauchheber abgezogen und durch Versetzen mit der gleichen Menge Wassers auf 5^/q gebracht. Die Bestimmung dieser Lösung ergab 1,6 ^Jq Chlor. In einer aus der Tabelle er- sichtlichen Versuchsanordnung wurde nun der Versuch unter Durch- fuhrung eines ganz gleichen Parallelversuches mit 1,5 ^/q Formalde- hydlösung ausgeführt. Die Neutralisation des den Fäden an- haftenden Chlors erfolgte mit einer Iproz. Lösung von Natrium- hyposulfit.

Kritik der Versuche.

Wohl das auffallendste Resultat ergab der Chlorkalkversuch; derselbe fiel, trotz des ziemlich hohen Chlorgehalts der verwendeten Lösungen (1,6 ^/o) (der Chlorkalk hatte 30 ^/o Chlorgehalt), fast um die Hälfte schlechter aus, als das durchschnittliche Eesultat der übrigen Formalhedydversuche. Während der Versuch mit öproz. Chlor- kalklösung nur eine Abtötung von 54,8% der ausgelegten Fäden ergab, ist beim ganz gleichen Parallelversuch mit l,5proz. Formalde- hydlösung 97,3 % Abtötung zu verzeichnen. Übrigens kam uns das Versagen des Chlorkalkes nicht unerwartet, da auch unsere Vorversuche sowohl in dem Wagenmodelle, als auch im Laboratorium im gleichen Sinne ausgefallen waren. So ergaben uns eine Eeihe von Versuchen, welche derart angestellt worden waren, daß die Seidenfäden einfach in eine 1 bzw. 2proz. Chlorkalklösung (der Chlorkalk enthielt damals 28 %, die Lösung 1,4 ^Jq durch Salzsäure freiwerdenden Chlor) eingetaucht wurden, eine lückenlose Folge von Fehlresultaten bis zu 20 Stunden Einwirkungsdauer; mitunter war selbst der Seidenfaden ganz zermürbt, die Sporen zeigten aber ungehindertes Auskeimen.

38

Diese Tatsache, die ja ohne Zweifel den bisherigen Erfahrangen über die Desinfektionskraft des Chlorkalks widerspricht, sei hier einfach angefiihrt. Es ist nicht recht erfindlich, wo bei der so einfachen Technik dieser Versuche die eventuelle Fehlerquelle liegen könnte. Möglicherweise übt die Antrocknung an Seidenfaden diese desinfektionshemmende Wirkung aus ; die meisten anderen Autoren haben nämlich mit Sporenemulsioneu, denen Chlor- oder Chlorkalk bis zur entsprechenden Konzentration zugesetzt worden war, ge- arbeitet. Daß nicht der verwendete Milzbrandstamm die Ursache dieser Mißerfolge ist, geht daraus hervor, daß absichtlich zur Wagendesinfektion ein anderer Stamm als zu den Vorversuchen gewählt worden war.

War also schon das bakteriologische Resultat des Chlorkalk- versuches ein wenig befriedigendes, so steht die Chlorkalkmethode bei der praktischen Arbeit unverkennbar sehr weit hinter der Formaldehydmethode zurück. Schon die Bereitung der Chlorkalk- lösung ist umständlich und muß exakt gemacht werden, da sonst der Chlorgehalt der Lösung sehr wesentlich hinter dem des Chlor- kalks zurückbleibt. Sodann muß die Emulsion sich absetzen oder filtriert werden, da beigemengter Chlorkalkschlamm die Spritze in kurzem unbrauchbar machen würde. Ferner resultieren, gering gerechnet, mindestens 50 ^/o der uisprünglich verwendeten Chlor- kalkmenge als fast wertloser Abfall, der in größeren Desinfektious- stationen eine wahre Kalamität bedeuten würde; auch greift die Chlorkalklösung die Spritze, Metall- wie Dichtungsteile, außerordent- lich an, weshalb eine gründliche Reinigung der Spritze nach jeder Benützung unbedingt notwendig wäre.

Demgegenüber ist die Manipulation mit Formaldehyd eine außerordentlich viel einfachere; zu je 100 Liter Wasser werden 2V2 Liter bzw. 3^4 Liter 40proz. handelsübliche Formaldehydlösung zugesetzt, um eine 1 bzw. lV2pi'oz. Lösung zu erzielen; die Mischung kann in jedem beliebigen VorratsgetUß erfolgen. Nach einigem Umrühren mit einem Holzstück ist die Desinfektions- flüssigkeit mit genau stets gleichbleibendem Gehalte an wirksamer Substanz gebrauchsfertig. Ein eventuell von der Tagesarbeit sich erübrigender Rest kann, unbeschadet seines Gehalts an wirksamer Substanz, aufbewahrt werden, ohne das VoiTatsgefäß anzugreifen, und ist ohne weitere Manipulation auch nach längerer Pause wieder sofort verwendbar.

39

Falls die Desinfektion von außen vorgenommen wird, was nach unseren Versuchen durch Wechseln der Wagenseite, von welcher aus die Bespritzung erfolgt, ohne weiteres angeht, ist die Belästigung der Arbeiter gleich Null.

Die Methode liefert femer keinerlei wie immer geartete Eück- stände, und die Abwässer können ohne Bedenken in die Erde ver- sickern.

Eine Beschädigung der Wagen und der Spritze konnte in keiner Weise konstatiert werden, wie dies schon aus unseren Vorversuchen zur Evidenz hervorging. Ebenso wurden die Leitungen (Kautschuk) nicht angegriffen.

Der Geruch der desinfizierten Wagen ist nach 12—14 Stunden vollkommen verschwunden und mit ihm alle andern Gerüche, wie z. B. der dem Wagen so intensiv anhaftende Geruch nach Schweinen, so daß direkt von einer geruchtilgenden Wirkung des Formaldehyds gesprochen werden muß. Andrerseits aber unterliegt es keinem Anstände, nach Ablauf von 24 Stunden den Wagen mit heiklen Waren (Mehl, Zucker, Salz, Kaffee) zu beladen, wie dies ent- sprechende Versuche deutlich bewiesen haben.

Auch der Preis des Formaldehyds dürfte kein unüberwindliches Hindernis zur Einführung dieser Methode darstellen; im Großbezuge stellen sich derzeit 60 Liter Iproz. Formaldehyds (die zur Wagen- desinfektion sicher ausreichende Menge und Konzentration) auf höchstens K. 1,50 (= ca. M. 1,27) Materialkosten.

*

Zusammenfassend stellt sich daher das Ergebnis der Versuche wie folgt:

Als ausreichende Konzentration erwies sich l^/o Formaldehyd- gehalt = 2V2 Liter 40proz. handelsübliche Formaldehydlösung auf 100 Liter Wasser.

Als geringstes Gesamtquantum würden sich 60 Liter pro Wagen in 2 Abteilungen, wovon jede 30 Liter Verbrauch hätte, zu ver- spritzen empfehlen. Wohl war auch der Erfolg bei 40 Litern (Ver- such IX) ein guter; doch spielt bei so relativ geringen Mengen schon die Sorgfalt und Aufmerksamkeit des Arbeiters eine wesentliche Rolle, ein Faktor, der entschieden möglichst ausgeschaltet werden muß. Demselben Gedankengang folgend, kann auch eine einmalige Bespritzung mit einer größeren Menge (50 Liter, Versuch VIII) nicht empfohlen werden, obwohl unser Versuch, der natürlich mit

40

Sachkenntnis und Sorgfalt ausgeführt worden war, ein recht günstiges Resultat ergab. Andrerseits soll aber wieder die Zahl der Bespritzungen eine nicht zu große sein, da sie, abgesehen von dem hierfiir erforderlichen Aufwand an Zeit und Arbeitskosten, un- kontrollierbar und bei größeren Betrieben direkt unausführbar ist. (12—14 Bespritzungen für jeden Wagen. Gruber, Freund.)

Innerhalb welcher Zeit die zweite Bespritzung der ersten folgen soll, darüber ist keine direkte Vorschrift zu geben; es richtet sich dies nach der Art und Ausdehnung des Betriebes. In unseren Versuchen blieb das Resultat fast gleich, ob nun dieses Intervall zu einer halben Stunde oder zu 3 Stunden angenommen wurde. Aus oben erwähnten Gründen ist vielleicht ein Mindest-Intervall von einer halben Stunde anzustreben.

Daß die Methode durchaus nicht auf Abdichtung rechnet und daher auch im Gitterwagen leistungsfähig sein dürfte, beweist Ver- such VI, der bei offenen Türen und Fenstern angestellt wurde.

Noch ein Faktor ist in Berücksichtigung zu ziehen, das ist die vorhergehende Befeuchtung resp. Durchnässung der Wagen- wände oder besser der zu desinfizierenden Objekte. Der fast voll- kommen negative Ausfall eines in dieser Hinsicht unternommenen Versuches (Versuch XIII) gibt einen wichtigen Fingerzeig für die Bedeutung der Durchnässung. Die Tatsache ist ja vollkommen verständlich: es hindert eben das bereits in den Objekten vor- handene Wasser den Zutritt der Desinfektionslösung bzw. verdünnt den Formaldehydgehalt bis unter die Grenze des Wirksamen. Die praktische Folgerung, die sich aus dieser Tatsache ergibt, ist ein- fach: der durch die gründliche Reinigung mit Dampf oder Preß- wasser durchtränkte Wagen muß bei geöffneten Türen und Fenstern bis zur sichtbaren Austrocknung seiner Wände stehen bleiben, ehe die Desinfektion beginnen kann. Da sofort nach der Reinigung das überschüssige Wasser durch Besen aus dem Wagen gefegt wird, so vollzieht sich diese relative Austrocknung, wie wir uns mehrfach selbst überzeugen konnten, in ganz kurzer Zeit.

Der praktische Vorgang, der daher bei der Desinfektion verseuchter Wagen am besten eingehalten werden soll, ist kurz folgender: Der Wagen wird zuerst mechanisch durch Besen etc. von dem gröbsten Schmutze (Mist, Streu etc.) gereinigt, sodann

41

die Reinigung durch Dampf oder heißes Preßwasser bis zum Ver- schwinden makroskopisch sichtbaren Schmutzes fortgesetzt. Nun werden die Wagen eine halbe Stunde bis zur oberflächlichen Ab- trocknung stehen gelassen und dann wird zur Desinfektion geschritten. In größeren Stationen, in denen stets mehrereWagen behandelt werden müssen, sollen auch mehrere Wagen (je nach Maßgabe des verfüg- baren Raumes) zu gleicher Zeit vorgenommen werden, indem jeder Wagen bei geschlossener Türe und geschlossenen Fenstern von der anderen offenen Türe aus mit je 15 Liter 1 proz. Formaldehyds be- spritzt wird. Sofort nach Bearbeitung eines Wagens wird die Türe geschlossen, und der Arbeiter geht zum zweiten Wagen. Nachdem die Wagenkolonne auf der einen Seite bespritzt ist, setzt der Arbeiter die Bespritzung auf der anderen Seite abermals mit ca. 15 Liter für jeden Wagen fort. Wenn das Steigrohr ungefähr 30 cm vor der Düse unter einem Winkel von beiläufig 100^ ab- gebogen ist, macht es gar keine Schwierigkeit, selbst die dem Arbeiter zugekehrte Längswand des Wagens zum größten Teile mit dem Strahle zu treffen, so daß also tatsächlich fast jede Wagen- wand bei jedem Turnus mindestens zweimal übergangen wird.

Sodann bleiben sämtliche Wagen mindestens eine halbe Stunde, womöglich bei geschlossenen Türen und Fenstern stehen, während welcher Zeit selbstverständlich eine andere Wagenreihe desinfiziert werden kann. Nach mindestens halbstündiger Pause wird bei den ersten und dann auch bei den übrigen Wagen genau derselbe Vor- gang wiederholt. Die Zeit, welche der ganze Vorgang beansprucht, ist auch nicht annähernd zu bestimmen, da dieselbe von dem auf- gewendeten Druck, dem Durchmesser der verwendeten Leitung, Düse und der Anzahl der Wagen etc. abhängig ist.

Es erübrigt nun noch, auf einen der wichtigsten Faktoren bei der Formaldehyddesinfektion, die Lufttemperatur, hinzuweisen. Nach den vorliegenden Untersuchungen unterliegt es keinem Zweifel, daß die beschriebene Methode bei Außentemperaturen über 12® C einen vollen Desinfektionseffekt verbürgt. Leider konnte bei den jetzigen Witterungsverhältnissen nicht bei niedrigeren Temperaturen gearbeitet werden. Unsere Vorversuche ergaben nämlich, wie dies auch von anderen Autoren (Perkuhn, Werner tt. a.) übereinstimmend angegeben wird, das Resultat, daß bei geringen Außentemperaturen (unter 10® C) die Desinfektion mit Formaldehyd im Stiche läßt. Wenn es nun auch richtig ist, daß

Tabellarische Zasammenstellung der DesinfektionsTersoche

CO

s

1

Wagen

Witte- rung

Temperatur

Versnehaanordnung

Desinfektion

Type

Nr.

e

£ 1

g II

C 3

1

s

o, ^s

lg

k

Ol

1^

J. Turnus

5

1

1

qm

I-: 1

II 1

1.

L.

1

2

S

4 1 6 1 6

7

8 ; 9

10 ' 11 1 u

13

14 ! 15

16 , 17 ' 18 1

I.

1906

Sept.

13.

N. W. B.

812

Kaatenwg. 4 Fen«ter versperrb.

1 II i

1 1 _

Schön, aonnig, mftßig Nord- wind

Seh. A 2^

220 I-II 220

B 290

S

IT

r

\

\'.\

1-

ii

1

1 1

l,5«/o

22 0

13— 7— ß,5 12-

3' !2Vs' jl=».V S':

A /\

15' 16' 5-

II.

Sept. 13.

M. A. V.

18 463

Kaatenwg. 4 Fenster Teraperrb. aehrdefekt

-

do.

! do. do.

1,5%

22 0

13_ 1 8— 10- 4'- 8'— 1 21/,' 3'-

A /•. •'

5- 16' ^

III.

S. B. 3873.

Kastenwg. 4 Gitter- fenst ver- •perrbar aebr defekt

^ u u

CG "-3

16,3

H

i

i

s

M &

o

s

7

< 00

1

1

H

s.

P !•

T

o

o

H

2 i 1 1

2

«

i

1%

110

6' 1 5' 1

A

34'

IV.

Sept. 19.

M. A. V.

126907.

Kaatenwg. 4 kleine Fenster

veraperrb.

Kaatenwg. 4 Gitter- fenster

veraperrb.

s

19,0

3

<

a

1

B

a

1

1%

110

15_ 14— 10— 1 '

6' 1 5* 5' r

A /. 1'- .11' 21'

V.

Sept 20.

Sept 20.

Sept 20. 21.

M. A. V. 25 269.

5 1 15,9

l»/o

110

14.110—12— 11 5' ; 4' 4' 41-,

A A .^

32' 20* 10-

VI.

M. A. V. JÖ617

K.K StB. 42792

M. A. V. 28003

Kastenwg. 4 Fenater veraperrb.

Kastenwg. 4 Doppel-

fenater veraperrb.

Kaatenwg. 4 Fenater veraperrb.

S 1

1 1 15,9

° 1

«^ III

ill

ifJ

*" i> 9,

t

!!l

tn

w

o

1

•9

1

e

1

ua

1 1

a

<S

s <

e o

2

1

ii

1 -A. A.140 «%II.150

!

3C 8'

VII. VIII.

s

J

1

O

15,8 16,9

1

1 60/ 'a. 140 ' '"11.15"

1

50 23'

30 11'

IX.

K.K.8tB 26 253

Kaatenwg 1 J 1

4 Fenater , | 16,5

veraperrb.! ^

1

A

190 120*) Knt

r

A

18 0 E

■§B

1

II '..50/.

140

20 5'

ri

1

A 220

11.190

A 240 11.200

X.

\r

K. K. St B. 99989

Kaatenwg. j g 4 Fenater -g veraperrb.'. ,g

16,7

5" o

«^ « «: So

ill

llil: 1

s

1

h

V

■0

B

1,ß"/o 6% 1.60'o

80 ^^ : -•

XI.

Sept 21.

M. A. V.

111804

Kaatenwg. o 4 kleine ' « j^o Fenater % versperrb.l O i

Kaatenwg.] a 1 4 grofie , ^ 1 - Fenater , 5 l *'*♦'

vcruperrb.' p^

18 1 14 14 10 8' ; 4' 4' 31 ..'

C" <> 0

2i 7 7

XII.

Sept 21.

Sept

28.

K.F.N.B. 62 889

«1

e %

e £

A 220 II 190

18 8'

/

i:

14 1 14 ' 10 2' i 3' ,21/,'

V /\ A J' 6' 6'

xin.

K.F. N.B., 58 311

Kastenwg. 4 kleine Fenater

veraperrb,

Kaatenwg. 4 kleine Fennter

veraperrb. |

1

S

i

16,1 15,9

a

B

1

t

1

t

1

IT

i

1

5

B Ol

>

s s

1

1

u o

s

1

«3

H

11,5%

170

25

11'

XIV.

Sept 28.

M. A. V.

11782

?.

? |0,1»«. "•

1 ^.-

0,6«/„ 11«

! :

"m;:.

XV.

'T

K.K.St.B 39 943 '

Kaatenwg. ß , 4 kleine | i6,5 Fenater ^ ' veraperrb. ^

^^

"ir-^

>rmaldehf d in Tiehwagen; Station Kaiser-Ebersdorf bei Wien.

EaUff

1

l-:iimabiiie

M U ib ran d' Boi n r?n md .L^ n

IL Tmiiai

Ofti&mt- Tßrbrmußb

11

BcmcrkitnK

Test

äl

iHltrvon,

1

\

il'll

"1

,

^ 1.

4.

%

il

m

■j

BemerkuDgan

ä:* M 1 W n

te n

28

ts

90 1 31

3S A3 31 acj

10 10 10 [ 10 lär 1^ Hl*

!

Bh

'T

1?

a

nahezu trotkflu

7. Ö.

1 *

1

93 ' n

Ö8,<l

Scb ScliattPn, A = Anfang dei Verblieb es. B Knd« lies Vflrmi'lies. J.. IJ. I. oder 2. TtitDüE. L :^ Liter,

lu 10 10 10

li* il* 11'

40

mit

äh BO'

i 6 b 17V

80

Wände trocken» Uodrh iPbr nofl,

tl.».

4'

87 84

96,0 97,5 94,9

14 16

1

30 33'

2h

6 h 18'

63 L.

©

gl

%

*3

Wände feucht,

Boden

«ehr feucht.

Geruch mäfiig.

22.9.

78

76

JNach 24stündlg. Stehen vom Stationschef begutachtet; der sonst intensiv den Schweine* wag. anhafr. Geruch war vollk.

l'

verschwund. ebenso war Form- aldehyd nifht wahrzunehmen.

14 { 13 18 h 5- : 4 4'

14- is*

J2 10 13 1 4' 4' 5-

14 13

1

39 40'

lh31'

1 i5hl9'

78 L.

94 L.

Wände u. Boden mäfiig feucht, Geruch gering.

22..9.

1'

78

74

1 *-

47 55'

lh26'

5 h 89'

Wände U.Boden mäfiig feucht, Geruch gering.

22.9.

79

79

100

1 30 ^ 10'

I

1

-'^-■-

- |..,.

»h38'

60 L.

o

1

Wagen u.

Päckchen

feucht,

Geruch mäßig.

22.9.

79 79

100

*) Fenster u. Türen bleiben während der ganzen Dauer des Versuches ofFwn , so dafi der Wagen als Gitterwagen auf-

'

zufassen ist.

: liSlH'l

4 h 85'

Ih58'

50 L.

Wageu u. Pakete

auffallend

trocken,

Geruch stark.

22.9.

1 79

1 77

' 77

I76 1

97.7

10' yiiimg..ig

-

2 h 3y

5h 56'

60 L.

Wagen u.

Päckchen

feucht.

22.9.

98,8

1

■p

-

I8h25'

19 h9'

40 L.

Wagen feucht, Päckchen feucht,

einige sehr

feucht, Geruch

deutlich.

22.9.

79

76 79

1

96,2 98,7

Der Wagen stand nach be- endeter Bespritzung plombiert aber Nacht.

*) Temp. abds. IS«, früh lio.

,. «

iii

-

2 h 19'

5h20'

60 L.

Boden u. Wände fast trocken.

Päckchen feucht, Geruch surk.

22.9.

2' 2'

80

Wiederholung von Vr«. VIII mit der Feuerspritze.

1

10 10 ' 10 i 10

/ •- A

V \*- 8-

40 lO*

2h

5 h 361,'

96 L.

£■§1

fi

a

II

1

1

Wag. sehr feucht, Päckch.a. feucht, einige triefend, Geruch deutlich.

22.9.

80 74 29 56

42 72 2 0

54,8 97,3 0,9 0

9 g> ChlurkalklSs : 10 kg. ö ;5 »o/,j^ü G. L. in 100 Wasser, ^ dann klar abgezogen und «2 "f S ^lo verdünnt.

10 j 10 ! 10 1 10

,^ S'V »'V *'/.'! S'

40 841/2

2 h 8'

5 h 18'

96 L.

Wände trocken, Fuflboden sehr naß,Geruch stark Päckchen feucht.

22.9.

^ -^ Das Steigrohr der Hand- >lm feuerspritxe (kleine Type) ^ 3 wurde durch Einschieben US eines flachen Blechstücks > ^ auf Flachstrahl adaptiert

-v?;

1

1

1

-

3 h

4h39'

60 L.

Wände feucht.

Boden nafl.

Geruch sehr

stark.

22.9.

2'

Unmittelbar vor der Des- infektion Bespritzung m.40L. 550 Wassers. Temp. steigt von 210—260.

„.«;

1

-

Sh41'

5 h 14

80 L.

Wände trocken.

Boden nafi.

Kein Geruch.

Pack, feucht.

22.9.

2'

1

"•'■^•i

1

m

-

4 h 22'

5 h 58'

80

Wände trocken, a. Boden Lachen, Pack eh. feucht, Geruch s. stark.

22.9.

2'

54

0

0

44

in der kälteren Jahreszeit einerseits der Viehtransport wesentlich an Ausdehnung abnimmt, daß femer speziell der Milzbrand gleich- falls außerordentlich selten wird und daß zur Versporung höhere Temperaturen (über 16^ C) notwendig sind, so wäre doch diese Temperaturempfindlichkeit der Formaldehyddesinfektion ein wesent- licher Mangel.

Voraussichtlich wird die Erwärmung der Wagen fiir Des- infektionen bei niedrigen Außentemperaturen im praktischen Betriebe auf keine unüberwindlichen Schwierigkeiten stoßen.

Ich behalte mir demnach vor, zur Behebung dieses Mangels eine gesonderte Versuchsreihe bei niedrigen Außentemperaturen anzustellen, und hoffe in kurzem darüber berichten zu können.*)

Wien, den 6. Oktober 1905.

*) Diese Versuche wurden während der Drucklegung dieser Arbeit in den letzten Oktobertagen ang^estellt; ihr Ergebnis soll im nächsten Hefte zur Ver- OffentUchung gelangen.

Die Bildung von Scliutzstoffen im Fötalleben.

(Ein Beitrag zur Frage der Vererbung der Immunität.)

Von ffl. Prettner^

Tierarzt in Prag.

Schon das Gesetz von Profeta, nach welchem die gesunde Nachkommenschaft luetischer Eltern gegen diese Krankheit geschützt bleibt, und das Gesetz von C olles, nach welchem der vom Vater her luetisch gewordene Fötus die Mutter, wenn er sie nicht an- steckt, auf chemischem Wege immunisiert, berühren die wichtige Frage der Übertragung, Vererbung und des schließlichen Schick- sals der InfektionsstoflFe, welche im Organismus der Mutter kreisen. Nach der neueren Literatur wird die Immunität der Neu- geborenen entweder durch direkte Beeinflussung des sich bildenden Gewebes des Fötus bedingt, und zwar durch denselben Stoff, welcher die Immunität bei der Mutter hervorrief (aktive Immuni- sation), oder die Immunstoffe gehen einfach von der Mutter auf den Fötus über (passive Immunisation).

Bekannt sind die Versuche Chauveaus, nach welchen Lämmer von milzbrand - immunen Müttern gegen Milzbrand immun sind. Negativ dagegen waren die Versuche di Matt eis', welcher mittelst abgeschwächter Erreger des Rotlaufes, des Milzbrandes und der Geflügelcholera Kaninchen und Meerschweinchen immunisierte. Die von solchen Tieren geworfenen Jungen waren nicht immun.

Die Versuche Ehrlichs beweisen, daß die vererbte Immunität ftr Toxine, welche von der vor der Trächtigkeit immunisierten Mutter herstammt, nicht lange andauert, längstens 3 Monate. Es war nach diesen Versuchen die vererbte Immunität als eine passive, durch Immunstoffe, welche von der Mutter auf die Frucht über- gegangen waren, hervorgerufene anzusehen. Es ist auch möglich, daß die Immunstoffe, statt durch das Blut der Mutter während des Fötallebens, mit deren Milch im Säuglingsalter auf das Junge

46

übertragen werden. Das beweist der bekannte Ammenversnch Ehrlichs. Ehrlich vertauschte dabei die Jungen einer immunen und einer nicht immunen Mutter. Er gab die Jungen einer im- munen Mutter zu einer nicht immunisierten und die Jungen einer nicht immunisierten zu einer immunisierten Mutter.

Ehrlich immunisierte ferner eine säugende Maus nach dem Wurfe gegen Rotlauf und fand, daß durch die Milch die spezifischen Stoffe auf das Junge übergegangen waren.

Dzierzgowski behauptet, daß die Antitoxine die Plazenta nicht passieren. Er prüfte das Serum von einem Fohlen, welches von einer gegen Diphtherie immunisierten Stute stammte, aber erst 10 Monate nach der Geburt wohl einer etwas zu langen Zeit.

In den Eiern von gegen Tetanus immunisierten Hühnern wurden von Klemperer antitoxische Stoflfe nachgewiesen.

Kitt fand Immunstoffe in den Eiern von gegen Hühnercholera immunisierten Hühnern.

Dzierzgowski hat Antitoxin in den Eiern aktiv gegen Diphtherie immunisierter Hühner nachgewiesen.

Kraus beobachtete den Übergang hämolytischer Stoffe von dem Muttertier auf das Junge.

In der jüngsten Zeit kommt Bertarelli auf Grund seiner Ver- suche über aktive und passive Immunisation der Neugeborenen und Säuglinge durch die Verdauungsorgane (C. f. Bakt. Bd. 39. 3.) zu dem Schlüsse, daß bei Tieren, d. h. Hunden und Kaninchen, die aktive Immunisation gegen Bakterien und rote Blutkörperchen in den ersten Lebenstagen infolge der Unmöglichkeit einer Antikörper- bildung schlecht gelingt.

Die passive Immunisation per os geht besser vor sich bei den Neugeborenen als bei den Erwachsenen. Ob aber auch Immunstoffe in einer so großen Menge auf das Junge übergehen können, daß das Blut des neugeborenen Tieres dieselbe Schutz- und Heilkraft wie das der Mutter ausüben kann, wurde experi- mentell noch nicht genauer untersucht.

Diese Frage wurde von mir gelegentlich der Immunisierung gegen Schweinerotlauf geprüft. Bezüglich der Entstehung der etwaigen fötalen Immunität war zu entscheiden, ob für diesen speziellen Fall Bakterien durch die Plazenta hindurchgehen und die Bildung von Schutzstoffen bewirken, oder ob es sich, wie Chauveau annimmt, nur um eine Passage gelöster immuni-

47

gierender Bakterienstoffe handelt, und schließlich, ob die Ehrlichsche Annahme einer bloß passiven Übertragung der von der Mutter fertig gebildeten Schutzstoffe zutrifft.

Bei den Versuchen, über welche in der vorliegenden Arbeit berichtet wird, handelt es sich nicht um den Beweis der Über- tragung der Immunität auf dem Plazentarwege, da die Tiere, welche zu den Versuchen benutzt wurden, gegen die Eotlaufseptikäraie selbst immun sind; sie sind nur fähig, in ihrem Körper spezifische Stoffe gegen den Rotlauf zu produzieren.

Es ist vielmehr der Zweck dieser Arbeit, zu untersuchen, ob die jungen Tiere, welche von immunisierten Tieren abstammen, in ihrem Blute Schutzstoffe haben und in welcher Menge, und ob dieselben in den kindlichen Organismus schon fertig von der Mutter her gelangen, oder ob sie von den Zellen des Fötus gebildet werden.

Die Versuche wurden an Kälbern durchgeführt, die von Kühen abstammten, deren Serum gegenüber dem Rotlaufbazillus sich ex- perimentell als hochwertig erwies.

Kuh Nr. I. Kuh Nr. I, trächtig, wurde folgendermaßen immunisiert:

11. 9. 04 100 ccm einer Bouillonkultur des RotlaufYjazillus per venam jugularem,

22. 9. 04 200 r, . . .

29. 9. 04 200 r, n

9. lü. 04 200 . , . .

15. 10. 04 300 . . , . . .

22. 10. 04 400 , , . .

30. 10. 04 400 . « . . .

6.11.04 300 . , . .

23.11.04 300 . „„.„„..

2400 ccm.

Das Serum der Kuh wurde geprüft: I. a) 4 Mäuse: 0.1 Serum intraperit. -f 0.1 Kultur subkut. b)4 0.05 r, +0.1 ,

c) 2 Kontrollmäuse: 0.1 Kultur subkut. Die Mäuse der Reihe a bleiben am Leben, die der Reihe b sterben binnen 4 Tagen, die Kontrolltiere sterben binnen 2^/2 Tagen. Der Titer des Serums war somit 0.1 (gegenüber 0.1 Kultur).

Die Kuh, welche Symptome hoher Trächtigkeit zeigte, wurde weiter in folgender Weise immunisiert:

48

11. 12. 04 300 ccm einer Bouiilonkultar des Kotlaufbazillua per veuam jugularem,

2o. 12. Ü4 oüO }) ff )| fi )) )) )} n

dl. U. 04 400 }) }, ,1 ,1 »»

O. 1. ÜO 4UÜ ,j yy ,j fy ,y )) ]}

15. 1. OO 400 f, ,, }T ,y yy n f)

24. 1. OD oOO ,} }) ), ,) ,) }i )) M

J9. 1. Oo 200 ,, ,. •« «« }. «I )} >?

2300 ccm. Da jetzt die hohe Trächtigkeit das baldige Eintreten der Ge- burt erwarten ließ, wurde der Schutzwert des Sei-ums der Kuh neuerlich an Mäusen geprüft.

II. a) 6 Mäuse: 0,05 Serum intraperit. + 0,1 Kultur subkut. (gleichzeitig injiziert), b) 2 Kontrollmäuse: 0,1 Kultur subkut.

Die 6 Mäuse der Reihe a bleiben am Leben. Die Kontroll- tiere sterben binnen 27^ Tagen.

Titer des Serums = 0,05 (gegenüber 0,1 Kultur).

Am 4. 2. 05 gebar die Kuh ein gesundes, gut entwickeltes Kalb (Kalb Nr. 1). Sechs Tage nach der Geburt wurde dem Kalbe Blut entnommen und das abgeschiedene Semm auf seinen Schutz- wert gegenüber dem Rotlauf bazillus geprüft:

III. a) 3 Mäuse : 0,1 Serum (des von der immunisierten Kuh I stammenden Kalbes [Nr. 1]) + 0,1 Kultur subkut.

b) 3 Mäuse: 0,05 Serum (desselben Kalbes) + 0,1 Kultur subkut

c) 3 Mäuse: 0,1 Serum (eines normalen Kalbes, von normaler Knh stammend und in dem Alter des Kalbes Nr. 1) 4~ ^A Kultur subkut.

d) 2 Kontrollmäuse: 0,1 Kultur subkut.

Die Mäuse der Reihe a und b bleiben am Leben, die der Reihe c und d sterben binnen drei Tagen. Bei allen verendeten Mäusen wurden im Blute und in den Organen mikroskopisch sowie kulturell die Bazillen des Rotlaufes nachgewiesen.

Das Blut der Mutter und des Jungen hatten somit ungefähr den gleichen Schutzwert für Mäuse.

Es ist zu bedenken, daß hier die Immunisationszeit des Mutter- tieres eine derart lange war, daß der größte Teil der Entwicklung des Embryo in eine Zeit fiel, wo der Organismus der Mutter mit Schutzstoflfen überladen war; es konnten daher solche leicht in großer Menge auf die Frucht übergegangen sein und diese passiv immunisiert haben.

Der Versuch ist daher noch nicht geeignet, die oben auf- geworfene Frage nach aktiver oder passiver Immunität des Jungen zu entscheiden.

49

Eine zweite Kuh wurde deshalb erst zur Immunisierung ver- wendet, als sie sich ungeföhr im siebenten Monat der Trächtigkeit befand.

Kuh Nr. n.

11.12.04 100 ccm Bouülonkultur des Rotlauf bazilius (I. Generat. a. d. Blute einer

Taube) per. venamjugul. 24.12.04 200 31.12.04 200

8.1.05 300

15.1.05 400

24.1.05 400

29.1.05 300

5.2.05 400

2300 ccm.

Danach wurde das Serum geprüft:

IV. a) 4 Mäuse: 0,1 Serum intraperit. -{- 0,1 Kultur subkut. b) 2 Kontrollmäuse: 0,1 Kultur subkut.

Die 4 Mäuse (a) bleiben am Leben, die Kontrolltiere ver- enden binnen drei Tagen.

Am 14. 2. 05 gebar die Kuh ein gesundes, kräftiges Kalb (Kalb Nr. 2). Am 17. 2. wurde dem Kalbe Nr. 2 Blut entnommen. Das abgeschiedene Serum schützte, Mäusen intraperitoneal injiziert, diese in der Dosis von 0,1 gegen 0,1 Kultur subkutan.

Dieser Versuch zeigt, daß das Serum des Kalbes einer immunisierten Kuh auch dann einen hohen Schutzwert besitzen kann, wenn die Immunisation der Mutter bei bereits vorgeschrittener Trächtigkeit erfolgt ist.

Die Zeit von etwa 6—7 Wochen, welche zwischen Beginn der Behandlung und Geburt des Kalbes lag, ist diejenige, die überhaupt notwendig ist, um im Senim Schutzstoffe gegen Rotlauf in nennens- werter Menge zu erzeugen.

Aber auch dieser Versuch beantwortet noch nicht mit Sicherheit die Frage, ob die Immunstoffe einfach von dem Muttertier auf den Fötus übergegangen sind, oder ob sie in dem Körper des Fötus gebildet wurden, ob es sich somit um passive oder aktive Immunisation handelte. Zur Entscheidung dieser Frage kann man die Erfahrungs- tatsache benützen, daß die passive Immunität nur von kurzer Dauer ist, und daß der Schutzwert des Serums, nachdem er einmal ver- schwunden ist, durch Einfuhrung relativ geringer Bakterienmengen nicht mehr auf die frühere Höhe gebracht werden kann. Bei

Zeitfcbrift für Infektionskrankheiten. I, 1. 4

- 50

aktiver Imnmnität hingegen muß sich der nach einiger Zeit ab- sinkende Schatzwert des Serums durch Injektion geringer Bakterien- mengen rasch wieder herstellen lassen, da ja der Organismus die Fähigkeit, Schutzstoffe zu produzieren, schon früher im Mutterleibe erworben hatte.

Nach 4—6 Wochen ungefähr verschwindet bei Rotlauf die passive Immunität beinahe gänzlich, und in dieser Zeit sinkt auch der Wert des Serums bei aktiver Immunisation, wenn keine neuen Injektionen gemacht werden.

Das Kalb Nr. 1 (von der Kuh Nr. I), dessen Serum einen Titer von 0,05 (intraper., gegenüber 0,1 Kultur subkut.) zeigte, wurde durch sechs Wochen ohne jede Injektion gelassen. Dabei wurde das Kalb von einer normalen, nicht immunisierten Kuh gesäugt. Nach sechs Wochen wurde ihm Blut entzogen und dessen Schutzwert geprüft:

Y. a) 4 Mäuse: 0,05 Serum intraper. + 0,1 Kultur subkut \ gleichzeitig

b) 4 0,1 + 0,1 J geimpft,

c) 4 0,3 subkut., nach 24 Stunden 0.1 Kultur subkut,

d) 2 Kontrollmäuse : 0,1 Kultur subkut.

Die Mäuse der Reihe a und b sowie die Kontrolltiere sterben binnen 3—4 Tagen, die der Reihe c bleiben am Leben.

Es war somit der Titer des Serums bis auf 0,3 (gegenüber 0,1 Kultur) gesunken.

Deshalb wurde dem Kalbe 200 ccm einer Bouillonkultur des Bac. erysip. suis per venam jugularem injiziert, nach fünf Tagen erhielt es weitere 300 ccm. Sieben Tage danach wurde Blut entzogen und das Senim geprüft:

VI. a) 4 Mäuse: 0,1 Serum -f 0,1 Kultur (gleichzeitig), b) 2 Kontrollmäuse: 0,1 Kultur.

Die 4 Mäuse der Reihe a bleiben am Leben. Die Kontroll- tiere sterben binnen drei Tagen.

Es wurde weiterhin zur Kontrolle einem normalen Kalbe, welches von einer nicht immunisierten Kuh stammte, 200 ccm und nach fiinf Tagen weitere 300 ccm einer Eotlaufbazillenkultur injiziert; sodann wurde Blut entnommen und das Serum geprüft:

Vn. a) 4 Mäuse: 0,1 Serum -f 0,1 Kultur (gleichzeitig),

b) 4 0,3 + 0,1

c) 2 Kontrollmäuse: 0,1 Kultur.

Alle Mäuse verenden binnen drei Tagen.

51

Nach zwei Injektionen erwarb somit das Blut des nor- malen Kalbes keine Schutzkraft, während die gleiche Menge Kultur bei dem von der immunisierten Kuh stammen- den Kalbe zur Wiederherstellung der früheren Schutzkraft seines Blutes völlig ausreichte.

Das Kalb Nr. 1 wurde jetzt durch weitere 6 Wochen ohne Behandlung gelassen, dann der Titer seines Serums neuerdings geprüft:

Vra. a) 4 Mäuse: 0,1 Serum + 0,1 Kultur, b) 2 Kontrollmäuse: 0,1

Alle Mäuse verenden binnen 3—4 Tagen.

Nunmehr wurde dem Kalbe jeden flinften Tag 200 ccm hoch- wertiges Serum gegen Rotlauf injiziert, zusammen 1200 ccm. Danach ergab die Prüfung seines Serums:

IX. a) 4 Mäuse: 0,2 Serum +0,1 Kultur,

b) 4 0,3 + 0,1

c) 2 Kontrollmäuse: 0,1 Alle Mäuse sterben binnen 3 4 Tagen.

Auch dem Kalbe Nr. 2, welches von der immunisierten Kuh n stammte, wurden jeden fänften Tag 6 mal je 300 ccm eines hoch- wertigen Serums, zusammen 1800 ccm, injiziert.

Danach ergab die Wertbestimmung seines Serums:

X. a) 4 Mäuse: 0,1 Serum + 0,1 Kultur,

b) 4 0,8 + 0,1

c) 2 Kontrollmäuse: 0,1 Kultur. £s sterben alle diese Tiere.

Da diese passive Immunisation ohne Erfolg für die schützende Wiitamg des Serums war, wurden beide Kälber weiter aktiv im- munisiert:

Es wurde ihnen 200 ccm, nach 6 Tagen wieder 300 ccm Bouillon- kultur injiziert.

Dann wurde das Serum geprüft:

XI. a) 4 Mäuse: 0,1 Serum +0,1 Kultur,

b) 2 Kontrollmäuse: 0,1 Kultur. Die 4 Mäuse a bleiben am Leben, die Kontrolltiere sterben binnen 3 Tagen.

Der Ausfall dieser Versuche läßt kaum einen Zweifel, daß bei der aktiven Immunisierung einer trächtigen Kuh gegen Schweine- rotlauf auch der Fötus aktiv immunisiert wird, d. h. die Fähigkeit erlangt, selbständig Schutzstoffe zu produzieren, ohne auf die Zufuhr

4*

52

derselben durch das mütterliche Blut angewiesen zu sein. Das ist aber nur dann möglich, wenn lebende Bakterien von der Mutter auf den Fötus übergegangen sind; denn es ist ja bekannt, daß nur unter solchen Bedingungen Schutzstoffe gegen Schweinerotlauf entstehen.

Das läßt sich in der Tat leicht an Mäusen nachweisen:

Xn. Zwei hochträchtige Mäuse wurden mit 0,1 einer Rotlauf bazillenknltur

infiziert. Nach 2V2 Tagen verendeten sie.

a; Bei Maus Nr. 1 im Uterus 6 Embryonen. Die Embryonen wurden sorgfältig mit Sublimatwasser (1 : 1000) abgewaschen und eröffnet. Mit dem Herzblute jeden Embryos wurden je zwei Mäuse infiziert, ebenso mit der Leber, zusammen somit 24 Mäuse, die sämtlich binnen drei Tagen an Rotlauf eingingen. Auch kulturell liefien sich aus Herzblut und Leber aller Embryonen auf Gelatine und Agar Kulturen des Rotlau fbazillus gewinnen.

b) Bei Maus Nr. 2 waren im Uterus vier Embryonen vorhanden, aus deren Blute und Lebern wieder Mäuse, zusammen 16 Stück, geimpft wurden; alle verendeten binnen drei Tagen an Rotlanf- septikämie. Auf den von ihren Organen und ihrem Blut angelegten Kulturen gingen Rotlaufbazillenkolonien auf.

Diese Experimente beweisen den Übergang der Bak- terien durch die Plazenta und die Vermehrung der Bak- terien im Fötusorganismus selbst.

Es ist somit aller Grund vorhanden, den Schutzwert des Serums eines neugeborenen Tieres, welches von einer immunisierten Mutter stammt, als von einer aktiven Produktion der Schutzstoffe im fötalen Organismus her- rührend anzusehen.

Referate.

Die Verwertung der biologischen Reaktionen

(Agglutination und Präzipitation) bei der Diagnose

des okkulten Rotzes.

Kritisches Sammelreferat

von

Tierarzt Dr. Josef Schnftrer,

Dozent An der k. tt. k. tierSrztlichen Hochschule in Wien.

Die Diagnose des okkulten Rotzes zählt noch immer trotz unserer verfeinerten klinischen und bakteriologischen Untersuchungs- methoden zu den schwierigsten Aufgaben des internen Klinikers. Zwar bietet die Malleinprobe in der Hand des Erfahrenen und Ge- übten, namentlich wenn sie unter bestimmten Kautelen mit einem stets gleichmäßigen und verläßlichen Präparate ausgefiihrt wird, eine wertvolle Stütze zur Diagnose, wie Schlegel dies in seiner jüngsten Publikation auf Grund einer großen Reihe von Einzel- antersuchungen ausfiihrt. Nichtsdestoweniger ist aber jede neue Untersuchungsmethode freudig zu begrüßen, welche unabhängig von den bisher geübten möglicherweise die Zahl der Fehldiagnosen herabzusetzen gestattet; es sind dies die biologischen Reaktionen, die Agglutination und Präzipitation. Namentlich das Agglutinations- phänomen bildet schon seit längerer Zeit den Untersuchungsgegen- stand zahlreicher Forscher, so daß die Arbeiten hierüber vorläufig zu einem gewissen Abschluß gelangt sind undeinkritisches Urteil gestatten.

Ein wesentlicher Nachteil der Agglutinationsprobe kann darin kaum erblickt werden, daß sie, wie sämtliche Autoren über- einstimmend augeben (Fedorowsky, Wladimiroff, Bonome, Schütz und Mießner, Schnürer u. a.), eine reine Laboratoriums- probe ist; die anscheinende Unbequemlichkeit der Einsendung des ZQ untersuchenden Blutes, die übrigens ohne Schwierigkeiten zu überwinden ist, wird reichlich durch den Vorteil der Zentralisation

54

der Untersuchung Aufgewogen, wodurch einzig und allein ein fiir alle derartigen Untersuchungen unbedingt zu forderndes gleich- mäßiges Arbeiten und ein durch große Erfahrung geschärftes Urteil gewährleistet wird. Demgegenüber spielt die Ungleich- mäßigkeit der Technik bei den verschiedenen Forschern eine ganz untergeordnete Rolle, wenn es auch mit Riemer wünschenswert wäre, daß jeder Autor mit derselben Technik arbeitet, um unter- einander vergleichbare Zahlen zu erhalten. Wesentlich ist nur, daß die Beobachtungszeit auf mindestens 20 Stunden ausgedehnt wird, sowie die Angabe, ob die Grenzwerte durch makroskopische oder mikroskopische Untersuchung gewonnen wurden, und ob mit lebenden oder abgetöteten Bazillen gearbeitet wurde. Ja, selbst bei ganz gleicher Technik ist doch schließlich das ausschlaggebende Moment die subjektive Beurteilung, was als positives und was als negatives Resultat zu bezeichnen ist. Nur so ist es zu verstehen, daß z. B. Bonome den Gehalt an Normalagglutininen beim Pferd mit 1 : 60 bis höchstens 230 bezeichnet, während alle anderen Autoren (Afanassieff, Wladimiroff, Fedorowsky, Reinecke, Langer u. a.) ihn bei 1 : 400 bis 500 annehmen. Übrigens scheint tatsächlich diese Zahl bei verschiedenen gesunden Tieren recht verschieden hoch zu sein: So bestimmt sie Schütz und Mießner bei Untersuchung von 1911 gesunden Pferdeseris in 90,9% bis höchstens 400, in 6,4 % höchstens 600, bei 2,2 % 800, bei 0,5 % 1000, über 1000 in keinem Falle. Doch stehen diesen Zahlen wieder andere (Riemer, eigene Untersuchungen) gegenüber, welche einen Agglutinationswert über 1000, selbst bis 4000 (Riemer) (mikroskopische Reaktion, abgetötete Bazillen) bei gesunden Tieren fanden. Allerdings sind diese Fälle von Riemer nicht genügend bakteriologisch geklärt. Von größter Wichtigkeit ist da die Beob- achtung Bonomes, welche ihn zur Aufstellung einer eigenen Form des okkulten Rotzes, dem latenten Rotze flihrte. Es finden sich nämlich in derartigen, die Agglutinations- und Malleinprobe gebenden Fällen bei der Sektion keinerlei für Rotz charakteristische Veränderungen, die Lymphdrüsen augenscheinlich im Zustande einer einfachen hyperplastischen Lymphadenitis. Erst die sorgfältige bakteriologische Untersuchung und namentlich der Tierversuch, an einer hinreichend großen Anzahl von Versuchstieren angestellt, ergibt die Diagnose Rotz. Referent verfligt über einen ganz gleichen Fall. Ein der Ansteckung verdächtiges Pferd, das trotz

55

wiederholter genauester klinischer Untersuchung während seiner zweimonatlichen Kontumaz nicht das geringste Zeichen von Rotz finden ließ, jedoch bei wiederholter Agglutinationsprüfung über 1 : 1000 agglutinierte, bietet bei der Sektion mit Ausnahme eines einzigen hirsekomgroßen, etwas durchscheinenden subpleuralen Knötchens keinerlei Erscheinungen, die für Rotz* sprechen. Die Verimpfnng des Knötchens auf Meerschweinchen war negativ; die Verimpfung der anscheinend unveränderten Bronchialdrüsen ergab jedoch bei den Versuchstieren typischen Rotz. Diese Befunde stimmen vollkommen mit denen überein, die Bartel bei den Anfangsstadien der Tuberkulose erheben konnte (lymphoides Stadium der Tuber- kulose). Von außerordentlich großer praktischer Wichtigkeit ist nun dieBeobachtungBonomes, daß ein derartiger latenter Rotz infektions- ttichtig ist, wodurch natürlich seine Entdeckung durch die Agglu- tination erst recht verdienstvoll wird. Nicht zu übersehen ist ferner der Umstand, auf den Schlegel auf Grund klinischer Beobachtung, Bonome auf Grund experimenteller Infektions versuche aufmerksam macht, daß die Infektion nämlich auch vom Verdauungstrakte aus- gehen kann; es sind daher auch die Lymphdrüsen des Darmes aufs genaueste zu untersuchen. Eine weitere Überlegung ist ebenfalls geeignet, den hohen Gehalt an Agglutininen bei anscheinend ge- sunden Pferden zu erklären. Es steht mit unseren Kenntnissen über das Verhältnis von Infektionsträgem und Infektionsobjekt gar nicht im Widerspruch, daß Pferde bei der großen Ausbreitung der Rotzkrankheit wiederholt virulentes Material aufnehmen, sozusagen verarbeiten und Gegenkörper, also auch Agglutinine, erzeugen, ohne daß irgendwelche pathologisch-anatomische Veränderungen sichtbar werden. Das Ansteigen des Agglutinationswertes bei anscheinend gesunden Personen während der Dauer einer Typhusepidemie wäre hierzu ein Analogon. Eine Beobachtung des Referenten scheint nun aber direkt dafür zu sprechen: Während der durchschnittliche Gehalt an Normalagglutininen bei gesunden Pferden zwischen 400—600 schwankt, zeigte ein dreiwöchentliches Saugfohlen nur einen Gehalt

von 1 : 40

Esist schade, daß Schütz und Mießner dieses Umstandes nicht gedachten und die günstige Gelegenheit, diese wissenschaftlich wie praktisch recht bedeutsame Frage anläßlich eines Falles, bei welchem 79 Stuten von zwei rotzigen Hengsten gedeckt und zum Teil auch tatsächlich infiziert worden waren, an einem größeren

- 56 -

Material von Saugfohlen zu prüfen. Sollte sich die Richtigkeit der vorstehenden Anschauung bewahrheiten, so wäre hiermit eine die praktische Verwertung der Agglutinationsprobe etwas herabsetzende Erklärung der fließenden Übergänge in den Agglutinationswerten vom gesunden bis zum manifest kranken Tiere gegeben.

Von grundlegender Bedeutung sind die Arbeiten von Bonome, Schütz und Mießner, insofern sich diese Forscher experimentell mit der Frage befassen, wann die Steigerung des Agglutinations- wertes nach der Infektion erfolgt und wie der weitere Verlauf der Agglutinationskurve sich gestaltet. Die wenigen bisher vorliegenden Daten beschränken sich auf Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und Hunde, bei welchen Tieren die Steigerung zwischen dem 7. bis 15. Tage nach der Infektion eintritt (Bourges et Mery, Fedorowsky). Zu etwas kürzeren Zeiträumen gelangen Bonome (2 Tage) und Schütz und Mießner (6 Tage), und zwar sowohl bei künstlicher, als auch bei natürlicher Infektion durch künstlich infizierte Tiere. Allerdings konstatierte Bonome einmal bei In- fektion durch die Fütterung 50 Tage, doch ist bei dieser Infektions- art offenbar der Zeitpunkt der tatsächlichen Infektion nicht der- selbe wie der der Fütterung.

Auch darin besteht in den Ergebnissen der Versuche der drei Forscher volle Übereinstimmung, daß dieser Wert nach kurzem (4 bis 6 Tage) seinen Höhepunkt erreicht, denselben durch ungefähr vier Wochen beibehält und dann langsam wieder absinkt, so daß nach Schütz und Mießner nach weiteren 6 Wochen annähernd normale Werte gefunden werden. Auch Fedorowsky konnte nach nicht töd- lich verlaufenden Eotzinfektionen bei Kaninchen, Schafen, Ziegen und Hunden diese Abnahme konstatieren. Diese für die praktische Verwertung der Agglutinationsprobe so bedeutsame Tatsache steht daher außer Frage. Sie scheint übrigens vom klinischen Verlaufe unabhängig zu sein, da Bonome ein Fortdaueni der Reaktion auch bei Genesung sah, während Schütz und Mießner bei klinisch schwer erkrankten Tieren jede Steigerung vermißten; offenbar war in diesen Fällen die anfängliche Steigerung nicht zur Beobachtung gekommen. Schütz und Mießner ziehen auch die praktischen Konsequenzen, indem sie diesem An- oder Abstieg des Wertes innerhalb 3 bis 4 Wochen eine für die Diagnose ausschlaggebende Bedeutung zu- weisen: Pferde, die drei Wochen nach bestandener Infektions- möglichkeit nur höchstens in Verdünnungen von 1 : 800 agglutinieren.

- 67

sind sicher rotzfrei; und umgekehrt: Herde mit Werten über 1:1000 haben sich in den letzten 4 Wochen infiziert und zeigen frische Veränderungen.

Es ist nur die Frage, ob sich der Abfall tatsächlich in der Regel in so kurzer Zeit vollzieht, wie dies Schütz und Mießner fanden; Bonome beobachtete den Höhepunkt des Agglutinations- wertes bei einem künstlich infizierten Tiere durch 4 Monate.

Auch Referent konnte wiederholt bei Sektionen rotziger Pferde Veränderungen konstatieren, welche zu ihrer Ausbildung sicherlich Monate gebraucht haben (mannskopfgroße schwielige Tumoren), während das Serum bis zu 1:8000 verläßlich agglutinierte. Mit aller gebotenen Reserve soll hier eine Beobachtung Erwähnung finden, welche möglicherweise eine Erklärung dieser wider- sprechenden Befunde geben kann. Bei einem an der pathologischen Lehrkanzel unserer Hochschule künstlich infizierten Pferde war der Rotz nach monatelangem Bestände unter Bildung von Narben aus- geheilt. Auch hier war einer anfänglichen Steigerung ein Abfall des Agglutinationswertes gefolgt, so daß das Serum bei der Tötung des Tieres wie ein Normalserum reagierte. Als jedoch bei der Wiederholung der Prüfting ein anderer als der bisher verwendete Rotzstamm, und zwar in einer über 2 Wochen alten Emulsion, in Anwendung kam, konnte Agglutination bis 1 : 4000 konstatiert werden. Spontanagglutination konnte durch entsprechende Kontroll- proben ausgeschlossen werden.

Als Ursache der Abnahme des Agglutinationswertes geben Schütz und Mießner die Ausscheidung der Agglutinine an, während Bonome die Bildung von Antikomplementen beschuldigt. Vom praktischen Gesichtspunkte wäre nun die Beantwortung dieser Frage ziemlich gleichgültig, wenn nicht Bonome aus seiner An- nahme Konsequenzen zöge und sie experimentell zu erhärten suchte, wie sie mit unserer derzeit geltenden Anschauung vom Wesen der Agglutinine absolut unvereinbar sind. Bonome behauptet nämlichi er habe ein Rotzserum durch einstündiges Erwärmen auf 60 65® inaktiv gemacht und habe dieses inaktive Serum durch Zusatz von Menschen-, Pferde- oder Katzenserum wieder aktiviert. Danach würde den Agglutininen ein Bau zugeschrieben, wie er nach den heute gangbaren Ansichten den Haptinen 3. Ordnung zukommt, während die Agglutinine sonst den Haptinen 2. Ordnung zugezählt werden. Es ist von vornherein klar, daß liierdurch den Rotz-

58

agglutininen einerseits eine »geikonderte Stellang zugewiesen wfirde, welche sie ganz außer die Reihe der übrigen Agglutinine stellte, und daß femer, da auch nicht erwärmtes Rotzserum in seiner Wirk- samkeit durch Zusatz normalen Menschen-, Pferde- oder Katzen- serums gesteigert wird, hierdurch ein einfaches Hilfsmittel gegeben wäre, anscheinend unwirksam gewordenes Rotzserum durch Hinzu- fügen normalen Serums wieder zu aktivieren und so auch in jenen Fällen die Diagnose stellen zu können, in denen die Agglutinations- kurve, dem normalen Stande sich nähernd, den Rotz hätte übersehen lassen. Allerdings fehlt noch die Bestätigung dieser außerordentlich auffallenden Beobachtung.

Einer anderen Frage suchten Bonome, Schütz und Mießner experimentell näher zu treten, nämlich wie sich die Agglutinations- werte unter dem Einflüsse der Malleinisation verhalten. Nach der bisher geltenden Meinung steigert die Malleininjektion den Agglu- tinationswert, auch bei gesunden Pferden, und noch mehr bei rotzigen. (Arpad, Fedorowsky, Pockschischewsky.) Es ge- lingt ohne weiteres, durch einige intravenöse Injektionen von Mallein bei Kaninchen ein hochwertiges Serum zu erzielen (Referent). Voll- kommen mit diesen Erfahrungen imEinklang fand auch Bonome in der Regel eine bedeutende Steigerung der Agglutinationskraft bei rotzigen Tieren unter dem Einfluß der Malleinisation, ja er schreibt dieser Tatsache eine außerordentlich große diagnostischeBedeutung zu. Auch darin stimmt er mit den übrigen Beobachtern überein, daß diese Steigerung nur von ganz vorübergehender Dauer (5 bis 7 Tage) ist.

Auffallenderweise haben nun Schütz und Mießner diese Steigerung des Agglutinationswertes bei rotzigen Tieren nach Malleinisation vollkommen vermißt. Zwei künstlich infizierte und durch die Steigerung des Agglutinationswertes sowie durch die nachfolgende Sektion als rotzig befundene Tiere, zeigten nach Malleininjektionen keinerlei Steigerung des Titers. Ebenso reagiert« ein drittes Pferd, das bereits rotzig war und zum Studium der Superinfektion 31/2 Monate nach der ersten Infektion abermals infiziert wurde, zwar mit Fiebersteigerung wie nach Malleininjektion, jedoch wieder ohne Erhöhung des Agglutinationstiters. Allerdings zeigte eines der früher erwähnten rotzigen Pferde keine thermische Reaktion, aber Bonome erwähnt ausdrücklich, daß die Steigerung des Agglutinationswertes auch bei solchen Tieren auftritt, bei denen die Malleinreaktion mangelhaft ausgebildet ist.

59

Und nun zu den praktischen Erfahrungen, die Schütz und iließner bei der Untersuchung von 2209 Pferdeseris zu machen Gelegenheit hatten. Von 298 rotzigen Pferden reagierten nur 2^Iq bis 1 : 400, also unterhalb der Grenze für Normalagglutinine; diese zwei Prozent waren aber klinisch deutlich rotzkrank und wären schon aus diesem Grunde nicht übersehen worden. Es scheint sich die Agglutinationsreaktion ganz ähnlich zu verhalten wie die Tuberkulin- und Malleinprobe, die ja bekanntlich bei vor- geschrittenen klinisch manifesten Fällen gleichfalls negativ aus- fallen können. 3^4,6 ^Jq reagierten in Verdünnungen von 1 : 400—800, 63,4 ^/o über 1 : 800 bis 8000; unter 1 : 300 sind die Tiere sicher rotzfrei, -über 1 : 1000 sicher rotzig. Ein praktisches Beispiel: Von 255 Pferden wurden 59 getötet auf Grund der Agglutinations- probe, davon waren 25 rotzfrei (43%) und 34 rotzig (59%), ein befriedigendes Resultat, wenn man die Erfolge der bisherigen Rotz- tügung (ohne Mallein) betrachtet, bei denen sich das Verhältnis wie 30% : 70% stellt. Auch unterliegt es keinem Zweifel, daß weitere Erfahrungen und namentlich die zunehmende technische Übung das Resultat der Agglutinationsprobe noch besser gestalten können. Anderweitig nicht rotzig erkrankte Tiere reagierten, wie übrigens auch alle anderen Forscher (Fedorowsky, Langer, Reinecke) fanden, sämtlich unter 1 : 1000, nur bei Pleuropneumonie wurde bisweilen ein Wert von 1 : 1000 konstatiert. Doch dürfte diese Erkrankung kaum jemals Veranlassung zur Verwechslung mit Rotz geben. Erwähnt sei, daß Fedorowsky namentlich bei Streptokokkeninfektionen den Agglutinationswert fast zum rotzigen gesteigert fand.

Von ausschlaggebender Bedeutung scheint jedoch der Umstand zu sein, den auch Referent nach seinen bisher über 300 Pferde sich erstreckenden Untersuchungen bestätigen kann, daß bis jetzt kein Fall bekannt wurde, in welchem ein okkult rotziges Pferd auf Grund eines negativen Agglutinationsausfalles übersehen worden wäre.

Der Tilgungsplan, den nun Schütz und Mießner auf Grund dieser ihrer Erfahrungen entwerfen, ist kurz folgender: Klinisch rotzige Pferde und solche mit Werten über 1 : 1000 sind «zu töten. Pferde mit Werten von 1 : 500—1 : 800 sind als verdächtig anzu- sehen; nach drei Wochen sind sowohl diese als auch alle andern (unter 500 reagierenden) der Ansteckung verdächtigen Tiere aber- mals einer Prüfung zu unterziehen; hat sich der Wert geändert,

60

so sind sie zu töten. Hat sich der Wert nicht geändert, so sind sie als rotzfrei anzusehen. Das gleiche Verfahren ist auch einzu- halten, wenn sich in einem Bestände ein klinisch rotzverdächtiges Pferd befindet, dessen Blut bei 1 : 100—400 agglutiniert oder solche mit Werten von 1 : 500—800. Wird nach dieser Eegel verfahren, selbstverständlich unter Anwendung aller sonstigen veterinärpolizei- lichen Vorschriften, namentlich der Desinfektion, so ist selbst unter den kompliziertesten Verhältnissen die vollkommene Rotztilgung in längstens ^/^ Jahr erreicht. Als interessantes Detail möge noch erwähnt werden, daß die Verfasser die Ersparnisse, welche in einem Bestände von 21 Pferden unter strikter Anwendung dieses Planes hätten erzielt werden können, mit 22,725 M. berechnen.

Schließlich empfehlen die beiden Autoren noch den Besitzern, den Ankauf eines Tieres von der Agglutinationsprobe abhängig zu machen, um ihre Bestände vor Einschleppung der Kotzkrankheit zu schützen.

Hat sich nun die Agglutinationsprobe als ein Mittel von unbe- streitbarem Werte bei der Diagnose des okkulten Rotzes er- wiesen, so ist dies durchaus nicht im gleichen Maße von der Präzipitation zu behaupten. Vor allem fehlt es an einer ent^ sprechend durchgearbeiteten Technik. Im Widerspruche mit Wladimiroff meint Referent, daß sich gerade die Präzipitinprobe noch viel weniger vom Laboratorium wird emanzipieren können, als die Agglutinationsprobe, jene Methode ein noch peinlicheres Arbeiten bezüglich der Sterilität erfordert als diese, indem ja jede bakterielle Verunreinigung, wie sie in der Praxis in der Hand minder Geübter ohne Hilfsmittel eines Laboratoriums wohl kaum zu vermeiden sein dürfte, eine Trübung und somit eine positive Reaktion vortäuschen dürfte. Ob durch Zusatz von wachstumhemmenden Substanzen zur präzipitablen Substanz (Thymol) diese Fehlerquelle beseitigt werden kann, ist wohl fraglich. Eine zweite Schwierigkeit besteht derzeit in der Herstellung einer verläßlichen Testflüssigkeit; so erwähnt Wladimiroff, daß er mit den Filtraten verschiedener Rotzkulturen ungleiche Resultate erzielt habe. Bonome konnte in den Rotzbouillonfiltraten überhaupt keine präzipitable Substanz finden, dagegen in den Filtraten von Zellplasma aus der Milz von rotzigen Katzen und in wäßrigen Glyzerinextrakten aus Agar- kulturen. Nach diesem Autor erzeugt schon das normale Pferde- serum einen spärlichen Niederschlag, der nur wenig voluminöser, d. h.

61

bei wenig höherer Verdünnung sichtbar wurde, falls Serum rotzkranker Pferde zur Verwendung kam. Auch Referent beschäftigte sich längere Zeit mit dieser Frage; anfangs schien die Verwendung einer Testflüssigkeit gute Resultate zu ergeben, die durch Verdünnung von flüssigem Mallein (1:10) in der Meinung angestellt waren, daß möglicherweise im Mallein als einem fabriksmäßig stets gleich- artig dargestellten Präparate die präzipitable Substanz in stets gleicher Menge sich voi-finde. Allein auch diese Versuche haben Torderhand zu keinem greifbaren Resultat gefiihrt.

Literatur.

1. Afanassieff, Beiträge zur Serodiagnose des Rotzes. Ref. Zentralbl. f. Bakt. 1901, Nr. 29.

2. Arpad, Beitrag zur Agglutination der Rotzbazillen. Ref. Jahresberichte auf dem Gebiete der Veterin.-Med. 1902.

3. Bartel, Die Bedeutung der Lymphdrüse als Schutzorgan gegen die Tuberkuloseinfektion. Wien. klin. Woch. 1905, Nr. 41.

4. Bonome, Über Schwankungen des Agglutinin- und Präzipitingehaltes des Blutes während der Rotzinfektion. Zentralbl. f. Bakt. Orig. Bd. 38, Heft 5 und 6.

5. Bonrges et Mery, Note sur le sörodiagnose de la morve. Ref. Jahres- berichte auf dem Gebiete der Yeter.-Med. 1900.

6. Fedorowsky, Zur Frage der Agglutination etc. Inaug.-Diss. Petersburg 1903 (rassisch).

7. Langer, Untersuchungen über die differentialdiagnostische Bedeutung der Rotzagglutination. Monatshefte f. prakt. Tierheilkunde 1905, Heft 6.

8. Pockschischcwsky, Zur Serodiagnose des Rotzes. Ref Zentr. f. Bakt. Ref. 1902, Bd. 31, S. 507.

9. Reinecke, Die Serodiagnostik mit besonderer Berücksichtigung der Rotz- krankheit des Pferdes. Zeitschr. f. Veterinärkunde 1904, Heft 6.

10. Riemer, Ein Beitrag zur Beurteilung des Wertes der Agglutination für die Diagnose der Rotzkrankheit des Pferdes. Berl. tierärztl. Woch. 1905, Nr. 37,

11. Schlegel, Die Rotzbekämpfung und die Malleinprobe beim Pferde. Stattgart 1905.

12. Schnürer, Zur diagnostischen Verwertung der Rotzagglutination. Zentralbl. f. Bakt. 1905, I. Abt. Orig., Heft 2.

13. Schütz und Mießner, Zur Serodia^ose der Rotzkrankheit. Archiv, f. wissenschaftliche und prakt. Tierheilkunde, Bd. 31, S. 353.

14. W 1 a d i m i r o f f , Rotz. Handbuch der pathog. Mikroorg. v. KoUe und Wasser- mann, Bd. IV.

62

Allgemeine Bakteriologie.

Hofstftdter, E., Das Eindringen von Bakterien in feinste Kapillaren.

(Archiv f. Hygiene, Bd. 53, 1905.)

Die üntersnchungen H.s bezweckten, das Wesen der Filtration» d. h. das Verhalten der Bakterien bei diesem wichtigen Vorgange, aufzuklären. Die bisherigen Untersuchungen über die Wirkung besonders der Eleinfilter haben vielfach zu widersprechenden Er- gebnissen gefuhrt. Sie betrafen die gebrauchsüblichen Filter, wie die Berkefeldfilter aus gebrannter Infusorienerde, die Tonfilter nach Chamberland-Boux, Filter aus komprimiertem Asbest, aus Teer- kohle etc. Die Güte der verschiedenen Kleinfilter ist nach H. abhängig von der Größe ihrer Poren. Er stellte sich daher die Aufgabe, das Hindurchgehen der Bakterien durch feinste Kapillaren zu unter- suchen. Die feinsten von ihm benutzten Kapillaren besaßen eine lichte Weite von 0,3—2,0 (i. Die Hauptergebnisse seiner Unter- suchungen faßt H. in folgendem zusammen:

1. Die Zeit, in welcher ein Filter von einer bestimmten Bakterienart durchdrungen wird, ist in hohem Maße ab- hängig von der Bewegungsfähigkeit und Größe der be- treffenden Bakterienart.

2. Außer den großen Poren besitzen die Kleinfilter auch solche von großer Feinheit^ deren Vorhandensein durch die Anordnung der Bakterien in gefärbten Präparaten von Zellschliffen bewiesen wird.

8. Für das Eindringen von Bakterien in feinste mit Nährlösung ge- füllte Kapillaren bestehen bestimmte Grenzen; der Unterschied der- selben ist im Vergleich zur Verschiedenheit der Größe der an- gewandten Bakterienarten nur sehr gering.

4. Ein Hineindrängen der Bakterien in mit Nährlösung gef füllte Kapillaren, deren Durchmesser unterhalb der bestimmten Grenzen von 1,6—1,9 ß liegt, findet nicht statt.

5. Für das Einsaugen von Bakterien in leere Kapillaren bestehen gleich- falls bestimmte Grenzen von 1,6—2,3 ^, unterhalb deren ein Eindringen der Bakterien nicht mehr stattfindet.

6. Die Zeiten, in denen mit Nährlösung gefüllte Kapillaren von Bakterien durchdrungen werden, sind im hohen Maße abhängig von den Durch- messern der Kapillaren. Sie werden femer wesentlich bestimmt durch die Größe und Bewegungsfähigkeit der betreffenden Bakterienarten.

7. Unter Einwirkung eines Druckes von 3 Atmosphären gelingt es nicht, Bakterien durch Kapillaren hindurchzupressen, durch die sie frei- willig nicht hindurchgegangen sind.

63

8. Durch Anwendung hoher Drucke von 50—100 Atmosphären werden die Bakterien durch noch engere Kapillaren hindurchgepreßt, als durch Wasserleitungsdruck. Auch hier bestehen für die verschiedenen Arten bestimmte Grenzen von 0,6—2,1 ^, unterhalb deren ein Hin- durchgehen der Bakterien auf keinen Fall stattfindet. Diese Grenzen werden in der Hauptsache bedingt durch die Größe der betreffenden Bakterienarten. Durch Kapillaren unter 0,4 ix Durchmesser sind Bakterien unter keinen Umständen hindurchzu- treiben.

9. Absolut dichte künstliche (Ferrocyankupfer-) Membranen gestatten den Bakterien auf keinen Fall den Durchtritt.

10. Das physikalische Verhalten derartiger absolut keimdichter Membranen schließt ihre praktische Verwendbarkeit für die Filtration aus, wie überhaupt Filter, deren Poren kleiner sind als die kleinsten Keime, zur Filtration nicht verwendet werden können, da durch sie Wasser nur unter Anwendung sehr hoher Drucke hindurchgeht

Kaestner ( Berlin J.

üffenheimer, A., Die Darchgängigkeit des Magendarm- kanals neugeborener Tiere für Bakterien und ge- nuine Eiweißstoffe.

(MUnchener med. Wochenschr., 52. Jahrg., 1905, 8. 1539—1540)

Verf. stellte durch Fütterungsversuche fest, daß der Magen- darmkanal des neugeborenen Meerschweinchens für den Micrococcus tetragenus, den Milzbrandbazillus und den Bacillus prodigiosus nicht durchgängig ist. Dagegen besteht eine Durchgängigkßit des Magendarmkanals neugeborener (aber auch alter) Meerschweinchen für den Tuberkelbazillus, der die Tiere regelmäßig nach einmaliger Verfutterung auch geringer Kulturmengen tuberkulös machte. Die tuberkulöse Infektion erfolgte teils von der Mundhöhle, teils vom Magendarmkanal aus, und zwar meist ohne daß in der Schleimhaut selbst Läsionen entstanden. Fütterungsversuche mit einem spezifisch hämolytischen Senim, mit Kuhmilchkasein und mit Hühner- eiweiß ergaben keine (bei den beiden erstgenannten Stoffen) oder nur ausnahmsweise eine geringe (bei Hühnereiweiß) Resorption und dementsprechend auch keine Antikörperbildung. Diphtherie- und Tetanusantitoxin gingen indessen bei neugeborenen Meerschweinchen (jedoch nicht bei alten) in geringen Mengen in das Blut über. Aus diesen Untersuchungen schließt Verf., „daß beim neugeborenen Meerschweinchen im allgemeinen weder Bakterien, noch genuine Eiweißstoffe von der Magendarmschleimhaut auf- genommen werden, mit Ausnahme der Tuberkelbazillen

64

und der Antitoxine." (Neugeborene Kaninchen verhielten sich anders: Sie resorbierten vom Magendarmkanal aus sowohl den Bacillus prodigiosus als auch Hühnereiweiß.) J-

V. Liebermann, L., Sind Toxine Fermente?

(Deatsche med. Wochenschr., 31. Jahrg., 1906, S. 1301 -1305.)

Verf. gelangt auf Grund theoretischer Erwägungen und auf Grund seiner Versuche mit Rizin und Abrin zu dem Schlüsse, daß keine Tatsachen vorliegen, die für die Fermentnatur der Toxine sprechen. Die außerordentliche Giftigkeit der Toxine, ihre Wirkung in geringsten Mengen, Eigenschaften, die hauptsäch- lich Veranlassung gaben, die Toxine mit Fermenten zu vergleichen, können auf zweierlei Art erklärt werden: „1. durch die Annahme eines prävalierenden Giftbindungsvermögens giftempfindlicher Zell- gruppen von hervorragender physiologischer Dignität; 2. durch die gleichberechtigte andere, der zufolge die Toxine auf solche im Tier- körper normalerweise vorhandene Stoffe schädigend wirken, welche physiologisch wichtige Wirkungen entfalten, und zwar in Mengen von der gleichen Größenordnung, wie die entgegengesetzt wirkenden Toxine." J-

Infektionskrankheiten.

Heß, Bericht über die von der Gesellschaft schweizerischer Tierärzte veranstaltete Untersuchung betr. die Knötchenseuche.

(Sonderabdr. aus dem Landwirtschaftlichen Jahrbnch der Schweiz^ 19. Jahrg., Bern 1905, 107 Ss.)

Die Gesellschaft schweizerischer Tierärzte hat im Interesse der Erforschung und Bekämpfung der Knötchenseuche (des ansteckenden Scheidenkatarrhs der Rinder) an ihre Mitglieder eine Umfrage ge- richtet, deren Ergebnisse nebst tabellarischen Aufzeichnungen in diesem Bericht niedergelegt sind.

Die Seuche wurde zum ersten Male von Jost im Jahre 1860 beobachtet, aber erst im Verlaufe der letzten Dezennien als eine sehr verbreitete, infektiöse Geschlechtskrankheit erkannt. Die Zahl der ergriffenen männlichen Tiere ist verhältnismäßig viel geringer als diejenige der weiblichen Tiere; von 4207 untersuchten

- 65

weiblichen Tieren waren 60% angesteckt, von 115 männlichen 48%. Wiederholt wnrden 90—100% der Rinder verseucht gefanden. Die Mehrzahl der Beobachtungen stimmt darin überein, daß ein chronischer Krankheitsverlauf häufiger anzutreffen ist, als ein akuter. H. konnte auf 75 chronische nur 25 akute Fälle konstatieren. Die Seuche tritt enzootisch und epizootisch auf.

Durch die von Zschokke in ätiologischer Beziehung an- gestellten Versuche konnten zwar parasitäre Krankheitserreger nicht ermittelt werden, die Untersuchungen berechtigten aber zu der Annahme, daß es sich um eine infektiöse Krankheit handelt. Die auf der Scheidenschleimhaut sichtbaren Knötchen sind als Leukozytenanhäufungen (ganz ähnlich der Form von Lymph- foUikeln) anzusehen.

H.s Untersuchungen ergaben, daß das Inkubationsstadium der „bösartigen Bläschenseuche" zwischen 12 und 72 Stunden schwankt, je nachdem das Impfmaterial von akut oder chronisch kranken Tieren stammt.

Bei typischem Verlauf besteht die Krankheit in einer katarrhalisch-eitrigen Entzündung der Scheidenschleimhaut. Sodann zeigen sich rote Pünktchen auf derselben, aus denen sich Bläschen, Geschwürchen (die Ref. bei seinen Versuchsrindern niemals feststellen konnte) und schließlich Knötchen entwickeln.

Infolge der „verschieden großen Virulenz des oder der An- steckungsstoffe" wird eine gutartige und bösartige Form der Seuche unterschieden. H. selbst hält übrigens mit Recht die Bezeichnung „Knötchenseuche" für ungeeignet, da sie nur ein einzelnes Stadium des Krankheitsverlaufes berücksichtigt, und schlägt den Namen „infektiöse Scheiden- und Gebärmutterentzün- dang'' (Vaginitis et metritis infectiosa) vor.

Von großer Bedeutung ist die Tatsache, daß mit Hodengewebs- saft und mit der abgeschabten Schleimhaut der Vorhaut und Eichel eines chronisch kranken, aber frei von klinischen Krankheits- erecheinungen befundenen Stieres keine Scheidenentzündung hervor- gerufen werden konnte, während die Übertragung des von der Schleimhaut des Beckenstückes der Harnröhre abgeschabten Saftes ein positives Imj)fresultat ergab. Infolgedessen wird, da dieser Abschnitt der Harnröhre nicht zu behandeln ist, ein frühzeitiges, längere Zeit andauerndes Ausschalten der infizierten Zuchtstiere erforderlich sein.

ZeiUchrift fQr Infektionskrankheiton. I, 1. 5

66 ^

Merkwürdigerweise erzielte H. bei Verimpfung von Strepto- kokken-Keinkulturen, auch der von Ostertag aus Berlin be- zogenen, stets negative Resultate. Das erklärt sich wohl aus dem Umstände, daß Streptokokken bei künstlicher Fortzüchtung sehr schnell ihre Virulenz verlieren. Ref. gelang es im Jahre 1900 im Ostertagschen Institut und auch später ganz regelmäßig, mit den von Ostertag als Erreger der infektiösen Vaginitis bezeichneten, frisch gezüchteten Streptokokken den typischen Scheidenkatarrh künstlich zu erzeugen.

Interessant ist die Beobachtung, daß sich durch heftige digitale Reizung der Scheidenschleimhaut der chronische Katarrh in einen akuten verwandeln läßt. Auch in der Schweiz wurde das Fort- schreiten der Scheidenerkrankung auf die Gebärmutter festgestellt^ desgleichen die Übertragbarkeit der Seuche auf Kälber.

Nach Zschokke ist nur die Infektion durch die Geburtswege sicher festgestellt. Die gewöhnliche Art der Ansteckung und Verschleppung ist die durch den Deckakt. Auch durch das Zu- sammenstehen mit kranken Tieren, durch infizierte Stallgeräte usw., sowie durch das Stallpersonal und den Kälberhandel wird die Seuche verbreitet. Von verschiedenen Seiten wird auf eine sprung- weise Ausbreitung der Krankheit und auf die Immunität alter Külie, sowie der mit Prolapsus vaginae und Nymphomanie behafteten Rinder hingewiesen. H. meint, daß die Unempfanglichkeit der älteren Kühe möglicherweise auch von therapeutischer Bedeutung (Heilserum) sein könnte.

Der Verbreitung der Seuche wird besonders durch den Verkauf infizierter Zuchtstiere mächtig Vorschub geleistet. Als sicher erwiesen gilt die Einschleppung durch aus Deutschland importiertes und von der Alpe zurückkehrendes Vieh. Am seltensten ist der Scheidenkatarrh in solchen Orten aufgetreten, wo genug männliches Zuchtmaterial zur Verfügung steht und wenig oder kein Viehhandel getrieben wird. Die Prozentsätze der von der Seuche ergriffenen Tiere zeigen nach den vorliegenden Angaben zum Teil wesentliche Differenzen; sie schwanken zwischen 0,05 (? Ref.) und 100%.

Hinsichtlich des Einflusses der Jahreszeit gehen die Meinungen auseinander. Bezüglich des Alters wird mitgeteilt, daß jüngere Rinder leichter und heftiger erkranken als alte Kühe. Trächtige und besonders hochträchtige Kühe erkranken im allgemeinen weniger

67

heftig als nichttragende. Weibliche Tiere sind wiederum der Er- krankung weit mehr unterworfen als männliche. Der Weidegang beeinflußt den Seuchengang ungünstig, einige Berichterstatter haben dagegen Heilung gesehen. Gute Hautpflege, regelmäßige Bewegung und mäßige Fütterung vermindern die Prozentzahl der Erkrankungen angeblich sehr. Für schädlich wird die Verfütterung vielen Kunst- ftitters gehalten. Bei infizierten männlichen Tieren dauerte die Ansteckungsfähigkeit nach einigen Beobachtungen acht bis zehn Tage, auch zwei bis sechs Wochen, nach anderen, wenn die Stiere zur Zucht Verwendung fanden, zwei bis sechs Monate. Bei weiblichen Tieren ist eine Ansteckungsfilhigkeit von einigen Wochen bis mehr als ein Jahr beobachtet worden. (Nach den Erfahrungen des Ref. ist bei unbehandelten Tieren mit einer Ansteckungsgefahr von ein bis zwei Jahren zu rechnen.) Spontane Heilung ist von ver- schiedenen Seiten festgestellt worden, sie tritt zwischen 3 Wochen und 15 Monaten ein. Nach Zschokke ist, solange Knötchen bestehen, von einer Abheilung nicht zu reden. (Wir glauben jedoch, die Seuche für abgeheilt erklären zu können, sobald der Ausfluß und der schleimige Scheidenbelag fortbleiben, die Ent- zündung der Scheide sich verliert und die Knötchen kleiner ge- worden sind und eine gelbliche Farbe angenommen haben. Ref.) -- In der Mehrzahl der Fälle haben Deckakt und mechanische Reizungen Rezidive zur Folge; es scheint nach H. überhaupt jedes Bespringen eines mit Vaginitis behafteten weiblichen Tieres schädigend zu wirken. Nach mehrmaligen Infektionen erfolgt eine Abschwächung des Kontagiums. Jüngere Rinder erwerben durch das Überstehen der Seuche keine Immunität, dagegen kommt bei älteren Kühen bisweilen eine dauernde Immunität zustande. Die Mehr- zahl der Beobachter spricht sich dahin aus, daß infizierte Zuchtstiere Aveniger Kälber produzieren als gesunde; hierzu kommt außerdem noch, daß trächtig gewordene Kühe leicht abortieren. Femer zeigen erkrankte Stiere in den meisten Fällen Begattungsunlust. Dem größten Teil der Viehzüchter war die Krankheit mehr oder weniger gut bekannt, sie hatten über auffallende Unfruchtbarkeit ihrer Zuchttiere, besonders der weiblichen, sehr zu klagen (30 bis 50% und mehr).

Die Konzeption wird bei infizierten, nicht behandelten Tieren bis- weilen durch die Seuche wesentlich beeinflußt. Nüsch und Fasciati setzen 60—80% der Nichtkonzeptionen auf das Konto der Vaginitis.

5*

08

Das Allgemeinbefinden wird durch die Erkrankung nur ganz ausnahmsweise (in sehr akuten Fällen) unerheblich getrübt: hierbei werden leichte Fieberanflllle beobachtet. Die Milchsekretion verringert sich, in einem Falle konnte sogar Verschlechterung der Qualität der Milch festgestellt werden.

Bei den männlichen Tieren treten die krankhaften Veränderungen an den Geschlechtsteilen hauptsächlich in akuten Fällen zutage. Als interessant seien Beobachtungen hervorgehoben, nach denen Geschwürsbildung am Schlauch, Bläschen und Knötchen auf der Präputialschleimhaut, Entzündung und Schwellung des Skrotums mit sekundärer Synovitis der Sprunggelenke, Bläschen, Knötchen und Geschwüre auf der entzündeten Penisschleimhaut gesehen worden sind.

Das Inkubationsstadium beträgt nach H. und Isepponi ;5— 5 Tage, nach anderen (5 Tage bis 3 Wochen. (Letzterer Zeit- raum scheint etwas zu groß bemessen. Ref.)

Das Krankheitsbild bei den weiblichen Tieren ist jetzt so allgemein bekannt, daß es übergangen werden darf. Erwähnt sei nur, daß die Seuche von Einigen als bösartige Form des Bläschen- ausschlages aufgefaßt wird. Andere beobachteten Mischinfektionen zwischen der Knötchenseuche und dem Bläschenausschlag, die auch Kef. in der Provinz Sachsen einmal gesehen hat.

Die Folgekrankheiten sowie die wirtschaftlichen und genossenschaftlichen Nachteile beziehen sich hauptsächlich auf die weiblichen Tiere. Sie äußern sich in Nichtbrünstigkeit, im Umrindern (10— HO^/q) oder in zu spät erfolgender Konzeption und in der Unfruchtbarkeit. Weitere Folgen sind das Verwerfen in allen Stadien der Träclitigkeit (10— 50^/o), Retentio placentamm. Ab- sterben der Frucht, Pyometra und Fluor albus, die Bildung von Steinfrüchten, Endometritis catarrhalis und purulenta, Ovarialzysten. Nymphomanie, Nachlassen der Milchsekretion, bisweilen Abmagemnp, Hierzu kommt, daß die KälbcT kranker oder krank gewesener Mutter- tiere schwächer entwickelt und für Krankheiten leichter empfan?- lich sind. Der Seuclienscliaden übersteigt (was auch von deutschen Landwirten schon betont wurde [Ref.]) sogar den durch Maul- und Klauenseuclu'. v^'nirsjidjten.

Die l'ro((nohe int abhängig von dem Grad und der Dauer der Krankheit sowie vom r'ljaiakter der Seuche und dem Zeitpunkte des

69

Beginns der Behandlung. Sie richtet sich ferner nach der Ein- richtung der Stallungen und der Größe der Viehbestände (günstiger in kleineren), nach der Möglichkeit einer Desinfektion und der Zu- verlässigkeit der Besitzer. Die Heilungsdauer frischer Fälle wird im allgemeinen auf 2—7 Wochen geschätzt.

Bezüglich der Behandlungsmethoden werden mit Recht an erster Stelle die Aufklärung und Belehrung der Viehbesitzer ge- nannt, ferner Beinhaltung des Stalles und der Tiere, Eegelung der Fütterung und Pflege, tägliches Bestreuen der Jaucherinnen, des hinteren Teiles des Lagerplatzes und der Gänge mit Gips, sowie periodisch wiederkehrende Stalldesinfektionen, anti- septische Ausspülungen des Schlauches der Bullen vor und nach jedem Sprunge und ebensolche Waschungen der äußeren Genitalien etc. der weiblichen Tiere. Weiterhin wird Ausschluß der kranken Tiere von der Zucht verlangt, bis völlige Heilung eingetreten ist. Be- handelt sollen alle Tiere werden, außer Kälbern und Jungrindern. Von mehreren Seiten wird eine Vorbehandlung empfohlen, um schmerzlindernd zu wirken und um die Schleimhaut aufnahmefähiger 7.U machen. Zur eigentlichen Therapie wird bemerkt, daß die an- zuwendenden Medikamente die gesamte Scheidenschleimhaut er- reichen, Tiefenwirkung besitzen, dabei reizlos, billig, ungiftig und leicht anwendbar sein müssen. Diese Eigenschaften hätten vor allem Vaginalinjektionen, während die Anwendung von Tampons, Suppo- sitorien, Bepinselungen, Salben, Linimenten, Bougies und Pulvern nicht immer rationell sei. (Hierzu möchte Bef. bemerken, daß er mit Ausspülungen nur dann Heilerfolge erzielen konnte, wenn sie durch eine nachfolgende Tamponade unterstützt wurden. Dagegen erfüllen Salben, wenn sie eingespritzt werden, nach seinen Er- lahmngen am besten ihren Zweck; denn sie haben vor allem den Vorzug, daß sie länger, als Flüssigkeiten es vermögen, auf die Schleimhaut einwirken und auch tragenden Tieren ohne Bedenken appliziert werden können, wodurch eine gleichzeitige Behandlung und Heilung aller Tiere eines Bestandes möglich wird.) Von neuem wird durch die Umfrage der unwiderlegliche Beweis erbracht, daß der ansteckende Scheidenkatarrh heilbar ist und daß sich eine Behandlung wirtschaftlich durchaus empfiehlt. Als Stall- desinfektionsmittel wurden 3— 4proz. Karbolsäurelösungen, Cupr. sulfliric. und Ferr. sulfuiic. in Verbindung mit frischer, dicker Kalkmilch angewandt.

70

Über die Einführung veterinärpolizeilicher Maßnahmen gehen die Meinungen sehr auseinander. Es werden in Vorschlag gebracht: Einreihung der Knötchenseuche unter die anzeige- pflichtigen Viehseuchen; Anordnung von periodisch vorzunehmenden tierärztlichen Untersuchungen; Ausschluß der infizierten Tiere von der Zucht, und zwar mit einer Dauer des Zuchtausschlusses von 1—8 Wochen für Stiere, von2— lOWochenfürweiblicheRinder; Separierung und Dislokation; Stallsperre; Ausftihrerlaubnis nur zu Schlacht- zwecken; Abschlachten minderwertiger infizierter Zuchtstiere; Behandlungszwang; Schlußdesinfektion der Streu, der Jauche, derStall- gerätschaften, des Putzzeuges und der Tiere selbst; Untersuchung der zu deckenden Rinder durch den Bullenhalter und KontroUbuch- fiihrung. (Nach der Ansicht des Eef. dürfte ein Verbot der Ausfuhr zu Zuchtzwecken und bis zur Abheilung durchgeführte Bullensperre unter Beachtung entsprechender Desinfektions- und Vorbeugungsmaßregeln vom Veterinär-polizeilichen Standpunkte ausreichend sein.) H. präzi- siert die in verschiedenen Antworten vertretene Anschauung dahin, daß vorläufig mit dem Erlasse gesetzlicher Bestimmungen, so wünschens- wert einzelne auch jetzt schon wären, in Anbetracht der noch nicht vollständig geklärten Frage der Ätiologie (? Ref.), der Dauer der Ansteckungsfahigkeit, des Übertragungsmodus, der Folgekrank- heiten und der Therapie noch gewartet werden müsse.

Der Bericht bestätigt im allgemeinen die bei uns gemachten Erfahrungen, er enthält aber auch eine Reihe auf ihre Richtigkeit indessen noch zu prüfenden Beobachtungen.

K Raebiger (Halle a. S.)

Kokawa,J.,Studien über experimentelle Bazillen-Pneumonie.

(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 51, 1905, S. 364—380.)

Auf Grund seiner Untersuchungen, kommt Verf. zu folgenden Schlüssen:

1. Die Lunge ist vornehmlich durch direkte Injektionen der Bazillen in die Lunge oder von den Atemwegen aus iniizierbar. Wahrscheinlich handelt es sich bei der Bazillenpneumonie des Menschen in den meisten Fällen um eine aerogene Infektion. Eine hämatogene Infektion der Lunge durch diese Bazillen ist aber nicht ganz auszuschliefien, da dieselben von jedem primären Krankheits- herde aus leicht in die Blutzirkulation gelangen können.

2. Die Kapselbazillen allein genügen nur bei starker Virulenz oder großer Menge, Lungenentzündungen hervorzubringen. Sonst sind neben ihrer Anwesen- heit prädisponierende Momente des Lungengewebes, wie Trauma, Erkältung usw.,

71

nötig. Diese Momente Bpiclen wahrscheinlich bei der Bazillenpneamonie des Menschen eine wichtige Rolle, da bei dem letzteren die Bazillen vermutlich nicht in großer Menge, wie bei einem Tiorexperimente, in die Lunge gelangen werden.

3. Bazillen, die in die Lungen hineingebracht werden, werden ohne Be- hinderung durch das Alveolarepithel in das Lymphsystem aufgenommen. Durch das Lymphsystem der Lobular- und Alveolarsepta verbreiten sie sich über das ganze Organ. Die aufgenommenen Bazillen gehen beim Intaktsein des Lungen- gewebes zum großen Teil zugrunde. Entzündungen des Lungenparenchyms kommen erst dann zustande, wenn die im Zwischengewobe wahrscheinlich virulent gewordenen Bazillen in die Alveolarlumina eliminiert worden sind.

4. Die Bazillen werden viel rascher als Kohlepigment ins Lymphsystem der Lunge aufgenommen. Die Ursache davon ist vielleicht zum großen Teil die chemotaktische Einwirkung der Bazillen auf die Leukozyten.

5. Die histologischen Veränderungen der experimentellen Bazillenpneumonie und -plenritis zeichnen sich durch charakteristische Merkmale aus, welche mit den biologischen Eigenschaften der Kapselbazillen in einem engen Zusammen- hange stehen: durch relativ reichliches Vorkommen des Schleims und starke Aufquellung und Vakuoleubildung der zelligen Elemente.

6. Eine Bazillonaufnahme ins Lungengowebe durch die Bronchialwand hin- durch ist nicht nachweisbar. BuQge (Kid),

Karlinski, J., Zur Frage der sogenannten germinativen Tuberkulose bei Tieren.

(Zeitschr. f. Tiermed., Bd. 9, 1905, S. 414.)

Von drei Ziegenböcken, bei denen durch direkte Einspritzung von Tuberkelbazillen in das Hodengewebe Hodentuberkulose hervor- gerufen worden war, erhielt K. Nachkommenschaft mit tuberkulösen Veränderungen, während die Muttertiere sich bei der Sektion voll- ständig gesund erwiesen. Daraus schließt Verf., daß die Über- tragung der Tuberkulose vom väterlichen Organismus auf das Ei durch den Samen möglich ist und nicht so selten vorkommt, wie gewöhnlich angenommen wird. Eine genaue Auswahl der Zuchttiere und deren Prüfung mittelst Tuberkulin erscheine daher durchaus notwendig. Orabert (Berlin),

Phllipse, A. M. F. U., Bacillus anthracis mirabilis. Een eigenaarvige varieteit van miltvuurbacillen. (Eine eigentümliche Varietät von Milzbrandbazillen.)

(Dissertation. Groningen, 1905, 144 Ss., 36 Mikrophotogramme.)

Der vom Verf. studierte Bazillus ist von Professor Fokker in Groningen aus einer Kultur von Milzbrandbazillen in lOproz. NaCl-Lösung isoliert worden. Der Bazillus ist beweglich

72

peritrich , fakultativ aerob, färbt sich nicht nach Gram, ver- flüssigt 5 oder lOproz. Gelatine nicht und ist nicht pathogen für Mäuse, Meerschweinchen, Kaninchen, Katzen und Hunde. Die Sporen sind leicht zu iäiben und sehr resistent. Trotz dieser abweichenden Veihällnisse schließt Verf., besonders auf Grund der Agglutinationswiikung von Milzbrandimmunserum auf Bac. anthracis mirabilis (1 : 100 + [Bac. anthracis 1 : 150 +]), auf die Verwandschalt zwischen beiden Mikroben. Bac. anthracis mirabilis ist, nähere Untersuchung vorbehalten, nach dem Verf. al& ein geänderter Milzbrandbazillus aufzufassen (? J.).

Markus (BoiUrdam).

Link, B., Beitrag zur Wirkung von Tuberkelbazillen ver- schiedener Herkunft.

(Archiv f. Hygiene, Bd. 53, 1905.)

Um die Wiikungsweise tnd eine etwaige Veischiedenheit der Erreger der menschlichen und der Kindertuberkulose festzustellen, brachte L. genau abgewogene kleinste Mengen von Tuberkelbazillen (0,0001 bis 0,0002 g) in die vordere Augenkammer von 18 tunlichst gleichartigen Kaninchen. Es ergab sich folgendes Resultat :

Während an den Augen bei der Infektion mit Perlsuchtbazillen ein Überwiegen der diffus entzündlichen Erscheinungen im Gegen- satz zu der sehr starken Knötchenbildung bei der Infektion mit menschlichen Tuberkelbazilleu zu beobachten ist, tritt sowohl in bezug auf den Allgemeinverlauf, als auch auf die Beteiligung der einzelnen Organe und die Ausdehnung des Krankheitsprozesses in ihnen eine größere Virulenz der Perlsuchtbazillen, als der menschlichen Tuberkelbazillen für Kaninchen zutage. Es entspricht dieses Ergebnis durchaus dem von zahlreichen Autoren erhobenen Befund, wonach bei verschiedenen Übertragungsarten Perlsucht- bazillen für Kaninchen erheblich virulenter sind, als menschliche

Tuberkelbazillen. Kaestner (Berlin).

Gagnetto, J,, Sur une vari6te de tuberculose zoogleique et de ses rapports avec la pseudomorve.

(Annal. de rinstit. Pasteur, Bd. 19, 1905, S. 449—477.)

Im pathologisch-anatomischen Institut zu Padua trat Ende Juni 1904 eine Krankheit auf, die sich epizootisch über die junge Meer- schweinchenzucht ausbreitete. Wurden Tiere der Zucht nur der

73 -

geringsten Änderung in der Lebensweise unterworfen, wie bei Stall- oder Fütterungswechsel, so gingen sie plötzlich zugrunde. Aus dem nicht käsigen, flüssigen, milchweißen Inhalte von Knötchen, die man in verschiedener Größe hauptsächlich in Leber, Milz und zwischen den Mesenterialblättern antraf, wurde ein polymorphes Bakterium gezüchtet, das alle üblichen Farbstoffe annahm, aber gramnegativ war. Es wächst auf den verschiedensten Nähr- boden in der für Pseudotuberkulose charakteristischen Weise, auf Kartoffeln anfangs wie der Eotzbazillus, wird aber nicht braun, wie alte Kartoffelrotzkulturen. Der Bazillus ist sehr virulent für Meer- schweinchen, weniger für Tauben und weiße Mäuse. Refraktär verhalten sich Kaninchen, Huhn und Katze. Meerschweinchen, die mit wenig Material geimpft w^erden, erwerben^ eine Orchito-vaginitis. Sie lassen sich auch durch den Intestinaltraktus infizieren. G. will die Krankheit zwischen die bazilläre Pseudotuberkulose der Nager und den Pseudorotz einreihen, weil sie fundamentale Eigenschaften beider besitzt. Er schlägt für den Erreger den Namen „Bacterium pseudotuberculare orchitophlogogenes" vor. Im Anhang beschreibt Verf. einen spontanen Fall von Pseudotuberkulose bei einer Katze aus derselben Zeit zum Unterschied von der Zoogloea- tuberkulose der Meerschweinchen. Marter (Straßburg),

Bartels J,, Lymphatisches System und Tuberkuloseinfektion.

(Wiener klin. Wochenschr., 18. Jahrg., 1905, S. 881—884.)

Bei natürlicher Infektion zeigt die Tuberkulose die innigsten Beziehungen zum lymphatischen System und besonders zum lympha- tischen Gewebe. Das Kennzeichen der Beziehungen zum lymphatischen Gewebe, der stattgehabten Infektion dieses Gewebes, erblickte man seither in dem Vorhandensein der spezifischen Ver- änderung, die das Gewebe unter dem unmittelbaren Einfluß des Tuberkelbazillus erleidet, des Tuberkels. Nach übereinstimmenden Ergebnissen neuerer Forschungen, an denen auch Verf. wesentlich mit beteiligt ist, müssen wir diese unsere bisherige Auffassung modifizieren. Von verschiedenen Forschern konnten in Lymphdrüsen, die lediglich vergrößert waren, spezifische tuberkulöse Veränderungen aber nicht zeigten, virulente Tuberkelbazillen nachgewiesen werden. Solche Lymphdrüsen wiesen nach des Verf. Untersuchungen mikroskopisch nur lymphoide Hyperplasie, d. h. Vermehrung der Lymphozyten auf. Dieser Beftind drängt uns zu der Annahme, daß es bei der

74

Tuberkuloseinfektion der Lymphdrüsen ein Stadium der einfachen lymphoiden Hyperplasie gibt. Die Frage nach der Dauer dieses Stadiums der Lymphdrüsentuberkulose, mit anderen Worten: die Frage nach der Latenz der tuberkulösen Lymphdrüsen- erkrankung, ist sehr wichtig. Verf. konnte bei Fütterungsversuchen mit Tuberkelbazillen an Kaninchen eine derartige Latenz (beim Vorhandensein virulenter Tuberkelbazillen) von 104 Tagen fest- stellen. Verf. hält im allgemeinen die Annahme der Möglich- keit eines Latenzstadiums von mehreren Monaten für berechtigt und glaubt, daß man auch die Möglichkeit einer Latenz von mehreren Jahren nicht bestreiten darf, obwohl ein so langes Latenz- stadium nicht wahrscheinlich sei. Es ist naheliegend, zur Er- klärung des Latenzstadiums der Lymphdrüsentuberkulose an eine Schutzwirkung der Lymphozyten zu denken, die eine Zeitlang die Entstehung der spezifischen tuberkulösen Veränderungen (Tuberkel und Verkäsung) hintanhält. Verf. arbeitet zurzeit über diese Frage. Einzelne vom Verf. erhobene Befunde scheinen darauf hinzudeuten, „daß tatsächlich der Lymphozyt imstande ist, einen hemmenden Einfluß auf den Tuberkelbazillus bezüglich dessen Wirkung auf den lebenden Organismus auszuüben". J.

Bnlloch u. Twodt, Über die Virulenz von aus menschlichen Quellen herrührenden Rotzbazillen.

(Zentralbl. f. Bakt, etc., Bd. 39, 1905.)

Strauß gibt an, daß nach iutraperitonealer Impfung von männlichen Meerschweinchen mit Rotz die Hodenschwellung iu 2—3 Tagen erkennbar ist; am 8. oder 10. Tage hat sie beträcht- lichen Umfang erlangt, und das Tier verendet nach Verlauf von 12 bis 14, bisweilen in 4 bis 8 Tagen. Genau dieselben Angaben machen Nocard und Leclainche. Prettner sagt, daß l g einer Bouillonkultur innerhalb 24 Stunden die Orchitis hervorruft, daß die Anschwellung 3 Tage nach der Impfung ihren Höhepunkt erreicht, und daß die Meerschweinchen nie den 8. Tag überleben, daß vielmehr die Mehrzahl am 5. oder 6. Tage stirbt. Zieler, der mit dem Eiter zweier Fälle von Menschenrotz experimentierte, erhielt damit inkonstante Ergebnisse; mit Reinkulturen daraus er- zielte er dagegen typische Orchitis in 24 Stunden und Tod in 3 bis 6 Tagen. Verff, untersuchten zwei akute und vier chronische Fälle von Menschenrotz. Zu den Impfungen wurden Reinkulturen ver-

75

wendet, die aus den Eotzläsionen isoliert worden waren. In jedem Falle führte die Impfkrankheit bei den Meerschweinchen überraschend schnell zum Tode. Mit einer Aufschwemmung einer Öse Kartoffel- kultur erster Generation (1 mg) wurde der Tod von 400 bis 700 g schweren Meerschweinchen in 3 Tagen hervorgerufen. Innerhalb 24 bis 36 Stunden waren die Hoden sehr stark geschwollen. Daraus schließen die Verff., daß die vom Menschen stammenden Eotzbazillen viel virulenter sind als die vom Pferde.

Qrabert (Berlin),

Raebiger, H., Die Bekämpfung der Rindertuberkulose nach dem Ostertagschen Verfahren in der Provinz Sachsen im Jahre 1904/05.

(Landw. Wochenschr. f. d. Prov. Sachsen, 7. Jahrg., 1906, S. 344—346.)

Das Ostertagsche Verfahren ist in der Provinz Sachsen seit dem Vorjahre eingeführt. Es hatte, wie aus dem Bericht des Verf. zu entnehmen ist, im Jahre 1904/05 wesentliche Fortschritte zu verzeichnen. Von Interesse ist der Vergleich der Zahlen des ersten Jahres mit den entsprechenden des zweiten Jahres: Während in den bereits im Vorjahre untersuchten Beständen von insgesamt 1457 Stück Vieh 53 Tiere (= 3,64 o/^) gefährlich tuberkulös be- funden wurden, ergab die zweite Untersuchung derselben Bestände im Berichtsjahre unter 1372 Stück Vieh nur 22 (= 1,6 %) mit offener Tuberkulose behaftete Tiere. „Der Prozentsatz der mit offener Tuberkulose behafteten Rinder ist also um mehr als die Hälfte zurückgegangen." J.

Riemer^ Ein Beitrag zur Beurteilung des Wertes der Agglutination für die Diagnose der Eotzkrankheit des Pferdes.

(Berl. Tierärztl. Wochenschr, 1905, S. 637—642.)

Verf. veröjQFentlicht seine Erfahrungen, die er bei Kontrolle der Serodiagnose des Rotzes durch die Sektion bei 11 Pferden eines Bestandes gemacht hat, von denen zwei durch die klinische Unter- suchung als rotzkrank eruiert werden konnten. Zwecks Ge- winnung allgemein gültiger Agglutinationswerte verlangt Verf. eine einheitliche Arbeitsmethode und eine gleiche Beurteilung des Ausfalls der Agglutination. Er weist darauf hin, daß ungleiche Resultate durch ungenaues Arbeiten, Zusatz verschieden großer Bakterienmengen zu denselben Serumverdünnungen, durch früh-

76

zeitigen Abschluß der Prüfung und durch lediglich makroskopische und nicht auch mikroskopische Beurteilung der Agglutination ent- stehen können. E. stellt sich aus einer 24 Stunden alten, eine Stunde lang auf 58—60^ erhitzten Agarkultur eine Eotzbazillen- aufschwemmung her, die in 5,0 ccm 10—12 mg getrocknete Rotz- bazillen enthält. Von derselben setzt er 2,0 ccm zu dem 2,0 ccm betragenden Inhalt eines jeden Agglutinationsröhrchens, so daß jedes Eöhrchen in 4,0 ccm der mit O.Sproz. Kochsalzlösung her- gestellten gewünschten Verdünnung des Serums die gleiche Menge Eotzbazillen enthält. Die Untersuchung auf vorhandene Agglu- tination nimmt Verf. nach 48 stündigem Aufenthalt der Eöhrchen im Brutschrank vor. Eine sichere Übereinstimmung der Sero- diagnose mit dem Obduktionsbefund konnte Verf. bei den beiden durch die klinische Untersuchung als rotzkrank erkannten Pferden (1:2000, 1:16000) und bei zwei der Ansteckung verdächtigen Tieren (1:400; 1:500) erkennen. Bei drei Pferden konnten rotz- verdächtige Veränderungen (Rotzbazillen nicht nachgewiesen) trotz geringen Agglutinationswertes des Serums (1:500; 1:700; 1:1000) bei der Sektion ermittelt werden. Bei den übrigen sechs Pferden war der Sektionsbefund trotz hohen Agglu- tinationswertes des Serums (1:800; 1:800; 1:800; 1:8(K); 1:2000; 1:4000) negativ.

Verf. kommt auf Grund seiner Versuche zu dem Schluß, „daß bei nicht rotzkranken Pferden häufig Agglutinationswerte des Blut- serums vorkommen können, die nach den bisherigen Erfahrungen über die Höhe der agglutinierenden Kraft normalen Pferdeblutes den Verdacht einer vorliegenden Eotzkrankheit erwecken müssen, deren Vorhandensein durch die Sektion nicht bestätigt wird".

Kuhn (Berlin),

Biegler, P. et Ginea, A., La morve experimentale des ani- maux bovins.

(Arhiva Yeterinarli [Bucarest], Annul 2, 1905. Sonderabdrack, 10 S»., 1 Taf.)

Nach der bisherigen Lehi^e nahm man an, daß das Eind gegen den Eotz eine natürliche Immunität besitzt. Die Verff. stellten bei ihren Versuchen, ein Serum gegen Eotz zu gewinnen, dem- gegenüber fest, daß man bei Bindern experimentell eine Eotzerkrankung erzeugen kann, die derjenigen des Pferdes sehr ähnelt. j.

77

Joest, E., Die Beziehungen des Schweinepesterregers zu anderen Bakterien mit besonderer Berücksichtigung der Fleischvergifter.

(Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhygiene, 16. Jahrg., 1905, S. 295— 300.)

Auf Grund der Ergebnisse morphologischer, biologischer und serodiagnostischer Untersuchungen rechnet Verf. den Bacillus suipestifer zur großen Familie der Kolityphusbakterien, und zwar zu jenen zwischen dem tj^pischen Typhus- und Kolonbazillus stehenden Mittelformen, die seither unter der Bezeichnung Paratyphus- und Parakolibakterien zusammengefaßt wurden. Von den Paratyphus- und Parakolibakterien vereinigt er eine ganze Reihe zu der Enteritis- gruppe, welche in zwei Untergruppen, von denen die eine die Hogcholeragruppe ist, zerfallt. Verf. gibt, nachdem er die gemein- samen Merkmale der Bakterien der Enteritisgruppe kurz zusammen- fassend geschildert hat, eine übersichtliche scheraatische Darstellung der verwandtschaftlichen Beziehungen des Schweinepesterregers, die im Original einzusehen ist. Die Trennung der Enteritisgruppe in zwei Untergruppen ist mit Rücksicht auf ihr verschiedenes Agglu- tinationsvermögen erfolgt. Eine Zusammenfassung der Angehörigen der Hogcholeragruppe unter sich, mit Rücksicht auf ihre durch die Serodiagnostik dargetane große Übereinstimmung, oder gar der ganzen großen Enteritisgruppe zu einer Spezies, lediglich auf Grund ihrer Übereinstimmung in morphologischer und biologischer Beziehung, hält J. für unzulässig. Denn außer den morphologisch-biologischen Merkmalen müsse man bei pathogenen Bakterien bei der Aufstellung der Arten noch die Toxinbildung (auch das Verhalten der Toxine gegen höhere Temperaturen), vor allem aber die spezifische Pathogenität der einzelnen Bakterienarten berücksichtigen. So unterscheide sich z. B. der Bacillus suipestifer von den meisten Fleischvergiftern einmal durch den Mangel der Fähigkeit Toxine abzuscheiden, dann aber auch durch seine spezifische Pathogenität für das Schwein bei natürlicher Infektion. Man könne daher nur von einer gewissen Verwandtschaft zwischen dem Bacillus suipestifer und den übrigen zur Hogcholera- oder zur Enteritisgruppe gehörigen Bakteiien, keines- wegs aber von einer Identität sprechen. Mit dieser Feststellung seien alle theoretischen Erörterungen über eine etwaige Gefährlich- keit des Schweinepestbazillus für den Menschen hinfällig.

Sch aller ( Stell in J .

78

V. Löte, J., Über ein Symptom der experimentellen Lyssa (das sog. prämonitorische Fieber).

(Zentralbl. f. Bakt. etc., Bd. 39, 1905.)

Verf. hat schon 1886 festgestellt, daß das erste nachweis- bare Symptom der experimentellen Lyssa bei den Versuchskaninchen das Fieber ist. Sich oft wiederholende und regelmäßige Fieber- anfälle wurden auch von Babös beobachtet. Er bezeichnete sie als prämonitorisches Fieber und legte ihnen besonderen Wert bei, da sie schon viel früher auftreten als die Irritationssymptome. Högyes mißt ihnen dagegen keine Wichtigkeit bei, weil man solche kleine Temperaturschwankungen auch bei gesunden Kaninchen beobachten könne. Auf Grund einer großen Anzahl von Temperaturmessungen kommt Verf. zu der Meinung, daß die Temperatur gesunder Kaninchen genügende Eegelmäßigkeit zeigt, um als Anhalt bei der Beurteilung pathologischer Veränderungen dienen zu können, und daß eine dem prämonitorischen Fieber gleichende Unregelmäßigkeit bei gesunden Tieren nicht vorkommt. Dasselbe ist vielmehr eine Wirkung des Lyssavirus. Er schreibt ihm aber keine besondere Bedeutung zu, weil gleichzeitig auch andere charakteristische Symptome nebenbei erscheinen, die dann auf kürzere oder längere Zeit, ja sogar auch gänzlich, verschwinden können. Er hält dies einfach für eine vorübergehende Erscheinung des Stadium morbi und be- zeichnet es als Lyssa recurrens. Das Fieber ist das charak- teristische Zeichen der Wirkung eines mittelstarken Virus; es zeigt sich weder bei stark virulentem, noch bei stark abgeschwächtem Virus. Qrahert (Berlin).

Tizzoni n. Bongiovanni, Die Behandlung der Wut mittelst Badiumstrahlen.

(Zentralbl. f. Bakt. etc., Bd. 39, 1905.)

Verff. haben gefunden, daß der Tod von Kaninchen, die subdural mit fixem Wutvirus infiziert waren, durch achtstündige, gleich nach der Infektion zur Anwendung gelangende Einwirkung einer Radiumprobe von 10 000 radioaktiven Einheiten auf das Auge des Tieres verhindert wurde. Das in vitro mittelst der Radiom- strahlen zersetzte fixe Virus wandelt sich äußerst rasch in ein aus- gezeichnetes Vaccin um; alle Tiere nämlich, welche einen Tropfen davon in das Auge erhielten, erwiesen sich gegen die subdurale

79

Injektion von Hundevirus, welches Kontrolltiere in 20 Tagen tötete, onempfilnglich. Durch intensivere Behandlung mit Radiumproben von 100 000 radioaktiven Einheiten und langdauemde Einwirkung an 8 Tagen hintereinander ließen sich Tiere am Leben erhalten, die 4S 86 94 Stunden vorher mit einer Virusmenge infiziert worden waren, welche den Tod der Kontrolltiere in sechs Tagen herbei- fiilirte. Auch wenn die Wutkrankheit schon ausgebrochen ist, vermag man die Tiere mittelst der Eadiumbehandlung am Leben zu erhalten. Da die Radiotherapie vor der Schutz- impfung den Vorteil einer breiteren und sichereren experimentellen Basis hat, so liegt nach Ansicht der Verflf. kein Grund vor, weshalb sie bei Menschen nicht mit demselben Recht angewandt werden

sollte. Orahert (Berlin),

Siegel, J., Bericht über gelungene Übertragung der Maul- und Klauenseuche auf Kaninchen, nebst ergänzen- den Bemerkungen über die Beobachtungs- und Färbemethoden der gesamten Cytorrhyktes-Gattung.

(Münch. med. Wochenschr., 52. Jahrg., 1905, S. 1574—1575.)

Es gelang S. mit dem Virus der Maul- und Klauenseuche Kaninchen zu infizieren. Das von den verendeten Versuchstieren gewonnene virulente Material, eine Emulsion von zerriebener Nierensubstanz und Blut, erzeugte bei der Übertragung auf Schweine wiederum da.s typische Bild der Maul- und Klauenseuche. Haut- affektionen treten bei den infizierten Kaninchen nicht immer auf. Der Cytorrhyktesflagellat ließ sich regelmäßig im Blute der Impftiere nachweisen. Der betr. Flagellat hat eine Größe von 1,5 bis 2,5 n und besitzt einen, sowohl im ungefärbten, als auch, noch deutlicher im gefärbten Präparate, sich differenzierenden Kern. Durch letzteren unterscheidet * er sich besonders von den gleichfalls mit typischem flagellatenähnlichen Bewegungsmodus ausgestatteten Hämokonien, Blntbestandteilen von unbestimmter chemischer Zusammensetzung. Auch überschreitet die Größe dieser Hämokonien nie V.s^^/s i"- Zur färberischen Darstellung der Parasiten eignen sich vorzugs- weise nur Kemfarbstoffe, und zwar Grenachers Hämatoxylin und Nachfärbung mit Azur 11, 1 : 1000. Das Hämatoxylin ist durch 1 proz. Salzsäurealkohol und das Azur durch absoluten Alkohol zu differenzieren. Zur Darstellung der Geißeln benötigt man saurer Farbstoffe, und zwar leistet die Färbung nach Giemsa die besten

80

Dienste. Zur Herstellung von Ausstriclipräparaten verwendet man am besten Nierensaft und zur Untersuchung der lebenden Parasiten Blut aus der Ohrvene. Durch das gleiche Verfahren lassen sich auch die übrigen Vertreter der Gattung Cytorrhyktes, die Erreger der Pocken, des Scharlach und der Lues darstellen.

Kaestner f Berlin).

Kkine^ F. K., Neue Beobachtungen zur Hühnerpest.

(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. öl, 1905, S. 177—182.)

Während Hühner an der Hühnerpest ohne besondere Ki*ankheits- erscheinungen schnell eingehen und ihr Blut iufektionstüchtig ist, treten bei weniger empfänglichem Geflügel (Tauben und jangen Gänsen) während einer siebentägigen Krankheitsdauer nervöse Er- scheinungen in den Vordergrund. Bei infizierten jungen Gänsen ließ sich bis zu 24 Stunden der InfektionsstofF im Blute nachweisen, später nicht mehr. Dennoch dauern die nervösen Erscheinungen {Krämpfe) bis zum Tode fort. Deshalb verimpfte Verf. Teile des Gehirns und Rückenmarks und fand diese im Gegensatz zum Blute im höchsten Maße infektiös. Der Ansteckungsstoff der Hühner- pest geht demnach auf die Nervensubstanz, wie bei der Tollwut, über. Ferner beobachtete Verf. bei den erkrankten Tieren Sehstörungen und an dem Augenhintergrunde atrophische Herde mit Pigmentsaum und stärkerer Pigmentansammlung im Zentrum. Bei der mikroskopischen Untersuchung des Gehirns fielen den Negrischen Körperchen ähnliche Gebilde auf. Bugge (Kiel).

Jnlinsberg, M,, Zur Kenntnis des Virus des Molluscum contagiosum des Menschen.

(Deutsche med. Wocbenschr., 31. Jahrg., 1905, S. 1598—1599.)

Verf. wies nach, daß das Virus des Molluscum contagiosum des Menschen filtrierbar ist. Es verhält sich somit in dieser Beziehung ebenso wie das Virus des Epithelioma contagiosum des Geflügels, dessen Filtrierbarkeit schon früher von Marx und Sticker festgestellt wurde. ,/.

Bonhoff, H., Die Spirochaeta vaccinae.

(Berl. klin. Wochenschr.,. 42. Jahrp:., 1905, S. 1142—1144.)

Verf. fand in drei verschiedenen Lymphen vom Kalbe Spirochaeten und ist geneigt, diesen Gebilden eine ätiologische Bedeutung zu- zuschreiben, j.

81

Entwicklungshemmung Desinfektion.

Conrad!, H. und Kurpjuweit, 0., Über spontane Wachstums- hemmung der Bakterien infolge Selbstvergiftung.

(Münch. med. Wochenschr., 62. Jahrg., 1905, S. 1761—1764.)

Die Verfif. verfolgten die allgemein bekannte Erscheinung, daß Bakterienkulturen, auf der Höhe ihres Wachstums angelangt, spontan abzusterben beginnen. Sie fanden, daß diese Erscheinung auf die Bildung entwicklungshemmender Stoffe seitens der Bak- terien zurückzuführen ist. Diese HemmungsstolQFe, für die die Verff. die Bezeichnung „Autotoxine" vorschlagen, werden von der ersten Stunde des Wachstums der Kultur an gebildet und nehmen von Stunde zu Stunde zu, um nach 24 Stunden ihre größte Höhe zu erreichen. Je größer die Wachstumsenergie einer Kultur ist, desto intensiver ist auch die Bildung von HemmungsstolQFen. Die Hemmungsstoffe übertreffen in ihrer antiseptischen Wirksamkeit, wie die Verff. bei Verdünnungsversuchen feststellten, sogar die Karbolsäure. Die Stoffe sind nicht hitzebeständig. Eine Trennung der Autotoxine von den Bakterienleibeni gelang weder durch Älkoholfällung noch durch Filtration der Kulturen durch Tonkerzen; sie ließ sich jedoch durch Dialyse erreichen. Die Autotoxine sind somit diffusibel. Die Verff. halten diese Stoffe für enzymartige Körper. j.

Dom, Banmann, Yalentiner, Über die Einwirkung der Radiuraemanation auf pathogene Bakterien.

(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh , Bd. 62, 1905, S. 328—334.)

Verff. prüften die Wirkung der Emanation und der Strahlen des Radiums auf verschiedene Kulturen. Sie bemerkten hierbei eine Entwicklungshemmung bei den dem Radium ausgesetzten Bakterien. Bugge (Kid),

Perroneito, E., Der Einfluß der Kälte auf das Aphthen- seuchevirus.

(Fortechritte der Veterinärhygiene, 3. Jahrg., 1905, S. 78—79.)

P. hat den Speichel von maulseuchekranken Rindern in einem Pläschchen aufgefangen und über Nacht auf der äußeren Brüstung eines Laboratoriumsfensters aufgestellt. Die Außentemperatur betrug 8 9^ C unter Null, und der Speichel war voll- ständig gefroren. Am anderen Morgen wurde der Speichel aufge*

ZaiUchrift fUr lofektionakraakheiten. I, 1. 6

82

taut. Er erwies sich, mit physiologischer Kochsalzlösung 1:10 vermischt, Eindem und Schafen auf die Maulschleimhaut eingerieben, als wirkungslos. Aus dieser einzigen Beobachtung schließt P., daß eine Temperatur von 8 9 ° C unter Null bei einer Einwirkung von mehreren Stunden die Erreger der Aphthenseuche abtötet.

Prettner (Prag),

Hnber^ H., Weitere Versuche mit photodynamischen, sensibilisierenden Farbstoffen (Eosin, Erythrosin). Prüfung der Wirkung des Tageslichtes auf Lebens- fähigkeit und Virulenz von Bakterien, auf Toxine und Antitoxine und auf das Labferment.

(Archiv f, Hygiene, Bd. 54, 1905, 8. 53—87.)

Die Wirkung des Tageslichtes und des Sonnenlichtes ist eine geringe; sie wird aber bedeutend erhöht, wenn den Flüssigkeiten kleine Mengen (P/oo) sensibilisierender Farbstoffe, Eosin oder Erythrosin, zugesetzt werden. Durch Eubinglas, Eosin- oder Erythrosinlösungen filtriertes Tageslicht wirkt auf ungefärbte wie auf sensibilisierte Flüssigkeiten nicht intensiver wie gewöhnliches

Tageslicht. Marxer f Straßburg J.

Werner, B., Über Radiumwirkung auf Infektionserreger und Gewebsinfektion.

(Münch. med. Wochenschr., 52. Jahrg., 1906, S. 1625—1627.)

Es war bereits bekannt, daß die Radiumstrahlen Bakterien- kulturen in ihrem Wachstum aufzuhalten und gänzlich abzu- töten vermögen. Verf. prüfte zunächst diese Angaben an Kul- turen von Strepto- und Staphylokokken, Bacterium coli und Tuberkelbazillen nach und fand, daß die entwicklungs- hemmende und abtötende Wirkung der Bestrahlung lediglich abhängig war von ihrer Dauer und Intensität, in keiner Weise jedoch vom Nährboden. Am wirksamsten ist die Bestrahlung, wenn sie unmittelbar nach erfolgtem Ausstrich der Kulturen geschieht: Hierdurch wird deren Entwicklung von vornherein gänzlich verhindert. Tierversuche mit durch Radium- strahlen abgetöteten Kulturen ergaben, daß dieselben gleichzeitig stark entgiftet worden waren; denn bei ihnen lag die tödliche Dosis 2— 3 mal höher als bei Kulturen, die durch Hitze abgetötet wurden. Trotzdem ließ sich mit den bestrahlten Kulturen ein hochwertiges, nicht nui' bakteriolytisch, sondern auch antitoxisch

83

wirkendes Semm gewinnen. (Man würde somit anzunehmen haben, daß die Radiumstrahlen hier nur die toxophore, nicht aber die haptophore Gruppe der Toxine beeinflußten, daß also unter dem Einfluß der Bestrahlung aus Toxinen Toxoide ' entstanden. Eef.) Mikroskopisch zeigten sich die bestrahlten Bakterien unverändert. Versuche mit künstlich infizierten Wunden ergaben, daß „eine praktisch verwertbare direkte Desinfektion der Wunden durch Eadiumstrahlenwirkung als unmöglich erscheint." Weiter zeigte sich aber, daß in den durch Radium- strahleneinwirkung entstand enen Gewebsnekrosen Infektions- erreger nach kurzer Zeit abgetötet werden, daß somit die unter der Einwirkung der Radiumstrahlen zu gründe gegangenen Körper- zellen „imstande sind, bakterizide Eigenschaften zu entwickeln."

J.

Schnfirer, J. u. Janaschke, J., Zur Desinfektion der Eisenbahn- viehtransportwagen mit wässerigen Formaldehyd- lösungen.

(Zeitschr. f. Tienned., Bd. 9, 1906, S. 376—405.)

Bis jetzt genügt keines der zur Desinfektion der Viehtransport- wagen angewandten Verfahren den vom verkehrstechnischen Stand- punkt aus zu stellenden Anforderungen Einfachheit und leichte Anwendbarkeit, kurze Dauer, Billigkeit, Vermeidung stärkerer Be- schädigung des Wagens und gesundheitlicher Benachteiligung des Arbeiterpersonals, der Explosions- und Feuersgefahr usw. Die noch am besten genügende, von Grub er günstig begutachtete Chlorkalk- methode leidet an dem Mangel, daß sie in beträchtlicher Menge schwer zu beseitigende Abwässer und Abfälle liefert. Das bei diesem Verfahren zur Geltung kommende Prinzip der Anwendung großer Mengen wässeriger Lösungen des Desinfektionsmittels in möglichst geringer Konzentration und in wiederholten, unter Druck ausgeführten Bespritzungen des zu desinfizierenden Objekts wurde von den Verff. bei ihren Versuchen mit wässerigen Fomaldehydlösungen durchgeführt. In vorliegender Arbeit werden die Resultate von Vorversuchen, die an dem Modell eines Viehwagens angestellt wurden, mitgeteilt. Die benutzte Spritze lieferte (auf 2 m Entfernung) einen ca. 1 m breiten, kräftigen Wasserstrahl; größtenteils wurde mit 0,7—1,5 Atmosphären Über- druck gespritzt. Zur Abtötung resistenter Milzbrandsporen genügt im allgemeinen eine Konzentration der Formaldehydlösung von 1 <^/o,

6*

84

bei niedrigerer Außentemperatur (14^ C), welche auf den Des- infektionseffekt des Formaldehyds von großem Einfluß ist, eine solche von 1,5 ^/^ bei dreimaliger Bespritzung.

Die Ergebnisse der an wirklichen Viehtransportwagen an- gestellten Versuche werden Gegenstand einer weiteren Veröffent- lichung sein.*) Qrabert (Berlin),

Pfeiler, W., Zur Kenntnis der Desinfektion infizierten Düngers durch Packung.

(Arbeiten aas dem Hygienischen Institut der Kgl. Tierärztlichen Hoch- schule zu Berlin, Nr. VI. Zugleich Inaug.-Dissert [Gießen], Berlia 1905. 100 Ss.)

Unter ausfuhrlicher Berücksichtigung der bisher veröffentlichten Ergebnisse hat Pf. insbesondere die von Gärtner angeregten Ver- suche, die Wirksamkeit kompostierten Düngers an einer Reihe von Tierseuchenerregern festzustellen, aufgenommen. Die Prüfungen wurden ausgeführt mit den Erregern von Geflügelcholera, Rotlauf, Schweineseuche, Tuberkulose und, bisher noch nicht speziell be- arbeitet, Milzbrand und Schweinepest. Unter Ausschaltung sämt- licher störender Einflüsse, welche sich bei den entsprechenden Versuchen anderer Autoren für die Beurteilung des Ergebnisses der Arbeiten als sehr hinderlich herausstellten, hat Pf. in seinen Versuchen besonders die Wirkung der Wärme bei der Abtötung der genannten Erreger berücksichtigt; er hat auf Milzbrand auch den antagonistischen Einfluß anderer Bakterien und die veränderten chemischen Qualitäten des Mistes wirken lassen. Die wissen- schaftlich und praktisch wertvollen Versuche Pf s haben bewiesen, daß die im Dünger enthaltenen Erreger der Geflügel- cholera, des Rotlaufes, der Schweinepest, Schweineseuche und Tuberkulose lediglich durch Wärmewirkung mit Sicherheit in 14 Tagen abgetötet werden. Voraussetzungen sind, daß der Dünger in Haufen von 1 cbm locker gelagert wird und Kot und Stroh in inniger Mischung in dem Ver- hältnis von 2:3 in den Haufen vorhanden sind, die einen bestimmten Feuchtigkeitsgehalt zur Erzielung konstanter abtötender Temperaturen von mindestens 60^ haben müssen, wobei eine einmalige Umlagerung ratsam ist. Beim Milzbrand genügte die Wärme des Düngers allein nicht, jedoch hat Verf. nachge-

*) Vgl. die Originalarbeit von Schnürer in diesem Hoft. D. H.

85

wiesen, daß sie in Verbindung mit den im Mist vorhandenen natürlich desinfizierenden Kräften den Milzbranderreger mit seinen Sporen abtötet. Verluste an wertvollen Bestandteilen des Düngers, insbesondere des Stickstoffes, sind bei dem billigen und einfachen Verfahren gering. Die mit großem Fleiße ausgeführte Arbeit Pf.s enthält auch sehr wertvolle Tabellen über die Temperatur- verhältnisse im kompostierten Dünger.

9. Sande (Frank für i a, JM,J,

Immunität Schutzimpfung.

Sehfltz, A., Die plazentare Übertragung der natürlichen Immunität.

(Berl. kliD. Wochenschr,, 42. Jahrg., 1906, S. 1273—1275.)

Verf. untersuchte in zwei Fällen Blut und Mageninhalt von normalen Neugeborenen, sowie Blut und Kolostrum der be- treffenden (nie diphtheriekrank gewesenen) Mütter auf eine gift- bindende Wirkung gegenüber dem Diphtheiietoxin. Das Blut sowohl der Mütter als auch der Neugeborenen besaß antitoxischen Wert, und zwar erwies sich in beiden Fällen das Blut des Neu- geborenen als gleich wirksam wie das Blut der Mutter. Dagegen waren Mageninhalt und Kolostrum gegenüber dem Diphtherietoxin unwirksam. Verf. schließt aus diesem Befunde, daß das Neu- geborene seine natürliche Immunität von der Mutter durch plazentare Übertragung erlangt. J-

PfelJBTer, B. u. Frledberger, E., Weitere Untersuchungen über die antagonistische Wirkung normaler Sera.

(Deutsche med. Wochenschr., 31. Jahrg., 1905, S. 1145—1147.)

Schon früher haben die Verff. die Tatsache mitgeteilt, daß normale Sera durch Ausfällung mit Bakterien die Eigenschaft er- langen, die bakteriolytische Wirkung eines für diese Bakterien spezifischen Immunserums imMeerschweinchenperitoneum zu hemmen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit den auf die Deutung dieses „antagonistischen Phänomens" sich be- ziehenden Einwänden anderer Forscher. Die neu angestellten Untersuchungen haben zu einer vollständigen Erklärung und ent- gultigen Deutung des Phänomens noch nicht geführt. Jedenfalls geht aber aus den Versuchen, wie die Verff. betonen, hervor,

86

daß die antagonistische Wirkung normaler Sera „weder durch im Serum suspendierte sogenannte freie Bakterienrezeptoren noch durch Bakterienaggressine (Kruse-Bail) noch durch eine Komplement- ablenkung (Sachs) eine befriedigende Erklärung findet", daß die antagonistischen Wirkungen vielmehr „primäre Eigen- schaften der Normalsera darstellen, und daß sie für die Auffassung der Infektions- und Immunitätsvorgänge von größter Bedeutung sind." J-

Weil, E., Die schützenden Eigenschaften des Blutes von aggressin-immunen Hühnercholeratieren.

(Archiv f. Hygiene, Bd. 54, 1905, S. 149-184.)

Kaninchen wurden nach der Bai Ischen Aggressintheorie mit aggressinhaltigem Exsudat aktiv immunisiert. Dies wurde durch steigende subkutane Injektionen von sterilisiertem Pleuraexsudat erzielt, das von Kaninchen stammte, die intrapleural infiziert worden waren. Dünnes Exsudat durch Bakterien mit hoher Aggressivität verursacht mit wenig Zellen und Unmengen von Bakterien ist das geeignetste für die Immunisiening. Serum von so immunisierten Kaninchen schützte Kaninchen, Mäuse und Meerschweinchen sicher gegen spätere Infektion, Hühner und Tauben in geringerem Maße. Das Immunserum besitzt keine bakteriolytischen Eigenschaften, es hemmt nur die unbegrenzte Vermehrungsfähigkeit, die Aggressivität der Bakterien. Daher nennt man es antiaggressives Immun- serum. Die Dauer des Serumschutzes beträgt ungefähr zwei Wochen. Daß die passiv immunisierten Tiere durch die im Infiltrate an der Infektionsstelle auch nach Erlöschen der passiven Immunität noch lebenden virulenten Bakterien nicht geschädigt werden, erklärt Verf. damit, daß durch allmähliche Resorption des Infiltrates ein aktiver Schutz entsteht, wie bei den Pasteur sehen Vaccins. Normale Tiere werden durch die im Infiltrat lebenden Bazillen ge- tötet. Hochwertiges Immunserum verringert die Reaktions- erscheinungen an der Infektionsstelle bei Kaninchen. Den schlechteren Schutz des Immunserums für Hühner und Tauben glaubt Verf. der Heterologie desselben zuschreiben zu müssen.

Bei intraperitonealer Infektion passiv geschützter Meerschwein- chen tritt in der Peritonealhöhle wohl starke Leukozytose ein, nie konnte aber Phagozytose beobachtet werden. Dasselbe wurde auch bei Immunisierungen mit Schweineseucheexsudat festgestellt*

Marxer fStraßhurg),

87

Kchnfirer, J., Zur präinfektionellen Immunisierung der Hunde gegen Lyssa.

(Zeitochr. f. Hygiene n. Infektionskrankh.» Bd. 51, 1905, S. 46—64.)

Verf. immunisierte gesunde Hunde durch gleichzeitige Ein- spritzung von Virus fixe (0,33— 1,8 g) und Immunserum (4,5 bis 17 ccm) gegen die Infektionen mit Virus fixe, Straßenwut und gegen den Biß wütiger Hunde. Er hofft bei weiterer Berück- sichtigung des Wertes des virulenten Wutgiftes, des Immunserums, des Körpergewichtes, des Alters, der Rasse den zu immunisierenden Hunden einen sicheren Schutz verleihen zu können. Weitere Ver- öffentlichungen werden in Aussicht gestellt. Bugge (Kiä).

Prettner, M., Das Rotlaufschutz- und heilserum.

(Wien. 1905, 24 Ss.)

Der größte Teil der Arbeit des Verf. fährt zusammenfassend an, was wir heute über den Bac. erysipelatis porci und über die Herstellung und Wirkung des Serums gegen den Schweinerotlauf bissen. So gibt Verf. an, daß durch die Passage durch Tauben der Rotlaufbazillus für Schweine und Mäuse virulenter wird, jedoch bei Passage durch den Körper von Kaninchen an Virulenz ganz bedeutend verliert. Der Rotlaufbazillus wird bei ständigem Durch- schicken durch die Maus für das Schwein avirulent. Dieser Tat- sache hat der Bac. murisepticus seine Entstehung zu verdanken. Eine Aktivierung des Bac. erysipelatis porci besteht für ver- schiedene Versuchstiere. Ein derartig aktivierter Stamm ist in seiner Virulenz herabgesetzt. Für die Serumgewinnung hat dieser Umstand insofern eine Bedeutung, als ein derartiger Stamm bedeutend weniger Schutzstoffe hervorbringt. Nur durch Ver- impfung großer Mengen von Kulturen ist ein hochwertiges Rot- laufserum zu erhalten. Es besteht die besondere Schwierigkeit hierbei in der Erkrankung der serumliefernden Tiere an Endocar- ditis oder Gelenkentzündungen. Durch Vermischen der Sera von verschiedenen Tieren wird das Rotlaufserum in seinem Wert nicht gesteigert. Die von Joest festgestellte Erhöhung der Resistenz gegenüber Schweineseuche bei Einimpfling von normalem Serum wies Verf. auch für den Rotlauf nach.

Verf. stellte fest, daß die bakterizide Wirkung des Schweinerotlaufserums, wenigstens in den Organen der in- fizierten Tiere, keine so große Rolle spielt, da das Serum inner-

88

halb 24 Stunden im Tierkörper und im Reagierglase die Erreger des Rotlaufs nicht abzutöten vermag und das Serum nach Ent- fernen der Bazillen in seinem Titer nicht im geringsten herunter- gegangen sei. Vielmehr spricht P. dem Serum die Fähigkeit zu, den Tierkörper zur Aktivierung seiner Abwehrvorrichtungen zu reizen. Auch für den Rotlauf legt Verf. die Fähigkeit der Aggressivität fest, wie sie Bail fär den Erreger der Geflugel- cholera nachwies. Gegenüber den gebildeten Aggressinen treten auch beim Rotlauf die Antiaggressine des Serums in Tätigkeit, so daß das Rotlaufserum nicht, wie bis jetzt angenommen wurde, ein streng bakterizides Serum, sondern auch ein Serum von antiaggressiver Wirkung sei.

r. Saiide (Frankfurt a. M.J.

Heier, H., Immunisierungsversuche gegen Strychnin.

(Berl. klin. Wochenschr., 42. Jahrg., 1905, S. 1226—1227.)

Das Strychnin erzeugt, wie das Tetanustoxin, Tetanus. Verf. hält beide deshalb für chemisch verwandt (? Ref.), und es schien ihm der Gedanke nahe zu liegen, daß, ebenso wie beim Tetanus- toxin, der Organismus auch beim Strychnin imstande sei, ein Anti- toxin zu bilden. Verf. hält Gewöhnung (bei organischen und an- organischen Giften) und Immunität (bei Bakteriengiften) für identisch (? Ref.). Die vom Verf. angestellten Versuche scheinen dem Ref. eine Strychninimmunität nicht zu beweisen. (Es ist auch nach unseren derzeitigen Kenntnissen von der Beziehung der Gifte zum Organismus keine echte Strychnin- immunität zu erwarten, ebensowenig wie sich eine echte Morphin- oder Alkoholimmunität erzeugen läßt. Nui- die Gifte, die chemisch im Organismus fest verankert werden, bilden Antitoxine [hierher gehören die Bakterientoxine], während solche Gifte, deren Bindung im Organismus eine nur lockere ist oder die gewissermaßen nur physikalisch aufgestapelt werden, keine eigentlichen Antistoffe zu bilden imstande sind. Daß das Strychnin za der letztgenannten Gruppe gehört-, zeigt schon die Art seiner Ausscheidung aus dem Organismus. Ref.) J.

89

Parasiten und parasitäre Kranlcheiten.

Koroff, Th. und Fiebiger, S., Über Eimeria subepithelialis n. sp.

(Archiv f. Protistenknnde, Bd. 6, 1905, S. 166-174.)

Ein Teichbesitzer in Sachsen bemerkte unter seinem Karpfen- bestande ein plötzlich auftretendes Sterben. Bei den an die bio- logische Versuchsstation für Fischerei in München eingesandten Tieren wurde in mehreren Fällen Darmkokzidiose konstatiert und daher dieser Befund als Todesursache angenommen.

In der Darmwand saßen bis erbsengroße, sich über das Niveau der Schleimhaut vorwölbende Knoten. Die normale Struktur der Schleimhaut war daselbst verwischt, die Krypten waren verschwunden ; mitunter sah man die Form der Drüsenschläuche noch angedeutet, allein die Zylinderzellen waren mit Jugendstadien des Parasiten angefüllt. Die Hauptmasse der Knoten bestand aus im Sporo- zystenstadium befindlichen Kokzidien, welche zwischen Epithel und Muskularis nesterartig angehäuft lagen. Bei E. s. verläuft die ganze Entwicklung im subepithelialen Gewebe, im Gegensatz zu den übrigen Eimeriaformen, bei welchen ein großer Teil des Ent- wicklungszyklus, zum mindesten aber die Sporulation, nach Aus- stoßung aus dem Gewebe vor sich geht.

F. Schmitt (Stettin).

Schaberg, A. und Sehröder, 0., Myxosporidien aus dem Nervensystem und der Haut der Bachforelle.

(Archiv f. Protistenknnde, Bd. 6, 1905, S. 47—60.)

In allen Teilen des Eückenmarks und in fast allen Zweigen des peripheren Nervensystems einer Anzahl von Forellen wurden zahlreiche, mit bloßem Auge nicht erkennbare Zysten der Myxo- sporidie Myxobolus neurobius n. sp. vorgefunden; das Gehirn erwies sich als frei von den Parasiten. In den Nerven lagen die Zysten zwischen der Schwannschen und der Markscheide; die Zysten ent- hielten nur ausgebildete Sporen. Da Entzündungserscheinungen fehlten, so erscheint es den Verff. fraglich, ob diese Myxosporidien ein Kranksein der Fische hervorrufen, solange sie nicht „durch <ien rein mechanischen Effekt pathologische Wirkungen zu erzeugen imstande sind." M. n. war 1893 schon einmal im Nervensystem der Äsche gefunden worden. f. Schmitt f Stettin j.

- 90

Nißle, A., Beobachtungen am Blut mit Trypanosomen ge- impfter Tiere.

(Archiv f. Hygiene, Bd. 53, 1905, S. 181—204.)

N. macht folgende vorläufige Mitteilung über Beobachtungen am Blute von Hatten, Mäusen und Meerschweinchen, welche mit Trypanosoma Brucei, Tr. equinum oder Tr. Lewisii infiziert waren:

1. Nach Einverleibung einer virulenten ProdigiosoBkultur intraperitonca) verschwinden die Trypanosomen aus dem Blute und es entsteht gleichzeitig Anämie. Nach dem Verschwinden der Parasiten fallt im nach Giemsa ge- färbten Ausstrichpräparate die überaus große Zahl der polychromatophilen Erythrozyten, meist zugleich Megalozyten, auf. Die Zahl derselben übertrifft diejenige der normalen Blutkörperchen oft um das vier- bis fünffache. In diesen polychromatophilen Blutkörperchen waren häufig Anhäufungen chromatin- roter Elemente sichtbar, welche zu paarweise gelagerten Vs^Vs f^ groficn Gebilden angeordnet waren. N. hielt dieselben zuerst für Latenzznstände der Trypanosomen, überzeugte sich jedoch später, daß sie sich auch bei nicht infizierten Mäusen fanden. Durch das Gesetzmäßige ihrer Form, Zahl und Anordnung unterschieden sie sich von den Kemzerfallsresten. der Megalo- zyten. Letztere stellen unregelmäßige, meist zentral gelagerte Körnchen dar. Bei der Hitze- und Osmiumfixierung sind diese Kemzerfallsresto in den roten Blutkörperchen zahlreicher sichtbar, als bei der Fixierung mit Alkohol absei. Die erwähnten Doppelkörperchen hält N. für erhalten gebliebene Zentrosomen von Erythroblasten, zumal sie gerade häufig in solchen Blutkörperchen ange- troffen werden, in denen noch Reste des zerfallenen Kernes sichtbar sind.

2. N. beobachtete des weiteren in den roten Blutkörperchen reifenartige Gebilde von 8—10 ^ Größe. Er identifiziert sie mit den von Dehler beschrie- benen „De hl ersehen Reifen*^ Sie liegen entweder horizontal und konzentrisch in der Ebene des Blutkörperchens oder senkrecht zu derselben und erscheinen dann in der Form von Ellipsen oder in Achterformen. Er fand sie auch im Blute fieberhaft erkrankter Menschen. Die betroffenen Erythrozyten zeigten gleichfalls Polychromasie. Ehrlich hat die polychromatophilen Erythrozyten für von Jugend auf degenerierte Elemente erklärt Diese Befunde stimmen ttberein mit denjenigen von Askanazy bei der perniziösen und Bothry)- zephalusanämie. Askanazy erkannte die Polychromasie als hauptsächlichste Eigenschaft der meisten Erythrozyten, welche Mitosen zeigten und meist Megaloblasten waren. Nach N. trifft man Kemzerfallsreste, Zentrosomen nnd Dehler sehe Reifen nur bei polychromatophilen roten Blutzellen, und zwar ohne Unterschied der Megalo- und Normozyten. Das Vorhandensein von Zentrosomen und Dehlcfrschen Reifen ist in höherem Maße, als die einfache Polychromasie, das Merkmal der Blutschädigung.

3. Über die Bewegiingsart der einzelnen Trypanosomen hat N. folgendes beobachtet: Bei Tryp. Brucei und equinum erfolgt die Vorwärtsbewegung durch wellenförmige Bewegung des ganzen Körpers (fortlaufende Welle). Bei Tryp. Lewisii erfolgt sie in der Weise eines in zwei Knotenpunkten fixierten transversal schwingenden Stabes (stehende Welle). Als wichtiges Unter- scheidungsmerkmal besitzt Tryp. equinum ein außerordentlich kleines Zentrosom.

91

Die Trypanosomen haben die Fähigkeit, durch rote Blutkörperchen hindurch- znschlflpfen. Der Effekt dieses Vorganges ist jedoch weder ein pathogener, Doch dient er der Sauerstoff- oder Nahrungsaufnahme.

4. Die polychromatophilen Erythrozyten treten dann besonders auf, wenn die Parasiten aus dem Blute plötzlich verschwinden, sei es infolge spontaner Remission, oder wenn diese Wirkung künstlich, z. B. durch therapeutische Anwendung des Trypanrot hervorgerufen wird. Ihr Auftreten oder ihre Ver- mehrung ist ein Beweis der Regeneration des Blutes. Da erst mit dem Ver- schwinden der Parasiten gleichzeitig Anämie eintritt, muß Trypanrot im Körper einen hämolytisch wirkenden Stoff erzeugen. Auch unter natürlichen Ver- hältnissen muß die Anämie durch das gleiche Agens hervorgerufen Verden, welches die Parasiten abtötet. So entfaltet auch Bac. prodigiosus sowohl keimtötende, als auch hämolytische Wirkung; desgl. arsenige Säure und menschliches Serum. Zu Heilversuchen bei Trypanosomiasis können daher nar Mittel lierangezogen werden, welche gleichzeitig Anämie hervorzurufen geeignet sind. Kaestner (Berlin j,

Franke, E., Therapeutische Versuche bei Trypanosomen- erkrankung.

(Inang.-Dissert. [Giefien], Jena, 1905. 38 Ss.)

Immunisierungsversuche gegen Trypanosomenkrankheiten sind bisher nur bei Rindern und einigen wenig empfänglichen Tier- spezies, wie Schafen und Ziegen, erfolgreich gewesen. Auch können die immunisierten Tiere noch jahrelang Parasiten im Blute be- herbergen. Sie bilden so eine ständige Infektionsgefahr för andere empfangliche Tiere. Mit Rücksicht hieraufscheint nur die Therapie eine berechtigte Hofihung auf erfolgreiche Bekämpfung der Try- panosomeninfektionen zu gewähren, die es ermöglicht, die Flagellaten im Tierkörper vollkommen abzutöten. In Erwägung dessen haben einerseits Ehrlich und Shiga die pharmakologische Heilmethode unter Anwendung von Trypanrot empfohlen, während Laveran andererseits fand, daß die thera- peutische Wirkung des Trypanrot durch gleichzeitige Verabfolgung von Arsenik unterstützt wird. Trypanrot ist ein Farbstoff der Benzopurpurinreihe, von welchem zur Heilung einer mittel- schweren Maus 0,3 ccm einer Iproz. Lösung erforderlich waren. Arsenik, in Form des Natr. arsenicos., entfaltete seine Heilwirkung für kleine Versuchstiere in einer Menge von 0,1 mg pro 20,0 g Körpergewicht. F. hat beide Heilmethoden bei verschiedenen mit Mal de Caderas und Nagana infizierten Tierarten therapeutisch angewandt. Er gelangt auf Grund seiner eingehenden Versuche zu folgenden Schlußfolgerungen:

92

1. Von den bisher bekannten Heilstoffen ist dasTrypanrot der einzige Farbstoff, mit dem es gelingt, bei Mal de Caderas-Mäusen, Mbori-Mäusen nnd -Ratten in einem er- heblicbenProzentsatze der Fälle durch einmalige Injektion Heilerfolge zu erzielen.

2. Bei einer Reihe weiterer Trypanosomenerkrankungen Mal do Caderas der Eaninehen, Affen kann man durch die von Laveran gefundene Kom- bination: Trypanrotarsenik Heilerfolge erreichen.

3. Das von Wendelstadt rekognoszierte Malachitgrün steht in der Wirkungsart erheblich hinter dem Trypanrot zurück; es ist bei Verwendung dieses Farbstoffes auch nicht eine einzige definitive Heilung herbeigeführt worden.

4. Die durch Trypanrot abgetöteten Trypanosomen bedingen eine aktive Immunität, die bei Mäusen etwa 20 Tage andauert; Rezidive treten nur dann ein, wenn der Farbstoff nicht absolut sterilisierend gewirkt hat, sondern noch einzelne Keime zurückgeblieben sind.

5. Tiere, die längere Zeit in Behandlung gestanden haben, zeigen im Blute spezifische Schutzkörper, die nur gegen die zur Infektion verwendete Spezies gerichtet sind. Die erlangte Immunität ist keine hohe und reicht nicht aus, Tiere gegen eine Neuinfektion vollkommen refraktär zu machen. Nach den vorliegenden Versuchen mit Trypanrotbehandlung scheint es schon jetzt angezeigt, bei den spontanen Erkrankungen der Tiere in den Tropen eine Fortführung dieser therapeutischen Versuche mit Trypanrot oder mit Trypan- rotarsen vorzunehmen.

Hervorzuheben ist noch, daß F. einen bedeutsamen Fortschritt in der Behandlungsweise nach Ehrlich-Laveran dadurch erzielte, daß er die gen. Therapie, ohne das Auftreten vonRezidiven abzuwarten, nach kurzer Zeit (ca. 8 Tagen) wiederholte. Kaeatner (Berlin),

Seheben, L«, Zur Kenntnis der Helminthiasis nodularis intestinalis des Rindes und des Schafes.

(Fortschritte d. Veterinärhygiene, 3. Jahrgang, 1905, 8.97-104, S.122-124.)

Bei dieser Krankheit des Rindes wird von einigen Autoren ein Ankylostomum, von anderen ein Oesophagostomum als Ursache an- gegeben. V. Ratz und Railliet halten die in den Darmknötchen gefundenen Nematoden für eine Jugendform von Oesophagostomum. Ströse nennt die Parasiten Ankylostomum bovis; über den Ent- wicklungsgang und die Spezies erwähnt er nichts. Über die Art der Infektion, über die Frage, ob bloß beim Rinde diese Arten parasitieren oder ob dasselbe nur ein Zwischenwirt ist, wissen wir nichts. Seh. hat besonders das anatomische Bild ergänzt und die Knötchen bakteriologisch untersucht. Oesophagostomen- larven kommen in der Darmwand des europäischen Rindes wahr- scheinlich nicht vor. Die Knötchen des amerikanischen Rinder- darmes werden durch zwei verschiedene Nematoden verursacht, durch das Oesophagostomum Curtice und das von Seh. zuerst

93

gefundene Ankylostomum Ströse. Die bakteriologische Unter- suchung der Knötchen ergab das Vorkommen von Staphylokokken in allen untersuchten Fällen; in zwei Fällen waren oedem- bazillenähnliche Bakterien und Kolibakterien nachzuweisen. Die Staphylokokken verflüssigten die Gelatine nach 4—8 Tagen. Die verschiedenen gefundenen Stämme erwiesen sich verschieden virulent; denn einige riefen bei Tieren Abszesse hervor, andere nicht.

Prettner fPragJ,

Langer, J., Zur Frage der Bildung spezifischer Antikörper im Organismus von Bandwurmwirten.

(Münch. med. Wochenschr., 62. Jahrg., 1905, S. 1665—1667.)

Angeregt durch die Arbeit von Isaak u. van der Velden, die im Blutserum eines Bothriocephaluswirtes spezifische, in Bothrio- cephalusextrakt Niederschläge erzeugende Antikörper nachwiesen, stellte Verf. Untersuchungen darüber an, ob auch durch Taeuia solium und saginata eine Präzipitinbildung im Wirts- organismus hervorgerufen wird. Das Ergebnis der Unter- suchungen war negativ. Auch beim Hunde mit Taenia cucu- merina wurden keine präzipitierenden Eigenschaften des Serums beobachtet. Femer ließ sich durch Bandwurmimmunserum, das durch künstliche Immunisierung von Kaninchen mit Bandwurm- extrakt gewonnen wurde, kein Übergang von Bandwurmeiweiß in das Blut des Wirtes (Mensch, Hund) nachweisen. Verf. stellte endlich fest, daß Bandwurmimmunserum „nicht nur Eiweißlösungen des homologen Parasiten, sondern auch von anderen nahestehendea Parasiten stammende präzipitiert." Jl

Hygiene im engeren Sinne.

HoldefleU, P., Ein Vergiftungsfall mit einem Ackerunkraut, Erysimum crepidifolium Rchb., grundfestblättriger Schotendotter.

(Deutsche landwirtschaftl. Presse, 32. Jahrg., 1905, S. 499—500.)

Zopf hatte die Giftigkeit von Erysimum crepidifolium bereits im Jahre 1894 durch Versuche an Gänsen festgestellt. H. be- schreibt einen Fall, bei dem auf einem Gute der Provinz Sachsen 4 Kühe und 1 Bulle nach der Aufnahme von E. er. starben, während die übrigen Tiere noch längere Zeit erheblich in ihrer Gesundheit gestört waren. Das Krankheitsbild war ähnlich, wie

94

es Zopf bei der Vergiftung von Gänsen beschrieben hat, es bestand nämlich in Lähmungen der Extremitäten und Krampf- erscheinungen am Kopfe und Halse. Zur näheren Kenntnis der Pflanze verweist Verfasser auf die Beschreibung von Garcke in der „Flora von Deutschland". Knuth (Berlin),

Hillkowitz, 6. u. Neubauer, H., Mondbohne, eine giftige Bohnenart. (Phaseolus lunatus L.)

(Dentsche landwirtschaftl. Presse, 32. Jahrg., 1905, S. 638.)

Verff. untersuchten eine Probe Bohnensamen, welche ihnen aus der Gegend von Aachen mit dem Bemerken zugesandt worden war, daß mehrere Schweine wenige Stunden nach der Verabreichung der Bohnen unter Krämpfen verendet seien. Bei näherer Unter- suchung ergab sich, daß im Destillat von 1 kg lufttrockener Bohnen 0,07 g Blausäure enthalten war, wenn die zerkleinerten Bohnen mit heißem Wasser angerührt und sofort der Destillation unter- worfen wurden, dagegen 1,15 g Blausäure, wenn die mit kaltem Wasser angerührten Bohnen längere Zeit vor der Destillation ge- standen hatten. Verff. schlössen daraus, daß die Blausäure in den Bohnen nicht als freies Cyanid, sondern in festerer Bindung, wahrscheinlich als ein Glukosid, vorhanden war.

Die fraglichen Bohnen stammten aus Niederländisch-Indien. Dort ist auch schon von Treub in Blättern von Phaseolus lunatus L. Blausäure nachgewiesen worden. Mit dieser „Mondbohne-' sind die untersuchten sicherlich identisch. Die Samen sind denen unserer Feuerbohne (Phaseolus multiflorus Willd.) ähnlich und in Form und Aussehen übereinstimmend mit der von Harz in seiner „Landwirtschaftlichen Samenkunde" for Phaseolus lunatus L. ge- gebenen Beschreibung. Knuth (Berlin),

Untersuchungsmethoden.

Bnerger, L., Eine neue Methode zur Kapselfärbung der Bakterien; zugleich ein Beitrag zur Morphologie und Differenzierung einiger eingekapselter Orga- nismen.

(Zentralbl. f. Bakt. etc., Bd. 39, 1905, S. 216—224 n. 336—352.)

Zum Nachweis schwierig darstellbarer Bakterienkapseln, z. B. von Pneumokokkus, Streptokokkus mucosus und Bazillus mucosus,

95 -

bediente sich B. folgenden Verfahrens: Man mischt auf einem voll- kommen reinen Deckglas etwas Kultur mit einem Tropfen Serum, welches mit der gleichen Menge normaler Kochsalzlösung verdünnt ist Zu dem halbtrocknen Ausstrichpräparat wird eine Fixierungs- flüssigkeit, bestehend aus Kalium bichromat. 2,5 g, Natrium sulfuricum 1,0 g, Wasser 100 ccm mit 5— 7^/q Sublimat, hinzu- gegeben, so daß das Deckgläschen vollkommen damit bedeckt ist. Dann ca. drei Sekunden erwärmen über der Flamme, rasch in fließendem Wasser abspülen, einmal durch 80— 95proz. Alkohol ziehen und eine Minute lang mit einer 7proz. Jodtinktur behandeln. Letztere wird mehrere Male mit Alkohol abgespült, bis der Alkohol klar bleibt. Dann wird das Präparat an der Luft getrocknet und 3 Sekunden lang in einer frischen Anilinwasser-Gentianaviolett- lösung (10 Anilinöl, 100 Wasser, 5 ccm gesättigte alkoholische Gentianaviolettlösung) gefUrbt. Hierauf wird es in eine zwei- proz. wässerige Kochsalzlösung eingeschlossen. OraheH (Berlin),

Spengler, C, Die Sengzüchtung der Tuberkelbazillen aus Sputum.

(Zeitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 52, 1905, S. 339—340.)

Eine äußerst einfache Methode zur Gewinnung von Tuberkel- bazillen aus Sputum ist die „Sengzüchtung" des Verf. Ein klein haselnußgroßes Sputumstück wird auf starker Öse aufgewickelt und dann der Gasflamme genähert oder direkt in sie hineingeführt, und zwar unter rotierenden Bewegungen der Öse. Die Hitze bräunt und faltet die Oberfläche und bläht das in die Flamme hineingehaltene Sputum sphäroid auf. Nach zwei- bis dreimaliger kurzer Aufblähung des Ballens und nach leichter Oberflächenbräunung und Fältelung i^t die Partialsterilisierung beendet. Der Ballen wird im Kultur- röhrchen gesprengt und ausgebreitet. Das Wachstum tritt ein, wenn die Sengung einen gewissen Grad nicht überschritten hat. Tuberkel- bazillen, welche nur etwas zu stark erwärmt wurden, erholen sich langsam wieder und wachsen dann normal weiter. Bugge (Kid),

Galli-Yalerio, Über ein Färbeverfahren für Actinomyces bovis.

(Zentralbl. f. Bakt. etc., Bd. 39, 1905.)

Das von Lemifere und Becue zuerst empfohlene und von 6.-V. abgeänderte Verfahren ist folgendes: Der Aktinomyzeseiter wird auf einem Objektträger oder Deckgläschen ausgebreitet und

96

leicht über der Flamme getrocknet. Darauf läßt man einen Tropfen Äther einige Sekunden auf das Präparat einwirken und ebenfalls einige Sekunden eine 10 20proz. Lösung von Kalium causticum. Dann wäscht man längere Zeit mit Wasser aus und färbt 10 bis 15 Minuten mit einer 5 proz. wässerigen Eisenlösung. Hierauf wäscht man in einer konzentrierten Lösung von Natrium aceti- cum, bis man eine schwache Eosafarbung erhält. Das Natriumazetat wird durch Waschen mit Wasser entfernt. Sodann trocknet man über der Flamme und gibt einen Tropfen in Xylol gelösten Eanadabalsams darauf. Man erhält so die Fäden und Keulen sehr gut rosarot gefärbt auf ungefärbtem oder schwach rötlichem Untergrunde. Der- artig hergestellte Präparate halten sich jahrelang.

Grabert (Berlin),

Spengler, C, Zur Formaldehyd-Abtötung und -Züchtung der Tuberkel- und anderer säurefester Bazillen.

(Zeitschr. f. Hygriene n. Infektionskrankh., Bd. 52, 1905, S 335—339.)

Verf. isolierte aus tuberkulösem Sputum und Material Tuberkel- bazillen und andere säurefeste Bazillen, indem er dasselbe V2 Stunde bei 20^ C in einer Petrischale Formalindämpfen aussetzte, und dann das Material auf geeignete Nährböden ausstrich. Auf der Innenseite des Deckels der Petrischale brachte er 10 Tropfen (= 0,5 g Formalin) an und setzte den Deckel auf den unteren Teil der Petri- schale. Selbst nach 48 stündiger Einwirkung der Formalindämpfe auf derartiges Material entwickelten sich auf den Nährböden Tuberkel- bazillen, wohingegen bei den Versuchstieren keine Erkrankung an Tuberkulose eintrat. Verf. fuhrt das Gesundbleiben der Meer- schweinchendarauf zurück, daß in der durch Kollodium abgeschlossenen Hauttasche das Formalin durch die Körperwärme aktiviert wird. Künstlich konnte er diese Wirkung des Formalins erzeugen, indem er die KultuiTöhrchen mit Watte verschloß und gleichzeitig mit Gummikappe versah. Dann konnte das Formalin nicht entweichen und wirkte nach. Ließ er in Kontrollröhrchen die Kappen weg, so trat Wachstum ein. Bugge (Kid),

'i:/yjir(/t /urlh/kktüß/iskmTMeitm etc. der Haustiere J,i

Ostertag a Bug^e. Maulseucheähnliche Erkrankung des Rindes

'-"^T/'a

puu

LttkAnsLvCLKeüerlkrlinS

Originalarbeite

Ober die praktische Bedeutung der Komplementbindung.

Von Prof. Dr. A. Wassennum

in Berlin.

Vor einiger Zeit haben Bordet, Gengou, Moreschi und Gay beobachtet, daß beim Zusammentreffen von Serumeiweiß mit präzipitierendem Serum, also beim Eintritt eines Präzipitates und gleichzeitiger Gegenwart von Komplement das letztere verschwindet, d. h. gebunden wird. Das Verschwinden des Komplements kann man dadurch nachweisen, daß man nachträglich ein inaktiviertes hämolytisches Serum nebst den dazu gehörigen roten Blutkörperchen hinzufflgt und nun sieht, daß keine Hämolyse eintritt, einfach deshalb, weil das zur Hämolyse nötige Komplement vorher bei dem Präzi- pitierungsvorgange gebunden worden war. Die Tatsache als solche ist leicht zu bemerken, dagegen gehen über die Deutung derselben die Meinungen auseinander. Während Moreschi und in einer späteren Arbeit K. Pfeiffer und Moreschi annehmen, daß es sich dabei um mehr mechanische Verhältnisse handelt, indem der eintretende Niederschlag das Komplement mit niederreiße, stehen Bordet, Gengou und Gay, sowie Neißer und Sachs auf dem Standpunkte, daß es sich hierbei nicht um mechanische Dinge handle. Vielmehr bilden sich nach der Ansicht dieser Autoren beim Vorbehandeln eines Tieres mit Eiweiß neben den präzipi- tierenden Substanzen für dieses Eiweiß auch Ambozeptoren. Es sei also das' Verschwinden des Komplementes bei dem obigen Ver- sach nicht eine mechanische Erscheinung, sondern das Komplement werde an die in dem Serum enthaltenen, auf die betreffende Eiweiß- art abgestimmten Ambozeptoren gebunden. Ich bin auf Grund von Versuchen, die ich in Gemeinschaft mit Brück*) ausgeführt habe,

*) Mediz. Klinik 1905.

Zeitachrlft fQr Infektionnkrankbeiten. I, 2/3. 7

98

za der Ansicht gekommen, daß sicherlich das Eintreten des Niederschlages, also das mechanische Moment nicht die einzige Ursache des Verschwindens des Komplementes sein kann, sondern daß es sich dabei znm Teil mit nm die Tätigkeit von Ambozeptoren handelt Ich will indessen an dieser Stelle weniger auf diese theoretische Seite der Frage eingehen, sondern mehr auf die praktisch wichtige Folgerung, die Neißer nnd Sachs, sowie ich nnd Brück ans diesem Phänomen gezogen haben, hier auf- merksam machen.

Neißer nnd Sachs benutzten nämlich zuerst diese Komplement- ablenkung, um eine neue Methode der forensischen Eiweiß- differenzierung auf Grund derselben vorzuschlagen. Es durfte ja den Lesern bekafmt sein, daß ich vor etwa sechs Jahren die An- wendung der Eiweiß präzipitierenden Sera als Methode zur Be- stimmung der Herkunft einer Eiweißart vorgeschlagen habe. Diese Methode wurde alsdann von Uhlenhuth, von mir und Schätze ftir die forensische Differenzierung von Blutflecken, von Jeß und Uhlenhuth ftir die Bestinunung der Herkunft gewisser Fleisch- arten angewandt. Bei der Anwendung der Präzipitine ftir diesen Zweck richten wir uns nach dem Eintritt eines sichtbaren Nieder- schlages. Wenn beispielsweise ein zu untersuchender Blutflecken unter Beobachtung gewisser Kontrollen mit dem Serum eines gegen Menscheneiweiß vorbehandelten Kaninchens deutlichen Niederschlag ergibt, so ist das ein Beweis, daß der Blutfleck vom Menschen herrührt. Auf die gleiche Weise können wir die Herkunft des Eiweißes der verschiedensten Tierarten bestimmen. Auch die neue Methode von Neißer und Sachs beruht auf der Tatsache, daß das Serum eines Kaninchens, das wir mit der Eiweißart einer bestinmiten Tierart vorbehandeln, Antikörper nur gegen diesesEiweiß bildet. Trifft nun in einer Mischung dieses Kaninchenserum mit der betreffenden Eiweißart zusammen und ist gleichzeitig Komplement vorhanden, so wird aus den eingangs auseinandergesetzten Gründen das Komplement gebunden, und diese Tatsache kann man durch die nachträgliche Zuführung eines hämolytischen Ambozeptors nebst roten Blutkörperchen sichtbar machen. Es zeigt sich also dann die Anwesenheit des fraglichen Eiweißes dadurch, daß in dem FalJe, in welchem z. B. Serum eines gegen Hundeeiweiß vor- behandelten Kaninchens mit Hundeeiweiß bei Gegenwart von Komplement zusammentrifit, die Hämolyse ausbleibt, weil der

99

hämolytische Ambozeptor infolge vorheriger Bindung des Komple- ments kein Komplement mehr findet. Diese Methode scheint nach den bisherigen Untersuchungen äußerst empfindlich zu sein, und sie durfte sich, soweit ich übersehen kann, ganz besonders eignen, um eventuell einen schärferen Nachweis gewisser minderwertiger Fleischbeimengungen zu gestatten. Man ist in meinem Laboratorium gegenwärtig damit beschäftigt, die Methode nach dieser Richtung hin eventuell auszuarbeiten.

Nun scheint es mir aber praktisch besonders wichtig, daß es mir und Brück gelungen ist, nachzuweisen, daß diese Komplement- bindnng sich nicht auf die Fälle beschränkt, in denen tierische Eiweißlösungen mit ihren zugehörigen Immunseris zusammentreffen, sondern daß dies auch gilt, wenn Lösungen gewisser Bakterien- stoffe mit den betreffenden Immunseris reagieren. Damit haben wir eine neue Methode in Händen, um einerseits geringe Spuren von Immunstoffen, die im Blute erkrankter Tiere kreisen, anderer- seits geringe Mengen von Bakterienstoffen, die sich dortselbst be- finden, nachzuweisen. Es handelt sich hier also um ein neues und nach den bisherigen Versuchen, die ich in Gemeinschaft mit den Herren Brück und Citren ausgeführt habe, um ein sehr empfind- liches serodiagnostisches Verfahren. In der Praxis wird das Verfahren so ausgeübt, daß wir zum Nachweis des Vorhandenseins von Immunstoffen im Serum, z. B. Ambozeptoren, das Serum des betreffenden Tieres mit abgestuften Mengen des betreffenden Bak- terienextraktes versetzen. Nunmehr geben wir Komplement zu (normales Meerschweinchenserum) und lassen eine Stunde zwecks Bindung die Mischung bei 31^ stehen. Ist dies geschehen, so fiigen wir als hämolytischen Ambozeptor inaktiviertes Serum eines Kaninchens, das mit Hammelblutkörperchen vorbehandelt war, nebst Hammelblutkörperchen zu, setzen wieder in den Brutschrank und beobachten nun nach zwei Stunden den Ausgang des Versuches. Ist die Hämolyse ausgeblieben, so ist das der Beweis, daß Komple- ment gebunden wurde und demgemäß unser Bakterienextrakt in dem untersuchten Serum seine spezifischen Gegenstoffe gefunden haben muß. Demzufolge können wir die Diagnose stellen, daß, wenn wir z. B. mit Extrakt von Kotzkulturen gearbeitet haben, in dem Serum des untersuchten Tieres Antikörper gegen Kotz vor- handen sein müssen, d. h. das Tier leidet an Rotz. Natürlich sind, um diesen Schluß ziehen zu können, quantitatives Arbeiten und

100

die Beobachtung bestimmter Kontrollen nötig. Derartige Kontrollen fdnd^ daß erstens das nntersnchte Serum allein zn dem hämo- lytischen System zugesetzt, also ohne Bakterienextrakt, die Hämo- lyse nicht hemmt, zweitens der Bakterienextrakt allein, also ohne das zn untersuchende Serum, den Eintritt der Hämolyse nicht stört, daß drittens das hämolytische System allein die zugesetzte Menge von Blutkörperchen komplett löst, viertens, das Komplement allein, also das normale Meei schweinchenserum, in der angewandten Menge ohne Zusatz von Ambozeptoren die roten Blutkörperchen intakt läßt, und endlich fflnftens normales Serum der gleichen Tier- art, von der das zu untersuchende Serum stammt (in unserem Bei- spiele des Rotzes Pferdeserum), in den angewendeten Verdünnungen keine Komplementbindung zeigt.

Umgekehrt läßt sich nun aber auch, wie schon oben erwähnt, in dem Serum eines Tieres mit dieser Methode das Kreisen kleinster Mengen von Bakterienstoffen nachweisen. In diesem Falle benutzen wir am besten als Gegenreagens das Serum eines Tieres, das wir künstlich möglichst hoch gegen das betreffende infektiöse Agens immunisiert haben. Eventuell könnte auch das Serum eines Tieres benutzt werden, das durch spontanes Überstehen einer Krank- heit große Mengen von spezifischen Immunsubstanzen in sich auf- gestapelt hat, also, um beim Beispiele des Kotzes zu bleiben, müßten in diesem Falle gleichbleibende Mengen des Serums des rotz- verdächtigen Pferdes mit abgestuften Mengen des den Immunkörper gegen Eotzbazillen enthaltenden Serums versetzt werden. Der Ver- such kann auch umgekehrt gemacht werden, indem gleichbleibende Mengen des Immunserums mit abgestuften Mengen des auf Bakterien- substanzen zu prüfenden Serums des verdächtigen Pferdes gemischt werden. Tritt in diesem Falle unter Beobachtung der Kontrollen Hemmung der Hämolyse ein, dann haben wir das Recht, anzunehmen, daß in dem Blute des Pferdes Leibessubstanzen der Rotzbazillen kreisen. Also auch auf diese Weise erscheint es uns nicht aus- geschlossen, daß wir eventuell die Rotzdiagnose stellen können.

Wie wir sehen, eröffnet diese Methode vielseitige neue Aus- blicke in diagnostischer Hinsicht, zumal sie, soweit wir nach unseren bisherigen Aiiieiten übersehen können, lur fast alle Infektions- erreger gilt Ihi-e Spezifizität ist genau so begrenzt wie die bis- herigen serodiagnostischen Methoden, d.h. alle nahestehenden Eiweiß- oder Bakterienarten, die miteinander gemeinschaftliche Rezeptoren

- 101

haben, also, wie wir uns bisher ausdrückten, Gruppenreaktionen geben, geben sie auch hier. Man ist deshalb auch mit dieser Methode nicht imstande, beispielsweise Paratyphus- oder Hogcholera- bazillen von einander zu unterscheiden. Indessen erscheint mir die neue Methode, geringe MengenBakteriensubstanzen inKörperflüssigkeit nachzuweisen, die von mir und Brück zuerst angegeben wurde, dia^ostisch doch so wichtig, daß ich auch gerade an dieser Stelle die Anfinerksamkeit auf dieselbe lenken möchte.

(Aus dem Institut für Hygiene und Bakteriologie an der Universität Strassburg i. E.)

Grundlagen einer biologischen Methode zum Nachweis

des Milzbrandes in der Praxis

(Straßburger Gipsstäbchen -Methode).

Von Dr. Erwin Jacobsthal, „q^ Dr. Fritz Pfersdorff,

ehem. I. AMistenten ehem. tierftrztL Aasiatenten

de« Inatitote.

Einleitung.

Auf Anordnung der Kaiserl. Regierung in Elsaß-Lothringen sind seit Anfang des Jahres 1905 die bisher üblichen Methoden zoin Nachweis des Milzbrandes bei milzbrandverdächtigen Tieren durch eine neue, die Straßburger Gipsstäbchen-Methode, ersetzt und die zu ihrer Durchfiihrung nötigen Mittel bewilligt worden. Die Begrün- dung dieser Methode, die aus gemeinsamen, von uns auf An- regung von Prof. Forster im Jahre 1903 ausgeführten Versuchen erwachsen ist, konnte aus äußeren Gründen bisher nicht erfolgen. Ihre Technik, ihre praktischen Resultate und eine Verbesserung daran sind mit Zustimmung von Prof. Forster neuerdings bereits durch den Nachfolger des einen von uns, Herrn Dr. Marxer, ver- öffentlicht worden. Bei dieser Sachlage können wir jetzt auf die Mitteilung mancher Einzelheiten unserer Versuche verzichten.

I. Fixierung der Aufgabe. Die Sporulatioa des Milzbrandbazlllua auf Gipsblöcken.

Die bisher üblichen Verfahren zum Milzbrandnachweis sind in letzter Zeit übersichtlich von Fischoeder, Bongert und Sobernheim zusammengestellt worden. Unsere Aufgabe war, fär unser Institut eine biolocrische Methode zum Milzbrandnachweis

103

aaszuarbeiten. Dazu wai*en alle Momente heranzuziehen und aus* zunutzen, die es bewirken, daß der Bacillus anthracis im Kampfe mns Dasein nicht unterliegt, andererseits diejenigen Bakterien möglichst hintanzuhalten, die ihn zu schädigen imstande sind. Das Prototyp eines solchen elektiven Verfahrens ist die Züchtung des Vibrio cholerae in Peptonkochsalzlösung nach Koch.

Welches sind nun im Sinne einer biologischen Methode die „Stärken", welches die „Schwächen" des Bac. anthracis?

Das unzweifelhaft hervorragendste Kampfmittel für ihn ist ersichtlich die Fähigkeit der Sporenbildung, zweitens seine Infektiosität für Tiere. In dem Augenblick, da es das einzelne Bakterienindividuum zur Sporulation gebracht hat, ist es mit einem Schlage im Vorteil gegenüber unzähligen anderen Mikroorganismen, mid zwar nach zwei Richtungen.

Die Spore besitzt einmal eine „potentielle Energie, d. h. sie kann sich entfalten, wenn es für sie günstig ist. Die Energie der vegetativen Form ist dagegen vorwiegend eine „kinetische"; sie muß leben, und damit ihre Energie verbrauchen. Der zweite Vor- teil der Sporenträger gegenüber anderen Mikroorganismen beruht auf der großen Widerstandsfähigkeit der Sporen gegenüber äußeren Schädigungen. Der natürliche Weg zur Erreichung unseres Zweckes muß danach auf folgende Punkte hinzielen: 1. Schutz der vege- tativen Formen bis zur Ausbildung der Sporen; 2. möglichste Be- schleunigung der Sporulation; 3. tunlichste Schädigung oder Ver- nichtung fremder Formen unter Benutzung der Sporenresistenz.

Welche Momente wirken nun in der Natur schädigend auf die vegetativen Formen des Milzbrandes ein? Als wesentlich fiir uns kommen in Betracht:

1. Stärkere Einwirkung von Licht oder Wärmestrahlung.

2. Mangel an Nährmaterial.

3. Eintrocknung.

4. Chemische Einwirkung von Stoflfwechselprodukten: a) des eigenen Körpers (Autolysine, Autotoxine), b) des Wirts- körpers, c) von bakteriellen Konkurrenten aörober oder an- aörober Natur.

Die schädlichen Einwirkungen des Lichts werden bei den fiblichen Methoden der Einsendung des Materials allein durch die notwendigen Schutzhüllen im allgemeinen vermieden. Eine Aus-

104

nähme wäre später zu erwähnen. Der Mangel an Nährmaterial kommt bei der Kürze der Einsendungszeit meist nicht in Betracht. Die Eintrocknung wirkt im ganzen nur langsam schädigend auf die Milzbrandbakterien (Mo mont, Bongert), so daß einzelne Methoden (Bongert, Hosang, Fischoeder) lieber deren Nachteile in Kauf nehmen, als die Gefahren der unter 4c aufgeführten Schädigungen. Eine ganz geringe Bolle spielen schließlich die Antotoxine des Milz- brandes und eine etwas größere, wenn auch wohl kaum ins Gewicht fallende die Antikörper des befallenen Tieres, sobald das Material erst den Tierkörper verlassen hat.

Die Hauptgefahr erwächst den vegetativen Formen des Milz- brandes aus der Einwirkung der Ana£robier (Fäulnisbakterien) und ihrer Stoflfwechselprodukte. Sie vermögen sowohl im Tierkörper selbst als außerhalb desselben bei dem üblichen Versand des Milz- brandmaterials in Glastuben in kürzester Zeit die Milzbrandbazillen zu schädigen oder gar völlig aufzulösen (Fraenkel, Kostjurin und Krainski, Bongert*).

Es war natürlich, daß auch wir uns bemühten, die Anaeroben auszuschalten; zugleich wollten wir aber durch eine elektive Me- thode dem Bac. anthracis nützen, und zwar nicht erst von dem Momente der Verarbeitung im Institute an. Jeder Praktiker weiß ja, wie lange sie sich durch allerhand Zufälligkeiten hinausschieben

*) Es handelt sich hierbei wohl um eine Art Verdauung der Milzbrand- baziUen. Daß es sich, wie Bongert (1. c. S. 506) annimmt, dabei um Plasmo- lyse- und -ptyse handelt, möchten wir bestreiten. Fischer gibt, (Kapitel S) allerdings in der neueren von Bongert nicht benutzten Auflage ausdrücklich als Typus der nicht plasmolysierbaren Bakterien Bac. anthracis an. Daß autolytische Vorgänge die Milzbrandbakterien zerstören können, konnten wir an der Leber und Milz einer Milzbrandmaus feststellen, die aseptisch entnommen und unter Luftabschluß unter 37" bewahrt, nach fünf bis sechs Tagen die typischen Bilder sich auflösender Milzbrandbazillen (Rosaschatten bei Klett- scher Färbung) zeigten. Allerdings müssen wir zugeben, daß noch andere Kräfte ähnlichen Effekt haben können. Um nämlich festzustellen, ob die hjrpo- thetischen hierbei wirkenden Fermente hitzebeständig seien, erwärmten wir ganz frisches Milzbrandblut unter Vermeidung von Verdampfung zehn Minuten auf 56^. Sofort angefertigte Ausstrichpräparate dieses Blutes zeigten bei fast allen Bakterien dieselben Involutionsformen, und nur ganz vereinzelte intakte Milzbrandstäbchen mit Kapseln waren darstellbar. Ohne eine bestimmte Er- klärung dieser Erscheinung geben zu wollen, möchten wir nur auf die eigen- tümlichen morphologischen Veränderungen hinweisen (lange Aaswüchse etc.), die die Erj'throzyten bei gleicher Behandlung erleiden.

105

kann. Die eigentliche Zfichtang mußte vielmehr in dem Augenblick beginnen, in dem der Tierarzt draußen seine Sektion gemacht hat, und sie mußte dann, wie sich aus dem bisher gesagten ergibt, darauf angelegt sein, möglichst schnell eine Sporulation zu erzeugen.

Für die Züchtung des Milzbrandbazillus ist bisher die Eigen- schaft der Sporenbildung (außer vielleicht von 01t) kaum heran- gezogen worden; das nimmt nicht wunder, denn es muß zunächst wenig vorteilhaft erscheinen, sie zu benutzen.

Weil hat unter Prof. Forsters Leitung nachgewiesen, daß die Sporenbildung bei 31—36^ nach etwa 16 Stunden, bei 24^ nach 36 Stunden, bei 18 ^ nach 50 Stunden erfolgt. Diese Zahlen geben, da nicht die mikroskopische immerhin unsichere, sondern die viel feinere biologische Prüfang durch den Erhitzungsversuch angewandt worden ist, den Zeitpunkt an, zu dem überhaupt die aller- ersten Sporen sich zeigen. Die Generalisiernng der Sporenbildung tritt etwas später ein. Es ist also das erste Auftreten der Dauer- formen bei den üblichen Nährböden von der Temperaturhöhe ab- hängig. Nun ist zu erwarten, daß bei einer gemeinsamen Züchtung von wenigen Milzbrandbazillen mit einer verhältnismäßig großen Zahl anderer Bakterien die Milzbrandkeime schon vor ihrer Sporu- lation so geschwächt oder gar vernichtet seien, daß eine Diagnose nun nicht mehr gestellt werden könne. Darum mußte geprüft werden, ob nicht durch eine Modifikation des Zfichtungsverfahrens auch unter diesen Umständen eine Sporenbildung bei den Milz- brandbazillen hervorgerufen, d. h. an Stelle der schwer oder nicht aafBndbaren Bazillen die widerstandsfähigen Sporen gebracht werden könnten. Von Hansen und anderen Gärungsbiologen sind die Be- dmgungen der Sporenbildung für die Hefe aufs genaueste erforscht worden und es hat sich gezeigt, daß hier der Termin der Sporen- bildung, ja diese überhaupt in regelmäßigster Weise von zwei Faktoren abhängig ist, vom Nährboden und der Temperatur. Engel hat als erster die Sporulation der Hefe durch Züchtung auf Oipsblöcken bedeutend zu beschleunigen vermocht, und darauf sind die modernen Verfahren zur Diagnose verschiedener Heferassen aufgebaut. Wir prüften nun auf Veranlassung von Prof. Forster, ob die Sporenbildung desBac. anthracis bei dessen Züchtung auf der Gipsoberfläche nicht ebenfalls begünstigt werden könnte. Diese Erwartung wurde erfüllt.

106 TabeUe L

•Sporen- prüfimg

nach Stunden

G.B.

60

G.W. 160

G.B.

160

G.B.

240

G.W.

370

G.B. 870

S.B.

370

6

8 10 12

+

++

+++

1 1 1

+

+++ +++ +++

1 1 1 1 1 1

14 16 18 20 22 24 26 40 ß2

1 1 1 1 1 1

1 i 1

+

-H-

+

-H-

+++ 1 1 1

1 11

Das Zeichen 1

T) Tt

+

Tf V

1 1 i

n

t 1 1

n »

G. B. 60

» V

G. W 160

n »

S. B. 370

Zeichenerklärung, bedeutet: keine Sporen gebildet; einzelne

reichliche

unzählige

Gips mit Bouillon befeuchtet, bei 60 bebrütet Wasser 16« ,,

, Sand Bouillon 37® ,.

Zu unseren Versuchen wurden etwa 5 mm hohe, kreisrunde Gipsblöcke mit Löffler scher Bouillon befeuchtet, in die vorher etwas Blut von einem Msch gefallenen Milzbrandtier (etwa 0,1 ccm auf 8 ccm Bouillon) gegeben war und in Petri-Schalen bebrütet. AUe zwei Standen wurde ein etwa ein- bis zweilinsengroßes Stück der Gips- oberfläche abgekratzt und durch Erwärmen (10 Minuten auf 65^ resp. 2 Minuten auf 80^) die vegetativen Formen abgetötet Um bequem und sparsam und doch mit Benutzung des gesamten abgekratzten Materials arbeiten zu können, verfuhren wir dabei folgendermaßen:

Das abgekratzte Material wurde unter sorgfältiger Vermeidung der Be- rührung der Glaswand in bei 40o flüssig gehaltenen 27« % Agar gebracht, und zwar enthält das dabei benutzte gewöhnliche Reagensglas nur 2 ccm Agar, damit nach dem Erwärmen im Wasserbad sofort das Röhrchen selbst zur An- fertigung einer Rollplatte dienen konnte.

Für eventuelle genauere Untersuchungen über die Zahl der auf Gips gebildeten Sporen das eben erwähnte Verfahren gibt nur Überblickswerte -

107

möcbten wir folgende Methode vorschlagen. Es werden was für jeden Gipsarbeiter technisch sehr einfach herzustellen ist kleine Gipswörfelchen von 7 mm Kantenlänge benutzt Diese werden trocken sterilisiert, und die eine Fläche genau 2 Sekunden in die bakterienhaltige Bouillon gebalten. 10—12 solcher Blöckchen werden mit der bakterienhaltigen Fläche nach oben in eine Petrischale gegeben, und deren Boden eben mit steriler Bouillon bedeckt, so daß sich die Blöckchen ganz vollsangen können. Da sich auf jeder obert^ten Fläche jedes der Blöckchen am Anfang annähernd gleichviele Bakterien befinden, braucht man für quantitative Versuche nur jedesmal die gesamte oberste Fläche eines der Würfelchen abzukratzen. Hierbei wird es zweckmäßig sein, das Material in ein Blockschälchen zu schaben, das mit flüssigem Agar von 40^ gefüllt ist, im Blockschälchen zu pasteurisieren und darauf den gesamten Agar des Blockschälchens zu einer Platte auszugießen.

Zn unseren damaligen Versuchen haben wir dies qantitative Verfahren noch nicht angewandt. Dagegen haben wir für jede der Sporenprüfungen innerhalb desselben Versuches einen neuen Gips- block genommen, um möglichst genaue Werte zu erhalten. Es hatte sich nämlich herausgestellt, daß die bei dem Herausnehmen der Blöcke aus dem Brutschrank unvermeidliche Abkühlung die Sporenbildung etwas hinauszuschieben vermag. Deswegen wurde auch die benutzte Bouillon immer auf die betreflFende Temperatur vorgewärmt. Es zeigte sich, daß es so gelingt, die für den Be- ginn der Sporenbildung bei 37^ nötige Zeit fast auf die Hälfte herunterzudrücken, nämlich auf 6—8 Stunden! Die Prüfling bei 21—22 ^ ergab eine Sporenbildung nach 22 Stunden, die bei 16^ nach 62 Stunden. Näheres ergibt die aus einer An- zahl von Versuchen zusammengestellte Tabelle I. Im Eisschrank bei 6 ^ konnten wir keine Sporenbildung mehr erzielen, auch nicht nach 4 Wochen.

Woher kommt nun diese Beschleunigung der Sporu- lation? Bei der Analyse einer solchen Erscheinung, wie die Sporen- büdunges ist, wird es zweckmäßig sein, ihre Gründe, Ursachen und Bedingungen zu unterscheiden. Allgemein gesagt, ist der Grund oder Zweck der Sporenbildung die Erhaltung der Art; die vegetativen Formen allein reichen dazu anscheinend nicht aus. Die Ursachen, die man auch vielleicht als auslösende Momente bezeichnen könnte, werden also im allgemeinen solche Schädigungen sein, durch die die Erhaltung der Art gefährdet wird. Zur Sporulation müssen aber auch die Bedingungen gegeben sein, wie z.B. Sauerstoffanwesenheit oder vorherige ausreichende Ernähning des Bakteriums (Behring). Nun läßt sich allerdings diese Trennung

- 108 -

nicht immer streng durchfuhren, und es kann zweifelhaft bleiben, ob irgend eine die Sporulation befördernde Einwirkung als Steigerung der Ursachen oder der Bedingungen anzusehen ist. Das ist nun gerade bei einem der hier einwirkenden Momente der Fall: der stärkeren Aerobiose. Wie weit der Sauerstoff^ womöglich noch in konzentrierterer Form als er in der Luft sich findet, zur direkten Ursache der Sporenbildung werden kann, hofften wir an anderer Stelle demnächst klarlegen zu können. Daß die Sauerstoff*- umspülung auf den Gipsplatten für die Schnelligkeit der Sporen- bildung tatsächlich in Betracht kommt, konnten wir durch folgenden wiederholt angestellten Versuch beweisen: Von zwei Gipsblöckchen wurde das eine in Bouillon gelegt und dann mit frischem, ver- dänntem Milzbrandblut bestrichen, das andere wurde sofort damit bestrichen und dann erst mit Bouillon getränkt. Die Züchtung geschah bei 35^. Sporulation trat bei dem ersten nach acht, bei dem zweiten nach zehn Stunden auf. Dieses Resultat möchten wir durch die wenn auch noch so geringe Verstopfung der Poren des Gipses durch das Blut erklären. Analoges ergibt sich auch aus Soykas weiter unten erwähnten Versuchen.

Die Sauerstofiumspülung kommt aber nicht allein in Betracht. Es ist wohl sicher, daß bei dieser Art der Züchtung die Emähning des einzelnen Bakteriums geringer ist als in gewöhnlicher Kultur. Damit werden die Ursachen zur Sporulation gesteigert. Es war nun von Interesse, zu sehen, wie sich durch stärkere oder geringere Ernährung der Bazillen auf dem Gips die Sporu- lationszeit verändern ließe. Zu diesem Zwecke wurden die Gipsblöckchen wie in den oben angegebenen Versuchen mit frischem Milzbrandblut beschickt, aber anstatt mit Bouillon vorher mit sterilem Leitungswasser befeuchtet. Es zeigte sich, daß so die Sporulation bei 35—37^ regelmäßig um 2—4 Stunden gegenüber der Züchtung mit Bouillon hinausgeschoben wurde (siehe obige Tabelle). Dies Resultat könnte etwas wunderbar erscheinen. Hatte doch Schreiber gezeigt, daß durch Einbringung von Milzbrand- material in destilliertes Wasser eine verhältnismäßig schnelle Sporulation erzeugt wird, was wir bestätigen können. Eine wirklich befriedigende Erklärung für dieses Resultat mit den Wassergips- blöckchen ist sehr schwierig, weil hier mehrere Momente mitein- ander konkurrieren. Es läßt sich nämlich nicht vermeiden, daß mit dem Milzbrandblute Nährmaterial in das zu prüfende Medium

109

kommt. Bei der Anspruchslosigkeit des Milzbrandbazillas bedeuten schon minimale Verschiedenheiten in der Menge des übertragenen Blutes bedeutende Veränderungen der Züchtungsbedingungen. So ist es zwar möglich, die Ernährungsbedingungen durch Eintragen der Bakterien in Wasser herabzusetzen, aber nicht, sie völlig auf- zuheben. Nun hat Behring nachgewiesen, daß es eine Bedingung üir die Sporenbildung ist, daß die Bakterien „die Akme'^ ihres Lebens erreicht haben. Darum kommt es bei der Übertragung der Bakterien in Wasser auch auf die Menge der übertragenen Bakterien an. Nehmen wir einmal die Menge des Wassers und des über- tragenen Blutes als konstant an, und variieren wir nur die Zahl der übertragenen Bakterien. Sind es viele, so kann unter Umständen das vorhandene Nährmaterial für ihre Menge nicht ausreichen, um sie bis zur Äkme zu bringen. Obwohl nun die „Ursachen" zur Sporulation gegeben sind, werden nur vereinzelte, besonders kräftige Individuen, „die Ausnahmezellen", Sporen hervorgebracht haben. Sind aber wenig vegetative Formen übertragen worden, so wird die Ernährung zur Erreichung der Akme ausreichen; sowie dann das Material aufgezehrt ist, sind die Ursachen und Bedingungen zu einer verhältnismäßig sehr reichlichen Sporulation vorhanden. Wir möchten deswegen auch auf unsere eignen, in ihren Resultaten etwas stark variierenden Vei-suche der Übertragung frischen Milz- brandmaterials in destilliertes Wasser bei verschiedenen Tempera- turen wenig Gewicht legen. Erwähnenswert erscheint es uns, daß wir bei 18^ schon nach 48—60 Stunden mittelst der biologischen Methode vereinzelte Sporen nachweisen konnten. Einigermaßen einwandfreie Resultate ließen sich u. E. nur dadurch erreichen, daß durch vorheriges Auskochen der Versuchskolben mit Schwefel- säure, mehrfaches Auswaschen mit destilliertem Wasser und Abzentrifugieren des Milzbrandmaterials möglichst die organische Substanz (außer Leukozyten und Blutkörperchenschatten) entfernt würde. Derartige Versuche haben wir nicht gemacht. Wir stellen nur noch einmal fest, daß auf mit Wasser befeuchteten Gips- blöcken die Sporulation schneller als in gewöhnlicher Agar- oderBouillonkultur, langsamer als auf Bouillon-Gipsblöcken erfolgt. Zur Erklärung der letzteren Tatsache sind wir geneigt, anzunehmen, daß die notwendige Erreichung der Akme durch Wasser + übertragenes Blut langsamer erfolgt, als wenn auch Bouillon dabei ist, daß aber nun bei der großen Menge des mitübertragenen

110

organischen Materials die eigentliche sporenbildangsbefördemde, anf eintretendem Emährungsmangel berohende Fähigkeit des Wassers nicht zur Geltung kommt, vielmehr der Hanptanteil für die Sporulationsbeförderung auf Rechnung der größeren Aöro- biose zu setzen ist.

Nachdem wir mit der Sporenzüchtung auf Gips so gute Resul- tate hatten, machten wir mit anderem Material zur Orientierung einige ähnliche Versuche. Wir benutzten hierzu gelegentlich feuchtes Fließpapier und femer sterilisierten, in Petri-Schalen mit Bouillon eben befeuchteten Sand von mittlerer Korngröße und fanden bei 37^ nach 8 Stunden beginnende Sporulation (s. Tabelle I); diese war auch mikroskopisch nach etwa 12 Stunden in den zwischen den Sandkömchen liegenden myzelartigen Gewirren der Milz- brandfäden sehr reichlich zu sehen. Gleiche Beobachtungen hat bereits Soyka, wie wir später fanden, gemacht. Er hat unter gleicher Versuchsanordnung nach 10 Stunden bei 37^ Sporen- bildung festgestellt. Soyka hat bereits auf die Beförderung der Sporulation durch den Boden und ihre Bedeutung für die Hygiene hingewiesen.

Es sei erwähnt, daß wir gelegentlich durch Tränken eben feuchter, sterilisierter Gartenerde mit Milzbrandblut und direkte Insolation durch die Julisonne bereits nach etwa 14 Stunden Sporen in diesem Boden nachweisen konnten.

Die starke Beförderung der Sporulation auf Gipsblöcken ver- anlaßte uns, einmal zu versuchen, ob es nicht gelänge, auf diesem Wege den sogenannten asporogenen Milzbrand wieder sporogen zu machen. Wir benutzten dazu einen Stamm, über den der eine von uns bereits berichtet hat. Er zeichnete sich durch eine starke Virulenz und besonders kräftige Lebensenergie aus. Wir haben nun diesen Stamm durch 15 Generationen hindurch alle 24 Stunden auf Gips weiter verimpft; die Züchtung geschah bei 35—37®. Jedesmal nach 24 Stunden wurden alle Kulturen, und einzelne auch nach 8—14 Tagen auf Sporenbildung untersucht. Niemals wurde Sporulation festgestellt. Das befestigt uns in unserer Auffassung der Asporogenität nicht als einer Degeneration, als was sie bisher von allen Forschem (Lehmann, Behring, Roux, Phisa- lix, Sobernheim) angesehen wurde, sondern als einer Hemmungs- bildung oder eines Atavismus. Wir hoffen diese Auffassung bald noch näher begründen zu können.

111

II. Di» Ausnutzung der erreichten Sporulation fGr den Milzbrandnachweis.

Bekapitnlieren wir noch einmal korz unsere bisherigen Eesnl- tate. 1. Es ist zweckmäßig, für eine biologische Methode Zürn Milzbrandnachweis die Sporenbildung zu fördern. 2. Diese Förderung ist möglich durch Übertragung von Hilzbrandmaterial auf mit Bouillon oder Wasser befeuch- teten Gips.

Nehmen wir nun einmal an, wir seien so weit gekommen, daß wir auf unseren Gipsblöcken eine Mischkultur haben von verein- zelten, nun schon zur Sporulation gebrachten Milzbrandbazillen mit allerhand Bakterien, wie sie im Stall und auf und in dem Kadaver vorkommen. Diejenigen, die hier praktisch in Betracht kommen, lassen sich zwanglos in drei Gruppen einteilen:

1. Sporenbildende Anaörobier, vor allem Fäulnisbakterien; sie kommen bei den so ausgesprochen aeroben Verhältnissen als vegetative Formen auf dem Gips kaum je zur Entwicklung.

2. Nichtsporenerzeugende Aörobier, wie B. coli, pyo- cyaneus, Staphylokokken der verschiedensten Art usw. Sie sind ziemlich reichlich vertreten.

3. Sporenbildende Aärobier. Von ihnen kommen nur in Betracht: Bac. subtilis und seine Verwandten, vor allem die im Erd- boden recht häufigen, an Anthraxbazillen erinnernden Formen (Bac. pseudanthracis, Bac. anthracoides). Sie sind in der Straßburger Dissertation von H. Baas zusammengestellt worden. Wir fassen sie unter dem Namen Futterbazillen zusammen.

Es kommt nun nach unserem Plane darauf an, auf biologischem Wege den Bac. anthracis diesen drei Gruppen gegenüber zu begünstigen. Für die Anaörobier oder ihre Sporen ergibt sich das ohne weiteres: wir haben nur das Material von den Gipsblöcken abzuschaben und davon gewöhnliche Agarplatten anzulegen. Dort kommen sie nicht mehr zur Entwicklung. Die Eliminierung der zweiten Giiippe stößt ebensowenig auf größere Schwierigkeiten. Sie alle erliegen einem Verfahren, das die Milzbrandsporen nicht schädigt, dem Pasteurisieren. Wir erwärmen dazu das abgekratzte Material 5—10 Minuten auf 65^ oder 2 Minuten auf 80^. Diese Einwirkungszeiten haben sich nach Weils Untersuchungen an imserem Institut als die besten ergeben; sie töten sicher alle vegetativen Formen, ohne die zuweilen vorkommenden wärme-

112

empfindlicheren Sporen zu schädigen. Wir selbst fanden bei Erwärmung des Materials auf 80® eine gleiche Zahl von Kolonien, gleichgültig, ob wir zwei, zehn oder fünfzehn Minuten erwärmten. Es ist nun aber auch möglich, den vegetativen Formen des Milz- brandes Vorteile gegenüber den Bakterien der Gruppe 2 zu ver- schaffen; eine Erhitzung des Materials nicht länger als zwei Minuten auf 65® tötet unter Schonung der Milzbrandbazillen die Gruppe des Coli, Proteus und Pyocyaneus, wie jahrelange, zum Teil unveröflfent- lichte Versuche Prof. Forsters und seiner Schüler (van Geuns, E. Meyer) ergeben haben.

Es bliebe nun noch die Abgrenzung des Milzbrandes von der Gruppe der Futterbazillen, die ja in ihrem biologischen Verhalten so außerordentlich viel Ähnlichkeit mit dem Milzbrand- bazillus darbietet. So kann es denn nicht wunder nehmen, wenn die elektive Züchtung des Bac. anthracis auf unseren Gipsplatten auch von diesen Bakterien besonders viele aufkommen ließ. Und in der Tat zeigte sich, daß die anthraxähnlich wachsenden Bak- terien viel häufiger sind, als man nach den Erfahrungen bei dem gewöhnlichen Plattenverfahren annehmen sollte, umso wichtiger eiTSchien hier eine Differenzierung. Betrachten wir die Unterschiede zwischen dem Änthraxbazillus und dieser Gruppe, um sie eventuell auszunutzen, so fallen uns auf: 1. verschiedenes Wachstum auf Agarplatte und Bouillon, Beweglichkeit der Subtilisgruppe; 2. Ver- schiedenheit im tierpathogenen Verhalten.

Was die Verschiedenheit im Wachstum angeht, so ist dies nach unseren Erfahrungen auf Agarplatten nach 24 Stunden deutlich, und wird im Verlauf der nächsten 12 Stunden noch deutlicher. Die anthraxähnlichen Bazillen haben einerseits nicht den eigentüm- lichen Glanz der Milzbrandkolonie, sie sehen hierin fast aus wie die asporogenen Stämme, andererseits ist ihre Wellenlinienzeichnung unregelmäßiger. In den ersten 8—12 Stunden bietet das Aussehen der Kolonie nichts besonders Charakteristisches. Sehr erschwert kann die Diagnose auch dadurch werden, daß durch die große Zahl der Kolonien auf der Platte die einzelne Kolonie sehr klein bleibt. In vielen Fällen nützt hier das Abstechen einzelner Ansiedlungen mit nachfolgender Prüfung auf diifiises Wachstum mit Beweglichkeit in Bouillon. Aber das erfordert stets Mühe und Zeit. Ganz vorteilhaft ist hier sicher der Vorschlag Bongerts, das Material, das man sonst auf die erste Platte allein brachte, auf mehrere

. 113

Platten zu verteilen und so die Kolonien sozusagen auseinander- zuziehen.

Bei diesen Schwierigkeiten sollte man meinen, daß der Tier- versuch ein viel bequemeres und sichereres Mittel zur Diflferential- diagnose wäre. Das ist nun nicht ganz der Fall. Sehen wir ein- mal von den vereinzelt vorkommenden Fällen bisher unerklärter Milzbrandimmunität einzelner Individuen der üblichen Versuchstiere ab, so kommt doch noch etwas anderes in Betracht. Die gleich- zeitige Injektion von B. subtilis und B. anthracis kann nämlich Mäuse vor der tödlichen Infektion mit Milzbrand schützen (Hüppe, Wood). Nun braucht das keineswegs immer der Fall zu sein, und es ist auch häufig, wenn auch nicht immer möglich, selbst bei einem Tier, das auf diese Weise vor dem Milzbrandtode geschützt ist, doch die Diagnose auf Milzbrand zu stellen. Man bedient sich dazu des Verfahrens von Fischoeder, der 4—8 Stunden nach der Impfung, die unter die Rückenhaut geschieht, von dort Material entnimmt und prüft, ob sich an der Impfstelle die durch ihre Kapsel kemitlichen Milzbrandbakterien vermehrt haben.

Es war uns in den meisten Fällen möglich, mit irgend einer dieser Methoden zum Ziel zu kommen; aber es muß zugestanden werden, daß gerade die Unterscheidung der morphologischen Diffe- renzen Erfahrung und Technik erfordert. Es lohnte sich also doch, nach noch bequemeren Verfahren zu suchen.

Sehen wir also, ob die biologischen Verschiedenheiten uns nicht nelleicht noch eine andere Art der Unterscheidung gestatten. Behring hat nachgewiesen, daß der B. anthracis Säure entwickelt; Versuche mit B. subtilis haben uns gezeigt, daß er ein Alkali- bildner ist. Wir haben deswegen versucht, mit 2V2% Agar und einer Spur Traubenzucker und Phenolphtalein einen eben alkali- schen (rosa) Nährboden darzustellen. Da sich aber Differenzen im Wachstum (B. subtilis etc. leicht rot, B. anthracis farblos) erst nach 36—48 Stunden entwickelten, und außerdem einzelne weniger virulente Stämme des Milzbrandbazillus nach Behring nur wenig Säure bilden, so haben wir diese Versuche nicht weiter verfolgt.

Hier kamen* uns nun die von Flügge und auch in unserem Institute z. B. von Hirt (Inaug.-Dissertation Straßburg 1899) u. A. ge- machten Beobachtungen zu Hilfe, daß die genannten Bakterien erst bei höheren Temperaturen gedeihen, während die Milzbrandbazillen noch bei 13® (vgl. Weil) Sporen bilden. Herr Dr. Marxer, der

Zeltiehrlft für Infektionskrankheiten. I. 2/3. 8

114 .

als der Nachfolger des einen von uns dorch Professor Forster beauftragt war, die aus der Praxis einlaufenden Fälle vergleichend mit der Straßburger und den bisher üblichen Methoden zu unter- suchen, hat, als hierbei infolge der Wucherung und Sporenbildung der Futterbazillen bisweilen Störungen im Nachweise der Milzbrand- bazillen eintraten, unter Benutzung der genannten Erfahrungen durch Versuche gezeigt, daß es auf biologischem Wege mög- lich ist, den Milzbrandbazillen vor den Futterbazillen dadurch einen Vorteil zu verschaffen, daß man die Züchtung auf den Gipsblöcken nicht bei 37^, wo leicht eine Überwucherung der Milzbrandkolonien durch die Futterbazillen erfolgt, sondern bei 18—22® vornimmt. Der Vorteil wird dadurch erreicht, daß die Sporenbildung des Futterbazillus bei 22® nur minimal ist, während der Milzbrandbazillus, wenn auch, wie wir gesehen haben, in etwas längerer Zeit als bei 37®, zur vollen Sporulation konunt. Und nun gelingt es, sich der vegetativen Formen dieser Konkurrenten des B. anthracis allerdings nicht ihrer Sporen durch Pasteuri- sieren ebenso zu entledigen, wie wir das oben von der Gruppe des B. coli etc. bereits beschrieben haben. So haben wir das Ziel erreicht: auf den nun von den Gipsblöcken gegossenen Agarplatten wächst der Milzbrand nicht selten fast in Reinkultur.

Wenn wir nun obwohl es meist nicht mehr nötig ist noch ganz sicher gehen wollen, so können wir unsere Reinkulturen durch den Tierversuch als Milzbrand identifizieren. Auch hier gehen wir bei der Gipsmethode mit ihrer schnellen Sporenbildung sicherer als bei anderen. Wie Bongert gezeigt hat, bleibt die Virulenz einmal gebildeter Sporen diesen auch in faulen Flüssig- keiten oder bei sonstigen schädlichen Einwirkungen ein unver- äußerbarer Besitz; empfindlich nach jeder Richtung hin sind nur die vegetativen Formen.

Es handelte sich nun darum, das neue Verfahren auch praktisch zu erproben. Dazu standen uns zunächst nur kleine Versuchstiere zur Verfügung, bei denen ja gerade in den Verhält- nissen der Sporulation manches anders ist als bei größeren. Wir ordneten den Versuch so an, daß gleichzeitig eine Anzahl Meer- schweinchen mit Müzbrand getötet und die Kadaver unter einer Glasglocke bei 22® (um die Fäulnis zu beschleunigen) gehalten wurden. Zu jeder Probe wurde ein neues Tier genommen. Das Resultat, aus dem die Überlegenheit der biologischen Methode her-

115

vorgeht, ist in Tabelle n zusammengestellt. Das Bongertsche Verfahren der Antrocknung bestand damals noch nicht. Da die kulturelle Prüfung sofort nach Eröfihong des Tieres begann, hättß es höchstens bis zum 7.-8. Tag ein positives Resultat ergeben. Es sei bemerkt, daß wir diese Versuche zwar mit den weiter unten beschriebenen Gipsstäbchen, aber mit der damals noch geübten Züchtung bei 37 ^ angestellt haben.

TabeUe IL

2'2

Tierversuch

«H

Mikroskopischer

Bleibt

Flach*

Gewöhnliches

Gipsstab-

n

Befand

daa Tier

oeders Methode

Plattenverfahren

methode

H'O

leben?

6 , Kapseln n. Milz-

Nein

+

Mehrere Kolonien

Sehr zahlreiche

brandschatten

Milzbrandkolonien

Vereinz. Milzbrand-

bakterien

7

Milzbrandscbatten

Ja

+

Vereinzelte Kolonien

Zahlreiche Milz- brandkolonien

8

Zweifelbaft

Ja

+

Negativ

£twa 20 Milz- brandkolonien

9

Negativ

Ja

Negativ

Einige Milzbrand- kolonien

10

Negativ

Ja

Negativ

Negativ

Das erste Mal konnten wir im August 1903 einen Fall aus der Praxis (Kindermilzbrand), bei dem alle anderen Methoden ver- sagten, durch Prüfting mit der Gipsmethode als positiv bezeichnen. Das Material war in total fauligem Zustand in den damals üb- Uchen Glastuben eingesandt worden. Auch dieser Fall wurde noch durch die Züchtung auf Gips bei 37 ^ diagnostiziert.

Noch ein anderer Fall aus der Praxis ist in diesem Zusammen- hang zu erwähnen. Herr Prof. Forst er hatte im Jahre 1903 ein amtliches Gutachten darüber zu erstatten, ob das aus einer ge- wissen Fabrik stammende Roßhaar Milzbrandkeime ent- hielte oder wenigstens zu entscheiden, ob es den bestehenden Vorschriften entgegen nicht desinfiziert sei. Im Auftrage von Professor F erster untersuchten wir die Bouillon, mit der eine Partie des Eoßhaars unter allen Eautelen ausgewaschen war, mit der Gipsstabmethode durch Einsaugenlassen der Bouillon in den Gips. Es besteht hierbei der Vorteil, daß man schon an sich viel mehr Wahrscheinlichkeit hat, in Betracht kommende Keime auf-

8*

116

znfinden, als bei anderen Methoden, wo man durch Enlnahme aas dem Spfllmaterial nur Stichproben machen kann. So aber konnte die ganze Spülflüssigkeit verwendet werden, wobei die Bakterien an der Gipsoberfläche zurückbleiben. Wir fanden nnn damals keine Milzbrandbazillen, aber Futterbazillen (Bac. anthracoides) in größter Zahl, die auf den gewöhnlichen Platten nur ganz vereinzelt aufgegangen waren. Die Prüfung der Resistenz ihrer Sporen ergab, daß sie nach fünf bis sechs Minuten bei 100 ^ alle abgetötet waren. Daraufhin konnte das Gutachten gegeben werden, daß zwar Milz- brandkeime sich nicht gefunden hätten, die Gefahr der Übertragung des Milzbrandes durch das Eoßhaar aus dieser Fabrik aber nicht ausgeschlossen werden könne, da sich darin zahlreich Keime fiLnden, die in ihren Lebenseigenschaften den Milzbrandbakterien ähnlich seien und durch die vorgeschriebenen Desinfektionsmaßregeln un- bedini;t hätten abgetötet sein müssen.

III. Ausarbeitung der Methode fDr die Praxis. Ihre Vorteile. Erfahrungen aus der Praxis.

Es kam, wie schon gesagt, darauf an, die elektive Züchtung der Milzbrandkeime möglichst früh, also vielleicht schon bei der Sektion beginnen zu lassen.

Zunächst konnte es verlockend erscheinen, die mit dem Sand gemachten Erfahrungen für die Praxis zu verwerten. Aber es wird stets schwierig sein, bei der Befeuchtung des Sandes in der Praxis das richtige Maß sicher zu treffen. Bei zu viel Feuchtigkeit entstehen neben der Gefahr der Beschmutzung durch ausfließendes Material anaerobe Verhältnisse in der Tiefe; bei zu wenig trocknet das Material ein. Außerdem erschien es wünschenswert, daß auch im Institut Ausstrichpräparate des eingesandten Materials gemacht werden können, was bei Sand schwierig ist.

Daß für die Praxis die von uns zuei*st nur im Laboratorium angewandten Gipsblöcke in Petri-Schalen ungeeignet waren, war klar. Ganz abgesehen von der Schwierigkeit des Transportes, durften auch dem Einsender draußen keine komplizierten technischen Handgriffe zugemutet werden. Darum haben wir die Gipsblöcke zunächst der Form nach verändert; sie wurden zu sehmalen vier- kantigen Stäbchen, die in etwas starkwandige Reagenzrdhrchen ge- wöhnlicher Grülie hineinpassen (G in der Fig. 1): um ihnen die nötige

117

W"'-

Bruchfestigkeit zu geben, erhielten die Gipsstäbchen innen eine Seele aus zwei Kupferdrähten. Nun kam es darauf an, die richtige Be- feuchtung mit Bouillon zu sichern. Wir kamen auf die Idee, hierzu die Stäbchen bei der Herstellung bereits mit der richtig zusammen- jp ^^ gesetzten Löfflerschen Bouillon zu tränken, sie aber nun nicht feucht Ij^ ^v .

zu lassen, sondern gleichzeitig mit der Sterilisation die Bouillon wieder einzu- trocknen. Wird ein solches Stäbchen nun bis zum Vollsaugen ins Wasser gelegt, so enthält es durch Auflösung der getrockneten Bouillon gleich die zur Züchtung nötige Bouillonmenge. Da es nur auf die Züchtung der Milz- brandbakterien ankommt, kann diese Anfeuchtung mit gewöhnlichem Lei- tungswasser, in dem sie wohl niemals vorkommen, geschehen. Um eine zu starke Eintrocknung der Stäbchen beim Versand zu vermeiden, wurde unten in das Röhrchen ein Stückchen entfettete Watte (W) gegeben, das, stark befeuchtet, die dem Gipsstab etwa fehlende Feuchtigkeit abgibt; zugleich verhindert es das Durch- stoßen des Glases. Wichtig war das gleichzeitige Verhüten der Fäulnis und der Möglichkeit der Beschmutzung

durch etwa aus fließendes Material. ^ 'J^

Das erreichten wir durch einfaches Schließen des Röhrchens mit einem Pfropf unentfetteter Watte (P). Das Ganze wurde noch in eine Blech- hülse und die übliche Holzkapsel mit Schiebeverschluß (H) gebracht; um diese wurde, mit Gummibänd- chen befestigt, eine kurze Gebrauchs-

s

gr-H?

Fig. 1. Gipsstab (G) in einem durch einen Holzklotz (H) geschützten Reagenzgläschen (R) mit unterer Wattceinlage (W) und Watte- pfropf (P). Nach den neuesten Vorachiiften Aber den Versand von infektiOsem Material mit der Post, mufi das ReageuEglAtchen noch von einer Blechhtllle umgeben sein.

118

anweisnng für den Tierarzt mit einem zum Abreißen bestimmten Zettel, der die wichtigsten Notizen für das Laboratorium enthält und dorthin mitgeschickt wird. Diese (durch Marx er bereits ver- öffentlichte) Anweisung wurde auf Grund der Erfahrungen, die im Laufe des Jahres 1904 bei den tierärztlichen Untersuchungen im Hygienischen Institut gemacht wurden, folgendermaßen formuliert:

eebranohsanweiMiiig für die Eintenilaiig von Material zur Untertaobiiiig auf MllzbraiNL

I. Vorbereitung. Das Gipsstäbchen wird ans dem Glase genommen und etwa eine Minut« lang in reines Brunnenwasser gelegt, dann sogleich in das Glas zurückgebracht, so daß durch das abtropfende Wasser die untere, im Glase befindliche Watte befeuchtet wird.

II. Entnahme des Materials.

1. Als Stellen zur Entnahme des Materials sind geeignet die frisch an- zulegenden Schnittflächen:

a) der Halsvene (am meisten vorzuziehen) und anderer oberflächlicher Venen;

b) der Milz;

c) der Blutgerinnsel im Herzen.

Zur Entnahme sind die Stellen zu wählen, an denen keine oder möglichst geringe Fäulnis ist.

2. Die Entnahme des Materials geschieht durch sanftes Abstreichen des Gipsstäbchens an der Schnittfläche; die Blutschicht auf dem Stäbchen muß dünn sein, so daß letzteres nur blaßrot erscheint Ist die Schicht zu dick geraten, so kann sie mit Papier abgewischt werden.

HL Fertigstellung zur Versendung. Das Stäbchen wird in das Glas zurückgebracht und dies mit dem Watte- pfropf geschlossen. Der Pfropf wird so weit hineingeschoben, daß das Stäbchen nicht wackeln kann. Sofortiges Einstecken des Glases in die Holzbüchse und Verschließen, um das Eintrocknen zu verhüten. Der untenstehende Frage- bogen ist genau auszufüllen und mitzusenden.

Abzutrennen und einzusenden:

^\ ^ i ^V *% ■*^ m

Ort und Name des Besitzers:

Probe ^nonunen von

Ffial&is

Bezeichnung des Tieres:

OipaaUb

Dookfflai- aaittrich

bei der Sektion

Datum und Stunde des Todes:

Halsvene

Milz

keine

Datum und Stunde der Sektion:

Milz Herzblut

Leber Herz

gering stark

Einsender:

NB. Zutreffendes ist zu u n t e r-

Bemerkungen:

stre

ichen.

119

Ans der Vorschrift ergibt sich wohl von selbst die Einfach- heit und Sauberkeit des Straßburger Verfahrens für den Tier- arzt. Er braucht nicht erst eine Stunde zu wai*ten, bis das Material eingetrocknet ist (Methode von Bongert). Aber vor allem, sofort nach der Sektion beginnt die elektive Züchtung. Es ist nicht die Gefahr vorhanden, daß ganz vereinzelte, in ihrer Lebensfähigkeit schon geschwächte MUzbrandbazillen, die sich noch entwicklungs- fähig gehalten hätten, wenn sie sofort in fär sie günstige Ver- hältnisse gekommen wären, durch das Eintrocknen zugrunde gehen. Unseres Erachtens sind die Versuche, bei denen die Lebensfähig- keit frischen eingetrockneten Milzbrandmateriales geprüft wird (Moment, Bongert), hier nicht zum Vergleich heranzuziehen. Ein Vergleich mit der Gipsstabmethode wäre lediglich so anzustellen, daß Material, bei dem der Milzbrand eben an der Grenze der Nachweisbarkeit ist, in einem Fall sofort dem Gipsstabverfahren, im andern erst angetrocknet und nach 1 2 Tagen dem Platten- verfahren unterworfen würde.

Ein weiteres Bedenken gegen die mit Eintrocknung arbeitenden Methoden glauben wir darin finden zu müssen, daß der Tierarzt draußen sich leicht verleiten lassen kann, zur Be- förderung des Trocknens die Sonne mit ihren bakterienschädigenden Strahlen oder gar eine zu heiße Herdplatte zu benutzen.

Es könnte nahe liegen, der Gipsstabmethode den Vorwurf zu machen, daß dabei die Bakterien zwar nicht der Austrocknung, aber den Gefahren starker Schwankungen des osmotischen Druckes ausgesetzt würden. Eine wie außerordentlich starke Konzentration unter Umständen an den Grenzflächen eines porösen aufsaugenden Körpers eintreten kann, hat der eine von uns (Jacobsthal) für das Aufsaugen von Immunserum in Fließpapier nachweisen können. Eine solche Konzentration tritt hier nicht ein, weil die aus dem Wattepfropf aufgesaugte Flüssigkeit nicht Bouillon, sondern Wasser ist. Aber angenommen auch, es kämen geringe osmotische Druck- schwankungen zustande, so wüi^den diese eher die plasmolysier- baren Bakterien der Gruppe des Bac. coli, proteus und pyocyaneus, als die für Salze durchgängigen Milzbrandbakterien schädigen.

An der Fischoederschen Methode läßt sich aussetzen, daß wieder Zeit zwischen der Sektion und der eigentlichen Unter- suchung verstreicht, in der eine Schädigung der Milzbrandbazillen möglich ist, wenn auch geringer als bei dem gewöhnlichen Ver-

120

sand in Taben.' Ein Nachteil der ImpAing nnter die Rückenhaut, die ja entschieden eine große Bereicherung der Methodik ist, besteht darin, daß niemals so viel Material wie mit der Gipsstab- methode auf einmal verarbeitet werden kann. Noch sei erwähnt, daß (nach Marxer) in auf Gips aufbewahrtem Material nach mindestens 14 Monaten, in solchem nach Fischoeders Methode bewahrtem zuletzt nach 137 Tagen sich Milzbrandbazillen nach- weisen ließen.

Einen bedeutenden Vorteil der Gipsstabmethode sehen wir schließlich in ihrer großen Unabhängigkeit von der Außen- temperatur. Wir können hier drei Temperaturstufen unterscheiden. Zwischen 0^ und 12^ (für das Elsaß nach Kriegers Angaben Temperaturmittelwert der Monate Dezember bis April) bleibt auf den Gipsstäbchen im ganzen alles wie im Augenblicke der Sektion; zwischen 12^ und 18^ (Mai und Juni) beginnt eine langsame Sporulation der Milzbrandbazillen während des Transportes, jedoch ist sie in der Regel bei Ankunft im Institut noch nicht vollendet. Bei Temperaturen von 18^ bis 22 ^ und darüber, also in den sonst für den Diagnostiker so gefürchteten Monaten Juni bis Oktober, ist bei Ankunft des Materials im Institut das wichtigste an der Kultur, die Sporulation, sozusagen automatisch, bereits erfolgt.

Schließlich sei noch die im Straßburger bakteriologisch- hygienischen Institut für die Behandlung der eingesandten Gipsstäbchen von Prof. Forster gegebene Vorschrift mit- geteilt.

Terfahren mit den eingesandten Gipsst&bchen im Laboratorium.

„1. Von dem Material auf dem Gipsstabe ist ein Ausstrichprftparat fär die mikroskopische Untersuchung anzufertigen.

2. Der Gipsstab wird mit einer sterilisierten Pinzette aus dem Glase ge- nommen und von seiner bestrichenen Fläche Material in ein Röhr- chen mit Löfflerscher Bouillon abgeschabt Nach dem Znrftckbringen des Stabes in das Gipsstabröhrchen wird dieses im Dunkeln ohne die Blcch- hülse bei einer Temperatur aufbewahrt, die zwischen 18—22^ C schwanken, aber keinesfalls 24^ erreichen oder übersteigen darf.

Sollte gegen die A'orschrift das Gipsstabröhrchen in zu trocknem Zu- stande eingesandt werden, so ist die am Boden des Röhrchens befindliche entfettete Watte vor dem Einbringen des Stabes mit ein paar Tropfen Leitungs- wasser zu befeuchten.

3. Das geimpfte Bouillonröhrchen wird, um bei Schonung der Milzbrand- bazillen andere Bakterien, namentlich Coli- und Proteusbakterien abzatöten,

121

zwei Minnten lang in einen Wasserbad von 65^0 gehalten and sofort ge- kühlt Sodann werden Nähragarplatten angelegt und zwar so, daß in ein AgarrOhrchen mit einer Spirale von 20—30 mg Fassungsvermögen und in ein zweites AgarrOhrchen dreimal mit der gleichen Spirale Material von der Bouillon eingeführt wird; von dem zweiten Agarröhrchen wird mit der gleichen Spirale eine dritte Agarplatte als Verdünnung angefertigt.

4. Die auf den Platten aufgekommenen Kolonien werden geprüft:

a) im hängenden Tropfen und gefärbten Präparat,

b) durch Anlegen einer Bouillonkultur und event.

c) durch Tierversuch (subkutane Impfung einer Maus).

Sollten nur wenige verdächtige Kolonien neben vielen anderen aufgekommen sein, so werden die verdächtigen Stellen mit Bouillon beträufelt, verrieben und von der Aufschwemmung ein Tier geimpft. Man nimmt so viel Bouillon, dafi man nach Neigen der Platte etwa Vio ^^^ ^^^ ^^^ Injektionsspritze auf- saugen kann.

5. Werden bei diesem Verfahren keine Milzbrandbazillen ge- funden, so wird von dem inzwischen bei 18—22" aufbewahrten (tipsstabe (nach zwei bis drei Tagen):

a) Bouillon in gleicherweise wie anfUnglich geimpft und behandelt, nur mit dem Unterschiede, daß die Bouillon zehn Minuten lang auf einer Temperatur von 65® gehalten wird.

b) Ein Versuchstier (Maus) subkutan geimpft mit abgeschabtem Materiale, das in wenig Bouillon oder physiologischer Kochsalzlösung verteilt und zwei Minuten lang auf 65** C erwärmt und sofort wieder gekühlt worden war.**

Marx er hat versehentlich bei Mitteilung des von uns am zweckmäßigsten befundenen Verfahrens zur Herstellung der Gips- stäbchen die Imprägnierung mit den Bestandteilen der Bouillon nicht ausdrücklich angegeben; diese ist nicht gleichgültig, wie sich ans Tabelle I ergibt. Wir teilen deswegen die Methode mit einigen Verbesserungen hier ebenfalls mit.

Herstellnng der Glpsstäbcben/)

Man spannt auf ein Brett dünnen Draht, ähnlich wie die Saiten auf einer (*eige, so dafi zwei Drahtfäden nur 2—3 mm von einander entfernt sind, damit (in Gipsstab immer von zwei Drähten durchzogen wird. In dieser Weise kann man mehrere solcher Drahtpaare in geeigneten Zwischenräumen aufspannen. Auf diese Drähte, die nicht auf dem Brette aufliegen dürfen, sondern etwa 1-2 mm davon entfernt sind, wird nun der Gipsbrei gebracht und geformt Am zweckmäßigsten verwendet man Verbandgips. Bevor der Brei vollständig fest wird, werden die Stäbe mit einem Messer der Länge nach geteilt. Die an den Nägeln befestigten und aus dem Gips hervorragenden Drahtpaare werden

*) Die Firma F. u. M. Lautenschläger, Berlin N 24, ist beauftragt, die Gipsstäbchen in Hülse, gebrauchsfertig und mit Gebrauchsanweisung versehen, bennstellen.

122

mit der Schere durchschnitten. £s empfiehlt sich, die Drahtfäden überstehen zu lassen, weil man beim Durchschneiden des Gipses, den man vor diesem Lostrennen fest werden läßt, unregelmäßige Schnittflächen bekommt Die lufttrocken gewordenen Gipsstäbe legt man darauf in sterile Bouillon, bis keine Blasen mehr aufsteigen (etwa 1—2 Minuten). Sie werden nun sogleich in den mit den kleinen Wattepfropfen versehenen Reagenzgläsern während einer Stunde im Autoklaven bei 110—1200 sterilisiert. Der obere Watte- pfropfen muß dem Gipsstäbchen fest anliegen.

Die Überlegenheit der Gipsstabmethode zum Nachweis des Milzbrandes gegenüber anderen Verfahren hatten wir, wie sich aus Kapitel n ergibt, in Laboratoriamsversachen und einem Fall aus der Praxis bereits festgestellt. Marxer hat sie non an einer ganzen Eeihe von Fällen aus der Praxis unter Benutzung seiner Verbesserung unserer Methode durchweg bestätigen können, wie in seiner Arbeit nachzulesen ist. Die Vergleichung mit anderen Methoden wurde ihm dadurch möglich, daß durch einen Eegierungs- erlaß vom Oktober 1903 an seitens der Ereistierärzte das Material gleichzeitig in der bisherigen Form in Tuben, auf Deckgläscben und auf Gipsstäbchen eingesandt werden mußte. In Elsaß- Lothringen ist jetzt, wie erwähnt, lediglich die Gipsstabmethode in Gebrauch.

Eine im Auftrage von Ostertag durch R. Eberle vor- genommene NachpruAing der Gipsstabmethode ergab „in verschiedenen Fällen, in denen die anderen Methoden bereits versagt hatten", ein positives Resultat. Die dort gebrauchte Bezeichnung der „Marxer- schen Methode" ist allerdings nicht richtig. Im Einverständnis mit Professor Forst er schlagen wir für das Verfahren den Namen ,,Strassburger^^ oder yyChipsstäbchen-Methode" für defi Nachweis von MiUbmndbaxillepi im Blute und Geuebssäfien etc. vor.

Utmtr.

H. Baas, Über Bacillus pseudanthracLs. Diss., Strafiburg 190S.

Behring, Zeitschr. f. Hyg. Bd. 6 u.'7, 1889; Dtsch. med. Wochenschr 1889.

Bongert, Zentralbl. f. Baku etc., L Abt. Originale, Bd. 34 u. 35, 1903.

Bachner, Zentralbl. f. Bakt etc, I. Abt., Bd. 7, 1890.

Eberle, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhygiene, 15. Jah^., 1905, Heft 9.

Engel, Th^se de la Facult d. sciences, Paris, 1872.

Fischer. Voriesungen über Bakterien, 2. Aufl., 1908.

Fischoeder, Fortschr. d. Voter.-Hygiene, 1908.

C, Fraenkel. Hyg. Rundsch,\u, 1901, No. 13.

van Geuns, Arch. f. Hvsr., Bd. 9, 1SS9.

123

Hirt, Über peptonisierende Milcbbazillen. Diss., Straßburg, 1900.

Hüppe u. Wood, Berl. klin. Wocbenscbr., 1889, S. 3, 4, 7.

Jacobsthal, Konsenriernng agglut. Sera. Arch. f. Hyg., Bd. 48, 1904.

Koch, Mitteilungen a. d. Kaiserl. ReiebBgesandheitsamt, Bd. 1, S. 40.

Eostjurin u. Krainsky, Zentralbl. f. Bakt., Bd. 10.

Krieger, Topographie von Straßburg, 1890.

Lehmann, Müncb. med. Wocbenscbr., 1887, Nr. 26.

Marxer, Erfahr, a. d. Praxis mit einer neuen Metb. z. Nachw. v. Milzbrand- bazillen. Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhygiene, Bd. 15, Heft 5.

Momont, Ann. de Tlnst. Pasteur, 1892.

01t, Deutsche Tierärztl. Wocbenscbr., 1899.

Pfersdorff, Stoffwechselprod. d. Mbrbz., Zeitschr. f. Tiermed, Bd. 8, 1904.

Phi Salix, Compt. rend. de TAcad. des sciences, Bd. 131.

Roux, Ann. de Flnst. Pasteur, Bd. 6, 1890; Compt. rend. de TAcad. des sciences, 1883.

Schreiber, Zentralbl. f. Bakt, I. Abt., Bd. 20, 1896.

Slnpski, Zentralbl. f. Bakt, I. Abt, Originale, Bd. 30, 1901.

Sobernheim, Art. „Milzbrand'^ in Handb. d. path. Mikroorgan., Bd. 11, 1903.

Soyka, Fortschr. d. Med., Bd. 4, 1886.

Weil, R., Zur Biol. d. Mbrbac. Arch. f. Hyg., 1899.

Abtötung der Erreger des Milzbrandes durch Wärme.

Von Dr. W. Pfeiler

in Neapel.

Bei meinen im Sommer 1904 angestellten Untersuchungen über die Abtötung pathogener Mikroorganismen durch die Wärme ge- packten Düngers bot sich mir Gelegenheit, das Verhalten der Erreger des Milzbrandes höheren Temperaturen gegenüber zu prüfen. Die sehr wechselnden Resultate veranlaßten mich, der Frage der Vernichtung: von Milzbrandbazillen und -sporen durch Wärme näherzutreten. Ich bin dabei zu Ergebnissen gekommen, die der gewöhnlichen Auflfassunp: von der Widerstandsfilhigkeit der Milzbranderreger entgegenstehen.

Nach Toussaint^) wird der Erreger des Milzbrandes durch zehn Minuten währendes Erw^ärmen auf 55 ^ abgeschwächt. Das- selbe erreichten Pasteur, Chamberland und Roux^), Koch, (xaffky und Löffler»), wenn sie 42— 45^ längere Zeit einwirken ließen. Nach Smirnow^) genügt eine über 35 Tage anhaltende p]in Wirkung von 50 ^ zur Abtötung von Milzbrandbazillen. Momont«^) brauchte zur Abtötung derselben im frischen Milzbrandblut ein ein- stündiges Erhitzen auf 50— 55^. Sporenfreie Bouillonkulturen werden nach Weil 6) durch Erwärmen auf iio^ in 572 Minuten, bei 75^ in drei Minuten vernichtet. Diesen Zahlen, die die geringere Resistenz der Milzbrandbazillen beweisen, stehen diejenigen gegenüber, bei denen es sich um die Tötung von Milzbrandsporen handelt. Koch und WolffhügeF) fanden, daß Milzbrandsporen bei Einwdrkuno: heißer Luft von 140^ erst in drei Stunden, bei Wasserdampf von 950 in zehn Minuten starben. Da die von mir erhaltenen Ergeb- nisse für die Beurteilung der Widerstandsfähigkeit von Milzbrand- bazillen und -sporen gegen Wärme von Interesse sein dürften, erlaube ich mir, sie im folgenden wiederzugeben.

Für die Aufnahnio der abzutötenden Kulturen wurden Reagenzgläser von 7,8 cm Länge und 1 cm Durchmesser benutzt, die in der Mitte eine Taille hatten. Der blindgeschlossene, unterhalb der Verjüngung befindliche Raum des Reagenzglases wurde zur Hälfte mit Bouillon gefüllt, die Röhren sterilisiert, darauf mit je einer Öse auf Virulenz geprüften Materials aus Milzbrand- agaragarkultur geimpft und auf 24 Stunden in den Brutschrank gestellt. Nachdem die Kulturen auf Reinheit untersucht worden waren, wurden die Impfröhren unterhalb der Taille abgeschmolzen und in Düngerhaufen gebracht, deren Temjieratur ich durch versenkte Thermometer kontrollieren konnte.

125 -

Nach Entnahme der Kulturröhren aus dem Dünger reinigte ich sie mechanisch, desinfizierte sie, sterilisierte das abzubrechende Ende in der Flamme und brach mit steriler Pinzette die Kuppe ab. Aus dem Inhalte der Bohren ^Tirden Agaragarkulturen angelegt, Mäuse geimpft und Ausstriche mit meta- chromatischem Methylenblau angefertigt, die eine schöne Doppelfärbung der Milzbrandfäden ergaben. Die Kapsel war deutlich rosa gefärbt, im Kontrast zu den blauen Stäbchen und der ebenso gefärbten Kontur.

Im ersten Versuche wirkte auf die Erreger des Milzbrandes eine in fünf Tagen von 49 auf 64 ^ steigende und nach weiteren drei Tagen auf 58^ fallende Temperatur ein. Eine Abtötung der Milzbrandkeime gelang nicht, jedoch zeigte sich eine Schwächung der Virulenz der Bazillen, da Impftiere erst nach zwei bis drei Tagen starben. Ähnliche Resultate ergab eine Reihe von Ver- suchen bei entsprechenden Temperaturen. Die Erreger des Milz- brandes zeigten oft Sporenbildung und Involutionsformen; ihr AVachstum auf Agaragar war zuweilen sehr schwach, die geimpften Mäuse starben meist erst gegen Abend des dritten Tages.

Nach diesen Versuchen erschien eine Abtötung der Milzbrand- bakterien in Dünger aussichtslos. Dieselbe gelang mir jedoch, als sich ein Misthaufen bis auf 75 ^ erhitzte und ich in ihn eine Bouillonkultur brachte, die bei der Prüfung auf Reinheit vor dem Versuch Milzbrandkeime in beginnender Sporenbildung hatte erkennen lassen. Auf die Erreger hatte in den ersten vier Tagen eine von 75 auf 70^ und in weiteren vier Tagen auf 63 <> fallende Temperatur ihre Wirkung ausgeübt. Die Impfmäuse blieben am Leben, die Agar- kulturen steril. Die Infektionsfahigkeit des verwendeten Materials A^Tirde durch Prüfling der Kontrollkulturen, die bei Kellertemperatur in Dunkelheit gestanden hatten, erwiesen. Ein gleichzeitig eingeleiteter Versuch mit drei 24 stündigen Bouillonkulturen bestätigte den ersten.

Bei diesen Versuchen hatte es sich um sporulierende Fäden, nicht um freie Milzbrandsporen gehandelt. Um auch deren Resistenz zu prüfen, hatte ich drei mit Schrägagar gefüllte und mit Milz- brand geimpfte kleine Agarröhren 48 Stunden im Brutschrank ge- halten und auf Dauerformen untersucht. Im mikroskopischen Bilde sah man zahlreiche Sporen. Als ich die Röhren, nach sechstägigem Aufenthalte im Dünger bei einer zwischen 76^/2 und 70 ^ schwankenden Wärme, entfernte, war der Kulturbelag des Nährbodens zu einer graugelben, schmierigen und feuchten Masse zusammengelaufen. Die mit der Masse geimpften Agaragarröhren blieben steril und die Impf- mäuse gesund. Im Ausstrich sah man in einer graublauen, amorphen

126

Masse wenige am Rande schwachblau gefärbte Sporen. Nicht anders fiel ein zweiter Versuch aus, der einige Tage später angestellt wurde. Die Kulturen blieben sieben Tage im Dünger. Während dieser Zeit fiel die Temperatur von 74 auf 69 ö. Kontrollversuche zeigten die Viru- lenz der verwendeten Ausgangskulturen. Als ich in zwei späteren Versuchen geringere Temperaturen einwirken ließ, gelang die Ab- tötung des Sporenmaterials nicht mehr; die Maximaltemperator betrug diesmal jedoch auch nur 69 ^ und sank schnell bis auf 55^.

Zur Kontrolle der im Dänger vorgenommenen Abtötungsversuche fährte ich weiterhin einige andere im Laboratorium ohne Benutzmig der Mistwärme aus.

Vier 48 stündige, auf Dauerformen geprüfte Milzbrandagarkultaren wurden in einen auf 76 Vf^ eingesteUten Thermostaten gebracht, dessen Wärme ich in vier Tagen allmählich auf 72® fallen ließ. In den ersten Tagen stellte ich von zwei zu zwei Stunden Ausstriche aus den Kulturen her. Es zeigte sich, daß die Zahl der Sporen ständig abnahm, während eine Unzahl von teilweise in Sporulation begriffenen Fäden das Gesichtsfeld bedeckte. Nach 248tfindigem Aufenthalte im Brutschrank aus den Yersnchsröhren angelegte Agarkulturen gingen an. Von acht nach 48 Stunden geimpften Agarröhren blieben jedoch schon sieben steril. Nach drei Tagen infizierte ich eine Maus mit zwei Ösen des zu einer schmierigen Masse gewordenen Belages der Ausgangskultnren. Die an^iesem Tage, sowie die später geimpften Mäuse starben nicht Mehrfache Wiederholungen dieses Versuches ergaben dasselbe Besultat.

Es gelingt somit, wie aus den vorstehenden Untersuchungen hervorgeht, schon durch verhältnismäßig niedrige Tempe- raturen eine Abtötung der Erreger des Milzbrandes zu erzielen: Eine vier Tage andauernde Einwirkung einer von 76^2 auf 72^ fallenden Wärme reicht aus, um Milz- brandsporen zu vernichten.

Literatur.

1) To US Saint, De Timmunitö poifr le charbon k la suite d'inoculations prä- ventives. Compt. rend. 1880, tome XCI, S. 135.

^ Pasteur, Chamberland et Koux, De Tattönuation des virus et de leur retour ä la virulence. Compt rend., tome XCII, S. 429.

3) Koch, Gaffky und Löffler, Experimentelle Studien über die künstliche Abschwächung der Milzbrandbazillen. Mitteil, aus d. Kaiserl. Gesund- heitsamt 1884, Bd. n, S. 147.

*) Smirnow, Über das Wesen der Abschwächung pathogener Bakterien. Zeitschr. f. Hyg. u. Inf., IV. Bd.

s) Momont, Ann. Pasteur 1892.

6) Weil, Archiv für Hygiene, XXXV, 1899.

7) Koch und Wolffhügel, Mitteil, ans d. Kaiserl. Gesundheitsamt 1881.

Aus dem Hygienisclien Institut der Tieräxztliclieii Hochscliule

zu Berlin.

Über die Immunisierung gegen Milzbrand nach Sobemheim.

Von Dr. A. Stadle,

Assistenten am Institut.

0. Heine hat in Nr. 24 der Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1904 seine Erfahrungen über die auf einem Gute vorgenommenen Milz- brandimpfungen nach Sobernh'eim mitgeteilt und dabei erwähnt, daß der Rest der dort verwandten Impfstoffe im Hygienischen Institut der Tierärztl. Hochschule zu Berlin geprüft worden ist.

Sobernheim nimmt in Nr. 34 dess. Jahrganges der Berliner Tierärztl. Wochenschr. zu einer Entgegnung das Wort und be- zeichnet den Verlauf der Impfling in E. als ein „ganz vereinzelt dastehendes Ereignis", das auf Grund der von ihm alsbald angestellten Präfung auf eine zu hohe Virulenz der Kultur zurückzufahren ge- wesen sei. Es habe sich dabei um einen „vermeidbaren Unfall" gehandelt, und es könne in Zukunft ähnlichen Ereignissen ein für allemal vorgebeugt „und der Kultur in jedem Falle mit größter Genauigkeit der vorgeschriebene Grad der Abschwächung sicher verheben werden". Da aber Sobernheim selbst zugibt, daß er die Ursache des Unglücksfalles in E. „nicht mit voller Sicherheit" aufklären konnte, so dürfte doch die Möglichkeit, daß diese nicht aufgeklärte Ursache gelegentlich wieder einwirkt, nicht ausge- geschlossen sein.

Sobernheim stellt dann weiter das verwandte Milzbrandserum anf Grund der vorgenommenen Prüfung im Laboratorium und der weiteren Verwendung in der Praxis als einwandfrei und vollwertig hin, mißt allein der Kultur die Schuld bei und scheint geneigt, das nach Heines Notiz anders lautende Resultat der Prüfung im hiesigen Hygienischen Institut auf Fehler in der diesseitigen Versuchs- anordnung zurückzufahren.

Eine Mitteilung der Versuchsergebnisse war ursprünglich nicht beabsichtigt. Da aber vor kurzem die in den Jahres- Veterinär-

128

berichten niedergelegten Erfahrungen der beamteten Tierärzte Preußens über die Verfahren von Sobernheim und Pasteur referiert wurden, so mögen auch die hier ausgeführten experimentellen Unter- suchungen als eine kleine Ergänzung der Beobachtungen der Praxis wiedergegeben sein.

Die an das Institut übersandten Serum- und Kulturproben waren Reste in schon eröffneten Flaschen. Es wurde deshalb eine Unter- suchung auf etwaigen Gehalt an fremden Keimen nicht vorgenommen, sondern sogleich eine Virulenzprüfiing der Kultur begonnen.

Drei Kaninchen, im Gewicht von 1300, 1270 und 1550 gr, erhielten am 20. März vormittags 11 Uhr je 0,1 ccm der Original-KaltnrflUssigkeit subkutan unter die Bauchhaut Zwei dieser Tiere waren am 22. März früh morgens tot. also spätestens innerhalb 44 Stunden verendet; der Tod des dritten und schwersten Tieres trat in der Mittagszeit desselben Tages, d. h. vor Ablauf von 52 Stunden nach der Impfung ein.

Gleichzeitig mit diesen erhielten drei Kaninchen subkutan je Vion ^'^^ einer zwanzigstündigen, aus der Originalkultur gewonnenen Agarkultur in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt. Zwei dieser Tiere (1350 bz^'. 1220 g schwer) starben in der Nacht des 1. zum 2. auf die Impfung folgenden Tages, also innerhalb 44 Stunden, das dritte (1355 g) wurde nach 48 Stunden tot aufgefunden. Bei sämtlichen sechs Versuchstieren wurde durch Kulturen aus dem Herzblut Milzbrand als Todesursache festgestellt.

Es sind also die drei Tiere des zweiten Versuches sämtlich innerhalb 48 Stunden und auch von den drei Kaninchen des ersten Versuches zwei in derselben Zeit, das dritte wenige Stunden später der Infektion erlegen, woraus nach den von Sobernheim selbst auf- gestellten Normen geschlossen werden muß, daß die Kultur den für die Impfung erforderlichen Grad der Abschwächung nicht besaß.

Zur Bestimmung des Schutzwertes des Serums wurden sechs Kaninchen verwandt.

Fünf der Tiere, im Gewicht von 1250, 1450, 1200, 1220 und 1070 {?, erhielten 2 bzw. 3, 4, 5 und 6 ccm des fragl. Serums in eine Ohrvene injiziert Diese fünf, sowie das sechste, nicht mit Serum vorbehandelte Tier, erhielten dann etwa Va Stimde später je eine Aufschwemmung von Vioo Öse Milzbrand- kultur subkutan; als Kultur wurde die obengenannte 20 stündige Agarkultur verwandt, die aus der eingesandten Kulturflüssigkeit gezüchtet worden war Der Verlauf des Versuches war folgender: Das KontroUtier starb innerhalb 40 Stunden, die mit 2, 4 und 5 ccm behandelten Serumkaninchen gingen nach 72 88 Stunden ein, die beiden anderen mit 2 und 6 ccm verendeten am Morgen bzw. Nachmittag des sechsten Tages an Milzbrand.

Ein günstiger Einfluß des Serums auf den Verlauf der Infektion trat also ohne Zweifel hervor; es genügte aber in diesem Versuche

129

den an dasselbe zu stellenden Anforderungen nicht; denn wenn auch der Tod der mit Serum vorbehandelten Kaninchen wesentlich später als der des Kontrolltieres erfolgte, so überstand doch keines der Tiere die ImpAing, wie es Sobernheim von einem fiir die prak«- tische Verwendung brauchbaren Serum verlangt.*)

Sobernheim hat nun aber dasselbe Serum geprüft und ist zu einem Resultate gelangt, nach dem dem Serum ein „recht ei^ heblicher und völlig ausreichender'' Grad von Wirksamkeit zuge- sprochen werden muß.**) Meine Versuchsanordnung bei der Serum^ proiung weicht in zwei Punkten von der von Sobernheim vorr geschriebenen ab: ich habe Vioo ^^^ Kultur zur Infektion verwandt, statt wie Sobernheim vorschreibt Viooo' ^^^ ^^^ ^^^^ zweitens nicht eine vollvirulente Kultur verwandt, sondern eine Kultur, die aus den zu Impfzwecken versandten gezüchtet war, welche, wenn auch in ungenügendem Maße, abgeschwächt sein sollte. Durch diese Abweichungen wird aber der verschiedene Ausfall der Serum- prfifimgen nicht erklärt; denn die von mir verwandte, wenn auch nor ungenügend abgeschwächte Kultur hätte eher das Resultat günstiger gestalten müssen, und die höhere Kulturdosis (7ioo ^^^X die meine Kaninchen erhielten, tötet, wie es S. selbst als Ergebnis mehrerer Versuchsreihen wiedergibt, die er außerdem „durch zahl- reiche andere Experimente in klarster Weise bestätigt gefiinden"***) hat, Kaninchen nicht schneller als Viooo Öse, nämlich in 34 bis 42 Stunden. Auch Schub er t^) hat bei seinen Serumprüfungen Vioo Öse genommen und gibt an, daß, wenn nur Viooo Öse ge- nommen wird, die Prüfting wie bei Vioo Öse verläuft. Im übrigen stimmt die von mir beobachtete Versuchsanordnung vollkommen mit der von Sobernheim vorgeschriebenen überein; insbesondere war ich bemüht, kräftige Tiere för die Versuche zu erhalten und stellte auch, um eine möglichst gleichmäßige Dosierung zu erreichen, die Kultnraufschwemmungen mit besonderer Sorgfalt her. Ich finde deshalb ftU* den verschiedenen Ausfall der Prüflingen keine andere Erklärung als die, daß diese Prüfnngsmethode überhaupt keine gleichmäßigen Resultate gewährleistet, sondern daß man bei wieder- holten Prüflingen desselben Serums auf einen verschiedenen Ausfall

•) Deutsche med. Wochenschrift 1904, Nr. 26. ♦♦) Berl. Tierärztl. Woch. 1904, Nr. 34. **♦) Zeitschr. f. Hyg. Bd. 25,. S. 809. t) Schubert, Inaug.-Diss. Giefien 1903.

Z«{tachrift fQr Infektionskrankheiten. I, S;3. ' 9

130

gefaßt sein muß. Eine Durchsicht der auch von Sobernheim zitierten Arbeit von Schubert'*') bestätigt dies: Bei fünf mit dem- selben Serum unter gleichen Bedingungen angestellten Prüfungen •sind in einer Serie sämtliche 4 Serumkaninchen, in einer zweiten 2, in zwei weiteren je 1, in der fönften Serie keines eingegangen.

Es kann demnach bei dem verschiedenen Ausfall der Versuche wohl weder das eine noch das andere Besultat als sicher angesehen werden. Auch erhält das Sobernheimsche Besultat durch die weitere praktische Verwendung dieses Serums keine Stütze. Die „Tatsache, daß genau das gleiche Serum vorher und nachher bei insgesamt ca. 4000 Tieren mit bestem Erfolge zur Anwendung gelangte'^'*''*'), beweist m. E. nichts, da nicht nachgewiesen ist, daß die Binder die vorschriftsmäßig abgeschwächte Kultur nicht auch ohne Serum gut ertragen hätten. Hierzu ein Beispiel aus ver- wandtem Gebiet: Es ist den praktischen Tierärzten ja bekannt, daß bei der BotlaufimpAing die Seruminjektion manchmal unterbleibt nnd nur die Kultur zur Anwendung kommt, ohne daß bisher eine schädliche Wirkung verlautbart wäre. Und daß auch die Binder „eine nicht ganz unerhebliche Besistenz gegenüber der experimen- tellen Milzbrandinfektion besitzen", gibt ja auch Sobernheim zu***), nachdem 4 Kontrollrinder bei seinen experimentellen Versuchen die Impfung, die sie töten sollte, sämtlich überstanden hatten.

Das Ergebnis der Prüfung der Impfstoffe ist also dahin zu- sammenzufassen, daß die verwendete Kultur viel zu virulent ge- wesen ist und daß auch das Serum bei der hier ausgeführten Prüfung vollen Wert nicht hat erkennen lassen, was allerdings auch darin seinen Grund haben kann, daß die vorgeschriebene Prüfung an Kaninchen überhaupt keine sicheren Besultate gibt.

Daß die Mitteilung 0. Heines in Nr. 24 der „Berliner Tier- ärztlichen Wochenschrift" 1904 etwas anders lautete, ist dadurch zu erklären, daß ich zu jener Zeit von Berlin abwesend war und Herr Kollege Heine die Mitteilung über den Ausfall der Prüfung durch einen anderen Herrn erhielt.

Etwa drei Monate später ist noch einmal eine Prüfung frisch bezogenen Serums ausgefiihrt worden, und zwar mit denselben Serummengen und wieder mit ^/^qq Öse Kultur, allerdings diesmal

*) Schubert, 1. c.

**) Berl. Tierärztl. Woch. 1904, Nr. 34. **♦) Bert. klin. Woch. 1902, Nr. 22.

131

einer vollviralenten. Das Resultat fiel jetzt etwas günstiger aas, da das Eontrollkaninchen, das schwächste der sechs ver- wandten Tiere, im Gewicht von 1140 g, innerhalb 42 Standen der Infektion erlag, während von den fiänf Serumtieren vier zwei, drei nnd vier Tage später eingingen und eines, das mit drei ccm geimpfte, am Leben blieb. Die gleichzeitig mit diesem Serum er- haltenen abgeschwächten Kulturen wurden diesmal nicht an Kanin- chen auf ihre Virulenz geprüft, sie wurden nur an Mäuse verimpft. Es erhielten zwei Mäuse je Vio> ^wei je Vioo ^^^ zwei je Viooo ^^™ der Originalkultur subkutan. Von diesen war ein Tier, das ^/^o ccm erhalten hatte, am Morgen des vierten Tages tot, am Morgen des fünften Tages waren drei weitere Tiere eingegangen; zwei Mäuse ™^^ Vioo l^zw. Viooo ccm überstanden die Infektion.

Einige Wochen vorher war schon einmal eine kleine Quantität der Hilzbrandimpfstoffe von der Firma E. Merck ^welche die Her- stellung und den Versand der Sobernheimschen Impfstoffe über- nommen hat, zu einem weiter unten mitgeteilten Immunisierungs- versuch bezogen worden, und es war uns dabei die Mitteilung ge- macht worden, daß, falls etwa Schafe geimpft werden sollten, andere Kulturen verwandt werden müßten. In der von der Firma heraus- gegebenen Gebrauchsanweisung für die Anwendung der Impfstoffe wird dieses ümstandes nicht Erwähnung getan; auch Sobernheim erwähnt sowohl in seinen Publikationen älteren Datums als auch in seinen neuesten Abhandlungen zu diesem Thema, in denen er sowohl die an Rindern als an Pferden und Schafen ausgeführten Impfungen verschiedentlich bespricht, auch die weniger günstigen Er- folge der Impfungen an Schafen berührt und eine auf Grund der Er- fahrungen in der Praxis vorgenommene Herabsetzung der Virulenz nnd Dosis der Kultur angibt, diesen prinzipiellen Unterschied nicht.

Es wurden daher Kulturen zur Impfung von Schafen bezogen, zH'ei Schafe, wie weiter unten mitgeteilt, damit behandelt und auch Mause mit diesen Kulturen infiziert. Es erhielten wieder je zwei Mäuse 0,1, 0,01 und 0,001 ccm subkutan. Von diesen sechs Tieren ist nur eines mit 0,1 ccm vom vierten zum fünften Tage nach der Impfung an Milzbrand eingegangen, die anderen fünf Mäuse blieben am Leben.

Pasteursche Milzbrand -Vaccins, die um dieselbe Zeit vom Laboratorium Pasteur in Stuttgart bezogen wurden, verimpfte ich

9*

- 132

in derselben Dosis nnd in gleicher Weise an Mänse. Von den sechs mit Vaccin I geimpften Versuchstieren starben zwei nach drei, drei nach vier Tagen an Milzbrand, das sechste ist nach acht Tagen eingegangen, ohne daß mir der Nachweis der Milzbrand- bazillen in seinem Blute gelang. Die mit Vaccin n behandelten Mäuse sind auch alle sechs gestorben, die mit ^/^q ccm infizierten im Verlaufe des zweiten und dritten Tages, die beiden, die Vioo ^^ erhalten hatten, am vierten Tage, die zwei, denen die geringsten Dosen eingespritzt worden waren, am fimften und sechsten Tage. Bei der ersten dieser sechs Mäuse blieb die Kultur aus Herzblut steril, bei den weiteren flinf konnte Milzbrand nachgewiesen werden. Bei den mit Vaccin I geimpften Tieren trat die von Sobernheim fOr abgeschwächte Milzbrandkulturen betonte „Unabhängigkeit von der Dosierung" deutlich hervor, da das zuletzt eingegangene Tier, bei dem Milzbrandbazillen nicht nachgewiesen waren, mit der größten Dosis geimpft war und auch das zweite mit der gleichen Menge behandelte Tier später an Milzbrand starb, als die mit 0,01 bzw. 0,001 ccm infizierten Mäuse. Diese Unregelmäßigkeit ließ der Vaccin n bei Mäusen nicht mehr erkennen. Auch die erste der beiden an Mäusen geprüften Sobernheimschen Kulturen ergab bis zu gewissem Grade eine regelmäßige Wirkung; denn die mit 0,1 ccm geimpften Mäuse starben früher als die mit den niederen Dosen behandelten oder wenigstens gleichzeitig mit diesen. Die zur Immunisierung von Schafen erhaltene Kultur stand aber bezüglich der Sicherheit ihrer pathogenen Wirkung auf Mäuse erheblich hinter den genannten drei anderen Kulturen zurück; in denselben Dosen, in denen die erste Sobernheimsche Kultur und auch die beiden Pasteurschen Vaccins die Mehrzahl tötete, vermochte diese zur Immunisierung von Schafen bestimmte Kultur nur eine von sechs Mäusen tödlich zu infizieren. Wenn nun auch von vornherein zugegeben werden soll, daß eine Unsicherheit der Wirkung, dem abgeschwächten Milzbrand charakteristisch ist, so dürfte sich diese Unsicherheit doch wohl nur auf größere Laboratoriumstiere, Meer- schweinchen und Kaninchen, beziehen, und man müßte Mäusen gegenüber eine ziemlich sicher tötende Wirkung selbst bei diesen kleinen Dosen erwarten.

Sehr groß dürfte auch die „Unsicherheit der Wirkung" nie sein, da doch auch R. Koch bei seinen zahlreichen Versuchen mit verschiedenen abgeschwächten Stämmen eine ziemlich gleichmäßige

133

Wirkung erzielt hat, so daß er z. B. in bezug auf einen dieser Stämme, seinen Mänsemilzbrand, sagen konnte: „Das Resultat blieb immer das gleiche: Die Mäuse starben, die Meerschweinchen nichf

um ein sicheres Urteil über diese Kultur zu erlangen, wären ohne Frage noch weitere Versuche ev. auch an Meerschweinchen mid Kaninchen erforderlich gewesen, allein schon der Ausfall dieser einen Prfifnng durfte den Verdacht . auf eine völlig ungenügende Vindenz der Kultur erwecken, der dann durch den Ausfall des gleichzeitigen Lnpfv^ersuchs an zwei Schafen vollauf bestätigt wurde.

Ich bemerke, daß die Impftmgen der Mäuse und Schafe am Tage nach der Ankunft der Kultur stattfanden, und daß diese bis zum Gebrauch im Eisschrank aufbewahrt wurde, daß also ein Verlust der Virulenz infolge unsachgemäßer Behandlung oder anderer äußerer Einflüsse ausgeschlossen ist.

Die verwandten Schafe waren über ein Jahr alte, gesunde, mager gehaltene Tiere. Sie erhielten je 4 ccm Serum in die Snbkntis des einen und je 0,25 ccm Kultur in die des anderen Hinterschenkels. Eine fieberhafte Reaktion war in den nächsten Tagen nicht wahrzunehmen. Die Tiere zeigten nur ein wenig ge- spannten Gang auf den Hinterschenkeln. Vier Wochen nach der Impfung erhielt jedes Tier, nachdem ich mich überzeugt hatte, daß eine interkurrente Erkrankung nicht vorlag, 7io ^^^ einer neun- t&gigen Agarkultur virulenten Milzbrandes (desselben, der zu der zweiten Serumprüfimg verwandt wurde) in 2 ccm Kochsalzlösung subkutan. Diese Kontrollimpfiing geschah am 14. Juni mittags; die Temperaturen der Tiere schwankten vor der Impfimg zwischen 39,2 und 39,3 ^ C, sie betrugen am Abend des Impftages bei Schaf I 39,40, bei Schaf H 39,6 o, am nächsten Morgen 39,8 o und 41,5 o C. Beide Tiere zeigten jetzt entzündliches ödem an der Impfstelle ond schleppten das betreffende Bein nach. Die Temperatur von Schaf I stieg im Laufe des 15. Juni nur auf 40,2 <^ G; am Morgen des 16. Juni war es tot, also innerhalb 42 Stunden der Infektion erlegen. Eine Obduktion wurde nicht vorge- nommen, die Ausstriche aus dem blutigen NasenausfluO und aus Jognlarvenenblut enthielten Milzbrandbazillen; Plattenkulturen mit demselben Material bestätigten den Befimd. Schaf 11, das schon am Morgen des 15. Juni 41,5 ^ C gehabt hatte und auch weiterhin Temperaturen zwischen 40,4—42,2^ C zeigte, wurde am Morgen des 20. Juni tot im Stalle gefunden. Auch hier wurde die Ob-

134

duktion unterlassen; im blutigen Nasenausfluß konnte ich Milzbrand- Stäbchen im Ausstrich nicht mit Sicherheit nachweisen, im Jugularvenenblut waren sie dagegen reichlich zugegen, das Ergebnis der Plattenkulturen stimmte hiermit überein. Daß ich keine Kontrolltiere zur Verfügung hatte, dürfte bei diesem Ausfall des Versuches nicht von Belang sein.

Es sind also beide Schafe, die der Simultanimpfung gegen Milzbrand nach Sobemheim unterxogenworden waren, einer vier Wochen später erfolgten subkutanen Infektion mit ^/^q Ose virulenter Milx- brandkultur binnen 42 Stunden bxw, nach 5—6 Tagen erlegen.

Im Blute der der Probeinfektion unterworfenen Tiere ließen sich bei Schaf I Milzbrandbazillen durch Agarplattenkultur am 15. Juni, dem Tage vor dem Tode, noch nicht nachweisen, obwohl för Platte I große Blutkoagula verwandt wurden. Auch bei Schaf n gelang der auf dieselbe Weise versuchte Nachweis von Milzbrand- keimen im Blute peripherer Venen während der nächsten Tage nicht; erst die am Morgen vor dem Todestage gegossenen Platten wiesen zahlreiche Milzbrandkolonien auf.

Ein gleichzeitig mit einem Kalbe angestellter Versuch verlief etwas günstiger. Das Tier, etwa drei Monate alt, erhielt 5 ccm Serum und 0,4 ccm der zur Impfting för Rinder bestimmten Kultur subkutan. Die Temperatur überstieg in den nächsten Tagen die Notierungen vor der Impfung nur um wenige Zehntelgrade, sonst waren keine Veränderungen an dem Tier zu bemerken. Vom zweiten Tage nach der Impfung an entnahm ich Blutproben aas Ohrvenen, um so ins Blut übergetretene Milzbrandkeime durch Plattenkultur und durch Mäuseimpfhng nachzuweisen; dies ist mir nicht gelungen.

Nach etwa drei Wochen erhielt das Kalb eine ganze 24 stündige Milzbrand -Agarkultur am Halse subkutan appliziert. Das Kalb zeigte in den nächsten Tagen Temperatursteigerungen bis 41,7 ^ C, gestörtes Allgemeinbefinden und handtellergroßes entzündliches Ödem an der Infektionsstelle, erholte sich aber vom vierten Tage ab wieder. Vom zweiten Tage nach der Infektion ab waren fünf Tage lang Milzbrandkeime im Blute nach- weisbar, obwohl das Tier während dieser Zeit schon wieder zu hochnormaler Temperatur zurückgekehrt war. Im Kot und im Harn konnte ich ausgeschiedene lebende Keime durch Verimpfen von Kotpartikelchen oder durch Anlage von

135

Plattenknlturen aus dem Bodensatz des zentrifugierten Harns nicht nachweisen.

Nachdem das Kalb diese Impfnng vollkommen überwunden hatte, wurde noch eine Infektion vom Verdaunngskanal aus versucht. Das Kalb bekam täglich einen 1 1^/^ cm langen Seidenfaden, der mit einer Milzbrandsporen-Aufschwemmung durchtränkt und dann getrocknet war, in Brot oder gekochte Kartoflfeln gepackt, zu fressen. Vom vierten Tage ab bekam ein Eontrollkalb einen gleichen Sporen- faden pro Tag in gleicher Weise verabreicht. Vom fiinften bis zehnten Tage haben beide Kälber täglich je zwei, vom elften bis fünfzehnten Tage ab je drei mit Sporen behaftete Seidenfäden mit dem Futter aufgenommen. Keines dieser beiden Tiere, weder das immunisierte noch das unvorbehandelte, hat bei der 15 Tage dauernden Fütterung mit Milzbrandsporen eine Milzbrandinfektion en^orben. Die Sporen besaßen volle Virulenz; denn sie stammten von den oben erwähnten, der Infektion erlegenen Schafen, und je ein Seidenfaden tötete beim Beginn und auch beim Schluß des Milzbrandversuches ein Kaninchen innerhalb 48 Stunden. Der Versuch beweist wieder einmal, wie sehr das Zustandekommen einer Milz- brandinfektion bei Fütterung mit kleinen Mengen von Milzbrand- sporen vom Zufall abhängig ist und daß vermutlich nur ein kleiner Teil der Rinder, die Milzbrandsporen auf der Weide oder dgl. mit dem Futter aufnehmen, wirklich an Milzbrand erkrankt.

Daß das Versuchskalb gegen Fütterungsmilzbrand immun ge- worden ist, ist also nicht erwiesen, da auch das KontroUkalb, ein zwar wesentlich älteres, aber in sehr schlechter Kondition be- findliches Tier, dieselbe Sporenfntterung überstanden hat. Gegen Impfinilzbrand hatte das Versuchskalb aber anscheinend (ein Kon- trolltier stand bei der Probeinfektion leider nicht zur Verfiigung) eine Immunität von genügend hohem Grade erworben. Hierzu ist aber zu bemerken, daß es auch bei nicht vorbehandelten Kälbern vorkommt, daß sie eine virulente Milzbrandagarkultur von der Unterhaut aus vertragen, wie wir bei künstlichen Infektionen von Kälbern für Kursuszwecke wiederholt festgestellt haben.

Weitere Versuche konnten nicht angestellt werden, da hierfür Mittel nicht zur Verfügung standen. Die wenigen Versuche zeigten im Verein mit den Vorfallen zu E., daß es bisher nicht immer gelungen ist, die von Sobernheim noch in seiner jüngsten Publi- kation betonte, „möglichst gleichmäßige und konstante Wirksamkeit"

13G

der Kultur sicher zu stellen und daß der Vorfall in £. nicht „ein ungewöhnliches, ganz vereinzelt dastehendes Ereignis^' darstellt, sondern daß Ausnahmen auch nach der entgegengesetzten Richtung vorkommen.

Ungefähr um dieselbe Zeit, als ich die geschilderten Ver- suche ausfährte, wurde dem Hygienischen Institut auch noch ein Fall aus der Praxis bekannt, dadurch, daß sich ein Besitzer (v. P. in S.) Rat erbittend, an das Institut wandte. Er hatte seine Schaf- herde nach Sobernheim tierärztlich impfen lassen; die Todesfalle an Milzbrand waren zwar in den nächsten Monaten geringer, hörten aber nicht auf. Er ließ noch einmal mit Sobernheimschen Impf- stoffen die ganze Herde impfen; auch jetzt kamen in den nächsten Wochen noch Todesfälle vor, die zum Teil im hiesigen Institut als Milzbrand bestätigt wurden. Der Besitzer hat dann noch, vier bis fünf Monate nach der ersten Impfung, zum drittenmal impfen lassen, diesmal nachPasteur; seitdem hat, wie er ein Jahr später schreibt, der Milzbrand gänzlich aufgehört. Ein Mißerfolg ähn- licher Art bei Impfungen von Rindern nach Sobernheim ist in jüngster Zeit auch aus der Provinz Posen bekannt geworden.

Es soll hieraus keineswegs auf eine Überlegenheit der Pasteur- schen über die Sobernheimschen Impfstoffe geschlossen werden, doch erscheint es notwendig, auf einen Vergleich beider Methoden noch näher einzugehen, da Sobernheim in seinen Veröffentlichungen in medizinischen Fachschriften (Berl. klin. Wochenschr. 1902, Nr. 22 und Dtsch. med. Wochenschr. 1904, Nr. 26 u. 27) in einigen Schluß- sätzen eine sichere Überlegenheit seiner Methode über die Pasteursche annimmt.

Ich gebe in nachstehendem den Wortlaut aus der Berliner klinischen Wochenschrift 1902 wieder, da Sobernheim hier die Vorzüge seiner Methode in vier Punkten präzisiert:

,,Die Vorzüge des Verfahrens, im besonderen der kombinierten Immuni- sierung sind dadurch gekennzeichnet, dafi

1. die Impfung völlig ungefährlich ist und keinerlei Tierverluste bedingt;

2. die Impfung an einem Tage ausgeführt werden kann und nicht, wie bei der Paste urschen Methode, wiederholt zu werden braucht;

3. stärkere und wirksamere Kulturmengen als bei den Fast eur sehen Vacc ins verimpft werden, wodurch wahrscheinlich auch eine stärkere Immunität und längere Dauer des Impfschutzes erzielt wird;

4. das Milzbrandserum allein auch zur Heilung kranker Tiere benutzt werden kann, was bei der Paste urschen Methode niemals der FaU.*'

137

Wenn ich hiervon den Punkt 2 vorwegnehmen darf, so muß ohne Frage die Möglichkeit, die Impfting in einen Akt zusammen- zimehen, f&r Länder wie Südamerika, wo bisher die bei weitem größte Zahl der Impftingen nach Sobernheim ausgeführt ist^ als ein sehr wesentlicher Vorzug betrachtet werden, da hier zu jeder einzehien Impfung Tausender von Tieren Tage erforderlich und zu jeder einzelnen Besitzung Tagereisen zurückzulegen sind. Dieser Vorteil kommt aber für unsere einheimischen Verhältnisse weniger oder erst in letzter Linie in Betracht; för uns dürfte die Ent- scheidung in den drei anderen von S. angeführten Punkten liegen.

Die Ungefährlichkeit dürfte bei dem einen Impfverfahren nicht größer sein als bei dem anderen; Tierverluste hat die ImpAing von Rindern nach Sobernheim vereinzelt zur Folge gehabt; sie sind anch nach der Pasteurschen Methode vereinzelt beobachtet worden. Diese Verluste an Impfmilzbrand hängen, neben der ver- schiedenen Empfänglichkeit der einzelnen Rassen oder des einzelnen Individuums, mit der beide Methoden in gleicher Weise zu rechnen haben, von der Beschaffenheit der verwandten Kultur ab. Wenn Sobernheim in seiner ersten Veröffentlichung (1897) betont, daß ..die Virulenz der beiden Pasteurschen Vaccins, wie schon Koch hervorgehoben hat und wie auch aus sonstigen Mitteilungen hervorgeht^ keine gleichmäßige zu sein scheint'S so scheint mir dieser Satz auch für seine Impfkulturen nach den damit gemachten Erfahrungen zuzutreffen.

Daß aber die Applikation von Milzbrandserum ,,stärkere und wirksamere Kulturmengen'' als nach einer vorbereitenden Impfung mit schwachen Milzbrandstämmen, wie bei der Pasteurschen Methode, zur Immunisierung zu verwenden gestattet, und vor allem daß solche wirklich zur Verwendung kommen, dafür ist der Beweis wohl noch nicht erbracht. Sobernheims erste Mitteilung über die Virulenz der Ton ihm benutzten Kultur lautet, daß dieselbe „etwa dem Virulenz- grade des Pasteurschen Vaccin n entsprach". Spätere Angaben über die Virulenz der Kultur finde ich nicht, außer der Notiz in der letzten Veröffentlichung*), daß auf Grund der Erfahrungen in der Praxis Virulenz und Dosis der Kultur ein wenig herabgesetzt wurden. Dementsprechend ist auch aus den Versuchen und aus den Beobachtungen eine „stärkere Intensität und eine längere Dauer

*) BerL Tierärztl. V^ochenschr. 1904, Nr. 34.

138

des Impfschutzes" nicht zu erkennen. Beide müßten sich, den Anforderungen der Praxis entsprechend, in erster Linie gegenüber der natürlichen oder künstlichen Infektion vom Verdauungskanal aus zu erkennen geben. Ich gebe nun zu, daß Kochs Fütterungs- versuche an Schafen nach vorausgegangener Pasteurscher Impfung „unzuverlässige und wenig befriedigende Ergebnisse" gehabt haben, meine aber auch, daßSobernheims experimentelle Prüfungen keine besseren Resultate erzielt haben. Die Experimente, in denen hoch- immune Kaninchen, die „3—4 Ösen virulentester Kultur" subkutan ertragen hatten, und sechs Schafe, denen zuletzt V2 bis 5 Milz- brandmassenkulturen (1 Massenkultur «= 12 Agarkulturen) eingeimpft waren, Fütterung mit selbst „sehr enormen" Milzbrandsporenmengen überstanden haben, kommen für eine Beweisführung zugunsten der Serumkulturimpfung nicht in Betracht. Das gleiche kann man über die von diesen Versuchen dann nur noch übrigbleibenden drei Schafe sagen, die 24 Stunden vor der Fütterung mit Milzbrandsporen durch 50 bzw. 100 oder 150 ccm Serum passiv immunisiert waren. 50 bis 150 ccm Serum pro Schaf sind gewiß ganz enorme Mengen, ein Rind von mittlerem Gewicht würde demnach zu einem Versuch unter gleichen Bedingungen 1/2 bis Vj^ Liter Serum erhalten müssen. Wir kennen auch wohl kaum bisher eine sichere Methode, die es uns er- möglichte, den Grad der durch so große Serummengen übermittelten passiven Immunität mit der durch die kombinierte Methode er- worbenen zu vergleichen. Vor allem aber ist die aus dem günstigen Verlauf des Fütterungsversuches an diesen drei und an den vorher erwähnten sechs zu hoher aktiver Immunität getriebenen Schafen ge- zogene Folgerung nicht zulässig, daß „auch schon eine Immunität geringeren Grades ausreichende Sicherheit" gegen eine Spontan- infektion zu verleihen vermag, da bei dieser nur geringe Virusmengen in Betracht kommen und daher die Infektion eine leichtere sei. Bei der Auftiahme des Milzbrandgiftes vom Verdauungskanal wird von der Menge des Virus nur die größere oder geringere Prozent- zahl der Erkrankungen abhängen, der Verlauf der einmal ein- getretenen Erkrankung an Darmmilzbrand wird bei den voll empfäng- lichen Tierarten aber auch bei Infektion mit wenigen zur Infektion noch ausreichenden Keimen stets gleichmäßig schnell sein, wie dies auch Opp ermann*) bei seinen Versuchen festgestellt hat.

») Arch. f. wiss. u. prakt. Tierheilk. 32. Bd., S. 80.

139

Wenn also von den bisher angeführten Versuchen keiner für die günstige Wirkung der Milzbrandsimultanimpfung als Beweis herangezogen werden kann, so sind leider auch die später an einem großen, zur Verfügung gestellten Tiermaterial (33 Schafen und 18 Bindern) ausgeführten Versuche so angelegt, daß nur wenige den Kern der Sache, die Immunität gegen Fütterungsmilzbrand^ berühren. Nur vier Schafe, die simultan geimpft waren, wurden mit Milzbrandsporen gefuttert, drei überstanden den Eingriff, das vierte ging an Milzbrand ein, allerdings wesentlich später als das eine Kon- trolltier. Dieses Besultat, an der geringen Zahl der Versuchstiere mit nur einem Eontrolltier gewonnen, gestattet wohl kaum den Schluß, daß die Simultanimpfung gegen diese Art der Infektion ,,in hohem Maße wirksam^' oder daß sie hierin etwa der Pasteurschen Methode überlegen sei, und der in einer späteren Veröffentlichung befindliche Satz, daß „durch zahlreiche Experimentaluntersuchungen der Beweis erbracht wurde, daß Schafe sowohl wie Binder auf diesem Wege gegenüber der subkutanen und stomachikalen Milz- brandinfektion sicher gestützt werden können", dürfte in dem Ausfall dieses einen kleinen Fütterungsversuches bezüglich der stomachikalen Infektion eine unzureichende Stütze haben, und weitere Versuche, die zu seiner Begründung herangezogen werden könnten, sind, so weit ich mich orientieren konnte, nicht gemacht worden. Viel mehr Bedeutung hätten diese Versuche m. E. beanspruchen können, wenn S. die 14 Binder und einige 20 Schafe, welche er nur auf ihre Immunität gegenüber der subkutanen Milzbrand- infektion erprobte, dann noch, wie es auch B. Koch bei seinen Milzbranduntersuchungen getan hat, auf ihr Verhalten gegen Sporenfütterung geprüft hätte. Fütterungsversuche mit Milzbrand- sporen sind ja doch für die praktische Bewertung des Verfahrens viel entscheidender und wären in diesem Falle wohl um so wert- voller gewesen, als doch auch die vier nicht vorbehandelten Kontrollrinder bei der subkutanen Infektion mit virulentem Material zwar sehr schwer erkrankten, aber nicht eingingen; also der ganze Impfversuch an Bindern nicht vollkommen schlüssig ist.

„Viele Beobachtungen", sagt femer Sobernheim, „sprechen dafür, daß der Impfschutz den der Pasteurschen Methode an Dauer übertrifft" und beruft sich dabei auf eine (mir leider nicht zngängliche) Äußerung eines Nichtsachverständigen'^). Ezperimen-

*) Graf Dezasse, Wiener landw. Zeitung 1904.

140

teile Feststellungen liegen über die Daner des Impfschutzes nicht vor; auf Grund vielfacher Erfahrungen gibt aber Sobernheim in demselben Artikel) an, daß der Impfschutz sich ,,etwa ein Jahr auf praktisch ausreichender Höhe" halte. Die gleiche Dauer des Impfschutzes pflegte man auch von dem Pasteurschen Verfahren zu erwarten und auch meistens beobachten zu können; so hat auch z. B. Ereistierarzt Sickert-Wanzleben noch im letzten veröflfentlichten Jahres-Veterinärbericht bezüglich dieses Verfahrens mitgeteilt, daß „die seit Jahren in vielen größeren Viehbestanden, im verflossenen Jahre bei 1705 Rindern, ausgeführten Impfungen bestimmt ergeben haben, daß unter den ersteren innerhalb Jahresfrist seit Aus- führung der Impfungen keine Milzbrandfälle wieder vorgekommen sind." Es kommen natürlich auch Ausnahmen hiervon vor, aber die sind beim Sobernheimschem Verfahren ebenso beobachtet worden, und Sob ernheim fährt selbst einige solcher Fälle an. Daß der Boden in diesen Fällen „mit virulentem Infektionsstoff stark durchtränkt" war, dürfte keine genügende Erklärung für diese Ausnahmefälle sein.

Der von Sobernheim aufgestellte Satz, daß die Dauer des Impfschutzes bei seiner Methode die der Pasteurschen Impfung übertrifft, darf also keineswegs als erwiesen angenommen werden.

Es bliebe dann als letzter, wesentlicher Vorteil der Milzbrand- impfung nach Sobernheim die Möglichkeit, daß „das Milzbrandserum allein auch zur Heilung kranker Tiere benutzt werden kann, was bei der Pasteurschen Methode niemals der Fall". Es liegen einige experimentelle Tatsachen und praktische Beobachtungen vor, die zur Begründung dieses Satzes dienen könnten, und es dürfte sich daher verlohnen, denselben näher zu treten.

Sobernheim hat fünf Schafen je 40 ccm Serum subkutan ge- geben; von diesen Tieren erhielten die beiden ersten nach zehn Minuten bzw. zwei Stunden, die anderen drei in weiteren Abständen bis zu sechs Stunden die für ein Eontrolltier tödliche Milzbrand- kultur injiziert. Die zwei ersten Tiere wurden gerettet, die anderen drei gingen später als das Eontrolltier ein. Sobernheim knüpft an diesen Versuch die Hofihung, „bei Anwendung größerer S'erum- mengen wohl auf noch bessere Erfolge" rechnen zu dürfen. Einen „Erfolg", der irgend eine Aussicht auf praktische Verwert- barkeit des Serums nach dieser Richtung hin gewährt, kann man

♦) Deutsche med. Wochenschrift 1904.

141

aber diese Rettung zweier Tiere spätestens zwei Standen nach der Infektion durch das zehnfache der Serumdosis bei der Simultan- impfong meiner Ansicht nach überhaupt noch nicht nennen, da eine Milzbranderkrankung zwei Stunden nach der Aufnahme des Infektionsstoffes nie als solche zu erkennen ist und daher auch zu diesem Zeitpunkt niemals zu spezifischer Behandlung Veranlassung geben wird. Daß andererseits die „Anwendung größerer Serum- mengen'^ bessere Erfolge versprechen dürfte, ist eine Vermutung, die eigentlich erst hätte ausgesprochen werden dürfen, nachdem die Möglichkeit der Komplementablenkung bei noch größeren Serum- dosen und damit also die Möglichkeit der schlechteren Wirkung der- selben ftr den Milzbrand durch besondere Versuche experimentell aus- geschlossen worden war, zumal da Sobernheim schon bei seinen ersten Untersuchungen über Milzbrandimmunität ein „Optimum der Serumwirkung'^ bei mittleren Dosen konstatieren zu können glaubte.

Aus diesen Gründen scheint mir der erwähnte VersucheineAussicht auf praktische Verwendbarkeit des Serums als Heilmittel nicht zu ge- währen. Wenigstens aber erscheint es mir nicht begründet, wenn Sobernheim auf Grund dieses einen Experimentes weitere Ver- suche liegen nicht vor in einer späteren Veröffentlichung von Maasgezeichneten Schutz- und Heilwirkungen, welche sich im Versuch bei größeren Tieren erzielen ließen'^ spricht.

Nun sollen sich aber doch die daran geknüpften Erwartungen in der Tat erfüllt haben. Sobernheim teilt „aus der großen Zahl der einschlägigen Beobachtungen'^ einzelne mit.

Als ersten fuhrt Sobernheim folgenden Fall an: Auf einem Gute kamen in wenigen Monaten nach ausgeführter Pas teur scher Impfung noch Todesfälle vor, es sollte deshalb die Impfung nach Sobernheim ausgeführt werden. Am Tage vor dieser Impftmg starben drei, am Impftage selbst zwei Tiere, und „fiinf Stück er- krankten unter den schwersten Symptomen.^' Von den letztge- nannten fünf, „die nach der bestimmt geäußerten Ansicht der anwesenden erfahrenen Personen (Oberverwalter und Verwalter) ohne Eingriff der Krankheit sicher erlegen wären, erholten sich vier völlig und blieben am Leben, nur eins verstarb nach sechs Tagen!"

Da Sobernheim unmittelbar darauf von einigen weiteren Er- krankungen unter Rindern desselben Gutes, die wegen Mangels an Serum zunächst ungeimpft blieben, berichtet, Todesfälle unter diesen

142

Tieren aber nicht registriert, so haben dieselben wohl auch ohne Serumbehandlong die Erkrankung überwunden. Es kann daher die Annahme nicht ausgeschlossen werden, daß, entgegen der Ansicht der „anwesenden erfahrenen Personen" die übrigen fünf Tiere gleich diesen, zu derselben Zeit auf demselben Gute erkrankten, zuletzt- erwähnten auch ohne Serum mit dem Leben davongekommen wären.

Dieser erste, aus der Praxis angeführte Fall vermag also nicht zu überzeugen, die weiter folgenden drei Beispiele enthalten aber überhaupt keine Mitteilungen darüber, daß das Milzbrandserum als Heilmittel Verwendung geflmden hätte.

Man kann somit in diesen Beobachtungen unmöglich eine „Bestätigung dieser Angaben", nämlich daß „das Milzbrandserom sich zweifellos auch als Heilmittel bewährte", erblicken.

Nach dieser Zeit hat nun noch Jaeger*) das Milzbrand- serum als Heilmittel gelegentlich einer Enzootie unter Pferden angewandt und will bei den Heilimpfungen „die eklatantesten Er- folge" erzielt haben. Er gibt aber selbst zu, daß es durch subkutane Injektionen des Serums bis zu 240 g „wohl gelang, den Krankheitsverlauf aufzuhalten, aber schließlich erlagen die Patienten doch einem akuten Fieberanfall", und auch bei intravenöser An- wendung des fraglichen Serums hatte er einen Mißerfolg zu ver- zeichnen. Diesen letzteren erklärt er dadurch, daß der Patient „sicherlich sehr große Virusmengen aufgenommen" hatte und daß in den fünf Tagen, die seit der Anwendung des Serums verflossen waren, durch Ausscheidung der Antikörper die Sicherheit der Serumimmunität herabgesetzt war. Daß dieses Tier ungewöhnlich große Mengen von Milzbrandgift aufgenommen haben könne, steht aber, abgesehen von der bei allen Pferden gleichen Fütterung, nicht im Einklang mit der späten Erkrankung erst nach neun Tagen. Auch dürfte, da nach W. Kolle einige Wochen zur Aus- scheidung des einverleibten Serums erforderlich sind, in fünf Tagen nur ein kleiner Bruchteil davon verloren gegangen sein, so daß von den injizierten 30 ccm immer noch ein Mehrfaches der bei der Simultanimpfiing anzuwendenden Dosis im Organismus vorhanden gewesen sein mußte, und diese Menge hätte genügen müssen, um die Infektion erfolgreich zu bekämpfen. Wenn wir aber zugäben, daß die Immunkörper so schnell ausgeschieden werden können, daß

*) Monatshefte für praktische Tierheilkunde, Bd. 15.

143

das Tier schon nach fünf Tagen nicht mehr genügend davon znr Verfugung hat, um mit ihrer Hilfe eine Infektion zu überstehen, dann ist auch die von Jaeger für „solche ungünstigen Fälle" vor- geschlagene, der passiven nach drei bis vier Tagen folgende aktive Inminnisierung nicht möglich, da auf die Weise die Eulturimpftmg ein bis zwei Tage vor der natürlichen Erkrankung ausgeführt wäre und dann wohl eher schädlich als nützlich wirken dürfte.

Abgesehen von den Heilimpfungen dürften auch die ausgeführten Präventivimpftmgen in diesem Falle eine große Bedeutung für die Beurteilung des Wertes der Serumbehandlung nicht beanspruchen können. Es ist Jaeger gelungen, die Quelle der Infektion in dem verfiitterten Hafer sicher zu ermitteln, es ist daher wohl möglich, wenn nicht wahrscheinlich, daß «durch die Änderung der Fütterung allein die Seuche auch ebenso schnell zum Stillstand gebracht worden wäre. Jeder Tierarzt, der wiederholt Milzbrandenzootien zu beobachten Gelegenheit gehabt hat, wird einen Beitrag dazu liefern können, daß die Seuche oft ebenso plötzlich aufhört als sie ausgebrochen ist. Ein solcher Fall befindet sich auch in den Akten des Hygienischen Instituts. Auf einem Gute bei Prenzlau waren im Verlaufe von sieben Wochen 49 Rinder an Milzbrand ein- gegangen. Während das betr. Gut anfragte, zu welcher Impfung geraten würde, hörten die Erkrankungen auf einmal auf; wäre hier geimpft worden, gleichviel nach welcher Methode, so hätte man hier von einem großen Erfolge der Impfung sprechen können.

Ich komme hiemach zu dem Urteil, daß für die wesent- lichsten Punkte, die eine Überlegenheit der Sobern- heimschen vor der Pasteurschen Milzbrandimpfung dartun sollen, Beweise bis heute nicht beigebracht sind.

Aus der medizmischen Klinik der K. und K. Tierarztüchen Hochschule in Wien. (Vorstand: Professor Dr. Hugo Schind«lka)

Weitere Versuche zur Desinfektion der Eisenbahnvieh- transportwagen mit wässerigen Formaldehydlösungen.

V<m Dozent Dr. Josef Schnftrer.

II. Mitteilung.

Im ersten Hefte dieser Zeitschrift wurde über die Resultate von Desinfektionsversuchen berichtet, die bei der Verwendung von stark verdünnten Formaldehydlösungen (1—2 proz.) in Eisenbahn- viehtransportwagen erzielt werden konnten. Es gelang in einer Serie von Versuchen nachzuweisen, daß unter Anwendung von 50 bis 60 Litern der obengenannten Konzentration pro Wagen die Des- infektion selbst milzbrandsporenhaltiger Objekte mit größter Sicher- heit zu erwarten steht. Dabei ist die ganze Manipulation, wie ebenfalls in der ersten Mitteilung auseinandergesetzt wurde, sehr einfach, wenig kostspielig, unschädlich fiir die Arbeiter und für das Material.

Daß dem Waggon keinerlei Eigenschaften mitgeteilt werden, wodurch seine Verwendung bei Verladung heikler Güter (Kaffee, Salz, Mehl etc.) unmöglich würde, ist bereits hervorgehoben worden. Als Beweis dieser Behauptung diene noch folgender Versuch:

Unser Versuchskasten, der ungefähr einem Vierzehnte! eines Waggons entspricht, wurde bei einer Außentemperatur von 14 ^ C mit zehn Litern einer 2 proz. Formaldehydlösung intensiv ausgespritzt und durch sechs Stunden geschlos- sen gehalten. Hierauf wurden die Türen geöffnet und drei Stunden später folgende Objekte offen in den Kasten eingelegt und die Türen geschlossen: je ein Sack Kaffee, Zucker in Stücken, Mehl, Salz und eine Partie rohe Eier. Die Objekte blieben 14 Stunden im geschlossenen Kasten und wurden hierauf mit zurück- behaltenen Kontrollproben bezüglich Geruch und Geschmack verglichen. Die Eier wurden vor der Probe weich gekocht und warm begutachtet

145

Keines der Objekte zeigte auch nur den geringsten Geschmacks- oder Geruchsunterschied den Kontrollproben gegenüber.

Da also auch diesbezüglich bei der Anwendung des Formal- dehyds keinerlei Anstand erhoben werden kann, wäre somit in den erwähnten ersten Mitteilungen der einwandfreie Beweis für die Verwendbarkeit der Formaldehydmethode zu dem gedachten Zwecke erbracht gewesen, wenn nicht unsere Vorversuche*) eine Temperatur- empfindlichkeit der Formaldehydwirkung ergeben hätten, die den Wert des ganzen Vorganges erheblich herabzumindern geeignet schien. Während nämlich bei den erwähnten Vorversuchen konstatiert werden konnte, daß bei Temperaturen über 13<>C stets mit Sicher- heit ein günstiger Erfolg zu erzielen war eine Tatsache, die unsere Versuche im Waggon selbst vollinhaltlich bestätigt fanden war ein mehr oder weniger weitgehendes Versagen in der Desinfektions- wirkung bei den Vorversuchen zu verzeichnen gewesen, sobald bei einer Sporenresistenz von zwei bis sechs Minuten gegen strömenden Wasserdampf die Temperatur auf 10^ und darunter sank. Es war daher nötig, auch im Viehwagen selbst bei niederen Außen- temperaturen die Desinfektion vorzunehmen und eventuell die Methode derart zu modifizieren, daß auch dieses Hindernis über- wanden werden kann.

Diesen Versuchen gingen drei Vorversuche voran, in denen die Temperaturverhältnisse der Wagen bei Einleitung von Dampf be- stimmt wurden. Die eigentlichen Desinfektionsversuche wurden dann in den letzten Oktobertagen, bei Außentemperaturen von plus 4 bis C derart angestellt, daß tags vorher in die mit Dampf ge- reinigten und oberflächlich getrockneten Wagen die Sporenfaden in Filterpapierpäckchen ausgelegt (Nachttemperatur um 2^0) und er^>t am nächsten Tage in den ersten Morgenstunden deren Desinfektion voi^enommen wurde. Zwei Wagen wurden (s. Versuchsprotokoll) je zweimal mit 30 1 1,5 proz. Formaldehydlösung in Pausen von 1 Stunde 50 Minuten und 1 Stunde 40 Minuten bespritzt; während jedoch der eine Wagen bei geschlossener Tür ohne weitere Mani- pulation stehen blieb, wurde in dem zweiten nach jeder Bespritzung durch 10 Minuten währendes Einleiten von Dampf die Innen- temperatur zu steigern versucht, indem durch die nicht vollständig geschlossene Türe der Dampfschlauch samt Düse einfach ein-

*) Zur Desinfektion der Eisenbahnviehtransportwagen mit wässerigen Formaldehjdlösungen. Zeitschrift für Tiermedizin 1905, Bd. 9.

ZeiUcbrift IQr Infektionskrankheiten. I, 2,3. 10

146

geschoben wurde. Da in der Desinfektionsstation Kaiser-Ebersdorf, in der unsere Versuche vorgenommen wurden, zur Reinigung der Wagen frei aus einer Düse austretender Wasserdampf von 4 bis 5 Atmosphären Kesselspannung verwendet wird, erforderte diese nachträgliche Erwärmung keinerlei Einrichtungen. Ein dritter Wagen wurde mit 40 1 2proz. Formaldehydlösung ausgespritzt und sofort 10 Minuten lang Dampf eingeleitet. Nach 1 Stunde 50 Minuten kam ohne neuerliche Bespritzung abermals eine zehn Minuten lange Ausdämpfung zur Anwendung.

Die näheren Angaben, sowie die Resultate dieser Versuche mögen aus nachstehendem Versuchsprotokoll entnommen werden.

Versuchs -Protokoll.

1. Vorv ersuch. 28. September 1905, Kastenwagen, zwei Schiebetüren, vier kleine verschließbare Fenster, K. F. N. B. 58311, war mit Pferden beladen gewesen. 16,1 qm Bodenfläche. Witterung schön, sonnig, windstilL Außen- und Innen temperatur 17° C. Im Wagen werden unmittelbar am Türpfosten zwei Maximal thermometer und zwei gewöhnliche Thermometer, und zwar je zwei etwa 20 cm von der Decke, je zwei unmittelbar über dem Boden befestigt Bei offenen Türen wurde nun der Wagen nach der in der Station üblichen Weise etwa 10 Minuten mit Dampf von 4— 5 Atmosphären Kesselspannung aus- geblasen, ohne daß der Gehilfe wußte, um was es sich bei diesem Versuche handle.

Das Maximal thermometer oben zeigte 52°, das untere 62°. Das obere gewöhnliche Thermometer war leider durch den Dampfstrom herabgewoifen und gebrochen worden. Das untere zeigte 8 Minuten später trotz der offenen Türen noch immer 22° bei 17° Außentemperatur.

2. Vorv ersuch. Nun werden die Türen geschlossen, und abermals wird eine 5 Minuten dauernde Einblasung des Dampfes von innen vorgenommen. Die Temperatur betrug bei Beginn der Ausdämpfung oben 29°, unten 21°. Nach der Ausdämpfung zeigte das obere Maximalthermometer 56°, das untere 54°. Fünf Minuten nach Aufhören der Dampf einleitung (Türen geschlossen) oben 32°, unten 30°, nach weiteren 5 Minuten beide 27°, nach weiteren 5 Minuten (also 15 Minuten nach Schluß der Ausdämpfung) 26° und 25 Minuten nach Schluß der Ausdämpfung 20°. Dabei mußte aber natürlich behufs Ablesung der Temperaturen die eine Tür entsprechend oft geöflöiet werden, während sie in der Zwischenzeit innen geschlossen blieb.

3. Vorversuch. Das Dampfrohr wurde bei einer Türspalte eingeschoben, so daß die Düse in die Mitte des Wagens zu liegen kam. Außen- und Innen- temperatur 17° C. Sodann wurde durch 5 Minuten Dampf (4—5 Atm.) ein- geleitet; es wurde im Wagen oben eine Temperatur von 55°, unten von 54° erreicht. Beim ersten Öffnen der Tür nach 5 Minuten sinkt die Temperatur auf 44° (unten), nach weiteren 5 Minuten auf 34°, nach weiteren 5 Minuten (15 Minuten im ganzen) auf 32°. Dann wurden beide Türen geöffnet Zehn Minuten später betrug die Temperatur noch immer 24°.

147

1. WaggonverBQch 24. Oktober 1905. Kastenwagen M. A. V. 28657, zwei Schiebetüren, vier verschließbare Gitterfenster, Wagenwände und Boden Behr defekt; war mit Ochsen beladen gewesen. Bodenfläche 16,6 qm. Am 23. Oktober 1905 wurden in jedem der drei Wagen 50 Filterpapierpäckchen mit je zwei Milzbrandsporenfäden (Dampfresistenz 1 Minute) eingelegt. Ver- Bnch am nächsten Tage früh. (24. Oktober 1905.) Witterung anfangs schön Bonnig, leichter Südwind; später teilweise bedeckt, kräftiger kalter Westwind. Außen- und Innentemperaturen plus 4<^ C.

In die eine Stirnwand des Waggons wurden durch gebohrte Löcher zwei gewöhnliche Thermometer gesteckt, so daß die beiden Quecksilberkugeln gleich weit ins Innere des Waggons vorragen, die Skalen jedoch außen abgelesen werden können; das eine 20 cm, das andere 120 cm vom Boden, beide 15 cm von der vorderen Längswand entfernt Außerdem wird innen in der Nähe des Bodens und der Decke je ein Maximalthermometer befestigt

8 Uhr 45 Minuten wurden 30 1 l,5proz. Formaldehydlösung von innen verspritzt Temperatur der Flüssigkeit 4^, Dauer der Bespritzung 10 Minuten. Sodann wird durch eine Türspalte die Dampfdüse eingelegt und Dampf von 5 Atmosphären Kesselspannung eingeleitet. Die Düse liegt abgekehrt von den Thennometem. 5 Minuten nach Beginn der Dampfeinleitung zeigte das obere Ther- mometer 39°, das untere 42 <^, nach weiteren 5 Minuten oben 49", unten 51°. Die Düse wurde nun entfernt und die Tür vollständig geschlossen. Der Gang der Temperatur war nun folgender:

Nach 2 Minuten oben 47°, unten 47°, nach 4 Minuten oben 41°, unten 35^ nach 16 Minuten oben 25° unten 22°, nach 32 Minuten oben 20°, unten 18°, nach IVi Stunden oben 15°, unten 13°. Nach 1 Stunde 50 Minuten wird eine neuerliche Bespritzung von 30 1 l,5proz. Formaldehydlösung (4° C) vor^renommen. Die Außentemperatur betrug nun plus C. Bei der Öfinung der Tür zeigen die Maximalthermometer, vollständig konform den anderen, oben 49° unten 51°. Sie wurden wieder auf eingestellt und das untere auf dem Boden in die diagonale Ecke gestellt, das obere 25 cm von der Decke entfernt befestigt. Hierauf wieder 10 Minuten lang Einleitung von Dampf 5 Atmosphären Kesselspannung), Nach 4 Minuten oben 42°, unten 42°, nach 10 Minuten oben 53°, unten 52° (Maximalthermometer oben 60°, unten 55^). Die Dampfeinleitung wurde unterbrochen, die Türen werden geschlossen. Nach 5 Mmuten oben 37°, unten 37°, nach 10 Minuten oben 34°, unten 36 <\ nach 15 Minuten oben 27° unten 29°, nach 20 Minuten oben 24°, nnten 26°, nach 35 Minuten oben 20°, unten 24°, nach 43 Minuten oben !!♦'•, unten 20°, nach 1 Stunde 7 Minuten oben 18°, unten 19°. Die Türen Verden nun geöfinet Der Geruch nach Formaldehyd war mäßig stark. Die Wände fast trocken, der Boden feucht; Päckchen feucht Es wurden nun 3V) Stunden nach Beginn der ersten Bespritzung) die Päckchen dem Wagen entnommen und mit steriler Ammoniaklösung (5 proz.) Übergossen und nach weiteren 2V4 Stunden jeder Faden für sich in Bouillon gegeben. Beob- achtungsdauer 4 Wochen, Resultat 100 Fäden ausgelegt, 100 Fäden = 100 % ab^tötet

2. Waggonversuch. Kastenwagen M. A.V. 28 547, zwei Schiebetüren, vier sehr kleine, verschließbare Fenster. Bodenfläche 15,9 qm, war mit Ochsen

10*

148

beladen gewesen. Dieser Wagen wurde in ganz gleicher Weise wie der vor- hergehende behandelt, jedoch nnterblieb die Dampf einleitung. Also zweimalige Bespritzung mit je 30 1 iVjProz. Formaldehydlösung mit einer Pause von 1 Stunde 50 Minuten. Entnahme und Neutralisation wie im vorangehenden Versuch. Resultat: von 100 ausgelegten Fäden waren 65 = 65% abgetötet

3. Waggonversuch. Kastenwagen M. A. V. 110132, zwei Schiebetüren, vier große verschließbare Gitterfenster, Boden sehr defekt Bodenfläche 19 qm, war mit Ochsen beladen gewesen. Außen- und Innentemperatur 4^. In die eine Stirnwand wurde, 80 cm vom Boden und 20 cm von der vorderen Lang- wand entfernt, durch eine Bohrung ein gewöhnliches Thermometer gesteckt; der Wagen wurde nun einer einzigen Bespritzung mit 40 1 2proz. Form- aldehydlösung ausgesetzt (Dauer der Bespritzung 13 Minuten) und nun sofort in der oben erwähnten Weise Dampf eingeleitet. Nach 10 Minuten wurde die Ausdämpfung unterbrochen, das Thermometer zeigte 51*^; die Tür wurde nun geschlossen. Eine Stunde später zeigte das Thermometer noch 17^ C. Es wurde nun abermals, ohne eine neuerliche Bespritzung, durch 10 Minuten Dampf eingeleitet; erreichte Maximaltemperatur 52^. 5 Minuten nach dem Schluß der Dampfeinleitung 34", 10 Minuten später 29 «, 15 Minuten später 25 ". 20 Minuten später 25 ", SO Minuten später 19^, 54 Minuten später. 17 ". Die Türen wurden nun geöflfeet, Geruch nicht wahrnehmbar. Wände trocken, Boden feucht Gesamtdauer des Versuches von der ersten Bespritzung bis zur Neutralisation 3 Stunden 50 Minuten.

Die Päckchen wurden nun entnommen, der Formaldehyd durch 5proz. Ammoniaklösung neutralisiert (durch 3 Stunden 10 Minuten) und dann die Fäden in Bouillon gebracht. Beobachtungsdauer vier Wochen. Resultat: von 100 ausgelegten Fäden 86 abgetötet = 86 7o-

Der Ausfall dieser Versuche entsprach vollständig unseren Er- wartungen, nachdem die Vorversuche mit Dampfeinblasen die Mög- lichkeit einer ausgiebigen Temperaturerhöhung von genügend langer Dauer ergeben hatten. Der Versuch ohne Erwärmung ergab sogar ein wesentlich besseres Resultat als dies nach unseren Vorversuchen im Waggonmodell erwartet werden konnte; offenbar spielt dabei wie auch unsere Vorversuche im Modellkasten ergeben hatten, die relativ geringere Sporenresistenz (1 Minute gegenüber 2 bis 6 Mi- nuten im Modell) eine wesentliche Rolle. Daraus dürfte aber ohne weiteres der Schluß gestattet sein, daß bei noch geringerer Resistenz und bei den vegetativen Formen des Milzbrandbazillus, sowie der übrigen Seuchenerreger, die Formaldehydmethode auch bei niedrigen, wenig über 0^ haltenden Temperaturen vollen Desinfektionseffekt gewährleistet.

Waggonversuch 1 und 3 sind besonders lehrreich, da sie die Notwendigkeit einer zweimaligen Bespritzung ganz deutlich be- weisen; im dritten Versuch konnte trotz der relativ hohen Konzen-

149

tration (2%) und hoher Temperatur (520— 170) nur 86 ^/^ Abtötung erzielt werden. Da wir in unserer ersten Versuchsreihe*) bei höherer Außentemperatur (18^—20^) auch bei einer einmaligen Bespritzung ein wesentlich besseres Resultat erhalten hatten (98,8 ^/q Abtötung, Vers. 3), so kann die Ursache des schlechteren Ausfalles einerseits in der zu großen Verdünnung des Formaldehyds, oder seiner zu raschen Verdunstung aus der Lösung durch das Einblasen von Dampf, oder andererseits in einer ungenügenden Benetzung der Päckchen liegen. Für den letzteren Umstand spricht einmal die geringere Menge an Gesamtflüssigkeit (40 1 gegenüber 50 60 1), namentlich aber der Umstand, daß sämtliche 14 nicht abgetötete Fäden unmittelbar nebeneinander an der einen Längswand befestigt gewesen waren. Beide Umstände sind aber mit Sicherheit durch eine zweimalige Bespritzung mit etwas größeren Mengen (je 30 1) zu vermeiden.

Was nun die Erhöhung der Innentemperaturen durch Einleiten von Dampf betrifft;, so ist folgendes zu bemerken: Bei einer Außen- temperatur von 10^ C dürfte die Erhöhung der Innentemperatur, wenn man verläßliche Desinfektion üben will, kaum zu umgehen sein, weil in der Praxis die Resistenz der den Wagen verseuchenden Mikroben niemals bekannt ist. Da nun andererseits Dampf von genügender Spannung in jeder Station durch Heranziehung einer Lokomotive stets zur Verftigung stehen dürfte, viele Desinfektions- stationen überdies ja mit Dampf selbst reinigen, so ist wohl das einfachste Mittel zur Erhöhung der Innentemperatur die Einführung des Dampfes, indem vom Dampfgenerator ein Schlauch durch eine Türspalte eingelegt wird, so daß der Dampf mindestens 10 Minuten lang in den Wagen einströmen kann. Die Dauer der Dampf- einleitung richtet sich selbstverständlich erstens nach der Tempe- ratur des Dampfes, resp. der Kesselspannung, und zweitens nach der Außentemperatur. Bei der Anwendung von Lokomotivendampf dürfte sich der Heizeffekt noch günstiger stellen, als in unseren Versuchen, weil die Kesselspannung der Lokomotiven in der Regel eine weit höhere ist, als in den stationären Anlagen. Technische Schwierigkeiten kann demnach diese Erwärmung, abgesehen von einem geringen Mehraufwand an Arbeitsleistung, kaum bieten, welch letzterer jedoch durch die wesentlich geringere Anzahl der bei niedrigen Temperaturen zu desinfizierenden Waggons reichlich aufgewogen erscheint.

*) Heft 1 dieser Zeitschrift.

150

Allerdings stößt diese Art der Erwärmung von Waggons auf einen Einwand: Sie ist unmöglich bei Wagen, welche nicht halb- wegs geschlossen werden können, nämlich bei den Gitterwagen. Dieser Einwand wurde auch bereits bei der Veröffentlichung der Vorversuche von uns selbst erhoben, und besteht selbstverständlich zu Recht. Dennoch ist folgendes zu erwägen: Nimmt schon die Zahl der zn desinfizierenden geschlossenen Kastenwagen in der kälteren Jahreszeit erheblich ab, so ist dies naturgemäß bei der Anzahl der vorkommenden Gitterwagen noch viel mehr der Fall, weil ja der Transport von Tieren in diesen halboffenen Wagen bei 'niedrigen Außentemperaturen selbstverständlich möglichst ein- geschränkt werden muß. Außerdem aber nehmen, wie dies ja allbekannt ist und auch bereits in der früheren Publikation erwähnt wurde, alle Seuchen in den kälteren Monaten außerordentlich an Zahl ab, namentlich aber der Milzbrand, der ja wegen der Resistenz seiner Sporen die Hauptstütze fär den geltend gemachten Einwand abgibt. Auch ist die sichergestellte Tatsache mit ins Feld zu führen, daß selbst bei Infektion des Wagens mit Milzbranderregem deren Umwandlung in die resistenten Dauerformen unbedingt an Temperaturen über 14— 16^ C gebunden ist, so daß also bei Tem- peraturen unterhalb 14^ nur die vegetativen Formen zur Desinfek- tion kommen, die aber, ebenso wie die übrigen Seuchenerreger, nach dem Ausfall des vorher geschilderten zweiten Waggonversuches der vollständigen Desinfektion keinen Widerstand bieten dürften.

Wenn aber alle diese Gegengründe nicht genügen, um der Desinfektion der Wagen mit Formaldehydlösungen Geltung zu ver- schaffen, weil, um absolut zuverlässig zu sein, bei niederen Tempe- raturen zu einem zweiten Hilfsmittel der Desinfektion, der Erhöhung der Temperatur, gegriffen werden muß, dann möge das alte Wahr- wort beherzigt werden: „In magnis voluisse satis". Von allen bis- herigen Desinfektionsmitteln und Methoden leistet nach den vor- liegenden Untersuchungen und Erfahrungen, die Handlichkeit und Wirksamkeit anbelangend, keine auch nur annähernd das, was die beschriebene Formaldehydmethode nach den Resultaten unserer Ver- suche zu leisten verspricht. Sie wegen des angeführten Umstandes verwerfen, hieße das Kind mit dem Bade ausschütten. Wurde doch im deutschen Reiche ein Verfahren gesetzlich eingeführt (Kresulfoldesinfektion), das gegen Milzbrand ganz sicher vollständig unwirksam ist, da Milzbrandsporen durch öproz.

151

Kresulfol erst in fünf Tagen abgetötet werden. Das deutsche Kresulfolverfahren verzichtet daher von vornherein auf die Des- iofektion milzbrandverseuchter Wagen unter allen Umständen, wäh- rend Formaldehyd nur in einer verhältnismäßig ganz verschwindenden Anzahl von Fällen durch das Zusammentreffen besonders ungünstiger Verhältnisse (Gitterwagen, Frost und hohe Sporenresistenz) möglicher- weise versagt, sonst aber in allen FäUen vollen Erfolg liefert.

Daß das Formaldehyd auch im übrigen allen Anforderungen, welche Praxis und Verkehr an ein Desinfektionsmittel stellen, ge- nügt, wurde bereits in der ersten Veröffentlichung ausführlich erörtert, worauf an dieser Stelle nochmals hingewiesen werden soll.

Schließlich möge noch ein wissenschaftliches Detail Erwähnung finden. Zu den drei Versuchsreihen kamen über 1400 Milzbrand- seidenfäden zur Verarbeitung. Es war daher reichlich Grelegenheit vorhanden, die Angaben Werners nachzuprüfen, der ein Spät- anskeimen bis zur vierten Woche beobachtet hatte. Diese Tat- sache konnte bei unseren Versuchen, deren Resultate mindestens vier Wochen beobachtet wurden, nicht bestätigt werden. Von 190 Fäden, bei denen der Tag des Auskeimens genau notiert wurde, trat dasselbe in 95^lo innerhalb der ersten sechs Tage ein. Zwischen dem sechsten bis achten Tage in 4%, und zwischen dem achten bis zehnten Tage beim restlichen einen Prozent. Nur ein einziger Faden zeigte erst am 29. Tage Auskeimung; doch kann bei der Überfülle der zu kontrollierenden Proben ein Übersehen nicht aus- geschlossen werden. Am häufigsten (65 %) erfolgte das Auskeimen zugleich mit den Eontrollfäden gleich am nächsten Tage, nächst häufig am zweiten Tage (24%), vom dritten Tage an wird es bereits relativ selten beobachtet, so daß also in unseren Versuchen bei nur achttägiger Beobachtung ein Fehler von ungefähr 1 ^/^ in der Berechnung sich ergeben hätte. Nichtsdestoweniger ist es aber durchaus nicht ausgeschlossen, daß bei anderer Versuchsanordnung nnd namentlich bei Anwendung verschiedener Milzbrandstämme denn doch Spätauskeimung bei einer größeren Anzahl von Fäden zur Beobachtung käme, weshalb auch tatsächlich für derartige Ver- suche eine mindestens vierwöchentliche Beobachtungszeit bestimmt werden muß, um so dem Einwände, der gegen Reichenbachs und Grubers Versuche erhoben werden könnte, von vornherein zu begegnen.

~ 152

Wie bereits unsere Vorversuche mit Sicherheit ergeben hatten, findet eine Raumdesinfektion bei dieser Methode nicht statt, trotz- dem der bisweilen sehr intensive Geruch das Entweichen des Form- aldehyds aus der Lösung in die Luft anzeigte: Der nicht oder un- genügend bespritzte Faden zeigte auch keinerlei Abtötung der an ihm angetrockneten Sporen. Da von jeder Waggonwand eine genaue Skizze der Wand selbst, als auch der exponierten Sporenpäckchen, namentlich mit Rücksicht auf vorspringende Leisten, Vertieftingen, Eisenringe, Fenster etc. angelegt wurde, konnte leicht konstatiert werden, daß zur Erzielung eines vollen Desinfektionseffektes namentlich jene „toten Räume'^ hinter Leisten, Eisenringen etc. berücksichtigt werden müssen, eine Forderung, die wohl einerseits selbst- verständlich erscheint, andrerseits aber durchaus keine besondere Schulung des Personals voraussetzt, da die grobe Reinigung des Waggons von Mist und Schmutz ja gleichfalls mit besonderer Be- rücksichtigung der Winkel und Ecken erfolgen muß.

Der beste Beweis für diese Verhältnisse wird aber durch die Beobachtung geliefert, daß bei unseren Versuchen wiederholt von den zwei Fäden, die in je ein Päckchen verpackt worden waren, wobei jeder jedoch durch eine mehrfache (bis fünflache) Schicht von Filterpapier von dem andern getrennt war, die Sporen des einen Fadens abgetötet waren, die des anderen Fadens jedoch auskeimten. Ausnahmslos war es in diesen Fällen der tiefer gelegene, d. h. von einer stärkeren Lage von Filtrierpapier bedeckte Faden. Dieser Befund zeigt auch gleichzeitig auf das schlagendste die unbedingte Notwendigkeit einer möglichst gründlichen mechanischen Reinigung, um die Schicht, welche Desinfektionsmittel und zu desinfizierendes Objekt trennt, möglichst gering zu gestalten.

Aus dem Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule

zu Berlin.

Zur bakteriologischen Diagnose der chronischen Schweineseuche.

(Mit einer Figur im Text.)

Von

Dr. Junacky

Leiter dei bakteriologischen Laboratoriamt am Schlachthofe an Breslau.

Eine der wichtigsten Streitfragen auf dem Gebiete der wissen- schaftlichen und praktischen Tiermedizin ist in den letzten Jahren die Schweineseuchefrage gewesen.

War man sich schon angesichts der Tatsache, daß die Schweine- seuche, wie zuerst durch Zschokke und Postolka, durch Ostertag nnd Joest besonders hervorgehoben worden ist, gegen früher ihren Charakter geändert hat, in weiteren Kreisen oft nicht einig, ob man Schweineseuche vor sich hatte oder nicht, so richteten namentlich die Veröffentlichungen von Grips, Glage undNieberle sowohl in tierärztlichen, als auch in landwirtschaftlichen Kreisen große Verwirrung an.

Nach den im hiesigen Institut sowohl mit dem Löffler- Schützschen, als auch Gripsschen Bazillus vorgenommenen Unter- suchungen, an denen zum größten Teile auch ich teilnehmen durfte, kann man an der Schweineseuche erzeugenden Eigenschaft des Bacillus suisepticus nicht zweifeln, wenn man unter Schweine- seuche eine infektiöse Lungenentzündung versteht. Zweifel an der Bedeutung des Bacillus suisepticus konnten überhaupt erst Platz greifen, als die Schützsche Schweineseuche, die unter dem Bilde einer fibrinös-hämorrhagischen und oft multiple nekrotische Herde aufweisenden Pneumonie verlief, sich im Laufe der Jahre zu der jetzt meist auftretenden schlaffen Pneumonie der Vorderlappen entwickelt hatte.

154

Bezugnehmend auf die Veröffentlichungen von Grips, Glage und Nieberle will ich jedoch hervorheben, daß wir bei den dem hiesigen Institute in den letzten drei Jahren eingesandten Schweine- lungen auch oft die alte Schtitzsche Schweineseuche nachweisen konnten. Auch die von ff 1er zuerst beschriebene septikämische Form der Schweineseuche, bei der man aus der Subkutis Schweine- Seuchebakterien zächten kann, gehört durchaus nicht zu den großen Seltenheiten. Im letzten Jahre konnten wir in fünf Beständen, und zwar in den letzten beiden Sommermonaten in je einem, diese Form der Schweineseuche nachweisen. Die einsendenden Kollegen hielten diese Erkrankungen meistens für Rotlauf, ein Irrtum, der bei fehlender bakteriologischer Untersuchung leicht erklärlich ist. In diesen Fällen kann nur die bakteriologische Untersuchung zu einer Diagnose fuhren, im Gegensatz zur chronischen Form der Schweineseuche.

Sowohl Hoffmann als auch Grabert und Casper hielten die mikroskopische und kulturelle Untersuchung der verdächtigen Lungen nicht mehr für ausreichend, sondern erachteten die Ver- impfung von Schweineseuchematerial an Mäuse fftr das beste Mittel, um aus Schweineseuchelungen den Bacillus suisepticus in Reinkultur zu gewinnen. Aber auch diese Art der bakteriologischen Diagnose- stellung versagt bei der chronischen Schweineseuche nur zu oft. Zuerst waren es Beck und Koske, die diesen Umstand hervor- hoben. Ihnen starben manchmal die mit Schweineseuchematerial geimpften Mäuse überhaupt nicht.

Es liegen hier die Verhältnisse ähnlich wie bei der mensch- lichen Influenza, die im Laufe der Jahre sich ebenfalls in ihrem Charakter stark abgeschwächt hat, so daß man oft bei den Patienten Influenzabazillen nicht nachweisen kann, wie es Pick und Joch- mann auf dem letzten Kongreß für innere Medizin übereinstimmend betonten. Pick und Jochmann wollen die Influenzadiagnose mehr aus den typischen klinischen Symptomen stellen und dem in bezug auf Influenzabazillen negativen Beftinde keine ausschließliche Beweiskraft zukommen lassen.

Ich habe nun im hiesigen Institute Gelegenheit gehabt, em Schweineseuchematerial zu verarbeiten, wie es in gleicher Reich- haltigkeit wohl selten zur Verfugung stehen wird.

Vom 1. Juni 1902 bis 1. Juni 1905 sind der Abteilung 11 des hiesigen Instituts 2603 ganze Schweinekadaver oder einzehie Cr-

155

gane, wie besonders Langen und Darmkanal, zur Untersuchung auf Schweineseuche eingesandt worden.

Die anatomische und zum Teil auch bakteriologisch erhärtete Diagnose lautete:

in 1323 Fällen: Reine Schweineseuche,

185 Schweineseuche und Schweinepest,

134 Reine Schweinepest,

347 Darmkatarrh.

In 570 Fällen war der Befund negativ, oder die eingesandten Organe waren in verfaultem Zustande eingeliefert, so daß weder anatomisch noch bakteriologisch eine Diagnose zu stellen war, oder aber es fanden sich an den Lungen andere Erkrankungen, wie Strongyliden, Abszesse, Lungengangrän, Atelektase, chronische Bronchi- tiden und Bronchiektasien, rote Indurationen, narbige Einziehungen und einige Male auch durch Kokken und Gripssche Bazillen be- dingte embolische Herde.

In 21 Fällen wurde Rotlauf, zweimal kompliziert mit Schweine- seuche, festgestellt.

In 23 Fällen wurde Tuberkulose ermittelt, neunmal kompliziert mit Schweineseuche und zweimal kompliziert mit Schweineseuche ond Schweinepest.

Hervorzuheben sind noch die häufigen, durch den Schweinepest- bazillus hervorgerufenen, umfangreichen homogenen, nekrobiotischen Herde im Lungengewebe, aus denen wir in der Regel den Schweine- pestbaziUus direkt in Reinkultur züchten konnten.

Bei einem Kadaver konnte, außer umfangreichen Pestherden in Lunge, Milz, Darm und Lymphdrüsen, auch beiderseitige Hoden- pest nachgewiesen werden. Beide Hoden waren in toto in homogene, gelbweiße, nekrobiotische Massen verwandelt.

Die bezüglich der Pathogenese der Schweineseuche und Schweinepestimmernoch vorhandenen ünitarier seien auf die 134 Fälle von reiner Schweinepest hingewiesen, denen wenig mehr, näm- lich nur 185, Fälle von gleichzeitig vorhandener Schweineseuche und Schweinepest gegenüberstehen, während in 1323 Fällen nur reine Schweineseuche festgestellt wurde. Diese Zahlen geben un- gefähr das Verhältnis wieder, in dem diese beiden Seuchen in Deutschland herrschen. Fast keinen Landesteil im Deutschen Reiche fanden wir frei von Schweinepest. Besonders herrschte dieselbe in

156

Westpreußen, Posen, Pommern, Brandenburg, Oberschlesien und Mecklenburg. Wir fanden sie aber auch in Schleswig-Holstein, Hessen-Nassau und in Einsendungen aus Bayern. Fast ganz von der Schweinepest verschont zu sein scheinen, nach dem eingesandten Material zu urteilen, die Provinz Sachsen, die Rheinprovinz und die Reichslande.

Bei der Lungentuberkulose des Schweins will ich hervor- heben, daß ich in drei Fällen die infiltrierende Form der Tuber- kulose beobachten konnte. Die Lunge bot in diesen Fällen in den vorderen Abschnitten das Bild der interstitiellen, fibrösen, weißen Pneumonie ohne käsige oder verkalkte Herde. Die Bronchialdrüsen zeigten sich nur stark diffus geschwollen. Die Diagnose wurde in diesen Fällen histologisch und durch Verimpftmg erkrankter Lungenteile an Meerschweinchen sichergestellt.

Da wir alle Formen der Pneumonie, von der umfangreichen hämorrhagisch-fibrinösen an bis zur oft nur herdweise auftretenden schlaffen Desquamativpneumonie, zu Gesicht bekamen, so drängte sich unwillkürlich die Frage auf, ob alle diese Pneumonien nur einen Erreger hätten.

Für den Menschen nimmt Weichselbaum zehn verschiedene Erreger an, die Lungenentzündungen zu erzeugen imstande sind.

Wie sich weiter unten noch des näheren ergeben wird, züch- teten wir aus Schweineseuchelungen durch direkte Kultur oder durch Tierimpftmgen die verschiedensten Bakterien, zuweilen in Rein- kultur. Ich will hier zusammenfassend erwähnen, und ein Teil dieser Versuche ist auch schon veröffentlicht worden, daß es uns mit allen diesen Kolibakterien, Stäbchen, Staphylokokken, Diplokokken und Streptokokken niemals gelungen ist, bei Ferkeln durch intrapulmonale Infektion oder durch In- halierenlassen von Reinkulturen dieser Bakterien eine typische Schweineseuchepneumonie zu erzeugen.

Wir fanden zwar einige Male im Bereiche der durch die Spritze gesetzten Läsionen, also an den Injektionsstellen, Infiltrationsherde, die jedoch nichts mit den progredienten Pneumonien zu tun hatten, die wir durch frisch aus dem Schweinekörper gezüchtete Schweine- seuchestämme bei unseren umfangreichen diesbezüglichen Versuchen in den letzten Jahren stets erzeugen konnten. Schweineseuchestämme dagegen, die monate- und jahrelang nur auf künstlichem Nährboden gezüchtet worden waren oder nur unsere kleinen Versuchstiere passiert

157

hatten, verloren meistens ihre Pathogenität für Ferkel, wie wir dies an etwa zwanzig verschiedenen Stänunen nachweisen konnten.

Was nnn die Bakterienflora der mit chronischer Schweineseuche behafteten Lungen anbetriflFl, so kann es nicht wundernehmen, daß man, ähnlich wie bei der chronischen Lungentuberkulose von Mensch nnd Tieren, auch in diesen Lungen eine große Zahl von anderen Bakterien findet, die in dem einen locus minoris resistentiae bildenden pneumonischen Gewebe eine günstige Gelegenheit zur Ansiedlung finden. Im konkreten Falle ist es oft zweifelhaft, ob diese Bakterien nur als Begleitbakterien im Spenglerschen Sinne aufzufassen sind, oder ob sie eine Mischinfektion darstellen.

Für alle ,eitrigen, eitrig-nekrotischen und gangränösen, neben der Schweineseuchepneumonie in der Lunge oft ablaufenden Prozesse möchte ich das letztere annehmen und fiir die eitrigen Pro- zesse besonders den Gripsschen Bazillus, für die gangränösen den Gripsschen Bazillus in Verbindung mit Fäulniserregem verant- wortlich machen.

In dem häufigen Vorherrschen der Begleitbakterien zeigte sich uns die Hauptschwierigkeit der bakteriologischen Diagnose der chronischen Schweineseuche. Diese Begleitbakterien überwuchern in den direkten Kulturen oft die nur sehr spärlich noch vorhandenen Schweineseuchebakterien und sind auch oft so pathogen für Mäuse, mit denen wir ausschließlich arbeiteten, daß diese Tiere an Misch- infektionen oder allein durch diese Begleitbakterien zugrunde gehen. Auch wenn diese Begleitbakterien nicht für Mäuse pathogen sind, bleiben letztere oft am Leben, da die Schweineseuche- bakterien in dem chronisch entzündeten Gewebe häufig so ab- geschwächt sind, daß sie Mäuse nicht mehr zu töten vermögen. Viele Stämme, die wir dann glücklich gezüchtet hatten, erwiesen sich bei den zu dem bekannten Zwecke anzustellenden Serum- prüflmgen so wenig virulent für Mäuse, daß wir diese Tiere selbst mit großen Mengen, wie Vio Öse Agarkultur, nicht sicher zu töten vermochten, so daß die Prüfung des betreffenden Stammes kein Resultat ergab.

Äußere umstände verhinderten es, in allen den bakteriologisch verarbeiteten Schweineseuchelungen die Begleitbakterien des ge- naueren zu bestimmen. Im letzten Jahre nun habe ich 283 frische Schweineseuchelungen auf diese Begleitbakterien des näheren unter- sucht und einen Teil derselben, parallel mit den angestellten

158

Kultur- und Impfversuchen, auch bakterioskopisch im Ausstrich unter- sucht, letzteres hauptsächlich zu dem Zweck, um das Vorkommen des Grips sehen Bazillus in Lungen, die mit reiner Schweineseuche behaftet waren und auch keine eitrig-nekrotischen Herde aufwiesen, zu studieren.

Anatomisch war für uns die Diagnose „Chronische Schweine- seuche" dann wahrscheinlich, wenn die Vorderlappen allein oder gleichzeitig mit einem Teil der Zwerchfellappen rein pneumonisch erkrankt waren. Diesen Standpunkt in der anatomischen Diagnose der Schweineseuche, den auch Eggeling einnimmt, konnten wir auf seine Richtigkeit sehr oft kontrollieren, da wir häufig aus den- selben Beständen viele Lungen und auch lebende kranke Tiere ein- gesandt erhielten und so aus dem ganzen Seuchenverlauf und unseren anatomischen und bakteriologischen Untersuchungen Selbst- kontrolle üben konnten.

Die Verarbeitung der Lungen geschah in der Weise, daß aus möglichst subpleural gelegenen und möglichst frischen ent- zündlichen Herden zwei Agarkulturen angelegt wurden, und daß mit erbsen- bis bohnengroßen Stückchen dieses Lungengewebes zwei weiße Mäuse subkutan geimpft wurden. Eine Zeitlang legten wir auch Kulturen auf Taubenblutagar an, um in Schweine- seuchelungen etwa vorhandene hämophile Bakterien zu züchten; wir haben jedoch in den etwa 40 so verarbeiteten Lungen derartige Bakterien niemals nachweisen können. Einige zwanzig Lungen habe ich auch mit Agarplatten verarbeitet, um viel- leicht so den Bacillus suisepticus leichter isolieren zu können; aber diese Methode lieferte sogar schlechtere Resultate, wie die Kulturen auf Schrägagar, anscheinend weil die Agarplatten zu leicht austrocknen, und der Schweineseuchebazillus auf trocknem Agar sehr schlecht wächst.

Bei den 283 an Mäuse verimpften Lungen fanden sich in den aus dem Herzblut der gestorbenen Mäuse angelegten Kulturen folgende Keime:

a) Es starben beide Mäuse in 179 Fällen. Die Kulturen ergaben

in 94 FäUen S-S*),

„6 Kokken verschiedener Art, ^23 Kolibakterien,

») S-S = Schweineseuchebakterien.

159 in 8 Fällen S-S + Kokken,

8

»

S-S + Fäden,

2

jj

S-S 4- Pyocyaneus,

9

»

8-S resp. S-S + Kokken,

1

»

S-S -f Fäden resp. Streptokokken,

3

n

S-S resp. Diplokokken,

3

S-S resp. Staphylokokken,

1

1t

Kokken resp. bewegliche Stäbchen,

3

it

S-S -f- Kokken resp. bewegliche Stäbchen,

3

»

S-S resp. Koli,

3

»

S-S-f Koli,

1

n

S-S resp. Kokken,

1

ji

lange Bazillen resp. S-S-f- Koli,

2

ii

Kokken oder Koli,

1

V

Koli oder Streptokokken,

1

y>

Kokken oder negativen Kulturbefund,

8

7)

S-S oder S-S-f Koli,

2

»

S-S resp. S-S -f Streptokokken,

1

7i

Diplokokken resp. Diplokokken + Staphylokokken.

b) Es starb nur eine Maus in 74 Fällen, Die Kulturen er- gaben:

in 35 Fällen S-S,

„4 Kokken,

. 16 Koli,

« 6 S-S + Kokken,

„2 Streptokokken,

„2 bewegliche Stäbchen,

, 1 , S-S-f Koli.

In acht Fällen blieben die aus der gestorbenen Maus an- gelegten Kulturen steril.

c) In 30 Fällen starben beide Mäuse überhaupt nicht.

In 97 Fällen (= 34 ^/o) erhielt man also aus den Mäusen keine Schweineseuchekulturen, und in weiteren 20 Fällen mußten die Schweineseuchebakterien erst aus den Mischkulturen isoliert werden.

In vielen Fällen schienen die Kulturen nach 24 stündigem Wachstum Schweineseuchebakterien in Reinkultur zu enthalten, nach einigen Tagen waren jedoch aus dem Kondenswasser auch noch andere Keime an dem Agar in die Höhe gewachsen, die sich bei näherer Untersuchung meistens als gramfeste, sonst sehr spärlich auf Agar wachsende Diplokokken oder kurze Streptokokken heraus- stellten.

100

Noch ungünstiger für die bakteriologische Diagnose fielen die direkten Kulturversuche aus den 283 Lungen aus. Die Kulturen ergaben

in 15 Fällen reine S-S,

„41 Staphylokokken,

4 Diplokokken,

3 Streptokokken,

72 SS + Staphylokokken,

„36 Kolibakterien,

y, 24 SS + Kolibakterien,

1 S-S + Koli + Kokken,

9 S-S + Diplokokken,

16 Koli + Kokken,

3 Koli 4- Diplokokken,

8 S-S -f- Pyocyaneus,

„11 bewegliche Stäbchen,

2 Pyoeyaneus,

2 bewegliche Stäbchen -|- Streptokokken,

8 S-8 + Streptokokken,

9 S-S + Fäden,

3 ^ bewegliche Stäbchen -f Kokken,

1 Koli 4- Streptokokken,

„In S-S + bewegliche Stäbchen,

8 blieben die Röhrchen steril.

In 130 Fällen (= 46 ^/o) erhielt man überhaupt keine Schweine- seuchebakterien in den Kulturen, und in 129 Fällen mußte man diese Keime erst aus Misclikulturen isolieren.

Ausstriche wurden aus 67 Lungen zwecks genauester Durch- musterung auf die verschiedenen vorhandenen Bakterienfomieii gemacht, und zwar wurde je ein Ausstrich mit verdünnter Ziehlscher Lösung und nach Gram mit Eosinnachfarbung behandelt.*) In den Ausstrichen wurden gefunden

in 30 Lungen nur ovoide Bakterien, „12 y, ovoide Bakterien und Kokken, „7 ovoide Bakterien und nicht gramfeste Stäbchen,

*) Bei dieser Gelegenheit will ich nicht verfehlen, an SteUe der leicht verderbenden Anilinwasser-Gentianaviolettlösung das jahrelang haltbare und vorzügliche Bilder gebende Karbolgentianaviolett zur Gramfärbung aufs wännsto zu empfehlen. Die im allgemeinen im Ausstrich sehr spärlich vorhandenen schweineseucheähnlichen Bakterien färbten sich sehr schwach, und das Aujro mußte sich erst sehr an diese Untersuchungen gewöhnen, um überhaupt etwa* wahrzunehmen.

161

in 8 Lungen ovoide Bakterien und nicht granifeste Stäbchen und Kokken, n i ^ Kokken,

,2 , (= 3%) ovoide Bakterien und Grips sehe Bazillen, ,2 ^ ovoide Bakterien, lange Bazillen und Kokken.

Der Fund von ovoiden Bakterien deckt sich nach meinen Unter- suchungen nicht immer mit Schweineseuchebakterien; unter diese Rubrik fallen auch die nach dem Kultur- und Impfergebnis in den JSchweineseuchelungen oft vorhandenen Kolibakterien und nicht gramfeste Kokken und Diplokokken.

Es wurde nur rein entzündliches, subpleural gelegenes Gewebe aasgestrichen, da wir ja wissen, daß die Gripsschen Bazillen in eitrigen und nekrotischen Lungenherden viel häufiger, wenn auch nicht stets, vorkommen. Strichen wir diese eitrig-nekrotischen Herde und daneben gelegenes rein entzündliches Gewebe aus, so fanden wir oft in ersteren viele und in letzterem gar keine Gripsschen Bazillen. Fast regelmäßig fanden wir Gripssche Bazillen in mit Gangrän behafteten Lungen, die sich der Schweineseuche zugesellen kann. In zwei Lungen fanden wir Hunderte von embolischen, klein- erbsengroßen Herden, die einmal durch den Gripsschen Bazillus und das andere Mal durch einen weißen Staphylokokkus hervor- gerufen waren.

Eine besondere Stellung nimmt die rein fibrinöse Form der Pleuritis und Perikarditis des Schweines ein. Obgleich diese Krank- heitsprozesse die akut verlaufenden Fälle von Schweineseuche begleiten, und man sonst bei den akuten Formen der Schweineseuche fast stets den Bacillus suisepticus aus den veränderten Teilen leicht züchten kann, konnte ich doch in 7 von 19 Fällen auch durch Ver- impfung des Fibrinbelages an Mäuse keine Schweineseuchebakterien züchten; in drei Fällen starben die Mäuse überhaupt nicht, und in den übrigen vier Fällen züchteten wir aus den Mäusen und in den direkt angelegten Kulturen Staphylokokken oder Diplokokken.

In den Fällen von negativem Beftind von S-S-Bakterien in den veränderten Teüen der chronisch schweineseuchekranken Schweine muß angenommen werden, daß die Zahl der Keime so gering war, daß sie in den zur Anlage von Kulturen und zur Impfting der Mäuse benützten Materialteilchen fehlen konnten. Da zur Impfung der Mäuse verhältnismäßig sehr große Materialstücke verwendet werden konnten, ist das bessere Ergebnis der Mäuseimpfung im Vergleich mit den Züchtungsversuchen verständlich, wenn die

Z«iUehrifi ffir Infektiomkrankheiteo. I, 2/3. 1 1

162

Virulenz der S-S-Bakterien noch so groß war, daß sie Mäuse zu töten vermochten. Der Nachweis der S-S-Bakterien in den Lungen chronisch schweineseuchekranker Schweine war dadurch erschwert, daß sich das Plattenverfahren, das die Aussaat großer Material- mengen ermöglicht, 2ur Züchtung der S-S-Bakterien schlecht eignet.

Abgesehen von den vorstehend erläuterten Schwierigkeiten der bakteriologischen Diagnose der chronischen Schweineseuche, ergaben sich aber noch andere Schwierigkeiten, die eine bakterio- logische Diagnose manchmal erschwerten.

Unter den vorstehenden Rubriken findet sich sowohl bei den Kulturergebnissen, als auch bei den Impfergebnissen neun- und acht- mal, also in etwa 3^/o der Fälle, die Angabe „S-S + Fäden." Mit diesen Fäden hat es seine eigene Bewandtnis. Als ich im März 1903 meine Arbeiten über Schweineseuche im Hygienischen Institut begann, machte michmeindamaligerChef, Herr Professor Dr. Oster- tag, auf die in Schweineseuchekulturen oft auftretenden Faden- bildungen aufmerksam und ersuchte mich, diese Fäden zwecks näherer Untersuchung zu isolieren. Ich habe dies nun oft ver- sucht, es ist mir jedoch niemals gelungen, weder durch den Tier- versuch, noch durch die Platte, so daß ich zuletzt zu der Ansicht kam, daß die Fäden nur eine Wuchsform der Schweine- seuchebakterien 'darstellen, und daß diese Fähigkeit der Fadenbildung eine besondere Eigenschaft bestimmter Schweineseuchestämme sei. Diese Fäden enthaltenden Kul- turen zeigten alle biologischen Eigenschaften des Bacillus suisepticus. Sie waren nicht gramfest, unbeweglich, bildeten Indol und vergoren weder Traubenzucker noch Milchzucker. Verzweigungen habe ich an den Fäden bei den eingehendsten Untersuchungen niemals fest- stellen können. Diese Fäden waren nicht etwa Involutionsformen, sondern zeigten sich schon, worauf besonders hingewiesen werden soll, in 24 Stunden alten Kulturen.

Auf diesen Umstand hat bezüglich anderer Keime zuerst Gamaleia hingewiesen; er fand, daß Gestaltänderungen mancher Bakterien auf der Höhe ihres Wachstums eintreten, die sich be- züglich der Lebenskräftigkeit von den normalen Formen nicht unterscheiden. In Übereinstimmung mit Gamaleia stellte auch ich fest, daß die Gestaltänderung, also in unserem Falle die Fadenbildung:, niemals im Tierkörper, und zwar weder in der Schweinelunge, noch im Mäusekörper, auftrat.

163

Die Fadenbildung fand sich wesentlich auf bestimmte Stämme beschränkt; sie trat sowohl auf gewöhnlichem, schwach alkalischem Fleischwasserpepton-Agar,. als auch in Bouillon auf. Eine besonders starke Fadenbildung konnte ich weder in der Bouillon, noch im Kondenswasser der Agarröhrchen nachweisen.

Die Eigenschaften der Fadenbildung behielten diese Stämme monatelang bei, so hat der Stamm „Neu-Lobitz", mit dem ich die meisten Untersuchungen ausgeführt habe, diese Eigen- schaft bis zum heutigen Tage, also etwa zehn Monate lang, durch die verschie- densten Tier- und Kultur- passagen hindurch behalten.

In den Ausstrichen aus solchen Kulturen zeigten sich neben kurzen ovoiden und mehr oder weniger lan- gen Stäbchen die Fäden in größerer oder geringerer Menge. Oft waren die Fä- den zu einem dichten Flecht- werk verfilzt. Wir konnten 50—60 II lange Fäden be- obachten. Am besten gibt

wohl die beigefügte Figur das Bild eines Ausstriches aus derartigen Kulturen \\ieder.

Ich wies schon darauf hin, daß die Fadenbildung schon nach 24 stündigem Wachstum und auf unseren gewöhnlichen Nähr- böden auftrat, so daß nicht etwa ein zufällig in seiner Alkalinität oder Azidität oder sonstigen Zusammensetzung veränderter Nähr- boden an diesen Wuchsformen schuld w^ar. Überhaupt neigt ja auch der Bacillus suisepticus ^onst wenig zu „teratologischen*' Wuchsformen, wie es in jüngster Zeit noch Maaßen hervorhob. Auch mir gelang es auf dem von Maaßen zur Erzeugung terato- logischer Wuchsformen empfohlenen Lithiumchloridagar nicht, bei allen sechs daraufhin untersuchten Schweineseucliestämmen be- sondere Wuchsformen zu erzeugen. Zwei Stämme reagierten. über- haupt nicht auf diesen Nährboden, und drei zeigten mehr länglich-

11*

Ausstrich .aus einer fadenbildendeu Schweine- seuchekultur.

164

blasige Formen, während ein Stamm unregelmäßige, zum Teil hantelförmige Formen aufwies. Verzweigungen des Bacillus sui- septieus, wie sie Maaßen abbildet, konnte ich auf seinem Nähr- boden nicht nachweisen. Auffallend war mir, daß die Kulturen sehr stark an dem Lithiumchloridagar hafteten und nur sehr schwer mit selbst starker Platinöse abzuheben waren.

Interessant an dieser Fadenform des Bacillus suisepticus war wieder die Analogie mit der menschlichen Influenza oder vielmehr dem Influenzabazillus. Schon im Jahre 1892 beschrieb Pfeiffer neben den echten Influenzabazillen diesen sehr ähnliche Keime, die sich von ersteren nur dadurch unterschieden, daß sie schon in 24 stündigen Blutagarkulturen lange Scheinfäden bildeten. Pfeiffer hielt diese Eigenschaft für ausreichend, um diese Bakterien mit dem Namen PseudoinfluenzabaziUen zu bezeichnen. Auch die Pseudo- influenzabazillen bilden konstant, auch bei Überimpfungen, Fäden in den Kulturen. In letzterer Zeit scheint man übrigens der An- sicht zuzuneigen, daß diese PseudoinfluenzabaziUen den echten Influenzabazillen zuzurechnen sind. Das Experiment am Menschen, um die menschenpathogene Eigenschaft eines Keimes zu beweisen, verbietet sich naturgemäß von selbst.

In einer glücklicheren Lage befindet man sich in dieser Hin- sicht bei tierpathogenen Keimen, und als Experimentum crucis für die Schweineseuchenatur unserer Fadenkulturen blieb uns der In- fektionsversuch an Ferkeln, wie wir ihn in den letzten Jahren mit allen zweifelhaften Kulturen geübt haben.

Im Januar 1905 züchtete ich auB der Lunge eines Ferkels aus Neu-Lobitz, die die typischen Veränderungen der chronischen Schweineseuche aufwies, so- wohl durch die direkte Kultur als auch aus mit Lungenstückchen geimpften Mäusen Kulturen, die neben längeren und kürzeren Bakterienformen Faden- bildung in besonders ausgesprochenem Maße zeigten. Biologisch verhielten sich diese Kulturen wie Schweineseuchebakterien.

Am 28. Januar 1905 wurden den Ferkeln 17 und 18 je 150ccm248tQndiger Bouillonknltur mittelst Sprayapparates inhaliert.

Ferkel 17 wurde am 17. Februar getötet und zeigte keine Organ- verändeningen und vor allem eine vollkommen gesunde Lunge.

Ferkel 18 verendete an demselben Tage an den Folgen einer Dann- erkrankung.

Im linken Herzlappen der Lunge zeigten sich drei erbsengroße bis doppel- erbsengroße, scharf umschriebene, nicht lufthaltige, graurote Herde, aus denen Fadenkulturen mit allen Eigenschaften der zur Infektion benutzten Kulturen gezüchtet werden konnten.

165

Am 5. April 1905 erhielt Ferkel 64 10 ecm 248tttiidiger Bouillonkultur von der vorstehenden, in der Zwischenzeit weitergezüchteten Kultur intrapulmonal in die rechte Lunge.

Ferkel 64 wird am 6. April 1905 tot im Stalle gefunden und zeigt bei der Obduktion eine dunkelrote derbe Hepatisation am rechten Herzlappen der Lunge und feine fibrinöse Beläge auf der rechten Lungen- und Rippenpleura. Im rechten Bmstfellsack befindet sich rötlich klare Flüssigkeit in geringer Menge. In Ausstrichen aus dem hepatisierten Gewebe zeigen sich ovoide und zum Teil bipolar gefärbte Bakterien in ziemlicher Menge.

Die Kulturen aus dem Exsudat, dem Fibrinbelag und dem hepatisierten (iewebe zeigten nach 24stUndigem Wachstum dieselbe Fadenbildung wie die znr Inhalation benutzten Kulturen.

Auch aus Mäusen, die mit hepatisierten Lungenstückchen geimpft worden waren, konnten Kulturen mit gleichen Eigenschaften gezüchtet werden.

Am 10- April 1905 erhielten Ferkel 65 20ü und Ferkel 66 100 ccm 24stündiger Bouillonkultur der aus Ferkel 64 gezüchteten Keime per in- halationem.

Ferkel 65 stirbt am 23. April 1905.

An den Lungen fanden sich graurote schlaffe Hepatisationen am unteren Rande des linken Zwerchfellappens, aus denen direkt die Fäden enthaltenden Kulturen gezüchtet wurden.

Ferkel 66 wird am 17. April 1905 tot im Stalle gefunden.

Am linken Herz- und vorderen Teil des linken Zwerchfellappens grau- rote und zum Teil rote Hepatisationen, die entzündeten Lungenteile sind mit einem mehr oder weniger dicken fibrinösen Belage versehen.

An der linken Lunge finden sich die unteren ^a ^^^^ Herz- und die untere Hälfte des Zwerchfellappens im Zustande der roten Hepatisation, die entzündeten Teile sind mit einem mehr oder weniger starken fibrinösen Belage versehen. Außerdem besteht noch eine Pericarditis fibrinosa.

Auch aus den l>ei dem Ferkel 66 gefundenen Lungenveränderungen wurden Kulturen gezüchtet, die die gleichen Eigenschaften zeigten wie die zur Injektion benutzten Kulturen.

Die Kultur schien also bei den Ferkeln 17 und 18 noch wenig pathogen zu wirken, da Ferkel 17 überhaupt keine spezifischen Lungenveränderungen aufwies. Durch die intrapulmonale Injek- tion des Ferkels (54 war die Pathogenität des Stammes viel stärker geworden, da sowohl Ferkel 64 als auch die später infizierten Ferkel <)5 und 0(5 an der typischen, teils akuten, teils chronischen Schweineseuchepneumonie erkrankten. Da ich last täglich mit Schweineseuche- oder Schweinepestmaterial in Berührung kam, so sind die vorstehenden Versuche an Ferkeln von Herrn Oberveterinär Dr. Grab er t ausgeführt worden, wo- für ich ihm auch an dieser Stelle meinen Dank ausspreche. Diese Versuche erbrachten für uns den stringenten Beweis, daß

16G

die Fadenbildung in den jungen Kulturen nur eine Wuchs- form des Bacillus suisepticus darstellt, die jedoch nur in Kulturen und nicht im Tierkörper auftritt. Da ich diese Fadenkulturen auch aus einem perakuten Fall von Schweineseuche züchten konnte, so scheinen sie in ihrer Eigenschaft von den chro- nischen Schweineseucheformen unabhängig zu sein, wie man dies zum Teil in analoger Weise von den Pseudoinfluenzabazillen an- nimmt.

DasResultat meiner Untersuchungen fasse ich folgender- maßen zusammen:

1. Bei der heute meist herrschenden chronischen Form der Schweineseuche ist ein negativer bakteriologischer Befimd nicht entscheidend, da der Nachweis des Bacillus suisepticus in etwa einem Drittel der chronischen Fälle nicht gelingt. In solchen Fällen ist der anatomische Befund und der Nach- weis der Infektiosität für die Diagnose entscheidend.

2. Einzelne Stämme des Bacillus suisepticus bilden in Kulturen, neben kürzeren Formen, lange Fäden und behalten diese Eigenschaft auch bei weiteren Überimpftingen auf Tiere oder künstliche Nährböden konstant bei.

Schweineseuche und Stallhygiene.

Von K. Erers,

Bezirkstierarxt in Waren.

Die große Begeisterung für die Rotlaufschutzimpfdng hat in den letzten Jahren eine merkliche Abkühlung dadurch erfahren, daß bei der weiten Verbreitung der Schweineseuche in manchen Be- ständen die chronische, während des Sommers geringen Schaden ver- ursachende Form derselben durch natürlichen Rotlauf oder durcli die Schutzimpfung in die akute, schnell tödlich verlaufende Form umgewandelt wurde. Dem praktischen Tierarzt ist diese Um- formung der chronischen Schweineseuche in die akute Form eine längst bekannte Erscheinung. Schwer aber kann sich der Besitzer der Schweine mit dieser Tatsache abfinden, und den Tierarzt trifft stets der Vorwnirf, er habe das Entgegengesetzte von dem er- reicht, was gewünscht wurde, er habe die Tiere, statt gesund zu erhalten, getötet.

An diesem Übel trägt aber nicht die Rotlaufimpfnng oder der natürliche Rotlauf, sondern der Charakter der überall herrschenden Schweineseuche die Hauptschuld. Während der Rotlauf mit Sicher- heit durch die Impfung besiegt wird, sind wir zurzeit nicht in der Lage, mit unseren Hilfsmitteln die Schweineseuche sicher wirksam zn bekämpfen. Alle Sera, mögen dieselben noch so viele Stämme enthalten und in den Laboratorien noch so sicher wirken, lassen in der Praxis in vielen Fällen im Stich und bringen sowohl den Tierarzt, wie den nach Hilfe sich sehnenden Landmann oft in eine verzweifelte Lage. Durch die Erfolge der Rotlaufimpfung ver- wöhnt, erfahren wir bei der Schweineseuchetilgung, daß wir hier noch weit von einem ähnlich wirkenden Mittel entfernt sind.

Wenn ich es wage, meine, seit einer längeren Reihe von Jahren in Mecklenburg gemachten Erfahrungen über die vorAvürfige Frage hier darzutun, so geschieht dies, um in der von mir eingeschlagenen

168

Richtung zu weiterer Forschung anzuregen*) und die selten und stets recht schüchtern erwähnte Frage nach einer prädisponierenden Ursache für das Zustandekommen der Schweineseuche zur Be- urteilung den Tierärzten vorzulegen.

Nach meiner Meinung ist für das Zustandekommen der enormen Verbreitung und für die Sch^^ierigkeiten der Tilgung der Schweine- seuche eine durch die hygienisch höchst mangelhafte Bauart der Schweineställe geschaffene prädisponierende Ursache verantwortlich zu machen. Diese prädisponierende Ursache besteht

1. in dem während der Wintermonate in den modernen Schweineställen stets vorhandenen hohen Feuchtigkeitsgehalt der Luft,

2. in der durch die feuchte Luft und das Liegen auf kaltem Zementfußboden geschaffenen Möglichkeit zur Erkältung:.

Es ist nicht zu leugnen, daß die Schweineseuche in ihrer heutigen Form eine moderne Krankheit darstellt, die vor 40 Jahren kaum bestanden hat oder aber in so geringer Ausdehnung be- stand, daß von einer Seuche im heutigen Sinne sicherlich nirgends gesprochen werden konnte. Vielfach hob man sich in früherer Zeit wohl auch mit dem Trostworte „die Ferkel hatten keine Art'* über die Ursache hinweg. Andrerseits wird jeder praktische Tier- arzt, besonders derjenige, der Landpraxis ausübt, Bestände kennen, die trotz aller Einführung neuer Zuchttiere, dennoch von der Seuche verschont bleiben oder in so geringem Maße unter ihr leiden, daß von einer Seuche auch heute kaum die Rede sein kann. Ja, in den alten, mit Stroh oder Rohr gedeckten Ställen der Bauern und Tagelöhner ist in den meisten Fällen, wenigstens in meiner Praxis, fast keine Schweineseuche zu finden.

Im Laufe der Zeit wurden diese Ställe aber immer seltener, und an ihre SteUe traten moderne Bauten der wunderlichsten Art. Da ich die Hauptschuld des starken Umsichgreifens der Seuche lediglich auf die moderne hygienisch höchst verwerfliche Bauart der

*) In diesem Sinne betrachte auch ich die Mitteilungen von Ever8 als wertvoU. Zweifellos begünstigen feuchte und kalte »Ställe einen schweren Ver- lauf der Sohweineseuche. Deshalb habe ich auch in der vorjährigen Februar- sitzung des Seuchenausschusses der deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (vgl. Mitteilungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft 1905, Stuck IS) auf entsprechende hj'gienische Abwehrmaßregeln (Warmhaltung, Einlegung von Holzpritschen) hingewiesen. Ostertag.

- 169

Schweineställe zurückführe, möchte ich nun den Unterschied zwischen froher und jetzt, die Bauart der alten und neuen Schweineställe schildern.

Die alten, heute nur noch sehr selten anzutreffenden Schweineställe sind, entgegen den modernen Ställen, ohne be- wußte Rücksicht auf Grundsätze heutiger Hygiene gebaut. Es herrschte früher eben noch kein System der Hygiene. In einer Hinsicht bestand aber tatsächlich eine natürliche, bei unseren modernen Bauten nicht annähernd erreichte Hygiene in bezug auf Schweine- seuche. Die Bauart w^ar gewissermaßen ein Erbteil vom Vater, der genau so gebaut hatte, wie die voraufgegangenen Generationen. In den meisten Fällen waren die Umfassungsmauern aus Fachwerk mit gebrannten Ziegeln, oder aber es wurde statt der Ziegelsteine Lehmschlag verwendet; nicht selten sah man auch die Wände aus Felsen aufgerichtet. Der Fußboden bestand aus Holzstangen. Die einzelnen Buchten \\Tirden durch hölzerne Scheidewände gebildet. Auch die Futtertröge bestanden aus Holz. Die Decke wurde durch ca. 10 15 cm starken Lehmschlag gebildet oder bestand aus Lehmeinschub („Kiemstaken*'), d. h. aus Holzstäben, um die Stroh mit Lehm gemischt gewunden war, und diese Lehmholzstäbe wurden zwischen zwei Balken dicht zusammen geschoben. Über der Decke wölbte sich das ziemlich hohe Strohdach. Der Raum oberhalb der Decke wurde niemals anders als zur Aufbewahrung von Streustroh verwendet. Eine Schweineküche befand sich niemals in unmittel- barer Nähe des Stalles, vielmehr wurden die Kartoffeln stets im Hause gekocht. Künstliche Luftzufuhr oder Entlüftungsvorrichtungen fehlten vollständig, auch die Beleuchtung war in den meisten Fällen äußerst mangelhaft.

Mit dem Fortschreiten der medizinischen Wissenschaft, be- sonders der Veterinärpolizei, wurde über diese alten Ställe, in denen wohl Rotlauf auftrat, in denen aber sonst die Tiere im Sommer stets kühl, im Winter warm untergebracht waren, der Stab gebrochen.

Zuerst wurde, und mit Recht, ein undurchlässiger Fußboden geschaffen, durch den ein sicherer Abfluß der flüssigen Exkremente herbeigeführt und eine dauernde Infektion des Stalluntergrundes verhindert werden konnte. An Stelle der hölzernen Buchten und Tröge traten Zementwände und Zementtröge; auch wurden vielfach Sandsteintröge und in neuester Zeit glasierte Tonschalen verwendet. Die Außenwände >^Tirden fast nur noch in massivem Ziegelsteinbau

170

ausgeführt, und nur ausnahmsweise ist Felsen verwendet worden. Nicht selten wird noch eine Lehmdecke angetroffen, in den meisten Fällen jedoch mußte dieselbe dem Mauersteingewölbe weichen, das zwischen Holz oder Eisenbalken oder auch als vollständiges Gewölbe konstruiert wurde. Durch diese undurchlässige Decke wurde der durchdringende Geruch des Schweinestalles von dem darüber liegen- den Bodenräume abgehalten, und dieser konnte nun in den meisten Fällen als Getreideboden eingerichtet werden. Als Dach ver- wendete man in dieser Zeit fast ausschließlich gebrannte Dachziegel oder Schiefer. Mit der festen, feuersicheren Bedachung wurden auch die Schweineküchen aus dem Wohnhause in die unmittelbare Nähe des Stalles verlegt, und es wurde das Kochen der Kartoffeln in eigenen Apparaten (Dämpfern) ausgeführt. Sehr bald machte man aber die Beobachtung, daß in diesen, ganz von Steinen umgebenen Räumen eine Zu- und Abführung von Luft notwendig sei. Deshalb wurden meistens horizontale Öffnungen in der Außenmauer unmittelbar unter der Decke angebracht. Die Einführung von Luftschächten >\Tirde allen Forderungen rationeller Hygiene zum Trotz, wohl weil die Bauausführenden eine Ventilation in Tierställen nicht für erforderlich erachteten beim Bau meistens unterlassen oder erst später unter erheblichen Kosten ausgeführt.

Da sich in diesen Ställen sehr bald in den Wintermonaten stark feuchte Wände bildeten, und trotz peinlicher Reinigung die Schimmelbildung an den Decken und Wänden überhand nahm, so kam man zu einer dritten Bauart.

Zur inneren Einrichtung des Stalles wurden nur noch Zement und Eisen verwendet. Die Stalldecke kam vollständig im Fortfall, und über die sehr niedrig gehaltenen Stallwände wurde sofort das Dach gelegt. Das Dach bestand ausschließlich aus Dachpappe, die auf Schmalbrettem ruhte, unter denen, etwa 10 15 cm tiefer, eine undurchlässige Zement- oder Gipsdecke befestigt \\Tirde. Zur Abführung der schlechten Stalluft ^\Tirden die Muirschen Luft- schächte in ausgiebigster Weise verwendet. Daneben findet man jetzt sowohl horizontale WandventUation als auch eine regulierbare Ventilation in der Länge der Daclifirst. Die Schweineküche w^urde natürlich in unmittelbarer Nähe des Stalles angelegt.

Seit einigen Jahren trifft man vielfach eine Heizung des Raumes, besonders des Zuchtstalles, in dem die Mutterschweine mit den Ferkeln liegen. Ferner findet man, um die jungen Tiere

171

vor Erkältung zu schützen, den größten Teil der Buchten jetzt mit Holzpritschen abgelegt.

Trotz Heizvorrichtung und Ventilation in den verschiedenen Arten sind diese Ställe aber feucht und kalt und zeigen den hohen Feuchtigkeitsgehalt der Luft durch eine starke Schimmel- bildung an der Decke und den Wänden an.

In demStreben nach möglichster Dauerhaftigkeit hat man sichsogar dazu verstanden, das Dach und die Decken von Schweinestallungen aus Wellblech herzustellen. In der neuesten Zeit werden vielfach, weil die Ställe der dritten Periode mit Recht als unpraktisch an- gesehen werden, wieder Ställe mit Lelimdecke und Pappdach gebaut.

Neben diesen drei Bauarten von Schweineställen gibt es natür- lich eine Menge von Kombinationen. Besonders häufig findet sich neben dem Stall der zweiten Periode (d. h. Stall mit Lehmdecke, Bodenraum und Steindach) ein Stall der dritten Periode (d. h. ohne Bodenraum und mit Pappdach) angebaut. Nur in einem Falle ist mir eine Kombination zwischen einem Stall der ersten Periode (d. h. Stall mit Lehmdecke und Strohdach) und der neuesten Bau- art (d. h. Stall mit Lehmdecke, Bodenraum und Pappdach) ohne irgendwelche Ventilation zu Gesicht gekommen.

Bevor ich auf die Qualität der Stallungen der einzelnen Bau- perioden eingehe, möchte ich mein Urteil dahin abgeben, daß diejenigen Ställe die besten und gesündesten sind, die leicht zu reinigen sind (d. h. einen undurchlässigen Fuß- boden besitzen) und eine möglichst natürliche Ventilation haben.

Um dieses Urteil näher zu begründen, will ich, abgesehen von der leichten Reinigung des undurchlässigen Fußbodens, was sich von selbst versteht, auf die Verhältnisse der natürlichen Ven- tilation,' besonders auf die Porosität der verschiedenen Bau- materialien, näher eingehen.

Unter natürlicher Ventilation versteht man den Luftausgleich, der, abgesehen von zufälligen Spalten und Undichten, sowie von Fenstern und Türen, durch die Wände und die Decke stattfindet. (Dammann*).

Meines Erachtens muß man bei Tierstallungen unter allen Um- ständen die natürliche Ventilation als das beste Mittel des Luft-

*) Gesundheitspflege der landwirtschaftlichen Haussäugetiere, 3. Auflage, S. 686.

172

ausgleichs bezeichnen und dahin streben, dieselbe in denkbar weitestem Maße herzustellen.

Im Sommer ist es natiirlich leicht, durch Öffnen der Türen und Fenster die natürliche Wandventilation entbehrlich zu machen. Im Winter aber, während dessen das schädliche Eindringen kalter Luft vermieden werden muß, ist man fast ganz auf die natürliche Venti- lation angewiesen, deren Vorzug es ist, daß sie den Zutritt der Luft durch Verteilung auf eine große Fläche verlangsamt und hier- durch die Entstehung von Zugluft verhindert, gleichzeitig aber die Luft im Innern der porösen Wandungen vorwärmt und den Austritt der warmen und mit Kohlensäure, Wasserdampf und anderen Ausscheidungsprodukten beladenen Stalluft durch die Decke auf die einfachste Art begünstigt.

Die natürliche Ventilation durch Umfassungsmauern und Decken ist, wie bekannt, abhängig von der Porosität des Materials, aus dem die Umfassungsmauern und Decken gefertigt sind. In dieser Hinsicht bestehen zwischen den verschiedenen Materialien erheb- liche Verschiedenheiten. Dammann (a. a. 0. S. 623) hat als durch- lässigstes Material bezeichnet

Kalktuffstein. Darauf folgen mit geringerer Permeabilität:

Fichtenholz im Querschnitt,

der als Bindemittel benützte, aus einem Teil Kalkbrei und

zwei bis vier Teilen Sand bestehende Luftmörtel, schwach gebrannte Ziegel, stark

unglasierte Klinker, Portland-Zement, Sandstein,

Eichenholz im Querschnitt, Gipsguß, endlich glasierte Klinker.

Meiner Erfahrung nach ist das poröseste Baumaterial der trockene Lehm. Wenn heute der Lehm seiner geringen Haltbarkeit wegen zur Ausfuhrung von größeren Bauten nicht mehr verwendet wird, so glaube ich, daß dies zu Unrecht geschieht: denn ich kenne sehr alte, aus Lehmschlag hergestellte Gebäude, die, trotzdem zu ihrer Erhaltung nichts getan wurde, doch viel jüngere Bauten überlebt haben. Wenn diese alten Gebäude all-

173

jährlich für ein billiges Geld repariert würden, dann würden sie viele jüngere Generationen zu Grabe tragen sehen.

Der Lehm ist aber ein unentbehrliches Material zur Herstellung der Stalldecken, weil seine Porosität die natürliche Ventilation in fast vollkommen genügendem Maße bewirkt*. Der trockene Lehm besitzt eine so starke Permeabilität für Luft, daß der Abzug der verunreinigten und erwärmten Luft ausschließlich durch die Decke erfolgen kann, während die Seitenwandungen des Stalles für die Zufuhr frischer, durch die Wand vorgewärmter Luft dienen. Nur wenn in Unkenntnis der Wichtigkeit der Deckenventilation un- mittelbar über die poröse Stalldecke eine undurchlässige Gips- oder Papphaut gelegt wird, ist die Deckenventilation unterbunden. Die Lehmdecke kann sich in diesem Falle der aufgenommenen schlechten Luft mit ihrem Gehalt an Wasserdampf nicht entledigen und ver- schlammt.

Durch die Herstellung einer undurchlässigen Decke gehen sämtliche Vorteile des porösen Baumaterials verloren, und es leidet darunter auch die Haltbarkeit des Gebäudes. In solchem Falle ist man allein auf die künstliche Ventilation angewiesen, die im Schweinestalle günstigstenfalls nur einen schwachen Ersatz für die natürliche Ventilation schaffen kann.

Ebenso wie eine nicht durchlässige Decke, ist aus den nämlichen Gründen jeder nicht poröse Putz oder Anstrich (z. B. Ölfarben- oder Wasserglasanstrich) der Wände innen oder außen als unzweck- mäßig zu bezeichnen.

Beiläufig sei bemerkt, welchen Einfluß die Witterung auf die Ventilation des Stalles ausübt. Pettenkofer sah an einer Stall- wand aus Backsteinen an einem Regentage nur 1,68, an dem darauf folgenden trocknen Tage dagegen 2,83 cbm Luft pro Quadrat- meter durchdringen. Daraus ergibt sich auch, daß gebrannte Ziegel- steine die aufgenommene Feuchtigkeit schnell wieder abgeben und dadurch die ursprüngliche Ventilationsfähigkeit rasch wieder erlangen.

Dies über die Porosität der Baumaterialien vorausgeschickt, dürfte sich manche Erklärung über die Güte und Mangelhaftigkeit der Schweinestallbauten in den verschiedenen Bauperioden ergeben.

Abgesehen von dem Mangel eines undurchlässigen Fußbodens, dürfte der alte Stall aus Lehm oder Stein mit Mörtelverbindung und mit Lehmdecke oder Strohdach die vorzüglichsten Eigenschaften besitzen. Selbst bei Verwendung von Felsen zur Herstellung der

174

Umfassungsmauern vnri die geringe Permeabilität dieses Materials durch die vollständig durchlässige Lehmdecke, und erst recht durch das durchlässige Rohrdach, zum Teil ausgeglichen. Man bemerkt allerdings in solchen Ställen, daß sich häufig Feuchtigkeit nieder- schlägt, die nicht von außen in den Stall kam, sondern kondensierte Stallfeuchtigkeit ist, die sich an der nur durch den Mörtel ven- tilierten, sonst undurchlässigen und kalten Wand abgesetzt hat.

Die Zufuhr frischer Stalluft erfolgt, außer von außen, in vielen Fällen in der Hauptsache von den Nebenräumen aus, die mit dem Schweinestall in Zusammenhang stehen. Deshalb trägt auch wesentlich zum guten Funktionieren der Ventilation der Lehmdecke das Fehlen der Schweineküche bei. Durch das Kochen der Kartoffeln wird eine große Menge Wasserdampf erzeugt, der, wenn er in den kühleren Stall kommt, sofort von der trocknen Lehmdecke an- genommen wird, diese feucht und hierdurch undurchlässig macht. Denn alle mit Feuchtigkeit erfüllten Baumaterialien sind ftir Luft impermeabel.

Die trockne, sehr poröse Lehmdecke der alten Stallbauten der ersten Bauperiode nahm alle schlechte Luft der Ställe in sich auf und gab sie an den darüber liegenden Dachraum ab, der sich ihrer wieder durch das poröse Rohr- oder Strohdach entledigte. Natürlich konnte der Raum oberhalb des Schweinestalles nicht zur Aufbewahrung von Rauhfutter verwendet werden, weil dieses durch den penetranten Schweinegeruch jeden Futterwert verloren hätte. Aus diesem Grunde wurde jener Raum auch ausschließlich zur Aufbewahrung von Streustroh verwendet.

Eine wesentliche Verschlechterung erfuhr der Schweinestall in der zweiten Bauperiode, als das Rohrdach durch gebrannte Ziegel oder Schiefer ersetzt und fast überall die Schweineküche in un- mittelbare Verbindung mit dem Schweinestall gebracht wurde.

Durch die starke Entwicklung von Wasserdampf in der Schweine- küche wurde innerhalb weniger Tage die poröse Lehmdecke feucht, verschlammt und dadurch undurchlässig für Luft. Als sichtbare Folge zeigte sich oft schon in 8—14 Tagen eine starke Schinunel- bildung an der Decke und an den Wänden, die immer von dem Eingang zur Schweineküche ausging und sich innerhalb kurzer Zeit über den ganzen Stall ausbreitete. Die Schinmielpilze sind, da sie nur auf feuchten, mäßig warmen Medien wachsen, ein natür-

175

licher Indikator fiir übergroße Feuchtigkeit und ungenügend warme Stallungen.

Aber auch dann, wenn die Lehmdecke stellenweise noch nicht verschlammt war und noch funktionierte, trat eine mittelbare Störung der Ventilation durch das dichte Ziegel- oder Schieferdach über dem Bodenraum ein und führte zu abnormem Feuchtigkeitsgehalt der Stalluft. Durch die zwischen Eisen oder Holz gewölbten Decken \mrde die Deckenventilation fast vollständig aufgehoben, und die natürliche Folge war eine Versotlechterung der Stalluft und als deren sichtbares Zeichen eine enorme Schimmelbildung. Bei den Ställen mit gewölbter, undurchlässiger Decke ist daher nur eine künstliche Ventilation möglich.

Noch nachteiliger waren die Ställe der dritten Periode, bei denen Dach und Decke zusammenliegen, durch ihre ungewöhnlich kühle Beschaffenheit während des Winters. In diesen Ställen ist von einer natürlichen Ventilation gar keine Rede, da sich unmittelbar unter der hermetisch dichten Papphaut die fast ebenso dichte Zement- oder Gipsdecke befindet. Außerdem ist diese Decke auch stets den Schwankungen der Außentemperatur ausgesetzt und da- her im Winter kalt und im Sommer warm. Die notwendige Folge davon ist, daß sich bei einer Außentemperatur, die unter der Tem- peratur des Stalles liegt, sofort die mit Wasserdampf gesättigte Stalluft an der Decke zu Tropfen kondensiert, die, wenn sie eine gewisse Größe erlangt haben, in den StalJ niederfallen. Bei diesen Ställen findet man außerdem stets eine sehr niedrige Außenmauer aus Mauersteinen, die oft kaum die Höhe von 2 m erreicht. Ferner ist der größte TeU der Innenwand (fast ^Z^), da die innere Ein- richtung fast ausschließlich aus Zement und Eisen besteht, noch mit einer undurchlässigen Zementschicht verputzt. Hierdurch vdri die natürliche Zufuhr frischer, durch die Außenwand angewärmter Luft auf ein Minimum herabgesetzt. Bei Regenwetter hört namentlich dann, wenn durch den Mangel von Wasserrinnen am Dache, die Wände stark feucht gehalten werden, sogar jede Spur von natür- licher Zuftihr frischer Luft auf. Man ist also vollständig auf die künstliche Zu- und Abfuhr der Luft angewiesen. Die künstliche Zufuhr frischer Luft geschieht durch die Fenster und Türen und in der Regel noch durch unmittelbar unter der Decke angebrachte Rohren. Da nun aber im Winter Fenster und Türen geschlossen gehalten werden, so erfolgt die Hauptznfuhr der Luft durch die

176

horizontalen Lüftungsröhren unter der Decke. Diese Luftzufuhr hat aber den Nachteil, daß sie nur wirkt, wenn der Wind auf die Röhren drückt. Bei Windstille versagt diese Ventilation. Andererseits entsteht bei jedem heftigen Winde Zugluft, und es wird dadurch die Temperatur des Stalles, je nach der Temperatur der mit Ge- walt in den Stall getriebenen Luft, erniedrigt. Die energische Ein- strömung der kalten Außenluft in die warme Stalluft unmittelbar unter der Decke hat aber mit der raschen Abkühlung auch eine rasche Kondensation d#s vorhandenen Wasserdampfes zur Folge und ruft eine starke Befeuchtung der Decken und Wände hervor.

Viel empfehlenswerter ist daher die seltener anzutreffende Luft- zufuhr durch in der Mauer gelegene Z-Kanäle. Hier dringt die Luft an der unteren Außenwand ein, steigt in der Wand empor, um an der oberen Innenwand in den Stall zu münden. Hierdurch wird der Eintritt der Luft verlangsamt, die eingeführte Luft vor- gewärmt; es kommt nicht zur Zugluft und auch nicht zu starker Benässung der Decke.

Wenn auch die Zufuhr von frischer Luft durch Z-Kanäle ge- schieht, so ergeben sich doch Schwierigkeiten durch die Art der Abfuhr der verbrauchten Luft durch die Dachventilationen, die allgemein nach Muirschem und Kinnelschem System angebracht sind. In der Theorie sind beide Ventilationssj^steme recht gut, und ich will auch durchaus nicht verkennen, daß diese Apparate auch in der praktischen Anwendung Gutes leisten können. Nach meinen Erfahrungen lassen aber beide Systeme bei der Ventilation großer Räume oft im Stich. Im Winter findet häufig statt einer Abftihr verbrauchter Luft nur eine rasche Zufuhr kalter Luft in den Stall statt. Diese kalte Luft kondensiert aber sofort die warme Stall- luft, und es kommt zu einer starken Benässung der Decke. Das Kondensationswasser aus den meistens aus Holz angefertigten Lutt- schächten könnte aufgefangen und unschädlich abgeführt werden. Die dauernde Benässung der Decke kann aber nicht beseitigt wer- den und fährt zu einer Zerstörung der Decke und Balken.

Zum Beweise für die Schädlichkeit der modernen Schweine- stallungen will ich einige Beispiele anführen:

In N. bestand eine ca. 100 Tiere aufweisende Schweinezucht Der Stall war ein Fachwerkbau mit Lehmdecke und Strohdach. Der Bodenraum wurde zur Aufbewahnmg von Streustroh verwendet. Der Fußboden war mit Mauersteinen ausgelegt. Die Schweineküche befand sich im Wirtschaftshausc.

177

Die Schweinezucht machte durchaus keine Schwierigkeiten. Wenn auch hin und wieder ein Ferkel aus unbekannter Ursache starb, so war doch ein irgendwie erheblicher Verlust nicht zu verzeichnen. Im Jahre 1891 wurde dieser Stall zum größten Teil abgerissen, weil er baufällig war, und es wurde an den Rest des alten Stalles ein Stall (ohne Bodenraum) mit Gipsdach und Pappdach frebant. Die Schweineküche mit Kartoffeldämpfapparat wurde in die Mitte «ies Stalles verlegt. Oleich im ersten Winter trat eine starke Schimmelbildung an den Wänden und der Decke ein, und es starben ca. 30 bis 40% Ferkel im Alter von drei bis sechs Wochen. Anfangs glaubte man, der feuchte Stall und die Schimmelbildung würden mit dem Austrocknen der Wände in späteren Jahren aufhören. Da im Laufe der Jahre die Verluste aber immer stärker wurden, so versuchte man in den Jahren 1902 und 1903 die Impfung mit polyvalentem Serum an eintägigen Ferkeln. Die Impfung wurde aber auf- gegeben, weil keine Besserung eintrat und auch Schweinepest festgestellt werden konnte. Während auf dem Hofe die Ferkel in größerer Anzahl »tarben, hatten die Tagelöhner in ihren alten, halbverfallenen Strohdachställen dnrcfaans keine Verluste. Im Jahre 1895 wurden im Dorfe zwei neue Schweine- ställe gebaut. Natürlich wurden diese Ställe genau nach dem Prinzip des Hofstalles ohne Zwischendecke und Bodenraum errichtet. Sofort trat im Winter ein Kümmern der meisten Ferkel auf. Im Sommer konnte Aufzucht betrieben werden. Dieser Zustand ist bis heute derselbe geblieben. In den noch vorhandenen alten Ställen wachsen im Winter Ferkel, in den neuen Ställen nur im Sommer. Während in dem Hofstalle seit 1891 kein liotlauf vorgekommen ist, trat im Dorfe 1903 wiederholt in den neuen Stallungen diese Seuche auf. Die alten Ställe blieben auch von Rotlauf verschont.

In V. und W. befanden sich bis zum Jahre 1894 alte, verfallene Schweineställe im Anschluß an die Rindviehställe mit Rohrdach und Lehm- decke. Der Fußboden war zum Teil Holz, zum Teil sehr schadhaftes Mauer- Meinpflaster. Von Schweineseuche oder erheblichen Verlusten wurde nichts bemerkt 1894 wurden auf beiden Gütern neue, niedrige Ställe in Zement und Eisen, mit Gipsdecke und Papp- resp. Holzzementdach gebaut. Die Schweine- köche wurde in den Stall verlegt. Sofort im Winter 1894 bis 1895 traten ••»tarke Feuchtigkeit und Schimmelbildung auf. Die Ferkel kümmerten und starben von dieser Zeit an an Schweineseuche und -pest. Auch trotz undurch- lässigen Fußbodens und großer Sauberkeit kam wiederholt Rotlaufseuche in W. vor.

In X. wurde im Jahre 1892 ein neuer Stall gebaut. Der Stall war hoch, Inftig und hell. Fußboden und Buchten wurden aus Zement gefertigt, Futter- tröge aus glasierten Tonschalen. Decke aus Beton in Eisenkonstruktion, Muirsche Luftschächte und horizontale Deckenventilation. Die Mauern sind aus gebrannten Mauersteinen mit Luftschicht gebaut worden. In der Mauer wurden in Abständen von ca. 4 m Z-Kanäle angebracht Über dem Stall liegt ein ca. 2Va ni hoher Bodenraum mit Pappdach zum Aufbewahren von Getreide. Die Schweineküche liegt an der östlichen Stallseite. Von 1892—1900 herrschte «tarke Schimmelbildung und Feuchtigkeit, und es wurden ca. 60^/,, Ferkel- verluste im Winter bemerkt. 1900 wurden zwei Dauerbrandöfen im Winter in Betrieb gesetzt und der Zementfußboden der Mutterställe wurde mit Holz-

Zeltsebrift für Infektionskrankheiten. I, 8/3. 12

178

pritschen belegt, die Impfling der neugeborenen Ferkel mit poly^-alentem Serum seit 1903 eingeführt. Die Schimmelbildung hat nicht vollständig beseitigt werden können, auch kommen noch ca. 3— 10% Schweineseucheverluste vor.

In Y. Z. bestand seit 14 Jahren eine sehr gesunde Schweinezucht, und ea kamen Verluste unter den Ferkeln in sehr geringem Grade vor. In beiden Ställen waren hölzerne Buchten. Der sehr schadhafte Fußboden bestand aus Mauersteinen, die Wände waren aus roten Mauersteinen aufgebaut. Die Decke war Lehmstreckboden oder -Einschub. Über dem ganzen Schweinestall befand sich ein Lagerraum für Stroh und Kaff. Die Schweineküche war im Wirt- schaftshause. Durch Wechsel des Besitzers wurden beide Ställe umgebaut und der über dem Stalle gelegene Bodenraum zu einem Getreide- und Trocken- schnitzelboden umgewandelt. Damit der penetrante Schweinegeruch nicht schädlich auf das Getreide und die Trockenschnitzel wirke, wurde in beiden Ställen die untere Fläche der Lehmdecke mit Dachpappe benagelt Natürlich wurde nun auch die Schweineküche mit Kartoffeldämpfer in die unmittelbare Nähe des Stalles verlegt und direkt durch eine Tür mit diesem verbunden. In beiden Ställen wurden horizontale Wandventilation und vertikale Muireche Luftschlote angelegt Sofort mit Eintritt des Winters konnte nicht an einer Stelle der Wände oder Decke eine trockne Stelle gefunden werden, und überall zeigte sich der Freund der Feuchtigkeit, Schimmel, in üppiger Wucherung. An der Decke bildeten sich dichte große Wassertropfen, die fast wie ein Regen auf den Fußboden niederfielen. Da trotz fleißiger Lüftung und großer Anzahl von Ventilatoren die alten und jungen Tiere immer im Tropfenfall lagen, so wurde in Z. über die Ferkelbuchten Stroh in ca. 1 m Dicke gelegt Dieses Stroh war aber innerhalb von acht Tagen derartig verschimmelt und verfault, daß der Geruch im Stalle für die Leute nicht mehr zu ertragen war. Nach der Fertigstellung des neuen Stalles starb eine große Anzahl Ferkel. Anfang» waren die Verluste 30—40%, im nächsten Jahre aber schon 60—80%, und dies in Y. trotz Impfung.

In T. war ein alter, sehr defekter Schweinestall mit Mauersteinwänden, Lehmdecke und Ziegelsteindach, in dem die Schweinezucht recht gut gedieh. Beim Wechsel des Besitzers wurde der Schweinebestand durch Zucht (ohne Ankauf) vergrößert, so daß ein Anbau für die Zuchtsäue und Ferkel notwendig wurde. Dieser Anbau (mit Lehmdecke und Ziegelsteindach) wurde im Sommer 1900 ausgeführt und im Herbst bezogen. Wenige Wochen nach dem Beziehen des neuen Stalles trat eine starke Schimmelbildung an den feuchten Wänden und der Lehmdecke auf, und ca. .50% sämtlicher Ferkel gingen unter den Erscheinungen der Schweineseuche und -pest zugrunde. Im Sommer waren die Verluste erträglich. Als im Winter 1901/02 das Übel in noch stärkerem Grade auftrat, wurde auf mein Anraten ein großer Backsteinofen im Zuchtstall gebaut und morgens und abends geheizt. Die zu dünne Lehmdecke ^Tirde auf 10 cm erhöht und reichlich Stroh daraufgebracht. In die MutterstäUe wurden Holzpritschen gelegt,' und sämtliche Ferkel wurden innerhalb der ersten 24 Lebens- stunden mit je 4 ccm pol}^'alcntem Serum geimpft. Nachdem diese Behand- lung, sowohl der Tiere als des Stalles, eingetreten war, hörte die starke Schimmelbildung und auch die Schweineseuche auf. Und auch heute, nach dl ei Jahren, wo seit mehreren Jahren nicht geimpft worden ist, wohl aber öfters

179

Bchon neue Samentiere eingeführt wurden, ist nichts von Schweineseuthe zu sehen.

In 8. war ein großer Scliweinebestand von ca. 200 Tieren. Die Wände des Stalles sind aus Mauersteinen hergestellt, die Buchten sind aus Holz, der Fußboden aus Feldsteinen. Der Stall ist sehr hoch, luftig und hell, Ventilatoren bestehen nicht. Die Decke ist eine ca. 3 cm dicke Lehm- streckdecke. Über der Decke ist ein meistens leerer, hoher Bodenraum mit Pappdach. In diesem Stall herrscht im Winter eine große Kälte, so daß Futterrestc in den Trögen gefrieren. Die Wände, Decke und Buchten sind mit Sehimmelrasen bedeckt. Infolge der ca. 90 % betragenden Verluste an Ferkeln durch Schweineseuche und -pest wurde die Zucht in den Wintermonaten auf- j^egeben. Durch einen Vortrag, den ich in einem Verein über Schweineseuche hielt, wurde der zufällig anwesende Besitzer auf die Schädlichkeiten seines Stalles aufmerksam und baute einen neuen Stall. Dieser Stall wurde 1902 bis 1903 gebaut und im Herbst bezogen. Drei Wände sind aus Felsen, die vierte Wand wird durch eine Viehhauswand aus Mauersteinen gebildet Fußboden und Buchten sind aus Zement. Die Decke ist eine ca. 10 cm dicke Lebmstreckdecke. Oberhalb der Decke ist ein schräger Bodenraum mit Papp- dach, der Bodenraum wird zur Aufbewahrung von Streustroh benutzt. Dieser Bodenraum steht durch große Öffnungen an seiner östlichen Seite mit dem Bodenraum des Viehhauses in Verbindung. Eine Schweineküche besteht nicht im Stalle. Die Kartoffeln kommen in gedämpftem Zustande ans der Sl^ke- fabrik und werden ohne starke Wasserdampfbildung verfüttert Trotzdem in den Wintermonaten ,an den drei Außenwänden aus Felsen sich eine große Nässe bildet, ist im Stall und an der Decke keine Schimmelbildung. Diese Schimmelbildung müßte ganz besonders leicht in die Augen fallen, weil die ^nze Decke und sämtliche Holzbalken und Träger durch Anstrich mit Karbolineum dunkelbraun sind. Mit dem Beginn des Herbstes 1903 wurtle bis Sommer 1904 jedes Ferkel innerhalb der ersten 24 Lebensstunden mit 4 cm polyvalentem Serum geimpft. Die Zucht wurde von mir wiederholt ^nau inspiziert, bis heute aber kein schweineseuchekrankes Ferkel ermittelt. Ich kann versichern, daß ich im März 1905 noch 451 vier bis acht Wochen alte Tiere ohne irgend welche Krankheitserscheinungen gesehen habe, trotz- dem seit Frühjahr 1904 nicht geimpft wurde.

Erbpächter X. ließ seinen sehr baufälligen, mit Rohr gedeckten Schweine- stall, in «lern schon sein Urgroßvater gute Schweinezucht betrieben hatte, im Jahre 1902 zu dreiviertel abreißen und baute dafür aus Mauersteinen einen neuen Stall mit ca. 4 cm dicker Lehnidecke und Oberbau mit Pappdach. l>er Fußboden bestand aus Mauersteinen, die Buchten waren aus Holz. Der Stall war hell, künstliche Ventilation nicht vorhanden. Eine Schweineküche fehlte im Stall. Der Oberbau hatte nur eine Luke von außen, durch die Stroh zur Warmhaltung des Stalles oder der Decke getragen werden konnte. Ein Viertel des Stalles stand noch unter dem alten Rohrdach und hatte keinen Lehmstreckboden, sondern ca. 15 cm starken Lehmeinschub (Kiemstaken). Schon im Winter 1902 bis 1903, aber noch in weit größerem Maße im Winter 1903 bis 1904, zeigte sich in dem Neubau starke Feuchtigkeit durch starke Schimmelbildung an. Der alte, durch keine Scheidewand von

12*

180

dem neuen Anbau getrennte Stall ließ an der Decke und an den Wänden keine Spur von Schimmelbildung erkennen. Das auf dem Bodenräume de» Neubaues gelagerte Stroh war nicht einmal als Streustroh zu verwenden, weil es durch und durch verschimmelt war. Die unter der Papphaut liegenden Bretter sahen schon nach einem Jahre schwarzbraun aus. Natürlich trat in diesem Stalle, wo gewiß kein großer Wechsel an Samen- oder Zucht- tieren stattfand, schon im ersten Winter ein Kümmern und Husten der Ferkel ein, das im Jahre 1905 zur Feststellung der Schweineseuche führte. Nach Angabc des Besitzers soll in der alten Abteilung des Stalles nicht an- nähernd eine so große Anzahl Kümmerer unter den Ferkeln vorgekommen sein, wie im neuen Anbau.

Es würde den Umfang dieser Abhandlung unnötig vergrößern, wollte ich die Beispiele, deren Zahl ich auf etwa 60 erweitern könnte, einzeln schildern. Alle meine Erfahrungen stimmen darin überein, daß in einem Schweinestalle, in dem ein Kümmern der jungen Schweine infolge von Schweineseuche und -pest besteht, starke Feuchtigkeit und als deren Ausdruck Schimmelbildung an den Decken und Wänden herrschen.

Ohne es zu beabsichtigen, könnte ich in den Verdacht kommen, als wollte ich einen neuen Erreger der Schweineseuche (in Gestalt des Schimmelpilzes) an das Licht bringen. Mit nichten! Icli will gerne das offene Bekenntnis ablegen, daß ich früher der An- sicht war, Schimmelpilze seien das Ens morbi der Schweineseuche. Ich bedaure es lebhaft, diese meine Ansicht im Jahre 189s offen ausgesprochen zu haben. Ich muß heute gestehen, daß ich mich überzeugt habe, daß nicht ein Schimmelpilz, auch nicht der Bacillus pyogenes Grips die Ursache der Schweineseuche ist, sondern einzig und allein der Bacillus suisepticus.

Nach meiner Meinung aber sind sämtliche Schweineställe, in denen Schimmelpilze üppig wuchern, höchst ungesund und machen den Organismus der jungen Schweine (sowohl der Ferkel von 3 6 Wochen, als auch der Pölke [Läuferschweine] von G— 15 Wochen) so wenig widerstandsfähig, daß der Schweineseuchebazillus auf kei- nen Widerstand stößt und daher seine schädliche Wirkung ungehin- dert äußern kann. Der gesunde Körper überwindet die Infektion, der geschwächte, wenig widerstandsfähige Organismus wird von dem Infektionserreger überwunden.

Reine, möglichst trockene und richtig temperierte Stallnft ist nach meinen auf Beobachtungen der Praxis fußenden Fest- stellungen der größte Feind der Ursache der Schweineseuche, und

181

darauf basiert auch die große Frage der Milderung der Schäden dieser Seuche.

Reine, trockene und richtig temperierte Luft wird in unseren modernen Ställen nur in den Monaten geschaffen, in denen die Außen- luft wärmer ist als die Stalluft. In diesen Monaten mildert sich nach aller Erfahrung die Schweineseuche, und es heilen manche Krankheits- fälle aus. Die alten, oft' recht verfallenen Ställe mit Lehmdecke und dem verachteten Bohrdach waren infolge der eigenartigen natürlichen Ventilation, die die Zufuhr vorgewärmter Luft und die glatte Abfuhr des Wasserdampfes sicherte, auch im Winter trocken und warm. Der auf der Lehmdecke lagernde Strohvorrat ließ diese nie erkalten oder bewahrte sie doch vor den raschen Schwan- kungen der Außentemperatur. Das sehr poröse Rohr- oder Stroh- dach hielt jeden starken Temperaturwechsel ab und selbst dann, wenn es mit Schnee und Eis bedeckt war, funktionierte die Ab- führung der schlechten Luft aus dem Inneren des Gebäudes doch ununterbrochen. Lehmdecke und Rohrdach unterstützten sich so gewissermaßen gegenseitig.

Viel schwieriger wurde schon die Abftihr der durch die Lehm- decke dringenden Luft, als das Dach aus gebrannten Dachziegeln ge- bildet wurde. War das Dach trocken und warm, dann konnte ein größerer Luftausgleich erfolgen, niemals aber in dem Maße wie bei dem Rohrdache. War das Ziegeldach naß oder mit einer Eiskruste bedeckt, dann stockte die Luftzirkulation, es füllte sich der Boden- raum mit schlechter, feuchter Luft, die Lehmdecke konnte natür- Uch nichts abgeben, mußte verschlammen und dadurch vollkommen unfähig werden, als Ventilator zu wirken.

Das gleiche Unvermögen erlangte die Decke, als mit dem Einzug der Schweineküchen in den Schweinestall bei jeder Öflftiung der Tür heiße, mit Feuchtigkeit geschwängerte Luft in den Stall drang.

Die Zufuhr gesunder, auch vorgewärmter Luft ist im großen ganzen durch die Wände, die Undichtigkeit der Türen und Fenster viel leichter zu erzielen wie die Abfuhr der verbrauchten Luft. Dies sieht man zur Genüge in den Ställen mit gewölbter, undurch- lässiger Decke. Trotz oft reichlicher Ventilationsschächte nach Muir und Kinnel und auch trotz Kombination mit horizontaler Deckenventilation habe ich, bei aller Aufmerksamkeit, niemals einen

182

in Stein gewölbten Stall ohne Schimmelbildung zu Gesicht be- kommen.

Im wannen Rindvieh- oder Schafstall findet man niemals konden- sierte Tropfen an der Decke, und dort gedeihen die Ferkel vor- züglich. Würden diese Ställe nach Art der modernen Schweine- ställe gebaut, dann würden sie auch feucht und kalt sein. Aber zum Glück findet man, hauptsächlich aus praktischen Gründen, sehr selten Rinder- lind Schafställe ohne Oberbau.

Die Ställe der dritten Bauperiode, diejenigen, die eines Ober- baues ermangeln und über dem recht niedrigen Bau sofort das Pappdach aufweisen, sind ohne Ausnahme für die Aufzucht des Schweines, besonders im Winter, unbrauchbar und zu verwerfen. Aber auch die größeren Schweine fühlen sich in diesen Ställen nicht wohl und würden ohne Frage in einem warmen und trocknen Stall besser gedeihen und schneller an Gewicht zunehmen.

Nicht unerwähnt möchte ich die neuen, nicht vollständig aus- getrockneten Ställe lassen. Wiederholt habe ich, besonders in kleinen Wirtschaften, neugebaute und zu früli bezogene Ställe ge- sehen, in denen in den ersten zwei Jahren, sowohl im Winter wie im Sommer, starke Feuchtigkeit herrschte, und keine Ferkel groU wurden. Mit der Zeit trockneten die Wände und die Decke aus, die Schimmelbildung verschwand, und es trat eine Besserung im Gesundheitszustande der jungen Tiere ein. Der Felder dieser Ställe lag also nur in der mangelhaften Porosität der nicht ausgetrock- neten Wand und Decke und wurde mit eingetretener Trockenheit beseitigt (vorübergehende Erkrankung der „Trockenwohner").

Wie soll nun heute ein guter Schweinestall gebaut werden? Meines Erachtens sind bei der Errichtung eines Schweinestalles folgende hygienische Forderungen zu erfüllen:

1. Der Schweinestall muß hoch liegen. Der Untergrund darf nicht quellig und sumpfig sein, sondern muß eine natürliche Drainage haben.

2. Die Mauern müssen aus schwach gebrannten, recht porösen Ziegelsteinen mit Luftschicht aufgeführt werden. Zmschen das Fundament und die Mauer muß eine Isolierschicht von Pappe gelegt werden. Die Mauern dürfen nicht zu dünn sein und müssen eine Höhe von 3 bis 3\/.> m haben. Da

183

in einem größeren Stalle gewöhnlich eine verhältnismäßig zu große Anzahl Tiere untergebracht wird, so ist die Zufuhr von frischer Luft durch Z-Kanäle zu vergrößern. Diese Z-Kanäle beginnen an der Außenseite der Mauer ca. 1/2 ^ vom Fundament, steigen in der Luftschicht der Wand hoch und munden ca. ^Z, m unterhalb der Decke an der Innen- wand. Die Öfl&iung in der Außenwand wird durch ein durch- lochtes Zinkblech geschlossen. Durch diese Z-Kanäle wird der eintretende Luftstrom verlangsamt und durch die warme Wand vorgewärmt. Diese Z-Kanäle werden in Abständen von 2 bis 4 m angelegt. Die in den Wänden anzu- bringenden Fenster müssen genügend Licht in den Raum bringen.

3. Die Inneneinrichtung des Stalles kann aus Zementfiißboden, auch die einzelnen Buchten können aus Zementwänden her- gestellt werden.*) Die Ableitung der Jauche muß in ver- deckten, leicht zu reinigenden Kanälen geschehen. Die Kanäle müssen in gehöriger Entfernung vom Stall in einen Jauchebrunnen münden. Für Muttertiere und Ferkel werden in die Buchten Holzpritschen, die von Zeit zu Zeit heraus- genommen und gereinigt werden können, eingelegt. Die Absatzferkel und Pölke werden in Läuferställen unter- gebracht, in denen der Fußboden 20 cm hoch mit trocknem Sand angefüllt ist. Dieser Sand wird je nach dem Grade der Verunreinigung entfernt und durch neues Material ersetzt.

4. Die Schweineküche kann in unmittelbarer Nähe des Stalles angelegt werden, doch muß dafür Sorge getragen werden, daß die in der Küche entstehenden Wasserdämpfe nicht in den Stall dringen. Während des Dämpfens der Kartoffeln müssen die zum Stall führenden TiLren geschlossen werden und dürfen nicht früher geöffnet werden, bis die aus dem Dampfapparat entfernten Kartoffeln abgekühlt sind. Dies wird am besten geschehen, wenn die Kartoffeln für den nächsten Tag abends gedämpft werden und in der Nacht ab- kühlen. Die Fütterung stark qualmenden Futters ist

*) Nach meinen Erfahrungen ist das beste StaUbodenmaterial Klinker, <ter mit Zement verfugt wird. Ostertag.

184

strengstens zu verhüten. Die Fütterung leicht angewärmten Futters im Winter ist ohne Zweifel besser, als der Import großer Mengen Wasserdampf in den Stall. Will man von dem guten Willen des Schweinefütterers nicht abhängig sein, so lasse man keinen direkten Eingang von der Schweineküche in den Stall bestehen. Die äußere Einganp:s- tür zum Stall, die vielfach auch zur Entfernung des Düngei-s verwendet wird, muß einen 1 bis 2 m tiefen Vorbau haben, damit keine kalte Luft direkt in den Stall strömen kann.

5. Die Stalldecke muß unter allen Umständen aus Lehm her- gestellt werden und 10 bis 15 cm dick sein. In den meisten Fällen wird man eine Lehmstreckdecke dem Lehni- einschub (Kiemstaken) vorziehen. So schön eine weiße Decke auch für das Auge ist, so leicht täuscht aber die weiße Farbe und entzieht die sich bildenden Schimniel- rasen der Beobachtung. Ich empfehle, die Decke, Balken und Ständer, soweit dieselben aus Holz angefertigt sind, zur Konservierung des Holzes einmal im Jahre mit Karbolineum zu streichen. Vorzüglich hat sich zum An- streichen mit Karbolineum (aber auch zum Ausweißen und Desinfizieren) die von der Firma Adolf Stephan, Nachfolger in Scharly in den Handel gebrachte Anstreichmaschine ,,FLx Herkules*' bewährt.

Oberhalb der Decke muß ein wenigstens 2 m hoher Oberbau vorhanden sein. Um ein Erkalten der Decke im Winter zu ver- hindern, ist es am vorteilhaftesten, diesen Raum zur Aufbewahrung von Stroh zu benutzen.

Muß dieser Raum [zur Aufbewahrung von Getreide, Trocken- schnitzeln etc. benutzt werden, so ist zwischen Lehmdecke und Fußboden ein mindestens 20 cm hoher, leerer Raum zu lassen, aus dem die durch die Lehmdecke gedrungene Luft durch Ventilatoren entfernt werden kann. Sehr praktisch ist es auch, wenn in die Lehmdecke unglasierte, gebrannte Rohre (Drainrohre) ge- bettet werden, die nach außen münden und durch kleine ürahtgitter verschlossen sind. Der ganze und durch keinen Ventilator zu erreichende Nutzen der Lehmdecke geht vollständig verloren, wenn sie unter oder unmittelbar oberhalb mit einer Papp- haut oder Gipsdecke bedeckt wird. Durch dieses Material kann keine

185

Luft dringen, und daher wird, liegt dieses Material unterhalb der liehmdecke, diese vollständig ausgeschaltet. Liegt dieses Material aber unmittelbar oberhalb der Decke, so kann sich der Lehm der aufgenommenen Feuchtigkeit nicht nach außen entledigen. Die Ijehmdecke ist also auch in diesem Falle ohne jede Wirkung.

Die erste Bedingung zum guten Funktionieren der Lehmdecke ist Bewahrung vor Verschlammung, und dies wird nur erreicht, wenn der Lehm die aus dem Stall aufgenommene Luft auch wieder nach oben abgeben kann. Daher ist es auch unumgänglich not- wendig, daß der oberhalb der Decke gelegene Bodenraum, der die Lnft durch das vollständig dichte und undurchlässige Pappdach, nicht abgeben kann, täglich für mehrere Stunden durch nicht zu kleine Türen (Luken), die nach allen vier Windrichtungen ange- bracht werden müssen, gelüftet wird. Ist der Stall sehr stark mit 'Heren belegt, dann dürfte es vielleicht nicht zu umgehen sein, die Lehmdecke durch Anlage eines oder mehrerer Ventilatoren zu unter- stützen. Diese Ventilatoren dürfen aber nur Luft aus dem Stalle entfernen, nie aber kalte Luft in den Stall einführen. Zu dem Zwecke dürfen die Schlote nicht zu niedrig über dem Dachfirst stehen, sondern recht hoch, wie ein gut ziehender Schornstein, an- gelegt sein. Etwa einfallender Regen muß aufgefangen und fort- Releitet werden, oder es muß durch die Anbringung sogenannter Deflektoren auf den Ventilatoren das Einfallen von Regen verhütet werden. Die Befürchtung, die poröse Lehmdecke sei nicht zu des- infizieren, ist nicht ohne Grund. Ich glaube aber, daß die trocken gehaltene Decke nichts in den Stall zurückgibt, sondern jeden An- steckungsstoff durch Austrocknung zerstört. Daher dürfte eine Desinfektion der Stalldecke bei Schweineseuche im allgemeinen nicht nötig sein.

Ein Stall, der in dieser Weise hergestellt ist, dürfte den An- forderungen der heutigen Hygiene entsprechen und die größte Ge- währ fiar die Gesunderhaltung der Schweine geben. Wie die Beispiele S. und T. lehren, wirkt in diesen Ställen aber auch das polyvalente Serum ausgezeichnet. Es ist selbstverständlich, daß anch in diesen Ställen Schweineseuche herrschen kann. Aber in diesen Ställen kann die Seuche niemals eine so starke Verbreitung und eine so große Heftigkeit erreichen, wie man es täglich in den modernen Ställen findet. In dem nach meiner Angabe gebauten Stalle werden die für den heftigen Verlauf der Schweineseuche

186

prädisponierenden Ursachen, Nässe und Kälte, ausgeschaltet. Diese Momente sind nicht nur die größten Feinde der jungen Tiere, sondern sie vereiteln auch die faktische Wirkung des im Laboratorium als spezifisch bakterizid erprobten Serums.

In den Laboratorien konnte das Serum an Schweinen gut wirken, weil die Versuchstiere unter normalen hygienischen Verhältnissen gehalten werden. In der Praxis ließ das Serum in \äelen Fällen im Stich, weil die Grundbedingungen für die Gesunderhaltung des Schweines, d. h. Wärme und Trockenheit, fehlten. Aus diesem Grunde kann ich mich auch nicht für die Ansicht von Ostertag begeistern, den Stall alle acht Tage zu desinfizieren. Abgesehen davon, daß ich in meiner Praxis noch keinen Besitzer kennen ge- lernt habe, der sich dieser Arbeit ernstlich unterziehen würde, schafft mir diese Desinfektion im Winter zu viel Feuchtigkeit in den Stall, die schädigend auf die natürliche Ventilation wirkt. Die rücksichtslose Keulung der Kümmerer ist zum Gelingen der Tilgung der Seuche unbedingt nötig, desgleichen die gesetzliche Anzeige- pflicht. Die häufige Reinigung und Desinfektion mag man im Sommer recht oft ausfahren, im Winter ist dieselbe aus den von mir angefahrten Gründen möglichst zu unterlassen.

Ober die Tuberkulosetilgungsverfahren von Bang und

Ostertag mit Rficksicht auf ihre Anwendbarkeit auf

die Verhältnisse im Königreich Sachsen.

Von Dr. phil. et med. vet. J. Blchter,

PrivRtdosenten an der Kgl. TierftratL Hochschale zu Dresden.

Mit der Entdeckung des Erregers der Tuberkulose durch Robert Koch^) im Jahre 1882 setzt die eigentlich wissenschaft- liche Erforschung der Tuberkulose ein. Durch die Kenntnis der Ursache wurde man befähigt, Studien über Entstehung, Symp- tome, Diagnostik, Ausbreitung, Heilung und Bekämpfung dieser ver- heerenden Krankheit auf sicherer Grundlage zu beginnen und systematisch weiter auszubauen. Obwohl man noch weit davon entfernt ist, völlige Klarheit in den vielen Fragen auf dem Gebiete der Tuberkulose geschaffen zu haben, so haben die zahlreichen Forschungen doch bald gezeigt, daß die Tuberkulose ein zwar aaßerordentlich heimtückischer Feind des Lebens von Mensch und Tier ist, daß es aber Mittel gibt, diese Seuche zu bekämpfen.

Und mit der wachsenden Erkenntnis der ungeheuren Gefahren und Vermögensschätligungen durch die Tuberkulose ist in unserer Zeit die Überzeugung mehr und mehr zum Durchbruch gekommen, daß diese verheerende Seuche bekämpft w^erden muß. Zwei Gesichts- punkte sind es, die gebieterisch die Eindämmung der Tuberkulose fordern: Die Ansteckungsgefahr für den Menschen und der wirtschaftliche Schaden.

Zwar wurde durch Kochs^) Mitteilungen auf dem Tuberkulose- Kongreß in London der Satz ffir kurze Zeit ins Wanken gebracht, daß für den Menschen eine Gefahr in der Aufnahme von Tuberkel- bazillen kranker Tiere läge und der Genuß des Fleisches und der Milch tuberkulöser Rinder und Schweine eine Quelle der Infektion der Menschen darstelle. Es ist aber der Beweis der Haltlosig-

188

keit dieser Kochschen Behauptung erbracht worden. Es bleibt also die Tatsache bestehen, daß tierische Tuberkulose unter Umständen auf den Menschen übertragbar ist. Eine weitere Erörterung dieser Frage, bezüglich deren auf Veröffent- lichungen Ton MTadyean«^), Heller^), Jensen^), Pfeiffer^), Ostertag^) u. a. verwiesen sei, soll hier unterbleiben.

Der zweite Grund für die Notwendigkeit der Bekämpfung der Tuberkulose unter den Tieren ist in der Schädigung des Ver- mögens des einzelnen und des Landes zu suchen. Die Ver- luste, die dem Landwirt durch die Tuberkulose zugefugt werden, sind sehr groß. Schwer schätzen und in Zahlen ausdrücken lassen sich die pekuniären Benachteiligungen, die durch Mindenin«: der Milchsekretion, des Nährzustandes, der Nachkommenschaft der Rinder und durch die Übertragung der Krankheit und ihrer Schäden auf andere Haustiere, speziell Schweine, bedingt werden. Dagegen haben wir in den Berichten über die Fleischbeschau und die staatliche Schlachtviehversicherung für das Königreich Sachsen wenigstens einen ungefähren Anlialt für die Größe des Tuberkuloseschadens bei Schlachttieren. Klimmer^) gibt den Verlust, der 1903 allein durch die Tuberkulose der Schlachtrinder in Sachsen bedingt wurde, auf mindestens 550 000 M. an. Dieser Schaden von über 1/2 Million M. bezieht sich lediglich auf die Herabsetzung des Fleischwertes. Die Einbußen, welche die Besitzer bei Lebzeiten der Tiere durch geringeren Milchertrag usw., wie schon erwähnt, zu tragen haben, sind ebenso wie die durch Schweinetuberkulose verursachten, nach Klimm er '^j jährlich ca. 200 000 M. betragenden zum Gesamtschaden noch hinzuzurechnen. Ist diese Tatsache der schweren pekuniären Schädigung an sich schon angetan, die Forderuni? der Tilgung der Tuberkulose zu begründen, so wird die zahlen- mäßig zu beweisende Behauptung, daß die Tuberkulose unter den Rindern und Schweinen im steten Anwachsen begriffen ist, dies besonders nachdrücklich tun. Eine statistische Zusammen- stellung aus den Berichten über die Fleischbeschau von Siedam- grotzky und Edelmann^) ergibt nämlich über das Vorkommen der Tuberkulose bei Rindern, Kälbern und Schweinen auf den größeren sächsischen Schlachthöfen, deren Zahl nach und nach zu- genommen hat und zu denen Städte mit Fleischbeschau Jm Jahre 1892 und den folgenden hinzutraten, folgende tabellarisdie Übersicht:

189

Jahr

Rinder:

Tuberkulös

Kälber:

Tuberkulös

Schweine:

Tuberkul.

von

%i

von

%

von

%

1890

38015

15,7

85 016

0,03

123 481

0,84

1891

57 307

16,7

126822

0.06

230 808

1,07

1892

60 854

18,65

144317

0,11

276851

1,37

1893

69164

18.26

169 148

0,17

309200

1,64

1894

78459

21,5

18^509

0,18

378 761

2,2

1895

82 787

27,48

201 643

0,24

384473

2,71

18%

85 016

26,72

215 894

0,21

419 188

2,74

1897

98348

29,13

240374

0,26

446480

3,10

1898

10i018

30,46

243659

0,24

439 745

3,16

1899

10610^

29,76

278627

0,25

479 465

3,03

1900

180 797

30,74

365 617

0,29

861624

3,5

1901

226 620

29,39

432995

0,54

1058 675

3,79

1902

233018

30,98

421069

0,36

1 031 385

4,31

1903

224 025

;JI,16

409146

0,36

1144485

4,81

Wenn diese Zahlen auch kein vollständig klares Bild geben, so muß nach dieser Übersicht doch geschlossen werden, daß bei Bindern und Schweinen die Tuberkulose in der Zunahme begriffen ist, und es läßt sich immerhin sagen, daß (nach diesen an Schlacht- höfen erhobenen Befanden) etwa ein Drittel der in Sachsen geschlachteten Rinder tuberkulöse Prozesse aufweist. Dieser Prozentsatz entspricht aber bei weitem nicht der wahren Aus- breitung der Tuberkulose inSachsen.BereitsSiedamgrotzky*^) konnte auf Grund seiner Erfahrungen mittelst des Tuberkulins die Tatsache veröffentlichen, daß unter 259 Rindern aus 8 ver- schiedenen sächsischen Beständen 205 Tiere reagierten, also 79 ^/q (höchstwahrscheinlich) tuberkulös waren. Angeregt durch diese Versuche Siedamgrotzkys hat auch Eber^») in der Umgebung Dresdens Gruppenimpfiingen vorgenommen und hierbei 64 <^/q, 77 %, 87.5 ^Iq und 91 ^/^ reagierende Tiere gefunden. Im Jahre 1904 hat Klimmer^) die Ergebnisse aller in Sachsen überhaupt ausge- fiihrten Tuberkulinproben zusammengestellt und gefunden, daß von den 3083 tuberkulinisierten Rindern 68 ^/^ reagiert haben. Hiermit ist die Tatsache festgelegt, daß etwa ^8 ^^^ Rinder in Sachsen tuberkulöse Herde in sich bergen. Und Klimmer^) meint, „daß dieser Prozentsatz für unsre sächsischen Verhältnisse sicher nicht zu hoch gegriffen ist". Diese tuberkulösen Prozesse sind in der Hälfte der Fälle offensichtlich und bei den in der Fleischbeschau geübten Untersuchungen festzustellen, wie die

190

oben gemachten Angaben ergeben, während bei der anderen Hälfte der tuberkulösen Tiere die Krankheitsprozesse sehr kleiner oder versteckter Natur sind.

Es konnte mithin bis jetzt in der Hauptsache festgestellt werden:

1. Die tierische Tuberkulose ist auf den Menschen unter Umständen übertragbar.

2. Etwa 2/3 der Rinder im Königreich Sachsen sind mit Tuberkulose behaftet.

3. Bei etwa einem Drittel der geschlachteten Rinder tritt eine Minderung des Wertes ein, wodurch ein jährlicher Verlust von über V2 Million Mark ver- ursacht wird.

4. Die Größe der Übertragungsgefahr auf den Menschen und die des Vermögensverlustes steigt von Jahr zu Jahr, da die Tuberkulose im Zunehmen begriffen ist.

Hiemach wird die Bekämpftmg der Tuberkulose zur zwingenden Notwendigkeit. Zahlreiche Vorschläge sind in den letzten 25 Jahnn von verschiedenen Forschem zur Tuberkulosetilgung gemacht worden.

Ich erwähne nur die Namen Gerlach^^)^ Johnei**), Lydtin^*). Dieckerhoffis), Zschokke^e), Preuße^^), Steuerti«), Schmidti'% VogePO), Kitt2i), Edelmannes), D6give23), Zürn^^).

Die von diesen Forschern empfohlenen Verfahren kommen heute kaum noch in Betracht. Diejenigen beiden Tuber- kulosetilgungsverfahren, die zurzeit, abgesehen von der Immunisierung, besonderen Anspruch auf eingehendere Prüfung bezüglich ihrer Durchführbarkeit haben können^ sind diejenigen Bangs und Ostertags.

Das Bangsohe Verfahren.

Das Bang sehe Verfahren besteht in folgenden Maßnahmen innerhalb des von der Tuberkulose zu säubemden Bestandes:

1. Impfung des Bestandes mit Tuberkulin.

2. Trennung der gesunden von den reagierenden Tieren und gesonderte Wartung.

3. Aufzucht der Kälber mit gekochter Milch.

4. Desinfektion des Stalles der gesunden Abteilung.

5. Halbjährliche Tuberkulinisation der gesunden Tiere.

Es fragt sich nun, ob dieses Bangsche Verfahren geeignet ist, die Tuberkulosetilgung zu ermöglichen und ob das Verfahren

191

trotz eventueller Mängel fiir sächsische Verhältnisse angewendet werden könnte.

Die erstere Frage ist unschwer zu entscheiden, da Bang s(^lbst den Bew^eis für die Durchführbarkeit seines Verfahrens erbracht hat. Am überzeugendsten wirkt jedenfalls der Versuch der Tilgung auf dem Gute Thurebylille, den Banges) seit 1897 selbst überwacht.

In diesem Jahre wurde der ganze 208 Stück umfassende Bestand des larenannten Gutes mit dem Erfolge geimpft, daß von den Kühen 80 7i, von den Stieren 40% und von Kälbern und Färsen auch ca. 40 7o reagierten. Die kranken Kälber wurden geschlachtet, der übrige Bestand wurde in zwei Ab- teilungen geteilt, welche während des Sommers auf der Weide getrennt auf- gestellt und im Winter im sorgfältig desinfizierten Stalle so untergebracht wurden, daß sie durch eine quer durch den Stall vom Boden zur Decke reichende, dichte, hölzerne Wand getrennt waren. Die gesunden Tiere wurden in der mit dem Kälberstalle zusammenhängenden Hälfte aufgestellt. Für beide Abteilungen wurden gesondertes Wärterpersonal und verschiedene Stallgeräte bestimmt Die Kälber wurden in der gesunden Abteilung untergebracht, auch die von reagierenden Kühen stammenden. Am ersten Tage erhielten sie auf 65*^ C en»'ärmtes Colostrum und vom zweiten Tage an gekochte Milch. Ca. sechs Wochen nach der Geburt wurden die Kälber mit Tuberkulin geimpft, so daß die reagierenden aus der gesunden Abteilung entfernt werden konnten. Halb- jährlich werden Nachprüfungen der gesunden Abteilung vorgenommen. Im Beginne des Versuchs enthielt die reagierende Abteilung 131 Stück, die ge- sande 77, nach dreijähriger Versuchsdauer bestand erstere aus 69, letztere aus 136 Stück, und nach weiteren zwei Versuchsjahren waren nur noch 48 rea- perende, dagegen 155 gesunde Tiere vorhanden (Eber"), wobei besonders iien'orgehoben zu werden verdient, daß die meisten dieser gesunden Tiere auf dem Gute geboren waren (Bang)^»).

Binnen fiinf Jahren war demnach das Verhältnis der gesunden Tiere zum Gesamtbestande von 37 ^/q auf 73 % durch gewissen- hafte Befolgung der von Bang empfohlenen Maßnahmen gehoben worden. Dieser Versuch auf Thurebylille ist mit staatlicher Geld- unterstützung durchgeführt worden, die wenigstens im Anfange nicht gering gewesen ist, wie Bang 2^) selbst zugibt. Bang hat aber auch in zahlreichen Fällen den Beweis zu liefern vermocht, daß sich ganz ähnliche Erfolge erzielen lassen unter möglichster Schonung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf Kosten der Besitzer. Es seien kurz einige Belege hierfür erbracht (vgl. Eber^i).

1. Ein Bestand von 225 Tieren setzte sich zusammen aus 139 reagierenden und 86 gesunden Stücken, nach ca. drei Jahren waren 45 kranke und 184 ge- sunde Tiere vorhanden. Es war mithin in der kurzen Zeit von drei Jähren die gesunde Abteilung um etwa 100 Stück vermehrt worden.

192

2. In einem anderen Bestände befanden sich 147 reagierende und 80 ge- sunde Rinder; bereits nach zwei Jahren war das Verhältnis fast umgekehrt mit 98 reagierenden und 190 gesunden Tieren.

In Dänemark zählen die ähnlichen günstigen Erfolge nach Hun- derten, was aus einer Übersicht hervorgeht, die Bang in einer Ver- sammlung nordischer Tierärzte gab. Dieselbe ist im Auszug folgende:

Jahr

Zahl der

untersuchte

reagierende-

Bestände

Tiere

Tiere in %

1893

327

8401

40,0

1894

1873

44 902

38,5

1895

930

20791

31,9

1896

1 7 316

84897

25,5

1897

65 788

23,8

1898

1454

35 533

21,7

1899

1293

38 568

20,1

1900

1101

26078

18,0

1901

695

18818

15,2

1902

398

10338

14,8

Aus dieser Tabelle ist die ganz bemerkenswerte Tatsache zu entnehmen, daß innerhalb eines Zeitraums von nur neun Jahren in den nach Bang gehaltenen Beständen Dänemarks die Zahl der tuberkulösen Tiere von 40 ^/o auf 14,8%, also um (53 %, herabgedrückt worden ist.

Auch in anderen Ländern ist das Bangsche Verfahren er- probt worden. Und über die damit erzielten Ergebnisse läßt sich im allgemeinen sagen, daß die nordischen Länder günstigere Re- sultate erzielt haben als die südlicher gelegenen. Bezüglich der ersteren kommen Schweden und Norwegen in Betracht, Länder, in denen Bangs Verfahren in ausgedehntem Maße in Anwendung ist. Über die Verhältnisse in Norwegen berichtet Malm^^); fol- .irende Zusammenstellung gibt eine Erfolgsübersicht:

Jahr

Zahl der

untersuchte

reagierende

Bestände

Tiere

Tiere in %

1895-96

2195

30787

8,4

1897

2136

24 755

8,3

1898

1456

14 740

4,9

1899

1337

11919

5,7

1900

2 072

15 513

5,0

1901

2 889

21155

3.2

193

In Norwegen ist demnach ein Sinken der Tuberkulose nach Bangschen Maßnahmen von 8,4% auf 3,2 7o> ^^ ganzen somit um 62%, bereits nach sechs Jahren zu konstatieren.

Was Schweden betritt, so ist den Angaben von Svensson27) folgende Tabelle zu entnehmen:

Jahr

Zahl der Bestände

untersuchte Tiere

reagierende Tiere in %

1897-98 1899 1900 1901

130 246 479 600

6970 13150 22133 27018

9,3

7,1 5,8 5,8

Hier ist also innerhalb dreier Jahre die Zahl der tuber- kulösen Tiere von 9,3% auf 5,8% oder um 37,4% herunter- gegangen. Über die überaus günstigen Erfolge mit Bangs Ver- fahren in Schweden berichtet auch Regner^«); er teilt mit, daß 246 Bestände dem Verfahren unterworfen worden sind, und daß von diesen Beständen vom Jahre 1898—1901 in 32 Wirtschaften die Tuberkulose in der Tat vollständig getilgt worden ist.

In anderen Ländern sind auch vielfach Versuche mit dem Bangschen Verfahren angestellt worden, von denen einige charak- teristische, zur Beurteilung des Verfahrens wichtige angefahrt seien. So berichtet üjhelyi^^) über einen Versuch im großen auf der Erzherzog Friedrichschen Herrschaft Üngarisch-Altenburg.

Da man unter dem großen Bestände yon über 5000 Rindern ein Vor- handensein der Tuberkulose zwischen 40— 807o ^rchtete, begann man die Maßnahmen mit der künstlichen Anfzacht» da man Schädigung des An- Behens bei den Laien durch Bekanntwerden der Tnberknlini- sationsergebnisse fürchtete. Man brachte die Kälber zu 180, 150 and 180 Stück nach verschiedenen Gütern, wo sie nach Bang gehalten wurden. Während nun im Beginn (1899) 5—6% der Kälber reagierten, ent- fallen auf die späteren Impfungen (1902) nur 1— 2 7o- Unter denkbar günstigsten Verhältnissen hat man unter strengster Beachtung BangBcher Vorschriften und Aufbietung sehr großer Geldopfer (deren Höhe leider nicht genannt wird), befriedigende Erfolge zu verzeichnen gehabt.

Hutyra'ö) berichtet gleichfalls über sehr bestechende Resul- tate unter dem Rinderbestande der Königl. ungarischen Gestüts- domäne zu Mezöhegyes. Geldopfer brauchten hier offenbar nicht geschont zu werden, und das Vorhandensein mehrerer getrennt

Z«itoehrift für lofektioiuknuikbeiteii. I, S 3.

13

194

liegender Meierhöfe hat zweifellos die Durchführung wesentlich gefördert. Im Gesamtbestande haben reagiert:

im Jahre 1898 von 647 Stück 166 Stück = 25,6 % 1903 1132 20 = 1,8

Der Beweis für die Möglichkeit der Tuberkulosetilgung nach Bang unter günstigen örtlichen und pekuniären Verhältnissen ist durch solche Ergebnisse einwandfrei erbracht. Sicherlich sprechen die Erfolge in Dänemark, Schweden, Norwegen und Ungarn in beredter Weise für Bangs Verfahren.

Es sind nun aber auch Erfahrungen ttber diese Tilgungsmaß- nahmen in Landesteilen bekannt geworden, die Sachsen räumlich sowohl als auch bezüglich anderer Verhältnisse, wie der Aus- breitung der Tuberkulose usw., näher liegen.

So ist in Hohenheim bei der Simmenthaler Stammviehherde ein Versuch mit Bangs Verfahren unternommen worden, der ein ganz anderes Ergebnis zur Folge hatte als die bisher geschilderten.

Dieser Versuch wurde während der Jahre 1896 1900 durch- geführt (StrebeL'i).

Nach verschiedenen Yorantersnchangen wurde im April 1898 der Be- stand von 72 Tieren tuberknlinisiert und gemäß der in der Instniktion des König!. Preußischen Ministeriums für Landwirtschaft, Domänen und Forsten^, ^ zur Ausführung der Tuberkulinimpfungen bei Rindern und Schweinen ent- haltenen Vorschrift eine Trennung der Tiere derart vorgenommen, daß diejenigen Rinder, welche mit 0,0— 1,4» C. (= 48,5 <»/o) und mit 1,5 ^ C. und mehr reagiert hatten (=51,5^'o) in zwei Abteilungen (I. und II.) untergebracht wurden.

Im Dezember 1898 wurde Abteilung I wiederum tuberknlinisiert; hierbei reagierten von den 44 Stück:

15 Tiere = 34 »/o mit 0—0,5° C

20 „= 45,5 0,6-1,40

9 == 20,5 1,6-xO

Man nahm hiemach eine erneute Trennung der Tiere nach Teilung des Stalles in Stall I, II, III (durch eine zweite Scheidewand) vor.

Eine erneute Impfung der Insassen von StaH I (0 bis 0,5 ^C) und Stalin (0,6— 1,40 C) im Oktober 1899 ergab:

25 Tiere = 69,5 "/o mit 0—0,5« C 8 .. = 22,2 0.6-1,40 3 = 8,3 1,5-xO

Die letzte Impfung wurde am 15. Mai 1900 ausgeführt, wobei sich an- statt des erhofften Fortschrittes ein erheblicher Rückschritt ergab. Von 69,5 o/„ der Reaktion 0— 0,50C vom Okt. 1899 war man auf 48 o/^. Ä,Ä «, M ,, ü,b 1,4 .. ,f ,, ,. Jb

195

gekommen. DieBes Resnltat wirkte hOchst entmutigend. Hierzu kam, daß verschiedene hochreagierende Tiere» darunter ein Farren von 1200 Mark Mindestwert, bei der Schlachtung als ,,völlig gesund^' befunden worden waren. Die Kosten waren außerdem bedeutende. Strebel gibt darüber genauen Aufschluß. Hiemach betrug der einmalige Aufwand (Tuberkulin, Bretterwände usw.) für die Durchführung der Maßnahmen im Bestände von 72 Tieren 327,49 Mark, der jährliche Aufwand (Abkochen der Milch, Zins uod Amortisation usw.) 408,75 Mark (in vier Jahren 1635 Mark), die jähr- liche Minderung des Wertes des Tierbestandes 1500 Mark, für vier Jahre 6000 Mark. Zusammen kostete dieser Versuch mithin 7962,49 Mark. Die trotz dieses erheblichen Aufwandes an Geld, Umsicht, Mühe- waltung usw. erhaltenen schlechten Resultate führten zum Ver- lassen des BangBchen Verfahrens. Zurzeit wird in Hohenheim nach OstertagB Prinzipien die Tilgung der Tuberkulose angestrebt.

In Deutschland sind zahlreiche Versuche mit staatlicher Unterstützung aufgenommen worden, speziell in Preußen. Die Mehrzahl dieser hierzu ausersehenen Güter hat aber die Versuche meier eingestellt, und denselben Mißerfolg hatten Besitzer, die privatim Bangs Methode zur Durchführung bringen wollten, z. B. eine große Berliner Meierei, die die Tuberkulosetilgung nach Bang in den Beständen ihrer Lieferanten durchzuführen gedachte (Oster- tag).3*) Besonders lehrreich war die Erprobung des Bangschen Verfahrens durch die Ostpreußische Herdbuchgesellschaft; auch hier sah man sich auf Grund der erheblichen wirtschaftlichen Schwierig- keiten gezwungen, Bangs Verfahren als undurchftihrbar wieder zu verlassen und sich dem Ostertagschen Tilgungssystem zuzuwenden (Müller).sö)

In Mecklenburg'^ß) war eine Kommission beauftragt worden, Bangs Verfahren durch Versuche zu erproben. Nach Ablauf der vierjährigen Versuchsftist ist die Kommission zu dem Endurteil gelangt, „daß für wenig verseuchte Herden die Anwendung des Bangschen Verfahrens, vorausgesetzt die Ausdauer und Opferwillig- keit des Besitzers, empfehlenswert erscheint, dagegen eine Gesundung stark verseuchter Herden auf diesem Wege nicht herbeizuführen ist".

Diese gutachtliche Äußerung triflPt zweifellos das Richtige. Wir besitzen im Bangschen Verfahren ein tatsächlich zum Ziele führendes Mittel; denn es ist aus den bisherigen Angaben als erwiesen zu entnehmen, daß durch Bangs Ver- fahren die Tuberkulose bedeutend eingedämmt, in einigen Be- ständen sogar vollständig getilgt werden kann. Die Voraus- setzungen hierzu sind aber sehr mannigfache, zum Teil schwer, unter

13*

196

gewissen Umständen gar nicht zu erflillende. Hierbei konunen in Betracht:

a) die Art der Bewirtschaftung,

b) die Ausbreitung der Tuberkulose,

c) die Ausdauer des Besitzers, die durch Mängel des Verfahrens bedingten Enttäuschungen zu ertragen.

ad a. Die Grundbedingung fiir die Durchflihrbarkeit des Bang sehen Verfahrens liegt in der Möglichkeit, den Bestand durch eigene Aufzucht zu ergänzen. Dieser Forderung wird in viehzuchttreibenden Ländern leicht nachzukommen sein oder ist in diesen eine Selbstverständlichkeit, wie das in Dänemark der Fall ist und weiterhin in Schweden und Norwegen. Wenn man dem- gegenüber Länder in Betracht zieht, die eine hohe Bevölkerungs- ziffer aufweisen, vorwiegend Industrie treiben, in denen femer das von der Industrie freigelassene Land meist vorteilhafter durch Ackerbau als durch Viehzucht ausgenutzt vnrd und in denen weiterhin, der großen Zahl der Städte wegen, der Milchverkauf am einträg- lichsten ist bei Ankauf frischmelkender oder hochtragender Kühe, die, abgemolken, wieder verkauft werden (Krafft^T), so ist ohne weiteres der Schluß zu ziehen, daß in einem derartigen Lande der denkbar ungünstigste Boden für eigene Aufzucht sein muß, und daß damit jedem Tuberkulosetilgungsverfahren, das den Hauptwert in allererster Linie auf die Heran- ziehung einer gesunden Nachkommenschaft legt, wenig gedeihliches Blühen vorausgesagt werden muß. Und das trifft für Sachsen leider zu.

Hierfür möchte ich auf Grund der am 1. Dezember 1900 im Königreich Sachsen vorgenommenen Viehzählung, deren Ergebnisse ich dank der Liebenswürdigkeit des Herrn Regierungsrats Sieber vom Statistischen Amt einsehen konnte, folgenden zahlenmäßigen Beweis erbringen:

In der Kreis- hanptmannschaft

befanden sich Kühe, Kalben und weibliche Kälber:

vom Besitzer selbst gezogen:

angekauft:

Bautzen . Chemnitz . Dresden . Leipzig . Zwickau .

93 579

89026

170 744

156 946

78 905

55,5 7o 63,0 o/o

56,9 o/o 60,6% 61,7 o/o

44,5% 87,0% 43,1% 89,4 o/o

197

Hiemach befanden sich im Königreich Sachsen insgesamt 089200 Kühe, Kalben und zur Aufzucht bestimmte weibliche Kälber. Von diesen waren vom betreffenden, die Angaben erstattenden Besitzer Ö9.2 ^/q selbst gezogen, während 40,8 % zugekauft worden waren. In Sachsen ist also das Verhältnis so ungünstig, daß durch- schnittlich nur V5 eines Gehöftbestandes eigene Nachzucht darstellen und 2/^ fremde Tiere sind. Die meisten zugekauften Tiere finden sich in der Nahe größerer Städte, in den sogenannten Umschlags- oder Abmelkwirtschaften, in denen die Ergänzung auch nur eines kleinen Teiles des abgemolkenen Viehes durch Nachzucht aus dem eigenen Viehbestande ausgeschlossen ist, da ans wirtschaftlichen Gründen das Abmelken und die rasche Mästung hier geboten sind. Günstiger liegen die Verhältnisse in denjenigen Gutswirtschaften, in denen wenigstens der Ersatz eines Teils des Nutzviehs durch selbstgezogenes Jungvieh stattfindet (Eber).^^) In diesen Betrieben ist wenigstens die Möglichkeit ftir die Durch- führung des Bangschen Verfahrens gegeben. Doch werden die Erfolge immer unbefriedigende bleiben müssen, da die Einstellung von Vieh fremder Herkunft Neuinfektionen selbst bei genauer Kontrolle herbeiführen und nicht selten die Maßnahmen der Tilgung illusorisch machen wird.

Der Kampf gegen die Tuberkulose vnrd, vne gesagt, in Wirtschaften mit völlig eigener Aufzucht am erfolgreich- sten geftihrt werden; die Zahl solcher Bestände ist aber in Sachsen gering; wir finden dieselben am ehesten noch in Zuchtgebieten des Erzgebirges und Vogtlandes. Nähere Angaben hierüber lassen sich nicht machen, da nichts über die Zahl der Wirtschaften mit eigener Aufzucht, mit teilweiser Aufzucht und der Abmelkwirtschaften bekannt ist, wie ich auf Grund meiner Anfrage beim Statistischen Bureau sagen kann. Zur Erledigung dieser jedenfalls sehr wichtigen Frage würde sich eine besondere Erhebung im gesamten Königreich notwendig machen.

ad b. Es ist ohne weiteres einzusehen, daß in denjenigen Län- dern eine leichtere und raschere Tilgung vor sich gehen kann, in denen wenig Tuberkulose herrscht. In Dänemark sind nach Ostertags^^) und Ebers^i) Angaben bis zum Jahre 1897 158991 Rinder tuberkulinisiert worden, wobei 31 ^Jq reagierende Tiere gefunden wurden. In Schweden waren 27,5% tuberkulöse Tiere vorhanden (Regner^s) und in Norwegen 8,4 % (Malm*^^).

198

Dieser geringe Prozentsatz ist natürlich einer der Gründe fiir die günstigen Tilgungserfolge in jenen Gebieten.

Sieht man dagegen die Resultate der in Sachsen vorgenommenen Erhebungen an, so gehen Klimm er s^) oben referierte Angaben dahin, daß mindestens ^j^ aller sächsischen Rinder mit Tuber- kulose behaftet sind. Hieraus ergibt sich, daß schon der Aus- breitung der Tuberkulose wegen die Tilgung derselben von anderen Schwierigkeiten abgesehen in Sachsen sich schwieriger gestalten muß als in jenen nördlichen Ländern.

ad c. Dem Bangschen Verfahren haften verschiedene Un- bequemlichkeiten und Mängel an. . Diese sind so erheblicher Art, daß sie mancherorts zum Verlassen dieser Tilgungsmaßnahmen gefiihrt haben.

An dieser Stelle sei betont, daß hierfiir Dänemark selbst den Beweis im großen erbringt. Aus der oben gegebenen Tabelle über den Rückgang der Tuberkulose ist gleichzeitig zu ersehen, daß in den Jahren 1896/97 zusammen 7316 Bestände (in den beiden Jahren also durchschnittlich je 3658) unter Bangs Kontrolle sich befanden, daß die Zahl der Bestände aber stetig abgenommen hat, so daß Bang 1902 nur noch über 398 Wirtschaften berichten konnte. Die Zahl der Besitzer, die in den 5 Jahren von 1897 1902 Abstand genommen haben, ist dem- nach auf rund 90 % zu berechnen! Bedenkt man dabei die günstigen Wirtschaftsverhältnisse und den Umstand, daß die Impfungen auf Staatskosten ausgeführt werden, so erscheint die Annahme be- rechtigt, daß der Optimismus, mit dem das Bangsche Verfahren begrüßt worden ist, selbst in Dänemark nicht mehr herrscht.

Die entmutigenden Seiten des Verfahrens dürften in der Haupt- sache folgende sein. Bereits die dauernden Mehrleistungen an Arbeit einer zweifachen Wirtschaft, die die Trennung in eine gesunde und eine reagierende Abteilung mit sich bringt, sowie die peinliche Überwachung des Wartepersonals ist für manchen Besitzer an sich schon Grund genug, von dem Bangschen Verfahren Abstand zu nehmen (Ostertag.^) Auch bei der Abkochung der Milch für die Kälberaufzucht haben sich manche Mängel herausgestellt. Wenn endlich die nötigen Anlagen und Gefäße angeschafft worden sind, so brennt wegen Unachtsamkeit die Milch leicht an oder es wird beim Einleiten von Wasserdampf die Milch zu wasserhaltig, was wiederum Anlaß zu Darmerkrankungen und Todesfällen imter

199

den Kälbern gibt (Streb el^i). Hierzu gesellen sich von vornherein pekuniäre Opfer für Impfungen, getrennte Aufstallung, vermehrtes Personal, Einbußen durch den Verkauf usw.; diese sind durchaus nicht gering zu veranschlagen, wie Streb el^i) in seiner genauen Aufiseichnung gezeigt hat.

Diese Geldopfer, erheblichen Mühen usw. würden aber ohne Zweifel von vielen Besitzern gern getragen, wenn sie nicht oft genug erfahren müßten, daß die Erfolge nicht die erhoflPben sind, daß unter Umständen nicht Fortschritte in der Tilgung, sondern Rück- schritte zu verzeichnen sind. (Bang, 2*) Eber,^^) Strebel,'^) Ostertag-'**) u. a.) Häufig kommt es vor, daß neuerliche Er- krankungen der rein geglaubten Abteilung zu konstatieren sind (Hauptmann*^). Es ist das schließlich nicht dem Verfahren als solchem zur Last zu legen, sondern liegt daran, daß eine absolut sichere Diagnose der Tuberkulose unter Zuhilfenahme des Tuberkulins infolge von Fehldiagnosen nicht immer möglich ist. und hierdurch wird es bedingt, daß tuberkulöse Tiere als solche nicht erkannt, in der gesunden Abteilung belassen werden und damit eine Quelle der Infektion für gesunde Tiere darstellen, sofern sie Tuberkelbazillen nach außen abgeben. Es ist das der Fall bei allen Tuberkuloseformen, die wir nach V. Behring als „offene Tuberkulose" bezeichnen, also bei Lungen-, Darm-, Uterus- und Eutertuberkulose, sowie bei der meiner An- sicht nach zu wenig beachteten Nieren- und Nierenbecken- tuberkulose, auf welch letztere zuerst Bongert^) hingewiesen haben dürfte. Ein einziges offen tuberkulöses Tier kann durch Ver- streuung des Infektionsstoffes alle Mühen hinfällig machen, da es günstigen Falles erst bei der nächsten Untersuchung und Tuber- kulmisation, welche nach Bang^) tunlichst halbjährlich vorzu- nehmen sind, ausgeschieden werden kann. Bang 2*) sagt zwar, daß das Ausbleiben der Reaktion immer nur Tiere beträfe, die hochgradig und klinisch erkennbar erkrankt seien oder kleine, aber verkalkte Läsionen aufwiesen; es dürfte aber nach den Er- fahrungen anderer Autoren indessen auch Fälle geben, die klinisch nicht feststellbar sind, nicht reagieren und trotzdem Bazillen ver- streuen können. Außer dem tatsächlichen Übersehen eines tuber- kulösen Tieres ist noch die Möglichkeit zu berücksichtigen, daß das betreffende Tier noch nicht erkrankt gewesen ist zur Zeit der Tuberkulinisation, daß es aber bereits Tuberkelbazillen in sich

200

getragen hat, die eine spätere Erkrankung herbeiftUiren können, sich also im Inknbationsstadium befand; solche Tiere können später zur Infektionsquelle werden. Fadyean,*i) Kasparek,*^) Nocard und Rossignol. *-'^) Gegenüber diesen Fehldiagnosen des Tuberkulins sind aber auch jene Fälle zu berücksichtigen, in denen durch die Reaktion Tiere als tuberkulös gebrandmarkt worden sind, die gar nicht tuberkulös waren oder nur geringgradige Prozesse aufwiesen.

Diese Tiere werden auf Grund der Reaktion in die kranke Abteilung gebracht und firüher oder später dem Schlächter über- liefert. Hierbei zeigt es sich häufig, daß nur ganz geringgradige Veränderungen vorhanden sind, die eine jahrelange Nutzung des Tieres ohne Schaden für den Menschen oder die anderen Insassen des Stalles gestattet haben würden. (Hauptmann)'^) u. A. Der vom Fleischer erzielte Preis ist erstens gedrückt worden, und zweitens ist eine weitere Nutzung des Tieres unterbunden worden. Es ist selbstverständlich, daß diese Schlachtergebnisse und aus dem Tilgungssystem sich ergebenden Vermögensbenachteiligungen auf den Besitzer außerordentlich entmutigend einwirken müssen (Strebel.si)

Aus dem eben Ausgeführten lassen sich mithin folgende Schluß- folgerungen ziehen: Das Bangsche Verfahren führt unter günstigen Bedingungen (eigene Aufzucht; geringe Ausbreitung der Tuberkulose; Übernahme von Mühen, Geldopfem usw. seitens der Besitzer) zur Tilgung der Rindertuberkulose. In Sachsen würde es jedoch nur in einer ganz beschränkten Zahl von Wirtschaften anwendbar sein. Da aber die Ausbreitung der Tuberkulose in Sachsen sehr groß ist, hierdurch ihre Tilgung verzögert wird, und die an sich erheblichen Män- gel des Verfahrens besonders schwer empfunden werden würden, so dürfte kaum auf nennenswerte Erfolge zu rechnen sein, weshalb die Anwendung des Bangschen Verfahrens für sächsische Verhältnisse nicht empfehlens- wert erscheint.

Das Ostertagsche Verfahren.

Auf dem Vn. internationalen tierärztlichen Kongreß in Baden- Baden 1899 entwickelte in einem ausführlichen Referat Siedam- grotzky^) seine Gedanken über Tuberkulosetilgung und zeigte einen

201

Weg, auf dem ein veterinärpolizeiliches Einschreiten gegen die Tuberkulose möglich wäre. Gedrängt gesagt, empfahl er ein früh- zeitiges Abschlachten der gefährlich tuberkulösen Tiere und eine sorgfaltige Vermeidung der Ansteckung der Kälber und der gesunden Tiere. Als gefährlich tuberkulös sind hierbei mit Lungen-, Darm-, Euter-, Gebärmutter- oder Hodentuberkulose behaftete Tiere anzusehen. Ostertag«^) hat diese Gedanken zur Grundlage eines neuen Tilgungssystems verwendet, dessen Durchftihrung er am 22. Mai 1900 in der XIV. Jahresversammlung des Ostpreußischen landwirtschaftlichen Zentralvereins darlegte, und das seit dieser Zeit als Ostertagsches Tuberkulosetilgungsverfahren bezeichnet und in erster Linie und großem Maßstabe von der Ostpreußischen HolländerHerdbuchgesellschaftdurchgefiihrt wird (Müller, Lindenau und Lange.**)

Das Ostertagsche Verfahren besteht in folgendem:

1. Ausmerzung der mit offener Tuberkulose behafteten Tiere,

2. Tuberkulosefreie Aufzucht der Kälber.

Da das Ostertagsche Verfahren viel jüngeren Datums ist als das Bang sehe, es erst seit reichlich fünf Jahren in verschie- denen Beständen und Gegenden erprobt wird, unter anderem in der Provinz Brandenburg, Pommern, Braunschweig, Oldenburg, Schleswig-Holstein, der Provinz Sachsen usw., sind naturgemäß noch nicht sehr zahlreiche VeröflFentlichungen über Erfolge und Er- fahrungen in der Literatur vorhanden.

Die intensivste Durchfährung erfährt das Ostertagsche System in der Ostpreußischen Herdbuchgesellschaft, in deren Beständen mit der Erprobung des Verfahrens begonnen worden ist (Ostertag)*®). Anfangs wurde das Verfahren nur in einer beschränkten Zahl von Gehöften angewendet. Man überzeugte sich, nach Müllers*^) An- gaben, aber bald von der Durchflihrbarkeit und Zweckmäßigkeit, so daß seine Durchführung bereits nach fünflähriger Erprobung im kleinen fiir alle Mitglieder der Gesellschaft obligatorisch wurde, so daß jetzt in etwa 182 Herden die Tuberkulosetilgung nach Ostertag durchgeÄhrt wird. Bereits nach zwei Jahren (im November 1902) konnte Müller über das Verfahren schreiben, „daß es zu den schönsten Hofbungen berechtigt". Es ist selbstverständlich, daß über den Wert des Ostertagschen Verfahrens erst dann ein Urteil gefällt werden kann, „wenn auch die Resultate bekannt sein werden", wie Hutyra^^) zutreffend am Ende des Jahres 1904 schreibt.

202 -

Diesbezügliche Veröffentlichungen aus neuester Zeit liegen nunmehr vor, worauf unten noch näher eingegangen werden wird.

Ostertag geht gleich Bang von dem Standpunkte aus, daß die Mehrzahl der Kälber (ca. 98 ^/o) frei von Tuberkulose geboren wird und der Prozentsatz der Tuberkulösen mit zunehmendem Alter steigt, was aus einer Tabelle Bangs bestens bewiesen wird (A. Eber).ii)

Unter Jahr

etwa 1 Jahr

etwa 2 Jahr

Erwachsene

Prozentzahl der reagierenden Tiere

11,9

22,8

33,0

40,01

Auch Ostertag sucht nun durch seine Maßnahmen die ge- sunden Kälber wie die erwachsenen Rinder vor der Infektion zu schützen, wobei er der Ausbreitung der Tuberkulose wegen, sowie in Anbetracht der Kosten und schweren Durchfuhrung Bangscher Vorschriften, tunlichst schonend vorgeht und dem Besitzer möglichst wenig Mühe und Geldopfer auferlegt. Es ist hinreichend bekannt, daß zur Heranzüchtung eines gesunden Nachwuchses die Verhütung der Fütterungstuberkulose unbedingtes Erfordernis ist (Eber).^^ Aus diesem Grunde zieht auch Ostertag nach dem Vorgehen Bangs die Kälber vom zweiten Tage an mit gekochter oder auf 85^ C erhitzter Milch auf oder läßt sie neuerdings mit der Milch sicher tuberkulosefrei befundener „Ammenkühe" ernähren, wodurch diese Infektionsquelle am sichersten verstopft wird. Es bleibt nun noch die zweite Aufgabe zu lösen übrig, die Verhütung einer Infektion gesunder Stallinsassen durch Bazillen, die von kranken Tieren ausgeschieden und mit der Atmungsluft, dem Futter usw. aufgenommen werden. Bang bedient sich hierbei der vollständigen, strengsten Separierung auf Grund der Tuberkuli- nisation. Ostertag hingegen verlangt nur frühzeitige Aus- merzung klinisch offener Tuberkulosen, nimmt also keine Separierung der gesunden von den reagierenden Tieren vor. Er verwirft das Tuberkulin bei erwachsenen Rindern, da es auf der einen Seite Tiere mit geringen, unschädlichen Prozessen als krank kennzeichnet, also seiner Ansicht nach zu fein arbeitet, auf der anderen Seite aber im Stich läßt, speziell bei hochgradig er- krankten Tieren. Und nun sagt Ostertag, die letzteren Indi- viduen finde man mit Sicherheit durch klinische und bakteriolo-

203 .

gische Untersuchung heraus, während erstere unbeschadet mit den gesunden Tieren zusammen aufgestellt bleiben könnten; sie scheiden keine Bazillen aus, werden somit keine Infektionsquelle darstellen, weshalb man ihre geringiugige Erkrankung unbeachtet lassen kann.

Hierin scheinen mir aber Schwächen des Ostertagschen Ver- fahrens zu liegen. Bei Einleitung desselben wird es die Aufgabe des Tierarztes sein, die Tiere mit offener Tukerkulose, also mit Lungen-, Darm-, Euter-, Gebärmutter- oder Hodentuberkulose be- hafteten, durch klinische Untersuchungen ausfindig zu machen. Die absolut sichere Durchfahrung dieser Forderung scheint mir schwierig zu sein. Betrachtet man die Zahl der in den 182 Herden der Herd- buchgesellschaft unter etwa 15 000 erwachsenen Rindern geftindenen Fälle von klinischer Tuberkulose, so findet man, daß im Jahre etwa 2,5 ^/q aller erwachsenen, über zwei Jahre alten Rinder auszumerzen waren. (Müller.)*^) Dieser Zahl entspricht auch etwa der Prozent- satz der im ersten Untersuchungsjahre in den Provinzen Pommern (Schmitt),*^) Sachsen (Raebiger^^) und Schleswig - Holstein (Joestöi) ermittelten offen tuberkulösen Tiere, der 2,62 o/^, 3,64 <^/o bzw. 2,8*^/q betrug. Bedenkt man nun demgegenüber die hohen Prozentsätze, die durch die Tuberkulinisierung gelunden werden, so ist es als möglieh anzusehen, daß nicht alle gefährlichen Rinder durch klinische Untersuchung zu eruieren sind. Weiterhin bleibt zu bedenken,, daß Tiere im Inkubationsstadium keinesfalls erkannt werden können, dieselben aber sehr wohl bis zur nächsten Unter- suchung durch Ausbruch einer offenen Tuberkulose Gefahren bringen können. Allerdings wird die klinische Untersuchung durch die Zuhilfenahme der bakteriologischen Untersuchung wesentlich ergänzt und gewinnt hierdurch an Sicherheit.

Immerhin ist die Möglichkeit gegeben, daß kranke Tiere übersehen werden und damit eine Gefahrenquelle abgeben. Da aber selbst bei der strengen Ausmerzung möglichst aller tuber- kulösen Tiere nach Bang häufig Rückschläge zu verzeichnen sind, so können vielleicht bei der Ausführung der viel milderen Ostertagschen Maßnahmen Infektionen gesunder Tiere durch übersehene offen tuberkulöse noch öfter vor- kommen. Dieser Infektionsgefahr durch Inhalation usw. der seitens solcher unerkannter kranker Tiere ausgeschiedenen Bazillen sind nun nicht allein die anscheinend gesunden, erwachsenen Tiere ausgesetzt, sondern auch die Nachzucht. Das wäre als ein ge-

204

wisser Widerspruch Ostertagscher Ansichten aufzufassen. Oster- tag sucht auf der einen Seite die Kälber vor der Fütterungs- tuberkulose zu schützen und beseitigt hierdurch zwar die haupt- sächliche Infektionsgefahr, auf der anderen Seite würden sie aber der Inhalationstuberkulose ausgesetzt bleiben, wodurch unstreitig Neuinfektionen bedingt werden müßten. Diesem Übelstande soll aber, wie Ostertag vorgeschlagen hat, dadurch begegnet werden, daß die tuberkulosefreien Kälber möglichst in einer besonderen Stallabteilung aufzuziehen sind.

Nach alledem muß der Kampf gegen die Tuberkulose nach Ostertag entsprechend langsamere Fortschritte machen; es wird jedoch die Größe der Rückschläge bei weitem nicht so föhlbar sein und nicht derartig deprimierend wirken können als bei Bangs System. Jedenfalls muß durch Ausmerzung der klinisch Erkrankten die Tuberkulose unbedingt eingedämmt werden. Müller*^) glaubt sogar mit Ostertag, daß durch das Verfahren „der Prozentsatz an tuberkulösen Tieren allmählich auf ein Minimum zurückgehen wird. Ist dies erreicht, dann wird es an der Zeit sein, diesen letzten Rest kranker Tiere mit Hilfe des Tuberkulins zu beseitigen, von dem dann zweifellos annehmbare Erfolge zu erwarten sind."

Ob diese weitgehende Hoffnung sich jemals in so günstigem Sinne erfüllen wird, erscheint mir zweifelhaft. Nur langjährige Erprobung wird hier Aufschluß geben können. Im übrigen werden sich die Erfolge, die hinsichtlich der vollständigen Ausrottung der Tuberkulose durch das Verfahren erzielt worden sind, durch die klinische Untersuchung allein nicht kon- trollieren lassen; wollte man den Wert hinsichtlich der gänz- lichen Tilgung der Tuberkulose durch Ostertagsche Maßnahmen bei einem Bestände prüfen, so müßte man meiner Ansicht nach die Tuberkulinisation vor Beginn des Versuchs und nach mehr- jähriger Versuchsdauer zu Hilfe nehmen. Nach den Erfahrungen mit Bangs Maßnahmen und den dabei vorkommenden vielfachen Rückschlägen kann ich mir nur vorstellen, daß nach Ostertags Verfahren die Tuberkulose schwerlich gänzlich getilgt werden kann, es wird sich lediglich um eine Eindämmung derselben handeln.

Daß eine wirksame Eindämmung tatsächlich erreicht wird, beweisen die bis jetzt in den Provinzen Ostpreußen, Pommern

205

und Sachsen gemachten Erfahrungen. So gibt MülUer^^) folgende Zahlen:

Es betrug die Zahl der Fälle von offener Tuberkulose in Ostpreufien im Jahre 1900/01 292 bei 10900 Untersuchungen 1901/02 242 „13 400 ^ 1902/03 815 18 500 y, 1903/04 222 „17 000 .woraus sich ergibt, daß ein dauernder Rückschritt zu verzeichen ist, von 2,7% im ersten Jahre, auf 1,8% i™ zweiten, 1,7% im dritten, auf 1,3% im letzten."

Nach Schmitt*^) belief sich der Prozentsatz der mit offener Tuberkulose behafteten Rinder in Pommern im ersten Jahre auf 2,62%, im zweiten auf 1,22 <*/(,. „Der Prozentsatz der mit offener Tuberkulose behafteten Rinder ist also um mehr als die Hälfte zurückgegangen." Die gleiche Erfahrung wurde auch in der Provinz Sachsen gemacht. Raebiger^) fand hier im ersten Jahre ^M^Iq offen tuberkulöse Tiere, im zweiten dagegen nur 1,6%.

Fragt man sich, ob das Ostertagsche Verfahren für die Verhältnisse im Königreich Sachsen anwendbar ist, so sind auch hier wieder die oben bereits erwähnten Momente zu be- rücksichtigen: *

a) die Art der Bewirtschaftung,

b) die Ausbreitung der Tuberkulose und

c) die Ausdauer des Besitzers.

ad. a. Die Abmelkwirtschaften scheiden bei der Auswahl geeigneter Bestände gänzlich aus, da Hauptwert auf eigene Nach- zucht zu legen ist. Infolgedessen werden auch die besten Erfolge zu erzielen sein in Wirtschaften, die ihren Bestand selbst ziehen. Deren Zahl ist jedoch in Sachsen sehr gering, wie schon erwähnt. Aber auch dort, wo wenigstens ein Teil der Rinder aus eigener Zucht hervorgeht, wird das Ostertagsche Verfahreti Anwendung finden können, weshalb es sich der großen Zahl solcher Wirt- schaften wegen für sächsische Verhältnisse im Gegen- satze zu Bangs Verfahren besonders eignet; denn einen Zukauf fremder Tiere verbietet das Ostertagsche viel weniger als das Bangsche Verfahren, da bei ersterem eben lediglich klinische Tuberkulosen von der Einstellung auszuschließen sind. Es läßt sich nur die Zahl der Wirtschaften, die teilweise Aufzucht treiben, zahlenmäßig ffir Sachsen, wie schon gesagt wurde, nicht angeben, jedoch kann man auf Grund jener oben bereits erwähnten

206

Viehzählungen vom 1. Dezember 1900 eine schätzungsweise Über- sicht über die mehr oder weniger günstigen Aussichten, die die einzelnen Gegenden Sachsens der erfolgreichen Durchführung des Ostertagschen Verfahrens bieten, dann geben, wenn man das Verhältnis der vom Besitzer selbst- gezogenen Tiere zum zugekauften Teile des Bestandes (in Prozenten ausgedrückt) als Maßstab anlegt; denn der Höhe des Prozentsatzes der eigenen Nachzucht dürfte die Größe des wahr- scheinlichen Erfolges proportional sein. Von diesem Gesichtspunkte würde sich für die einzelnen Amtshauptmannschaften folgende Tabelle zusammenstellen lassen:

]

Eigene Aufzucht:

Amts-

Über

Amts-

50 bis

Amts-

Unter

hauptmaanschaft

60 0/0

hauptmannschaft

60 0/,

hanptmannschaft

50%

1. Zwickau ....

68,9

15. Dippoldiswalde

59,5

23. Auerbach . .

49,6

2. Rochlitz ....

68,4

16. Döbeln ....

59,4

24. Ölsnitz ... 43,7

3. Glauchau . . .

68,4

17. Freiberg . . .

59,1

25. Dresden-N. . , 42,6

4. Marienberg . .

67,7

18. Löbau

56,3

26. Dresden-A. .

87,9

5. Plauen

67,6

19. Chemnitz . . .

56,1

27. Leipzig . . .

30,1

6. Borna

67.3

20. Bautzen ....

54.2

7. Großenhain . .

66,1

21. Camenz ....

52,4

8. Annaberg . . .

66,1

22. Pirna

50,1

9. Meißen

63,2

10. Oschatz ....

62,9

11. Flöha

61,6

12. Schwarzenberg

61,3

18. Grimma ....

61,2

14. Zittau

60,2

Die Grundforderung möglichst zahlreicher eigener Nachzucht würden demnach die zuerst angeführten Amtshauptmannschaften Zwickau, Rochlitz, Glauchau usw. am besten erfüllen. Und hieraus muß der Schluß gezogen werden, daß diese Gegenden sich am besten für die Durchführung des Ostertagschen Ver- fahrens eignen, während in Amtshauptmannschaften wie Dresden und Leipzig voraussichtlich die Erfolge am un- günstigsten ausfallen würden. Von demselben Gesichtspunkte aus sind die besten Gegenden diejenigen von

Geithain mit 75,4 % eigener Nachzucht

Rochlitz 75,4

207

Planen mit 73,3 % eigener Nachzucht

Waldenbnrg « 73,1

Großenhain 71,9 «

Kleinbautzen ^ 69,5

Die ungeeignetsten Distrikte sind dagegen diejenigen von

Zwenkau mit 38,3 % eigener Nachzucht

Bischofswerda .... « 38,2 ^ ^

Chemnitz ., 36,7 ,, ^ y,

Marknenkirchen ... 30,6 n

Gnina, Leuben 30,1 ^

Rippien , 29,5

Taucha . 29,4

Kossebaude, Stetsch- ^ 29,3 ^ ^

Markranstädt 28,0

Dresden 11,0 ^

Leipzig 7,4

Die die Mitte zwischen diesen beiden extremen Gruppen haltenden Gegenden sollen der Kürze halber unerwähnt bleiben.

ad b und c. Obwohl die erhebliche Ausbreitung der Tuber- kulose in Sachsen die Durchfuhrung des Ostertagschen Verfahrens zwar sehr erschweren wird, so fällt sie doch aus verschiedenen praktischen Gründen nicht in dem Maße ins Gewicht wie bei Bangs Verfahren. In der Einleitung bemerkte ich, daß etwa nur die Hälfte der Reaktionstuberkulosen bei der Fleischbeschau erkannt würde, wie die Fleischbeschauberichte erweisen. Unter diesen, bei der Fleischbeschau als tuberkulös befundenen Tieren befindet sich wiederum nur ein sehr geringer Prozentsatz von Fällen, die klinisch hätten diagnostiziert werden können. Müller^s) gibt für Deutschland an, daß etwa 1 ^/o aller Rinder mit klinisch erkennbarer Tuberkulose behaftet sei, manche Be- stände wären weniger ergriffen, andere wieder, namentlich große, mehr, in den Herden der Ostpreußischen Herdbuchgesellschaft wurden beispielsweise jährlich 2,5 ö/^ ausgemerzt. Während nun bei Bangs Methode etwa 68 ^/q der Rinder aller sächsischen Be- stände durch das Tuberkulin tuberkulös befunden werden würden (vgl. oben, Klimmer^), so werden sich bei klinischer Untersuchung selbst unter unseren ungünstigen sanitären Verhältnissen eben nur wenige Prozent als offen tuberkulös zu erkennen geben. Hierin liegt ein bedeutender Vorteil; denn der Besitzer erfährt den Um- fang der gewaltigen Tuberkuloseausbreitung unter seinen

208

Tieren nicht, er wird auch nur verhältnismäßig geringe Opfer für die Abschaffung der offensichtlich erkrankten Tiere zu bringen haben, Opfer, die er um so weniger zu scheuen braucht, als diese Tiere den geringsten wirtschaftlichen Nutzen ab- werfen, die frühzeitige Abschaffiing dieser fraglichen Tiere ihm nur noch größeren Schaden durch rasch eintretende Wertminderung infolge Abmagems usw. erspart, er sie sonst also zu „Spottpreisen" (Ostertag^) abgeben mußte, und weil femer der Besitzer beider Schlachtung wohl in allen Fällen sich von deren Zweck- mäßigkeit überzeugen kann. Enttäuschungen der oben ge- schilderten Art, daß sich reagierende Tiere bei der Schlachtung als scheinbar gesund erweisen, erlebt daher der Besitzer nicht bei Ostertagscher Tilgung; ebensowenig hat er zu flirchten, daß der Ruf seines Besitzes durch Bekanntwerden niederschmetternder Impfresultate leide. Der Besitzer wird also im wesentlichen nur die Kosten flir tierärztliche Bemühungen zu tragen haben und muß sich im übrigen der Mühe unterziehen, die Milch für die zur Auf- zucht bestimmten Kälber abzukochen oder die Kälber mit der Milch von „Ammenkühen" zu ernähren. Die geringen Unbequemlichkeiten und Geldopfer werden vom Besitzer zweifellos willig übernommen werden, wenn ihm dafür die Gewähr der Eindämmung der Tuberkulose gegeben werden kann.

Bezüglich des Ostertagschen Verfahrens läßt sich denmach sagen: Obwohl das Ostertagsche Tuberkulosetilgungsver- fahren kaum ohne völlige Trennung des tuberkulosefrei auf- gezogenen Nachwuchses imstande sein dürfte, einen ver- seuchten Bestand ohne weiteres vollständig tuberkulosefrei zu machen, so führt es doch unter verhältnismäßig geringen Anforderungen an Geld und Mühewaltung zur sicheren Ein- dämmung der Tuberkulose. Da das Verfahren sich auch für Bestände mit teilweiser Aufzucht eignet, so muß seine An- wendung für sächsische Verhältnisse besonders empfohlen werden, umsomehr als die unbedingte Notwendigkeit der Tuberkulosebekämpfung klar zutage liegt, das Bangsche Verfahren sich für Sachsen aber nicht eignet und ein besseres Bekämpfungsmittel der Rindertuberkulose zur- zeit nicht in Frage kommen kann.

209

Literatur.

h Koch, R., Berl. klin. Wochenschr. 1882, Nr. 15.

*) Koch, R., Tub.-Kongreß in London. Deutsche med. Wochenschr. 1901, S. .049.

3) M'Fadyean,'The Joum. of comp. Path. and Ther. XIV. S. 215.

*) Heller, Münchn. med. Wochenschr. 1902, Nr. 21.

'•) Jensen, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1901, S. 207.

^) Pfeiffer, Zeitschr. f. Hyg. Bd. UI, S. 189.

') Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1904, S. 74.

•^j Klimmer, Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1904, S 811.

») Siedamgrotzky und Edelmann, Sachs. Ber. 1890—1908.

>»] Siedamgrotzky, Sachs. Ber. 1892, S. 232.

": Eber, A., Tuberkulinprobe und Tuberkulosebekämpfung beim Rinde. Berlin 1898, Verlag von Paul Parey.

'-; Gerlach, Fleischkost des Menschen. 1875.

13) Johne, Deutsche Zeitschr. f. Tierm. Bd. IX. (1883) S. 1.

") Lydtiq, Arch. f. wiss. u. prakt Tierh. 1884, S. 179.

^^) Dieckerhoff, Tierärztl. Rundschau 1886, Nr. 49.

»«) Zschokke, Schweiz. Arch. 1889, S. 57.

^0 Preuße, Adams Wochenschr. 1888, S. 229.

»8; Steuert, Adams Wochenschr. 1889, S. 77.

13) Schmidt, Landsmansbl. 1887.

»} Vogel, Repertor. f. Tierheilk. 1889.

^) Kitt, Monatsh. f. prakt. Tierh, Bd. II. (1891) S. 122.

^) Edelmann, Deutsche Tierärztl. Wochenschr. Bii. I, S. 57.

»j D^give, Annal. de mM. v6t. 1897, Heft 6.

*♦) Zürn, Die Tuberkulose der Haustiere und deren Vorbeuge. Leipzig 1896.

25; Bang, Deutsche Zeitschr. f. Tierm. Bd. 22, S. 1.

*) Koch, R., Deutsche med. W^ochenschr. 1890, Nr. 46a.

^; Bang, Malm, Allan Höijer, Regner und Svensson, Maanedsskr. f. Dyrlaeger XIV, S. 213 u. 256. Ref. i. Jahresber. v. Ellenberger- Schütz, XXII, S. 54.

**) Regner, Deutsche Zeitschr. f. Tierm. Bd. V. N. F. S. 299 (Referat).

=^) üjhelyi, Milchzeitung 1903, S. 454, 470.

^'] Hutyra, Deutsche Zeitschr. f. Tierm. Bd. VIH. N. F. S. 364.

»11 Strebel, Fühlings Landw. Zeit. 1901, S. 133, 141.

^) Preußen, Bedeutung und Bekämpfung der Tuberkulose (Perlsucht, Fran- zosenkrankheit) in Rindvieh- und Schweinebeständen. Veröflf. im Auftrage des Kgl. Preuß. Ministeriums für Landwirtschaft usw. Berlin, Paul Parey. 1896.^

^^) Preußen, Instruktion zur Ausführung der Tuberkulinimpfung bei Rindern und Schweinen. Ebenda S. 7.

^} Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1900, S. 121.

^^) Müller, Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1902, S. 756.

^) Mecklenburg, Milchzeitung 1903, S. 328.

3"; Krafft, P., Die Tierzuchtlehre. Berlin 1895. Verlag von Paul Parey.

ZeiUchrifl für lufektionskraokheiten. I, 2,3. 14

210

^) Malm, BeretniDg om. Vet. i Norge for Aarct. 1895. Kristiania 1897.

S. 123. 39) Hauptmann, Deutsche Zeitschr. f. Tierm. Bd. VH. N. F. (1903) S. 161, 321. *>) Bongert, Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1903, S. 419. *^) M'Fadyean, The Joum. of comp. Path. and Ther. 1900, ") Kasparek, Wien. klin. Wochenschr. 1897, Nr. 26. *^) Nocard und Rossignol, Bull, de la Soc. v6t. prat' 1900. August Ref.

Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchbyg. 1902, S. 276. ") Siedamgrotzky, Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1899, S. 431. ^ Müller, Lindenau u. Lange, Milchzeitung 1902, S. 740, 756, 775, 804.

1903, S. 68, 86, 102, 118, 133. ^6) Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1903, S. 96. *^) Ostpreußische Holländer Herdbuchgesellschaft, Deutsche Landw.

Presse 1903, S. 428. *8) Ostertag, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1900, S. 163. *^) Schmitt, F., Bericht erstattet in der 8. Hauptversammlung der Herdbuch- gesellschaft der Prov. Pommern am 20. Juli 1904. *) Räbiger, H., Landwirtsch. Wochenschr. f. d. Prov. Sachsen, 7. Jahrg.

(1905) Nr. 41. *'*) Joe st, Jahresber. d. Landwirtschaftskammer f. d. Prov. Schleswig-Holstein

für 1903. ^2) Müller, 0., Mitteilungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft 1905.

Stück 4, 5 und 6.

Die Cabaiias.

Ein Beitrag zur Hygiene der Haltnng der zur Zucht bestimmten Tiere

in Argentinien.

Von Herbert Fischery

RegieroDgstterant in La* P&lmaa, Argentinien.

Mit dem Namen Cabana bezeichnet man in Argentinien jene Einrichtungen, die sich mit der Akklimatisation und Züchtung importierter feiner Viehrassen befassen, um an die Viehzüchter des Landes geeignete Vatertiere verkaufen zu können. Zum Unterschiede von den Estanzien, auf denen die Haltung and Zucht der Tiere nie unter einem schützenden Dach, sondern stets bloß auf großen, eingezäunten Weiden vor sich geht, somit also unter den natürlichsten Verhältnissen stattfindet, geschieht die Haltung der Rassetiere auf den Gabanas in Boxen, halboffenen Stallen oder Laufställen. Der Neuling, der zum ersten Male eine Cabana betritt, ist erstaunt über all den Komfort und die hygienisch zweckmäßigen Einrichtungen, die er dort zu sehen bekommt. Fast möchte man glauben, in eine Art Sanatorium flir Haustiere versetzt za sein, wenn nicht der Zustand der dort befindlichen Tiere bald eine andere Meinung beibrächte. Freilich läßt der enorme Wert, der von manchen Eigentümern in diesem Zuchtmaterial angelegt wird, eine auf den Kostenpunkt wenig Rücksicht nehmende Haltung begreiflich erscheinen.

Die Gebäude sind meistens in Form großer Quadrate zu ein- ander aufgestellt. Lange Stallreihen wechseln ab mit den Futter- scheunen, Personalwohnungen, Bureaus, Wagenremisen etc., im Innern der quadratförmigen Höfe einen Garten, von Eukalyptus- bäumen beschattete Plätze, die Brunnen und Viehbäder um- schließend. Letztere, die, den klimatischen Verhältnissen des Landes entsprechend, von ganz besonderer Bedeutung sind, be- stehen in Form von reichlichen Duschen, die über einem asphal- tierten, mit Abflußkanal versehenen und eingezäunten Badeplatz angebracht sind und zum Baden und Waschen der Pferde und Rinder bestimmt sind. Für die Schafwäsche dient ein seichtes

14*

212

Bassin, von dem aus die Schafe einzeln einen etwa fünf Meter langea Kanal durchschwimmen müssen, um auf der anderen Seite in einem schräg ansteigenden Raum zu landen, aus dem das aus der Wolle abfließende Wasser in das Bassin oder den Kanal zurückläuft. Diese Einrichtung ist als Zementwerk gebaut und zweckentsprechend mit Wasserleitungen und Abflußkanal versehen.

Die Stallungen der Pferde und Einder sind natürlich in ge- trennten Gevierten gelegen, und zwar werden Beschalhengste, Farren und die wertvollsten Muttertiere in großen, luftigen Boxen untergebracht, deren innere Ausstattung oft das Neueste und Beste hat, was der europäische Markt in Futtertischen usw. bieten konnte. Vorrichtungen für Reinigung und Ventilation enthält jede Box för sich, da die Räume voneinander durch Mauer- oder Holzwände voll- ständig getrennt sind. Die zweite Stallart, die man antrifft und die hauptsächlich ftir wertvolle Kühe Verwendung findet, ist die der halboflfenen Ställe. Ähnlich wie in den Luftheilanstalten für Lungenkranke hat man lange Hallen von mäßiger Höhe hergestellt deren rückwärtige Wand entweder ganz fehlt oder doch nur in Form einer verschiebbaren Holzwand existiert, um bei Zeiten ganz ungünstiger Witterung geschlossen werden zu können. Die weitere Ausstattung ist wie in jedem gutgehaltenen Stalle: getäfelter Stein- boden, die Wände mit Ölfarbe gestrichen, eiserne Krippen und Raufen usw.; reichliche Streu und peinliche Sauberkeit vervoll- ständigen den guten Eindruck. Für Fohlen, Stuten und Wallachen, die kastriert wurden, weil sie zur Zucht untauglich schienen, und später als Arbeitspferde verkauft werden, bestehen große Lauf- ställe (galpones), ähnlich wie sie auf deutschen Gestüten (Marbach) üblich sind. Die Tiere bringen den Tag auf den Weiden, die Nacht aber in genanntem Stalle zu, wo sie Kleeheu und etwas Kömerfutter vorfinden. Dieses Aufzuchtsystem ist hier sehr be- liebt und unter dem Namen „sistema mixto" allgemein bekannt. Auch in der Schafzucht ist diese Methode fast ausschließlich in Gebrauch.

Die Weiden, die zu den Cabanas gehören, liegen in großer Ausdehnung rings um die Ställe und sind nach Landessitte durch Eisendrähte dem Bedürfnis entsprechend abgegrenzt. Alfalfa (Luzerne) und saftiger Grasboden, auf dem eine große Distelart (Syllibum marianum), wenn sie nicht gar zu üppig wuchert, nicht ungern gesehen wird, gelten als conditio sine qua non für das Gedeihen der Aufzucht.

213

Durch Anpflanzung von Eokalyptasbäomen oder Ombus bemüht man sich, den Weiden etwas Schatten flir die Tiere zu geben. Stiere, die man nicht frei laufen läßt, werden täglich von ihrem Wärter längere Zeit spazieren gefiihrt und während der heißen Mittag- stnnden auf einer Weide im Schatten eines Baumes angebunden.

Die Fütterung der Tiere ist eine rationelle, die das Mastigwerden durch voluminöses Futter nach Möglichkeit zu vermeiden sucht. Als Kömerfutter gibt man reichlich geschroteten Mais und etwas enropäischen Hafer (der argentinische Hafer ist zu leicht und minder- wertig), als Beifutter Klee und Wiesenheu, niemals Strohhäcksel. Bemerkenswert ist der Brauch, Pferde auch zur Zeit der größten Sommerhitze nur zweimal im Tage, nämlich morgens und abends zu tränken.

Um eine sorgfältige Pflege der Tiere zu ermöglichen, die die meiste Zeit im Stalle zubringen, steht ausreichend geschultes Dienstpersonal zur Verfugung; außer dem selbstverständlichen zwei- maligen Putzen pro Tag, sowohl bei Pferden als auch bei Rindern, ist zur Sommerszeit das tägliche Abschwemmen und Waschen mit „Toilettenseife" zu erwähnen. Als ein großer Mißstand in der Pferdehaltung auf den Cabaiias scheint mir das Fehlen von Arbeit zu sein. Schon die Vatertiere werden nur in ganz geringem und ungenügendem Maße zum Reiten und Fahren verwendet; Stuten aber haben selbst dann, wenn sie auf irgend einer Ausstellung unter der Kategorie der Arbeitstiere zu sehen sind, gewiß noch nie einen Wagen gezogen. Die rohen südamerikanischen Zwangsmittel, das Lasso und die Bolendora, sowie auch die Art des Antreibens von Vieh durch Anreiten sind auf den Cabanas selbstverständlich ausgemerzt.

Der Deckakt geschieht bei sämtlichen Tiergattungen als Sprung aus der Hand, was bei dem hohen Wert des Zuchtmaterials ja selbstverständlich erscheint. Die Blutauffrischung findet durch häufigen Ankauf und Verkauf des Zuchtmaterials unter den Etablisse- ments statt, außerdem aber unterhält Argentinien einen sehr leb- haften Import von Rassetieren aus England. Die Größe der CabaSas in bezug auf die Zahl der vorhandenen Tiere ist natürlich eine wechselnde. Die Cabana von U. in L. P., an deren Beschreibung ich mich vorwiegend gehalten habe, besitzt einen Vollblut-, zwei Hakneyhengste, über 200 Halbblutstuten (Hakney), einige drei- jährige Hengste, die als Beschäler verkauft werden sollen, zahl- reiche Aufeuchtfohlen und Wallachen. Für eine entsprechende

214

Menge des Rinderstammes stehen sechs prächtige Durhamstiere zur Verfügung.

Was nun die Rassen betrifft, deren Zucht mit Vorliebe auf den Cabanas betrieben wird, steht in der Pferdezucht neben dem Vollblut der Hakney als elegantes Reit- und Wagenpferd und der Clydesdaler als schweres Zugpferd obenan. Je nach dem Geschmack des Besitzers werden aber auch manche andere europäische oder orientalische Rassen nicht vergessen. So kommt es, daß man in Argentinien im Lande gezüchtete, mehr oder weniger reine Araber, . Cleveländer, Oldenburger, Percherons, Trakehner oder Yorkshires kaufen kann. Für gewöhnlich wird auf einer Cabana natürlich nur die Zucht einer einzigen Rasse betrieben. Das eigentliche Argentinier- oder CrioUer-Pferd hat aber bis heute noch keinen Eingang in das Zuchtprogramm auf den Cabanas gefunden.

Die Rinder gehören zum größten Teil der Durhamrasse an; es ist diese Rasse zurzeit die meistbegehrte in Argentinien, haupt- sächlich deshalb, weil der im Land geborene Durhamstier sich sehr gut zur Kreuzung und Verbesserung der Pampasviehrassen und zur allmählichen Umwandlung derselben in Milchvieh eignet; allerdings wird behauptet, daß die Durhammestizen gegen Krankheiten im allgemeinen, und gegen die Tristeza im besonderen, wenig Wider- standsfähigkeit zeigen. Für wirklich gut gelungene Exemplare importierter oder auf Cabanas gezogener Durhamstiere wurden in Buenos- Aires wiederholt Preise von 30 000 Pesos = 50 000 M. bezahlt, während sich der Durchschnittspreis guter Durhamstiere, der in Buenos-Aires auf den Versteigerungen erzielt wird, auf etwa 10 000 Doli, beläuft. Es wird also in Argentinien fär diese Tiere viel mehr bezahlt als für gleich gelungene Exemplare in England. Die zweite Rinderrasse, der ein Platz auf den Cabanas eingeräumt wurde, ist das Angus Polland Cattle. Besonderen Impuls zur Zucht dieser Tiere geben wohl die Frigoriflcos, die Tiere dieser Rasse oder auch Kreuzungsprodukte derselben mit Vorliebe aufkaufen, selbst wenn sie kleiner und leichter erscheinen als andere, da diese, ohnehin schon sehr zahm, sich wegen des Fehlens der Homer weniger verstoßen als andere Tiere, hauptsächlich aber, weil ihr Fleisch als besonders zart und wohlschmeckend gerühmt wird. Von besonderem tierärztlichen Interesse ist außerdem noch, daß das Angus-PoUand-Vieh in Argentinien viel weniger als alle anderen Viehrassen unter der Tuberkulose zu leiden hat. Die Rasse Hereford

215

ist die nächste, der wir anf den Cabanas begegnen, doch kommt dieser nicht annähernd die Bedeutung der beiden vorgenannten zu, obwohl sie in Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und gegen die Trockenheit des Sommers die Durhamrasse weit über- trifft. Andere Rinderrässen wie Oldenburger, Jersey, Simmenthaler werden nur ausnahmsweise gezüchtet.

Die Schafzucht, die auf den Gabanas eine bedeutende Rolle spielt, ist fast ausschließlich vertreten durch Lincoln und Rambouillet, von dem schöne Zuchtböcke von 2000—5000 Pesos bezahlt werden. Speziell in der Lincolnrasse sieht man auf den Cabanas häufig Tiere, die ein Gewicht von weit über 100 kg erreichen und mit der Feinheit ihrer Wollstapel jeden Vergleich mit den Vertretern ihrer Rasse in Europa aushalten.

Schweine- und Geflügelzucht ist bis jetzt nicht zu be- sonderer Bedeutung gelangt. Erstere wird meist als Nebenzweig in den großen Molkereien betrieben.

Die best gelungenen Produkte, die aus den Cabafias hervor- gehen, bleiben meist den Instituten der gleichen Art zur Weiter- züchtung erhalten. Viele andere, oft weniger gelungene Exemplare werden an die Estanzien zur Kreuzung mit den Pampasrassen weiterverkauft. Für Rassepferde ist außerdem der Export und die Stadt Buenos-Aires mit ihrem großen Pferdeluxus und Pferde- verbrauch ein gutes Absatzgebiet.

Eine Vereinigung von Estanzieros, die den Namen „sociedad niral" führt, hat sich die Hebung und Entwicklung der argentinischen Viehzucht zm* Aufgabe gestellt. Sie führt ein Stut- und Herdbuch über die Rassetiere, veranstaltet Viehschauen und ist mit Unter- stützung der Regierung imstande, fiir erstklassige Leistungen Preise von solcher Höhe und in so reichlichem Maße zu gewähren, wie man es kaum irgendwo in Europa kennt.

Den Cabanas fällt also ein Teil jener hochwichtigen Aufgaben zu, die in Deutschland in veränderter Form durch die Haupt- gestüte, Körausschttsse usw. erledigt werden. In einem Staate, dessen Haupti*eichtum in der Viehproduktion besteht, ist die Ord- nung dieser Angelegenheiten also zum großen Teil Privaten über- lassen, erledigt sich aber dank der Fortschrittlichkeit und dem Wetteifer der Cabanas in einer flir das Land ersprießlichen Weise.

Bemerkungen zu dem Artikel Fischoeders: ,,Zum Nachweis des Milzbrandes durch Züchtung''.*)

Von Kaestner,

Polizeitiersrzt in Berlin.

In Nr. 5 der Zeitschrift für Fleisch- und Milchhygiene 1904 habe ich unter Beifügung von Photogrammen die diagnostischen Merkmale der Wuchsform einer Bakterie wiederzugeben versucht, die in ihren morphologischen Charakteren innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Aussaat in Nähragar bei Anwendung des Plattenkulturverfahrens eine große Ähnlichkeit mit dem B. anthracis aufweist. Genanntes Stäbchen, dessen biologische Eigenschaften gleichfalls an jener Stelle differentialdiagnostisch geschildert wurden, ist mit Rücksicht auf diese mit dem von Burri**) und Baas***) beschriebenen B. pseudanthracis identifiziert worden.

Fischoeder hat sich mit gleichem Gegenstande befaßt und gleichfalls unter Beifügung von Photogrammen meine nunmehr zwei Jahre zurückliegende Arbeit einer kritischen Besprechung unter- zogen, in der er folgende Behauptungen aufstellt:

1. Eine differentialdiagnostische Scheidung zwischen B. anthracis und pseudanthracis ist auf Grund der Wuchsform allein nicht möglich.

2. Die Diagnose darf ohne Zuhilfenahme auch anderer bakteriologiecher Methoden (Impfung) auf Grund der Wuchsform allein nicht gestellt werden.

3. Die morphologischen Charaktere des B. pseudanthracis seien von mir nicht zutreffend geschildert worden.

Hierzu möchte ich folgendes bemerken:

An keiner Stelle der Fischoederschen Arbeit findet sich auch nur die geringste Andeutung einer biologischen Charakterisierung der Bakterie, der die vergleichenden Untersuchungen gelten. Ist es überhaupt nur eine, oder sind es deren mehrere, untereinander

*) Fortschritte der Veterinär-Hygiene 1906, Heft 10. **) Hygienische Rundschau 1904, Heft 8. ***) Inaugural-Dissertation, Straßburg 1903.

217

ähnliche? Jede Diskussion über das strittige Thema ist gegen- standslos, bevor Fischoeder diesen Kardinalpnnkt nicht aufgeklärt hat. Da ich jedoch aus den der Abhandlung beigefugten Photo- grammen ersehe, daß den Fischoederschen Untersuchungen derselbe B. pseudanthracis, wenn auch vielleicht nicht allein, zugrunde gelegen hat, nehme ich Gelegenheit, doch etwas näher auf diese einzugehen.

Zu Punkt 1 der von Fischoeder aufgestellten Behauptungen bemerke ich, daß es einem Erfahrenen sehr wohl möglich ist, beide einander zeitweise ähnlichen Wuchsformen auseinander zu halten, wenn er an der Hand der seinerzeit von mir angegebenen morpho- logischen Charaktere beide eingehend und gründlich vergleicht. Das Ergebnis meiner damaligen Untersuchungen steht auch durchaus nicht im Widerspruch mit denjenigen Bongerts. Einen solchen ans der Wahl einiger nicht gleichlautender deskriptiver Bezeich- nungen zu konstruieren, ist willkürlich.

Zu Punkt 2 möchte ich betonen:

Das Plattenkulturverfahren wird mit Becht als eine sehr leistungsfähige Methode, jedoch selbstverständlich nur als eine unter anderen Methoden mehr bewertet, und es ist ein Verdienst des Hygie- nischen Instituts der Berliner Tierärztlichen Hochschule, auf die Bedeutung des Plattenverfahrens fiir den Milzbrandnachweis auf Grund jahrelanger umfangreicher Untersuchungen hingewiesen zu haben. Es ist ganz unverständlich, wie Fischoeder den Rat erteilen kann, auch andere Untersuchnngsmethoden nicht zu ver- nachlässigen. Ist ihm denn aus der Zeit, da er die Erlaubnis erhalten hatte, im Hygienischen Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule sich über den Milzbrandnachweis in durch Trocknen kon- serviertem Material zu orientieren, nicht mehr in Erinnerung, daß in allen zweifelhaften Fällen auch andere Methoden anzuwenden sind, und hat er übersehen, was Bongert*) in seinem „Beitrag zur Milzbranddiagnose" gesagt hat? B. betont: „Es müssen außer den morphologischen Eigenschaften noch biologische Merkmale heran- gezogen werden".

Bezüglich des Punktes 3 muß ich vorausschicken, daß ich die von mir angegebene Charakteristik des B. pseudanthracis auch jetzt noch in allen Punkten flir zutreffend erachte. Andererseits muß

•) ZeitBchr. f. Fleisch- und Milchhygiene 1902, S. 195.

218

ich Fischoeder auf folgende IiTtümer seiner kritischen Besprechung auftnerksam machen:

a) Das gefärbte Deckglas -(Klatsch-) Präparat habe ich empfohlen, nicht bei starker, sondern gerade bei schwacher (ca. öOfacher) Vergrößerung zu untersuchen. Nur auf diese Weise erhält man das so unterschiedliche Übersichtsbild beider Wuchs- formen;

b) Fig. 7 u. 8 in meiner Arbeit hat Fischoeder falsch ge- deutet. Die dunkle Mitte der Kolonie ist nur Kernschatten einer oberflächlichen Kolonie, kein sogenannter Kern, i. e. ein Konvolnt in der Tiefe des Nährbodens dicht zusammengeballter Pilzfilden;

c) der Ausdruck „zentral" ist von mir nicht im Sinne „kon- zentrisch" gebraucht. Andrerseits deute ich die in Fig. 13 und 14 der Fischoederschen Photogramme abgebildeten Kolonie als „räumlich getrennt".

Ich nehme mir nun die Freiheit, Fischoeder auf folgende Mängel seiner bildlichen Darstellungen aufmerksam zu machen, indem ich vorausschicke, daß ich die meiner Ai'beit beigegebenen Photogramme selbst und zwar stets von frischen Präparaten angefertigt habe. Leider war das Reproduktionsverfahren meiner Photogramme nicht ein so vorzügliches, wie bei den Fischoeder- schen Photogrammen, die auf besonderem Papier reproduziert sind.

Ich muß es für einen Mangel erklären, daß Fischoeder seine Photogramme bei so sehr wechselnden Vergrößerungen hat anfertigen lassen. Wünschenswert wäre zur Ermöglichung ver- gleichender Studien die Anwendung einer gleichmäßigen, etwa öOfachen Vergrößerung gewesen, wie sie die schwachen mikroskopi- schen Systeme gestatten, mit deren Hilfe die Kulturplatten durch- mustert werden.

Ein weiterer Mangel ist die Formalinbehandlung, die Fisch- oeder seinen Präparaten hat angedeihen lassen, bevor die photo- graphische Aufnahme erfolgte, und besonders auch der Umstand, daß diese erst 14 Tage lang aufgeschoben wurde. Beide Momente führen zu Veränderungen im Nährsubstrate und der Pilzfäden selbst, besonders infolge von Austrocknung, was nicht ohne Ein- fluß auf den Verlauf der Pilzfäden bleiben kann.

Meiner Auffassung nach erwartet Fischoeder von der photo- graphischen Wiedergabe überhaupt zu viel. Für die Orientierung über körperliche Gebilde haben bildnerische, speziell photographische

- 219

Darstellungen nur einen approximativen Wert. Glaubt Fisch- oeder einen Lernenden darch seine Photogramme allein über- zeugen zu können? Ebenso könnte jemand die Anatomie nur aus dem anatomischen Atlas erlernen wollen. Ein verständnisvoller Zeichner leistet meines Erachtens sogar unter Umständen mehr, wie der routinierteste Photograph. Die Mikrophotographie ins- besondere kennt nur die bildliche Wiedergabe von Objekten innerhalb einer Ebene von beschränktester Tiefenausdehnnng. Nun fährt aber Fischoeder als Beweis für die Konfiguration der Tiefenkolonie Nr. 6 meiner Photogramme an, obwohl dieses nur ein Übersichtsbild ihres oberflächlich verlaufenden Fadengeflechts darstellen soll, und natürlich nur auf die Ebene desselben der Apparat bei der Auftiahme scharf eingestellt war.

Der Zweck meiner Arbeit war ein möglichst bescheidener. Ich wollte einen Beitrag liefern zur Differentialdiagnose des Milz- brandes mit Rücksicht auf eine (sc. unter andern!) sehr leistungs- fähige Methode, nachdem „Fränkel auf die diagnostische Be- deutung der Züchtungsversuche bei Milzbrandverdacht hingewiesen hatte". Auch Fischoeder hat einen immerhin dankenswerten Beitrag zu dieser Frage durch seine letzte Veröffentlichung ge- liefert, obwohl diese neue Gesichtspunkte nicht gezeitigt hat.

Zum Schluß bemerke ich, daß ein Ausgleich abweichender An- sichten hier schließlich durch Wort und Bild allein nicht so ge- fördert werden kann, wie es das vergleichende Studium frischer Objekte ermöglichen würde.

Referate.

Die neue Schafpockeninvasion.

Kritisches Sammelreferat.

Von

Prof. Dr. £. Joest

in Dresden.

(Mit Tafel 2 und drei Figuren im Text.)

Seit 20 Jahren kamen die Schafpocken im Innern Deutschlands (abgesehen von einem Falle im Begienmgsbezirk Lüneburg im Jahre 1900) nicht mehr vor. Nur in einigen Grenzbezirken traten zeitweilig vereinzelte, auf eine Einschleppung aus dem Auslande zurückzuführende Fälle auf, die indessen jedesmal rasch unterdrückt werden konnten* Der letzte derartige Seuchenausbruch ereignete sich im Juni 1905 in dem ostpreußischen Kreise Johannisburg. Gänzlich unvorhergesehen stellte sich die Seuche im Herbst des verflossenen Jahres an verschiedenen Punkten des mittleren Deutsch- lands ein.

Die Erkrankung bei diesen jüngsten Seuchenausbrüchen zeigte wesentliche Abweichungen von dem von früher her bekannten typischen Bilde der Schafpocken. Ostertag machte als Erster auf das neuerliche Vorkommen der Seuche im Binnenland und auf ihren atypischen Verlauf aufmerksam. Der Mitteilung Ost er tags folgten eine Anzahl Veröffentlichungen anderer Beobachter. Insgesamt geben diese Publikationen ein ziemlich vollständiges Bild der jüngsten Schaf- pockeninvasion. Da die Seuche zurzeit zu einem Stillstande gekommen zu sein scheint, so dürfte eine kurze kritische Zusammen- fassung der von verschiedenen Seiten gemachten Beobachtungen am Platze sein.

Nach den bisher vorliegenden Mitteilungen wurden neuerdings Schafpockenausbrüche beobachtet 1. im Kreise Johannisburg in der Provinz Ostpreußen (Kleinpaul), 2. in den Kreisen Westpriegnitz

221

und Teltow in der Provinz Brandenburg (Ostertag, Klebba), 3. im Herzogtum Anhalt (Fröhner, Eößler), 4. in der Kreis- hauptmannschaft Leipzig (Eber, Noack). Ob die in Mecklenburg von Teetz beobachtete Schaferkrankung zu den Schafpocken gehört, erscheint mir noch zweifelhaft. Die Einschleppung geschah in den Kreis Johannisburg durch Zwischenträger aus Eußland. Die weiteren Verbreitungswege der Seuche sind nicht ganz klar zu erkennen. Es scheint aber, daß die Krankheit von Ost- preußen aus weiter verschleppt wurde. In den Kreis Teltow Würde die Seuche nachweislich durch aus Ostpreußen stammende Schafe eingeschleppt (Klebba). Der Seuchenausbruch in Anhalt woi'de durch aus Westpreußen stammende Schafe veranlaßt (Rößler, Fröhner). Die für den Seuchenausbruch bei Leipzig verantwortlich zu machenden Tiere waren in Friedrichsfelde bei Berlin gekauft (Noack).

Erscheinungen.

Während das typische Pockenexanthem die schwachbewoUten Körperstellen bevorzugt, fanden sich die Hautveränderungen bei der letzten Invasion der Seuche in der Mehrzahl der Fälle über den ganzen Körper verbreitet, sowohl au bewollten als auch an unbewoUten Teilen (Ostertag). In manchen Fällen waren aller- dings die wollarmen Hautstellen vorwiegend erkrankt, wie dies Noack beobachtete, und wie auch ich es bei den mir von Herrn Kollegen Noack übersandten Kadavern fand. Auch Kleinpaul hebt hervor, daß das Exanthem besonders den Kopf, die Innen- fläche der Vorder- und Hinterschenkel, Skrotum und Vulva bevor- zugte. In einzelnen Fällen sah Kleinpaul den Kopf intakt bleiben.

Das Exanthem selbst wird von fast allen Beobachtern als ein papulöses beschrieben, und zwar fanden sich in weitaus der Mehrzahl der Fälle nur Papeln, nicht aber die anderen bekannten typischen Formen der Hautveränderungen. Das papulöse Exanthem erhielt sich gewöhnlich unverändert auch im weiteren Verlauf der Erkrankung. Die Papeln stellten entweder halbkugelige, linsen- große, erbsengroße oder haselnußgroße Knoten (Fig. 3) oder beet- artig-flache, quaddelartige, hanfsamen- bis markstückgroße Efiflores- zenzen (Fig. 1 u. Taf.) dar; beide Formen waren von derber Konsistenz und von weißgrauer, ziegelroter oder braunroter Farbe. Die Papeln waren nicht höher temperiert. Bläschen- und Pustelbildung fehlte, wie

222

Fig. 1. Atypische Schafböcken.

Quaddelartiges Exanthem. Hautstttck mit Zitse.

Eingesandt vom Kreistierarzt Dr. Fröhner in Halle.

(Natürliche Gröfie.)

die Mehrzahl der Beobachter ausdrücklich hervorhebt, vollständig, war selten (Kleinpaul) oder trat erst im weiteren Verlauf der Seuche hervor (Noack, Eber). Ebenso fehlte auch in der Regel

jede Reaktion der Haut m der Umgebung der Papeln. Sie zeigte weder Rötung noch Schwellung. Nur Kleinpaul beobachtete eine entzündete und ödematöse Beschaffenheit der Haut in der Nachbarschaft der Papeln. Noack, Klein- paul und Fröhner sahen am Kopfe stärkere, diffuse Schwel- lungen auftreten. Rößler fand femer Ödem in der Kehlgegend. OstertagundKleinpaulsteU- ten fest, daß sich die Wolle über den Papeln leicht ausziehen läßt und daß dann nässende Substanz Verluste zurückbleiben (s.Taf.). Die Papeln zeigten da, wo sie dicht zusammensaßen, häuägNeigung zukonfluieren, wodurch dann unregelmäßig begi^enzte, flache Erhebungen der Haut entstanden (s. Taf.). Die Papeln blieben gewöhnlich als solche längere Zeit bestehen. Bei genesenden Tieren sah sie Noack ein- trocknen, Rößler in toto sich abstoßen. Bisweilen gingen aber auch die Papeln in Eiterung (Kl ebb a) oder in Gangrän über („Aaspocken''). Gangränöse Papeln und Knoten sah ich an einem von Herrn Kollegen Noack eingesandten Hautstück.

Besondere Veränderungen wies die Haut an den Nasenöfiiiungen und am Maule auf. Die Lippen erschienen geschwollen. Infolge Zerfalls der an ihnen sitzenden Papeln kam es zu Gangrän oder Geschwürsbildung (Ostertag, Kleinpaul, Klebba, Fröhner, eigene Beobachtungen). Dem Eintritt gangränöser und geschwä- riger Prozesse wurde durch das in ziemlicher Menge über die Lippen abfließende Nasensekret besonders Vorschub geleistet (eigene Beobachtung). Nasensekret und nekrotische Hautpartien bildeten schließlich umfangi-eiche Krusten und Schorfe in der Umgebung der Nasenöflhungen und an den Lippen. Die Schorfe lösten sich, wenn nicht der Tod eintrat, später in kleineren ' oder größeren Fetzen ab, worauf langsame Heilung erfolgte (Ostertag, Kleinpaul, Noack). Bei solchen Tieren, die umfangreichere Nekrotisierungen

223

an den Lippen nicht zeigten, verschorften in der Kegel die ein- zelnen Papeln, die dann im Stadinm exsiecationis ein Bild dar- boten, wie es in Fig. 2) wiedergegeben ist. Alle diese Verände- rungen fahrten bei günstigem Verlauf zu Narbenbildung am Kopfe. Die Narben zeigten eine grau-weißliche Farbe, waren pigment- und haarlos. Auf diese Weise entstand dann ein charakteristisches Pockennarbengesicht, besondere auffällig bei Schafen mit pigmen- tierter Haut am Kopfe (Kleinpaul).

Als Folge der Hauterkrankung wurde bei genesenen Tieren Verlust der Wolle gesehen (Eber).

Die Schafpocken traten bisweilen als bloße Hauterkrankung, ohne wesentliche Allgemeinsymptome auf. Ostertag berichtet über 140 Tiere eines Bestandes, bei denen bei der Schlachtung Knoten in der Haut das einzige Krankheitsmerkmal bildeten. Umgekehrt ereigneten sich in einer verseuchten Herde auch Todesfälle ohne Hauterkrankung (Rößler). In der Regel bestand neben dem Exanthem eine mehr oder weniger schwere Allgemein- erkrankung so- wie eine Er- krankung der Schleimhäute.

Abgeschlagen- heit, Eingenom- menheit des Sen- soriums, Appetit- mangel, Fieber, so- wie bei länger an- dauernder Krank- heit Abmagerung waren die beobach- teten Allgemein- symptome.

Die sichtba- ren Schleimhäute erschienen gerötet. Bisweilen waren auf der Maulschleimhaut, besonders an den Schließungsrändern der Lippen, Pocken oder geschwürige Stellen wahrzunehmen. Es

*) Dieselbe verdanke ich Herrn Prof. Ostertag.

Fig. 2. Pocken am Kopf im Stadium exsiecationis.

Nach einer Photographie.*)

224

bestand schleimig-eitriger Nasenausfluß, der eingetrocknet, die Nasen- öffiiungen verklebte und die Lippen bedeckte. Besonders ausgeprägt war der Nasenausfluß bei dem Seuchenausbruch in der Nähe von Leipzig (Eber, Noack, eigene Beobachtung). Die Verklebimg der Nasenöfihungen und die Entzündung der Nasenschleimhaut be- dingten Atemnot (schniefendes Atmen) und Niesen. Husten deutete auf das Mitergriflfensein der mittleren und tieferen Luftwege hin. Infolge katarrhalischer Eeizung der Konjunktiva bestand Tränenfluß (Fröhner, Kleinpaul) oder auch eitriger Ausfluß aus dem Binde- hautsack (Elebba). Rößler und Elebba beobachteten ferner Keratitis, letzterer auch Hornhautperforationen. Auf diese Ursachen, vielleicht auch auf tiefergreifende Entzündungen am Auge, dürfte das nicht seltene Vorkommen von Erblindungen bei den Tieren, die die Krankheit überstanden hatten, zurückzuführen sein. So er- wähnt Eber zwölf Fälle von Erblindung auf einem Auge und drei Fälle von Erblindung auf beiden Augen bei genesenen Schafen. Weiterhin wurde eitrige Vorhautentzündung beobachtet (Eößler). Kurz vor dem Tode stellte sich nicht selten Durchfall ein (Rößler.) Sehr häufig lahmten die erkrankten Schafe. Diese Erscheinung wird nicht nur dadurch, daß Pocken an der Klauenkrone und im Klauenspalt auffahren, sondern auch dadurch bedingt, daß die Pocken an den Innenflächen der Hinterschenkel sehr zahlreich vorhanden sind (Klebba, Kleinpaul). Hochtragende Mutterschafe abortierten (Klebba).

Pathologische Anatomie.

Die Sektion der im Verlaufe der Erkrankung gestorbenen Schafe ergab, wie aus den Angaben verschiedener Beobachter zu entnehmen ist, ziemlich schwere Veränderungen. Eößler fand ausnahmslos „Pneumonie, Bronchitis und Erscheinungen des Darmkatarrhs", Klebba „Bronchialkatarrhe, Lungenentzündungen, Diphtherie in den Nieren und zuweilen auch Pocken im Darm". Noack erwähnt, daß er bei Sektionen Abmagerung und regelmäßig Hyperämie und Verdichtungen in den Lungen gefunden habe. Nekrosen will Noack in den Lungen nicht gesehen haben. Ausfuhrlichere Mit- teilungen über den Obduktionsbefund bei einem pockenkranken Schaf gibt Fröhner. Abgesehen von der Hauterkrankung fand derselbe Schwellung und Eötung der Schleimhaut der Maul- und Nasenhöhle sowie der Konjunktiven; Hämorrhagien an der harten Hirnhaut

225

und dem Peritoneum; partielle katarrhalische Entzündung des Dünn- darmes; Pneumonie (rote Hepatisation des rechten Vorderlappens); Tracheitis; Schwellung der Milz, der Leber und der Nieren, sowie der Lymphdräsen.

Ich selbst habe Gelegenheit gehabt, zwei pockenkranke Schafe ans dem Ausbruch bei Leipzig, die mir Herr Bezirkstierarzt Dr. Noack in Leipzig freundlichst überlassen hatte, zu sezieren. Das eine Schaf war mir tot, das andere in schwerkrankem Zu- stande lebend flbersandt worden. Letzteres starb wenige Stunden nach seiner Ankunft im Listitutsstalle. Bei beiden Tieren ergab sich ungefähr der gleiche BeAind. Ich gebe im folgenden das Sektionsprotokoll des letztgenannten Schafes.

Sektion am 12. Oktober 1905. Mäßig genährter Kadaver. Die Haut weist an den schwachbewollten Stellen, insbesondere in der Schamgegend, am Bauche, in der Gegend der Kniefalten und in der Ellenbogengegend zahlreiche quaddelähnliche, beetartige, linsen- bis zehnpfennigs tückgroße Effloreszenzen, von zum Teil grauweißer, zum Teil braunroter Farbe und derber Konsistenz auf. Die Oberfläche dieser Gebilde zeigt nirgendwo weitere Veränderungen ikeine Bläschen-, Pustel- oder Schorfbildung). Ebenso ist auch die Haut in der nächsten Umgebung ohne Sonderheiten (keine Rötung oder Schwellung). Aus den Nasenöffnnngen entleert sich eine mäßige Menge einer graugelb- licben, schleimigen, trüben Flüssigkeit Die Umgebung der Nasenöffhungen (besonders der angrenzende Teil der Lippen) ist mit grauen, trüben, schmierigen Massen, die zum Teil zu graubraunen Krusten eingetrocknet sind, bedeckt. Diese Krusten lassen sich leicht abheben, ohne daß dabei wesentliche Substanz Verluste der Haut entstehen. Unterhautbindegewebe mäßig fettreich, Muskulatur braunrot, mäßig derb, Blut schlecht geronnen, dunkelkirschrot, deckfarben.

Brusthöhle ohne abnormen Inhalt. Lungen unvollkommen retrahiert Pleura glatt, glänzend und durchscheinend. In ihrem kostalen Teil weist die Pleura zahlreiche scharf umschriebene, subpleurale Blutungen vom Umfange einer Linse bis einer Erbse auf Ebensolche Blutungen finden sich unter dem Epikard (besonders an der Herzbasis), sowie unter dem Endokard an der Mitralis. Endokard und Klappenapparat im übrigen normal. Myokard von graubrauner Farbe und mürber Konsistenz. Lunge ziemlich umfangreich, ihr »charfer Rand etwas abgestumpft. Farbe der Lunge zum größten Teil graurot, zum Teil dankelrot. Diese Partien sind nicht scharf voneinander abgegrenzt; donkelrot erscheinen besonders die Spitzenlappen sowie die vorderen Teile der Zwerchfellappen. Konsistenz der Lunge fast überall mäßig derb. Schnittfläche etwas vorspringend, von gleichem Farbenton wie die Oberfläche, auf Druck eine geringe Menge einer grauroten, trüben Flüssigkeit entleerend. In den dunkelroten Partien zeigen sich auf der Schnittfläche multiple, etwa hirsekomgroße, trübe, grauweiße Herde. Schwimmprobe des Lungengewebes negativ. Schleimhaut der Trachea und des Kehlkopfes diffus gerötet; in der Gegend des rechten Aryknorpels flndet sich eine etwa bohnengroße, scharf-

ZelUcbrift fflr lofektlonskrankheiten. I, 2/3. 1')

226

umschriebene Stelle, an der die Schleimhaut, grünlich-grau verfärbt und trübe erscheint. Schleimhaut beider Nasenhöhlen dunkelgerötet und mit schleimig- eitrigem Exsudat bedeckt.

Leber etwas vergrößert, Farbe graubraun, Konsistenz mttrbe. Milz geschwollen, von dunkelroter Farbe. Pulpa weich, mäfiig leicht ausdrückbar. Konsistenz der Nieren mürbe. Binde granbraun, Markschicht ohne Sonder- heiten. — Magen und Darm ohne Sonderheiten.

Es bestanden also ein papulöses Exanthem, multiple Hämorrha- gien der serösen Häute, Degeneration der Parenchyme, Milztumor, Pneumonie, Tracheitis, Laryngitis und Rhinitis, zirkumskripte Ne- krose an der KehlkopfscMeimhaut (zerfallene Pocke?).

Der von mir erhobene Sektionsbefund stimmt somit im großen und ganzen mit den Beobachtungen Fröhners und Klebbas überein.

Die histologische Untersuchung der veränderten Lunge und der Hautpapeln des vorstehenden Falles ergab folgendes:

Das Lungengewebe ist hyperämisch. Die Alveolen sind an den graurot hepatisierten Stellen der Lunge angefüllt mit Epithelien und polynukleären Leukozyten. In den rothepatisierten Partien sind neben den genannten Zellen Erythrozyten und Fibsin nachweisbar. Hier sind auch nekrotische Herde anzu- treffen. —

Die Pneumonie hatte somit im allgemeinen einen katarrhalische«, stellenweise einen kruppösen und nekrotisierenden Charakter.

Im Bereiche der Papeln erschienen Korium und Subkutis zellig infiltriert. Die Bindegewebs- und Muskelbündel sind durch Rundzellen und Flüssigkeit auseinandergedrängt. Besonders dichte zellige Infiltration weist der Papillar- körper auf. Die Papillen erscheinen infolgedessen vergrößert. Die Epidermis der Papeln besitzt einen größeren Dickendurchmesser als die der benachbarten normalen Haut. Ihre Zellen sind vermehrt, zum Teil blasig degeneriert Stellen- weise ist auch die Epidermis zellig infiltriert.

Demnach beruhte die Papelbildung in der Hauptsache auf einer zelligen Infiltration und der dadurch bedingten Volumzunahme der Haut.

Übertragung.

Die Übertragung der Schafpocken geschah in den Fällen von Kleinpaul durch Zwischenträger, und zwar in einem FaUe durch russische Arbeiter, in einem andern Falle durch russische Gänse und Enten, die in den Schafstall gesperrt worden waren. Bößl er beob- achtete, daß durch teilweise Benutzung (Kreuzung) desselben Treib- weges eine gesunde Schafherde durch eine pockenkranke nicht ange-

227

steckt wurde. Wenn aus dieser letztangeführten Beobachtung von Teetz der Schluß gezogen wird, daß nur durch direkte Übertragung die Ansteckung erfolgt, so dürfte dieser Satz angesichts der Fest- stellungen Eleinpauls doch wohl kaum eine allgemeine Geltung beanspruchen können. Allerdings scheinen die Schafpocken bei der neuesten Invasion weniger kontagiös gewesen zu sein wie früher. So erwähnt Noack, daß eine Anzahl der Tiere, durch die der An- steckungsstoff eingeschleppt wurde, vom Händler zurückbehalten wurde, daß diese Tiere aber nicht erkrankten.

Verlauf.

Über den Verlauf der Seuche im allgemeinen und beim ein- zelnen Tier geben Eber und Noack folgende Daten bezüglich des Schafpockenausbruches in der Nähe von Leipzig:

Am 29. August waren 100 Schafe angekauft und in die etwa 500 Haupt zählende Herde eingereiht worden. Am 21. September starb das erste der angekauften Schafe an Pocken. Die Seuche erlangte aber erst in der zweiten Hälfte des Oktober ihren Höhepunkt. In der Zeit vom 20. bis 24. Oktober «tarben täglich durchschnittlich 6—7 Schafe. Während des November ging die Zahl der Todesfälle wieder zurück. Am 5. Dezember waren alle Schafe durcbgeseucht (Eber). In der ersten Periode des Seuchenverlaufes war das Exanthem rein papulös. Als die Seuche jedoch ihren Höhepunkt überschritten hatte (Mitte November), traten neben unveränderten Papeln auch vereinzelte Papehi mit Dellen sowie vereinzelte, wenn auch meist undeutliche Bläschen und Pusteln auf.

Fig. 3 zeigt ein Hautstück aus diesem Stadium des Seuchenverlaufes. Dasselbe wurde mir von Herrn Dr. Noack zugesandt.

Beim einzelnen Tier dauerte die Krankheit bis zum Eintritt des Todes eine bis mehrere Wochen. Im Falle der Genesung trat die Wendung zum Besseren erst nach 2—3 wöchiger Krankheit ein. Die Heilung war vollständig erreicht in 4—5 Wochen. Nur wenige Tiere blieben von der Krankheit ver- schont (Noack).

Klebba berichtet hinsichtlich des Verlaufes der Pockensenche auf einem Rittergute im Regierungsbezirk Potsdam folgendes:

Zu dem Bestände von 106 Schafen wurden am 26. August 143 Schafe hinzugekauft, die aus Ostpreußen stammten. Bis etwa Mitte November er- krankten 19 Tiere. Von diesen zuerst erkrankten gingen 14 (= 75 7o) ^in. Weiter verlief aber die Krankheit milder, so daß der Gesamtverlust 25% betrug.

Mortalität.

Die Mortalität betrug nach Eber über 30% (von 594 Schafen starben insgesamt 185 Stück). AuchKleinpaul sab(trotz der Impfung)

15*

228

5-

93

5. ?r

3

o

I -

S i

p s-g.

i"^- .-I

2 « ^

2. S. 2. o

•g ?

'S ^

2 05

2. 1

a c 2. ^

2. M

fung verwandte. Klebba ließ, um

30 ö/o der erkrank- ten Tiere zugrunde gehen. Nach Kl e b b a betrug die Zahl der Todesfälle in einem Bestände 25 o/o, sie kann nach ihm aber auch auf über 50 ^. o steigen. In dem von Rößler beobachte- ten Ausbrach star- ben die meisten der erkrankten Tiere. Der Verlauf der

Krankheit wurde, wie Klebba und Noack sahen, durch

Austreiben bei , schlechtem Wetter

ungünstig beein- flußt.

Impfung.

Die Impfung stieß, wie von mehreren Autoren betont wird, und was ja bei dem Fehlen der Bläs- chenbildung selbst- verständlich ist, auf

Schwierigkeiten. Kleinpaul impfte trotzdem mit Erfolg, indem er eine Papel mit dem Messer

durchschnitt und den herausgepreß- ten Saft zur Imp- die nötigen Lymphemengen zur

229 -

Impfling zu erlangen, zunächst zehn Tiere vorimpfen und von deren Impfpocken das weitere Impfmaterial entnehmen. Die Impfung gelang so. Aber trotzdem erkrankten von 215 Tieren, abgesehen von zehn Stück, alle noch an natürlichen Pocken.

Therapie.

Therapeutisch versuchte Eößler KoUargol, Tallianine und Lugolsche Lösung. Der Erfolg war wenig befriedigend. Am besten schien noch Tallianine zu wirken. Noack empfiehlt Stall- haltung, gute Pflege sowie desinfizierende und austrocknende Mittel.

Von Interesse ist noch die Angabe von Eber und Noack, daß auch Ziegen, die mit den seuchekranken Schafen in einem Stalle gehalten wurden, an Pocken erkrankten. Zwei Ziegen starben.

Es ist hier die Frage zu beantworten: Handelte es sich in allen jüngst in der Literatur beschriebenen Fällen um die gleiche Krankheit und um echte Schafpocken?

Mehrere Beobachter glaubten es mit einer anderen Erkrankung zu tun zu haben, oder ließen die vorstehend gestellte Frage zunächst offen. So spricht Fröhner von einer „seuchenhaften papulösen Hautentzündung". Rößler erklärte den gleichen Seuchenfall für ..Schafrotz". Koiransky fiihiteine in Rußland herrschende Schaf- krankheit mit ähnlichen Symptomen, wie vorstehend beschrieben, als ,,Maulgrind" an. Endlich beschreibt Teetz eine in Mecklen- burg beobachtete eigenartige Hauterkrankung bei Schafen, die er als „ansteckende bösartige Furunkulose" ansieht.

Wenn wir die Beschreibungen der einzelnen vorstehend er- wähnten Seuchenausbrüche kritisch würdigen, so müssen wir zu- nächst zu dem Schluß kommen, daß es sich in den Fällen von Kleinpaul, Ostertag, Klebba, Fröhner und Rößler, Eber und Noack zweifellos um ein und dieselbe Krankheit handelt. Auch die von Koiransky in Rußland gesehene Erkrankung dürfte die gleiche Erkrankung darstellen. Ob dasselbe aber für die von Teetz beschriebene Seuche gelten kann, erscheint mir, wie ich oben schon bemerkte, zweifelhaft. Denn von den in allen anderen Fällen beobachteten papulösen Hauteffloreszenzen erwähnt Teetz nichts. Jedenfalls lassen sich aas der Beschreibung von Teetz keine

230

sicheren Schlüsse bezüglich der Identität seiner „Furunkulose" mit der von den anderen Autoren beobachteten Krankheit ziehen.

Erscheinungen und Verlauf der echten Scha^ocken pflegen im allgemeinen sehr charakteristisch zu sein. Vor allen Dingen weist das Pockenexanthem eine Reihe von typischen Stadien auf. Man unterscheidet bekanntlich: 1. das Roseolastadium, 2. das Stadium papulosum, 3. das Stadium vesiculosum (diese drei ersten Stadien kann man auch als Eruptionsstadium zusammenfassen), 4. das Stadium pustulosum. 5. das Stadium exsiccationis s. crustosum und endlich 6. das Stadium decrustationis. Das Exanthem tritt vorwiegend an den schwach bewollten Körperstellen auf. Mit ihm geht eine mehr oder weniger schwere Allgemeinerkrankung und Erkrankung der Schleimhäute einher.

Die Erkrankungen bei den hier in Frage stehenden Seuchen- fällen wiesen im wesentlichen ein lediglich papulöses Exanthem, in der Regel aber keine Bläschen-, Pustel- und Schorfbildung auf. Außerdem bestanden in den meisten Fällen derart schwere Allge- meinsymptome, daß man auf den ersten Blick geneigt sein mußte, die Allgemeinerkrankung als das wesentlichste anzusehen und etwa einen septikämischen Prozeß anzunehmen.

Daß es sich trotz dieser Abweichung vom typischen Bilde der Schafpocken um diese Seuche handelt, geht unzweifelhaft aus folgenden Tatsachen hervor:

1. Das Exanthem war so gut wie regelmäßig vorhanden, war somit ein wesentlicher Bestandteil der Krankheit.

2. Auch bei früheren unzweifelhaften Schafpockenausbrüchen kamen gelegentlich lediglich papulöse Eruptionen („Steinpocken", „plattgedrückte Pocken" [Haubner - Siedamgrotzky]) vor. Prietsch*) wies, worauf Eber neuerlich aufmerksam machte, im Jahre 1866 auf das Vorkommen der sogenannten Steinpocken und plattgedrückten Pocken und auf die diagnostischen Schwierig- keiten hin, die derartige Eruptionen verursachen.

3. Im Verlauf der jüngsten Seuchenfafle wurden bisweilen auch typische Pocken mit Bläschen-, Pustel-, Dellen- und Schorfbildung beobachtet, so von Kleinpaul, Eber, Noack und mir selbst bei dem Ausbruch in der Nähe von Leipzig (Fig. 3).

*) Jahresbericht über das Voterinän^-esen im Königreich Sachsen für das Jahr 1866.

231

4. Durch Impfung mit Saft aus den lediglich papulösen E£Doreszenzen ließ sich eine typische Imp^ocke (mit Pustelbildung) erzeugen (Kleinpaul). Die Abbildung auf Tafel 2 zeigt den Schenkel eines Schafes, das, derart geimpft, zunächst eine typische Lnpfpocke (am Ohr) und weiterhin ein generalisiertes, lediglich papulöses Exanthem acquirierte.

Somit sind die neuerlich aufgetretenen Seuchenfälle unter den Schafen als echte Schafpocken anzusehen. Da dieselben nicht in typischer Form auftraten, so ist die von Oster- tag gebrauchte Bezeichnung „Schafpocken mit atypischem Verlauf" zutreffend.

Man kann die „Schafpocken mit atypischem Verlauf" definieren als Pockenerkrankung, bei der das Eruptions- stadium ohne Bläschenbildung verläuft und bei der alle weiteren Stadien des Exanthems fehlen.

Die Tatsache, daß die Schafpocken neuerdings fast ausschließ- lich in dieser atypischen Form auftreten, während früher die typische Form die fiegel bildete, kann man sich nur so erklären, daß die Seuche, wie wir es auch bei anderen Seuchen kennen, ihren Charakter geändert hat. Wie man im allgemeinen ge- wöhnt ist, Abortivformen einer Seuche (und eine Abortivform stellen ja gewissermaßen die atypischen Pocken dar) für milder zu halten als die typischen Formen, so könnte man geneigt sein, auch die atypischen Schafpocken als mildere Form dieser Seuche aufzufassen. Das würde jedoch falsch sein. Eine Milderung hat die Schafpocken- seuche bei ihrem neuen und veränderten Auftreten nicht erfahren; im Gegenteil verlief in der Mehrzahl der Fälle die B^rankheit trotz ihres ausgesprochen chronischen Charakters bösartiger, wie wir es von den typischen Fällen her kennen. Diese Tatsache kann uns nicht befremden; denn die Erfahrung lehrt, daß eine Seuche am bösartigsten da aufzutreten pflegt, wo sie in gesunde, bisher un- verseuchte Bestände eingeschleppt wird. Und dieser Fall liegt gerade jetzt bei den Schafpocken vor. Lange Jahre war die Seuche fast in ganz Deutschland erloschen; sie traf in den viele Genera- tionen hindurch unverseucht gewesenen Schafbeständen einen ge- wissermaßen jungfräulichen Boden an. Unter solchen Umständen war ein schwererer Seuchenverlauf vorauszusehen. Auch früheren Beobachtern galt die atypische, papulöse Form der Schafpocken („Steinpocken, plattgedrückte Pocken*') als die bösartigere. Man

232

sah diese Form dann auftreten, wenn angünstige Witterung oder andere schädigende Einflüsse auf die pockenkranken Schafe ein- wirkten (Haubner-Siedamgrotzky, Prietsch). Die gleiche Er* fahrung teilt auch Klebba mit. Nach ihm können die gutartigen (typischen) Pocken unter der Einwirkung ungünstiger Einflüsse in die atypische Form, die Klebba als „bösartige Pocken" beschreibt, umschlagen. Die atypischen Pocken stellen somit die bös- artigere, die typischen Pocken die mildere Form dieser Seuche dar, Hierftir spricht übrigens auch die bei dem Seuchen- ausbruch in der Nähe von Leipzig gemachte Beobachtung, daß nach der Einschleppuug zunächst die atypische Form herrschte, und daß typische Formen erst später, und zwar dann auftraten, als die Seuche ihren Höhepunkt überschritten hatte.

Literatur.

Ostertag, Ein neuer Schafpockenaasbruch mit atypischem Verlauf. Berl.

Tierärztl. Wochenschr. 1905, S. 737—738. Klebba, Die Pockenseuche der Schafe. Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1905,

S. 761—764. Derselbe, Die letzte Schafpockeninvasion. Vortrag, referiert

Deutsche Tierärztl. Wochenschr., 14. Jahrg., 1906, S. 26—27. Fröhner, R., Seuchenhafte papulöse Hautentzündung der Schafe mit schwerer

AUgemeinerkrankung. Deutsche Tierärztl. Wochenschr., 13. Jahrg., 1905,

S. 517-518. Kleinpaul, Die Schafpockenseuche im Kreise Johannisburg im Jahre 1905.

Berl. Tierärztl. Wochenschr., 1905, S. 778—779. Rößler, Seuchenhafte papulöse Hautentzündung der Schafe mit schwerer

AUgemeinerkrankung. Deutsche Tierärztl. Wochenschr., 13. Jahrg., 1905,

S. 530-531. Teetz, Eine eigenartige Hauterkrankung bei Schafen. Berl. Tierärztl. Wochen- schrift, 1905, S. 791. Derselbe, Zum neuen Schafpockenausbruch.

Ebenda S. 830. Eber, Schafpocken mit atypischem Verlauf. Deutsche Tierärztl. Wochenschr.,

14. Jahrg., 1906, S. 4—5. Noack, Die Schafpocken auf Rittergut Schönau bei Leipzig. Deutsche

Tierärztl. Wochenschr., 1906, S. 25—26. Koiransky, Über den Maulgrind bei Schafen. Berl. Tierärztl. Wochenschr.,

1906, S. 58t

Erklirong der Tafel 2.

Rechter Vorderschenkel eines mit atypischen Pocken behaf- teten Schafes aus dem Kreise Johannisburg (Ostpreußen). Die De- fekte auf der Höhe der Papeln sind künstlich durch das Ausrupfen der Wolle erzeugt. Oben mehr vereinzelte, unten mehr konfluierende Papeln. Das

233

Schaf wurde im Oktober 1905 vom Kreistierarzt Kleinpaul mit dem Saft einer atypischen Pocke geimpft. Bei der Untersuchung 10 Tage nach der Impfung hatte sich eine typische Impfpocke (Pustel) entwickelt. Kurze Zeit darauf erkrankte und verendete das Schaf an natürlichen Pocken, und zwar an einem über die ganze Haut verbreiteten papulösen Exanthem, wie es die Tafel zeigt.

Das nach der Natur gemalte Aquarell des Falles hatte Herr Prof. Ostertag die Freundlichkeit, mir zur Reproduktion zu überlassen.

Die Aggressinhypothese von Bali.

Sammelreferat.

Von

C. Titse,

Hilfsarbeiter am Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule sa Berlin.

0. Bail in Prag hat mit der von ihm aufgestellten Aggressin- hypothese berechtigtes Aufsehen erregt, da die Bestätigung seiner Lehre eine Revision unserer Ansichten über das Wesen der Im- munität zur Folge haben 'müßte.

Worin besteht die Aggressinhypothese? Das Haupt- schutzmittel des Körpers gegen Bakterien sind nach Bail die Zellen, namentlich die Leukozyten. Erst nach Überwindung der zellulären Schutzkräfte können sich die Bakterien im Tierkörper vermehren. Die Kampfmittel der Bakterien gegen die Leukozyten nennt Bail Aggressine. Er versteht darunter Bakterienprodukte, die- besonders an der Infektionsstelle gebildet werden, und deren wichtigste Eigenschaft vermutlich in negativer Chemotaxis besteht. Werden die Leukozyten durch die Aggressine ferngehalten, so können ihre giftneutralisierenden und phagozytären Fähigkeiten nicht in Funktion treten, wodurch für die eingedrungenen Bakterien die Bedingung ihrer Vermehrung erfüllt ist. Die Ver- mehrungsfahigkeit der Bakterien im Organismus, die von dem Grade der Aggressinproduktion abhängt, bezeichnet Bail als Aggressivität. „Da die Aggressine Kampfmittel sind, so werden sie wohl dort im stärksten Maße gebildet werden, wo die Bakterien den stärksten Kampf zu bestehen haben, wo sie sich am meisten wehren müssen, und dort werden sie auch am leichtesten aufgesucht werden können. Das ist die Stelle der Infektion. So konnte Bail bei Milzbrand das Aggressin, das dort Lysin (im

durch

Einverleibung

aggressinhaltiger

Körper-

fltissigkeit.

234

Sinne Kruses) genannt ist, am leichtesten im Ödem an der Injektions- stelle nachweisen." (Weil.)

Verursacht man beim Kaninchen durch intraperitoneale oder intrapleurale Injektion einer tödlichen Bakterienmenge eine spezifische exsudative Peritonitis oder Pleuritis, so entsteht ein Exsudat, das nach möglichster Entfernung der Bakterien (Zentrifiigieren) und nach Sterilisation durch Phenolzusatz bis zu ^/j ^/o und durch nachfolgendes mehrstündiges Erwärmen auf 44 ^ C die aggressiven Eigenschaften zeigt. Zur Sterilisation kann man sich auch des Äthers, des Chloro- forms oder des Toluols bedienen.

Bail hat vier Eigenschaften angegeben, die für die Aggressine charakteristisch sein sollen:

1. Untertödliche Bakterienmengen werden tödlich,

2. bei einfach tödlicher Bakterienmenge wird der Infektionsverlauf schwerer,

3. die Wirkung bakteriolytischer Sera wird aufgehoben,

4. es wird Immunität erzeugt

Mit Bezug auf die Fähigkeit zur Aggressinbildnng teüt Bail die Bakterien in drei Gruppen:

1. Eigentliche Parasitenbakterien mit Aggressivität in der höchsten Potenz;

2. Halbparasitenbakterien, die erst in größerer Menge genug Aggressivität aufbringen, um die Schutzkräfte der attackierten Organismen lahmzulegen;

3. Saprophytenbakterien, die niemals aggressiv sind, sich folglich nie im Innern eines Tieres vermehren können.

Die Erklärung der parasitären (bakteriziden) Immunität durch Bakteriolyse genügt Bail nicht. Für die übertragene (passive) bakterizide Immunität wird bekanntlich allgemein als Ursache die Auflösung der Bakterien im Tierkörper durch spezifische, mit dem Immunserum eingespritzte Immunkörper angenommen, die sich mit dem im normalen Serum des Tieres enthaltenen thermolabilen Komple- ment zum Bakteriolysin verbinden. Zahlreiche Versuche Bails mit Typhusbazillen zeigten, daß die Bakteriolyse (das Pfeiffersche Phänomen) nur in den großen Körperhölilen glatt verläuft, und daß höchstens noch die Blutbahn für diese Erscheinung in Betracht

235

kommt. Dasselbe galt für die Choleravibrionen. „Typhusbazillen, welche ohne Einschaltung einer Kultur auf künstlichen Nährböden unmittelbar einem an Typhus gestorbenen Meerschweinchen ent- nommen werden, sind dem Einflüsse des bakteriolytischen Serums, wenn überhaupt, so nur im geringsten Grade zugänglich, und es gelingt nicht, normale Tiere vor ihnen, selbst mittelst großer Mengen von Immunserum zu schützen." Hier bleibt also die Bakterienauflösung trotz reichlichster Serummengen aus und wird auch durch nichts anderes ersetzt. Das Immunserum gibt keinen Schutz.

Die Metschnik off sehen Phagozytenversuche, bei denen die Bauchhöhle durch eine vorangehende Reizung mit Leukozyten in großer Zahl angereichert wird, zeigten, daß, wenn jetzt erst Cholera- vibrionen eingespritzt wurden, ausgiebige Phagozytose, aber keine Auflösung außerhalb der Zellen eintrat. Die Tiere blieben am Leben, ohne daß Bakteriolyse eintrat.

Durch die Einverleibung aggressinhaltiger Körperflüssigkeit wurden untertödliche Kulturmengen trotz Bestehenbleibens der Bazillenauflösung tödlich. Das Ausbleiben der Bakterienauflösung trotz reichlichster bakteriolytischer Serummengen, das Lebendbleiben des Versuchstieres ohne Eintritt von Bakteriolyse, das Tödlich- werden geringer Bazillenmengen, die sonst unter dem Einflüsse des Serums schadlos ertragen werden, ohne Behinderung der Bakterio- lyse, sind nach Bail die drei Beweise, die zeigen, daß die Bakterio- lyse nicht die Ursache der Immunität sei.

Die Bakteriolyse als Schutzmittel des Organismus hat nach Bail nur ffir diejenigen Bakterien Bedeutung, die im Blute verbleiben; während sie gegen Bakterien, die die Blutbahn nach kurzer Zeit verlassen, um sich in den Organen anzusiedeln, wirkungslos ist.

Die Schwierigkeiten, die sich der Bakteriolyse als Mittel zur Erklärung der parasitären Immunität entgegenstellen, gaben Bail Veranlassung nach einer ungezwungeneren Erklärung zu suchen, die er in der Aggressinhypothese gefunden zu haben glaubt.

Bail, Weil, Kikuchi, Hoke und Salus haben in einer Reihe von Arbeiten gezeigt, daß es durch Injektion „aggressiver" Exsudate gelingt, Tiere aktiv zu immunisieren, und daß das Serum dieser Tiere zur passiven Immunisierung dienen kann. Namentlich gelang es Weil nach der Aggressinmethode Kaninchen, die für die Er- reger der hämorrhagischen Septikämie so sehr empfansrlieh sind, gegen

236

Geflügelcholera zu immunisieren und auch Hühner und Tauben hier- gegen mit Kaninchenexsudat zu schützen. Das Blut seiner mit aggressivem Exsudat behandelten Kaninchen enthielt starke Schutz- stoffe, so daß kleine Serummengen bei Kaninchen, Mäusen und Meerschweinchen sicher passive Immunität erzeugten. Bei Hühnern und Tauben zeigte sich die Schutzwirkung allerdings in geringerem Grade. Dieses Serum richtet sich nach Bail nicht gegen die Bazillen, sondern gegen die Aggressine, nach deren Paralysierung" der Tierkörper leicht mit den Bakterien fertig wird. Den wirk- samen Bestandteil des Serums bUden nicht Immunkörper, sondern Antiaggressine.

Nach Prettner ist das Rotlaufschutz- und Heüserum nicht. wie bisher angenommen wurde, ein streng bakterizides, sondern auch ein Serum von antiaggressiver Wirkung.

Citron hat Immunisierungsversuche gegen Schweineseuche- und Schweinepesterreger angestellt und gegenüber diesen Bakterien die immunisierende Wirkung der im Tierkörper erzeugten Exsudate bestätigt. Da er aber mit wässerigen Bakterienextrakten dieselben Erfolge erzielte, sowohl in bezug auf aktive als auch hinsichtlich passiver Immunisierung, so schließt Citron, daß die Aggressin- immunität nicht eine Immunität sui generis sei, daß die Aggressine in den Bakterienzellen enthalten und daß die Antiaggressine identisch seien mit den Antikörpern, die nach der Immunisierung mit Bakterien- extrakten gebildet werden. Conradi und Brieger haben gezeigt, daß es mit in vitro gewonnenen bakteriellen Leibessubstanzen gelingt, aktiv zu immunisieren. Die im infizierten Tierkörper er- zeugten Exsudate teilen also nach der Auffassung Citrons ihre immunisierende Fähigkeit mit in vitro gewonnenen Bakterien- extrakten. Ob zwischen diesen Immunisierungsmethoden erhebliche quantitative Unterschiede in der Erreichung des Zieles bestehen, welcher Methode die größere Allgemeinheit des Erfolges gegen- über den verschiedenen Seuchenerregern zukommt, ob zwischen den Extrakten und Exsudaten in bezug auf Giftigkeit und andere Eigenschaften nicht weitgehende Unterschiede bestehen, ob es sich bei der durch P^xtrakte erzeugten Immunität um eine bakterizide handelt, sind noch nicht beantwortete Fragen.

Das Wort „Aggressin*' bezeichnet die infektionsbefördemde Eigenschaft, die demnach als fundamentale Erscheinung aufgefaßt werden müßte. Wassermann und Citron untersuchten, ob es

237

sich hier um Angriffsstoffe handelt, die nur im lebenden Organismus gebildet werden. Sie stellten durch Behandlung von Bakterien mit destilliertem Wasser ihre „künstlichen Aggressine" her, die sie mit den „natürlichen" identifizieren; denn es gelang ihnen, untertödliche Bakterienmengen mit „künstlichen Aggressinen" tödlich zu machen, was sie auf „eine Bindung der natürlichen Schutzkräfte des Orga- nismus durch die gleichzeitig injizierten Leibessubstanzen der be- treffenden Infektionserreger" zurückfähren.

Brachten Pfeiffer und Friedberger normale Sera in Kontakt mit Bakterien, so hatte das Zentriftigat für die Bakteriolyse eine hemmende Wirkung. Mit Hilfe des auf diese Weise antagonistisch ge- machten Serums ließ sich eine tödliche Infektion durch untertödliche Bakterienmengen in der Peritonealhöhle des homologen Tieres er- zeugen. Diese antagonistischen Wirkungen haben zu einer be- friedigenden Erklärung noch nicht gefuhrt, doch glauben sich die genannten Autoren zu der Annahme berechtigt, „daß sie primäre Eigen- schaften der Normalsera darstellen". Pfeiffer und Friedberger, wie auch Wassermann und Citron, sehen als Ursache der Wirkung ihrer Versuchsflüssigkeiten völlig übereinstimmend das Ausbleiben, die Bindung von bakteriolytischen Fähigkeiten an. Die „natür- lichen Aggressine" würden diesen Erscheinungen gegenüber eine Sonderstellung beanspruchen, da für sie als charakteristisch stets hervorgehoben worden ist, daß sie die Bakteriolyse, dort wo sie überhaupt möglich ist, ungestört ablaufen lassen, und daß dennoch Krankheit und Tod nicht verhindert werden. Die Aggressivität soll sich gegen die Leukozyten, nicht gegen die Bakteriolyse richten.

Nach den bisher vorliegenden Veröffentlichungen kann die Aggressinhypothese noch nicht als widerlegt angesehen werden. Auf die einzelnen Punkte wird Referent in einer demnächst zu veröffentlichenden experimentellen Arbeit eingehen.

Sollte auch die Aggressinhypothese sich nicht halten lassen können, wenigstens nicht in dem von Bail zuerst angegebeneu Umfange, so hat sie doch als eine Anregung zur experimentellen Bearbeitung wichtiger Probleme der Immunitätsforschung ihre wissen- schaftliche Bedeutung.

238

Literatur.

^) Bail, Untersuchungen über Typhus- und Choleraimmunität. Arch. f. Hyg.

Bd. Lir, Heft 3/4, 1905. ^ Rikuchi, Untersuchungen über den Shiga-Kmseschen Dysenteriebazillns,

ibid. ^) Ed. Weil, Untersuchungen über Infektion und Immunität bei Hühnercholera,

ibid. *) Hueppe und Kikuchi, Immunisierung gegen Pest. Zentralbl. f. BakL,

Bd. XXXIX, Heft 5. ^) Ed. Weil, Schützende Eigenschaften des Blutes von aggress inimmunen

Hühnercholeratieren. Arch. f. Hyg. Bd. LIV, H. 2. ^ Hoke, Über die aggressive und immunisatorische Wirkung von Stapbylo-

kokkenexsudat. Zeitschr. f. Hyg. Bd. L, 1905. ^ R. Pfeiffer u. E. Friedberger, Über antibakteriolytische (antagonistische)

Substanzen normaler Sera. Deutsche med. Wochenschrift 1905, Nr. 1 u. 24. ^) Wassermann u. Citron, Zur Frage der Bildung von bakteriellen Angriffs-

Btoffen im lebenden Organismus. Deutsche med. Wochenschr. 1905, Nr. 28. ^) Bail, Über den Zusammenhang zwischen Aggressivität und Leibessubstanz

von Bakterien. Münch. med. Wochenschr. 1905, Nr. 39 u. 40. ^) Bail, Über Giftwirkung von Tuberkel bazillen beim Meerschweinchen. Wien.

klin. Wochenschr. 1905, Nr. 46. ^') Citron, Über die Immunisierung mit Exsudaten und Bakterienextrakten.

Zentralbl. f. Bakt Bd. XXXX, H. 1. *^ Bas senge u. Mayer, Zur Schutzimpfung gegen Typhus. Deutsche med.

Wochenschr. 1905, Nr. 18. *^ Perquet u. Schick, Zur Frage des Aggressins. Wien. klin. Wochenschr.

1905, Nr. 17.

Immunisierung mit intrazellulären Toxinen.

Sammelreferat.

Von Frlts Schmidt,

Volont&raasistenten am Hygienischen Institut der Tierftrztltchen Hochschule su Berlin.

Nach den erfolgreichen Arbeiten von Behrings über die Bekämpfiing der Diphtherie durch Diphtherieantitoxin war es selbst- verständlich, daß versucht wurde, auf ähnliche Weise Schutzmittel auch gegen andere Infektionskrankheiten des Menschen, insbesondere gegen Cholera und Typhus, herzustellen. Hier versagte jedoch der von v. Behring eingeschlagene Weg, weil die Erreger der Cholera und des Typhus keine Toxine bilden, die in das Nähr- substrat tibergehen. Nun sind aber zweifellos in den Leibern der

239

Cholera- und Typhusbakterien Gifte, intrazelluläre Toxine, enthalten. Deshalb bemühte man sich, diese Gifte zur Erzeugung von Immunität von den Zellen selbst zu trennen. Der Erreichung dieses Zieles stellten sich jedoch Schwierigkeiten in den Weg, weil eine Trennung des intrazellulären Giftes von der Zelle nur durch eine Schädigung der letzteren ermöglicht wurde, wobei eine Schädigung der Gifte schwer zu vermeiden war.

Brieger, Kitasato und Wassermann^) filtrierten zum Zweck der Gewinnung immunisierender Substanzen BouiUonkulturen und erhielten durch Verimpfung des Filtrates an kleine Versuchstiere teilweise geringen Impfschutz, dessen Anregung sie dem in den Bonillonkulturen aufgelösten Inhalt der Bakterienleiber zuschrieben.

Bei Verwendung ähnlicher, aber eingeengter Fütrate sah Bitter^) Toxinwirkungen und erreichte bei Versuchstieren Giftfestigkeit gegen größere Dosen des zur Immunisierung verwendeten Filtratgiftes.

Durch Abtötung von Typhus- und Ruhrbazillen bei 60^ C, zwei- tägige Mazeration derselben in physiologischer Kochsalzlösung und nachfolgende Filtration haben Neißer und Shiga^) eine zellfreie Flüssigkeit gewonnen, deren Verimpfung selbst in großen Dosen keine schädigende Reaktion hervorrief, die aber durch ihren Gehalt an „freien Bakterienrezeptoren" im Tierkörper Agglutinine und Bakteriolysine erzeugte.

Wassermann 3) hielt eine fänftägige Mazeration bei sonst gleichem Verfahren für vorteilhafter. Der Rückstand des Filtrates nach Einengen im Vakuum verlieh Kaninchen nach Injektion einer minimalen Dosis hohe Immunitätsgrade.

Analog der Zymase-Gewinnung aus Hefezellen stellten Buchner und Hahn*) durch Anwendung hohen Druckes (400 bis 500 Atmo- sphären) einen Cholera- und Typhus-Preßzellsaft (Typhoplasmin) dar, dem die Fähigkeit innewohnte, im Kaninchenkörper Agglutinin- mid Bakteriolysinbildung anzuregen.

Mit keimfreien Glyzerinextrakten aus abgetöteten, zerriebenen Bakterien vermochte Kirstein^) nur hohe Agglutinationswerte zu erzielen, dagegen keine Immunisierungswerte.

Brieger^) bediente sich zur Extraktion immunisierender Sub- stanzen aus den Bakterienleibem des Ammoniumsulfats, nachdem er zwecks Alkalisierung Ammoniumkarbonat und -bikarbonat zuge- setzt hatte. Mit dem durch Pukallfilter gesogenen Filtrat, das keine Giftwirkung hervorrief, erzielte er ebenfalls nur Agglutinin-

240

bildung, die sich von der durch Bakterienzellinjektion erzeugten Agglutininproduktion durch die kurze Dauer ihrer Nachweisbarkeit unterschied.

Mit Hilfe chemischer Agentien wird auch das Lustigsche Pestvaccin hergestellt i^). Lustig und Galeotti bezeichnen ihren trockenen Impfstoff als Nukleoproteid. Auf Agar gewachsene Kulturen werden mit Kalüauge gut verrührt, wodurch die Bakterien- leiber sich lösen, dann mit Essigsäure neutralisiert, bis die immuni- sierende Substanz in weißen Flocken ausfällt. Die Erfolge der Impfling waren wechselnd.

Hell er ^7) stellte mit auf dieselbe Weise aus Choleravibrionen gewonnenem Nukleoproteid Cholera-Schutzimpfungsversuche an, wo- bei ßr feststellte, daß größere Dosen stark toxisch auf Versuchs- tiere wirkten, während kleinere eine lang anhaltende Immunität verliehen.

K Pfeiffer bediente sich zur Abtötung der Bakterien mitt- lerer Hitzegrade (56 o) oder des Chloroforms, wodurch er die intra- zellulären Substanzen wenig zu schädigen glaubte.

Levy und Pfersdorff^^) zogen zur Abtötung das Toluol vor, das sie auf die Bakterienmasse aufschichteten. Nach 45tägiger Autolyse im Brutschrank konnten sie aus asporogepen Milzbrand- bazUlen ein Labferment, ein gelatinelösendes und fettspaltendes Ferment gewinnen, außerdem ein Gift, das auf Mäuse tödlich wirkte, allerdings in einer Dosis, die ^/j.^ des Körpergewichts an Bazillen- leibem entsprach.

Die von Conradi'O u. A. ^), ^) erwiesene Tatsache, daß in iterischen wie pflanzlichen Organzellen infolge Einwirkung intra- zellulärer Fermente durch sogenannte Autolyse Substanzen gebildet werden, die eine die Blutgerinnung hemmende oder aufhebende Wirkung entfalten, ferner daß Hefe, vor Fäuhiis geschützt, sich selbst verdaut, und endlich daß dem Hefepreßsaft gelatinelösende Eigenschaften zukommen, die auf Fermentwirkung beruhen, ließ Conrad! analoge Schlüsse auf Bakterienzellen ziehen. Es haben ja auch Emmerich und Low ^o) Körper mit bakteriziden Wirkungen aus alten Pyozyaneuskulturen erhalten, in denen die Bakterien zu- grunde gegangen waren und durch ihren Zerfall die Pyozyanase mit den Eigenschaften eines Enzyms zurückgelassen hatten. Femer führte Conradi die Beobachtung, daß eine Cholerabouillonkultur bald nach Erreichung der Entwicklungshöhe eine rapide Abnahme

241

der Keimzahl erkennen läßt^^), zu der Annahme, daß dieses Ab- sterben der Vibrionen in der Kultur autolytischen Fermenten zuzu- schreiben sei, umsomehr als er die bisherige Erklärung, daß eine Erschöpfting des Nährbodens die Ursache sei, nicht bestätigt fand. Er entfernte durch Dialyse aus dem „erschöpften" Nähr- boden die bakteriolytischen Stoffe und befähigte ihn so zu neuem Wachstum. Femer vermochte er durch Ausschalten der Ferment- wirkung (durch niedere Temperaturen) die erwähnte Keimzahl- verminderung zu verhindern. Conradi sah bei der Gewinnung der wirksamen Stoffe aus der Leibessubstanz der Bakterien von antiseptischen Zusätzen ganz ab, da sie die Fermentwirkung beein- trächtigten, wie vergleichende Untersuchungen ergaben. Die besten Resultate lieferte ihm bei der Darstellung von Cholera- und Ruhr- giften die aseptische Autolyse. Er erhielt aus Aufschwem- mungen von Agarkulturen mit physiologischer Kochsalzlösung nach 24— 48 stündiger Einwirkung von 37,5^0, Filtration durch Ton- kerzen und Einengen im Vakuum toxisch wirkende Substanzen, die in einer Menge von 0,1 ccm große Kaninchen innerhalb 24 Stunden töteten. Es gelang ihm sogar durch chronische Vergiftung die fiir die Ruhr charakteristischen Darmgeschwüre bei Versuchstieren zu erzeugen. Seine Typhusgifte wirkten für 300 g schwere Meer- schweinchen in der Menge von 0,2 ccm tödlich.

Über Immunisierungsversuche gibt Conradi in seiner Arbeit^*-) nichts an.

Spätere Untersuchungen von Brieger und Mayer ^7) bestätigen die Gewinnung toxischer Substanzen aus TyphusbazUlen durch Autolyse. Sie geben aber einer von ihnen erprobten, gleich einfachen Methode zur Gewinnung spezifischer Substanzen den Vorzug, weil ihrer resultierenden Flüssigkeit keine toxischen Eigenschaften zu- kommen. Brieger und Mayer zeigten, daß durch Suspension lebender Typhuskeime in destilliertem Wasser und durch einfaches Stehenlassen oder besser noch durch Schütteln bei 15^ C Sub- stanzen in die Suspensionsflüssigkeit übergehen, die, durch das Pukallfilter keimfrei gemacht, selbst in großen Dosen nicht toxisch wirken, jedoch schon in geringen Dosen die Bildung hoher Agglu- tinationswerte und starker Bakterizidie im Kaninclienserum anregen können.

Einen weiteren Beitrag zur Toxingewinnung aus Typhus- bakterien lieferten Mac P^adyean und Rowland^*, '^). Nach der

ZeiUchrift far Infektionskrankheiten. I, 2/3. 16

242

von diesen Autoren angegebenen Methode wird die gewonnene Bakterienmasse durch Abkühlung auf 190® mit Hilfe flüssiger Luft in einen spröden Zustand versetzt und in einem eigens dazu sinnreich konstruierten Apparat mechanisch zerrieben; die Bakterien- trummer werden in physiologischer Kochsalzlösung aufgeschwemmt und ausgeschleudert. Die zellfreie Flüssigkeit wirkte in großen Dosen toxisch und vermochte in kleinen Dosen bei Versuchstieren die Bildung antitoxischer und bakterizider Stoffe auszulösen.

Bassenge und Mayep^^) prüften diese Methode nach, jedoch stand ihnen der beschriebene Apparat nicht zur Verfugung, sodaü sie die Zerkleinerung der gefrorenen Typhusbakterien manuell vor- nehmen mußten. Nach dem Filtrieren der aufgeschwemmten Bak- terientrümmer erhielten sie eine Flüssigkeit, die wiederholt ein- geengt werden mußte, bis 1 ccm ein Meerschweinchen zu töten imstande war. Das wenig haltbare Toxin war bei Kaninchen geeignet, Agglutinin und Immunkörper zu erzeugen, so daß mit dem Serum der Kaninchen Meerschweinchen gegen die 3— 4 fache tödliche Menge Kultur immunisiert werden konnten.

Zufriedenstellende Ergebnisse haben die zahlreichen Versuche einer Immunisierung mit intrazellulären Toxinen bisher nicht ge- bracht. Den größten Erfolg muß man wohl von der Methode Conradis und Briegers erwarten, die wegen ihrer Einfachheit der- jenigen Mac Fadyeans vorzuziehen ist.

Die zur Immunisierung gegen die Erreger von Tierseuchen angestellten Versuche basieren auf ähnlichen Methoden zur Ge- winnung der intrazellulären wirksamen Substanzen.

Stang20) studierte die Toxinbildung des Bacterium avicidum und fand, daß toxische Substanzen in die Kulturflüssigkeit über- gehen, die in großen Dosen bei Tauben die für Geflügelcholera charakteristische Schlafsucht erzeugen. Durch Hitze abgetötete Bouillonkulturen ergaben keine wesentlich besseren Resultate, als solche Kulturen, bei denen Toluol zur Anwendung gekommen war. Von einer Immunisierung mit den gewonnenen Toxinen ist in der Arbeit Stangs nichts angegeben.

Vor Stang hat de Schweinitz^i) 22) ^j^ den Erregem der Hogcholera versucht, ein Gift durch Fällung mit Alkohol aus zwei bis drei Wochen alten Kulturen zu erlangen. Er nannte die durch Alkoholfallung erhaltenen Körper Sucholotoxin und Sucholoalbumin.

243

Sie wirkten auf Meerschweinchen tödlich. Ferner stellte de Schwei- nitz vennittelst gelöster Zellprodukte (die Gewinnungsmethode ist nicht angegeben) durch Verimpfting an große Tiere ein Schweine- pestserum her.

Auch Salmon und Smith gelang nach einer Angabe von Flügge („Die Mikroorganismen") die Immunisierung kleiner Ver- suchstiere durch Injektion keimfreier Hogcholerabazillenprodukte.

Greither23) führt an, bei seinen Immunisierungsversuchen gegen Schweineseuche mittelst Inmiunproteidin nach Emmerich und Low Erfolg gehabt zu haben. Die mit den Immunproteidinen vor- behandelten Schweine reagierten auf die künstliche Infektion nicht, während das Kontrolltier erkrankte. Gegen Hogcholera verlieh in- dessen dieses Verfahren keinen Schutz.

Endlich haben Klett und Braun'^^) mitgeteilt, daß es ihnen gelungen sei, durch abwechselnde Immunisierung von Pferden mit Geflügelcholerabakterien und den „Giften" dieser Bakterien ein „bakterizid-antitoxisches" Serum herzustellen, das nicht nur gegen Geflügelcholera, sondern auch gegen Schweineseuche schütze. In der erwähnten Publikation ist von Klett und Braun auch an- gekündigt worden, daß sie mit Versuchen über die Gewinnung eines „bakterizid - antitoxischen" Schweinepestserums beschäftigt seien. Das Klett-Braunsche Geflügelcholeraserum soll nach Rae- biger^ö) bei Geflügelcholera wirksamer sein, als andere von ihm zum Vergleich geprüfte Geflügelcholeraseren. Über den Wert des neuen Klett-Braunschen Serums zur Bekämpfting der Schweine- seuche liegen Angaben nicht vor.

Ich selbst habe versucht, aus Schweinepestbazillen nach der Methode von Brieger (durch Suspension der auf Agar gewachsenen Bakterien in Wasser und Schütteln), sowie nach der Methode von Coiiradi (durch Autolyse), femer mit HUfe des Zertrümmerungs- apparates von McFadyean spezifische Stoffe zu gewinnen. Meine Versuche haben bisher ergeben, daß es durch Anwendung aller drei Methoden gelingt, kleine Versuchstiere durch ein- malige Injektion gegen Schweinepest zu immunisieren. Indessen wirkten die Autolysate zugleich toxisch. Zur Serumgewinnung zwecks passiver Immunisierung hat eine 4V2 Monate lange Behandlung von Ziegen nicht ausgereicht.

16*

244

Literatur.

») ZtBchr. f. Hyg. 1892, Bd. 12.

^ Deutsche med. Wochenschr. 190?, Nr. 4.

3) Feßtßchrift f. Rob. Koch, 1903.

*) Deutsche med. Wochenschr. 1897.

5) Ztschr. f. Hyg. 1904, Bd. 46.

«) Deutsche med. Wochenschr. 1902, Nr. 27.

^ Hofmeisters Beiträge zur ehem. Phys. 1901.

^) Salkowski, Ztschr. f. klin. Medizin.

®) Bericht der ehem. Gesellsch. 31. 1") Emmerich u. Low, Ztschr. f. Hyg. 1899, Bd. 31. ") Flügge, Die Mikroorganismen, 1896, S. 123. ") Deutsehe med. Wochenschr. 1903, Nr. 2. >') Deutsche med. Wochenschr. 1904, Nr. 27. ") Deutsche med. Wochenschr. 1903, Nr. 40. »*) Zentralbl. f. Bakt. Bd. 34.

*^ K olle -Wassermann, Handbuch d. pathog. Mikroorganismen Bd. 4. »^ Zentralbl. f. Bakt. 1905, Bd. 39, I. >») Zentralbl. f. Bakt. Bd. 36, Nr. 3. »^ Deutsche med. Wochenschr. 1902, Nr. 49.

*) Zur Kenntnis der Toxinbildung d. Bact. avicid., Karlsruhe 1901. **) The serum-treatment of hog cholera, Bur. of animal industry, Bull. Nr. 23. ^) de Schweinitz, Besults of chemical Investigations for the prevention of

disease. Ann. report Bur. of anim. industry, Bd. 6 u. 7. •^ Greither, Über Immunisienmg gegen Swineplague und Hogcholera ver- mittelst ImmunproteYdin, 1901. »*) Klett und Braun, Deutsche Tierärztl. Wochenschr., 1904, Nr. 52/53. «) Raebiger, H., Geflügelbörse 1905.

Allgemeine Bakteriologie.

Abderhalden, E. imd Bona, F., Die Zusammensetzung des „Eiweiß" von Aspergillus niger bei verschiedelier Stickstoffquelle.

(Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiolog. Chemie, Bd. 46, 1905, S. 179—186.)

Verff. stellten Versuche an zur Beantwortung der Frage, ob das Körpereiweiß durch äußere Einflüsse, wie Hunger etc., so be- einflußt werden kann, daß es seine Zusammensetzung ändert, d. h. ob tatsächlich ein partieller Eiweißabbau in den . Geweben statthat. Sie versuchten daher die Eiweißbildung von Pilzen dadurch zu beeinflussen, daß sie die Stickstoflquelle ihrer Nährsubstrate ver- schieden wählten. Sie züchteten zu diesem Zwecke Aspergillus

245

niger auf einer aUgemeinen Nährlösung, welche als Stickstoffquelle 1 . Kaliumnitrat l^/o, 2. GlykokoU 1%, 3. Glutaminsäure 1^1 q enthielt. Die Versuche ergaben, daß Aspergillus niger bei den drei verschiedenen Stickstoffquellen wahrscheinlich stets die- selben Eiweißsubstanzen bildet, daß somit die Eiweiß- bildung durch die Art der Stickstoffquelle sich nicht

beeinflussen läßt. Kaestner (Berlin),

Trineas, L., Über die sogenannten heteromorphen oder teratomorphen Bakterien.

(Annali dlgiene sperimentale 1906, S. 67—81.)

Verf. hat die Veränderungen der Form der Coli-, Typhus-, Paratyphus- und Dysenterie-Bazillen bei Züchtung in Bouillon, auf Agar und Kartoffeln mit 0,4 bis 1 % Koffeinzusatz studiert. Das B. coli wird mehr als die anderen in der Weise modifiziert, daß es in der 0,4 ^\^ Koffein enthaltenden Bouillon längliche Faden- formen und auf den 1 ^/^ Koffein enthaltenden Kai'toffeln ovale Formen mit Doppelkapsel und Kern aufweist. Außerdem beobachtet man bei fadenförmigen Bakterien Chromatolyse-*Erscheinungen.

Der Verf. faßt seine Untersuchungen folgendermaßen zusammen:

1. Man kann durch Züchtung auf Koffein enthaltenden Nährböden Formen gewinnen, die sich auf normalem Nährboden nicht finden.

2. Solche unregelmäfiige Formen sind weder Degenerationsformen noch Zufallsprodukte; denn man kann sie auf dem gewöhnlichen Nährboden er- zeugen. Da manche mit starker Vergrößerung beobachtete Formen wie Sporen aussehen, so können sie heteromorphe Formen nach Gamaleia, aber nicht Involutionsformen nach Nägeli oder teratologe Formen nach Maaßen genannt werden.

3. Die Bakterienform ist an die regelmäßige unveränderliche Zusammen- setzung des Nährbodens gebunden.

4. Die heteromorphen Formen unterscheiden sich durch die Zahl, die («röße und die Gestalt, und deshalb ist es möglich, verschiedene Stämme, z. B. des B. coli, von einander zu unterscheiden.

5. Es scheint, daß nur die Bazillen ohne Sporen die bezeichnete Eigen- schaft haben. Grosso (x. Z. Berlin),

von Wanschhelm, 0. B., Über Hämolyse im Reagenzglase und im Tierkörper.

(Archiv f. Hygiene, Bd. 54, 1905, S. 185—296.)

Verf. untersuchte neben verschiedenen Bakterien auch beim Milzbrand experimentell die Bakterienwirkung auf die roten Blut- zellen. Er kommt zu dem Schlüsse, daß bei dieser Infektion das die roten Blutkörperchen schädigende Agens, das hypothetische

246

Bakteriohämolysin (etwa eine nach Pascucci Lezithin und Chole- sterin lösende Substanz) von Seiten der Bakterien im Tierkörper pro- duziert werde. Marxer {Straßburg t. K).

Strengnlina, Am Über die im Züricher Boden vorkommenden Heubazillen und über deren Beziehungen zu den Erregern der Panophthalmie nach Hackensplitter- verletzung.

(Zeitschr. f. Hygiene a. Infektionskrankh., Bd. 51, 1905, S. 18—45.)

Verfn. kommt zu dem Ergebnis, daß eine scharfe Abgrenzung der Vertreter der Heubazillengruppe bis jetzt nicht möglich ist, und daß man am zweckmäßigsten von einer Gruppe des Bacillus subtilis spricht. Die gefundenen Bazillen teilt sie in 5 Gruppen, die genauer charakterisiert werden, deren Einzelheiten aber in Kürze sich nicht wiedergeben lassen. (Diese Untersuchungen und die Abbildungen haben für uns ein besonderes Interesse, da wir die Heubazillen bei Milzbranduntersuchungen häufiger antreflfen, und ihre Kolonieformen fiir pngeübte zu Verwechslungen mit den Milz- branderregem Veranlassung geben können. Ref.). Bvgge (Klelj.

Meresbkowsby, S. S., Zur Frage über die Rolle der Mikro- organismen im Darmkanal.

(Zentralbl. f. Bakt Bd. 39, 1905, S. 380—389, 584—594, 696— 703 u. Bd. 40, 1905, S. 118—125.)

Färbt man Ausstrichpräparate aus den Fäces, namentlich junger, noch mit Muttermilch ernälirter Säugetiere nach Gram, so findet man im Gesichtsfelde überwiegend Stäbchen, die die Färbung angenommen haben, und nur in der Minderheit ungefärbte. Bei Kulturversuchen wachsen aus den Fäces jedoch nur die letzteren, weil sie die nach Gram farbbaren bei den gewöhnlichen Züchtungs- methoden überwuchern. Bringt man aber die Fäces in Bouillon mit 0,5 1 ö/q Essig- oder Milchsäure, so sterben die gewöhnlichen Darmbakterien innerhalb 3 Tagen ab, während die gramfesten längere Zeit lebensfähig bleiben und nun aus den so behandelten Fäcesteilen in Reinkulturen gezüchtet werden können. Nach diesem Verhalten sind sie als azidophile bezeichnet worden. Sie wurden in den Fäces aller untersuchten Repräsentanten der ver- schiedensten Tierklassen von den Mollusken bis zum Menschen hinauf gefunden, unabhängig vom Alter und der Nahrung, sobald überhaupt im Darme Mikroorganismen auf-

247

treten. Sie sind im ganzen Verlaufe des Verdauungskanales vorhanden, wobei ihre Anzahl, mit derjenigen der anderen Mikro- organismen Schritt haltend, in der Richtung vom Magen zum Rektum beständig zunimmt. Außerhalb des Darmkanals finden sie nicht die fftr ihr Dasein und ihre Vermehrung günstigen Vorbedingungen.

Beim Übergang von der Muttermüch zur Fütterung mit Grütze und Fleisch wurden bei jungen Versuchshunden plötzlich die nach Gram nicht farbbaren Bakterien vorherrschend, während man bei Fütterung der Hündchen mit Milchkulturen der azidophilen Bak- terien bald das völlige Verschwinden der nicht farbbaren Stäbchen beobachten konnte. Längere Zeit fortgesetzte Fütterung mit azido- philen Bakterien übte keinen schädigenden Einfluß auf das Befinden der Versuchstiere aus. Verf. vermutet deshalb, daß diese Bak- terien die Rolle von Regulatoren der Darmflora spielen und unter Umständen unterdrückend auf solche Bakterien wirken können, deren Anwesenheit im Darm nicht nur nicht erwünscht, sondern sogar fiir das Tier gefahrlich ist. Orabert (Berlin).

Ankersmit, P., Untersuchungen über die Bakterien im Verdauungskanal des Rindes.

(Zentralbl. f. Bakt Bd. 39, 1905, S. 359—369, 574—584, 687—695 u. Bd. 40, 1905, S. 100—118.)

Im Pansen und auch im Labmagen überwiegt das fakultativ anaerobe Müchsäurebakterium. Im Labmagen erfolgt eine Massen- vemichtung von Bakterien infolge der desinfizierenden Wirkung d^s Magensaftes. Im Dünndarm treten neben den Milchsäurebakterien Kolibazillen auf. Im Mastdarm sind außerdem sporenbildende Bodenbakterien vertreten. Es greift hier wiederum eine Steigerung der Bakterienzahl Platz.

Im allgemeinen ist die Zahl der Bakterien im Ver- dauungskanal des erwachsenen Rindes eine verhältnis- mäßig spärliche. Im besonderen sind zellulosevergärende Orga- nismen nicht in dem Maße nachzuweisen, daß man die Lösung der Zellulose auf ihre Tätigkeit zurückfuhren könnte.

Im Vergleich zum Rinde findet man in den Verdauungs- wegen der Milchkälber enorm hohe Keimzahlen. Aus dem Darminhalt eines Milchkalbes wurde ein neuer anaerober, nicht sporenbildender Spaltpilz, Bacterium clostridiiforme, isoliert.

Orabert (Berlin).

248

Barnehello, L., Untersuchungen über die Darmstrepto- kokken des Pferdes.

(Zentralbl. f. Bakt, Bd. 39, 1905, S. 569—573.)

B. fand in den Fäces von Pferden und Eseln fast immer einen saprophytischen Streptokokkus, der von dem der Druse morphologisch und kulturell nicht zu unter- scheiden ist; nur aus der Agglutinationsprobe und aus der Ent- wicklung eines jeden der genannten Mikroorganismen in den Fil- traten der Bouillonkulturen des anderen läßt sich schließen, daß ihnen verschiedene biologische Eigenschaften zukommen, die sie differenzieren. Durch Tierpassagen kann dem Intestinalstrepto- kokkus eine ziemlich hohe pathogene Wirkung verliehen werden. Hieraus kommt Verf. zu der Vermutung, daß der genannte Strepto- kokkus, ein gewöhnlicher und der Regel nach unschuldiger Gast des Pferdedarmes, unter Umständen, vielleicht in Verbindung mit B. coli, schädlich werden und Infektionen des Pferdes hervorrufen könne. Qrabert iBcrlwl,

Ficker, M., Über den Einfluß des Hungers auf die Bakterien- durchlässigkeit des Intestinaltraktus.

(Archiv f. Hygiene, Bd. 54, 1905, S. 354—373.)

Verf. führt die Literatur an, die sich für und gegen den Ein- fluß des Hungerzustandes gegenüber der künstlichen und natürlichen Infektion ausspricht. Aus seinen eigenen Untersuchungen ergibt sich, daß bei Kaninchen, Hunden, Katzen, Mäusen und Ratten durch Inanition sowohl für verfütterte saprophy- tische Keime als auch für im Darme heimische Bakterien günstige Bedingungen für das Eindringen derselben in die Lymph- und Blutbahn sowie in die Organe geschaffen werden.

Im Serum hungernder Tiere findet eine erhebliche Ab- oder Zunahme der natürlicherweise gegenüber einer Anzahl von Keim- arten vorhandenen Agglutininen nicht statt. Nur bei drei von fünf Kaninchen stieg der Agglutinationswert des Serums unter dem Einflüsse des Hungers gegenüber einem aus dem Darme derselben Tiere vor der Hungerperiode gezüchteten Bact. coli deutlich an. Die bakterizide Wirkung des Serums hungernder Tiere ist ver- schieden, entweder wird sie erhöht oder sie geht herunter oder bleibt unverändert. Marxer fStraßburg i. EJ.

249

Holth, H., Nogle Faecesundersögelser saerlig med Henblik paa Tyfusdiagnosen. (Einige Faecesuntersuchungen mit besonderem Hinblick auf die Typhusdiagnose.

(Ugeskrift for Läger, 1905, No. 23—26 [Dänisch].)

Verf. hat die Fäces aus sechs klinisch festgestellten Fällen von Typhus beim Menschen, wie auch die aus zwei typhusähnlichen Fällen, untersucht. Behufs leichten Auffindens der typhus- verdächtigen Kolonien wurden Plattenkulturen auf Lackmuslak- toseagar nach der Wtirtzschen (später von Conradi und Drygalski modifizierten) Methode benutzt. Keine dieser Methoden wurde jedoch vom Verf. als völlig brauchbar befunden, da bei ersterer eine störende SäurediflRision stattfand und Conradi und Drygalskis Methode gar zu kompliziert war und überdies ihr erstarrter Agar Zuckerarten enthalten konnte, welche der Typhusbazillus zu ver- gären vermochte. Durch seine Versuche kam Verf. zu dem Ergebnis, daß die Würtzsche Methode brauchbar war, wenn der Lack- nmsagar eine der Zuckermenge angemessene Menge Alkali enthielt. Wenn die Fäces viele paratyphusähnliche Bazillen, aber nur wenige Typhusbazillen enthalten, so empfiehlt der Verf. Rhamnose statt der Laktose; zu Wasseruntersuchungen Maltose, welche der Typhus- bazillus zu vergären vermag. Während die meisten Untersucher erklären, daß es genügt, die verdächtigen Kolonien auf ihre Form, die Agglutination, auf Neutralrotagar und (zuweilen) auf das Verhalten auf Lackmusmolke (einzelne wenden indes doch auch die Proben auf Dextrose und Laktosebouillon an) zu prüfen, hat außer anderen C. 0. Jensen nachgewiesen, daß diese Proben nicht ausreichend sind, um nahestehende Formen auszuschließen. Verf. hat deshalb auf Grundlage von C. 0. Jensens Untersuchungen über die Koli-Typhusgruppe sehr eingehende Untersuchungen über die typhusverdächtigen Kolonien angestellt und er fand nun durch die Untersuchung der Fäces der genannten 8 Patienten (im ganzen untersuchte er 108 verdächtige Kolonien) folgendes interessante Verhalten : Zweimal wurden Typhus- bazillen allein nachgewiesen, zweimal Typhusbazillen nebst mehreren verschiedenen paratyphusähnlichen, einmal typhusähnliche allein, zweimal paratyphusähnliche allein und in einem Falle nur Kolibazülen. Das Resultat zeigt also, daß man bei Fäcesuntersuchungen notwendigerweise alle uns bekannten Proben anwenden muß, damit nahestehende Bakterienformen nicht für Typhus-

250

bazillen erklärt werden. Von Interesse ist es ebenfalls, daß Verif. bei diesen Untersuchungen mehrere noch nicht bekannte typhusähnliche Bakterienformen fand, die sich wegen ihres Vergärungsverhaltens weder zur Typhusgruppe noch zu den bisher bekannten Paratyphusbazillen rechnen lassen, sondern gleichsam einen Übergang von letzteren zu der ersteren bilden, und daß er in der Milz eines dreimonatlichen, an akuter Enteritis gestorbenen Kindes eine dieser „Übergangsformen" wiederfand, die er aus den Faeces in zwei klinisch festgestellten Typhusf&Uen isoliert hatte. Er fragt deshalb mit Recht: Wie sind diese Zwischen- formen aufzufassen? Ist es denkbar, daß einige derselben pathogene Eigenschaften besitzen oder sind es Bewohner des Darmes, die unter normalen Verhältnissen nur in geringer Menge angetroffen werden, die sich aber während pathologischer Zustände des Darmes stärker vermehren? Oder gibt es die Möglichkeit, daß veränderte Zustände des Darmes Mutationen bewirkten? Um diese Fragen zu beantworten, läßt sich nur ein Weg einschlagen: die systematische Unersuchung der Darmflora, wie sich diese sowohl während nor- maler als auch während pathologischer Zustände des Darmes verhält.

L. Bahr (Kopenhagcnj,

D'heil, Beitrag zur Frage des Bakteriengehalts der Milch, und des Euters.

(Zeitschr. f. Fleisch- und Milchhygiene, Jahrg. 16, 1905, S. 84— 85.)

Die vom Verf. angestellten Versuche hatten folgendes Er^ gebnis :

1. Bei Kühen, welche nicht gemolken werden, bildet sich in der Zitzen- mündung in der Regel innerhalb weniger Tage ein Schmutzpfropf, dessen Bakteriengehalt mit seinem Alter steigt.

2. Im Zitzenkanal eines milchhaltigen Euters befindet sich eine Milch Säule.

3. Strichkanal und Zisterne sind regelmäßig von Bakterien bewohnt

4. Die Bakterien, die sich innerhalb des Euters in der Milch vorfinden, sind durch die Zitzenöf&ung hineingelangt.

5. Das Drüsengewebc des Euters enthält Bakterien nur in geringer Zahl.

6. Das Drüsengewebe des Euters besitzt eine stark bakterientötendc Kraft.

7. Der erste Milchstrahl ist fast immer der bakterienreichste.

8. Der höhere Keimgehalt der Melkmaschinenmilch ist durch die Schwierigkeit, die das Reinigen solcher Maschinen bietet, bedingt.

9. Das Seihen der Milch ist für deren Bakteriengehalt belanglos.

SchiiUer (Stettin}.

251 Infektionskrankheiten.

Dammann und Mfissemeier, Untersuchungen über die Bezie- hungen zwischen der Tuberkulose des Menschen und der Tiere.

(HHnnover 1905. 143 Ss., 45 Kurven- nnd 8 Bakterien-Tafeln.)

Die umfangreiche Arbeit berichtet in eingehender Weise über die im Hygienischen Institut der Tierärztlichen Hochschule zu Hannover im Auftrage des Herrn Ministers für Landwirtschaft aus- geführten Untersuchungen, welche nach dem Beschluß des Reichs- gesundheitsrats vom 2. April 1902 als Parallelversuche zu den im Kais. Gesundheitsamte von Kossei, Weber und Heuß angestellten dienen sollten. Es fanden dabei Verwendung 18 Fälle menschlicher Abkunft, 7 Fälle vom Rinde, 1 Fall vom Affen und 1 Fall vom Menschen, welcher 1, 2, 3, 4 und 5 Passagen durch den Ziegen- körper durchgemacht hatte. Die Züchtung der Kulturen geschah in der Regel auf erstarrtem Pferdeblutserum mit 5— 6^/o Glyzerin- zusatz. Um die Austrocknung des erstarrten Serums zu verhüten, wurde dem Verschluß der Kulj;urröhrchen mit Paraffin vor dem- jenigen mit Gummikappen der Vorzug gegeben. Über die Einzel- heiten des bei der Züchtung der Tuberkelbazillen eingeschlagenen Verfahrens enthält die Arbeit viele schätzenswerte Angaben.

Die auf Glyzerin-Pferdeblutserum, Glyzerin-Agar und glyzerini- sierten Kartoffeln gewachsenen Kolonien der Rinder-Tb.-Stämme, der Affen-Tb.-Stamm, der Menschen-Tb.-Stamm der 4. und der 5. Ziegenpassage sowie zwei andere Menschen-Tb.-Stämme wiesen bei mikroskopischer Betrachtung einen aus ausgesprochen derben, welligen und lockigen Zügen bestehenden Bau, ähnlich wie Milz- brandkolonien, auf, welcher bei der Mehrzahl der Menschen-Tb.- Stämme nicht zu erkennen war. Aul* 4proz. Glyzerin-Bouillon bildeten die Rinderstämme und einige Menschenstämme ein dünnes, feines Häutchen, die Mehrzahl der Menschenstämme dagegen in zwei bis sechs Wochen einen die ganze Oberfläche bedeckenden, bald mehr gefal- teten, bald mehr warzen- und beerenformig gekörnt erscheinenden, dicken Belag.

In morphologischer Hinsicht erwiesen sich die Tier-Tb.-Stämme und einige Menschenstämme im allgemeinen kürzer und plumper als die übrigen Menschen-Tb.-Stämme. Aber in beiden Gruppen zeigten sich noch zahlreiche Abstufungen, und einzelne Stämme bildeten

252

Übergänge zwischen den beiden Gruppen. Wenn also auch zu- zugeben ist, daß sich im allgemeinen zwischen den Tuberkelbazillen- stämmen menschlicher einerseits und tierischer Abkunft andererseits gewisse Wachstums- und Formunterschiede finden, so sind diese doch nicht derartig ausgeprägt und konstant, daß man auf Grund derselben eine Scheidung in zwei getrennte Arten oder Typen vor- nehmen kann.

In der Wirkung auf Meerschweinchen stellten sich keine erheb- lichen und konstant vorhandenen Unterschiede zwischen den Tb.- BaziUen menschlicher und tierischer Abkunft heraus. Für Kaninchen waren die letzteren in der Regel virulenter als die ersteren. Die Virulenz für Kaninchen schwach virulenter Menschenstämme konnte durch Kaninchenpassage verstärkt werden.

Von zwei ca. drei Monate alten Kälbern, die drei Monate lang täglich mit 15 g tuberkelbazillenhaltigem, menschlichem Sputum ge- füttert wurden, zeigte das eine bei der Sektion keine auf die Fütte- rung zurückzuführende Veränderungen, während bei dem anderen zahlreiche Peyersche Plaques mit erbsengroßen, graugelben, Eiter enthaltenden Herden, in denen Tb.-Bazillen mikroskopisch und durch Verimpfung an Meerschweinchen nachzuweisen waren, durchsetzt waren. Auch in einer Mesenterialdrüse wurde ein hirsekomgroßer, eitriger Herd gefunden, in dem zwar nicht mikroskopisch, aber durch Meerschweinchenübertragung Tuberkelbazillen festgestellt wurden. Zwei in gleicher Weise gefütterte Ferkel wiesen erheb- lichere Veränderungen auf, die sich nicht auf die Eintrittspforten, Kehlgangs- und Mesenterialdrüsen und die zunächst davon abhängi- gen Drüsen der Leber und Milz beschränkten, sondern auf eine Reihe weiterer Drüsen und auf die Lungen fortgeschritten waren. Durch einmalige Verfütterung von ^/^Qg einer Reinkultur mensch- licher Tuberkelbazillen wurde bei vier jungen Lämmern Tuberkulose hervorgerufen, die sich nicht auf die Eingangspforten beschränkte, sondern Veränderungen in der Lunge bzw. der Leber erzeugte, die allerdings nur geringgradig waren und zur Abheilung neigten. Nach der gleichen Fütterung entstanden bei einem fänften Lamm und nach dreimaliger Verfütterung derselben Dose bei einem Kalbe nur geringe lokale Veränderungen.

Subkutane Impfungen mit Menschentuberkelbazillen, und zwar meistens mit Reinkulturen, in einigen Fällen direkt mit Ursprungs- material, wurden an 44 Versuchstieren, Kälbern und Schweinen,

253

vorgenommen. Davon hatten 24 (13 bei Kälbern, 11 bei Schweinen) ein negatives Resultat. Bei den übrigen 20 Tieren (9 Kälbern, 11 Schweinen, dabei je zwei Fälle mit tödlichem Ausgang) wurden tuberkulöse Prozesse hervorgerufen, die sich nicht auf die Impfstelle und die zugehörigen Ljmiphdrüsen beschränkten, sondern weitere Organe ergriffen. In Hinsicht auf Ausbreitung und Schwere waren diese freilich recht verschieden. Die Beobachtungen der Verff. stehen im Gegensatz zu denjenigen von Kossei, Weber und Heuß, welche bei ihren für Rinder virulenten Kulturstämmen die Ausbreitung auf sämtliche inneren Organe zu sehen gewohnt waren. Die scharfe Scheidung zwischen avirulenten Stämmen, deren Wirkung an der regionären Lymphdrüse Halt macht, und virulenten, welche ihre deletären Effekte über den ganzen Körper entfalten, konnten die Verff. nicht bestätigen. So erzeugte ihr virulentester Stamm, von dem eine Reinkultur nach subkutaner Verimpfung unter Hervor- rufung von tuberkulösen Veränderungen in den meisten Organen und sämtlichen Körperljmiphdrüsen ein Kalb in 28^/2 Tagen und ein Schwein in 42 Tagen tötete, bei einem anderen Schwein, welches mit Ursprungsmaterial von ihm geimpft war, nur Tuberkulose der submaxillaren und subparotidealen Lymphdrüsen, der Lunge und der Bronchialdrüse.

Mit 5 von den 18 Menschen-Tb.-Stämmen der Verff. ist es mög- lich gewesen, die Tuberkulose auf Kälber und auf Schweine, mit 3 nur auf Kälber, mit 4 nur auf Schweine zu übertragen, und nur 6 haben sich als völlig avirulent erwiesen. Das Material, aus dem die Stämme herrührten, stammte aus den verschiedensten Organen und von Personen verschiedensten Alters, so daß die Annahme, nur solche Fälle menschlicher Tuberkulose seien für Tiere virulent, welche durch die Aufnahme von PerlsuchtbaziUen entstanden sind, in den Versuchen der Verff. keine Stütze findet.

Eine Reihe weiterer Versuche galten der Prüfung der von V. Behring zuerst angeregten, von Ravenel, Arloing, Orth und Hamilton, Karlinski und de Jong bejahten, von Gratia und Möller, sowie von Kossei, Weber, Heuß verneinten Frage, ob es möglich ist, schwach virulente menschliche Tuberkelbazillen durch Tierpassage für Haustiere virulenter zu machen, also an den Körper der letzteren anzupassen. Es gelang den Verff., einen schwach virulenten Stamm menschlicher Tuberkelbazillen mittelst Passage durch fünf Ziegen in einen für Kälber und

254

Schweine stark virulenten umzuwandeln. Dadurch hatte er auch in seinen kulturellen und morphologischen Eigenschaften eine Abänderung erfahren ein weiterer Grund für die Auffassung, daß die Erreger der Menschen- und Säugetiertuberkulose nicht als getrennte Arten, sondern nur als verschiedenen Tier- spezies angepaßte Varietäten einer Art anzusprechen sind. Daraus ergibt sich der Schluß: Maßregeln zum Schutze des Menschen gegen die Ansteckung durch tierische Tuber- kulose sind unentbehrlich. Grabert fBeriinj,

Plate, E., Über die Resorptionsinfektion mit Tuberkel- bazillen vom Magendarmkanal aus.

(Archir f. wissenscbaftl. a. prakt Tierheilk., Bd. 32, 1906, S. 186—206.)

Verf. stellte sich die Aufgabe, die Frage zu prüfen, ob die in den Magendarmkanal eingebrachten Tuberkelbazillen ohne lokale Veränderung die Darmwand durchdringen, um eine Allgemein- infektion hervorrufen zu können. Zur Störung des physiologischen Gleichgewichts prädisponierte P. die Schleimhaut mit Krotonöl (Soda- lösung). Auf Grund seiner Fütterungsversuche gelangt der Verf. zu folgenden Schlüssen:

1. Unter normalen physiologischen Verhältnissen ist die Magenwand junger Meerschweinchen in 80 "/o»

2. die Dannwand stets für die Tuberkelbazillen passierbar,

3. die Magenwand ausgewachsener Meerschweinchen ist für Tuberkel- bazillen unpassierbar,

4. die Darm wand in 33 "/^ passierbar.

o. Zur Reizung der intestinalen Schleimhaut beigebrachtes Krotonöl (in Emulsion) begünstigt in 80 7o das Eindringen der Tuberkel- bazillen.

6. Der Emulsion beigegebene Sodalösung (10—15 Tropfen der lOproz. Lösung) übt keinen Einfluß zugunsten des Eindringens der Tuberkel- bazillen aus. r. Sande (Frankfurt a. Mj

Bartels J., Die Bedeutung der Lymphdrüse als Schutz- organ gegen die Tuberkuloseinfektion.

(Wiener klin. Wochenschr., 18. Jahrg., 1905, 8. 1049—105-2.)

Seine Untersuchungen über das „lymphoide Stadium" der Lymphdrüsentuberkulose*) fährten Verf. zu der Vermutung, daß die Lymphozyten einen hemmenden Einfluß auf den Tuberkelbazillus

*) Vergl. Heft 1 dieser Zeitschr. 8. 73.

- 255

bezüglich dessen Wirkung auf den lebenden Organismus ausüben. Verf. gelang es „i^ vitro durch längere Einwirkung von Lympho- zyten (Milz, Mesenteriallymphdrüsen vom Hund) die zwischen ihnen suspendierten Tuberkelbazillen in ihrer Wirkung im Impfversuch am Meerschweinchen, also dem für Tuberkulose empfindlichsten Impftier, vollständig zu hemmen*'. Es zeigten nach einer bestimmten Einwirkungsdauer die Impftiere „keine Spur von Tuberkulose" mehr. Dabei ließen sich kulturell in dem zur Verimpfung gelangten Material aber noch lebensfähige Tuberkelbazillen nachweisen. Es waren somit die normalen Lymphozyten des Hundes bei längerer Einwirkung imstande, die vorher virulenten Tuberkelbazillen bis zur Avirulenz abzuschwächen und somit ihre Pathogenität gegenüber dem Meerschweinchen vollständig aufzuheben. Verf. zieht weiterhin auf Grund dieser Tatsache in Erwägung, „den Lymphozyten mit seinen Produkten und Eigenschaften" als Heilfaktor gegen die Tuberkuloseinfektion zu verwenden. ./.

Bartel, J. u. Spieler, F., Der Gang der natürlichen Tuber- kuloseinfektion beim jungen Meerschweinchen.

(Wiener kUn. Wochenschr., 19. Jahrg., 1906, Nr. 2.)

Die Verff. suchten den Entwicklungsgang der natürlichen Tuberkuloseinfektion beim jungen Meerschweinchen zu verfolgen, und zwar wählten sie für ihre Versuche Bedingungen, wie sie der sog. „Schmutz- und Schmierinfektion" des Kindesalters entsprechen. Das Hauptergebnis der interessanten Versuche fassen die Verff. wie folgt zusammen: „Es ist also die „Schmutz- und Schmierinfektion" des Meerschweinchens vorherrschend eine Infek- tion der regionären lymphatischen Gewebe der oberen und tieferen Wege des Digestionstraktus, zugleich der ersten Wege des Respira- tionstraktus mit einem deutlich ausgeprägten Stadium der Erkrankung der Halslymphdrüsen (analog der kindlichen Skrofulöse) und bei allen nachweisbar positiven Fällen auftretender Infektion der Mesenteriallymphdrüsen. Erst später tritt, gleichgültig ob gering- fiigige oder äußerst reichliche Gelegenheit der Infektion vorherrscht, die nachweisbare Erkrankung des regionären lymphatischen Gewebes der tieferen Wege des Respirationstraktus hinzu, dann allerdings unter Beherrschung des Bildes der bereits mehr oder weniger allgemeinen Infektion". j.

256

Cantacnzene, J«, Recherches sur la maladie experimentale provoquee par Tinoculation de bacilles tuberculeux degraisses.

(AnnaL de l'Inst. Pasteur, Bd. 19, 1905, 8. 699—714.)

C. faßt seine Untersuchungen dahin zusammen, daß abgetötete und vollständig entfettete Tuberkelbazillen toxisch wirken; in genügender Menge injiziert, verursachen sie einen raschen Tod mit Hypothermie, einem raschen Zerfall der hinzugewanderten Leuko- zyten, einer Degeneration der Nieren und des Herzens und einer akuten Eosinophilie des Blutes. Kleinere Dosen bewirken eine chronische Erkrankung der Meerschweinchen, die durch subnormale Temperatur und vorübergehende Eosinophilie gekennzeichnet ist. Außerdem magern die Tiere mehr oder weniger ab. Es entstehen Knötchen und tuberkulöse Abszesse. Die Milz ist enorm vergrößert. Die tuberkulösen Veränderungen werden nach Verkäsung resorbiert, ohne Spuren zu hinterlassen. Die Resorption geht in den Riesenzellen vor sich. Ungefähr 3 Monate nach der intraperitonealen Injektion mit einer nicht tödlichen Dosis sind die Tiere wieder vollständig gesund. Die geimpften Tiere reagieren während einiger Wochen typisch auf Tuberkulin. Die mit Lugolscher Lösung behandelten entfetteten Tuberkelbazillen -verlieren ihre Giftigkeit und werden ohne Schädigung der Leukozyten rascher resorbiert wie die nicht mit Jod behandelten Bazillen. Durch einmalige Vorbehandlung mit solchen Bazillen wird eine deutliche Resistenz gegenüber der toxischen Wirkung der nicht mit Jod behandelten Tuberkelbazillen erzielt. Durch tägliche Injektionen von Jodkalium wird die Resorption der entfetteten Bazillen und der tuberkulösen Neu- bildungen sehr beschleunigt, da die phagozytäre Eigenschaft der mononukleären Leukozyten bedeutend erhöht wird. Zu diesen Ver- suchen wurde eine Rindertuberkelbazillenkultur verwandt, von der 20 cg genügten, um ein Meerschweinchen von 550 g in 36 Stunden bei intraperitonealer Impfung mit Sicherheit zu töten.

Marxer (Siraßbwrg).

Klauwers, J. A., Worden bij longtuberculose van het rund zelden- bacillen opgehoest? (Werden bei Lungen- tuberkulose des Rindes selten Bazillen ausgehustet?)

(TUdschrift Toor VeeartsenUkünde, 1906, Deel33, S. 227— 230 [HoUändisch].)

Nach Anführung des folgenden Satzes von de Jong: „Es ge- lingt nur selten, wirklich nachzuweisen, daß Bazillen ausgehustet

257

werden"*), teilt K. seine diesbezüglichen Erfahrungen mit, welche mit jenen von Ostertag übereinstimmen. Verf. schreibt: „Daß auch die einfache mikroskopische Untersuchung von Sputum oft positive Resultate gibt, habe ich selbst erfahren. Von den seit Januar 1905 von mir untersuchten und vom Staat abgeschlachteten Rindern wurde bei 45 Stück bei der Sektion offene Lungentuberkulose konstatiert. Bei 19 dieser Rinder, also 42%, war die Krankheit durch die mikroskopische Sputumuntersuchung festgestellt worden. Die Zahl der Bazillen in einem Präparat war bisweilen erstaunlich groß; stets wurde ein Teil des Materials zur Kontrolle nach dem Reichsseruminstitut in Rotterdam geschickt. Zur Erlangung des Materials gebraucht Verf. keine Instrumente; er folgt hauptsächlich der von van Leeuven angegebenen Methode**), und zwar so, daß er die Kuh an den Hörnern fixieren läßt und persönlich mit einem Tuch die Nase einige Zeit verschließt. Wenn das Tier Atemnot bekommt, öffiiet er die Nasenlöcher, und meistens folgt dann ein Hustenanfall. Das Tuch, welches hierbei an seiner Stelle fest- gehalten wird, fangt ev. Substanzen auf. Bisweilen konnte bei fixierter Zunge in der Maulhöhle Sputum aufgefunden oder, wenn man den Kopf nach unten biegen läßt, eine beträchtliche Menge Speichel auf einem Teller gesammelt werden. In diesem Speichel findet man bisweilen die verlangten Schleimflöckchen; in nur wenigen Fällen hatte der Eigentümer bemerkt, daß Sputum ausgeworfen

wurde. Markus (Rotterdam^

Siegenbeek van Heukelom, J., Experimenteele onderzoe- kingen met doode tuberkelbacillen (Experimentelle Untersuchungen mit toten Tuberkelbazillen).

(Diss., Leiden 1905, 174 Ss. mit Tabelle, Kurven und 3 Taf. [Holländisch].)

Nach einer ausführlichen Besprechung der Literatur: 1. über die pathologisch-anatomischen Folgen der Applikation toter Tuberkel- bazillen im lebenden Organismus, 2. über die Agglutination von Tuberkelbazillen nach Arloing-Courmont, Romberg und Koch und die Spezifizität der Reaktion und nach Beschreibung seiner eigenen diesbezügl. Untersuchungen***) kommt Verf. zu folgenden Schlüssen:

*) Bekämpfung der Tuberkulose der Haustiere; VTII. Intern. Tierärztl. Kongreß 1905, S. 9.

**) Tijdschrift voor Veeartsenijkunde, 1905, Deel 32, S. 307. **♦) Siegenbeek van Heukelom arbeitete hauptsächlich mit Menschen- tuberkelbazillen, die von ihm auf Hesse- Agar und dann auf Glyzerin- semm aus Sputum gezüchtet waren. Seine Stämme waren wenig virulent.

Zeitschrift fflr lofektionskrankheiten. I, 2/3. 17

258

I. Intravenöse Injektion einer großen Dosis toter Tuberkelbazillen kann den Tod des Versuchstieres verursachen, ebenso wiederholte Injektionen kleiner Dosen. Nimmt man die Dosis sehr klein, so bleibt, sogar nach wiederholten Einspritzungen, das Tier am Leben.

Die Größe dieser Dosen wechselt, sowohl nach dem Versuchstier als in stärkerem Maße nach den benutzten Bazillen. Von meiner Kultur verursachten 50 mg einmal den Tod, während andermals eine Injektion derselben Menge Bazillen keine nachteiligen Folgen hatte. Quantitäten von 10 mg, wiederholt appliziert, waren immer tödlich, 5 mg tötete einmal schon nach der sechsten Injektion, andermals wurde diese Dosis siebenmal ohne Nachteil eingespritzt. Kleinere Dosen bedrohten das Leben des Kaninchens nicht, selbst wenn man die Einspritzung sehr oft (zwölfmal) vornahm. Nach einer wiederholten Injektion tritt der Tod bisweilen sehr bald ein, viel schneller wie man das nach einer einzigen Einspritzung sieht. Die Ursache hiervon liegt wahr- scheinlich in der Tatsache, daß auch nach Injektionen kleinerer Mengen das Tier nicht krank aussieht, jedoch starke Veränderungen in den Lungen vor- handen sind.

Diese Ergebnisse stimmen also mit jenen von Strauß überein, aus- genommen daß derselbe gleiche Resultate mit viel kleineren Mengen erzielte.

II. Sowohl nach Injektion einer kleinen als einer großen Menge toter Bazillen findet man Anomalien in Lungen und Leber, am stärksten in erst- genanntem Organ. Sie bestehen in der Lunge in Tuberkeln mit epitheloiden hellen Riesenzellen und Verkäsung, bisweilen begleitet von einem pneumo- nischen Prozess; in der Leber findet man ebenso (aber viel weniger zahlreich) Tuberkel mit Riesenzellen sowie eine sehr starke Degeneration, bis zur völligen Nekrose des Parenchyms.

III. In der Lunge und Leber von den Tieren, die mit einer großen Dosis toter Bazillen einmal oder mit kleinen Dosen wiederholt injiziert sind und darnach ein Jahr lang am Leben gelassen wurden, ohne daß sie krank waren, findet man keine Spur mehr von tuberkulösen Prozessen. Eine Verdickung der Alveolarsepten der Lunge, bisweilen eine parenchymatöse Leberdegeneration zeigen, daß die Tiere nicht ganz normal sind.

IV. Marasmus sah ich bei meinen Kaninchen niemals deutlich auftreten.

V. Nach Injektion toter Tuberkelbazillen kann man in den Lungen sehr deutlich und zahlreich die von Babös, Friedrich und Schulze be- schriebenen „Strahlenherde^^ finden, woraus sich ergibt, daß diese Herde nicht verursacht werden können durch eine bestimmte Wachstumsart der Tuberkelbazillen, vielmehr als eine passive Umbildung der Bazillenkörper unter dem Einfluß des umgebenden Gewebes gedeutet werden müssen, eine Um- bildung, welche wahrscheinlich der völligen Vernichtung vorangeht

VI. Tote Tuberkelbazillen können im Serum agglutinierende Substanzen entstehen lassen, was sich ergibt sowohl wenn man das Serum nach der Methode Arloing-Courmont als nach jener von Koch untersucht

VII. Die Agglutination der homogenen Kulturen von Arloing tritt am stärksten hervor (bis 1 : 10 000), wenn man den Kaninchen die homogene Kultur selbst injiziert. Aber auch Injektionen von den „zerriebenen Bazillen'* von Koch können hohe Agglutinationswerte geben. Injektionen mit toten

259

Bazillen, aus Sputum gezüchtet (wenig vinilent), geben viel niedrigere Werte. Die Agglutinationsfähigkeit tritt sehr bald nach der Injektion auf (schon nach drei Tagen) und erhält sich sehr lange (bis sechs Monate).

VIIL Die Agglutination nach Koch tritt bei Kaninchen erst hervor nach wiederholten Injektionen mit relativ großen Dosen toter Tuberkelbazillen oder «.zerriebener Bazillen" von Koch,

IX. Die Agglutination nach Koch ist ein ganz anderer Vorgang als jene nach Arloing und Conrmont. Letztere ist eine wirkliche Agglutination, erstere dagegen eine Präzipitation. Sie treten auch nicht immer gleichzeitig oder mit derselben Kraft hervor; das Serum eines Kaninchens, das nach Arloing Courmont 1:10000 agglutiniert, zeigt keine „Agglutination" nach Koch. Markus (Rotterdam),

Oppermaim, Tb., Ein Beitrag znr Pseudotuberkulose der Nagetiere.

(Deutsche Tierärztl. Wochenschr., Jahrg. 13, 1905, S. 451—453.)

Der Verf. beschreibt vier verschiedene Fälle von Pseudo- tuberkulose bei einem Wasserschwein, einem Kaninchen und zwei Häsinnen. In der Lunge der Tiere fanden sich in ver- schiedener Ausbreitung gelblich-grauweiße Knötchen, deren Inhalt aus grauweißen, käsig-krümlichen Massen besteht. Im Dickdarm des Wasserschweines waren diphtherische Herde vorhanden. Im Dickdarmgekröse desselben fanden sich dicke, aus Knötchen zu- sammengesetzte Stränge. Die Darmlymphdrtisen geschwollen, röt- lich-gelblich auf dem Durchschnitt. In der Milz Knötchen nachweisbar bei allen Tieren. Bei dem Kaninchen waren Knötchen auch auf den Eihäuten zu finden. In den Knötchen wurde der Bacillus pseudotuberculosis rodentium Pfeiffer mikroskopisch gefunden.

Zwei Mäuse, geimpft mit zerriebenen Lungenknötchen, starben nach 20 Stunden. Die Impfstelle sulzig infiltriert. In der Milz will der Verf. schon 20 Stunden nach der Impfung grüngelbe Knötchen mit der Lupe gesehen haben. Zwei geimpfte Meer- schweinchen starben in verschiedenen Intervallen und zeigten Knötchen in den Organen. Ein Kaninchen, mit Lungenknötchen geimpft, nach 7 Wochen getötet, zeigte stecknadelkopfgroße Knötchen in der Milz und Leber. Aus dem pathologischen Befunde bei dem Wasserschwein im Darm und dem Gekröse schließt Verf. auf die Infektion vom Darme aus. Nach dieser Beobachtung wird das Wasserschwein jetzt zu den Tieren gezählt werden müssen, welche spontan an Pseudotuberkulose erkranken können.

Prettrier (Prägt, 17*

260

Oppermann, Th., Experimentelle Beiträge zur Ätiologie der natürlichen Milzbrandfälle.

(Archiv f. wissenschaftL n. prakt. Tierheilk., Bd. 32, 1906,8.41-^.)

Verf. hat in einer großen Versuchsreihe Milzbrandbazillen auf blutigem Kot von Haustieren und auf bluthaltiger Erde gezüchtet und die Resistenz der hierauf gebildeten Sporen mit den auf anderen Nährböden gewachsenen Sporen verglichen. Unter Verwendung dieses so gewonnenen Sporenmaterials zu Fütterungs- versuchen hat 0. die zu verabreichende Menge genau festgesetzt. Nachdem Verf. die einzelnen Darmabschnitte der gefallenen Impf- tiere auf ihren Bazillen- resp. Sporengehalt untersucht hat, kommt er zu folgendem Schlüsse:

Die Ursache der natürlichen Fälle von Fütterungs- milzbrand ist weniger in dem Vorhandensein prädisponierender Momente im Digestionstraktus zu suchen, die den Sporen den Eintritt in die Säftebahn eröfftien und somit auch einer kleinen Zahl von ihnen nach ihrer Aufnahme in die Verdauungswege die Infektion ermöglichen, als vielmehr in der Aufnahme größerer Mengen von Sporen. Die längst bekannte Tatsache, daß von Tieren, welche auf demselben Terrain weiden, immer nur einzelne dem Milzbrand zum Opfer fallen, erklärt sich ungezwungen durch den Umstand, daß gerade diese Gelegenheit finden, größere Mengen von Sporen mit der Nahrung in den Körper einzufiihren.

r. Sande (Frankfurt a. MJ.

^'rlght, J. H., The biology of the microorganism of actino- mycosis.

(Publications of the Massachnsetts General Hospital , Boston, Bd. 1, 1905» S. 1—56, 10 Taf.)

Da die aktinomykotischen Herde sehr selten den Strahlenpilz in Reinkultur enthalten, so sind häufig daraus Mikroorganismen isoliert und als Aktinomyces angesehen worden, die mit dem Er- reger der Krankheit nichts zu tun haben. Dies gilt auch för den von Bostroem und Qasperini beschriebenen Parasiten. W. gelang es, mit 13 der von ihm aus Menschen- und Rinderaktinomykose gezüchteten Stämme, die sich untereinander gleich verhielten und von denen der genannten Autoren u. a. durch ihr spärliches Wachstum in Kulturen und durch Bevorzugung anaerober Verhält-

261

nisse unterschieden, bei Versuchstieren wiederum aktinomykotische Veränderungen hervorzurufen.

Aus dem Umstände, daß der Erreger der Aktinomykose nur sehr schwierig auf den gewöhnlichen Nährböden zu züchten ist, keine Sporen bildet und bei Zimmertemperatur überhaupt kaum gedeiht, schließt W., daß er außerhalb des Tierkörpers nicht vorkommen kann, vielmehr ein normaler Bewohner der Maul höhle und des Verdauungstraktus ist, allerdings nicht in seiner aus den pathologischen Gewebsveränderungen bekannten Gestalt, sondern in der Form kurzer Fäden. Die in den aktino- mykotischen Herden angetroffenen Fremdkörper sind wahrscheinlich nicht als Vehikel des Parasiten anzu- sehen, sondern schaffen für ihn nur einen geeigneten Ansiedlungsort, in welchen er mit den Sekreten der Maulhöhle usw. eindringt.

Die kolbenförmigen Endigungen der peripheren Verzweigungen sind nicht Auftreibungen der Fäden selbst, bestehen vielmehr aus einer hyalinen Masse, welche die Gramfärbung nicht annimmt, sondern sich mit Eosin filrbt, und welche das Fadenende wie eine Scheide umgibt. Ob diese als ein der Kapsel anderer Bakterien entsprechendes Produkt des Pilzes selbst anzusprechen ist, oder vielleicht von dem umgebenden Körpergewebe herrührt, vermag Verf. nicht zu entscheiden. Für die letztere Annahme spricht die Tatsache, daß die hyaline Masse in den Kolonien auf künstlichen Nährböden nur dann auftritt, wenn diese tierische Körperfltissigkeiten, Blut, Serum oder seröses pleuritisches Exsudat enthalten.

An Stichkulturen in Zuckeragar tritt eine 5 bis 10 mm unter der Agaroberfläche beginnende und sich atwa 2 bis 4 mm in die Tiefe erstreckende Zone hervor, welche das Wachstumsoptimum für die Kolonien bildet. Daraus ergibt sich, daß der Strahlenpilz in der Hauptsache ana^rob ist.

Mit dem W.schen ist der von Wolff und Israel beschriebene Mikroorganismus identisch. Der AktinobaziUus von Ligni^res und Spitz bedarf weiterer bestätigender Untersuchung. Es ist die Vermutung nicht von der Hand zu weisen, daß diese Forscher entweder mit degeneriertem Aktinomyces oder mit einem der erwähnten, mit dem Strahlenpilz in den Herden in Symbiose vor- handenen Bakterien zu tun hatten. Qrabert (Berlin j.

262

Ernst, W., Über Pyelonephritis diphtherica bovis und die Pyelonephritisbazillen.

(Zentralbl. f. Bakt, Bd. 39, 1905, S. 549—558, 660—671 und Bd. 40, 1905, 8. 79—91.)

Die Pyelonephritis bacülosa des Rindes ist teils als ein von der Blase aus aufsteigender, also urogener infektiöser Prozeß auf- gefaßt worden, teils ist eine hämatogene Entstehung des Leidens

. angenommen worden.

Die von E. untersuchten Fälle lieferten Beweise für die letztere Ansicht. In ganz akuten Stadien sieht man am Nieren- becken nur wenig Veränderungen, etwas fleckige Rötung, Schwellung der Schleimhaut. Im Interstitium der Nierenrinde findet sich punkt- förmige zellige Infiltration. An einzelnen Stellen markiert sich die Leukozytenanhäufung in Gestalt kleinerer und größerer eitriger Infarkte. In diesen sowie in der Bowmanschen Kapsel sind bei Gramf&rbung Bakterienkonglomerate nachweisbar, die sich in den unteren Teilen der Markschicht in den Sammelröhren massig an- stauen. Es handelt sich um eine typische Ausscheidungsnephritis durch Bakterienembolie. Im weiteren Verlaufe rufen die in den Sammelröhren angestauten Bakterien hochgradige Entzündung der Sammelgefaße und ihrer Umgebung hervor. Es erfolgt zentrale Nekrose in der Papillenspitze, die dann durch eitrige Demarkierung abgestoßen wird. Während dieser Vorgänge ist die Schleimhaut des Nierenbeckens und der abfahrenden Hamwege überhaupt der Schädigung durch die abgeschwemmten Bakterien ausgesetzt und erkrankt. Die in den Nischen und Falten des Pyelon festliegenden Entzündungsmassen rufen hier diphtherische Veränderungen hervor und ziehen die Papillenspitzen von Renkulis, die bisher nicht den Entzündungsursachen ausgesetzt waren, in den Zerstörungsprozeß

. mit hinein.

Gewöhnlich ist in den erkrankten Nieren ein Gemisch von Bakterien nachweisbar, neben B. bovis renalis Staphylo- und Streptokokken, koli-ähnliche Stäbchen und B. pyogenes Künnemann. Der B. renalis ist seiner Morphologie nach (keulige Endan- schwellungen und kugelige Knöpfchenbildung) in die Gruppe der Corynebakterien einzureihen; auch seine kulturellen Eigenschaften sprechen für große Verwandtschaft mit der Diphtheriegruppe. Säurebüdung, die bei echten Diphtheriestämmen auftritt, konnte E. bei dem Pyelonephritisbazillus nicht nachweisen. Er ist aerob,

263

unbeweglich, fiir kleine Versuchstiere nicht pathogen. Da es E. ebensowenig wie früheren Forschem gelang, durch Einverleibung von Reinkulturen des B. bovis renalis oder, wie er ihn zu benennen vorschlägt, des Corynebacillus renalis bei Rindern die Krank- heit zu reproduzieren, so glaubt er sich zu der Ansicht berechtigt, daß er mit dem Wesen der Krankheit nichts zu tun hat. Vielmehr vermögen alle Bakterien, die beim Rinde Eiterungen erzeugen können, auf hämatogenem Wege eine Pyelonephritis hervorzurufen. In dem pathologisch veränderten Harn finden die Corynebazillen, die in der Außenwelt sehr verbreitet sind, außerordentlich günstige Entwicklungsbedingungen.

(Jrabert (Berlin).

Bflrgl, H., Die Staphylokokkeninfektion bei den Hasen.

(Zentralbl. f. Bakt, Bd. 39, 1905, S. 559—568, 671—677 und Bd. 40, 1905, 8. 91—100.

B. beschreibt als Erreger einer mit Eiterungen in der Haut, den Muskeln und Organen, teilweise auch mit Pleuritis und Perikarditis einhergehenden Enzootie unter Hasen einen nach Gram filrbbaren, fakultativ anaeroben Staphylokokkus, der die Gelatine verflüssigt, auf Agar einen intensiv weiß gefärbten Überzug bildet und mit dem Staphylokokkus pyogenes albus identisch ist.

Als Infektionsquelle glaubt B. Flöhe ansehen zu dürfen, da es ihm gelang, im Magen und in den Speicheldrüsen derselben Staphylokokken nachzuweisen, ein Befand, der bei anderen Haut- schmarotzem der Hasen vermißt wurde. Daß die von mancher Seite beschuldigte Verwendung künstlicher Düngemittel die Staphy- lokokkeninfektion bei den Hasen begünstigen könne, ist nach den Versuchen des Verf. unwahrscheinlich. Grabert (Berlin).

Babr, L., Über die zur Vertilgung von Ratten und Mäusen benutzten Bakterien.

(Zentralbl. f. Bakt, Bd. 39, 1905, 8. 263—274.)

Die Bakterien, die zur Vertilgung von Ratten und Mäusen praktische Anwendung gefunden haben, gehören sämtlich zur Koli-Typhusgruppe. Gegen die zur Bekämpfung der Mäuseplage verwandten Bazillen (Loefflers B. typhi murium, Lasersche und Mereschkowskysche Bazillen [gegen Ziesel- mäuse]) sind Ratten immun. Die rattentötenden Bazillen, die in der Pl-axis angewandt wurden (Danysz' Bazillus, Issatschenkos

264

Bazillus) lassen sich in ihrer Wirkung nicht mit dem mittelst des Mäusetyphus erzielten Erfolge vergleichen.

In neuester Zeit ist von Neumann in Axelborg aus dem Harn eines zweijährigen, an Cystitis leidenden Kindes ein koli-ähnlicher Bazillus isoliert worden, der Mäuse nach Verfütterung von Kultur tötete, während er sich ffir Ratten anfangs nur sehr wenig virulent erwies. Durch Verimpfung von Kulturen gelang es, die Virulenz so zu steigern, daß er sowohl für Ratten wie ftr Mäuse höchst virulent wurde. Dieser „Ratinbazillus" genannte Mikroorganis- mus ist morphologisch und biologisch den oben genannten Ratten- bazillen und dem Mäusetyphusbazillus äußerst ähnlich und schließt sich nebst den Schweinepest- und Fleischvergiftungsbakterien der Paratyphusgruppe an. Die schwarze Hausratte zeigte sich gegen den Ratinbazillus durchaus unempfänglich; die gewöhnliche graue Wanderratte erwies sich in ihrer Empßlnglichkeit sehr verschieden, indem Ratten von einem Ort sehr empfanglich, von einem anderen aber weniger empfänglich sein konnten. Die meisten Mäuse- arten sind für Ratin sehr empfänglich und stecken sich sehr leicht durch Anfressen toter Kameraden an.

Orabert (Berlin).

Bonome^ A., Sulla patogenesi e trasmissibilitä dellaMorva chiusa. Osservazioni sul comportamento del virus moccioso neir organismo di alcuni animali.* (Über die Pathogenese und die Übertragbarkeit des latenten Rotzes. Untersuchungen über das Verhalten des Rotzvirus im Körper einiger Tiere.)

(Padua 1905. 115 Ss.)

Verf. hat in seinem Institut zwei Jahre lang experimentell über die Frage der Entstehung und Übertragung des latenten Rotzes gearbeitet und die Ergebnisse seiner weitangelegten Unter- suchungen in dieser Monographie niedergelegt. Herr Professor Bonome hatte die Güte, die nachstehenden Schlußfolgerungen seiner Arbeit der Zeitschrift zur Verfügung zu stellen:

1. Es ist möglich, beim Pferde den latenten Rotz hervorzurufen, indem man Rotzkulturen von verschiedenen Virulenzgraden, in Grelatinekapse In gut eingeschlossen, verschlucken läßt. Diese experimentell hervorgerufene Form des latenten Rotzes kann eine sehr lange Zeit währen (mehr als 13 Monate), ohne daß an dem Tier das geringste Zeichen der erfolgten Infektion wahrzunehmen ist, außer der Malleiureaktion und der Erhöhung des Agglati-

265

nationsvermögens des Blutserums. Manchmal hören sogar auch solche Keaktionen auf, während die Krankheit latent andauert.

2. Gerade so wie der latente Rotz nach der direkten Einftihrung in den Magen von gut verschlossenen, Rotzkulturen enthaltenden Kapseln, die im Pharynx nicht aufbrechen dürfen, hervorgerufen werden kann, kann man annehmen, daß sich dies unter natürlichen Verhältnissen ereignen kann, wenn gesunde Pferde ein- oder mehrmal, selbst in längeren Zwischenräumen, mit Rotzbazillen verunreinigtes Futter oder Wasser, oder Rotzbazillen enthaltende pathologische Produkte (Schleim, Eiter) verschlucken. In solchen Fällen ist es jedoch nicht ausgeschlossen, daß die Rotzinfektion auch durch die Maul* und Rachenschleimhaut oder durch die Tonsillen, außerdem durch die Schleim- haut der tieferliegenden Yerdanungswege (Magen, Darm) ihren Weg genommen hat Die Krankheit kann dann kürzere Zeit latent bleiben.

3. Die Verdanungssäfbe des Meerschweinchens und der Katze üben in vivo eine zerstörende Wirkung auf den Rotzbazillus aus, indem sie ihn des Entwicklungsvermögens auf künstlichem Kultumährboden und der pathogenen Eigenschaften berauben, wenn der Kontakt 8—12 Stunden dauert.

4. Infolge der von den Yerdauungssäften auf den Rotzbazillus ausgeübten zerstörenden Wirkung und infolge der großen Menge des Gastrointestinalinhaltes, in dem die wenigen der Zerstörung eventuell entgangenen Bazillen sich zerstreut vorfinden, gelingt es sehr schwer, den Beweis der Anwesenheit des spezifischen Bazillus in den Pferdeezkrementen zu erbringen. Indessen scheinen Pferde- exkremente kein sehr zu fürchtendes Yerbreitungsmittel der Krankheit zu sein.

5. Trotz der zerstörenden Wirkung, die die Verdauungssäfte auf den Rotzbazillns ausüben und trotz der natürlichen Abschwächung, die er durch etwaiges Verweilen außerhalb des Tierkörpers vor der Infektion erleidet, kann der von gesunden Pferden mit dem Futter oder in anderer Weise verschluckte Bazillus den latenten Rotz hervorrufen.

6. Ein Beweis dafür, daß der in reichlicher Menge ein- oder mehrmal in kurzen Zwischenzeiten in den Magen eingeführte Rotzbazillus nicht sofort in den tieferliegenden Verdauungswegen seine ganze 'pathogene Kraft verliert, findet sich in den Resultaten der von Schütz und von mir angestellten Versuche, die das Vorhandensein entzündlicher Veränderungen der Darmschleimhaut und der Submukosa zeigten, die' mit Hyperplasien und Nekrosen der LymphfoUikel, mit Ljrmphangitis der Chyinsgefäße und mit Hyperplasien, Erweichungen und Blutungen der Lymphdrüsen einhergehen.

7. Obwohl diese Lokalisationen keinen durch bakteriologische Unter- suchungen nachweisbaren spezifischen Charakter zeigen, sind sie dennoch als Eingangspforten des Rotzvirus zu betrachten. Von den primären Herden im Darme wandert der Rotzbazillus in die Mesenteriallymphdrüsen und von .da durch den Ductus thoracicus in den übrigen Organismus des Pferdes. In- folge einer Art Elektivität nistet er sich in den Lungen ein, d. h. in hoch- empfindlichen Organen, wo er leicht neue, ganz spezifischen Charakter be- sitzende Krankheitsherde hervorruft, die zuerst begrenzt sind, aber später an Zahl zunehmen und sich über die peribronchialen Lymphscheiden und -drüsen aasbreiten.

266

8. Die spezifischen Lokalisationen in den Lungen der Pferde, die den Rotzbazillus in größerer oder geringerer Menge und in Zwischen- räumen von verschiedener Dauer verschluckt haben, sind also sekundär.

9. Zur selben Zeit, in der diese spezifischen Lokalisationen sich durch die Blutbahnen in den Lungen verbreiten, gehen die Veränderungen der Dann- schleimhaut, der Submucosa, der Chylusgefäfie und der Mesenteriallymphdrüsen rasch zurück, so daß einem bei der Sektion eines Pferdes, das seit ein paar Monaten oder seit kürzerer Zeit große Mengen von Botzvirns verschluckt hat, das Bild eines primären Lungenrotzes vorgetäuscht werden kann, wie dies Nocard passiert ist.

Einige meiner Experimente vervollständigen diejenigen von Schütz, der seine Pferde 18—15 Tage nach Einführung von Rotzkultur enthaltenden Pillen in den Schlund getötet hat Nachdem zwei meiner durch Ingestion infizierten Pferde nach 10 und 15 Monaten getötet worden waren, fand ich tat- sächlich bei der Sektion keine der oben beschriebenen Veränderungen der Darmschleimhaut und der Mesenteriallymphdrüsen, die sich bei drei anderen, 14—24 Tage nach dem Verschlucken der Rotzpillen getöteten Pferden vor- fanden. —

10. Die anatomischen Veränderungen der Lungen bei latentem Rotz zeigen sich als gelblich gefärbte, undurchsichtige Knoten und Knötchen von granuliertem Aussehen auf der Schnittfläche, die manchmal an der Peripherie konsistenter als im Zentrum und, wenn sie kürz- lich entstanden sind, von einem hyperämisch-hämorrhagischen Hofe umgeben sind. Die grauen, halbdurchsichtigen, harten, irgendwelcher Reaktion in der Umgebung entbehrenden Knoten, die, wenn an der Oberfläche sitzend, von schwach undurchsichtiger, aber glatter und glänzender Pleura bedeckt erscheinen, sind sehr wahrscheinlich nichts anderes als alte sklerosierte Ent- zündungsherde, die durch kleine Nematoden oder Protozoen verursacht sind. Die gefährlichsten dieser rotzigen Lungenherde sind jene, die sich in die peri- bronchialen Lymphscheiden und in die Wände der kleinen Bronchien verbreiten, da diese, einmal durchbrochen, die Elimination des erweichten, granulomatösen Gewebes und der Rotzbazillen ermöglichen. Solche Rotzlokal isationen in den Lungen sehen ganz wie broncho-pneumonische Herde aus.

11. Die Lymphdrüsen sind gleich der Lunge für den Rotzbazillus sehr empfindliche Organe. Sie reagieren sehr leicht, o. h. zeigen Hyperplasien und eignen sich sehr dazu, den Bazillus in ihrem Innom lebend und virulent zu erhalten.

12. Im Blute an chronischem Rotz leidender Pferde ist der Rotzbazillus sehr seh wer mittel st direkt er bakteriologischer Unter- suchung nachweisbar, selbst wenn eine große, der Jugularvene entnommene Blutmenge ausgesät wird.

Bei sechs solchen Pferden fiel die von mir 2— 19 mal bei einem jeden unter verschiedenen Umständen, wie z. B. während der Malleinisation und auch während spontaner fieberhafter Anfälle, wiederholte Untersuchung immer negativ aus. Man kann aber nicht leugnen, daß der Rotzbazillus in aller- : kleinsten Mengen und vielleicht nur zeitweilig sich in der Blutbahn befindet, da man sich sonst gewisse Vorgänge, wie z. B. den Übergang des Bazillus in einige

267

physiologische Sekrete (Harn, Milch, Speichel) aus keine Rotzknoten zeigenden DrOsen, nicht erklären könnte, und sich auch nicht vom Wiedererscheinen gewisser Lokalisationen und vom Auftauchen fieberhaft rekurrenter Anfillle Rechenschaft zu geben vermöchte.

13. Beim Pferd ist es besonders schwer, durch Kultur und Impfung die Anwesenheit des Rotzbazillus im Blute während der Rotzinfektion im Leben nachzuweisen. Bei Katzen und Meerschweinchen, die gewöhnlich rasch auf das Rotzvirus reagieren und durch akuten Rotz zugrunde gehen, bevor die Agglutinine und die Präzipitine sich zu vermehren Zeit fanden, ist es leichter, diesen Nachweis zu führen^ Der Gehalt an den genannten Antikörpern wurde von mir beim Pferde tatsächlich immer viel größer gefunden, als bei den an- gegebenen kleinen Tieren, bei denen man, je näher sie dem Tode, um so leichter den Rotzbazillus im Blute nachweisen kann. Post mortem kann man aus ihrem Blute stets Reinkulturen erhalten.

14. Das Agglutinationsvermögen des Blutes von an Rotz leidenden Pferden erhöht sich stufenweise, die Zunahme steht aber in keinem Verhältnis zur Stärke der Infektion und zeigt be- deutendere oder geringere Schwankungen je nach dem Individuum.

15. Während der Malleinreaktion erhöht sich die Agglutina- tionskraft des Blutes rotzkranker Pferde manchmal auf mehr als das Doppelte. Diese Zunahme zeigt sich auch bei Pferden, die die thermische Malleinreaktion zu geben aufhörten. Diese Zunahme besitzt den Wert einer organischen Reaktion, der man eine grofie Be- deutung fttr die Erkennung des latenten Rotzes beimessen muß.

16. Die agglutinierende Kraft des Blutes bei gewissen an Rotz leidenden Pferden kann sich, auch wenn die Tiere von schwerem Rotz befallen sind, nach einer Periode der Zunahme stufenweise vermindern, bis sie sich fast zum normalen Grade abschwächt Diese Verminderung scheint von der Bildung spezieller Antikörper abzuhängen, die den Wirkungsmechanismus der Agglutinine zerstören.

17. Fttr die Erkennung des latenten Rotzes ist in den meisten Fällen außer dem Agglutinationsvermögen des Blutserums die thermische und organische Malleinreaktion ein sehr gutes Mittel. Dieses diagnostische Mittel ist leichter praktisch anzuwenden als die Agglu- tination. Der größte Teil rotzverdächtiger Pferde gibt auf Mallein thermische und organische Reaktionen.

Wie aber Pferde ausnahmsweise eine thermische Malleinreaktion geben, ohne daß sie sich bei der Sektion als rotzkrank erweisen, so kommen manch- mal auch rotzkranke Pferde vor, die nach in kurzen Zwischenräumen wieder- holten Malleinprüfungen thermisch zu reagieren aufhören und nur eine schwache lokale Reaktion in Form einer mäßigen Schwellung zeigen, wobei sie manchmal einen hohen Agglutiningehalt bewahren.

18. Das Aufhören der Malleinreaktion darf man nicht fttr ein Anzeichen der eingetretenen Heilung halten, wie es M. W. Hunting annimmt, sondern nur dem Erscheinen von spezifischen Anti- körpern zuschreihen, die die Proteine des Rotzbazillus, d. h. das wirksame Prinzip des Malleins, an sich binden nnd ihre Wir-

268

kung auf die Zentren der Regulierung und der Erzeugung der tierischen Wärme verhindern.

19. Der Rotzbazillus wird aus dem Körper der rotzkranken Tiere durch den Harn ausgeschieden. Der Nachweis dieses Bazillus im Harn erfolgt beim Pferde weniger leicht als bei der Katze und beim Meer- schweinchen. Diese Schwierigkeit hängt davon ab,

1. daß die Bazillen nur zeitweise und in spärlicher Menge in der Blut- bahn wandern;

2. daß das normale Kierengewebe den ihm durch das Blut zugeführten Bazillus zurückhalten kann;

3. daß durch das 14— 20— 24 stündige Verweilen des Bazillus im Harn dem ersteren die Fähigkeit genommen wird, auf dem künstlichen Nährboden zu wachsen.

Die im Nierengewebe zurückgehaltenen Bazillen, d. h. diejenigen, die nicht mit dem Harn längere Zeit in, Berührung waren, scheinen nicht so leicht ihre pathogenen Eigenschaften zu verlieren, weil Emulsionen von normales Aussehen besitzenden Nierenstücken, die von bei der Sektion rotzkrank be- fundenen Pferden stammten, an Katzen und Meerschweinchen verimpft, die Krankheit hervorrufen konnten. In diesen Fällen, in denen die Nieren ganz gesund aussahen, wurde der Bazillus auch im Harn gefunden.

Die Nieren der an latentem Kotz leidenden Pferde, bei denen die bakteriologische Untersuchung des Harns negativ ausfiel, waren nicht pathogen.

20. Wenn das Nierengewebe durch seine Glomeruli den Rotzbazillas passieren läßt, verändert es sich in seiner histologischen Struktur durchaus nicht, wie es bei der Niere der Katze geschieht, die gewöhnlich eine aus- gebreitete fettige Degeneration der Epithelien der Nierenkanälchen zeigt.

21. Die Elimination des Eotzvirus durch die Bronchialschleimhaut bei einigen rotzverdächtigen Pferden, die bei der Sektion spezifische broncho- pneumonische Herde zeigten, konnte ich mittelst bakteriologischer Untersuchung nicht sicherstellen. Doch ist nicht auszuschließen, daß eine solche Ausscheidung stattfinden kann, besonders wenn die Wandungen der kleinen Bronchien vom Rotzgranulom ergriffen sind.

22. Von Pferden, die auf Mallein reagierten und deren latenter Rotz bei der Sektion sichergestellt wurde, kann die Krankheit auf andere gesunde Pferde übertragen werden, die mit ihnen zusammenleben oder häufig mit ihnen zusammenkommen. Solche an latentem Rotz leidende Pferde maß man für gefährlicher halten als die Kommission zugeben will, die dem englischen Ackerbauministerium im Jahre 1902 berichtet hat.

Für ebenso gefährlich muß man rotz verdächtige Pferde (latenten Rotz) halten, die die thermische Reaktion auf Mallein zu geben aufhörten (receptor ceased), weil diese nicht immer für genesen angesehen werden können, wie es M. W. Hunting annimmt

23. Die Übertragung der Krankheit von diesen, an latentem Rotz leidenden und meistenteils auf Mallein reagierenden Pferden auf andere gesunde, mit ihnen lebende Pferde geschieht höchst wahrscheinlich durch die Verdauungs- wege und kann durch Fressen von Stallstreu oder Futter, worauf kurze Zeit

2(51)

vorher ein benachbartes rotzkrankes Pferd gebamt hat, oder worauf Bronchial- schleim oder Speichel eines ebensolchen Pferdes verspritzt worden ist. Es kann die Übertragung auch durch Trinken aus einem Eimer geschehen, aus dem kurz vorher ein krankes Pferd getrunken hat oder durch Lecken an der Mauer oder an der Krippe, an der Schleimspritzer von kranken Pferden haften. Endlich ist sie auch möglich durch den Gebrauch von Gebissen oder Trensen, die flüher im Maul von an latentem Botz leidenden Pferden gewesen waren. Der Verdauungsapparat ist also die vielleicht häufigste Eingangspforte bei Übertragung des latenten Botzes und dies, ob- wohl die Magen- und Darmschleimhaut sich für dauernde Lokalisation des Botzes schlecht eignet. Referat des Autors,

M'Fadyean, J., The Prophylaxis of glanders.

(The Joum. of comp. Pathology and Therapeutics, Bd. 18, 1905. S. 23—30.)

Verf. fahrt an, daß die Rotzkrankheit unter den Pferden in den Industriezentren Englands in stetiger Zunahme begriffen ist. So wurden im Jahre 1904 2658 Pferde in England getötet, weil sie an klinisch erkennbarem Rotz erkrankt waren. Verf. hält das Mallein für ein hervorragendes Mittel zur Ermittelung des okkulten Rotzes, also der am häufigsten vor- kommenden Form dieser Seuche. Wäre die Malle'inimpfung in den betroffenen Pferdebeständen angewandt worden, so würden sicherlich fünfmal so viel Fälle festgestellt worden sein. Zurückzufuhren ist das Umsichgreifen des Rotzes auf den mangelhaften Erlaß des Board of Agriculture zur Bekämpiung der Rotz- und Wurmkrankheit

vom Jahre 1894. Titxe (Berliv),

Hazzi und Agnzzi, L'enterite infettiva dei maialetti e la scoperta deir agente infettivo. (Die ansteckende Enteritis der Ferkel und ihr Erreger.)

(Archivio scientifico della Reale Soc. ed Accad. vet. italiana, 1904, Ss. 147 u. 161.)

Der seuchenhafte Darmkatarrh der Ferkel, der in den meisten Provinzen Italiens häufig vorkommt, heißt dort „Calcino". Die Erscheinungen machen sich in der Woche nach der Geburt bemerkbar, selten treten sie erst nach 30 Tagen auf. Inkubations- zeit: 4 bis 5, manchmal nur 2 Tage. Das erste Anzeichen sind harte oder breiige Exkremente von weißer Farbe, kalkartig aus- sehend, daher der Name „Calcino". Die Fäces haben einen sehr anangenehmen, charakteristischen Geruch. Die Ferkel stöhnen und magern schnell ab. Die Temperatur ist zuerst erhöht, später sub-

270

normal. Gewöhnlich erfolgt der Tod nach etwa 15 Tagen. Einige bleiben Efimmerer und zeichnen sich durch ihren großen Bauch- umfang aus. Obduktionsbefund: Die Darmwände sind mit punkt- förmigen Hämorrhagien durchsetzt und enthalten eine lehmähnliche Masse von grünlich-gelber Farbe. Die Schleimhaut ist geschwollen und blutreich. Die Peyerschen Haufen sind vergrößert, oft ulzeriert. Leber und Milz sind geschwollen; die Rindenschicht der Nieren braunrot; das Herz ist groß, der Herzmuskel brüchig. Aus Blut und verschiedenen Organen isolierten die Verff. einen dem Erreger der Schweineseuche sehr ähnlichen Bazillus, der, den Ferkeln sub- kutan injiziert, dieselbe Krankheit hervorrief, wie sie spontan auf- trat. Von Laboratoriumstieren erwies sich das Kaninchen empfang- licher als das Meerschweinchen. Differentialdiagnostisch kommt für „Calcino" in Betracht die Schweinepest. Der Krankheits- erreger unterscheidet sich von dem der Schweinepest durch seine Un- beweglichkeit und dadurch, daß er viel kleiner ist. Ferner sind die klinischen Erscheinungen und Veränderungen anders als bei „Calcino". Endlich befällt die Schweinepest Ferkel im Alter von 2 Monaten, der „Calcino" gleich nach der Geburt. Die Prognose ist schlecht. Einige erkrankte Tiere wurden durch Karbolklystiere

(1 : 100) geheilt. BroU (Berlin j.

Kleine, F. K. u. Möllers, B., Über Hühnerpest bei Gänsen.

(Zentralbl. f. Bakt, Bd. 39, 1905, S. 545—549.)

Während alte Gänse gegen Hühnerpest wenig empfänglich sind, sind junge, etwa ein halbes Jahr alte, dagegen sehr em- pfänglich. Das Virus wandert ins Gehirn und Rücken- mark ein und löst dort Reizerscheinungen aus. Das Blut ge- storbener Gänse ist, wieMaggiora und Valenti festgestellt haben, im Gegensatz zu dem verendeter Hühner nicht infektiös. Das Virus ist aber keineswegs aus dem Körper der Gänse vollkommen verschwunden, sondern man kann es im Gehirn oder Rückenmark durch Verimpfen nachweisen. Das Blut derart geimpfter Gänse ist in den ersten Tagen für Hühner infektiös, um dann plötzlich seine Ansteckungsfähigkeit zu verlieren; nicht selten tritt diese jedoch nach einer Pause wieder ein. Es bestehen hier also ähnliche Ver- hältnisse wie bei Malaria und Rückfallfieber, so daß die Vermutung, die Erreger der Hühnerpest seien Protozoen, sehr nahe liegt.

Grabert (Berlin.)

271

Remlinger, P,, In welchem Moment wird das Gehirn von Menschen und Tieren, die von einem wutkranken Hunde gej)issen sind, virulent?

(Comptes rendus de la Soc. de Biol., Bd. 58, 1905, Nr. 21).

E. fand, daß das Zentralnervensystem bei von lyssakranken Tieren gebissenen Menschen und Tieren früher virulent wird, als bisher angenommen wurde. Bei Kaninchen, die mit Tollwutvirus subkutan oder intramuskulär geimpft worden waren, wurden die nervösen Zentralorgane bereits elf bis zwölf Tage vor dem Tode der Tiere virulent gefunden. Wahrscheinlich häuft sich das Lyssa- gift schon gewisse Zeit vor dem Auftreten der ersten Krankheits- symptome im Gehirn an, erreicht also das Zentralnervensystem nicht erst zur Zeit des Ausbruchs der Wut.

Steinbrück (Berlin).

Nieolas, J., De la non-virulence du lait des herbivores rabiques.

(Journ. de m^d. ret et de zootechn., Bd. 56, 1905.)

Verf. berichtet erstens über Versuche, die die Ungefähr- lichkeit der Milch und des Euters von tollwütigen Pflanzen- fressern, und zweitens über Versuche, welche die Ungefahrlichkeit der Milch von intravenös mit Tollwutgift infizierten Pflanzenfressern beweisen. Knuth (Berlin).

Theiler, A. u. Stoekmann, 8., On the co-relation of various diseases in stock in South Africa.

(The Joorn. of comp. Pathology and Therapentics, Bd. 18, 1905, Part 2, S. 155—161.)

A. Edington, Leiter des bakteriologischen Instituts der Kap- kolonie in Grahamstown, ist der Ansicht, daß die in Südafrika unter den Laienausdrücken: Pferdesterbe, Herzwasser, Gallenkrank- heit, Schwarzlungen, Veldtziekte (Feldseuche), Boschziekte (Busch- seuche), Riverziekte (Flußseuche) bekannten Tierseuchen nur ver- schiedene Namen seien für ein und dieselbe Krankheit, und zwar für eine Piroplasmose, von der Pferde, Rinder, Ziegen und Schafe heimgesucht würden. Verff. wenden sich gegen diese Anschauung und kommen zu folgenden Schlüssen:

1. In Südafrika sind verschiedene Namen für ein und dieselbe Tier- seuche gebräuchlich.

2. Zuweilen werden aber auch verschiedene Tierseuchen unter ein und demselben Namen zusammengefaßt.

272

3. Die Pferdesterbe zeigt in ihrem anatomischen Befunde Ähnlichkeit mit den Veränderungen einer Seuche unter Rindern, Schafen und Ziegen, die als „Herzwasser*^ bekannt ist Diese beiden Seuchen können nicht identisch sein, da sie sich nicht von Pferden auf Wiederkäuer und umgekehrt übertragen lassen. „Herzwasser^* ist übertragbar auf alle domestizierten Wiederkäuer; Pferdesterbe nur auf Pferde. Tüxe (Berlin),

Brnce, Fortschritt unserer Kenntnis der Ursachen und Methoden zur Bekämpfung der Viehkrankheiten in Südafrika während der letzten zehn Jahre.

(Bericht der Times.)

B. hat am 28. August 1905 in einer Sitzung des englischen Kolonialbeirats über das in der Überschrift genannte Thema folgende Mitteilungen gemacht:

Das afrikanische Ostküstenfieber (East Coast Fever) sei vor ca. 31/2 Jahren in Transvaal und Rhodesia aufgetreten, nach- dem es aus dem portugiesischen Gebiet eingeschleppt worden sei. Diese Seuche wäre für die Vieh\iirtschaft Südafrikas augenblicklich wie für die nächsten Jahre die allergrößte Gefahr. Die Seuche ist von R. Koch zuerst in Ostafrika, wo sie in dem schmalen Küsten- strich endemisch vorkommt, erforscht worden. Das Vieh an der Küste sei immun gegen die Krankheit, dagegen unterläge anderes Vieh, welches die Küstenzone passiere, der Infektion. Die Morta- lität beziffere sich bei dieser Seuche auf 95 %. Der Erreger der Krankheit, der von Theiler Piroplasma parvum genannte Blut- parasit, werde durch die braune Zecke, Rhipicephalus appendiculatus, übertragen. Letztere sei imstande, längere Zeit ohne Nahrung zu leben, so daß die Gefahr der Ansteckung, selbst nach Entfernung allen Viehs von einem mit infizierten Zecken behafteten Felde, für empfilngliches Vieh noch ca. IV2 Jahre bestände. Ein einziger infizierter Treckochse könne die Krankheit über eine Strecke von ca. 200 engl. Meilen verbreiten, wenn er durchschnittlich täglich 10 Meilen zurücklege. Zur Zeit seien ungeföhr 500 Farmen in Transvaal verseucht. Während des letzten Jahres seien ungefähr 15000 Rinder an der Krankheit eingegangen, gegen 30000 befänden sich in den befallenen Distrikten noch am Leben. Wenn man den Wert des eingegangenen Viehs, ca. 4 Millionen Mark, berück- sichtige, so sei für die wissenschaftliche Erforschung und die Ver- hütung der Krankheit kein Opfer zu groß.

273

Die zur Verhütung der Krankheit von Koch nach seinen Untersnchnngen in Südafrika 1903 empfohlene, durch 5 Monate hindorch fortzusetzende wöchentliche oder zweiwöchentliche Impfung zwecks Immunisierung könne für eine praktische Anwendung kaum in Frage kommen. Das Gouvernement habe daher andere Maß- nahmen vorgesehen, nämlich: Einzäunung der verseuchten Farmen, Plätze und Wege, zwangsweise Tötung des Viehs gegen Kompensation in Fällen isolierten Auftretens der Krankheit, die Entfernung aller Ochsen von infizierten oder verdächtigen Farmen und endlich die Unterbringung der Milchkühe daselbst in Ställen. Diese Mittel, mehrere Jahre konsequent durchgeführt, würden wahrscheinlich die Krankheit vollständig beseitigen.

Das im Jahre 1870 eingeschleppte Texasfieber sei z. Zt. von sekundärer Bedeutung, da das einheimische Vieh dagegen immun geworden sei und lediglich importiertes Vieh der Krankheit zum Opfer fiele.

Die durch die Tsetsefliege übertragene, durch Trypanosomen verursachte Krankheit „Nagana" mache Tausende von Quadrat- meilen in Afrika unbewohnbar. Die Keime der Krankheit erhielten sich 48 Stunden lang im Körper der Fliegen virulent. Gray und Culloch haben kürzlich nachgewiesen, daß eine enorme Ver- mehrung der Trypanosomen in den Eingeweiden der Fliege statt- finde. Die ständige und nie versiegende Quelle der Infektion für die Haustiere biete das Wild, besonders Büffel und Kudu, welche in ihrem Blute Trypanosomen beherbergen. Mit der Ausrottung der wilden Tiere verschwinde erfahrungsgemäß die Krankheit unter den Haustieren.

Hinsichtlich der Rinderpest erkennt B. den Wert der von Koch bei seiner Anwesenheit in Südafrika 1896/97 angegebenen wirksamen und praktisch anwendbaren Immunisierungsmethode voll- ständig an. Dank dieser Methode sei die Rinderpest bei ihrem letzten Auftreten 1904 unter der Leitung erfahrener Veterinäre, wie Stewart Stockman und Theiler schnell und vollständig getilgt worden. Es ist das Verdienst beider gen. Herren, auch auf die Gefahren der Simultanimpfung nach Turner und Kolle im endemischen Texasfiebergebiet aufmerksam gemacht zu haben, so daß seit 1903 in Transvaal nur noch die passive Schutzimpfting mit Serum allein bei der Bekämpfung der Pest zur Anwendung gelangt.

Der Erreger der Pferdesterbe sei leider noch nicht entdeckt,

ZetUchrIft für Infektionskrankheiten. I, 2/3. 18

274

wenn es auch keinem Zweifel unterliege, daß die Krankheit durch einen Parasiten des Blutes verursacht würde. Die Krankheit fordere alljährlich Tausende von Opfern, und die Ergebnisse der Schutzimpfungsmethoden seien bisher wenig befriedigend gewesen.

Kaestner (Berlin).

Rassau, E., Fortschritte in der Rinderpest- und Texas- fieberbekämpfung.

(Verliandl. des deutschen Kolonialkongresses 1905, 8. 293-— 300.)

Die Simultanimpfung gegen Rinderpest mit Immunserum und Pestblut hatte in Texasfiebergegenden (weite Strecken der südwest- afrikanischen Kolonie sind als solche zu betrachten) wiederholt schwere Verluste an akutem Texasfleber zur Folge. Experimentelle Versuche lehrten, daß nicht eine Überimpfiing piroplasmenhaltigen Blutes daran schuld war, sondern daß die im Körper der aus ver- seuchten Gegenden stammenden Impflinge latenten Parasiten die oft tödliche Erkrankung hervoniefen. R. berichtete ferner darüber, daß Tiere aus enzootischem Texasfiebergebiet, die der natürlichen Infektion durch Rinderpest ausgesetzt wurden, reine Pest erwarben, ein Ergebnis, das sich mit den Beobachtungen in der Praxis deckt, wonach nie eine spontane Mischinfektion von Pest und Texasfieber nachgewiesen werden konnte. Nach der der Gallenimpfung nach R. Koch zum Zwecke der Verlängerung der Immunität folgenden Pestblutimpfung konnten zwar auch Piroplasmen in peripherem Blute nachgewiesen werden, ohne daß die Impflinge aber irgendwelche Krankheitserscheinungen zeigten. Diese Feststellungen führten dazu, daß fortan die zur Gallengewinnung bestimmten Rinder nicht subkutan mit Blut, sondern in Nachahmung des natürlichen In- fektionsmodus per OS mit Sekreten kranker Tiere infiziert wurden, und daß die zur Blutimpfung der galleimmunisierten Rinder nötigen Blutmengen spontan erkrankten oder per os infizierten Rindern entnommen wurden. stadie (Berlin),

Ostertagy R., Das Veterinärwesen der Vereinigten Staaten von Nordamerika.

(ßeisestudie. Berlin 1906, VIII u. 151 Ss.)

Verf. schildert in dem Buche das tierärztliche Bildungswesen, die Organisation des staatlichen Veterinärwesens, den Viehverkehr zwischen den verschiedenen Staaten und nach dem Auslande, das Viehhof- und Quarantänewesen, Fleischprodukiton und Fleisch- handel, das Schlachtwesen und die großen Schlachthöfe, das

275

Fleischbeschauwesen, die allgemeine Nahrungsmittelkontrolle mit besonderer Berücksichtigung des Verkehrs mit Milch. Hier inter- essieren besonders die den wichtigsten Tierseuchen und deren Bekämpfung sowie den wissenschaftlichen Instituten zur Seuchenforschung gewidmeten Kapitel. Folgende Krank- heiten werden besprochen : Texasfieber, Rinderräude, Beschälseuche, Rotz, Milzbrand, Rauschbrand, Tuberkulose, Schweinepest, Schweine- rotlauf, Maul- und Klauenseuche, Lungenseuche, Tollwut, Rindei^ seuche, Geflügeldiphtherie, Mutterkombrand und „Loco"-Krankheit der Schafe. Bei der Schilderung der wissenschaftlichen Institute zur Seuchenforschung und Seuchenbekämpfung stehen die Institute des Bureau of animal Industry naturgemäß im Vordergrunde.

J. Ostertag, R., Bibliographie der Fleischbeschau.

(Stattgart 1905, XVI u. 446 Sa.)

Ein Werk, das die Literatur der gesamten Fleischbeschau erschöpfend und übersichtlich geordnet wiedergibt. Die eingehenden Literaturnachweise über die Infektionskrankheiten der Schlachttiere umfassen 80, diejenigen über tierische Parasiten 55 Seiten. j.

Entwicklungshemmung.

HnntemfiUer, 0., Vernichtung der Bakterien im Wasser durch Protozoen.

(Archiv f. Hygiene, Bd. 54, 1905, S. 89—100.)

Auf Grund der Beobachtung von Emmerich und Gemünd, daß sich eingesäete Typhuskeime in sterilem Wasser länger lebend erhalten und somit länger nachweisen lassen, wie in gewöhnlichem Leitungs- oder Brunnenwasser und daß dies in Zusammenhang zu bringen sei mit dem Vorhandensein von Protozoen im gewöhnlichen Wasser (da ja steriles Wasser keine enthält), stellte H. in dieser Hinsicht Versuche an. Er tonnte aus dem Leitungswasser zwei Arten von Protozoen gewinnen, Bodo ovatus und Bodo saltans. Die Protozoen vermehrten sich viel rascher bei Einsaat von viel Bak- terienmaterial als von wenig Material. Je nach der Anzahl von Protozoen verschwanden die eingesäeten Typhuskeime schneller oder langsamer. Unter dem Mikroskop konnte H. sehr gut das Auf- fressen und Verdauen der Bakterien durch die genannten Protozoen

18*

276

beobachten, indem erprotozoenhaltigenWassertropfengefärbteTyphus- keime zusetzte und diese im Protozoenkörper aufnehmen und ver- schwinden sah. Durch diese Versuche und mikroskopischen Befunde ist es wohl als erwiesen anzusehen, daß die Vernichtung der Typhuskeime im Wasser hauptsächlich auf die Tätigkeit der Protozoen und nicht auf das Überwuchern und die antagonistische Wirksamkeit der Wasserbakterien zurück- zuführen ist. Da die chemische Zusammensetzung des Wassers in beiden Fällen ungefähr die gleiche war, konnte hierdurch das verschiedene Verhalten der Bakterien nicht erklärt werden. Ob und welchen Einfluß Licht und Osmose ausüben, soll noch untersucht

werden. Marxer (Straßlmrg i. E4.

Immunität Schutzimpfung.

Kindborg, A., Die Pneumokokken. Vergleichende Unter- suchungen mit besonderer Berücksichtigung der Agglutination.

(Zeitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 51, 1905, 8. 197—232.)

Verfii. erbringt den Nachweis, daß die Fränkel-Weichsel- baumschen Diplokokken nicht ein bestimmtes Bakterium darstellen, sondern daß sie, wie auch die Kolibakterien, die Erreger der Tuber- kulose, die Streptokokken (die Erreger derSchweineseuche, derSchweine- pest, die Kolistämme der Kälberruhr [Ref.]) eine Vielheit nahe ver- wandter Mikroorganismen sind, die sich durch geringgradige Eigen- tümlichkeiten unterscheiden. Auch bei der Agglutination und bei der Immunisierung ließ sich diese nachweisen. Für praktische Immunisierungszwecke sind polyvalente Sera darzustellen.

Bugge fKiel).

OraBberger, B. n. Schattenfroh, A., Antitoxische und anti- infektiöse Immunität.

(Sitzun^sber. der kais. Akademie der Wissenschaften zu Wien, Bd. 114, Abt. III, 1905, 8. 1—50.)

Die bereits früher veröffentlichten Versuche, Tiere durch ImpAing mit Giftlösungen der RauschbrandbaziUen gegen Weiderauschbrand zu immunisieren, wurden in großem Maßstabe an 4800 Jungrindem fortgesetzt. Das Resultat war unbefriedigend. Der erlangte aktive

277

Giftschutz schätzte nicht verläßlich vor der Rauschbrandinfektion. Die Erklärung hierfür ist in dem Umstände zu suchen, daß nach der fkfahmng der VerflF. drei verschiedene anaerobe patho- gene Eulturzustände des Eauschbrandbazillus aufgestellt werden müssen:

Typus I hochvirulente, „originäre", sehr wenig oder gar kein Toxin liefernde Knlturen, die dnrch Übertragen von frischer oder ein- getrockneter rauschbrandiger Gewebsflüssigkeit anf frisches steriles Fleisch und Überschichten der Stücke mit ausgekochter, zuckerfreier Peptonbouillon gewonnen werden;

II exquisit toxinliefernde, sog. „native" Kulturen;

ni denaturierte Kulturen, die keine Toxine liefern und, wenn pathogen, das Bild der Gasphlegmone hervorrufen, während bei Typus I die hämorrhagische Infiltration der Muskulatur gegenüber dem Ödem und der Gasbildung in den Vorder- grund tritt

Die „originären" Kulturen wurden von antitoxischem Serum gar nicht beeinflußt, während präventive Injektionen desselben gegen Typus n und lU schützten.

Aus den Impfversuchen ergibt sich also die bemerkenswerte Tatsache, daß ein bakterieller Erankheitsprozeß, dessen Erreger in der Kultur wohlcharakterisierte Toxine bildet, in seinem natürlichen Verlaufe durch ein hochgradiges antitoxis^hes Serum nicht beeinflußt wird. Dieser Umstand könnte die Vermutung nahe legen, das Toxin sei überhaupt nur ein Kunstprodukt, das sich nur in Kulturen bildet. Dem ist aber nicht so: die rauschbrandige Gewebsflüssigkeit enthält gelegentlich echtes Toxin. Das gelöste Toxin kann aber, da toxinfeste Tiere ebenso der Infektion erliegen wie normale, fiir die Pathogenese nur eine untergeordnete Bedeutung haben. Die schwere Schädigung des Oi^anismus durch die Wirkung von Endotoxinen zu erklären, geht auch nicht an; es ist den Verff. nicht gelungen, solche aus den Zelleibem hochpathogener Rauschbrandbazillen zu extrahieren. Das krankmachende Agens beim typischen Infektions- prozeß (wo kein Toxin nachweisbar) muß streng an das Leben der originären Rauschbrandbazillen gebunden sein. Viel- leicht besitzen diese ein intrazellulär vorhandenes Enzym, welches in den Gewebssäften vorhandene Stofie, die für den Stoffwechsel der Bakterienzellen unbedingt notwendig sind, in unverhältnismäßig großer Menge zersetzt.

278

Die Mißerfolge der Immunisierung mit antitoxischem Serum und mit Giftlösungen veranlaßten die Verff. Immunisierungs- versuche mittelst des Krankheitserregers selbst aufzu- nehmen. Sie machten sich dabei die in ihren vorhergehenden Unter- suchungen gemachte Erfahrung zu nutze, daß Meerschweinchen, die nach Vorbehandlung mit antitoxischem Serum bei nachmaliger Infektion mit Rauschbrandsaft nur einen lokalen Prozeß durchzu- machen gehabt hatten, eine fortgesetzt gesteigerte Behandlung mit Infektionsmaterial gut ertrugen. Dabei zeigten sich je nach der biologischen Stellung der Kultur die gleichen Unterschiede, welche in den Versuchen mit antitoxischem Serum hervorgetreten waren: Mit Rauschbrandsaft vorbehandelte Tiere waren gegen originäre Kulturen immun (und häufig auch umgekehrt), wäh- rend sie der Einwirkung von Toxingenerationen regel- mäßig erlagen; ebensowenig waren sie gegen die Wirkung der bakterienfreien Giftlösung gefeit. Die Polyvalent der Stämme hat für die Immunisierung gegen Rauschbrand nicht die Bedeutung, die dem Kulturzustande eines und desselben Stammes zugeschrieben werden muß. Das Serum der in der oben angeführten Weise aktiv immunisierten Versuchstiere besitzt Schutzwert, es ist antiinfektiös.

Die Verflf. sind der Ansicht, daß man auf Grund ihrer Er- fahrungen einer Prüfung anderer* antitoxischer Sera, insbesondere des Diphtherieserums, in bezug auf diese Verhältnisse wird näher treten müssen. Qrabert (BerlinL

T^^assermann, A., Ostertag, R. u. Citron, J., Über das gegen- seitige immunisatorische Verhalten des Löffler- schen Mäusetyphusbazillus und der Schweinepest- bazillen.

(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 52, 1906, S. 282—286.)

Durch die Arbeiten verschiedener Forscher ist in jüngster Zeit gezeigt worden, daß Mäusetyphus- und Schweinepestbazillen sich nicht nur in bezug auf ihr kulturelles und biochemisches Verhalten, sondern auch in bezug auf ihren Rezeptorenapparat sehr nahestehen. Die Verff. konnten diese Tatsache durchaus bestätigen und allgemein feststellen, daß Mäusetyphus- und Schweinepestbazillen sich kulturell und gegenüber Immunseris (und zwar sowohl in bezug auf gegenseitigen Agglutinationswert, als auch auf Schutz- kraft der Sera) „vollkommen gleichartig verhalten und nur

279

durch Virulenzunterschiede gegenüber verschiedenen Tierarten sich unterscheiden." So ist der Bac. typhi murium für das Schwein innerhalb gewöhnlicher Grenzen nicht pathogen, während dieses Tier für den Bac. suipestifer natürlich sehr empfänglich ist. Ebenso verhält sich nach den Verff. auch das Kaninchen. Mäusetyphus- und Schweinepestbazillen verhalten sich somit analog wie Menschen- und Rindertuberkelbazillen. Es lag der Gedanke nahe, zu prüfen, ob, wie bei der Tuberkulose, der fiir die betreffende Tierspezies weniger virulente Bazillus eine aktive Immunität gegenüber der Infektion mit dem virulenten Bazillus zu erzeugen vermag, mit anderen Worten, ob „die Mäusetyphusbazillen als Vaccin gegenüber Schweinepestbazillen verwendet werden können." Verff. stellten diesbezügliche Versuche an Kaninchen und Meerschweinchen an und fanden, daß dies der Fall ist. „Somit ist die Tatsache, daß bei Kaninchen und Meer- schweinchen Mäusetyphusbazillen ein Vaccin gegenüber den für diese Tiere so äußerst pathogenen Schweinepest- bazillen sind, bewiesen." Diese Tatsache ist nicht nur wissen- schaftlich interessant, sondern eröffnet auch neue Aussichten auf ein praktisch brauchbares Schutzimpfungsverfahren gegen Schweine- pest. Die Verff. halten in dieser Hinsicht eine Kombination passiver Immunisierung mit Schweinepestserum und aktiver Immunisierung mit Mäusetyphusbazillen (in Form der Simultanimpfung) für besonders aussichtsvoll. Diese Me- thode hat den Verff. an Kaninchen sehr gute Resultate ergeben. Die Verff. sind damit beschäftigt, zu prüfen, inwieweit diese an Kaninchen gewonnenen Resultate sich auf Schweine übertragen lassen. J-

Elimmer, M., Bericht über die im Hygienischen Institut der Königlichen Tierärztlichen Hochschule aus- geführten Tuberkulose-Arbeiten (erstattet an das Königliche Ministerium des Innern).

(Berl. Tierärztl. Wochenschr., 1905, S. 465—469.)

Verf. verfolgt mit seinen Arbeiten den Zweck, ein Immuni- sierungsverfahren gegen die Tuberkulose auszuarbeiten, das sowohl für die ausfuhrenden Personen als auch für die zu immu- nisierenden Individuen ungefährlich ist. Um dieses Ziel zu er- reichen, hat er Versuche mit fiir Säugetiere apathogenen Tuberkel-

280

bazillen einerseits üsd abgeschwächten Tuberkelbazillen andererseits angestellt. Die forSängetierenichtpathogenenTaberkelbadllenwurden aM dem Menschenkörper gewonnen nnd dorch mehrfache Molch- pasaagen für Säugetiere aviniient gemacht, so daß z. B. bei Ver- impfang an Meerschweinchen und Kaninchen keine Tnbericnlose ^^eugt werden konnte.

Ans dem Bericht Aber drei Versuchsreihen mit diesen avirulen- ten Tuberkelbazillen zur Immunisierung von Kaninchen geht hervor, daß die mit avirulenten Tuberkelbazillen vorbehandelten Tiere eine teils intraperitoneale, teils intraokuläre, teils subkutane Infiektion mit virulenten Rindertuberkelbazillen gut überstanden, wählend die Kontrolltiere und ein mit Möllerschen Blindschleichentuberkel^ bazillen vorbehandeltes Kaninchen eine sehr schwere, meistens töd- liche Tuberkulose erhielten, Verf. zieht aus diesen Versuchen ineß. Schluß, „daß es gelingt, Kaninchen durch intravenöse Injid^tion von avimlenten Tuberkelbazillen eine hohe, zum Teil selbst absolute, WiderstandsfiLhigkeit gegenüber einer Infektion mit stark virulenten Rindertuberkelbazillen zu verleihen'^

Rinder haben bei subkutaner und intravenöser Applikation von avirulenten Tuberkelbazillen weder örtliche noch allgemeine Störun- gen gezeigt. Auch trat bei den so vorbehandelten, der natürlichen Infektion ausgesetzten Tieren bish^ auf eine Tuberkulineinspritzung keine Reaktion ein, während 33 36% der Kontrolltiere reagierten. Die Immunitätsprüfnng durch kfinstliche Infektion ist noch nicht abgeschlossen.

Zur Immunisierung mit abgeschwächten Tuberkelbazillen stellt K. von aus dem Menschenkörper ohne Tierpassage rein kultivierten Tuberkelbazillen direkt aus der Kultur eine gebrauchsfertige, vier Wochen lang wirksame und ohne Zersetzung haltbare Tuberkel- bazillenaufschwemmung her, die durch Erhitzen auf 52— 53® C. miti- giert wird. Dieselbe ist bei etwa 60 Kälbern auf einem Oute praktisch angewandt worden und soll fär den Impfling bei intravenöser und subkutaner Einverleibung vollkommen unschädlich sein und auch bei letzterer Applikationsweise eine Immunität erzeugen.

Verf. schließt seinen Bericht mit der Schlußfolgerung, „daß der mit der fertigen Tuberkelbazillenaufschwemmung als auch mit den avirulenten Tuberkelbazillen erzeugte Impf- schutz längere Zeit, vermutlich lebenslänglich, anhält.^^

Kfihn (BerUni.

281

Schwartz, Heilung eines Falles von Augentuberknlose durch Marmoreks Serum.

(Deatsehe med. WochenBchr., 31. Jahrg., 1905, S. 1346—1348.)

Verf. beschreibt einen Fall von Conjunctivitis tuberculosa (tuber- kulöse Natur durch Ponfick in Breslau bestätigt), der ausschließlich mit Marmoreks Antituberkuloseserum behandelt und vollkommen geheilt wurde. Es wurden im ganzen 37 Injektionen mit zusammen 289 ccm Serum unter die Bauchhaut verabreicht. Das Serum wurde gut vertragen. Verf. erwähnt noch einea froher von ihm publizierten Fall von Kehlkapftuberkulose^ der ebwfalls durch Behandlung mit Marmoreks Serum geheilt wurde. J,

8K^k«ly, A Budapesti Pasteur-intözet 1904 ik evi kimuta- täsa. (Statistik des Budapester Pasteurinstitntes im Jahre 1904.) (Bvdapett, 1905. [Ungaristili.])

Sz. gibt eime Übersicht über die im Jahre 1904 im Budapester Pasteurinstitut nach der Dilutionsmethode von Högyes behandelten, von wutkranken und wutverdächtigen Tieren gebissenen Menschen.

Im Jahre 1904 meldeten sich im Institute 3241 Personen, und zwar 2910 aus Ungarn und 381 aus den Nachbarländern, von denen insgesamt 2772 Patienten antirabische Schutzimpfung erhielten. Von diesen starben 24 an Wut, die all- gemeine Mortalität beträgt daher 0,86 ^/o* Bei den Todesfällen brach die Wut bei 15 Fällen noch im Laufe der Schutzimpfung oder innerhalb zwei Wochen nach Beendigung derselben aus. Diese FäUe dürfen daher in der Statistik nicht den TodesfäUen zugezählt werden, so dafi eigentlich von 2757 Schutz- geimpften nur 9 («0,3270) starben. Unter den 63 Komitateto Ungarns fehlte die Wut nur in drei Komitaten. Was die Alters-, Geschlechts- und Beschäfti- gungsverhältnisse der behandelten Personen betrifft, so entfielen die meisten Fälle, wie in den früheren Jahren, auf 5— 15 jährige Knaben der Landiente, auf Dienstleute und Handwerker. Was die beißenden Tiere angeht, so waren es in 88,51 % der Fälle Honde, in 7,71 % der Fälle Katzen und in 2,77 7o der Fälle andere Tiere (und sw^ 14 Rinder, 8 Pferde, 19 Schweine, 1 Kaninehen, 1 Maus und 1 Ratte), die die behandelten Personen gebissen haben. Von drei Lyssakranken wurden drei Personen verletzt Die Wutkrankheit wurde bei den beißenden Tieren in 182 Fällen experimentell festgestellt, bei 1646 Fällen wurde sie durch tierärztliche Untersuchung konstatiert; in 944 Fällen handelte es sich um Tiere, die nur der Wut verdächtig waren. In 283 Fällen betrafen die Bisse den Kopf, in 1101 die Hände und in 1423 sonstige Gliedmaßen oder dßn Bnmpt Die längste Inkubationsdauer der an Lyssa erkrankten Menseben betrug 369 Tage (Fuß- und Rumpfwunde). Aujesxky (Budapest),

282

Parasiten und parasitäre Krankheiten.

Knuth, P., Experimentelle Studien über das Texasfieber der Rinder (La tristeza) in den La Plata-Staaten.

(Diss. [Leipzig] Berlin 1905. 83 Ss., 6 Tabellen, 1 Taf.)

Der erste Abschnitt der Arbeit behandelt die Studien von Smith und Kilborne über das Texasfieber in Nordamerika, der zweite die Verbreitung des Texasfiebers in den La Plata-Staaten und der dritte die Untersuchungen des Verf. über das Texasfieber auf den Besitzungen der Liebig Compagnie in Fray Bentos, Uruguay, Süd- amerika.

Des Verf. eigene Untersuchungen haben im wesentlichen die früheren Befunde über den Erreger des Texasfiebers bestätigt. Verf. mußte sich entgegen der Annahme von Smith und Kil- borne, der Ansicht R. Kochs anschließen, daß die bimformigen Parasiten bei den gutartigen, die lanzettförmigen, stäbchenförmigen und runden Parasiten aber bei den meist tödlich endigenden Fällen beobachtet werden. Besondere Aufinerksamkeit wurde den punkt« förmigen Parasiten, die teils auf den roten Blutkörperchen, teils an ihrem Rande liegen, gewidmet. Verf. rechnet die punkt- förmigen Parasiten zu den Entwicklungsformen des Piroplasma bigeminum und sieht sie nicht als besondere Erreger an.

Sehr wichtig erschien die Feststellung, wie groß die Empfänglichkeit der Rinder gegen natürliche und künst- liche Infektion mit Piroplasma bigeminum ist, insbeson- dere ob in bezug hierauf Unterschiede zwischen dem heimischen, d. h. im verseuchten Gebiete geborenen, and dem fremden, d. h. in das enzootische Gebiet einge- führten Rindvieh bestehen und wodurch diese bedingt sind. Der Regel nach verursacht das Texasfieber unter dem groben Rindvieh keine Verluste. Jedoch gibt es hiervon Aus- nahmen, wenn andere Krankheiten, wie Rinderpest, Maul- und Klauenseuche usw. die Tiere befallen, oder wenn äußere Schädlich- keiten auf den Organismus einwirken, z. B. ungünstige Witterungs- einflüsse, Strapazen gelegentlich langer Transporte usw. Wesentlich geringer wie bei dem groben Landvieh ist die Widerstands- fähigkeit gegen Texasfieber bei dem englischen Kreuzungsvieh, obwohl dieses auch im Zeckengebiet geboren ist und darin

283

dauernd lebt. Da nun bekannt ist, daß unter gleichen Verhält- nissen bei dem dickhäutigen Landvieh solche erheblichen Ver- luste nicht eintreten, so liegt es nahe, die Hauptschuld hier- für in der Verfeinerung der Rinderherden durch be- ständige Kreuzung mit englischem Zuchtvieh zu suchen. Die Widerstands&higkeit der Binder in den verseuchten Gebieten ist keine angeborene oder natürliche, sondern eine all- mählich erworbene Eigenschaft. Diese epidemiologisch wich- tige Tatsache hat Verf. auf Grund der E. Kochschen Malaria- studien in Deutsch-Neu-Guinea und den Anregungen Kolles folgend, durch zwei Versuche für das Texasfieber bestätigen können«

Von 262 etwa 1—4 Monate alten Kälbern hatten 19,8 % eine mikroskopisch nachweisbare Piroplasma-Infektion durchgemacht Da- gegen fielen die Blutuntersuchungen bei 18 etwa 1— 4jährigen Tieren, die zu gleicher Zeit vorgenommen wurden, völlig negativ aus.

Je jünger die Kälber waren, desto mehr Piroplasmen (oder getüpfelte Zellen als Folgen der überstandenen Infektion) sind im Blute. Hieraus kann mit Kolle, der über des Verf. Untersuchungen in Südamerika auf dem I. Deutschen Ko- lonialkongreß in Berlin 1902 berichtet hat, geschlossen werden, daß in frühester Jugend eine Infektion der jungen Kälber stattfindet, die aber nicht zu der tödlichen Hämoglobinurie fuhrt, von der die im späteren Lebensalter mit Piroplasma bigeminum infizierten Binder betroffen werden. Es entsteht also dadurch, daß die Kälber von Jugend an auf natürlichem Wege, nämlich durch die Zecken, mit dem Erreger des Texasfiebers infiziert werden, allmählich bei den heranwachsenden Tieren eine erhebliche Besistenz gegen Piro- plasma bigeminum, eine Erfahrung, die von allen Texasfieber- forschem bestätigt worden ist.

Auch darin ähnelt das Texasfieber der Malaria, daß in zecken- reichen Jahren und an bestimmten Orten Kälber in großer Zahl dem Texasfieber erliegen.

Durch eine weitere Beihe von Versuchen wurde geprüft, wie sich Kälber von Kühen, die an Texasfieber gelitten hatten, und er- wachsene Binder aus dem Zeckengebiet gegen eine künstliche Infektion mit piroplasmenhaltigem Blute verhalten. Es zeigte sich dabei, daß die innerhalb der Zeckenzone aufgewachsenen Binder äußerst widerstandsfähig gegen die Impfung mit virulentem Blute sind. Aus dem Vergleich der Infektionsversuche aus den Jahren

284

1901 und 1902 glaubt Verf. aber folgern zu dürfen, daß die Widerstandsfähigkeit der Rinder in der Nähe von Fray Bentos und an Orten mit ähnlichen Zeckenverhältnissen in den einzelnen Jahren eine wechselnde ist.

Smiths und Eilbornes Feststellung, daß Binder aus dem enzootischem Gebiete jahrelang infektiöses Blut besitzen, konnte Yerfl gleichfalls bestätigen.

Zur Prüfung der Empfänglichkeit der in das enzootische Gebiet eingeführten Rinder sind vom 30. Mai 1902 bis 30. Juni liK)3 fünf größere Rindertransporte aus der zeckenfreien Gegend von Buenos Aires nach Fray Bentos gebracht worden. Der Grad der Empfänglichkeit für Piroplasmen-Infeklionen der nicht in dem Zeckengebiet geborenen, aber in dasselbe eingeführten Rinder hängt der Hauptsache nach ab: von dem Alter der eingefOhrtea Rinder, von der Jahreszeit, in der die Einführung in das Zecken- gebiet erfolgt ist und von der Art der Infektion. Junge Tiere zeigen sich gegenüber der künstlichen Infektion mit piroplasmenhaltigem Blute erheblich widerstandsfähiger als alte Tiere. In den Winter- monaten (Mai bis September) ist die Einfiihr empfänglicher Rinder in das Zeckengebiet bei weitem ungefährlicher als in den Sommer- monaten (Dezember bis Jtfärz).

Praktische Immunisierungsversuche. Die hochveredelten Rinderherden der La Plata - Staaten leiden erfahrungsgemäß in gewissen Jahren erheblich durch das Auftreten von akutem Texas- fieber. Als Verf. den Ursachen dieser Äuf&lligen Erscheinung nachforschte, fand er, daß sich die Verluste fast immer nach solchen Jahren gezeigt hatten, in denen durch einen strengen Winter oder übermäßige Nässe fast alle Zecken von den Tieren verschwunden waren. Dadurch schienen viele Rinder die erworbene gewöhnliche Resistenz gegen den Erreger des Texasfiebers verloren zu haben. Sie erlagen infolgedessen schneller den ersten akuten Anfällen im Sommer, wenn von Mitte November an Zecken von neuem auf der Haut der Tiere schmarotzten. An einer Reihe von Beispielen hat Verf. versucht, diese eigenartigen Ver- hältnisse zu erläutern.

Welche Abwehrmittel waren gegen die Verluste durch akutes Texasfieber anwendbar?

Koile hatte nach den bekannten Vorgängen in Nordamerika und Australien der Liebig Gompagnie im Jahre 1902 vorgeschlagen,

\

285

yersQchsweise größere Herden von Jungvieh mit deflbriniertem Blute Yon Tieren zu impfen, die das Texasfieber überstanden hatten. Es sollte dadurch den Tieren eine gewisse Grundimmunität ver- liehen und die Kachexie als Folgezustand der ununterbrochenen Zeckeninfektionen vermieden werden.

Die vom Verf. bei in der Zeckenzone geborenen Kindern vorgenommenen Impfungen sind an etwa 2400 etwa einjährigen Bindern mit defibriniertem Blute von Tieren ausgeführt worden, die vor kurzem Texasfieber überstanden haben. Innerhalb des ersten Jahres haben sich nun allerdings keine Unterschiede zwischen geimpften und ungeimpften Tieren gegen die natürliche Infektion mit Texasfieber gezeigt, die zugunsten der Impfung ausgelegt werden konnten. Dies würde aber noch nicht den Wert der Impfung herabsetzen, da wir wissen, daß die Empfänglichkeit des englischen Ereuzungsviehes in den einzelnen Jahren verschieden sein kann.

Immunisierungsversuche bei Rindern, die in die Zeckenzone eingeführt werden sollten. Die bisher mit der Immunisierung von Tieren aus der zeckenfreien Gegend von Buenos Aires gemachten Erfahrungen wurden vom Verf. an einem Tierzehn Monate alten Stier, der aus dem Süden der Republik Uruguay stammte, und an zwei größeren, aus England importierten Bindertransporten nachgeprüft. Bei dem Stier war der Impferfolg ein guter. Leider läßt sich dasselbe von den beiden aus England erhaltenen Transporten nicht sagen. Nach den Nachrichten, die die Liebig -Compagnie dem Verf. bis April 1904, also etwa 10 Monate nach den Impfungen, über den Zustand der beiden Transporte über- sandte, ist eine größere Anzahl der Tiere nach dem glücklichen Überstehen der Impfkrankheit an erneuten Texasfieberanfällen erkrankt und zum Teil gestorben. Von den fünfzehn Tieren des ersten Transportes sind ein nicht geimpfter Stier und sieben andere Binder verendet; von den 26 Tieren des zweiten Transportes, die sämtlich geimpft worden waren, sind zehn Tiere, davon sieben vermutlich an Texasfieber, gestorben. Zum größeren Teil ist der Tod erst erfolgt, nachdem die Tiere nach den Estanzien Fileta und Bichadero, also in das Zeckengebiet gebracht worden waren. Demnach haben sich die durchschnittlich jüngeren Tiere des zweiten Transportes als widerstandsfähiger er- wiesen, als die älteren des ersten.

286

Es bestätigte sich bei den beiden Zuchtviehtransporten die schon früher gemachte Erfahrung, daß sämtliche Tiere, obwohl ihr Alter schon teilweise zwei Jahre sechs Monate betrug, durch die Impfung mit Blut von einem gesunden Kalbe aus der Zeckenzone ohne Gefahr infiziert werden konnten, wenn nur die gleichzeitige Zeckeninfektion ferngehalten wurde. Eine auffallend größere Empfänglichkeit zeigte sich aber darin, daß diese Tiere nach Monaten an mehrfachen Texasfieber-Rück- fällen erkrankten und zum Teil daran zugrunde gingen. Ein Vergleich mit dem Ausfall der früheren Versuche über die Empfänglichkeit der in Zeckenzonen eingeführten Rinder lehrt aber, daß die aus England importierten Rinder sich weit schwerer an die natürliche Piroplasmen-Infektion durch Zecken gewöhnen lassen als gleichaltrige Tiere, die im zeckenfreien Gebiete Südamerikas geboren sind.

Die Ernährung der Kälber mit Milch von texasfieberimmunen Kühen hatte keinen bemerkenswerten Einfluß auf den Ausfall der künstlichen und natürlichen Piroplasmen-Infektion ausgeübt.

Praktische Zeckentilgungsversuche. Das englische Kreuzungsvieh wird durch die auf seiner Haut schmarotzenden zahlreichen Zecken sehr schwer geschädigt und geht dadurch in auffallend großer Zahl ein. Bei den Sektionen solcher Tiere fanden sich immer nur Anzeichen der stärksten Anämie. Im Blute, das meistens gelblich und wässerig aussah, wurden Texas- fieberparasiten ebensowenig gefunden, wie in Ausstrichen aus Herz, Niere, Milz und Leber. Demnach dürften die Blut- verluste der Rinder durch die Zecken, die sekundären Wundinfektionen und vielleicht auch der Ausfall der physiologischen Tätigkeit der Haut den Tod der Tiere verursacht haben. Das ganze Krankheitsbild erinnert, an dasjenige der Schafe, die in hohem Grade an Räude leiden.

Nach einer kurzen Übersicht über die in Nordamerika und Australien bereits seit Jahren in Gebrauch genommenen Rinder- tauchbäder erwähnt Verf., daß ähnliche Einrichtungen auch auf zwei Estanzien der Liebig-Compagnie geschaffen worden sind, und daß ein großer Teil des Viehes auf den Estanzien Pileta und Bichadero während des Sommers 1902—1903 zwei- bis dreimal gebadet und dadurch von den Zecken befreit worden ist. Es erwies sich dabei als vorteilhaft, statt starker Lösungen des

287

Bademittels, die die Zecken sehr bald töteten, schwächere zu wählen. Benutzt wurde Polvo de Cowper mit einem Zusatz von Schmierseife. Der Erfolg der Bäder zeigte sich darin, daß die Tiere rasch in besseren Nährzustand kamen. Nach 4—5 Wochen freilich mußten die Bäder wiederholt werden, da die Haut bis dahin von neuem mit Zecken bedeckt war. Nach des Verf. Ansicht wirken die Bäder am günstigsten, wenn sie frühzeitig im Sommer zur Anwendung kommen. Denn hierdurch wird eine große Zahl trächtiger Zeckenweibchen vernichtet, also eine Vermehrung der Schmarotzer aufgehalten.

Das Ergebnis seiner Untersuchungen faßt Verf. folgendermaßen zusammen :

1. Der Erreger des Texasfiebers, Piroplasma bigeminnm, wurde in Über- einstimmung mit den Angaben anderer Autoren in der Form größerer und kleinerer, bim-, weidenblatt-, lanzett- und stäbchenförmiger, sowie größerer und kleinerer, runder und punktförmiger Parasiten bei den einzelnen Tieren in mehr oder weniger großer Zahl angetroffen.

2. Dem gutartigen Verlaufe des Texasfiebers ist in der Regel die birn- förmige Gestalt des Piroplasma bigeminnm eigen, während bei dem bösartigen Verlaufe des Texasfiebers das Piroplasma bigeminnm die mannigfachsten Formen zeigen kann.

3. Die punktförmigen Parasiten sind als Jugendformen (Schizonten) des Piroplasma bigeminnm und nicht als eine besondere Parasitenart anzusehen.

4. Das im Zeckengebiet geborene Ereuzungsvieh ist infolge seiner dünneren Haut und der geringeren Widerstandsfähigkeit empfanglicher für Piroplasmen- Infektionen als das grobe Landvieh.

5. Die aus zeckenfreiem Gebiete in die Zeckenzone eingeführten Kinder sind am wenigsten empfUnglich für Piroplasmen-Infektionen, wenn die Einfuhr im Winter (Mai bis Juli) erfolgt, wenn die Binder im jugendlichen Alter stehen, vor einer Überzahl von Zecken geschützt sind, und wenn eine mäßige PiroplasmenJnfektion auf natürlichem oder künstlichem Wege stattgefunden hat. Die natürliche Infektion durch Zecken scheint der künstlichen durch defibriniertes Blut von Kälbern aus der Zeckenzone gleichwertig zu sein.

6. Die natürliche Zeckeninfektion ist für aus England importierte Binder gefahrvoller, als für Binder aus zeckenfreien Gebieten Südamerikas.

7. Die im Zeckengebiete aufgewachsenen Binder erweisen sich gegen die Impfung mit virulentem Blute sehr widerstandsfähig.

8. Die im Zeckengebiete aufgewachsenen Binder sind am widerstands- fähigsten, wenn sie dauernd einer mäßigen Zahl von Zecken ausgesetzt sind. Die Widerstandskraft sinkt bei übermäßigen Anstrengungen der Tiere, bei abnormen Witterungs Verhältnissen und bei plötzlichem Wechsel der Futterplätze.

9. Das Blut aller im Zeckengebiete lebenden Binder bleibt lange Zeit hindurch infektiös.

288

10. Das Blat der im enzootischen Gebiete aufgewachsenen Kälber enthält in frühester Jugend stets Piroplasmen; Erkrankungen der Kälber an Texasfieber aber treten nur in futterarmen und besonders zeckenreichen Jahren auf.

11. Die Widerstandsfähigkeit der im enzootischen Gebiet aufgewachsenen Kälber gegen Texasfieber ist keine angeborene, sondern eine erworbene Eigenschaft.

12. Die Ernährung der Kälber mit Milch von texasfieberimmunen Käben schützt nicht gegen eine natürliche oder künstliche Piroplasma-Infektion.

18. Die Einrichtung von Rindertauchbädern zur Bekämpfung der Zecken hat sich gut bewährt. Je nach der Menge der Zecken müssen die Rinder hi den Sommermonaten mehrmals gebadet werden.

Referat des Autors,

Baldrey, F. 8. W., Dourine (Beschälseuche).

(The Jonm. of comp. Pathology and Therapeutics, Bd. 18, 1905, S. 1—22.)

Verf. yeröffentlicht seine in Indien gemachten Beobachtungen über Dourine. Das Wort Dourine ist arabischen Ursprungs und bedeutet Schmutz oder unreine Begattung. Als Heimat der Seuche bezeichnet Verf. Algier, Indien und Persien; von dort Verschleppung durch orientalische Hengste. Jetzt kommt sie in den Mittelmeer- ländern Europas und in Nordafrika vor. 1896 fand Bonget, daß ein Trjrpanosoma mit der Krankheit in ursächlichem Zusammen- hang stehe. Bestätigung 1899 durch Schneider und Buffard (Hundeinfektion). Der Erreger der Dourine, das Trypanosoma equi- perdum, ist 18—26 fi lang, 2—2,5 ^ breit. Kern und Centrosam (Blepharoblast) deutlich markiert. Vom Centrosoma entspringt eine kräftig undulierende Membran und ein Flagellum. Vermehrung durch Längsteilung. Die Trypanosomen sind Blutparasiten. Der Parasit der Dourine findet sich aber auch im Samen, in der Harnröhre und im Vaginalschleim. Er ist das einzige Säugetiertrypanosoma, das, soweit bis jetzt bekannt, nicht durch Insektenstiche übertragen wird. Die Equiden sind sehr empfänglich gegen die natürliche, weniger empfänglich gegen die künstliche Infektion. Der Esel ist etwas weniger empfänglich als das Pferd. Hunde, Kaninchen, Ratten und Mäuse lassen sich leicht durch Verimpfung von Blut infizieren. Rinder sind immun. Die natürliche Übertragung geschieht durch den Koitus oder auch durch Schwämme usw. beim Reinigen der Vulva (Nocard). Pease zeigte, daß die Hunde der Paria in Indien immun sind. Inkubation bei künstlicher Infektion: 7— 10 Tage, bei Übertragung durch den Koitus 12—20 Tage.

289

Im Krankheits verlaufe sind, wie schon Nocard angibt, drei Stadien deutlich erkennbar:

1. Stadium: Krankheitserecheinungen an den Genitalien (Ausfluß, ge- rötete und geschwollene Schleimhäute, Ödem, zuweilen Phimosis und Para- phimosis. Am Penis und Skrotum können Ulzerationen auftreten. Keine All- gemeinerscheinungen, gute Futteraufnahme). Dauer 4—6 Wochen. Schon jetzt ist der Hengst steril.

2. Stadium: Auftreten der Plaques in der Haut Pease sagt trefifend, sie sähen aus, als sei eine Metallscheibe unter die Haut geschoben. Auf den Plaques gesträubtes Deckhaar und zuweilen geringgradige seröse Exsudation. Sie können schon nach einigen Stunden wieder verschwinden oder in einigen Tagen, ohne eine Spur zu hinterlassen, oder sie können ödematös werden und dann länger bestehen. Zuweilen geht den Plaques um 24—48 Stunden voraus ein Ausbruch von Papeln, die nach einem Tage verschwinden. In einem Tropfen Blut, entnommen ans der Mitte einer Plaque, wird das Tr\-panosoma immer gefunden. Abmagerung macht sich bemerkbar. Beginnendes Schwanken im Kreuz. Die Erektionen sind beim Hengste schwach und unvollkommen.

3. Stadium: Störungen im Zentralnervensystem, schließlich Lähmung. Allgemeine, progressive Anämie.

Gesuntdauer der Krankheit: 12—18 Monate. Heilung scheint nur im ersten Stadium möglich zu sein.

Die Angaben des Verf. über Sektionsbefund, Färbungstechnik der Trypanosomen, Prophylaxe bieten nichts Neues, ntxe (Berlin),

Schneider, 0. E. n. Buffard, HL.y Unicite de la dourine.

(Annal. de l'Inst. Pasteur, Bd. 19, 1905. S. 715—717.)

S. und B. konnten bei einem Falle von Beschälseuche in Frankreich „Trypanosoma Rougeti" bakterioskopisch und durch Verimpfung des Blutes auf Kaninchen und Hund und so das gleiche ursächliche Moment bei der algerischen und europäischen

Beschälseuche nachweisen. Marxer fSlraßburg i.Ej,

Layeran, M, A., Sensibilite des gerboises aux trypanoso- miases,

(Corapt. rend. de la Soc. de Biologie, Bd. 59, 1905, No. 27, S. 250.)

L. berichtet über die bisher nicht bekannte außerordentliche Empfänglichkeit der Springmaus (jaculus orientalis Erxleben) für die Erreger der in Mauritius herrschenden 8urra- krankheit sowie gegen das Trypanosoma gambiense. Wäh- rend bei mit Surra infizierten Ratten und Mäusen die mittlere Dauer der Krankheit elf Tage beträgt, beläuft sie sich bei der

Zeitochrift für Infektionskrankheiten. I, 2.3. 19

- 290

Springmaus auf nur fünf Tage. Ebenso ist bei mit Trj^panosoma gambiense geimpften Ratten die Krankheitsdauer eine längere. Der Tod tritt gewöhnlich erst nach drei Monaten ein; die Springmaus erliegt der Trypanosomiasis dagegen schon nach 49 Tagen. Im Blute der Impftiere fanden sich im Moment des Todes außer- ordentlich zahlreiche Trypanosomen. Da L. nur zwei Mäuse infiziert hat, wäre es wünschenswert, daß seine Versuche bei einer größeren Anzahl von Tieren wiederholt würden. Pfeiler (Neapel^.

Thiroax, Recherches morphologiques et experimentales sur Trypanosoma Duttoni (Thiroux).

(Annal. de Tlnst. Pasteur, Bd. 19, 1905, S. 564—572.)

Im Anschluß an die Untersuchungen von Du t ton und Todd, welche Trypanosomen im Blute von Hausmäusen auf Mac-Oarthy, einer Insel im Flusse Gambia, fanden, gelang es Th. ebenfalls im Blute von Hausmäusen der Stadt Saint-Louis (Senegal) ein Trypa- nosoma zu entdecken, welches dem von Du t ton und Todd ge- fundenen sehr nahe steht, und welches er nach dem Forscher Dutton „Trypanosoma Duttoni" benennt

Im hängenden Tropfen zeigt der Parasit, der eine starke wellenförmige Bewegungen ausführende Membran besitzt, äußerst lebhafte Eigenbewegung, die durch eine an seinem vorderen Leibesende sich befindende Geißel ge- fördert wird, wodurch es ihm ermöglicht wird, pfeilschnell teils in gerader Richtung, teils in Schlangen Windungen durch das Gesichtsfeld zu schießen.

Erst im gefärbten Zustande läßt er ein 'genaueres Studium seiner morpho- logischen Eigenschaften zu. Seine ganze Länge einschließlich der Geißel be- trägt 25—30 fjut seine Breite ungefähr 2—5 (ju Sein dunkel gefärbtes Cen- trosom befindet sich 5 fi vom hinteren Leibesende entfernt; der leicht färb- bare Kern liegt meist rückwärts vom Centrosom, ca. 6,5 fi davon entfernt, und ist ca. 3,3 {x lang und 1,6—2 fi breit. Die Geißel besitzt einen 5—6 fi langen, von der Zellmembran umgebenen Anfangsteil und ein ca. 6 10 fi langes freies Ende. Die Vermehrung erfolgt auf dem Wege der Längsteilung, und zwar überwiegt die Teilung in zwei Hälften.

Zur Anlegung von Kulturen benutzte Verf. einen besonderen Nährboden, bestehend aus Fleischwasscr 1000,0 (125,5 Rind- oder Kaninchenfleisch auf 1 1 destillierten Wassers), Pepton Witte 20,0, Kochsalz 5,0, Agar-Agar 20,0, Soda- lösung (5,3%) 10,0. Auf diesen Nährboden strich er in dicker Schicht Herz- blut einer frisch verendeten Maus, worauf nach ca. 10—14 Tagen die ersten Keime aufgingen. Je öfter überimpft wurde, um so schneller erfolgte das Wachstum, so daß nach viermaligem Überimpfen bereits nach vier Tagen die Kolonien sich deutlich entwickelten. Als Temperaturoptimum bezeichnet Verf. die Temperatur von 25—26".

291

Auf oben bezeichnetem Nährboden wächst das ausgestrichene Material anfangs als leichter Belag, später nach öfterem Überimpfen als heller, durch- sichtiger, tautröpfchenähnlicher oder leicht opaleszierender Belag.

Die Färbung gelingt leicht nach der Lave ran sehen Methode. Im gefärb- ten Deckglaspräparat erscheinen die Parasiten kleiner und vielgestaltiger als im Naturzustände. . Neben rundlichen und bimförmigen Gestalten kommen dünnere und schlanke, längliche vor. Auch liegt bei vielen Formen der Kern nebeh dem Centrosom.

Verf. nahm Impfversuche mit Hausmäusen, weißen Mäusen, Feldmäusen, sowie mit Haus- und weißen Ratten vor, wobei sich herausstellte, daß beide letztere Versuchstiere immun zu sein scheinen. Als Impfmodus wählte Verf. die intraperitoneale Injektion. Das Inkubationsstadium schwankt zwischen vier und neun Tagen, die Infektionsdauer zwischen 14 und 30 Tagen, wobei die Tiere so gut wie gar keine Krankheitserscheinungen zeigen.

Die angestellten Agglutinations versuche fielen sämtlich negativ aus.

Am Schluß seiner Arbeit erörtert Verf. die Möglichkeit, daß das von ihm beobachtete Trypanosoma von dem von Dutton und Todd gefundenen vollständig verschieden sei.

Marxer { Straßburg i, Ej,

Grabam-Smitb u. Walter, A new form of parasite found in the red blood corpuscies of moles.

(Joiim. of Hygiene, Vol. 5, 1905, Nr. 4.)

In dem Blute von Maulwürfen beobachteten VeriF. einen eigen- artigen Blutparasiten, der schon morphologisch von der bekannten Grundform der Piroplasmen durchaus abweicht. Unter einer größeren Zahl diesbezüglich untersuchter Maulwürfe fanden sich ca. 10%inflzirt.

Der Parasit fand sich vornehmlich in den roten Blutzellen des peripheren Blutes, dann auch frei im Plasma, spärlich dagegen in Milz, Leber, Niere und sehr selten im Knochenmark. Auffallend war, daß die infizirten roten Blut- körperchen meist eine größere Anzahl (6—20) Parasiten beherbergten. Die Parasiten hatten eine stäbchenförmige, leicht gekrümmte Gestalt mit unregel- mäßiger Begrenzung. Größere Formen waren an einem oder an beiden Enden verbreitert, so daß sie ein keil- oder keulenförmiges Aussehen zeigten. Mittel- große Formen waren stumpfglockenförmig, kleinste fast rund.

Nach Giemsa färbte sich der Parasitenleib blau, und zwar an den ver- breiterten Enden mit dunklerer Farbe. Die größeren Formen enthielten an einem ihrer Endstücke ein verhältnismäßig starkes Chromatinkorn von mnder oder ovaler Form. Bei einigen größeren und der Mehrzahl der kleineren Formen fehlte i. d. R. ein Chromatinkorn. Die Größe der Parasiten schwankte zwischen ^/g bis Va ^^r Größe eines roten Blutkörperchens.

Pathogene Wirkung scheint der Parasit fiir sein Wirtstier

nicht zu entfalten. Kaestner (Berlin).

19*

292

Stephens, J. W. W. u. Christophers, S. B., The practical study of malaria and other blood parasites.

(2nd reviscd edition, London 1904.)

Die VerflF. geben in ihrem Buche eine eingehende Darstellung unserer Kenntnisse über das Wesen der Malaria und anderer Protozoenkrankheiten, sowie eine Beschreibung der für den Nach- weis der Krankheitserreger üblichen Methoden. Eine ausführliche Schilderung ist der Lebensgeschichte der Mosquitos, den Fang- und Vemichtungsmethoden und der Wiedergabe der Charaktere der wichtigsten Arten gewidmet. Daran schließen Sich mehrere Kapitel, die die klinische und epidemiologische Seite der Malaria, sowie der durch Trypanosomen, Hämamöben, Spirochäten und Filarien erzeugten Krankheiten behandeln. Pfeikr fNeapelj.

Riccioli, 6., Intorno ai reperti del Dott. John Siegel sul ciclo dei corpi di Guarnieri (Beitrag zu den Unter- suchungen Dr. John Siegels über die Guarnierischen Körperchen).

(Roma 1905 und Rendiconti della R. Accad. dei Lincei, Bd. 14, sem., Serie 5 a, fasc. 12 o.)

R. erklärt die von Siegel in seiner Arbeit „Beiträge zur Kenntnis des Vakzineerregers" als Überträger der Pockenkrankheit und als Protozoen angesprochenen Guarnierischen Körperchen fär durch die histologische Technik entstandene Kunstprodukte; es gelang ihm, dieselben nicht nur aus den Nieren von geimpften Kaninchen, sondern auch aus solchen völlig gesunder Tiere dar- zustellen. Zwar gibt er zu, daß man, wenn auch sehr selten, Protozoen in den Nieren vakzinierter Kaninchen finden kann. Doch sind dieselben in ihrer Form sehr verschieden von den Guarnierischen Körperchen und auf Grund unserer heutigen Kenntnisse vorläufig nicht als die Erreger der Pockenkrankheit anzusehen. Pfeiler (Neapel;,

Batlin, H. T., Carcinoma is a parasitic disease.

(Brit med. journ. Dee. 1905. Sonderabdr. 18 Ss.)

B. vertritt die Auffassung, daß das Karzinom eine Krank- heit zooparasitären Ursprungs ist. Er tritt der den Patho- logen bisher als Axiom geltenden Anschauung entgegen, daß der Krebs aus normalen Gewebselementen oder durch Transplantation dieser normalen Elemente entstände, und daß das Stroma der karzi-

293

nomatösen Neubildung, vom autochthonen Gewebe abstammend, sich auf den Reiz der Krebszellen hin, gebildet hätte.

Nach B. erfolgt das Wachstum der Krebsgesch^^iüst durch Wachstum und Verjüngung eigener, selbständiger Zellelemente, ohne daß dabei eine Transformation nachbarlicher Zellen in Krebs- zellen irgendwie im Spiele wäre. Letztere könnten dabei wohl verdrängt oder unterminiert werden und schließlich der Atrophie oder Zerstörung anheimfallen.

B. erklärt die Krebszelle für ein unabhängiges, selb- ständiges Lebewesen von dem Typus der Protozoen. Es führt in dem erkrankten Organismus und auf dessen Kosten ein parasitisches Dasein. Es besteht, wie die Protozoen, aus einem Protoplasmaleib mit Membran und Kern und enthält, wie diese, Granula und Vakuolen. Nicht allein in seinen anatomischen Verhältnissen, sondern auch in seinen physiologischen Funktionen zeigt es Übereinstimmung mit den einfachsten tierischen Lebewesen. Die Vermehrung erfolgt auf mitotischem oder amitotischem Wege oder auch nach vorhergehender Konjugation.

Den Krebszellen wohnt eine hohe vitale Resistenz inne, die sie befähigt, exogen für gewisse Zeit unter gewissen Bedingungen zu leben. Andrerseits unterliegen sie den typischen Einflüssen pathogener Spaltpilze, wie in analoger Weise die Myxosporidien der Fische.

Auf Grund der Charaktere der Krebszellen versucht B. das Phänomen der Krebsgeschwulst in seinen Einzelheiten zu erklären. Er berührt besonders die Fragen der Prädilektionsstellen der Initial- geschwülste, die Art der Ausbreitung im Körper, die Tatsache des stellenweise endemieartigen Auftretens der Erkrankung und viele andere. Die Übertragung des Karzinoms erfolgt nach B. nicht im Sinne der Infektion oder der Kontagion, sondern im Sinne der .,Kommunikation".

Erwiesen ist, daß Krebsgewebe außerhalb des Körpers lebens- fähig ist; daß es aber auch gleichzeitig vermehrungsfähig ist, bedarf noch beweisender Untersuchungen. Es ist innerhalb des Wirts- organismus übertragbar von Teil zu Teil und auch übertragbar von Wirt zu Wirt. Die parasitische Krebszelle wird dem Körper von außen zugeführt; ihr verfallen an erster Stelle immer Teile, welche bereits einer vorhergehenden Schädigung unterlegen haben. Die verschiedenen Formen der Krebsgeschwulst und deren wechselnde

294

Bösartigkeit erklärt B. durch eine verschiedene Virulenz der Krebs- zellen. Daß das jüngere Lebensalter fast Immunität gegen Krebs involviert, ist nach B. kein Beweis für die ünempfindlichkeit jüngerer Individuen, sondern nur dafür, daß der Krebs bei ihnen nicht zur Vermehrung gelangt. Zum Beweise erinnert er an die erfolgreichen Übertragungsversuche des Karzinoms auf junge Tiere, besonders Mäuse.

Nach B. muß das Studium des Karzinoms unter diesen Gesichts- punkten erneut aufgenommen werden. Es ist vor allem festzustellen, ob die Krebszelle, ihrer Natur nach erwiesenermaßen ein Lebewesen, auch außerhalb ihres Wirtes leben kann, und zwar unter welchen Bedingungen dies ermöglicht ist? Die künstliche Züchtung und die Übertragung der Krebszelle ist unter den verschiedensten Be- dingungen zu versuchen. Vornehmlich empfiehlt sich das Studium der einwandsfrei erwiesenen, natürlichen Übertragungsfälle.*)

Kaestner (Berlins

BoUinger, 0. v., Über Taenia cucumerina beim Menschen.

(Deutsches Archiv f. klin. Medizin, Bd. 84, 1905.)

Taenia cucumerina, der häufigste Bandwurm des Hundes und der Katze, kommt gelegentlich auch beim Menschen vor; T. c. ist auch beim Menschen Kosmopolit. Die von B. aus der Literatur zusammengestellten 39 Fälle betreffen 31 Kinder und 8 Erwachsene. Durch B. selbst wurden 4 Fälle von T. c. beim Menschen kon- statiert, 2 bei Frauen und 2 bei Kindern.

Das Finnenstadium von T. c. findet man als Zystizerkoid in der Hunde- laus (Trichodectes canis), im Hundefloh (Pulex serraticeps) und dessen Larve, sowie im Menschenfloh (Pulex irritans). Die reifen Glieder des Bandvninnes gehen spontan ab, bewegen sich in der Umgebung des Afters und gelangen aktiv und passiv, teilweise zertrümmert, in das Haarkleid des Wirtes. Stücke der eihaltigen Glieder und die freigewordenen Onkosphären werden von den genannten Hautparasiten gefressen und wandeln sich in diesen zu Zystizer- koiden um. Im Verdauungstraktus des definitiven Wirtes entwickelt sich das Zystizerkoid innerhalb 14—18 Tagen zum geschlechtsreif en Bandwurm.

Daß T. c. bei Kindern viel häufiger beobachtet wurde als bei Erwachsenen (76,740/o : 23,2GO/o; [d. Ref.]), ist nach B. bedingt durch den nahen Verkehr zwischen Kindern und Hunden, sowie durch den Umstand, daß Bandwürmer und deren Glieder aus naheliegenden

*) Ich halte den Nachweis, daß das Karzinom eine parasitäre Krankheit ist, durch die Arbeit Butlins keineswegs für erbracht J.

295

Gründen im Stuhle der Kinder leichter entdeckt und weniger über- sehen werden als beim Erwachsenen. B. glaubt, daß T. c. beim Menschen häufiger vorkommt, als beobachtet wurde, weil „T. c. vielen Ärzten ganz unbekannt ist und gelegentlich wohl mit den Gliedern von T. solium verwechselt wird". f. Schmin fStettinß.

Stroh, Rinderfinnenfunde bei Milch- und Saugkälbern.

(Zeitschr. f. Fleisch- und Milchhygiene, Jahrg. 16, 1905, S. 8—14 u. 40—47.)

Verf. untersuchte sechs Rinderfinnenfunde bei Saug- und Milch- kälbern und gelangte unter Berücksichtigung der bisher beschriebe- nen Finnenftinde bei Kälbern zu folgendem Ergebnis:

Spontane Rinderfinnenfonde bei Saugkälbern sind weniger selten als bisher angenommen wurde. Die Mehrzahl der Finnenfunde bei eigentlichen Saug- kälbern betrifft Fälle mit einer anscheinend von der Norm abweichenden Be- schaffenheit; es findet eine besonders intensive lokale Gewebsreaktion statt, die als eine Folge der zarten und wenig widerstandsfähigen Gewebsbeschaffenheit bei Saugkälbern anzusehen ist. Dagegen kommen bei alten, sogenannten Milch- kälbem, Finnen bereits in typischer Form zur Beobachtung. Am stärksten ist das Herz von der Invasion betroffen. Es ist nicht anzunehmen, daß die Finnenfunde bei Saugkälbern auf intrauterine Infektion der Kälber mit Band- wurmbrut zurückzuführen sind. Schülkr (Stettin).

Bansom, B. H., A new nematode (Gongylonema ingluvi- cola) parasitic in the crop of chickens.

(U. S. Departm., Bureau of anim. Industry, Bulletin Nr. 64, 1905.)

Bei der Sektion eines Huhnes fand R. in der Schleimhaut des Kropfes eine Anzahl von Nematoden in kleinen Löchern sitzen, die durch ihre Ähnlichkeit mit dem beim Rindvieh im Ösophagus para- sitierenden Gongylonema scutata auffielen. Die genauere anatomische Untersuchung ergab, daß es sich um einen neuen Parasiten handelte, den R. zur Gattung Gongylonema stellte und als Gongylonema ingluvicola bezeichnete. Für die Bestimmung des Schmarotzers gibt der Verf. unter Hinweis auf eine spätere ausführliche Mit- teilung die Hauptkennzeichen an. Pfeiler (Neapeh.

Bailliet, A. et Henry, A., ün nouveau Sclerostomien (Tri- odontophorus deminutus nov.sp.) parasite de l'homme.

(Corapt rend. de la Soc. de Biologie. Bd. 58, 1905, S. 569.)

Verff. studierten im naturhistorischen Museum zu Paris einen Nematoden, der einen neuen Parasiten des Menschen repräsentiert

296

Sie geben eine Beschreibung des Wurmes. Familie: Strongylidae; Unterfamilie: Sclerostominae. 1 Männchen und 1 Weibchen, geflinden 1865 von Monestier im Darme eines afrikanischen Negers.

F. Schmitt (Stettin).

Bailliet, 1. et Henry, A., Encore un nouveau Scl6rostomien (Oesophagostomum Brumpti nov. sp.) parasite de Thomme.

(Compt. rend. de la Soc. de Biologie. Bd. 58, 1905, S. 643.)

Morphologische Notizen über 6 unreife weibliche Exemplare eines Nematoden, den Brumpt 1902 in Knötchen des Blind- und Grimmdarmes eines afrikanischen Negers fand. Familie : Strongylidae ; Unterfamilie Sclerostominae. F- Schmitt (Steäin).

Omeiner, Die Sarkoptesräude der Kaninchen.

(Archiv f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilk., Bd. 32, 1906, S. 170—185.)

Verf. gibt eine Monographie der Sarkoptesräude der Kaninchen. Nach einem ausführlichen historischen Überblick werden der Biologie des Krankheitserregers und den klinischen Symptomen eigene Kapitel gewidmet; es folgen danach Übertragungsversuche und die Wirkungsresultate aller in Betracht kommenden Antiparasitica. Zu diesen Versuchen wurden nicht nur die einzelnen Abkömmlinge des Teers und Verwandtes herangezogen, sondern auch die Alkalien, Säuren, Metalle, Metalloide, Öle, Äthereo-Oleosa usw. Therapeutisch erzielte G. bei den an vielen Kaninchen und im Laufe mehrerer Jahre unternommenen Versuchen die besten Erfolge mit dem Oleum Carvi, das er in 5 proz. Salbenform (mit Adeps suillus) empfiehlt. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die durch Sarcoptes minor (Notoedres cuniculi) bedingte Räude des Kaninchens faßt 6. in folgenden Sätzen zusammen:

1. Die Räude befällt vorwiegend Nase, Lippen und Stirn der Tiere, in charakteristischer Art insbesondere die Augen, deren Umgebung grangelbe Krustenanhäufungen in ring- bzw. brillen- förmiger Anordnung aufweist.

2. Eine erfolgreiche Übertragung dieser Sarkoptesmilbe von Kaninchen auf andere Tierarten findet nicht statt, dagegen beobachtet man in Einzelfällen beim Menschen Ansteckungen in Form vorübergehender, nur Juckgefühl und Rötung auslösender Hautaffektionen, welche rasch von selbst wieder abheilen.

3. Von der Haut des Kaninchens abgefallene Milben bleiben bei Zimmertemperatur im Maximum vier Tage, bei 0^ ebensolange, bei höchstens acht Stunden lebensfähig. In feuchter Umgebung

297

bzw. im Wasser vermögen sie bei 16—25" bis zu einer Dauer von sechs Tagen am Leben zu bleiben. Somit kann in Kaninchenstallungen, in denen räude- kranke Tiere sich aufhielten, die Ansteckungsfähigkeit im äußersten Falle eine Woche lang sich erhalten.

4. Unter den Antiparasitica nimmt die Gruppe der ätherischen Ole die erste Stelle ein; praktisch eignet sich am besten das ätherische Oleum Carvi, das, 5proz. in Salbenform angewendet, als billiges reizloses, dabei absolut sicheres und rasch wirkendes Bäudemittel allen anderen vor- zuziehen ist. r, Sande (Frankfurt a. Mj.

Ablaire, H., Sur une dermatose estivale (alopecie myasique) du cheval.

(Recueil de m6d. v^t, Bd. 82, 1905, S. 538—547.)

Cadiot verlas in der französischen Zentralgesellschaft fiir Yeterinärmedizin einen Bericht unter dem vorstehenden Titel. Nach demselben hat A. im Maastale bei Pferden im Sommer oder gegen Ende des Frühlings ein serpiginöses unter Haar- ausfall verlaufendes Hautleiden an den Seitenflächen der Unterkiefergegend und an den Backen beobachtet. Nach den ganzen äußeren Umständen ist A. geneigt, diese Affektion auf Stiche von Fliegen zurückzuführen, die besonders im Maastale vorkommen.

In der sich anschließenden Diskussion heben sowohl Cadiot als auch Railliet und Barrier hervor, daß es sich im vorliegen- den Falle mit großer Wahrscheinlichkeit um eine AflFektion handelt, die durch nach dem Maule der Pferde wandernde Larven von Gastro- philusarten erzeugt werde und die schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Italien und Frankreich beobachtet und in ihrer Ätiologie aufgeklärt wurde. Junadc (Breslau).

Herzog, M., Zur Frage der Pestverbreitung durch Insekten. Eine neue Spezies von Rattenfloh.

(Zeitschr. f. Hygiene und Infektionskrankh., Bd. 51, 1905, S. 268—282.)

Unter Voranstellung der Literatur über diesen Punkt kommt Verf. auf Grund seiner Untersuchungen und Beobachtungen zu dem Ergebnis, daß durch Flöhe, Fliegen usw. in der größten Mehrzahl der Fälle die Pest auf Menschen und Versuchstiere nicht über- tragen, wird. Er fiihrt jedoch einen Fall an, der seines Erachtens nach durch Pedikuli bedingt wurde. Außerdem beschreibt er einen bei den Ratten Manilas vorkommenden Floh, Pulex philippinensis nov. spec, der nach seinen Versuchen die Haut des Menschen

nicht ansticht. Bugge (Kiel).

298

Hygiene im engeren Sinne.

Völtz, W., Stallftitterung und Weidegang vom biologischen Gesichtspunkte.

(Deutaeho Landw. Presse, 32. Jahrg., 1905, Nr. 81, S. 682.)

Autorreferat eines über dieses Thema auf dem VILl. inter- nationalen tierärztlichen Kongreß in Budapest am 5. September 1905 gehaltenen Vortrages. Khiäh (Berlin).

Scbennert, A., Über den Einfluß der Körperbewegung auf die Verdauung und Nährstoffabsorption des Pferdes.

(Archiv f. d. ges. Physiologie, Bd. 109, 1905.)

Bisher war man sich über den Einfluß der Körperbewegung auf die Verdauung nicht im klaren. Die von den meisten Autoren vertretene Ansicht war die, daß die Verdauung durch die Körper- bewegung ungünstig beeinflußt werde. Die vom Verf. unter Ellen- bergers Leitung ausgeführten umfangreichen Untersuchungen haben ergeben, daß diese Anschauung fallen gelassen werden muß. Die Untersuchungen Schs. bezweckten, den Einfluß festzustellen, den eine sogleich nach erfolgter Nahrungsaufnahme stattfindende Körperbewegung auf die Vorgänge der Verdauung und Nährstoff- absorption des Pferdes ausübt. Aus der vom Verf. gegebenen Zusammenfassung der Hauptergebnisse seiner Untersuchungen sind folgende Sätze hervorzuheben:

1. Die während der Verdauung stattfindende Körperbewegung be- einflußt die Bewegungen des Magens in der Weise, daß die Beförderung des Mageninhaltes nach dem Dünndarm, also die Entleerung des Magens erheblich verzögert wird, so daß man demnach von einem die Magenbewegung hemmenden Einfluß der Körperbewegung sprechen kann.

2. Der Mageninhalt der bewegten Tiere ist stets reicher an Wasser als der der ruhenden.

8. Der hohe Wassergehalt des Mageninhaltes bewegter Tiere ist in erster Linie auf eine durch die Körperbewegung hervorgerufene, gesteigerte Wasser- sekretion der Magenschleimhaut und nur geringgradig auf die gehemmte Wasserbeförderung nach dem Darm zurückzuführen.

4. Trotz des hohen Wassergehaltes tritt auch bei den nicht nur im Schritt, sondern auch im Trabe und ausnahmsweise auch im Galopp bewegten Tieren eine Durchmischimg des Mageninhaltes durch die Bewegungen des Magens nicht ein.

5. Die im Magen des Pferdes recht erhebliche Kohlehydratverdauung wird durch die Körperbewegimg bedeutend gesteigert.

299

6. Die Verdanang der stickstoffhaltigen Bestandteile der Nahrungsmittel bzw. des Eiweißes im Magen wird in der ersten Stunde nach der Nahrangs- anfnahme durch die Körperbewegung erheblich herabgesetzt, in den späteren Verdauungsstunden dagegen gesteigert; die Proteolyse ist also beim ruhenden Pferd zunächst bedeutender, später aber geringer als beim bewegten.

7. Die Körperbewegung regt die gesamte Magensaftsekretion und damit auch die Sekretion der Enzyme und der Salzsäure an.

8. Nicht nur die Verdauung, sondern auch die NährstofPabsorption des Magens wird durch die Körperbewegung gefördert.

9. Die gesamte Verdauung der Nährstoffe einer aufgenommenen Mahlzeit wird durch die Körperbewegung erheblich beeinflußt, und zwar gefördert

10. Die Gesamtaufsaugpmg erfährt ebenfalls eine erhebliche Förderung durch die Körperbewegung.

11. Tiere, welche vor der Mahlzeit bewegt wurden, ohne daß Über- mfidung eintrat, und die dann während und nach der Mahlzeit ruhten, ver- hielten sich wie ruhende Tiere. J.

Blanchard, B., Accidents caas6s par une Gramin6e ameri- caine (Stipa Neesiana).

(Recueil de med. vet, Bd. 82, 1905, 8. 504—509.)

B. beschreibt Erkrankungen, die namentlich in Südamerika durch eine Stipaart, von denen auch in Deutschland zwei Arten unter dem Namen Pfriemengras bekannt sind, besonders bei Schafen erzeugt werden. Sind nämlich die Früchte der Stipa Neesiana reif, so werden sie samt ihren langen und steifen Spelzen durch den Wind fortgetragen, und zwar oft in so großen Mengen, daß sie die Felder wie Stoppeln bedecken. Werden nun große Mengen dieser Flechilla, wie sie in Argentinien heißen, von den Schafen aufgenommen, so gehen diese oft an multiplen Ulze- rationen des Verdauungstraktus zugrunde. Besonders häufig sind auch Konjunktivitiden, Hornhautgeschwttre und Panoph- thalmien, die mit Erblindung der Tiere endigen. Rambouillet- Schafe leiden häufig an Klauenleiden und daran sich anschließenden Septikämien und anderen Infektionen. B. hält es nicht für aus- geschlossen, daß die in Argentinien so häufige Rinderaktinomykose durch die Flechilla mit übertragen wird.

In Frankreich ist diese Erkrankung nie beobachtet worden, wohl aber bei einigen aus Rußland nach Paris importierten Rindern

und Schafen. Junack (Breslau).

300

Untersuchungsmethoden.

Hflller, 0., Über den Nachweis von Typhusbazillen im Trink- wasser mittelst chemischer Fällungsmethoden, ins- besondere durch Fällung mit Eisenchlorid.

(Zeitschr. für Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 51, 1905, S. 1—17.)

Verf. gelang es, ein sehr einfaches Verfahren zur Fällung von Bak- terien aus Wasser auszuarbeiten. Drei Liter des verdächtigen Wassers, das einen geringen Kalkgehalt haben muß, werden in hohen Glas- zylindern mit 5 ccm liquor fern oxychlorati versetzt. Nach grund- lichem Umrühren mit einem Glasstabe läßt man eine halbe Stunde absetzen, gießt das überstehende Wasser ab und filtriert den lockeren Niederschlag auf Papiei-filtör ab. Dieser auf dem Filter bleibende Niederschlag wird dann auf Agarplat'ten verstrichen. Bei ver- gleichenden Versuchen konnte der Verf. auf diese Weise den bei weitem größten Teil der ausgesäeten Typhuskeime in dem Nieder- schlag wiederfinden. (Diese einfache Methode dürfte sich auch zum Nachweis von Milzbrandkeimen in Abwässern aus Leder-, Bürsten-, Zuckerfabriken usw. eignen. [Ref.]) Bugge (Kiel).

v. Wasielewski, Th., Über die Technik des Guarnierischen Impfexperimentes und seine Verwendung zum Nach- weis von Vakzine-Erregern in den inneren Organen von Impftieren.

(Münchener med. Wochenschr., 52. Jahrg., 1905, Nr. 25.)

V. W. ist der Meinung, daß es beim Nachweise der Pocken- und Vakzine-Erreger hauptsächlich darauf ankomme, die- selben von den in Organen und Körpersäften pockenkranker wie vakzinierter Tiere und Menschen vorhandenen Zell- detritusmassen zu unterscheiden, v. W. bezeichnet die Guarnierische Impfmethode als diejenige, welche dieser For- derung zurzeit am besten entspräche, da die Homhautepithelzellen von störenden Einschlüssen frei seien und die Guarnierischen, im Zellprotoplasma liegenden Vakzinekörperchen verhältnismäßig gut erkennen lassen. Sowohl durch Serienschnitte als auch dui-ch mikro- skopische Untersuchung von Epithelfetzen der mit einer Lanzett- nadel geimpften Hornhaut könne man sich von dem Vorhandensein

301

der Vakzinekörperchen in den Epithelzellen überzeugen. Diesen mikroskopischen Befund sichert W. dann auch noch durch weiter fortgesetzte Impfungen.

Die Frage, ob die Vakzinekörperchen die Vakzine-Erreger selbst, oder ob sie nur ein Anzeichen des Vorhandenseins der letzteren sind, läßt v. W. noch oflFen, indem er den Nachweis der spezifischen Körperchen für diagnostische und experimentelle Zwecke vorläufig fiir genügend erachtet. Als zuverlässigste Färbungsmethode der Vakzinekörperchen bezeichnet v. W. die Biondische Mischung: Methylgrün-Fuchsin nach vorangegangener Sublimatfixierung.

Die Behauptung Siegels, daß die Vakzinekörperchen bei Ka- ninchen schon zwölf Stunden bis drei Tage nach der Hornhautimpfung im Blut und in den Organen auftreten, wird nach v. W. durch das Guarnierische Impfexperiment nicht gestützt, denn v. W. und Haus er haben bisher nur einmal, und zwar am fünften Tage nach der Hornhautimpfung, Vakzinekörperchen in der Niere nachweisen

können. steinbrück (Berlin).

T. ZebrowskI, E., Zur Frage der Untersuchung der pleuri- tischen Exsudate auf Tuberkelbazillen.

(Deutsche med. Wochenschr., 31. Jahrg., 1906, 8. 1425—1426.)

Bekanntlich hat Jousset im Jahre 1903 eine einfache Methode zum Nachweis von Tuberkelbazillen in gerinnbaren Flüssigkeiten angegeben, eine Methode, die er „Inoskopie" nannte. Sie besteht im wesentlichen in der künstlichen Verdauung der die Bakterien enthaltenden Gerinnsel. Da Verf. fand, daß die Joussetsche Methode mit gewissen Mißständen verbunden ist und daß überdies die Tuberkelbazillen (entgegen den Angaben Joussets) auch im Niederschlag der langsamer gerinnenden Exsudate nachweisbar sind, so wendet er ein Verfahren an, das dem Jousset sehen entgegen- gesetzt ist: Er hält, um einen möglichst ausgiebigen Nieder- schlag zu erhalten, die Gerinnung durch Zusatz einer Phthornatronlösung auf und untersucht den zentrifugierten Niederschlag. (Näheres über die Methode ist im Original nachzu-, lesen.) Verf. fand sein Verfahren bei der Untersuchung einer größeren Zahl von Exsudaten bewährt. j.

302

Schnflrer, J., Zur diagnostischen Verwertung der Eotz- agglutination.

(Zentralbl. für Bakt. etc., Bd. 39, 1905, S. 180—187.)

Sch. bestimmt die Dichte der zur Agglutinationsprttftmg zu benutzenden Rotzbazillenaufschwemmung nach dem Prinzip des Feserschen Laktoskops. Ein kleines Kästchen mit geschwärzten Wandungen dient zur Auftiahme einer Eprouvette, in welche eine kleine Menge der Emulsion gegossen wird. Die Vorderseite des Kästchens hat einen 3 mm breiten, 3 cm hohen Schlitz; die Hinter- seite wird durch eine milchweiße Porzellanplatte gebildet, auf welcher 5 tiefschwarze 1 mm dicke Striche, je I mm von einander entfernt, gezeichnet sind. Die Bakterienemulsion hat den richtigen Grad der Verdünnung, wenn bei Betrachtung gegen eine konstante Lichtquelle eben die Zählung der 5 Striche möglich wird. Diese Methode hat vor den bisherigen Angaben über die Festsetzung der Dichte der Aufschwemmung jedenfalls den Vorzug der größeren Genauigkeit. Der Artikel enthält noch eine Anzahl weiterer Einzelheiten über die Technik des Agglutinationsverfahrens.

Grabert (Berlin).

Litschi/t für hfikäansIcrankJmten etc der Haustiere J,Z. J06St, SchafpOcken .

' '< uifiuj ffutu. . <•/; Berlin S

Originalarbe

(Aus dem Kgl. Institut für Infektionskrankheiten in Berlin.)

Zur Heilung akuter Infektionskrankheiten mittelst spezifischer Sera.*^)

Von Prof. Dr. Albert SehAtze.

Durch die Entdeckung der Antitoxine, insbesondere durch die Einfuhrung des Behringschen Diphtherie-Heilserums in die Therapie, hat die Frage, wie lange sich ein Immunserum im Organismus wirksam erhält, ein aktuelles Interesse gewonnen. Namentlich, nachdem Stimmen von hervorragenden Klinikern, u. a. von Heubner, sich erhoben hatten, die auf Grund ihrer praktischen Erfahrungen der Anwendung des Diphtherieantitoxins nicht allein als Heilmittel, sondern als Prophylaktikum das Wort redeten, mußte es von großem Wert sein, durch exakte experimentelle Untersuchungen die Zeit- grenze zu bestimmen, bis zu der die passive, durch Zuführung des Diphtherieserums erzielte Immunität währt, wann die Ausscheidung der Schutzstoffe beginnt und beendet ist.

Durch die Arbeiten von Behring, Ehrlich und vielen anderen Autoren haben wir ja die Erkenntnis gewonnen, daß Tiere, die mit Injektionen allmählich steigender Dosen einer Bakterienart behandelt werden, und die dabei stets eine bestimmte, durch einen mehr oder weniger hohen Temperaturanstieg gekennzeichnete Reaktion durch- zumachen haben, welche wir als einen Indikator für den Vorgang der Produktion von Schutzstoffen ansehen, zwar längere Zeit zur Er-

*) Die VeröffentHchnng dieser Arbeit, deren experimentellen Ergebnisse in einem Beitrag des Verf. zar Festschrift für R. Koch bereits kurz mitgeteilt worden sind, hat aus äußeren Gründen eine Verzögerung erfahren.

Zeitachrlft far Infektionskrankheiten. I, 4/5. 20

304

Zeugung dieser Substanzen brauchen als jene Tiere, denen das durch aktive Immunisierung hergestellte Serum in fertigem Zustande einverleibt wird, daß aber eine solche aktive Immunität dem Or- ganismus einen länger dauernden Schutz verleiht als die passive.

Wenn wir die Arbeiten in der Literatur durchmustern, die sich mit dieser Frage beschäftigen, so ist hier zuerst eine Ab- handlung von Loos zu nennen, der das Verhalten des Blutserums gesunder und diphtheriekranker Kinder zum Diphtherietoxin zum Gegenstand eingehender Untersuchungen gemacht hat. Loos kommt auf Grund seiner Tierexperimente zu dem Schluß, daß durch In- jektionen größerer Mengen von Heilserum die antitoxischen Eigen- schaften des Blutes eine Änderung, und zwar eine Vermehrung erfahren können, deren Zeitdauer allerdings noch nicht festgestellt worden ist, wenn auch die sogenannten prophylaktischen Ein- spritzungen des Serums nach seinen Untersuchungen eine Veränderung in den antitoxischen Fähigkeiten des Blutserums nicht hatten er- kennen lassen. Nur in einem Fall ist es durch wiederholte Unter- suchung möglich gewesen, eine Vermehrung antitoxisch wirkender Substanzen nach dem natürlichen Überstehen der Diphtherie fest- zustellen. Aufgabe des weiteren Studiums mußte es nun sein, in genauer quantitativer Weise die zeitliche Dauer der durch künstliche Zufuhr von Antitoxin herbeigeführten Änderung des Blutes zu erforschen. Hier setzt die Arbeit Passinis aus Wien ein, der über die Dauer der antidiphtherischen Schutzimpfung eingehende Ver- suche angestellt hat, um einen Anhaltspunkt zu gewinnen, nach dem die Dauer der Wirkung der Präventivimpfting bemessen werden kann. Daß letztere, also die passive Immunisierung mit dem antidiphtherischen Serum überhaupt gelingt, war ja zweifel- los erwiesen, und wenn es auch wahrscheinlich war, daß dieselbe so lange währt als die eingeführten Schutzstoffe in der genügenden Konzentration im Organismus verweilten, so fehlten doch noch aus- gedehntere experimentelle Beweise hierfür. Nachdem bereits an Escherichs Klinik nach Injektionen von einer zu Heilzwecken vor- genommenen Antitoxinmenge Veränderungen im Menschenblutserum konstatiert worden waren, schien es aussichtsvoll zu sein, durch mehrfache Blutentziehungen an denselben Individuen nach einer vorausgegangenen Präventivinjektion die allmähliche, durch den Stoffwechsel hervorgenifene Ausscheidung der Schutzkörper zu ver- folgen. Passini ging in richtiger Beurteilung der Verhältnisse

305

ftir die Praxis so vor, daß er diese Versuche an größeren Tieren, und zwar an Ziegen und Pferden, sowie am Menschen ausführte, indem er stets zur passiven Immunisierung 200 Antitoxineinheiten anwandte und ab Prüfiingsmittel für den Wert des Serums sich des Meerschweinchens bediente. In allen Fällen wurde das Serum der in den Versuch eingestellten Tiere vor der Behandlung in gleicher Weise, d. h. nach Zusatz der auch für die späteren Ex- perimente bestimmten Giftdosis geprüft. Es hatte sich hierbei ge- zeigt, daß selbst eine große Menge, 5—6 ccm, des vor der Anti- toxininjektion entnommenen Ziegenserums die Toxinwirkung in keiner Weise beeinflußte, indem die Tiere, die mit dem Serumgiftgemisch behandelt worden waren, ebenso erkrankten wie solche, die Gift allein erhalten hatten.

Passini konnte durch seine Experimente dartun, daß das Serum einer 24 kg schweren Ziege, 30 Minuten nach der intra- venösen Injektion von 200 Antitoxineinheiten entzogen, in einer Dosis von 2,0 ccm + 0,05 Gift an Meerschweinschen ein am 5. Tage wieder versch\^amdenes leichtes Infiltrat hervorrief, während das Serum des gleichen Tieres vor der Behandlung desselben den Tod des Meerschweinchens nicht zu hindern vermochte. Die neutra- lisierende Kraft des Immunserums sank aber bis zum 3. Tage derart, daß das Meerschweinchen schwerere Symptome darbot, ohne zu sterben; 6 Tage post infectionem allerdings konnten die Tiere nicht mehr gerettet werden, so daß also nach dieser Zeit ein Auf- brauch der Schutzstoffe konstatiert werden konnte. Dasselbe Resultat ließ sich auch an einem für diesen Zweck zur Verfllgung gestellten Pferd erzielen. Auch beim Menschen wurden, wie bei der Ziege, um den elften bis zwölften Tag post injectionem bereits keine der einverleibten Substanzen mehr angetroffen, so daß, ins Praktische tibertragen, wir aus diesen Versuchsreihen den Schluß ziehen können, daß über 10—11 Tage hinaus keine Schutzwirkung von der Präventivimpfung zu erwarten steht. Allerdings ist hier- bei zu berücksichtigen, daß es sich bei diesem Nachweis ja nur um einen Teil der 200, dem Körper zugefiihrten Antitoxineinheiten handelt, nämlich um den frei im Blut zirkulierenden Teil. Inwieweit auch den Geweben ein Absorptionsvermögen fiir die Immunisierungs- stoffe unter Umständen zuerkannt werden muß, zeigen die Versuche z. B. bei der Lyssa von Centanni, der daraufhinwies, daß Muskel- saft, Leber, Niere und Milz nur ganz geringe Mengen dieser

20*

- 306

Stoffe in sich auftiehmen, im Gegensatz zum Nervensystem, das sehr bald eine stark schützende Fähigkeit erlangt.

Nehmen wir für die Diphtherie ein ähnliches Verhalten an, 50 würde immerhin trotz der Herabsetzung des im Serum ent- haltenen Schutzwertes ein Fortbestehen der Heilserumwirkung möglich sein, wenn sich dieselbe am Menschen freilich auch nicht durch das Experiment nachweisen läßt. Diese Tatsache, daß die antidiphtherischen Schutzstoffe bereits nach 10 11 Tagen im Blutserum nicht mehr angetroffen werden, steht übrigens im Ein- klang mit den von Tizzoni und Cattani für die Ausscheidung des Tetanusantitoxins erhaltenen Resultaten, die uns noch weiter unten deswegen genauer beschäftigen werden, weil in dieser Arbeit*) in eingehender Weise die Frage nach der Wirkungs- dauer verschiedener, von homologen und heterologen Tierarten gewonnener Immunsera behandelt worden ist. Diese Erwägungen fiihrten zu der Annahme, daß der Schutzwert einer Präventiv- impftmg von 200 Antitoxineinheiten des Diphtherieheilserums etwa auf drei Wochen zu berechnen wäre.

Kossei sowohl wie Passini hielten es fiir geraten, bei der Ausfuhrung der prophylaktischen Behandlung nach dieser Zeit eine Wiederholung der Injektion vorzunehmen, allerdings nicht in einer höheren Dosis, da nach Behring hierdurch ein länger dauernder Schutz nicht erzielt wird, «weil „um so mehr Antitoxin ausgeschieden wird, je konzentrierter es im Blute vorhanden ist". Wenngleich nun auch durch die Versuche Passinis eine Veränderung im Serum einiger mit prophylaktischen Diphtherieseruminjektionen behandelten Individuen nachgewiesen war, so hatte hiermit diese Frage bei weitem noch nicht ihre Erledigung geftinden, zumal die konstatierte Veränderung des Blutserums eine verhältnismäßig geringwertige war, und das zu den Experimenten benutzte Serum von solchen schon von der Natur geschützten Individuen herrührte. Unter diesen Umständen war eine Erweiterung dieser Versuche sehr wünschens- wert, und es muß E. Müller als ein großes Verdienst angerechnet werden, daß er, unabhängig von Loos und Passini, die Lösung dieser fiir die Praxis überaus wichtigen Frage in Angriff genommen und durch zahlreiche, in der Heubnerschen Kinderklinik in Berlin ausgeführte Versuchsreihen wesentlich gefördert hat. Für die

*) Berl. kliii. Wocbenschr. 1893, Nr. 49.

307

Beurteilung dieser Arbeit kommt als besonders wertvolles Moment in Betracht, daß das notwendige Material an Toxin und Antitoxin von der berufensten Seite, nämlich von den Entdeckern des Diph- therieheilserums, Behring und Ehrlich, bezogen werden konnte, die an der dauernd ausgeffthrten Kontrolle bezüglich der Be- ständigkeit der zur Verfügung gestellten Substanzen Anteil nahmen.

Es wurde in dieser Arbeit zum ersten Mal in sechs großen Versuchsreihen in einwandfreier, quantitativer und in einer zugleich einen Rückschluß auf die natürlichen Ausscheidungsverhältnisse des Diphtherieheilserums zulassenden Weise diese Verhältnisse zum Gegenstand einer umfangreichen experimentellen Studie gemacht, so daß es sich wohl verlohnt, etwas ausführlicher hierauf einzugehen. Erstens wurden nur bei solchen Kindern Serumprüfungen vor- genommen, die vor der Immunisierung keine Schutzstoffe in ihrem Blute besaßen, und zweitens war bezüglich der Beurteilung des Ausfalls der Versuche stets der Gedanke maßgebend, nur wirklich überzeugenden Resultaten eine bindende Beweiskraft beizumessen, da ja jedes normale Serum, wenn es in verhältnismäßig großen Dosen gegenüber kleinen Giftmengen geprüft wird, gewisse anti- toxische Eigenschaften entfalten kann. Außerdem wurde bei der Prüfung des von Kindern stammenden Serums so vorgegangen, daß dasselbe niemals getrennt, sondern stets mit Toxin gemischt, dem Meerschweinchenkörper subkutan einverleibt wurde, da diese Methode nach den Erfahrungen von Behring und Ehrlich die sicherste Beurteilung der antitoxischen Kraft der Sera in Aussicht stellte.

Zur Immunisierung der Kinder wurden am häufigsten 1000 Anti- toxin-Einheiten (A.-E.j, einigemale sehr große Dosen, nämlich 5000 A.-E. injiziert. Das nach verschieden langer Zeit (1, 3, 5, 6, 7, l^ 12, 17*, 18, 20, 21, 28, 30, 31, 37, 41 Tagen) mit einem Schröpf- köpf gewonnene Blutserum wurde in einer Dosis von 1 ccm, mit 10 tödlichen Minimaldosen Toxin vermischt, oder, wenn hierdurch keine Neutralisation erreicht werden konnte, 2 ccm mit 5 tödlichen Minimaldosen vermischt, dem Tierkörper einverleibt. Es würde zu weit führen, diese Versuche in extenso hier wiederzugeben. Es sei daher auf die ausführliche Arbeit im Jahrbuch für Kinderheil- kunde N. F. Bd. 44 hingewiesen. Das Eine geht jedenfalls unzweifel- haft aus diesen Experimenten hervor, was uns auch schon die analogen Ergebnisse von Loos und Passini gelehrt haben, daß das Diphtherie-Heilserum nach seiner Injektion die in ihm ent-

308

haltenen schützenden Stoffe in den kindlichen Organismus abgibt, in dem sie dann verschieden lange Zeit nachweisbar sind. Während das eine IV4 Jahre alte Kind noch am 17. Tage reichlich Anti- toxine im Blute besaß, die erst am 22. Tage ausgeschieden waren, hatte ein etwa gleich altes Kind dieselbe Menge an Schutzstoffen nur am ersten Tage, wohingegen bereits am 5. Tage die Aus- scheidung ihren Anfang genommen hatte.

Von besonderem Interesse ist noch der von E. Müller er- hobene Befund, daß sich ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis zwischen der Größe der gewählten Heilserumdosis und dem Grade, sowie der Dauer der Immunität nicht, oder wenigstens nur inner- halb gewisser Grenzen, wie dies an Beispielen zahlenmäßig nach- gewiesen wurde, beobachten ließ. Allerdings wurde bei einer Immunisierung mit 250 A.-E. als äußerster Termin fiir einen wesent- lichen Antitoxingehalt des Blutes der 6. Tag festgestellt, während nach einer Einverleibung von 1000 A.-E. einige Kinder 7, eines 9 und ein anderes 17 Tage Antitoxin in seinem Serum beherbergte. Indessen gelingt es nicht, beispielsweise durch eine Injektion einer entsprechend größeren Menge auch einen parallel hiermit gehenden, länger dauernden Schutzwert dem Organismus zu verleihen, wenn freilich auch Müller nach einer einmaligen Injektion von 5000 A.-E. bei einer Prüfung von 1 ccm Serum gegenüber 10 tödlichen Dosen Diphtherietoxins noch am 31. Tage einen Schutzwert konstatieren konnte.

Die Arbeit von E. Müller bildet jedenfalls eine wesentliche Bestätigung der schon klinischerseits gemachten Erfahrung, daß die durch eine präventive Diphtherieseruminjektion dem Organismus zugeführten Schutzkräfte im allgemeinen nach 3 Wochen wieder ausgeschieden sind und liefert zugleich den experimentellen Bew^eis, daß durch eine wiederholte Einspritzung von Diphtherieserum nach Ausscheidung des Serums ein erneuter, bis 4 Wochen währender Schutz eintreten kann.

Im Einklang mit diesen Resultaten stehen die Arbeiten, die sich in analoger Weise mit dem Aufbrauch des Tetanusantitoxins beschäftigen und die namentlich im Hinblick auf die von uns selbst angestellten Experimente wertvolle und interessante Aufschlüsse ergeben haben. Bezüglich der Zeitdauer der Immunität liegen Be- obachtungen von K. Vage des vor, der über Antitoxinausscheidung bei einem mit Tetanusserum behandelten Menschen berichtet und

309

fand, daß das in den Körper gebrachte Tetanusantitoxin (30 g Trockensubstanz eines Serums vom Immunisierungswert 5 000 000) innerhalb von 11 Tagen aus dem Harn verschwand, und das Blut- serum nach 18 Tagen nur noch eine geringe Schutzkraft entfaltete. In einer ausführlichen Arbeit von Nocard, der durch die prophy- laktische Injektion 375 Tiere (327 Pferde, Esel und Maulesel, 47 Schafe und 1 Ochsen) in einer Gegend, die als besonderer Krankheitsherd flir den Tetanus galt, vor der Infektion geschützt hat, indem er im Verlauf von 14 Tagen zweimal den größeren 20 ccm, den kleineren 10 ccm seines Antitoxins einverleibte, kommt dieser Forscher zu dem Schluß, daß die Immunität nur von kurzer Dauer ist und 4—6 Wochen beträgt.

War schon durch die Gewinnung eines 3 bis 4, ja 6 Wochen Schutz gewährenden Serums ein großer Fortschritt erzielt, so mußte doch das Bestreben der auf diesem Gebiete arbeitenden Forscher darauf gerichtet sein, wenn irgend möglich, durch eine einmalige Injektion noch einen höheren Grad von Immunität zu er- reichen und ein Serum zu gewinnen, in dem länger als dies bis- her der Fall war, die SchutzstofFe erhalten bleiben. So war es denn nicht zu verwundem, daß bald nach der Entdeckung des Diphtherie- und Tetanusantitoxins namentlich von Behring ein- gehende Studien nach dieser Richtung hin vorgenommen wurden, worüber er teilweise in seiner Blutserumtherapie (Teil I und II, Leipzig 1892) berichtet.

Nachdem es schon seit längerer Zeit bekannt war, daß bei der Transfusion homologen Blutes die injizierten morphologischen und chemischen Bestandteile leichter assimiliert werden und eine spätere Ausscheidung und Zersetzung erfahren als bei der hetero- logen Transfiision, nachdem also hierbei ein deutlicher Unterschied zwischen den verschiedenen Blutarten zutage getreten war, und man w^eiterhin die Erfahrung gemacht hatte, daß in der Entfaltung der toxischen Wirkung eines homologen und heterologen Serums nach Einverleibung desselben in den tierischen Organismus Ab- weichungen vorkommen, so lag an sich der Gedanke nahe, die Eigenschaften der von verschiedenartigen Tieren gewonnenen Immunsera, mit Rücksicht auf die Dauer der ihnen innewohnenden Schutzkraft, auf experimentellem Wege zu ergründen. So haben bereits vor mehr als einem Dezennium Tizzoni und Cattani sich in eingehenden und verdienstvollen Untersuchungen über die

310

Immunität gegen Tetanus mit der Frage beschäftigt, welcher Ein- fluß den zoologischen Unterschieden zwischen den aktiv immuni- sierten, und mithin das Serum fiir die passive Immunisierung liefernden Tieren und denjenigen Tieren, welchen dasselbe ein- verleibt wird, zuzuschreiben ist. Abgesehen von der wissenschaft- lichen Bedeutung dieses Problems, das uns zugleich zu entscheiden gibt, ob das von den Tieren verschiedener Spezies herrührende Antitoxin seiner Zusammensetzung und seinen physiologischen Eigenschaften nach immer dasselbe ist oder nicht, besitzt die Frage ein außerordentlich großes praktisches Interesse. Denn sollte der Nachweis erbracht sein, daß bezüglich der Dauer der passiven Immunität Unterschiede sich geltend machen, die ihren Ursprung in der Herkunft des zur Immunisierung verwandten Serums be- sitzen, so müssen wir naturgemäß bezüglich der Auswahl der für die Behandlung des Menschen zu benutzenden Immunsera dieser auf experimentellem Wege festgestellten Tatsache besondere Be- achtung schenken. Denn das Bestreben mußte vor allem darauf gerichtet sein, ein Serum zu erzeugen, das einen möglichst hohen Grad von Schutz verlieh und zugleich eine möglichst lange dauernde Immunität zu schaffen geeignet war. Also mit anderen Worten: Es galt, gleichgültig, ob es sich darum handelte, eine Krankheit zu verhüten oder eine schon ausgebrochene Krankheit zur Heilung zu bringen, nicht allein ein an Schutzstoffen reiches, sondern ein außerdem in seiner Wirkung möglichst lange anhaltendes Serum zu erlangen, weil ein solches einmal einen sicheren Schutz zu ver- leihen versprach, und für den bereits infizierten Organismus bei der Ausscheidung seines ICrankheitsvirus und seiner toxischen Produkte ein nicht zu unterschätzendes Unterstützungs- und Ver- teidigungsmittel darstellte. Trotzdem Tizzoni und Cattani bereits zu der Ansicht gekommen waren, daß das Antitoxin des Tetanus, je nach der zoologischen Verwandtschaft des serum- liefemden und passiv zu immunisierenden Tieres, mehr oder weniger schnell ausgeschieden oder zersetzt wird, hielten sie es do.ch für lohnend, nachdem insbesondere Ehrlich und seine Schüler durch die Einflihrung des vorbildlich gewordenen quantitativen Arbeitens der Immunitätsforschung ein neues Gepräge verliehen und den Schlüssel zu manchem wertvollen Fund geliefert hatten, unter Berücksichtigung der Fortschritte, die uns lehrten, den Grad der Wirksamkeit eines Serums genauer kennen zu lernen, die Frage

" 311

nach dem Änfbranch oder der Ausscheidung verschiedenartiger Immnnsera noch einmal in Angriff zu nehmen. Zu diesem Zweck wurde das Serum von Hund, Pferd und Kaninchen miteinander verglichen, und jedes dieser drei verschiedenartigen Sera Kaninchen einverleibt.

Denselben Tieren wurde in verschiedenen Zwischenräumen da- nach eine Menge einer filtrierten Tetanuskultur, die mit Sicher- heit in einer bestimmten Zeit tötete, injiziert. Es wurde im An- fang der Behandlung eine Kultur gewählt, die das KontroUtier in 3—4 Tagen zugrunde richtete; die folgenden Injektionen wurden mit einer geringeren Dosis derselben Kultur, die in 7—8 Tagen tötete, ausgeführt. Der einem jeden Serum zukommende Immunitäts- wert wurde nach den von Behring und Ehrlich eingefiihrten Regeln des quantitativen Arbeitens genau bestimmt.

Es wai- also notwendig, um zu einem sicheren Resultat über die Dauer des Immunitätswertes der einzelnen Sera zu gelangen, bei der Übertragung der heterologen, also des Hunde- und Pferde- serums, wie des homologen, also des Kaninchenserums, auf diese Tierart die Verschiedenheit in der Stärke des Immunitätsgrades dementsprechend durch Einverleibung einer größeren oder geringeren Menge Serum auszugleichen. Das Resultat dieser Untersuchungen wai-, daß 15 Tage nach der Einführung des Pferdeserums der Tod, des Hundeserums nur örtliche, aber ziemlich intensive Krankheits- symptome, des Kaninchenserums endlich gar keine tetanischen Er- scheinungen auftraten. Es hatte mithin das Hundeserum dem Kaninchen eine längere Immunität verliehen als das Pferdeserum, nnd das Kaninchenserum wieder einen erheblich länger währenden Schutz als das Pferde- und Hundeserum.

Es war also durch diese Experimente von neuem ein Beweis für die verhältnismäßig begrenzte Dauer der passiven Immunität geliefert. Zugleich war dargetan, daß diese Dauer je nach der Art des serumspendenden Tieres verschieden war, und daß die beim Tetanus am längsten dauernde Immunität durch homologes Immun- serum erzielt werden konnte. Mit dieser Tatsache in vollem Ein- klang stand weiterhin die Erfahrung, daß nach Erlöschen der immunisierenden Kraft eines Serums, das eine Verallgemeinerung der Krankheitssymptome verhindert hatte, plötzlich leichte tetanische Kontrakturen wahrgenonmien wurden, deren Auftreten sich nur dadurch erklären ließ, daß die Ausscheidung des Serums, das bis

312

dahin giftneutralisierend ge\^irkt hatte, früher erfolgt war, als der Krankheitsprozeß vollständig abgelaufen war. Tizzoni und Cattani konnten nun in Übereinstimmung mit ihren oben wiedergegebenen Resultaten die Beobachtung machen, daß diese Erscheinung bei der am Kaninchen durch Pferdeserum hei-vorgerufenen Immunität stärker auftrat als bei der durch das homologe Kaninchen- und selbst durch das Hundeserum erzeugten, eben weil das erstgenannte Serum am schnellsten seine Schutzkräfte wieder einbüßte.

Diese Tatsache hat weiterhin durch die Arbeiten von E. Behring und Ransom, die im Anschluß an noch weiter unten zu besprechende Untersuchungen über die Dauer der passiven Immunität im Marburger Hygienischen Institut entstanden sind, eine mannigfache Bestätigung und Vervollständigung erfahren. Zuvor jedoch sei noch der nach der biologischen Richtung hin interessanten und lehrreichen Untersuchungen F. Ransoms aus dem Laboratorium der Farbwerke in Höchst a. M. gedacht, die sich mit den Aus- scheidungsverhältnissen, welche zwischen dem Serum einer gegen Tetanus immunisierten, graviden Stute und einem von ihr geworfenen Füllen obwalten, eingehend beschäftigen. Es zeigte sich hierbei, daß das Serum vom Füllen, das innerhalb von 8 Stunden nach der Geburt, also zu einer Zeit als das Junge höchstens eine unbe- deutende Menge Milch von seiner Mutter gesogen haben konnte, entnommen wurde, bereits einen antitoxischen Wert von 1 ccm = V2 Antitoxineinheit aufwies, während das Serum der Mutter einen Wert von 1 ccm = 2Vi Antitoxineinheiten besaß. Mithin bestand zwischen dem Serum des Füllens und dem Serum der Mutter ein Verhältnis von 1 : 5. Etwas später betrug das proportionale Ver- hältnis 1 : 10, dann I : G, und blieb so lange konstant, bis die Behandlung der Mutter mit Tetanusantitoxin wieder von neuem vorgenommen wurde. Verglich Ransom den antitoxischen Wert der Milch mit dem des Stutenserums, so ergab sich anfanglich eine Proportion von 1 : 40, während zu derselben Zeit das Verhältnis zwischen dem Wert der Milch und dem Wert des Serums vom Füllen 1 : 8 betrug, so daß wir die Zahlenzusammenstellung Milch 1, Füllen-Serum 8, Stuten-Serum 40 bekommen. Späterhin zeigte sich eine große Veränderung zu Ungunsten des Milchantitoxins, und zuletzt ließ sich das Verhältnis der antitoxischen Werte der drei Substanzen in die Zahlen Milch 1, Füllenserum 30, Stuten- serum 300 zusammenfassen.

313

Es ließ sich weiterhin die Beobachtung machen, daß im Ver- lauf der ersten drei Wochen der antitoxische Wert der Milch, sowie der Sera von Stute und Füllen mit beträchtlicher Schnellig- keit herabging, während in der vierten Woche, und weiterhin bis zur Wiederaufiiahme der Behandlung die Ausscheidung des Anti- toxins relativ langsam erfolgte.

unter genauer Berücksichtigung des Wachstums des Füllens, dessen Gewichtszunahme als eine Ursache fiir eine Antitoxinver- dunnung stets als i/jq des Körpervolumens berechnet und prozentualiter in Betracht gezogen wurde, kommt Ransom zu dem Schluß, daß in der Zeit vom 23. April bis zum 9. August 1898, also von dem Tage der ersten Blutentziehung an bis kurz vor der Wiederaufnahme der Immunisierung im allgemeinen der Verlust des Antitoxins in dem- selben Verhältnisse ging, während der Verlust des Antitoxins von der Milch vergleichsweise in der Periode bis zum 22. April sich größer gestaltete. W^urde dann am 13. August 1898 unter den gleichen Bedingungen die Behandlung der Stute mit Tetanustoxin wieder aufgenommen, so begann das Blut und die Milch der Stute plötzlich wieder an antitoxischem Wert zu gewinnen. Hingegen erlitt das Blut des Füllens in gleichem Maße wie vorher eine Ein- buße an Antitoxin.

Es ergab sich femer die für weitere, die Dauer der passiven Immunität behandelnde Versuche wichtige Tatsache, daß der Anti- toxinverlust durch die Milch nur wenig Einfluß auf die Quantität des Antitoxins im Blut ausübte, wie auch schon aus Experimenten von Salomonsen und Madsen hervorgeht, und daß die Abnahme der Schutzstoflfe nach aktiver Immunisierung auch bei gleich- zeitiger Abgabe durch die Milch, und zwar langsam stattfindet. Haben wir es hierbei mit einer für die aktive Immunisierung bereits seit längerer Zeit bekannten Tatsache zu tun, so mußte es überraschen, als zuerst Knorr darauf hinwies, daß das anti- toxische Serum eines passiv immunisierten Tieres dei-selben Art, welches ja allerdings länger im Organismus zurückbleibt, ebenso langsam ausgeschieden wird wie das bei der aktiven Immunisierung gewonnene Serum. Das war die Richtung, in der sich auch die Behring-Ransomschen Experimente bewegten, die ergaben, daß unter gewissen Bedingungen ein passiv immun gemachtes Tier das Antitoxin im Blute sehr lange behalten kann. Eine wie her- vorragende Rolle hierbei der Tierart zufällt, von der das zur

314

passiven Immunisierung bestimmte Serum stammt, geht aus einer Anzahl höchst interessanter, von Ransom eingehend beschriebener Versuche hervor. So wurde eine Kuh durch die aktive oder, wie Behring sich ausdrückt, durch die isopathische Methode immunisiert, so daß ihr Serum den Wert von ^/g Antitoxineinheit in 1 ccm er- langte. Vergleichsweise wurden nun einem Kalbe subkutan 10 ccm dieses Serums injiziert und einem zweiten Kalbe die gleiche Anzahl Kubikzentimeter eines ebenso wirksamen Serums, Tet. A. N Vs? das aber nicht von der Kuh, sondern von einem Pferde her- rührte. Es wurde nun an bestimmten Tagen jedem der beiden Kälber Blut entzogen und dieses genau auf seinen Antitoxingehalt geprüft. Hierbei ergab sich ein recht bemerkenswertes Resultat. Bis zum zehnten Tage hielt sich nämlich der antitoxische Wert der beiden Sera auf der gleichen Höhe, aber am 35. Tage nach der Injektion zeigte das mit Pferdeserum behandelte Kalb einen 17 mal größeren Verlust an Antitoxin (1 ccm = Visoooo Einheit) wie das gleiche, mit derselben Menge des antitoxischen Kuhsenuns immunisierte Tier, aus dessen Serum das Antitoxin so langsam zur Ausscheidung Cam, daß dasselbe nach dieser Zeit noch einen anti- toxischen Wert von 1 ccm = ^j^qqq Einheit aufwies.

Dieser Versuch mit dem zweiten Kalb wurde noch dahin er- weitert, daß dieses jetzt eine 25 mal größere Menge, nämlich 250 ccm Tet. A. N 12 = 3000 Einheiten, auf subkutanem Wege erhielt. Auch hier konnte wieder ein sehr rascher Antitoxinverlust konstatiert werden, indem nämlich das Serum, das am vierten Tage nach der Injektion einen antitoxischen Wert von 1 ccm«= 7s ^^^' heit besaß, am 18. Tage bis zu 1 ccm = Vao Einheit gesunken war, und am 28. Tage trotz der Menge des einverleibten Antitoxins weniger als 1 ccm = \'iooooo Einheit ergab. Im Verlauf weiterer Experimente wurden 5 ccm = 2^/2 Einheiten desselben Kuhantitoxins subkutan auf Kaninchen, also auf ein Tier einer fremden Spezies übertragen. Auch in diesem Falle hatte das Serum, das am vierten Tage in 1 ccm = \!^qq Einheit aufwies, bereits sechs Tage später auf das 400 fache dieser Zahl (= V40000 Einheit) abgenommen. Wurden Ziegen mit derselben Zahl von antitoxischen Einheiten subkutan injiziert, so ließ sich in Übereinstimmung mit den früheren Resultaten auch hier wieder die gleiche Wahrnehmung machen, indem am fiinften Tage 40 ^/o des homologen (Ziegen-) Antitoxins, aber nur 20^/0 des fremden, heterologen (Pferde-) Antitoxins an-

315

getroffen wurden; am 20. Tage war das Verhältnis 18:3,6, am 30. Tage 9 : 1,6.

Aus den Versuchen von Behring undRansom geht also her- vor, daß ein verwandtes Serum am längsten im Organismus bleibt, zugleich aber auch, daß nicht unerhebliche Differenzen bezüglich der Ausscheidung der Immunsera bestehen. So schienen Ziegen Pferdeserum ganz gut bei sich zu behalten, das aber aus dem Blute von Meerschweinchen und Kaninchen, in gleicher Weise wie Kuhserum aus Kaninchenblut, schnell ausgeschieden wurde.

Es hatte sich weiterhin herausgestellt, daß zwar aktiv, also isopathisch immunisierte Pferde ihi-e Immunität länger behalten als Meerschweinchen, Kaninchen, Ziegen oder mit Injektionen von Pferdeserumantitoxin behandelte Menschen; aber Ransom zeigte durch das Experiment, daß die Immunität von Pferden, die mit dem Serum der gleichen Tierart immunisiert worden waren, kaum weniger lange währt wie bei der aktiven Immunität. Denn der relative Verlust des Antitoxins im Blute einer aktiv immunisierten Stute und eines passiv gegen Tetanus immunisierten Pferdes war am 80. Tage fast derselbe, so daß Ransom hieraus den Schluß zog, „daß es wenig Unterschied macht, ob man die isopathische oder antitoxische Methode der Immunisierung annimmt, voraus- gesetzt, daß man in letzterem Fall Serum von derselben Tierart anwendet."

So interessant und lehrreich auch diese Experimente sind, die uns zugleich einen Einblick in die biologischen Eigenschaften der Sera der von einander verschiedenen Tierarten gestatten, deren mannigfache Reaktionsfähigkeit in den letzten Jahren namentlich durch das Studium der Hämolysine, Cytotoxine und Präzipitine zu- tage getreten ist, ihre erhöhte und zugleich praktische Be- deutung haben alle diese Versuche erst dadurch erlangt, daß sie uns einen Weg wiesen, auf dem es galt, rüstig fortzuschreiten, um uns dem angestrebten Ziele, nämlich einer ausgiebigeren und erfolg- reicheren Antitoxinanwendung beim Menschen näher zu bringen. Da es aus leicht erklärlichen Gründen nicht möglich war, Menschen in aktiver Weise, beispielsweise mit Diphtherie- oder Tetanustoxin zu inununisieren und das Serum derselben anderen Menschen, also homologen Individuen, zu injizieren, so mußte sich die Forschung damit begnügen, Tiere auszuwählen, deren Serum zugleich neben seinem hohen Antitoxinwert auch die Fähigkeit entfaltete, im

316

menschlichen Organismus die diesem zugefuhrten Schutzstoffe mög- lichst lange zurückzulassen und auf diese Weise dem Körper einen möglichst lange währenden Schutz zu verleihen. Auf dieses Problem deuten schon die Arbeiten von Tizzoni und Cattani hin, die sich dahin aussprachen, daß nach ihren an zwei Fällen gemachten Er- fahrungen die durch das Serum eines gegen Tetanus immunisierten Pferdes hervorgebrachte Immunität auch beim Menschen nur von kurzer Dauer war, indem nach dem Verschwinden fast aller Krank- heitserscheinungen ein Wiederauftreten leichter Tetanussymptome zur Beobachtung kam, eben weil die durch das Serum erzielte Immunität früher abgenommen hatte, als alle toxischen Produkte der Infektion ausgeschieden oder zerstört worden waren.

Den gleichen Gedankengang, dem Ransom in seiner oben erwähnten Arbeit Ausdruck gegeben hat, daß es nämlich unsere Aufgabe sein müsse, durch eine geeignete Auswahl von Tieren eine Verbesserung der antitoxischen Sera zu erstreben, verfolgten auch Behring und Kitashima, indem sie unter Berücksichtigung über die Dosierung des Giftes bei der Pferdeimmunisierung im Jahre 1901 mehrere Affen zum Zweck der Antitoxingewinnung mit Diphtherie- gift behandelten. Es wurden vier Affen in den Versuch eingestellt, von denen der erste als Anfangsdosis V2oroo ^- E-» *^^* zweite ^400000 Gr. E. und die beiden letzten die sehr kleine Giftmenge von je V20000000 ö. E., erhielten. Diese Versuche waren deswegen unter- nommen worden, weil die Hoffiiung gerechtfertigt erschien, daß durch Injektion eines Serums, gewonnen von einer dem Menschen biologisch zunächst stehenden Tierart, sich ein im menschlichen Organismus länger hindurch wirksames, als ein von Pferden stammendes Antitoxin herstellen ließe, und daß sich auf diese Weise ein für den Menschen anhaltenderer Diphtherieschutz ergeben würde. Da aber von den Versuchsaffen der eine bald unter fieber- haften Erscheinungen an Körgewicht abnahm und die Zeichen all- gemeiner Vergiftung erkennen ließ, und die übrigen diphtheriegift- immun gemachten Affen einen flir die Behandlung am Menschen zu geringen Antitoxinwert zeigten, so wurden diese Versuche einstweilen wieder aufgegeben. Gerade im Hinblick auf die Behring-Ransomsche Behauptung, daß ein durch passive Im- munisierung gewonnenes Serum, vorausgesetzt, daß zur Erzielnng desselben das Serum derselben Tierart angewendet worden ist, unter Umständen ebenso lange seine Schutzkraft behalten und

317

mithin denselben praktischen EiFekt ausüben kann, wie ein durch isopathische Immunisierung hergestelltes Serum, wäre es außer- ordentlich interessant gewesen, wenn durch die Behring-Kita- shima sehen Versuche die Frage entschieden worden wäre, ob auch dieser Satz auf die vorliegenden Verhältnisse bei Benutzung von Äffenimmunserum wenigstens insofern hätte Anwendung finden können, als sich auf diesem Wege eine erheblich längere Dauer der Immunität hätte bewerkstelligen lassen.

Gleichviel, ob es noch in Zukunft gelingen wird, unter Benutzung des Serums großer anthropoider und widerstandsfähiger Aflfen zu diesem Ziele zu gelangen die Frage nach der Dauer der passiven Immunität bot uns, gerade mit Rücksicht auf die Behring-Ransomschen Ar- beiten, die dem homologen Serum einen ganz besonderen Einfluß zuschreiben, Interesse und Anregung genug, um uns durch eigene Versuche, die auf der Abteilung des Herrn Prof. A. Wassermann im Jahre 1903 ausgeführt wurden, hierüber Klarheit zu verschaffen.

Es bestand die Absicht, an Meerschweinchen, Kaninchen und Ziegen zu arbeiten, und als Immunisierungsmaterial war der Bac. pyocyaneus in Aussicht genommen. Da jedoch zur Zeit große, etwa 500 g wiegende und für eine länger währende Behandlung geeignete Meerschweinchen nicht vorhanden waren, und wir uns nur zu bald davon überzeugen konnten, daß kleinere, 250 300 gr- Meerschweinchen, die Injektionen schwer vertrugen und bald zugrunde gingen, so zogen wir es vor, an Stelle des Bacillus pyocyaneus den Kochschen Choleravibrio zur aktiven Immuni- sierung der drei genannten Tierarten zu nehmen. Wir gingen hierbei in der gewöhnlichen Weise vor, indem wir, beginnend mit \',Q Öse einer avirulenten, 24 Stunden bei 37 <> gewachsenen, wäh- rend der Choleraepidemie im Jahre 1893 von R. Pfeiffer aus einer Leiche isolierten, und in der Institutssammlung fortgepflanzten Kultur von Cholera asiatica eine Anzahl mittelgroßer Meer- schweinchen und eine Ziege subkutan, die letztere später intra- venös, und mehrere Kaninchen in gleicher Weise behandelten. Die Immunisierung dieser Tiere mit der genannten Kultur, die durch mehrfache Meerschweinchenpassagen in ihrer Virulenz so gesteigert wurde, daß Vio Öse derselben innerhalb 24 Stunden den Tod eines 200—250 g wiegenden Meerschweinchens zur Folge hatte, erstreckte sich ungefähr auf die Dauer von 2 Monaten. Hierbei war stets darauf Bedacht genommen, die Giftigkeit der

318

Kultur durch wiederholte Meerschweinchenpassagen und Reinzüchtung der Vibrionen aus dem Peritonealexsudat das außerdem mit einer sterilen Kapillare aus der Bauchhöhle aufgesogen wurde, und, ohne daß die Vibrionen Einbuße an ihrer Giftigkeit erlitten, 8 Tage im Eisschrank aufbewahrt werden konnte' sowie schließlich durch tägliche Fortpflanzung auf einem, das Wachstum besonders begünstigenden 2proz. stark alkalischen Chapoteaux-Agar auf dem- selben Grad zu erhalten, um so dauernd einen Maßstab für eine sichere Beurteilung des Ausfalls der Tierversuche in der Hand zu haben.

Die Kaninchen, die zuerst mit avirulenten, dann mit virulenten Kulturen behandelt wurden, hatten ein Körpergewicht, das zwischen 2000—2300 g schwankte. Sie erhielten vom 6. Februar 1903 ab in regelmäßigen Abständen von 4—5 Tagen stets die gleiche Menge, d. h. ^/,o, Vs? Ve ^sw- Öse, bis sie schließlich am 30. März eine intravenöse Injektion der Aufschwemmung einer üppig gewachsenen, 24stündigen Choleravibrionenkultur bekamen, die von ihnen gut vertragen wurde. Die 300 350 g an Gewicht betragenden Meer- schweinchen wurden in analoger Weise, nur daß hierbei die Injektionen stets subkutan ausgeführt wurden, in denselben Zwischen- räumen und an den gleichen Tagen wie die Kaninchen erst mit avirulenten, dann mit vollvirulenten 24 stündigen Choleravibrionen aktiv immunisiert. Am 30. März erhielten auch sie ihre letzte In- jektion, nändich die sterile Bouülonaufschwemmung einer ganzen, auf schräg erstarrtem Agar gewachsenen, vollvirulenten (Vio Öse tötet 200 g-Meerschweinchen in 20—24 Stunden) Cholerakultur, so daß also die Versuchsanordnung bei beiden Tierarten, abgesehen von der an Meerschweinchen ausschließlich subkutan vorgenomme- nen Einverleibung, vollkommen die gleiche war.

Am 6. Februar stellten wir eine junge, 30 kg wiegende Ziege in den Versuch ein, die im ganzen nur neun Injektionen erhielt, und zwar an folgenden Tagen (s. nebenstehende Tabelle).

Wie die nebenstehende Tabelle zeigt, wurden die Injektionen in der schonendsten Weise und mit verhältnismäßig geringen Dosen ausgeführt, da die Ziege auf jede Einspritzung mit einer hohen Temperatursteigerung reagierte, 2—3 Tage danach auffallend matt war und fast gar kein Futter zu sich nahm. Weil es für unsere Zwecke nicht darauf ankam, einen hohen Immunitätsgrad zu er- zielen, sondern nur ein Serum, das einen deutlichen SchutzeflFekt bei der passiven Immunisierung besaß, wovon mr uns durch

319

Temperaturen

Zeit

MeDge

vor der

nach der

Infektion

Infektion

6. 2.

Bubknt. Vio Öse, bei 60 o abgetöteter 24 stg.

Chol.-Vibr.

38,40

39,2 0

11.2.

Bubkut \/io Öse einer 24stdg. virulenten Kultur

(doB. let. min. V5 ÖBe)

88,20

39,60

18. 2.

Bubkut Vs ÖBe derselben Kultur

38,10

39,70

25. 2.

Bubkut Va Öse

38,50

40,20

4 3.

Bubkut. 1 ÖBe virul. Kultur (dos. let. min.

V,o Öse)

38,7 0

89,80

10. 3.

intravenös Vio Öse (derselben Kultur)

88,30

40,30

16. 3.

intravenös Vi Öse (derselben Kultur)

88,60

40,50

28. 3.

intravenös Va Öse (derselben Kultur)

38,10

39,80

30. 3.

intravenös 1 Öse (dos. let. min. * jo Öse)

38,30

40,80

eine am lö. März vorgenommene Probepnnktion ans der Vena JQgolaris überzeugen konnten, indem nämlich der Titer desselben gegenüber 1 Öse Cholerakultnr (i/^^ Öse dos. let. min.) am Meer- schweinchen gemessen 1 : 2100 betrag, entzogen wir sieben Tage nach der letzten Injektion, also am 6. April, an demselben Tage, an dem auch die in den Versuch eingestellten drei Kaninchen und drei Meerschweinchen entblutet wurden, aus der Vena jugularis etwa 100 ccm Blut und stellten die sieben Meßzylinder in den Eis- schrank, um zwecks genauer Feststellung des Schutzwertes am nächsten Tage Serum zu erhalten.

War es von vornherein wahrscheinlich, daß die Titer der Sera der Kaninchen und Meerschweinchen, da jedes der Tiere an dem- selben Tage eine Injektion erhalten hatte, und stets mit derselben Kultunnenge behandelt worden war, nicht zu^ große Abweichungen von einander aufweisen würden, so waren wir doch darauf vorbereitet, daß das Serum der Ziege, die am 15. April an einer, wie die Sektion ergab, difiusen Peritonitis einging, die den Grund zu ihrem allgemeinen Schwäche- und Krankheitszustande abgegeben haben mochte, entsprechend der geringeren Zahlen der erhaltenen Injektionen im Titer hinter dem Wert der übrigen Tiere zurück- stehen würde. Der besseren Übersicht halber werde ich die Sera der Kaninchen und Meerschweinchen mit den Buchstaben A, B und C bezeichnen. Da es notwendig war, zur Gewinnung einwand- freier Resultate und flir eine sichere Beantwortung der Frage, ob

Z«itachrift f&r Infektionskrankheiten. I, 4/5. 21

320

und wieviel längere Zeit sich das homologe Choleraimmunserum im Meerschweinchenorganismus wirksam erliält Ade das heterologe, in streng quantitativer Weise zu arbeiten, so konnten wir uns niclit damit begnügen, sollte es sich z. B. zeigen, daß eines dieser Sera in einem Verhältnis von 1 : 15 000 Meerschweinchen vor der allein tödlich wirkenden Cholerainfektion zu schützen vermag, in einem Verhältnis von 1 : 20 000 aber nicht mehr den Titre einfach auf 1:15 000 zu bemessen. Denn es konnte die Möglichkeit nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden, daß das Serum auch noch in einer Verdünnung von 1:19 000 den gleichen Schutzeffekt ausübte wie in einem Verhältnis von 1 : 15 000 und die Tiere am Leben ließ.

Es wäre mithin bei einem solchen Vorgehen eine Fehlerquelle entstanden, die noch schwerer ins Ge^^^icht hätte fallen müssen, wenn wir beispielsweise einfach geprüft hätten, ob Werte von 10 000, 50 000 oder 100 000 noch schützen oder nicht. Es schien uns daher ein unerläßliches Erfordernis, wenigstens auf Viooo S^^^^ den Endwert eines jeden Serums auszutitrieren, da dann die eventuell zwischen ^iiQ^ auftretenden Schwankungen nur eine so geringe Fehlerquelle bildeten, daß dieselbe praktisch außer Betracht kam.

Bevor ich auf die weiteren Versuche eingehe, sei in wenigen Zahlen auch der Agglutinationswert der einzelnen Sera wieder- gegeben. Es wurden zur Bestimmung des Agglutinationstiters von dem klaren, eventuell durch Zentrifugieren von roten Blutkörperchen befreiten Kaninchen-, Meerschweinchen- und Ziegenserum, die ich kurz mit den Buchstaben K-, M-, Z-S. bezeichnen will, Verdünnungen mit physiologischer Kochsalzlösung hergestellt, in jedes gut signierte Reagenzgläschen 1 ccm dieser Flüssigkeit gefällt, und am Rande des schräg gehaltenen Gläschens je 1 Öse einer 24 Stunden bei 37^ auf Agar gewachsenen Choleravibrionenkultur in der Höhe des Flüssigkeitsniveaus verrieben, bis eine gleichmäßige homogene Trübung durch die suspendierte Kulturmasse in der Lösung ein- getreten war. Der Ausfall der Agglutinationsprobe wurde dann als positiv bezeichnet, wenn nach einstündigem Verweilen der Reagenz- röhrchen bei 37 0 eine mit bloßem Auge noch gut erkennbare Granula- oder Klümpchenbildung in der Flüssigkeit aufgetreten war, die sich auch nach kräftigem Schütteln nicht wieder auflöste.

Es zeigten:

Kaninchen-Serum A einen Agglutinationswert von 1000

K-S. B 900

K-S. C 1200

321

Meerschweinchen-Serum A einen Agglutinationswert von 800 MS. B 1000

M-S. C ,, )) I, 900

Ziegen-Serum 500

Nach Aufführung dieser der Vollständigkeit halber angegebenen Agglutinationswerte, die uns indessen keinen sicheren Maßstab fiir den zu erwartenden Immunitätsgrad abgeben, da nach den Untersuchungen von R. Koch für die Tuberkulose, Pfeiffer und Castellani für die Cholera, Brieger und Verf. für den Typhus die Immunkörper von den Agglutininen verschieden sind, ge!ie ich über zur Wertbemessung der einzelnen, im Eisschrank ohne Konservierungsflüssigkeit aufbewahrten Sera und bemerke hierzu, daß die in den folgenden Tabellen niedergeleg- ten Versuche, soweit es sich um die Feststellung der Endtiter handelte, stets wiederholt, und das Resultat nur dann als beweisend angesehen wurde, wenn es im zweiten Versuch bestätigt werden konnte. Ver- wendet wurden stets möglichst gleich große 200— -250 g wiegende Meer- schweinchen. Die zu prüfenden Sera wurden mit steriler Bouillon ver- dünnt. Es wurde dann durch Verreiben einer 2 mg fassenden Öse einer 24 stündigen Agarkultur von Cholera asiatica (mit einer dosis letalis minima von Vio Öse) in 1 ccm dieser Serumverdünnung eine Emulsion bereitet, die denTieren intraperitoneal einverleibtwurde. Um sicher zu sein, daß die Menge nicht in* den Darm, sondern in die Bauchhöhle gelangt war, schlössen wii' regelmäßig ^'2 Stunde post injektionem den Pfeifferschen Versuch an, indem wir mit einer sterilen Glas- kapillare einige Tropfen aus der Peritonealhöhle entnahmen, die dann auf das Vorhandensein von Granula und Vibrionen untersucht

wurden.

Tabelle I.

Versuchsreihe I.

Serum von Kaninchen A. Agglutinationswert: 1000.

Prlfnng am 8. 4., 10 Uhr rorm.

Meerschw.

Meerschw.

Meerschw.

Meerscbw.

Seram 1:40000 +

Serum 1:30000 +

Senim 1:20000 +

Viu Öse Chol.

1 Öse 24 Btündig.

1 Öse Chol.

1 Öse Chol.

9. 4. t.

Chol.

Va Std. p. inj.: Über-

Va Std. p. inj: Wenig

Va Std. p. iDJ.:

wiegen d.Vibrion.,

frei bewegliche

Massenhafte Vi-

einige Granula.

Vibrionen, Über-

brioneD.

9. 4. t.

wiegend Granula.

9. 4. t. Im Exsud.

9. 4.: Lebt, munter.

Chol.-Baz.

Mithin mußte

die Grenze des Schatzwertes zwischen

1:20000 und

1:80000 liegen.

21*

322 Prftfiuiir am 9. 4., 12 Uhr Torm.

Meerschw. Serom 1:29000 + 1 Öse

Chol. Vorwiegend Vibrionen. 10. 4. t- ExBucL: ChoL-

Baz.

Meerschw.

Serum 1:27000 + 1 Öse Chol.

Etwa gleich viel Vibrion. wie Granula im Ge- sichtsfeld.

10. 4. morg. 9 Uhr: sehr schwach, liegt auf der Seite. f

Vsll Uhr vorm.: f- Exs. Chol.-Baz. Reinkultur.

Meerschw. Serum 1:25000 + löse

Chol. Erheblich mehr Graoula

als Vibrionen. 10. 4. morg. 9 Uhr: lebt,

ist munter.

Prttftmg am 10. 4., 11 JJkr Tonn.

Meerschw. Meerschw.

Serum 1 : 26000 + 1 Öse Serum 1 : 26000 + 1 Öse Chol. Chol.

Mehr Vibrionen als Granula im Gesichtsfeld. 11. 4. 9 Uhr morgens: tot aufgefunden.

Meerschw.

Serum 1 : 25000 + 1 Öse Chol.

Fast nur Granula, ver- einzelte Vibrionen.

11. 4. lebt

Der Titer des Kaninchen-Serums A beträgt mithin 1:85000.

Serum von Kaninchen B. Agglutinationswert: 900.

Meerschw. Serum 1:30000 + 1 Öse

Chol. Fast nur Vibrionen. 10. 4. t-

Prfifimg am 9. 4. 190S.

Meerschw. Serum 1:25000 + 1 Öse

Chol. Mehr Vibrionen als

Granula. 10. 4. t.

Meerschw. Serum 1:20000 + 1 Öse

Chol. 10. 4. lebt

Meerschw. Meerschw.

Serum 1 : 24000+ Serum 1 :24000 +

1 Öse Chol. 1 Öse Chol.

Etwa gleich viel Vibrionen wie Granula. 10. 4. t. 10. 4. t

Meerschw. Meerschw.

Serum 1 : 23000+ Serum 1 : 23000 +

1 Öse Chol. 1 Öse Chol.

Granula überwiegend.

11. 4. leben.

Der Titer des Kaninchen-Serums B beträgt also 1:28000.

Serum von Kaninchen C Agglutinationswert: 1200.

Meerschw. Serum 1:28000 + löse

Chol. Sehr zahlr. Vibrionen. 11. 4. t.

Prflfuig mm 10. 4. 1908.

Meerschw.

Serum 1:26000 + 1 Öse Chol.

Mehr Granula als Vi- brionen.

11. 4. lebt

Meerschw. Serum 1:24000 + 1 Öse

Chol. Fast nur Granula. 11. 4. lebt

323

Prüfang am 11. 4. 1908.

Meerschw. Meerschw. Meerschw.

Serum 1:27000 + 1 Öse Serum 1:27000 + 1 Öse Serum 1:26000 + 1 Öse

Chol. Chol. Chol.

Vorwiegend Vibrionen. Mehr Granula als Vi-

12. 4. tot aufgefunden. brionen.

12. 4. lebt, ist munter. Titer des Kaninchen-Serums C = 1:26 000«

Tabelle TL.

Serum von Meerschiveinchen A. Agglutinationswert : 800.

Meerschw.

1 : 25000 + 1 Öse Chol. Meerschw. Ser. A:

Vs Std. p. inj.: massen- haft Vibrionen.

10. 4. 1903 tot aufgefund.

Im Exsud. Chol. Bac. in Reinkultur.

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 20000. Mehr Vibrionen als Gra- nula. 11. 4. 1903 t-

Prflf ang am 9. 4. 1903.

Meerschw. 1 : 20000 Meerschw.Ser.A. Va Std. p. inj.: mehr Vi- brionen als Granula. 10. 4. 1903 t.

Prttfiing am 10. 4. 190S.

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 19000. Etwas mehr Granula als

Vibrionen. 11. 4. 1903 morg. 9 Uhr:

Etwas matti bleibt am

Leben

Meerschw.

1 : 15000 Meerschw.Ser.A.

Vs Std. p. inj.: vorwieg. Granula, nur wenig bewegliche Vibrionen.

10. 4. Lebt, bleibt ge- sund.

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 17000. Fast nur Granula. 11. 4. Lebt.

Eine Wiederholung des Versuchs hatte dasselbe Resultat, so dafi der Titer des Meerschweinchen-Serums A 1 : 19 000 beträgt.

Serum von Meerschweinchen B. Agglutinationswert: 1000. PiüfDiig am 12. 4. 1908.

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 23000. Fast nur Vibrionen. 13. 4. f.

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 20000. ReichlicheGranula, wenig

Vibrionen. 13. 4. Lebt.

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 15000. Im Gesichtsfelde nur

Granula. 13. 4. Lebt.

324 Prttfniig am IS. 4., rorm. 12 Uhr«

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 22000. Fast nur Vibrionen. 14, 4. t.

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 2OOO0. Wenig Vibrionen, über- wiegend Granula. 14. 4. Bleibt am Leben.

Meerschw. M. Schw. S. 1:21000. Ziemlich viele Granula, noch mehr Vibrionen. 14. 4. morg. 9 Uhr: In

den letzten Zügen. Vorm. Val2 Uhr t- ChoL-Vibr. im Exsud. Der Ausfall des gleichen Versuchs, vorgenommen am 14. 4., bestätigt, daß der Grenzwert des Meerschweinchen-Serums B 1 : 20 000 beträgt.

Serum von Meerschweuichen C Agglutinationswert: 900. Prttfkmg am 18. 4. 1908.

Meerschw. M. Schw. S. 1 : 20000. Vorwiegend Vibrionen,

wenig Granula. 14. 4. Tot aufgefunden.

Meerschw. M. Schw S. 1 : 18000. Mehr Granula als Vi- brionen. 14. 4. Lebt

FrQfkmg am 14. 4. 1903.

Meerschw. Meerschw. Meerschw.

M. Schw. S. 1 : 19000. M. Schw. S. 1 : 19000. M. Schw. S. 1 : 18000.

Etwa gleich viel Granula wie Vibrionen. Fast nur Granula.

15. 4. 1903. Tot aufgefunden.

15. 4. Bleibt am Leben.

Mithin ist der Titer des Meerschweinchen-Serums C = 1 : 18 000«

Tabelle m.

Ziegen- Immunserimu Agglutinationswert: 500.

Prftfking am 12. 4. 1908, 12 Uhr.

Meerschw. Zieg. 8.1:10000+ löse

Chol. Va Std. p. inj.: Fast nur

Vibrionen.

13. 4. f.

Meerschw. Zieg. S. 1:5000 + löse

Chol. V2 Std. p.inj.: Annähernd

gleich viel Vibrionen

wie Granula. 13. 4. morg. 9 Uhr: In

den letzten Zügen. Morg. 11 Uhr: f aufgef.

Meerschw.

Zieg. S. 1:1000 + löse Chol.

Va Std. p. inj.: Fast aus- schließlich (iranula.

13. 4. Lebt.

325

PrflftiBg am 18. 4. 1908.

Meerschw. Meerschw. Meerschw.

Zieg. S. 1 : 5000. Zieg. S. 1 : 4000. Zieg. S. 1 : 4000.

Etwas mehr Vibrionen Fast ausschließlich Granula,

als Granula. 14. 4. Bleiben am Leben.

14. 4. f.

Der Titer des Ziegen-Immunserums ist mithin 1 : 4000.

Aus der vorstehenden tabellarischen Übersicht ersehen wir also, daß in der Anhäufung der im Kaninchen- und Meerschweinchen- serum erzeugten Cholera-SchutzstoflFe trotz. der Gleichmäßigkeit der immunisierenden Behandlung, wenn auch nicht bedeutende, so doch immerhin nennenswerte, und für den weiteren Gang der Versuche wohl zu berücksichtigende Unterschiede bestehen. Dieselben lassen sich, abgesehen von den einem jeden Tier anhaftenden indivi- duellen Schwankungen ohne weiteres dadurch erklären, daß der Organismus einer jeden Tierart eine verschiedene Empfänglichkeit lür die dem Körper zugefiihrten immunisierenden Stoffe besitzt, oder mit anderen Worten, daß ein jeder Organismus mit einem ver- schiedenen Rezeptorenapparat ausgestattet ist, der eben im Kaninchen- organismus in anderer Weise wie z. B. im Meerschweinchen- oder im Ziegenkörper ftir die angreifenden Choleravibrionen eingestellt ist. Der Titer des Ziegenserums ist erheblich hinter denen der anderen Sera zurückgeblieben. Es kann dies nicht wundernehmen, da dieses Tier nur mit verhältnismäßig kleinen Dosen behandelt worden war, und sicherlich wohl der Rezeptorenapparat der durch Krankheit geschwächten Ziege nicht mehr seine volle Funktions- kraft entfalten konnte.

Der Schwerpunkt unserer Aufgabe lag nun, vorausgesetzt, daß auch unsere Experimente den Schluß zuließen, daß das homo- loge Immunserum länger als das heterologe im Organismus bleibt, in der Lösung der namentlich durch die Arbeiten von v. Behring, F. Ransom und Kitashima neuerdings in den Vordergrund des Interesses gerückten Frage, wie lange sich diese unter dem Ein- fluß des homologen Serums zustande gekommene Immunität hält, und ob tatsächlich bezüglich der Dauer der passiven Immunität so erhebliche Unterschiede bestehen, daß ihr Effekt fast der durch isopathische oder aktive Behandlung erzielten Schutzkraft gleich- kommt, oder wenigstens nicht wesentlich hinter derselben zu- rücksteht.

326

.Unsere Versuchsanordnung war nun die folgende: Da es für uns darauf ankam, einen wenigstens mehrere Wochen hindurch dauernden Schutz zu erzielen, um so Gelegenheit zu haben, in ver- schiedenen Zeitintervallen die Ausscheidungsverhältmsse der ein- zelnen Sera zu studieren, so wählten wir zur Immunisierung stets die tausendfach schützende Dosis eines jeden Serums. Diese Menge wurde ca. 200 g wiegenden Meerschweinchen, der von R. Koch zu seinen klassischen Arbeiten über Cholera asiatica benutzten und wegen seiner hohen Empfänglichkeit fflr diesen Vibrio auch heute noch als Paradigma geltenden Tierart, unter die Bauchhaut, also subkutan, einverleibt. Wenn wir der Übersichtlichkeit halber noch einmal die Werte der einzelnen Immunsera zusammenstellen, so erhalten wir die folgenden Zahlen:

Kaninchen-Immunsernm (K. I. S.) ,A' = 1:25000 = 0,00004

K. I. S. ,B* = 1 : 23000 = 0,0000435 (044)

K. I. S. ,C* == 1 : 26000 = 0,0000385 (039)

MeerschwehichenJmmtinserum (M. L S.) ,A' = 1 : 19 000 = 0,000053 M. I. S. ,B* = 1 :20000 = 0,00005

M. I. S. ,C* = 1 : 18000 = 0,0000555

Ziegen-Immunsenim = 1 : 4000 == 0,00025

Gesetzt, der Titer des homologen Meerschweinchenserums hätte 1 : 1000, und die Endwerte des heterologen Kaninchen- und Ziegenserums 1 : 10000 betragen, so wäre es mithin, um die lOOOfach schützende Dosis zu geben, notwendig gewesen, einem jeden Meer- schweinchen 1 ccm des homologen Serums zu injizieren. Da nun die heterologen Sera (1 : 10000) einen lOmal so hohen Immunitäts- wert ergeben hatten als das homologe (l : 1000), oder mit anderen Worten, da eine lOmal geringere Dosis desselben den gleichen SchutzeflFekt ausübte wie das homologe Serum, so wäre es auch nur erforderlich gewesen, als lOOOfach schützende Dosis 0,1 ccm des Kaninchen- bzw. Ziegenimmunserums zu injizieren. Nun beträgt der Endwert unseres homologen Meerschweinchenserums A, wie oben ersichtlich, 1 : 19000 = 0,000053 als einfach schützende Dosis, die l(XX)fach schützende Menge mithin 0,053 ccm. Das heterologe Kaninchenserum A besitzt nun, wie eine einfache Rechnung lehrt, einen l,32mal höheren Wert (1 : 25000), das Ziegenserum (1 : 4000) dagegen einen 4,75 mal geringeren Titer als das homologe Meer- schweinchenserum, so daß die zu injizierenden Serummengen vom Kaninchen A 0,04(015), und von der Ziege 0,25(175) ccm betrugen.

327

In analoger Weise waren als 1000 fach schätzende Dosen des M. I. S. ,B' = 0,05 und K. I. S. ,B' « 0,044, schüeßHch des M. I. S. ,C' 0,056 und des K. I. S ,C' 0,039 ccm subkutan einzuverleiben. Die Verdünnungen der Sera wurden stets mit steriler Bouillon bereitet, und die nach verschiedenen Zeiträumen erfolgende Infektion geschah intraperitoneal mit einer 2 mg wiegenden Öse einer Mschen 24 stündigen Choleravibrionenagarkultur (i/^o Öse tötete in 24 Std. 200 g-Meerschweinchen), die in 1 ccm steriler Bouillon auf- geschwemmt worden war. Es wurden mithin 7 große Versuchs- reihen angestellt, die ich der besseren Orientierung wegen in nach- stehenden Tabellen, die zugleich eine gute Übersicht über den Ausfall der Experimente gestatten, wiedergebe:

Tabelle A.

Versoohtrelhe I.

h^ektion mit MBerschweinchen-hnmtmserum L, cUao mit homologem Serum am

15. 4. 1903.

Jedes Meer-

AnsfäU des Pfeiffer-

schweinchen erhält snb-

Senim- menge

Infektion

schen Versuchs

Resultat

kutan die

Vi Std. post infect.

lOOOfaehe Dosi« =

0/)53 ccm des

M.S.I.S.A

19. 4. 1

Öse Chol i. p.

Fast nnr Granola.

20. 4. lebt, ist voll- kommen munter.

Meerschw. 2

Dieselbe Menge

21.4.

do.

Überwiegend Gra- nala, bewegl. Vibr.

22. 4. lebt, ist gesund.

3

do.

22.4.

do.

do.

23. 4. lebt, munter.

4

do.

23.4.

do.

do.

24. 4. do.

5

do.

24.4.

do.

do.

25. 4. do.

6

do.

27.4.

do.

do.

28. 4. lebt, ist voU- kommen munter.

7

do.

28.4.

do.

do.

29. 4. gesund.

8

do.

29.4.

do.

Mehr Granula als Vibrionen.

30.4.

9

do.

2.5.

do.

do.

3. 5.

10

do.

3.5.

do.

do.

4.5.

11

do.

7.5.

do.

Etwa ffleichviel Vibr.

8. 5. 9 Uhr morgens: schwach. 12 Uhr

wie Granula.

vorm.: leidl. munter.

12

do.

8.5.

do.

Fast nur Vibrionen, wenig Granula.

9. 5. t aufgef. ChoL- Vibr. im Exsud.

13

do.

9.5.

do.

Ausschließl. Vibr.

10. 5. f. 13. 5. f.

14

do.

12. 5.

do.

do.

Mithin war der Anfbrauch der 1000 fach schützenden Dosis des homologen Meerschweinchen-Immunserums 23 Tage nach der subkutanen Injektion des- selben beendet, so daß mit diesem Tage die Schutzkraft erloschen war.

328

Yersuclisreihe 2.

Injektion Meerschwcinchm-Immunaerum B am 16. 4.

Jede« Meer-

Hchweinchcn

erhält snb*

kutan am 16.4.

Serum-

Infektion

Ausfall des Pfeiffer- schen Versuchs

Resultat

die 1000 fach

menge

*3 Std. post infect

schützende

Dosis des

Meerschw.-

Imninn-

serums B =

0,05 ccm des

M.S.I.S.B

24. 4. 1 Öse Chol.

Überwiegend Granula.

25. 4. lebt, ist munter.

i.p.

Meerschw. 2

Dieselbe Menge

28. 4. do.

Meist Granula, wenig bewegl. Vibrionen.

29. 4. lebt, gesund.

3

do.

6. 5. do.

Mehr Granula als Vibrionen.

7. 5. lebt.

4

do.

9. 5. do.

Anscheinend weniger ' 10. 5. morgens 9 ITir:

Granula als Vibrion.

liegt auf der Seite,

krank; 12 Uhr: läutt

wieder. 11. 5. munter,

bleibt am Leben.

5

do.

10. 5. do.

Fast nur Vibrionen.

11. 5. t anfiref. um

9 Uhr. Im l:xsadat

Chol.-Bac.

6

do.

12. 5. do.

Ausschließl. Vibrion.

13. o. f.

Mithin betrug die Dauer der Schutzwirkung des homologen Meer- BchweiDchen-ImmunseramB B 24 Tage.

Versuchsreihe 3.

Injektion mit Mecrsckweinehen-Immunserum C. am 17. 4.

.Jedes Meer-

Hchweinchen

erhält am 17. 4. die 1000 fach

Serum- menge.

Infektion.

Ausfall des Pfeiffer- schen Versuchs

Resultat

schützende

Vs Std. post infekt.

Dosis des

Meerschw.-

Immun-

serums C =

0,056 des M. 8ch. I. S. C.

27. 4. 1 Öse Chol, i. p.

Vorwiegend Granula.

Meerschw. 2

dieselbe Menge

1. 5. do.

Meist Granula, ver- einzelt Vibrionen.

3

do.

8. 5. do.

Etwa gleichviel Granula wie

9. 5. munter.

4

do.

12. 5. do.

Vibrionen.

13. 5. sehr matt aber bleibt am Leben.

5

do.

13. 5. do.

Fast ausschliefilich Vibrionen.

14. 5. t aufgoAmdeo

morg. 9. Uhr. Im Exsud. Chol. Bar.

6

do.

16. 5. do.

Nur Vibrionen-

sch wärme, keine

Granula.

17. 6. t

Also waren die im homologen Meerschweinchenserum 0 angehäuften Choleraschutzstoffe innerhalb 26 Tagen aufgebraucht

329

Tabelle B.

Versuchsreihe I.

Injektion mit Kaninchen-Immunserum Ä, also mit heterologem Serum am 15, 4. 1903^

Jedes Meer-

schweinchen

erhält snb-

Ausfall des Pfeiffer-

kntanainl5.4. die 1000 fach i^chütKende

Sernm- menge

Infektion

schen Versuchs Va Std. post infect

Resultat

Dosis des

Kaninchen-

Imninn-

serams A =

0,04 des

16. 4. 1 Öse Chol.

Ausschliefilich

17. 4. lebt, gesund.

K. L 8. A.

i. p.

Granula.

Meerschw. 2

dieselbe Menge

18.4.

do.

Vorwiegend Granula,

Tereinzelte bewegl.

Vibrionen.

19. 4. lebt

3

do.

20.4.

do.

Mehr Granula als

Vibrionen. Etwa gleichviel

21. 4. lebt, ist gesund.

4

do.

21.4.

do.

22. 4, morg. 9 Uhr:

Vibrionen wie

Liegt auf der recht

Granula.

Seite, ist schwer- krank, 11 Uhr: f.

Im Peritonealexsud.

Cholera-Vibrionen in Reinkultur.

5

do.

22.4.

do.

Mehr Vibrionen als Granula.

23. 4. morgens f auf- gefunden.

6

do.

25.4.

do.

Fast ausschliefilich Vibrionen.

26. 4. t.

Mithin heterologen gedauert.

hat die Immunitätsdauer der lOOOfach schützenden Dosis des Kaninchen I. S. A im Meerschweinchenorganismus nur 5 Tage

Versuchsreihe 2.

If^ektion mit Kaninchenrimmunserum B am 16, 4, 1903,

.Jodes Meer-

1

schweinchen

erhält sub-

Serum- menge

Ausfall des Pfeiffer-

kutan am 16.4. die lOOOfach

Infektion

schen Versuchs

Resultat

schützende

»/a Std. post infect

Dosis des

Kaninchen-

Immnn-

serums B =

0,044 des

20.4.

1 Öse Chol.

Überwiegend Gra-

21. 4. lebt, vollkomm.

K. I. S. B.

i. p.

nula.

munter.

Meerschw. 2

Dieselbe Menge

22.4.

do.

Etwas mehr Granula als Vibrionen.

23. 4. lebt, gesund.

3

dof

23.4.

do.

Etwa gleichviel Vibr. wie Granula.

24. 4. lebt, munter.

4

do.

24.4.

do.

Mehr Vibrionen als Granula.

25. 4. f. Im Peri- tonealexsudat Chol. Bac. in Reinkultur.

ö

do.

26.4.

do.

Fast nur Vibrionen.

27. 4. f.

6

do.

30.4.

do.

Ausschließl Vibr.

1. 5. t-

Also bat die Schutzwirknng des heterologen Kaninchen-Immunsenims B 7 Tage gewährt.

330

Versuchsreihe 3.

Injektion mit Kaninehen-Immunserum C am 17, 4, 1903.

Jedes Meer-

schweinchen

erhält sub-

Ausfall des PfeifTer-

kiitjmaml7.4. die lCXX)fach schützende

Semm- menge

Infektion

Bchen Versuchs Std. post infect

Resultat

Doris des

Kaninchen- Immnn-

semms G =

0,039 des K. I. S. C.

21.4.

1 Öse Chol.

Vorwiegend Granula.

22. 4. lebt

Lp.

Meerschw. 2

Dieselbe Menge

22.4.

do.

Mehr Granula als

frei bewegliche

Vibrionen.

23. 4. lebt, munter.

3

do.

23.4.

do.

Etwa gleich viel Granula wie Vibr.

24. 4. morg. 9 Uhr:

matt, 12 Uhr: munter,

bleibt leben.

4

do.

24.4.

do.

Vorwiegend Vibr. 1 ansschliefilich ) schwärmende Vibr.

26. 4. ••.

5

do.

26.4.

do.

27. 4. ••.

: 6

do.

28.4.

do.

29. 4. t-

Dauer der Schutzwirkung des heterologen Kaninchen-Immunserums C 6 Tage.

Tabelle 0.

Eine Versachereihe. ^

Injektion mit Ziegen- Immunaerum, also mit heterologem Serum am 15. 4. 1903.

Jedes Meer-

schweinchen

erhält sub-

Ausfall des Pfeiffer-

kutan am 15.4. die lOOOfach schätzende

Serum- menge

Infektion

schen Versuchs V> Std. post infect.

Resultat

Dosis des

Ziegen-

Immun-

serums =

0,25 des Z. LS.

19.4.

1 Öse Chol. Lp. do.

Vorwiegend Granula.

20. 4. lebt

Meerschw. 2

Dieselbe

20.4.

Meist Granula,wenige

21. 4. lebt, ist munter.

Menge

frei bewegliche Vibr.

3

do.

21.4.

do.

Viele Granula, zahl- reiche Vibrionen.

22. 4, lebt, gesund.

4

do.

22.4.

do.

Etwa gleich viel Granula wie Vibr.

23. 4. morg. 10 ITir:

matt, nachm. 3 Uhr:

wieder munter, bleibt

leben.

5

do.

23.4.

do.

Mehr Vibrionen als

24. 4. t aufgeftindeo. Im Peritoneal-

Granula.

exsudat: Gholeravibr.

in Beinkultur.

6

do.

24.4.

do.

Fast nur Vibrionen.

25. 4. f. 29. 4. t-

7

do.

28.4.

do.

Fast ansschliefilich

Vibrionen.

Die Dauer der Schatzwirkung des heterologen Ziegen-Immonserums im Meerschweinchenkörper hat mithin 7 Tage betragen.

331

Diese Experimente stehen insofern in vollem Einklang mit den von den oben genannten Antoren fiir das antitoxische Diphtherie- nnd Tetannssemm aufgeklärten Verhältnissen, indem sie auch für das baktericide Serum den unzweideutigen Beweis geliefert haben, daß das homologe, unter unseren Versuchsbedingungen also das vom Meerschweinchen herrührende Cholera-Immunserum länger in demselben, also im Meerschweinchenorganismus verbleibt und später ausgeschieden wird, wie das durch aktive Immunisierung mit Cholera- vibrionen gewonnene heterologe Kaninchen- oder Ziegenserum. Denn wie die Protokolle zeigen, hat

die Schatzkraft des homologen Meerschw.-I. S. ,A' = 23 Tage

■R« QA

» » 11 11 y^ ^^ ^"

diejenige heterologen Eanhichen-I.S. ,A' = 5

B* = 7

11 » 11 11 i" 11

Ct fi , ^

Ziegen-I.S. = 7 betragen.

Ist es auch nicht möglich, aus diesen Experimenten ein Urteil zu gewinnen, welches von den beiden heterologen Seris, das Kaninchen- oder Ziegenimmunserum im Meerschweinchenkörper länger zurückbleibt, da sie in dieser Beziehung kaum Unterschiede ei^eben haben, so muß uns doch die überwiegend längere Dauer der durch das homologe Meerschweinchenserum erzeugten Immunität auffallen. Ein Blick auf die Zusammenstellung zeigt, daß selbst dann, wenn wir die Wirkung des heterologen Kaninchen- und Ziegenserums auf sieben Tage berechnen, zum mindesten durch das homologe Meerschweinchenserum ein um 16 (M. I. S. ,A'), ja ein um 19 Tage (M. I. S. ,0*) längerer Schutz bei Anwendung der lOOOfach schützenden Dosis erzielt worden ist. Pfeiffer und Friedberger, die nach ihren Angaben durch die Injektion von Choleraziegen- sermn bei Kaninchen Antümmunkörper erzeugen konnten (Berl. klin. Wochenschr. 1902, Nr. 1) führen das rasche Verschwinden der injizierten Immunkörper bei der passiven Behandlung mit Hetero- immunserum auf die Bildung von Antiserumkörpem zurück und glauben in der erheblich schwereren Entstehung von Autoanti- immunkörpem eine Erklärung für die z. B. beim Rinderpestserum nachgewiesene längere Dauer der mit Isoimmunkörpem vor- genommenen passiven Immunisierung geflinden zu haben. Jedenfalls liefern unsere Experimente von neuem den Beweis, daß der Orga-

332

nismus zu körpereigenem Eiweiß eine größere Affinität besitzt als zu körperfremdem, dessen Aufbraueh selbst bei genauer Befolgung der gleichen Versuchsanordnung nach etwa einer Woche beendet war. Wenn es freilich auch nicht gestattet ist, aus diesen Resultaten allgemeine Schlüsse zu ziehen, so ist doch fär das bakterizide Choleraserum in einwandfreier Weise dargetan, daß die Dauer der passiven Immunität auch nach Anwendung von homologem Serum, am Meerschweinchen gemessen, erheblich hinter der durch aktive Immunisierung erzielten Schutzdauer zurücksteht. Denn wir haben uns, trotzdem die Tatsache schon seit langem feststeht, daß mit Injektionen von Choleravibrionen aktiv behandelte Kaninchen, Meer- schweinchen oder Ziegen unter Umständen über mehrere Monate hinaus sich erhaltende Schutzstoffe in ihrem Blutserum bilden, aus eigener Anschauung durch das Experiment davon überzeugen können, daß das Serum eines Meerschweinchens, das zwei Monate lang genau in der oben geschilderten Weise mit Choleravibrionen immunisiert worden war, noch am 68. Tage nach der letzten Injektion in einer Dosis von 0,08 gleichzeitig vermischt mit einer Öse einer 24 stündigen Kulturmenge 200 g Meerschweinchen am Leben erhielt, während die Kontrolltiere, welche die gleiche Menge normalen Serums + Kultur erhielten, innerhalb 24 Stunden an den Folgen der Cholera-Infektion zugrunde gingen. Jedenfalls müssen A^ir uns dahin aussprechen, daß die durch das homologe Serum hervorgerufene passive Immunität, welche im günstigsten Falle 26 Tage gewährt hat, bezüglich der Dauer ihrer Schutz- wirkung — wenigstens für das bakterizide Choleraserum erheb- lich hinter jener durch die aktive oder isopathische Immunisierung erzielten zurücksteht.

Literatur. E. Behring, Fortschritte der Medizin 1896, Nr. 1. E. V. Behring und Kitashima, Berl. klin. Wochenschr. 1901, Nr. 6. Brieger, Deutsche med. Wochenschr. 1902, Nr, 27.

H e u b n e r , Klin. Studien z. Behdl. d. Diphtherie mit Behrings Serum. Leipzig 1895. Loehr, Jahrbuch für Kinderheilkunde, Bd. 48. Loos, Jahrbuch für Kinderheilkunde, Bd. 42. Müller, Jahrbuch für Kinderheilkunde, Bd. 44. E. Nocard, Joum. des Connaissances möd. 1896, Nr. 44, 45. Passini, Wiener klinische Wochenschrift 1896, Nr. 48. Kansom, Jonrn. of Pathology and Bacteriology 1899. Schütze, Deutsche med. Wochenschr. 1902, Nr. 27. K. Vagedes, Zeitschrift für Hygiene, Bd. XX.

A Study of Aviati Tuberculosis.

By Dr* Teranus A, Moore^

Professor of Comparative Pathology and Bacteriology, New York State Veterinarjr College, Coraell University, Ithaca (X. T.) U. S. A.

In the Summer of 1903, while engaged with Dr. A. R. Ward of Berkeley, California, in the study of infectious poultry diseases, I discovered a number of cases of tuberculosis in fowls (Gallus domestieus). This led to a somewhat careful study of the morbid anatomy of the disease and also to an efFort to produce tuberculosis in fowls by feeding them on human tubercular Sputum, bovine tuber- cular tissues and with pure cultures of the human variety of tubercle bacteria. In addition to this, considerable attention has been given to its differential diagnosis.

There are numerous references in the literature of comparative pathology to the frequency with whieh fowls are affected with tuber- culosis. The number of cases, however, actually reported and positively diagnosed in the United States are very few. In 1900, Pernot reported six outbreaks of this disease ocurring during the preceding year in the State of Oregon. He described the gross lesions and states that tubercle bacilli were present in „countless numbers" in the feces of fowls in the advanced stages of the disease. Bray described tuberculosis in fowls and attributed its origin to the consumption of human tuberculous sputum. Cobb, of the Public Health and Marine Hospital Service, found this disease at Los Angeles in chickens that were cared for by a tuberculous person whose Sputum they consumed. Moore and Ward found this disease in California in 1903. They described the gross and microscopic lesions. Tubercle bacteria were found in the tissues, and pure cultures of the avian tubercle bacteria were obtained from the diseased organs.

The anatomical changes in tuberculosis in fowls and other birds have already been quite fuUy described by Koch, Maffucci,

334

Nocard, Straus and Gameleia, Garino, Sibley, Pernot and others. Their descriptions confirm the findings of the writer that the lesions in fowls (Gallns domesticns) nsnally manifest themselves in the liver, spieen, intestines, mesentery, skin, and joints, although other Organs are sometimes involved. In my stndy the distribution of lesions in seventeen cases was as fellows: „In thirteen cases, the liver; in eight, the spieen; in six, the intestines; in four, the mesentery; and in two, the kidneys; were involved. The längs, bones, ovary, and skin were tnbercnlons in one case each. In the fowl exhibiting lesions of the skin there were no evidences of tuber- colar deposits in any of the other Organs. In the case of the Inng infection, there was a generalized miliary tuberculosis in all of the Organs. The lung lesions were restricted to the miliary tubercles. The Oesophagus, proventricnlns, and gizzard were normal in all cases. Sibley refers to the frequency with which these parts are attacked, and he also speaks of the absence of miliary tubercles, especially of the kidney and of the general Infiltration of the lungs. Others emphasize the frequency of the skin involvement, particularly in parrots. Ralliet and Lucet refer to the diagnostic value of Joint lesions.

The dependent or secondary changes in the cases observed by the writer were marked emaciation, often resulting in the complete atrophy of certain muscles, especially in the pectoral region, and anemia. The number of red corpuscles was reduced in advanced cases to 1 100 000. There was a slight increase in the leucocytes, especially in the polynuclear forms. The hemoglobin ran from 35 to 70 per cent, as determined by Gower's test. The temperature ranged from 102,7 to 108,5 <> F. In the case where the temperature was only 102,7 ^ F., the disease was found on post- mortem to be in a very advanced stage, so that, the low tempe- rature may be considered as a terminal subnormal. In a number of cases the fowls were quite lame. This Symptom has been considered by some writers as diagnostic, being caused by tuber- culosis in the joints. I have not found these lesions, but in all of the cases where lameness was present there were extensive tubercular infiltrations in the liver and other abdominal organs.

A close examination of the tubercles in the liver and spieen show that they usually appear, in the earlier stages of the disease, as small, grayish points, varying from one-fourth to one miUimeter

335

in diameter. In advanced cases they are larger. The nodules have a cheesy consistency and are easily removed from the surroun- ding tissnes. These necrotic masses or nodules have a very irregulär and ronghened surface. The color is grayish or whitish in the beginning, but of a yellowish tint in the later stages. In a few cases the lesions in the liver and spieen consisted of two distinct series of tubercles, one of nodules four to eight millimeters in diameter, separated by a centimeter or more, and the other of closely set, minute, grayish tubercles. Occasionally the tubercles in the liver are very few in number, but larger in size, resembling very closely lymphoma. In the necrotic tubercles of long standing I have not found calcification. Sibley has called attention to this phase of the lesions in fowls. The central portions of the larger tubercles in the spieen is often homogeneous, darker in color, and more or less hyaline in appearance*

The tubercular growths in the digestive tract appear to have started both in the mucosa and in the walls of the intestine. They present on the serous surface a glistening appearance, grayish in color, and firm to the touch. Frequently they are confluent. The tendency is for the larger tubercles to discharge into the lumen of the intestine. When Single the tubercles on the intestine vary from one to ten millimeters in diameter. On the intestine they are, as a rule, sessile but on the mesentery they are more frequently oval and pedunculated, varying from two to five millimeters in length. On section the young tubercles exhibit a grayish, glistening surface throughout, but the larger and older ones contain recogni- zable, necrotic centers.

In the skin the lesion, in the case I examined, was a cellular Infiltration about the roots of the feathers. Frequently the nodules were confluent, but the subcutaneous tissue was not aflfected. The lesions in this case corresponded very closely to those described by Straus in parrots. In the case of generalized miUary tuberculosis, the tubercles were from one to two millimeters in diameter, grayish, glistening, and uniform throughout. In one case the kidney on the left side was suppurating. The lymphatic glands were not involved in any case. The lesion in the bones consistent of an enlargement of the ribs at the union with the costal cartilages.

A microscopic study of the smaller tubercles of the liver show a stmcture quite characteristic of the granulomata. There is a

Zeitschrift ffir lofektlonakrankheiten. I, 4/5. 22

336

necrotic center surrounded by an irregulär zone composed largely of giant cells. This is surrounded by a narrow band of tissae, consisting for the greater part of more or less disintegrated liver cells, free nuclei, and a few lymphocytes. This zone is circumscribed by a narrow reactionary band consisting largely of round cells. This structure appears to be constant in both large and small tubercles. The very yonng tubercles appear to be composed largely of giant cells. The essential difference between the structure of tuberdes in fowls and in higher mammals is the distinctness of the zone between the epitheloid and giant cell band and the reactionary zone. There is a larger number of giant cells than I have observed in mammals. There seems to be a stronger tendency for the lesions to spread by continuity in fowls than in mammals. The necrotic center, the layer of giant cells, and the resisting zone of round cells are beautifuUy demonstrated by the microchemic and staining reactionä. The liver cells between the tubercles are in a State of more or less cloudy swelling and disintegration; areas of fatty degeneration are numerous. The blood Spaces are ofben more than normally distended with blood.

Tubercle bacteria were found usually in very large numbers in cover-glass preparations made from tubercles in the spieen, liver, and kidneys. In sections of these organs they often appear in dense masses within the tubercles. In the zone between the epitheloid and giant cells and the reactionary inflammatory band, they are numerous, but they exist in greater numbers at the outer edge of the central necrotic mass. They are rarely found in the tissue between the tubercles and I have detected them within the giant cells. In similar preparations from the skin lesions they are quite abundant, but usually associated with micrococci. They were found in considerable numbers in the intestinal and mesenteiy tubercles. In advanced cases, where the intestinal tubercles have discharged into the lumen, they appeared in the scrapings of the mucosa. They were not found in cover-glass preparations from the intestine, where the lesions were restricted to the liver. Pernot reports finding them in the intestine in advanced cases.

I have given more attention to the pathogenesis of this organism than to its morphology and cultural characters. The fact has already been pointed out that the avian tubercle organism will produce generalized tuberculosis in fowls. Cadiot, Gilbert and

- 337

Roger, Kostenitsch and Walkon, and Nocard report nearly constant fatal resnlts in rabbits by inocnlating them with the avian organism, the time necessary to produce death varying from ten to one hundred and twenty days. With guinea-pigs the results have been different. Nocard produced generalized tuberculosis with fatal reaults in from sixty-six to one hundred and twenty-two days. Garino inoculated thirty-five guinea-pigs, ten subcutaneously, twenty- five in the abdominal cavity. The latter became emaciated and died in from twenty-eight to forty days. Those inoculated sub- cutaneously developed local lesions which eventually healed and the animals recovered. Cadiot, Gilbert and Roger found very few tubercular granules in guinea-pigs as the result of inoculation. Rivolta produced local lesions only. Cadiot made the interesting Obser- vation that guinea-pigs inoculated with tubercle bacteria from parrots developed tuberculosis the same as those inoculated with the human variety. Both Cadiot and Fröhner mention the frequency of tuberculosis in parrots and suggest its probable origin in tuber- cular attendants.

I have tested the pathogenesis of the fresUy isolated avian tubercle bacteria on fowls, rabbits, guinea-pigs, and pigeons. The results thus far obtained are appended.

Fowls. Fowls inoculated in the abdominal cavity or subcutanebasly with from one-half to one cnbic centlmeter of a glycerine bonillon culture faave, as shown by post-mortem, developed either localized or generalized tuberculosis in from six weeks to three months bnt none of these fowls have died of the disease in that time.

Guinea-pigs. I inoculated a few guinea-pigs with suspensions of tuberculous chickens' livers and spleens. Two were injected in the abdominal cavity and two subcutaneously with from one to two cnbic centimeters of the Bospension, which contained enormous numbers of the tubercle bacteria. They all died during the fall, emaciated, but withont showing tuberculous lesions.

November 13, I inoculated two guinea-pigs of eight hundred gram weight in the abdominal cavity with one cnbic centimeter of a thirteen-day glycerine bouillon culture. March 7 one of these died. It was much emaciated, but otherwise no lesions were found. The other remained alive and in good con- dition. Two guinea-pigs of the samo size were inoculated subcutaneously with a like quantity of the same culture. They developed slight local lesioos which healed in a short time. T|^ey remained alive and in good condition.

Rabbits and pigeons. I have inoculated several rabbits in the abdominal cavity and pigeons in the pectoral muscles with cultures of avian tuberdle bacteria. One rabbit died somewhat emaciated several weeks later. I failed to find any tuberculous lesions. The other rabbits and the pigeons

22*

338

remained alive and in good condition for scveral months when they were destroyed.

Nocard produced tuberculosis in fowls by inoculating them in the peritoneal cavity with a small qaantity of caseous material taken from the bronchial gland of a tuberculous cow. He stated that „it suffices to inoculate fowls that are in a good condition or to mix with their food tuberculous bovine tissue". By these means he killed fowls, turkeys, and pigeons in from six weeks to five months with tuberculosis.

Both Johne and Nocard found tuberculosis in fowls that had been allowed to eat human tuberculous Sputum. Others have re- ported similar findings. I have already referred to Bray and Cobb, who affirm this means of the transmission of tuberculosis from man to fowls. On the other band, Ribbert fed two fowls on tuber- culous Sputum for several months without producing the disease. Straus and Wortz fed Sputum to seven fowls with negative results. Sibley fed a pair of pigeons on Sputum „rieh in bacilli'* for two months without producing tuberculous lesions.

Thus far I have made the following inoculations, including feeding, into fowls with human and bovine tubercle material.

October 14 to November 18 five adult fowls (Nos. 1 to 5) were fed at fourteen different times after a day's fasting a total of 2250 ccm of human tuberculous Sputum rieh in bacilli. It came from several individuals.

October 16 five adult fowls (Nos. 6 to 10) were fed 60 grams of huaian tubercle bacteria from glycerine bouillon cultures. October 22 two of these fowls received a similar quantity of tubercle virus. The bacteria were mixed with a little food and the fowls w^ere allowed to fast for one day before each feeding.

October 16 two adult fowls (Nos. 11 and 12) were inoculated in the abdominal cavity with one cubic centimeter of a cloudy Suspension of a glycerine bouillon culture of human tubercle bacteria.

October 31 two adult fowls (Nos. 14 and 15) were inobulated subeutane- ously with pieces» the size of largc beans, of a tuberculous lymph gland of a cow.

December 3 two adult fowls (Nos. 16 and 17) were inoculated in the abdominal cavity with five cubic centimeters of a Suspension of a crushed, tuberculous bovine mammary gland which contained an enormous number of tubercle bacteria.

Control inoculations were made with small quantities of the material nsed in each of the inocnlation and fecding experiments. All of the guinca- pigs died with the usual lesions of tuberculosis in from three to five weeks.

- 339

The results of these feeding and inoculation experiments were negative. All of the fowls were killed and carefuUy examined in from six weeks to eight months after inoculation and not in a Single case could tnberculous lesions be found.

A ftirther feeding experiment with human tnberculous Sputum was made. Six fowls were fed daily 500 ccm of Sputum from several tnberculous persons for a period of six months. They were killed and carefully examined at the end of that time but no evidence of tuberculosis could be found. On microscopic examination tubercle bacteria were found in the intestinal contents.

Although these experiments are few in number, they are quite conclusive in showing that avian tuberculosis is not always capable of being transmitted to experimental animals and also that human and bovine tuberculosis is not always easily transmitted to fowls.

Another interesting Observation was that tnberculous fowls did not give a diagnostic reaction to tuberculin. When large doses were injected there was a slight elevation of tempe- ratnre which continued for from one to three hours, but which in no case could be considered of diagnostic value. The same results foUowed the use of tuberculin prepared from avian tubercle bacteria.

Ithaca, N. Y., January, 1906.

References.

Bray, T. A., Tuberculosis in chickens. Journ. Comp. Med. and Vet. Archives,

XVII 18%, p. 462. Cadiot, Gilbert and Roger, Inoculation of the tuberculosis of gallinaceous

to mammalia. Am. Vet. Review, XX, 1896—1897, p. 225. Cadiot, Gilbert et Roger, Inoculation de la tuberculose des gaUinaces aux

mammiföres. Recueil de Med. Vet, Serie VIII, III, 1896, p. 188. Fröhner, Zur Statistik der Verbreitung der Tuberkulose unter den kleinen

Haustieren. Monatshefte für praktische Tierheilkunde 1893, p. 51. Maffucci, Die Hühnertuberkulose. Zeitschr. f. Hygiene, XI, 1892, p. 445. Moore and Ward, Avian tuberculosis. Proc. Am. Vet. Med. Assn., 1903,

p. 169. Moore, The morbid anatomy and etiology of avian tuberculosis. The Journ.

of Medical Research., 1904. Nocard, Ed., Transmission de la tuberculose des poules et Thomme. YHM-

naire, III, 1886, p. 658.

340

Pernot, E. F., Investigations of diseases of poultry. BuL No. 64, Oregon

Agr. Expt. Sta., 1900. Sibley, W. K., Tuberculosis in birds. Journ. of Comp. Med. and. Vet Arch.,

XI, 1890, p. 317. Ward, A. R., Avian tuberculosis. Cal. State Journ. of Med., December 1903. Weber, S. E., Review of the avian tuberculosis. Journ. of Comp. Med. and

Vet. Arch., XIII, 1892, p. 429.

Zusammenfassung.

Die pathologischen Veränderungen der GeflUgeltuberkulose haben ihren Sitz gewöhnlich in der Leber, der Milz, dem Darm, dem Mesenterium, der Haut und den Gelenken. Sekundäre Veränderungen bestehen in Abmagerung (oft mit Muskelatrophie verbunden) und Anämie (bedeutende Reduktion der Ery- throzyten, geringe Zunahme der Leukozyten). Bezüglich der pathologisch- anatomischen Einzelheiten vgl. den Originaltext. Tuberkelbazillen wurden in den Herden der Milz, der Leber und den Nieren gewöhnlich sehr zahlreich gefunden. Im Gewebe zwischen den Herden waren sie selten. Auch in den Hautveränderungen fanden sich Tuberkelbazillen massenhaft, in der Regel jedoch mit Kokken vergesellschaftet, vor. In beträchtlicher Menge wurden sio auch in den intestinalen und mesenterialen Läsionen gefunden. Wenn die Ver- änderungen auf die Leber beschränkt waren, konnten im Darm Tuberkelbazillen nicht nachgewiesen werden.

Die mit Vogeltuberkelbazillen angestellten Tierversuche er- gaben folgendes: Bei Hühnern erzeugte die subkutane oder intraabdominale Einverleibung der Bakterien lokale oder generalisierte Tuberkulose. Meer- schweinchen, Kaninchen und Tauben ließen sich durch subkutane (intramuskuläre) und intraperitoneale Einverleibung der Bakterien nicht tuberkulös machen. Einige der drei letztgenannten Tiere magerten jedoch ab und starben, ohne tuberkulöse Veränderungen zu zeigen.

Menschen- und Rindertuberkelbazillen (Kulturen, Sputum und Gewebe) wurden an Hühner verfüttert und verimpft Alle geimpften und ge- fütterten Hühner blieben gesund.

Die Versuche zeigen, daß Vogeltuberkulose nicht immer für Ver- suchstiere infektiös ist, und daß Menschen- und Rindertuberkulose nicht immer leicht auf Hühner übertragen werden können.

Tuberkulöse Hühner gaben keine Tuberkulinreaktion, auch dann nicht, wenn Tuberkulin von Vogeltuberkelbazillen ver- wendet wurde.

Aus der bakteriologischen Station des Hamburgischen Veterinärwesens.

Beiträge zur Kenntnis der PalÜsadenwurmlcranldieiten der Ffillen und der Pferde.

Von Polizeitierarzt F. Glage

in Hambarg.

Den Pallisadenwürmern des Pferdes hat man bereits vor über 200 Jahren Beachtung geschenkt. Ruysch machte schon 1691 und 1720 auf das Wurmaneurysma aufmerksam, ebenso beschrieb Schulze 1725 ein Aneurysma, das zahlreiche Würmer enthielt. Den Namen „Pallisadenwurm" gebrauchte mit Rücksicht auf die eigentümliche Kopfbewafl&iung der Parasiten zuerst 1782 Goetze. Zunächst glaubte man des randen Leibes der Strongyliden wegen an eine Verwandtschaft mit den Askariden. Die Abtrennung von diesen erfolgte durch Müller 1780 und 1788 unter dem Namen „Strongylus equinus". Gmelin fuhrt dann schon den Wurm getrennt von Askaris auf. 1803 nannte Rudolph! den Parasiten Strongjlus annatus und empfahl, als Gattungsmerkmale der Strongyliden die Beschaffenheit der Bursa des Männchens in Betracht zu ziehen. 1809 gebrauchte Rudolphi die Bezeichnung „Sclerostomum ar- matum", ebenso 1851 Diesing. Mehlis trennte 1831 Strongylus tetracanthus von Strongylus equinus ab. Rudolphi hatte einen Strongylus annatus major aus dem Darm und minor aneurysmaticus unterschieden, Cuvier sprach es aus, daß diese dieselbe Art seien, welche Meinung sich nach Leuckart allgemein Bahn brach. Die Vermutung, daß das Aneurysma mit der Kolik etwas zu tun habe, wurde 1830 von Hering ausgesprochen, später von Bruckmüller. Die erste tödliche Thrombose in Verbindung mit einem Wurm- aneurysma behandelte Cornevin 1869. Im Jahre 1870 erschien dann die klassische Arbeit Bollingers über die Kolik der Pferde, die begeisterte Anhänger und viel Zustimmung fand (Lustig), aber

342

ebenso große Gegner (Gerlach). In diese Zeit fallen auch die ersten Versuche über die Entwicklung der Embryonen der Sklerostomen (Baillet, Leuckart). Willach verwechselte 1890 und 1891 wieder Sclerostomum armatum und tetracanthum. Mehrfach wurde in der Literatur auf die wechselnde Größe des Sclerostomum armatum hin- gewiesen. Nach Schneider und Jägerskiold ist auch die Aus- stattung der Mundkapsel eine wechselnde. Poeppel trennte daraufhin im Jahre 1897 einen Strongylus armatus und Strongylus neglectus voneinander. Looß stellte dazu 1900 unter Abänderung* der Namen der vorigen ein „Sclerostomum edentatum" auf und erklärte auch den „Strong. tetracanthus" für keine Arteinheit, hier ebenfalls mehrere Spezies unterscheidend. Sticker äbemahm diese Dreiteilung des Sclerostomum armatum, indem er das Sclerostomum vulgare Looß in Scler. bidentatum umtaufte. Die Namengebung richtete Sticker überhaupt nach der Zahl der Zähne am Grunde des Mundbechers der Parasiten ein. Er unterschied folgende Spezies:

1. Sclerostomum qtiadridentatuniy vierzähniger Pallisadenwunn = Strongylus neglectus Poeppel = Strongylus armatus Rud. part. = Strongylus equinus Müller.

2. Sclerostomum bideffitatum Sticker = Sclerostom. vulgare Looß = Strong. armatus Rud. (nach Poeppel).

3. Sclerostomum edentatum Looß == Strong. armatus Rud. Ohne auf die geschichtliche Entwicklung weiter einzugehen*

da sie schon von Sticker und Poeppel genauer behandelt ist, möchte ich mich nach der sehr zweckmäßigen Namengebung Stickers richten, wenn auch Sticker selbst betont, daß die Zoologen wohl aus Prioritätsrücksichten den Namen Sclerostomum quadridentatum zugunsten des älteren „equinum" vielleicht nicht annehmen werden, dasselbe gilt für die Umbenennung des Sclerost. vulgare Looß in „bidentatum". Jedenfalls ist aber der Stand der Einteilung der Pferdesklerostomen heute derart, daß zwei gute Beobachter (Looß und Sticker) das Scler. armat. in drei ver- schiedene Spezies zerlegen, und daß das in dieser Arbeit nicht weiter zu berücksichtigende Scler. tetracanthum nach Looß auch keine Arteinheit darstellt, sondern eine Gruppe von Parasiten umfaßt. Um eme kurze Beschreibung der drei ersteren Sklerostomen an Hand der Angaben von Looß hier niederzulegen, so ist

1. Sclerostomum quadridentatum der größte Parasit des Genas im engeren Sinne. Länge des Männchens bis 35 mm, des Weibchens 45 bis 47 mm»

343

DIeke des Männchens 1,25 mm, des Weibchens 2,25 mm. Der Kopf mit der Mundkapsel ist fast gar nicht durch größere Dicke von dem übrigen Körper abgesetzt Mundkapsel länglich-ellipsoidal. Die dorsale Binne ist auf dem Querschnitt rundlich, ohne scharfe Kante. Die vier Zähne sind hoch und schlank. Der Exkretionsporus liegt kurz hinter dem Ringwulst, den die Körperhaut vor dem Yorderrande der Mundkapsel bildet. Ösophagus 1,67 mm lang, an seinem Hinterende nur ganz wenig verdickt. Bursa des Männchens breiter als lang. Sie besitzt zwei ansehnlich entwickelte Seitenlappen, wohin- gegen der Mittellappen nur mangelhaft ausgebildet und wenig abgesetzt ist.

2. Selerastamum bidentatum. Die Männchen sind nur 14 bis höchstens 16 mm lang. Ihr Leib ist ziemlich gleichmäßig 0,7 mm dick. Die Weibchen messen 23—24 mm bei etwa 1 mm Dicke. Die größte Dicke wird ungefähr in der Mitte des Leibes erreicht, so daß das Schwanzende relativ schlank erscheint. Der Kopf mit der Mundkapsel ist nicht vom Körper abgesetzt^ die Gestalt der Mundkapsel becherförmig, an der Rückenfläohe etwas stärker ge- bogen, als die Bauchfläche. Am untern Ende der dorsalen Rinne befinden sich die beiden wie Henkelohren aussehenden Fortsätze. Querschnitt der Rinne halbkugelig. Exkretionsporus auf ungefährer Höhe des Nervenringes. Der Ösophagus ist an seinem Hinterende zwar deutlich, aber nur wenig ver- dickt Weibliche Genitalöffnung 8 mm von der Schwanzspitze entfernt Die Bursa des Männchens zeigt einen mehr oder minder abgesetzten Mittellappen, der den Seitenlappen gegenüber an Größe stark zurücksteht

3. Sclerostomnm edentatum. Ist kürzer als Scler. quadrident, aber fast ebenso dick, also plumper. Länge des Männchens 23—26 mm, größte Dicke etwa 1,5 mm, Länge des Weibchens 33—36 mm, Dicke bis 2 mm. Der Kopf setzt sich überall sehr deutlich kugelförmig ab dadurch, daß die Körperhaut hinter der Mundkapsel sich aufiUUig nach innen verdickt und dadurch den eigentlichen Körper halsartig einschnürt. Außerdem zeigen sich an diesem Halsteil fast stets unregelmäßige tiefe Querfalten. Mundkapsel becherförmig. Zahnartige Fortsätze nicht vorhanden. Der Querschnitt der dorsalen 'Rinne ist dreieckig, mit ziemlich scharfen Spitzen. Ösophagus am Hinterende dick, keulenförmig angeschwollen. Exkretionsporus auf derselben Höhe gelegen wie bei Scler. quadrid. Weibliche Genitalöffnung 9—10 mm vor dem Leibes- ende. Schwanzteil kurz und stumpf. Bursa des Männchens ähnlich wie bei Scler. quadridentatum.

Der Dreiteilung des „Sclerostomum armatam" begegnete ich anfangs mit einem gewissen Mißtrauen, um so mehr als man die Entwicklungsgeschichte und das Leben der fraglichen Parasiten trotz der vielen, aUerdings meist kasuistischen Angaben in der Literatur, die ein so interessanter, verbreiteter und deshalb viel beachteter Wurm gezeitigt hat, nicht genau kennt. War man doch auch früher, wie schon gesagt, die Aderwürmer und Darm- sklerostomen als besondere Arten auf Grund der anatomischen Ver- schiedenheiten zu betrachten zu Unrecht vielfach geneigt gewesen.

344

Nach meinen eigenen Untersuchungen muß ich indessen jetzt eben- falls an die Berechtigung und Zweckmäßigkeit dieser Trennung glauben, solange nicht bewiesen wird, daß die eine oder andere Ait nur eine Entwicklungsstufe einer anderen sei. Anatomisch sind jedenfalls zwischen denselben große Unterschiede nachzuweisen, wobei der Hinweis Stickers, daß die Zahl der Zähne am Grunde des Mundbechers eine schnelle Unterscheidung neben der ver- schiedenen Größe und Körperform der Parasiten ermöglicht, tat- sächlich zutriflPt. Sticker empfiehlt zur besseren Sichtbarmachung dieser anatomischen Verhältnisse die Würmer einige Stunden in Glyzerin aufzuhellen oder in konz. Kalilauge zu erweichen. Den- selben Effekt erzielt man auch durch Einlegen der Parasiten in Wasser für einige Zeit und leichtes Quetschen. Allerdings muß dann die Messung vorher erfolgen, da im Wasser eine starke Quellung der Würmer stattfindet. Man schneide den Kopf kurz ab, wegen der dorso-ventralen Krümmung des Leibes der Schmarotzer erhält man sonst bei der Untersuchung in der Regel die für die Artbestimmung ungünstigere Seitenansicht der zahnartigen Bildungen. Hinsichtlich der Verbreitung der Parasiten gilt für die in Hamburg geschlachteten Pferde, daß das Scler. quadrid. eine Seltenheit ist, Scler. bident. die gemeinste Art darstellt und Scler. edent. ebenfalls äußerst ver- breitet ist. Ähnlich liegen die Verhältnisse in Berlin, woselbst Sticker bei 20 Sektionen im pathologischen Institut von Schütz von November bis März 12 mal das Edentatum, 7 mal das Bidentatmn und nur einmal das Quadridentatum ermittelte. Auch die Sammlungen vonRudolphi und von Gurlt enthalten nach Sticker die meisten Exemplare von Edentatum. Von Quadridentatum sammelte Gurlt nur sechs Weibchen, Rudolphi nur zwei Weibchen und ein Männchen. In Egypten fand Looß das Sei. quadrident. selten und konnte unter einigen Hundert bis jetzt von ihm gesammelten Pferde- sklerostomen nur drei derartige Exemplare antreffen. Die weitaus häufigste Art ist dort das Sclerost. bidentatum (daher von Looß „vulgare" genannt), aber auch das Scler. edentat. ist ziemlich verbreitet und von Looß auch unter Sklerostomen, die ihm aus Europa von Spengel und aus Japan von Janson gesandt wurden, auf- gefunden worden. Wenn Poeppel erklärte, daß er nie Sclerostomen ohne zahnartige Bildungen gesehen habe, so scheint das zwar für eine strichweise Verbreitung der einzelnen Sklerostomen zu sprechen.

345

indessen bemängelt Looß die Zuverlässigkeit der Untersuchung Poeppels gerade in dieser Hinsicht sehr.

Die andern Angaben in der Literatur berQckBichtigen noch nicht die Dreieinteilung des Sclerost. annatam. Man fand Scler. arm. nach Duj ar- din häufig in Paris. Ncnmann sab es bei allen untersuchten Pferden in Toulouse und in Rennes, dagegen wiesen in Wien von 92 Pferden nur 17 den Parasiten auf. Krabbe fand in Eopenbagen unter 100 Pferden 86 mit ihm behaftet, dagegen wiU Blumberg in Kasan Scler. arm. bei 93 Pferden nur 4 mal angetroffen haben und Dune an in den Vereinigten Staaten unter 50 Pferden gar nur einmal.

Ich habe mich zwar auch eiagehender mit den anatomischen Merkmalen der Parasiten beschäftigt, schon um die drei Arten sicher unterscheiden zu lernen, könnte in dieser Hinsicht aber zur Veröffentlichung geeignete neue Tatsachen kaum nennen, sondern bin im wesentlichen zu einer Bestätigung der in den Arbeiten von Sticker und Looß enthaltenen Angaben gelangt. Letztere sind aber nicht vollständig insofern, als sie die pathogene Bedeutung der einzelnen Arten kaum berücksichtigen. In dieser Hinsicht kann ich dieselben durch eigene Erfahrungen ergänzen. Da die Dreieinteilung erst vor kurzem erfolgte, so beziehen fast alle älteren Autoren die durch Pferdesklerostomen erzeugten Krankheiten all- gemein auf Scler. armatum. Die Durchsicht der Literatur und eigene Beobachtungen ermöglichen es mir nun, mindestens zweien dieser Sklerostomen eine größere Bedeutung zuzuschreiben: dem Sclerost. bidentatum und dem Sclerost. edentatum, wobei die durch das letztere erzeugten sehr häufigen Krankheiten bis jetzt kaum beachtet wurden. Ich möchte nun die drei Parasiten der Reihe nach betrachten.

1. ScIerostomuiD quadridentatuiD.

Diesem Parasiten, den man nur selten und dann immer ver- einzelt auf der Grimmdarmschleimhaut und im Blinddarm findet, eine besondere pathogene Wirkung beizumessen, fehlt bis heute jede Berechtigung. Die Beschädigungen der Darmschleimhaut, die durch das Anheften derartiger Würmer bedingt werden, sind nur minimal und stören den Gesundheitszustand des Wirtes bekannt- lich nicht.

2. Scierostomum bidentatum.

Auf diesen Wurm bezieht sich fast alles, was bisher über die pathogene Tätigkeit des Scierostomum armatum bekannt geworden

346

ist. Bei Abgrenzimg der durch ihn erzeugten Erankheitsbilder läßt es sich daher nicht vermeiden, viel Bekanntes zu wiederholen, ich will das aber in gedrängter Kürze tun und kann eine solche Er- örterung um so weniger umgehen, als ich an mehreren Stellen eine Anzahl neuer Beobachtungen einschalten möchte, die bezüglich einiger Anschauungen neue Gesichtspunkte bieten dürften. Wie Sticker hervorgehoben hat, gehören zu dieser Spezies besonders auch die bekannten Larven im Wurmaneurysma. An der Larve Selbst kann man allerdings diese Eigenschaft noch nicht erkennen, indessen häutet sich dieselbe noch in der Arterie. Man sieht dort den jungen Wurm ausgeschlüpft oder noch in der Larvenhaut stecken, wobei er dann bereits alle wesentlichen Merkmale des Scler. bident. aufweist.

Niemals habe ich andere Würmer als diese aus den zahlreichen untersuchten Larven sich bilden sehen. Auch Poeppel spricht sich in demselben Sinne aus.

Die jOngsten Larven im Aneurysma messen bekanntlich 4 mm, die größten 18 mm. Wie schon Hehlis 1831 und Gurlt feststellten, erlangt die Larve die letztere Größe bei der Häutung. Die Larvenhaut pflegt den in ihr noch lagernden jungen Wurm zu Überragen. Man kann schon mit bloßem Auge derartige Exemplare unter den Lar\'en daran erkennen, daß sie ein glasig durchscheinendes Kopfende haben, eben die leere Larvenhaut

Über die Wanderung des Sclerost. bident. im Körper herrschen zur Zeit gewisse Kontroversen, auf die ich nach Besprechung einiger Beobachtungen über das Aneurysma eingehen will.

Aneurysmen fand ich bei Pferden ebenso häufig, wie es allent- halben seitens der anderen Beobachter mitgeteilt wird. Schon Hering gab 1830 an, daß die meisten Pferde ein Aneurysma an der vorderen Gekrösarterie aufweisen. Nach Bruckmüller, Roll. Bollinger und anderen sind 90—94 Proz. aller Pferde damit be- haftet. Ellenberger sah unter 85 Anatomiepferden nur eins ohne Aneurysma, Poeppel indessen fand in Leipzig von 40 älteren Pferden sieben frei von aneurysmatischen Bildungen. Nach meinen Erfahrungen sind 86 Proz. aller hier geschlachteten Pferde mit dem bekannten Aneurysma behaftet, von dessen anatomischer Beschaflfen- heit in histologischer Hinsicht Sticker in einer besonderen Ab- handlung eine eingehende Beschreibung gibt.

Der Umfang der Aneurysmen schwankte zwischen Walnuß- und Mannskopfgröße, die meisten waren hühnerei- bis faustgroß.

347

Wie beträchtlich die Größe der Aneurysmen sein kann, ergeben die Mitteilungen Herings, der ein 9 kg schweres registrierte, und Köckenbergers, der ein kopfgroßes sah, ebenso wie Francke.

Über den Sitz und die Form der Aneurysmen etwas mitzuteilen, dürfte überflüssig sein. Die meisten befinden sich an der Art. ileo- coeco-colica. Wie sehr diese Stelle bevorzugt ist, ist ja allgemein bekannt. Waren doch von 168 Aneurysmen nach Bollinger nicht weniger als 153 an der vorderen Gekrösarterie, nur vier an der Bauchschlagader, je drei an der Leber-, hinteren Gekrösarterie und Himarterie und nur zwei an der Bauchaorta. Eine ähnliche Ver- teilung enthält die Statistik Poeppels, die sich auf 50 Aneurysmen bezieht, von denen allein 47 an der vorderen Gekrösarterie ge- legen waren. Ebenso waren einzelne Aneurysmen, die ich im Laufe der Jahre an anderen Arterien gesehen habe, stets Selten- heiten. Wurmaneurysmen kommen bekanntlich allenthalben vor. Man hat solche gesehen an der Leberarterie, Nierenarterie (Railliet), an der Gaumenarterie (Gurlt), hinteren Nackenarterie (Peters), der Bronchialarterie (Leisering), Schlundarterie (Reymond), Kau- muskelarterie (Chauveau), vorderen Aorta (Olliver, Bouley und Reynal), den Schenkelarterien (Wulf) usw.

Als geringstes Lebensalter für das Auffinden der Aneurysmen nahm man früher allgemein sechs Monate an, indessen sind in der Literatur doch eine größere Zahl Beobachtungen niedergelegt, daß Füllen schon in früherem Lebensalter ein Wurmaneurysma be- sitzen können. Stick er stellt eine bezügliche, wenn auch nicht vollständige Tabellenach der Literatur auf. Waldmann, Poeppel und Francke entdeckten eine erhebliche derartige Blutgefäß- erkrankung bei 3 Monate alten Füllen, Willach bei noch jüngeren Tieren, ebenso Poeppel. Schulze notierte dasselbe fär ein S'/j Monate altes Tier, Dewitz fttr ein 3—4 Monate altes. Ein von Matthiesen seziertes Füllen, das ein Aneurysma aufwies, war erst 5 Monate alt.

Bei meinen Untersuchungen beachtete ich besonders die Füllen, natürlich ohne die älteren Pferde dabei zu vernachlässigen, weil ich Wert darauf legte, Einblick in die ersten Sklerostomeninvasionen zu erhalten. Am hiesigen Pferdeschlachthof werden des öfteren Füllen geschlachtet, vielfach wegen mangelhafter Entwicklung, in anderen Fällen wegen unheilbarer Lahmheiten und Unglücksfälle, wie Knochenbrüche usw. Die meisten Schlachtungen erfolgen im Herbst

348

und Winter, weil die Landwirte auch kranke Tiere den Sommer hindurch auf der Weide zu belassen pflegen, von der sie günstige Wirkungen auf den mangelhaften Gesundheitsznstand erwarten, aber beim Einstellen im Herbst alle Tiere abschaffen, deren Über- winterung sich nicht verlohnt. Alle von mir sezierten FüUen 35 an der Zahl waren daher bereits mehrere Monate alt, darunter die jüngsten 5 Monate. Von diesen Füllen hatten 25 ein walnuß- bis faustgroßes Wurmaneurysma an der vorderen Gekrösarterie oder deren Ästen und zwei außerdem an der Bauchschlagader.

Auf eine besondere Tatsache, die noch nicht genügend beachtet ist, möchte ich nun aufmerksam machen, nämlich daß die Aneu- rysmen bei Füllen durchweg ungleich viel reicher an Larven sind als diejenigen der älteren Pferde, mit andern Worten, daß die Einwanderung des Scler. bidentatum vorwiegend in der Jugend erfolgt und damit auch seine pathogene Wirkung in erster Linie bei FüUen in Frage kommt. Die Sclerostomiasis ist dem- nach hauptsächlich eine Füllenkrankheit. Es ist das an sich nichts Ungewöhnliches, wir wissen es vielmehr von vielen Parasiten, daß sie vorwiegend die jungen Tiere heimsuchen.

Nach meinen Zählungen weisen Pferde im Alter von sechs Jahren und darüber durchschnittlich höchstens ein Dutzend Larven im Aneurysma auf, während man bei Füllen im Alter von fünf Monaten bis zweieinhalb Jahren auf mindestens 70 durchschnittlich rechnen kann. Die Aneurysmen der Füllen sind in der Regel von Larven förmlich vollgestopft derart, daß die thrombotischen Gerinnsel mit Würmern vne gemengt erscheinen, wobei die Larven stets voll- kräftig entwickelt sind, im übrigen aber, wie auch bei alten Pferden, eine verschiedene Größe aufweisen und verschieden vorgeschrittene Entwicklung, was auf ungleiches Alter zurückzuflihren ist. Diese stets zu beobachtende ungleiche Größe der Insassen desselben Aneurysma spricht dafiir, daß die Aufnahme der Wurmbrut schub- weise zu verschiedener Zeit zu erfolgen pflegt.

Es fällt auch in der Literatur auf, daß fast alle Beschreibungen von Aneurysmen bei Füllen die Tatsache des reichlichen Besetzt- seins mit Larven vermerken, während für ältere Pferde gerade das (xegenteil angegeben wird. Bollinger hatte bekanntlich die Zahl von nur neun als durchschnittlich für ein Aneurysma angegeben.

349

Allei*dings übersieht man beim Zählen einzelne Würmer leicht, da sie oft sehr versteckt und in den Thromben verhüllt sitzen»

um die einzelnen Angaben näher zu würdigen, so erwähnte schon Schwarzmaier an Hand der Beobachtung von 20 Fällen, daß die Brut des bewaffneten Pallisadenwurms von den IHülen schon im frühesten Jugendalter aufgenommen wird und in die Gekröswurzel gelangt. Poeppel sah bereits bei einem zehn Tage alten Füllen ein taubeneigroßes Aneurysma mit einer „ansehnlichen" Zahl Larven als Bewohner. In dem von Matthiesen beschriebenen Fall waren in dem Aneurysma „unzählige" Exemplare vorhanden. Francke zählte in einem eingesandten Aneurysma vom Füllen in dem Institut von Rabe allein in der Bauchschlagader 65 Exemplare, öfihete dabei das außerdem vorhandene umfangreiche Aneurj^sma an der vorderen Gekrösarterie, um das Präparat zu erhalten, nicht, so daß noch viel mehr gerechnet werden müßten. Bei einem anderen 2^/2]ährigen Füllen waren nach Francke 132 Würmer nachzuweisen, bei einem 8 Monate alten, gut genährten Tier 200 300 Larven. Bei diesem hatte das Aneurysma 70 cm Umfang und wog 7 kg. Von Lustig wurden bei einem ^l^j^hrigen Füllen in dem aufgeschnittenen Aneurysma 51 Larven ermittelt. Mieckley endlich vermerkt neuerdings, daß Füllen schon in ganz jugendlichem Alter arg unter Aneurysmen zu leiden hätten, die oft bis 60 Stück Würmer in den Blutgerinnseln enthielten. Dieser auffällige Unter- schied zwischen Füllen und älteren Pferden kommt endlich auch in den Sektionsberichten Stickers zum Ausdruck, weil bei den obdu- zierten Füllen im Aneurysma sehr zahlreiche (bis hundert), bei der untersuchten Fohlenstute nur einige Larven gefunden wurden.

Dagegen ist es keine Seltenheit, daß man bei älteren Pferden große Aneurysmen an der typischen Stelle der vorderen Gekrös- arterie findet, die überhaupt frei von Larven sind. Ich habe schon über ein Dutzend derartige Fälle gezählt, während ich für Füllen im Alter von 5 Monaten bis 2^2 Jahren noch kein solches Vor- kommnis zu melden wüßte. In anderen Fällen sind bei Pferden nur 1 bis 2 Larven nachweisbar oder es machen sich nur Residuen ehemaliger Invasionen bemerkbar. Man trifft die Lagerstätten der Larven in alten, adhärenten, grauen, hautartigen, wandständigen Thromben oder in der Aneurj^smenwand unter der Intima, ferner Larvenhäute, die nach dem Ausschlüpfen des Wunns zurückblieben oder streifenförmige oder fleckige, schmutzig-braune Pigment-

350

ablagerungen, wohl als Folgen ehemaliger Blutungen. Es hat auf mich immer den Eindruck gemacht, daß die geringe Zahl von Larven bei den älteren Tieren unmöglich die oft sehr be- deutenden Gefäßveränderungen verschuldet haben könnte, sondern daß man bei alten Pferden nur die Folgen der bereits im Füllenalter stattgefundenen intensiven und dazu wiederholten Invasionen wenn nicht ausschließlich, so doch in erster Linie vor sich hat.

Beim Fällen freilich paßt die große Zahl der Larven vortrefflich zu der GefiLß Veränderung; die Thromben sind auch noch vollsaftig frisch, rot, locker geronnen, wenig adhärent und stechen schon in ihrem Aussehen mit den eingemengten Würmern sehr ab von den zunderigen, grauen, plattenformig oder knotig aufgelagerten alten larvenarmen Thromben an den deformierten, oft verknöcherten oder schwielig verdickten Aneurysmenwänden bei den alten Pferden.

Wiederholt sind auch ausweislich der Literatur bei älteren Pferden Aneurysmen ohne Larven gesehen worden. So obduzierte Stietenroth 1891 in den Sommermonaten 12 an Kolik verendete Pferde. Von diesen hatten nur 9 ein Aneurysma und davon nur 5 ein solches mit Larven. Bei 10 von Siedamgrotzky sezierten Pferden waren in der vorderen Gekrösarterie sechsmal Thromben und nur viermal gleichzeitig Larven in denselben nachweisbar.

Für diejenigen älteren Pferde, die kein Aneurysma besitzen, mag es an Gelegenheit zur Invasion der Wurmbrut gefehlt haben, und Poeppel vermutet wohl mit Recht, daß die in der Großstadt gehaltenen Pferde in dieser Hinsicht durch ihre Haltung besser geschützt seien als Weidepferde. Andererseits muß aber auch berücksichtigt werden, daß die Wurmbrut größere Schwierigkeit hat, ältere Pferde anzugreifen und sich seßhaft zu machen, als bei Füllen. Zwanglos kann man auch annehmen, daß nur bei größerem Umfang der Invasion an den Arterien umfangreichere Läsionen und Aneurysmen sich ausbilden. Ob und inwieweit die im Füllenalter erworbenen Aneurysmen sich nach dem Auswandern der Larven bei mangelnder Gelegenheit zu wiederholten Invasionen zurück- bilden, mag dahingestellt sein.

In Übereinstimmung mit diesen Beobachtungen trifft man auch die geschlechtsreifen Darmsklerostomen dieser Art bei älteren Pferden durchschnittlich in geringerer Zahl an als bei jüngeren. Viele alte Pferde haben überhaupt keine Darmsklerostomen, andere nur ver-

351

einzelte, bis zum halben Datzend. Es ist nur eine Ausnahme, wenn man eine reichere Besetzung bemerkt. Ganz anders liegen die Verhältnisse bei jüngeren Tieren, bei denen das Schmarotzertum des Bidentatum ein überaus reichliches zu sein pflegt und oft hunderte geschlechtreife Exemplare auf der Dickdarmschleimhaut zu zählen sind. So gut es für alte Pferde Ausnahmen gibt, so auch iür jüngere, aber die obigen Angaben treffen doch, wie ich nach den Sektionen auf dem Pferdeschlachthof an Hand eines sehr großen Materials gefunden habe, die Regel. Jedenfalls ist ein gewisses passendes Verhältnis zwischen der Zahl der Larven und der Zahl der dieser Spezies zuzuzählenden Darmwürmer nach dem Alter der Pferde zu konstatieren. Diese Tatsache aber, daß die Sklerostomiasis. vorwiegend eine Füllenkrankheit ist, gewährt weitere Anhaltspunkte zur Beurteilung der verschiedenen Anschauungen hinsichtlich der Entwicklung und Wanderung der Parasiten im Pferdekörper. Nach Sticker finden beim Sclerost. bident. mit Sicherheit vier, vielleicht sogar fünf Häutungen statt und man muß unterscheiden den Embryo, die Rhabditisform, die junge Larve, ältere Larve und das Geschlechts- tier. Die Entwicklung erfolgt dabei nach Leuckart derart, daß sich die Embryonen im Sommer im Freien in drei bis vier Tagen bilden. Sie besitzen nach dem Verlassen der Eischale ein pfriemen- formiges Schwanzende und deutliche Pharyngealzähne. Wegen dieser Grestalt nennt man den Wurm in diesem Stadium die „Rhabditisform". Sie ist befähigt zum Freileben auf feuchtem Boden. Nach Baillet messen die jungen Rhabditiden 0,34—0,50 mm. Im Wasser bleiben sie nur einige Tage am Leben, ohne zu wachsen. Im feuchten Kot aber leben sie weit länger, mehrere Monate, und wachsen bis 1,45 mm. Die Häutung findet am 15. 20. Tage statt, und der Wurm erscheint dann mit bedeutend abgekürztem Schwanz und ist von weißgelblicher Farbe. Diese neue Form ist nach Baillet sehr widerstandsfähig. Sie vermag sechs bis acht Monate auch im Wasser am Leben zu bleiben und eine Temperatur von nahezu Null ohne Nachteil zu ertragen. Unsere Kenntnisse hin- sichtlich des Lebens im Freien sind zwar noch sehr lückenhaft, allgemein glaubt man aber, wohl auch mit Recht, daß die Ent- >vicklung im Freien besonders in feuchten Substraten vor sich gehe, weshalb man auch an die Aufnahme der Brut vornehmlich durch das Trinkwasser denkt. So beschuldigt man auch feuchte Weiden.

Zeitschrift mr Infektioniikraiikheiten. I, 4/5. 23

352

Marschweiden, Wiesen mit viel Gräben und Tümpeln oder feuchtes Grünftitter.

Hinsichtlich der Wanderung im Pferdekörper glaubt die Mehr- zahl der Autoren, daß nach Aufiiahme der Brut diese nur kurze Zeit im Darm verweilt, alsbald in die Blutgefllße gelangt und hier im arteriellen System, vorwiegend in der Art. ileo-coeco-colica. ein weiteres Entwicklungstadium durchmacht, dabei zur Entstehung von Aneurysmen Veranlassung gebend (Leuckart, Railliet, Sticker u. a.). Darauf würden die Würmer nach der Häutung willenlos mit dem Blut zu den Darmwandungen gespült, woselbst sie nach Sticker in flachhügeligen, knotigen Verdickungen einige Zeit sich aufhielten und nach Perforation der Decke des Knotens in den Darm gelangten, wo sich dann die Begattung und Fort- pflanzung vollziehe.

Schon Colin hatte demgegenüber die Aneurysmenwürmer nur für verirrte Exemplare erklärt und sich für die ausschließliche Ent- wicklung im Darm ausgesprochen. Auch nach Willach dürfte der Durchgang durch die Blutbahn nicht nötig sein, weil ein gewisses Mißverhältnis zwischen der Zahl der Aneurysmenwürmer und Darm- sklerostomen oft zu konstatieren wäre. Besonders hat dann neuer- dings 01t dieselbe Anschauung vertreten. Nach 01t bohren sich die wahrscheinlich mit dem Trinkwasser aufgenommenen Larven in die Wand des Blind- und Grimmdarms ein, lingeln sich dort zusammen, kehren nach einiger Zeit in das Darmlumen zurück, be- gatten sich dann und setzen ihre Eier ab, die mit dem Kot ins Freie gelangten. Beim Einbohren in die Darmwand geraten die jungen Lar\'en leicht in die feinwandigen Venen, vielleicht auch in die Chylusgefllße und würden dann mit dem Blutstrom verschleppt, zunächst nach der Leber, wo viele abfiltriert würden und zur Bildung der bekannten Kalkknötchen Veranlassung seien, dann nach Passage des Herzens nach der Lunge, die als zweites Filter fungiere, weshalb man auch in dieser Kalkknötchen sehr oft antreffe. Nach dem Eintritt in das arterielle System würden viele in die ver- schiedensten Organe eingelagert und gingen meist spurlos zugrunde. Nur wenige entwickelten sich weiter in den Aneurysmen, die man an den verschiedensten Arterien gesehen habe. Die sogenannten „verirrten" Würmer seien deshalb embolisch verschleppt worden.

Meines Erachtens kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Passage des Blutgefäßsystems und der zeitweilige

353

Aufenthalt in demselben unbedingt zum Entwicklungs- gang des Scler. bident. gehört. Immer wieder kann man sehen, daß die Aderwürmer sich nur bis zu einer gewissen Grenze ent- wickeln und andererseits trifft man im Darm keine lebenden Larven mit der anatomischen Einrichtung der Aderwärmer an. Stick er betont letzteres besonders, und im allgemeinen kann ich das be- stätigen, auch in der Hinsicht, daß in den Wurmknoten in der Darm- wand schon geschlechtlich dilTerenzierte Exemplare des Bidentatum zu finden sind. Einmal freilich war in einem derartigen submukösen Knoten eine Larve vorhanden, eingebettet in einer geringen puri- formen Masse, noch kenntlich an der sechsblättrigen Mundrosette; indessen trug diese unverkennbare Erscheinungen des Zerfalls an sich und war sicherlich abgestorben. Ln Gegensatz zu Sticker möchte ich allerdings schon hier bemerken, daß man auch Scler. edentat. in den Wurmnestem des Dickdarms antreffen kann.

Die Arbeit Olts bezieht sich auf „Scler. armatum", es ist deshalb nicht gesagt, auf welche der drei Spezies sich seine An- gaben des näheren erstrecken, sicherlich aber wenigstens zum größten Teil auf Scler. bident., [hinsichtlich der Darmsklero- stomen allerdings erscheint ein Urteil hierüber kaum angängig. Die Schlußfolgerung Olts, daß man zu viel Darmsklerostomen finde, als daß diese bei der notorisch geringen Zahl von Aderwürmem samt und sonders die Blutader passiert haben könnten, hat schon dieserhalb keine Grundlage. 01t nimmt auch einfach eine geringe Zahl von Larven an auf Grund der Untersuchung älterer Pferde, hat aber keine Füllen seziert oder wenigstens nichts darüber vermerkt, deren vorwiegendes Erkranken ihm daher fremd ist. Es ist bei der typischen Entwicklung der Larven in den Aneurysmen um so eher ausgeschlossen, daß dies nur verirrte Exemplare seien, als schließlich unmöglich bei fast jedem Fällen 70 bis mehrere hundert Larven verirrt sein können, dazu alle in dieselbe Stelle des Gefäßsystems hinein, die Art. ileo-coeco-colica. 01t setzt auch voraus, daß der Entwicklungskreis des Scler. armat., einen Jahreszyklus umfaßt; denn er schätzt die jährlich im Pferdedarm schmarotzenden Sklerostomen auf mehr als 1000, die unmöglich alle in den Aneurysmen aufgewachsen sein könnten. Es ist aus der Arbeit Olts aber nicht einmal zu ersehen, ob er Sclerost. bident. von Scler. tetracanth. unterscheidet, Parasiten, die oft genug ver- wechselt sind, und wenigstens in hiesiger Gegend ist Scler. tetra-

23*

354

canth. häufig in größerer Zahl bei Pferden nachweisbar. Ein Jalireszyklus bei der Entwicklung des Scler. bident ist nicht erwiesen und auch kaum anzunehmen. Richtig ist nur, daß die Geschlechtsreife bei Scler. bident. innerhalb eines Jahres erreicht werden kann, da ich bei einem Jährling im Monat Februar Pärchen dieses Wurmes im Blinddarm in Kopulation gefiinden habe. Ferner findet man öfter im Darm ausschließlich Weibchen dieser Art oder wenigstens überwiegend. An sich ist es ja bekannt, daß nach der Kopulation vielfach die Männchen der Parasiten zugrunde gehen, während die Weibchen, mit der Eiablage beschäftigt, noch einige Zeit leben. Bei Scler. bident. dürfte dem Weibchen sicher eben- falls ein längeres Leben zukommen, als den Männchen, ein wie langes, ist aber nicht bekannt. In der Blutader sind unter den jungen Würmern, die noch in der Larvenhaut stecken, Männchen und Weibchen etwa in gleicher Zahl vorhanden, im Darm findet man dieses Verhältnis zugunsten der Weibchen oft gestört. Bei den ganz jungen etwa 5 Monate alten Füllen endlich sind reife Darm- sklerostomen noch nicht aufzufinden, trotzdem die Blutader von Larven meist gespickt voll ist. Alles dieses spricht entschieden dafür, daß bei der Entwicklung der Durchgang durch die Arterie für die Larve notwendig ist.

An einen Jahreszyklus glaubte auch Sticker und stellte direkt, teils . wohl nur nach der Literatur, ein Schema auf, in welchen Monaten die einzelnen Stadien zu finden seien. Vom Dezember bis Februar seien Darmwandwürmer, von Januar bis Juli Darm- würmer, von April bis Dezember Rhabditiden und Juli bis Februar Aderwürmer vorhanden. Nach Francke war die Wurmbrut nach- weisbar in der Zeit von Mitte April bis 1. Juli in einem Falle aufgenommen worden. Gurlt fand Scler. armat. von Dezember bis Juni in Kopulation; von Hering sind Aderwürmer von Dezember bis Februar bemerkt. Nach Stietenröth beherbergen im Winter die Aneurysmen nie Würmer, Haase sah Darmwandwürmer Ende Juli im Gegensatz zu St ick er.

Die Tabelle Stickers könnte vielfach durchbrochen werden. Darmwandwürmer habe ich auch im August getroffen, Darmwtirmer im Herbst ebenso gut wie im Winter und Frühjahr, und überhaupt ist die Verteilung eine ziemlich gleichmäßige über das ganze Jahr. Verhältnismäßig schnell kann die Entwicklung vor sich gehen, das beweist das Vorhandensein von Pärchen in Kopulation bei einem

355

Jährling, aber an bestimmte Monate dürfte die Aufnahme und Ent- wicklung der Brut im Pferdekörper nicht gebunden sein. Dafür spricht auch die verschiedene Größe der Larven im Aneur3^sma, die man stets feststellen kann.

Ich muß mich daher zu der älteren Anschauung bekennen. Nach der Aufnahme der Brut verläßt dieselbe jedenfalls alsbald oder nach kurzer Zeit den Darm, um das Gefäßsystem aufzusuchen, gelangt in die Venen und nach Passage des Herzens ins arterielle System, hier sich festsetzend. In der Leber und Lunge mögen dabei viele abfiltriert werden und stecken bleiben. Jedenfalls muß man es als erwiesen ansehen, daß die von 01t und Schätz unter Verfolg einer Beobachtung von W. Grips bearbeiteten entozoischen Knötchen wenigstens zum Teil durch Sklerostomenlarven veranläßt werden, außer durch kleine Echinokokken, die man bei Pferden oft antrifft. Bemerkt sei, daß Füllen dabei in geringerem Grade diese Knötchen aufweisen, als ältere Pferde. Meist findet man nur 1—3 Knötchen in ihrer Leber oder Lunge, bei der Mehrzahl der Tiere sogar gar keine; nur ganz ausnahmsweise ist eine reichlichere Durchsetzung wahrzunehmen.

Die Knötchen sind bei den Füllen noch nicht so stark verkalkt und steinhart, wie bei den älteren Pferden. Der Inhalt der binde- gewebigen Kapsel ist mehr bröcklig, oft breiig, von graugelber Farbe und es ist daher leichter, diesen Inhalt auf Larven zu durch- mustern. Deren Reste, mehr oder minder deutlich, habe ich denn auch in mehreren Knötchen nachgewiesen. Bemerken darf ich femer, daß ich auch wiederholt auf feine, geschlängelt verlaufende, mehrere Zentimeter lange Gänge in der Leber gestoßen bin, die als Parasitengänge gedeutet werden mußten und einen käsigen bis kalkigen Strang darstellten. Das könnte für eine wenigstens teil- weise aktive Wanderung von Larven in der Leber sprechen. Auch in der Lunge, in der Milz und in den Nieren sind derartige Knötchen bisweilen vorhanden, in einem Herde in der Milz eines l^/gjährigen Füllens ließen sich dabei die Überreste einer ziemlich großen (gestreckt gelagerten) Larve mikroskopisch schön zur Anschauung bringen. Daß diese Knötchen rotzigen Ursprungs sind, muß als ausgeschlossen gelten. Die Rotzkrankheit ist bei Hamburg nicht sonderlich verbreitet, Pferde mit Kalkknötchen in der Leber und Lunge kann man fast alle Tage bei der Fleischbeschau entdecken, ohne daß Spuren der Rotzkrankheit sich bei denselben sonst zeigen.

356

Auch kein Fällen, das die fraglichen Knötchen aufwies, ließ gleich- zeitig Erscheinungen des Eotzes ii^endwie bei der Sektion erkennen.

Wie lange sich die Parasiten in dem Aneurysma aufhalten, ist zwar nicht genau bekannt, jedenfalls beträgt die Frist aber nur einige Wochen oder Monate. Dafür spricht, daß man bei neun bis zwölf Monate alten Füllen bereits geschlechtlich differenzierte junge Würmer in dem Aneurysma beobachten kann. Ob die Wanderung dann mit dem arteriellen Blutstrom nach der Darmwand erfolgt oder die Bahn aktiv durch die Wand des Aneurysma fuhrt, ist ebenfalls unentschieden. Die allgemeine Annahme zielt auf den ersteren Weg hin. Tatsache ist aber, daß man öfters bei Fällen in der Aneurysmenwand Larven eingelagert findet, die nur mit dem Schwanzende herausragen oder gänzlich zwischen Intima und Media situiert sind. Sticker, der dieselbe Beobachtung in seinem Artikel über den Bau des Wurm-Aneurysma vermerkt, glaubt, daß die Larven durch die vasa vasorum in die vordere Gekrösarterie eindringen, aus diesem Grunde eine Zeitlang in der Arterienwand sich aufhalten, weshalb an der AneurysmenbUdung besonders die Media zunächst beteiligt sei, obwohl der Weg durch die hintere Aorta meines Erachtens der näherliegende wäre und die Larvenzufuhr wegen der größeren Menge zuströmenden Blutes auch reichlicher ausfallen müßte, als far die vasa vasorum. Vielleicht halten sich die Larven nur deshalb zum Teil in der Gefäßwand auf, um Schutz zu suchen vor dem Weggeschwemmtwerden durch den reißenden arteriellen Blutstrom. Die meisten sind allerdings in Thromben in dem Innern des Aneurysma eingebettet, derart, daß nur das eine oder andere Körperende herausragt. Die erwähnte Frage der Wanderung zu entscheiden, ist mir nicht möglich gewesen. Tatsache ist dann aber wiederum, daß man den jungen, geschlechtlich diffe- renzierten Würmern, wie schon gesagt, in der Wand des Dickdarms, selten des Dünndarms, in submukösen Nestern begegnet, von wo sie in das Darminnere gelangen, um sich zu begatten und fort- zupflanzen.

Die sogenannten „verirrten*' Sclerostomen sind nur zum Teil der Art Scler. bident. zuzuzählen. Die Literatur gewährt gerade hierüber keine Klarheit. Einmal entdeckte ich in einem Leberabszeß ein männliches Bidentatum. Der Herd war stark haselnußgroß, der Eiter graugelb und zäh und von einer Bindegewebskapsel nm- geben. Bei dem fraglichen zweijährigen Füllen erwies sich anch

357

die Aneurysmenwaad von kleinen Herden mit eitrigem Inhalt durchsetzt.

Solche ,,verirrten^* Exemplare sind in der Literatur ziemlich zahlreich notiert worden. Colucci fand einen derartigen Wurm in der Leber, der nach Ansicht des Autors von der Bauchhöhle in das Organ eingewandert war, ebenso M^gnin zwei Sclerostomen in bluthaltigen Lebercysten. Weitere Fälle dieser Art notierten Poeppel und 01t. Abildgard, Albrecht und van Heill begegneten Sclerostomen im Gehirn, Gurlt, Baird in der Bauchspeicheldrüse und der Scbeidenhaut des Hodens, Lustig in der Niere, Ostertag (nach St ick er) in der Lunge usw.

Meistens dürfte es sich nm die Spezies Edentatum gehandelt haben, für viele Fälle, auf die ich noch weiter unten eingehe, läßt sich das sicherer annehmen, da die Größe des Wurmes mitgeteilt wurde, denn Scler. edent. ist beträchtlich länger als Scler. bident. Immerhin ist es (schon nach dem von mir erwähnten Beftmd) sicher, daß Scler. bident. gelegentlich embolisch verschleppt wird.

Derartige Wnrmembolien sind von einzelnen Autoren mit der Mondblind- heit ätiologisch in Verbindung gebracht worden. Ich habe auf diesen Punkt geachtet, ohne eine Bestätigung erbringen zu kOunen. Bei 15 Augen, die ich schon vor mehreren Jahren sorgfältig prflfte, waren in keinem Falle frischere oder ältere derartige Embolien oder deren Residuen wahrzunehmen. Dabei muß ich allerdings bemerken, daß ich nur Augen mit älteren Veränderungen infolge der Mondblindheit vor mir gehabt habe, demgemäß die Untersuchungen noch ergänzt werden müßten. Die Beschaffung von Augen mondblindheitkranker Pferde während eines akuten Anfalles ist mir nicht möglich gewesen, da man die Pferde dieserhalb nicht zu schlachten pflegt.

Erkrankungen von Pferden durch geschlechtsreife Darm- sklerostomen selbst bei reichlicher Invasion, sind im allgemeinen nach Ansicht fast aller Autoren und auch nach meinen Beobach- tungen nicht zu befürchten. Dagegen erwähnt Schwarzmaier Diarrhöen bei Saugfohlen, sogar tödlich verlaufende, infolge massen- hafter Einwanderung von Scler. armat., besonders in nassen Sommern. Kitt betont aber wohl mit Recht, daß die Darmsklerostomen, ob- gleich sie sich mit ihrem „schröpfkopfartigen** Kopfende anheften, keine intensiveren Verletzungen der Darmschleimhaut erzeugen, höchstens hyperämische, bläulichrote Punkte, und also ziemlich harmlose Parasiten sind.

Auch das Aneurysma an sich bringt den Tieren keinen Nach- teil und wird nur indirekt durch die sich anschließenden embolisch- thrombotischen Koliken gelegentlich gefährlich. Freilich ist gerade dem Aneurysma von vielen Obduzenten eine größere Bedeutung bei-

358

gemessen, z. B. von Stietenroth, Lustig u. a., meines Erachtens zu Unrecht. Auch die Zahl der embolisch-thrombotischen Koliken ist nicht groß und beläuft sich nach meinen Beobachtungen auf nur 2 4 Proz. aller vorkommenden Kolikfölle. Jedenfalls ist die Annahme Bollingers, daß 50 Proz. und Zürns, daß drei Viertel aller Koliken embolisch-thrombotische seien, nicht bestätigt worden (Eöll, Dieckerhoff, Friedberger und Fröhner), anderei-seits darf man aber auch nicht so weit gehen wie Gerlach, der sich gegen Beziehungen zwischen der Kolik und dem Aneurysma aus- gesprochen hat. Die Diagnose „embolisch-thrombotische Kolik" ist vorsichtig zu stellen und nur in dem Falle begründet, wenn durch mehrere Emboli oder ausgedehnte Thrombose Darmteile von der arteriellen Blutzuftihr wirksam abgeschnitten sind. Aus der Gegenwart eines Aneurysma allein ist dagegen nie diese Diagnose zu begründen. Neuerdings hat Mieckley in praktisch wichtigen Mitteilungen sich für die Schädlichkeit der Aneurysmen im Fällenalter aus- gesprochen und streitet dabei gegen Dieckerhoff. Mieckley hat in Trakehnen und Beberbeck sich schon 1897 überzeugt: „. . . . in wie gräßlicher Weise die Wurmaneurysmen die Fohlen, selbst junge, Säuglinge, heimsuchen." Mieckley macht keinen Unter- schied zwischen Scler. bident. und Scler. edent. Vielleicht hat also hie und da ihm eine gemischte Invasion von beiden Parasiten vor- gelegen. Doch möchte ich die von Mieckley geschilderten als charakteristisch bezeichneten Symptome bei den Füllen kurz wiedergeben.

Die Tiere zeigen Unraheerscheinangen, partieUen Scbweifiausbracli. iiiittelbohes Fieber, stärkere GeÜIßilljektion in der Konjunktiva, wie bei Koliken sonst Als besondere Eigentümlichkeit bemerkte M., daß die kleinen Fohlen die Seltenlage einnehmen und dabei den Hals und Kopf ganz allmählich so- weit nach hinten überziehen oder werfen, daß die Stirn und der Nasenrücken weit über die senkrechte Linie hinausstehen und sich einer Linie nähern, die fast parallel dem Rücken verläuft. Die Rückenwirbelsäulo macht dabei eine kleine konkave Krümmung. Die Unruhe der Füllen ist sehr groß. Die Pa- pillen erscheinen etwas erweitert und die Konjunktivalgefäße gef&llt. Darm- gerUusche sind abwechselnd vorhanden und verschwinden dann. Sie sind laut, polternd, gleich darauf herrscht Totenstille bei der Auskultation. Die Atmung ist kurz und abgebrochen, der Puls wird unfühlbar, spitz und sehr beschleunigt. Selten dauert die Erkrankung über 86 Stunden und führt meist zum Tode.

Bei den von mir untersuchten Füllen, von denen die meisten ein ziemlich beträchtliches Aneurj'sma hatten, habe ich eine Kolik

359

nicht gesehen, immerhin die Tiere meist auch nur wenige Tage oder Stunden zu beobachten Gelegenheit gehabt, vor der Schlachtung, nur einige längere Zeit. Diese Füllen waren auch älter. Daß embolisch-thrombotische Koliken bei Füllen häufiger vorkommen mögen, als bei älteren Pferden, da die Wurmansiedlung, wie schon hervorgehoben, in beträchtlicherer Intensität erfolgt und sich lockere, frische, wenig adhärente, leicht verschleppbare Thromben reichlich bilden, will ich nicht bestreiten.

Eine andere indirekte Schädigung durch das Schmarotzer- tum des Scler. bident. ist die Verblutung infolge Berstens der Aneurysmen. Immerhin sind das seltene Ereignisse. Gurlt sah ein Aneurysma an der Gaumenarterie, das geborsten war. Bollinger hat aus der Literatur 8 Fälle hervorgehoben, in denen eine Ver- blutung durch Perforation eines großen aneurysmatischen Sackes der vorderen Gekrösarterie in die Bauchhöhle oder den Blinddarm und in den Hüftdarm erfolgt war. Dieckerhoff teilt weiteres kasuistisches Material mit, ebenso Greve. Eine Verblutung in die Bauchhöhle aus der oberen Grimmdarmarterie sah Pilz bei dem Pferde eines Ziegeleibesitzers. Das Alter des Tieres ist leider nicht angegeben. In dem Aneurysma befanden sich etwa 300 bis 400 Pallisadenwürmer. Francke endlich sah bei dem schon oben erwähnten acht Monate alten, gut genährten Füllen, daß ein manns- kopfgroßes Aneurysma, das 200 300 Larven beherbergte, mit der rechten oberen Grimmdarmlage verwachsen und so zerrissen war, daß eine Verblutung in den Darm erfolgte. Einen ähnlichen Fall haben Labat und Cadeac bei einer Stute beschrieben. Durieux konstatierte eine Verblutung aus der hinteren Aoi-ta bei einem V/^ Jahre alten Füllen, wobei er in der hinteren Aorta, der vor- deren Gekrösarterie und den Nierenarterien zahlreiche Strongyliden entdeckte.

Das Schmarotzertum des Sclerostomumbidentatum gibt, um die pathogene Bedeutung dieses Wurmes kurz zu um- grenzen, Veranlassung zu Erkrankungen des Blutgefäß- systems mit folgenden Thrombosen und Embolien. Dadurch wird der Wurm die indirekte Ursache der embolisch-thrombotischen Kolik, femer von Verblutungen beim Bersten von Aneurysmen. Ebenso ist derselbe bei der Bildung der entozoischen Knötchen in den Eingeweiden der Pferde beteiligt. Die Krankheit ist besonders eine Füllenkrankheit.

360

Cocu und Hue trennten die durch Sclerostomen erzeugten Krankheiten in zwei Gruppen und rechnen zur zweiten die schnell verlaufenden Fälle, zu denen die embolisch-thrombotische Kolik, Rupturen der Aneurysmen und Obliteration der Aorta gehören. Ungefähr dürfte diese Gruppe die pathogene Bedeutung des Scler. bident. ebenso wiedergeben, wie die andere noch zu erörternde die- jenige des Scler. edent. Jedenfalls sind die durch Scler. bident. erzeugten Krankheitsfälle vorwiegend akute, die auf Scler. edent. zu beziehenden in der MehrzaU chronische.

Ob die intermittierende Lahmheit der Pferde mit den SkleroBtomen- ansiedelangen in Verbindong zu bringen ist, wie Cocn nnd Hue annehmen, ist nicht sicher erwiesen. Einen Fall umfangreicher Thrombose in verschiedenen Arterien der Gliedmaßen im Anschluß an eine beträchtliche Sklerostomen- invasien bei einem Füllen mit tödlichem Ausgang hat neuerdings Zwaenepoel beschrieben.

Die Arbeit BoUingers über die Kolik war Veranlassung, nicht nur dieser Krankheit allgemein Aufmerksamkeit zu schenken, sondern auch auf Mittel und Wege zur Abhilfe und Vorbeuge zu sinnen. BoUinger sagt selbst: „Es ist von größter Wichtigkeit, Maßregeln zu finden, die die Au&ahme der Embryonen mit der Nahrung und damit die Einwanderung der Pallisadenwürmer in die Eingeweidearterien der Pferde verhindern." Der Kampf gegen die Darmsklerostomen dürfte schon wegen der Schwierigkeit oder Un- möglichkeit der Diagnose aussichtslos sein und wäre gegebenenfalls nach Friedberger und Fröhner ähnlich wie bei den Askariden zufuhren, Zürn empfahl Benzin oder pikrinsaures Kali, Penberthy und Wilkie sahen vom Terpentinöl gute Erfolge, Wilson vom Thymol, gelöst in gleichen Teilen Glyzerin und Spiritus. Wichtiger dürfte die Vorbeuge sein. In dieser Hinsicht empfahl Zürn den Pferden filtriertes Trinkwasser zu reichen oder unfiltriertes mit Zugabe von etwas starkem 'Branntwein. Ebenso wäre meines Erachtens das Abkochen des Trinkwassers zu versuchen. Diese zunächst rein theoretisch angestellten Erwägungen, die sich auf die Annahme stützen, daß die Brut mit dem Trinkwasser aufgenommen werde, haben eine eigenartige Beleuchtung durch Beobachtungen von Mieckley gefunden, der mit Rücksicht auf die beträchtlichen Füllenverluste in Beberbeck Filteranlagen erbauen ließ, mit dem Erfolge, daß seitdem (1899—1905) Füllen nicht wieder an den Folgen der Wurmaneurysmen erkrankten oder eingingen. Fällen,

361

die aus anderen Gründen seziert wurden, zeigten keine Aneurysmen. Das ist eine hochbedeutsame Beobachtung, die eine einfache Methode für die Bekämpfung der Sklerostomiasis in Aussicht stellt. Daneben wären Ratschläge, Füllen von feuchten Weiden, die die Sklerostomen- brut bergen, fernzuhalten, und die Weiden trocken zu legen, nicht überflüssig. Jedenfalls ist in erster Linie das Füllen zu schützen, und in dieser Hinsicht stimmen die Untersuchungen vonMieckley und Verf. gut überein.

3. Sclerostomum edentatum.

Bei Durchsicht der Literatur ergibt sich ein gewisser Wider- spruch zwischen den Beobachtungen mehrerer praktischer Tierärzte und der allgemeinen, sicherlich auch begründeten Annahme, daß das Aneurysma an sich und ebenso das Vorhandensein von Darm- sklerostomen keine Krankheit erzeugt, da wiederholt seitens der Tierärzte auf zahlreiche Erkrankungen von Füllen und auf viele Todesfälle an Sklerostomiasis hingewiesen wurde. Man konnte diese Tatsachen nicht in Einklang bringen. So betont z. B. Lüpke in den Jahresberichten von Ellenberg er und Schütz als Referent über die Arbeit von Walley, daß dessen Vermutung, daß das Er- kranken und Sterben von jüngeren und älteren Füllen unter der Erscheinung der Anämie und Abmagerung auf den Parasitismus der Strongyliden zu beziehen sei, nicht bewiesen wäre. Auch Cocu und Hue bezeichneten als typische Fälle von Sklerostomiasis gerade solche, die unter den Erscheinungen der Blutarmut und Kachexie verlaufen und mehrere Monate anhalten. Femer gehören nach «diesen Autoren zu dieser Gruppe Erkrankungen an einseitiger Orchitis.

Diese rätselhaften Angaben finden nun eine sehr ein- fache Erklärung dadurch, daß die fraglichen Erkrankungen ätiologisch anders zu deuten sind als die in dem vorigen Kapitel geschilderten und durch einen besonderen Wurm, das Sclerostomum edentatum, veranlaßt werden. Ich möchte also in dieser Arbeit eine besondere Pallisaden- wurmkrankheit abtrennen, die als weit verbreitete und sehr wichtige Erkrankung, wenigstens in hiesiger Gegend, auftritt und mit den durch Scler. bident. veranlaßten Ver- änderungen nichts zu tun hat. Dieselbe Krankheit ist auch,

362

wie wir noch sehen werden, in verschiedenen anderen Gegenden Deutschlands und in anderen Ländern beobachtet worden.

Das Scler. edent. hat man bis heute als Nebensächlichkeit behandelt und die aufgefundenen Exemplare stets als „verirrte*- Würmer betrachtet und niemals daran gedacht, daß dasselbe eine besondere, gut charakterisierte Wurmkrankheit erzeugt. Sticker z. B. prüfte die Angaben in der Literatur daraufhin, zu welcher Spezies diese sogenannten „verirrten" Würmer gehören und konnte in zahlreichen Fällen nachweisen, daß es Exemplare des Scler. edent. sind. Ebenso liegen Sektionsbefunde vor, die getreulich das Bild, das man regelmäßig antrifft, schildern. Ein Autor, Klaeber. erklärte schon 1891, ehe noch Looß das Scler. edent. abtrennte, daß die von ihm aufgefundenen Würmer eine besondere Sklerostomen- art seien. Seine Arbeit fand aber zu wenig Beachtung.

Klaeber sah bei einem 3jährigen FaUen, das wiederholt an Kolik er- krankte nnd deshalb geschlachtet wurde, eine größere Zahl Parasiten unter dem Bauchfell. Das BauchfeU war im wesentlichen glatt und durchscheinend, wies aber allenthalben diffuse, fleckige Rötungen bis Fttnfmarkstfickgröße, teils einzeln, teils dichtgedrängt beieinander auf. Die Farbe war blut* bis karmosin- rot. In diesen Flecken schimmerte durch das BauchfeU ein ringförmig bis spiralig gelagerter Wurm durch. Die WUrmer lagen gekrümmt oder gerade im subperitonealen Fett in Höhlen, die mit einer geringen Menge puriformen Materials ausgefüllt waren. Die Parasiten waren drehrund, von rotbrauner Farbe, besaßen eine derbe, fein geringelte Kutikula und waren geschlechtlich differenziert. Ihre Länge betrug 35—43 mm.

Scler. edent. ist nach meinen eigenen Erfahrungen ebenfalls ein Parasit, der vornehmlich die Füllen heimsucht. Bei den er- wähnten 35 Füllen war er jedesmal nachweisbar, während er bei Pferden über das Alter von 3 Jahren hinaus weit seltener ist. Bei einer genauen Untersuchung von 100 Pferden im Alter von 4 20 Jahren traf ich ihn aber immerhin auch noch bei 12 Tieren unter dem Bauchfell an, aber bei allen diesen meist in der Einzahl, nie mehr als drei Exemplare. Füllen dagegen sind nicht selten so arg verwurmt, daß das retroperitoneale Fett von Würmern wimmelt. Bei einem 174 Jahre alten Tier zählte ich 284 Exemplare, bei 3 weiteren, die im Alter von 8 Monaten und 1 Jahr standen, 130—180 Stück, 8 hatten über 30 auf- zuweisen, die übrigen, also etwa zwei Drittel, weniger, meist 3—5. Schon aus diesen Zahlen ergibt sich, daß es sich nicht um „ver- irrte" Würmer handelt, sondern um Invasionen mit einem

363

Fundort, der ebenso typisch für das Scler. edent, ist, wie das Aneurysma für das Bidentatum.

Der Wunn ist eingangs schon in seinen wesentlichen Merk- malen nach den Angaben von Looß beschrieben worden und die Bestimmung nach diesen leicht möglich. Die unter dem Bauchfell sitzenden Exemplare sind geschlechtlich stets differenziert und unterscheiden sich von den im Darm vorhandenen derselben Art nur durch die Farbe. Letztere sind dunkel, was auf den schwarzen Darmkot zum Teil zurückzuführen ist, während die unter den serösen Häuten befindlichen Wärmer stets ein weißes, weißgelbliches oder glasiges Aussehen haben. Viele sind aber blutrot, weü sie Blut aufnehmen, was man an abgespülten Würmern oft schön erkennen kann, da sich durch ihren Leib ein blutroter, in Konservierungs- flüssigkeiten lange haltbarer Streifen zieht, der mit Blut gefüllte Darmkanal. Im allgemeinen habe ich etwa doppelt soviel Weibchen wie Männchen gefunden. Das liegt aber vermutlich nur daran, daß die Weibchen wegen ihrer beträchtlicheren Größe schwerere Läsionen erzeugen als die kleineren und schlankeren Männchen und deshalb weniger leicht übersehen werden als diese. Müssen doch in erster Linie beim Aufsuchen die pathologischen Veränderungen am Bauchfell leiten!

Die pathologischen Abweichungen sind denn auch recht be- trächtliche. Das Bauchfell ist zwar im allgemeinen glänzend und spiegelnd, aber dem Sitz der Würmer entsprechend, sofern letztere dicht unter demselben sich befinden, leicht getrübt und rauh, aber ohne bemerkenswerten entzündlichen Belag. Es fällt die glasige Beschaffenheit des durchschimmernden retroperitonealen Fettgewebes auf und beim Einschneiden die starke Durchtränkung dieser Stellen mit bernsteingelber, klarer Flüssigkeit. Liegen die Herde tiefer im Fettgewebe, so kann das darüber gelagerte Bauchfell vollständig normal sein. Die erwähnten Flecke sind nußgroß bis hühnereigroß. Gewöhnlich sieht man ferner daneben mehr oder minder zahlreiche rote, wenig scharf abgegrenzte Flecke von etwa derselben Größe, so daß das Bauchfell sehr bunt gefleckt erscheint. Diese Flecke sind Blutungen unter dem Bauchfell, die durchschimmern. Bei stärkerer Verwurmung indessen ist das ganze retroperitoneale Fettgewebe in eine sulzige, verquollene Masse umgewandelt, die mit bis taler- großen Blutungen oder noch größeren wie gespickt erscheint. Dazu sind die Kadaver dann stets stark abgemagert.

364 -

In diesen sulzigen oder blutigen Ergüssen in den Flohmen halten sich die vollkräftig entwickelten Würmer, gerade oder mehr oder minder gekrümmt und geringelt gelagert, auf. Sie liegen stets vollkommen frei in den fraglichen Herden, oft in förmlichen Blut- lachen und mit Blut und entzündlichem Exsudat geftillten Höhlen und Gängen und sind von keiner Kapsel umgeben. Man gewinnt nach dem anatomischen Bilde stets die Überzeugung, daß die Para- siten in dem retroperitonealen Fett wandern, rücksichtslos das Gewebe zerstörend. Oft genug schimmern oberflächlich gelagerte durch. Kitt, der einige typische Beftmde beschreibt, sagt ganz recht, daß dabei streifige Bilder entstehen, als ob das Bauchfell von varikösen Venen durchzogen sei, da sich die Würmer, das Bauchfell etwas vordrängend, als blutrote Streifen abheben. Nach dem Herausnehmen aus den Blutlachen bewegen sich die Wärmer bis zum Erkalten noch lebhaft.

Bei älteren Pferden sind die Veränderungen ebenso beschaffen wie bei den Fällen, nur entsprechend der geringen Zahl der Würmer stets wenig umfangreich.

Der Sitz der Würmer ist in erster Linie das Gewebe unter dem wandständigen Blatt des Peritoneums, ebenso findet man aber auch Exemplare im Gekrösfett, unter den serösen Überzügen der Baucheingeweide (der Leber, der Milz und des Darms), femer ziemlich oft in der Nierenfettkapsel. Gegenüber dieser Verteilung ist die Brusthöhle selten betroffen. Nur bei hochgradigen Invasionen pflegt man auch unter dem Brustfell und der Lungenpleura den Parasiten nicht zu vermissen, woselbst dann analoge anatomische Abweichungen sich zeigen.

Bemerkenswert ist, daß auch derselbe Wurm bisweilen frei in der Bauchhöhe liegt. Es mögen einzelne das Bauchfell bei ihrer Bohrtätigkeit zufallig perforieren, ihren Halt verlieren und in die Bauchhöhle hineinstürzen, andrerseits aber müssen die Würmer, um nach dem Darm, dem Ort der Fortpflanzung, zu gelangen, das Cavum peritonei passieren, so daß diese Funde auch in diesem Sinne und wohl zutreffender gedeutet werden könnten. Auch Kitt sah bei einem Pferde einige geschlechtsreife Sklerostomen, die jeden- falls dieser Art angehört haben dürften, frei in der Bauchhöhle, ebenso Ostertag, wie Sticker erwähnt. Bemerken darf ich, daß ich wenigstens einer anderen Spezies Sklerostomen frei in der Bauchhöhle noch nie begegnet bin, als dem Edentatum.

365

Abgesehen von den Befunden Klaebers und Kitts, gibt es noch weitere hierher gehöreiide Mitteilungen in der Literatur. Kitt erwähnt z. B. noch beiläufig, daß auch Marx den gleichen Be- ftind wie er selbst bei einem an Kolik verendeten Pferde erheben konnte, ebenso Kjerrulf in Stockholm. Sticker bringt weiteres Material. Von den Sklerostomen der Gurltschen Sammlung waren nach ihm einige, die man zwischen der Bauchhaut und den Bauch- muskeln eines Pferdes entdeckt hatte, zur Art Edentat. zu zählen, ebensolche aus der Sammlung des Zoologischen Museums in Berlin aus der Lunge eines Pferdes und aus der Bauchhöhle eines Füllens. In einem von Zürn beschriebenen Fall hatten sich Sklerostomen in dem Unterhautzellgewebe der Bauchdecken und in großer Zahl unter dem Bauchfell angesiedelt und eine Peritonitis hervorgerufen. Daneben lagen einige frei in der Bauchhöhle. Nach meinen Er- fahrungen sind alle derartig situierten Parasiten Scler. edent. zuzu- zählen. Sicherlich hat auch Lin6aux das Scler. edent. vor sich gehabt, als er bei einem Pferde in der Bauchhöhle, im Niveau der untern Fläche der beiden Nieren, an der innem Fläche der beiden Flanken und hinter dem Schaufelknorpel sich scharf von den übrigen Teilen des Bauchfells abhebende rötliche Flecke ermittelte, in denen unter dem Bauchfell S-fÖrmig gebogene oder eingerollte Würmer in einer Kapsel lagen. Ebensolche Würmer waren in dem Fettgewebe um die rechte Niere, in der Bauchspeicheldrüse und in der Brusthöhle an den Rippenwandungen vorhanden. Lin^aux erwähnt ausdrücklich, daß die Parasiten zur großen Varietät der Sklerostomen gehörten und beide Geschlechter, doch vorwiegend Weibchen, vertreten waren. Rechnet man dazu, daß die Würmer eine rote Farbe besaßen und eine sehr entwickelte Mundkapsel, so ist die Übereinstimmung mit meinen Funden sicher. Später fand Liniaux dieselben Würmer bei anderen Pferden noch wiederholt im subperitonealen Bindegewebe, freilich immer nur in geringer Zahl. Daß femer in mehreren von Blanchard beschriebenen Fällen die Würmer dieser Spezies angehörten und ebenso in einem von Duncan notierten Fall, ist kaum zu bezweifeln. Bei dem letzteren Vorkommnis waren die Bauchmuskeln eines zweijährigen Füllens 4er Sitz, auch bei den ersteren handelte es sich um Füllen. Ich komme darauf noch zurück.

Wie man sieht, ist es mir leicht möglich, aus der Literatur zu beweisen, daß man dieser Pallisadenwurmkrankheit schon in ver-

36(5

schiedenen Gegenden und Ländern begegnet ist, daß sie nur noch nicht allgemeine Beachtung fand. Nun wird es auch verständlich, weshalb man so häufig bei der Kastration, die ja vorwiegend im Füllenalter vorgenommen wird, gescUechtsreife Sklerostomen im Hodensack entdeckte, so häufig, daß in einer besonderen Arbeit von Hinrichsen hierauf hingewiesen ist. Das sind Würmer ge- wesen, die durch den Leistenkanal dorthin gelangten, für einige Befunde ist auch aus den bezüglichen Mitteilungen abzulesen, daß es sich um Scler. edent. gehandelt haben muß.

In der Gurltschen Sammlung z. B. befinden sich nach Stick er mehrere Exemplare des Scler. edent., die aus der Scheidenhaut des Hodens eines Hengstes herstammen. Hinrichsen hat etwa zehnmal Sklerostomen im Hodensack bei der Kastration ge- funden, und zwar, auf einem Gehöft in der Marsch je einen Wurm bei zwei von sieben Füllen. Diese Würmer waren über 20 mm lang. Bei Kryptorchiden sind gleiche Vorkommnisse ver- merkt, z. B. von Pütz für ein 2jähriges Füllen. Der fragliche Wurm in dem Hoden war 40 mm lang, kann also kein Scler. bident. gewesen sein. Auch die beträchtliche Dicke des Leibes spricht dagegen. Ebenso fand Simonis im Hoden eines Kryptorchiden einen 3,5 cm langen Pallisadenwurm. Auf weitere Funde gleicher Art, bei denen die Länge der Würmer allerdings nicht angegeben und ihre Artbestimmung nicht möglich ist, ist hingewiesen worden von Railliet, der ebenso wie seine Schüler Jacoulet und Simonis Sklerostomen im Hoden von Kryptorchiden entdeckte, femer von Fröhner und Frick, in welch letzterem Fall ein weibliches Exemplar in dem Kryptorchidenhoden ein System von Gängen erzeugt hatte, und von Greßwell. Bei letzterem Vorkommnis ent- hielt der betreffende Kryptorchidenhoden eine Höhle von Hühnerei- größe, gefallt mit käsigem Eiter und einer Anzahl Rundwürmer. Toepper stieß nach Hinrichsen bei der Kastration von Jähr- lingen dreimal auf Sklerostomen im Hodensack, Worthington ebenso bei der Kastration eines 2jährigen Tieres, und nach Megnin und Cansy kommt Scler. armat. auch bei normal gebildeten Füllen bei der Kastration in den Gesclüechtsteilen bisweilen zum Vorschein.

Alle diese Mitteilungen zeigen, daß man bei der Kastration von Füllen stets mit der Möglichkeit rechnen muß, im Hodensack, Samenstrang oder im Hoden selbst auf Pallisadenwürmer zu stoßen. Da man das Schmarotzertum des Scler. edent. nicht näher kannte^

367

sind die Anschauungen von 01t und Hinrichsen^ daß es sich um verirrte, durch die Blutbahn verschleppte Pallisadenwürmer gehandelt haben dürfte, verständlich. Der regelmäßige Sitz unter dem Bauchfell, die Spuren der aktiven Wanderung hierselbst in Form von Bohrgängen aber lassen für mich nur die Deutung zu, daß die Würmer aktiv in den Hodensack gelangen und in den Hoden eindringen. Der Hodensack ist ja nur eine Aus- stülpung des Bauchfellsackes. Verirrte, in der Blutbahn verschleppte Larven würden sich auch nicht zur Geschlechtsreife entwickeln.

Selbst habe ich nur bei zwei Füllen, einem Jährling und einem acht Monate alten Hengst, im Hodensack je ein weibliches Exemplar des Scler. edent. gesehen, ohne daß diese bemerkens- werte entzündliche Zustände erzeugt hatten. Andererseits aber be- tont Hinrichsen, daß pathologische Veränderungen nicht selten an den Scheidenhäuten zu bemerken seien in Form verschiedener Entzündungsprozesse. Cocu und Hue halten für die Folge solcher Invasion das Entstehen einer stets einseitigen ödematösen Orchitis.

Wie in den Hoden, besonders bei Kryptorchiden, die Sklerostomen ein- dringen, so mögen auch aktive Invasionen in andere Organe gelegentlich vor- kommen. Man fand bekanntlich, wie weiter oben bereits erwähnt wurde, eine An- zahl geschlechtsreifer Sklerostomen in den verschiedensten Organen. Die nähere Spezies zu bestimmen und zu sagen, ob diese embolisch verschleppte der einen Art oder aktiv gewanderte Parasiten der anderen Art gewesen sind, ist freilich nicht stets mOglich.

Ob ein von Michalik beschriebener Fall, in welchem ein 2,5 cm langer Pallisadenwurm in der Lunge eines Pferdes hauste und mehrfach Lungen- blutungen erzeugte, und ein zweiter von Laenner, in dem ein rotzverdächtiges Pferd unter der Schleimhaut der Nasenscheidewand Strong. armat. beherbergte, auf Edent zu beziehen ist, sei auch dahingestellt

Mit Recht betont nun Hinrichsen, daß man bei Pferden oft Residuen von Bauchfellentzündungen finde, die seiner Meinung nach durch wandernde Pallisadenwürmer erzeugt würden. Solche Ver- änderungen trifft man nach meinen Erfahrungen so oft, daß mehr alte Pferde damit behaftet, als davon frei sind. Das Bauch- fell ist rauh und besetzt mit bindegewebigen Zotten oder enthält sehnige Schwarten, ebenso die serösen Überzüge der Bauchein- geweide. Bei etwa 10 % der älteren Tiere sind dazu unter dem Bauchfell feine, käsige oder kalkige Knötchen und Streifen ver- einzelt nachweisbar, die eine große Ähnlichkeit mit den entozoischen Knötchen in der Lunge und Leber besitzen und wohl ebenso wie die chronischen Peritonitiden die Folgen der wiederholten Läsionen

Zeitichrift lar Infektionakrankheiten. I, 4/5. 24

368

des Bauchfells, durch Scler. edent. sein dttrften. Würmer selbst freilich sind bei älteren Tieren nicht häufig gleichzeitig vorhanden.

Einigemal waren unter dem BanchfeU bei meinen üntersnchungen Filarien nachweisbar. Hinrichsen fand im Hodensack auch Gastrusiarven. Das sind im Vergleich zu Scler. edent aber seltene Ereignisse.

Tödliche akute Peritonitiden erzeugt Scler. edent. nach meinen Beobachtungen nicht, da die Läsionen am Bauchfell ja nur mechanische sind und aseptisch verlaufen, wohl aber gelegentlich Blutungen in den Bauchfellsack. Eine tödliche Peritonitis infolge Perforation eines subperitonealen Wurmknotens fuhrt uns aber Blanchard vor^ dessen Beobachtungen sehr interessant sind. Wiederum handelte es sich um ein^ bis zweijährige Füllen. Die Parasiten saßen stets innerhalb kleinerer oder größerer mit Zer- fallsmassen angeiiUlter Herde unter dem visceralen und parietalen Blatt des Bauchfells.

Bei dem einen Fällen war infolge Durchbruchs eines solchen Herdes in den Bauchfellsack eine tödliche Peritonitis entstanden. Nach Entfernung des Darmes zeigte sich das Bauchfell in ähn- lichem Grade mit Knoten besetzt, wie bei Serosentuberkulose; der Inhalt der subperitoneal liegenden Knoten war teils käsig, teils bestand er aus aufgerollten Rundwürmern. Auch die Oberfläche der Lungen und Leber war betroflfen. Bei zwei anderen Füllen, die an Kachexie eingingen, war der Befiind ähnlich.

Wenn auch die Beschreibungen Blanchards ungenau sind, so spricht doch die ganze Schilderung dafür, daß es sich um Ver- änderungen gehandelt hat, die durch Scler. edent. veranlaßt wurden. Bemerkenswert ist besonders, daß der Inhalt der Knoten zum Teil käsig war, was auf einen Untergang einer Anzahl Exemplare hin- deutet. Ich habe bei Füllen solche Verkäsungen bis jetzt leider nicht beobachten können.

Ohne Zweifel bleiben die Parasiten nur eine gewisse Zeit im subserösen Gewebe, um dann nach ihrem Bestimmungsort, dem Darm, zu wandern und die Fortpflanzung zu vollziehen. Wenn auch die subperitonealen Parasiten geschlechtsreif sind, nach Lin6aux sind die Geschlechtsteile noch rudimentär so habe ich doch nie ein Pärchen unter der Serosa in Kopulation gefunden. Die Wanderung scheint so vor sich zu gehen, daß Scler. edent. das Bauchfell perforiert, ins Cavum peritonei gelangt und nun in die Darmwand eindringt. Einigemale fand ich den Parasiten ein-

369

gerollt in submukösen Zysten des Blind- und Grimmdarms, femer endlich öfter die reifen Exemplare im Darm. Unter dem Bauch- fell halten sich die Würmer bei den Füllen im Herbst, Winter und Frühjahr auf, die Sektion durch Kitt erfolgte am 27. Mai. Für die Sommermonate fehlt mir ein Belag. Die submukösen Zysten sah ich im Januar und Februar.

Die Schädigungen durch die Parasiten bestehen in direkter Blntentziehung, in der Erzeugung von Blutungen und schweren mechanischen Verletzungen besonders des Bauchfells. Diese Umstände machen es bei starken und wiederholten Invasionen nur zu erklärlich, daß die Fällen an einer monate- und selbst jahrelangen Kachexie und Anämie erkranken. In allen Fällen von reichlicher Durchsetzung des subperitonealen Gewebes mit Würmern waren die Schlachttiere mehr oder minder, meist bis zum Skelett, abgemagert und wiesen entsprechende pathologische Veränderungen auf. Diese Abmagerung war aber völlig unabhängig von dem meist gleichzeitig vorhandenen larvenreichen Wurmaneurysma; denn Tiere, die nur ein wurmreiches Aneurysma hatten und wenig subperitoneale Wärmer beherbergten, waren gut genährt; stets nur bei Wurmreichtum unter dem Bauch- fell lag die Kachexie vor. Sicherlich war auch nur die starke Invasion des Scler. edent. die Ursache derselben.

Auch klinisch bekundeten die Füllen die entsprechenden Symptome. Die Tiere zeigten sich müde und matt, waren ab- gemagert, die Schleimhäute blaß, anämisch. Die Innenwärme und die Pulszahl bleiben normal, der Appetit bleibt erhalten. Der ganze Habitus deutet auf die Kachexie bei den kleinen, dickbäuchigen, flir ihr Alter schlecht entwickelten Tieren mit dem struppigen, rauhen Deckhaar hin.

Kolikflllle habe ich nicht beobachtet, die Tiere ja auch meist nur wenige Tage gesehen. Klaeber aber will eine charakteristische Kolikform mit dem Scler. edent. in Verbindung bringen. Die Kolik wiederholte sich regelmäßig nach andauernder Bewegung, und Klaeber vermutet, daß bei längerer ununterbrochener Bewegung die subperitonealen Würmer irritiert und beunruhigt werden, des- halb ihre Wühl- und Bohrtätigkeit energisch aufiiehmen und so eine Kolik hervorrufen. Besonders charakteristisch soll auch eine er- höhte Empfindlichkeit längs des Rückens sein. Diese Erscheinungen sah Klaeber nur bei dem Tier mit reichlicher Gegenwart der Sklero-

24*

370

stomen unter dem Bauchfell. Über Krankheitszustände beim Vor- handensein einzelner Parasiten, die K. des öftern bei älteren Tieren an dem gleichen Orte ermittelte, ist in det Arbeit nichts bemerkt. Anämien bei Füllen, die sicherlich auf Scler. edent. zu beziehen sind, sind in der Literatur mehrfach behandelt. So sah Wilson ein mehrere Monate altes Füllen von sieben erkrankten an Kachexie eingehen und fand unter dem Bauchfell in Haufen Sklerostomen, ebenso Duncan, der bei einem 2jährigen Füllen, das an Erschöpfting einging, Sklerostomen in den Bauchmuskeln ermittelte. Als ich neuerdings im Hamburg-Altoiiaer tierärztlichen Verein über dieses Thema einen Vortrag hielt, teilte Herr Kollege Franzenburg-Ottensen einen weiteren interessanten Fall in der Diskussion mit. Ein Vj^ Jahre altes Füllen war von ihm mehrere Monate lang wegen fortschreitender Kachexie und Anämie erfolglos behandelt worden. Es starb, und die Obduktion ergab zahlreiche Pallisadenwürmer unter den serösen Überzügen und in dem freien Raum der Bauchhöhle.

In vielen Fällen hat man die Gegenwart von Aneurysmen für Erkrankungen verantwortlich gemacht, ohne auf das Bauchfell zu achten. Dort kann aber Scler. edent. zugegen gewesen sein. Die subperitonealen Blutungen mögen wohl überhaupt oft für einfache Petechien gehalten und nicht weiter beachtet worden sein und die sulzigen Ergüsse in das Fett lediglich für Er- scheinungen der Kachexie. So halte ich es nicht für sicher, daß bei den Erkrankungen der Füllen, auf die Mieckley hin- wies, allein das Aneurysma die Ursache gewesen ist. Ebenso dürfte bei der von Sticker beschriebenen seuchenhaften Sklerostomiasis nicht allein das Scler. bident. beteiligt gewesen sein. Sticker schildert zwar ziemlich mannigfaltige Krankheitsbilder, in den meisten Fällen lag aber eine lange anhaltende Anämie vor. Im einzelnen sei bemerkt, daß ein 3 jähriger Wallach an Kolik ein- ging, ein 1 jähriges Stutfohlen Anämie aufwies, ein 1 jähriger Hengst thrombotische Darmentzündung, zwei Stutfohlen Anämie, ein Stutfohlen Durchfall, ein weiteres eine hämorrhagische Dann- entzündung und fünf andere Anämie. Teils sind die Füllen nur klinisch beobachtet, nur einige gestorbene seziert worden. Von 13 Pferden, von denen 11 bis 1 Jahr alt waren, ist für acht das Vorhandensein von Anämie vermerkt worden. Sticker betonte auch bei der allgemeinen Schildeining, daß alle Tiere nach kurzem oder

371

längerem Aufenthalt auf der Weide starke Anämie aufwiesen. Er glaubte, daß die Infektion der Weide durch die Fohlenstute erfolgt wäre. Was die Beobachtungen von Mieckley angeht, so hebt der- selbe besonders hervor, daß nicht nur bei kleinen saugenden Füllen, sondern mehr Erkrankungen erst nach dem Absetzen von der Mutter, im Alter von 5 Monaten und später, vorkämen. Das ist auch die Zeit der Heimsuchung der Füllen durch Scler. edent.

Sicherlich ist das Krankheitsbild der verminösen Füllenanämie bislang meist mit anderen Krankheiten verwechselt oder anders bezeichnet worden. Ich denke dabei besonders an die perniziöse Anämie und an die voji einem so scharfen Beobachter, wie Dieckerhoff, beschriebene Darrsucht der Füllen (Tabes in- testinalis). Dieckerhoff betont zunächst, daß dieser Krankheit keineswegs Tuberkulose zugrunde liege, eine Angabe, die jeder Schlachthoftierarzt bestätigen kann. Ist doch Tuberkulose bei Pferden an sich schon nicht häufig und bei jungen Tieren noch seltener. Ich habe in den langen Jahren meiner Tätigkeit an Schlachthöfen erst neuerdings den ersten Fall von Tuberkulose beim Füllen gesehen in Form starker Fütterungstuberkulose. Mir fällt vornehmlich auf, daß die Darrsucht der Füllen besonders in das Alter von 1— IV2 Jahren fallen soll. Selten sollen schon jüngere vom dritten Monat ab erkranken, ebenso selten noch Pferde im dritten Lebensjahre. Das ist aber gerade die Zeit der beträcht- lichsten Invasionen des Scler. edentat. In der Mehrzahl der Fälle erholen sich nach Dieckerhoff die Tiere bei zweckmäßiger Er- nährung und Haltung nach 3—6 Monate dauernder Krankheit wieder. Am meisten erliegen Füllen, die den 3. bis 4. Lebensmonat noch nicht überschritten haben. Bei Rücksprache mit mehreren Kollegen habe ich mich überzeugt, daß man derartige Füllenanämien schon oft beobachtet hat. Fast jeder kannte dieselben, aber mehrfach hatte man Gastruslarven für die Ursache gehalten.

Das Krankheitsbild, das Sclerostomum edentatum er- zeugt, kann man kurz so umgrenzen, daß die betroffenen Pferde in dem Alter bis zu drei Jahren unter einer lange Zeit währenden Anämie und Kachexie zu leiden haben. Dazu kommen gelegentliche Organerkrankungen, z. B. Entzündungen eines Hodens und der Scheidenhäute und vielleicht auch, außer den regelmäßig vorhandenen Verletzungen des Bauchfells, akute tödliche Peritonitiden, sowie Kolikanfälle vor.

372

Die therapeutische Beseitigung der Wurmer unter dem Bauch- fell ist nicht möglich; es bleibt nur übrig, die Füllen durch kräftige Ernährung in den Stand zu setzen, die Periode der Wurmwanderung zu überstehen. Mehr Wert hätte die Prophylaxis, wobei man theoretisch in erster Linie an die Filtration des Wassers und an das Abkochen desselben für die Füllentränke denken müßte im Sinne der Versuche Mieckleys. Hoffentlich bringen weitere Unter- suchungen bald noch mehr Licht in die hier noch lückenhaft vor- getragenen Verhältnisse. Jedenfalls hat man aus praktischen Gründen alle Veranlassung, diesen bedeutungsvollen Füllenkrankheiten all- gemeine Auflnerksamkeit zu schenken. Wird doch mehrfach, be- sonders von englischen Autoren, geklagt, daß zahlreiche Todesfälle, sowohl bei Vollblütern, als auch bei Karrenpferden und Ponys durch Strongyliden verursacht werden, und Walley glaubt sogar, daß die Erkrankungen durch Sclerostom. armat. in Großbritannien im Zunehmen begriffen seien. Für Deutschland sind die Sklerostomen ebenso wichtig. So gut wie nichts wissen wir bis heute femer über die pathogene Bedeutung desScler. tetracanth., das vielleicht gar keine Arteinheit ist, das man aber ebenfalls schon wiederholt als Ursache von Erkrankungen der Ftülen und Pferde beschuldigt hat. Stick er regt an und ich muß mich ihm anschließen darauf zu achten, welche Arten Sklerostomen in einer Gegend besonders vorkämen, in welcher Menge, in welchem Monat sie vorhanden seien, kurz die einzelnen Arten wissenschaftlich zu beobachten und in ihrem Leben zu verfolgen.

Eine Frage möchte ich noch zum Schluß erörtern: Sind Scler. bident. und Scler. edent. wirklich zwei verschiedene Parasiten oder nur verschiedene Entwicklungsstufen der- selben Art?

Es erschwert die Entscheidung, daß bei ein und demselben Pferde Scler. bident. und Scler. edent. oft gleichzeitig vor- handen sind. Dazu gesellt sich noch bisweilen das Scler. quadrident. Auch die Aneurysmenwürmer und die subperitonealen Sklerostomen hausen meist gleichzeitig bei demselben Tier. Das kann natürlich Zufall sein; denn viele Füllen haben auch außerdem z. B. gleichzeitig noch Bandwürmer, einige Spulwürmer und Gastrus- larven in ihrem Leibe. Schon oben ist gesagt, daß ich, ebenso wie Stick er, in der Aneurysmenwand Larven des Scler. bident. eingelagert fand. Sollten nun nicht vielleicht diese Larven oder jungen Würmer die Wand durchbohren, dann eine

373

Zeit unter dem Bauchfell wandern und in den Darm zurück- kehren, sollte demnach Scler. edent. nur eine Zwischen- stufe zwischen den Aderwürmern und den Darmsklero- stomen sein? Ich zog diese Möglichkeit in Betracht, weil ich nichts darüber weiß, wie Scler. edent. unter das Bauchfell gelangt und noch dazu schon in einem Zustand der geschlechtlichen Diflferenzierung. Freilich bieten meine Untersuchungen eine große Lücke insofern, als ich das Alter bis zu 5 Monaten nicht berücksichtigen konnte, wegen Mangels an Material. Nichtsdestoweniger muß ich Scler. bident. und Scler. edent. für zwei verschiedene Arten halten, und zwar aus folgenden Gründen: Trotz sorgfältiger Präparation und Untersuchung habe- ich in dem lockeren Gewebe der Nachbar- schaft der Aneurysmen niemals frisch durch die Wandung der Blut- gefäße gedrungene junge Scler. bident. ermittelt, mehrfach waren femer bei Füllen ziemlich zahlreiche Scler. edent. in dem subperi- tonealen Gewebe seßhaft, ohne daß die betreffenden Tiere über- haupt ein Aneurysma aufwiesen. Ebenso war auch bei einem der von Sticker sezierten, an Anämie eingegangenen Füllen kein Aneurysma vorhanden, was ausdrücklich vermerkt wurde. Endlich si&d oft gleichzeitig außer Scler. edent, und außer den Larven und jungen Würmern im Aneurysma geschlechtsreife Exemplare des Scler. bident. im Darm aufzufinden. Es scheint mir aber völlig ausgeschlossen, daß der im Aneurysma ausgeschlüpfte junge Wurm nach der hypothetischen Durchbohrung der Aneurysmenwandungen plötzlich, in weit größerer Körperform und anatomisch anders ge- staltet, nun als Edentatum in dem retroperitonealen Fettgewebe erscheint, um dann nach Einwanderung in den Darm bei Erlangung der völligen Geschlechtsreife wieder unter Rückverwandlung zu der alten Form zu einem weit kleineren Parasiten zu werden mit den anatomischen Artmerkmalen des Scler. bidentatum.

Wie aber die Trennung der beiden Arten mir gerecht- fertigt erscheint, so glaube ich auch, daß es zweckmäßig ist, in Zukunft zwei verschiedene Pallisadenwurmkrank- heiten in der Pathologie des Pferdes zu behandeln.

Literatur.

Albrecht, Magazin 1872, S. 177.

Baillet, Bull, de la Soci6t6 imperiale et g6n6rale de m6d. v6t. T. 3, Paris 1868;

Nouv. Dict de möd., de chir. et d'byg. y^t. 1866; Histoire naturelle des

Helminthes. Paris 1866, p. 47.

374

Blanchard, The Veterinarian 1895, p. 728.

Bollinger, Die Kolik der Pferde tind das Wurmaneurysma der Eingeweide- arterien. München 1870. Cobbold, The Joum. of the Linnean Society, London 1889. Cocu et Hne, Nach: Mitteil. f. Tierärzte, Hamburg 18%, S. a07. Colin, Reo. de m^d. vöt 1864, p. 686.

Dewitz, Die Eingeweidewürmer unserer HauBÜere. Berlin 1892. Dieckerhoff, Spez. Pathol. u. Therap. I, S. 546. Duncan, The vet joum., vol. XXIV, p. 153. Durieux, Annal. belg. 1885, p. 250.

Francke, BerL Tierärztl. Wochenschr. 1894, S. 507; 1901, S. 179. Friedberger u. FrOhner, Spez. Pathol. u. Therap. 1904, I, S. 149 n. 253.

Mit Literatur S. 751 u. 769. Gerlach, Gerichtliche Tierheilkunde 1872, S. 53L Greßwell, The vet joum., XXH, S. 86. Gurlt, Lehrbuch der pathol. Anat., I, S. 306. Haase, Berl. Tierärztl. Wochenochr. 1901, S. 312. van Hein, Tierarzt 1873, S. 88. Hering, Reo. de m^d. v^t 1864, p. 686.

Hinrichsen, Arch. f. wissenschaftl. u. prakt Tierheilk. 1897, S. 180. Kitt, Mttnch. Jahresbericht 1885/86, S. 70; Pathol. Anatomie 1901, Bd. ü,

S. 116 u. 119. Klaeber, Beri. Tierärztl. Wochenschr. 1891, S. 223. Krabbe, Deutoche Zeitschr. f. Tiermedizin, Bd. VI, 1880. Leuckart, Die menschlichen Parasiten. 1896, II, S. 444. Leisering, Sächsischer Veterinärbericht 1862, S. 11. Linöaux, Annal. belg. 1887, p.241; Ellenberger u. Schütz, Jahresberichte

1887, S. 50. Looß, Zentralbl. f. Bakteriologie usw., I. Abt., Bd. XX VH, S. 155. Lustig, Hannoverscher Jahresbericht 1875, S. 37; 1876/77, S. 71. Matthiesen, Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1895, S. 554. Michalik, Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1892, S. 97. Mieckley, Arch. f. wissenschaftl. u. prakt Tierheilk. 1905, S. 500. Neumann, Traitö des malad, parasit Paris 1892, p. 393. 01t, Zeitschr. f. Fleisch- u. Milchhyg. 1894, S. 163; Arch. f. wissenschaftl. u.

prakt. Tierheilk. 1895, S. 352; Deutsche TierärztL Wochenschr. 1900, S. 381. Pilz, Zeitschr. f. Veterinärkunde 1893, S. 15. Poeppel, Untersuchungen über den Bau des Strongyl. armat etc. Dissertation,

Leipzig 1897; Deutsche Tierärztl. Wochenschr 1897, S. 123. Pütz, Beri. Tierärztl. Wochenschr. 1892, S. 375. Railliet, Bullet. 1884, p. 255, 301; Traitö de Zoologie mödicale. Paris 1895,

p. 456. Schneider, Monographie der Nematoden. Berlin 1866. Schütz, Arch. f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilk. 1895, S. 382; 1898, S. 1. Siedamgrotzky, Sächsischer Veterinärbericht 1874, S. 25. Sticker, Arch. f. wissenschaftl. n. prakt. Tierheilk. 1901, S. 187; Deutsche

Tierärztl. Wochenschr. 1901, S. 253, 333; 1902, S. 274.

375

Stietenroth, Berl. TierärztL Woohenschr. 1892, S. 146. Waldmann, WochoDSchr. f. Tierheilk. u. Viehzucht 1897, S. 187. Walley, Jonrn. of comp. Pathol. and Therap. Vol. VI, 1893, p. 80. Willach, Sderost annat Ein Beitrag zor Entwicklungsgeschichte der

Nematoden. Saarbrücken 1890; Arch. f. wissenschaftl. u. prakt. Tierheilk.

1891, S. 108. Wilson, The Veterinär. 1898, p. 157; nach: Deutsche TierärztL Wochenschr.

1898, S. 407. Winchester, Americ. vet Rev. XVI, p. 869; Joum. of comp. m6d. 1892, p. 579;

Ellenberger- Schutz, Jahresberichte 1892, S. 84. Worthington, Joum. of comp. Pathol. and. Therap. Vol. IX, 1896, p. 165. Zttrn, Die tierischen Parasiten. Weimar 1872, S. 197. Zwaenepoel, Annal. deBruxelles. 1906, Januar. Referat in Berl. tier. Woch.

1906, S236. Literaturverzeichnisse sind auch den Arbeiten von Looß, 01t, Sticker u.a. beigegeben und in der Pathologie und Therapie von Friedberger und Fröhner enthalten.

(Aus dem Hygienischen Institut der Königlichen Tierärztlichen Hochschule in Berlin.)

Kleine Beiträge zur Ätiologie der Schweineseuche.

Von Dr. A. Stadie,

Assistent

I. Infektionsversuche mit flitriertem Lungensaft.

Zur Wiederholung der bereits früher im Hygienischen Institut der hiesigen Tierärztlichen Hochschule vorgenommenen Versuche mit filtriertem Lungensaft*) sind folgende Versuche ausgeführt worden:

L Versuch.

Eine mit den Veränderungen der akuten Schweineseuche behaftete Lunge der Versuchsserie „Wermbter"**) wurde in sterilem Mörser zendeben, in 400 ccm steriler Bouillon aufgeschwemmt, diese Auf- schwemmung filtriert und das Filtrat, nachdem es auf Sterilität geprüft war, zur Infektion von drei Ferkeln verwandt. Es erhielten:

Ferkel 113 .... 5 ccm intrapleural.

Ferkel 114 .... 5 ccm intrapl. und 100 ccm per inhalationem.

Ferkel 115 .... 150 ccm per inhalationem. Die Tiere entwickeln sich gleichmäßig und ziemlich gut; sie werden 20 Tage nach der Infektion getötet. Bei Ferkel 115 ist das Brustfell überall glatt, spiegelnd, durchsichtig, die Lunge gleich- mäßig retrahiert und lufthaltig.

Ferkel 114 zeigt an Rippen- und Lungenfell im Bereich des Herz- und Zwerchfellappens links wie rechts (links aber in stärkerem Maße als rechts, obwohl rechts die Impfling ausgeführt wurde) pleuritische Adhäsionen^ zum Teil eine geringgradige Ver- dickmig der Pleura und Verwachsung der Lappen beiderseits. Peri-

*) Vgl. Zeitschr. für Fleisch- und Milchhyg. Bd. 14, S. 865-866. **) Ebenda, Bd. 15, S. 268-271.

- 377

und Epikard sind ebenfalls miteinander verwachsen; diese lockere Verbindung läßt sich durch mäßig starken Zug noch gerade lösen. Die Lunge ist überall lufthaltig.

Ferkel 113 zeigt die gleichen Veränderungen: lockere Ver- wachsungen einzelner Lungenlappen, femer des Perikards mit dem Epikard, einzelne pleuritische Adhäsionen.

n. Versuch.

Die Lunge eines aus der Versuchsserie „Fisch" an Schweine- seuche eingegangenen Tieres wird wie im Versuch I verarbeitet und verimpft. Es erhielten:

Ferkel 17 .... 5 ccm intrapleural.

Ferkel 18 .... 5 ccm intrapl. und 50 ccm per inhalationem.

Ferkel 19 ... . 100 ccm per inhalationem.

Die Ferkel werden nach 14 Tagen getötet, und es lassen sich hier- nach an Lunge und Brustfell keine Veränderungen nachweisen.

Um festzustellen, ob die Adhäsionen und Verwachsungen auf eine spezifische Wirkung des verimpften filtrierten Lungensaftes oder lediglich auf eine Reizung durch die Filtrateinspritzung zurück- zuführen waren, wurde in einem

IIL Versuch

die gesunde Lunge des Ferkels 115 aus Versuch I in der oben beschriebenen Weise verarbeitet und zur Infektion dreier Ferkel verwandt. Es erhielten:

Ferkel 14 .... 5 ccm intrapleural.

Ferkel 15 .... 5 ccm intrapl. und 50 ccm per inhalationem.

Ferkel 16 .... 100 ccm per inhalationem.

Zwei Wochen nach der Infektion werden die Ferkel getötet. Ferkel 14 zeigt gar keine Veränderungen im Bereich des Atmungs- und Ver- dauungsapparats.

Die Pleura costalis und pulmonalis des Ferkels 15 ist im Bereich des rechten Spitzen- und Herzlappens locker ven^^achsen; die Verbindung läßt sich mit dem Finger leicht lösen und wird hergestellt durch eine dünne Lage zarten, jungen, sammetartig glänzenden Granulationsgewebes, das in flächenartiger Ausbreitung

378

Ltmgen- und Rippenfell an den genannten Teilen bedeckt. Im rechten Mittellappen finden sich ferner zwei graue, nahe unter der Oberfläche liegende, derbe Knoten von der Größe einer grauen Erbse.

An der rechten Lunge von Ferkel 16 lassen sich Verwachsungen zwischen dem Herz- und Zwerchfellappen, gebildet durch lange Fäden sehr zarten Bindegewebes, nachweisen, außerdem noch ein linsengroßer, grauweißer, derber Knoten, der im rechten Herz- lappen an der dem Herzbeutel anliegenden Fläche durch die Pleura schimmert.

Mithin hat das Filtrat einer unveränderten Schweinelunge den- selben Effekt gehabt wie das Filtrat einer mit den Veränderungen der Schweineseuche behafteten Lunge, und irgendeine spezifische Wirkung des filtrierten Lungensaftes Schweineseuche- kranker Schweine konnte nicht festgestellt werden.

II. ist die durch den Bao. pyogenes suis kflnstilch erzeugte Erkrankvag

ansteckend?

Parallel zu einem Infektionsversuch mit dem Bac. suisepticus*) wurden Ferkel mit dem Bac. pyogenes suis infiziert, um die Über- tragbarkeit der durch diesen Mikroben verursachten Erkrankung auf gesunde Tiere beim Zusammenleben zu erproben und zu beobachten.

Die verwandte Kultur war wenige Tage vor Beginn des Ver- suchs aus einem Abszeß in der Lunge eines Schweines gezüchtet worden. Von dieser Originalkultur wurden Serumbouillonkulturen (1 Teil Schweineserum auf 4 Teile Bouillon) angelegt, die nach vier Tage langem Stehen im Brutschrank einen reichlichen Bodensatz der eingesäten Bakterien zeigten. 100 ccm solcher Kulturen wurden, nachdem durch Schütteln eine ziemlich gleichmäßige Verteilung der Keime in der Flüssigkeit erzielt war, zur Inhalation bei Ferkel I verwandt. Der Bodensatz von weiteren 100 ccm gleicher Kultur wurde dem Ferkel II intrapleural und intrapulmonal eingespritzt. Ferkel III erhielt 200 ccm der genannten Kultur zerstäubt als Inhalation. Ferkel I wurde zwei Tage später, da es nach der

*) „Ist die mit Hilfe einer Reinkultur des Bacillus suisepticus erzeugte Schweineseuche ansteckend?'* Zeitschr. für Fleisch- und Milchhygiene Bd. 15» S. 268—271.

379

ersten Infektion Erankheitserscheinnngen nicht zeigte, nochmals mit 100 ccm Enltnr auf die gleiche Weise infiziert wie das erste Mal.

Zwei zu anderen Versuchen dienende Schweine erhielten, lediglich zur Feststellung der Virulenz des verwandten Bakterienstammes, je 10 ccm der Kulturflässigkeit, deren Bodensatz an Ferkel n verimpft war, subkutan. Das eine, ein etwa drei Monate altes Tier, zeigte nach neun Tagen bei der Obduktion einen walnußgroßen Eiterherd in der linken Kniefalte, der Impfstelle; der Eiter war graugrün, dick- flussig und enthielt den Bac. pyogenes rein und in großer Menge. Die lockeren Maschen der Unterhaut waren in der Umgebung, be- sonders an der Innenfläche des Hinterschenkels herunter, mit gleichem Eiter gefuDt. Bei dem zweiten, älteren Tier hatte sich bis zum 11. Tage medial und kaudal von der linken Parotis (es war hinter dem Unken Ohr geimpft worden) ein fast handteUergroßer, mehrere Zentimeter in die Tiefe gehender Abszeß entwickelt, dessen Inhalt grünlich-gelb und dickflüssig war.

Die Ferkel I bis IQ waren außerhalb ihres Stalles infiziert worden. Zwei Tage später wurden flnf etwa gleich große, 6 bis 7 Wochen alte Tiere (Ferkel IV— VIII) mit ihnen zusammen in enger Bucht untergebracht.

Ferkel n ging am . 12. Juni, vier Tage nach Beginn des Versuchs, ein.

Die linke Pleurahöhle enthielt einen kleinen Tassenkopf voll grüng^elben, dfinnen geruchlosen Eiter; im rechten Brustfellsack war etwa die gleiche Menge, die aber durch beigemischtes Blut graurot gefärbt erschien. Graugelbe, leicht abziehbare Beläge bedeckten überall das Brustfell. Die rechte Lunge zeigte in der Umgebung der Impfstelle einen Komplex verdichteter Läppchen, die braunrot, derb und luftleer, auf der Schnittfläche glatt und feucht waren; alle anderen Lungenteile waren lufthaltig. Der B. pyogenes war im pleuritischen £xsudat massenhaft durch Ausstrich und Kultur nachweisbar; im Herzblut fand ich ihn nicht.

Als Ersatz für Ferkel n wurde in den nächsten Tagen Ferkel IX in gleicher Weise mit dem Bodensatz von 30 ccm Kultur geimpft. Dieses Tier verendete 6 Tage nach der Infektion.

Beide Pleurasäcke enthielten je 1—2 Eßlöffel yoU gelblich-grfines, dick- flfissiges Exsudat Die Pleura zeigte in ihrer ganzen Ausdehnung graugelbe, zusammenhängende, abziehbare Auflagerungen. Durch die gleichen, platten* förmigen Beläge war das Perikard mit dem Epikard verklebt. Die linke Lunge war überall lufthaltig. Die rechte Lunge zeigte eine eiterige Infiltration des interlobulären Bindegewebes im Bereich des Herz- und eines größeren Teils des Zwerchfellappens. Klehie Abschnitte dieses Lappens waren voluminös,

380

derb^ luftleer, auf dem Durchschnitt glatt und mäßig feucht In der rechten Bronchiallymphdrüse fanden sich 3 erbsengroße Abszesse mit gelbgrttnem Inhalt von rahmartiger Konsistenz; in Ausstrichen hieraus war B. pyogenes rein nachweisbar.

Mit Hämatoxylin-Eosin gefärbte Schnitte aus dem verdichteten Langen- teil zeigten einzelne mit Blut gefüllte Bronchen; die Mehrzahl derselben ent- hielt nur einzelne wenige rote Blutkörperchen und vereinzelte gelapptkemige Leukozyten. Die Lungenkapillaren waren stark mit Blut angefttilt und erweitert; Blut fand sich auch im freien Raum mehrerer Alveolen. In den Alveolen anderer Läppchen waren vorwiegend Rundzellen und Epithellen, daneben auch rote Blutkörperchen. In zwei kleinen, durch einen ganz schmalen Streifen mit einander in Verbindung stehenden, gegen die Nachbarschaft scharf abgegrenzten Partien ließ sich Fibrin nachweisen, die übrigen Teile waren vollkommen frei davon.

Von den übrigen sieben Tieren dieses Versuchs ist keins ein- gegangen; sie befanden sich am 10. Juli alle in gleichem Ent- wicklnngs- und Nährzustande und wurden an diesem Tage durch Verblutenlassen getötet. Die zwecks natürlicher Infektion zu den künstlich infizierten Tieren hinzugesetzten Ferkel IV— VIII zeigten keine pathologisch-anatomischen Veränderungen. Insbesondere war bei ihnen das Brustfell durch- sichtig, feucht -glänzend, glatt; die Lungen waren lufthaltig, die Bronchen enthielten keinen Eiter; ihre Schleimhaut war blaß, nicht geschwollen. Die Schleimhaut des Verdauungsapparats ließ weder Schwellung noch entzündliche Färbung erkennen.

Auch an den Organen des Ferkels HI, das 200 ccm Kultur des B. pyogenes als Inhalation erhalten hatte, ließen sich Verände- rungen nicht nachweisen.

Ferkel I, das gleichfalls 200 ccm Serumbouillonkultur als In- halation erhalten hatte, wies eine Erkrankung des Spitzenlappens der rechten Lunge auf.

Der Spitzenlappen der rechten Lunge war graurot, derb, luftleer, auf der dem Mittelfell anliegenden Seite schimmerte durch die Pleura ein weifi- grünlich gefärbter, kaum hanfkorn großer Herd hindurch. Auf dem Dorch- schnitt sah man den Hauptbronchus dieses Lapj^ens erweitert und mit weiß- gelbem, zähflüssigem Inhalt erfüllt. Die Schnittfläche des Lungengewebes war feucht und glatt. Alle übrigen Teile wichen von normaler Beschaffenheit nicht ab. Von vier auf erstarrtem Blutserum angelegten Kulturen aus dem veränderten Gewebe bzw. dem Inhalt der Bronchen wuchsen in zweien Rein- kulturen des B. pyogenes, die zwei anderen enthielten noch Schimmelpilze und plumpe gramfeste Stäbchen.

Schnittpräparate ergänzten den pathologisch-anatomischen Befund: Die feineren luftführenden Wege bis herauf zu den mit mehrschichtigem Zylinder-

381

epithel aasgekleideten, waren fast alle vollgestopft mit zelligem Material, Lymphozyten, auch gelapptkernigen und mehrkemigen Zellen sowie Epithel- zellen und daneben vereinzelten roten Blutkörperchen. Das Lungenparenchym war in manchen Teilen von den gleichen Zellen angefüllt, andere Abschnitte waren kollabiert, enthielten wenige oder gar keine Zellen im Alveolarraum. Das interlobnläre Bindegewebe war verbreitert und zellig infiltriert.

Der B. pyogenes hatte also in diesem Versuch . bei intra- pleuraler und intrapulmonaler Impfung in den verwandten großen Dosen eine der Art der Infektion entsprechende Erkrankung er- zeugt, die in subakutem Verlauf tödlich endete. Er hatte, mit der Atemluft in großen Mengen aufgenommen, in einem Fall Bron- chialkatarrh und im Anschluß daran eine katarrhalische , Bron- chopneumonie hervorgerufen, die aber beide auf ein kleines Gebiet beschränkt blieben und Entwicklung und Nährzustand des betreffen- den Tieres nicht merklich beeinflußten. Eine Übertragung der Krankheit von den teils tödlich, teils leicht erkrankten Tieren auf gesunde Tiere durch Zusammenleben wurde während der dreiwöchigen Versuchsdauer nicht be- obachtet.

Die Bedeutung der Blutitnpfung gallenimtnunisierter Tiere bei der Rinderpestitnpfung.

Von

KgL Ob«rr«teriiiIr in Koblenz, friLher in der Sohutstrappe flir Deatoeh-Sadwestafrlk«.

Die Verhandlungen des zweiten deutschen Kolonialkongresses, der anfangs Oktober v. J. in Berlin tagte, sind nunmehr vom Redaktionsausschuß herausgegeben und im Buchhandel erschienen. Diesen Zeitpunkt will ich nicht vorübergehen lassen, ohne auf meinen in der Sektion fftr Tropenmedizin und Tropenhygiene über die Fortschritte in der Rinderpest- und Texasfieberbekämpfang ge- haltenen Vortrag'*') ergänzend zurückzukommen und zu den in der Diskussion seitens des Herrn Professors Dr. Kolle gegen die Blut- inokulation nach vorangegangener Gallenimpfting geltend gemachten Einwänden Stellung zu nehmen.

Kolle hält die Kombinierung der Blut- mit der Gallenimpfung für unrichtig und glaubt sich hinsichtlich dieser Beurteilung auf R. Koch, Theiler und Rickmann berufen zu können. Er nimmt weiterhin an, daß der 1903 in Bloemfontein abgehaltene Veterinär- kongreß sich gegen dieses Impfverfahren ausgesprochen habe, and empfiehlt für Distrikte mit nicht endemischem Texasfieber die von ihm eingeflihrte Simultanmethode, d. h. die gleichzeitige Verimpfong von virulentem Pestblut auf der einen und von hochwertigem Serum auf der entgegengesetzten Körperseite.

Durch die Entdeckung der Serumheil- und -notimpfiing hat sich Kolle die größten Verdienste um die Rinderpesttilgung erworben. Sein Name wird stets auf das engste und rühmlichste mit der Geschichte dieser verheerendsten Rinderseuche verknüpft bleiben. Daß er aber gegenüber der Koch-Kohlstockschen Gallenblut-

*) Vgl H. 2/3, S. 274, dieses Bande».

383

impfimg noch jetzt den gleichen ablehnenden Standpunkt wie früher einnimmt, muß Befremden erregen und wird die interessierten Kreise in Deutsch-Südwestafiika, wo diese Methode seit ihrer Bekannt- gabe die weiteste Verbreitung geftmden, in sechsjähriger Praxis bei vieltausendfältiger Anwendung sich nicht nur zu behaupten, sondern versuchsweise aufgenommene andere Impfverfahren sogar wieder zu verdrängen vermocht hat, auf das höchste überraschen.

Seine Gegnerschaft gründet sich auf die Annahme, daß die Verimpfung virulenten Pestblutes nicht imstande sei, bei mit Rinder- pestgalle immunisierten Tieren eine Reaktion auszulösen und damit eine wesentliche Erhöhung des Immunitätsgrades und Verlängerung der Immunitätsdauer hervorzurufen. Diese Annahme trifft nur in wenigen Fällen zu; in weitaus den meisten äußert sich die Wirkung der Blutinokulation, vorausgesetzt, daß nicht schon im Anschluß an die Gallenimpfting eine Erkrankung und Durch- seuchung stattgefunden hat, in einer etwa am fünften Tage ein- setzenden, mehrere Tage vorhaltenden Temperatursteigerung, die sich bei hohem Fieberstand mit dem Eintritt ofiFensichtlicher Rinder- pestsymptome vergesellschaften kann. Meist erliegen einige Tiere dem Anfall. Aber selbst wenn die künstlich hervorgerufene Pest schwere Krankheitserscheinungen auslöst, der Gallenschutz also nur ein geringgradiger war, pflegen sich die Verluste auf wenige Prozent zu beschränken. So fährt Rickmann in der „Denkschrift über die Entwicklung der deutschen Schutzgebiete im Jahre 1902" einen Fall an, in dem der ganze Bestand einer 74 Köpfe starken Herde außerordentlich heftig auf die Blutimpfting reagierte, aber dennoch nur drei Tiere der Impfkrankheit zum Opfer fielen. Analoge Be- obachtungen sind auch von anderen und mir selbst gemacht worden.

Das ungefähre Verhältnis der auf die Blutimpftmg reagierenden Tiere zu den durch sie unbeeinflußt bleibenden erhellt aus nach- stehender Zusammenstellung, die das Ergebnis der Temperaturauf- nahmen bei 50 Rindern umfaßt, die 10 12 Tage nach der Galleninjektion von mir der Kontrollimpfung mit virulentem Pest- blut unterzogen worden waren. Zu beachten ist, daß diese Tiere nicht etwa einer einzigen Herde entstammen, die vielleicht zufälliger- weise besonders schön reagiert haben könnte, sondern 14 ver- schiedenen Beständen angehörten und Blut der verschiedensten Herkunft injiziert erhalten hatten. Das Temperaturmaximum stellte sich während einer 12tägigen Beobachtungszeit wie folgt:

Zeitoebrift ffir Infektionskrankheiten. I, 4/5. 25

384

Eine Temperatur bis 39,8 wurde erreicht in 5 Fällen

von 39,8-40,5 22

V 40,5—41,0 11

» }f 41,0—41,5 o

über 41,5 4

Auf Grand sehr nmfangreicher Messongen glaube ich bei den sfldaMkanischen Rinderrassen 39,8 als Höchstmaß der normalen Abendtemperatur zugrunde legen zu dürfen. Mithin haben in vor- liegendem Falle 45 Tiere, also 90 % ^^^ Impflinge, eine Reaktion aufzuweisen.

Zieht man in Betracht, daß die Blutünpfnng der Gesamt- bestände erst 10—12 Tage nach der Probeimpfting der ihnen ent- nommenen KontroUtiere, mithin frühestens drei Wochen nach der Galleninjektion, erfolgt, in dieser Zeit die Gallenimmunität vielfach aber bereits eine gewisse Abschwächung erfahren hat, daß ferner die infolge der Blutimpfung erkrankenden Tiere wenigstens inner- halb der nächsten 14 Tage eine ständige Infektionsquelle für die bis dahin noch nicht afSzierten Rinder bilden, so kann mit einem ent- sprechend höheren Prozentsatz aktiv immunisierter Tiere der Einzel- « bestände gerechnet werden. Diese Überlegung wird durch die in praxi gemachten Beobachtungen bestätigt. Nur ein einziges Mal erwiesen sich zwei mit Blut nachgeimpfte Herden nach Ablauf eines Jahres nicht mehr refraktär, doch war dieser Umstand nicht der Impftnethode an sich, sondern ihrer Ausführung zur Last zu legen; denn statt virulenten Materials war nichtinfektiöses, also irrelevantes Blut benutzt, die Impfung demgemäß auch ohne irgend- welche Reaktion verlaufen.

Die konsequente Durchfährung des Koch-Kohlstockschen Impfverfahrens hat das deutsche Schutzgebiet während des ver- heerenden Seuchenganges im Jahre 1897 innerhalb einiger Monate von der Pest befreit und dem Lande nach oberflächlicher Schätzung etwa 70 000 Rinder erhalten. In der ,,Denkschrift an den Reichs- tag über die Entwicklung der Scliutzgebiete im Jahre 1898" heißt es wörtlich:

„Der große Erfolg der Impfungen ist in erster Linie der konsequenten DurcbfÜhmng einer bestimmten Methode, nämlich der von dem damaligen Leiter der Maßnahmen gegen die Rinderpest in Deutsch-Südwestafrika, Dr. Kohl stock, eingeführten Koch sehen Gallenimpfuug mit nachfolgender Blntimpfung zu verdanken."

385

Diese damals der Doppelimpfling unterworfenen Tiere haben sich in allen späteren Seuchengängen als immun erwiesen, und auch die in den Jahren 1899—1903 nach diesem Verfahren ge- impften Rinder haben bei den jährlich wiederkehrenden Neuaus- bruchen vielfach Gelegenheit gehabt, Proben ihrer vollkommenen Seuchenfestigkeit abzulegen. Gerade dieser Umstand verschaffte im Verein mit den sich von Jahr zu Jahr günstiger gestaltenden Re- sultaten dieser Methode eine solch große Popularität, daß beispiels- weise die Mitglieder des Windhuker landwirtschaftlichen Vereins, der größten und einflußreichsten Farmervertretung im ganzen Schutz- gebiet, im November 1903 eine Resolution faßten, in der sie nicht nur gegen die regierungsseitig in Aussicht genommene Einstellung der Präventivimpfimgen Einspruch erhoben, sondern sogar beim Gouvernement den Antrag auf Einfiihrung der Zwangsimpfting stellten. Selbst aufgeklärtere Elemente der eingeborenen Bevölke- rung opponierten gegen die Sistierung der Impfungen. Wenn man bedenkt, welche Schwierigkeiten und Widerstände die Verwaltung des Schutzgebietes zu überwinden hatte, um der Impfung den Weg zu bahnen und die ihr anfänglich entgegengebrachten Vorurteile zu beseitigen, so illustriert diese Sinnesänderung besser wie alle an- deren Aigumente den hohen Wert und die große Zuverlässigkeit dieses Immunisierungsverfahrens. In einer solchen Frage aber muß man den mit seinem ganzen Vermögen interessierten Farmer fiir einen ebenso objektiven wie kompetenten Beurteiler halten; denn da derselbe bei etwa auftretenden Mißerfolgen keine Entschädigung zu erwarten hat, wird er sich für dasjenige Verfahren entscheiden, das ihm bei möglichst geringen Verlusten auf Grund allgemeiner Erfahrung die größte Gewähr für eine möglichst lange vorhaltende Immunität bietet. Diesem Ziel kam nach dortiger Beobachtung die Koch -Kohlstock sehe Doppelimpfung am nächsten. Wäre aber die Blutimpfung zwecklos, so würde sie sich nie auf die Dauer haben behaupten können. Statt dessen wurde allgemein größter Wert auf ihre schnelle Vornahme gelegt und ein mit Pestblut nachgeimpftes Rind um 1/4 bis 1/3 höher im Preise bewertet, wie ein überhaupt nicht oder ein nur mit Galle geimpftes Tier. Nach- dem allgemein bekannt geworden war, daß die Gallenimmunität günstigenfalls nur etwa vier Monate vorhält, alle Beobachtungen aber dafür sprachen, daß die Gallen- und Blutimpfung dauernde Immunität verleiht, wäre es falsche Sparsamkeit gewesen, wenn

25*

386

man die in der Regel geringen Verluste, die die Blutnachimpflmg meist im Gefolge hat, gescheut haben würde. Bei dem nächsten Seuchenausbruch wäre man vor die Frage der Wiederimpfung der Herden gestellt und hätte von neuem 5% des Bestandes zur Ge- winnung der nötigen Gallenmenge stellen müssen, um sich eine wiederum günstigenfiills nur einige Monate währende Immunität zu erkaufen.

Wenn Kolle glaubt, sich in seiner Verurteilung der Blut- impfung auf gutachtliche Äußerungen von R. Koch, Theiler (Trans- vaal) und Rickmann (Südwestafrika) stützen zu können, so trifft diese Annahme nicht zu. Was R. Koch anbelangt, so hat er seinem Mitarbeiter Kohlstock brieflich im August 1897 die Zweckmäßig- keit der Blutnachimpfiing bestätigt*). Theiler**) äußert sich über diese Frage wörtlich wie folgt: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß dadurch (d. h. durch die Blutimpfting) die GallenimpAmg wesent- lich gewonnen hat und die Immunität erhöht wird.'' Rickmann aber ist seit jeher der eifrigste Verteidiger der Gallenblutimpfimg und seit Jahren unausgesetzt bestrebt gewesen, die Impfung in Deutsch- Südwestafrika obligatorisch zu machen. Nur an der Schwierigkeit der Beschaffung kompensatorischer Mittel beim Auftreten größerer Impfverluste sind seine Bemühungen bisher gescheitert. Immerhin hat er die Bestimmung, wonach nur doppelt geimpfte Ochsen zum Frachtverkehr zugelassen werden dürfen, alle die Jahre hindurch aufrecht zu erhalten vermocht.

Wenn nun dessenungeachtet auf der Ende 1903 von der Kap- regierung nach Bloemfontein zusammenberufenen interkolonialen Veterinärversammlung, der die AufsteDung einheitlicher Grundsätze flir die künftige Rinderpestbekämpfting in den südafrikanischen Staaten oblag, diese Kenner afrikanischer Verhältnisse der Preis- gabe der Gallenblutimpfung zustimmten, so geschah dies nicht etwa, weil die Methode sich nicht bewährt hätte, sondern viel- mehr aus der Absicht heraus, durch Impfungen nicht die Seuche künstlich zu erhalten und mittelst derselben neue Ansteckungsherde zu schaffen. Man sprach sich daher nicht etwa allein gegen das Koch-Kohlstocksche Impfverfahren aus, sondern ganz allgemein gegen alle diejenigen Präventivimpfungen, die auf der

*) Zentralblatt für Bakteriologie Bd. XXII. Ref. aas Dtsch. Kolonial- blatt VUI, Nr. 22.

**) Band XL des Schweizer Archivs.

387

Verwendung vollvirulenten Materials beruhen, mithin in gleichem Maße gegen die Eollesche Simultanmethode, da auf diese dieselben Voraussetzungen zutreffen. Es wurde beschlossen, künftighin nur eine Impfung der bereits infizierten Tiere mit hohen Dosen Heilserum vorzunehmen und die Serumnotimpfang nur auf die nächstbedrohten Nachbarbestände auszudehnen, um auf diese Weise den ürsprungsherd der Seuche mit einer Zone passiv immunisierter Tiere zu umgeben und so die Pest im Keime zu ersticken.

In der Eapkolonie und den ehemaligen Burenrepubliken, wo die weiße Rasse dominiert und das farbige Element, soweit es nicht in Reservate zurückgedrängt ist, wirtschaftlich eine voll- kommen untergeordnete Rolle spielt, wo die Farmen bei sehr viel ge- lingerer Größe fast durchgängig durch Drahtgitter gegen einander abgeschlossen sind, bietet diese Art der Bekämpfting sicherlich große Vorzüge. Für ein in den ersten Anfängen kultureller Entwicklung stehendes Land aber, wie Deutsch-Südwestafrika, wo der viehzucht- treibende, größtenteils auf niederer Kulturstufe stehende Eingeborene bisher bei weitem überwog, wo die schwierigen Wasser- und häufig spärlichen Weideverhältnisse die Isolierung einzelner Herden außer- ordentlich erschweren, wenn nicht oft unmöglich machen, halte ich die Durchführung dieser Maßnahme nur unter den allergünstigsten Verhältnissen, nämlich in nächster Nähe größerer Stationen, die ein sofortiges energisches Einschreiten ermöglichen, für ausfiihrbar. Häufig gelangt der Seuchenausbruch trotz x^nzeigepfiicht erst zur Kenntnis der Behörde, und es können Maßnahmen an Ort und Stelle wegen derGröße der zurückzulegenden Entfernung und der schwierigen Verkehrsverhältnisse erst getroffen werden, wenn sich die Seuche über ihren ürsprungsherd hinaus verbreitet hat. Wenn sich trotzdem Rickmann auf vorgenannter Konferenz als Delegierter des Kaiserlich deutschen Gouvernements mit jenem Bekämpftmgsplan einverstanden erklärte, so dürfte seine Zustimmung wohl mehr auf wirtschafts- politische Gründe zurückzuführen sein als auf die Überaeugung von der Zweckmäßigkeit jener Bestimmungen gegenüber den ihm wie keinem Zweiten vertrauten südwestafrikanischen Verhältnissen. Der Burenkrieg und die in seinem Gefolge aufgetretenen verheerenden Viehseuchen hatten die Rinderbestände Britisch-Südafrikas dezimiert, und man hatte sich, da die aus Argentinien und Australien im- portierten Tiere den Erwartungen nicht entsprachen, genötigt

388

gesehen, schließlich auf unser stidwestafrikanisches, akklimatisiertes genügsames Rind zurückzugreifen. Rickmann würde aber gegen die vitalsten Interessen des Landes verstoßen haben, hätte er, wie es bei Einnahme eines in der Rinderpestfrage abweichenden Stand- punktes unausbleiblich gewesen wäre, Veranlassung zur Schließung unserer Grenzen und zur Unterbindung des eben erwachten Handels gegeben, der bei der damals sehr beschränkten Au&ahmefähigkeit des eigenen Landes eine Lebensfrage für unsere Kolonie bedeutete. Vorläufig also sind wir, ebenso wie die übrigen südafrikanischen Staaten, an die Beschlüsse vorerwähnten Kongresses gebunden. Der Kollesche Vorschlag, in texasfieberfreien Gebieten gegebenenfalls die Simultanmethode zur Anwendung zu bringen, hat mithin vorerst nur akademisches Interesse. Sollte jedoch über kurz oder lang die Wiederau&ahme präventiver Rinderpestimpfungen in Frage kommen, so möchte ich nicht verfehlen, schon jetzt darauf hinzuweisen, daß die Grenzen des endemischen Texasfiebergebietes in Südafrika nicht so scharf gezogen und daher nicht so gut bekannt sind, wie in den Südstaaten Nordamerikas oder in Paraguay und Argentinien. Speziell fiir Deutsch-Südwestafrika haben Untersuchungen ergeben, daß das enzootische Gebiet erheblich größer ist, wie lange Zeit angenommen worden war, und daß es selbst weit in den bisher flir texasfieber- frei gehaltenen Süden hineinragt. Ja die Erfahrungen der letzten beiden Kriegsjahre, die bisher nicht dagewesene Dislokationen von Vieh zur Folge hatten, g^ben der Vermutung Raum, daß das ganze Land mehr oder minder texasfieberdurchseucht ist. Da Kolle selbst zugibt, daß sich akutes Texasfieber an die Simultan- implung anschließen kann, dürfte es im Interesse unserer oft schon schwer genug geprüften Farmer ratsam sein, gegebenenfalls von der Anwendung dieser Methode in Deutsch-Südwestafrika Abstand zu nehmen.

Skizze der ostfriesischen Viehhaltung.

Ein Beitrag zar Weide- nnd Stallhygiene.*)

Von

Veterinärrat Bomamiy

Anrieh.

Im ostfriesischen Zuchtgebiet wird das Vieh auf perma- nenten Weiden ernährt. Der Auftrieb, sowohl der Rinder als der Pferde, erfolgt zu Ende April oder zu Anfang Mai, eher bei günstiger und später bei ungünstiger Witterung. Die Aufstallung geschieht selten vor Mitte November. Rinder werden bei günstiger Witterung noch im Dezember auf den Weiden angetroffen. Diese sind durchweg von vorzuglicher Qualität, sowohl in der Marsch wie in der Geest. Für die Güte der Weiden ist die Boden- beschaffenheit und das Alter bestimmend. Ihre verschiedene Wir- kung ist in der verschiedenen Körperentwicklung der darauf ge- haltenen Tiere deutlich erkennbar. Besonders geschätzt sind die alten Weiden (Dauerweiden), die seit Menschengedenken nicht beackert wurden. Die besten trifft man auf schwerem Kleiboden (Polderboden) im Kreise Emden und an den Ufern der Ems und Leda auf humusreichem, leichtem Kleiboden an.

Diese Weiden beeinflussen die Entwicklung der jungen Tiere in günstigster Weise und sind auch als Milch- und Fettweiden sehr geschätzt. Güste Tiere werden auf denselben ohne Zufiitter in kui-zer Zeit vollfett.

Von der Sommerstallfütterung machen strichweise noch die Moorbewohner (Kolonisten) Gebrauch. Es geschieht dies, weil diese Besitzer zur Kultivierung der Ödländereien möglichst viel Dünger gewinnen müssen.

*) Herrn Veterinärrat Bomann habe ich gebeten, die Viehhaltung Ostfries- lands fttr die „Zeitschr. f. Infektionskrankh. d. Haustiere^ kurz zu skizzieren, da die Viehhaltung in Ostfriesland in mehrfacher Hinsicht mustergültig ist Insbesondere verdienen der ostfriesische Stall wegen seiner ausgezeichneten Ventilationsverhältnisse und die ostfriesische Aufstallung wegen ihrer Be- deutung für eine saubere Gewinnung der Milch eine größere Beachtung, als diesen Einrichtungen bis jetzt zuteil geworden ist. Ostertag.

390

k

1

i

m- ^

iA. 4

UjM

,^^^^ M

^w ^

r 1^

^ ^

5<* -1

^

^

-^ --*^ .CM

'üaX

A

Fig. 1. OstMesisches Wirtschaft^gebäade mit WohnhanS) Stall and Scheune.

(Hinteransicht)

Während der Stallhaltung werden im allgemeinen die Rinder nicht besonders gepflegt. Es gibt Landwirte, die neben dem meist vorzüglichen Heu und Stroh Kraftfatter nicht oder doch nur in verschwindend geringen Quantitäten verfättem. Trotzdem kann man von einer Abmagerung der Rinder im Stalle nicht eigentlich sprechen. Die hohen Viehpreise in den letzten Jahren haben in- des zur Folge gehabt, daß neuerdings die Pflege der Rinder im Stalle eine bessere geworden ist.

Die Stallungen flir Vieh und Pferde befinden sich im Wirt- schaftsgebäude. Wohnung, Stall und Scheune sind unter einem Dach vereinigt. Die Anlage ist praktisch und bequem und macht einen reinlichen Eindruck. Das Wohnhaus ist von dem Hinterhaus durch eine starke Brandmauer und einen Gang getrennt. Der Grundriß eines Platzgebäudes bildet ein Rechteck, dessen Länge und Breite sich etwa verhält wie 3:1. Eine Schmalseite bildet die Front des Wohnhauses und ist in der Regel nach Süden gewendet. Der Eingang zum Gehöft befindet sich zumeist an der Seite. Großes Gewicht \^ird auf einen guten Keller gelegt. Dieser ist geräumig und hell und liegt unter der Küche oder den Wohn- räumen. Es heiTScht in demselben die peinlichste Sauberkeit

391

Früher wurde in dem Keller die Milch aufbewahrt und entrahmt. Jetzt ist das weniger der Fall, seitdem die Verbutterung der Milch mittelst Zentrifuge unmittelbar nach dem Melkgeschäft erfolgt.

Das Hinterhaus enthält auf der einen Seite die Einderställe einfache oder doppelte Reihe und meist auch die Schweine- ställe, auf der entgegengesetzten Längsseite die Tenne und die Lagerräume. Es stellen diese einen einheitlichen Raum dar, der durch reihenweise aufgeführte Pfähle, die oben durch Querbalken verbunden sind, in Abteilungen (Gulfen) eingeteilt ist. Die Länge des Scheuerraums entspricht der des Hinterhauses, die Breite beträgt 20—25 Fuß.

Das Einfahren des Futters erfolgt durch ein geräumiges Tor, das die Tenne nach unten abschließt. In größeren Gehöften ist die Tenne zumeist mit Ein- und Ausfahrtstor versehen. Der Pferde- stall liegt im hintersten Teil des Gehöfts, an dem der Wohnung entgegengesetzten Ende. Pferde- und Kuhstall sind getrennt durch eine massive oder hölzerne, mit breiter Tür oder Türöffnung ver- sehene Scheidewand.

Betritt man vom Wohnhaus aus durch die in der Brandmauer befindliche Tür den Viehstall, dann sieht man rechts, oder bei um-

Fig. 2. Ostfriesische Tenne.

392

fangreicherer Viehhaltung rechts und links, die Viehstände, rechts för Groß- und links fftr Jungvieh. Es wird bei der Aufstallimg fast übereinstimmend so verfahren, daß oben, an der Brandmauer, die besten Tiere zu stehen kommen, während die weniger gaten am Ausgang Platz finden. Zwischen je zwei Kühen oder Rindern befindet sich eine etwa 1,25 Meter hohe hölzerne Scheidewand, die auch zur Befestigung der mit den Köpfen der Außenmauer oder der zwischen Stall und Gulfen befindlichen Innenmauer zugewandten Tiere dient. Die Doppelstände sind verschieden groß, je nachdem sie für Groß- oder Kleinvieh bestimmt sind. Für Kühe ist der Doppelstand durchweg 2,15 Meter breit und 2,20 Meter lang, für dreijährige Rinder 2,05 Meter breit und 2,10 Meter lang, für zwei- jährige Rinder 1,95 Meter breit und 2,05 Meter lang und für ein- jährige Rinder 1,70 Meter breit und 1,75 Meter lang.

Befestigt werden Kühe und Rinder mit zwei Seilen oder mit Seil und Kette. Das eine Seil (Kopftau) wird um die Homer ge- bunden, unten durch ein in der Scheidewand befindliches Loch geftihrt und, damit es durch die Bewegungen des Tieres nicht herausgezogen wird, mit einem Knoten oder kurzen Querstab ver- sehen. — Das zweite Seil (Seitentau) oder die Kette wird um den Hals gelegt und am hinteren Standende befestigt. Für diese Be- festigung dient ein starker Pfahl, in den auch die Scheidewand eingelassen ist. Diese Anbindevorrichtung zwingt das Tier stets mit den Hinterbeinen am Rande des Standes zu stehen.

Die Viehstände sind in den vorderen und mittleren Teilen gepflastert. Im hinteren Teil bildet eine breite Bohle, die den ganzen Stall durchzieht, den Ruhepunkt für die hinteren Glied- maßen.

Das Licht bekommt der Stall durch kleine, ^2 ^^s ^4 Fuß hohe Fenster, die in der Außenmauer über den Köpfen der Tiere an- gebracht sind. Durchweg ist jeder Doppelstand mit einem solchen Fenster versehen. Hinter den Viehständen befindet sich die IV2 Fuß breite und 1/3 bis IV2 Fuß tiefe Jaucherinne. Diese zieht sich rechts oder rechts und links durch den ganzen Stall. Sie ist gepflastert und meist auch zementiert. Die seitliche Begrenzung der Jaucherinne bilden hochkantig gelegte Ziegelsteine. Soweit diese den hinteren Teil der Viehstände bilden, sind sie mit der vorhin erwähnten starken hölzernen Bohle bedeckt. Auf der anderen Seite gehört die Pflasterung zu dem Gang, der demnach parallel

393

der Jaucherinne oder den Jaucherinnen den Stall durchzieht. Der Gang ist etwa 1,5 m breit und dient sowohl zum Futtern als zum Ausmisten. Früher wurde den Tieren auch vom Gang aus das Trinkwasser in Eimern vorgetragen. Jetzt geschieht das nur noch ausnahmsweise, seitdem in den meisten besseren Wirtschaften Tränkvorrichtungen (Selbsttränken) angelegt sind, die dem Vieh die Wasserauftiahme nach Belieben gestatten. Der Gang liegt ^/^ bis 1 Fuß tiefer als die Viehstände. Durch die hohe Aufstallung

Fig. 3. Ostfriesischer DoppelsUU.

präsentieren sich die Tiere in vorteilhafter Weise, nicht zum Schaden der Züchter bei Viehverkäufen vom Stalle weg. Beschädigungen von Tieren durch Abgleiten mit den Hinterfüßen in die Jauche- rinne sind äußerst selten.

Zur EiTeichung einer guten Ventilation sind in den neueren Gehöften durch das Dach geführte Ventilationsschächte angebracht. Eine andere Ventilationsvorrichtung besteht darin, daß durch die Außenmauer, zwischen je zwei Fenstern, Drainröhren gelegt werden. Den älteren Gehöften fehlen besondere Ventilationsvorrichtungen noch vielfach. Man begnügt sich damit, die nach außen führende

394

Tür (Hintertür), wenn Wetter und Windrichtong es gestatten, über Tag offen zu halten. Für die Nacht wird die vom Pferdestall aaf die Tenne gehende Tür oder eine Yentilationsklappe in dei-selben geöffnet.

Die Stallhöhe ist verschieden, niedriger in alten und höher in neueren Gehöften, sie beträgt, vom sog. Euhgang aus gemessen, in den meisten Fällen 2,65 m.

Die beschriebene Stalleinrichtung, überhaupt die Einteilung der Gehöfte, ist eine uralte. Jetzt werden die Schweineställe vielfach nicht mehr im Kuhstall, sondern an der Außenmauer der Tenne angelegt, die hierfür, da sie 15—20 Fuß breit ist und durch das ganze Hinterhaus sich hinzieht, hinreichend Raum bietet. Andere wesentliche Veränderungen werden auch in den neuesten Gehöften nicht angetroffen. Es hat sich eben die spezifische ostfriesische Einrichtung hier so bewährt, daß es erklärlich ist, wenn man dabei beharrt.

Vom gesundheitlichen Standpunkt aus möchte ich namentlich eine andere Viehaufstallung nicht wünschen. Jedes Tier hat seinen Stand, auf dem es für die ganze Zeit der Aufstallung verbleibt. In Berührung kommt es nur mit einem Tier dem Standgenossen und höchstens noch mit dem Nachbartier des angrenzenden Standes. Die Übertragung der Tuberkulose von Tier auf Tier ist deshalb bei der ostfriesischen Aufstallung nicht in dem Maße möglich wie bei anderer Aufstallung.

Die Tiere stehen stets trocken und erfordern deshalb wenig Streu. Trotzdem ermöglicht die ostfriesische Aufstallung eine saubere Milchgewinnung, weil eine Beschmutzung des Euters mit Exkrementen kaum vorkommt.

Wenn ich schließlich behaupte: „Die gesunden Weiden im Sommer und die in Ostfriesland übliche Aufstallung während des Wintere sind zum großen Teil Ursache, daß die Tuberkulose im ostfriesischen Zuchtgebiet größere Dimensionen nicht angenommen hat,'^ so glaube ich, damit nicht zu viel gesagt zu haben.

Die beigegebenen gut getroffenen Abbildungen (nach photo- graphischen Aufnahmen) veranschaulichen die vorstehenden Schilde- rungen, soweit sie das Hinterhaus eines ostfriesischen Gehöftes betreffen. Einer Erläuterung der Bilder bedarf es meines Erachtens nicht.

Referate.

Die Trypanosomen als Parasiten und Krankheitserreger.

Sammelreferat*)

▼on

P. Kaestner,

Tierant in Berlin.

Geschichte der Trypanosomenforsohung.

Unter der Familie der TrypanoBomiden waren mehrere, besonders bei Kaltblfitem parasitierende Arten schon seit längerer Zeit bekannt Die Trypanosomen der Fische worden schon 1841 von Valentin beobachtet, des weiteren 1B42 von Remak. 1843 beschrieb Gruby das Trypanosoma rota- torium aus Rana escnlenta. 1883 beobachtete Hitrophanow ein Trypano- soma, das er Haematomonas nannte. Die beobachteten Arten haben keine pathogene Bedentang; auch wurde ihnen eine solche von den genannten Autoren nicht beigemessen. Laveran und Mesnil beschrieben bei Süß- und Meerwasserfischen sowohl Trypanosomenformen mit nur einer Geißel, wie eine, und zwar pathogene Art (mit zwei Geißeln, je eine am vorderen und hinteren Körperende) die sie als Trypanoplasma bezeichneten.

1878 beschrieb Lewis ein Trypanosoma bei grauen Ratten in Kalkutta, die sich zu 29% infiziert erwiesen. 1880 wies Evans, Chef-Veterinär der englischen Kolonialarmee in Indien, die pathogene Bedeutung der Trypa- nosomen bei der Surrakrankheit der Haustiere in Indien nach. 1895 legte Bruce in Natal die Ätiologie der Nagana- oder Tsetsefliegenkrankheit der Haustiere in Südafrika klar und wies gleichzeitig die Rolle der Tsetsefliege (Glossina morsitans) als Träger der Infektion nach. 1896 beobachtete Chauvrat einen Fall von perniziöser Anämie, verursacht durch Trypanosomen, bei einem Pferd in Algier, worauf Rouge t nachwies, daß sie die Erreger der in Nord- afrika unter den Pferden und Eseln herrschenden „Dourine^* darstellen. 1899 bestätigten Schneider und Buffard diesen Befund bei an Dourine erkrankten algerischen Hengsten. 1901 erkannte Elmassian in Asuncion, daß ein in Südamerika allgemein verbreitetes Leiden der Pferde, das sogenannte Mal de Cadera, gleichfalls auf Trypanosomiasis beruht.

Während man bis vor wenigen Jahren Menschen allen Arten der Trypa-

*) Literaturnachweise finden sich in meinem Buch „Die tierpathogenen Protozoen«, Berlin 1906.

396

nosomen gegenüber ffir refraktär erachtete, haben Castellani and Brumpt 1908 festgestellt, daß die sogenannte Schlafkrankheit der Neger in den Tropen gleichfalls eine Trypanosomiasis darstellt. Die bei Menschen in gewissen tropischen Geschwüren, bei der Aleppobenle nnd bei der tropischen Spleno- megalie, gefundenen sogenannten „Leish man sehen KOrperchen'^ sind wahr- scheinlich anch Trypanosomen.

Koch hat im verflossenen Jahre anf seiner letzten Forschungsreise nach Ostafrika auch die ektogenen Entwicklungsstadien der Trypanosomen im KOrper der Tsetsefliegen nachgewiesen.

TrypanoMmiasia und Parasitismus.

Die Trypanosomen sind extrazellulär lebende Parasiten des Blutes und stellen „echte Parasiten" dar, insofern sie ihren Wirts- tieren lebende Substanz und fertige Nährstoffe entziehen. Die vielen anderen parasitischen Lebewesen eigene Fähigkeit, ihr Wirts- tier noch dazu durch Absonderung spezifisch giftiger Substanzen zu schädigen, besitzen sie nicht, d. h. sie produzieren kein Toxin. Nicht bei allen Wirtstierarten, in deren Blut sie nachgewiesen wurden oder in deren Blut- und Lymphbahn sie künstlich übertragen wurden, entfalten sie gleichzeitig eine pathogene Wirkung. Im Blute mancher Tierarten finden sie sich schon spontan, ohne diese pathogen zu beeinflussen, sie zeigen ein völlig indifferentes Ver- halten als (harmlose) Symbionten. Die verschiedenen Formen der Trypanosomiasis, wie sie unten Erwähnung finden sollen, hat man der herrschenden Ansicht gemäß ätiologisch zurückzuführen auf den parasitischen Effekt von spezifischen, d. h. in morphologischer und vor allem in pathogener Hinsicht untereinander distinkten Formen. Die Ergebnisse neuerer Forschungen über den Virulenz- charakter einzelner pathogener Trypanosomenspezies scheinen jedoch anzudeuten, daß die Auffassung von der Spezifizität der einzelnen Formen auf die Dauer nicht in dem bisherigen exklusiven Sinne wird vertreten werden können. Vielleicht dürfte der Virulenz- charakter in ähnlicher Weise einer „Umstimmbarkeit" (Variabilität?) unterworfen sein, wie erwiesenermaßen der Virulenzgrad einer Spezies sich innerhalb der Individuen derselben Wirtstierart durchaus nicht konstant erweist. Hinsichtlich ihrer Ernährung sind die Trypano- somen, wie die meisten parasitischen Protozoen, Plasmophagen und zwar erfolgt die Nahrungsaufnahme auf osmotischem Wege.

Bei den meisten parasitischen (pathogenen) Protozoen, deren Lebenskreis bisher erforscht ist, haben sich zwei Erscheinungs-

397

formen feststellen lassen, die in Form eines Generationswechsels, d. h. eines Wechsels der geschlechtlichen nnd ungeschlechtlichen Daseinsfonn, ineinander übergehen. In typischer Weise findet sich der Generationswechsel ausgebildet bei den parasitischen Sporozoen, insbesondere den Kokzidien und Hämosporidien. Bei letzteren, die wie die Trypanosomen Parasiten des Blutes sind, jedoch nicht frei, sondern endoglobulär parasitieren, findet sich der Generationswechsel gleichfalls verbunden mit einem Wirtswechsel. Die asexuelle Phase der Entwicklung spielt sich dabei innerhalb des eigentlichen Wirts- tieres (endogene Phase) ab. Der Keimling, der durch den Zwischenwirt auf ein empfängliches Tier übertragen wird, wächst innerhalb der Blutbahn heran und zerfällt auf der Höhe seiner Entwicklung in eine Anzahl von Teilprodukten „Merozoiten", deren jedes befähigt ist, den endogenen, asexuellen Entwicklungs- kreis, die „Schizog onie", seinerseits zu wiederholen. In dieser Weise wird die Wiederinfektion (Autoinfektion) des Wirtstieres ver- mittelt. Jedoch erfolgt diese Form der Vermehrung nicht unbegrenzt, sie erschöpft sich selbst in dieser stetigen Wiederholung und ent- sprechend der Bildung von Schutzstoffen von Seiten des dauernden Wirtstieres. Die parasitische Art würde absterben, wenn nicht durch Überfiihrung in den Körper des vorübergehenden oder Zwischenwirtes ihre Erhaltung durch Zufuhr neuer Lebensenergie gesichert wäre. Diese ektogene Phase der Entwicklung im Körper des Zwischenwirtes spielt sich ab an sexuell differenzierten Zellen, Mikrogameten (j) und Makrogameten (9), die als letzte Stadien des endogenen Entwicklungskreises in der Blutbahn des Wirtstieres erscheinen und dazu bestimmt sind, die Anpassung an saprophytische Verhältnisse zu vermitteln.*) Die Befruchtung selbst und die sich daran anschließenden weiteren geschlechtlichen Ent- wicklungsvorgänge erfolgen im Körper des Zwischenwirtes. Hier bilden sich aus der Vereinigung eines jeden übernommenen sexuell differenten Zellenpaares eine Anzahl neuer Keime, „Sporozoiten", die bestimmt sind, dui'ch die Übertragung auf weitere empfang- liche Tiere die epidemische Ausbreitung der Parasiten zu ermög- lichen. Diese ektogene und sexuelle Phase der Entwicklung be- zeichnet man als Sporogonie.

*) Man versteht unter Gameten Zellen, die befähigt sind, eine Kopulation einzugehen. Sind diese Zellen gleichgeartet, so nennt man den Vorgang der geschlechtlichen Vereinigung ^^isogam^, entgegengesetztenfalls „anisogam^.

- 398

Es war anzunehmen, daß auch der Entwicklungsgang der Trypanosomen sich in ähnlicher Weise, wie bei den endoglobulären Parasiten des Blutes, den Hämosporidien, abspiele. Doch war bis vor kurzem nur die endogene, sich asexuell durch Teilung ver- mehrende Erscheinungsform im Blute des Wirtstieres bekannt, und alle Versuche, im Körper des Zwischenwirtes die ektogene (sexuelle?) Entwicklungsform nachzuweisen, erwiesen sich ergebnislos. Es war R. Koch vorbehalten, den Beweis für die Richtigkeit dieser An- nahme durch seine, auch auf diesem Gebiet bahnbrechenden For- schungen zu erbringen. Er fand im Rüssel und in den verschiedenen Abschnitten des Magens der Glossinen, besonders der Glossina ftisca, Trypanosomen in verschiedenen Entwicklungsstadien.

Stellung der Trypanoeomen Im System der Protozoen (Dofleln).

I

I. Unter Stamm. Plasmodroma (Doflein).

Bewegung durch Pseudopodien, Geißeln oder amöboid. Befruchtung isogam oder anisogam.

Kein Konjugationsvorgang.

II. Unter-Stamm. Ciliophora (Doflein). Bewegung durch Zilien usw. Befruchtung durch Konjugation ver- mittelst anisogamer Verschmelzung oder durch Kemaustausch.

1. Klasse. Rhizopoda (v. Siebold).

Bewegung durch Pseudopodien.

2. Klasse. Mastigopliora (Diesing).

Bewegung durch Geißeln.

3. Klasse. Sporozoa (Leuckart).

Bewißgung verschiedenartig, meist durch Parasitismus reduziert Ver- mehrung durch zahlreiche (beschalte) Fortpflanzungskörper, ^Sporen^. Sämtlich Zellschmarotzer.

Nach Koch erfolgt die Vermehrung der Trypanosomen im Magen der Glossinen gleichfalls durch Längsteilung. Es kommen hier zwei Erscheinungs- formen zur Beobachtung, eine dicke, plumpe mit großem rundlichem Chromatin- kom von lockerem Gefüge, reich an blau gefärbtem (Romanowskyfärbung) Protoplasma (O?), und eine äußerst schlanke, ohne blau gefärbtes Protoplasma, aber mit langem, dünnem, sehr dicht gefügtem Chromatinkörper (5?). Im untersten Abschnitt des Magens fanden sich Formen, die eine Weiterentwick- lung der befruchteten weiblichen Zellen vorzustellen schienen. Es waren dies große Trypanosomen mit nur einem Blepharoplasten mit zugehöriger Geißel,

399

aber mehreren (2-8) Kernen. Die jüngsten Formen stellten sich dar als ein- fache kugelige Zellen mit einem Kern; des weiteren fanden sich Obergangs- formen mit dem sich später entwickelnden Blepharoplast und der Geißel.

Bei den parasitisch lebenden Arten läßt sich stets eine stufen- weise Rückbildung gewisser Organe konstatieren, deren Gebrauch sich eröbrigt. In erster Linie werden von diesem Rückbildungs- prozeß die der Lokomotion vorstehenden Körpergebilde betroifen. Wir beobachten daher auch bei den parasitisch lebenden Protozoen, daß ihre Bewegungsorganellen (so genannt im Gegensatz zu den vielzelligen analogen Gebilden höher organisierter Tiere) in ihrer Ausbildung die Merkmale eines verschiedengradigen Rückbildungs- prozesses zur Schau tragen. Die Form dieser Organbildungen hat u. a. daher Anlaß gegeben, die einzelnen Arten zoologisch zu unter- scheiden.

2. Klasse. Mastigophora.

Unter den Angehörigen dieser Klasse finden sich teils parasitische, plasmophage, teils saprophytisch lebende, karbonassimilierende Formen. Ver- treter der letzteren werden in faulenden Flüssigkeitsansammlungen, in Seen, Teichen sowie im Meerwasser gefunden. Sie hahen einen formbeständigen, meist rundlichen Körper, der neben verschiedenartigen Einschlüssen oft eine hauptsächlich als Exkretionsorgan dienende, kontraktile Vakuole be- herbergt Sie sind ausgezeichnet durch eine nach vorn gerichtete Uauptgeißel, neben der noch eventuell eine oder mehrere nach hinten gerichtete Neben- geißeln auftreten. Die parasitischen Formen weisen außer dieser Geißel noch eine mit ihr in Verbindung stehende, zarte Protoplasmalamelle, die sogenannte undulierende Membran, auf.

Die Geißel entspringt fast immer von dem sogenannten Basalkom, dem Geißelkörper oder der Geißelwurzel, das Laveran auch als Zentrosom, Flimmer und Bradford als Mikronukleus und Senn als Blepharoplast be- zeichnet hat. Die Bezeichnungen „Zentrosom'^ und „Mikronukleus^ entbehren aus bestimmten Gründen der Berechtigung. Die Vermehrung erfolgt entweder auf dem Wege der Zweiteilung oder durch Kopulation imter dem Schutze einer Hülle. Die Vermehrung durch Teilung ist den freibeweglichen Formen eigen, und zwar überwiegt die Längsteilung, während die Querteilung seltener ist An der Längsteilung beteiligen sich auch die Geißeln, indem sich das Basalkorn spaltet, und das Teilprodukt einer neuen Geißel den Ursprung gibt.

Die pathogenen Vertreter dieser Klasse gehören fast ausschließlich der Unterklasse der Flagellaten an.

1. Unterklasse: Flagellata. 1. Ordnung: Protomonadina. L Familie.' Cercomonadidae : ohne undulierende Membran | eine Geißel am

2. Trypanosomidac : mit undulierender Membran I Vorderende.

3. Bodonidae: zwei Geißeln am Vorderende.

ZolUehrifl fQr Infektionakrankhelten. I, 4,5. 26

400

Den Zerkomonaden kann eine pathogene Wirkung kaum zageschrieben werden, obwohl sie, wenigstens beim Mensehen, bei verschiedenartigen Er- krankungen, besonders der Atmungswege, gefunden wurden. So wurden sie z. B. nachgewiesen im Sputum bei Erkrankungen der Lunge, bei Pleuritis und Keuchhusten.

Die TrypanoMiniden. Morphologie und Biologie.

Die Trypanosomen sind extrazellulär lebende Parasiten des Blutes von länglich-spindelförmiger Gestalt, ausgestattet mit einer undulierenden Membran und einer Geißel am vorderen Köi-perende. Sie besitzen große Beweglichkeit, und die einzelnen Arten zeigen variierende Größenverhältnisse. Das hintere Körperende ist spitz oder mehr oder weniger abgerundet. Im proximalen Körperdrittel

markiert sich der Kein und im distalen die Geißelwurzel. Bisher war nur diese eine spindelförmige Form, die das vegetative unge- schlechtliche Stadium des Parasiten im Blute des Wirtstieres repi-ä- sentiert, bekannt. So- genannte Involutions- formen entstehen, wenn die Parasiten ungün- stigen Lebensverhält- nissen unterliegen. Statt der zierlichen

Spindelformen ent- stehen dann kaulqnap- pen- oder schildkröten- artige bis kugelige Formen.

Die endogene Ver-

Fig. 1. Trypanofloma Lewisi Kent a Erwachsenes Individuum, n Kern, n* Geifielwurzel. u Un- dulierendo Membran, b bU d Involutionsformen (?> e bii f ^tadlen der LängHtellung. g Maltiple Lfingttellung. k Mul- tiple roacttenförmige Teilung, (e bis h nach Kempner und Rabinowitieh.)

mehrung erfolgt nur durch Längsteilung, die bald vom Kern, bald vom Blepharoplast her eingeleitet wird. Die Kernteilung erfolgt amitotisch. Aus dem Ble- pharoplast wächst zuei-st ein fadenförmiges Gebilde hervor, das

401

über die Obei-fläche des Plasmaklümpchens hervorragt. Bei der sich anschließenden Spaltung des Muttertieres in Teilstücke erhält jedes Tochterindividuum je einen Kern, ein kleines Chromatinkom und eine aus diesem hervorwachsende Geißel. Letztere verlängert sich immer mehr und rückt in die sich von der äußern Körperdecke („Periplast") abhebende Falte, die undulierende Membran, hinein (Schilling).

Der Vorgang der Längsteilung dient der multiplikativen Fort- pflanzung und wäre als Analogon der Schizogonie der Malaria- parasiten aufzufassen. Eine propagative Fortpflanzung durch ge- schlechtlich differenzierte Entwicklungsformen, wie bei der Sporo- gonie der Malariaparasiten, ist weder in dem eigentlichen, noch in dem Zwischenwirt des Parasiten, dem Träger der Infektion, bis- her beobachtet worden. Dieses fehlende Glied des Entwicklungs- kreises hat Koch auf seiner letzten Expedition gefunden.

Die Übertragung der Krankheit auf natürlichem Wege erfolgt hauptsächlich durch Zwischenwirte, und zwar übernehmen diese Rolle bei den Rattentrypanosomen Flöhe und Wanzen, während die Übertragung der Trypanosomen auf die großen Säugetiere durch bestimmte Fliegenarten geschieht.

Schaudinn hat für gewisse Flagellaten die erbliche Über- tragung derselben (germinative Infektion) auf die junge Mticken- generation nachgewiesen. Sie findet sich häufiger bei Formen, die den Wiilswechsel im Verlauf ihrer Stammesgeschichte eingebüßt haben, wie z. B. bei den Flagellaten der Stubenfliege.

Im Körper der in Betracht kommenden Fliegen kann sich nun aber die vegetative Form ei-wiesenermaßen nicht länger wie 48 Stunden lebend erhalten. Dagegen vermögen sich die einzelnen pathogenen Trypanosomen-Arten ständig während einer unbegrenzten Zeit in gewissen Wirtstieren zu halten, ohne dieselben gesundheit- lich zu schädigen, so z. B. der Erreger der Surrakrankheit beim Rind, derjenige der Nagana beim Wild, dei-jenige der Dourine beim Esel etc. So sehen wir, daß diese mit latenter Infektion behafteten Tiere, wie ganz besonders das Wild, eine ständige und nie ver- siegende Quelle der Infektion für die jeweilig empfanglichen Tierarten darstellen. Mit der Verdrängung des Wildes durch die fort- schreitende Kultur ist z. B. die Nagana aus vorher verseuchten Gegenden verbannt und gleichzeitig die Tsetse -Fliege seltener geworden.

26*

402

Lignieres hat nachgewiesen, daß eine weitere Art der Über- tragung auch statthaben kann durch den Biß infizierter Tiere und durch Berührung offener Wundstellen derartiger Tiere.

DliTerentialdiagnostlsche Merkmale der pathogenen Trypanosomenspezies.

In differentialdiagnostischer Hinsicht ist zu bemerken, daß die Trypanosomen der Kaltblüter, sowie die der Vögel und Nagetiere von den pathogenen Arten der großen Säugetiere schon morpho- logisch different sind.

Was die letzteren anbelangt, so genügen die morphologischen ('haraktere zur Differenzierung der einzelnen Arten meist nicht, sondern ausschlaggebend ist hier vor allem die den verschiedenen empfänglichen Tierarten gegenüber wechselnde pathogene Potenz der einzelnen Spezies. So ist es Nocard 1901 gelungen, die Trypanosomen der Nagana und Dourine dadurch zu differenzieren, daß er gegen Dourine immunisierte Hunde durch Nagana zu in- fizieren vermochte.

Lignieres glaubte sich zu der Annahme berechtigt, daß nicht allein graduell, sondern auch qualitativ Virulenzschwankungen be- stehen, wie er es auch für die Piroplasmosen nachgewiesen zu haben glaubt. Doch sind die Grenzen in dieser Hinsicht nicht so schaif gezogen, wie man früher glaubte annehmen zu müssen. So hat Schilling nachgewiesen, daß die seinerzeit von Koch be- hauptete Rassenimmunität der Massai-Esel gegenüber Nagana tat- sächlich nicht besteht. Sehr interessante Aufsclilüsse gaben die Versuche Schillings mit der Passage des Naganavirus durch den Körper verschiedener Tierarten, auf Grund deren es gelang, den Virulenzcharakter der Nagana -Trypanosomen so „umzustimmen", daß z. B. Gänse, die bisher als refraktär galten, für die Infektion mit Nagana empfanglich wurden. Andererseits hat auch Martini festgestellt, daß der Virulenzgrad der Trypanosomenspezies außer- ordentlich schwankend ist.

Koch unterscheidet unter den verschiedenen Formen der Trypanosomiasis zwei Typen. Zu dem Typus A zählt er das Rattentrypanosoma und das Tryp. Theileri, weil diese Formen w^ohl charakterisiert sind. Zu dem Typus B rechnet er alle übrigen pathogenen Trypanosomenspezies, weil diese untereinander in morphologischer Hinsicht nur schwer oder überhaupt nicht diagno-

- 403

stisch trennbar sind. p]ine Trypanosomenart kann nach Koch nur dann als charakterisiert gelten, wenn ihr Entwicklnngskreis, wenigstens in den wesentlichen Teilen, ermittelt ist.

Als differentialdiagnostische Merkmale kommen in morpho- logischer Hinsicht in Betracht die Größe der Parasiten, Größe und Lagerung des Blepharoplasten im Verhältnis zum Kern, der Gehalt an Granula und auch die Art der Bewegung. So unterscheidet sich z. B. Trypanosoma Brucei und Tryp. equinum von dem Tryp. Lewisi durch die Art der Fortbewegung. Tryp. Elmassiani ist durch ein äußerst winziges Blepharoplast ausgezeichnet.

Pathogene Wirkung.

Das hervorstechendste Merkmal der Trypanosomiasis ist eine progressive Anämie, häufig vergesellschaftet mit einem Zustand von Parese und Paraplegie und verbunden mit periodisch sich erneuernden Fieberanfällen. Gleichzeitig bleibt merkwürdiger- weise trotz hochgradiger Erkrankung und Abmagerung der Patienten ihr Appetit bis zuletzt ein guter. Bei gewissen Formen der Trypanosomiasis sind auch entzündliche Erscheinungen an den Augen beobachtet worden, wie sie bei der periodischen Augenentzündung der Pferde aufzutreten pflegen.

Post mortem finden sich außer der anämischen Veränderung des Blutes und einer Erweichung des Knochenmarks keine kon- stanten und besonders sinnfälligen anatomischen Veränderungen.

« Verhalten der Trypanosomen im Blute.

Die Trypanosomen sind befähigt, die roten Blutkörperchen zu durchdringen. Diese Fähigkeit dient jedoch weder dazu, dem Bedürfnis nach Sauerstoff und Nahrungsaufnahme zu genügen, noch ist ihr eine pathogene Bedeutung beizumessen. Auch die Fähig- keit der Giftbildung besitzen die Trypanosomen nicht; sie produ- zieren kein Toxin.

Bei latenter Infektion ist der Nachweis der Trypanosomen im zirkulierenden Blut oft nicht zu fähren; sie pflegen sich dann gewöhnlich im Knochenmark aufzuhalten und der Beweis ihrer Gegenwart kann dann nur durch Übertragung des Blutes auf ein empfängliches Tier erbracht werden.

404

Nißle hat die Beobachtung gemacht, daß jedoch schon aus gewissen pathologischen Befunden im Blut latent infizierter Tiere auf die wahrscheinliche Gegenwart der Trypanosomen geschlossen werden kann. Hierzu gehört einmal der Nachweis der Polychro- masie der roten Blutkörperchen, sowie des Vorhandenseins von Zentrosomen und Dehl ersehen Reifen in denselben.

Des weitem hat Nißle auf die interessante Tatsache hin- gewiesen, daß, wenn die Trypanosomen aus dem Blut, sei es bei spontanen Remissionen oder nach Anwendung therapeutischer Mittel (Trypanrot, arsenige Säure oder menschliches Serum) ver- sch\\inden, gleichzeitig Anämie entsteht. Nach Nißle ist jedoch die Anämie nicht als Folgewirkung der Trypanosomeninfektion zu betrachten, sondern im Gegenteil wahrscheinlich die Ursache des Erlöschens der Infektion. Das Ziel therapeutischer Versuche bei Trypanosomiasis wäre daher gerade, Anämie artefiziell hervor- zurufen.

Im anämischen Blut weisen u. a. die roten Blutkörperchen zum Teil eigenartige Veränderungen nach zw^ei Richtungen hin auf. Es ist dies einmal die Polychromasie (oder Polychromatophilie) und die basophile Körnung der Erythrozyten.

Die Polychromasie oder Polychromatophilie.

Während die normalen „orthochromatischen" Erythrozyten sich vorzugs- weise mit sauren Farbstoffen färben, finden sich bei der Anämie eine wech- selnde Anzahl solcher Blutzellen, deren Diskoplasma sich auch fttr basische Farbstoffe aufnahmefähig zeigt. Im nativen Präparat erscheinen derartige Zellen blafi. Während die orthochromatischen Erythrozyten sich mit Methylen- blau blaßgelbgrUn färben, nehmen die Polychromatophilen bei dieser Färbung eine blaugrüne bis sattblaue Nunancierung an. Mit azurhaltigen Farbstoffen färben sie sich in einem violetten Farbenton. Bei der kombinierten Eosin- Methylenblaufärbung färben sie sich je nach dem Mischungsverhältnis beider Farbenkomponenten von einem matten Rosa mit violettem Hauch bis tiefblau.

Ehrlich erklärt diese eigenartige Veränderung der roten Blutkörperchen als hervorgerufen durch ein aUmähliches Absterben ihrer älteren Formen und bezeichnet sie daher als „degenerative Polychromasie". Dieser Auffassung widerspricht, daß nach neueren Untersuchungen auch jugendliche, kernhaltige Erythrozyten ohne jedes Zeichen von Degeneration die ausgesprochensten Grade der Polychromasie aufweisen.

Nach Türk und Pappen heim ist die Polychromasie weder der Aus- druck der Jugendlichkeit, noch jener der Degeneration, sondern nur die Be- gleiterin beider. Nach Tür k müssen zum Zustandekommen der Polychromasie zwei Umstände zusammenwirken: „Erstens eine abnorme Basophil ie des Zyto-

405

plasmas; zweitens abnorme Hämoglobinarinut. Es ist anzunehmen, daß das Zytoplasma jugendlicher Erythroblasten eine sehr verschieden starke, basophile Komponente als Ausdruck der unvollendeten Differenzierung besitzt und diese sich besonders in lebhaft proliferierenden Elementen findet, welche sich aus hämoglobinfreien Vorstufen entwickeln. **

Die basophile Körnung der Erythrozyten.

Das Auftreten basophiler Körnung im Zytoplasma der roten Blutkörperchen wird außer bei der Malaria auch bei anderweitigen Blutkrankheiten (z. B. Bleivergiftung) beobachtet Auch im gesunden Blut können rote Blut- körperchen mit basophiler Körnung zeitweise zur Beobachtung kommen. Diese basophilen, sich nach Bomanowsky blauviolett färbenden Einlagerungen treten entweder auf als gröbere Kömer oder in Form einer feinen Punktierung, die das ganze Zellprotoplasma in großer Zahl stäubchenartig durchsetzt. Die echte typische Punktierung hält Ttirk für ein Produkt des Zytoplasmas, das mit Kcmdegeneration keine Beziehung hat. „Die basophile Körnung ist eine häufige Eigenschaft des unausgereift zur Ausschwemmung gelangten jugendlichen Zellprotoplasmas. Sie hat daher ähnliche Bedeutung wie die Polychromasie, und beide sind von gleichen Gesichtspunkten zu beurteilen."

Nachweis der Trypanosomen im Blut.

Der Nachweis der Tr^'panosomen im Blut gelingt sowohl im frischen Präparat (^fethode des hängenden Tropfens), wie auch im gefärbten Präparat. In vorzüglicher Weise eignet sich das Methylenblau (med. puriss. Höchst) sowohl zur einfachen Färbung, wie es auch in Verbindung mit Eosin die treff- lichste Doppelfärbung und Chromatinfärbung liefert.

Für die einfache Färbung des Blutausstrichs wird es in 1 proz. wäßrigen oder alkoholischen (50 bis 60 % Alkohol) Lösungen verwandt. Sehr zu empfehlen ist die Borax-Methylenblaulösung nach Manson und besonders die alkalisierte Lösung nach Buge.

Die Chromatinfärbung.

Die Möglichkeit, die Chromatinsubstanz der Malariaparasitcn und der Trypanosomen tinktoriell zur Anschauung bringen zu können, ist differential- diagnostisch von höchstem Wert. Das Chromatin, chemisch reine Nuklein- säure, färbt sich in einer Mischung von Methylenblau- und Eosinlösung in ge- eignetem Verhältnis beider Farblösungen in einem leuchtend bordeauxroten Farbenton. Die Chromatinfärbung kommt nur zustande bei gleichzeitigem Vor- handensein von Eosin und Methylenblau oder dessen rot gefärbten Zersetzungs- produktes, des Methylenazur. Letzteres verbindet sich mit Eosin zu einem kristallisierten Farbstoff, der zudem neben der Färbung der neutrophilen Sub- stanzen auch die färberischen Differenzierungen von Kern und Protoplasma schärfer hervortreten läßt.

Bomanowsky mischte 1891 zuerst eine wäßrige Methylenblau- und Eosinlösung bis zur Bildung eines Niederschlages. Ziemann stellte 1898 genauere Mischungsverhältnisse beider Farbstoffe fest. In demselben Jahre

- 406 -

stellte Nocht fest, daß nicht die entstehende Eosin-Methylenblauverfoindung das färbende Prinzip der Methode darstellt, sondern Verunreinigungen der Mothylenblaustammlösung, deren Verbindung mit Eosin dafür verantwort- lich ist. Er benützte daher zur Romanowsky-Färbung Unnas polychromes Methylenblau. 1899 stellte Nocht als färbendes Prinzip ,,da8 Rot aus Me- thylenblau'' fest, das durch Behandeln der wäßrigen Lösung mit Alkalien in der Wärme entsteht. Das rot gefärbte Zersetzungsprodukt entsteht schon bei längerem Stehen der Lösung und bei Schimmelbildung. Zur Prüfung auf dessen Vorhandensein und Menge dient das Ausschütteln mit Chloroform, in das der rote Farbstoff übergeht. Michaelis wies 1901 nach, daß der wesent- lich wirksame Bestandteil aller durch Alkalizusatz aus dem Methylenblau ge- wonnenen Farblösungen das „Methylenazur'' ist. Endlich stellte Giemsa 1902 das Methylenazur, dessen eosinsaure Salze das ausschließlich färbende Prinzip bei der Romanowsky-Färbung sind, rein dar.

1904 gab Giemsa eine Vereinfachung und Vervollkommnung seiner Methode an. Es war ihm gelungen, ein indifferentes, sich auch mit Wasser mischendes Lösungsmittel ausfindig zu machen, in dem der kombinierte basische und saure Farbstoff in einer einzigen Lösung zur Färbung verwandt werden kann. Dieses Lösungsmittel besteht in Alkohol und Glyzerin. Die Farblösung ist gebrauchsfertig bei Grübler & Co., Leipzig, unter der Bezeichnung „Giemsasche Lösung für die Romanowsky-Färbung" erhältlich.

Vermittelst der Romanowsky-Färbung färbt sich das Diskoplasma der Normozyten mattrosa. Die Polychromatophilen nehmen eine hiervon ab- weichende, in verschiedener Stärke auftretende violette Nuance an. Die basophile Körnung ist dunkelblau. Die Chromatinsubstanz, sowohl der Zellen wie besonders diejenige der Blutparasiten, färbt sich bordeauxrot. Bei den Trypanosomen nimmt diese charakteristische Färbung Kern, Blepharoplast, un- duliercnde Membran und die Geißel an. In Blutproben, in denen der Körper der Trypanosomen bereit« der Auflösung verfallen ist, fallen die viel resi- stenteren Gebilde, Blepharoplast und Geißel, die der Auflösung erst viel später anheimfallen, noch längere Zeit nachher durch ihre Chromatinfärbnng auf. Das Plasma der Malariaparasiten und Trypanosomen färbt sich in einem schönen Blau, das in der peripheren Plasmazone tiefere Färbung aufweist

Heiiversuche.

In Erwägung dessen, daß Immunisierungsversuche gegen Trypanosomenkranklieiten bisher nur bei Rindern erfolgreich waren, haben Ehrlich und Shiga eine pharmakologische Behandlungs- weise, und zwar mit Trypanrot, empfohlen. Bei kleinen Versuchs- tieren (Mäusen) hat sich dieses Mittel gegen die Nagana-Infektion bewährt. Es schützen 0,3 g einer Iproz. Trypanrotlösung 15,0 g Maus. Andererseits hat Laveran das Trypanrot neben gleichzeitiger Verabreichung von Arsenik anzuwenden empfohlen, und zwar Natr. arsenicos. 0,1 mg pro 20 g Maus.

407 -

Verfahren der Zfichtung der Trypanoeomen auf kflnstiichen N&hrböden.

Novy und Mac Neal gelang es zuerst, das Rattentrypanosoma auf Blutagar (Ratten- oder Kaninchenblut) künstlich zu züchten. Die Trypanosomen wuchsen üppig zu Hunderten und Tausenden in rosettenförmiger Anordnung, wobei die Geißeln nach dem Zentrum der Gruppe gerichtet waren. Schwerer gelang die Züchtung der Naganatrypanosom^; diese wuchsen nur spärlich und bildeten Anhäuftingen von höchstens 10—20 Individuen, die ihre Geißeln der Peripherie zuwandten.

Vorkommen im Körper.

Die Trypanosomen sind enthalten im Blut und den serösen Körperflüssigkeiten, in der Gewebs- und Höhlenflüssigkeit des Rückenmarks, der pathologischen perikarditischen und peritonitischen Flüssigkeit. Die Galle enthält die Parasiten nicht. Auch der Harn ist nicht virulent. Die Galle tötet die Parasiten bei der Verdünnung von 10 : 100 in fünf Minuten, erweist sich jedoch unwirksam bei der Verdünnung von 6:100 (Schilling).

Pathologiech-anatomieohe und histologische Verftnderungen bei Trypanosomiasis.

Bei Trypanosomen-Erkrankungen sind durch Neporoyni und Jakimoff folgende pathologisch - anatomische und histologische Veränderungen nachgewiesen worden. Bei ihren Versuchstieren beobachteten diese Forscher Vergrößerung und höckerige Beschaffen- heit der Milz. Neben vergrößerten Malpighischen Körperchen fanden sich auch solche in regressiver Metamorphose und arm an kleinzelligen Elementen. Die Lymphdrüsen erweisen sich nur bei langsamem Verlauf der Erkrankung vergrößert; in solchen Fällen wird auch das Knochenmark gerötet geftinden. Die Lungen zeigen, abgesehen von bisweilen bestehender Hyperämie, von Ödem oder Emphysem, keine Veränderungen; histologisch jedoch erweisen sie sich stark alteriert, insofern ihr Kapillametz von Trypanosomen überfüllt ist und sogar die größeren Gefäße stellenweise durch dieselben thrombosiert sind.

Die Nieren zeigen Hyperämie der Rindensubstanz, selbst punkt- förmige Blutungen, und zwar vorwiegend in den Malpighischen Knäueln, worauf wohl der Eiweißreichtum des Harns zurückzuführen

408

ist. Hierdurch erklären sich die Autoren auch die häufig vor- kommenden Hautödeme, Krämpfe und die Somnolenz als urämische Erscheinungen, obwohl die Hautödeme wohl auch auf Verstopfung kleiner Gefäße zurückgeführt werden können. Die serösen Häute sind meist unverändert, nur bei Hunden finden sich in den serösen Höhlen blutig-seröse Exsudate, die freie Trypanosomen enthalten.

Die Leber ist meist vergrößert, rotbraun oder lehmfarben und an der Oberfläche feinhöckerig; auf dem Durchschnitt tritt die Läppchenzeichnung mit rotem Zentrum und gelbbrauner Peripherie deutlich hervor. Infolge massenhafter Ansammlung der Tiypano- somen in den Leberkapillaren kommt es sowohl zu regressiven wie progressiven Veränderungen. Die ersteren kennzeichnen sich durch Atrophie, fettige Degeneration, nekrotischen Zerfall und Karyolyse sowohl der Parenchymzellen der Leber, als auch der Kapillarendothelien. Die progressiven Veränderungen äußern sich in karyokinetischer Kernteilung der Leberzellen und endothelialen Zellen.

Unter der großen Zahl der bei Kalt- und Warmblüteni auf- geftindenen Trypanosomenspezies interessiert uns das Rattentrypano- soma, weil an diesem die ersten Experimentalstudien über Trypano- somen ausgeführt wurden, und es Rabinowitsch und Kempner gelungen ist, empfangliche Tiere dieser Form gegenüber mit Erfolg zu immunisieren. fSMuß im nächsten Eeft^

Infektionskrankheiten.

Pfeiffer, Die Bekämpfung des Kälbersterbens, der Kälber- ruhr und der Kälberpneumouie.

(Landw. Annal. d. Mecklenb. patriot. Yereins, N. F. 45. Jahrg., 1906, Nr. 17, S. 141-144.)

Prof. Dr. Pfeiffer, Direktor des Hygienischen Instituts der Universität Rostock, beschäftigt sich in der vorerwähnten Abhand- lung mit der Bekämpfung der infektiösen Krankheiten der jungen Kälber. Als wichtigste Voraussetzung flir die wirksame Bekämpfung dieser Kranklieiten erscheint dem Verf. selbstverständlich die Kennt- nis ihres Wesens und ihrer Ätiologie. Da ihm diese Kenntnis „durch die bisherigen Untersuchungen noch nicht genügend sichergestellt schien,** so machte er es sich zunächst zur Aufgabe, die Ursachen und verschiedenen Formen der erwähnten Kälberkrankheiten zu

- 409

erforschen. Seine diesbezüglichen Untersuchungen ergaben etwa folgendes:

Die einzelnen Kälber können unter verschiedenen Krankheitserscheinungen und in verschiedenen Fristen zugrunde gehen. Die Kälber, die am 1.— 2. Tage naeh der Geburt eingehen, zeigen meist keine ausgeprägten Erscheinungen. Diese Form des Kälbersterbens ist eine Septikämie. Kälber, die am 3.-4. Tage nach der Geburt sterben, weisen während des Lebens oft Durchfall und bei der Sektion verschiedene Organ Veränderungen auf. Im ganzen Körper zahllose Bakterien. Auch hier handelt es sich somit um eine Septikämie, deren Verlauf jedoch etwas langsamer ist. Kälber, die am Ende der ersten Lebenswoche verenden, bieten klinisch das Bild der Bnhr, pathologisch-anato- misch meist nur eine Darmerkrankung. Im Darminhalt finden sich dieselben Bakterien, wie bei den vorstehend erwähnten Septikämien (welcher Art die Bakterien sind, wird nicht angegeben [J.]); im übrigen Körper sind die Bak- terien nicht oder nur spärlich vorhanden. Die 6—8 Wochen nach der Ge- burt oder noch später sterbenden Kälber zeigen meist Pneumonie. In der veränderten Lunge finden sich ebenfalls die gleichen Bakterien, wie bei den Septikämien. „Aus dem Umstand, daß bei Kälbern, welche unter den ver- schiedensten Erscheinungen krank waren und zu den verschiedensten Zeiten eingingen, dennoch die gleichen Bakterien im Körper und seinen Organen nach- zuweisen sind, muß man folgern, daß ein und dieselbe Bakterienart bald Blutvergiftung, bald Ruhr, bald Pneumonie und Eiterungen erzeugen kann.*" Demnach sind die vorstehend erwähnten Formen des Kälbersterbens „nur verschiedene Formen einer und derselben durch Bakterien verursachten Infektionskrankheit.^

Verf. fand bei seinen Untersuchungen „bisher wenigstens ein halbes Dutzend verschiedener Bakterienarten als Erreger^ dieser Krankheit Er fand femer, daß in ein und demselben Bestand verschiedene Bakterienarten als Krankheitserreger auftreten können. (Um welche Bakterienarten es sich handelt, wird nicht gesagt. Ebenso fehlen Angaben darüber, ob der Verf. die ätio- logische Bedeutung der gefundenen Bakterien durch Versuche an Kälbern geprüft hat. [J.])

Zu diesen Mitteilungen möchte ich mir einige Bemerkungen gestatten.

Was der Verf. als „sehr wichtiges Ergebnis" seiner Unter- suchungen über die Ätiologie und das Wesen der infektiösen Kälber- krankheiten mitteilt, ist schon lange vor ihm durch tierärztliche Forscher ermittelt worden. Ich verweise nur auf die Arbeiten von C. 0. Jensen, Poels sowie auf meine eigenen Untersuchungen über diese Frage. Insbesondere Poels verdanken wir umfassende Forschungen auf diesem Gebiet, durch die wir eingehend über Wesen und Ätiologie der verschiedenen Formen dieser Krankheiten unter- richtet worden sind.

410

Bestätigt der Verf. somit hinsichtlich der Ätiologie im all- gemeinen das, was wir längst und viel genauer schon wußten, so vertritt er in bezug auf die Pathogenese eine etwas abweichende Anschauung. Durch die Untersuchungen und Tierversuche der vor- stehend genannten Tierärzte ist einwandfrei festgesteUt, daß die Infektion nicht nur vom Nabel aus, sondern auch per os zustande kommen kann, und zwar besitzt der letztgenannte Infektionsweg für die Kälbemihrseptikämie unzweifelhaft eine weit größere Be- deutung wie die Nabelinfektion. Pf. sieht dagegen den Nabel als ausschließliche Infektionspforte an. Die Möglichkeit einer In- fektion per OS wird überhaupt nicht erwogen.

„Absolut sicher konnte ich für den dritten Teil aller untersuchten Kälber nachweisen, dafi die Infektion vom Nabelstrang ans erfolgte. Weil nnn bei den übrigen zwei Dritteln die Krankheitserscheinungen gerade so oder sehr ähnlich waren wie bei dem ersten Drittel, folgere ich, daß auch bei diesen zwei Dritteln dieselbe Art der Infektion vorhanden war, mit anderen Worten, die Bakterien durch den Nabel in den Körper eingedrungen sind.^

Eine derartige Beweisführung dürfte wissenschaftlich wohl kaum als stichhaltig angesehen werden können. Jedenfalls ist sie nicht geeignet, an der bisherigen Anschauung über den Infektionsmodus bei der Kälbemihrseptikämie etwas zu ändern.

Auf Grund seiner Annahme, daß die Infektion nur durch den Nabel erfolge, empfiehlt Verf. als wesentlichstes prophylaktisches Mittel gegen die infektiösen Krankheiten der jungen Kälber die Behandlung des Nabelstranges nach einem von ihm angegebenen Verfahren.

Dieses besteht darin, dafi man den Nabelstrang, nachdem man sein unterstes Ende abgeschnitten hat, mit einem in Spiritus rectificatissimus ge- tauchten Streifen Verbandstoff umwickelt und ihn dann mit einer Gummikappe Überzieht.

Ob eine derartige Nabelpflege, die mir recht umständlich und nicht billig erscheint, mehr leistet, wie andere Methoden der Nabel- behandlung, müßte erst die Praxis lehren. Sie ist jedenfalls nur bei den Tieren anwendbar, bei denen der Nabelstrang so gerissen ist, daß ein genügend langer Rest am Leibe verbleibt. Viele Kälber, bei denen das nicht der Fall ist, können dieser Art der Nabelpflege nicht teilhaftig werden. (Pf. empfiehlt, solche Kälber einfach sofort zu schlachten!)

Nach meinen Erfahrungen ist die beste Nabelpflege die, die den Nabelstrangrest neben der Desinfektion möglichst schnell trocken macht und die bei allen Kälbern angewandt werden kann (vgl. die

411

Poelsschen Vorschriften). So wichtig eine gute Nabelpflege ist und so dringend sie empfohlen werden muß, so darf sich die Prophy- laxis doch nicht allein hierauf beschränken, sondern muß auch den anderen Infektionsmöglichkeiten Rechnung tragen und die Diätetik des neugeborenen Kalbes berücksichtigen. Dem holländischen Tier- arzt Dr. Po eis gebührt das große Verdienst, vor etwa sieben Jahren nicht nur eine vorzügliche Art der Nabelpflege, sondern eine syste- matische, rationelle Prophylaxis hinsichtlich der infektiösen Kälber- krankheiten überhaupt eingeführt zu haben. In der Fußnote*) gebe

*) I. Maßregeln ror und wfthrend der Geburt«

1. Binde unmittelbar vor dem Eintritt der Gebart den Schwanz der Ruh mit einer Schnur, die von dessen BUschel nach einem lose um den Hals gelegten Strick gezogen wird, nach der Seite.

2. Reiuige vor der Öffnung der Wasserblase das Hinterteil, insbesondere den Wurf der Kuh und dessen Umgebung sorgfältig mit lauwarmer 3proz. KreolinlösuDg (10 £fil5ffel Kreolin auf 5 Liter Wasser).

3. Spüle dann die Scheide mittelst eines mit einem Trichter in Verbindung gebrachten (lummischlauches mit einer lauwarmen Lösung von 1 g Subli- mat (1 Sublimatpastille) in 5 Liter Wasser grtlndlich aus. Man gebrauche den Apparat (Schlauch und Trichter) nicht zu anderen Zwecken und halte ihn in stets sauberem Zustand. Die Scheidenausspülung ist, wenn das Sublimat gut und gleichmäßig gelöst ist, weder für die Mutter, noch für das Kalb gefährlich; sie reinigt die Geburtswege von Ansteckungsstoffen.

4. Nach der Reinigung und Desinfektion der Geschlechtsteile, die, wie gesagt, unmittelbar vor der Geburt zu geschehen hat, bleibe man bei der Kuh, be- seitige etwa erfolgende Darmentleerungen und reinige den davon verun- reinigten Wurf und dessen Umgebung unter Anwendung von Kreolinlösung.

5. Sorge insbesondere auch dafür, dafi während der Geburt das Kalb nicht mit Damientleerungen verunreinigt wird.

6. Bette die Kuh auf reichliches, sauberes Stroh, fange, wenn möglich, das Kalb in einem sauberen, leinenen Tuch auf und lege es nach Anwendung der Maßregeln 7, 8 und 9 auf sauberes Stroh.

II. Mairegeln nach der Geburt.

7. Unterbinde den Nabelstrang mit einem ausgekochten oder in 3proz. Kreolin- lösung gelegten Bindfaden möglichst dicht am Leib und schneide den Nabcl- strang dicht unter der Unterbindungsstelle mit einer sauberen Schere ab.

8. Betupfe dann den Stumpf des Nabelstranges mittelst eines sauberen Schwämmchens oder leinenen Läppchens mit einer 5proz. Lösung von über- mangansaurem Kali. Diese Behandlung des Nabelstrangstumpfes macht denselben rasch trocken und verhindert eine Ansteckung vom Nabel aus.

9. Lege dem Kalb sofort einen dicht geflochtenen Maulkorb an, der während der ersten 6 Tage nur während des Tränkens abgenommen wird; der Maul- korb verhindert, daß das Kalb vom Stallboden Streu und andere mit An- steckungsstoff behaftete Partikel aufnimmt.

412

ich die von mir seinerzeit deutsch zusammengestellten Poelsschen Vorschriften in etwas modifizierter Form, wie ich sie in Pommern und Schleswig-Holstein vielfach angewendet habe.*) Diese Vor- schriften haben sich in fast allen Fällen, in denen sie exakt durch- geführt wurden, von ausgezeichneter Wirkung erwiesen. Aus diesen Vorschriften geht hervor, daß Pf. auch hinsichtlich der Prophylaxis nichts prinzipiell Neues bringt.

Wie Pf. angibt, können, wenn die Nabelbehandlung zu spät erfolgt oder eine Behandlung des Nabelstrangrestes nach seiner

10. Reinige das Euter, besonders die Zitzen, zuerst mit 3proz. Krcolinlöson^ und dann mit reinem lauwarmem Wasser, trockne das Euter mit sau- berem Tuch ab und melke sofort aus allen Zitzen der Kuh einige Strahlen der ersten Milch in die Streu imd darauf in ein sorgfältig ge- reinigtes Gefäß 7, Liter der nächsten Milch. Lasse von dieser Milch das Kalb saugen und wiederhole dies nach einer Stunde. Beim Tränken des Kalbes ist darauf zu achten, dafi die damit betraute Person stets vorher ihre Hände sorgfältig gesäubert hat, damit nicht durch unreine Hände eine Ansteckung erfolgt. Durch die Verabreichung von Nahrung wird der Magen und Darm sofort in richtige Funktion gesetzt und durch die gelind abführende Wirkung der ersten Muttermilch der für die Entwicklung von Krankhetts- keimen günstige Verhältnisse bietende Darminhalt des Neugeborenen hin- weggeschafft. Es ist unrichtig, das Kalb mehrere Stunden nach der Geburt hungern zu lassen.

11. Die Milch für das Kalb ist möglichst immer von der eigenen Mutter zu nehmen. Das Kalb erhält während der ersten 24 Stunden ca. ^/^ bis 1 Liter, am zweiten Tage ca. IVa Liter, am dritten Tage ca. 2V9 Liter, am vierten Tage ca. 3 Liter, am fünften Tage ca. SVa und am sechsten Tage ca. 4 Liter. Stets ist die Milch unmittelbar nach dem Melken und „kuhwarm*' dem Kalb zu geben. Die Verabreichung von Milch, die länger als einige Stunden gestanden hat, ist dem neugeborenen Kalb schädlich. Geßlße. die zum Tränken kranker Kälber benutzt wurden, dürfen nicht zum Tränken gesunder Kälber Verwendung finden. Wenn das Muttertier ein krankes Euter hat, muß das Kalb, wenn möglich, mit der Milch einer anderen Kuh, die zu gleicher Zeit gekalbt hat, gefüttert werden.

12. Bringe das Kalb in einen niäfiig warmen, zugfreien und ruhigen Stall und bette es auf reichliches, reines Stroh. Auf jeden Fall muß das Kalb trocken liegen. Es ist wichtig, daß das neugeborene Kalb nicht viel beunruhigt wird. Deshalb vermeide man es auch, ältere und neugeborene Kälber zu- sammen zu sperren. Sobald ein Kalb krank wird, sind die gesunden sofort von ihm zu trennen.

*) Auf meine Veranlassung hat die Landwirtschaftskammer für die Pro- vinz Schleswig-Holstein diese Vorschriften auch in Plakatform zum Aufhängen im Kuhstall herstellen lassen. (J.)

413

Methode infolge zu kurzen Abreißens des Nabelstranges am Leib unmöglich ist, doch einzelne Tiere erkranken.

„Daher vernotwendi^ sich neben der Nabelbehandlung noch die An- wendung eines Serums, das dazu zu dienen hat, etwa bereits eingedrungene, aber nicht zu zahlreiche Bakterien abzutöten.^

Natürlich ist ein Serum notwendig, das in jedem Fall gegen die gerade als Krankheitserreger auftretende Bakterienart schützt. Zur raschen Feststellung des Krankheitserregers in jedem Fall gedenkt Pf. das abgeschnittene Nabelstrangende zu verwenden.

„Welche (Bakterien) vielleicht bereits eingedrungen sind, kann man erfahren, wenn man das abgeschnittene unterste Endchen des Nabelstranges bakteriologisch untersucht; man braucht dann nicht bis zum Tode eines Kalbes zu warten, sondern kann gleich feststellen, welche Bakterienarten im Stalle vorherrschen und die Kälber gefährden können. Man kann auch sofort mit Hilfe der gefundenen Bakterien ein brauchbares Serum herstellen.**

Dieses Vorgehen setzt voraus, dass der Nabelstrang in allen Fällen die Eintrittspforte für die Infektion bildete, was, wie oben erwähnt, keineswegs immer der Fall ist. Im übrigen dürfte die Feststellung, welche von einer Anzahl Bakterienarten, die in einem verunreinigten Nabelstrangstumpf gefunden werden (und darunter sind nicht selten verschiedene für Versuchstiere pathogene Arten), im vorliegenden Fall als Krankheitserreger anzusehen ist, doch wohl etwas schwierig sein. Man glaubt beispielsweise den Erreger in Form eines pathogenen Streptokokkus im Nabelstrang gefunden zu haben, während das betreffende Kalb an einer Koliseptikämie zugrunde geht.

Ein Serum hat Pf. bis jetzt noch nicht dargestellt. Es bleibt abzuwarten, ob das nach seiner Methode gewonnene Serum bessere Erfolge erzielen wird, als die bisher angewandten Sera. Mir erscheint das, wenn Verf. die aus den abgeschnittenen Nabelstrang- endchen isolierten Bakterien zur SerumdarsteUung benutzt, aus dem vorstehend angegebenen Grunde sehr zweifelhaft.

Wenn Verf. glaubt, mit seinem Verfahren, der geschilderten Art der Nabelpflege, kombiniert mit Serumbehandlung, in Zukunft die überwiegende Mehrzahl aller Kälber retten zu können, so dürfte dies erst in der Praxis (namentlich unter Verwendung von un- behandelten Kontrolltieren) zu erweisen sein. Etwas Neues bringt Verf. in seiner Arbeit (abgesehen von der eigenartigen Methodik der Nabelbehandlung) weder in wissenschaftlicher noch in prak- tischer Hinsicht. Joeat,

414 - Sonnenbrodt, Milzbrand bei einem Elefanten.

(Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1906, Nr. 15, S. 285—286.)

Ein etwa 10 Jahre alter indischer Elefant eines Zirkus ver- sagte abends das Futter, wurde in der Nacht, ohne sonstige Krank- heitserscheinungen zu zeigen, sehr unruhig, äußerte große Schmerzen und verendete gegen Morgen. Die Sektion wurde mit Rücksicht auf den vorliegenden hämorrhagischen Milztumor, die hämorrhagische Entzündung der Rektalschleimhaut, die hämorrhagischen Herde am Epi- und Endokard, die parenchymatöse Veränderung der Leber und Herzmuskulatur wegen Milzbrandverdachts unterbrochen. Durch die bakteriologische Untersuchung (Plattenkulturen, Aus- strichpräparate und Impfung von Mäusen) wurde die Diagnose Milzbrand sichergestellt. Kuhn (Berlin),

Dansei, Zum Nachweis des Milzbrandes.

(Zeitschr. für Fleisch- nnd Milchhygiene, 16. Jahrg., 1906, S. 231.)

Verf. untersuchte einen Fall von „Darmmilzbrand ohne Septikämie" beim Rind. Es konnten in der Milz weder durch Färbung, noch durch Impfung und Kultur Milzbrandkeime nach- gewiesen werden, wohl aber durch alle drei Methoden in dem blutigen Darminhalt. SchüUer (Stetünj.

Hottinger, E., Über das Verhältnis des Bacillus suipestifer zur Schweinepest.

(Schweizer Arch. f. Tierheilk., Bd. 47, 1905, 8. 235—259.)

Verf. nimmt auf Grund eines geschilderten und anderer nicht beschriebener Fütterungsversuche mit dem Bacillus suipestifer an Schweinen an, daß der Bacillus suipestifer nicht der Er- reger der Schweinepest sei, ohne jedoch für seine Behauptung den Beweis zu erbringen. Btigge (Kid),

Ravenna, E., Sul comportamento del virus morvoso entro il tubo gastro-enterico. (über das Verhalten des Rotzvirus im Magendarmtraktus.)

(Memoria preaent. dal Prof. Bonomc neir adnnanza ordinarin 1905 d<»l R. Istit. Veneto, Venezia 1905, S. 1615—1638.)

Die Magendarmschleimhaut von Pferden und Katzen bietet für den Rotzbazillus keine günstigen Angriffspunkte. Der Magen- und Darminhalt hat bei Katzen und Ratten die Fähigkeit, das in den Ver- dauungstraktus eingeführte Rotzvirus zu neutralisieren. Die Darm-

415

bakterienflora des Pferdes und die verschiedenen Verdauungssäfte von Pferd, Katze und Meerschweinchen üben in vitro keinen Ein- fluß auf die Lebensfähigkeit und Virulenz des Rotzbazillus, auch nicht bei sehr langem Eontakt, aus. Bei rotzkranken, septikämischen Meei'schweinchen, die subkutan infiziert wurden, kann man virulente Rotzbazillen auch im Magendanninhalt vorfinden. Pfei^ (Neapel),

Cagnetto, G., Sul comportamento del virus morvoso nell'

urina e sulla sua eliminazione attraverso i reni.

(Über das Verhalten des Rotzvirus im Harn und

seine Ausscheidung durch die Nieren.)

(Atti del R. Istitiito Veneto di Science, lettre et arti, tomo LXV, parte 2a, 1905/1906, p. 265-297.)

Im Harn von Menschen, Pferden, Eseln und Katzen befindliche Rotzbazillen behalten wenigstens für 30 35 Stunden, im Maximum drei bis vier Tage, ihre Virulenz. Sie gehen jedoch schon vor Ab- lauf dieser Zeit bemerkenswerte morphologische und mikrochemische Veränderungen ein. Schließlich verlieren sie die Fälligkeit, eine Allgemeininfektion hervorzurufen, ganz. Selbst die empfindlichsten Testtiere reagieren dann nur noch lokal. Die Abschwächung, die die Erreger des Rotzes durch ihren Aufenthalt im Harn erfahren, äußert sich unter anderem darin, daß sie sich auf ihnen sonst zu- sagenden Nährböden, wie z. B. Agar, nicht mehr entwickeln können. Beim Eintrocknen des Harns rotzkranker Pferde sind die Rotz- bazillen nach 20 Stunden, vielleicht schon früher, abgetötet.

Pfeüer fKeapefJ.

Kleine, F. K., Impftuberkulose durch Perlsuchtbazillen.

(Zeitachr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 52, 1906, S. 495-512.)

Aus sieben menschlichen Hauttuberkeln, die seit V4 8 Jahren bei Schlächtern bestanden, isolierte Verf. die Erreger, verimpfte die Kulturen an Rinder und konnte hiemach fünf als echte Perl- suchtstämme identifizieren. Selbst die Bazillen aus den ältesten seit acht Jahren bestehenden Hautveränderungen waren imstande, eine disseminierte Tuberkulose bei den Rindern zu erzeugen. Dem- nach haben die Perlsuchtbazillen trotz des langen Aufenthaltes im menschlichen Körper weder etwas von ihren Eigenschaften eingebüßt, noch war ein sonstiger Einfluß der verflossenen Zeit bei ihnen zu ermitteln. Im zweiten Teil bringt Verf. eine Kasuistik, die einer- seits die Harmlosigkeit der Perlsuchtbazillen gegenüber dem mensch-

Zelttchrlft fQr Infektionikrankheiten. I, 4/5. 27

416

liehen Körper, andererseits die Gefährlichkeit des Typus hnmanos für den Menschen dartnn soll. Bugge (Kiel).

Galli-YalertOy B», Recherches exp6rimentales sur la rage des rats avec observations snr larage du snrmnlot, de la souris et du mnlot.

(Zentralbl. f. Bakt nsw^ I. Abt, Bd. 40, 190&, 8. 197—201 n. 8. 318—331.)

An Ratten sind bisher nur wenige Versuche mit Wut angestellt worden. G.-V. hat durch Konstruktion eines praktischen Halte- apparates die fiir den Experimentator beim Arbeiten mit diesen Tieren bestehenden Gefahren vermieden. Aus seinen an einer größeren Anzahl von Haus- und Wanderratten, Haus- und Feldmäusen angestellten Versuchen geht hervor, daß bei diesen Tieren nach Impfung mit fixem Virus in der Regel die paralytische Form, nach Impfung mit Straßenvirus dagegen die maniakalische Form der Wutkrankheit auftritt. Auf Grund dieser Versuche hält Verf. es für möglich, daß die Muriden unter Umständen bei der Übertragung der Wutkrankheit eine gewisse Rolle spielen können, zumal das Gift in ihrem Körper eine Virulenzsteigerung erfährt und ihre Bisse tief und gefährlich sind.

Bei Anwendung des von G.-V. konstruierten Apparats sind die Ratten sehr geeignete Laboratoriumstiere zur Darstellung des fixen Virus, da das Straßenvirus die Eigenschaft des fixen Virus schon nach zwei bis drei Passagen, bei Verwendung von Kaninchen dagegen erst nach 50 Passagen erlangt. Orabert (Berlin).

Hickson, 8. J., Microorganisms associated with disease.

(Reprinted ftrom the Annaal Report and Transact of the Manchester Microscopical Society, 1904, S. 26—34.)

Die Arbeit ist eine kurz zusammenfassende Aufzählung der heute bekannten, durch Mikroorganismen verursachten Krankheiten.

Pfeiler (Xeapel/,

Bosenthaly W., Über Beziehungen zwischen Hähnerpest und Lyssa.

(Zentralbl. f. Bakt nsw., I. Abt, Bd. 40, 1905, S. 204—206.)

R. fand im Gehirn von Hühnern, die nach Infektion mit ab- geschwächtem Hühnerpestvirus unter Krämpfen und Erscheinungen des Labyrinthschwindels erkrankt waren, herdförmige, perivaskuläre Zellanhäufiingen, die er als Infiltration der die Venen und Kapillaren

417

umgebenden Lymphränme deutet. Sie erinnern an die Zellherde, die im Zentralnervensystem von Menschen und Tieren, die an Straßenwutinfektion gestorben waren, geflinden worden sind.

Orahert f Berlin).

Moore, T, A., The Pathology and Differential Diagnosis of Infectious Diseases of Animals.

(2. Aufl., Ithaca [N..Y.] 1906, XVI u. 506 Sa., mastrated.)

Verf. gibt in diesem Werk eine Darstellung der tierischen Infektionskrankheiten, mit besonderer Berücksichtigung derjenigen, die in den Vereinigten Staaten von Nordamerika vorkommen. Nach einer allgemeinen Betrachtung über Ätiologie, Infektion usw. werden die einzelnen Krankheiten näher besprochen. Dabei werden nicht nur die Ätiologie und Immunisierung, sondern auch die klinischen Symptome und die pathologische Anatomie so- wie die Düferentialdiagnose berücksichtigt. Den Schluß bildet eine gedrängte Darstellung der Immunität, SchutzimpAing und Desinfektion im aUgemeinen. Das Buch ist flir Studierende und Praktiker be- stimmt, j.

Entwicklungshemmung Desinfektion.

Beehhold, H«, u. Ehrlieh, F., Beziehungen zwischen chemi- scher Konstitution und Desinfektionswirkung. Ein Beitrag zum Studium der inneren „Asepsis".

(ZeitBchr. f. physiolog. Chemie, Bd. 47, 1906, S. 173—199.)

Die Verff. stellten die Beziehungen zwischen Desinfektions- wirkung und chemischer Konstitution einer Gruppe von Substanzen fest, die mit Phenol in gewissem Sinne verwandt sind, Eiweiß nicht fallen und deshalb Aussicht bieten, sich, soweit sie ungiftig, zur inneren Desinfektion des Organismus verwenden zu lassen. In der Haupt.- sache wurden die Versuche mit Diphtheriebazillen, teilweise auch mit anderen pathogenen Bakterien (B. coli, pyocyaneus, typhi, Strepto- kokken und Staphylokokken) ausgefiihrt. Zur Methodik ist zu er- wähnen, daß, da sich die Seidenfadenmethode nicht eignete, folgendes als Agarmethode von den Verff. bezeichnete Verfahren in An- wendung' kam: Röhrchen von 10 ccm Inhalt, nur bis zur Mitte schräg mit Agar begossen, werden mit einer Kultur angeimpft.

27*

418

Nach 24 Stunden wird der Raud mit Vaseline eingefettet, ab- gebrannt und das Röhrcbeu mit Desinfizienslösung bis über den Agar geftUlt. Nach 5, 10, 15 usw. Minuten wird abgegossen, zwei- mal je 15 Minuten mit physiolog. Kochsalzlösung in Berührung ge- lassen und von der so vom Desinfiziens befreiten Kultur auf Agar tiberimpft. Bei den Versuchen ergaben sich folgende Resultate: Die Einfuhrung von Halogen (Gl, Br) in Phenol steigert die Desinfektionskraft entsprechend der Zahl der Halogen- atome. Die Einführung von Alkylgruppen in Phenol oder Halogenphenol steigert ebenfalls, ebenso die Verbindung zweier Phenole oder Halogenphenole. Die Verbindung zweier Phenolgruppen durch CO oder SOj vermindert, ebenso die Einführung von Karboxyl in den Kern. Unter neu gefundenen Desinfizientien von großer Wirkung gegen pathogene Bakterien sind zu nennen: Tetrabrom-o-Kresol (praktisch sehr wenig giftig), entwicklungshemmend auf Diphtherie 1 : 200000, abtötend in 1 proz. Lösung in weniger als 2 Minuten, auf Koli in weniger als 5 Minuten. Tetrachlor- o-biphenol, Tetrabrom -o-biphenol (beide etwas giftig), entwicklungshemmend auf Diphtherie 1 : 640000, ab- tötend auf Diphtherie und Koli, wie vorheriges; ebenso sehr wirksam das praktisch ungiftige Hexabromdioxyphenylkarbinol. Die Ein- fährung von Halogen vermindert die Krampfwirkungen des Phenols und Kresols. Die wirksamsten Desinfizientien (Tetrabrom-o-Kresol. Hexabromdioxyphenylkarbinol, Tetrachlor- o-biphenol) versagen im Serum, obgleich sie es nicht fällen, weshalb mit diesen eine innere

Desinfektion nicht gelingt. Scheunert (Dresden),

Wendelstadt, H., u. Fellmer, T., Über die Einwirkung von Brillantgrün auf Nagana-Trypanosomen.

(Zeitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh^ Bd. 52, 1906, 8. 268-281.)

Subkutane und intraperitoneale Injektionen von Brillantgrün (0,005—0,0005 gr) an Eatten brachten im Blut, das mit Krankheitserregern überschwemmt war, die Trypanosomen auf einige Tage zum Verschwinden, auch ging danach die Milzschwellung zurück. Durch Kombi- nation der Einspritzungen mit Arsenikgaben wurde die Wirkung wesentlich verstärkt. Nach mehreren solchen Impfun- gen verschwanden die Trypanosomen bei Ratten und Affen, so daß die Weiter\^erimpfting großer Blutmengen an gesunde Versuchstiere

419

zeitweise keine Infektion hervorrufen konnte. Ein Affe konnte darauf nach drei Monaten als geheilt angesehen werden. Den Verff. fielen nach dieser Behandlung der kranken Tiere im Blut Zerfalls- und Neubüdungsformen der Trypanosomen auf. Bugge fKülj.

Selmeider, H«, Neue Desinfektionsmittel aus Naphtholen.

(Zeitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 52, 1906, S. 531—588.)

In 0,5— l,5proz. Naphtholsodalösung, die gleiche Teile Naphthol und Soda enthielt, fand Verf. ein wirksameres Desinfektionsmittel gegen Tuberkelbazillen, Milzbrandsporen, Staphylokokken und Typhus als das Lysol. Das Präparat scheint keine erhebliche Giftwirkung zu haben. Bugge (Kid),

Immunität Schutzimpfung.

Liebermann, 1. v., Sind die hämolytischen Immunkörper oder die Komplemente Katalysatoren, also Fermente?

(Deutsche med. Wochenschr., 32. Jahrg., 1906, S. 249—250.)

Verf. hat Versuche über die Wirkungsweise der Ambozeptoren nnd Komplemente angestellt und ist dabei zu der Überzeugung gelangt, daß diese Stoffe nicht als Fermente wirken. j.

Obennayer^ Y., n. Piek^ £. P., Über die chemischen Grund- lagen der Arteigenschaften der Eiweißkörper.

(Wiener klin. Wochenschr., 19. Jahrg., 1906, S. 327—334.)

Die Verff. beschäftigten sich experimentell mit dem Problem der Spezifizität der Arteigenschaften des Eiweißes höherer tierischer Organismen. Sie bedienten sich bei ihren Forschungen der Immunitätsreaktion, indem sie sich mit Hilfe von Eiweißkörpem, deren Derivaten und chemischen Verbindungen Antisera darstellten, die dann im Präzipitationsversuch geprüft wurden. Behandelt man ein Kaninchen mit genuinem Rinderserumeiweiß, so reagiert dessen Serum dementsprechend spezifisch auf genuines Rindereiweiß, aber nicht auf gekochtes Rindereiweiß. Behandelt man dagegen ein Kaninchen mit in verdünnter Lösung aufgekochtem Rinderserum- eiweiß, so reagiert das Serum dieses Kaninchens nicht nur mit genuinem (unverändertem) Rindereiweiß, sondern auch mit ge-

420

kochtem Rindereiweiß und mit einer Reihe von Spaltungsprodukten des Rindereiweißes. Das so dargestellte Serum hat also eine größere „Rßaktionsbreite" als das mit genuinem Eiweiß gewonnene. Dabei bleibt aber die Reaktion streng artspeziflsch. Ähnliche Ergebnisse lieferten die Versuche mit Alkalialbuminat, Azidalbumin, Formaldehyd- eiweiß, Toluoleiweiß, mit Eiweißderivaten, die bei der proteolytischen und oxydativen Spaltung entstehen. In allen diesen Versuchen zeigten sich die Sera streng artspezifisch.*)

Jodierte, nitrierte und diazotierte Eiweißkörper verhielten sich jedoch anders. Auch mit ihnen ließen sich präzipitierende Sera gewinnen. Diese Sera zeigten jedoch keine Spur von Art- spezifizität mehr, sondern bekundeten eine Spezifizität in anderem Sinne, und zwar derart, daß z. B. ein mit Jodrinder- eiweiß gewonnenes Serum nicht allein das Jodeiweiß des Rindes, sondern alle Jodeiweißköi-per der Säugetiere und der Vögel, ja sogar pflanzliche Jodeiweißkörper präzipitierte. Entsprechend ver- hielten sich die mit nitrierten und diazotierten Eiweißkörpem ge- wonnenen Sera. Die Verff. nehmen auf Grund ihrer Versuche im Eiweißmolekül zweierlei Gnippierungen an, „von denen die eine, die wir als originäre Gruppierung bezeichnen, die Artspezifizität bedingt, während die andere konstitutive Gruppierung die durch die jeweilige Gesamtstruktur des Eiweißkörpers be- einflußte Spezifizität anregt." 0. und P. ziehen femer aus ihren Versuchen den Schluß, „daß wir eine bestimmte Gruppe des ungeheuren Eiweißkomplexes in Zusammenhang mit der Spezifizität der Arten bringen können." j.

Well, E«, über Aggressinimmunisierung von Schweinen gegen Schweineseuche.

(Zentralbl. f. Bakt. usw., I. Abt., Bd. 41, 1906, S. 121—125.)

Statt des durch intrapleurale Infektion gewonnenen Kaninchen- aggressins, mit dem W. bei Schweinen sichere Immunität gegen

*) Wahrscheinlich läfit sich auf Grund dieser Versuche die Methode des biologischen Nachweises von Pferdefleisch usw. ergänzen. Das bisher an- gewandte biologische Verfahren versagt bekanntlich bei gekochtem Fleisch. Stellen wir uns nun mit Hilfe von verdünntem, gekochtem Serumeiweiß ein präzipitierendes Serum, ein „Koktoimmunserum^, von größerer Beaktionsbreite dar und bringen das zu untersuchende gekochte Fleisch durch trjptische Verdauung in LOsung, so würde damit die Möglichkeit der Ausdehnung des biologischen Verfahrens auch auf gekochtes Fleisch gegeben sein. Joe^t.

421

Schweineseuche zu erzielen vermochte, empfiehlt sich fiir praktische Zwecke die Anwendung des bei nicht immunisierten Schweinen nach der subkutanen Einspritzung von Schweineseuchebakterien von der InfektionssteUe ausgehenden sulzig-ödematösen Infiltrats. Schon die einmalige Injektion von 10 ccm der sterilisierten Ödem- flüssigkeit verleiht für mindestens 2^/2 Monate sicheren Schutz. Allerdings sind derart immunisierte Tiere in der ersten Zeit, bevor die Immunität eingetreten ist, in einen Zustand der Überempfind- lichkeit vei-setzt und so der natürlichen Infektion leichter zugänglich als normale Tiere. Diesem Umstand läßt sich dadurch abhelfen, daß man den Tieren gleichzeitig antiaggressives Immunserum, das von großen Versuchstieren gewonnen wird, einspritzt und sie dadurch so lange passiv schützt, bis die Immunität durch die Aggressinimmunisierung eingetreten ist. (Den Vorzug der Billigkeit dürfte dieses Verfahren vor anderen, in Anbetracht der Verwendung von Schweinen zur Herstellung des einen Impfstoffes, neben dein noch ein zweiter, durch Immunisierung großer Versuchstiere ge- wonnener benutzt werden muß, kaum besitzen. Ob die Dauer des Impfschutzes eine genügende ist, muß die Erfahrung erst lehren. [Ref.])

Orabert (Berlin).

Wassermann, A., u. Brack, C, Experimentelle Studien über die Wirkung von Tuberkelbazillen-Präparaten auf den tuberkulös erkrankten Organismus.

(Deatsche med. Wochenschr., 32. Jahrg., 1906, S. 449—454.)

Die Verff. suchten experimentell das Wesen der Tuberkulin- reaktion sowie das Wesen der Wirkung des Tuberkulins auf tuberkulös erkranktes Gewebe (das bekanntlich unter dem Einfluß der Tuberkulinbehandlung Erweichung und Einschmelzung zeigt) aufzuklären. Sie bedienten sich dabei einer neuen, überaus fein arbeitenden Methode, der Komplementbindung, die gestattet, die minimalsten Mengen nicht nur von gelösten Bakteriensubstanzen, sondern auch von Antikörpern nachzuweisen.*) Mit Hilfe dieser Methode gelang es den Verff., in tuberkulösen Organen sowohl Antituberkulin als auch tuberkulinähnliche Stoffe (die von den Tuberkelbazillen herrühren und die die Bildung des Antituberkulins bewirken) nachzuweisen.

*) Vgl. die Originalarbeit von Wassermann, S. 97 dieses Bandes.

422

Die elektive Wirkung minimaler Tnberknlinmengen, die wir einem tnberkalösen Individuum einspritzen, auf das tuber- kulöse Gewebe dieses Individuums erklärt sich dadurch, daß infolge der hohen Avidität des eingespritzten Tuberkulins zu dem in den tuberkulösen Herden vorhandenen Anti- tuberkulin, die Herde daseingespritzte, im Blut kreisende Tuberkulin an sich ziehen.

Die Wirkung des Tuberkulins auf das tuberkulöse Gewebe (Erweichung und Einschmelzung des letzteren) erklärt sich dadurch, daß bei der Vereinigung des eingespritzten Tuberkulins mit dem in den tuberkulösen Herden befindlichen Antituberkulin Komplement gebunden wird. Wo aber „mittelst Ambozeptors (Antituberkulin) Komplemente konzentriert werden und zur Wirksamkeit gelangen, werden vorhandene Eiweiß- sttbstanzen im Organismus aufgelöst, d. h. verdaut'^ Daher die Einschmelzung des tuberkulösen Gewebes. •^•

Tibertiy Über die immunisierende Wirkung des aus dem Milzbrandbazillus extrahierten Nukleoproteids auf Schafarten.

(Zentralbl. f. Bakt naw., I. Abt, Bd. 40, 1906, 8. 742—744.)

T. gewinnt das Nukleoproteid aus asporogenen Kulturen, indem er die Bazillenleiber durch mechanische Zerreibung mit Glasstaub und drei bis vier Tage dauernde Einwirkung einer 3proz. Ätzkali- lösung auflöst, und die Leibessubstanz der Bazillen durch Zusatz sehr verdünnter Essigsäure ausfällt. Durch zweimalige, in Zwischen- räumen von zehn und zwölf Tagen erfolgte, subkutane Einspritzung von je 5,5 und 8,25 mg Nukleoproteid erzielte er bei zwei Lämmern im Gewicht von 9,4 und 7,8 kg Immunität gegen eine 1^2 ™d 2 Monate später erfolgende Infektion mit virulenter Milzbrandkultur. T. gibt selbst zu, daß die Zahl seiner Versuche zu gering ist, um daraus ein endgültiges Urteil über den Wert seines Verfahrens her- zuleiten. Oraberi (Berlin).

TItze, C, Beitrag zur Immunisierung gegen Geflügelcholera, Schweineseuche und Schweinepest mit„Aggressinen" nach Bail und mit Bakterienextrakten nach Conradi und Brieger.

(Arb. ans dem Hyg. Inst der Tierärztl. Hochschnle zn Berlin. Zugleich Inang.'Diss. [Giefien], Berlin 1906.)

423

Die günstigen Erfolge, die Bail und seine Mitarbeiter bei ihren Immunisierungen mit experimentell erzeugten, spezifischen Exsudaten (Aggressinen) erzielten, ließen eine Nachprüfung und Ausdehnung auf andere Seuchen angezeigt erscheinen.

Die Versuche wurden mit Kaninchenexsudaten ausgefiihrt, die durch intrapleurale Injektion von Aufschwemmungen der betreffenden Bakterienart in steriler Bouillon erzeugt und nach Entnahme aus dem Kadaver durch Zentrifugieren, Phenol- oder Toluolzusatz und Erwärmen auf 44 o C sterilisiert waren. Zum Vergleich mit dem immunisatorischen Wert der „aggressiven" Exsudate wurden nach Briegers Angaben aus den betreffenden Bakterien durch Schütteln gewonnene Extrakt,e und nach Conradi hergestellte Bakterien- autolysate herangezogen.

Da aber die immunisierenden Fähigkeiten der Exsudate in quantitativer Hinsicht keine Konstanz zeigten, sondern innerhalb gewisser Grenzen schwankten, da femer in dem Sterilisations- verfahren ein schwächender Faktor gegeben war, so waren Vergleiche zwischen Exsudaten und Bakterienextrakten in bezug auf Wirkungs- intensität mit der größten Vorsicht anzustellen. Eine Inkonstanz der immunisatorischen Eigenschaften der Bakterienextrakte wurde bedingt durch den variablen bakteriellen Gehalt der Kultur- abschwemmungen und durch das Zurückbleiben immunisierender Substanzen in den Poren der Filter.

Aus den Ergebnissen der bisher vorliegenden, wenig zahl- reichen Versuche glaubt Verf. deshalb nicht die Berechtigung zu Schlüssen ableiten zu dürfen, die ein Urteil über den Weil oder Unwert der „Aggressinhypothese" föllen. Weitere orientierende Arbeiten nach der von Bail angegebenen Richtung hin sind erforder- lich, um über die Berechtigung der von Bail aus seinen Versuchen gezogenen theoretischen Folgerungen endgültig zu entscheiden.

Die an Tauben, Kaninchen und Meerschweinchen vom Verf. vorgenommenen Untersuchungen sprechen bei Geflügelcholera be- sonders deutlich, aber auch bei Schweineseuche und Schweinepest, für eine Überlegenheit der immunisierenden Fähigkeiten der Exsudate gegenüber den Bakterienextrakten und -autolysaten, was folgende Schlußsätze zum Ausdruck bringen:

I. Es gelingt nach der von Weil beschriebenen Methode, kleine Versachs- tiere gegen eine mehrfach tödliche Dosis von Geflügelcholera-, Schweinesenche- und Schweinepestbakterien zu immunisieren.

424

III. Die immunisierende Wirkung der nach Weil behandelten Exsudate wird nicht durch die abgetöteten Bakterienleiber bedingt, die sich noch in den Exsudaten befinden.

VI. Die Autolysate und die nach Briegers Angaben gewonnenen Schüttelextrakte aus Geflügel cholerabakterien bewirken bei Tauben und Kaninchen nach dreimaliger Einspritzung in Mengen von 0,5 bis 5 ccm keine Immunität; dagegen zeigen sich die Autolysate und Schüttelextrakte bei Schweineseuche und Schweinepest wirksam.

YII. Die Autolysate sind giftiger als die Bakterienextrakte nach Brieger, und diese sind wiederum giftiger als die Exsudate, wenn man die Wirkung des heterologen Eiweißes ausscheidet

VIII. Das Serum der mit Exsudaten vorbehandelten Tiere eignet sich zur passiven Immunisierung bei Geflttgelcholera, Schweineseuche und Schweinepest.

IX. Mit Autolysaten und Schüttelextrakten der Geflügelcholerabakterien vorbehandelte Kaninchen lieferten kein gegen Geflügelcholera wirk- sames Schutzserum. Dagegen wurden im Serum der mit Autolysaten und Schüttelextrakten aas Schweineseuche- und Schweinepestbakterien vorbehandelten Tiere schützende Antikörper nachgewiesen.

Referat da Autors,

Weiehardt, W., Weiteres aus der modernen Immunitätslehre.

(Münch. med. Wochenschr., 53. Jahrg., 1906, S. 754—760.)

Verf. gibt einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Immunitätslehre. j.

Parasiten und parasitäre Kranklieiten. Banting, C. H., Haematogenous amoebic abscess ofthelung.

(Archiv f. Schiffs- und Tropenhygiene, Bd. 10, 1906, Nr. 3.)

B. beschreibt einen Fall von Amöbenabszeß in der Lunge, der auf hämatogenem Wege im Anschluß an einen Amöbenabszeß in der Leber und eine chronisch ulzerative Amöbenkolitis ent- standen war. Kaestner (Berlin).

Plehn^ A.^ Über Malariaimmunität.

(Archiv f. SchUTs- und Tropenhjgiene, Bd. 10, 1906, Nr. 2.)

Der Vortrag P.s über dieses Thema ist deswegen interessant, weil hinsichtlich der Immunität bei Piroplasmosis ähnliche Verhält- nisse vorliegen, wie bei der Malaria.

425

Koch folgerte aus seinen Beobachtungen, daß Eingeborene durch Malariaerkrankungen in ihrer Kindheit Immunität für später erwerben. Nach P. ist die Immunität der Neger gegen Malaria nur eine scheinbare. Häufige Rezidive erzeugen bei ihnen nur relative Immunität, „Toleranz". Diese aber erweist sich auch nur für ein lokal beschränktes Malariagebiet wirksam. Außergewöhn- liche Schädigungen, physische Überanstrengung oder psychische De- pression setzen sie außer Kraft. Auch kann die Virulenz der Parasiten durch unbekannte tellurische und klimatische Einflüsse erhöht werden. Die hypothetischen Giftstoffe, Endotoxine, die aus den bei der Teilung (Schizogonie) zugrunde gehenden Parasiten- leibem entstehen, scheinen schnell wieder eliminiert zu werden. Es kommt nicht zu einer dauerhaften aktiven Immunität, da eine reaktive Bildung von Antikörpern (freien Rezeptoren nach Ehrlich) nicht stattfindet. Erwachsene Neger zeigen trotz beträchtlicher Parasitenzahl im Blute häufig Wohlbefinden. Ein gewisser Grad von Malariaimmunität kann bei ihnen angeboren sein. Die relative Immu- nität der Eingeborenen ist in gewissem Sinne eine Rasseeigentümlich- keit, da es sich um die Anpassung an eine Giftwirkung handelt, die schon im Mutterleibe beginnt. Wenn auch die Parasiten selbst in das Blut der Frucht nicht übergehen, so tun dies doch ihre ge- lösten Giftstoffe, die die Grundlage der relativen Immunität schaffen. Vielleicht entfaltet auch die Muttermilch eine ähnliche Wirkung. Die Immunität hält nur so lange an, als die Parasitenentwicklung, und demzufolge die Giftproduktion, ununterbrochen neu erfolgt. Auch der Eingeborene erkrankt, wenn er nach vorübergehendem Aufenthalt in fieberfreier Gegend wieder in die Fiebergegend zurück- kehrt, wenn auch nicht so schwer, wie der Europäer zu erkranken pflegt. Der Europäer kann den Zustand relativer Immunität durch prophylaktische Chininmedikation, 0,5 g jeden fünften Tag, bei sich künstlich herbeiführen. Die Infektion verharrt dann im Zustand der Latenz, so lange das Chininregime andauert. Nicht die Größe der Chiningabe entscheidet, sondern die Kürze des chininfreien Intervalls. (Kurzfristiges System nach P.) Kaestner (Berlin).

Pilat, A., Bothriocephalus punctatus bei Fischen.

(RnmänisclieB Archiv f. Tierheilk. 1905.)

Der zufällige Fund von Bothriocephalus punctatus im Darm- kanal eines Rochen (Raja clavata Railliet) in Bukarest veranlaßte

426

P. ziir regelmäßigen Untersuchung der aus dem Schwarzen Meer stammenden Rochen. Hierbei ermittelte er, daß B. punctatus bei den Rochen des Schwarzen Meeres sehr häufig vorkommt, und daß seine Larven in verschiedenen Fischen und sonstigen Tieren, die von den Rochen verzehrt werden, leben. Schmier (Stettin),

Krabbe^ H., Über das Vorkommen von Bandwürmern beim Menschen in Dänemark.

(Nordisk med. Ark., Abt H, Heft 1, 1905, S. 1—12.)

Verf. macht statistische Angaben über das Vorkommen von Taenia mediocanellata, T. solium, T. cucumerina und Bothrioce- phalus latus in Dänemark in den Jahren 1869 bis 1904, aus denen hervorgeht, daß T. solium in Dänemark sehr selten geworden ist. T. cucumerina fand sich nur bei Eindem. SekuUer (SteUmj.

Linstow, V., Neue Helminthen.

(Abdruck aus dem Arch. f. Natnrc^sch., 71. Jahrg., 1. Bd., 3. Heft, 1905, 8. 267-275.)

Unter einer Anzahl von Helminthen beschreibt v. L. einen Nematoden, den er in die Familie der Filariiden stellt und als Filaria cordicola n. sp. bezeichnet. Der Parasit ist in Deutsch- Ostafirika bei Equus asinus im Bindegewebe des Herzens und bei Equus caballus in der Bauchhöhle gefunden worden.

P/eiirr (Neapel,

Markus, H., Darmruptuur bij het paard, hengevolge van ascaris megalocephala (Darmruptur beim Pferd durch Ascaris megalocephala).

(Tljdschrift voor veeartsenyknnde, Teil 33, 1906, 8. 435—439.)

Verf. stellte bei der Sektion eines nach eintägiger Krankheit plötzlich eingegangenen Pferdes Darminhalt in der Bauchhöhle, Peritonitis und in einer der Mesenterialplatten einen Riß von 20 cm Länge und 8 cm Breite fest, der senkrecht zur Achse des zuge- hörigen Darmteiles verlief. Durch diesen Riß konnte man direkt in das Darmlumen sehen, da die Darmwandung am Mesenterial- rand in einer Länge von 9 cm zerrissen war. Im Beum fand Verf. ein S-formig gebogenes Exemplar des Ascaris megalocephala, weiblich, 18 cm lang. Ein zweites, männliches Exemplar des ge- nannten Spulwurmes lag ungefähr 6 cm vom Heum entfernt, zwischen den Rißrändem. Übrigens wurden im Darmkanal und Cavum abdo- minis keine Spulwürmer vorgeftinden.

427

Verf. meint diesen Fall wie folgt erklären zu müssen. Durch eine starke Anhäufung von Spulwürmern wurde das Ileum am Mesen- terialrand zerrissen; es bildete sich dadurch, eine mit dem Darmlumen kommunizierende Höhle zwischen den Mesenterialplatten. Solange diese Platten nicht rissen, traten keine oder nur geringe Krankheits- sjrmptome auf. Einige Spulwürmer drangen mit dem Darminhalt in den Raum zwischen den Mesenterialplatten ein^ während die übrigen Exemplare zufälligerweise per anum entleert wurden. Die serösen Platten mußten sich weiterhin entzünden, bis endlich eine der- selben zerriß. Dann kam, wahrscheinlich durch Resorption putrider Sto£fe, der Exitus letalis zustande, bevor sich eine akute allgemeine Peritonitis hatte entwickeln können. Es ist ei*wähnenswert, daß in diesem Fall (und auch in den Fällen von Perforation, die Fried- berger-Fröhner zitieren) die Kontinuitätstrennungen am Mesen- terialrand des Darmes vorkamen; wahrscheinlich wird die geringere Resistenz dieser Stelle durch das Fehlen der Serosa und das Ein- und Austreten der Gefäße verursacht. Referat des Autors,

Kaestiier, P«, Die tierpathogenen Protozoen.

(Berlin [R. Schoetz] 1906. VII u. 161 Ss. Preis 5 M.)

Verf. bespricht in gedrängter Kürze unter Zugrundelegung des zoologischen Systems die för den Tierarzt wichtigsten pathogenen Protozoen.

Die Einleitung der Arbeit gibt einen Abriß der Lebenseigen- §chaften der hier in Frage stehenden Mikroorganismen. Im speziellen Teil werden zunächst die Trypanosomiden eingehend abgehandelt. Ein Überblick über die Geschichte der Trypanosomenforschung, die Morphologie und Biologie, die diflferentialdiagnostischen Merkmale der pathogenen Trypanosomenspezies usw. erleichtem dem Anfänger das Verständnis.

Bei den Sporozoen sind besonders die Unterordnungen der Kokzidien und Hämosporidien berücksichtigt worden. Hier wird zu- nächst auf Grund der Studien Schaudinns eine Übersicht über den Entwicklungskreis der Kokzidien gegeben. Daran schließen sich die durch Kokzidien bedingten Tierkrankheiten. Bei den Hämo- sporidien finden wir eine gedrängte Übersicht über die Geschichte der Malariaforschung. In einem weiteren Kapitel werden allgemeine Morphologie und Biologie des Malariaparasiten, die Stechmücken als Überträger der Malaria und die verschiedenen Arten der Menschen-

428

und Tiermalaria näher geschildert. Von der Malaria der Vögel sind erwähnt: Proteosoma Grassii Labb6, Halteridium Danilewskyi Grassi und Feletti und Haemamoeba Ziemanni Laveran. Von der Malaria der Haustiere interessieren am meisten die durch Piroplasma bovis (Texasfieber, afrikanisches Küstenfleber, tropische Piroplas- mose), durch Piroplasma ovis, P. equi und P. canis bedingten Seuchen. Im Anschluß hieran schildert Verf. eingehend die afiri- kanische Pferdesterbe. In einem besonderen, der Untersuchung des Blutes gewidmeten Kapitel sind für den farberischen Nachweis der Blutparasiten die wichtigsten Regeln mitgeteilt. Kurz erwähnt sind auch noch die Hämosporidien der Kaltblüter mit ihren Gattungen Drepanidium, Karyolysus und Danilewskya.

Von den Ziliophoren erwähnt Verf. einige tierpathogene Vertreter, wie Ichthiophthirius, Balantidium (Paramaecium) viride Willach, Balantidium coli Malmsten und Balantidium minntum Schaudinn.

Die dem Text beigegebenen Abbildungen sind teils den Werken bekannter Autoren entlehnt, teils vom Verf. selbst angefertigt. Femer sind der Arbeit eine etymologische Erklärung einiger zoologi- scher Bezeichnungen und ein gut geordnetes Literaturverzeichnis beigefügt.

Das Buch dürfte den Studenten der Veterinärmedizin und den Tierärzten, die sich für den Kolonialdienst vorbereiten wollen, eine wertvolle erste Hilfe sein, sich in dem weiten und schwierigen Gebiet der tierpathogenen Protozoen zurechtzufinden. Diesen Zweck würde das Buch noch besser erfüllen, wenn die Anordnung des Stoffes im Druck etwas übersichtlicher gehalten wäre. Knuth {Berlin),

Hygiene im engeren Sinne.

Schennert, A. u. Grimmer, W., Über die Verdauung des Pferdes bei Maisfütterung.

(Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 47, 1906, S. 88-125.)

Die Verff. sind zu ihrer Untersuchung dadurch veranlaßt worden, daß in Süd- und Osteuropa sowie in Nord- und Südamerika, und in letzter Zeit auch in Deutschland, der Mais als Pferdefiitter Ver- wendung findet. Die Versuche bezweckten, die bei der Maisfttttemng

429

im Verdanungskaiial herrschenden Verhältnisse kennen zu lernen, die Größe und Ausgiebigkeit der Verdauung dieses Futtermittels zahlenmäßig festzulegen und die Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, nach denen Verdauung und Absorption ablaufen. Außerdem sollte eine Erklärung für die im Gefolge der MaisfEitterung häufig auf- tretenden Krankheitserscheinungen geftmden werden.

Die Resultate der an 19 Tieren gemachten Fütterungsversuche (die Tiere wurden ^2» 1? 1V2> 2, 3, 4, 6, 8, 9 Stunden nach Auf- nahme der Versuchsmahlzeit von 1500 g analysiertem Mais getötet und der Magen-Dünndarminhalt analysiert) sind folgende: DerMagen- inhalt ist bei Maisfatterung viel dünnflüssiger als bei Haferfütterung, was aber nicht einem größeren Wassergehalt, sondern dem Reichtum des Mais an Kohlehydraten und seiner Armut an Zellulose zuzu- schreiben ist. Durchmischung des Inhaltes tritt trotzdem nicht ein. Der Übertritt des Mageninhalts in den Dünndarm und des Dünndarm- inhalts in das Zaekum erfolgt viel rascher als bei Haferfütterung. Die alkalische Reaktion des Mageninhalts besteht nur anfangs und geht sehr bald in eine durch Milchsäuregärung bedingte, saure Reaktion über, die nach 4—6 Stunden sich auch auf den Dünndarm erstreckt und nach 8 9 Stunden sogar im Zaekum und Kolon auftritt. Außerdem treten noch andere Gärungen unter Entwicklung teils brennbarer, teils nicht brennbarer Gase auf, wodurch schwere Verdauungsstörungen, Koliken usw. bewirkt werden können. Die Kohlehydratverdauung im Magen steigt sehr langsam an, und ist viel weniger ausgiebig als bei Haferfütterung, es sind nach zwei Stunden etwa 15 %, nach sechs Stunden 30 ^/^ und nach acht Stunden erst 40 % verdaut, während bei Haferfütterung nach acht Stunden etwa 60 % verdaut sind. Die Eiweißverdauung ist sehr intensiv und übersteigt in den späteren Verdauungsstunden sogar die bei Hafer- fütterung. Die Resorption der Verdauungsprodukte im Magen ist besonders in den späteren Stunden sehr bedeutend und umfaßt bis zu 90 % des Verdauten. Die Verdauung im Dünndarm ist von Anfang an ganz beträchtlich, schwankt för die Kohlehydrate zwischen 60 80 % und scheint von der Verdauungsstunde unab- hängig zu sein. Die Resorption im Dünndarm ist sehr erheblich. Die Gesamtverdauung der Kohlehydrate beträgt in den beiden ersten Verdauungsstunden 20 30 %, die Gesamtresorption etwa 20 % der verfütterten Kohlehydrate. Nach 8—9 Stunden können etwa 50 ^o als verdaut und resorbiert angesehen werden. Schmnert f Dresden).

430 T. Stmslewics, B., Über den Nährwert der Amidsubstanzen.

(Zeitschr. f. Biologie, B<L 47, 1906, S. 144—186.)

Durch Füttenmgsversuche mit Hammehi suchte Verf. den Wert der in den Pflanzen befindlichen amidartigen Verbindungen für die tierische Ernährung festzustellen. Bei der Versuchsmethodik war der Gedanke maßgebend, daß eine das Eiweiß vertretende Wirkung der Amidsubstanzen am besten bei Eiweißhunger wahrnehmbar sein werde, weshalb die Tiere auf ein äußerst eiweißarmes Futter ge- stellt wurden. Die Versuche, die sonst in üblicher Weise ausgef&hrt wurden, haben ergeben, daß die Amidsubstanzen voraus- sichtlich das wirkliche verdauliche Eiweiß in seiner vollen Leistung ersetzen können. Die in neuerer Zeit bei der Be- rechnung zur Wertschätzung der Futtermittel vielfach bestehende Ansicht, daß die Amidsubstanzen vom verdaulichen Protein abzu- ziehen und den N-freien Extraktivstoffen in ihrem Nährwert zuzu- zählen seien, wäre demnach unrichtig. Nach den Versuchen des Verf. muß man dagegen Amidsubstanzen und echtes Eiweiß in einer Gruppe und mit gleichem Wert anfahren. Scheunert f Dresden),

Untersuchungstnethoden.

Saathoff, Die Methylgrün -Pyronin- Methode für elektive Färbung der Bakterien im Schnitt. (Deutsche med. Wochenachr., 31. Jahrg., 1905, 8. 2047—2048.)

Die Methylgrün-Pyronin-Methode stellt eine Färbungsmethode dar, die folgende Vorzüge bietet: Einfachste Handhabung, diflferente Färbung von Gewebe und Bakterien durch eine unbegrenzt halt- bare Lösung, Anwendbarkeit för die verschiedensten Fixierungs- und Einbettungsmethoden, Darstellung aller, selbst der am schwersten zu färbenden Bakterien (die säurefesten selbstverständlich aus- genommen), kürzeste Dauer des ganzen Verfahrens.

Die von Pappenheim in die Färbetechnik eingeführte, von Unna und vom Verf. modifizierte Farblösung ist folgendermafien zusammengesetzt: Methyl- grün 0,15, Pyronin 0,5, 96proz. Alkohol 5,0, Glyzerin 20,0, 2proz. Karbolwasser ad 100; filtra. Bei dieser Konzentration genügt in der Regel eine Färbung von 2—4 Minuten. Die Schnitte werden dann solange in Leitungswasser gebracht, bis die grünliche Farbe in eine blaurötliche übergeht. Dann Ab- spülen in absolutem Alkohol für wenige Sekunden, Aufhellen in Xylol, Ein- betten in Kanadabalsam. Näheres im Original. J.

Orlginalarbetten.

'^-^v Yo»'^-

(Aus dem Hygienischen Institut der Königlichen Tierärztlichen Hochschule in Berlin.)

Kommen die Erreger der Geflfigelcholera im Darme gesunder Gänse vor?

Von Prof. Dr. R. Ostertag, nnd Pta. Ackermann,

Leiter ehem. Volontlrassistenten

des Institata.

Von den Gefiügelhändlern hört man häufig die Meinung vertreten, die Geflügelcholera sei eine Transportkrankheit, die bei ganz ge- sundem Geflügel durch die schädigenden Einflüsse des Transportes ausgelöst werde. Die Richtigkeit dieser Annahme würde zur Vor- aussetzung haben, daß im Körper des Geflügels die Erreger der Geflugelcholera gleichsam schlummernd vorhanden sind, um unter bestimmten, die Resistenz der Tiere herabsetzenden Umständen aggressiv zu werden. Daß etwas Derartiges möglich sei, schienen die Versuche von Gamaleia*) zu beweisen. Gamaleia hat auf Grund seiner Untersuchungen angegeben, daß der Darmkanal ge- sunder Tauben Geflügelcholerabakterien enthalte, die indessen ge- wöhnlich für diese Tiere unschädlich seien und nur dann töten könnten, wenn bestimmte Intoxikationen den Organismus der Tauben betroffen hätten, wodurch es den Bakterien möglich werde, in deren Blut einzudringen. Durch das Passieren mehrerer Kaninchen sollen die normalen Darmbewohner sehr virulent werden; alsdann Tauben eingeimpft, sollen sie Geflügelcholera erzeugen können.

*) Gamaleia, Zur Ätiologie der Hühnercholera. Annal. de Tlnstitut Pasteiir 1881, S. 552.

ZeiUchrift fQr Infektionskrankheiten. I, 6. 28

432

Joest*) hat den Befund von Gamaleia nicht bestätigt, als er die Bakterienflora des Darmes bei Hühnern zu ermitteln versuchte. Joest hatte gelegentlich eines Hühnei-sterbens in Oflfenbach am Main Hühnerkadaver untersucht und aus ihnen ein Bakterium iso- liert, das er zunächst für den Krankheitserreger hielt und Bacterium intestinale gallinarum benannt hat. Bei Verfätterung envies sich das Bakterium jedoch als nicht infektiös. Dies veranlaßte Joest zum Studium der Bakterienflora des Darmes bei Hühnern. Er unter- suchte 3 Hühner aus dem verseuchten Bestände, 4 gesunde Hühner und 4 künstlich infizierte Hühner, und zwar wurde der Inhalt des Dünndarmes, des Dickdarmes und frisch entleerter Kot geprüft. Neben dem obligaten Bacterium coli, das im vorderen Dünndarm spärlich, im Dickdann aber vorherrschend ist, fanden sich Kokken und Bakterien aus der Gruppe des Heubazillus, die im Darm fakul- tativ vertreten sind. Femer war bei allen Tieren das Bact. intestinale gallinarum zugegen. Joest ist der Ansicht, daß letzteres oft als harm- loser Gast im Hühnerdarm vorkommt, kurz nach dem Tode der Tiere in deren Organe und in das Blut übertritt und dort bereits 6 8 Std. nach dem Tode nachgewiesen werden kann. Maggiora und Valenti**) bestätigten das Vorkommen eines mit dem Bacterium intestinale galli- narum übereinstimmenden Mikroorganismus sowohl bei an Hühnerpest gestorbenen, als auch bei gesunden Hühnern und „anderen Vögeln". Geflügelcholerabakterien hat Joest in der Darmflora gesunder und der an der Oflfenbacher Seuche leidenden Tiere nicht festgestellt.

Korn***) hat im Darm gesunder Hühner die gleichen Bakterien gefunden wie Joest, mit alleiniger Ausnahme des Bacterium in- testinale gallinarum.

Auch R ahn ert) erwähnt vom Vorkommen der Geflügelcholera- bakterien oder ähnlicher Bakterien im Darm gesunder Hühner nichts. Rahner hat im ganzen 25 Dejektionsproben untersucht. Bei der

*) Joest, E., Beitrag zur Kenntnis der Bakterienflora des Hühnerdarmes nebst einigen Bemerkungen über eine neue Hühnerseuche. Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1902, Nr. 16.

**) Maggiora, A., und Valenti, G. L., Über das Virus des exsudativen

Typhus beiHühnem. (S.Mitteilung.) Zeitschr. f.Hyg. und Infektionskr. Bd.48,1904.

***) Korn, Verhalten der Dejektion normal ernährter Hühnchen (in der

Arbeit von Schott elius: „Die Bedeutung der Darmbakterien für die Ernährung.'* >

Archiv für Hygiene Bd. 34, 1899.

t) Bahn er, Bakteriologische Mitteilungen über die Darmbakterien der Hühner. Zentralbl. f. Bakt. usw. I. Abt, Bd. 30, 1901.

433

Untersuchung des Kotes eben ausgebrüteter Hühnchen fand er diesen bei den ersten 2 3 Dejektionen keimfrei; vom Ende des 2. Tages ab waren Bacterium coli, vom 4.-5. Tage ab gramfeste Kokken und gramfeste sporentragende Bakterien vorhanden. Nach 8 Tagen glich der Kot dem des erwachsenen Huhnes. Bei 23 Unter- suchungen des Kotes erwachsener Hühner fand Rahner: Bacterium coli, Micrococcus candidans, Bacillus mesentericus (in drei Fällen), Bacterium megatherium, Bacterium fluorescens, Hefe- und Schimmel- pilze. Rahner faßt das Ergebnis seiner Untersuchungen dahin zu- sammen, daß das Bacterium coli eine obligat im Hühnerdarm vor- kommende Bakterienart ist, die nach der Kloake hin an Zahl zu- nimmt. Die anderen Bakterienarten werden mit dem Futter ein- geführt und finden sich fakultativ im Hühnerdarm.

Für die Veterinärpolizei ist die Frage von der größten Be- deutung, ob Geflügelcholerabakterien normal im Darm gesunden Geflügels vorkommen können, und ob, falls dies zutrifft, diese nor- malen Darmbewohner unter ungünstigen äußeren Verhältnissen eine spezifische Erkrankung ihrer Wirte hervorrufen können. Denn von der Beantwortung dieser Frage hängt es ab, ob man aus dem Auf- treten eines Geflügelcholerafalles wie bei den übrigen Seuchen mit Sicherheit folgern kann, daß die erkrankten Tiere durch andere kranke Tiere angesteckt worden sind, mit anderen Worten, daß am Ursprungsort des Geflügels oder während des Transports eine In- fektion von außen stattgefunden haben muß. Um zur Klärung dieser Frage beizutragen, wurden von uns die folgenden Versuche ausgeführt.

I. Versuche an Gänsen.

Bei fönf gesunden jungen Gänsen sind Untersuchungen darüber angestellt worden, ob unter normalen Verhältnissen Geflügelcholera- bakterien im Darm vorhanden sind und ob diese durch ungünstige äußere Verhältnisse, wie sie bei einem Transport der Tiere ein- wirken können (Kälte, Hunger, Entziehung von Wasser usw.), pathogen werden und eine Seuche zum Ausbruch bringen können.

Die Gänse wurden am 10. Dezember 1903 erworben, in einem größeren Raum untergebracht und den gewöhnlichen normalen Ver- hältnissen hinsichtlich der Fütterung, Haltung und Pflege angepaßt.

Zunächst war es von großem Interesse, nachzuweisen, ob in den Fäces bei normaler Haltung der Tiere Geflügelcholerabakterien

28*

- 434

vorhanden sein können oder nicht. Zu diesem Zweck wurde mittelst einer sterilisierten Glaskanäle (an den Enden gut abgerundet, um Verletzungen zu vermeiden) bei Gans I und n in die Kloake ein- gegangen. Nach dem Herausziehen der Kanäle wurde von den anhaftenden Fäces eine Öse abgestrichen und in flässigem Agar aufgeschw^emmt, um weiterhin durch das Plattenverfahren die in den Fäces enthaltenen Keime im Wachstum zu beobachten.

Zum Vergleich mit den Kolonien der normalen Darmbewohner legten wir aus einer Reinkultur von Geflägelcholera Agarplatten- kulturen an. Die Oberflächenkolonien der Geflugelcholerabakterien sind, wie nebenstehende Figur zeigt, stecknadelkopfgroße, ovale, etwas über die Oberfläche prominierende Scheibchen mit deutlichem, scharfem Rand und einem teils zentral, teils randständig liegenden, unregelmäßig konturierten Kern. Im äbrigen haben die Kolonien ein fein granuliertes Aussehen, in der Mitte dunkler, nach dem Rande zu heller werdend.

In keiner der aus Kot angelegten Agarplattenkulturen wurde eine Kolonie des Bacillus avisepticus gefunden.

Am 15. Dezember 1903 \\Tirden mit Fäcesteilen von Gans III und IV Agarplatten gegossen. Zu gleicher Zeit impften wir mit Fäcesmassen Tauben subkutan, in der Erwägung, daß hierdurch bei der bekannten Empfänglichkeit der Tauben fttr die Infektion mit Geflägelcholera am sichersten virulente Bakterien dieser Seuche durch das Sterben der Impftiere nachgewiesen werden könnten. In den Platten waren geflttgelcholeraähnliche Kolonien nicht zu konstatieren, und die geimpften Tauben blieben am Leben.

Am 17. Dezember 1903 gössen wir Agarplatten mit Fäces von Gans V, und mit demselben Material impften wir eine Taube. Auch in diesem Fall konnten wir Geflügelcholerakolonien nicht fest- stellen, ebenso wie die Tauben nicht krank wurden.

Bei weiteren Versuchen, die am 23. Dezember 1903 mit Material von sämtlichen fänf Gänsen angestellt wurden, konnten weder durch das Plattenverfahren noch durch Impftmg von Tauben Geflügel- cholerabakterien in den Fäces ermittelt werden.

Von einem Geflügelhändler beschafften wir uns von Woche zu Woche exenterierte Darmschlingen von gesunden Gänsekadavem. Um bei deren Verarbeitung vollkommen aseptisch vorzugehen, schlugen wir folgendes Verfahren ein: Nachdem die Oberfläche des Darmes an einer Stelle genügend mit einem glühenden Messer abgebrannt

435

worden war, glühten wir mit einem starken Platindraht die Darm- wand durch. Mit einer schwächeren Öse entnahmen wir dann Darminhalt, um hiermit Agarplatten zu beschicken. Alle aufgegan- genen Kolonien einzeln näher zu bestimmen, haben wir unterlassen. Nur die gefiügelcholeraähnlichen Keime haben wir genauer unter- sucht, indem wir die Kolonien abimpften und die so gewonnenen Reinkulturen weiter piüften. Sowohl die biochemische Untersuchung

Oberfläcbenkolonie des Bacillns aTisepticns. (Yergröfi. 1 : 50.)

der Kulturen der geflügelcholeraähnlichen Keime*) wie ihre Ver- impfung an Tauben bewies, daß in keinem Fall der Erreger der Geflügelcholera im Darm gesunder Gänse vorhanden war. Ebenso negativ war die Suche nach dem Eireger der Geflügel- cholera in den exenterierten Därmen gesunder Hühner.

Um den Einfluß des Eisenbahntransports auf das Ver- halten gesunder Gänse zu prüfen, wurden die Versuchsgänse

*) In seinen biochemischen Eigenschaften stimmt bekanntlich der Erreger der Geflügelcholera mit dem Schweineseuchebazillus überein.

436

am 4. Januar 1904 im Keller des Instituts in eine schmale Holz- kiste verbracht und durch Öffiien des Fensters des Kellerraums einer Temperatur von etwa +4^C ausgesetzt. Futter und Wasser ließen wir nicht verabreichen.

Rektaltemperatur bei Gans I 41,2o C

. . n 41,50C

. r ni 41,10C

n . IV 41,5^0

. . V 41,30C

Am 5. Janaar 1904 Außentemperatur -{-5^ C.

Eektaltemperatur bei Gans I 40,8» c

. . II 40.90 C

. n ni 40,70 C

. n IV 41,OOC

. . V 40,80C

Am 6. Januar 1904 zeigten die Gänse ganz normales Allgemeinbefinden. Außentemperatur -f-4o C.

Eektaltemperatur bei Gans I 40,6^ C

r r n 40,70 C

n . m 40,50 c

« .IV 40,50 C

. . V 40,20 C

Am 7. Januar 1904 Außentemperatur -f 2o C.

Eektaltemperatur bei Gans I 40,do 0

r r, n 40,00 C

. . ni 89,90C

« .IV 40,00 C

. . V 40,00 C

Am 8. Januar 1904 Außentemperatur -f-4o C. Die Tiere sind wohl etwas matt, jedoch sind irgendwelche Krankheitserscheinungen nicht vorhanden.

Temp. G.I: 40,1°; G. II: 39,90; G. III: 40,00; G. IV: 40,lo, G.V: 40,1« C.

Am 9. Januar 1904 Außentemperatur +7o C.

Temp. G. I: 40,0«; G. U: 40,30; G. III: 39,90; G. IV: 40,00; G. V: 40,1« C.

Am 9. Januar, mittags 1 Uhr, wurden die Tiere wieder unter gewöhnliche Verhältnisse gebracht und ihnen auch wieder Wasser und Futter vorgesetzt. Interessant war es zu beobachten, daß die Tiere nach fünftägigem Hungeni das Kömerfutter vollständig ver- weigerten, während Wasser in großen Mengen aufgenommen wurde. Tags darauf, am 10. Januar 1904, wurde wenig Futter verzehrt, während noch großer Drang zum Trinken bestand. Am 12. Januar war das Befinden der Tiere wieder normal.

437

Im Anschluß an diese Untersuchungen schien es von Interesse zu sein, das Verhalten von Gänsen zu beobachten, die mit dem Futter Material von geflägelcholerakranken Tieren er- halten hatten.*)

Am 13. Januar 1904, früh 10 Uhr, brachten wir einer jeden der Versuchsgänse durch Einstopfen in den Schnabel Vs Gramm zer- kleinerter Organteile (Herz, Leber, Nieren, Lunge) von zwei Tauben, die an Gefifigelcholera verendet waren, bei.

14. Jaouar 1904. Gans II kränkelt, indem sie traurig und matt allein in einer Ecke sitzt und die Flügel hängen läßt. Die Innentemperatnr beträgt 43^ €. Am Morgen des 15. Januar 1904 ist Gans n verendet (nicht ganz zwei Tage nach der Infektion). Die Sektion ergab hämorrhagische Darmentzündung, die sich hauptsächlich in der Duodenalscblinge stark ausprägte; subepikardlale Blutungen speziell an der Herzbasis. Im Blut sind die Bakterien der Geflügel- cholera in Unmenge vorhanden.

Gans III kränkelt am Morgen des 15. Januar (Innentemperatur 42,9^ C) und verendet nachmittags 4 Uhr. Sektionsbefund wie oben, einzelne Dannfollikel sind ulzeriert.

Am 15. Januar 1904 wurde den noch lebenden drei Gänsen eine Öse Kot entnommen und zu Agarplatten verarbeitet. Zu gleicher Zeit wurde je eine Taube subkutan mit Kot geimpft.

Hiernach waren weder auf den Platten die Geflügel- cholerakolonien nachzuweisen, noch sind die Tauben ver- endet.

Täglich wurde nun die Entnahme von Kot fortgesetzt, um Agarplatten damit anzufertigen und Tauben zu impfen. Es geschah dies zu dem Zweck, um den Nachweis zu erbringen, bis zu welcher Zeit Geflägelcholerabakterien nach Fütterung mit virulentem Geflügelcholeramaterial im Kot auftreten könnten. Das Resultat war jedoch dauernd negativ.

Am 22. Januar 1904 wurden die drei überlebenden Gänse, die am 13. Januar virulentes Geflügelcholeramaterial erhalten hatten, zur Wiederholung des „Transportversuches" in eine kleine Kiste ohne Wasser und Futter gesperrt und so bis zum 28. Januar 1904, also sechs Tage, belassen.

Während dieser Zeit wurden mit Kotproben Tauben geimpft.

Auch dieses Mal blieben sowohl die Gänse als auch die ge- impften Tauben gesund.

*) Diese, wie die an Hühnern (S. 439) vorgenommenen Fattenmgsversuche, sind auch ein Beitrag zur Frage des Inkubationsstadiums der Ge- flügelcholera bei natürlicher Ansteckung.

438

Am 30. Januar 1904 verabreichten wir per os wiederum jeder der drei Gänse Vs Gramm zerkleinerter Organteile von einer an Geflügelcholera verendeten Taube, um erneut die Virulenz des Kotes der gefütterten Tiere zu prüfen.

Abends 7 Uhr, neun Standen nach der Fütterung der Gänse, impften wir je eine Taube subkutan mit entnommenem Kot. Wenn auch die Tauben am 31. Januar 1904 etwas kränkelten, so blieben sie doch am Leben.

Am 31. Januar, llVa Uhr vormittags, wurden wiederum drei Tauben mit Kot geimpft. Von diesen starben zwei am 1. Februar 1904, und zwar eine früh 11 Va Uhr, also 24 Stunden nach der Impfung (Taube mit Kot von Gans IV), die andere (Taube mit Kot von Gans V) nachmittags 5 Uhr, 29Vi Stunden nach der Impfung. Das Sektionsergebnis w^ar pathologisch -anatomisch und bak- terioskopisch das der Geflügelcholera.

Am gleichen Tage, an dem die Tauben starben, verendete Gans IV, frUh 7 Uhr, 45 Stunden nach der Fütterungsinfektion. Die Sektion ergab Enteritis haemorrhagica, wobei namentlich das Endstück des Darmes hochgerOtet und diphtherisch verändert war (Erscheinungen, die mit durch die rektale Thermometrie und tägliche Entnahme von Kot verursacht sein dürften); weiterhin subepikardiale Blutungen und Pleuritis fibrinosa; im Blut viele Geflügelcholerabakterien.

Am 1. Februar 1904, 12 Uhr mittags, werden an die noch lebenden und munteren zwei Gänse (G. III und G. V) zerkleinerte Organteile von einer an Geflügelcholera verendeten Taube verfüttert (1/5 g).

Abends 6 Uhr wurden zwei Tauben mit Kot von diesen Gänsen subkutan geimpft.

Am 2. Februar 1904, 10 Uhr vormittags, verendete die Taube, die mit Kot von Gans III geimpft worden war. Sektionsergebnis das der Geflügel cholera.

Die zweite Taube starb erst am 6. Februar 1904 früh, also 5 Tage nach der Impfung. Sektionsbild ebenfalls das der Geflügelcholera.

Am 2. Februar 1904, früh 7 Uhr, 19 Stunden nach der letzten Infektion, waren Gans III und Gans V verendet. Das Sektionsbild bei beiden war das gleiche: Pleuritis flbrinosa, Enteritis haemorrhagica et diphtherica (bis linsen- große diphtherische Herde), subepikardiale Blutungen; im Blut viele Geflügel- cholerabakterien.

Aus den bisher beschriebenen Versuchen ergibt sich nun nachstehendes:

Zunächst gelang es weder durch die Kultur, noch durch die Impfung von Tauben, im Kot von gesunden Gänsen oder im Inhalt exenterierter Därme von gesunden Gänsen (und Hühnern) Geflflgel- cholerabakterien nachzuweisen.

Femer war es nicht möglich, trotz 5 6tägigen Einpferchens der Gänse ohne Verabreichung von Wasser und Futter, einmal so- gar trotz vorherigen Infektionsversuches durch Fütterung von viru- lentem Material, die Seuche zum Ausbruch zu bringen.

439

Weiterhin konnte festgestellt werden, daß bei erneuter Infektion eine stärkere Empfänglichkeit eintrat, wenn die Tiere bereits früher schon einmal den Infektionsstoff aufgenommen hatten.

Bezüglich der Ausscheidung des Infektionsstoffes durch den Kot nach erfolgter Fütterung mit virulentem Geflügelcholera-Material waren die Beobachtungen verschieden. Bei einigen Tieren konnte eine Ausscheidung durch den Kot nicht nachgewiesen werden, in anderen Fällen dagegen wurden Bakterien noch 1 Tag nach ge- schehener Infektion mit dem Kot ausgeschieden.

IL Versuche an HAhnem.

Daß in den exenterierten Därmen gesunder Hühner Geflügel- cholembakterien nicht nachgewiesen werden konnten, ist schon er- wähnt worden (S. 435).

Am 4. Februar 1904 wurden Fütterungsversuche an 6 Hühnern angestellt. Wir futterten dieselben früh 10 Uhr mit zerkleinerten Organteilen von der am 2. Februar 1904 an Geflügelcholera ver- endeten Gans, und zwar erhielt jedes Huhn 0,02 g des Materials.

Abends 6 Uhr (nach 8 Stunden) impften wir sechs Tauben mit Kot von diesen Hühnern subkutan. Dasselbe wiederholten wir am 5., 6. und 7. Februar 1904.

Am 8. Februar 1904 verendete Huhn r. FL, 4 Tage nach der Infektion. Außer den gewöhnlichen Erscheinungen der Geflügel- cholera bei der Sektion zeigte die Duodenalschlinge eine auffallend starke entzündliche Rötung und Schwellung.

An demselben Tage 12 Uhr mittags wurden wiederum fünf Tauben mit Kot der noch lebenden flinf Hühner geimpft.

Am 9. Februar 1904, 11 Uhr vormittags, verendete Huhn roter Strich, 5 Tage nach der Infektion. Bei der Sektion fiel auch dieses Mal wieder auf, daß die hämorrhagische Entzündung stark im Bereich des Zwölffingerdarmes ausgeprägt war, und daß an ein- zelnen Stellen hirsekomgroße diphtherische Herde zugegen waren. Im übrigen bestand das bekannte Bild der Geflügelcholera.

Am 9. Februar 1904, 12 Uhr mittags, wurden vier Tauben mit dem Kot der noch überlebenden vier Hühner geimpft, Impfungen, die täglich bis zum 18. Februar fortgesetzt >^Tirden.

Sämtliche geimpften Tauben sind am Leben geblieben.

Am 10. Februar 1904 früh starb Huhn ohne Abzeichen, sechs Tage nach der Infektion. Die Sektion ergab dieselben Erschei-

440

nungen wie bei dem tags zuvor verendeten Huhn. Ganz auffallend trat auch hier wieder bei der Sektion die heftige entzündliche Ver- änderung im Duodenum auf.

Um die relative Giftigkeit des zu den Versuchen verwandten Bacterium avisepticum festzustellen, impften wir am 13. Februar 1904 intramuskulär zwei gesunde Hühner mit einer Millionstel Öse einer 24 stündigen Geflügelcholerabouillonkultur, wonach die Tiere nicht verendeten.

Am 17. Februar wurden zwei weitere Hühner mit Viooooo Öse einer 24 stündigen Bouillonkultur geimpft, eine Menge, die \iieder nicht genügte, um die Tiere tödlich zu infizieren, was auch bei Verimpfting von Viooo Öse nicht gelang. Nach der Impftmg mit Vioo Öse verendeten jedoch die Tiere 21 Stunden nach der Impftmg an Geflügelcholera.

Am 18. Februar 1904, früh 10 Uhr, wurden die drei noch lebenden, am 4. Februar 1904 mit virulenten Organteilen (je 0,02 g) gefutterten Hühner mit einer Millionstel Öse einer 24stündigeif Geflügelcholerabouillonkultur intramuskulär geimpft. Huhn (blauer Strich) verendete bereits abends 6 Uhr, 8 Stunden nach der Impftmg, Huhn (bd. Flug.) starb am 19. Februar, früh 7 Uhr, 21 Stunden nach der Impfung. Nachmittags 2 Uhr ging das letzte Huhn, 28 Stunden nach der Impfung, ein. Die Sektion ergab bei allen Kadavern das gewöhnliche Bild der Geflügelcholera.

Mithin waren die Tiere, die früher schon einmal ohne Erfolg mit Geflügelcholeramaterial geflittert worden waren, viel empfäng- licher für die Infektion als gesunde Tiere.

Am 19. Februar 1904 wurden nochmals fünf gesunde Hühner mit virulenten Organteilen per os infiziert (je 0,02 g). Täglich impften wir vom 20. Februar 1904 ab wieder Tauben mit Kot subkutan. Am 23. Februar, 3 Tage nach der Impfung, starb eine Taube (link. Flug.). Die Sektion ergab Geflügelcholera.

Am 23. Februar 1904 ist Huhn (r. FL), 4 Tage nach der In- fektion, gefallen, am 25. Februar 1904 Huhn (blauer Strich), 6 Tage nach der Infektion, und am 29. Februar Huhn (bd. FL), 10 Tage nach der Infektion. Sämtliche Tiere sind an Geflügelcholera ver- endet und haben erst kurz vor dem Tode Störungen des Allgemein- befindens mit Innentemperaturen von mehr als 43 ^C gezeigt.

Aus den mit den Hühnern angestellten Versuchen er- gibt sich zunächst,

441

daß das Inkubationsstadium der Geflügelcholera bei Hühnern bis zu 9 Tagen (Huhn bd. Fl.), und daß die Zeit zwischen Infektion und Tod bis zu 10 Tagen betragen kann. Weiterhin ist auffallend, daß bei den Tieren, die mit virulentem Material gefüttert worden waren, vornehmlich die Duodenalschlinge hochgi*adig entzündet war.

Die tödliche Wirkung bei Hühnern trat bei der von uns ver- wendeten Kultur erst nach Verimpfting von ^i\qq Öse ein. Eine bedeutend höhere Empfänglichkeit bestand jedoch, wenn die Tiere vorher schon einmal mit virulentem Material infiziert worden waren, derart, ^aß in letzterem Falle schon 1 Millionstel Öse in 8 bis 25 Stunden tödliclie Wirkung zeigte.

Hauptergebnisse der Versuche:

Geflügelcholerabakterien im Darminhalt gesunder Gänse und Hühner nachzuweisen, ist nicht gelungen.

Auch bei Nachahmung der ungünstigen Füttenings- und Haltungsverhältnisse während des Eisenbahntransportes (fünf bis sechstägiges Einsperren in einen ganz kleinen Raum bei Kälte ohne Futter und Wasser) sind gesunde Versuchs- gänse nicht erkrankt.

Die Inkubationsdauer der Geflügelcholera und die Zeit zwischen Infektion und Tod der Tiere schwanken. Der Tod kann bei Gänsen nach einmaliger Fütterung mit Or- ganen von cholerakrankem Geflügel schon nach weniger als 2 Tagen (Gans II), bei Hühnern schon nach 4, aber auch erst nach 10 Tagen eintreten. Die Inkubationszeit betrug bei den Gänsen nach einmaliger Fütteiiing mit virulentem Ma- terial 1 2 Tage, bei den Hühnern 4—9 Tage.

Die Empfänglichkeit gesunder, noch nicht nachweislich infiziert gewesener Gänse und Hühner für Geflügelcholera ist geringer als diejenige von Tieren, die in den letzten Tagen eine Fütterungsinfektion überstanden haben. Gänse und Hühner, die in der angegebenen Zeit ohne Erfolg in- fiziert worden waren, starben bei Neuinfektionen rascher und auf kleinere Mengen Virus als nicht vorinfizierte Tiere. Gänse starben bei solchen Neuinfektionen (Fütterung) schon nach 19, Hühner (subkutane Injektion) schon nach 8 Stunden.

Beitrag zur Beurteilung des Milzbrandserums und der Simultanmethode bei Milzbrand.

Von Prof. G. Sobemheim

In Halle a. S.

Durch die Arl?eiten von Sclavo, Marchoux, Mendez, Detre-Deutsch, Bail, Carini u.a. darf heute der Beweis als er- bracht gelten, daß dem hochwertigen Milzbrandserum eine aus- gesprochene Schutz- und Heilkraft zukommt.

Auch ich selbst bin bei meinen eigenen Untersuchungen zu dem nämlichen Ergebnis gelangt und habe mich zugleich bemüht, die Wirksamkeit des Milzbrandserums für die Praxis zu verwerten und zur Grundlage eines brauchbaren Schutzimpftingsverfahrens zumachen.

Von vornherein war es dabei klar, daß das Serum für sich allein nur ein beschränktes Anwendungsgebiet finden konnte. Bei der relativ kurzen Dauer der Serumimmunität durfte lediglich in denjenigen Fällen, in denen vorwiegend auf eine rasche, weniger auf eine dauerhafte Immunisierung Gewicht gelegt wird, die Impfung also als „Notimpfung" oder gar als „Heilimpfung" vorgenommen werden soll, von dem Serum ein Erfolg erwartet werden. Dagegen mußte für den häufigeren und wichtigeren Fall einer rein prophy- laktischen und dauerhaften Schutzimpfung ein anderes Verfahren gesucht werden.

Die kombinierte Immunisierung mit Serum und Virus, wie sie in der Form der Simultanimpfung bereits bei Schweinerotlauf und Rinderpest mit Nutzen ausgeübt worden war, erwies sich auch für den Milzbrand als vorteilhaft. Auf Grund von experimentellen Prüfungen an einer größeren Zahl von Rindern und Schafen und zugleich gestützt auf praktische Erfahrungen an ca. 2700 Rindern^ glaubte ich die Anwendung des Milzbrandserums in Verbindung mit einer abgeschwächten Milzbrandkultur für die Zwecke der Simultan- impfung empfehlen zu dürfen.

443

Ich möchte mich hier auf diese kurzen Andeutungen be- schränken. Inwieweit das Prinzip der Simultanimpftmg ganz im allgemeinen wissenschaftlich begründet ist, bedarf wohl keiner weiteren Darlegungen; inwieweit es mir gelungen ist, diesem Prinzip speziell für den Milzbrand eine experimentelle Stütze zu geben, muß ich dem Urteil eines jeden überlassen, der sich der Mühe unterzieht, meine diesbezüglichen Mitteilungen einer genaueren Durchsicht zu unterwerfen. Nur so viel sei bemerkt, daß ich die Wirkung der Milzbrand-Simultanimpfung bei Schafen auch weiterhin experimentell zu kontroUieren oft genug Gelegenheit gehabt habe. Die Schafe, die in der Merckschen Anstalt zum Zweck der Serumgewinnung angeschafft werden, erhalten zunächst stets eine Simultanimpfting, fast genau in gleicher Form und Dosis wie in der Praxis, und werden dann etwa 2 3 Wochen später zum ersten Mal mit virulenter Kultur geimpft. Diese Tiere dienen also zu gleicher Zeit gewissermaßen zur Prüfung der Impfstoffe und der Simultanimpfung. Zahlreiche Schafe sind bis zum heutigen Tage in dieser Weise dem Experiment unterworfen worden.

Ich gebe in der umstehenden Tabelle eine kurze Zusammenstellung der beiden letzten Jahre (1904 und 1905).*)

Es ergibt sich hieraus, daß von 55 Schafen, die in der Zeit vom 2. März 1904 bis zum 30. Juni 1905 in vier Gruppen der Simultanimpfung unterworfen wurden, nur zwei Tiere an Milzbrand eingingen, und zwar neun und zehn Tage nach der Impfung. Alle übrigen blieben gesund und überlebten sämtlich die nach einiger Zeit vorgenommene Infektion mit virulenter Kultur.

Die Beweiskraft dieser Resultate wird durch den Umstand, daß Kontrolltiere fehlten, wie ich glaube, kaum beeinträchtigt. Die zur Infektion verwandte Kultur besaß hohe Pathogenität und tötete in den verimpften Dosen von Viooo~"Vioooo Öse Kaninchen innerhalb 36—48 Stunden. Hire Virulenz für Schafe ergab sich überdies daraus, daß viele dieser Tiere, die die erste Infektion mit virulenter Kultur vertragen hatten, noch im weiteren Verlauf der Immunisierung, zum Teil nach Verimpfung von relativ geringen Kulturmengen (^/jo ^/loo Öse), an Milzbrand verloren gingen. Daß

*) Die Aufzeichnungen sind mir von Herrn Dr. Burow, dem Leiter der hiesigen Merckschen Serumanstalt, freundlichst zur Yeifugung gestellt worden.

444

Tag der

Höchste

Infektion mit

Höchste

Nr.

Tem-

vir. Kultur

Tem-

Verlauf

Simultanimpfang

peratur

(subkutan)

peratur

1

2. März 1904

40,0

1 11. März 1904 Milzbrand

2

do.

40,4

13. März 1904 Vioooo Öse

39,6

Bleibt leben

3

do.

40,1

do.

39,1

do.

4

do.

40,4

do.

89,6

do.

5

do.

40,4

do.

39,1

do.

6

do.

40,0

do.

39,4

do.

7

do.

41,8

do.

39,3

do.

8

do.

40,3

do.

39,3

do.

9

do.

40,5

do.

40,0

do.

10

do.

40,2

do.

89,9

do.

11

do.

40,4

do.

40,0

do.

12

do.

40,2

do.

39,6

do.

13

do.

40,5

do.

39,7

do.

14

do.

40,1

do.

39,6

do.

15

do.

40,0

1 12. März 1904 Milzbrand

16

16. Dezbr. 1904

39,3

11. Januar 1905 Viooo Öse

39,8

Bleibt leben

17

do.

39,3

do.

40,0

do.

18

do.

39,6

do.

39,5

do.

19

do.

40,0

do.

39,6

do.

20

do.

39,9

do.

40,3

do.

21

do.

39,1

do.

39,9

do.

22

do.

39,6

do.

40,1

do.

23

do.

39,2

do.

40,1

do.

24

do.

38,9

do.

39,4

do.

25

do.

39,4

do.

39,8

do.

26

do.

39,8

do.

39,8

do.

27

do.

39,9

do.

39,8

do.

28

do.

39,9

do.

39,9

do.

29

13. Mai 1905

42,8

24. Mai 1905

Viooo Öse

39,7

do.

30

do.

39,7

do.

39,9

do.

31

do.

40,1

do.

41,3

do.

32

do.

39,9

do.

40,1

do.

33

do.

39,5

do.

40,1

do.

34

do.

39,8

do.

39,7

do.

35

do.

40,2

do.

40,0

do.

36

do.

39,7

do.

41,5

do.

37

do.

39,7

do.

40,0

do.

445

Tag der

Höchste

Infektion mit

Höchste

Nr.

Tem-

vir. Kultur

Tem-

Verlauf

Simultanimpfung

peratur

(subkutan)

peratur

38

13. Mai 1905

39,5

24. Mai 1905

'/looo Öse

41,0

Bleibt leben

39

do.

40,3

do.

40,1

do.

40

do.

39,7

do.

39,6

do.

41

30. JuDi 1905

40,8

20. Juli 1905 Viooo Öse

39,9

do.

42

do.

40,6

do.

39,7

do.

43

do.

40,4

do.

40,1

do.

44

do.

40,6

do.

39,5

do.

45

do.

40,3

do.

40,0

do.

46

do.

40,6

do.

39,7

do.

47

do.

40,7

do.

40,1

do.

48

do.

40,2

do.

39,9

do.

49

do.

40,7

do.

40,1

do.

50

do.

40,6

do.

40.3

do.

51

do.

40,2

do.

39,7

do.

52

do.

40,3

do.

39,4

do.

53

do.

40,6

do.

40,3

do.

54

do.

40,5

do.

40,7

do.

55

do.

40,4

do.

39,9

do.

sämtliche 53 Schafe die erste Infektion mit virulenter Milzbrand- kultur überstanden, kann somit offenbar nur als eine Folge der Vorbehandlung betrachtet werden.

Es geht aber aus diesen Beobachtungen auch hervor, daß den Impfstoffen, dem Serum sowohl wie der Kultur, die für die prak- tische Anwendung der Methode wünschenswerte Gleichmäßigkeit der Wirkung verliehen werden kann. Die Bewertung des Milz- brandserums stößt ja, wie ich wiederholt hervorgehoben habe, auf große Schwierigkeiten, da kleine Laboratoriumstiere eine exakte Austitrierung des Serums kaum gestatten und selbst bei Verwendung äußerst wirksamer Sera oft genug unregelmäßige Reihen ergeben. Immerhin gelingt es, brauchbare Anhaltspunkte für die Wirksamkeit eines Serums zu gewinnen. Der von mir seit Jahren angewendete Prüfungsmodus bei Kaninchen liefert zwar keine genauen, etwa in Immunisierungseinheitün anzugebenden Werte, läßt aber die Schutz- kraft eines Senims im allgemeinen mit einer ftir praktische Ver- hältnisse völlig ausreichenden Deutlichkeit erkennen. Mir schien es da-

446

her richtiger, von diesem, wenn auch unvollkommenen Prüflingsmodus Gebrauch zu machen, anstatt überhaupt auf jede Prüfting zu verzichten.

Die hier mitgeteilten Schafimpftingen dürften aber auch zeigen, daß die zur Injektion benutzten Kulturen eine ziemlich gleich- mäßige Virulenz besitzen. Sie bestätigen damit das im Laufe der Jahre durch zahlreiche Kaninchenexperimente gewonnene Ergebnis, daß abgeschwächte Stämme bei geeigneter Behandlung auf konstanter Wirksamkeit erhalten und daß die hiervon im Einzelfalle hergestellten Kulturen gleichfalls mit einem ganz bestimmten Virulenzgrade ver- sehen werden können.

Über den praktischen Wert des Verfahrens konnte indessen nur die Praxis entscheiden. Man wird kaum in der Lage sein, auf Grund der Schutzwirkung, die ein Immunisierungsverfahren gegenüber der Laboratoriumsinfektion äußert, oder gar auf Grund theoretisch-kritischer Betrachtungen den Verlauf in der Praxis vorauszusagen. Selbst die günstigsten experimentellen Leistungen einer Methode werden immer nur die Vorbedingung und Berechti- gung zu praktischen Versuchen abgeben können, nicht aber schon die Sicherheit für das Gelingen bieten. Aus diesem Grunde bin ich auch einer experimentellen Prüfung der Frage, wie sich die geimpften Tiere gegenüber dem natürlichen Infektionsmodus der Sporenfütterung verhalten, nur insofern nähergetreten, als es mir darauf ankam, zu zeigen, daß ein grundsätzlicher Unterschied zwischen subkutaner und stomachaler Infektion in dieser Hinsicht nicht besteht. Da es zudem außerordentlich schwierig, ja eigent- lich unmöglich ist, die so wechselnden natürlichen Bedingungen einer Spontanerkrankung künstlich durch Sporenfütterung ganz genau nachzuahmen, so legte ich eben weiterhin den entscheidenden Wert auf Versuche in der Praxis. Ich darf in diesem Zusammenhang vielleicht darauf hinweisen, daß bei dem Pasteurschen Verfahren meines Wissens bis heute auch nicht ein einziges Laboratoriums- experiment vorliegt, das den Nutzen der Impfting gegenüber der stomachalen Sporeninfektion zu beweisen sucht.

Mit der Empfehlung des Simultanverfahrens bin ich nicht eher an die Öffentlichkeit getreten, als bis ich durch zweifellose Erfolge die Sicherheit gewonnen hatte, daß auch unter natürlichen Ver- hältnissen der Milzbrand auf diesem Wege bekämpft werden kann. Über die seitdem mit dem Milzbrandserum gemachten Erfahrungen habe ich wiederholt berichtet. In der letzten hierauf bezüglichen

447

Veröffentlichung*) sind die Erfahrungen der Jahre 1904 und 1905 bekannt gegeben worden. Den breitesten Raum nehmen dabei die in Südamerika (Argentinien und Uruguay) ausgeführten Impfungen ein, die ein Beobachtungsmaterial von 140 000 Rindern, 30 000 Schafen und 2000 Pferden umfassen und sich auf mehr als 15 ver- schiedene Güter (Estancias) verteilen. Der Verlauf dieser Impfungen ist auf Grund der von den betreffenden Estancias vorliegenden Auf- zeichnungen von mir im einzelnen angegeben worden. Dagegen habe ich mich bezüglich der in dem gleichen Zeitraum (1904/05) hier in Deutschland und anderen europäischen Ländern ausgeführten Impfungen nur ganz aUgemein dahin geäußert, daß das Verfahren in der weit überwiegenden Mehrzahl aller Fälle den Erwartungen entsprochen und in verseuchten Beständen eine Tilgung des Milz- brandes bewirkt habe. Ich stützte mich dabei auf Berichte, die mehr als 4000 Impftingen betreffen, und glaubte zugleich, mich mit diesem Hinweis begnügen zu dürfen, weil ich eben das Hauptgewicht auf die großen Zahlen in Südamerika legte. Daß hier in Deutschland in vereinzelten Fällen Impfv^erluste aufgetreten waren, und daß gelegentlich die Schutzwirkung der Simultan- impfongen sich als unzureichend erwiesen hatte, war von mir gleichfalls ausdrücklich betont worden. Nachdem aber gerade Be- obachtungen der letztgenannten Art, die nach allem, was mir be- kannt geworden, verhältnismäßig seltene Ausnahmen darstellen, in jüngster Zeit mit genauen Einzelheiten veröffentlicht**) worden sind, halte ich es im Interesse einer richtigen Bewertung des Simultan- verfahrens für angebracht, auch über die zahlreichen günstigen Er- fahrungen etwas ausführlichere Mitteilungen zu machen und meinen letzten Bericht durch weitere Einzelheiten zu ergänzen.

Zum Beweis der Wirksamkeit der Serummethode hatte ich mich besonders auf die Erfahrungen Rieglers***) in Rumänien berufen; es seien daher zunächst diese Beobachtungen nach dem Bericht Rieglers kurz wiedergegeben:

*) Berl. tierärztl. Wochenschr. 1906, Nr. 12.

*♦) Veröfifentlichungen aus den Jahresveterinärberichten der beamteten Tier- ärzte Preußens für das Jahr 1904. Y. Jahrg. Vergl. auch Stadie: „Über die Immunisierung gegen Milzbrand nach Sobernheim'^, Zeitschr. f. Infektions- krankh. u. Hygiene der Haastiere. Bd. I, H. 2/d, 1906.

***) Vaccinations anti-charbonneuses avec le s6rum de Sobernheim. Arch. v6terin. Vol. II, Nr. 7, 1905.

ZeiUehrift fflr Infektionakrankheiten. I, G. 29

448

1. In einem Pferdebestande, worunter ca. 50 wertvolle Tiere, war Milz- brand ausgebrochen. Mehrere Todesfälle; fast jede Woche ein neuer Milz- brandfall.

Zur Probe werden zunächst 20 Tiere nur mit Serum geimpft (10 ccm), mit dem Erfolge, daß kein weiterer Milzbrandfall unter diesen auftritt, während unter den übrigen ungeimpften Tieren die Milzbrandverluste fort- dauern. Auf Grund dieses günstigen Resultates Impfung des gesamten Be- standes der wertvollen Pferde (50 Stück) mit Serum und Kultur. Der Milz- brand war unter den geimpften Tieren hierauf erloschen, und nur unter den Pferden geringeren Wertes, die man ungeimpft gelassen hatte, forderte die Seuche noch fernerhin Opfer.

Im folgenden Jahre wurde daraufhin die Simnltanimpfung an dem ganzen Pferdebestand (100 Stück) vollzogen und gab den gleichen Erfolg.

2. Auf einem Dominium herrschte seit Jahren Milzbrand und verursachte beträchtliche Verluste. In den letzten 14 Tagen waren wieder zwei wertvolle Milchkühe gefallen.

Da nur Serum vorrätig, werden zunächst 100 Kühe und Bullen allein hiermit geimpft. 84 Tiere müssen ungeimpft bleiben. Eine schwerkranke Kuh erhält 20 ccm Serum als Heildosis, stirbt aber trotzdem, nach verzögertem Krankheitsverlauf, drei Tage später. Von den ungeimpften 34 Tieren erkrankt eine Kuh nach wenigen Tagen unter allen Zeichen des Milzbrandes. Injektion von 100 ccm Serum, völlige Heilung nach zehntägiger Krankheit. Um eine dauerhafte Immunität zu erzielen, wird 14 Tage später der gesamte Bestand von 134 Tieren (Kühe, Bullen, Färsen usw) mit Serum und Kultur geimpft. Nach 14 Tagen zeigt eines dieser Tiere Symptome schwerer Milzbranderkrankung; zweimalige Scruminjektion (80 und 100 ccm), Heilung.

Im übrigen ist der Milzbrand auf dem betreffenden Gut seit länger als einem Jahr erloschen.

3. Milzbrand unter den Pferden eines Artillerieregiments. In drei Wochen gehen zwölf Tiere ein, die meisten unter dem Bilde des apoplektiformen Milz- brandes.

Zwei schwerkranke Pferde, in deren Blut bereits Milzbrandbazillen nach- gewiesen wurden, erhalten je 70 ccm Serum. Die Krankheit der beiden Tiere dauert fort, und sowohl nach 14 als auch nach 25 Tagen sind in ihrem Blut noch Milzbrandbazillen in großer Zahl nachweisbar. Sie erhalten an dem letzteren Tage eine zweite Seruminjektion (50 ccm); eines der beiden Tiere stirbt zwei Tage später, das andere wird gesund.

Da nur Serum zur Stelle war, wurden die übrigen, anscheinend noch ge- sunden 62 Pferde des infizierten Stalles mit je 5 ccm Serum (ohne Kultur) geimpft, worauf die Sterblichkeit sofort aufhörte. Von der ursprünglich in Aussicht genommenen Simultanimpfung wird infolgedessen abgesehen; nach 54 Tagen stirbt noch eines der nur passiv immunisierten Tiere.

4. Auf einem Gut bricht plötzlich der Milzbrand unter den Schweinen aus. Im Verlauf eines Monats (Juni 1904) fallen ein Dutzend Tiere; bald darauf (Anfang August) 13 weitere Todesfälle. Diagnose bakteriologisch ge- sichert

449

Simultanimpfang an den Überlebendon 132 Schweinen vorgenommen; seitdem kein einziger Milzbrandfall mehr.

5. Ausbruch des Milzbrandes unter den Pferden eines Gutes. Innerhalb von zehn Tagen sterben 20 wertvolle Tiere.

Da nur ein kleiner Serumvorrat vorhanden, erhalten von drei milzbrand- kranken Tieren zwei eine Dosis von 20 ccm, das dritte 45 ccm. Alle drei Tiere sterben trotzdem; die geringe Semmmonge war nur ausreichend^ den Krankheitsverlanf zu verzögern. Während alle früheren Fälle binnen 24 Stunden todlich verlaufen waren, starben die drei injizierten Pferde erst nach zwei, drei und fünf Tagen.

Die übrigen anscheinend noch gesunden 23 Pferde, sowie ein Maultier, werden zunächst mit je 5 ccm Serum geimpft. Der Sicherheit wegen werden alle diese Tiere, sowie der gesamte Rinderbestand des Gutes, im ganzen ca. 300 Stück, zehn Tage später der Simultanimpfung mit Serum und Kultur unterworfen. Bei einigen Pferden Lokalreaktion und Temperatursteigerung ,um 5—9 Zehntelgrade.

Trotz Beibehaltung des früheren Futters sowie aller sonstigen Verhältnisse ist auf dem Gut kein Milzbrandfall mehr vorgekommen. Beobachtungsdauer sieben Monate.

Endlich erwähnt Riegler, daß ein Versuch an sechs Schafen auch bei dieser Tierart die Wirksamkeit der Simultanmethode ergeben habe; in der Praxis seien bei der Impfung einer Herde von 140 Tieren Zwischenfälle ein- getreten, für die eine Erklärung fehle.

Riegler empfiehlt nach diesen Beobachtungen die Anwendung des Milzbrandserums zur prophylaktischen und therapeutischen Bekämpfung des Milzbrandes bei den Haustieren.

Diesen Mitteilungen möchte ich die folgenden Berichte über Erfahrungen in Deutsclüand anreihen:

1. Auf Gut S. ist Milzbrand stationär. Die Schafe sind deshalb ab- geschafft worden. In den Jahren 1903—05 Simultanimpfung, im ganzen an 205 Rindern ausgeführt. Seitdem nur ein Fall (Arbeitsochse), jedoch, soweit festzustellen, länger als ein Jahr nach der Impfung des betreffenden Tieres.

2. Auf Gut N. kamen im Jahre 1902 Milzbrandfälle vor. Es wurde nach Pasteur geimpft. Bei der Impfung ging ein Schaf ein. 1904 wurde die Simultanimpfung vorgenommen an 79 Rindern und 493 Schafen. Kein Impf- verlust, keine weiteren MilzbrandfUlle. Beobachtungszeit länger als ein Jahr.

3. Auf Gut K. ereigneten sich im Jahre 1904 mehrere Milzbrandfälle. Ausführung der Simultanimpfung. Seit der Impfung hat die Sterblichkeit auf- gehört (Genauere Zahlenangaben leider nicht erhältlich.)

4. Milzbrand in sporadischer Form. Impfung von 17 Rindern, weiterhin kein Milzbrand.

5. Im Jahre 1902 brach in A. Milzbrand aus; in wenigen Wochen gingen 18 Bullen verloren. Es wurde bis 1903 nach Pasteur geimpft, doch fielen noch einige Rinder und Schafe. Seit Oktober 1903 Anwendung der Simultan- methode, worauf in der Folge kein weiterer Milzbrandfall mehr vorkam. Im ganzen wurden 77 Rinder und 823 Schafe nach der Simultanmethode behandelt.

29*

450

6. Auf einer Reihe von Gütern, die in der Hand eines einzigen Besitzerd vereinigt sind, wird alljährlich die Simultanimpfung vorgenommen. Im ganzen wurden bisher 5866 Rinder geimpft; in den beiden letzten Jahren (1904 und 1905) rund 2000 Stück. Bei der Impfung im Jahre 1903 reagierten ca. ein Dutzend Tiere mit stärkerem Fieber und Anschwellungen an der Injektion^- stelle, auch machte sich bei einer Anzahl von Tieren eine vorübergehende Steifheit bemerkbar; Störungen, die sämtlich ohne dauernden Schaden ver- laufen sind. Im übrigen sind mit Ausnahme von zwei oder drei verdächtigen Todesfällen, die im Jahre 1904 vorkamen, die betreffenden Güter während der ganzen Jahre frei von Milzbrand geblieben, obwohl sie in der vorangegangenen Zeit zum Teil recht bedeutende Milzbrandverinste gehabt hatten.

Ich habe mich bei der Wiedergabe der hier mitgeteilten Fälle, die sich auf ca. 4500 Impflingen beziehen, auf das genaueste an die Worte der Berichterstatter gehalten. Man wird bei vorurteils- loser Betrachtung aller dieser Beobachtungen kaum umhin können, dem Milzbrandserum, im besonderen der Simultanmethode, einen Wert für die Bekämpfung des Milzbrandes zuzusprechen. Die Fälle lehren, in Übereinstimmung mit früheren und anderweitigen Er- fahrungen, daß man bei Rindern, Schafen, Pferden, auch Schweinen, der Seuche erfolgreich entgegentreten kann.

Trotz mancher Mißerfolge und gelegentlicher Impfverluste, die das Simultanveifahren mit sich gebracht hat, möchte ich doch glauben, daß der bisherige Verlauf der Dinge über das MUzbrand- serum und die kombinierte Schutzimpfling mit Serum und Kultur in günstigem Sinne entschieden hat.

(Aus der bakteriologischen Abteilung des Zentralschlaclithofes

in Prag.*)

Ober aktive und passive Immunisierang gegen Schweinepest

Von M. Prettner,

Tierarzt in Prag.

In jüngster Zeit sind interessante Immunisieningsversuche gegen Hühnercholera zur Veröffentlichung gelangt, die sich auf eine neue Hypothese, die Aggressinhypothese, stützen. Die Ausarbeitung des neuen Verfahrens und seiner theoretischen Grundlagen verdanken wir Bail.

Nach diesem Forscher produzieren die den Organismus an- greifenden Bakterien gewsse Stoffe, Aggressine, die als Kampf- mittel der Bakterien gegen die Schutzkräfte des Organismus anzu- sehen sind. Nur mit Hilfe der Aggressine können die Bakterien den Organismus erfolgreich infizieren. Die Aggressine sind, wie Bail zeigte, keine Toxine, sondern Substanzen, die lediglich die Schutzvorrichtungen des tierischen Körpers außer Funktion setzen. Sie werden hauptsächlich an solchen Stellen gebildet, wo die ein- gedrungenen Bakterien den härtesten Kampf gegen den Organismus zu bestehen haben, also vorwiegend, wenn auch nicht ausschließ- lich, an der Infektionsstelle. Bei subkutaner Infektion entstehen an der Impfstelle Ödeme, bei intraperitonealer Infektion bilden sich Exsudate in der Bauchhöhle. Diese Flüssigkeiten wirken in Verbindung mit den betreffenden Bakterien viel stärker infektiös als die Bakterien allein. Die hohe Infektiosität derartiger Flüssig- keiten wurde für den Schweineseuchebazillus bereits früher von mir experimentell festgestellt. Die Bauchhöhlenflüssigkeit von Meer-

*) Die Arbeit wurde mit Unterstützung des Stadtrates der königlichen Hauptstadt Prag und des k. k. Ministeriums des Innern ausgeführt.

452

schweinchen, die mit dem Bacillus suisepticus intraperitoneal in- fiziert worden sind, stellt nach meinen Versuchen das infektiöseste Material für alle Versuchstiere dar.

Die ersten Immunisierungsversuche mit derartigen Exsudaten und Ödemflüssigkeiten gegen Tierseuchen unternahm Bail bei Milzbrand und Weil bei Geflügelcholera. Das Aggressin wurde in Form des Pleuraexsudates von mit Hühnercholera infizierten Ka- ninchen gewonnen und die Immunisierung mit den sterDisierten Exsudaten an Kaninchen und Vögeln durchgeführt. Meist wandte Weil mehrere der Menge nach steigende Injektionen von sterili- siertem Exsudat an, doch genügte auch eine einmalige Impfung, um die Tiere vor einer Infektion zu schützen, der die Kontrolltiere in kurzer Zeit erlagen. Die immunisierten Tiere besaßen eine Immunität sowohl gegen die Bakterien selbst, wie auch gegen das bakterienhaltige Exsudat, also gegen Bakterien und Aggressine. Auch bei der Schweineseuche fielen die Versuche sehr ermutigend aus. Weil immunisierte fänf Schweine. Hierbei gelang es, mit nur einer Injektion eine so hohe Immunität zu erzielen, daß die Tiere eine Infektionsdosis vertrugen, die die KontroUtiere in 18 Stunden unter den schwersten Erscheinungen tötete.

Mit der Immunisierung durch bakterienfröie Exsudate hat die Schutzimpfung gegen Tierseuchen einen Fortschritt gemacht. Bisher mußte mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß bei dem Verimpfen von virulenten Kulturen die betreff'ende Seuche in gesunde Bestände eingeschleppt werden könnte ; denn wo viele Tiere geimpft werden, kann es vorkommen, daß Bakterien verstreut werden. Unter diesen Umständen bedingen die Bakterien, die bei hoher Infektiosität die Neigung haben, chronische Veränderungen zu erzeugen, eine größere Gefahr als die Bakterien, die eine geringere Infektiosität besitzen und mehr akute Erkrankungen her\'orrufen. Zu den erstgenannten Krankheitserregern gehören der Schweineseuche- und der Schweine- pestbazillus, zu d^n letztgenannten der Rotlaufbazillus. Während das Hantieren mit Rotlaufkulturen verhältnismäßig w^nig gefährlich ist, bii'gt die Kulturimpfang bei Schweineseuche und Schweinepest unter Umständen die Gefahr der Ansteckung anderer Schweine in sich, eine Gefahr, die um so größer ist, als die erzeugte Krankheit bei ihrem chronischen Verlauf zunächst unbemerkt bleibt. Schon deshalb muß die neue, in dieser Beziehung ungefährliche Baiische Methode vom prak- tischen Standpunkt aus mit dem höchsten Interesse verfolgt werden.

453

Aufgabe meiner Untersuchungen war es, die Immunisierung gegen Schweinepest auf der Grundlage der Aggressintheorie näher zu studieren.

Die aktive Immunisierung gegen Schweinepest, obschon viel- fach versucht, hat bis heute noch nicht zu dem gewünschten Er- folg geführt. Die subkutane Inokulation von kleinen Dosen lebender virulenter Bazillen hat sich zwar in einigen FäUen als ungefährlich erwiesen denn die Schweine sind subkutan überhaupt sehr schwer mit Schweinepestbazillen zu infizieren sie soll in- dessen in manchen Fällen den tödlichen Ausgang zur Folge gehabt haben. Bei dieser Methode ist eine Verschleppung der Krankheit sehr zu befürchten. Es entstehen nämlich sehr oft an der Injek- tionsstelle Abszesse, die, wenn sie aufbrechen, Schweinepestbazillen nach außen entleeren. Die subkutane Einimpfung von abgetöteten Schweinepestbazillen hat gar keine Immunität der so behandelten Schweine zur Folge. Auch die intravenöse Einführung abgetöteter Kulturen hat keinen guten Erfolg gehabt, da die Tiere nach dieser Impfdng kränkelten und stark abmagerten. Die Fütterung von lebenden Kulturen behufs Erlangung von Immunität hatte nicht einmal eine erhöhte Resistenz gegen Schweinepest zur Folge. Auch die Immunisierung mit Stoffwechselprodukten, wie sie de Schwei- nitz empfahl, blieb im wesentlichen resultatlos.

Die Ursache dieser negativen Ergebnisse liegt wahrscheinlich in der Virulenz der benützten Kulturen. Der Schweinepestbazillus verliert bei der künstlichen Züchtung sehr bald seine Virulenz für Schweine, zumal seine Virulenz überhaupt großen Schwankungen unterworfen ist. Nur bei sehr empfänglichen Tieren und bei hoher Virulenz wirkt er energisch, indem er sich rasch im Organismus vermehrt. In der Mehrzahl der Fälle entfaltet er bei Schweinen nur eine langsame Wirkung, die mehr chronische Veränderungen zur Folge hat. Die Vorbedingung für eine erfolgreiche Im- munisierung gegen Schweinepest ist eine gleichmäßige und rasche Wirkung des Impfstoffes.

Ermutigt durch die Erfolge mit Schweineseucheexsudaten, ver- suchte ich die Immunisierung nach dieser Methode auch bei der Schweinepest.

Nur bei intensiver Wirkung der Bakterien ist es möglich, eine größere Menge von an Aggressinen reichen Exsudates zu erhalten. Es müssen sich die Bakterien rasch vermehren. Nur dann produzieren

454

sie Angriffsstoffe in größeren Mengen, die den infizierten Organismus rasch besiegen. Der Schweinepestbazillus wirkt nun aber nicht derart rasch, wie z. B. der Bac. suisepticus, der schon nach kurzer Zeit den Tod bei Ferkeln verursacht. Die Wirkung des Schweine- pestbazillus zieht sich mehr in die Länge, die Tiere unterliegen vorwiegend chronischen Veränderungen.

Um gut wirkende Schweinepestexsudate erzeugen zu können, war es deshalb zunächst erforderlich, die Infektiosität des Bac. suipestifer gegenüber den verschiedenen Tieren experimentell näher zu untersuchen. Sehen wir zunächst zu, was in der Literatur über die Wirkung des B. suipestifer auf die verschiedenen Versuchstiere niedergelegt ist.

Das Kaninchen soU nach Salmon und Smith das geeignetste Ver- suchstier sein. Selbst nach subkutaner Injektion von nur Vioooooo ^^^ Bouillon- kultur starben die Tiere in den Versuchen dieser Forscher. Nach Lignit res erfolgt nach subkutaner Infektion von 1 ccm Kultur bei Kaninchen der Tod in 4V9 Tagen, nach intravenöser Infektion in 3 Tagen. Nach Joest tritt bei subkutaner Injektion der Tod in 3—14 Tagen, nach Kruse in 7—12 Tagen ein. Karlinski sah intraperitoneal geimpfte Tiere nach 3— 7 Tagen der Infektion erliegen. Nach Fütterung erzeugt der Schweinepestbazillus eine typische Erkrankung des Darmkanals, die sich im wesentlichen als eine nekrotisierende Entzündung des Darmlymphapparates mit nachfolgender Ge- schwürsbilduQg äußert.

Nach Baccuglia erfolgt der Tod bei der intestinalen Infektion, gleich- gültig ob das Tier per os oder in eine Darmschlinge infiziert wird, in 2 i Tagen. Karlinski verlor die gefütterten Kaninchen am 7.-9. Tag, die intra- intestinal geimpften nach 7^-26 Tagen. Das Meerschweinchen wird von Frosch für das empfänglichste Tier erklärt. Schreiber gibt an, dafi intra- peritoneal geimpfte Meerschweinchen in 12—24 Stunden sterben. Lignieres beobachtete, dafi 1 ccm Kultur (subkutan) sie in 4—6 Tagen tötete, wobei immer pneumonische Veränderungen entstanden. Nach intraperitonealer In- jektion selbst sehr starker Dosen tritt erst in 24—48 Stunden der Tod ein. Abweichend sind auch die Angaben über Katten- und Taubeninfektion« die indessen hier nicht in Betracht kommen.

Das Schwein läfit sich sehr schwer von der Subkutis und von der Lunge aus infizieren. Am leichtesten gelingt die Infektion durch den Yer- dauungstraktus. Interessant ist die Beobachtung Moores, der fand, dafi bei subkutaner Injektion von 1—1,5 ccm Bouillonkultur nach 30 Tagen die Schweinepestbakterien nach der Tötung des Tieres in dessen Körper nirgendwo mehr nachzuweisen waren. Intravenöse Injektionen sollen schon in 1—3 Tagen töten. Nach der Injektion von 0,05 ccm einer Bouillonkultur konnten die Tiere längere Zeit am Loben erhalten werden. Ein intraperitoneal geimpftes Schwein (vereinzelter Versuch Schreibers) wurde nach sechs Wochen ge- tötet, ohne besondere Veränderungen zu zeigen.

455

Auch bei dieser Applikationsweise scheint somit der B. suipestifer für Schweine nicht besonders virulent zu sein. Auch nach Fütterung und in- testinaler Impfung, den anscheinend verläßlichsten Infektionsarten, starben die Tiere in den verschiedenen Experimenten in verschiedenen Zeiträumen. So starben die von Raccuglia mit 7 ccm einer Bouillonkultur in eine Ileum- schlinge infizierten Schweine in 4—5 Tagen. Salmon und Smith fütterten drei Schweine mit 300 ccm Bouillonkultur. Zwei davon wurden vorbereitet, und zwar hungerte das erste und bekam dann einen Liter 2proz. SodalOsung, das zweite hungerte lediglich, das dritte wurde nicht vorbereitet Das erste Schwein starb 3 Tage nach der Fütterung, das zweite wurde 10 Tage nach derselben getötet. Karlinski fütterte ein Schwein mit 300 ccm einer Bouillon- kultur und mit vier Agarkulturen durch drei aufeinander folgende Tage. Das Tier starb am 20. Tag nach der Fütterung. Bei allen vorerwähnten Tieren wurden Läsionen der Schweinepest gefunden. Nach Fütterung mit schweine- pestkranken Organen sollen die Schweine leicht zu infizieren sein. Der Tod soll in 7—21 Tagen eintreten, imd zwar in allen Fällen, auch wenn die Tiere nicht vorbereitet worden waren. Die pathologisch- anatomischen Veränderungen sind dann sehr typisch und sehr schwerer Art.

Die genauesten Angaben über die Infektion des Schweines sind die von Lignit res. Die subkutane Injektion (5 ccm Bouillonkultur) wirkte nicht, das Schwein blieb am Leben; zwei Monate nach der Infektion getötet, zeigte es keine pathologisch-anatomischen Veränderungen. Ligni^res empfiehlt be- sonders das peritoneale Exsudat von Meerschweinchen zur Impfung. (Ein Schwein bekam 3 ccm des Exsudates per venam auricularem und starb binnen 24 Stunden.) Wenn die Schweine mit Kulturen gefüttert werden, so sterben sie nicht, wohl aber regelmäßig nach Fütterung mit Eingeweiden von schweine- pestkranken Tieren. Daraus zieht aber Ligniöres keine Schlüsse, da bei der Fütterung auch andere Bakterien mitwirken können.

Aus dieser kurzen Übersicht ist zu ersehen, daß bezüglich der Infektiosität des B. suipestifer keine einheitlichen experimentellen Angaben vorliegen. Um Immunisierungsversuche anstellen zu können, ist es aber unumgänglich notwendig, die Virulenz und Dosierung des Infektionsmaterials für die einzelnen Tiere genau zu kennen. Bei den sich so widersprechenden Angaben der Literatur war ich, um mir diese Kenntnis zu vei*schaffen, auf eigene Versuche an- gewiesen.*)

I. a) 2 Mäuse bekommen 0,1 ccm einer Bouillonkultur subkut.

b) 2 0,1 j, r, intraperit

c) 2 eine Öse einer Agarknltur subkut.

d) 2 r> n r, intrapcrft.

Alle intraperitoneal geimpften Mäuse sind schon nach 10 Stunden schwer krank, diejenigen, die eine Öse bekommen haben, liegen schon im Sterben,

*) Die in folgenden Versuchen verwendeten Orientierungskulturen stammten vom Institut Pasteur.

- 456

auch die subkutan mit einer Öse geimpften sind schwer krank; nach 20 Stunden sind alle tot.

Aus diesem Versuch läßt sich schließen, daß die eingeimpfte Menge der Bazillen eine zu große war.

Bei den weiteren Injektionen wurden deshalb kleinere Dosen angewandt, und zwar wurde eine Öse (Normalöse nach Pfeiffer) in 1 ccm Bouillon aufgeschwemmt und von dieser Aufschwemmung^ je 0,1 ccm injiziert.

n. a) 2 Mäuse 0,1 dieser Mischung subkut

b) 2^ 0,1 ^ intraperit.

c) 2 Meerschweinchen 0,1 dieser Mischung subkut

d) 2 0,1 p intraperit.

e) 2 Kaninchen 0,1 dieser Mischung subkut

f) 2 0,1 intravenös. Es starben

die intraperitoneal geimpften Mäuse in 2V9 Tagen,

Meerschweinchen binnen 24 Stunden,.

j, intravenös geimpften Kaninchen binnen 8 Tagen, subkutan Mäuse binnen 6—7 Tagen,

yf jy Meerschweinchen in 5—6 Tagen,

ein Kaninchen stirbt nach 3 Wochen ; das andere bleibt am Leben.

Dieser Versuch zeigt, daß die intraperitoneale Impfung- am sichersten wirkt, und daß das empfänglichste Tier das Meerschweinchen ist.

Es wird von vielen Forschem die Variabilität des Schweine- pestbazillus hinsichtlich seiner Virulenz erwähnt. So zählt Smith sieben verschiedene Varietäten auf, die sich auch durch ihre Viru- lenz unterscheiden. Es wird angegeben, daß es Stämme gibt, die z. B. Kaninchen von der Subkutis aus überhaupt nicht infizieren, wenn nicht sehr große Dosen angewandt werden. Dies kann ich auf Grund eigener Versuche bestätigen. Andererseits gibt es, wie bereits erwähnt, Stämme, von denen V4000000 ^^^ S^' nttgt, um ein Kaninchen subkutan krank zu machen. Von einem anderen Stamm brauchte man V4 <^cm, von wieder einem anderen 1 ccm. Nach Angabe Jensens gibt es hochviinilente Stämme^ die bei Schweinen eine akute hämorrhagische Enteritis mit Ein- wanderung der Bakterien ins Blut zu verursachen imstande sind.

Es wurden von mir verschiedene Schweinepeststämme zur In- fektion benützt und auf ihre Virulenz untersucht, und zwar

Stamm 1 (von Prof. Dr. Ostertag). 2 (von Dr. Schreiber).

-- 457

Stamm 3 gezüchtet aus einem Schwein bukowiner Abstammung. 4 ,, böhmischer

5 ,, ,, galizischer

6 vom Institut Pasteur.

M&nseTersnche.

(Es wurde in allen Fällen Vioo Öse Agarkultur intraperitoneal injiziert Für jeden Stamm wurden drei Mäuse verwandt.)

Stamm 4 tötet die Maus in 2Vs Tagen.

rt ^ n r> n r* ^ it

r> ^ n » »»»*' »

Stamm 1 tötet die Maus in 2Vi Tagen. n 2 nicht. . 3 « in 2 Tagen.

EaninclienTerBnche.

a) 1 ccm einer BouiHonkultur subkutan tötet Kaninchen, und zwar

Stamm 1 in 7 Tagen. . 2 , 14

n 3 5 -

Stamm 4 in 6 Tagen.

r 6 - 8

b) 1 ccm einer Bouillonkultur intravenös tötet Kaninchen, und zwar

Stamm 1 in IVa Tagen. . 2^6 . 3 1

Stamm 4 in IVa Tagen. . 5 1 . 6 , IVa .

c) 1 ccm einer Bouillonkultur intraperitoneal tötet Kaninchen, imd zwar Stamm 1 in 1 Tag. SUmm 4 in 22 Stunden.

2 4 Tagen.

3 20 Stunden.

5 , 18

6 . 20

Aus diesen Versuchen ergibt sich, daß auch die weniger empiänglichen Tiere, wie Kaninchen (es ist nötig, sie mit größeren Dosen zu inlSzieren), der intraperitonealen Impfung schnell erliegen.

MeerschwelnchenTersnche.

1 Öse Kultur wurde mit 0,1 com BouiUon verrieben; von dieser Auf- schwemmung diente 1 Öse mit 0,1 ccm NaCl-Lösung zur Infektion. Es ent- spricht das ungefUhr \\qq Öse. Stamm 1 tötet, subkut. injiziert, in 10 Tagen, intraperit. injiziert, in 8 Tagen.

2 nicht nicht.

3 n 6 Tagen, 2 Tagen. ^ ?> if ij 11 ^ 11 >' »» 11 ■■• /a ö 11 11 11 •> 11 11 11 ^ /a »» ^ 11 11 11 11 ö ,, ^ /a })

Von allen gestorbenen Tieren wurden Kulturen mit positivem Erfolg aus dem Blut und den Organen angelegt.

Die Virulenz der einzelnen Stämme war somit sehr verschieden.

458

Es wurde nun weiter versucht, die Virulenz durch geeignete Tierpassagen zu steigern und dann die Infektiosität der einzelnen Stämme zu vergleichen. Das geeignetste Tier hierfiir schien das Meerschweinchen zu sein. Es wurden größere Dosen intraperi- toneal injiziert, um eine größere Vermehrung der Bakterien zu er- zielen und dadurch ein bakterienreiches Material zu erhalten.

Ein Meerschweinchen erhält vom Stamm 1 1 ccm einer Bouillonkultnr -f* ^ Öse Agarknltor intraperiL,

t binnen 24 Stunden. In der Bauchhöhle etwa 5 ccm eines trüben

Exsudates. Mikroskopisch enthält dieses zahlreiche Schwei^pest-

bazillen und Leukozyten; vom Stamm 2 1 ccm Bouillonkultur -f* ^ Öse Agarkultur intraperit., t sim

sechsten Tage, in der Bauchhöhle kein Exsudat; vom Stamm 3 1 ccm Bouillonkultur -}- 1 Öse Agarkultur intraperit, t binnen

24 Stunden. In der Bauchhöhle etwa 4 ccm eines trüben Exsudates.

Mikr. besteht dasselbe ans Bazillen und Zellen; vom Stamm 4 1 ccm Bouillonkultur -{- 1 Öse Agarkultur intraperit, t in

24 Stunden. In der Bauchhöhle etwa 6 ccm Exsudat Mikr. Bakterien

und Zellen; vom Stamm 5 1 ccm Bouillonkultur -|- 1 Öse Agarkultur intraperit., f binnen

24 Stunden. In der Bauchhöhle etwa 6 ccm Exsudat. Mikr. Bak- terien und Zellen;

vom Stamm 6 1 ccm Bouillonkultur -|- 1 Öse Agarkultur intraperit, f binnen 24 Stunden. In der Bauchhöhle 5 ccm Exsudat Mikr. Bakterien und Zellen.

Mit den so erzeugten Exsudaten wurden weitere Tiervei^suche angestellt:

Je 1 ccm Exsudat wurde je einem Meerschweinchen (somit zusammen fünf Meerschweinchen [Stamm 2 erzeugte kein Exsudat]) intraperitoneal injiziert. Alle Meerschweinchen sterben binnen 20 Stunden mit 4—5 ccm Exsudat in der Bauchhöhle.

Von diesen Exsudaten wurde wieder 1 ccm je einem Meerschweinchen (zusammen fünf Stück) intraperitoneal injiziert. Diese Tiere sterben binnen 18 Stunden.

Von dem Exsudat dieser Meerschweinchen wurde je Vico Öse je zwei Meerschweinchen subkutan (zusammen zehn Stück), je zwei Meerschwemchen intraperitoneal (zusammen zehn Stück) injiziert. Es sterben die subkutan ge- impften alle innerhalb fünf Tagen, die intraperitoneal geimpften aUe innerhalb 24 Stunden.

Die Exsudate, die zur Infektion verwandt wurden, bestanden, mikro- skopisch betrachtet, nur aus Schweinepestbazillen.

Bei allen gestorbenen Meerschweinchen waren in den Organen und im Blut die Schweinepestbazillen kulturell nachweisbar.

459

Nach dieser methodischen Steigerung der Virulenz durch aggressinhaltige Exsudate war keine Verschieden- heit der Stämme in betreff der Virulenz mehr zu kon- statieren.

Anders gestalteten sich die Verhältnisse, wenn die Bakterien der erwähnten fttnf Stämme längere Zeit gezüchtet und durch andere Tiere hindurchgeschickt wurden. Es zeigten sich dann die im folgenden angegebenen Unterschiede.

Die Stämme 1, 3, 4, 5 und 6 wurden einen Monat lang an jedem dritten Tag frisch auf Agar übergeimpft, so daß sich für jeden Stamm zusammen 10 Generationen ergaben.

Mit diesen Kulturen, und zwar mit je Vino Öse Kulturmasse, wurden je zwei Meerschweinchen intraperitoneal geimpft Alle diese Tiere blieben am Leben.

Des weiteren wurden Meerschweinchen mit je 1 Öse -}~ ^ ^^^ Bouillon- knltur intraperitoneal geimpft; es starben die Tiere, und zwar das mit

Stamm 1 intraperit. geimpfte in 5 Tagen,

4 4

» 5 6

n 6 8

Femer wurde Stamm 1, 3, 4, 5 und 6 durch Mäuse hindurchgeschickt, und zwar so, daß immer eine Maus mit 0,1 ccm BouiHonkultur subkutan ge- impft wurde. Nach ihrem Tode wurde direkt von ihrem Blut in Bouillon ge- impft, mit dieser dann wieder eine andere Maus subkutan infiziert usw.

Nach dem Durchgang durch sechs Mäuse wurden die fünf Stämme an Meerschweinchen, Mäusen, Kaninchen zur Feststellung ihrer Virulenz geprüft. Es ergab sich dabei folgendes Resultat (es wurde Vio Öse zur Infektion verwendet):

Stamm 1 tötet jetzt Mäuse subkut. in 6 Tagen, Meerschweinchen subkut in 9 Tagen, intraperit. in 4 Tagen, Kaninchen subkut. in 8 Tagen intravenös in 4 Tagen.

Stamm 3 tötet Mäuse subkut. in 8 Tagen, Meerschweinchen subkut in 10 Tagen, intraperit in 4Va Tagen, Kaninchen subkut in 9 Tagen, intravenös in 4Vä Tagen.

Stamm 4 tötet Mäuse subkut. in 5 Tagen, Meerschweinchen subkut in 6 Tagen, intraperit in 2 Tagen, Kaninchen subkut. in 7 Tagen, intravenös in 3 Tagen.

Stamm 5 tötet Mäuse in 6 Tagen, Meerschweinchen subkut in 8 Tagen, intraperit in 3Va Tagen, Kaninchen subkut in 9 Tagen, intravenös in 5 Tagen.

Stamm 6 tötet Mäuse subkut. in 8 Tagen, Meerschweinchen subkut in 9 Tagen, intraperit in 5 Tagen, Kaninchen subkut in 11 Tagen, intravenös in 5 Tagen.

460

Es wird somit durch die Züchtung auf den gleichen Nährböden unter den gleichen Bedingungen (gleiche Tem- peratur, gleiche Zusanunensetzung des Nährbodens, gleiche Dauer der Züchtung) die Virulenz verschieden stark beeinflußt.

Durch Tierpassagen (an Mäusen) wird die Virulenz noch stärker abgeändert. Es ist ein einheitlicher Viru- lenzgrad mittelst Passagen der empfänglichsten Tiere unter Anwendung bakterienhaltiger Krankheitsprodukte zu erzielen. Wenn diese nur Bakterien, aber keine oder nur wenige Zellen mikroskopisch enthalten, so ist das ein Zeichen, daß die Kräfte des Organismus völlig lahmgelegt wurden und daß sich deshalb die Bakterien genügend vermehren und Angriffsstoffe pro- duzieren konnten.

Noch weniger wie bei kleinen Versuchstieren bieten die bisherigen Versuche an Schweinen bestimmte Anhaltspunkte hinsichtlich der Virulenz des B. suipestifer. Ich stellte deshalb die nachfolgenden Versuche an.

1. Einem Schwein (Ferkel, 2 Monate alt) wurde 1 ccm einer BoniUon- kultur subkutan eingeimpft; das Schwein blieb reaktionslos und aach weiterhin ganz gesund.

2. Einem Schwein (Ferkel, 27, Monate alt) wurden 5 ccm einer Bouillon- kultur intraperitoneal injiziert. Das Schwein erkrankte am zweiten Tage ganz leicht, erholte sich jedoch bald wieder und blieb dann gesund.

3. Einem Schwein (Ferkel, 2V2 Monate alt) wurden 5 ccm einer Bouillon- kultur in die Schenkelvene injiziert. Dieses Schwein erkrankte unter den auffälligsten Erscheinungen und war 4 Tage lang krank, dann erholte es sich wieder.

Alle diese drei Schw^eine wurden nach 2 Monaten getötet. £s fanden sich bei ihnen keine makroskopischen Veränderungen vor.

Bei der Prüfung der angestrebten Immunität gegen Schweine- pest war es notwendig, einen Infektionsmodus ausfindig zu machen, bei dem die Tiere einer akuten Schweinepest unterliegen. Bei langsamer Einwirkung der Bakterien, wobei verschiedenartige Ver- änderungen, je nach der Empfänglichkeit der Tiere, Menge des Infektionsmaterials usw., entstehen können, würde ja eine exakte Piüfung der Immunität unmöglich sein, da unter diesen umstanden auch bei der Infektion nicht immunisierter Tiere manchmal die typischen Veränderungen nur wenig entwickelt sein können.

Die auffälligste Reaktion bei den Vorversuchen trat nach in- travenöser Injektion der Kultur ein. Das Infektionsmaterial war

461

aber wahrscheinlich zu schwach. Ich griff daher zu einem viru- lenteren Material als es die Kultur darstellt. Ligniferes hat darauf aufmerksam gemacht, daß besonders das Peritonealexsudat des intraperitoneal infizierten Meerschweinchens Schweine immer tötet; in seinen Versuchen starb nach Injektion von 3 ccm das eine Schwein binnen 24 Stunden, die übrigen Schweine binnen 3—4 Tagen; der Tod trat in allen Fällen ein.

Man muß, wenn möglich, virulentesMaterial, das ohne Einschaltung einer Kultur gewonnen ist, benutzen. Wie die früheren Versuche gezeigt haben, ist besonders dasjenige Exsudat zu empfehlen, das direkt durch fortgesetzte Meerschweinchenimpfiing mit Exsudat ge- wonnen wird. Ich betrachte das Exsudat als zur Infektion von Schweinen geeignet, wenn es, mikroskopisch betrachtet, nur aus Schweinepestbakterien besteht.

Um dem Exsudat eine derartige Beschaffenheit zu verleihen, waren vier Meerschweinchen nötig.

Es bekam zonächet ein Meerschweinchen 1 ccm einer Bouillonkultur und 1 Öse Agarkultur intraperitoneal. Es starb binnen 24 Stunden und lieferte etwa 4 ccm Peritonealexsudat, das im mikroskopischen Präparat neben Bakterien viele Zellen enthielt Von diesem Exsudat erhielt ein zweites Tier 1 ccm intraperitoneal. Es starb innerhalb 24 Stunden. In seiner Bauchhöhle fanden sich etwa 4 ccm ebenfalls noch zellhaltigen Exsudates. Ein Meerschweinchen, mit 1 ccm dieses Exsudates intraperitoneal geimpft, starb nach weniger als 20 Stunden und lieferte 5 ccm weniger zellhaltiges, aber sehr bakterienreiches Exsudat Die Überimpfung von 1 ccm dieses Exsudates auf ein viertes Meer- schweinchen, das nach weniger als 20 Stunden starb, ergab etwa 6 ccm enorm bakterienreichen und dabei fast zellfreien Exsudates.

Das Exsudat des letzten Meerschweinchens diente zur Infektion von Schweinen:

Ein Schwein (Ferkel, 6 Wochen alt) erhielt per venam femoralem 3 ccm dieses Exsudates. Das Schwein erkrankte schon nach 6 Stunden schwer und starb innerhalb 16 Stunden unter schweren Vergiftungserscheinungen In der Bauchhöhle des Schweines wurde eine geringe Menge eines gelblichen Exsudates gefunden; aus Blut und Organen gingen spärliche Kulturen der Schweine- pestbazillen auf.

Es ist anzunehmen, daß das eingeimpfte Material besonders durch seine Konzentration und eventuell durch seinen Gehalt an Giftstoffen wirkte. Die Wirkung der Schweinepestbakterien selbst schien bei der intravenösen Injektion von sekundärer Bedeutung zu sein; deshalb kann diese Art der Infektion nicht mit Vorteil zur Prüfting der Immunität vorbehandelter Tiere benützt werden. Ganz

462

ähnliche Erscheinungen kann man nämlich auch bei Anwendung von Meerschweinchenexsudaten erhalten, die mittelst Bazillen, gegen die das betreffende Schwein immun ist, gewonnen worden sind. So riefen 3 ccm Exsudat, das durch menschliche Typhusbazillen er- zeugt war, einen ganz ähnlichen unter schweren Allgemeinerschei- nungen binnen 48 Stunden tödlichen Krankheitsprozeß bei einem Schwein hervor. Auch hier ließen sich aus Blut und Organen spärliche Typhusbazillen durch die Kultur gewinnen. Möglicherweise handelt es sich nur um die Wirkung der konzentrierten fremdartigen Körperfltissigkeit, und es würde wohl ein jedes, durch einen beliebigen Bazillus hervorgerufenes Meerschweinchenexsudat bei dieser Versuchs- anordnung kleine Ferkel töten. Es mußte deshalb nach einer an- deren Art der Infektion gesucht werden. Als geeignet erwies sich namentlich die intraperitoneale Impfung. Wie mir der oben er- wähnte Versuch gezeigt hatte, erkrankte ein mit 5 ccm Bouillonkultur intraperitoneal geimpftes Schwein, erholte sich jedoch wieder. Die intraperitoneale Injektion an sich vertragen die Schweine im Gregen- satz zu der intravenösen sehr gut.

Bei den folgenden Versuchen diente als Ausgangsmaterial das peritoneale Exsudat eines Schweines, das mittelst Schweinepestkultur getötet worden war, und zwar waren dem Schwein 30 ccm Bouillon- kultur + 1 Agarkultur (beides hochvirulente Kulturen) intraperit. injiziert worden. Es starb binnen 20 Stunden und lieferte etwa 80 ccm Exsudat.

Ein Schwein (4 VTochen alt) erhielt 3 ccm dieses Exsudates intraperitoneal; es erkrankte schon nach 48 Stunden merklich, war am 4. Tag so krank, daß es sich nicht mehr aufrichten konnte und verendete am 6. Tage nach der Injektion.

Die Sektion ergab keine wesentlichen Veränderungen. AufTällig war nur die Vergrößerung der Mesenteriallymphdrüsen. Die anderen Organe waren normal, die Milz war nicht vergrößert. Das Tier war stark abgemagert und anämisch. Aus dem Blut ließ sich der Schweinepestbazillus nicht züchten« aus Leber, Milz und DrQsen gingen einzelne Kolonien auf Agar auf. Das Schwein zeigte kachektische Erscheinungen.

Es ist somit das Exsudat, das mittelst Einimpfling von Kulturen von Schweinen gewonnen wird, intraperitoneal injiziert, imstande, Schweine zu töten.

Ein zweites Schwein erhielt 5 ccm eines vom Schwein mittelst Einimpfung von Pestbazillen-Eulturen gewonnenen Exsudates. (Dasselbe wurde mittelst Einimpfung von 50 ccm Bouillonkultnr -|- 4 Agarkulturen [die Kulturen waren lange im Laboratorium gezüchtet] von einem Schwein gewonnen. Das Schwein starb nach etwa 26 Stunden, in seiner Bauchhöhle ca. 60 ccm Exsudat)

~ 463

Das mit diesem Exsudat geimpfte Schwein kränkelte zwar und magerte stark ab, blieb aber doch am Leben.

Bei der mikroskopischen Untersuchung des zu dieser Infektion benätzten Exsudates wurde konstatiert, daß es weniger reich an Bakterien war, als das Exsudat des vorigen Versuchs, und auch eine größere Zahl von Leukozyten enthielt. Bei der Gewinnung der zur Infektion benützten Exsudate muß daher die Beschaffenheit der Exsudate genau berücksichtigt werden.

Mit der erwähnten Infektionsart ließ sich somit weder ein rascher Verlauf der Erkrankung, noch ließen sich die typischen Veränderungen im Darm erzwingen.

Am empfänglichsten sind die Schweine für die natürliche intra- intestinale Infektion. Raccuglia injizierte zwei Schweine mit 7 ccm Bouillonkultur direkt in den Dünndarm; beide starben nach 4—5 Tagen. Schon nach dieser kurzen Zeit waren die patho- logisch-anatomischen Veränderungen stark ausgeprägt. Es wurde deshalb folgender Informationsversuch durchgeführt:

Ein Schwein wurde laparotomiert und ihm in eine Dünndarmschlinge 1 ccm einer Bouillonkultur injiziert Das Schwein erkrankte am 12. Tage nach der Injektion und starb am 20. Tage. Die Sektion ergab starke Ver- änderungen im Darm, Verschorfungen der Schleimhaut und Vergröfierung der Lymphdrüsen sowie der Milz.

Nach diesen Vorversuchen, deren Ergebnisse fllr die Prüfung der Immunität der vorbehandelten Tiere von großer Bedeutung sind, wurde zur Immunisierung von Schweinen mit bakterienfreiem Exsudat geschritten.

Die Immunisierung mit Exsudaten wurde in der Tierheilkunde bereits bei der Lungenseuche versucht. Zum Zweck der Impfung entnahm man den an Lungenseuche gefallenen Tieren die seröse Flüssigkeit der entzündeten Lungen und impfte mit ihr. Da dieser Flüssigkeit oft fremde Mikroben beigemengt waren, hat Pasteur «in anderes Verfahren eingeführt. Er impfte entwöhnten Kälbern hinter den Schultern am Bücken infektiösen Lungensaft ein. Im ünterhautbindegewebe bildete sich dann eine beträchtliche Menge einer hochvirulenten Ödemflüssigkeit, die steril entnommen und zur Impfling verwendet werden konnte. Außer bei der Lungenseuche wurden bisher Exsudate zur Immunisierung nicht verwendet.

Zeiticbrift mr Infektlonakrankheiten. I, 6. 30

464

Weiter ist bekannt, daß Meerschweinchen, die infolge von Infektion mit Diphtheriebazillen sterben, in der Pleurahöhle bis 15 cchi eines Exsudates haben, und daß in dieser Flüssigkeit Giftstoffe des Diphtheriebazillus vorhanden sind. Es können Meer- schweinchen mit solchen Exsudaten aktiv immunisiert werden.

Wir wissen femer, daß es möglich ist, seröse Exsudate durch Pneumokokken und Milzbrandbakterien in der Subkutis, weiter seröse Ergüsse bei der Pneumokokken-Pleuritis, femer auch bei der tuberkulösen Erkrankung der serösen Häute zu gewinnen.

Alle diese experimentellen Tatsachen haben außer der er- wähnten Lungenseucheimpfting zu keiner Immunisierung mit den Exsudaten geflihrt, und von der Lungenseucheimpfung mit Exsudat ist man wieder abgekommen, da seit Nocard und Roux' Entdeckung des Lungenseucheerregers ein sicheres, leicht zu gewinnendes und billiges Inokulationsmaterial für die Praxis beschafft werden kann. Erst Bail hat die Immunisierang mit Exsudaten auf streng wissen- schaftlichen Boden gestellt, indem er durch exakte Experimente nach- wies, daß in den Exsudaten die eigentlich wirkenden Stoffe vor- handen sind und daß mit ihnen eine hohe aktive Immunität erzielt werden kann.

Bei Milzbrand und Schweineseuche, gegen die bereits auf Grund der Aggressintheorie Immunisationsverfahren ausgearbeitet sind, ist es leicht, eine große Menge von Exsudat durch einfaches subkutanes Einimpfen einer virulenten Kultur zu gewinnen. Es sind allerdings hier die Tiere durch subkutane Injektion sehr leicht zu infizieren.

Nach den Voraussetzungen Bails sind die Aggressine dort in größter Menge zugegen, wo die Bakterien einen Kampf mit den Körperschutzvorrichtungen durchzumachen haben. Bei der Schweine- pest gelingt die Infektion von der Subkutis in der Regel überhaupt nicht. Im Darm, der eigentlichen Eintrittspforte des B. suipestifer, kann man kein Exsudat erzeugen. Bei Einimpftmg kleiner, wenn auch bereits tödlicher Dosen in das Peritoneum sterben zwar die Tiere, aber es bildet sich kein Exsudat. Es mußten somit größere Dosen eingeimpft werden, um eine genügende Vermehrung der Bak- terien an der Injektionsstelle zu erzielen.

Zunächst wurden Vorversuche an Meerschweinchen behufs Ge~ winnung der Exsudate untemommen. Vioo~Vio Öse Schweine- pestkultur tötete zur Zeit dieser Versuche Meerschweinchen binnen 16—24 Stunden ganz sicher, aber es bildete sich dabei kein Ex-

465

sudat, sondern nur ein sclunieriger, bakterienreicher Belag auf dem Peritoneum.

a) Ein Meerschweinchen erhält 10 ccm einer Bouillonkultur intraperit und stirbt innerhalb 20 Stunden. In der Bauchhöhle etwa 3 ccm Exsudat mit spärlichen Bakterien; Viqo ^^^ dieses Exsudates tötet ein Meerschweinchen binnen drei Tagen.

b) Ein Meerschweinchen erhält 10 ccm einer Bouillonkultur + 1 Agar- kultur und stirbt binnen 18 Stunden; in der Bauchhöhle elwa 6 ccm bakterien- reichen Exsudates. Vioo ^^^ desselben tötet ein Meerschweinchen in 24 Stunden.

c) Ein Meerschweinchen erhält 10 ccm Bouillonknltur -f~ ^ Agarkultnr (ältere Kulturen, zwei Monate im Laboratorium gezüchtet, jeden dritten Tag übergeimpft). Das Meerschweinchen stirbt nach 6 Tagen. In der Bauchhöhle kein Exsudat, nur ein schmieriger Belag auf dem Peritoneum, in dem sehr wenig Bakterien zu finden sind. Der Belag mit NaCl-Lösung abgespült und einem Meerschweinchen intraperit. injiziert, das nach 10 Tagen ohne Exsudat- bildnng stirbt

Diese Versuche zeigen, daß durch Einimpfting von großen Bakterienmengen sich hochvirulente Exsudate erzielen lassen, daß dagegen nach Einimpfung derselben Menge wenig virulenter Bak- terien keine bedeutende Vermehrung derselben stattfindet und darum auch kein Exsudat gebildet wird.

Weiter wurde die immunisatorische Kraft der verschiedenen Exsudate geprüft.

a) Zwei Meerschweinchen erhalten je 10 ccm einer Bouillonkultur + 1 Agarkultur (hochvirulente Kulturen) intraperit. Die Tiere sterben nach 18 Stunden und liefern je 6 ccm Exsudat, das zentrifngiert, sterilisiert und zwei Meerschweinchen injiziert wird. (Nr. 1, 2.)

b) 10 Meerschweinchen erhalten je 10 ccm Bouillonkultur + 2 Agar- kulturen (zwei Monate alte Kulturen, jeden dritten Tag übergeimpft). Sie fiterben binnen 6—8 Tagen. Der Belag auf ihrem Peritoneum, der bei jedem etwa 1 ccm betrug, wurde mit ganz wenig NaCl- Lösung abgespült und die so gewonnenen Flüssigkeiten in der Gesamtmenge von 21 ccm vereinigt Das Gemisch wurde zentrifugiert, sterilisiert und davon 10 ccm je einem Meer- schweinchen injiziert. (Nr. 3, 4.)

Die Meerschweinchen (Nr. 1— -4) wurden nach 14 Tagen mit je Vioo Öse einer virulenten Schweinepestkultur intraperit. infiziert. Nr. 1 und 2 bleiben am Leben. Nr. 3 und 4 und ein Kontrolltier, das ebenfalls Vioo Öse derselben Kultur erhalten hatte, sterben binnen 24 Stunden.

Aus diesen Versuchen geht hervor, daß nur das mit voll- virulenten Kulturen gewonnene Exsudat fähig ist, immuni- satorische Kraft auszuüben; bei demselben läßt sich ohne weiteres auch eine höhere Aggressivität voraussetzen.

30*

- 466

Vier Meek-fichweinchen erhalten intraperit. je 6 Agarkultnren -f- ^ ^^^ Bouillonkultur (alte avirnlente Kultaren) und sterben, da die Menge der alten Kulturen eine übergroße war, binnen 20—24 Standen mit etwa 3 com Exsadat in der Bauchhöhle.

Sämtliche Exsudate wurden vereinigt, zentrifugiert, sterilisiert und za je i5 ccm einem Meerschweinchen (zwei Tieren) intraperit. injiziert. Nach 14 Tagen wurden diese zwei Tiere mit Vioo ^^e einer vollvirulenten Agar- kultur infiziert. Beide Meerschweinchen sterben innerhalb 24 Stunden. Ans ihren Organen waren die Schweinepestbazillen leicht züchtbar.

Infolge der übergroßen Menge der injizierten, wenig virulenten Bakterien in diesem Falle enthielten die gebildeten Exsudate sicher Bakteriensubstanzen in großer Menge, gleichwohl fehlte jede im- munisatorische Kraft. Die bloße Bakteriensubstanz kann also kaum das eigentlich Wirksame bei der Immunisierung sein. Auch eine nicht spezifische Resistenzerhöhung (infolge vorausgegangener intra- peritonealer Injektion) war nicht zu bemerken. Erst durch aktive Stoffe, die nur bei Einimpfung großer Mengen virulenter Kulturen des B. suipestifer entstehen, ist es möglich, Tiere aktiv zu immuni- sieren. Weitere Versuche sollen zeigen, daß in den mit virulen- ten Bakterien erzeugten Exsudaten Stoffe zugegen sind, die im Verein mit den Bakterien fähig sind, den Infektionsverlauf zu be- schleunigen, d, h. aggressiv zu wirken.

Es wurden deshalb einem großen Meerschweinchen intraperit. 10 ccm Bouillonkultur -f- 1 Agarkultur eines voll virulenten Stammes injiziert. Das Meerschweinchen starb nach 16 Stunden und lieferte etwa 8 ccm Exsudat, das hei mikroskopischer Untersuchung nur Bakterien aufwies.

Das ganze Exsudat wird einem zweiten Meerschweinchen intraperit Injiziert, das nach 14 Stunden stirbt und in der Bauchhöhle etwa 7 ccm Exsudat enthält.

Dieses wird klar zentrifugiert, sterilisiert und zu je 1 ccm mit Viooo ^^^ Bouillonkultur drei Meerschweinchen intraperit. injiziert; die Meerschweinchen sterben binnen 24 Stunden. Zwei ebenfalls mit Viooo ccm Bouillonkultur intraperit. injizierte Kontrolltiere sterben am 5.-6. Tage nach der Injektion.

Nach diesen Erfahrungen wurden von Schweinen Exsudate gewonnen, und zwar durch intraperitoneale Einimpfimg von hoch- virulenten Kulturen in großer Menge; die Exsudate wurden ganz klar zentrifugiert, ohne Erwärmung sterilisiert, llit ihnen wurden folgende Versuche an Schweinen unternommen:

I. 2. Oktober 1905. Zwei Schweine bekommen je 10 ccm Exsudat intraperit. Nach der Injektion keine Reaktion.

10. Oktober 1905, je 10 ccm Exsudat intraperit

467

20. Dezember 1905, je 5 ccm eines Peritonealexsudatee vom Meerschwein- chen, das mikroskopisch nur aus Bazillen besteht.

Ein Kontrollschwein bekommt 5 ccm desselben Exsudates.

Das Kontrolltier stirbt am selben Tage. In Milz, Leber, Blut Suipestifer- bazillen nachweisbar. Die infizierten Immnnschweine werden nach sechs Wochen getötet und frei von pathologisch-anatomischen Veränderungen gefunden. Von ihren Drüsen werden Kulturen angelegt, ohne Erfolg. Die Drflsen, zerrieben und Meerschweinchen intraperitoneal injiziert, erzeugen keine Erkrankung.

IL Zwei Schweine bekommen am 4. November 1905 je 10 ccm Exsudat intraperitoneal.

2. Januar 1906, 30 ccm einer Bouillonkultur des B. suipestifer intra- peritoneal.

Ein Kontrollschwein erhält 80 ccm derselben Kultur.

Das Kontrolltier magert stark ab und wird am 6. Februar getötet. Es zeigt geschwollene Drüsen, sonst keine Veränderungen. Aus den Drüsen sind Suipestiferbazillen züchtbar.

Die immunisierten Tiere bleiben gesund; getötet, zeigen sie keine Ver- änderungen, ihre Drüsen sind frei von Bazillen.

in. Zwei Schweine bekommen am 4. November 10 ccm und am 10. No- vember 20 ccm des Exsudates.

Am 4. Januar werden die Schweine laparotomiert. Direkt in den Dick- darm erhalten sie 10 ccm einer Bouillonkultur.

Ein Kontrolltier wird ebenso infiziert. Das Kontrolltier stirbt am 9. Fe- bruar. Es zeigt beträchtliche Veränderungen im Darm und eine Verschorfung der Schleimhaut, Geschwüre, VergrOfierung der Milz und der Drüsen.

Die infizierten immunisierten Tiere werden getötet und ohne Veränderungen befanden.

IV. Zwei Schweine bekommen am 2. November 10 ccm eines Exsudates intraperitoneal. Am 20. Januar bekommen sie 20 ccm eines Schweinepestexsudates, das, mikroskopisch untersucht, sehr arm an Bakterien ist.

Ein Kontrolltier bekommt 20 ccm desselben Exsudates.

Das Kontrolltier magert stark ab und w^ird am 9. Februar getötet In seinen vergrößerten Drüsen sind Schweinepestbakterien nachweisbar, sonst keine Veränderungen.

Die infizierten immunisierten Schweine am 9. Febraar getötet, ohne Ver- änderungen, ohne Bazillenbefund.

V. Zwei Schweine bekommen am 21. Dezember 10 ccm eines Exsudates. Am 5. Februar bekommen sie 5 ccm eines Meerschweinchenexsudates, das,

mikroskopisch betrachtet, nur aus Schweinepestbazillen besteht

Ein Kontrolltier erhält 3 ccm des gleichen Exsudates intraperitoneal. Das Kontrolltier stirbt am 9. Februar; es zeigt Vergrößerung der Milz,

positiven Bazillenbefund in der Milz und den Drüsen. Die Immuntiere bleiben gesund.

Diese Versuche berechtigen zu der Hoffnung, daß es gelingen wird, eine genügend hohe aktive Immunität mittelst bakterienfreien Exsudaten des B. suipestifer bei Schweinen

468

zu erzielen. Da die Schweinepest sehr oft zusammen mit der Schweineseuche vorkommt, so ist es, bevor die Immunisation in die Praxis übertragen wird, notwendig, zu versuchen, ob es möglich ist, nach dieser Methode gegen beide Seuchen zu immunisieren. Nachdem es Weil gelungen ist, gegen Schweine seu che eine hohe aktive Immunität zu erzielen, werden wir jetzt vereint die gleich- zeitige Immunisation gegen Schweineseuche und -pest in Erwägung ziehen. Es ist wahrscheinlich, daß durch diese neue Methode die Immunisation gegen beide Seuchen gelingt.

Es fragt sich jedoch, ob die praktische Schutzimpfung lediglich als aktive Immunisation auszuflihren ist. Diese Frage ist zu ver- neinen. Es werden aktive, wirksame Stoffe injiziert, die im Körper zwar eine Produktion von Schutzstoflfen auslösen, aber den Organis- mus bis zu der Zeit der vollen Eraeugung dieser Stoffe gegen eine spontane Infektion nicht schätzen, ja sogar überempfindlich machen. Sind unter diesen Umständen Schweinepestbakterien zufällig im Organismus zugegen, so wird durch die Mitwirkung der Aggressine eine stürmische Infektion als Folge der Schutzimpftmg eintreten. Darum erscheint es unumgänglich notwendig, auch bei der Bekämpfung der Schweinepest und -seuche nach der neuen Aggressintheorie, die aktive mit der passiven Im- munisation zu verbinden, was ja bei allen bisher durch Schutz- impfung günstig beeinflußten Tierseuchen schon geschieht.

Die passive Immunisierung gegen Schweinepest hat zuerst de Schweinitz versucht. Er hat Kühe mit virulenten Hog- cholerabazillen immunisiert, und es gelang ihm, ein spezifisches Schweinepestserum zu gewinnen.

Durch eigene Versuche habe ich nachgewiesen, daß es möglich ist, durch Behandlung von Hunden mit abgeschwächten und später virulenten Kulturen ein wirksames Serum gegen Schweinepest zu erzeugen. Das so gewonnene Serum schützt Mäuse gegen Dosen des B. suipestifer, denen die Kontrolltiere erliegen. Für die Praxis ist es notwendig, das Serum von größeren Tieren zu gewinnen. Es wurden von mir deshalb zunächst junge Kalbinnen zur Senim- darstellung benutzt. Die ei-sten Vei-suche wurden im Jahre 11H)3 imternommen. Da die Aggressintheorie Bails damals noch nicht bekannt war, so sind die Tiere mit Pestkulturen vorbehandelt worden.

L Eine Kalbin erliielt:

469

10. Februar 1903: intravenös 5 com einer Bouillonkultur des B. suipestifer) die durch 30 Minuten auf 50^ C erhitzt worden war.

18. Februar 1908: intravenös 10 ccm einer Bouillonkultur des B. suipestifer, durch 30 Minuten auf 45^ C erhitzt. Es tritt Temperaturerhöhung, ver- minderte Freßlust ein; nach 4 Tagen erfolgt vollständige Erholung.

26. Februar 1909 : intravenös 20 ccm einer Bouillonkulturf die 20 Minuten auf 45® C erwärmt worden war. Xach der Injektion leichte Reaktion (Fieber, verminderte Freßlust).

6. März 1903: intravenös 40 ccm einer Bouillonkultur, die 20 Minuten lang auf 45® C erwärmt worden war. Nur leichte Reaktion nach der Impfung, aber das Tier geht stark im Ernährungszustand zurück. Es wird des- halb 3 Wochen nicht weiter injiziert, bis es sich erholt hat; dann erhält es:

28. März 1903: 40 ccm einer 10 Minuten auf 45® C erwärmten Kultur. Leichte Reaktion; das Tier fängt wieder an stark abzumagern, so daß die In- jektionen wieder 3 Wochen lang ausgesetzt werden müssen.

18. April 1903: 50 ccm einer virulenten Kultur intravenös. Das Tier wird krank und stirbt am dritten Tage nach der Injektion. Aus den Organen lassen sich die Pestbazillen züchten. II. Eine zweite Kalbin wird in folgender Weise mit dem B. suipestifer

intravenös immunisiert:

24. April 1903: 20 ccm einer durch 30 Minuten auf 50® C en^'ärmten Bouillon- kultur.

2. Mai 1903: 30 ccm einer durch 25 Minuten auf 50® C erwärmten Bouillon- kultur.

10. Mai 1903: 50 ccm einer auf 45® G durch 30 Minuten erwärmten Bouillon- kultur.

18. Mai 1903: 100 ccm einer Bouillonkultur, auf 45® G durch 20 Minuten erwärmt.

30. Mai 1903: 150 ccm einer Bouillonkultur, die auf 45® C durch 15 Minuten erwärmt worden war.

6. Juni 1903: 200 ccm einer auf 45® C durch 15 Minuten erwärmten Kultur.

15. Juni 1903: 20 ccm einer virulenten Bouillonkultur I. Generation. Das Tier reagiert mit Fieber.

24. Juni 1903: 50 ccm einer virulenten Kultur. Das Tier magert stark ab, so- daß mit weiteren Injektionen gewartet werden muß, bis zum 20. Juli, an welchem Tage es 100 ccm einer virulenten Kultur erhält.

30. Juli 1903: 120 ccm einer virulenten Kultur. Am 8. August wird der Kalbin Blut entnommen. Das abgeschiedene Serum schützt Mäuse in der Dosis von 0,1 ccm gegen 0,01 ccm Bouillonkultur (Serum intraperit., Kultur subkut.). Meerschweinchen vermag es selbst in der Dosis von 2 ccm gegen Y,oq Öse einer Agarkultur nicht zu schützen. Die geimpften Tiere überleben zwar die Kontrolltiere um 1—2 Tage, sterben schließlich jedoch auch. Die Kalbin 'v^nirde am 28. August 1903 durch Verbluten getötet. Ihre

Mesenterialdrüsen wurden vergrößert gefunden, in ihnen fanden sich kleine

verkäste Stellen, in denen mikroskopisch Schweinepestbakterien nachzuweisen

470

waren. Durch Züchtung und Versuch an Tieren (Mäusen, Meerschweinchen) wurde ihre Identität sichergestellt

Es haben sich also während der Lnmnnisation Pestbazillen in den Drüsen angesiedelt und dort spezifische Veränderungen hervor- gerufen. Aus diesem Grunde erlangte wahrscheinlich das Serum keinen besonderen Schutzwert. Es sind daher Kühe gegen die chronischen Wirkungen des B. suipestifer zu empfänglich.

Da durch meine Experimente erwiesen ist, daß der Büffel gegen die Tuberkulose sehr resistent ist, so wurde in den weiteren Ver- suchen auch dieses Tier zur Serumgewinnung gegen Schweinepest be- nutzt. Es konnte ja vorausgesetzt werden, daß ein von Natur aus ab- gehärtetes Tier auch für die chronische Wirkung des Schweinepest- bazillus weniger empfänglich sein würde.

Es wurden deshalb zwei Büffelkalbinnen in folgender Weise intravenös immunisiert:

10. August 1903: je 20 ccm einer Bouillonkultor, durch 20 Min. erwärmt auf bO^ C

10.

T>

r*

, 30

29.

n

«

. 50

6.

Soptbr.

n

. 80

15.

n

w

, 200

24.

^

n

. 250

1.

Oktober

^

, 20

10.

tt

tt

, 40

19.

n

»

, 50

27.

n

n

. 100

15 ,

yt

, 50»C

20 ,

n

. 450C

15 ,

V

. 45» C

15 .

»

, 45«C

15 ,

*•

, 450C

virulenter Bouillonkultnr.

Am 8. November wird den Büffeln Blut entnommen. Das Serum schützt Meerschweinchen in der Dosis von 2 ccm gegen Vioo Öse einer Agarknltnr (beide intraperitoneal, die Kultur wurde 24 Stunden später verabreicht). Die Tiere sterben aber nach einer Woche mit positivem Pestbazillenbefond in den Organen.

1 ccm Serum intraperit schützt Meerschweinchen gegen die subkutane Injektion von > ,oo Öse Kultur. Die Kontrolltiere sterben in sieben Tagen, die mit Serum vorbehandelten bleiben am Leben.

Die eine Büffelkalbin wurde am 20. Dezember 1903 durch Verbluten getötet; es wurden bei ihrer Sektion keine Veränderungen vorgefunden; be- sonders die Drüsen waren normal, auch ließen sich keine BaziUeu aus Drüsen und Organen züchten.

Im ganzen läßt sich nur sagen, daß durch die Einspritzung des Serums des Büffels mehr eine Resistenzerhöhung der Versuchs- tiere (Meerschweinchen) als eine Immunität erreicht wurde; denn die intraperit. geimpften Tiere blieben zwar eine betrachtlich längere

471

Zeit am Leben, erlagen aber schließlich doch der Schweinepest- infektion.

Die zweite Büffelkalbin wurde weiter immunisiert: 6. November 100 ccm einer virulenten filtrierten Bouillonkultur

15. . 100 , ,

30. 250 y, n nicht filtrierten Bouillonkultur.

Sie stirbt nach 24 Stunden unter schweren Allgemeinerscheinungen mit Schweinepestbazillen im Blut und in den Organen.

Durch Anwendung großer Dosen von virulenten Pest- bazillen ist es somit nicht möglich, die Immunität höher zu treiben. Es wurden hier Bazillen zur Vorbehandlung benutzt, die chronische Veränderungen zu verursachen imstande sind; es blei- ben nach einzelnen Injektionen immer Bazillen eine längere Zeit im Organismus zurück, und die neue Injektion unterstätzt die Wirkung der zurückgebliebenen Krankheitserreger. Es ist zwar möglich, durch langsam steigende Dosen Schutzstoffe auch gegen chronisch wirkende Bazillen zu erzeugen, aber nur in sehr geringem Grade, so daß durch das Serum lediglich eine Resistenzerhöhung, aber keine Immunität erzeugt wird.

Auch für Tuberkulose trifft dies zu. Es mußte nach langen, mühsamen Versuchen die Hoflöaung, ein Tuberkuloseserum durch Behandlung von Büffeln mittelst Tuberkelbazillenkulturen zu ge- winnen, aufgegeben werden. Das Serum übte nur einen gewissen stimulierenden Einfluß aus, zu schützen oder gar zu heilen ver- mochte es jedoch nicht.

Als die Aggressintheorie Bails und die auf diese Theorie sich gründende Immunisierung durch Bails und seiner Mitarbeiter Ver- suche auf eine große Anzahl vorwiegend akut wirkender Bakterien ausgedehnt w^orden war, lag der Gedanke nahe, auch für chronisch wirkende Krankheitserreger ein ähnliches Immunisierungsverfahren ausfindig zu machen.

Zur Serumgewinnung nach der Baiischen Methode wurde aus den schon angefahrten Gründen der Büffel benutzt.

Eine BüfTelkalbin erhält:

22. April 1905:10 ccm eines Meerechw.-Exsiid. zentrifug., sterilisiert, intravenös.

6. Mai ,,8„„ r* »

13. 3„ -\- 1 ccm NaCl-Lösung (das Exsudat voll virulent).

23. 9 ^ reines Exsudat intravenös.

Die Kalbin stirbt am 24. Mai. In ihrem Blut und den Organen waren Schweinepestbakterien nachweisbar*

472

Das Tier erlag aus derselben Ursache wie das intravenös ge- impfte Schwein: Das Material war zu konzentriert.

Ein zweiter Büffel, Kalbin, ein Jahr alt, wird in folgender Weise immunisiert:

27. Mai 1905: 3 ccm eines Meerschw.-Exsud., zentrifug., auf 50^0 erwärmt, . ^ «.

I o 2.

5. Juni

. 6

20. Juni

n 10

3. Juli

. 10

20. Aug.

, 5

n 250C i ö

. . . . 150C I »

virulentes Exsudat, intraperit.

2. Okt. r, 20 Exsudat, 15 Minuten auf 45« C erwärmt. 24. Okt. 25 virulent Exsudat + 50 ccm pbys. Kochsalzlösung intravenös.

Drei Tage nach dieser letzten Injektion erscheint der Büffel schwer krank, ganz apathisch und fiebert. Erst am 29. Oktober kehrt die Temperatur zur Norm zurück, und der Allgemeinzustand bessert sich.

4. November: 50 ccm zentrifugierten, mit Toluol sterilisierten, nicht er- wärmten Exsudates.

Acht Tage später Blut entnommen. Das Serum zeigt noch keine Wirkung.

2. Dezember: 100 ccm Exsudat, zentrifugiert, mit Toluol sterilisiert. Das Tier magert stark ab und zeigt schlechte Frefilust Erst nach vier Wochen erholt es sich wieder.

24. Januar: 80 ccm Exsudat, zentrifugiert, mit Toluol sterilisiert. Das Tier magert wieder stark ab, erholt sich jedoch in 24 Tagen.

9. Februar: 100 ccm Exsudat, sterilisiert, zentrifugiert.

Bis zum 20. August hatte der Büffel Meerschweinchenexsudat, vom 24. Oktober Exsudat, das durch intraperitoneale Infektion von Schweinen gewonnen war, erhalten. Er erhielt zusammen 409 ccm Exsudat. Nur einmal war dieses in virulentem Zustand intravenös verwendet, sonst immer sterilisiert gegeben worden. Auch nach der Einimpfung der kleinen virulenten Mengen zeigte das Serum keinen Schutzwert; erst nach Einimpfung von 100 ccm, 80 ccm, 100 ccm sterilisierten, zentrifugierten Exsudates erreichte es, wie weiter unten gezeigt werden wird, einen hohen Schutzwert gegen den Schweinepestbazillus. Das Exsudat wurde immer in der Weise auf seine Keimfreiheit geprüft, daß einige Tropfen in 10 ccm Bouillon übertragen wurden; in keinem Fall wurde dabei Wachstum be- obachtet. Da die Schutzwirkung des schließlich erhaltenen Serums eine hohe war, so ist anzunehmen, daß in den Exsudaten Stoffe vorhanden waren, die die gleiche Wirkung wie die Bakterien selbst auszuüben imstande waren. Auch der ganze Immunisierungs- verlauf bestätigt diese Vennutung. Obschon die eingeimpfte Flüssigkeit vollkommen frei vo» lebenden Bakterien war,

473

hat sie doch eine ganz ähnliche Wirkung, wie die chro- nisch wirkenden Bakterien selbst, ausgeübt.

Die Nebenwirkung der Bakterien, die bei Immunisierung mit chronisch wirkendem Infektionsmaterial sonst stets zu befürchten ist, war hier ausgeschlossen. Es fallen also diese gefttrchteten Nebenwirkungen bei der Schweinepest-Serumgewinnung mit Aggres- sinen fort. Es hat diese neue Methode bei ihrer Gefahrlosigkeit eine große Bedeutung nicht nur bei der aktiven, sondern auch bei der passiven Immunisierung. Es ist \delleicht möglich, auch gegen andere chronische Krankheiten wirksame Sera zu gewinnen, wenn es nur gelingt, aggressinhaltige Exsudate bei geeigneten Tieren zu erzeugen.

Der letzterwähnte Büffel hatte, wie gesagt, zusammen 409 ccm aggressinhaltige Flüssigkeit erhalten gegenüber den früher mit Bouülonkulturen immunisierten Tieren somit eine relativ kleine Menge, fast nur die Hälfte, von wirksamen Stoffen.

Auf Grund der bisherigen Erfahrungen bei der Prüfung des Schweinepestserums hat sich als notwendig herausgestellt, die von Marx empfohlene Methode der Serumprüfung zu verwenden. Nach dieser Methode wird erst das Serum und 24 Stunden später die Kultur eingespritzt. Statt dessen kann man auch das Serum intra- peritoneal und die Kultur subkutan geben. Es muß eben die lang- samere Wirkung des Serums berücksichtigt werden.

Es wurde deshalb das Serum, das aus dem am 4. März ent- nommenen Blut am 6. März gewonnen worden war, einer Reihe von Meerschweinchen eingespritzt. Mäuse wurden deshalb nicht verwendet, weil diese Tiere, wie Versuche gezeigt haben, auch durch nicht spezifische Sera, wie z. B. durch Schweineseucheserum, vor dem Tode geschützt werden können. Bei Meerschweinchen dagegen hat ein derartiges nicht spezifisches Serum gar keine Wirkung gegenüber dem Schweinepestbazillus; auch eine nicht spezifische Resistenzerhöhung durch vorangehende intraperitoneale Flüssigkeitsinjektion kommt für sie nicht in Betracht.

Zur Serumprüfting wurden ausschließlich ganz junge Meer- schweinchen, die w^eniger als 100 g wogen, benutzt, da diese Tiere am empfänglichsten sind.

I. a) 3 Meerschweinchen erhalten je 0,5 ccm spezifischen Serums intraperit. b) 3 ^ ^ 0,25 .

474

Bodann nach 24 Stunden je Vioo ^^^ Agarknltur des B. suipestifer intraperit. Ferner erhalten drei Eontrolltiere ebenfalls Vioo Öse Koltar intraperitoneaL Die Eontrolltiere sterben binnen 24 Stunden, die mit Serum vor- behandelten bleiben sämtlich am Leben.

II. a) 3 Meerschweinchen erhalten, gleichzeitig mit denen in Versuch I, 0,5 com normales Büffelserum intraperit b) 3 Meerschweinchen erhalten, gleichzeitig mit denen in Versuch I, 0,25 ccm normales Büffelserum intraperit, sodann 24 Stunden später Vioo ^^^ Schweinepestkultur intraperit. Alle diese Tiere sterben binnen 24 Stunden. Aus ihren Organen und ihrem Blut sind Schweinepestbazillen züchtbar.

Der Titer des Serums war somit mindestens 0,1 (gegen- über Vioo Öse Kultur).

Es ist also gelungen, durch die Immunisierung mit aggressinhaltigen Exsudaten eine hohe aktive Immunität einerseits, und durch Verwendung des Serums der aktiv immunisierten Tiere eine ansehnliche passive Immunität andererseits zu erreichen. Die Dosen, die zur Erreichung dieses Zieles benötigt wurden, waren verhältnismäßig klein.

Es bleibt jetzt noch übrig, die Verfahren gegen beide Seuchen, Schweineseuche und Schweinepest, auf Grund meiner Unter- suchungen über Schweinepest und der Untersuchungen von Weil über Schweineseuche zu kombinieren und experimentell bei beiden Seuchen zu prüfen.

Referate.

Die Trypanosomen als Parasiten und Krankheitserreger.

Sammelreferat

von

P. KaestDer,

Tierarzt in Berlin. (Schluß^

Trypanosoma Lewis! Kenth 1880. Bas Trjrpanosoma der ^anen Ratten.

Dieser Parasit hat kosmopolitische Verbreitung. Er findet sich nicht bei weißen oder gefleckten Ratten, obwohl dieselben für die experimentelle Infektion empfanglich sind. Die Übertragung erfolgt außer durch Flöhe und Wanzen auch durch Läuse (Haemato- pinus), wie v. Prowazek nachgewiesen hat.

Das Rattentrypanosoma ist für sein Wirtstier nicht pathogen und ist bei der Übertragung auf andere Tierarten nicht vermehrungs- fähig. Das Phänomen der Agglutination wird durch das Serum von nicht infizierten Ratten nicht ausgelöst, wohl aber durch das Serum von solchen Ratten, denen wiederholt gesteigerte Dosen parasitenhaltigen Blutes eingespritzt worden waren. Nach einmaligem Überstehen der Infektion en^^eisen sich Ratten bei der erneuten Einführung der Parasiten refraktär. Das Serum von Ratten, die durch wiederholte Einspritzungen gesteigerter Mengen parasiten- haltigen Blutes vorbehandelt worden sind, entwickelt immunisierende Eigenschaften. Intraperitoneale Einführung eines Gemenges viru- lenten Blutes und eines derartigen Serums ruft keine Infektion mehr hervor.

Trypanoplasma Borreli (Laveran und Mesnil).

L6ger beobachtete den Blutparasiten in der Dauphine im Blut von Rotaugen. Er findet sich oft massenhaft im Blut und

476

in der Lymphe verbreitet und erzeugt eine hochgradige todliche Anämie. An den erkrankten Fischen macht sich Verfärbung und Anschwellung bemerkbar; die Tiere halten sich unbeweglich und fressen nicht.

Trypanoplasma cyprlni Plehn.

Der von Marianne Plehn im Karpfenblut gefundene Parasit bedingt beim Karpfen tödliche Anämie. Die Tiere fallen auf durch blasse Kiemen und zeigen in der letzten Lebenszeit Unlust und beschleunigte Atmung.

Die Surrakrankheit (Trypanosoma Evansi).*)

Die Krankheit ist heimisch in Indien und wird erzeugt durch das Trypanosoma Evansi. Dieses ist 25—28 [i lang (inkl. Geißel), ähnlich dem Rattentrypanosoma, nur ist das hintere Körperende weniger spitz und enthält, im Gegensatz zu dem Trypanosoma Brucei, ein kleineres Chromatinkom. Auch ist Tryp. Evansi be- weglicher und in der Form schlanker wie Tryp. Brucei.

Die Erscheinungen der Krankheit bestehen in intermittierendem Fieber mit 1— 6tägigen Exazerbationen (relapsing fever), dunkel- roter Verfärbung der Konjunktiva, ödematöser Schwellung der Haut und unterbaut, der abhängigen Körperstellen und rapidem Muskel- schwund. Trotz der hochgradigen Krankheitserscheinungen bleibt der Appetit ein guter. Im letzten Stadium der Krankheit tritt Lähmung der Hinterhand ein. ZuweUen finden sich Iritis exsudativa und Petechien auf der Schleimhaut der Scheide. Die Dauer der Krankheit beträgt 45—60 Tage. Perakute Formen kommen nur ausnahmsweise vor. Als pathologisch-anatomische Veränderungen finden sich Blässe und wäßrige Durchtränkung der Organe, sowie Aszites. Die Fundusschleimhaut des Magens ist hyperämisch und zuweUen ulzeriert. Die Darmschleimhaut ist ekchymosiert. Tritt der Tod im fieberhaften Stadium ein, so besteht Milztumor, andern- falls fehlt dieser, oder die Milz ist sogar kleiner. Der Harn enthält Eiweiß, Hämoglobin und Gallenfarbstoff.

Empfänglich für die Krankheit sind besonders das Pferd und das Maultier, widerstandsfähiger ist der Esel. Rinder und Büffel

*) Die Eingeborenen bezeichnen mit dem Xamen „Surra^ jede chronische, tödlich endende Krankheit der Pferde, Maultiere und Kamele.

477

sind weniger empfänglich für Smra. Der Bison ist völlig unempfäng- lich, obwohl er Bewohner des Dschungels ist. Die Krankheit ist übertragbar auf Schafe, Ziegen, Kaninchen, Meerschweinchen, graue Ratten und Affen. Vögel, Reptilien, Amphibien und Fische er- scheinen refraktär. Vermittler der Infektion ist Tabanusf tropicus, und zwar nur während der heißen und regnerischen Jahreszeit^ Wahrscheinlich kommen auch noch andere Fliegenarten als Über- träger in Betracht. Auf den Philippinen z. B. erfolgt die Über- tragung nach Cury durch Stomoxys calcitrans. Durch einmaliges Überstehen der Krankheit wird keine Immunität erzeugt.

Mbori oder Maladie de la roouche.

Im französischen Sudan wurde unter Dromedaren eine surra- ähnliche Krankheit beobachtet, die die Mauren und Araber iim Timbuktu „Mbori" oder Maladie de la mouche nennen. Cazalbou erklärte sie för eine selbständige Seuchenform, und Vall6e und Plisse't bewiesen durch Impfung, daß Mbori entweder mit Surra übereinstimmt oder ihr nahe steht. Der Träger der Infektion, Ta- banus sudanensis, wird von den Eingeborenen „el debab" genannt. Die Krankheit äußert sich klinisch durch Fieber, Abmagerung und progressive Anämie, die in 2 bis 8 Monaten zum Tode führt. Auch Ödeme sowie Lähmungserscheinungen werden im Verlauf der Krank- heit beobachtet.

Souroaya oder Souroa.

Cazalbou berichtet über eine periodisch auftretende Seuche unter den Rindern im französischen Sudan, welcher die Tiere unter Abmagerung, unregelmäßigen Fieberattacken, Diarrhöe und Ödem- bildung nach etwa 7— 8 monatlicher Dauer der Krankheit erliegen. Im Blut spärliche Trypanosomen, die den bei Mbori gefundenen ähneln. Milztumor wird nicht beobachtet. Träger der Infektion ist Tabanus niger.

Die Nagana- oder Teeteefflegenkrankheit. (Trypanoeoma Brucei).

Das Wort „Nagana" bedeutet in der Sprache der Zulu einen Zustand der Kraftlosigkeit. Die Seuche ist in niedriggelegenen und sumpfigen Gegenden von ganz Afrika verbreitet. Ihr spontanes Auf-

- 478

treten ist beobachtet worden beim Pferd, Rind, wilden Büflfel, Esel, Maulesel, Hund, ferner bei vei-schiedenen Antüopenart^n, wie Wildebeest, Kudu, Buschbock, endlich bei der Hyäne. Wahr- scheinlich sind auch das Kamel und der Elefant für die In- fektion empfänglich. Experimentell ist die Krankheit übertragbar auf Ziege, Schaf, Schwein, Hund, Katze, Kaninchen, Meer- schweinchen, Ratte (weiß und grau), Maus (weiß und grau). Auffallend ist die Empfänglichkeit des Zebra für die künstliche Infektion; zweifelhaft ist jedenfalls, ob das Zebra ebenso auch für die natürliche Infektion empfänglich ist. Schilling gelang es zum

ersten Mal, auch Gänse zu infizieren, nachdem er die Trj^- panosomen 25 mal durch den Hundekörper hatte passieren lassen. Schilling hat durch seine vielfachen Übertragun- gen bestätigt, daß es durch fortgesetzte Passage-Impfun- gen innerhalb einer Tierart (Hund) gelingt, nicht nur die Virulenz der Parasiten für eine verwandte Art umzustimmen, sondern dieselben sogar für eine ganz andere Gattung (Vögel Gans), für die sie bisher avirulent waren, in- fektionstüchtig zu machen. Der Erreger der Krankheit ist das Trypanosoma Brucei, das eine Länge von etwa 28—32 ^ hat. Die Parasiten finden sich, wenn nicht im zirkulierenden Blut, so doch stets im roten Knochen- mark. Sie erzeugen eine manchmal akut verlaufende, meist aber erst nach Wochen tödlich endende Anämie. Diese kennzeichnet sich durch Verringerung des Hämoglobingehaltes und Oligo- zythämie, Erscheinungen, die von einem remittierenden, im Beginn der Erkrankung in regelmäßigen Abständen exazerbierenden Fieber begleitet sind. Die Zahl der auffindbaren Parasiten steht gewöhn- lich in Beziehung zu der jeweiligen Temperaturerhöhung. Die Zahl der Erythrozyten sinkt im Verlauf der Infektion auf ^/j, der Hämo- globiiigehalt auf ^/^ der Norm.

Fig. 2. Trypanosoma Brucei (Mäuseblnt). 1:400.

479

Das Wesen der Nagana beruht nach Schilling auf einer durch die Lebenstätigkeit der Parasiten verursachten Insuffizienz der blutbildenden Organe, insbesondere des Knochenmarks. Die Folgeerscheinungen der Anämie sind Insuffizienz des Herzmuskels, Kapillarblutungen und Ödeme. Hierzu kommen manchmal noch, besonders in akuten Fällen, Milztumor, exsudative Perikarditis, Keratitis und Iritis. Das Aderlaßblut zeigt nach Martini eine Herabsetzung des Fibrinbildungsvermögens, was er dadurch zu erklären sucht, daß die Trypanosomen sich wahrscheinlich von den gelösten Eiweißsubstanzen des Blutpiasmus ernähren.

Als Vermittler der Infektion wurde bisher ausschließlich die Tsetsefliege, Glossina longipalpis s. morsitans (Wiedemann 1830) angesprochen. Koch hat auf seiner letzten Expedition nachgewiesen, daß als Träger der Infektion hauptsächlich in Betracht kommt Glossina fiisca, die auch am zahlreichsten gefunden wurde, des weiteren daneben Gl. morsitans, pallipides, tachinoides, palpalis und vermutlich auch Gl. longipennis.

Wahrscheinlich sind nach Koch die Bluttrypanosomen zur Infektion der Glossinen nur in einem bestimmten, uns noch nicht bekannten Zustand befähigt. In einem solchen Zustand finden sie sich wahrscheinlich bei den latenten Trägern der Infektion, den verschiedenen Wildarten. Sowohl Männchen wie Weibchen saugen Blut, und zwar auch nachts. Die Weibchen halten sich versteckt und kommen erst zum Vorschein, wenn sie Tiere wittern. Die Weibchen legen nicht Eier, wie andere Dipteren, sondern er- zeugen immer nur einzelne weiße Larven, die sich nach wenigen Stunden verpuppen. Zwischen dem Ablegen der einzelnen Larven verstreicht eine Zeit von 10—20 Tagen, je nach der Lufttemperatur. Ein Weibchen produziert also pro Monat nicht mehr als 2 3 Nach- kommen. (Koch).

Koch ist nun hinlänglich der Nachweis gelungen, daß die Trypanosomen in dem Körper der Tsetsefliege tatsächlich ihre Ent- wicklung durchmachen. Im Rüssel der Glossina ftisca wies er Trypanosomen in großer Zahl nach und fand die verschiedenen Entwicklungsstadien im Magen der genannten Tsetsefliege.

Bruce hat nachgewiesen, daß das Blut vieler Wildarten in- fektiös ist, ohne daß sich in demselben Parasiten nachweisen lassen. Es ist daher in der latenten Infektion des Wildes die nie versiegende Quelle der Verbreitung der Nagana zu suchen.

ZeiUebrift fQr Infektionskrankheiten. I, 6. 31

480

Schilling danken wir eine eingehende Schilderung der Nagana- formen bei den einzelnen Haustieren.

Immunisierungsversuche. Martini führte die Schwierig- keit der Immunisierung zurück auf die auffallenden Virulenzschwan- kungen der Infektionserreger. Es gelang ihm trotzdem, vermittelst zahlreicher Passagen des Virus durch Ratten und besonders weiße Mäuse, ähnlich wie bei der Tollwut, ein „Höchstvirus" (Virus fixe) zu gewinnen, mit dem er bei Rindern und Eseln parasitizid wirkende Stoflfe zu erzeugen vermochte. Er empfiehlt eine immunisierende Vor- behandlung flr Transport- und Reitpferde, sofern dieselben durch eine Tsetsegegend ziehen müssen. Dauernd immunisierte Tiere sich zu halten, erscheint dagegen gewagt; denn nach den Er- fahrungen von Koch in Afrika können in ihnen Tsetseparasiten bis zu sechs Jahren als Symbionten bleiben, so daß diese Tiere eine ständige Infektionsquelle darstellen würden.

Schilling hat Rinder in Togo nach der von Koch ange- gebenen Methode immunisiert. „Das Prinzip der Immunisierung gegen Nagana beruht nach Koch auf der Passage durch eine andere Tierart, als von der man ausgeht. Es beruht auf der künstlichen Infektion hochempfindlicher Tiere mit infolge Passage auf eine fremde Tierart abgeschwächten und infolgedessen weniger virulenten Keimen. Durch die Anpassung an die von dem Wirt I verschiedenen Lebensbedingungen des Wirtes n werden sie für ersteren ungefährlich."

Trypanosoma vivax Ziemann.

Der Erreger einer von Ziemann bei den Haustieren (Rind, Schaf, Ziege) Kameruns beobachteten Seuche. Er unterscheidet sich vom Trypanosoma Brucei angeblich durch folgende Merkmale:

Er hat eine von jenem verschiedene Gestalt, besitzt größere Beweglichkeit und entfaltet eine größere Virulenz. Scheinbar sind nur Rind, Schaf und Ziege empfänglich. Tiere mit hoher Resistenz gegen Trypanosoma Brucei erkranken trotzdem an Trypanosoma vivax.

Aino.

Brumpt beobachtete eine der Nagana ähnliche Erkrankung von Transporttieren im Somalilande. Dromedare und Maulesel sind, sofern sie angestrengt werden, dafür empfänglich. Brumpt

- 481

unterscheidet drei Formen der Krankheit, eine ödematöse, hämorrha- gische und eine Mischform. Charakteristisch ist ein Ödem der Augen- höhlengruben. Aino ist die Bezeichnung der Eingeborenen für Glossina longipennis.

Die Dourine Besch&lseuohe (Trypanosoma equiperdum).

Das arabische Wort „Dourine" bedeutet soviel wie unreine Be- gattung. Die Krankheit entsteht nur durch direkte Übertragung bei der Begattung (mal du coit.). Sie wurde angeblich bereits 1816—1820 in den Gestüten Trakehnen und Celle beobachtet. (?) Rouget hat 1894 zuerst Trypanosomen bei dieser Krankheit nachgewiesen. 1899 haben Schneider und Buffard die Krankheit durch Überimpfung experimentell erzeugt.

Hengste, Stuten, Eselinnen erkranken spontan, Wallache und Maultiere jedoch nicht.

Im klinischen Verlauf der Krankheit lassen sich drei Perioden nachweisen: Die erste ist charakterisiert durch die Bildung von Ödemen, die zweite durch die Bildung von Quaddeln in der Haut, die dritte durch Anämie, Kachexie, Parese und Paraplegie. Die Krankheit währt 2 6 Monate, selbst ein Jahr und länger. 11 20 Tage nach der Infektion bilden sich bei den empfang- lichen Tieren ödematöse Schwellungen der äußeren Geschlechts- organe, die teils schmerzlos, teils schmerzhaft-entzündlicher Natur sind. Bei der Stute entstehen 5—6 Tage nach der Begattung Schwellung und Rötung der Schleimhaut der Scheide, sowie Scheiden- ausfluß. Im Verlauf des Leidens schwellen die Lymphdrüsen des ganzen Körpers an, ohne Neigung zur Induration zu zeigen. Da- neben besteht Hyperästhesie in der Lendengegend, und es tritt eine urtikariaartige Hauterkrankung auf. Im letzten Stadium der Krank- heit bilden sich Lähmungserscheinungen aus. Auf der Kornea ent- stehen bisweilen Llzerationen.

Die Dauer der Krankheit beträgt 8 Monate bis 2 Jahre.

Beim Esel beschränkt sich die Aflfektion auf lokale Ver- änderungen der äußeren Geschlechtsteile. Die Krankheit währt hier etwa 2 3 Jahre. Gerade derartig erkrankte Tiere bilden eine ständige Infektionsquelle. Pathologisch-anatomische Veränderungen finden sich, außer an den Geschlechtsteilen, an den nervösen Organen, bestehend in einer difiusen oder herdweisen Erweichung

31*

482

des Rückenmarks in der Lendengegend. Histologisch ist an diesen Stellen eine Degeneration der Nervenstränge nachzuweisen. Marek bezeichnet die Krankheit mit Rücksicht auf die Art der anatomischen Veränderungen als infektiöse Polyneuritis.

Selbst die intakte Schleimhaut ist nach Rouget fiir die Try- panosomen durchlässig.

Die Parasiten sind enthalten im Blut, sowie in den ödema- tösen Flüssigkeiten, im Exsudat der Schleimhaut der Harnröhre und der Vagina, im Sperma und in der Milch, ebenso wie in den erweichten Stellen des Rückenmarks. Im Blut sind sie immer nur in spärlicher Anzahl vorhanden. Tiere, die die Krankheit einmal überstanden haben, bleiben, auch wenn sie keine Erscheinungen mehr zeigen, noch für einige Jahre infektiös.

Szewczyk beobachtete im südlichen Algier eine Form der Trypanosomiasis bei Pferden, die wahrscheinlich von der Dourine verschieden ist. Die Krankheit äußert sich durch Blut- armut und Störungen im Zentral-Nervensystem. S. unterscheidet drei Fonnen der Krankheit, und zwar eine subakute, chronische und nervöse Form. Im Blut der erkrankten Tiere fand sich eine Trypanosomenform, die diejenige der Dourine an Größe über- traf und als weiteres Unterscheidungsmerkmal zahlreiche Granu- lationen am Vorderteil aufwies. Überdies enthielt das Blut des großen Kreislaufes zahlreiche Parasiten, was bei der Dourine nur selten vorkommt.

Das Mal de Caderas.*)

Die Krankheit ist in ganz Südamerika verbreitet. Ihr Erreger, das Trypanosoma equinum Voges (Syn. Tryp. Ehnassiani Ligniferes), ist 24—26 II lang und 1—2 n breit. Der Blepharoplast ist wenig* markiert.

Die Erscheinungen der Krankheit sind ähnlich wie bei den vorhergenannten Trypanosomen-Affektionen. Der tödliche Ausgang* tritt nach 15 Tagen bis 4 Monaten ein. Elmassian unterscheidet drei Formen der Krankheit, eine akute, chronische und eine spastisch- paralytische Form. Die erstere wird durch sehr starkes, fort- schreitendes Abmagern gekennzeichnet, obgleich die Freßlust bis zuletzt bestehen bleibt; femer tritt starke Blutarmut nebst inter-

*) Cadera = Lende.

483

mittierendem Fieber auf. Häufig findet sich Parese des Hinterteils, die zu Paraplegie und schließlich zum Tode fuhrt. Charakteristisch ist die Erkrankung der Augen. Es besteht Ödem der Augenlider, Konjunktivitis und Chemosis, interstitielle diffuse Keratitis und Hypopyonbildung. Die anfallsweise auftretenden Veränderungen an den Augen heilen ohne Zurücklassung von Spuren. Die chronische Form verläuft unter dem Bilde der progressiven Abmagerung und kann sich über vier Monate hinziehen. Bei der spastisch-paralytischen Form treten Muskelzuckungen, Trismus und epileptiforme Krampf- anfäUe auf.

Anatomische Veränderungen: In Brust- und Bauchhöhle, im Herzbeutel und selbst in den Gelenkhöhlen findet sich ein serofibrinöses Exsudat. Die Serösen sind leicht ramiform gerötet. Die Parenchyme sind geschwollen, desgleichen die Milz, die dabei feste Konsistenz und dunkle Färbung zeigt. Besonders charakte- ristisch sind die Nierenveränderungen. Neben parenchymatöser Entzündung bestehen diffuse interstitielle Hämorrhagien. Die Ham- kanälchen sind verstopft und erweitert. Der Harn enthält Eiweiß, Blut und Nierenzellen. Unter den Gehirn- und Rückenmarkshäuten findet sich ein geringes Exsudat.

Empfänglich ist das Pferd, weniger das Maultier und der Esel. Kinder, Schafe, Ziegen und Schweine widerstehen der natürlichen Ansteckung und reagieren auch auf die Impfung nur schwach. Der Hund ist sehr empfänglich, dagegen ist die Katze widerstands- fähiger. Am empfanglichsten sind weiße Mäuse, dann kommen Hunde, Pferde, Kaninchen, Katzen, Meerschweinchen, Hammel, Rinder. Eine Übertragung auf Vögel gelang Lignieres nicht. Durch Kohabitation wird die Krankheit nicht übertragen. Zabala und Voges nehmen an, daß die Übertragung durch Stomoxys calcitrans vermittelt wird. Ligniferes und Elmassian bestreiten die Berechtigung dieser Annahme. Das Inkubationsstadium beträgt 2—5 Tage. Die Fieberexazerbationen währen 1—2 Tage, um nach 3 6 Tagen wieder zu erscheinen. Experimentell infizierte Rinder zeigen keine Krankheitserscheinungen, jedoch ist ihr Blut während 4 5 Monaten infektiös. Hunde sterben nach 1 2 Monaten, Ka- ninchen nach 30 Tagen. Die Infektion per os ist selbst durch große Dosen bei den empfanglichen Tieren nicht möglich.

Hammel, Schweine und Rinder werden durch einmalige Infektion durchaus immun.

484

Trypanosoffla dinnorphon. Dutton und Todd (1904).

Diese Spezies wurde von Dutton und Todd am Senegal bei Pferden beobachtet. Sie tritt in einer länglichen (22 fi) und einer gedrungenen (10—15 fi) Form auf. Die undulierende Membran ist schwach entwickelt, und eine freie Geißel ist nur schwach aus- geprägt. Der klinische Verlauf der Krankheit ist ähnlich wie bei den übrigen Formen der Trypanosomiasis, nur zieht sich das Leiden längere Zeit, etwas über ein Jahr lang hin. Die Parasiten sind im zirkulierenden Blut nur in spärlicher Menge nachweisbar, in größerer Zahl aber kurz vor dem Tode. Bei der Überimpfung auf Mäuse, Ratten, Meerschweinchen, Kaninchen und Rinder entwickelt sich die Krankheit in akuter oder subakuter, dagegen bei Schafen und Ziegen in chronischer Form.

Trypanosoma Theileri.

Nach Laveran und Mesnil erzeugt Trypanosoma Theileri bei Rindern eine mit oder ohne Fieber verlaufende, unter rapider Erythrozytenzerstörung schnell zum Tode führende Anämie, die sogenannte ,.Gaalziekte". Als anatomische Veränderung findet sich Milzvergrößerung und Ekchymosierung des Perikards. Die Länge des Parasiten beträgt, einschließlich der ^^ der Gesamtlänge betragenden Geißel, etwa 30 65 //, die Breite 3,5 4 fi. Der Parasit ist durch Blutimpfung nur auf Rinder übertragbar. Die natür- liche Übertragung der Krankheit erfolgt nach Theiler wahrschein- lich durch Hippobosca rufipes.

Das seinerzeit als besondere Art aufgefaßte Trypanosoma trans- vaaliense ist wahrscheinlich identisch mit Tryp. Theileri.

Die Leish manschen Körperchen.

Diese eigenartigen Gebilde wurden bei zwei Krankheiten des Menschen beobachtet :

1. Bei Geschwüren der Tropen wurden sie 1876 von Lewis und Cunningham, 1886 von Riehl, 1891 von Firth (Sporozoa furuncnlosaX 1903 von Wright (bei der Aleppobenle), 1904 von Martsinowski und Brogrov vorgefunden.

2. Bei der tropischen Splenomegalie. Sie sind wahrscheinlich auch die Ursache der sogenannten Eala-Azar, einer allgemeinen tropischen Infektions- krankheit

In Ausstrichen der Milz finden sich rundliche Körperchen von 2,5 3,5 fi Gr06e, entweder frei oder bis zu acht Stück in d-^S /i groften Protoplasma-

485

körpem eingebettet. Sie haben einen größeren runden und einen kleineren stabförmigen, chromatinreichen Kern.

Die Krankheit äußert sich durch ein unregelmäßiges, der Chininmedikation trotzendes Fieber. Die roten Blutkörperchen sind dabei vermehrt und frei von Parasiten.

Blanchard hält die Parasiten für Ent- oder Einrollungsformen von Trypanosomen.

Allgemeine Bakteriologie.

Zettnow, Färbung und Teilung der Spirochaeten.

(Zeitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 52, 1906, S. 483 -494 n. Nach- trag S. 539.)

Auf Grund M. A. Borreis Veröffentlichungen über den Geißel- apparat der Htilmerspirochaeten gelang es Verf. bei den Rekurrens- Spirochaeten aus Rattenblut ebenfalls Geißeln nachzuweisen.

Bugge (Kid).

Almqalst^ E., Kultur von pathogenen Bakterien in Dünger- stoffen.

(Zeitschr. f. Hygiene n. Infektionskrankh., Bd. 52, 1906, S. 179—198.)

In feuchter, steriler Erde und im Dünger können die Bakterien der Cholera, des Typhus, des Paratyphus, der Dysenterie, das B. coli üppig wachsen, während Eiter- kokken und deren Verwandte sich nur spärlich vermehren. Die verschiedenen Erreger zeigen unter diesen Bedingungen mancherlei Abweichungen, je nach der Zeit, in bezug auf Zahl und Bau. Die Virulenz nimmt nicht ab. Nach den Beobachtungen dürften die Mikroorganismen in Düngerflüssigkeit und gedüngter Erde außerhalb der menschlichen Wohnungen wachsen können.

Bugge fKülJ.

Trommsdorff, B., Über den Mäusetyphusbazillus und seine Verwandten.

(Arch. f. Hygriene, Bd. 55, 1906, S. 279—289.)

Verf. fand bei Untersuchung des Stuhles zweier unter den Symptomen der sogenannten Cholera nostras erkrankten Leute, die mit der Verteilung von Mäusetyphuskultur zu tun hatten, Bak- terien, die weder durch ihre biologischen, morphologischen und typischen tierpathogenen Eigenschaften bei Verfütterung an Mäuse, noch durch die Agglutination vom Bac. typhi murium Löffler zu

486

trennen waren. Verf. prüfte infolgedessen zahlreiche Stämme w)n verschiedenen Bakterien, die in ihren morphologischen und biologi- schen Eigenschaften keine wesentlichen Unterschiede erkennen lassen, mittelst der Agglutination auf ihre Identität. Er verschaffte sich hochwertige Sera von Stämmen des Mäusetyphus, B. enteritidis, B. paratyphosus, B. suipestifer und des Fleischvergifters Typus Aertryck und einer Psittakosiskultur. T. gelangte zu folgenden Ergebnissen:

I. Die Agglutinationsprufung liefert hinsichtlich Diffe- renzierung der Bakteriengruppe: Mäusetyphus, Fleisch- vergifter (Typ. B. enteritidis), Suipestifer, Paratyphus B., Psittakosis höchst unsichere Resultate.

n. T. glaubt aber den Bac. enteritidis von den übrigen vorstehend genannten Bakterien abtrennen zu können, weil nur drei Stämme desselben von Mäusetyphusserum agglutiniert wurden, keiner von Schweinepest- und Paratyphus B-Serum, femer weil ein Stamm X, der sonst von allen geprüften Seris mehr oder weniger agglutiniert wurde, von keinem der Enteritidissera beeinflußt wurde.

in. Unter den Paratyphus B- und den Schweinepestbazillen gibt es verschiedene Gruppen. T. fand je einen Stamm, der sich gegen- über den meisten Seris atypisch verhielt.

IV. Die Bazillen des Mäusetyphus, der Schweinepest, des Paratyphus B, des Fleischvergifters Aertryck und der Psittakosis lassen sich mittelst des Agglutinationsver- fahrens nicht unterscheiden, T. empfiehlt aber vorläufig, die verschiedenen Namen der nicht differenzierbaren Bakterien bei- zubehalten, da noch andere Eigenschaften derselben, wie Toxin- bildung, Hitzebeständigkeit der Toxine und Tierpathogenität in Betracht kämen, immerhin aber bei Verwendung der besprochenen Erreger von Zoonosen mit Rücksicht auf ihre mögliche Gefährlich- keit filr den Menschen vorsichtig zu sein. Uturxer (Siraßburg «. Elsj.

Simoneini, G. B«, Sulla reazione deli organismo alle pro-

teine del B. prodigioso, del B. coli e del B. del Car-

bonetio. (Über die Reaktion des Organismus gegen das

Protein des B. prodigiosus, des B. coli und des B. anthi-acis.)

(Annali d'I^ene sperimentale, 1906, S. 83—100).

Verf. hat mit dem Protein des B. prodigiosus und B. anthracis

Untersuchungen angestellt, um die Resistenz des Meerschweinchens

und Kaninchens zu prüfen. Er schließt folgendermaßen:

487

L Das Protoplasma des B. prodigiosus und B. anthracis ent- hält mehrere Substanzen, die von verschiedener Giftigkeit sind, akku- mulative Wirkung im Körper der Tiere besitzen und teilweise in verdünnter Kalilauge löslich sind. Der gelöste Teil, der weniger Giftigkeit besitzt, ist in großer Menge im Protoplasma des B. pro- digiosus, in sehr kleiner in demjenigen des B. anthracis vorhanden.

n. Das Protein des B. prodigiosus ist nicht imstande, bei Kaninchen und Meerschweinchen spezifische Antikörper zu bilden.

in. Wenn beide Proteinsubstanzen des B. prodigiosus als Vaccin angewendet werden, kann man eine geringe Immunität erzeugen; jedoch treten auch Ausnahmefälle ein. Wirkungslos dagegen ist der lösliche Teil sowohl wie der unlösliche, wenn jeder fiir sich allein zur Anwendung gebracht wird.

IV. Es ist nicht gelungen, Kaninchen und Meerschweinchen mit dem Protein des B. anthracis gegen Milzbrand zu immunisieren.

Orosso (ü. Z, Berlin).

Abderhalden, E., u. Temnchi, T., Kulturversuche mit Asper- gillus niger auf einigen Aminosäuren und Peptiden.

(Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 47, 1906, S. 394—396.)

Aspergillus niger wächst gut bei Zusatz von GlykokoU, Glycyl- glycin, Triglycin, Glycinanhydrid, Alanin, Leucylglycin, Leucyl- asparagin. Andere Polypeptide sind weniger geeignet, z. B. Glycyl-

alanin, Leucyl-glycin-glycin. Scheunert (Dresden).

Moro, E., u. Masath, F., Über die bakteriellen Hemmungs- stoffe des Säuglingsstuhles.

(Wiener klin. Wochenschr., 19. Jahrg., 1906, S. 371—376.)

Die Verff. erblicken eine der bedeutungsvollsten Leistungen der normalen Darmbakterien in dem Widerstand, den sie dem Ein- dringen organisierter Schädlichkeiten entgegensetzen. Die VerflF. schließen: „Der normale Säuglingsstuhl enthält intensiv wirksame bakterielle Hemmungsstoffe, die an der natür- lichen Schutzkraft des Darmes wesentlich beteiligt sind. . . An der Bildung der Hemmungsstoffe scheint das B. coli commune den hervorragendsten Anteil zu nehmen". J.

Levy, E,, u. Fornet, W., Über Filtrataggressine.

(Deutsche med. Wochenschr., 32. Jahrg., 1906, S. 1039.)

Die Verff. glauben aggressive Eigenschaften in sterilen Fil- traten von 24-, höchstens 48 stündigen Bouillonkulturen des Typhus- bazillus und des B, paratyphosus B nachgewiesen zu haben. j.

488

Infektionskrankheiten.

Simader, F., Über Lnngenatelektase und ihre Beziehungen zur Schweineseuche.

(Inang.-Diss. [Leipzig] Berlin 1906. 70 Ss., 2 Taf.)

Veranlaßt durch die Meinungsverschiedenheiten, die bisher auf dem Gebiet der Schweineseuche herrschten, untersuchte Verf. die Lnngenatelektase, mit besonderer Berücksichtigung ihrer Beziehung zur chronischen Schweineseuche. Nach einer eingehenden Schil- derung der Geschichte, Definition und Einteilung, der Ätiologie und Pathogenese sowie der Ausgänge der Lnngenatelektase beschreibt Verf. seine eigenen Untersuchungen, aus denen er folgende Schlüsse zieht:

„1. Die Atelektase tritt in verBchiedenen Fonnen auf, deren wichtigste die

rein angeborene Form einerseits and die erworbene Verstopfangsatelektase

andererseits sind.

2. Angeborene Atelektase liegt vor, wenn die betreffende Lunge außer den charakteristischen Veränderungen ihrer kleinen Lappen in ihren Übrigen Teilen normal ist oder aber wenigstens der an das atelektatische Gewebe direkt anstoßende Teil der Bronchen der lufthaltigen Gebiete unverändert befunden wird.

3. Erworbene Atelektase ist hingegen anzunehmeui wenn sich eine all- gemeinere Bronchialerkrankung nachweisen läßt und eventuell Falten- bildung an der Pleura des atelektatischen Gebietes besteht.

4. Bei unseren Haustieren, besonders aber bei allen Sehlachttieren, ist, gleichwie beim Menschen, Atelektase der Lungenspitzen ein sehr häufiger Befund.

5. Diese Atelektase ist nahezu durchweg als ein angeborener Zustand auf- zufassen.

6. Die Schicksale solcher atelektatischen Herde sind verschieden. Es kann erstens Genesung, Restitution eintreten, wenn noch rechtzeitig nach- trägliehe Aufblähung erfolgt. Kommt es hierzu nicht, so entsteht in einer Reihe von Fällen mit der Zeit Atrophie der betroffenen Teile. Sehr häufig aber entwickelt sich aus der Atelektase Splenisation, welche leicht durch Hinzutreten von Entzündungserregern in Hepatisation über- geht und Bronchialaffektionen, Abkapselungen und indurative Prozesse im Gefolge haben kann. Die Entzündungserreger sind dabei keineswegs immer spezifischer Natur.

7. Beim Schwein tritt angeborene Atelektase besonders häufig und relativ umfangreich auf, weil die Bedingungen dazu (Allgemeine Degeneration, kongenitale Rachitis und Muskeldegeneration etc.) bei ihm mehr wie bei anderen Tieren gegeben sind.

8. Mit Schweineseuche hat diese Atelektase zunächst gar nichts zu tun; aber auch Splenisationcn, Hepatisationen, Erkrankungen der Bronchen

489

und chronische Zustande der vorderen Lappen der Schweinelunge dürfen nach obigem nicht eher auf Schweineseuche bezogen werden, als bis eine spezielle bakteriologische Prüfung den Beweis erbracht hat, daß die Veränderungen durch den Bacillus suisepticus bedingt sind. 9. Die einzige Beziehung zwischen der Atelektase der Lungenspitzen des Schweines und der Schweineseuche ist somit darin gegeben, daß die erstere der letzteren günstige Infektionsbedingungen schafft. 10. Der Atelektase kommt mit ihren konsekutiven Veränderungen unter den bei der Differentialdiagnose der Schweineseuche in Betracht zu ziehen- den Lungenaffektionen die erste Stelle zu, gegenüber der in diesem Sinne gewöhnlich zuerst genannten Tuberkulose, der Lungenwurmkrank- heit und der Fremdkörperpneumonie.^

Hierzu möchte ich mir folgendes zu bemerken gestatten: Ich halte die pathologisch-anatomischen Untersuchungen und Erörte- nmgen des Verf. über die Atelektase im allgemeinen für verdienst- lich und wertvoll, kann jedoch seinen Ansichten über die Be- ziehungen der Atelektase zur Schweineseuche nicht ganz bei- pflichten.

Verf. fand in Leipzig von. Schlachtschweinen im Alter von etwa neun Monaten etwa 15%, von Saugferkeln im Alter bis zu drei Wochen 55 ^/q mit Atelektase behaftet. Auf Grund meiner Erfahrungen erscheinen mir diese vom Verf. angegebenen Prozentsätze zu hoch.*) Die hohe Ziffer erklärt sich wahrschein- lich daraus, daß der Verf. zur Atelektase und ihren Folge- zuständen auch Veränderungen, die der chronischen Schweineseuche zugehörten, rechnete.**) Wie sein Schlußsatz 8 besagt, zählt ja der Verf. „Splenisationen, Hepatisationen, Erkrankungen der Bronchen und chronische Zustände der vorderen Lappen" nicht eher zur Schweineseuche, als bis er Schweineseuchebakterien in diesen Teilen nachgewiesen hat. Nach den Untersuchungen Junacks (Zeitschr. f. Infektionskrankh. usw. der Haustiere, Bd. 1, 1906) und meinen Feststellungen (Schweineseuche und Schweine- pest, Jena 1906) gelingt der bakteriologische Nachweis des

*) Gelegentlich einer Besprechung der Arbeit Simaders in der Zeitschr. f. Fleisch- und Milchhyg., 16. Jahrg., 1906, Heft 9, erwähnt auch Broll, daß nach den im Hygienischen Institut der Berliner Tierärztlichen Hochschule vor- genommenen Untersuchungen von Schweiaelungen jeden Alters, die aus allen Teilen Deutschlands stammten, Atelektase in noch nicht 3% der Fälle gefunden wurde (J,),

**) Der Verf. ist z. B. auch überzeugt, „daß die von Ströse und Heine beschriebene enzootische Katarrhalpneumonie des Schweines nichts anderes ist als fötale Atelektase mit ihren Folgen" (J,),

490

Bacillus suisepticus durchaus nicht in allen Fällen von chronischer Schweineseuche. Der Schlußsatz 8 des Verf. läßt sich deshalb in der vorliegenden Fassung nicht aufrecht erhalten.

Der Verf. ist weiter der Meinung, „daß die Atelektase der Schweineseuche den Boden vorbereitet". Daß die Atelektase die Schweineseucheinfektion begünstigen kann, erscheint mir zweifel- los. Meines Erachtens überschätzt indessen der Verf. die Be- deutung der Atelektase in dieser Hinsicht. Aus der Tatsache, daß die Atelektase und die chronische Schweineseuchepneumonie die gleichen Lieblingssitze in den Lungen haben, darf nicht geschlossen werden, daß die Schweineseuche in der Regel auf dem Boden der Atelektase entsteht. Die vorderen Lungenlappen und die orale Spitze des Hauptlappens bieten eben ihrer weniger guten Ventilation wegen auch ohne bestehende Atelektase Infektionserregern günstigere Ansiedlungsbedingungen dar, als etwa die dorsalen und mittleren Partien der Hauptlappen. In den Beständen, in denen die Schweine- seuche herrscht, sind im allgemeinen die nicht mit Atelektase behafteten Tiere ebenso gefährdet wie die an dieser Veränderung leidenden Tiere, wenn auch zuzugeben ist, daß die bereits mit Bronchialkatarrh und Exsudatanhäufungen in den Bronchen behafte- ten Tiere der Infektion etwas leichter zugänglich sein werden.

Vermißt habe ich in der Arbeit von S. den Versuch einer genauen pathologisch-anatomischen Scheidung von Schweineseuche und deren Residuen einerseits und Atelektase andererseits. In Be- tracht kommen von ersterer nicht nur die charakteristische chro- nische, als zellige, granulierende Pneumonie anzusprechende, be- sonders bei jungen Tieren vorkommende Form, sondern auch Residuen subakuter Schweineseuche in Gestalt von Indurationen (narbigen Schrumpfungen), die sich besonders bei älteren Tieren finden. Ich habe eine pathologisch-anatomische DiflFerentialdiagnose dieser Zustände um so mehr vermißt, als der Verf. in seinem Schluß- satz 10 auf die Wichtigkeit dieser Frage ausdrücklich hinweist. Die bakteriologische Untersuchung kann hier, wie vorstehend erwähnt, ja nicht als ausschlaggebend angesehen werden. Joest

Bridr^, J,, Pseudotuberculose caseeuse chez les agneaux.

(BnUet. de la Soc. centr. de med. vet., Annee 1905, S. 358—3(50. [Recneil de m6d. vet., Tome 82, 1905.])

Die von Preisz, Guinard und anderen Autoren unter dem Namen „Pseudotuberkulose** beschriebene Schafkrankheit, deren

491

Erreger der Bazillus von Preisz-Nocard ist, hat man nur bei Schlachttieren beobachtet, so daß ihre Symptomatologie nur flüchtig behandelt werden konnte. B. hatte nun Gelegenheit, bei jungen Lämmern eine Krankheit zu verfolgen, die viel Analogien mit der obigen bot und die hinsichtlich ihres Erregers und der Art der Übertragung ein gewisses Interesse erweckte.

Die Symptome wechseln nach dem Sitz der Veränderungen. Konstant ist allein eine große Schwäche, die einige Tage nach der Geburt einsetzt und bis zu dem ungefähr in drei Wochen erfolgenden Tode immer stärker wird. Bei der Sektion findet man wechselnd große Eiterherde in den verschiedenen Organen, besonders in der Leber und den Lungen, wobei letztere mehr oder minder aus- gebreitete Entzündungen aufweisen können.

In dem Eiter und den erkrankten Organen ist stets ein sehr kleiner Bazillus nachweisbar, der, von ähnlicher Gestalt wie der Bazillus von Preisz-Nocard, viel kleiner als dieser und biologisch gut charakterisiert ist.

Der Bazillus wächst am besten in Serumbouillon und bringt Milch in Tier Tagen zum Gerinnen. Er gedeiht nicht oder sehr schlecht in gewöhn- licher Bouillon und auf gewöhnlichem Agar, gar nicht auf Gelatine und Kartoffeln. Auf Serumagar bildet er nach 80 Stunden kleine, runde, durch- scheinende Kolonien, auf erstarrtem Serum bewirken die kleinen Kolonien schnell eine Verflüssigung. Im Serumstich tritt in sechs W^ochen bei Wachstum bei 37 Grad eine fast voUflULndige Verflüssigung ein.

Der Bazillus ist a€rob und anaörob, unbeweglich, bildet keine Sporen, ist färbbar nach Gram und ebenso leicht mit den gewöhnlichen Farben, wobei bestimmte Teile des Bazillus die Farbe vornehmlich aufnehmen.

Der Bazillus ist wenig pathogen for Kaninchen und Meer- schweinchen. Eine intravenöse Impfung bei ersteren haftet nicht, eine intraperitoneale bei letzteren ebensowenig. Bei subkutaner Einverleibung entsteht ein Abszeß. Dasselbe ist der Fall bei jungen Schafen, wobei sich Metastasen anschließen können. Diesen Erfolg hat auch die intravenöse Einverleibung. Ein Tropfen Kultur auf den Nabel eines Lammes gebracht, tötet das Tier in 15 bis 20 Tagen unter denselben Erscheinungen wie bei der spontanen Infektion. Es handelt sich also nicht, wie bei der „Lung-disease'^ der irländischen Kälber, um eine Sekundär- infektion, die sich nur bei den durch die Pasteurella geschwächten Tieren entwickelt („White-scour'*).

492

Die Ansteckung erfolgt ohne Zweifel vom Nabel aus, und die Prophylaxis hat sich auf eine Desinfektion desselben zu erstrecken. Mit diesem Verfahren werden die besten Resultate erzielt.

Bei einigen jungen Tieren der Herde beobachtete B. auch äußere Abszesse, deren Eiter fast stets steril war, und in denen der Bazillus des Lammes nicht gefunden wurde. Vielleicht handelt es sich um eine andere Infektion.

In der Diskussion über vorstehende Arbeit hebt Moussu hervor, daß ein besonderes Gewicht auf die Unterschiede zwischen dem Bazillus von Preisz-Nocard und demjenigen B.s gelegt werden müsse. Ferner passe wohl die gewählte Bezeichnung „käsige Pseudotuberkulose" schlecht, da es sich um eitrige Prozesse handele. Moussu beobachtete sehr oft diffuse Hepatiten, kompliziert mit Peritoniten und Pleuriten mit Abszessen. Nach den äußeren Er- scheinungen seien diese Veränderungen gänzlich verschieden von denjenigen, die der Bazillus Preisz-Nocard erzeuge.

Anmerkung des Referenten: Die Beschreibung der Bakterie beweist, daß B. keinen neuen Bazillus entdeckt hat, sondern daß es sich um den Bacillus pyogenes Grips handelt. Daß derselbe bei Schafen häufig vorkommt und in den pathologischen Produkten bei einer verbreiteten, von B. nicht erschöpfend beschriebenen Lämmerseuche regelmäßig gefunden wird, ist auch mir bekannt. Noch häufiger sieht man am hiesigen Schlachthof Kälber mit Veränderungen derselben Art behaftet, oft derart, daß in Beständen von 6 bis 15 Tieren, die geschlachtet werden, jedes einzelne Kalb die Krankheit aufweist. Letztere dürfte nach den hier erhobenen Befunden und den Angaben in der Literatur identisch sein mit der „White scour" und „Lung-disease" Nocards (Kälberruhr und Kälber- pneumonie). Es erscheint daher sehr lohnend, die Beziehungen des Gripsschen Bacillus pyogenes zu den Kälberki-ankheiten auf- zuklären, umsomehr, als man ausweislich der Literatur dem Stäbchen offenbar sowohl bei der Kälberruhr als auch bei der sich der Ruhr anschließenden, sog. Kälberpneumonie oft genug begegnet ist, es aber noch nicht gezüchtet hat (vgl. die Arbeiten von Jensen, Semmer u. a.). Jedenfalls scheint nach meinen Beobachtungen der Bazillus in den Produkten bei den genannten Krankheiten stets nachweisbar zu sein.

Olage f Hamburg),

493

Koske, F., Der Bacillus pyocyaneus als Erreger einer Rhi- nitis und Meningitis haemorrhagica bei Schweinen. (Ein Beitrag zur Ätiologie der Schnüffelkrankheit.)

(Arbeiten aas dem Kaiserl. Gesnndheitsamt, Bd. 23, 190C, S. 542—553.)

Nach K. machen sich folgende Symptome bei dieser Krankheit bemerkbar:

Yermindening der Freßlust, starke Erhöhung der Körpertemperatur bis auf 41 0 C und ein eigentümliches Schnauben, das den Eindruck macht, als ob die Tiere versuchten, einen in die Nase eingedrungenen Fremdkörper durch Niesbewegungen herauszubefördem. Am zweiten Tage der Temperatur- steigerung steUt sich gewöhnlich Nasenbluten ein. Im weiteren Verlauf treten Erregungserscheinungen auf, die sich in Krämpfen äußern, und Depressions- erscheinungen, wobei die Tiere apathisch in der Streu liegen und nicht auf- zustehen vermögen. Die Krankheit nimmt meistens einen schnellen, tödlichen Verlauf. Außer Erscheinungen, die auf eine Septikämie hinweisen, fand man bei der Obduktion, daß die Nasenschleimhaut und die Schleimhaut der Sieb- beiuzellen gerötet, geschwollen, zum Teil mit Blutgerinnseln, zum Teil mit Eiter bedeckt war. Femer zeigten sich Blutungen in den Hirnhäuten, Blut- gerinnsel zwischen den einzelnen Hirnwindungen und an den Adergeflechten. In den Ventrikeln war eine rötlich gefärbte, klare Flüssigkeit vorhanden.

Aus dem Gehirn, der Gehirnkammerflüssigkeit und Sieb- beinschleimhaut konnte Verf. jedesmal den Bacillus pyo- cyaneus züchten. Durch Einreiben von Agarkulturen des Bacillus pyocyaneus in die Nasenschleimhaut und durch intravenöse Injektion trat eine Infektion nicht ein. Dagegen gelang es, durch direkte Verimpfung in die Siebbeinschleimhaut und durch intramuskuläre In- fektion dieselben Krankheitserscheinungen hervorzurufen. Auch bei der Obduktion fanden sich im wesentlichen dieselben Veränderungen wie bei den durch natürliche Ansteckung verendeten Ferkeln. Der Bac. pyocyan. konnte hierbei durch Kulturversuche in den Organen in Reinkultur nachgewiesen werden. Auch nach Einspritzung von 4—8 ccm einer durch Filtrieren von den Bakterien befreiten vier- zehntägigen Bouillonkultur starben die Tiere innerhalb einiger Tage unter denselben Erscheinungen wie nach Verimpfting von lebenden Bazillen. Der Bac. pyocyan. erzeugt sonach ein auf Schweine sehr stark wirkendes Gift.

Aus dem Ergebnis dieser Versuche schließt Verf., daß der Bac. pyocyan. der Erreger einer unter dem Bilde einer Allgemeininfektion verlaufenden Krankheit ist, der erden NamenRhinitis undMeningitis haemorrhagica geben möchte, während mit dem Namen Schnüffelkrankheit nur noch die

494

durch dauernde Knochenveränderungen (Rachitis, Osteo- malacie, Aktinomykose, Tuberkulose usw.) hervorgerufene Behinderung der Atmung zu bezeichnen wäre.

BroU (Berlin}.

Klein, E., Über das Vorkommen von Schweineseuche- bakterien und diesen ähnlichen Bakterien in der Nasenhöhle des Schweines.

(Arb. aas d. Hygien. Institut der Tierärztl. Hochschule zn Berlin, Nr. X; zugleich Inang.-Diss. [Gießen], Berlin 1906.)

Verf. untersuchte die Nasenhöhlen 1. von gesunden Schweinen aus schweineseuchekranken Beständen, 2. von kranken Schweinen, d. h. Schweinen mit den charakteristischen Veränderungen der Schweineseuche an den Brustorganen, 3. von gesunden Schweinen aus angeblich gesunden Beständen.

Bei allen drei Gruppen wurden teils durch das Platten- verfahren, teils durch Mäuseimpfung ovoide Bakterien im Nasenschleim gefunden. Sie zeigten morphologisch, kulturell und nach ihren biochemischen Leistungen Übereinstimmung mit den Schweineseuchebakterien. Eine Prüfung der echten Schweineseuche- bakterien auf Säurebildung in zuckerhaltigen Nährböden, auf ihr Wachstum auf sauren und alkalisch gemachten Kartoffeln und in mit Lackmustinktur versetzter Milch ergab ebenfalls kein ab- weichendes Verhjalten gegenüber den in der Nasenhöhle gefundenen ovoiden Bakterien. Letztere besaßen eine schwankende Pathogenität für Mäuse, Kaninchen und Meerschweinchen; eine Virulenz ftr Schweine konnte jedoch auch nicht durch Meerschweinchen- und Kaninchenpassagen erzielt werden. Verf. kommt zu dem Schluß, daß die in der Nasenhöhle der Schweine gefundenen ovoiden Bakterien als eine für Schweine avirulente Art der zur Gruppe der Bakterien der hämorrhagischen Septi- kämie gehörigen Mikroorganismen anzusehen sind.

RefercU des Autors.

Ehrhardt, J.^ Der Kampf gegen die Rindertuberkulose.

(Der ZQrcber Bauer, 36. Jahrg., 1905, Nr. 43—49.)

E. gibt ein Bild von der Verbreitung und der wirtschaftlichen Bedeutung der Rindertuberkulose; sodann würdigt er die verschie- denen, bislang geübten Bekämpfungsverfahren.

Die Abschlachtung aller auf Tuberkulin reagierenden Rinder

495

komme aus wirtschaftlichen und betriebstechnischen Gründen nicht in Betracht. Das Verfahren Bangs sei ideal und erfolgreich, aber aus finanziellen Konsequenzen in den schweizer kleinbäuerlichen Verhältnissen vorderhand nicht durchftihrbar. Die Methode Ostertag scheine, wenn auch weniger erfolgversprechend, vom praktischen Standpunkt passender zu sein; wegen der besonderen Art der Kälberemährung sei sie aber den ^ schweizer Bauern doch wieder zu umständlich. Die Schutzimpfung, sowohl die nach von Behring wie die nach Koch-SchiLtz, sei noch nicht spruchreif.

Das am 19. Mai 1895 vom Zürcher Volke angenommene „Gesetz betr. die obligatorische Viehversicherung und die Entschädigung für Viehverluste durch Seuchen" habe wider Erwarten bisher einen nennenswerten Erfolg nicht gehabt und werde auch zweifellos einen solchen nicht erreichen. Dieses Gesetz verpflichtet den Tier- besitzer zur Anzeige, wenn Verdacht auf Tuberkulose vorliegt; wird dann durch tierärztliche Untersuchung Tuberkulose festgestellt, so soll das kranke Tier baldigst geschlachtet werden. Trotz des bis- herigen Mißerfolges sieht E. in der Viehversicherung die Grundlage für die Bekämpfung der Tuberkulose.

Zur Ergänzung der bisherigen Bestimmungen verlangt E.:

a) Ausschluß aller neu einzuschätzenden und als tuberkulös erkannten Rinder von der Versicherung. Um dies durchführen zu können, sei es erforderlich, alle aufzunehmenden Rinder tierärztlich untersuchen zu lassen; es seien indes nur die an klinisch erkennbarer Tuberkulose leidenden Rinder auszuschließen, in Zweifels- und Verdachtsßlllen jedoch solle die Tuberkulinreaktion entscheiden;

b) Abschlachtung aller klinisch-tuberkulösen, versicherten Tiere, und zwar ohne Verzug. Damit die klinisch-tuberkulösen Rinder früh- zeitiger und verläßlicher als bisher erkannt und ausgemerzt werden, empfiehlt E., die Tierärzte zu den Schätzungen zuzuziehen und den- selben auch die Anzeigepfiicht aufzuerlegen;

c) Desinfektion der verseuchten Ställe, eventueU auf Kosten der Vieh- versicherung oder der Gemeinde;

d) Separation verdächtiger Tiere und Ausschluß tuberkulöser Kälber von der Aufzucht;

e) Hebung der Widerstandsfähigkeit der Tiere, eventuell unter Zuhilfe- nahme von Stallprämiiernngen.

Durch Anwendung dieser Mittel auf der Basis der Viehversiche- rung erwartet E, einen zwar langsamen, aber sicheren Erfolg, und zwar ohne wesentliche Kosten und ohne namhafte Betriebsstörungen.

(Was E. hier für den Kanton Zürich durchgeführt wissen will^

Zeitsclirlft far Infektionskrankheiten. I, C. 32

496

das soll den deutschen Landwirten die Neuregelung des Viehseuchen- gesetzes im wesentlichen biingen, allerdings in etwas anderer Form. Aber gerade die günstigen Erfahrungen, die man bei der Durchführung des Ostertagschen Bekämpfungsverfahrens in den Herdbuchgesellschaften und Molkereigenossenschaften der preußischen Provinzen Ostpreußen, Pommern, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Sachsen sammelte, dürften in hohem Maße mitbestimmend sein, wenn die bezüglichen Sätze der Novelle zum deutschen Reichsvieh- .seuchengesetz in Bälde Gesetzeskraft erlangen. [Ref.])

F, SehmiU (Stettin).

ilber, A., Experimentelle Übertragung der Tuberkulose vom Menschen auf das Rind. (2. Mitteilung.)

(Beiträge zur Klinik der Tnberknlose, Bd. 5, 1906, S. 207—223.)

E. hat eine Reihe von Übertragungsversuchen mit tuberkulösem Material aus Kinderleichen angestellt, bei denen sich das vom Menschen kommende Material in zwei Fällen stark, in zwei Fällen mittelgradig und in einigen Fällen schwach virulent oder avirulent für Rinder erwies. Ungefähr gleiche Resultate ergaben gleichzeitig vorgenommene Infektionsversuche an gesunden, auf Tuberkulin nicht reagierenden Rindern mit vom Rinde stammendem tuberkulösem Material. Es zeigte sich bei diesen Ver- suchen, daß es keineswegs immer gelingt, gesunde Rinder mit vom Rinde stammendem tuberkulösem Material zu infizieren. E. zieht aus diesen Ergebnissen den Schluß, daß es „bei passender Aus- wahl des Infektionsmaterials und entsprechender Ver- suchsanordnung möglich ist, menschliche Tuberkulose auf Rinder zu übertragen". Pfeiler fBerlinj,

SchloSmann, A., und Engel, St., Zur Frage der Entstehung der Lungentuberkulose.

(Deutsche med. Wochenschr., 32. Jahrg., 1906, S. 1070—1071.)

Die Verff. nehmen mit v. Behring an, daß beim Menschen in der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Fälle die In- fektion mit Tuberkulose in das frühe Kindesalter fällt, und daß für dieses Lebensalter die Eingangspforte für die Tuberkelbazillen ausschließlich im Verdauungstraktus gelegen ist. Die Verff. stellten experimentell an jungen Meer- schweinchen, denen sie eine Tuberkelbazillenemulsion in Milch unter Vermeidung der Infektion des Peritoneums in den durch Laparotomie

497

freigelegten Magen einspritzten, fest, daß die so einverleibten Bak- terien bereits wenige Stunden nachher in der Lunge durch den Tierversuch nachgewiesen werden können. j.

Hofbaner, L., Ursachen der Disposition der Lungenspitzen für Tuberkulose.

(Zeitschr. f. klin. Med., Bd. 59, Heft 1, 1906.)

Verf. erklärt die größere Disposition der Lungenspitzen fiir die Tuberkuloseerkrankung aus den physiologischen Verhältnissen dieser LungenteUe. Während in den kaudalen Lungenpartien starke respiratorische Druckschwankungen statthaben, sind solche in den kranialen Partien geringer und fehlen in den Spitzen fast ganz. Die Druckschwankungen fördern Blut- und Lymphzirkulation und damit die Ernährung. Die mangelhafte Ventilation der kra- nialen Lungenteile beeinträchtigt somit die Ernährung des Gewebes dieser Partien und bedingt dadurch eine geringere Widerstandsfähigkeit gegenüber der Infektion. (Dasselbe Moment spielt auch bei gewissen Infektionskrankheiten der Haustiere eine Eolle, so z. B. bei der chronischen Schweine- seuche, die bekanntlich ihren Lieblingssitz gerade in den kranialen, mangelhaft ventilierten Lappen der Lunge hat. [Ref.]) j.

Hoffmann^ A., Über das Vorkommen des Tetanuserregers in den Fäzes von Tieren.

(Hyg. Rundschan, 1905, Nr. 24.)

Verf. stellte Untersuchungen über das Vorkommen von Tetanus- erregem in den Fäzes von Tieren an. Von 22 Versuchen fiel einer positiv aus. Es handelte sich dabei um eine sechstägige anaerobe Bouillonkultur von Pferdefäzes, die durch Berkefeldfilter filtriert worden waren; es kam also lediglich eine Toxinwirkung in Frage.

„Praktisch hat der Nachweis von Tetanuskeimen in den Fäzes zur Folge, daß man zweckmäßig alle mit Fäzes von Tieren besudelten Wunden als tetanusverdächtig behan- delt." Krautstrunk (Bonti).

Ificolas, M. J., Sur la Pathogenie de la Rage.

(Jonrn. de m^d. vet, 1906, S. 328—340.)

Experimentelle, pathologisch -anatomische und klinische Beob- achtungen sprechen für den Transport des Wutgiftes durch Nerven und Rückenmark zum Gehirn. Verf. fand diese An- schauung durch seine Versuche am Hund bestätigt, bei denen er den

32*

498

Ausbruch der Wut nach der Impfung durch Resektion der betroffenen Nerven oder des Eückenmarkes oberhalb deren Endigung sicher ver- hindern konnte, während die Kontrolltiere erkrankten. Von nerven- armen Gebieten ist die Impfung selten, von den der Nerven be- raubten Gebieten nie von Erfolg. Das nach intravenöser oder intraperitonealer Injektion beobachtete Auftreten der Wut erklärt Verf. dahin, daß das Gift direkt oder indirekt vom Blut aus in die durch die Impfung gesetzten Wunden gelangt.

Resow (Frankfurt a, O.y.

Frothlngham, L., The rapid Diagnosis of Rabies.

(The Journ. of Medical Research, Vol. 14, 1906, S. 471—489.)

Ein Ausbruch der Wutkrankheit in Massachusetts gab dem Verf. Gelegenheit, die beiden Methoden, die fär eine Schnelldiagnose der Wut in Betracht kommen den Nachweis pathologischer Ver- änderungen in den Ganglien und den Nachweis der Negri sehen Körperchen auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen. F. gelangt auf Grund seiner Untersuchungen zu folgenden Schlußfolgerungen:

1. Die Anwesenheit Negri scher Körperchen sichert die Diagnose „Wut*. Wenn diese Körperchen gefunden werden, sind Tierimpfongen unnötig.

2. Das Ammonshom ist der Lieblingssitz der Negri sehen Körperchen. Wenn sie hier nicht in Klatschpräparaten nachgewiesen werden können, mfissen sie in Schnitten gesucht werden.

3. Falls die Körperchen weder in Klatschpräparaten, noch in Schnitten des Ammonshoms oder des Kleinhirns nachgewiesen werden können, muß das Gassersche Ganglion auf pathologische Veränderungen geprüft werden.

4. Wenn Veränderungen im Gass ersehen Ganglion gefunden werden, so ist das betr. Tier der Wut sehr verdächtig, Tierimpfungen müssen hier indessen die Diagnose sichern.

5. Wenn keine Negri sehen Körperchen gefunden werden können und keine Veränderungen im Gass ersehen Ganglion nachzuweisen sind, ist die Diagnose negativ; wenn indessen Menschen gebissen wurden, sind Tierimpfungen doch angezeigt J.

Bohne, Beitrag zur diagnostischen Verwertbarkeit der Negrischen Körperchen.

(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionskrankh., Bd. 52, 1905, S. 87—96.)

Auf das Vorhandensein der Negrischen Körperchen prüfte Verf. 170 an die Wutstation des Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin eingesandte Gehirne. Bei 109 wurde durch den Tier- versuch Wut nachgewiesen; die Negrischen Körper wurden bei 99 Gehirnen verschiedener Herkunft in den Ammonshömern ge- funden. In 50 Gehirnen \\iitfreier Kontrolltiere wurden diese oder

499

ähnliche Gebilde niemals gesehen. Demnach sind die Negri- sehen Körper als spezifisch für die Lyssa anzusehen mit dem Vorbehalt, daß nur positive Befunde entscheidend für die Diagnose sind, im anderen Falle der Tierversuch zu folgen hat. Eine angegebene Methode ermöglicht die Befund- erhebung in wenigen Stunden. Bugge (Kiefj,

Schiffmann^ J., Zur Kenntnis der Negrischen Tollwut- körperchen.

(Zeitschr. f. Hygiene u. Infektionakrankh., Bd. 52, 1906, S. 199— 22a)

Die Größe, Struktur, Verteilung und das Vorkommen der Negrischen Körperchen sind abhängig von der Tierart, von den Passagen, unabhängig dagegen von der Inkubations- und Krank- heitsdauer. Bei häufigen Passagen schwinden zunächst die kom- plexen, dann auch die einfachen und die punktförmigen Körperchen, so daß schließlich der Beftmd im Ammonshom und Kleinhirn ne- gativ ist. Bugge fKielh

Koppitz, W., Ist die Wut innerhalb des Inkubationsstadiums infektionsfähig?

(Berl. Tierärztl. Wochenschr. 1906, S. 19—20.)

Auf Grund eines in der Praxis beobachteten Falles ist der Verf. der Ansicht, „daß die Wut auch bereits im Inkubations- stadium als infektionsfähig anzusehen ist, und die gesetz- liche Maßnahme der Tötung der mit wütenden Tieren in Berührung gewesenen Hunde und Katzen nicht bloß zur Verhinderung der Ausbreitung der Wut, sondern auch zur Behebung der Gefahr der Infektion durch Verletzung im Inkubationsstadium befindlicher Tiere volle Gültigkeit verdient.'' Kuhn {Berlin),

Ghilardacci^ F., Contributo allo studio della mielite acuta sperimentale da streptococco. (Beitrag zur Kenntnis der akuten, experimentell durch Streptokokken- injektion erzeugten Myelitis.)

(Ricerche fatte nel laboratorio di Anatoinia normale della R. Universitä di Roma, Bd. 11, fasc. 3, 1905, p. 183—254.)

Wenn man für kurze Zeit, etwa fünf bis dreißig Minuten, die Bauchschlagader des Kaninchens komprimiert und darauf unverzüglich in die Venen eine virulente Streptokokkenkultur einspritzt, so findet man bei der Sektion regelmäßig Streptokokken im Rückenmark.

500

Klinisch zeigen die Tiere die für die akute Myelitis charakteristischen' Krankheitserscheinungen. Pathologisch-anatomisch beobachtet man, je nach der Menge der injizierten Kulturen und dem Stadium der Krankheit, einmal einfache Degenerationserscheinungen an den nervösen Elementen, andererseits die schwersten Symptome, wie Hämorrhagien, perivaskuläre und interstitielle Infiltration und Er- weichung der Marksubstanz, Nach Ansicht des Verf. besteht zwischen den sog. phlogistischen und den degenerativen Formen der Myelitis eine enge Beziehung, indem sie lediglich zwei ver- schiedene Phasen eines und desselben Krankheitsprozesses darstellen.

Pfeüer (Berlin).

Klein, A new microbe, pathogenic for rodents, bacillus equi.

(The Lancet 1906 [Bd. 1], Nr. 11, S. 782.)

K. isolierte aus den Organen eines Pferdes, das unter milz- brandähnlichen Erscheinungen verendet war, eine dem Erreger der Hühnercholera ähnliche Bakterie, die sich für Meerschweinchen und Kaninchen bei der subkutanen Überimpfung pathogen erwies.

Kaestner (Berlin),

Martin, 0., Sur un cas de spirillose du cheval observ6 en Guin6e frangaise.

(Comptes rendus de la Soc. de Biolog., A. LX., Nr. 3, 1906, p. 124—126.) M. berichtet über das Vorkommen von Spirillen im Blut eines aus Guinea stammenden Pferdes. Der Fall hat Interesse als Bei- trag zum Vorkommen von Spirillenerkrankungen bei Pferden.

Pfeiler (Berlin),

Brack, C, Zur biologischen Diagnose von Infektionskrank- heiten.

(Deutsche med. Wochenschr., 32. Jahrg., 1906, S. 945—947.)

Alle bisherigen Methoden der spezifischen Diagnostik der In- fektionskrankheiten gründen sich auf den Nachweis der bei diesen Krankheiten gebildeten spezifischen Antikörper. Die Diagnose des die Erkrankung verursachenden Agens ist hierbei somit keine direkte, sondern eine indirekte. Wassermann und Verf. haben eine Methode angegeben, die das Vorhandensein kleinster Mengen gelöster Bakteriensubstanzen in Körperflüssigkeiten direkt anzeigt, Substanzen, die notwendigerweise bereits vor den Antikörpern im Organismus vorhanden sein müssen und daher schon in früheren Stadien der Krankheit nachgewiesen werden können. Es beruht diese Methode auf dem Phänomen der Komplementbin-

501

düng.*) Verf. verwandte die Methode mit Erfolg znr Frühdia- gnose der aknten Miliartuberkulose, zum Nachweis der tuber- kulösen Natur pleuritischer Exsudate usw. /.

Immunität Schutzimpfung. Römer, P. H., u. Much, H., Antitoxin und Eiweiß.

(Jahrb. f. Kinderheilk., N. F. Bd. 63, S. 684—699.)

Die VerflT. berichten über einige vergleichende quantitative Antitoxinbestimmungen im Blut von neugeborenen, mit antitoxischer Muttermilch ernährten Kälbern. Die Kälber wurden teils am Euter der vorher mit tetanus-antitoxinhaltigem Pferdeserum behandelten Mütter, teils mit Muttermilch, der erst in der Flasche tetanus-anti- toxinhaltiges Pferdeserum zugesetzt war, ernährt. Aus den Ver- suchen ergab sich zunächst eine Bestätigung der bereits früher von Römer geftmdenen Tatsache, daß unter physiologischen Bedingungen der Magendarmkanal neugeborener Indi- viduen für Antitoxin durchlässiger ist als der Magen- darmkanal älterer Individuen. Femer ergaben die Versuche, 1. daß beim Kalb auch eine intestinale Resorption des an Pferdeserumeiweiß, also heterologes Eiweiß, geknüpf- ten Antitoxins statthatte, 2. daß bei Euterernährung be- deutend mehr von diesem Antitoxin vom Magendarmkanal des Kalbes resorbiert wurde als bei der Ernährung mit Muttermilch, der erst in der Flasche Pferdeserumanti- toxin zugesetzt worden war. Durch weitere Untersuchungen über die vorstehend unter 2. erwähnten Differenzen gelangten die Verff. zu der Annahme, daß das Pferdeantitoxin bei der Passage durch den Rinderkörper und bei Übergang in die Kuhmilch eine Veränderung erfährt, die es geeigneter zur intestinalen Resorption beim Kalb macht. /.

Wolff-Eisner, A., u. Rosenbanm, A., Über das Verhalten von Organrezeptoren bei der Autolyse, speziell der tetanusbindenden Substanz des Gehirns.

(Berl. klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 1906, S. 946-947.)

*) Vgl. die Originalarbeit von Wassermann in Heft 2/3, S. 97, ds. Bds.

502

Aus den Versuchen, die Verff. anstellten, ist zu schließen, „daß die autolytische Verdauung ein Vorgang ist, der ebenso, wie er die spezifischen präzipitinauslösenden Eigenschaften des Eiweiß zerstört, wie er die spezifische Giftigkeit aufhebt (oder wenigstens sehr wesentlich herab- setzt), wie er die Giftwirkung der Leibessubstanzen der Bakterien vernichtet, in gleicher Weise die Rezeptoren vernichtet, welche an den Zellen sitzen und im Sinne der Ehrlichschen Seitenkettentheorie die Giftbindung be- wirken." Die Vernichtung der Rezeptoren trat in den Versuchen der Verff. schon nach dreitägiger Autolyse ein. Auf Grund der Versuche der Verff. könnte auch die allmähliche Abnahme der Wir- kung der Immunsera, deren Antikörper ja nach Ehrlich als ab- gestoßene Rezeptoren der Köi-perzellen anzusehen sind, auf Autolyse zurückgeführt werden, die aber bei der üblichen Art der Auf- bewahrung der Sera außerordentlich verlangsamt ist. (\lelleicht vollzieht sich die Autolyse im Immunserum deshalb so langsam, weil alle zelligen Elemente sofort nach der Gewinnung des Serums entfernt werden, [Ref.]) j.

Doerr^ R., Über Aggressine.

(Wiener kUn. Wochenschr., 19. Jahrg. 1906, S. 759-761.)

Verf. gelangt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Schluß, „daß die Aggressintheorie Bails experimentell nicht hinreichend fundiert ist. Die infektionsbefördernden Wirkungen steriler Exsu- date sind nicht spezifisch, beruhen nur zum kleinsten Teil auf nega- tiver Chemotaxis, meist dagegen auf ihrer Giftigkeit, d. h. auf einer additioneilen Schädigung des Tierkörpers, und sind zudem äußerst inkonstant wegen der Variabilität der individuellen Resistenz. Die mit solchen Flüssigkeiten erreichbare Immunität ist spezifisch, weil sie durch die in Exsudaten enthaltenen, gelösten spezifischen Sub- stanzen der Bakterienleiber hervorgerufen wird. Nichts berechtigt also in den Versuchen Bails zur Annahme neuer hypothetischer Stoffe." * J.

Sobernheiiiiy 0., Weitere Erfahrungen über Simultanimpfun- gen gegen Milzbrand.

(Berl. Tierürztl. Wochenschr. 1906, S. 233—235.)

In den letzten 20 Monaten sind von der Merckschen Anstalt für Milzbrandserum in Halle a. S. mehr als 200 000 Impfdosen ab-

503

gegeben worden. In Europa sind davon etwa 10 000 zur Anwendung gekommen und über etwa 4000 Impfungen Berichte eingegangen, auf Grund deren der Verf. unter besonderem Hinweis auf die Erfolge Rieglers in Rumänien feststellt, daß in der „weit überwiegenden Mehrzahl aller Fälle die Simultanimpfung den Erwartungen ent- sprochen hat." Nahezu 200 000 Impfungen sind seit dem Frühjähr 1904 in Argentinien und Uruguay ausgeführt worden. Der Verf. folgert aus den mit dem September 1905 abschließenden Berichten über die Impfung an 140 000 Rindern, 30 000 Schafen und 2000 Pferden, daß „das Verfahren imstande ist, selbst in Fällen starker und lang- dauernder Verseuchung eines Bezirkes der Infektion erfolgreich ent- gegenzutreten und fast überall eine völlige Tilgung oder wenigstens erhebliche Einschränkung des Milzbrandes zu veranlassen." Selbst da wurde „ein Erfolg erzielt, wo die Pasteursche Methode ein durchgreifendes Resultat nicht ergeben hatte." An nahezu 300 000 Tieren ausgefiihrt, hat die kombinierte Serumkulturimpfung in Süd- amerika keinen einzigen Impfverlust bedingt. Kuhn (Berlin).

Übersicht über die im Jahre 1904 in der Wutschutzabtei- lung am Königlich Preußischen Institut für In- fektionskrankheiten zu Berlin behandelten Fälle von Bißverletzungen bei Menschen durch tolle oder tollwutverdächtige Tiere.

(Nach dem Bericht im 15. Bande des Klinischen Jahrbnchs.)

Im Jahre 1904 sind auf der Wutschutzabteilung zu einem Bestände von 14 Personen aus dem Vorjahre im ganzen 440 zur Behandlung in Zugang ge- kommen; 24 blieben am Jahresende im Bestände. Gestorben sind an Tollwut von den Behandelten im Berichtsjahr 4 Personen, ferner noch eine am 15. Januar 1905. Die 4 Todesfälle des Jahres 1904 ereigneten sich nach abgeschlossener Schutzimpfung in der Heimat der Verstorbenen, der vom 15. Januar erfolgte während der Behandlung.

Die Tollwut des verletzenden Tieres ist mittelst künstlicher Übertragung auf andere Tiere (Kaninchen) für 311 FäUe (d. i. für 71,3% der zur Behand- lung Gelangten) und darunter fiir alle, wo der Tod des Gebissenen erfolgt ist, festgestellt worden. Lediglich durch die tierärztliche Untersuchung wurde die ToUwut des verletzenden Tieres für 68 Fälle (d. i. 14,6%) nachgewiesen; für weitere Fälle (d. i. 14,1 "/o) besteht lediglich der Verdacht, daß die verletzenden Tiere wutkrank gewesen sind.

Die weitaus größte Zahl der Verletzten (391, d. i. 88,8%) war von Hunden gebissen worden, 21 Personen (4,8 °o) wurden von Katzen, 23 (5,2 ^/o) von Kühen, 2 (0,5%) von Schweinen verletzt, und 3 (0,7%) steckten sich von Menschen an. Unter den Behandelten befanden sich 2 Ärzte und 13 Tierärzte.

504

Die große Mehrzahl der Behandelten stammte mit 991 (d. i. 88,9^/o) ^i® ia den Vorjahren ans Preußen, während aus den übrigen Bandesstaaten nur 49 (11,1 o/o) io Zugang gekommen sind. Bayern mit 8 (1,8 "/o)» Sachsen mit 17 (3,9 %), Wtlrttemberg und Hessen mit je 3 (0,7 %), Sachsen-Meiningen mit 4 (0,9 7o)» Sachsen-Koburg-Gotha mit 7 (1,6 **/o)> Schwarzburg-Sondershausen mit 3 (Ot7%). Außerdem sind 4 Soldaten preußischer Staatsangehörigkeit, die in China von tollwutverdächtigen Hunden gebissen und dort zum ersten Male geimpft worden waren, in der Abteilung einer nochmaligen Schutzimpfung unterzogen worden. Von den 301 Zugängen aus Preußen kamen 125 (d. i. 32 ^/q) aus Ostpreußen; aus der Rheinprovinz stammten 63 und aus Westfalen 37. (Aus den VeröffenÜ, d, KaiserL Oesundheitaamtes^ 30. Jahrg., 1906, Nr, 14. [J,]/

Marie^ A., Pröservation du chien contre la rage par les mölanges de virus fixe et de sörum antirabique.

(Compt. rend. de la Soc. de Biol, Bd. 59, 1905, S. 637—639.)

Im Anschluß an frühere Mitteilungen werden von M. weitere Fälle von Immunisierung gegen das Wutgift veröffentlicht. Nach den Untersuchungen von M. ist es möglich, den Hund durch eine ein- zige Injektion eines Gemisches von fixem Virus und Antiwutserum für die Dauer eines Jahres zu immunisieren. Der Wert dieses Impf- verfahrens liegt besonders darin, daß es nicht nur als Präventiv- impfung, sondern auch als Schutzimpfting angewendet werden kann. Denn Tiere, die drei Tage nach erfolgter Infektion geimpft wurden, blieben vor dem Ausbruch der Wut bewahrt. Pfeiler (Berlin).

Schroeder, E. C, and Cotton, W. E., The Persistence of Tubercle Bacilli in Tissues of Animals after In- jection.

(Experiments concerning Tuberculosis, Part III. Bureau of Animal In- (Instry, Bulletin No. 52, Part III, Washington 1905.)

Die von deSchweinitz seit 1894 mit einer durch längere Züch- tung auf künstlichen Nährböden völlig avirulent gewordenen Kultm* ausgefährten Immunisierungsversuche gegen Tuberkulose wurden von den Verff. mit Tuberkelbazillenstämmen menschlicher Herkunft fort- gesetzt, die zwar für Meerschweinchen virulent, für Rinder dagegen unschädlich waren. Aus seinen Versuchen schließt Schroeder, daß der Impfschutz in geradem Verhältnis zur Virulenz der Kultur steht. Die subkutane Impfung erwies sich ebenso wirksam wie die intravenöse. Die letztere beeinträchtigt aber das Befinden der Tiere viel stärker als die erstere, und es entstehen darnach in den Lungen Knötchen, die lebende Tuberkelbazillen enthalten.

~ 505

Die lange Anwesenheit der Tuberkelbazillen in den Geweben der Tiere ist ein umstand, der die Verwendung lebender Tuberkelbazillen zur Immunisierung von Rindern mißlich erscheinen läßt. Die Verfif. konnten in den Abszessen, die sich bei Rindern nach subkutaner Verimpfung lebender Menschen- tuberkelbazillen an der Injektionsstelle gebildet hatten, in der Mehr- zahl der Fälle bis zu l^/g und 2 Jahren zahlreiche Tuberkel* bazillen mikroskopisch nachweisen und mit dem Abszeß- eiter generalisierte Tuberkulose hervorrufen. Nach intra- venöser Injektion von Tuberkelbazillenkulturen finden sich stets in einem oder mehreren Organen ausgedehnte pathologische Ver- änderungen, in denen lange Zeit Bazillen nachzuweisen sind. Die immunisierten Rinder bilden so eine Ansteckungsquelle für Menschen. Solange diese nicht ausgeschaltet werden kann, fordern die Verff., die Immunisierung von Rindern mittelst lebender Kulturen nur zu experimentellen Zwecken zu gestatten, und in Verbindung mit Forschungen, die unser all- gemeines Wissen über Tuberkulose, ihre Behandlung und Verhütung zu erweitem imstande sind. Ordbert (Berlin),

Remlinger, M. P., Contribution ä Tetude du m61ange de serum antirabique et de virus fixe.

(Compt. i-end. de la Soc. de Biolog., Bd. 59, 8. 658—660.)

R. betont die außerordentlich starke Wirkung des Gemisches V. S. (virus fixe et s6rum antirabique) bei subkutanen und intra- peritonealen Injektionen. Er hat seine immunisierende Kraft an einer Reihe von mit sehr virulentem Wutgift infizierten Kaninchen

erprobt. Pfeiler (Berlin),

Römer, P. H., Zur Präventiv-Therapie der Rindertuber- kulose nebst kritischen Studien zur Tuberkulose- Infektionsfrage.

(Beiträgre znr KHnik der Tuberknlose, Bd. 4, 1905, S. 341^411.)

Verf. bespricht zunächst die zur Immunitätsfrage in enger Be- ziehung stehende Frage, welche Infektionswege der Tuberkel- bazillus bei seinem Eindringen in den menschlichen und tierischen Organismus wählt. Auch derjenige, der sich R.s Ausfuhrungen nicht in allen Punkten anzuschließen vermag, wird darin manchen Gesichtspunkt finden, der interessante Einblicke in die noch dunklen Gebiete der tuberkulösen Prozesse gestattet. Verf. hält eine primäre tuberkulöse Erkrankung des Respirationsweges für

506

mindestens sehr selten. Eine vorwiegend die Luftorgane befallende Tuberkulose muß durchaus nicht auf aerogene Keime zurück- geführt werden. R. glaubt, daß der Charakter der Tuberkulose als einer primären Lymphsystemerkrankung feststeht, und daß die Organe in der Regel erst sekundär auf hämatogenem oder lympho- genem Wege ergriffen werden. Der Tuberkelbazillenimport in die Lymphbahnen wird vermittelt durch die primäre Tuberkelbazillen- auftiahme in leukozytäre Wanderzellen. Das wichtigste Vehikel beim Rind sind die Nahrungsmittel. Da beim Kalb in erster Linie die Milch in Betracht kommt, die als Flüssigkeit die größere Masse der Tuberkelbazillen direkt in den Magendarm bringt, ist es erklär- lich, daß hier die Infektion in den unteren Abschnitten des In- testinums (Bauchteil) beginnt, während beim älteren Rind infolge des sehr langdauemden Kauaktes die an den infizierten Nahrungs- mitteln haftenden Tuberkelbazillen genug Gelegenheit finden, in den Winkeln und Nischen des Mund- und Rachenraumes zu haften.

Innerhalb des Lymphsystems schreitet der Tuberkuloseprozeß nur so lange fort, bis die Tuberkelbazillen ins Blut gelangen, bis also die Infektion der Organe beginnt. Von diesem Zeitpunkt ab hat das Lymphsystem eine gewisse Immunität erlangt, so daß spätere Infektionen hier keine oder doch geringere Veränderungen hervorrufen, während allerdings die Erstinfektion ihren F'ortgang nimmt. Will man also der Natur dieses Immunisierungsexperiment nachaiimen und zugleich unschädlich gestalten, so muß jene erste Infektion so ausgeftthrt werden, daß sie, ohne für den Organismus gefährlich zu sein, genügende Immunität schafft. Was die Natur im willkürlichen Experiment ausführt Schafltang einer Immunität durch Blutinfektion ist von v. Behring künstlich nachgeahmt, indem er seinen Schutzimpfstoff dem Rind in die Blutbahn ein- spritzte.

Hinsichtlich der Entdeckung dieses Prinzips der Rindertuber- kulose-Schutzimpfung verteidigt R., namentlich gegenüber den Aus- führungen Klimmers, die Prioritätsansprüche v. Behrings. Gregen- über den von Klimmer gegen die Wirksamkeit des Behringschen Immunisierungsverfahrens erhobenen Einwänden, daß Rinder, die auf ihre Immunität mit großen Dosen hochvirulenter Kulturen geprüft wurden, bei der Sektion Herderkrankungen aufwiesen, weist R. darauf hin, daß, wie er an Beispielen aus der Praxis der Immuni- sierung gegen Diphtherie, Tetanus, Pocken erläutert, die Immunität

507

nie eine absolute, sondern stets eine relative ist. Die Beantwortung der Frage, auf welchem Wege man am einfachsten und sichersten eine ftir die epizootischen Bedingungen genügende Immunität schafft, fällt nicht notwendig zusammen mit der Frage nach der methodi- schen Hochimmunisierung. Wenn Preuße die Koch-Schützsche Modifikation der Rindertuberkulose-Schutzimpfiing dem Behring- schen Verfahren deswegen für überlegen hält, weil diese Forscher für die intravenöse Injektion größere Tuberkelbazillenmengen verwenden als V. Behring, so hat er nicht beachtet, daß v. Behring die Ba- zillen in trockenem, Koch-Schütz in halbfeuchtem Zustand abwiegen. Für die Erfolge der Rindertuberkulose-Schutzimpfting in der landwirtschaftlichen Praxis sprechen die Versuche von Ebeling, Rösler und Strelinger, die eingehend besprochen werden. Auf Grund derselben hält sich Verf. für berechtigt, dem Landwirt an- zuempfehlen: Systematische Einführung der Schutzimpfung nach V. Behring, Impfung der Kälber möglichst bald nach der Geburt^ daneben die Beachtung hygienischer Maßnahmen, in erster Linie Beseitigung (d. h. Schlachtung) der Tiere mit offener Tuberkulose» ,

Grabert (Berlin).

Klein, F. K., u. Möller, B., Ein für Trypanosoma Brucei spezifisches Serum und seine Einwirkung auf Try- panosoma gambiense.

(Zeitschr. f. Hygiene nnd Infektionskrankh., Bd. 62, 1906, S. 229->237.)

Nach Einspritzung von defibriniertem Meerschweinchenblut, das reichlich Trypanosoma Brucei enthielt, in die Drosselvene, erlitten Esel einen schweren Kollaps, so daß die weitere Immunisierung gegen die Tsetse aufgegeben werden mußte. Darauf benutzten Verff. defibriniertes Blut infizierter weißer Ratten und fügten die gleiche Menge Serum der vorbehandelten Esel zu. Nach vier Injektionen des abgesetzten Serums schützte das Eselserum kleine Versuchs- tiere gegen die Infektion mit Tryp. Br.; bei Hunden konnte indessen kein nachhaltiger Schutz erzielt werden. Gegen Tryp. gamb. war das Serum wirkungslos. Hiernach dürfte es möglich sein, mit einem spezifischen Serum für Tryp. Br. die beiden Trypanosomen zu unterscheiden. Bugge (KüH.

Stockman, Note on the Methods of Combating Rinderpest.

(The Journ. of comp. Pathol. and Therap., Bd. 18, Part 3, 1905, 8. 207—211.)

Seit Mai 1903 wurden in Transvaal 14 Ausbrüche von Rinder- pest festgestellt. Vor dieser Zeit trat die Rinderpest nur enzootisch

508

auf. Sie scheint sich an einigen Orten gehalten zu haben, ohne daß man von ihrem Vorhandensein öffentlich Kenntnis hatte. Als nach Beendigung des Krieges zur Ergänzung der stark mit- genommenen Bestände gegen 40 000 Rinder eingeflihrt wurden, fanden die Seucheerreger einen geeigneten Boden in dem „grünen'' Vieh, dem die nach und nach erworbene relative Widerstands- fähigheit der einheimischen „gesalzenen" Tiere abging. Eine wesent- liche Ursache für die Verbreitung der Rinderpest lag darin, daß es Laien gestattet war, die verschiedenen Impfmethoden nach Be- lieben anzuwenden. Diese sogenannten Privatimpfer, die haupt- sächlich mit den Eingeborenen zu tun hatten, impften vornehmlich mit virulentem Blut, wodurch neue Infektionsherde geschaffen wurden. Jetzt ist die Impfung mit virulentem Blut oder mit Galle nur noch mit behördlicher Genehmigung erlaubt; während die Impfung mit Schutzserum allein (50 bis 200 ccm pro Tier) freigegeben ist. Der tierärztliche Kongreß, der im Dezember 1903 in Bloemfontein statt- fand, fährte zu folgendem Beschluß: Die beste Methode zur Be- kämpfung der Rinderpest ist die Impfling mit Serum, die von den Besitzern ausgeführt werden kann. Sollte Serum nicht zu bekommen sein, so ist die Impfung mit reiner Galle, die unter fachmännischer Aufsicht auszuführen ist, allen anderen Impfinethoden vorzuziehen.*)

Für die Immunisierung sind nach dem Verf. folgende Punkte zu berücksichtigen:

1. Das virulente Material bleibt nach der Entnahme aus dem Tierkörper höchstens 48 Stunden aktiv.

2. Im lebenden Organismus hält es sich nicht länger als vierzehn Tage.

3. In einer Gegend mit starken Viehbeständen kann die Seuche einen schleichenden Verlauf nehmen durch milde Fälle unter den teilweise widerstandsfähigen Tieren, die der Aufmerksamkeit entgehen. Diese und die chronischen Fälle können dann unter empfänglichen Rindern frische Ausbrüche veranlassen.

4. In den chronischen FäUen bleibt das Virus im Tierkörper nicht länger als dreißig Tage aktiv. Demnach muß die durch eine Impfung über- tragene oder erzeugte Widerstandsfähigkeit dreißig Tage vorhalten.

5. Da eine Verimpfung von Serum allein nur eine zehntägige Immunität bewirkt, so ist die Impfung dreimal nach je zehn Tagen auszuführen.

6. Alle Tiere, die irgendwie mit infizierten Tieren in Berührung kommen können, sind der Impfung mit Serum zu unterwerfen. Titxe (Berlin),

*) Vgl. die Originalarbeit von Rassau, S. 382 dieses Bandes. J*.

~ 509

Parasiten und parasitäre Krankheiten.

Keysselitz, 0., Generations- und Wirtswechsel von Trypano- plasma borreli Laveran et Mesnil.

(Archiv für Protistenkunde, Bd. 7, 1906, S. 1—74.)

In Blut und Lymphe unserer Süßwasserfische sind Trypano- somen und Trj^panoplasmen beobachtet. Sie werden auf die Fische jedenfalls durch blutsaugende Schmarotzer tibertragen, wahrschein- lich durch die Fischegel (Piscicola geometra). Bei diesen findet man sehr häufig Flagellaten im Magen und Darm. Bei schwerer Infektion sterben die Fische frühzeitig ab unter den Erscheinungen der Anämie. f. Schmitt (Stettin),

Schmidt, 0., Über das Vorkommen eines protozoenartigen Parasiten in den malignen Tumoren und seine Kultur außerhalb des Tierkörpers.

(Mitteil, aus Dr. Schmidts Laboratorinm f. Krebsforschung, 1. Heft, 1905, 8. 1—52.)

Verf. teilt mit, daß es ihm gelungen sei, einen protozoenähn- lichen Parasiten in malignen Geschwülsten zu entdecken und denselben in Reinkultur zu züchten. Injektionen einer abgetöteten Reinkultur riefen bei Krebskranken spezifische Reaktionen und regressive Prozesse in den Tumoren hervor. Diese protozoenähn- lichen Gebilde, auf die andere Forscher (Gaylord, SchüUer) schon aufmerksam gemacht haben, fand Seh. häufig bei Untersuchung von Tumoren in frischem, nicht fixiertem Zustand und ver^^ahrt sich dagegen, daß diese von den Gegnern der Protozoentheorie der Geschwülste als Degenerationsprodukte von Zellen angesprochen werden.

Bezüglich der Entwicklung des Parasiten, des Infektionsmodus, der Untersuchungstechnik und der Kulturmethoden wird auf das Original verwiesen. Das Ergebnis seiner Untersuchungen faßt Seh. in folgenden fünf Punkten zusammen:

1. Der Parasit kommt in jedem malignen Tumor des Menschen und der Tiere äußerst zahlreich vor;

2. er erzeugt, in Beinkultur disponierten Tieren injiziert, Neubildungen von ausgesprochen bösartigem Charakter;

3. seine abgetöteten Reinkulturen und ebenso das Serum von mit Rein- kulturen immunisierten Tieren entfalten starke Schutz Wirkungen gegen bös- artige Geschwülste;

510

4. bei Injektion minimaler Dosen seiner abgetöteten Beinkultor bei Menschen, die an malignen Neubildungen erkrankt sind, treten spezifische Reaktionen an dem Ort der Erkrankung und solche allgemeiner Natur auf;

5. fortgesetzte Injektionen steigender Dosen bewirken in den Ge- schwülsten Veränderungen regressiver Natur und zum Schluß Yemarbung.

Poppe (Würxburg).

Hygiene im engeren Sinne.

Hansemann, D. t., Über den Einfluß der Domestikation auf die Entstehung von Krankheiten.

(Berl. klin. Wochenschr., 43. Jahrg., 1906, S. 629—631 u. S. 670— 67^)

Verf. versteht unter Domestikation im weiteren Sinne „jedes Streben, die Existenz der Rasse und des einzelnen Individuums in bewußter Weise durch künstliche Hilfsmittel zu fordern und gegen den Einfluß äußerer Naturgewalten zu verteidigen." Nach dieser Definition bezieht sich der Begriff der Domestikation nicht nur auf Haustiere, sondern auch auf den Menschen. Verf. erörtert zunächst, inwieweit die Domestikation hinsichtlich einer Reihe von Krank- heiten des Menschen von günstigem Einfluß ist, daß sie aber um- gekehrt nicht nur beim Menschen und bei Tieren Degenerations- zustände, die domestizierten Individuen eine größere Disposition für viele Krankheiten verleihen, sondern auch Krankheiten an sich schafft. Dies wird mit zahlreichen Beispielen aus der Menschen- und Tierpathologie belegt. (Die Arbeit bringt nichts wesentlich Neues. [Ref.]) J,

Schennert, A., u. Grimmer, W,, Zur Kenntnis der in den Nahrungsmitteln enthaltenen Enzyme und ihrer Mitwirkung bei der Verdauung.

(Zeitschr. f. physiol. Chemie, Bd. 48, 1906, S. 27—48.)

Die Untersuchungen der Verff., die eine Erweiterung der im gleichen Institut früher ausgeführten bedeuten, sollten lediglich fest- stellen, ob und in welcher Weise die in den Nahrungsmitteln ent- haltenen Enzjine bei den im Magen und Darm ablaufenden Ver- dauungsvorgängen zur Mitwirkung gelangen. Die unter Anwendung der üblichen Methoden ausgeführten früheren und die neuen Versuche

511

haben ergeben, daß in vielen Nahrungsmitteln: Hafer, Mais, rohen Kartoffeln, Reis, Erbsen, Gerste, Roggen, Weizen, Roggen- stroh, Wiesenheu, Lupinenkörnem, Buchweizen, Wicken und Pferde- bohnen sich mindestens ein durch Siedehitze zerstörbares Enzym befindet, das bei Bluttemperatur imstande ist, die in den Nahrungsmitteln enthaltene Stärke zu Dextrinen und Zuckerarten abzubauen und dadurch löslich und für den Organismus verwertbar zu machen. Wie Mhere Fütterungsversuche mit Tieren und Verdauungsvei^suche in vitro beweisen, ist ein großer Teil der im Magen der Haustiere ablaufenden amylolytischen Vorgänge auf die Wirkung dieser Nahrungsmittelenzyme zurückzu- führen. Einige der Nahrungsmittel besitzen amylolytische Enzyme, die ihre Wirkung nicht wie das Ptyalin des Speichels nur bei alkalischer, ganz schwach saurer und neutraler Reaktion zu ent- falten vermögen, sondern vielmehr befähigt sind. Stärke auch bei einer relativ hohen Salzsäurekonzentration 0,2% zu verzuckern, bei der das Speichelenzym längst unwirk- sam gemacht worden ist. Bei Wahl eines geeigneten Futter- mittels findet demnach die Stärkeverdauung im Magen auch dann noch statt, wenn infolge der sauren Reaktion des Mageninhaltes das Ptyalin des Speichels seine Wirksamkeit eingebüßt hat. Immer geht mit dem Auftreten von Zucker auch das von freier Milchsäure Hand in Hand. Das Vorhandensein eines Milchsäurefermentes ist demnach ebenfalls als erwiesen zu be- trachten. In den daraufhin untersuchten Nahrungsmitteln: Hafer, Mais, Pferdebohnen, Lupinen, Wicken und Buchweizen konnte das Vorhandensein eines proteolytischen Enzyms nachge- wiesen werden, das die in den Nahrungsmitteln ent- haltenen Eiweißkörper bei Bluttemperatur zu peptoni- sieren vermag. Teilweise wirken diese Enzyme nur bei alkalischer oder saurer Reaktion, teilweise ist die Reaktion des Verdauungs- gemisches ohne Einfluß. Im letzteren Fall vermögen sie demnach unter allen während der Verdauung im Magen herrschenden Reak- tionsverhältnissen die Eiweiß Verdauung zu fördern. Ein zellu- loselösendes, zytohydrolytisches Enzym konnte in keinem der daraufhin untersuchten Nahrungsmittel nachgewiesen werden. Die Verff. glauben, den Nahrungsmittelenzymen nicht nur fiir die Magenverdauung, sondern auch für die Darmverdauung eine gi-oße Bedeutung beimessen zu müssen. Seheunert f Dresden).

Zeitflcbrifl (Ür Infektionskrankheiten. I, 6. 33

512

Fingerling, 0., Untersuchungen über den Einfluß von Reiz- stoffen auf die Futteraufnahme, Verdaulichkeit und Milchsekretion bei reizlosem und normalem Futter.

(Die landwirtschaftl. Versuchsstationen, Bd. 62, 1905, S. 11—179.) An der landwirtschaftlichen Versuchsstation Hohenheim hat der Verf. auf Veranlassung Morgens umfangreiche Untersuchungen ange- stellt, um an der Hand von Fütterungsversuchen über den Wirkungs- wert und Wirkungsgrad der Reizstoffe Aufschluß zu erhalten. Als Reizstoffe (Gewürzstoffe) faßt der Verf. solche Stoffe auf, die nicht durch Zufuhr von Energie oder Baumaterial, wie die Nahrungs- bestandteile, als Ersatz für primäre und sekundäre Zellbestandteile dienen, sondern durch Ausübung eines Reizes den Stoffwechsel in einer für die Produktion günstigen oder auch ungünstigen Weise beeinflussen. Zunächst sollten nun die Untersuchungen über die Wirkungen der Reizstoffe an sich, also über diejenigen Wirkungen Auskunft geben, die sie auf Futteraufnahme, Milchsekretion usw. bei reizstoffarmem Futter ausüben. Femer sollte aber auch ihr Einfluß auf Futteraufaahme usw. bei einem reizstoffreichen Normalfutter studiert werden, und zwar dürfte dieser Teil, der besonders von dem wirtschaftlichen Wert der Reizstoffe handelt, für die Beurteilung der als Geheimmittel vertriebenen Vieh-, Milch- und Mastpulver von Wert sein. Bei den Fütterungsversuchen, die mit Ziegen und Hammeln und (bei den Orientierungsversuchen) mit Kaninchen an- gestellt wurden, dienten als Reizstoffträger Samen von Gewürz- pflanzen (Fenchel, Bockshorn, Anis usw.). Die angewandten Futter- mittel wurden nach den üblichen Methoden der Futtermittelanalyse analysiert. Die Verdaulichkeit der Rohfaser wurde nach Kühn, die von Stroh und Strohstoff durch besondere Ausnutzungsversuche an Böcken bestimmt. Die Wartung der Versuchstiere erfolgte in der üblichen Weise. Näheres über die Anordnung und Ausfiihrung der einzelnen Versuche muß im Original nachgelesen werden. Die hauptsächlichsten Ergebnisse sind kurz folgende:

1. Den Reizstoffträgem ist eine günstige Wirkung auf Futteranfnahme nnd Milchsekretion zuzuschreiben; diese tritt aber nur dann ein, wenn das Futter, extrem arm an Reizstoffen ist, z. B. Stroh, Stärke, Tropon. Bei normalem, reiz- stoffreichem Futter bleibt Reizstoffzugabe völlig wirkungslos. Eine künstliche Reizstoffzugabe zu dem von der Natur schon genügend mit solchen Stoffen versehenen Futter ist demnach ohne günstige Wirkung und kann höchstens schädliche Einflüsse (Magendarmerkrankungen) im Gefolge haben.

513

2. Die Annahme, daß die Reizstoffe durch ihre appetitanregende Wirkung auch eine vermehrte Sekretionstätigkeit der Yerdauungsdrüsen veranlassen, ist durch die Versuche nicht bestätigt worden, da eine Reizstoffbeigabe weder bei einem reizstoffarmen noch bei einem reizstoffreichen Futter eine bessere Verdaulichkeit der einzelnen Stoffe hervorrief.

3. Für die Praxis empüehlt Verf. eine Reizstoffbeigabe nur dann, wenn ein abnormes Futter, z. B. beregnetes Heu, vorliegt (vgl. Punkt 1); denn bei normalem Futter ist ihre Beigabe unrentabel und unter Umständen schädlich. Da schon die meisten in einer Wirtschaft erzeugten Stoffe genügend Reizstoffe enthalten, wird also die Beigabe von solchen (z. B. Fenchel, Anis, Kümmel usw.) nur sehr selten nötig sein. Dringend gewarnt wird vor dem Ankauf der Mast-, Milch- und Viehpulver, die nur ein preisunwertes, wirkungsloses Gemenge dieser obengenannten Stoffe enthalten. Seheunert (Dresden),

Beger, C, Einfluß verschiedenartiger, sowie emulgierter und nicht emulgierter Nahrungsfette auf die Milch- produktion.

(Die landwirtschaftl. Versuchsstationen, Bd. 64, 1906, S. 249—251.)

Die vorläufige Mitteilung, der weitere Publikationen folgen sollen, macht es wahrscheinlich, daß verschiedene Fette ver- schieden günstig die Milchproduktion beeinflussen und daß Fett, als Emulsion verabreicht, besser wirkt, wie bei einfacher Verabreichung. Seheunert (Dresden).

Fish and Seaman, Die Wirkung von Melassefütterung auf Pferde in der Ruhe.

(Bericht über Arb. des veterinär-pliysiolog. n. -pharmakolog. Laboratorinms der Comell-Universität, Ithaca N.-Y. 1905.)

Versuche mit Melasseflitterung an drei nicht arbeitenden Pferden hatten im allgemeinen eine Besserung des Nährzustandes zur Folge. Auffällig war jedoch das Auftreten von Zucker und Eiweiß im Harn. In einem Fall, der histologisch untersucht wurde, war parenchymatöse Hepatitis und Nephritis festzustellen, die jedoch nicht mit Sicherheit auf die Fütterung zurückzuführen ist.

Grabert (Berlin),

Schreiber, Zur Frage der Melassefütterung.

(Dentsche tierärzti. Wochenschrift, 1906, S. 14&— 149 n. 158/59.)

Zur Mästung der Pflanzenfresser eignen sich vornehmlich die Kohlehydrate, vor allem der Zucker, der den Landwirten in der 50 Proz. Rohzucker enthaltenden Melasse billig zu Gebote steht; allerdings muß die grüne Melasse mit anderen Mitteln ge- mischt werden, um toxische Nebenwirkungen zu vermeiden, die

Zeltflcbrift für Infektionskrankheiten. I, 6. 84

514

durch den großen Gehalt an mineralischen Bestandteilen verorsacht werden. Verf. studierte den Wert verschiedener Melassepräparate an den Versuchstieren (Pferden, Rindern, Kälbern, Schweinen) des Lands- berger Serum-Institutes. Die anfanglich kleinen Gaben wurden aU- mählich bis zu den Grenzen der Bekömmliehkeit oder Au&ahmefthig- keit gesteigert. Die Blutmelasse wird nur in kleinen Mengen gut vertragen, Nachteile sind ferner ihre geringe Haltbarkeit, die Er- zeugung von Magendarmkatarrhen durch größere Mengen und ihr hoher Preis. Maiskeimmelasse wird gern genommen und gut ver- tragen. Günstig beeinflußt wurde durch sie die Schweinemast and der Fettgehalt der Milch. Mit Kleienmelassen unbekannter Herkunft wurden meist ungünstige Resultate erzielt; dagegen empfiehlt Verf. die Weizenschalenmelasse als gutes Bei- und Kraftfutter. Am besten aber bewährte sich in jeder Hinsicht die Torfmelasse, die der Verf. als ein in wirtschaftlicher und diätetischer Be- ziehung vorzügliches Futtermittel warm empfiehlt

Besow f Frankfurt a. Oj.

Peters, Slade u. Avery, Vergiftung von Rindvieh durch ge- wöhnliches Sorghum und Kaffernkorn (Sorghum vulgare).

(BaUet Nr. 77 der Landwirtsch. Versaclisstatioii ron Nebraska, Bd. 15^ Art IIL)

In Nebraska und den benachbarten Staaten kamen wiederholt plötzliche Erkrankungen mit schnell tödlichem Ausgang bei Rindern vor^ die zufällig auf grünen Sorghumfeldem geweidet, aber nur geringe Mengen von diesem Futter aufgenommen hatten. Die Krankheitserscheinungen waren: Schläfrigkeit, Tränenfloß, Muskel- zittem und -krampte, Gliederstarre, schwankender Gang, Unvermögen zu stehen, unfreiwilliger Hamabsatz, aufgehobenes Wiederkäuen, Lähmung der Zunge. Gefühllosigkeit an den unteren Teilen der Schenkel, Diarrhöe. Bei der Sektion waren keine pathoI(^;ischen Veränderungen nachweisbar.

In den Manzen. die meistens einen dürftigen Wuchs aufwiesen, wurde Blausäure gefunden. Für Blausäurevergiftung sprachen auch die Krankheitssymptome und der Geruch aus dem Maul der Tiere, Die Blausäure i>t bis zu eiuem Gehalt von- 1 Proz. haupt- >achlich in deu Blättern vorhanden, und zwar in unreifen mehr als in reifen. lUe Entstt-huns: des Giftes ist auf ein Glykosid zuiück- zuluhrt-n. aa^ dem sich Blau>äure durch Einwirkune eines Enzvms

515

entwickelt. Begünstigend scheint trockenes Wetter zu wirken, das die Reifung der Pflanzen verzögert. Als Gegenmittel sind Kohlehydrate, vielleicht in Form von Melasse, zu versuchen, die mit der Blausäure unschädliche Verbindungen eingehen.

Orabert (Berlin).

Helwes, Über Vergiftung durch bleihaltiges Brunnenwasser.

(Vierte^ahrsschr. f. gerichtl. Medizin, 1906, H. 2.)

Auf Grund seiner Untersuchung von 34 Fällen von Bleivergif- tung durch Trinkwasser, das das Blei aus den Leitungsröhren auf- genommen hatte, regt Verf. die Beseitigung der Bleiwasserrohre und das Verbot ihrer Verwendung für öffentliche Gebäude an. In den untersuchten Trinkwässern wurden 0,05—6,8 mg Blei pro Liter nachgewiesen. Weiches Wasser löst mehr Blei wie hartes, aber auch letzteres bleibt nicht frei. In den Grundwassern Nord- deutschlands befördert die Huminsäure des Bodens die Bleilösung.

Resow (Frankfurt a. 0.).

Untersuchungsmethoden.

Badgeon, On a new method of distinguishing bac. typhosns and bac. coli.

(The Lancet, 1906, Bd. 1, Nr. 3.)

Diese Methode besteht in der Verwendung von Fleischbrühe zur Aussaat mit einem Gehalt von 0,1, 0,5 und 1 Proz. ürotropin. Typhus- bazillen wachsen gut in der 0,1 proz. Ürotropin-Bouillon, weniger gut in der 0,5 proz., fast gar nicht in der Iproz., während umgekehrt Kolibazillen darin üppig wachsen. Kaestner (Berlin),

Hill, H. W., A notable source of error in testing gaseous disinfectants.

(The Joiirn. of infections Diseases, Suppl. No. 2, 1906, S. 210-213.)

Zum Zweck der Prüfung gasförmiger Desinfektionsmittel müssen die Testobjekte von gleicher Herkunft, gleichem Alter und vor allem von gleichem Feuchtigkeitsgehalt sein. Nichtbeachtung dieser Umstände führt zu Fehlerquellen und erklärt die abweichenden Resultate vieler vergleichsweise ausgeführten Untersuchungen über die keimtötende Kraft der einzelnen gasförmigen Desinfektionsmittel.

Kaestner (Berlin), 34*

516

Saehs-Mficke, Eia einfacher Apparat zur Wiederauffindung bestimmter Stellen in mikroskopischen Präparaten.

(Mflnch. med. Wochensehr., 53. Jahrg., 1906, S. 1258—1259.)

Verf. hat einen einfachen Apparat konstruiert, der an jedem Objektivsystem (z. B. der Ölimmersion) angebracht werden kann und der gestattet, in Präparaten bestimmte Stellen jederzeit und ohne Schwierigkeiten wiederzufinden. Näheres über den Apparat, der 15 M. kostet, ist dem Original zu entnehmen. j.

Beaschel^ F., Die einfachste Methode der Anaeroben- züchtung in flüssigen Nährböden.

(Manch, med. Wochensehr., 53. Jahrg., 1906, S. 1208—1209.)

Aus einem Kulturröhrchen mit flüssigem Nährboden kann man die Luft leicht austreiben, wenn man durch Erhitzung der oberen Schichten der Flüssigkeit den freien Raum des Röhrchens mit Wasserdampf füllt. Eine Abtötung der eingeimpften Keime findet bei vorsichtigem Erhitzen nicht statt. Die Röhrchen werden vorher mit einem kurzen Gummischlauch montiert, der während des Er- hitzens abgeklemmt wird. Näheres im Original. J.

Boxer^ Blutnährböden zur Differenzierung der Strepto- kokken und Pneumokokken.

(Verhandl. der Deutschen Patholog. Gesellsch., 9. Tagung in Meran 1905,

S. 24—27.)

Das Resultat der Untersuchungen von Streptokokken und Pneumokokken auf Blutnährböden war, daß Streptokokken im allgemeinen eine Aufhellung des Blutagars, Diplokokken eine intensive gelbe Verfärbung desselben hervorrufen. Dabei ergab sich, daß einzelne Streptokokken- oder Diplokokken- stämme sowohl Aufhellung des Nährbodens als auch gelbe Ver- färbung erzeugten. Die Aufhellung des Blutagars durch Strepto- kokken und ebenso die Gelbfärbung des Blutagars durch Diplokokken schreibt B. in Übereinstimmung mit Lode einer Enzjm Wirkung zu.

Lariseh fBerlinJ,

Johnson^ O. A., Copeland, W. B«, and Kimberly, A. E., The

relative applicability of current methods for the determination of putrescibility in sewage effluents.

(Joum. of infectious Diseases, Suppl. Nr. 2, 1906, S. 80—96.)

Angabe einer Schnellmethode zur Bestimmung des Gehaltes von Abwässern an faulnisfahigen Substanzen mit Rücksicht auf die Prüfung der Wirksamkeit von FUteranlagen. Die Methode beruht

517

auf dem analytischen Nachweis des Sauerstoff-AbsorptionskoSffizienten der Abwässer, gemessen durch Kaliumpermanganat.

Kaesiner (Berlirlh

Johnson^ G. Ä.^ and Kimberly^ A. £•, A comparative review of current methods for the determination of organic matter in sewage.

(Joarn. of infections Diseases, Suppl. Nr. 2, 1906, S. 97—108.)

Für die genaue Bestimmung des Gehalts der Abwässer an organischer Substanz eignet sich am besten die Methode Kjeldahls (Bestimmung des N aus freiem Ammoniak, dem Verbrauch an 0 und

dem Ascheräckstand). Kaeatner (Berlin).

Oage^ St., and Adams, G, 0., The collection and preservation of samples of sewage for analysis.

(Jonrn. of infeetioas Diseases, Sappl. Nr. 2, 1906, S. 139—148.)

Die Konservierung von Abwässerproben zum Zweck der späte- ren chemischen Untersuchung erfolgt am besten durch Chloroform.

Kaestner (Berlin),

Hill, H. W., A device for filtering toxins etc. by the use of water pressure.

(Journ. of infections Diseases, Suppl. Nr. 2, 1906. S. 226—228.)

H. beschreibt einen Wasserdruckapparat zur Filtration von Toxinen usw., wobei die zu filtrierende Flüssigkeit sich in einem Gummibehälter eingeschlossen befindet. Kaeetner (Berlin).

Slack, F. H., Methods of bacteriological examination of milk.

(Jonrn. of infections Diseases, Snppl. Nr. 2, 1906, S. 214—222.)

Zusammenstellung der bewährtesten Methoden zur bakterio- logischen Untersuchung der Milch. Kaestner (Berlin).

Lehrbücher, Handbücher, Zeitschriften.

Ellenberger, W., u. Baam, H,, Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haustiere.

(11. Anfl., Berlin 1906, XX n. 1024 Ss.)

Das bekannte, klassische Werk von Ellenberger und Baum liegt in neuer Auflage vor. Die Grundsätze, nach denen die Be- arbeitung und die Einteilung des Stoffes erfolgte, sind die gleichen geblieben, wie in den beiden letzten Auflagen. Sie sind allgemein

518

als richtig und in jeder Hinsicht zweckentsprechend anerkannt. In der vorliegenden Auflage, die selbstverständlich die Ergebnisse der neueren anatomischen Forschungen voll berücksichtigt, hat eine Reihe von Kapiteln eine Neubearbeitung und Erweiterung erfahren. Es sei hier nur beispielsweise auf die größere Ausführlichkeit iu der Schilderung der anatomischen Verhältnisse der Wiederkäuer, des Schweines und der Fleischfresser hingewiesen. Die Zahl der ganz vortrefflichen Abbildungen ist um 142 vermehrt worden. Sie be- trägt jetzt insgesamt 666. Trotzdem so das Werk textlich sowohl als auch in bezug auf bildliche Darstellungen bedeutend bereichert worden ist, haben es die Verff. verstanden, eine größere ümfangs- vermehrung zu vermeiden und damit die Handlichkeit des Buches zu wahren. Auf die intimeren Vorzüge des Meisterwerkes kann hier nicht eingegangen werden. Es muß das der Feder eines Anatomen von Fach vorbehalten bleiben. Nur das Eine möchte ich noch hervorheben, daß das Buch auch als Nachschlagewerk ein nie versagender Berater für denjenigen ist, der sich über diese oder jene anatomische Einzelheit rasch informieren will. j.

Schmidt-Nielsen, L., Enzyme und Enzymwirkungen.

(Stockholm 1905, 129 Ss.)

Verf. erklärt den Begriff des Enzyms und behandelt in den folgenden Abschnitten das Vorkommen, die Entstehung und die Wirkung verschiedener Enzyme. Das Buch beginnt mit einer inter- essanten geschichtlichen Einleitung und schließt mit einer Aus- einandersetzung darüber, me der Verf. sich die Wirkungen der

Enzjme vorstellt. L, Bahr (Kopenhagenj

Arehives de l'Institut Royal de Baet^riologie Camara Pestana.

(Tome I, Fascicale I mit 4 Taf. u. a4 Fig. im Text, Lisbonne 1906.)

Eine neue bakteriologische Zeitschrift großen Stiles hat in Lissabon ihr Erscheinen begonnen. Das vorliegende, 12Vs Bogen starke erste Heft enthält 12 gediegene Arbeiten, unter anderem über die Meningitis cerebrospinalis, über Aggressine, über Wut und Wutschutzimpfung, sowie mehrere Arbeiten über Trypanosomen. Die Ausstattung der Zeitschrift ist eine vortreffliche; besonders schön sind auch die Tafeln ausgeführt. j.

Sachregister.

Belte

Vorwort 1

Originalarbeiten.

Ostertag u. Bugge, Untersuchungen über eine maulseucheähnliche Er- krankung des Bindes („gutartige Maulseuche^), Stomatitis papulosa

bovis specifica (mit 1 Tafel) 3

Wolffhügel, K., Prosthogonimus cuneatus (Rud.) aus einem Hühnerei . 21 Smith; Th., Über einige Kulturmerkmale des Kauschbrandbazillus . . 26 Schntirer, J., Weitere Versuche zur Desinfektion der Eisenbahnvieh- transportwagen mit wässerigen Formaldehydlösungen . 32

Prettner, M., Die Bildung von Schutzstoffen im Fötalleben. (Ein Bei- trag zur Frage der Vererbung der Immunität) 45

Wassermann, A., Über die praktische Bedeutung der Komplementbindung 97 Jacobs thal, E., u. Pfersdorff, F., Grundlagen einer biologischen Me- thode zum Kachweis des Milzbrandes in der Praxis (Straßburger Gips- stäbchen-Methode) [mit 1 Fig. im Text] 102

Pfeiler, W., Abtötung der Erreger des Milzbrandes durch Wärme . . 124 Stadie, A., Über die Immunisierung gegen Milzbrand nach Sobernheim 127 Schnürer, J., Weitere Versuche zur Desinfektion der Eisenbahnvieh- transport wagen mit wässerigen Fonnaldehydlösungen 144

Junack, Zur bakteriologischen Diagnose der chronischen Schweineseuche

(mit 1 Fig. im Text) 153

Evers, K., Schweineseuche und Stallhygiene 167

Richter, J., Über die Tuberkulosetilgnngsverfahren von Bang und Ostertag mit Rücksicht auf ihre Anwendbarkeit auf die Verhältnisse im König- reich Sachsen 187

Fischer, H., Die Cabanas 211

Kaestner, P., Bemerkungen zu dem Artikel Fischoeders: „Zum Nach- weis des Milzbrandes durch Züchtung^ 216

Schütze, A., Zur Heilung akuter Infektionskrankheiten mittelst spezi- fischer Sera 303

Moore, V. A., A Study of Avian Tuberculosis 333

520

S«lte Glage, F., Beiträge zur Kenntnis der Pallisadenwurmkrankheiten der

Füllen und der Pferde 341

Stadie, A., Kloine Beiträge zur Ätiologie der SchweineBeuche .... 376 Bas sau, £., Die Bedeutung der Blutimpfung gallenimmunisierter Tiere

bei der Rinderpestimpfung 382

Romann, Skizze der ostfriosischen Viehhaltung (mit drei Figuren im Text) 389 Ostertag u. Ackermann, Kommen die Erreger der Geflügelcholera im

Darme gesunder Gänse vor? 431

Sobernheim, G., Beitrag zur Beurteilung des Milzbrandserums und der

Simultanmethode bei Milzbrand 442

Prettuer, M., Über aktive und passive Immunisierung gegen Schweinepest 451

Sammelreferate,

Schüttrer, J., Die Verwertung der biologischen Reaktionen (Agglutination

und Präzipitation) bei der Diagnose des okkulten Rotzes 5S

Joe st, £., Die neue Schafpockeninvasion (mit 1 Tafel n. 3 Fig. im Text) 220

Titze, C, Die Aggressinhypothese von Bail 233

Schmidt, F., Immunisierung mit intrazellulären Toxinen 238

Kaestner, P., Die Trypanosomen als Parasiten und Krankheitserreger 895, 475

Etnzelreferate. Allgemeine Bakteriologie.

Hofstädter, £., Das Eindringen von Bakterien in feinste Kapillaren 62

Uffenheimer, A., Die Durchgängigkeit des Magendarmkanals neu- geborener Tiere für Bakterien und genuine Eiweißstoffe .... 63

V, Liebermann, L., Sind Toxine Fermente? 64

Abderhalden, E. u. Rona, P., Die Zusammensetzung des „Eiweiß*" von Aspergillus niger bei verschiedener Stickstoffquelle .... 244

Trincas, L., Über die sogenannten heteromorphen oder teratomorphen Bakterien 245

von Wunschheim, 0. R., Über Hämolyse im Reagenzglase und im Tierkörper - 245

Strenguli na, A., Über die im Züricher Boden vorkommenden Heu- bazillen und über deren Beziehungen zu den Erregem der Panoph- thalmie nach Hackensplitterverletzung 246

Mereshkowski, S. S, Zur Frage über die Rolle der Mikroorganismen im Darmkanal 246

Ankersmit, P., Untersuchungen über die Bakterien im Yerdauungs- kanal des Rindes 247

Baruchello, L., Untersuchungen über die Darmstreptokokken des Herdes 248

Ficker, M., Über den Einfluß des Hungers auf die Bakteriendurch- lässigkeit des Intestinaltraktus 248

521

Seite

Holth, H., Nogle Faecesundersögelser saerlig med Henblik paa Tyfas- diagnoBen. (Einige Fäzesuntersuchuiigen mit besonderem Hinblick

auf die Typhusdiagnose.) 249

D ' h e i 1 , Beitrag zur Frage des Bakteriengehalts der Milch und des Euters 250

Zettnow, Färbung und Teilung der Spirochaeten .485

Almquist, £., Kultur von pathogenen Bakterien in Düngerstoffen . 485 Trommsdorff, R.,. Über den Mäusetyphusbazillus und seine Ver- wandten 485

Simoneini, 6. B., Sulla reazione deli organismo alle proteine dcl B. prodigioso, del B. coli e del B. del Carbon etio. (Über die Beaktion des Organismus gegen das Protein des B. prodigiosus, des B. coli

und des B. anthracis.) 486

Abderhalden, E. u. Ternuchi, Y., Kultur\'er8uche mit Aspergillus

niger auf einigen Aminosäuren und Peptiden 487

Moro, E. u. Musath, F., Über die bakteriellen Hemmungsstoffe des

Säuglingsstuhles 487

Levy E. u. Fornet, W., Über Filtrataggressine 487

Infektionskrankheiten.

Heß, Bericht über die von der Gesellschaft schweizerischer Tierärzte veranstaltete Untersuchung betr. die Knötchenseuche 64

Kokawa, J., Studien über experimentelle Bazillen-Pneumonie ... 70

Karlinski, J., Zur Frage der sogenannten germinativen Tuberkulose bei Tieren 71

Philipse A. M. F. H., Bacillus anthracis mirabilis. Een eigenaarvige varieteit van miltvuurbacillen. (Eine eigentümliche Varietät von Milzbrandbazillen) 71

Link, R., Beitrag zur Wirkung von Tuberkelbazillen verschiedener Herkunft 72

Gagnetto, J., Sur une variöt^ de tuberculose zoogl^ique et de ses rapports avec la pseudomorve 72

Bartel, J., Lymphatisches System und Tuberkulös einfektion ... 73

Bulloch u. Twodt, Über die Virulenz von aus menschlichen Quellen herrührenden Rotzbazillen 74

Raebiger, H., Die Bekämpfung der Rindertuberkulose nach dem Ostertagschcn Verfahren in der Provinz Sachsen im Jahre 1904/05 75

Riemer, Ein Beitrag zur Beurteilung des Wertes der Agglutination für die Diagnose der Rotzkrankheit des Pferdes 75

R i e g l e r , P. e t C i u c a , A., La morve expörimental e des animaux bovins 76

Joest, E., Die Beziehungen des Schweinepesterregers zu anderen Bakterien mit besonderer Berücksichtigung der Fleischvergifter . 77

V. Löte, J., Über ein Sjmptom der experimentellen Lyssa (das sog. prämoni torische Fieber) 78

Tizzoni u. Bongiovanni, Die Behandlung der Wut mittels Radium- strahlen 78

522

Seite

Siegel, J., Bericht über gelungene Übertragung der Maul- und Klauen- seuche auf Kaninchen, nebst ergänzenden Bemerkungen über die Be- obachtungs- und Färbemethoden der gesamten Cytorrhyktes Gattung 79

Kleine, F. K., Neue Beobachtungen zur Hühnerpest 80

Jnliusberg, M., Zur Kenntnis des Virus des Molluscum contagiosum

des Menschen 80

Bon ho ff, H., Die Spirochaeta vaccinae * 80

Dammann u. Müssemeier, Untersuchungen über die Beziehungen

zwischen der Tuberkulose des Menschen und der Tiere .... 251 Plate, E., Über die Besorptionsinfektion mit Tuberkelbazillen vom

Magendarmkanal aus 254

Bartel, J., Die Bed.eutung der Lymphdrüse als Schutzorgan gegen

die Tuberkuloseinfektion 254

Bartel, J. u. Spieler, F., Der Gang der natürlichen Tnberkulose-

infektion beim jungen Meerschweinchen 255

Cantacuzene, J., Becherches sur la maladie ezpörimentale provoqu^e

par rinoculation de bacilles tuberculeux d^graissös 256

Klauwers, J. A., Worden bij longtuberculose van het rund zelden bacillen opgehoest? (Werden bei Lungentuberkulose des Rindes

selten Bacillen ausgehustet?) 256

Siegenbeek van Heukelom, J., Experimenteele onderzoekingen met dode tuberkelbacillen (Experimentelle Untersuchungen mit toten

Tuberkelbazillon) 257

Oppermann, Th., Ein Beitrag zur Pseudotuberkulose der Nagetiere 259 Upper mann, Th., Experimentelle Beiträge zur Ätiologie der natür- lichen Milzbrandfölle 260

Wright, J. H., The biology of the microorganism of actinomycosis 260 Ernst, W., Über Pyelonephritis diphtherica bovis und die Pyelone-

phritisbazülen 262

Bürgi, M, Die Staphylokokkeninfektion bei den Hasen 263

Bahr, L., Über die zur Vertilgung von Ratten und Mäusen benutzten

Bakterien 263

Bonome, A., Sulla patogenesi e trasmissibilitä della Morva chiusa. Osservazioni sul comportamento del «virus moccioso neir organismo di alcuni animali (Über die Pathogenese und die Übertragbarkeit des latenten Rotzes. Untersuchungen über das Verhalten des Rotz- virus im Körper einiger Tiere) 264

M'Fadyean, J., The Prophylaxis of glanders 269

Mazzi u. Agnzzi, L'enterite infettiva dei maialetti e la scoperta deir agente infettivo (Die ansteckende Enteritis der Ferkel und Ihr

Erreger) 269

Kleine, F. K. u. Möllers, B., Über Hühnerpest bei Gänsen ... 270 Rcmlinger, P., In welchem Moment wird das Gehirn von Menschen

und Tieren, die von einem wutkranken Hunde gebissen sind, virulent? 271 Nicolas, J., De la non-virulence du lait des herbivores rabiqnes . . 271 Theiler, A. u. Stockmann, S., On the co-relation ofvarious diseases in stock in South Africa 271

523

Seite

Bruce, Fortschritte unserer Kenntnis der Ursachen und Methoden zur Bekämpfung der Yiehkrankheiten in Südafrika während der

letzten zehn. Jahre 272

B a s 8 au , £., Fortschritte in der Binderpest- und Texasfieberbekämpfung 274 Pfeiffer, Die Bekämpfung des Kälbersterbens, der Kälberruhr und

der Kälberpneumonie 408

Sonne nbrodt, Milzbrand bei einem Elefanten 414

D au sei, Zum Nachweis des Milzbrandes 414

Hottinger, B., Über das Verhältnis des Bacillus suipestifer zur

Schweinepest 414

Bavenna, £., Sul comportamento del virus morvoso entro il tubo gastro-

enterico. (Über das Verhalten des Botzvirus im Magendarmtraktus) 414 Cagnetto, G., Sul comportamento del virus mor>'oso neir urina e suUa sua eliminazione attraverso i reni (Über das Verhalten des Botzvirus im Harn und seine Ausscheidung durch die Nieren) . .415 Kleine, F. K., Impftuberkulose durch Perlsuchtbazillen . . . . . 415 Galli-Valerio, B., Becherches expdrimentales sur la rage des rats avec obscrvations sur la rage du surmulot, de la souris et du mulot 416

Hickson, S. J., Microorganisms associated with disease 416

Bösen thal, W., über Beziehungen zwischen Hühnerpest und Lyssa 416 Si mader, P., Über Lungenatelektase und ihre Beziehungen zur

Schweineseuche 488

Bridr6, J., Pseudotuberkulose cas^euse chez les agneaux .... 490 Koske, F., Der Bacillus pyocyaneus als Erreger einer Bhinitis und Meningitis haemorrhagica bei Schweinen (Ein Beitrag zur Ätiologie

der Schnüffelkrankheit) 493

Klein, E., Über das Vorkommen von Schweineseuchebakterien und diesen ähnlichen Bakterien in der Nasenhöhle des Schweines . . 494

Ehrhardt, J., Der Kampf gegen die Bindertuberkulose 494

Eber, A. Experimentelle Übertragung der Tuberkulose vom Menschen

auf das Bind (2. Mitteilung) 494

Schlofimann, A., und Engel, St., Zur Frage der Entstehung der

Lungentuberkulose * 494

Hofbauer, L., Ursachen der. Disposition der Lungenspitzen für

-Tuberkulose 497

Ho ff mann, A., Über das Vorkommen des TetanuserregQrs in den

Fäces von Tieren 497

Nicolas, M. J., Sur la Pathog^nie de la Bage 497

Frothingham, L., The rapid Diagnosis of Babies 498

Bohne, Beitrag zur diagnostischen Verwertbarkeit der Negrischen

Körperchen 498

Schiff mann, J., Zur Kenntnis der Negrischen ToUwutkörperchen . 499 Koppitz, W., Ist die Wut innerhalb des Inkubationsstadiums in- fektionsfähig 499

Ghilarducci, F., Contributo allo studio della mielite acuta speri- mentale da streptococco (Beitrag zur Kenntnis der akuten, ex- perimentell durch Streptokokkeninjektion erzeugten Myelitis) . . 499

524

Seite

Klein, A new microbe, pathogemc for rodents, bacillus equi . . » 500 Martin, G., Sur un cas de spirillose da cheval observä en Guinea

fran^aise 500

Brück, C, Zur biologischen Diagnose von Infel{;tionskrankheiten . . 50O

Entwicklungshemmung Desinfektion.

Conradi, H. u. EarpjaweLt, 0., Über spontane Wachstumshemmung der Bakterien infolge Selbstvergiftung 81

Dorn, Baumann, Valentiner, Über die Einwirkung der Radium- emanation auf pathogene Bakterien 81

Perron cito, £., Der Einfluß der Kälte auf das Aphthenseuche virus 81

Hub er, H., Weitere Versuche mit photodynamischen, sensibilisierenden Farbstoffen (Eosin, Erythrosin). Prüfung der Wirkung des Tages- lichtes auf Lebensfähigkeit und Virulenz von Bakterien, auf Toxine und Antitoxine und auf das Labferment 82

Werner, R., Über Radiumwirkung auf Infektionserreger und Gewebs- infektion 82

Schnürer, J. u. Januschke, J., Zur Desinfektion der Eisenbahn- viehtransportwagen mit wässerigen Formaldehydlösungen .... 8S

Pfeiler, W., Zur Kenntnis der Desinfektion infizierten Düngers durch Packung 84

Huntemüller, 0., Vernichtung der Bakterien im Wasser durch Protozoen 275

Bechhold, H. u. Ehrlich, P., Beziehungen zwischen chemischer Konstitution und Desinfektiouswirkung. Ein Beitrag zum Studium der inneren „Asepsis** 417

Wendelstadt, H. u. Fellmer, T., Über die Einwirkung von Brillantgrün auf Nagana-Trypanosomen 418

Schneider, H., Neue Desinfektionsmittel ans Naphtholen .... 419

Immunität Schutzimpfung.

Schütz, A., Die plazentare Übertragung der natürlichen Immunität . 85 Pfeiffer, R. u. Fr iedb erger, E., Weitere Untersuchungen über die

antagonistische Wirkung normaler Sera * i : , 85

Weil, E., Die schützenden Eigenschaften des Blutes von aggressin-^

immunen Hühnercholeratieren 86

Schnürer, J., Zur präinfektion eilen Immunisierung der Hunde gegen

Lyssa 87

Prettner, M., Das Rotlaufschutz- und -heilserum 87

Meier, H., Immunisierungsversuche gegen Strychnin 88

Kind borg, A., Die Pneumokokken. Vergleichende Untersuchungen

mit besonderer Berücksichtigung der Agglutination 276

Graßberger, R. u. Schattenfroh, A., Antitoxische und antiinfektiöse

Immunität 276

525

BeitQ

Wassermann, A., Ostertag, R. u. Citren, J., Über das gegen- seitige immunisatorische Verhalten des Löfflerschen Mäusetyphus- bazillus und der Schweinepestbazillen 278

Kl immer, M., Bericht über die im Hygienischen Institut der König- lichen Tierärztlichen Hochschule ausgeführten Tuberkulose- Arbeiten (erstattet an das Königliche Ministerium des Innern) 279

S eh wart z, Heilung eines Falles von Augentuberknlose durch Mar- moreks Serum 281

Szökely, A Budapesti Pasteur-intözet 1904 ik ö vi kimutatAsa. (Statistik des Budapester Pasteurinstitutes im Jahre 1904) 281

Liebermann, L. v.. Sind die hämolytischen Immunkörper oder die Komplemente Katalysatoren, also Fermente? 419

Obermayer, F. u. Pick, E. P., Über die chemischen Grundlagen der Arteigenschaften der Eiweißkörper 419

Weil, E., ÜberAggressinimmunisierung von Schweinen gegen Schweine- seuche 420

Wassermann, A. u. Brück, C, Experimentelle Studien über die Wirkung von Tuberkelbazillen-Präparaten auf den tuberkulös er- krankten Organismus 421

Tiberti, Über die immunisierende Wirkung des aus dem Milzbrand- bazillus extrahierten Nukleoproteids auf Schafarten 422

Titze, C, Beitrag zur Immunisierung gegen Geflügelcholera, Schweine- seuche und Schweinepest mit „Aggressinen** nach Bail und mit Bakterienextrakten nach Conradi und Brieger 422

Weichardt, W., Weiteres ans der modernen Immunitätslehre . . . 424

Römer, P. H. u. Much, H., Antitoxin und Eiweiß 501

Wolff-Eisner, A. u. Rosenbaum, A., Über das Verhalten von Organrezeptoren bei der Autolyse, speziell der tetanusbindenden Substanz des Gehirns 501

Doerr, R., Über Aggressine 502

Sobernheim, G., Weitere Erfahrungen über Simultanimpfungen gegen Milzbrand 502

Übersicht über die im Jahre 1904 in der Wutschutzabteilung am Königlich Preußischen Institut für Infektionskrankheiten zu Berlin behandelten Fälle von Bißverletzungen bei Menschen durch tolle oder tollwutverdächtige Tiere 503

Marie, A., Pröservation du ehien contre la rage par les mölanges de

virus fixe et de s6rum antirabique 504

Schroeder, E. C. and Cotton, W. E., The Persistence of Tubercle Bacilli in Tissues of Animals after Injection 504

Remlinger, M. P., Contribution ä l'^tude du mdange de sörum antirabique et de virus fixe 505

Römer, P. H., Zur Präventiv -Therapie der Rindertuberkulose nebst kritischen Studien zur Tuberkulose-Infektionsfrage 505

Klein, F. K. u. Möller, B., Ein für Trypanosoma Brucei spezifisches Serum und seine Einwirkung auf Trypanosoma gambiense . . . 507

Stockman, Note on the Methods of Combating Rinderpest .... 507

526

Seite

Parasiten und parasitäre Krankheiten.

Moroff, Th. u. Fiebiger, S., Über Eimeria subepithelialls n. sp. . 89 Schuberg, A. u. Schröder, 0., Myxosporidien aas dem Nerven- system und der Haut der Bachforelle 89

Nißle, A., Beobachtungen am Blut mit Trypanosomen geimpfter Tiere 90 Franke, £., Therapeutische Versuche bei Trypanosomenerkrankung . 91 Beheben, L., Zur Kenntnis der Helminthiasis nodularis intestinalis

des Rindes und des Schafes 92

Langer, J., Zur Frage der Bildung spezifischer Antikörper im Orga- nismus von Band wurm Wirten 93

Knuth, P., Experimentelle Studien über das Texasfieber der Rinder

(La tristeza) in den La Plata-Staaten 282

Baldrey, F. S. W., Dourine (Beschälseuche) 288

Schneider, G. E. u. Buffard, M., Unicitö de la dourine .... 289 Laveran, M. A., Sensibilit^ des gerboises aux trypanosomiases . . 289 Thiroux, Recherches morphologiques et experimentales sur Trypano-

soma Duttoni (Thiroux) 290

Graham-Smith u. Walter, A new form öf parastte found in Üie

red blood corpuscles of moles 291

Riccioli, G., Intorno ai reperti del Dott John Sieget sul ciclo dei corpi di Guamieri (Beitrag zu den Untersuchungen Dr. John Siegels

über die Gnamierischen Eörperchen) 292

Butlin, H. T., Carcinoma is a parasitic disease 292

Bollinger, 0. v., Über Taenia cucumerina beim Menschen .... 294

Stroh, Rinderfinnenfnnde bei Milch- und Saugkälbern 2^

Ransom, B. H., A new nematode (Gongylonema ingluvicola) parasitic

in the crop of chickens . 295

Railliet, A. et Henry, A., Un nouveau Sclörostomien (Triodonto-

phorus deminutus nov. sp.) parasite de Thomme 295

Railliet, A. et Henry, A., Encore un nouveau Sclörostomien (Oeso-

phagostomum Brumpti nov. sp.) parasite de Thomme 29G

Gmeiner, Die Sarkoptesräude der Kaninchen 29G

Ablaire, M., Sur une dermatose estivale (alopöcie myasique) du cheval 297 Herzog, M., Zur Frage der Pestverbreitung durch Insekten. Eine

neue Spezies von Rattenfloh 297

Bunting, C. H., Haematogenous amoebic abscess of the lung . . . 424

Plehn, A., Über Malariaimmunität 424

Pilat, A., Bothriocephalus punctatus bei Fischen 425

Krabbe, H., Über das Vorkommen von Bandwürmern beim Menschen

in Dänemark 42G

Linstow, V., Neue Helminthen 426

Markus, H., Darmruptuur bij het paard, bengevolge van ascaris

megalocephala (Darmruptur beim Pferd durch Ascaris megalocephala) 426 Keysselitz, G., Generations- und Wirtswechsel von Trypanoplasma

borreli Laveran et Mesnil 509

527

Seite

Schmidt, 0., Über das Vorkommen eines protozoenartigen Parasiten . in den malignen Tumoren und seine Kultur außerhalb des Tier- körpers 509

Hygiene im engeren Sinne.

Holdefleiß, P., Ein Yergiffcungsfall mit einem Ackerunkraut, Erysimum crepidifolium Rchb., grundfestblättriger Schotendotter 93

Hillkowitz, G. u. Neubauer, H., Mondbohne, eine giftige Bohnen- art (PhaseoluB lunatus L.) 94

Völtz, W., Statlfütterung und Weidegang vom biologischen Gesichts- punkte 298

Scheunert, A., Über den Einfluß der Körperbewegung auf die Ver- dauung und Nährstoffabsorption des Pferdes 298

Blanchard, B., Accidents causös par une Graminöe amöricaine (Stipa Neesiana) * . . . . 299

Scheunert, A. u. Grimmer, W., Über die Verdauung des Pferdes bei Maisfütterung 428

V. Strusiewicz, B., Über den Nährwert der Amidsubstanzen . . . 430

Hansemann, D. y., Über den Einfluß der Domestikation auf die Ent- stehung von Krankheiten . . . . 510

Scheunert, A. u. Grimmer, W., Zur Kenntnis der in den Nahrungs- mitteln enthaltenen Enzyme und ihrer Mitwirkung bei der Verdauung 510

Fingerling, G., Untersuchungen über den Einfluß von Reizstoffen auf die Futteranfhahme, Verdaulichkeit und Milchsekretion bei reiz- losem und normalem Futter . 512

Beger, G., Einfluß verschiedenartiger, sowie emulgierter und nicht emulgierter Nahrungsfette auf die Milchproduktion 513

Fish u. Seaman, Die Wirkung von Melassefütterung auf Pferde in der Ruhe 513

Schreiber, Zur Frage der Melassefütterung 513

Peters, Slade u. Avery, Vergiftung von Rindvieh durch gewöhn- liches Sorghum und Kaffemkorn (Sorghum vulgare) 514

Helwes, Über Vergiftung durch bleihaltiges Brunnenwasser. . . . 515

Untersuchungsmethoden.

Bu erger, L., Eine neue Methode zur Kapselfärbung der Bakterien; zugleich ein Beitrag zur Morphologie und Differenzierung einiger

eingekapselter Organismen 94

Spengler, C, Die Sengzüchtung der Tuberkelbazillen aus Sputum . 95 Galli-Valerio, Über ein Färbeverfahren für Actinomyces bovis . . 95 Spengler, C, Zur Formaldehyd-Abtötung und -Züchtung derTuberkel-

und anderer säurefester Bazillen 96

Müller, 0., Über den Nachweis von Typhusbazillen im Trinkwasser mittelst chemischer Fällungsmethoden, insbesondere durch Fällung mit Eisenchlorid . 300

528

V. WasielewBki, Th., über die Technik des Gnarnierischen Impf- experimentes und seine Verwendung zum Nachweis von Vakzine- i Erregern in den inneren Organen von Impftieren dOl

T. Zebrowski, £., Zur Frage der Untersuchung der pleuritischen Exsudate auf Tuberkelbazillen

Schnür er, J., Zur diagnostischen Verwertung der Rotzagglatination 3'

Saathoff, Die Methylgrun-PTTonin-Methode für elektive Färbung der Bakterien im Schnitt 430

Dudgeon,Ona new method of distinguishing bac. typhosus and bac. col i 515

Hill, H. W^ A notable source of error in testing gaseous disinfectants 515 1

8 ac h s -M fi c k e , Ein einfacher Apparat zur Wiederanffindung bestimmter Stellen in mikroskopischen Präparaten ......... . .510

Reuschel, F., Die einfachste Methode der AnaSrobenzfichtan^ in flüssigen Nährböden 516

Boxer, Blutnährböden zur Differenzierung der Streptokokken nnd Pneumokokken 516

Johnson, G. A., Copeland, W. R. and Kimberly, A. E., The re- lative applicabtlity of cnrrent methods for the determination of putrescibility in sewage effluents .516

Johnson, 6. A. and Kimberly, A. £., A comparative review of current methods for the determination of organic matter in sewage 517

Gage, St and Adams, G. 0., The collection and preservation of samples of sewage for analysis 517

Hill, H. W., A device for filtering toxins etc. by the use of water pressure 517

Slack, H., Methods of bacteriological examination of milk ... 517

Lehrbficher, Handbfichert Monographien, Zeitschriften.

Ostertag, R., Das Veterinärwesen der Vereinigten Staaten von Nord- amerika 274

Ostertag, R., Bibliographie der Fleischbeschau 275

Stephens, J. W. W. u. Christophers, S- R., The practical study

of malaria and otber blood parasites 292

Moore, V. A., The Pathology and Differential Diagnosis of Infcctions

Diseases of Animals 417

Ka estner, P., Die tierpathogenen Protozoen 427

El lenb erger, W. u. Baum, H., Handbuch der vergleichenden Ana- tomie der Haustiere 517

Schmidt-Nielsen, L., Enzyme und Enzymwirkungen 518

Archives de Tlnstitut Royal de Bactöriologie Camara Pestana ... 518

Autorenregister.

Seite

Abderhalden .

244, 487

Ablaire . . .

. . 297

Ackermann .

. . 431

Adams . . .

. 517

Aguzzi . .

. 269

Almqaist . .

. 485

Ankersmit .

. 247

Bahr . . .

. 263

Baldrey . .

. 288

Bartel . . 73,

254, 255

Baruchello

. 248

Baumann . .

. 81

Bechhold . .

. . 417

Beger . . .

. 513

Blanchard . .

. 299

Bohne . . .

. . 498

Bollinger, v.

. . 294

Bongiovanni .

. 78

Bonhoff . .

. 80

Bonome . .

. 264

Boxer . . .

. 516

Bridre . . .

. 490

Bruce . . .

. 272

Brack . . .

421, 500

Buerger . .

. . 94

Buffard . .

. 289

Bugge . . . .

3

BuUoch . . .

74

Bunting . .

. 424

Bürgi . . . .

. 263

Butlin . . .

. 292

Gagnetto . . .

. 415

Gantacuzene . ,

. 256

Christophe Gitron . Giuca . Gonradi Gopeland Cotton . Dammann Dausel . D'heil . Doerr . Dom Dudgeon Eber

Ehrhardt . Ehrlich Ernst . Evers . Fellmer Ficker . Fiebiger Fingerling Fish . Fischer Fomet . Franke . Friedberge Frothingha Gage . Gagnetto Galli-Valei Ghilarducc Glage . . Graham-Sn

rs

r im

io i ,

litl

1

Seite

. . 292

. . 278

. 76

. . 81

. 516

. . 504

. 251

. . 414

. 250

. 502

. 81

. . 515

. 494

. . 494

. . 417

. . 262

. . 167

. . 418

. . 248

. . 89

. . 512

. 513

. . 211

. . 487

. . 91

. . 85

. . 498

. . 517

. 72

95, 416

. 499

. 341

. 291

Seite

Graßberger

. . 276

Grimmer ..

. 428, 510

Hansemann, ^

V. . . 510

Helwes

. . 515

Henry . .

295, 2%

Herzog . .

. . 297

Heß . . .

. . 64

Hickson

. . 416

Hill . . .

515, 517

Hillkowitz

. . 94

Hofbauer .

. . 497

Hoffmann .

. . . 497

Hofstädter

. . 62

Holdefleiß

. . 93

Holth . .

. . 249

Hottinger .

. . . 414

Huber . .

. . 82

Huntemüller

. . . 275

Jacobsthal

. . . 102

Januschke

. . . 83

Joest . .

77. 220

Johnson .

. 516, 517

Juliusberg

. . . 80

Junack . .

. . 153

Karlinski .

. . . 71

Kaestner 216

;, 895, 427,

475

Eeysselitz

. . . 509

Kindborg .

. . . 276

Kimberly .

516, 517

Klauwers .

. . . 256

Klein .

14, 500, 507

Kleine . . £

10, 270, 415

530

Seite

Seite

Seite

Klimmer . . .

. 279

Philippse . .

. . 71

Siegel . .

. . 79

Knuth ....

. 282

Pick . . .

. 419

Siegenbeek . Simader . Simoneini . .

. . 257

Eokawa . . .

. 70 499

Pilat . . .

425 254

. . 488

Roppitz . . .

Plate . . .

. . 486

Koske ....

493

Plehn . . .

. 424

Slack . . .

. . 517

Krabbe . . .

426

Prettner . 45,

87, 451

Slade . . .

. . 514

Kurpjuweit . .

81

BailUet . .

295, 2%

Smith . .

. . 26

Langer . . .

93

Ransom . .

. 295

Sobemheim .

442, 502

Laveran . . .

. 289

Rassau . . .

274, 382

Sonnenbrodt

. . 414

Levy ....

. 487

Ravenna . .

. 414

Spengler . .

. 95, 96

Liebermann, v. 6

i, 419

Raebiger . .

. 75

Spieler . . .

. . 255

Link ....

. 72

Remlinger

271, 505

Stadie . . .

127, 376

Linatow, v. . .

426

Reuscfael . .

. 516

Stephens . .

. . 292

Löte, V. . . .

78

Riccioli . .

. 292

Stockmann .

271, 507

Marie . . , .

504

Richter . .

. 187

Strengulina .

. . 246

Markus . . .

426

Riegler . .

. 76

Stroh . .

. . 295

Martin ....

500 269

Riemer . . .

75

L, 505

Strusiewicz, y Temuchi . .

7. . . 430

Mazzi ....

Römer . . .

m

. . 487

Meier ....

88

Romann . .

. . 389

Theiler. . .

. . 271

Mereshkowsky . MTadyean . .

246

Rona

. . 244

Thiroux

. . 290

269

Rosenbaum .

. 501

Tiberti. .

. . 422

Möller ....

507

Rosenthal . .

. . 416

Titze . .

238,422

Möllers

270

Sachs-Mücke .

. 516

Tizzoni .

. . 78

Moore ... 881

% 417

Saathoff . .

. 430

Trincas . .

. . 245

Moro ....

487

Schattenfroh .

. 276

Trommsdorff

. . 485

Moroff ....

89

Scheben . .

. 92

Twodt . .

. . . 74

Much ....

501

Scheunert 298,

428, 510

üffenheimer

. . 63

Müller ....

300

Schiffinann .

. 499

Valentiner

. . . 81

Musath . . .

487

Schloßmann .

. 496

Völtz . .

. . 298

Müssemeier . .

. 251

Schmidt . .

238, 509

Walter . .

. . 291

Neubauer . . .

94

Schmidt-Nielsen

. 518

Wasielewski,

V. . 300

Nicolas . . 27

l, 497

Schneider . .

289, 419

Wassermann

97, 278, 421

Nißle ....

90

Schnürer 32, 58

, 83, 87,

Weichardt

. . 424

Obermayer . .

419

144, 302

Weil . .

. 86, 420

Oppermann . 25^

9, 260

Schreiber . .

. . 513

Wendelstadt

. . . 418

Ostertag 3, 274, 27

5, 278

Schroeder

504

Werner

. . . 82

431

Schröder . .

89

Wright. .

. . . 260

Peters ....

. 514

Schuberg . .

89

Wolff-Eisner

. . . 501

Perroncito . .

. 81

Schütz . . .

85

Wolffhügel

. . , 21

Pfeiffer ... 8

5, 408

Schütze . .

303

Wunschheim,

V. . 245

Pfeiler .... 8-

1, 124

Schwartz . .

281

Zebrowski, v

. . . 301

Pfersdorff . . .

. 102

Seaman . .

. 518

Zettnow .

. . . 485

THIS BOOK IS DUE ON THE LAST DATB STAMPED BBLOW

RENEWED BOOKS ARE SUBJECT TO IMMEDIATE RBCAU

LIBRARY, UNIVERSITY OF CALIFORNIA, DAVIS

Book Slip-65ml 0/68 (J404888) 458— A-8 1/5

65ft3R3

CaUNumber:^^!

Zeitschrift für

Infektionskrankheiten.

ZE311 ^

V.I

N9 628383

n

Zeitschrift für ZE3I1 infektionskrankheiten» v.l

HEALTH

SCIENCES LIBRARY

IIBRARY

UNrVEItSITY OF CAUrMNIA

DAVIS