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Stichel, Leipzig | Festschrift zum vierzigiährigen Amtsjubiläum des Geh. Hofrats Prof. Dr. LUDWIG HECK Zeitschrift fur Saugetierkunde Im Auftrage der | | Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde e.V. herausgegeben von Dr. Hermann Pohle, Berlin Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde. 3. Band 320 Seiten Text und 18 Tafeln (100 Abbildungen) I u rn nn dene ne Berlin 1928 Kommission bei Dr. W. Stichel, Leipzig Die Ausgabe dieser Festschrift wurde ermöglicht durch folgende Spenden: MAGISTRAT DER STADT BERLIN M. 500.— TIERÄRZTLICHE HOCHSCHULE ZU BERLIN M. 250.— ACTIENVEREIN DES ZOOLOGISCHEN GARTENSM. 500.— Dr. E. MÖSLER, Berlin, M. 500.— Ferner gingen Spenden ein von: Prof. Dr. W. FREUDENBERG Direktor F. GRABOWSKY Tierpark C. HAGENBECK Direktor H. HECK Direktor Dr. K. THÄTER Direktor Dr. L. WUNDERLICH Ausgegeben am 11. Juni 1928, Inhalt des dritten Bandes. — I. Zur Festschrift. 1. Widmung . SE a a OR a EN 2. LUDWIG HECK En e . EI. BE ıchastiür Saugetierkunde, 1. Niederschrift der Hauptversammlung . : 2. Niederschrift der wissenschaftlichen Sitzungen . 3. Niederschrift der Führungen usw. 4. Für die Bücherei eingegangene Werke 5. Satzung . \ 6. Vorstand und Bo für 1998 ud 1929 . 7. Mitgliederverzeichnis . III. Referate. 1. I. KRUMBIEGEL, Spirochäten in Säugetieren. : 2. O. DE BEAUX, Autoreferate einiger ikalienischen eakrltsenn 4 3. A. MERTENS, Über den Begattungsakt des Bibers Ä 4. I. KRUMBIEGEL, Beiträge zum Begattungsakt des Bibers . IV. Originalarbeiten. A. REMANE, Zur Definition von Aberration oder Exotypus J. VOSSELER, Beobachtungen am Fleckenroller . Sue E. SCHWARZ, Bemerkungen über die roten Stummelaffen . H. VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes . _M. EISENTRAUT, Über Baue und Winterschlaf des Hamsters E. NAUNDORFF, Der Hamster als Hausgenosse . E. SCHWARZ, Ein neuer Pavian aus Nord-Rhodesia . 5 L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzähne bei einem Elefanten O0. ANTONIUS, Quellenstudien zu kapländischen Tigerpferden 10. M. HILZHEIMER, Nordafrikanische Hausschafe 11. M. WESTENHÖFER, Der Gang des Gibbon 12. A. WAHLSTRÖM, Zur Biologie von Sorex vulgaris m ; 13. O0. NEUMANN und H. J. RÜMMLER, Über Tachyoryctes Rüpp. V. Notizen. 1. F. SCHÖNBERG, Ein großes Hauthorn bei einem Rinde . 2. K. FRITSCHE, Mus musculus subcaeruleus ssp. n. 3. H. POHLE, Expeditionsnotizen 4. H. POHLE, -Personalnachrichten MI Anhang. 1. Bestimmungen für die Aufnahme von Arbeiten . » 2eindesäder; Personennamen.; . 2. zu... selndexsderi-liernamenn. 2 mon. ae Fa) oewnanpum. 172 209 211 213 231 2537 278 284 295 307 307 308 308 — 309 312 316 In diesem Bande neubeschriebene Säugetierformen: Primates. m 1. Papio cynocephalus jubiläus SCHWARZ . . 2... 2.2.2... 211 Rodentia. 2. Tachyoryctes splendens omoensis NEUM. et RÜMML. . . . .. . 297 3. Tachyoryctes pontifee NEUM. et RÜMML. . . . 2... .....800 4. Tachyoryctes macrocephalus hecki NEUM. et RÜMML. . . . . . 302 5. Mus musculus subcaeruleus FRITSCHE . . . . 2 2 .2.2.2...807 Druck von R. Berger, Lucka (Kreis Altenburg) Hochverehrter Herr Geheimrat! Als vor mehr denn zwei Jahren der Gedanke laut wurde, eine Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde zu gründen, setzten Sie sich sogleich energisch für seine Verwirklichung ein, kam doch dieser Gedanke Ihren seit Jahrzehnten gehegten Wünschen entgegen. Es gelang der Macht Ihrer Persönlichkeit, alle Zweifel zum Verstummen zu bringen, und so konnten Sie das Amt des Vorsitzenden des vorbereitenden Ausschusses und später den 1. Vorsitz übernehmen. Nun war uns um die Zukunft unserer Gesellschaft nicht mehr bange. Die Zeit hat bewiesen, daß wir recht glaubten. Unter Ihrem Vorsitz wuchs die Gesellschaft in ungeahnter Weise. Wenn sie bereits heute in der ganzen Welt geachtet ist und in ihren Mitgliedern den Erdball umspannt, so ist das zum großen Teil Ihr Werk, für das wir Ihnen an Ihrem Ehrentage unsern herzlichsten Dank aussprechen. In der Hauptversammlung in Frankfurt a M. mußten Sie den 1. Vorsitz niederlegen. Es war dies nicht unser Wunsch, sondern geschah auf Zwang der in diesem Falle unerbittlichen Satzung. Dieselbe Hauptversammlung ernannte Sie aber in rechter Würdigung Ihrer Verdienste um die Gesellschaft zu unserm Ehrenvorsitzenden. Es ist uns nicht möglich, diese Er- nennung durch eine prunkvolle Urkunde zu dokumentieren. An ihre Stelle setzen wir diesen Band, der die Ernennung und unsern Dank in die Welt hinaustragen und verewigen soll. Wir weihen Ihnen diese Festschrift in der festen Überzeugung, daß sie das Band zwischen Ihnen und uns noch fester schlingen wird, und mit dem Wunsch, daß Sie uns noch recht lange in bester Ge- sundheit erhalten bleiben, damit wir uns in unsern Sitzungen Ihrer Anwesenheit und Ihrer Anregungen erfreuen können. Berlin, am 1. Juni 1928. Prof. Dr. Ludwig Döderlein, Dr. Hermann Pohle, Geheimer Regierungsrat, Geschäftsführer und Herausgeber 1. Vorsitzender. der Zeitschrift, LUDWIG HECK. Von RICHARD JOHANNES MÜLLER (Berlin). Am 1. Juni begeht Herr Geheimrat Professor Dr. pbil. Dr. med. vet. h. c. Lupwı@ Heck das 40jährige Jubiläum als Leiter des Ber- liner Zoologischen Gartens, rüstig und jovial, ohne daß man ihm diese langen Jahre schwerer und schwerster Arbeit anmerkt. LupwıG HEcK wurde am 11. August 1860 als Sohn des Oberlehrers GEORGH. HEcK in Darmstadt geboren. Dort verlebte er auch seine Kind- heit, in der schon frühzeitig eine starke Liebe zur Natur, insbesondere zur Tierwelt sich bemerkbar machte. Einen großen Teil davon mochte er wohl auch von seinem Großvater, dem alten Oberförster, geerbt haben, der seinerzeit den Kranichsteiner Wildpark bei Darmstadt unter sich hatte, wo er von frühester Jugend an reichlich Gelegenheit hatte, in Forst. und Flur alledem, was da kreuchte und fleuchte, krabbelte und zappelte, näherzukommen. Hinzu kam die gute An- leitung, die der junge LupwiıcG in der SCHMITZschen Privatschule, die er zuerst besuchte, durch seinen verehrten alten Naturgeschichts- lehrer KLIER erhielt. Als er dann später aufs Darmstädter Gymnasium kam, trat die Naturgeschichte wieder in den Hintergrund, was ja bei dem rein sprachlich-historisch eingestellten Lehrplan der Lehrinstitute jener Zeit, der die Botanik und Zoologie schon in den unteren Klassen mit wenigen Stunden erledigte, gar nicht verwunderlich war. Er er- gänzte aber den Schulunterricht durch „privates“ Weiterarbeiten, das ihm in der schon damals auf beträchtlicher Höhe stehenden Garten- laube und in den Naturgeschichtswerken von SCHMEIL und BREHM ermöglicht wurde. Besonderen Eindruck scheinen viele Bilder alter Meister auf ihn gemacht zu haben, die er in den damals erhältlichen Zeitschriften und vorgenannten Büchern fand, und die er noch heute genau kennt, und gern zitiert. Wie heute ein Junge Briefmarken oder Reklamebilder, so sammelte er damals Drucke und Holzschnitte, die ihm seine über alles geliebten Tiere darstellten. Besonderen Einfluß muß wohl auf den damaligen Quintaner der BREHM gemacht haben, den er von seinen Eltern geschenkt bekam, und den er bald in- und auswendig kannte. Er brachte es so weit, daß gelegentlich eines Besuches des Frankfurter Zoo, den er in Begleitung seines "Vaters und dessen Freundes, des Rektors Dr. DIETRICH, machte, dieser schließlich beinahe ärgerlich zum Vater, der abseits stand, sagte: „dem Jungen braucht man ja nichts mehr beizubringen“. In die damalige R. J. MÜLLER, LUDWIG HECK. 7 Zeit fielen auch einige Besuche bei Verwandten in Düsseldorf, die dort einen der größten Betriebe, die Tonhalle, bewirtschafteten, und bei denen er den Geschmack am guten Essen und Trinken bekommen hat, den er noch hdute in geradezu beneidenswerter Art und Weise sein Eigen nennt. Durch seine Schulzeit, besonders durch die in der SCHMITZschen Privatschule, aber auch später auf dem Gymnasium, ging ein strenger spartanischer Zug und wenn einmal auf einem seiner Zeugnisse das Wort „störend“ stand, oder der „Alte“ einmal etwas böse wurde, so kam wohl der Mittelteil der langen Pfeife in recht unliebsan.e Berührung mit ihm. In seine erste Schulzeit fielen die deutschen Einigungsjahre, für ihn eingeleitet durch den 66 iger Krieg mit seinen vielen Einquartierungen und sonstigen militärischen Schauspielen. Sie waren für ihn wie für die meisten seiner Lands- leute der Anlaß, Stellung zu Preußen zu nehmen. Natürlich imponierte ihm dieser Staat, der es fertig brachte, allein so vielen anderen zu trotzen, und so kam er zu der Überzeugung, daß Deutschland nur mit und durch Preußen vorwärtskommen könne. Sofort nach bestandenem Abiturium bezog er 1878 die Universität in Straßburg. Dort beschränkte er sich auf die grundlegendsten Vor- lesungen, unter anderen bei KunpT (Chemie nnd Physik) uud bei GÖTTE (Darwinismus). Bei der dortigen Mathematisch-Naturwissen- schaftlichen Fakultät lehrte OsKAR SCHMIDT, der wohl ein großer Forscher auf dem Gebiete der wirbellosen Tiere gewesen ist, aber als Lehrer den jungen Heck sehr enttäuscht zu haben scheint. Im übrigen genoß er in vollen Zügen das Studentenleben in der schönen alten Stadt Straßburg. Den nächsten Sommer verbrachte er an der Darmstädter Technischen Hochschule. Im dortigen Zoologischen Museum arbeitete er viel in den Ferien und auch in diesem Semester. Von da führte ihn der dringende Wunsch seines Vaters zur hessischen Landesuniversität Gießen. Hier hielt er sich länger auf, obwohl er sich nach seinen eigenen Angaben als Kleinstädter nicht wohl fühlte. Jedoch kam er hier mehr zum Arbeiten, in erster Linie bei dem Chemiker WILL und dem Botaniker HOFFMANN. Hingegen Konnte er sich für den dortigen Zoologen, den sogenannten Wurm-SCHNEIDER, gar nicht begeistern. Auch in Gießen war seines Bleibens nicht allzulange, und so siedelte er nach dem Ziel seiner Wünsche über, der Universität Berlin. Hier setzte nun eine sehr rege geistige Be- tätigung ein, bei der die Zoologie gar nicht einmal an erster Stelle stand. Dies geschah aber wohl hauptsächlich wegen des damaligen 8 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Berliner Zoologen, des alten PETERS, der ja gar nicht dazu angetan war, junge rege strebsame Geister mit der Veranlagung eines HECK zu bannen. Hingegen verstanden es andere Lehrer, so v. MARTENS, dann der Chemiker HOFFMANN, der Botaniker SCHWENDENER, ferner TREITSCHKE, GRIMM, ZELLER, PAULSEN. Mit der Zeit ent- wickelte sich aber etwas anderes zum Hauptkolleg Heck’s in Berlin: der Zoologische Garten! Dort war er denn auch zu allen nur erdenk- lichen Zeiten, man möchte fast sagen, Tag- und Nachtzeiten zu finden, in dem damaligen Zoo, der noch als kleine Enklave in der Riesen- fläche des Tiergartens versteckt war. Wollte man schnell hinkommen, so mußte man schon die Pferdebahn besteigen, die an der Stelle des heutigen Tiergartenportals, des früheren Haupteinganges, ihre End- station hatte. Es war dies im Jahre 1880. Damals schon imponierte ihm der Berliner Zoo durch einen gewissen großartigen Zuschnitt, der sich vor allem in den von ENDE & BÖCKMANN aufgeführten Prachtbauten verschiedener großer Tierhäuser kundtat, außerdem selbstverständlich durch den schönen, großen Tierbestand. Aber auch die Mängel fielen ihm damals schon auf, besonders die üblen Zustände im Vogelhaus (siehe unten). Neben Zoo und Universität fand er noch Zeit und Gelegenheit, Berlin nach jeder anderen Richtung kennen zu lernen, insbesondere die Kunst- und Theaterwerte der Hauptstadt; auch machte er alle anderen Freuden und vielleicht auch Schmerzen eines Studios durch. Und doch war die Zeit keineswegs ver- bummelt oder verloren, hatte er doch neben vielen Erfahrungen im praktischen Leben auch seine geistige Allgemeinbildung gepflegt und so für sein weiteres Leben und Studium eine Grundlage geschaffen. Die Gelegenheit zur Vorbereitung aufs Examen suchte und fand er im Zoologischen Institut der Leipziger Universität, dem wohl besten seiner Zeit, das er im Sommersemester 1882 bezog. Hier hatte er Gelegen- heit, bei dem unvergleichlichen LEUCKART zu arbeiten und später auch zu promovieren. Außer diesem wirkten aber in jener Zeit noch zwei andere große Köpfe an dem Leipziger Institut: CHUN und MARSHALL. Eine besondere Genugtuung war es für den jungen HECK, als CHun, der als Ordinarius nach Königsberg ging, von ihm die zoologischen Nachschriften erbat zur Ausarbeitung seiner eigenen Vor- lesungen. Im Wintersemester 1885/86 promovierte Hrck dann bei LEUCKART über das Thema: „Die größten Gruppen des Tier- systems bei Aristoteles und seinen Nachfolgern, ein Beitrag zur Geschichte der Zoologischen Systematik.“ R. J. MÜLLER, LUDWIG HECK. 0) Ohne Pause mußte er weiterarbeiten, denn er hatte große Aus- sicht, den Direktorposten am Kölner Zoologischen Garten zu bekommen. Die Stelle war ausgeschrieben worden, und auf seine Bewerbung, der LEUCKART noch ein empfehlendes Zeugnis beifügte, wurde er zur Vorstellung gebeten und gleich darauf auch engagiert. Die praktische Vorbereitung für diese Direktorstelle erhielt er in Frankfurt bei dem dortigen Direktor SCHMIDT, dessen Nach- folger er später in Berlin werden sollte Am 1. Juni 1886 trat er seine neue Stelle an. Innerhalb kurzer Zeit gelang es ihm, den ziemlich verwahrlosten Kölner Zoo wieder in einen repräsentablen Zustand zu versetzen. Dabei machte sich zunächst eine weitgehende Personalveränderung nötig und man muß noch heute lachen, wenn man von ihm selbst die Charakteristiken dieser echten Schabaubrüder hört, die zwar Wärter sein wollten, aber lieber die Schnapsbuddel als das Arbeitsgerät in der Hand hatten. Ferner erfolgte aber auch bald eine Umänderung des gesamten Tierbestandes in Art und Zahl. Dann erreichte er es, daß bald zahlreiches Jungvieh im Garten war, so daß man an den Kölner Stammtischen schon erzählte, beim HECK hecke alles. Er legte dann in Köln als erster ein größeres künstliches See- löwenbecken an und versuchte auch sonst weitestgehend das Alte durch gutes Neues zu ersetzen. Durch viele und größere Reisen lernte er in dieser Zeit auch die anderen Gärten und die verschiedenen Tier- handlungen kennen, zunächst wohl CO. REıchz und L. RUHE, dann ‚selbstverständlich auch HAGENBECK, der damal noch in Anfängen seiner Entwicklung stand. Die alljährlich stattfindenden großen Tierversteigerungen im Antwerpener Zoo führten ihn regel- mäßig dorthin. Neben der vielen Arbeit verschaffte ihm der Kölner Zoo auch manche lustige Episode. So war bei dem ersten billigen Sonntag der Menschenandrang so über alles Erwarten groß, daß er sich selbst den ganzen Tag lang an einen provisorischen Eingang stellen und einkassieren mußte. Oftmals mußte er, da ihm außer einem alten Obergärtner jegliche leitende Hilfskraft fehlte, selbst Hand anlegen, was er als passionierter Tiergärtner stets gern tat. Dabei sind ihm in Köln zwei kleine Unglücksfälle passiert, deren letzterer aber für ihn zum größten Glücksum- stand geworden ist, da er durch ihn seine Frau kennenlernte. Während das erste Ereignis, das sich mit einem Hirsch zutrug, gänz- lich harmlos nur unter Mitnahme einiger Schrammen verlief, ging es ihm im zweiten Falle doch etwas schlechter. Infolge ungenügenden Auf- 10 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. passens seiner Leute wurde er beim Umsetzen eines großen Bären von diesem schwer gequetscht. Bei der darauffolgenden, langwierigen Be- handlung im Krankenhaus lernte er durch eine befreundete Familie seine spätere Frau kennen, die gerade aus Berlin auf Besuch in Köln weilte. Und nun erlebte er an sich die Duplizität der Ereignisse, und zwar glücklicher: Auf seine Bewerbung erhielt er den Posten des Leiters des Berliner Zoo, der durch das Ableben des Direktor SCHMIDT frei geworden war, gerade nachdem er zwei volle Jahre den Kölner Garten geleitet und dabei recht gut vorwärts gebracht hatte. Diese Berufung an den Berliner Garten drückt das große Vertrauen und die große Achtung aus, die man zu ihm nach seiner Kölner Arbeit hatte. An seine Kölner Stelle trat sein Freund und älterer Kollege WUNDER- LICH. Am 1. Juni 1888 trat er seine Stelle als Direktor des Berliner Zoologischen Gartens an und verheiratete sich auch bald, am 17. Juli desselben Jahres mit MARGARETE NAUWERK, mit welcher er noch heute in glücklichster und harmonischster Ehe lebt. Dieser Ehe ent- sprossen zwei Töchter und zwei Söhne. Die beiden Töchter heirateten in die Familie SIEMENS. Leider wurde ihm die Älteste schon in ihrem 30. Lebensjahr durch den Tod entrissen. Von den beiden Söhnen ist der ältere, LUTZ, schon seit einigen Jahren seinem Vater eine Stütze in dem mit der Zeit immer größer gewordenen Betrieb, in welchem er zur Zeit als stellvertretender wissenschaftlicher Direktor tätig ist. Der jüngere, HEINZ, widmete sich auch von früher Jugend an der Tierpflege und baut zur Zeit, nachdem er längere Zeit bei HAGEN- BECK einen Asistentenposten innegehabt hat, den Münchener Zoo nach ganz neuen Grundsätzen neu auf. Die Leitung des Berliner Gartens übernahm Heck in direkter Nachfolge von BoDINnUs und SCHMIDT, von denen letzterer allerdings nur knapp vier Jahre in Berlin hatte tätig sein können. Das Betätigungs- feld, das sich ihm im Berliner Zoo auftat, wird wohl sonst keinem seiner engeren Kollegen geboten worden sein, und daß er die Möglich- keiten, die ihm dieser große und immer größer werdende Betrieb bot, voll ausnützte, bezeugt wohl am allerbesten der heutige Stand des Gartens. Schon zu BopInus’ Zeiten hatte man angefangen, im Garten neue große Gebäude in ganz speziellen Baustilen zu errichten. Es waren dies neben einzelnen kleineren in erster Linie das Elefantenhaus und das Antilopenhaus, ausgeführt von den Architekten ENDE & BÖCKMANN. Sie begannen dem Zoo das wissenschaftlich-künstlerische Gepräge zu geben, das zu verfolgen auch heute noch Heck oberster Grundsatz R. J. MÜLLER, LUDWIG HECK. 11 ist. Wie er in seinen vielen Vorträgen immer wieder betont, ist es ja gerade diese Vereinigung von Kunst und Wissenschaft, die zur Be- lehrung des Publikums so notwendig ist, und die den Berliner Zoo so weit über alle anderen Gärten stell. Und wenn man heute Ge- legenheit hat, die von ihm im Verlauf der vierzig Jahre geleistete Arbeit bis in die kleinsten Einzelheiten zu erkennen, so darf man dabei von einem völligen Gelingen seiner Wünsche und Pläne sprechen. Von dem Tage der Übernahme des Berliner Gartens an ist sein Leben so eng mit diesem verknüpft, daß seine Lebensgeschichte zu einer Geschichte des Gartens wird, so daß beide nicht voneinander zu trennen sind. Beginnen wir mit den Neuerungen, die er an Bauten und im Gelände durchführte. Die zahlreichen Ausbesserungsarbeiten zu den vorhandenen Gehegen und Baulichkeiten sind zwar hier an sich nicht zu nennen. Sie wurden aber der Anlaß zur Einführung einer organi- satorischen Neuerung, der Schaffung der Bauabteilung. Zwar hatte schon Direktor SCHMIDT durch Anstellung eines Bauführers und einiger Hand- werker damit begonnen, die vielen, in jedem Zoologischen Garten notwendig werdenden Reparaturen in eigener Regie zu erledigen; die Schaffung einer großzügig angelegten Bauabteilung, mit welcher selbst große Reparaturen und Neubauten ausgeführt werden Können, ist aber Heck®’s alleiniges Verdienst. Die Vorteile dieser Einrichtung liegen auf der Hand: Einmal arbeitet sie natürlich billiger als angenommene Firmen und dann braucht man bei Reparaturen nicht auf den Hand- werker zu warten, da er eben da ist. Der erste Neubau unter HEck’s Leitung war das neue Vogelhaus, errichtet im Jahre 1895. Es war am notwendigsten; wenn man hört, was für geradezu , ‚idyllische“ Zu- stände im alten Hause hansahlen, so können einem noch heute die Haare zu Berge stehen. Der alte MEUSEL, ein ausgezeichneter Vogel- wärter, mußte sich mit den erdenklichsten und primitivsten Mitteln behelfen. Von vornherein war daher jegliche Möglichkeit einer richtigen Haltung, geschweige denn einer Fortpflanzung der Tiere genommen. Die Einrichtung des neuen Vogelhauses ist nun aber auch allen An- forderungen der Neuzeit entsprechend, die Praxis beweist am besten, wie gut HECK die Anlage überlegt und durchdacht hatte. Damit war der Anfang einer großen Bauperiode gemacht und es kam nun fast in jedem Jahre Neues, Notwendiges hinzu. Zunächst brachte das Jahr 1896 den Bau verschiedener Hirschhäuser und eines Schaf- uud Ziegenhauses, wodurch die Möglichkeit vergrößert wurde, dem Publikum eine reichhaltige Sammlung von Haustieren zu zeigen. 2 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Dann fällt in jene Zeit die Erbauung des Stelzvogelhauses, das sich in seinem leichten, anmutigen Stil sehr gut in die von den verschie- denen umliegenden Teichen belebte Landschaft einpaßt. Anschließend kam das Kamelhaus, einfach in seiner Ausführung, als Gegensatz und Ergänzung zum Antilopenhaus. Dann kam die Zeit, in welcher Berlin den Zoo umwuchs. Damit bekam der Garten in verschiedener Hin- sicht größere Bedeutung als bisher, zunächst noch in Verbindung mit dem damals noch größeren Tiergarten als Großstadtlunge für die Bewohner der umliegenden Straßen, denen durch das starke Ausbauen der westlichen Vororte immer mehr Grün genommen wurde, dann aber besonders dadurch, daß der Garten allmählich begann, ein Zentrum der Berliner Gesellschaft zu werden. Damals entstand das heutige Verwaltungsgebäude, das an die Stelle des alten Fasanenmeisterhäus- chens kam. Es ist in seiner ganzen Bauweise auf das Gesamtbild des Gartens abgestimmt. In Verbindung mit dem Elefantentor zeigt es dem Passanten schon von weitem, daß man hier nicht in eine be- liebige Gartenanlage, sondern in einen Tiergarten kommt. Dann er- hielt der Garten in seinen Parkanlagen eine durchgreifende Änderung durch den Leiter des Tiergartens, Herrn GEITNER. Der Kirchteich und der Vierwaldstätter See, entstanden in ihrer heutigen Form, beide in einer derart natürlichen Form, daß die meisten sie für Naturseen halten. Hand in Hand mit der Veränderung der Tierhäuser ging eine vollständige Neugestaltung des gesamten Restaurationsbetriebes, ein- geschlossen die Waldschänke Da sich mit der Ausbreitung des Ber- liner Westens auch die gesellschaftliche Sphäre des Gartens in bereits oben angegebenem Sinne änderte, war es für HECK und den Garten besonders vorteilhaft, daß sich die Herren ADLON und DRESSEL be- reit erklärten, die Bewirtschaftung zu übernehmen. Damit wurde .das Hauptrestaurant zu einem Zentrum des gesellschaftlichen Verkehrs des ‘Berliner Westens. Damals entstand der Marmorsaal in seiner jetzigen Form, ebenso die Nebenräume, um würdige Stätten für die Gesellschaft zu haben. Im ersten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts wurden dann zunächst Straußenhaus und die Büffel- und Rinderhäuser gebaut. Er- steres ist im Stil eines ägyptischen Tempels gehalten, und hat als Besonderheit im Inneren ein wundervollausgeführtesGemälde, einen Fern- blick auf die Memnonsäulen im Möros-See. Entsprechend der Herkunft der Tiere sind die verschiedenen Häuser der Büffel- und Rinderrassen gehalten, alle ethnographisch einwandfrei dem Baustil der Heimat an- TE R. J. MÜLLER, LUDWIG HECK. 13 gepaßt — so das indianische und das russische Blockhaus für die Bisons und die Wisente, weiterhin das Büffelhaus, in der Art der siamesischen Tempel errichtet. Als Ergänzung befinden sich bei dem indianischen Büffelhaus einige große Totemsäulen, die HEcK persönlich besorgte. Es folgten noch einige kleinere Bauten, so Fasanerie, ferner das Tauben- und Hühnerhaus als Umkleidung des Wasserfilters und der Aussichtsturm, ebenfalls eine Verkleidung und zwar des Wasser- hochbehälters. Auf der Seite der Gedächtniskirche entstanden die Be- hausungen für die Nagetiere, zwei korrespondierende Anlagen, einer- seits für Landnagetiere, andererseits für \Wassernagetiere. Große Felsen- bauten für die Raubvögel, die aber so gehalten sind, daß sie ein voll- ständiges, heizbares Tierhaus umschließer, wurden auf der Tiergarten- seite errichtet. Dies alles wurde dann zugunsten des Publikums und aus Betriebsgründen durch den großen gepflasterten Rundweg ver- bunden. In die Jahre um 1900 entfällt ferner die Bildung des Aktien- vereins, der heutigen Form des Gartenbesitzers. Als letztes Tierhaus vor dem Kriege ist die Anlage des Schweinehauses mit dem Schweine- sumpf zu nennen. Gerade bei dieser Anlage und bei: dem obenge- nannten Raubvogelfelsen, hat HEck mit besonderer Liebe und Sorgfalt mitgearbeitet, um alles möglichst genau nach seinen Ideen entstehen zu lassen. Als Krönung der gesamten Bautätigkeit der Vorkriegszeit entstand schließlich im Jahre 1913 das Berliner Aquarium, dessen Leitung Herrn Dr. HEINROTH übertragen wurde. Mit der Vollendung dieses Baues waren dem Garten die Vorbedingungen für eine weit- ausgedehnte Tierhaltung gegeben. Daß der Krieg und die Inflations- zeit natürlich auch den Berliner Garten um Jahre zurückwarfen, ist verständlich. Doch ließ sich Heck dadurch nicht entmutigen, sondern sing nach Rückkehr geordneter Währungsverhältnisse mit frischen Kräften an die Durchführung seiner weiteren Pläne. Die fortschrei- tende Entwicklung der Wissenschaft und der Tierhaltung zogen die Schöpfung des neuesten und besten Baues, des Affenpalmenhauses, nach sich. Damit war eine seit Jahren empfundene große Lücke ge- füllt. Dieser Bau, wie auch die zu den Völkerschauen der letzten Jahre nötigen, wurden ausschließlich durch die eigene Bauabteilung fertiggestellt. Sie zeugen von der Energie, mit der HEck seine Pläne baulich-künstlerischer Art durchzusetzen wußte. Hand in Hand mit den Änderungen der Gebäude gingen natür- lich auch alle möglichen Veränderungen mit den Tieren. So ziemlich das erste, was HECK nach Übernahme des Direktoriats unternahm, 14 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. ILl, 1928. war eine Neuordnung des gesamten Tierbestandes. Um dem Besucher zugleich mit dem für das Auge angenehmen Bild leicht faßbar die wissenschaftliche Einteilung und den Zusammenhang der einzelnen Arten beizubringen, wurden die nahe verwandten Arten auch nahe zusammengebracht. Daraus ergab sich für den Betrieb noch der Vor- teil, daß ein durchgebildetes Spezialwärterpersonal ausgebildet werden konnte. Es ist ja offensichtlich, daß ein Mann, der dauernd die glei- chen Tiere zu pflegen hat, darin viel größere Übung erhält, als einer, der zu gleicher Zeit die verschiedenartigsten Tiere besorgen muß. Der Vermehrung der Räume entsprach natürlich auch eine Ver- mehrung der Tiere, und damit entstand auch die Möglichkeit, seltenere und empfindlichere Stücke unterzubringen und zu erhalten. Dabei hatte HrcK natürlich im Laufe der Zeit auch oftmals Gelegenheit, einerseits bisher noch nie in Zoologischen Gärten gehaltene Arten, an- dererseits überhaupt bisher unbekannte zu erwerben, zu halten und zu zeigen. Zur ersten Gruppe gehören der Langschnabeligel, das Erd- ferkel, der Zwergameisenbär, die Mähnenratte, das Schwarzfußichneu- mon, die Fossa, der Irbis, der Mähnenwolf, der Rotwolf, der Riesen- fischotter, der sardinische Zwerghirsch, Kaama-Kuhantilope, Weiß- rückenducker, Frau GRAY’s Wasserbock, Argali, Gorilla u.s.f.; zur zweiten Sciurus pauli MTSCH., Ursus rexi MTscH., (anis cruesemanni MrsorA., Hyaena (Crocotta) togoensis MTSCH., Tragulus annae MTSCH,, Elephas cyclotis MTSCH. und viele andere. Das schon in Köln ihn begleitende Glück im Erreichen und Auf- ziehen von Nachkommenschaft seiner Tiere blieb ihm auch in Berlin treu, und so konnte er eine große Anzahl von Zuchterfolgen buchen, unter denen besonders hervorgehoben zu werden verdienen: Bläßbock, Schimpanse, Orang-Utan, bei den Vögeln: Emu und graue Kasarka. Parallel mit den gesamten genannten Neueinrichtungen ging dann noch eine Verwaltungsreform. Als HECK in Berlin antrat, war nicht einmal eine Schreibmaschine vorhanden. Als dann eine beschafft wurde, war zunächst Hsck der einzige, der darauf schreiben konnte. Dieses Exemplar steht noch heute in seinem Arbeitsraum, und noch heute gehen viele Briefe und Artikel von seiner Hand aus ihr hervor. Ver- gleicht man mit jenen bescheidenen Anfängen den heutigen Riesen- betrieb und berücksichtigt, daß in den ersten Jahrzehnten HEcK der einzige leitende Beamte des Zoos war, so kann man ermessen, welche Arbeit und Mühe er in die Organisation dieses Betriebes gesteckt hat, und welches Organisationstalent er besitzt. R. J. MÜLLER, LUDWIG HECK. 15 Wenn nun heute am Jubiläumstage, an dem LuDwıG HEcK sein 40. Dienstjahr vollendet, ein Vergleich des Berliner Gartens mit an- deren Gärten gestattet ist, so müssen wir zu dem Schluß kommen, daß der Berliner Garten als Ganzes von keinem anderen übertroffen wird, und daß er dies in der Hauptsache seinem wissenschaftlichen Direktor verdankt, der in sich die für diesen Posten nötigen Eigenschaften in glücklichster Weise vereinigt. Es wäre aber undankbar, wollte man nicht an dieser Stelle auch die Leute nennen, die ihm bei seinem Werke geholfen haben. In den ersten Jahren nach der Übernahme haben ihm besonders zwei Herren befreundet nahe gestanden und ihn mit Rat und Tat unterstützt, der Verlagsbuchhändler DUNCKER und der Rentier PH. ANDERSSEN. Dann in der Zeit um 1900 war es BÖCKMANN, der Erbauer der älteren Prachtbauten, der damals Vor- sitzender des Vorstandes der Aktiengesellschaft war, der der Garten gehörte. Der letzte, der hier genannt werden muß, ist der frühere kaufmännische Direktor des Zoo, A. MEISSNER, mit dem HEck volle 25 Jahre bestens zusammen gearbeitet hat, und der vor nunmehr zwei Jahren ihm und dem Berliner Garten durch den Tod entrissen wurde. Dieser entlastete ihn von allen kaufmännischen Arbeiten, so daß er sich um so mehr der Durchführung seiner Pläne und Ideen und der Tierhaltung widmen Konnte. Es bleibt noch etwas zu sagen über die schriftstellerische Tätig- keit HEcK’s. Neben unzähligen, verschiedenen, größeren und kleineren Publikationen sind es vor allem drei Werke, bei denen HEck in einem Fall alleiniger, in den anderen Fällen erster Bearbeiter war. Zunächst: „Das Tierreich“, als vierter Band des Hausschatzes des Wissens erschienen im Jahre 1897, wo Heck in sehr guter und an- schaulicher Weise die Säugetiere bearbeitet hat. Als nächstes ist hier sein mit einer großen Anzahl sehr guter Bilder versehenes Werk zu nennen: „Lebende Tiere“, zuerst erschienen unter dem Titel „Le- bende Bilder aus dem Reiche der Tiere“, damals im Wernerverlag, jetzt beim Globusverlag erschienen. Seine größte und bekannteste Arbeit ist aber die 1912 erschienene Neubearbeitung von BREHM’s Tierleben, dessen Säugetierbände in erster Linie sein, weiterhin noch HILZHEIMER’s Werke sind. Allen dreien diesen seinen Arbeiten war es vergönnt, in weiteste Kreise des Volkes einzudringen, war doch in ihnen neben wissenschaftlicher Korrektheit der Text so ge- halten, daß ihn jeder Laie gut und leicht verstehen kann. Die Größe der Auflagen und die bekannte, allgemeine Anerkennung der Werke 16 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. ‘sind für den Verfasser selbst das beste Zeichen, wie Gutes und Wert- volles er damit geschaffen hat. Auch durch Ehrungen verschiedener Art ist sein Leben reich ge- wesen und sind ihm seine Mühen gelohnt worden. Die erste Aner- kennung seiner Bestrebungen und Leistungen war die ihm am 7. Fe- bruar 1906 verliehene Professur. Während des Krieges wurde ihm am 14. März 1917 der Titel eines Geheimen Hofrates verliehen und schließlich erhielt er die vielleicht für ihn als Wissenschaftler wert- vollste Ehrung, die Ernennung zum Doktor med. vet. ehrenhalber am 18. Januar 1927 für seine großen Verdienste um die praktische Tier- haltung und die wissenschaftliche Auswertung derselben. Doch noch darüber hinaus darf er auf eine große Reihe wertvoller Auszeichnun- gen und Anerkennungen blicken, besitzt er doch neben anderen die Württembergische Große Goldne Medaille für Kunst und Wissenschaft, die ihm 1916 als Anerkennung für die Bearbeitung des BREHM ver- liehen wurde, und viele andere Orden. In wissenschaftlicher Hinsicht ehrt ihn die Mitgliedschaft als korrespondierendes Mitglied der Lon- doner Zoologischen Gesellschaft, ferner seine Mittätigkeit in der Sencken- bergischen- und der Hallenser Naturforschenden Gesellschaft und in vielen anderen. Der Nachwelt bleibt sein Name erhalten in den Na- men vieler Tierarten und -Unterarten, die nach ihm benannt wurden. Es seien davon hier nur die Säugetiere genannt: Oynopithecus hecki MTS>H., Oervus poreinus hecki LYDD., Connochaetes taurinus hecki NEUM., Acinonyz hecki HILZH.„Tachyoryetes macrocephalus hecki NEUM. et RÜMML. Überblicken wir heute Hzck’s Lebensgang, so können wir ohne Übertreibung sagen, daß sein Lebenswerk der Berliner Zoologische Garten ist, den er unter steter Einsetzung seines ganzen Könnens, seiner ganzen Tatkraft und seiner ganzen Person in vierzig Jahren emsiger Tätigkeit geschaffen hat, ein Lebenswerk, das nicht nur prak- tische Bedeutung hat, sondern eine hochwertige wissenschaftliche Tat darstellt, für die wir ihm dankbar sein müssen. — Daß gerade zur Zeit seines Jubiläums ein von seinem Sohn in Deutsch-Ost-Afrika ge- sammelter umfangreicher Transport wertvoller Tiere (darunter Nashorn, Nilpferd, Giraffe) im Garten eintrifft, daß in diesem Frühjahr beson- ders wertvolle Nachzuchten erzielt worden sind, und daß ferner allem Anschein nach gerade um den Jubiläumstag ein indisches Elefanten- baby zu erwarten ist, scheint eine von den Insassen des Berliner Zoologischen Gartens besonders vorbereitete Huldigung zu sein. Il. Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde. 1) Niederschrift der Hauptversammlung. Siehe Band 2, pg. 10 —19, dieser Zeitschrift. 2) Niederschrift der wissenschaftl. Sitzungen. A. Märzsitzung. Montag, 28. 3. 1927, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, Berlin N 4, Invalidenstr. 43. Anwesend: die Mitglieder A.BrAss, HARTIG, HILZHEIMER, R. MÜLLER, ÖHNESORGE, POHLE, RÜMMLER, SCHWARZ, STREHLKE. Vorsitz: HILZHEIMER. - Niederschrift: OHNESORGE. Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 2. Vorlesung und Genehmigung der Protokolle der Sitzungen im Jahre 1926. 3. Kleine Mitteilungen, darunter Vorlage von Aufnahmen lebender Säugetiere durch Herrn SCHWARZ. 4. Literaturvorlagen. ad 1. Herr PoHLE gibt die Zahl der Mitglieder auf 133 an und macht nähere Angaben über die Jahresversammlung, die im April in Dresden stattfinden soll. ad 2. Die Protokolle der Sitzungen vom April bis Dezember 1926 werden vom Schriftführer verlesen und von den anwesenden Mitgliedern genehmigt, ad 3. Herr SCHWARZ zeigt wohlgelungene Aufnahmen eines Bassa- ricyon aus dem Frankfurter Zoologischen Garten, sowie von verschiedenen Zebraarten. Herr POHLE legt das Geweih eines in der Westprignitz geschossenen Rot- hirsehes vor, dessen rechter Vorderlauf verletzt und dessen linke Geweihstange abnorm entwickelt war; er weist darauf hin, daß solche Beobachtungen bekannt seien, daß aber keine feste Regel bestehe, daß der Verletzung des Laufes einer Seite eine abnorme Entwicklung der Geweihstange der entgegengesetzten Seite entspreche, daß vielmehr beide Stangen oder auch die Stange derselben Seite ver- kümmern könne, 2 18 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. ‚ad 4. Herr PoHLE legt die bisher für die Bücherei der Gesellschaft eingegangene Literatur vor, die zum größeren Teil von den Autoren ge- schenkt worden ist. Siehe pg. 29. Er spricht auch an dieser Stelle allen Gebern herzlichen Dank aus und bittet die Mitglieder, die Gesellschaft bei der Separatversendung zu bedenken. B. Maisitzung. Montag, 23. Mai 1927 im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, Berlin N 4, Invalidenstr. 43. Beginn: 201° Uhr. Anwesend: die Mitglieder v. ALLESCH, A. Brass, E. BrAss, DRAHN, HARTIG, HECK sen., HILZHEIMER, KLINGHARDT, MAYR, MENDEL, NEUMANN, POHLE, RÜMMLER, SCHÖNBERG, SCHWARZ, STRAUCH, WOLFGRAMM sowie 2 Gäste. Vorsitz: HECK sen. Niederschrift: RÜMMLER. Tagesordnung: 1. Bericht über die Jahresversammlung. 2. Geschäftliche Mitteilungen. 3. Herr POHLE: Über die Raubtiere von Oldoway. 4. Kleinere Mitteilungen. 5. Vorlage neu eingegangener Literatur. ad 1. Herr POHLE berichtet über den Verlauf der Jahresversammlung in Dresden. ad. 2. Herr POHLE gibt bekannt, daß die Gesellschatt 197 Mitglieder zähle. Er stellt ferner fest, daß it. S 12 Abs. 4 der Satzung die Nieder- schrift einer Sitzung spätestens in der nächsten gleichartigen Sitzung ge- nehmigt werden muß. Infolgedessen muß zukünftig in jeder Sitzung die Niederschrift der vorhergehenden Sitzung verlesen werden. Herr MAYR beantragt Genehmigung ohne Lesung. Herr HECK sen. schlägt vor, das Protokoll vor jeder Sitzung auszulegen. Es wird einstimmig beschlossen : Die Niederschrift jeder Sitzung wird vor der darauffolgenden Sitzung zur Einsichtnahme ausgelegt und im Anfang der Sitzung unter Punkt: „Geschäftliche Mitteilungen“ genehmigt. Ein Grundantrag des Herrn POHLE wird nach der Diskussion, in der die Herren E. Brass, HECK sen, MAYR, NEUMANN, POHLE, SCHWARZ, STRAUCH sprechen, in folgender Form angenommen: Diskussionsbemerkungen können in der vom Redner gewünschten Form nur dann in die Niederschrift aufgenommen werden, wenn sie von ihm sofort auf dazu bereitliegenden Vordrucken niedergeschrieben werden. Geschieht dies nicht, so bleibt die Fassung dem Schriftführer überlassen. Niederschrift der wissenschaftl. Sitzungen. 19 Herr POHLE macht weiter darauf aufmerksam, daß die Beitragszahlung fällig ist. Alle Mitglieder, die den Beitrag noch nicht entrichtet haben, werden mit der nächsten Einladung eine Mahnung bekommen. Von denen, die dann bis Ende Juni nicht bezahlt haben, wird der Betrag durch Nach- nahme erhoben. ad 3. Herr POHLE hält seinen angekündigten Vortrag über die Raub- tiere von Oldoway. Die Fundstücke werden demonstriert. Er führt etwa folgendes aus: Der Fundort Oldoway, der eine mittel- bis jungdiluviale Fauna geliefert hat, liegt im nördlichen Deutschostafrika am Rande des Ngorongorokessels. Die be- rühmtesten Fundstücke sind die Huftiere. Von anderen Säugetierordnungen sind nur noch Raubtiere in größerer Zahl vertreten, und zwar vor allem Caniden. Von anderen Raubtieren sind nur ein halber oberer Reißzahn einer echten Hyäne und ein Schädelstück einer echten Katze vorhanden. An Hunden wurden drei Arten aufgefunden. Die eine gehört in die Gattung Lupulella (Schabrackenschakal), die zweite in die Gattung Canis (Wolf) und die dritte ist ein naher Verwandter des Löffelhundes, wird aber, da er sich von jenem durch normale Zahnzahl unter- scheidet, als neue Gattung Prototocyon beschrieben, die nahe Beziehungen zu dem indischen Canis curvipalatus hat. Der Schabrackenschakal und die Hyäne haben besondere Ähnlichkeit mit den heute in Südafrika vorkommenden Formen. Es wird daraus geschlossen, daß in jener Zeit das ostafrikanische Klima kälter war als es heute ist und etwa dem südafrikanischen entsprach. Die genaue Beschreibung der einzelnen Tiere wird in den „Ergebnissen der Oldoway-Expedition“ (Verlag Borntraeger, Berlin) erscheinen. In der Diskussion bemerkt Herr NEUMANN dazu: „Ich glaube, der erste zu sein, der diese Schichten in Ostafrika gefunden hat. Allerdings habe ich sie da- mals nicht als solche erkannt. Ich fand in den Böschungen der Steilufer an mehreren periodischen Füssen im westlichen Teil des Kibaja Massai Landes etwa 2 bis 3 Tagereisen südöstlich von Burunge viele Knochen und Schädel von Giraffen, Elefanten, Nashörnern und Antilopen (vergl. Verhandl. der Ges. f. Erdkunde, 1895). Damals war ich noch Neuling in Afrika, glaubte, daß etwas derartiges häufig vor- käme und konnte überdies, von Fieberanfällen geschwächt und in steten Kämpfen mit den Kibaja, die Funde nicht eingehend untersuchen. Heute halte ich es für sicher, daß die hier gesehenen Schädel und Knochen keinen rezenten Arten angehörten, Außerdem sprachen die Herren HECK sen., HILZHEIMER, MAYR, POHLE, SCHWARZ. ad. 4 Herr POHLE legt den durchsägten Stirnzapfen eines Okapi vor. In der Diskussion wirft Herr SCHWARZ die Frage auf, ob man nach diesem Funde nicht auch für das Sivatherium einen Geweihwechsel annehmen könne. Herr HILZHEIMER bestreitet das, weil bei diesem Tier keine Rose vorhanden ist. ad. 5. Herr POHLE legt die seit der letzten Sitzung für unsere Bibliothek eingegangene Literatur vor und dankt den freundlichen Spendern herzlichst. Er bittet bei dieser Gelegenheit die Herren Autoren, beim Ver- senden der Separate auch an die Säugetiergesellschaft zu denken. Schluß: 22 Uhr, 9* 20 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. C. Junisitzung. Montag, 27. 6. 1927 im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, Berlin N 4, Invalidenstr. 43. Beginn: 20°, Anwesend: die Mitglieder A. BRASS, GOMANSKY, HARTIG, HILZHEIMER, KLINGHARDT, LEHMANN, MÜLLER, CH. NEUMANN, NÖLLER, POHLE, RÜMMLER, SCHWARZ, SIEVERT, SPATZ, STRAUCH, STREHLKE, VALLENTIN sowie 5 Gäste. Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: RÜMMLER. Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 2. Herr SPATZ: Reisebeobachtungen in Tripolis. 3. Kleinere Mitteilungen. 4, Vorlage neu eingegangener Literatur. ad 1. Herr PoHLE teilt mit, daß die Anzahl der Mitglieder auf 203 gestiegen sei und daß das erste Heft des 2. Jahrganges in den nächsten Tagen in Druck ginge. Ferner liege ein Angebot der Großen Berliner Kunstausstellung vor für eine Führung durch einen Künstler. Als allen gelegener Wochentag wird der Freitag vorgeschlagen und beschlossen, von dem Angebot Gebrauch zu machen. Zum 70. Geburtstage unseres Mitgliedes, des Geh. Bergrats Prof, Dr. POMPECKJ ist ein Glückwunschschreiben abgesandt worden, das zur Ver- lesung gelangt. ad 2. Herr SPATZ hält seinen angekündigten Vortrag. Zweimal habe die Aufgabe, für den Berliner Zoo eine Völkerschau zusammen- zustellen und nach Berlin zu bringen, ihn nach Tripolis geführt. Erst nach vielen Bemühungen sei ihm die Ausfuhrerlaubnis erteilt worden. Von den mitgebrachten Tieren seien erwähnenswert die 5 echten Berberhengste und 1 Berberstute mit ausgeprägten Rassemerkmalen, ferner 4 Esel, 2 vierhörnige Fettschwanzschafböcke, mehrere Ziegen; ein echter Berberspitz, der als Wach- und Herdenhund benutzt würde, sei noch jetzt nach 6 Wochen so scharf, daß niemand außer seinem Herrn an ihn herankäme. In die nähere Umgebung von Tripolis, die keine Wüste wäre, kämen des öfteren Gazellen. Zwei bis drei Tagereisen südlicher sei das Mähnen- schaf anzutreffen. Sonst hätte er nur noch einige Springmäuse, Igel und Wühl- mäuse zu Gesicht bekommen. In der Diskussion sprechen die Herren HILZHEIMER und SCHWARZ. Auf die Frage nach dem Vorkommen von Rindern antwortet Herr SPATZ, daß es in Tripolis so wenig Rinder gäbe, daß man sogar zur Einfuhr von Schweizerkühen gegriffen habe. In der Steppe gäbe es nur Schafe, nur in den Oasen einige Rinder. ad 3. Herr HILZHEIMER legt die Photographie einer aus dem Neo- lithieum von Jordansmühl stammenden Tonfigur eines Schafes vor. Ferner gibt Herr HILZHEIMER die Anregung, zufällig zu Gesicht kommende alte Wappenbilder, in denen Hörner dargestellt sind, daraufhin Niederschrift der wissenschaftl. Sitzungen. 21 zu untersuchen, ob als Vorbild Ur-, Büffel- odar andere Hörner gedient haben und legt als Beispiel das Wappen der Familie von MAssow vor. ad 4. Herr HILZHEIMER weist auf die jüngst erschienenen Veröffent- lichungen unseres Mitgliedes DRAHN und des Herrn INGEBRIGTSEN hin. "In der anschließenden Diskussion sprechen die Herren HILZHEIMER, KLING- HARDT, POHLE und SCHWARZ. Schluß: 21°° Uhr. D. Julisitzung. Montag, 25. 7. 1927, nachmittags 5 Uhr, im Zoologischen Garten zu Berlin Beginn: 5!° Uhr. Anwesend: die Mitglieder A. BRAss, E. BRASS, ECKSTEIN, FECHNER, FICK, GOMANSKY, HARTIG, HECK sen, HILZHEIMER, KLING- HARDT, LEHMANN, LEMM, LucHs, F. MÜLLER, CH. NEUV- MANN, O.NEUMANN, K. ÖHNESORGE, POHLE, RIESENTHAL, RÜMMLER, SCHWARZ, SCHWIDETZKY, WESTENHÖFER, WOLFGRAMM sowie etwa 35 Gäste. Vorsitz: HECK sen. Niederschrift: OHNESORGE. Tagesordnung: 1. Herr HECK sen.: Führung durch den Zoo, 2. Geschäftliche Mitteilungen. 3. Herr SCHWARZ: Photographien lebender Schimpansen verschiedener Rassen, 4. Herr POHLE: Über einen eigenartig veranderten Cro- cottaschädel. 5. Kleinere Mitteilungen. ad 1. Herr HEcK sen. führt die zahlreich erschienenen Mitglieder der Gesellschaft durch das Elefantenhaus, das Nagetierhaus, das neue Affen- haus, das Antilopenhaus und das kleine Raubtierhaus. ad 2. Herr POHLE gibt den Mitgliederbestand auf 204 an. Ferner teilt er mit, daß er jetzt erst die Todesnachricht von Prof. LECHE erhalten habe. Die Anwesenden erheben sich zu Ehren des Verstorbenen von ihren Plätzen (Nachruf siehe Band 2, Heft 3 der Zeitschrift). ad 3. Fällt aus. ad 4 Herr POHLE demonstriert den eigenartig veränderten Schädel einer gefleckten Hyäne. Eine Beschreibung wird später in dieser Zeit- schrift abgedruckt. In der Diskussion macht Herr FICK auf die auffällig gute Erhaltung der Gelenkflächenform trotz des Nichtgebrauchs des Gelenkes aufmerksam. ad 5. Es wird beschlossen, eine zweite Führung durch den Zoologischen Garten zu veranstalten, zu welcher sich Herr HECK sen. bereit erklärt. Sie wird auf Donnerstag, 4. 8. 27, festgesetzt. 22 | Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. E. Augustsitzung, Septembersitzung,. Fielen auf Vorstandsbeschluß aus. . F. Oktobersitzung Montag, 31.10.1927, im Hörsaal II des Museums für Naturkunde, Berlin N 4, Invalidenstr. 43. Beginn: 8° Uhr. Anwesend: die Mitglieder A. Brass, E. Brass, DRAHN, FECHNER, GOMANSKY, HARTIG, HECK sen., L.HECK jun., HILZHEIMER, KLINGHARDT, LEHMANN, MENDEL, MOST, CH. NEUMANN, NÖLLER, ÖHNESORGE, POHLE, RÜMMLER, SCHWARZ, SPATZ, STANG, STRAUCH, VALLENTIN sowie 9 Gäste. Vorsitz: HECK sen. Niederschrift: OHNESORGE. Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 2. Herr STANG: Über Inzucht. Kleinere Mitteilungen. Vorlage neu eingegangener Literatur. Verschiedenes. ee ad 1. Herr Geheimrat HEcK teilt der Versammlung den Tod des Direktors des Zoologischen Gartens in Amsterdam, KERBERT, und des früheren Direktors der paläontologischen Sammlung der geologi.chen Landes- anstalt, Geheimrat SCHRÖDER, mit und gedenkt beider Toten mit warmen Worten. Herr SCHWARZ hebt die wissenschaftliche Bedeutung SCHRÖDER’s hervor und feiert ihn als den besten Kenner der diluvialen Säugetiere Deutschlands. Die Versammlung ehrt das Andenken der Toten durch Er- heben von den Sitzen (siehe Band 2, Heft 3 dieser Zeitschrift). Herr POHLE gibt die Zahl der Gesellschaftsmitglieder auf206 an und erklärt, daß das neuerschienene Heft der Zeitschrift der Gesellschaft mit Rücksicht auf erhebliche Kostenersparnis ohne Deckel herausgegeben sei und mitten im Satz abbreche. ad 2. Herr STANG hält seinen angekündigten Vortrag über Inzucht. Er führt aus, daß Inzucht als Züchtungsfaktor im Laufe der Zeit sehr ver- schieden beurteilt worden sei, daß dıe Landwirte und Tierzüchter sie im allgemeinen ablehnen, daß aber tatsächlich Inzucht — wenn auch unbewußt — getrieben würde und daß die Inzucht in der Hand eines hervorragenden und scharf beobachtenden Züchters ein wertvolles Mittel zur Hervorbringung und Erhaltung guter Eigen- schaften sei. An der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion beteiligen sich die Herren HEcK sen, HECK jun, A. BRASS, SCHWARZ und STERN- FELD, der insbesondere über die Erfahrungen spricht, die man mit der In- zucht im Gestüt Walfried bei Frankfurt a. M. gemacht hat. Niederschrift der wissenschaftl. Sitzungen. 23 ad 3. Herr Brass legt Felle australischer Beuteltiere vor, die die Herren POHLE und SCHWARZ als Felle von Perameles nasuta und obesula bezeichnen, sowie eines südamerikanischen Nagetieres, das als verwandt mit dem Tueotuco angesehen wird, aus Mangel an Beinen und Schädel aber un- bestimmt bleiben muß. Herr POHLE verliest einen Bericht des Prof. MERTENS aus Magde- burg über den Begattungsakt beim Biber, der im Wasser Brust an Brust stattfindet (siehe pg. 60). ad 4 und 5 fallen mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit fort. Schluß: 102° Uhr. G. Novembersitzung. Montag, 28. 11. 1927, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, Berlin N 4, Invalidenstr. 43. Beginn: 8% Uhr. Anwesend die Mitglieder: A. BRASS, ECKSTEIN, FECHNER, GOMANSKY, HARTIG, HECK sen., HILZHEIMER, M. KocH, KRUMBIEGEL, KÜHNEMANN, LEHMANN, MENDEL, MÜLLER, MÜNZES- HEIMER, CH. NEUMANN, O. NEUMANN, NÖLLER, K. OHNE- SORGE, POHLE, RÜMMLER, SCHWARZ, STRAUCH, STREHLKE, VALLENTIN, WESTENHÖFER, sowie 15 (Gäste. Vorsitz: HECK sen. Niederschrift: OHNESORGE. Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. 2. Herr SCHWARZ: Über Schimpansen. 3. Herr HILZHEIMER: Ein Lendenwirbel vom Mammuth mit Periostitis. 4. Herr POHLE: Vorlage von seltenen Säugetieren. 5. Kieinere Mitteilungen. 6. Neu eingegangene Literatur. ad 1. Herr POHLE teilt mit, daß drei neue Mitglieder aufgenommen und daß die Gesellschaft mit der amerikanischen Säugetiergesellschaft Fühlung bekommen habe. Zu der in der letzten Sitzung verlesenen Mitteilung des Herrn A. MERTENS über die Begattung des Bibers zeigt er zwei Bilder des Kunstmalers ZEHLE, die ein sich begattendes Biberpaar darstellen. ad 2. Herr SCHWARZ hält seinen Vortrag über Schimpansen. An der Hand zahlreicher Lichtbilder führt er aus: Prof. MATSCHIE, der beste Kenner der Materie, der im Berliner Museum eine nirgends erreichte Sammlung von Anthropoiden zusammengebracht hat, ging in der Aufspaltung der Art zu weit; es gibt nur eine Schimpansenart, aber eine Anzahl von Lokalformen. Der Schimpanse zeigt ein hohes Maß individueller 24 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Variation. Wichtig ist die Beschäftigung mit dem lebenden Tier in den Zoo- logischen Gärten; sie hat aber den Nachteil, daß meist sein Fundort unbekannt ist, daß die Mehrzahl der gefangenen Tiere jung ist und kein hohes Alter er- reicht und somit nicht die mit zunehmendem Alter auftretenden Veränderungen, namentlich im Fell, erkennen lassen. Es lassen sich drei Gruppen unterscheiden: — 1. die westliche Form: der Schimpanse von Oberguinea (Gambia bis zur Niger- mündung); charakteristisch ist die Scheitelbildung des Kopfhaares; schon in der Jugend eine dunkelbläuliche Gesichtsmaske mit weißem hellen Schnauzenteil, der lang und dicht behaart ist. Die Größe der Ohren ist nicht von solcher syste- matischen Bedeutung, wie vielfach angenommen wird. — 2. Die zweite Gruppe, die Tschegos, leben in dem Gebiet um den Busen von Niederguinea und sind im Osten bis an den Ubangi verbreitet. Diese Schimpansen zeichnen sich aus durch Glatzenbildung und durch den Mangel einer weißen Gesichtsmaske; es findet sich nur eine schwache weiße Behaarung um das Maul; in der Jugend sind sie hell- gesichtig, mit zunehmendem Alter treten dunkle Pigmentflecke auf, das Gesicht wird dunkelbraun bis schwarz. — 3. Diese Gruppe umfaßt die Schimpansen des Inneren, östlich vom Ubangi; sie haben keine Glatze, aber auch keine Scheitel- bildung des Kopfhaares; auch sie haben in der Jugend ein helles Gesicht, das im Alter braun bis schwarz wird; charakteristisch ist die weite Ausdehnung des Bartes in das Gesicht; es sind überhaupt sehr dicht behaarte Affen. — Inner- halb dieser Gruppen lassen sich noch einzelne Lokalformen unterscheiden. Die Schimpansen sind ausgesprochene Waldtiere, keine Steppentiere. Ihr Verbreitungsgebiet reicht im Süden, Westen und Osten weiter als das des Gorilla, früher noch weiter als heute. — Für den jungen Schimpansen ist außer der hellen Gesichtsfarbe charakteristisch das helle Haarbüschel in der Schwanzregion. Im Alter werden die Haare zunächst rot, später grau und weiß. Das Ergrauen beginnt an den Schläfen, erfaßt dann die Wangen und den Bart, dann die Brust- haare; jedoch ist dies wohl individuell vorschieden. Das Gesicht ist bei alten Schimpansen immer ganz schwarz. Im männlichen Geschlecht kommt es wie beim Menschen zur Ausbildung einer Glatze, die jedoch vorwiegend medial liegt, und nicht — wie beim Menschen meist — die „Geheimratsecken“ zeigt. An der Aussprache beteiligten sich die Herren O. NEUMANN, NÖLLER, MÜNZESHEIMER, POHLE und WESTENHÖFER. ad 3. Herr HILZHEIMER legt einen asymmetrischen Lendenwirbel mit Periostitis vor, der einem riesigen Mammuth angehörte und in Neukölln gefunden wurde. An der Aussprache hierüber nehmen die Herren NÖLLER und WESTENHÖFER teil. ad 4. Herr POHLE legt die Bälge, Schädel und Bilder der folgenden Säugetiere vor und macht zu jedem einige Bemerkungen über Ökologie, Geschichte und besondere Merkmale: 1. Rhinopithecus roxellanae, tibetanischer Nasenaffe; 2. Cephalophus doria, Zebraschopfantilope; 3. Chrysocyon jubatus, Mähnenwolf; 4. Zenkerella insignis, Stachelschwanzbilch; 5. Solenodon cubanus, Cubanischer Schlitzrüssler. ad 5. Nichts. ad 6. Herr POHLE legt Schriften und Arbeiten der Reichszentrale AI 2 RE ae EEE ae us 5 Niederschrift für wissenschaftl. Sitzungen. 25 für Pelztier- und Rauchwarentorschung vor, Herr HILZHEIMER den ersten Band des in zweiter Auflage erscheinenden Werkes von MAX WEBER „Die Säugetiere“, ferner 4 Bände eines Werkes über ungarische Tierzucht. H. Dezembersitzung. Montag, 19. 12. 1927, im Hörsaal 2 des Museums für Naturkunde, Berlin N 4, Invalidenstr. 43. Beginn: 815 Uhr. Anwesend: die Mitglieder A. BRAss, DRAHN, FECHNER, FISCHER, GOMANSKY, HARTIG, HEcK sen, HILZHEIMER, KRUM- BIEGEL, LEHMANN, LEISEWITZ, CH. NEUMANN, POHLE, RÜMMLER, SCHWARZ, STREHLKE, VALLENTIN, VIRCHOW sowie 8 Gäste. Vorsitz: HECK sen. Niederschrift; RÜMMLER. Tagesordnung: 1. Geschäftliche Mitteilungen. | 2. Herr VIRCHOWw : Eigenform der Wirbelsäule des Dschelada. 3. Kleinere Mitteilungen. 4. Herr POHLE: Vorlage seltener Säugetiere. 5. Literatur. ad 1. Herr HECK sen. gibt das Ableben unseres Mitgliedes Graf ZEDLITZ bekannt und widmet dem Verstorbenen Worte der Anerkennung für seine Tätigkeit als Wirbeltierzoologe.e (Nachruf siehe Journal für Ornithologie, Bd. 76, pag. 231.) Die Versammlung ehrt das Andenken des Verstorbenen durch Erheben von den Plätzen. Herr POHLE stellt fest, daß die Gesellschaft augenblicklich 212 Mit- glieder umfaßt. ad 2. Herr VIRCHOW kält seinen angekündigten Vortrag, der an anderer Stelle erscheinen wird. In der anschließenden Diskussion sprechen die Herren HECK sen. und VIRCHOW. ad 3. Herr HECK sen. berichtet von seinem vor kurzem erfolgten Besuch des Londoner Zoologischen Gartens und des Museums. Der Londoner Zoo ist im Gegensatz zu den deutschen Tiergärten alleiniges Eigentum einer wissenschaftlichen Gesellschaft und daher in der Hauptsache nur den Mitgliedern zugänglich. Daher sei auf eine zusammenfassende und die einzelnen Gebäude verbindende landschaftliche Gestaltung wenig Wert gelegt worden. Das Ganze wirke infolgedessen auf den deutschen Besucher leichtzu nüchtern und jedes Schönheitssinnes bar. Das vorhandene Tiermaterial sei über alle Er- wartungen reichhaltig. So seien ein indisches Nashorn und ein Takin vorhanden. Bei letzterem habe er einen ganz eigenartigen Geruch feststellen können, den er bisher bei keinem anderen Tier gefunden habe. 96 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Auch die Schausammlung des Londoner Museums sei außerordentlich reich- haltig, doch vermisse der durch die Schaustücke des Berliner Museums besonders verwöhnte deutsche Besucher die biologischen Gruppen. Dafür seien aber auch besonders wertvolle Stücke in größerer Zahl vorhanden, von denen er ein gutes Stück der Bongoantilope und einen Bullen der Rothschildgiraffe besonders erwähnt. ad 4. Herr POHLE setzt die in der Novembersitzung begonnene Vor- weisung seltener Säugetiere fort. Er legt Bälge, Schädel und Abbildungen folgender Säugetiere vor: 1. Dromiciops australis PHIL.; 2. Notoryctes typhlops STIRL., Beutelmull; 3. Tolypeutes trieinctus L., Kugelgürteltier; 4. Chlamydophorus truncatus HARL., Gürtelmull; und macht dazu Angaben über systematische Stellung, besondere Merkmale und die Ökologie. Dann weist er ein im Winterschlaf befindliches Ziesel vor. Im Anfang der Sitzung, als es direkt aus seinem Aufenthaltsraum, einem ungeheizten Saal, gebracht wurde, schlief es fest, gegen Ende der Sitzung wurde es dagegen munter. Bei ihm scheint der Winterschlaf nur abhängig zu sein von der Temperatur. Es schläft ein, wenn diese in der umgebenden Luft unter ein Minimum, das bei etwa 15 Grad zu liegen scheint, sinkt nnd wacht auf, wenn sie wieder darüber steigt. Genauere Angaben darüber werden noch später erscheinen. ad 5. Dieser Punkt der Tagesordnung fiel wegen der vorgerückten Zeit aus. Schluss: 10°? Uhr. Niederschriften der Führungen etc. 27 3. Niederschriften der Führungen etc. A. Führung durch den Zoologischen Garten. Montag, 25. 7. 27, nachmittags 5 Uhr. Anwesend: 24 Mitglieder und etwa 35 Gäste. Vorsitz: HECK sen. Niederschrift: OHNESORGE. Siehe Protokoll der Julisitzung. B. 2. Führung durch den Zoologischen Garten. Donnerstag, 4. 8. 27, nachmittags 5 Uhr. Anwesend: etwa 40 Mitglieder und Gäste. Vorsitz: HECK sen. Niederschrift: OHNESORGE. Herr HECK sen. führt durch folgende bei der ersten Besichtigung nicht besuchten Säugetiergehege: das Hundegehege, das kleine Raubtierhaus, das Gehege für Lamas und Wildziegen, die Schweinegehege, das Antilopenhaus, die Wildrinderanlage, das Einhuferhaus, das Hirschgehege und das große Rauktierhaus,. Auch diese Führung zeigt, daß der Bestand des Berliner Zoologischen Gartens an Säugetieren außerordentlich reichhaltig ist. Es be- finden sich im Garten mehrere Formen, die zum ersten Male lebend gezeigt werden, so eine Ddeogale nigripes PUCH. u.a. Anschließend findet ein gemütliches Beisammensein in der Waldschänke des Gartens statt, bei dem Geh. Rat ECKSTEIN Herrn Geh. Rat HECK in launiger Weise für die Mühe, die er sich mit den Führungen für die Säugetiergesellschaft gemacht hat, dankt. C. Führung durch die Große Berliner Kunstausstellung 1927. Freitag, 12. 8. 1927, nachmittags 4 Uhr. Anwesend: 19 Mitglieder und Gäste. Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: RÜMMLER. Die Gesellschaft wird durch den Bildhauer WAUER durch die Räume der Ausstellung geführt. Besonderes Interesse erwecken einige Tierplastiken, unter denen besonders die Fischottern und der Dschelada von Prof. EssER genannt seien. 98 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. D. Führung durch die Tripolis-Schau. Montag, 15. 8. 27, nachmittags 5 Uhr im Berliner Zoologischen Garten. Anwesend: etwa 40 Mitglieder und Gäste. Vorsitz: HILZHEIMER. Niederschrift: RÜMMLER. Die Besichtigung geht unter Führung des Herrn SPATZ vor sich, der dabei besonders auch die in seinem Vortrage (s. p. 20) erwähnten Haustiere vorführt. Anschließend findet eine Nachsitzung in der Waldschänke des Zoologischen Gartens statt, während der Herr HILZHEIMER Herrn SPATZ im Namen der Gesellschaft den herzlichsten Dank ausspricht. Eingänge für die Bücherei. 29 4.) Eingänge für die Bücherei. Die Notiz in Klammern zeigt den Geber und das Eingangsdatum an. A. Einzelwerke. 1. ANTONIUS, O. Über Schönbrunner Wisentzuchten. — Berichte der Inter- 2. I DE BEATX, . DE BEAT, nationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents 2, pg. 155—159, 1927. — (Dr. POHLE 17. 5. 28.) O. Studien über neugeborene Säugetiere (äußere Form) Carnivora fissipedia. — Zoologische Jahrbücher, Abt. Syst., Ök. ete. 54, pg. 1—38, tab. 1, 1927. — (Autor 80728.) Repubblica di Liberia, Serie 1921] Tierbilder aufden Briefmar- ken von Liberia] — La Rivista Filatelica d’Italia 14, pg. 243 — 246, 1927. — (Autor 9. 1. 28.) Brevi considerazioni sull’_ Apodemus Abbruzzese-Molisano. — Bollettino del musei di zoologia e anatomia comparata dellaR, Universita di Genova (2a) 7, Nr.7, 1927. — (Autor 9.1.28.) Brevi considerazioni sui Ghepardi (Acınonyx) afrieani. — Bolletino del musei di zoologia eanatomia comparata della R. Universita di Genova (2a) 7, Nr. 13, 1927. — (Autor 9,128.) Lepus europaeus ghigii, subsp.nova. — Bolletino del musei di zoologia e anatomia comparata della R. Universita di Ge- nova (2a) 7, Nr. 17, 1927. — (Autor 12. 4. 28.) OÖ. et FEsSTA, E. La Ricomparsa del einghiale nell’Italia settentrionale-oceidentale. — Memorie della societa italiana di scienze naturali di Milano 9, pg. 265—324, tab. 5—11, 1927. — (Autoren 9. 1. 28.) . BÖKER, H. Vergleichend anatomische und histogenetische Richtigstel- lungen. — Archiv für Klinische Chirurgie 123, pg. 796 bis 803, 1923. — (Autor 26. 4. 28.) Elastische Federungen in den Extremitäten der Wirbel- tiere. — Zeitschrift für Morphologie und Anthropologie 23, pg. 1—32, 1923. — (Autor 26. 4. 28.) so 10. 11. mat (m) 14. 15. 16. ikrya 18. 19. 20. 21. 22. . Brass, E. DRAHN, E. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Die Entstehung der Wirbeltiertypen und der Ursprung der Extremitäten. — Zeitschrift für Morphologie und Anthro- pologie 26, pg. 1—58, 1926. — (Autor 26. 4. 28.) Über die Ontogenese hochdifferenzierter anatomischer Kon- struktionen. — Verhandlungen der Anatomischen Gesell- schaft 63, pg. 96-108, 1927. — (Autor 26. 4. 28.) Pelzwörterbuch. — Deutsche Kürschnerbücher Heft 1,pg. 35 bis 62, 1926. — (Autor 1926.) 3. DOPPELMAIR, G. G. Die Zobeljagd am nordöstlichen Ufer des Baikal- Sees (russisch). — Verlag der Staatlichen Plan-Kommission der Bureat-AMongolischen Autonomen S. S. R., Petersburg 1926, 272 pg., 9 tab, i Karte. — (Autor 12, 4. 27.) Halsrippen beim Rind und reduzierte Brustrippen beim Pferd in ihrer vergleichend-anatomischen Bedeutung. — Zeit- schrift f. Säugetierkunde 1, pg. 121—140, 1926. — (Eigenverlag 15. 1. 27.) GROEBEN, G. VON DER, Grundsätze der planmäßigen Wisentzüchtung. Erster Teil: Reinzucht. Berichte der Internationalen Ge- sellschaft zur Erhaltung des Wisents 2, pg. 140—154, 1927. — (Dr. PoHLE 17. 5. 28.) HESsSE, E. Bemerkungen zur Biologie einiger Säugetiere. — Zeitschrift für Säugetierkunde 1, pg. 47—58, 1926. — (Eigenverlag 15. 9. 26.) HILZHEIMER, M. Studien über den Hypopharynx der Hymenopteren. -— Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft 39, pg. 119 bis 150, tab. 2, 1904. — (Autor 1. 10. 26.) Über einige Tigerschädel aus der Straßburger zoologischen Sammlung. — Zoologischer Anzeiger 28, pg. 594—599, 1905. — (Autor i. 10. 26.) Neue chinesische Säugetiere. — Zoologischer Anzeiger 29, pg. 297—299, 1905. — (Autor 1. 10. 26.) Papio mundamensis. F'elis deliensis, Canis reissii und an- dere Säugetiere. — Zoologischer Anzeiger 30, pg. 109 bis 118. 1906. — (Autor 1. 10. 26.) Die europäischen Hasen. — Zoologischer Anzeiger 30, pg. 510— 513, 1906. — (Autor 1. 10. 26.) Eine kleine Sendung chinesischer Säugetiere. — Abhandlungen und Berichte des Museums für Natur- und Heimatkunde in Magdeburg 1, pg. 165 — 184, tab. 2—4, 1906. — (Autor 41. 10.26.) 26. 27T. 28. 29. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. Eingänge für die Bücherei. 31 Wie sollen wir die Haustiere benennen ? — Zoologischer An- zeiger 33, pg. 182—187, 1908. — (Autor 1. 10. 26.) Neue tibetanische Säugetiere. — Zoologischer Anzeiger 35, pg. 309—311, 1910. — (Autor 1. 10. 26.) Zur systematischen Bedeutung des Tränenbeines. — Zoolo- gischer Anzeiger 36, pg. 42 — 47, 1910. — (Autor 1.10. 26.) Über Mus syWwaticus L., Mus wagneri EVERSM. und Mus minutus PALL. in den Museen zu Helsingfors und Stuttgart. — Acta societatis pro fauna et flora fennica 34, Nr. 10, pe 1.9.1910 — (Autor 1. 107.25.) Über ein Pferd der Völkerwanderungszeit. — Zoologischer Anzeiger 40, pg. 105—117, 1912. — (Autor 1.10. 29.) Über neue@epparden nebstBemerkungen über dieNomenklatur dieser Tiere. — Sitzungsberichte der Gesellschaft naturfor- schender Freunde Berlin 1913, pg. 2833—292. — (Autor 1. 10. 26.) Erwiderung an Herrn Dr. KLATT. —— Archiv für Rassen- und Gesellschaftsbiologie 10, pg. 647 — 648, 1913. — (Autor 1*.110. 26.) Stammesgeschichte der Wirbeltiere. — Monatshefte für den naturwissenschaftlichen Unterricht 6, pg. 465 —475, 512— 523, 564—5”70, 1913. — (Autor 1. 10. 26.) Überblick über die Geschichte der Haustierforschung, beson- ders in den letzten 30 Jahren. — Jahrbuch für wissen- schaftliche und praktische Tierzucht 14, pg. 1—44, 1921. — (Autor 1. 10. 26.) Über den Metatarsus eines Ziguus hemionis fossilis NHRG. aus Königswusterhausen. — Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde 1921, pg. 140—149. — Autorsıl..107.26,) Die systematische Stellung von Fehs spelaea GOLDF. — Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde 1922, pg. 11—24. — (Autor 1. 10. 26.) Die Wildrinder im alten Mesopotamien. — Mitteilungen der altorientalischen Gesellschaft 2, pg. 1—18, 4 tab., 1926. — (Autor 1. 12. 26.) Säugetierkunde und Archäologie. — Zeitschrift für Säugetier kunde 1, pg. 140—169. 1926. — (Eigenverlag 15. 1. 27, Unser Wissen von der Entwicklung der Haustierwelt Mittel- europas. — Bericht der römisch-germanischen Kommission 16, pg. 46—85, 1927. — (Autor 1927.) “32 37. — 38. — 40. _ 41. = 42. — 43. JACOBI, A. 44, — 45. JAWORSKI, 46. JICKELI, C. 48. IPA. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Historisches und Kritisches zu BOLKS Problem der Mensch- werdung. — Anatomischer Anzeiger 62, pg. 110—121, 1927. — (Autor 1. 5. 27.) Der Calcaneus eines Ursus arctos von Rixdorf. — Neues Jahr- buch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Beilageband 58, Abt. B, pg. 163—170, 1927. — (Autor 25. 5. 27.) Zwei Radien von Felis spelaea GOLDF. aus der Mark. — Zeit- schrift für Geschiebeforschung 3, PS 79—81, 1927. — (Autor 25. 5. 27.) Ein neuer alluvialer Wisentfund aus der Mark. — Berichte der Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents 2, pg. 159-162, 1927. — (Dr. POHLE, 17. 5. 28). Dama schaeferi HILZH. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 68—73. 1927. — (Eigenverlag 1. 11. 27.) Naturwissenschaftliches zu KÜHN’s Altersstellung der „nord- afrikanischen Felskunst“. — Zeitschrift für Ethnologie 35, pg. 89—95, 1928. — (Autor 28. 3. 28). Neuartige Fallen für kleinere Säugetiere. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 16—17, 1927. — (Eigenver- lag 4. 11, 27). Melanismen einheimischer Kleinsäuger. (Neomys fodiens und Oricetus cricetus). — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 82— 87, 1927. — (Eigenverlag 1. 11. 27). Z. Studien über die Abstammung der primitiven Haus- schweine aus dem Wald- und Sumpfgebiet von Pinsk. — Bulletin de ’Academie Polonaise des Sciences et des Lettres, Ser. B. 1927, pg. 327—356, Tabelle 1 und 2. — (Dr. HILZHEIMER 28. 3. 28.) Die praehistorischen und historischen Wisentvorkommen in Siebenbürgen. — Berichte der Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents 2, pg. 163—170, tab. 13, 1927, — (Dr. Pohle 17. 5. 28). Fossile Wisentreste des Museums des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften. — Berichte der Internationalen Ge- sellschaft zur Erhaltung des Wisents 2, pg. 170—173, 1927, — (Dr. Pohle 17. 5. 28). Internationale Pelzfach- Ausstellung Leipzig 1929, eine Denk- schrift. — Leipziger Verkehr und Verkehrspolitik 9, 31 pg, 1927. — (Verkehrsamt Leipzig 1. 12, 27.) 49. 50. 51. 53. 54. 59. 56. 57. 58. 59. 60. 61. Koch, W. LEISEWITZ, Eingänge für die Bücherei. 33 Über Schädelmerkmale zur Unterscheidung der rezenten Wisentrassen. — Berichte der Internationalen Gesell- schaft zur Erhaltung des Wisents 2, pg. 175 —183, 1927. —- (Dr. Pohle 17. 5. 28). W. Über die rudimentären Metacarpalia bei rezenten Cer- viden und Boviden. — Sitzungsberichte der Gesellschaft für Morphologie und Physiologie in München 36, pg. 72—77, 1925. — (Autor 1926). LEITHNER, O. von. Der Ur. — Berichte der Internationalen Gesell- . LEPST, 1. schaft zur Erhaltung des Wisents 2, pg. 1—140, tab. 1—12, 1927, — (Dr. Pohle 17. 5. 23). Über einige Perisso- und Artiodactyla in D. CANTEMIR’s „Deseriptio Moldaviae*. — Bulletin de la section seien- tifique die ’Academie Roumaine 19, pg. 1—13, 1924. — (HILZHEIMER 1926.) MAGDEBURG, Magdeburg. — Wirtschaftsamt der Stadt Magdeburg. — (Herausgeber 1927.) MATSCHIE, P. Diagnosen einiger Säugetiere aus dem Kongo-Staat, — MÖBIUS, K. Zeitschrift für Säugetierkunde I, pg. 110—114, 1926. — (Eigenverlag 15. 1. 27.) Über die Grundlagen der ästhetischen Beurteilung der Säuge- thiere. — Sitzungsberichte der Akademie der Wissen- schaften Berlin 1900, XIV, 19 pg. — (Deutsche Ornitho- logische Gesellschaft 1927.) MoLo, W. von. Magdeburg. — Verlag des Wirtschaftsamtes der Stadt MoHR, E. POHLE, H. Magdeburg. — (Herausgeber 25.4. 28.) Schwanzmessungen bei wachsenden Säugetieren. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 74—77, 1927. — (Eigenverlag ni 27%) Plecotus auritus L. in der Gefangenschaft. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 87—92, 1927. — (Eigenverlag a) Über einige Fälle von Gebißunregelmäßigkeiten .— Sitzungs- berichte der Gesellschaft naturforschender Freunde 1914, pg. 406—413. — (Autor 1. 10. 26.) Weitere Fälle von Gebißunregelmäßigkeiten. — Sitzungs- berichte der Gesellschaft naturforschender Freunde 1917, pg. 244—248. — (Autor 1.10. 26.) Pseudobassarıs riggsi, g.n. sp. n. für Amphictis spec. R1GG8S. — Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschen- der Freunde 1917, pg. 403—411. — (Autor 1.10. 26.) 3 34 62. 63. 64. 65. 66. 67. 68. 69. 70. 21: 12. 73. 74. 19. POHLE, Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, H. Über Gebißunregelmäßigkeiten III. — Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde 1918, pg. 346—352, tab. 11. — (Autor 1.10. 26.) Zur Kenntnis der Raubtiere. II. Die Stellungen der Gat- tungen Amphictis und Nandinia. — Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde 1920, pg. 48 bis 62. —(Autor 1.10. 26.) Über den physiologischen Zahnausfall. — Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde 1921, pg. 115 bis 122. — (Autor 1. 10. 26.) Antwort auf die Bemerkungen A. CARLSSON’s betreffend meinen Aufsatz: Die Stellung der Gattungen Amphictis und Nandinia. — Sitzungsberichte der Gesellschaft natur- forschender Freunde 1922, pg. 25 —30. — (Autor1. 10.26.) Der Zahnwechsel der Bären. — Zoologischer Anzeiger 55, pg. 266—277, 1923. — (Autor 1. 10. 26.) Der Aufbau der dritten Deutschen Jagdausstellung. — Der Heger 4, Heft 6, Beilage, 8 pg., 1925. — (Autor 1. 4. 27). Über einen Ovibos-Fund aus Schlesien. — Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie 1925, = B. pg. 122—125. — (Autor 1. 10. 26.) Bericht über die Wisentausstellung im Berliner Zoologischen Museum. — Berichte der Internationalen Gesellschaft zur Er- haltung des Wisents 1, pg. 24 —26, 1926. — (Autor 1.4. 27.) PAUL MATSCHIE. — Zeitschrift für Forst- und Jagd- wesen 58, pg. 713—714, 1926. — (Autor 1.10. 27.) Notizen über afrikanische Elefanten. — Zeitschrift für Säugetierkunde 1, pg. 58—64, tab. 2, 1926. — (Eigen- verlag 15. 9. 27.) PAUL MATSCHIE’s Schriften. — Zeitschrift für Säuge- tierkunde 1, pg. 90—110, 1 tab., 1926. — (Eigenverlag le, 36 20.) Über die Systematik der Mustelinen. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 9, 1927. — (Eigenverlag 1. 11. 27.) Führung durch die I. Deutsche Wisentausstellung. — Sit- zungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde 1925, pg. 48—49, 1927. — (Autor 1. 4. 28.) Über die von Prof. BRESSLAU in Brasilien gesammelten Säugetiere (außer den Nagetieren). — Abhandlungen der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft 40, pe. 239—247, 1927. — (Autor 1.4. 28.) 76. 2. 78. 79. Ss. 81. 82. 83. 88. Eingänge für die Bücherei. 35 PoHLE, H. PAUL MATSCHIE. — Mitteilungen aus dem Zoologischen Museum in Berlin 14, pg. 1—9, 1928. — (Autor 17. 5. 28.) PALMER, T. S. The Jack Rabbits of the United States, — Bulletin Nr. 8 of the U. S. Departement of Agriculture, Division of Ornithology and Mammalogy, 84 pg., 6 tab., 1896. — (Deutsche Ornithologische Gesellschaft 1927.) REcK, H., und PoHLE, H. Über einen vermutlich diluvialen Säuge- tierrest von der Mittellandbahn in Deutsch-Ost-Afrika. — Centralblatt für Mineralogie, Geologie und Paläontologie 1922, pg. 546 - 557. — (Autor 1. 10. 26.) REINWALDT, E. Zur Chiropterenfauna Estlands. — Sitzungsberichte der Naturforscher-Gesellschaft bei der Universität Tartu 34 (2), 1927. — (Autor 1927.) — Über Verbreitung und Schutz einiger Säugetiere Estlands. — Tartu Ülikooli Metsaosakonna toimetustest Nr, 10, 19 pg., 1927. — (Autor 1927.) — Beiträge zur Muriden-Fauna Estlands mit Berücksichtigung der Nachbargebiete. — Acta et Commentationes Univer- sitatis Tartuensis (Dorpatensis) 12, pg. 1—66, 1927. — (Autor 1927.) REMANE, A., Eine seltsame (tebißanomalie bei einem Stummelaffen. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pag. 114—120, tab. 5, 1926. — (Eigenverlag 15. 1. 28.) SCHLOTT, M. Zur Verbreitung und Biologie der Haselmaus (Muscardinus avellanarius L.) in Schlesien. — Ostdeutscher Natur- wart 1925, pg. 196— 201. — (Autor 1927.) _— Aus der Heuscheuer. — Schlesische Illustrierte Zeitung 1927, Nr. 42. — (Autor 8. 11. 27.) Aus der Tierwelt Oberschlesiens, — Der Öberschlesier 9, pg. 312—318, 6 tab., 1927. — (Autor 1927.) . SCHWARZ, E. Die Meerkatzen der Cercopithecus aethiops-Gruppe. — Zeitschrift für Säugetierkunde 1, pg. 28 —47, tab. 1, 1926. — (Eigenverlag 15. 9. 26.) . SCHWIDETZKY, G. Über Säugetiersprachen und Sprachursprung. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 7, 1927. — (Eigen- verlag 1. 11. 27.) SOKOLOWSKY, A. Säugetiere und Umwelt. — Zeitschrift für Säuge- tierkunde 2, pg. 29—38, 1927. — (Eigenverlag 1. 11. 1927.) 3F 36 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 9. 98. 99 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. II, 1927. Spatz, P. Über nordafrikanische Gazellen und Antilopen. — Zeit- schrift ffir Säugetierkunde 2, pg. 27—29, 1927. — (Eigenverlag 1. 11. 27.) SPREHN, C. Nematoden in Säugetieren. — Zeitschrift für Säugetier- kunde 2, pg. 383—67, 1927. — (Eigenverlag 1. 11. 27.) STEHLIN, H. G. Bemerkungen über die Fruchtbarkeit der Meer- schweinchen. — Verhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft in Basel 37, pg. 376—380, 1926. — (Autor 1926.) STICHEL, W. Der nordamerikanische Mink (Mustela (Lutreola) vison SCHREB.) als Zuchttier in Deutschland. — Die Pelztier- zucht 3, pg. 5—10, 1927. — (Autor 8. 4. 1927.) STRAUCH, C. Über Anfressen von Leichen durch Hauskatzen. — Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 10, pg. 457—469, 1927. — (Autor 1927.) — und BRANDES, G. Über den Dresdener Orang „Goliath“. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 78—82, 1927. — (Eigenverlag 1. 11. 27.) TODOROWA, Z. Die Entstehung der Grabanpassungen bei Talpa euro- paea. — Morphologisches Jahrbuch 57, pg. 381—409, 1927. — (Prof. BÖKER 26. 4. 28.) TUROV, 5. Neue Tatsachen über die geographische Verbreitung des Prometheomys schaposchnikovi SAT. (russisch) — Nach- richten des Gorsky Pädagogischen Instituts 3, 4 pg., 1926. — (Autor 1926.) — To the biology and spreading of Prometheomys schaposchni- kovi SAT. (russisch). — Bulletin Scientifigque de l’Institut de l’Exploration Regional du Caucase du Nord 1, pg. 23—30, tab. 1,1926. — (Autor 1926.) — Versuch einer systematischen Übersicht der Säugetiere von Ossetien (russisch). — Bulletin Scientitique de l’Institut de l’Exploration Regional du Caucase du Nord 1, pg. 311—337, 1926. — (Autor 1926). VOSSELER, J. Bericht über Erkrankung und Tod der Hamburger Wisente. — Berichte der Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents 2, pg. 173—174, 1927, — (Dr, Bohle 17. 52.28) 100. WINOGRADOW, B. Über eine neue Springmaus (Seirtopoda lichten- steini sp. n.) aus der Karakum-Wüste, Russisch Turkestan. — Zeitschrift für Säugetierkunde 2, pg. 92—101, 1927. — (Eigenverlag 1. 11. 27.) Be Se * Eingänge für die Bücherei. | 37 101. ZIMMERMANN, R. Über neuere Funde einer kurzohrigen Erdmaus in Sachsen nebst einigen Beobachtungen über die Lebens- weise des Tieres, — Pallasia 1, pg. 176-180, tab. 6, 19940 — (Autor 28. 4,27.) | 102. —— Weiteres über die Verbreitung der Schlafmäuse in Sachsen. — Pallasia 2, pg. 11—16, 1924. — (Autor 28. 4, 27.) 103. — Über die Pilznahrung höherer Tiere. — Zeitschrift für Pilz- kunde 1925, pg. 80-88. — (Autor 28. 4. 27.) 104. — Zur Geschichte des Bibers im Sachsenlande. — Bautzener Nachrichten 1926 [= Naturw. Beobachter 62, pg. 97 bis 104, 1921.] — (Autor 28. 4. 27.) 105. — Über die Säuger sowie die Kriechtiere und Lurche des Plauen- schen Grundes. — Mitteilungen für Sächsischen Heimat- schutz 15, pg. 242—249, 1927. — (Autor 1927.) 106. _— Einige Anregungen für die Mitarbeit an der Zoologischen Durchforschung des Vogtlandes. — Mitteilungen der Vogt- ländischen Gesellschaft für Naturforschung 1926, pg. 15 bis 20. — (Autor 28. 4. 1927.) 107. ZUKOWSKY, L. Der Drill von Fernando Po. — Archiv für Natur- geschichte 88, pg. 184—192, 1 tab., 1922. — (Autor 15: 5. 28.) 108. — Der Mandrill von Fernando Po. — Archiv für Natur- geschichte 91, pg. 132—136, 1925. — (Autor 15. 5. 28.) 109. _ Arctogalidia bicolor MILLER, eine zum erstenmal lebend eingeführte Viverridenart. — Carl Hagenbeck’s illustrierte Tier und Menschenwelt 1, pg. 195—196, 1927. — (Autor 1958.28.) 10: — Beitrag zur Kenntnis der Ginsterkatzen Angolas. — Carl Hagenbeck’s illustrierte Tier- und Menschenwelt 1, pg. 214 bis 216, 1927. — (Autor 15. 5. 28.) ELT. = Bemerkungen über den Schädelbau der Gattung Sigmo- ceros. -— Carl Hagenbeck’s illustrierte Tier- und Menschen- welt 2, pg. 383—40. — (Autor 15. 5. 28.) 182% — Bemerkungen über die rassenweise Verschiedenheit der Hirschziegenantilope. — Carl Hagenbeck’s illustrierte Tier- u. Menschenwelt 2, pg.124—127, 1927. — (Autor 15.5. 28.) 1213. — Nachtrag zu den Bemerkungen über die rassenweise Verschiedenheit der Hirschziegenantilope. — Carl Hagen- beck’s illustrierte Tier- und Menschenwelt 2, pg. 147, 1928, — (Autor 15. 5. 28.) 38 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. B. Zeitschriften. . Annalen des Naturhistorischen Hofmuseums in Wien. (Tausch.) . Arbeiten der Reichszentrale für Pelztier- und Rauchwarenforschung. (Tausch.) . Berichte der Internationalen Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents. (Mitgliedschaft.) . Hagenbeck’s illustrierte Tier- und Menschenschau. (C. Hagenbeck’s Tierpark.) . Mitteilungen der Gesellschaft für Säugetierkunde (Eigenverlag.) — aus dem Frankfurter Zoo. (Stadt Frankfurt a. M.) — aus dem Zoologischen Garten in Halle. (Stadt Halle.) . Die Pelztierzucht. (Tausch.) . Schriften der Reichszentrale für Pelztier- und Rauchwarenforschung. (Tausch.) . Senckenbergiana. (Tausch.) . Tätigkeitsberichte der Reichszentrale für Pelztier- und Rauchwaren- Forschung. (Tausch). . Vorträge der Reichszentrale für Pelztier- und Rauchwarenforschung. (Tausch.) . Zeitschrift für Säugetierkunde. (Eigenverlag.) . — des Vereins für Deutsche Schäferhunde. (Verein für Deutsche Schäfer- hunde.) Allen freundlichen Gebern sei auch an dieser Stelle herzlicher Dank gesagt. Unsere Mitglieder und Freunde werden gebeten, auch in Zukunft bei der Versendung ihrer Arbeiten die Bücherei der Gesellschaft zu bedenken. A re ee Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 39 5.) Satzung der Gesellschaft. Abschnitt 1. Allgemeines. s 1. Name. Der Verein führt den Namen: Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde e. V. Er ist unter Nr. 4802 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin-Mitte, Abtei- lung 167, eingetragen. 8 2. Zweck. Zweck des Vereins ist die Förderung der Säugetierkunde nach allen Rich- tungen und durch alle Mittel, insbesondere durch gegenseitigen Austausch der gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen in regelmäßig abzuhaltenden Ver- sammlungen und durch Herausgabe der „Zeitschrift für Säugetierkunde“, 88. Sitz. Sıtz des Vereins ist Berlin. 8 4. Geschäftsjahr. Das Geschäftsjahr des Vereins ist das Kalenderjahr. Abschnitt 2. Mitglieder. 8 5. Erwerb der Mitgliedschaft. Mitglied der Gesellschaft kann jede Person, Personengemeinschaft und jede Anstalt werden. Der Erwerb der Mitgliedschaft wird eingeleitet durch Anmeldung bei einem der Vorstandsmitglieder. Über die Aufnahme entscheidet allein der Vorstand. $ 6. Verlust der Mitgliedschaft. Verlust der Mitgliedschaft tritt ein: a) durch Tod des Mitgliedes, b) durch Austrittserklärung beim Geschäftsführer, c) durch Ausschluß. Der Ausschluß kann vom Vorstande ausgesprochen werden, einmal, wenn das Mitglied bei Einziehung des Beitrages durch Nachnahme die Zahlung verweigert und dann, wenn das Mitglied den Bestrebungen des Vereins zuwiderhandelt. In dem ersten Fall ist der Vorstandsbeschluß endgültig, im anderen steht dem Be- treffenden das Recht der Beschwerde bei der Hauptversammlung zu, deren Be- schluß endgültig ist. Jedes Mitglied bleibt der Gesellschaft mit seinem Beitrage für das folgende Jahr verpflichtet, wenn die Austrittserklärung nicht spätestens am 1. Dezember eingeht. | » 8 7. Rechte und Pflichten der Mitglieder. Die Mitglieder haben das Recht, an allen Veranstaltungen der Gesellschaft teilzunehmen. Sie haben in allen Mitgliederversammlungen Sitz und Stimme und erhalten die Vereinszeitschrift ohne besondere Bezahlung. Sie haben die Pflicht, den Verein und seine Ziele zu fördern und die Satzungen einzuhalten. Ferner 40 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. haben sie einen stets von der Hauptversammlung für das nächste Jahr festzu- setzenden Beitrag im März eines jeden Jahres zu entrichten. Er kann auch in zwei Halbjahrsraten gezahlt werden. Wird der Jahresbeitrag oder die erste Rate nicht spätestens im Mai eingezahlt, so wird er auf Kosten des Mitgliedes durch Nachnahme erhoben. $ 8. Besondere Mitglieder. Der Vorstand hat das Recht, korrepondierende und Ehrenmitglieder zu er- nennen. Sie sind von der Beitragspflicht entbunden. Die Ehrenmitglieder haben dieselben Rechte wie die anderen Mitglieder. Abschnitt 3. Leitung des Vereins. $ 9. Vorstand. Vorstand im Sinne des B. G. B. ist der Geschäftsführer. 8 10. Erweiterter Vorstand. Die Leitung der Gesellschaft liegt in den Händen des erweiterten Vorstandes. Dieser besteht aus drei Vorsitzenden, einem Geschäftsführer, einem Schriftführer, einem Schatzmeister und einem Beisitzer. Vier Mitglieder des erweiterten Vor- standes müssen Fachzoologen, zwei davon Säugetierspezialisten sein. Einer der Vorsitzenden muß seinen Wohnsitz außerhalb Berlins haben. Die Mitglieder des erweiterten Vorstandes vertreten sich im Behinderungsfalle in der oben an- gegebenen Reihenfolge. $S 11. Wahl des Vorstandes. Die Wahl des Vorstandes geschieht alle 2 Jahre in der Hauptversammlung nach Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder schriftlich und geheim. Beim Ausscheiden eines Mitgliedes des erweiterten Vorstandes während der Wahlzeit ist dieser berechtigt, sich durch Zuwahl selbst zu ergänzen. Der 1. Vorsitzende ist nach Ablauf seiner Wahlzeit für die nächste Wahlzeit nicht wieder wählbar, die beiden anderen Vorsitzenden nicht wieder in ihr Amt. $ 12. Reohte und Pflichten des Vorstandes. Der 1. Vorsitzende vertritt die Gesellschaft nach innen. Die anderen Vor- sitzenden sind seine berufenen Vertreter. Der Geschäftsführer vertritt im Ein- vernehmen mit den übrigen Vorstandsmitgliedern die Gesellschaft nach außen und erledigt die laufenden Geschäfte, insbesondere ist er der Herausgeber der Vereins- zeitschrift. Der Schriftführer hat über jede Versammlung und Sitzung der Ge- sellschaft, sowie über jede Vorstandssitzung eine Niederschrift herzustellen, die nach Genehmigung durch die betreffende oder nächste gleichartige Versammlung von ihm und dem Vorsitzenden der Versammlung zu vollziehen ist. Der Schatz- meister zieht die Beiträge ein, führt die Kasse und verwaltet das Vermögen der Gesellschaft. $ 13. Beirat. Zur Unterstützung des Vorstandes wählt jede zweite Hauptversammlung durch Zuruf einen Beirat von 21 Mitgliedern, von denen höchstens 12 in Berlin wohnen dürfen. Die Beiratsmitglieder gelten als Vertrauenspersonen der Gesell- schaft und sind daher in allen wichtigen Fragen zu Rate zu ziehen. u u u al 1 ea a u A DT nn nn LU LU UNE LU = warn Satzung der Gesellschaft. 41 Abschnitt 4. Mitgliederversammlungen. $ 14. Hauptversammlung. Alljährlich findet eine Hauptversammlung statt, welche mindestens 14 Tage vorher den Mitgliedern bekannt zu machen ist. Auf jeder Hauptversammlung hat der Vorstand über die Verwaltung seines Amtes Bericht zu erstatten. Jede Hauptversammlung bestimmt den Ort der nächsten. $ 15. Mitgliederversammlung. Mitgliederversammlungen können vom Vorstande nach Bedarf einberufen werden. Er muß eine solche einberufen, wenn mindestens der 4. Teil der Mit- glieder es schriftlich unter Angabe zu besprechender Angelegenheiten verlangt und zwar innerhalb der auf den Eingang des Antrages folgenden 4 Wochen. Eine solche Versammlung ist jedem Mitglied mindestens 14 Tage vorher mitzuteilen. $S 16. Sitzungen. Allmonatlich findet in Berlin eine wissenschaftliche Sitzung statt. Der Vor- stand hat das Recht, diese Sitzungen während der Sommermonate ‘Juli—September) ausfallen zu lassen. $ 17. Allgemeine Bestimmungen. Der erweiterte Vorstand bestimmt Zeit, Ort und Tagesordnung jeder Ver- sammlung. Er ist verpflichtet, Anträge, die von mindestens 6 Mitgliedern ein- gebracht werden, auf die Tagesordnung der gewünschten Versammlung zu setzen, wenn sie rechtzeitig, d.h. 4 Wochen vorher, beim Geschäftsführer eingehen. Die Beschlüsse werden, soweit nicht durch diese Satzung anders bestimmt, stets mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Die Einladung zu den Versammlungen erfolgt durch Postkarte oder Brief. Abschnitt 5. Besondere Bestimmungen. $ 18. Satzungsänderung. Satzungsänderungen können nur auf Hauptversammlungen beschlossen werden, wenn sie auf der mitgeteilten Tagesordnung gestanden haben. Beschlüsse von Satzungsänderungen bedürfen einer Mehrheit von 3/, der erschienenen und 1/» der vorhandenen Mitglieder, doch kann von der Erfüllung der letzten Be- dingung abgesehen werden, wenn die Satzungsänderung von zwei aufeinander- folgenden Hauptversammlungen beschlossen wurde. 8 19. Auflösung. Die Auflösung der Gesellschaft kann nur in einer zu diesem Zweck besonders einberufenen Mitgliederversammlung beschlossen werden. Zur Gültigkeit des Be- schlusses ist die Zustimmung von ?°’/, der vorhandenen Mitglieder der Gesellschaft erforderlich. Die Abstimmung der nicht erschienenen Mitglieder hat schriftlich zu erfolgen. Im Falle der Auflösung fällt das Vereinsvermögen an die Säugetier- abteilung des Zoologischen Museums der Universität Berlin. Berlin, 13. März 1926. Frankfurt a. M., 20. April 1928. 42 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. II, 1928. 6.) Vorstand und Beirat für 1928 und 1929, A. Vorstand. Ehrenvorsitzender . . . - 2... Geh. Reg. Rat Prof. Dr. LUDWIG HECK 1. Vorsitzender . . . . . .Geh. Reg. Rat Prof. Dr. LUDWIG DÖDERLEIN 2. Vorsitzender . ...ı. no. nennen nn. Dr MAXZHRGZERRE 3. Vorsitzender . „>... 2. 0.. 2..0.% .Broi. Dr. VALENWINZSHERNEGE Geschäftsführer .. „ 2. 22. 2 nern. 2. Dr. HERMAN SERBERE Schriftführer . . .. „2. :°.-. ....: DLandger.-Direktor KURT OHNESOREER Schatzmeister . . ... 0. nl a nn 22 Dr EDV DE Beisitzer... „22.20... Geh. Reg. Rat Prof. Dr. KARL EGRSIEN B. Beirat. Prof. Dr. OTHENIO ABEL, Wien. Direktor Dr. OTTO ANTONIUS, Wien. Prof. Dr. PAUL DEEGENER, Berlin. Prof. Dr. FRITZ DRAHN, Berlin. Prof. Dr. ULRICH DUERST, Bern. Geh. Med. Rat Prof. Dr. RUDOLF FICK, Berlin. Prof. Dr. EUGEN FISCHER, Berlin. Geh. Reg. Rat Prof. Dr. HANSEN, Berlin. Prof Dr. ARNOLD JACOBI, Dresden. Prof. Dr. C. KRONACHER, Hannover. Major a. D. KONRAD MOST, Berlin. Prof. OSCAR NEUMANN, Berlin. Prof. Dr. WILHELM NÖLLER, Berlin. Direktor Dr. KURT PRIEMEL, Frankfurt a. M. Prof. Dr. LUDWIG RHUMBLER, Hann. Münden. Direktor Dr. FRITZ SARASIN, Basel, Prof. Dr. HERMANN SCHUBOTZ, Berlin. Prof. Dr. CURT STRAUCH, Berlin. Geh. Reg. Rat Dr. AUGUST STRÖSE, Berlin. Prof. Dr. MAX WEBER, Eerbeek. Prof. Dr. C. ZIMMER, Berlin. Adressen siehe im Mitgliederverzeichnis. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 43 7.) Mitgliederverzeichnis. Stand vom 81. 12. 1927. (Die Zahlen vor den Namen sind die Mitgliedsnummern.) A. Korrespondierende Mitglieder. 156 INTERNATIONALE GESELLSCHAFT ZUR ERHALTUNG DES WISENTS, Frankfurt a. M., Zoologischer Garten. B. Ordentliche Mitglieder. 16 ABEL, Prof, Dr. OTHENIO, Wien, Jenullgasse 2. 155 ADAMETZ, Hofrat Prof. Dr., Wien, Hochschule für Bodenkultur. 44 AHL, Dr. ERNST, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 165 AICHEL, Prof. Dr. OTTO, Kiel, Anthropologisches Institut. 70 ALLESCH, Dr. G. von, Berlin W. 50, Marburgerstr. 8. 65 ARNDT, Dr. WALTHER, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 63 ANTONIUS, Direktor Dr. OTTO, Wien XIII, Schönbrunn, Tiergarten. 185 BEAUX, Prof. Dr. OSCAR de, Genua, Via Brig-Liguria 9 (Italien). 140 BENICK, Dr. LUDWIG, Lübeck, Seydlitzstr. 19. 110 BOCK, OTTO, Berlin W. 8, Kronenstr. 7. 64 BÖKER, Prof. Dr. HANS, Freiburg i. B., Jacobistr. 58. 58 BOETTICHER, Dr. HANS von, Coburg, Hinterm Glockenberg 1b. 90 BRANDES, Prof. Dr. GUSTAV, Dresden-A., Tiergartenstr. 1. 151 BRASS, Dr. AUGUST, Berlin SW. 68, Friedrichstr. 55. 114 BRASS, Konsul EMIL, Berlin W., Goltzstr. 21. 6 BRAUN, Prof. Dr, MAX, Königsberg i. Pr., Cäcilienallee 7. 835 BRESSLAU, Prof. Dr. ERNST, Köln a. Rh., Stapelhaus. 60 BROHMER, Dr. PAUL, Kiel, Karlstr, 39. 108 BROMAN, Prof. Dr. IVAR, Lund Rosenvillan (Schweden). 55 DEEGENER, Prof. Dr. PAUL, Berlin-Charlottenburg, Schillerstr. 114. 216 DICE, R. LEE, Ann Arbor, Michigan, University (U. S. A.). 11 DÖDERLEIN, Geh. Reg. Rat Prof. Dr. LUDWIG, München, Herzogstr, 54. 69 DRAHN, Prof. Dr. FRITZ, Berlin NW. 6, Luisenstr, 56. 83 DUNGERN, ADOLF Frhr. von, Berlin W. i5, Xantenerstr. 22, 28 DUERST, Prof. Dr. ULRICH, Bern, Neubrückerstr, 10 (Schweiz). 8 ECKSTEIN, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. KARL, Eberswalde. 209 EHIK, Dr. JULIUS, Budapest 80, Nationalmuseum, Ungarn. 171 EISENTRAUT, Dr. MARTIN, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, 53 FECHNER, ERNST, Berlin-Reinieckendorf-Ost 1, Veitenerstr. 1. 22 FICK, Geh. Med.-Rat Prof. Dr. RUDOLF, Berlin NW. 23, Brückenallee 3. 26 FISCHER, Prof. Dr. EUGEN, Berlin-Daiilem, Ihnestr. 22, 154 FLOERICKE, Dr. CURT, Stuttgart, Birkenwaldstr. 217. 199 FREUDENBERG, Prof. Dr. WILHELM, Schlierbach bei Heidelberg, Wolfs- brunnerweg 82. | 143 FREUND, Prof. Dr. LUDWIG, Prag II, Legerova 48 (Tschechoslovakien). 147 FRIEDENTHAL, Prof. Dr. HANS, Berlin C., Dorotheenstr. 13. 116 FRITSCHE, KARL, Naturalienhandlung, Bremerhaven. 190 145 177 196 208 128 202 206 141 137 193 133 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. GANDERT, Dr. OTTO-FRIEDRICH, Halle a. S., Friedenstr. 2, GEYR VON SCHWEPPENBURG, Prof. Dr. HANS Freiherr, Hann.-Münden, Forstakademie. GIESELER, Dr. WILHELM, München, Unertistr. 5. GIFFEN, Prof. Dr. ALBERT EGGES van, Groningen, Poststraat 6. GOMANSKY, EDMUND, Berlin N. 4, ehe 43. GRABOWSKI, Direktor FRIEDRICH, Breslau 16, Zoologischer Garten. GRIMPE, Dr. GEORG, Leipzig, Talstr. 33. GROEBEN, GOERD von der, Wiese b. Reichenbach, Ostpr. HAGENBECK, HEINRICH, Stellingen bei Hamburg. HAGENBECK, LORENZ, Lockstedt bei Hamburg. HALLER von HALLERSTEIN, Prof. Dr. VIKTOR Graf, Berlin NW., Luisenstr. 56. HANSEN, Geh. Reg.-Rat Prof. Dr., Berlin-Dahlem, Albrecht Thaerweg 2. HARNISCH, Dr. O., Köln a. Rh., Stapelhaus, HARTIG, CARL LUDWIG, Berlin NW., Altonaerstr. 19. HAUCHECORNE, Direktor Dr. FRIEDRICH, Halle a. S., Zoologischer Garten. HEBERER, Dr. GERHARD, Tübingen, Zoologisches Institut der Universität. HECK, Direktor HEINZ, München-Harlaching, Tierpark, HECK, Geh. Hofrat Prof. Dr. LUDWIG, Berlin W. 62, Zoologischer Garten. HECK, Dr. LUTZ, Berlin W. 62, Zoologischer Garten. HEROLD, Dr. WERNER, Swinemünde, Bedastr. 4. HERZOG, DIETRICH, Gießen, Goethestr. 30. HESSE, Prof. Dr, RICHARD, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. HILZHEIMER, Direktor Dr. MAX, Biln.-Charlottenburg, Osnabrückerstr. 17. HOFFMANN, Dr. K. R,, Basel, St. Albananlage 27 (Schweiz). JACOBI, Prof. Dr. ARNOLD, Dresden, Zwinger. JASTER, Dr. ALFRED, Bln.-Schöneberg, Landshuterstr. 37. INSTITUT, ANATOMISCHES — der Tierärztlichen Hochschule, Berlin NW. 6, Luisenstr. 56. INSTITUT, GEOLOGISCH-PALÄONTOLOGISCHES — der Universität, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. INSTITUT, VETERINÄR-ANATOMISCHES — der Universität, Gießen, Frank- furterstr. 94. INSTITUT, ZOOLOGISCHES — der Landwirtschaftlichen Hochschule, Berlin N. 4, Invalidenstr. 42. JUNK, Dr. WILHELM, Berlin W. 15, Sächsischestr. 68. KATTINGER, Dr. EMIL, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. KERBERT, Dr. COENRAD, Amsterdam, Zoologischer Garten. KISS, Baron GEZA von, Gödöllö bei Budapest (Ungarn). KLEIN, Dr. EDUARD, Sofia, Boulevard Dondukoff 35 (Bulgarien). KLINGHARDT, Prof. Dr. FRANZ, Bin.-Charlottenburg, Königin Luisestr. 16. KOCH, MARIE, Berlin N. 24, Prinz Friedrich Karl Str. 3. KOCH, Dr. WALTER, München, Neuhauserstr. 51. KOLLER, Dr. GOTTFRIED, Kiel, Zoologisches Institut. KOLLER, Dr. OTTO, Wien 1, Burgring 7. KOSMOS, Gesellschaft der Naturfreunde, Stuttgart, Pfizerstr. 5. a tn i 3 40 76 150 27 214 122 73 139 187 21 150 79 120 80 105 129 81 169 174 103 167 52 59 168 92 71 42 37 14 19 115 173 124 151 184 112 9 100 5l . 20 189 46 126 al 198 Mitgliederverzeichnis. 45 KOTHE, Dr. KONRAD, Buckow, Märk, Schweiz, Wriezenerstr,. 56. KRIESCHE, Dr. RUDOLF, Bln.-Wilmersdorf, Mecklenburgische Str. 85. KROHN, KARL, Berlin-Friedenau, Offenbacherstr. 24. KRONACHER, Prof. Dr. C., Hannover, Hohenzollernstr. 31. KRUMBIEGEL, Dr. INGO, Dresden-A., Schnorrstr. 94. KUIPER, Direktor Dr. KOENRAD, Rotterdam, Zoologischer Garten (Holland). KÜHNEMANN, Dr. ARNOLD, Berlin SO. 16, Engelufer 22. LANGENBUCH, RICHARD, Kiel, Gellertstr. 27, LEHMANN, EVA, Bin.-Westend, Königin Elisabeth-Str. 53, LEISEWITZ, Prof. Dr. WILHELM, München, Wolfrathshauserstr. 17. LEITHNER, Dr. OTTO Frhr. von, Wien 3, Ungargasse 39. LEMM, RICHARD, Bln.-Niederschönhausen, Lindenstr. 35b. LÖNNBERG, Prof. Dr. EINAR, Stockholm 50, Naturhistor. Museum (Schweden). LOEWE, J. R., Potsdam, Kronprinzenstr. 24/25. LUCHS, Oberstleutnant a. D. FRIEDRICH, Berlin NW. 87, Levetzowstr. 22. LÜTTSCHWAGER, Dr. HANS, Zoppot, Kollathstr. 7. MAIR, Dr. RUDOLF, Berlin NW. 6, Luisenstr, 56. MAMPE, CARL MAMPR A.-G., Berlin SW. 11; Halleschestr. 17. MANGOLD, Prof. Dr. ERNST, Berlin N. 4, Invalidenstr. 42, MATSCHIE, Frau FRANZISKA, Bin.-Friedenau, Taunusstr. 4. MAYR, Dr. ERNST, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. MEER, HERMAN TER, Leipzig-Connewitz, Kochstr, 111. MEISSNER, Direktor MAX, Königsberg i. Pr., Tiergarten. MEIXNER, Dr. JOSEF, Graz III, Universitätsplatz 2. MENDEL, JOSEPH, Bln.-Wilmersdorf, Berlinerstr. 15. MERTENS, Prof. Dr. AUGUST, Magdeburg, Domplatz 5. MERTENS, Dr. ROBERT, Frankfurt a. M., Viktoriaallee 7. MOHR, ERNA, Ahrensburg (Holstein), Manhagener Allee 95. MOSLER, Dr. EDUARD, Schwanenwerder, Post Wannsee. MOST, KONRAD, Bin.-Wilmersdorf, Gerdauenerstr. 9. MÜLLER, Dr. FERDINAND, Erkner bei Berlin, Am Rund 8. MÜLLER, RICHARD J., Berlin W. 62, Zoologischer Garten. MÜNZESHEIMER, Dr. FRITZ, Bin.-Charlottenburg, Grolmanstr. 32/33. MUSEUM für Natur-, Handels- und Völkerkunde, Bremen, MUSEUM, ZOOLOGISCHES — in Hamburg, Steintorwall. MUSEUM, PROVINZIAL —, Hannover. NACHTSHEIM, Prof. Dr. HANS, Berlin-Dahlem, Schorlemerallee. NEUMANN, CHARLOTTE. Berlin N. 4, Invalidenstr. 48. NEUMANN, Komm. Rat JULIUS, Neudamm. NEUMANN, Prof. OSCAR, Bln-Charlottenburg, Wilmersdorferstr. 74. NEUMANN-KLEINPAUL, Prof. Dr., Berlin NW. 6, Luisenstr. 56. NÖLLER, Prof. Dr. WILHELM, Berlin NW. 6, Luisenstr. 56. OHNESORGE, Reichsbankrat JOHANNES, Berlin N., Lothringerstr. 8. OHNESORGE, Landgerichsdirektor KURT, Bin.-Grunewald, Reinerzstr. 3. OGNEFF, Prof. SERGIUS J., Moskau, Zoologisches Museum der 1. Univer- sität (U.S.S. R.) 180 181 178 144 123 74 194 28 24 210 166 56 3) 41 219 77 98 132 138 10 21l 33 170 9 182 217 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. POHLE, Dr. HERMANN, Berlin, N. 4, Invalidenstr. 43. POMPECKI, Geh. Bergrat Prof. Dr. JOSEF FELIX, Berlin N. 4, Invaliden- straße 43. PRIEMEL, Direktor Dr. KURT, Frankfurt a. M., Hölderlinstr. 14, PROTZ, HANS, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43, PUTTKAMER, Hauptmann WOLF-JESCO von, Neu-Kolziglow, Kr. Rum- melsburg. RAABE, Dr. HANS, Wien I, Wipplingerstr. 38. RAITSITS, Prof. Dr. EMIL, Budapest, Rotrenbilla u. 23/25 (Ungarn.) REICHLING, Direktor Dr. HERMANN, Münster, Westfalen, Tuckesburg. REINWALD, Prof. EDWIN, Dorpat, Zoologisches Institut der Universität, Aia Fän 46. (Estland). REMANE, Dr. ADOLF, Kiel, Zoologisches Institut. RHUNMBLER, Prof. Dr. LUDWIG, Hann.-Münden, Ueckerhagenerstr. 73. RICHTER, WILLY, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. RIESENTHAL, Oberst EBERHARD von, Berlin-Waidmannslust, Waid- mannstr. 102. ROEDER, ULRICH, Leipzig C. 1, Färberstr. 12. RUGE, OTTO, Berlin-Karlshorst, Sadowastr. 1. RUHE, HERMANN, Alfeld/Leine. RÜMMLER, HANS-JOACHIM, Berlin SW. 61, Lankwitzstr. 5. RÜTTER, Dr. GUSTAV, Königsberg i. Pr., Landwirtschaftskammer. SACHS, WALTER BERNHARD, Bin.-Charlottenburg 4, Waitzstr. 7. SACHTLEBEN, Dr. HANS, Berlin-Dahlem, Biologische Reichsanstalt für Land- und Forstwirtschaft. SAMMLUNG, ZOOLOGISCHE — des bayrischen Staates, München, Neuhauser- straße 51. SARASIN, Direktor Dr. FRITZ, Basel, Spitalstr. 22, (Schweiz.) SARASIN, PAUL, Basel, Spitalstr, 22, (Schweiz). SASAKI, Dr. SEI MADOKA, Hirochima, Hokkaido, Imp. University Sap- poro, (Japan). SCHLOTT, MARTIN, Breslau I, Alexanderstr. 7. SCHLÜTER, Dr. SCHLÜTER & Dr. MASS, Halle a. S. SCHMALTZ, Geh. Reg. Rat Prof, Dr., Alt Landsberg bei Berlin, Amtsfreiheit. SCHMIDTGEN, Prof. Dr, OTTO, Mainz, Naturhistor. Museum. SCHNURRE, Dr. Otto, Berlin C 2, Breitestr. 37. SCHOMBURGK, HANS, Frankfurt a. M., Friedbergerlandstr. SCHÖNBERG, Dr. FRITZ, Berlin SO, 33, Skalitzerstr. 67. SCHROEDER, Geh. Bergrat Prof. Dr. HENRY, Berlin N.4, Invalidenstr. 44. SCHRODER, Dr. OLAW, Kiel, Zoologisches Museum. SCHUBOTZ, Prof. Dr. HERMANN, Berlin NW., Friedrich Wilhelmstr. 8. SCHWANGART, Prof. Dr. FRIEDRICH, Kötzschenbroda, Carolastr. 8. SCHWARZ, Dr. ERNST, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. SCHWIDETZKY, Stadtrat GEORG, Leipzig-Oetzsch, Mittelstr. 4, SIEVERT, Studienrat LUDWIG, Eberswalde, Pfeilstr. 17. SOKOLOWSKY, Dr. ALEXANDER, Hamburg-Eimsbüttel, Lappenbergsallee 10. SOERGEL, Prof. Dr. WOLFGANG, Breslau, Schuhbrücke 38/39. vz h u 5 Be 34 135 72 54 212 153 39 207 205 215 50 88 186 17 75 152 Mitgliederverzeichnis. 47 SPATZ, PAUL, Bin-Steglitz, Albrechtstr. 95. SPREHN, Dr. CURT, Leipzig, Linnöstr. 11. STAFFE, Dr. ADOLF, Trautmannsdorf a. L. bei Wien. STANG, Prof. Dr. VALENTIN, Berlin NW. 6, Luisenstr. 56. STEIN, GEORG, Reipzig, Post Pulverkrug bei Frankfurt a. O. STELLE, FORSCHUNGS — für Pelztierkunde, Tharandt. STELLE, STAATLICHE — für Naturdenkmalpflege in Preußen, Bln-Schöne- berg, Grunewaldstr. 6/7. STICHEL, Dr. WOLFGANG, Leipzig, Marschnerstr. 14. STIMMING, Oberstabsarzt RICHARD, Groß-Wusterwitz bei Magdeburg. STOETZNER-LUND, VICTOR, Berlin-Pankow, Breitestr. STRASSEN, Prof. Dr. OTTO zur, Frankfurt a. M. Varrentroppstr. 65. STRAUCH, Prof. Dr. CURT, Berlin NW. 6, Luisenplatz 9. STREHLKE, Oberstleutnant FRITZ, Berlin W. 50, Ansbacherstr. 26. STROMER, Prof. Dr. ERNST Frhr. von Reichenbach, München, Neuhauser- straße 51. STRÖSE, Geh. Reg. Rat Dr. AUGUST, Berlin-Zehlendorf Wsb., Ahornstr. 21. SUNIER, Dr. ARMAND LOUIS JEAN, Amsterdam, Zoologischer Garten, (Holland). SZCZERKOWSKI, Direktor KASIMIR, Posen, Zoolog. Garten (Polen). THÄTER, Direktor Dr. KARL, Nürnberg, Zoologischer Garten. TOLDT jun., Hofrat Prof. Dr. KARL, Innsbruck, Müllerstr. 30. TRATZ, Direktor Dr. EDUARD PAUL, Salzburg, Augustinergasse 14. TUROV, Prof. SERGIUS, Wladikawkas Markusstr. 20 (U, 8. S. R.). UMLAUFF, JOHANNES, Hamburg, Eckernförderstr. 85, VALLENTIN, Dr. ERNST, Berlin W. 30, Luitpoldstr. 34. VERSLUYS, Prof. Dr. JAN, Wien 19, Grinzingerallee 18, VIRCHOW, Geh. Reg. Rat Prof. Dr. HANS, Berlin-Charlottenburg, Knese- beckstraße 78/19. VOGEL, Geh. Hofrat Prof. Dr. LEONHARD, München NO 6, Veterinärstr. 6. WEBER, Prof. Dr. MAX, Eerbeek (Holland). WEGNER, Prof. Dr. RICHARD, Frankfurt a. M., Gartenstr. 95. WEIDHOLZ, ALFRED, Wien 9, Liechtensteinstr. 3. WENDNAGEL, Direktor. ADOLF, Basel, Zoologischer Garten (Schweiz). ° WENDRINER, Dr. LUTZ, Berlin NO 55, Prenzlauerallee 218. WESTENHÖFER, Prof. Dr. MAX, Zepernick, Post Röntgental, Kr. Nieder- barnim. WETTSTEIN, Dr. OTTO, Wien I, Burgring 7. WIESEL, Dr. LUDWIG, Dessau-Großkühnau. WINOGRADOW, B.S., Petersburg, Zool. Mus. der Akad. d. Wiss. (U.S.S.R.). WOLFF, Dr. BRUNO, Neuzelle, Kr. Guben. WOLEF, Prof. Dr. MAX, Eberswalde, Moltkestr. 19. WOLFGRAMM, DIETRICH, Berlin W 55, Steglitzarstr. 47. WUNDERLICH, Dr. LUDWIG, Köln-Riehl, Zoologischer Garten, WÜST, Prof. Dr. EWALD, Kiel, Schwanenweg 20a. ZEDLITZ, OTTO Graf, Tofhult bei Kalfsjöholm (Schweden). 48 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, 111 ZEHLE, ERNST, Berlin-Charlottenburg 4, Schlüterstr. 60. 7 ZIMMER, Prof. Dr. CARL, Berlin N. 4, Invalidenstr. 43. 183 ZIMMERMANN, RUDOLF, Dresden-A., Marienstr. 32. 97 ZUKOWSKY, LUDWIG, Stellingen Bez. Hamburg, Hagenbecks Tierpark. 142 ZUNKER, Dr. MARTIN, Berlin-Grunewald, Humboldstr. 32. Die Mitglieder werden gebeten, den Geschäftsführer auf falsche oder unge- naue Angaben aufmerksam zu machen, sowie Adressenänderungen sofort mit- zuteilen. Ill. Referate. 1.) Spirochäten in Säugetieren. Von In6o KRUMBIEGEL (Leipzig). Das Vorkommen und die Übertragungsweise von Säugetierspirochäten ist ein Gebiet, das in gleicher Weise den Zoologen wie den Mediziner in- teressiert. Die Besiedlung des Wirtstieres läßt sich biologisch stufenweise verfolgen: Vom Hauptaufenthaltsorte der freilebenden Spirochäten, verun- reinigtem Tümpelwasser, über die Ansiedlung auf der Darmoberfläche, zum gelegentlichen Parasitieren auf Wund- und Geschwürflächen, bis endlich der echte Blut- und Gewebsparasit entsteht. Die Theorie von DOFLEIN läßt das Vorkommen in blutsaugenden Insekten als einen Weg erscheinen, auf dem der Spirochäte bequem Gelegenheit gegeben war, sich dem Säuge- tierblut ganz allmählich anzupassen. In fast allen Tierstämmen sind Spirochäten bisher nachgewiesen. So kommen sie z. B. in Echinodermen, Würmern und Arthropoden vor, besonders große Arten auch in Muscheln. Die endgültige Führung in der Erforschung der Säugetierspirochäten über- nahmen die Zoologen, nachdem es SCHAUDINN im Anschluß an das Studium bestimmter Protozoen aus der Stechmücke und dem Blut des Steinkauzes -gelungen war, in einer kleinen Spirochäte des Menschen den lang gesuchten Erreger der Syphilis zu finden. Spirochäte dentium ist eine sehr kleine Form (4—12 u), die im Zahn- belag des Menschen auch bei bester Zahn- und Mundpflege vorkommt, und auch bei Primaten gefunden ist. Da irgendeine prinzipielle Verschiedenheit der Existenzbedingungen in anderen Säugetieren nicht besteht, so ist die systematische Verbreitung wahrscheinlich eine noch weit größere Irgend- eine pathogene Wirkung ist nicht feststellbar. Weniger harmlos ist die Sp. nodosa — icterogenes, die bei Primaten das Gelbfieber erregt und auch für das Meerschweinchen pathogen ist. Wahrscheinlich spielen bei der Verbreitung Ratten als Zwischenwirte eine Rolle. Die nodosa vertritt den Typus der kurzgedrungenen Spirochäten, während die Sp. pallida eine lange Schraubenform darstellt. Eine echte Primatenspirochäte ist die Sp. recurrentis, Erreger des europäischen Rückfallfiebers, die durch die Zecke Argas persicus über- 4 50 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, III, 1928. tragen wird. Einwandfrei festgestellt worden ist diese Spirochäte bei Semno- pithecus entellus, mehreren Cercopithecus-Arten, Cercocebus fuliginosus, Macacus radiatus, nemestrinus, rhesus, cynomolgus, sinicus, sowie Oynopithecus aethiops. Eine andere Art von Rückfallfieber erregt die im Affenblut vor- kommende Sp. obermeieri, übertragen durch Argas reflexus, während bei Sp. duttoni, die Übertragung durch Ornithodorus moubata stattfindet. Diese Spirochätenart ist bei Macacus und Üercopithecus gefunden worden und erregt das sogenannte afrikanische Rückfallfieber. Auch für Ratten, Mäuse und Oricetus ist sie pathogen, nicht aber für Caniden und Boviden. Sp. theileri dagegen ist eine der typischen Boviden-Spirochäten, in Haus- rindern und Büffeln, stellt mit 20—30 u Länge eine sehr große Form dar und wird durch Boophilus übertragen. Im Schafsblut kommt die Sp. ovina vor, besonders in Transvaal und Abyssinien. Sie soll, ebenso wie die Sp. equina aus dem Pferdeblut, nicht pathogen sein. Morphologisch nimmt unter den Spirochäten die Sp. refringens eine Sonderstellung ein. Sie kommt speziell bei Primaten auf syphilitischen Geschwüren vor. Von LEVADITI wurde sie in Collodiumsäckchen im Coelom von Affen gezüchtet, Sie ist stets ein Oberflächenbewohner der Geschwüre, im Gegensatz zur Sp. pallida, der echten Syphilisspirochäte, die nur in der Tiefe zu finden ist. Mit dieser Art wurden bereits 1879 durch KLEBS an Affen unbe- kannter Art Infektionen erzielt, ferner 1893 durch NICOLLE bei einem Makaken, und 1903 durch METSCHNIKOFF und ROUX am Schimpansen. ‚Sicher übertragen ist die Krankheit ferner auf den Orang, zwei Aylobates- Arten, mehrere Makakenarten, ÜOercopithecus, Cercocebus und die meisten Paviane. Die Platyrrhinen sind ebenfalls empfänglich, wenn auch die Re- sultate noch nicht so eindeutig sind; anscheinend weicht ihr Verhalten etwas ab. Die Syphilisspirochäte galt, nachdem Versuche an Schweinen, Katzen, Hunden und Pferden negativ verlaufen waren, bis in neueste Zeit als aus- schließlicher Parasit der Primaten. Erst 1925/26 berichtet ein kurzes Referat in dermatvlogischen Fachschriften über Versuche zweier Argentinier JAUREGUI und LANCELOTTI, die Lamas mit Pallidaspirochäten infiziert hatten. Nach den Berichten sollten sie hierzu durch eine Notiz eines spanischen Dichters COMARRA (um 1552) veranlaßt worden sein. Die Infektion verlief etwa wie beim Menschen, nur dauerten die einzelnen Stadien etwas kürzer und nach etwa drei Jahren trat der Tod ein. Dagegen sollte durch Vorbehandlung mit abgeschwächten Kulturen eine Einverleibung von starken Dosen hochvirulenter Spirochäten vertragen werden und eine Immuni- tät entstanden sein, die therapeutisch für den Menschen verwendet werden konnte. Eine Übertragung der Krankheit vom Menschen auf das Tier durch Sodomie wollen die beiden Autoren sicher festgestellt haben, ebenso wie den umgekehrten Übertragungsmodus, Sie geben an, daß die Syphilis, INGO KRUMBIEGEL, Spirochäten bei Säugetieren. 51 da von den „huanacos“ stammend, auch „huanti“ genannt wurde. Ob Lama oder Guanaco zum Versuchstiere dienten, ist aus den knappen Re- feraten nicht genau ersichtlich. Meine literarische Nachschau ergab, daß es sich um den Begleiter des FERDINAND CORTEZ, LOPEZ de GOMARA, handelt, und die argentinische Mitteilung ist nach einer bestimmten Richtung hin von besonderem Interesse, Medizingeschichtlich ist die Frage, ob die Syphilis-Spirochäte amerikanischen Ursprungs ist und erst nach der Entdeckung Amerikas in die alte Welt verbreitet wurde, oder ob sie schon im Altertum vorhanden war, trotz intensivster Bearbeitung noch völlig unsicher. Für das Altertum der Syphilis in Europa hat man das verschiedenste Beweismaterial heranzuziehen ver- sucht: Von Andeutungen in den Satiren klassischer Schriftsteller, Beschrei- bungen von Krankheiten historischer Persönlichkeiten und Krankengeschichten der Spitäler bis zur Untersuchung prähistorischer Knochenfunde. Dem- gegenüber weist die Amerikatheorie auf die schwere Syphilisepidemie hin, die unmittelbar nach der Rückkehr der ersten Schiffe von Amerika ausge- brochen sei, sich schnell über Spanien, Frankreich und Deutschland aus- breitete und das Heer Karls des VIII. vor Neapel in verheerender Weise befiel. Auch die Entstehung von ca. 400 verschiedenen Namen für die bis dahin gänzlich unbekannte Krankheit innerhalb kurzer Zeit hat man als Beweis angeführt, in Holland hieß sie „Spaanse-Pocken“, in Frankreich „Morbus italicus“, in Deutschland „Morbus gallicus“, in Polen „deutsche Krankheit“, in Rußland „polnische Krankheit“. Im Orient sprach man von einer „Franken-Krankheit“, in Japan von „Portugiesen-Krankheit“, u. s. w. Vor einem Überschätzen der Amerikatheorie muß man sich zweifellos ebenso hüten wie vor einer Unterschätzung. Die Möglichheit, daß die Seuche lediglich erst in der Epoche der aufblühenden naturgeschichtlichen, anato- mischen und medizinischen Beobachtung der Renaissance als selbständige Krankheit erkannt wurde, ist nicht von der Hand zu weisen. An der Ge- schichte anderer großer Epidemien sehen wir, wie schnell Mikroorganismen ihre Virulenz bei ungünstigen hygienischen Verhältnissen auch scheinbar ohne sonstige äußere Gründe ändern können, während die Amerikatheorie die angebliche Schwere der ersten Syphilisepidemien damit erklären will, daß die Bevölkerung bis dahin noch völlig rein und ohne jede Immunität ge- wesen sei. Wenn die beiden Theorien gegeneinander abgewogen werden, so kann man sagen, daß beide einander ungefähr gleich stark gegenüber stehen, vielleicht mit einem gewissen Übergewicht der Lehre von der Altertums- syphilis (Sigerist); an eine endgültige Entscheidung ist in Anbetracht des von beiden Parteien herangezogenen Beweismateriales vorläufig nicht zu denken. Sicher nachgewiesen ist die Syphilis auf jeden Fall für das praeko- Jumbische Amerika, und gerade hier steht die Kenntnis ihrer Beziehungen 4x 52 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. zu den domestizierten Tylopoden literarisch fest. Das 20. Gesetz der peruanischen Herrscher besagt, daß der der Sodomie Überführte mit seiner Kleidung verbrannt wurde, weil man die Übertragung der „huanti“ be- fürchtete. Konzilien zu Lima hatten Gesetze erlassen, die den männlichen Eingeborenen streng verboten, Lamas auf die Weide zu bringen, oder auf Reisen mit sich zu führen, ohne daß sie von ihrer Frau begleitet waren. Unverheiratete Indianer durften keine Alpakkas halten. In der deutschen Literatur wurde bereits 1891 auf diese und ähnliche Verhältnisse hinge- wiesen. 1873 schrieb FORBES in der Zeitschrift für Ethnologie: „einer sehr verbreiteten Ansicht zufolge ist die Syphilis in den Hochlanden von Peru entstanden und durch unnatürliche Laster vom Alpakka auf den Menschen übergegangen“. Auch er regte schon diesbezügliche Untersuchungen an. KÄRGER erwähnt 1901, leider ebenfalls unbeachtet, daß eine als Syphilis. bezeichnete Alpakka-Krankheit der Landwirtschaft großen Schaden zufüge, Verhältnisse, auf die KAPFF 1904 auf dem Internationalen Amerikanisten- Kongreß in Stuttgart hinwies. Die Alpakkas wurden mit einer Fettsalbe, in die Quecksilber verrieben wurde, behandelt. Unbedingt ist zur Klärung der Frage, ob die Herkunft der Krankheit beim Tiere zu suchen ist, oder ob es sich um eine primär menschliche Krankheit handelt, die erst sekundär auf das Haustier übertragen wurde, noch zu untersuchen, ob auch bei frisch erlegten bezw. gefangenen Guanakos oder Vicugnas, die noch nie mit dem Menschen in Berührung gekommen waren, ebenfalls spezifische Spirochäten zu finden sind. Dieser letztere Fall wäre theoretisch am interessantesten, weil er als starkes Argument für die Amerikatheorie herangezogen werden könnte. Absolute Reinheit der Wild- formen würde dagegen die Syphilis zur Haustierkrankheit stempeln, die nur vom Menschen allein ausging. Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, daß die Frage naheliegt, wie die altweltlichen Tylopoden reagieren. Kamele und Dromedare haben in der Ovalität der Erythrocyten, der Anatomie der Hals- gefäße u. a. m. so viele besondere Gemeinsamkeiten mit ‚der Lamagruppe, die sie von allen anderen Ungulaten abseitsstellen, daß es möglich ist, daß auch ihr serologisches Verhalten bei experimenteller Infektion durchaus ähnelt. In diesem Falle wäre das angegebene besondere Verhalten gegen die Krankheit lediglich eine auf unbekannten Gründen beruhende Be- sonderheit aller Tylopoden überhaupt und ohne jeden Wert für die Medizingeschichte. Schließlich würde, da so viele und gerade pathogene Spirochätenarten durch Zecken übertragen werden, auch eine diesbezügliche Nachforschung von Wert sein, zumal die Lamas in ihrem Mutterlande außer- ordentlich von diesen Schmarotzern befallen sind. Alles das sind Unter- suchungen, die nur im Lande selbst zu greifbaren Resultaten führen können, — Es steht also außer Zweifel, daß bereits Lama bezw. „huanaco“ — INGO KRUMBIEGEL, Spirochäten bei Säugetieren, 53 wobei dahingestellt sei, wie weit unter dieser Bezeichnung ausschließlich das echte Wildguanako in unserem Sinne gemeint ist — sowie das Alpakka schon seit altersher mit der Syphilis in Beziehung gebracht wurden. Ledig- lich das Vieugna scheint noch zu fehlen. Der Grund dafür liegt wohl in dem Umstande, daß es mehr und mehr seiner Ausrottung entgegen zu gehen scheint, z. B. in den deutschen zoologischen Gärten z. Z. vollständig fehlt und auch in den Museen zu den Seltenheiten gehört. Die großen Treib- jagden, die schon in alten Zeiten und zwar damals mit ungeheurem Menschen- material (es sollen gelegentlich an 20000 Treiber tätig gewesen sein) durch- geführt wurden, scheinen das ihrige getan zu haben. Ein Zehntel der Ausbeute, besonders auch Vicugna-Felle, wurde im Tempel aufgehängt, und so für kirchliche Zwecke oft weit mehr getötet, als zur Gewinnung von Fleisch unä Wolle notwendig war. In der Säugetierliteratur ist besonders das Vicugna in sehr wenigen guten Abbildungen zu finden. Für den Säugetierforscher ist es ein naheliegender Gedanke, mit Rück- sicht auf das Bestehen der Amerikatheorie im Kreise der in Frage kommenden Säugetiere Umschau zu halten. Die kleinen, gelegentlich außerordentlich an Syphilis erinnernden Läsionen, die Gürteltiere, wenigstens in den Zcologischen Gärten, gelegentlich in der Analregion aufweisen, sind mir schon 1922/23, also vor Bekanntwerden der deutschen Referate üher JAUREGUI und LANCELOTTI, die erst Ende 1925 erschienen, ein Grund gewesen, nach der Entstehungsursache für diese Gebilde zu suchen. Die Gürteltiere werden von den tierfreundlichen Indianern trotz geringer geistiger Fähigkeiten oft im Hause gehalten und stehen so in nahem körperlichen Zu- sammenhang mit dem Menschen. Die Untersuchung ergab freilich, daß die untersuchten Exemplare lediglich an Darmparasiten litten, die einen Juckreiz ausüben, auf den die Tiere durch Reiben und Scheuern an allen möglichen Gegenständen reagieren. Hierdurch entstehen kleine Verletzungen, die ge- legentlich infiziert werden, und so zuden vermeintlich syphilitischen Produk - ten führten. — An Exemplaren vom Zwerggürteltier, Zaödyus minutus, im Zoo- logischen Garten waren 1928 in Farbe und Konfiguration verdächtige Stellen in der seitlichen Bauchhaut zu beobachten, deren Herkunft rein mechanischer Natur, und damit ein genügender Beweis war, daß von einer Venerie bei Gürteltieren keine Rede ist: Die Tiere suchen nämlich im Zoologischen Garten gern in den Ecken des Schlafkastens zu wühlen und sich tiefer zu vergraben; wenn nun mehrere nebeneinander sind, so schaben sie sich mit ihren kräftigen Grab- krallen, sodaß es zu den häßlichen Hautdefekten kommt. Man möchte daher versucht sein, kleinere, stets nur ein Tier beherbergende Schlafkästen auszu- probieren, Scheidewände anzubringen oder dergleichen. Es war meine nunmehr naheliegende Absicht, die noch viel ausge- sprocheneren Haustiere, Lama und Alpakka, zur Untersuchung heranzuziehen, 54 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. besonders nachdem ich beim Nachsuchen von Quellen im v. NOTTHAFFT (Die Legende von der Altertumssyphilis, 1907) durch eine kurze Anmerkung betreffend das Gerücht, die Syphilis hinge mit den Alpakkas zusammen, in meiner Hypothese bestärkt worden war. Die Referate, die erst viel später zu meiner Kenntnis gelangten, weil sie lediglich als kurze Notizen in der- matologischen Spezialblättern standen, erübrigten schließlich eine weitere Betätigung in dieser Frage. — Eine Säugetierordnung, die besonders mit Spirochäten im Zusammen- hang zu stehen scheint, sind die Fledermäuse Bei den nordischen Arten ist die Ansiedlung von Spirochäten durch die Ernährung mit Fliegen, die ja ihrerseits an faulende Substanzen gehen, denkbar. Es würde eine dank- bare Untersuchung sein, das Schicksal von Tümpelspirochäten im Darmkanal er Fliegen und weiterhin in der Fledermaus zu verfolgen, sowie, ob eine Fledermaus von ihren natürlichen Ecto-Parasiten durch Stich infiziert werden kann, was für ihre Blutparasiten, z, B. Sp. vespertilionis, eine leichtere Er- klärung wäre als der Umweg über den Darmkanal. Die Gegenprobe zu solcher Anschauung muß in einer Untersuchung der fruchtfressenden Groß-Fledermäuse bestehen. Falls diese keine Blut- oder sonstigen Spirochäten beherbergen, ist vielleicht die Infektion der fliegenfressenden Formen auf dem Nahrungsweg wahrscheinlicher. Sind sie dagegen ebenfalls Spirochäten-Träger, so gewinnt, wenn sie ebenfalls Eeto- parasiten haben, die Wahrscheinlichkeit, daß auch die nordischen Formen auf diesem Wege infiziert wurden. Eine sehr interessante Sonderstellung in solcher Frage nehmen die blutsaugenden Formen, z. B, Vampyrus oder Desmodus, ein. Nur im Lande selbst kann untersucht werden, ob diese Formen unter Umständen Spirochäten durch Saugen am schlafenden Menschen aufnehmen oder sich gar damit infizieren können. Wahrscheinlich besteht diese Möglichkeit speziell für die Pallida-Spirochäte nicht, zumal diese nur aus- nahmsweise im Blute selbst überhaupt vorkommt. Für Recurrens-Spiro- chäten wäre eine Uebertragung auf Fledermäuse durch Ecto-Parasiten denkbar. Sicher ist die Erforschung der Säugetier-Spirochäten auch auf die Mit- wirkung von Säugetier-Zoologen angewiesen und stellt ein noch in keiner Weise genügend bearbeitetes Gebiet dar. Ein Literaturverzeichnis erübrigt sich an dieser Stelle, zumal es bei der Verschiedenheit der Disciplinen, denen die Quellen der behandelten Probleme entstammen, sehr umfangreich sein müßte. Eine kurze Auswahl würde lediglich einen Torso entstehen lassen. Es sei daher nur verwiesen auf den Aufsatz, Über die Möglichkeit einer Herkunft der Spirochäte pallida von neuweltlichen Tylopoden*, Zool. Anz. 69, 1926, p. 72, mit 31 Literaturnachweisen, darunter mehreren Arbeiten, die ihrerseits wieder Ver- zeichnisse (zus. ca. 600 Nummern) enthalten. BERN A ce Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 55 2.) Autoreferate einiger italienischen Arbeiten. Von O. pE BEAUx (Genua). A. II francobollo che insegna. Repubblica di Liberia. Serie 1921. (Riv.. Filatel. Italia, Genova, 14, p. 243—246, 1927). Dieser Artikel ist eine zoologisch-kritische Durchsicht liberianischer Briefmarken. An Säugetieren werden der Elefant, der Bongo und der Leopard behandelt. B. Brevi considerazioni sull’ Apodemus Abruzzese-Molisano. Boll. Mus. Zool. Anat. Comp. Genova, 7, p. 1—3, 1927. An der Hand hinreichenden Materials und auf Grund der in Atti Soc, Lig. Scienze Lettere, 5, 1925, p. 292—306; 6, 1926, p. 52--65 ver- öffentlichten Arbeit wird der bei einigen entstandene Zweifel gelöst, ob die Abruzzische Waldmaus tatsachlich zur Unterart A. s. dichrurus RAF. ge- rechnet werden dürfe, und zwar in positivem Sinne. Im Anschluß hieran wird betont, daß die Unterscheidungsmöglichkeit von Lokalformen der Waldmaus abhängig sei von der Ausdehnung und Ursprünglichkeit, bezw. von der Einengung und Intensiv-Kultur der Wälder, von dem Überflusse oder der Kargheit der Feldproduktion, sowie von der kürzeren oder längeren Dauer des Winters. Günstigste Bedingungen ergeben große und intensiv gefärbte Formen; aus der Kombination günstiger und ungünstiger Bedin- gungen können sich eine Reihe in der Zeit schwankender Lokalformen er- geben. Höhenlage und Tiefenlage an und für sich haben auf die Bildung von Lokalformen keinen Einfluß. C. Brevi considerazioni sui Ghepardi (Acinonyx) africani. (Boll. Mus. Zool. Anat. Comp. Genova, 7, pg. 1-5, 1927.) Der Vergleich eines aus Bir Scegga in der Cyrenaika zwischen Tobruk und der Oase von Giarabub stammenden frischen Felles und Schädels mit der WAGNERschen Beschreibung des Geparden (1841), gibt V., der sich der HOLLISTERschen Ansicht anschließt, daß der Artname Jubatus SCHREBER sich auf afrikanische Tiere beziehe, Anlaß, den Namen gutiatus HERMANN für die nordafrikanische Unterart anzunehmen. Weitere Vergleiche mit erythräischen Exemplaren rücken die augen- scheinlichen Unterschiede zwischen nordafrikanischen und erythräischen Ge- parden ins rechte Licht. Dahingegen scheint der erythräische Gepard mit dem ostafrikanischen im wesentlichen identisch zu sein, für welchen wahr- scheinlich nur der eine Unterartname A. 7. ngorongorensis HILZHEIMER 56 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Existenzberechtigung hat. Da Verf. einerseits eine Unterscheidungsmög- lichkeit saharanische Lokalformen eines so hoch spezialisierten Tieres nicht recht annehmen kann, und andererseits die Artberechtigung des neuerdings beschriebenen Acınonyx rec POCOCK für nicht sehr wahrscheinlich hält, so lange es nicht erwiesen ist, dab in dessen engerer Heimat neben rex kein Gepard vom gewohnten Farben- und Fleckentypus koexistiert, neigt er zur Annahme, daß sämtliche afıikanischen Geparden sich auf folgende. drei Unterarten zurückführen lassen: A. 7. jubatus SCHREBER, Südafrika; A. 7. ngorongorensis HILZHEIMER, eigentliches Ostafrika, Abessinien, Erythräa; A. 3. guttatus HERMANN, Nordafrikanisches Wüstengebiet. Zur besseren Verständlichkeit seiner Ansicht über A. rex erinnert Verf. hier noch an die Koexistenz des längsgestreiften „nebelparderähnlichen“ Typus neben dem quergestreiften Wildkatzentypus bei Hauskatzen in Städten, wo diese Tiere sehr zahlreich sind, oft keinen Herrn haben, und nicht dem leisesten Züchtungsversuche seitens des Menschen unterworfen sind. A. rex weist Alleinherrschaft des Schwarz in Längsketten auf, wie A. lanea SCLATER völligen Schwund des Schwarz aus der normalen Fleckung oder, vielleicht richtiger, völligen Schwund der normalen schwarzen Fleckung zeigte, da es nicht ausgeschlossen ist, daß die stehengebliebenen hellbraunen Flecke den bei normal gefärbten Geparden ebenfalls existierenden hellbraunen, wenig auffallenden Flecken entsprachen. D. La ricomparsa del cinghiale nell’Italia settentrionale-occidentale. (Memorie Soc. It. Sc. Nat. Milano, 9, p. 2655—324, tab. 1—7, 1927.) Der Anlaß zu dieser Arbeit, die mit der sehr dankenswerten statisti- schen und finanziellen Beihilfe von ENRICO FESTA verfaßt wurde, war das Wiedererscheinen des Wildschweines im nordwestlichen Italien, wo es vor einem Jahrhundert ausgerottett worden war. Der Weltkrieg brachte in Frankreich eine merkliche Vermehrung des Wildschweines, die im Südosten besonders stark war; die scharfe Verfolgung nach dem Waffen- stillstande veranlaßte dieses Tier, auch nach Italien zu flüchten, wo es sich an vielen mit Kastanien oder Haselnuß bestandenen Orten festgesetzt hat, sich vermehrt, weiter ausbreitet und Zunahme seiner Körpermaße zeigt. Es handelt sich zweifelsohne im wesentlichen um das typische Wild- schwein Sus scrofa scrofa L., was am besten aus dem Vergleiche mit deutschen Wildschweinen einerseits und mit dem mittelitalienischen Wild- schweine andererseits erhellt. Letzteres hat F. MAJOR schon 1885 vom deutschen unterschieden. Genanntem Forscher zu Ehren wird es nun ©. scrofa majori, de B.-FESTA benannt; als Lectotypus wird der von MAJOR be- nutzte Schädel eines d ad. aus Monte Pescali in den toskanischen Maremmen (Kgl. Geol. Museum in Florenz) festgelegt. O. DE BEAUX, Autoreferate einiger italienischen Arbeiten, 57 Nach genauerer Durchsicht des bisher erreichbaren Materials vom ita- lienischen 8. ser. scrofa, geht V. auf das vielumstrittene sardinische Wild- schwein über. Nach kurzer kritischer Durchsicht der Literatur, aus welcher nur die eine Tatsache erhellt, daß Sus sardous STROBEL Synonym von Sus meridionalis MAJOR ist, legt sich V. folgende Fragen vor: 1.) Gehört das sardinische Wildschwein zu scrofa, zu vittatus oder zu beiden; 2.) Führt es Hausschweinblut? Zu 1) werden, unter Berücksichtigung der SCHRÖTERSchen Arbeit in Zool. Jahrb. Syst. 46, 1922, p. 303—366, einige Schädel neugeborener, junger und erwachsener Wildschweine männlichen und weiblichen Geschlechts aus der vittatus-Gruppe (vitiatus, papuensis) mit ebensolchen aus der scrofa- Gruppe verglichen, und an der Hand der direkten Anschauung, der Um- rechnung von bestimmten Maßen und der graphischen Darstellung gezeigt, daß die beiderseitigen Terminalformen im Neugeborenen bereits durchaus praefixiert sind, daß man also bei viftatus absolut nicht von einer Retention jugendlicher Charaktere gegenüber scrofa sprechen könne, daß vittatus viel- mehr eine Supplementarphase in der postembryonalen Schädelmetamorphose durchlaufe, und jede der beiden Gruppen allenfalls ihren eigenen „Modus erescendi“ besitze und befolge. Für diesen „Modus crescendi“ wird ein zusammenfassender Ausdruck in der Form der vorderen Wurzel des Jochbogens gefunden, zu welcher, mechanisch gedacht, das Tränenbein als Stückteil gehört. Es werden am suinen Jochbogen unterschieden a) eine Einwirkungszone des Temporal- muskels, die etwa der hinteren Wurzel entspricht, und b) eine masseterine Einwirkungszone, die dem sogenannten Körper und der vorderen Wurzel von Jochbogen 4 Lacrymale entspricht. Die augenfälligen Veränderungen, die zwischen Neugeborenem und Erwachsenem aller erhältlichen Gattungen (Sus, Choiropotamus, Phacochoerus, Babirussa, Dicotyles) am Körper, an der hinteren Wurzel und an der vorderen Wurzel bestehen, werden festgelegt, ferner wird die Richtung der Suturae und Cristae des gesamten Jochbogens einer kritischen Betrachtung unter dem Gesichtspunkte der direkten Muskel- einwirkung und der Kautätigkeit unterzogen, woraus sich die Möglichkeit einer theoretischen Konstruktion des suinen Lacrymale ergibt und die Notwendigkeit der Reduktion des Gesichtsteiles dieses Knochens bei Dicotyles erhellt. Hiermit ist aber auch erwiesen, daß das Lacrymale seinen diagnostischen Wert nur als Teil der vorderen Wurzel des Jochbogens bei- behält, daß es aber an und für sich weder ein sonderlich konservatives, noch gar ein plasmierendes Element darstellt, sondern nur einen schätzens- werten Teil des von der vorderen Wurzel des Jochbogens gegebenen, hin- länglich empfindlichen Registrierapparates,. 58 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Von diesem Registrierapparate wird mit Hilfe von sicher festgesetzten Punkten und geraden Verbindungslinien eine flache Figur konstruiert, die Polygonum radicis genannt wird und die, in einfachster und zusammen- fassendster Form, komplizierte und schwer übersichtliche Schädelmerkmale gewissermaßen projiziert, Zunächst werden die Veränderungen des Poly- gsonum radicis vom Neugeborenen zum Erwachsenen bei allen zur Ver- fügung stehenden Gattungen festgelegt, erst unter stillschweigender Ein- schließung, dann unter besonderer Berücksichtigung des Laerymale. Schließ- lich wird das Polygonum radieis aller zur engeren Gattung Sus ge- hörigen Formen einer genauen Prüfung unterzogen, aus welcher sich mit der erwünschten Klarheit ergibt, daß S. meridionalis ein echter scrofa ist und mit vitlatus nichts zu tun hat. Der Verfasser fügt dann noch folgende Überlegung bei. Allgemein anerkannt ist die Annahme, daß das © phylogenetisch konservativer sei als das S. Aus der Betrachtung des Schädels von meridionaks und vittatus erhellt aber sofort, daß die beiderseitigen QQ mehr voneinander difierieren als die beiderseitigen SS. Ja es drängt sich bei einem derartigen Ver- gleiche die Überzeugung auf, daß die bestehenden Unterschiede gerade zwischen SC meridionalis und OO vittatus am geringsten werden. Das bedeutet aber erstens, daß meridionahs ein mit primitiv niedrigem und langem Schädel versehenes Schwein ist, wie seine QQ zeigen, bei denen Wölbung des Schädeldaches als Retention eines jugendlichen Charakters in- folge mangelhafter Pneumatisierung stattfindet; zweitens, daß vzttatus hin- gegen ein primitiv mit kurzem und hohem Schädel versehenes Schwein ist, bei dessen QOQ weitgehendste Pneumatisierung stattfindet; drittens, daß bei meridionalis SG Verkürzung und Erhöhung sekundär auftretende Charaktere sind. | Zu 2) geht V. unter besonderer Berücksichtigung der BÄUMLER’schen Ausführungen im Archiv f. Naturgeschichte 1921, A, p. 140—178, von den Einflüssen der Domestikation auf den scrofa-Schädel aus. Auf der Grund- lage der Korrelation zwischen Form und Funktion, wird zunächst eine Reihe von Überlegungen aufgestellt über die Weachstumsreize durch Berührung, über die Tätigkeit der Muskulatur und über die Quantität und Qualität des Futters, die auf die Schädelumgestaltung einwirken müssen: hierbei werden autogene Korrelationen, die zwischen Terminalform und Wühltätigkeit bestehen, und allogene Korrelationen, die sich infolge mangelhafter oder ausfallender Muskeltonifizierung einstellen, unterschieden. Hierbei ergibt sich, daß die Einwirkung der Domestikation mit der Retention jugendlicher Charaktere substantiell nichts zu tun hat. Zu dem die Verlängerung und richtige Orientierung des Schädels retardierenden Momente (Ausfall O0. DE BEAUX, Autoreferate einiger italienischer Arbeiten, 59 äußerer Reize, denen zu reagieren der Schädel praedestiniert war), addieren sich vielmehr die Übertreibung der Breiten- und Höhenmaße dimen- sioneller Interdependenz, sowie die Deformation erblicher, dem Er- wachsenen eigener Charaktere, infolge Muskelzuges und Muskeldruckes. Mit diesen Urteilselementen ausgerüstet, geht V. auf die Behandlung des Schädels des sardinischen Hausschweines über und stellt dessen große Wildschweinähnlichkeit fest. Dann wird der Schädel von 8. ser. meridio- nalıs einem eingehenden Vergleiche mit echten wilden 8. scrofa unterzogen und dabei ausgemacht, daß sich im ersteren stets mehr oder minder deutliche und oft ganz erhebliche Domestikations-Reminiszenzen feststellen lassen. Das sardinische Wildschwein führt also offenbar Haus- schweinblut. Um die Qualität und Quantität des letzteren womöglich zu ermitteln, wird zunächst auf die Betrachtung der äußeren Form des sardinischen Haus- schweines übergegangen, unter Vergleich mit dem indischen Hausschwein, und hierdurch des weiteren die große scrofa-Ähnlichkeit des sardinischen Hausschweines dokumentiert. Dann werden die Möglichkeiten wechselseitiger Befruchtung zwischen sardinischem Haus- und Wildschwein erörtert. Schließ- lich wird auf Grund der Negativität paläontologischer Befunde, der wohl nie ganz zu behebenden Unzulänglichkeit positiver morphologischer Befunde, der Bedeutungslosigkeit der Farbenanordnung im Jugendkleide, des Parallelis- mus zwischen Wild- und Hausschwein auf Sardinien einerseits und auf Korsika andererseits, der Bedeutung der besonders harten und unablässigen Verfolgungen ausgesetzten Lebensweise des sardinischen Wildschweines, die einem Beweise nahekommende Vermutung aufgestellt, daß das sardinische Wildschwein ein gut verwildertes, aber in gelegentlicher Wechseleinwirkung mit seiner Mutterform stehendes Hausschwein sei. Schlußfolgerungen sind also folgende: Seit 1919 existiert wieder ın Nordwestitalien das typische, mitteleuropäische Wildschwein (8. ser. scrofa L.). Das maremmanische Wildschwein differiert wegen leichter äußerlicher und kraniologischer Charaktere vom typischen Wildschwein und heißt fortan S. scr. majori DE B.-FEsSTA. Das sardinische Wildschwein behält den Namen 9. scrofa meridionalis MAJOR bei; es ist höchstwahrscheinlich ein verwildertes Hausschwein und erhält vom letzteren seine gelegentlichen An- klänge an vitiatus. Das Wildschwein Korsikas kann bis auf weiteres den Namen S. ser. meridionalis MAJOR beibehalten. Über andere italienische Wildschweine ist zurzeit nichts Bestimmtes zu sagen. Die jagdgesetzliche waidgerechte Behandlung des Schwarzwildes in Italien wird anf das aller- wärmste empfohlen. 60 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 3.) Über den Begattungsakt des Bibers. Von A. MERTENS (Magdeburg). Mit 2 Abbildungen. Wie bekannt, münden beim männlichen wie beim weiblichen Biber die Geschlechtsorgane in einer vor der Schwanzwurzel wallartig vorgezogenen Kloake. Mir ist es immer rätselhaft gewesen, wie unter diesen Umständen die Begattung stattfinden kann. Obwohl ich doch bereits fast 40 Jahre lang die Tiere beobachte, ist mir eine Feststellung noch nicht gelungen. Auch in der Literatur ist darüber nichts zu finden. Abbildung 1. Ansicht von oben. Vor längeren Jahren erzählte mir der alte Revierförster BACKE, der damals in Friedrichsbrunn, Ostharz, später in Wendisch-Lobbese, Oberförsterei - Schweinitz, lebte, daß er bei Ronney gegenüber von Barby gesehen habe, wie auf dem Lande ein Paar Biber sich auf die Hinterfüße erhob, Bauch an Bauch preßte und dabei schwingende Körperbewegungen machte. Er nahm an, daß dabei der Begattungsakt vollzogen wurde. Der Kunstmaler E. ZEHLE, Berlin, ein eifriger Biberbeobachter, berichtete mir dann später, daß er im Berliner Zoologischen Garten in der Dämmerung bemerkte, wie ein Biber sich seitwärts an den ruhig weiter schwimmenden Genossen mit den Füßen anklammerte und mit dem Ende des Rückens pumpende Bewegungen machte. Er ist überzeugt, daß es sich dabei ebenfalls um einen Begattungsakt oder doch einen Versuch dazu gehandelt hat, der dann also im Wasser erfolgt wäre. A. MERTENS, Uber den Begattungsakt des Bibers. 61 Nunmehr liegt eine einwandfreie Beobachtung des Försters SALECK in Lödderitz vor, der die Angabe von ZEHLE bestätigt. Er berichtet darüber Abbildung 2. Ansicht von der Seite. folgendes: „Am 15. Mai 1927, früh 3°° sah ich oberhalb des Goldberger Sees an dem Zulaufgraben vom Schmiedesee (beide Seen sind von Bibern bewohnt) zwei Biber, einen starken und einen bedeutend schwächeren, sitzen. Ich war in einer Entfernung von etwa 40 Schritt, verhielt mich nun ganz still und beobachtete die Tiere mit dem Glase. Etwa 10 Minuten später ging der schwächere Biber ins Wasser, kam aber nach 2 Minuten wieder heraus. Darauf gingen beide Tiere zusammen ins Wasser. Sie klammerten sich etwas seitlich auf dem Wasser liegend aneinander, so daß sie mit der Brust und der Kloake aneinander gepreßt waren. Die Kellen beider Tiere wurden nun schlagend bewegt. Der Vorgang dauerte etwa 2 Minuten. Dann kamen beide wieder an Land. Nach etwa !/, Stunde wurde derselbe Akt wieder- holt und dann schwammen beide Tiere in den See zurück. Danach scheint die Begattung also im Wasser vor sich zu gehen, was bei der eigenartigen Lage der Geschlechtsorgane wohl auch das Gewiesenere ist. Auffällig ist der späte Zeitpunkt der Paarung. Im Mai habe ich in der Regel bereits die jungen Biber im Wasser gesehen. Jetzt aber hörte ‘ ich, daß der Sohn des Forstmeisters ENGELHARD in Lödderitz im Schmiede- see Ende Juli zwei noch ganz kleine Biber beobachtet hat, die aber nicht die Nachkommen der oben gemeldeten sein sollen. Es scheint daher, als ob die Begattungszeit sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, wie etwa auch beim Fischotter. | 62 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 4.) Beiträge zum Begattungsakt des Bibers. Von INGO KRUMBIEGEL (Leipzig). Im Anschluß an den vorstehenden Artikel und durch dessen Verlesung in der Novembersitzung der Gesellschaft veranlaßt, gebe ich im folgenden einige Stellen aus der Literatur wieder, die einen Beitrag zur Biologie unseres immer seltener werdenden Wassersäugers liefern sollen. Ausnahmslos stimmen sie darin über- ein, daß der Coitus bei der Gattung (astor ganz anders als bei allen übrigen Nagetieren und der Mehrzahl der Säugetiere überhaupt verlaufen müsse. Be- sonders wichtig ist, daß dieser Vorgang von Augenzeugen unabhängig vonein- ander beobachtet und geschildert ist. Einen indirekten Beweis fand W-Y-N (1). „Daß die Biber Brust gegen Brust koitieren, wie es bei ihrem Körperbau fast nicht anders möglich ist, und wie es von EYMOUTH und von EXINGER beschrieben wird, habe ich zwar nicht direkt beobachtet, jedoch durch einen interessanten Indizienbeweis bestätigt gefunden, und zwar auf folgende Weise: Mein Freund W. schoß mit der Kugel auf einen Biber, der auf einem der vor- her geschilderten Flöße lag, und bat mich, da er daran verhindert war, Nach- suche zu halten. Ich konstatierte durch Schnitthaare und ein Klümpchen Fett, das an dem Floß klebte, und aus der Flugbahn der Kugel, die sich an den dünnen Weidenzweigen zwischen dem Floß und dem Ufer abzeichnete, daß der Biber einen Streifschuß an der Brust erhalten haben müsse. Andern Tages schoß ich an derselben Stelle ein starkes Biberweibchen, und dieses hatte mitten auf der Brust einen stark ausgewässerten Fettklumpen im Fell sitzen, während es von mir einen Blattschuß erhalten hatte. Das Männchen hatte also zweifelsohne trotz der Verwundung gebrunstet und das Fett seiner Wunde in das Fell des Weibchens hineingedrückt“. Der Versuch, den Verfasser des Aufsatzes zu ermitteln, blieb leider erfolglos. Eine ausführliche Schilderung der Anatomie des Bibers gab 1782 GOTT- WALDT (2) ohne auf den Coitus Bezug zu nehmen. Auf seine anatomischen Feststellungen weist 1806 ANDREAS CONRADUS BONN hin (pag. 44/45). (3) „Wie freilich der Biber den Coitus ausführt, ist nicht so ohne weiteres ersicht- lich, da er doch im Gegensatz zu anderen Tieren an das Weibchen nicht von hinten her herankommen kann („femellam a posteriori inscendere nequeat“). Außer- dem muß der Schwanz des weiblichen Tieres durch seine Breite einem Aufsteigen des Männchens von hinten her hinderlich sein, und die Begattung unmöglich machen. Daher erscheint es von vornherein wahrscheinlich, daß die Vereinigung so vollzogen wird, daß Männchen und Weibchen mit gegeneinander gepreßten Bauchseiten coitieren. „verosimilis admodum a priori jam videtur conjectura, Castorem marem et femellam, abdominibus ad se invicem applieatis, coire“).... Diese Ansicht wird stark gestützt durch SARRASIN (5\, der anführt, daß zwei Biber, ein Männchen und ein Weibchen, bei solcher Vereinigung mit einem ein- zigen Schusse vom Jäger zur Strecke gebracht wurden... Ferner pflichtet dem HELLWING (4) bei, der angibt, daß Männchen und Weibchen, Schwänze und Hinterbeine rückwärts von sich streckend, im Wasser zu coitieren pflegen. („caudis et pedibus posterioribus deorsum erectis insistentes in aqua coitum facere tradit“).* Schließlich ist nach einer längeren Besprechung des Castoreums, seiner INGO KRUMBIEGEL, Beiträge zum Begattungsakt des Bibers. 63 chemischen Natur, medizinischen Verwertbarkeit usw. auf p. 58 noch davon die Rede, daß dieser Stoff bei der Begattung wichtig sei: „Die Menge dieser Substanz scheint größer als bei den meisten anderen Tieren zu sein; dies ist jedenfalls sehr zweckmäßig, da nämlich die Biber halb aus dem Wasser hervorragend in diesem selbst zu coitieren pflegen, („ ... neque haec res ratione caret, forte enim causa latet in eo, quod Castores suberecti in ipsa aqua coitum peragant.,.“) Dies bestätigen alle Autoren, die sich mit der Lebensweise des Bibers näher befaßt haben“. Eine dankbare Aufgabe wird die Durchsicht der englischen Literatur nack Angaben über den kanadischen Biber, bei dem die Verhältnisse natürlich ganz die gleichen sein werden, darstellen. Wenn wir in Betracht ziehen, wie viele Zufälle zusammenkommen müssen, damit der Coitus eines nächtlich lebenden Wassertieres zur Beobachtung kommt, und wie gering die Zahl der noch lebenden Exemplare ist, dann sehen wir, daß die Wahrscheinlichkeit, der Coitus des Bibers könnte überhaupt in unseren Tagen noch einmal gesehen werden, außerordentlich gering ist. Von umso größerem Werte muß es sein, alle Angaben zu sammeln, Literatur. 1. W-Y-N, Beobachtungen über die Lebensweise des Bibers. — Kosmos, Handweiser für Naturfreunde, Stuttgart. 6. 1909, p. 70. 2. GOTTWALDT, CHRISTOPH, Physikalisch-anatomische Bemerkungen über den Biber. Mit 7 Kupfertafeln. Nürnberg, Nicolaus Raspe, 1782. 3. ANDREAS CONRADUS BONN, Anatome Castoris, atque Chemica Castorei Ana- lysis, eiusque in Medicina usus. Academie Lugduno-Batava. Apud Haak et socios. MDCOCCVI. 4. G. A. HELWINGS et J. A. KULMUS. Sectiones Anatomicae Castoris et Castorei. Acta Breslaviensia, Suppl. I, p. 96 Artic. 9 et p. 101. 5. Medicin du roi en Canada, Lettre touchant l’Anatomie du Castor: Traite du Castor par JEAN MARIUS, augments par JEAN FRANCUS, traduit par M. Eidous, Paris 1746, fol. 48. Eadem Epistola Sarrasini invenitur et in Memoires de l’Academie Royale des Sciences, 1704, fol. 48. IV. Originalarbeiten. 1.) Exotypus-Studien an Säugetieren I. Zur Definition der systematischen Kategorie Aberration oder Exotypus. Von ADOLF REMANR (Kiel). Mit 2 Abbildungen. In der Säugetiersystematik steht wie in allen den Zweigen der Systematik, in denen Neuauffindung von Arten zu den Seltenheiten gehört, die geographische Rasse im Mittelpunkt des Interesses. Eine andere, neben dieser stehende Unterkategorie des Artbegriffes (Aber- ration oder Exotypus), wurde lange Zeit nur wenig beachtet, hatte nur Raritätenwert oder wurde wegen der oft abweichenden Gestaltung ihrer Individuen als diagnosenstörende Unbequemlichkeit empfunden. Noch ELLIOT schreibt von den vielen Farbaberrationen des Gibbons, daß sie „not worthy of any serious scientific consideration“ seien. Die Mutationstheorie von de VRIES, nach der gerade diese Kate- gorie der oifensichtlichste Zeuge der Artumwandlung sein sollte und die auffallende Übereinstimmung, die die Vererbungsforschung zwischen ihren Mutationen und den Aberrationen der Systematiker aufzeigte, brachten die Wandlung und heute erscheint uns der eben zitierte Aus- spruch ELLIOT’s unbegreiflich. Ich habe die Absicht, eine Reihe spezieller Exotypenstudien an Säugetieren zu veröffentlichen, in ähnlicher Weise wie es E. STRESE- MANN in seinen Mutationsstudien an Vögeln getan hat. Zuvor möchte ich aber versuchen, die Kategorie der Aberration oder des Exotypus begrifflich möglichst klar zu definieren und die Methoden der Unter- suchung darzulegen. Zieht man die Literatur für diese Frage zu Rate, so findet man ein Chaos von Meinungen. Dafür einige Beispiele. A. SEMENOV-TIAN-SHANSKY (1910), dessen System der Unterkategorien K va ADOLF REMANE, Exotypus-Studien an Säugetieren I. 65 der Art von einer großen Zahl von Entomologen als-maßgebend betrachtet wird, gibt folgende: „objektiven Kriterien“ der Aberration. 1 Die Anwesenheit eines oder mehrerer unwesentlicher (meist die Färbung, seltener die Sculptur betreffender) Kennzeichen, zuweilen aber auch äußerst scharf ausgeprägter Struktur-Merkmale, welche bei den verschiedenen Individuen sogar aus der Nachkommenschaft eines Weibchens ungleich entwickelt sind; folglich tritt bei den einzelnen Individuen und ganzen Reihen von Generationen die völlige Unbeständigkeit dieser Merkmale zu Tage. 2. Das Fehlen einer direkten Erblichkeit in dem Auftreten dieser Kenn- zeichen unter natürlichen Bedingungen, wobei solche Eigentümlichkeiten oft durch zufällige Einwirkungen auf einen Teil oder auf vereinzelte Individuen der gegebenen Nachkommenschaft während der verschiedenen Entwicklungsstadien (wie bei den Insekten das Ei, die Larve und die Nymphe) bedingt werden. 3 Die Unabhängigkeit oder die schwache Abhängigkeit derselben von den geographischen Bedingungen, da sich die Aberrationen zu derselben Zeit und an demselben Ort wie die typische Form der Art, Rasse oder Morphe beobachten lassen, Also SEMENOVY versteht „unwesentliche (!!)“ nicht erbliche, und nicht geo- graphische Abweichungen unter Aberrationen, führt aber seltsamerweise Beispiele an, die fast ausschließlich nicht in seine Definition zu passen scheinen. FEDERLEY dagegen sieht als Aberrationen überaus seltene Genkombina- tionen an, also erbliche Formen! | KLEINSCHMIDT (1926) schließlich stellt die Aberration als engere Unter- kategorie zur Spielart. Er schreibt: „Tritt sie (die Spielart) einzeln oder selten auf und entfernt sie sich gleichsam sprungweise von der häufigeren Spielart, so reden manche von einer Aberration oder einer Mutante*. Unglücklicher- und unnötigerweise kompliziert Kleinschmidt noch durch Einführung von so subjektiven Wertungen wie „Normal“ „Degeneration“ in die Systematik die Sach- lage. „Wenn man solche Fehlbildungen (albinistische Raben auf den Faröern und melanistische Mönchsgrasmücken auf Madeira!!) als Aberrationen bezeichnet, darf das Wort Aberration nicht mehr für Normalbildungen gebraucht werden“), KLEINSCHMIDT faßt also seltenes Auftreten, sprungweises Abweichen und Krankhaftigkeit als Merkmale der Aberration auf. Auf Erblichkeit oder Nicht- erblichkeit scheint dieser Autor — im Gegensatz zur Definition der Rasse — kein Gewicht zu legen. Noch komplizierter wird das Bild, wenn man nicht nur die bis- herigen Definitionen der Aberration durchsieht, sondern noch die Kate- gorieen der Mutation, Mutante, Spielart, Singularvariation heranzieht, die mit dem Begriff Aberration ganz oder großenteils synonym sind ?). Vergleicht man aber die vielen Auffassungen, so lassen sich folgende wesentlichen Punkte als Kriterium der Aberration-Exotypus erkennen: 1. Ein Gegensatz zur geographischen Rasse. Die Aberration soll gar nicht oder nur unbedeutend geographisch variieren. 2. Die Aberration soll nur selten und einzeln unter der Stamm- art auftreten. 66 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 3. Die Aberration soll meist deutlich durch eine „morphologische Lücke“ von der Stammart geschieden sein. In der Frage der Nichterblichkeit oder Erblichkeit läßt sich keine überwiegende Ansicht konstatieren; die einen wollen sowohl erbliche wie nichterbliche Abweichungen, andere nur nichterbliche und wieder andere nur erbliche als Aberrationen gelten lassen. Die oben genannten Kriterien enthalten aber noch bedenklich viel Unklares durch Gebrauch solcher Worte wie deutlich, selten, un- bedeutend. Es soll im folgenden versucht werden, ob und in wie weit sich diese Unklarheiten entfernen lassen. | Betrachten wir zunächst den ersten Punkt, das geographische Variieren. Da ergibt sich, daß wohl kein einziges Merkmal, sofern es überhaupt variiert, überall im Verbreitungsgebiet der Art gleich häufig ist. Denken wir an alle die Bildungen, die wir als typische Aberrationen bezeichnen, wie Melanismus, Albinismus, Scheckung, über- “ zählige Zähne, überzählige Knochen: sie alle kommen in gewissen Regionen häufiger, in anderen seltener oder gar nicht vor. Geographische Variabilität kommt also allen variierenden Eigenschaften zu; sehr wechselnd ist aber das Maß der geographischen Variabilität, und auf dieses kommt es hier an. Um es genau bestimmen zu können, müssen wir natürlich versuchen, eine Maßeinheit zu gewinnen. Ich habe hier- für (REMANE 1927) den Differenzwert vorgeschlagen. Man erhält ihn einfach, indem man den höchsten und den niedrigsten prozentualen Häufigkeitswert feststellt, in dem ein Merkmal irgend- wo im Verbreitungsareal der Art auftritt und die Differenz zwischen beiden berechnet. Hierfür einige Beispiele: die als Metopismus be- zeichnete Persistenz der Stirnnaht ist bei dem schwarzweißen Colobus . in Abessinien und im nördlichen Britisch-Ostafrika am häufigsten mit ca. 26°/, in anderen Gegenden fehlt sie vollkommen, somit ergibt sich für die persistierende Stirnnaht dieser COolobus-Art der Wert 26—0 = 26, rotbraune Fellfarbe tritt beim Baumschläfer (Dyromys nitedula PALLAS) in Südrußland bei nahezu allen Individuen auf, also in 100°/,, in den Alpen fehlt sie ganz und wird durch grau ersetzt. Der Differenzwert beträgt also für rotbraune (und auch graue) Fell- farbe bei Dyromys nitedula 100. Albinismus tritt beim Leoparden sehr selten auf und beträgt wohl überall nur den Bruchteil eines Prozents, mithin ist auch sein Differenzwert nahezu O usw. Die Be- rechnung des „Differenzwertes“ erscheint auf den ersten Blick ein- facher als sie es ist. Auf einem Acker bei Marutendorf (bei Kiel) EN an ADOLF REMANE, Exotypus-Studien an Säugetieren I. 67 kommt auf einer viele hundert Quadratmeter großen Fläche eine blaß- violett blühende Varietät von Anagallis arvensis vor. Sie dominiert hier so stark, daß sie auf manchen Flächen allein vorhanden ist, in weiterer Entfernung von diesem Zentrum tritt sie aber immer seltener neben der normal rotblühenden Form auf, bis schließlich diese auf benachbartem Acker, wie gewöhnlich, die allein vorhandene Form ist. Will ich nun die Häufigkeit dieser blaßblühenden Varietät bestimmen, so erhalte ich je nach der Größe des in Betracht gezogenen Areals ganz veıschiedene Werte: wähle ich zum Auszählen lediglich die erwähnte Ackerstrecke allein, so erhalte ich einen sehr hohen Häufigkeitswert, nahe an 100°/,; wähle ich dagegen die ganze Umgegend von Marutendorf, so sinkt der Häufigkeitswert auf höchstens 1°/, und wähle ich ganz Holstein, so dürfte er nur wenig über 0 °/, liegen. Esist klar, daß der Differenz- wert dadurch ganz entsprechenden Schwankungen unterworfen wird. Wir müssen also versuchen, die Methode der Häufigkeitsbestimmung besser zu formulieren. Hierfür gibt es zwei Wege, die wenn auch keineswegs eine exakte, so doch eine brauchbare Grundlage abgeben. Zunächst darf das Areal nicht zu klein gewählt werden, es muß mindestens so groß sein, daß mehrere tausend Individuen der Art in ihm leben; zweitens kann dem erhaltenen Häufigkeitswert erst dann Gültigkeit zuerkannt werden, wenn benachbarte Areale ähnliche Werte zeigen. Diese Formulierungen sind alles andere als exakt und doch sind durch sie brauchbare Ergebnisse möglich. Mit denselben Schwierig- keiten hat ja jede Statistik, die eine regionale Verteilung irgend eines Wertes darstellen will, zu kämpfen; sei es die Darstellung der Be- völkerungsdichte eines Erdteils oder der Häufigkeitsverteilung einer Krankheit in einem Gebiet. Und wer wollte diesen Darstellungen ihren Wert absprechen, weil sich in ihrer Methodik eine kleine nicht zu vermeidende Lücke findet? Um es noch einmal zusammenzufassen: es darf bei der Bestimmung der Häufigkeit etwa von Rothaarigkeit beim Menschen nicht als Aus- sangsareal ein Dorf gewählt werden, sondern ein größerer Bezirk, etwa ein „Kreis“ oder eine „Provinz“ und dem erlangten Wert kann erst dann Gültigkeit beigemessen werden, wenn benachbarte Provinzen ähnliche Werte aufweisen. Eine andere Methode der Feststellung der geographischen Vari- abilität läßt sich aus der Variationsbreite entfernter Populationen ab- leiten. Man wählt hierzu zwei möglichst verschiedene Populationen (d. h. verschieden in bezug auf den zu prüfenden Merkmalskomplex 5*+ ‚68 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. und prüft, wieviel Prozent der Gesamtzahl der untersuchten Individuen in dem gemeinsamen Variationsgebiet stehen. Hat z. B. eine unter- suchte Population von 150 Individuen eine Variationsbreite der Schädel- länge von 72—95 mm, die von ihr am meisten abweichende Population (untersucht gleichfalls 150 Individuen) eine solche von 91—107, und fallen in das gemeinsame Variationsgebiet 91—95 insgesamt fünfzig Individuen, so erhalte ich einen Wert von 50x100: (150-150) — 17; betrugen bei einer anderen Art die Variationsbreiten der entferntesten Populationen 65—80 und 87—100, so erhalten wir gar kein gemein- sames Variationsgebiet, also einen Wert 0. Ich bezeichne dieses Maß als Konvergenzwert. Geringer Konvergenzwert bedeutet also „starke geographische Variabilität“, hoher Konvergenzwert „geringe geogr. Variabilität“. Gegenüber dem Differenzwert hat der Konvergenzwert den Vor- teil, daß er die subjektive Fassung des Begriffes „Merkmal“ weitge- hend ausschaltet. Er läßt die Prüfung des Gesamtmerkmals „Schädel- länge“ zu und nicht nur, wie der Differenzwert, ein bestimmtes Maß (etwa 65—70 usw.) der Schädellänge. Ferner dürfte der Konvergenz- wert von der Arealgröße bei der Bestimmung der Population unab- hängiger sein als der Differenzwert. Dafür ist er aber andererseits von dem doch schwankenden Maß der Variationsbreite abhängig und verwischt einzelne Feinheiten der geographischen Variabilität. So hat z.B. HÄCKER die Variabilität der Zahl der Radialstacheln des Radiolars Tuscaretta tubulosa aus dem Atlantischen Ozean und aus dem Benguela- strom angegeben. Die Variationsbreite beträgt in beiden Populationen 2—5, der Konvergenzwert demnach 100, also das niedrigste Maß der geographischen Variabilität. Berechne ich aber für das Merkmal Stachel- zahl 3 den Differenzwert, so ergibt sich, da dieses Merkmal im At- lantischen Ozean in 52°/,, im Benguelastrom in 40°/, auftritt, immer- hin ein Differenzwert von 12°). Im allgemeinen wird sich für alter- native und diskrete Varianten der Differenzwert, für fluktuierende der Konvergenzwert besser eignen. Die Unterschiede zwischen beiden sind so bedeutungslos, dab sie für die folgenden Erörterungen keine Rolle spielen. Ich spreche daher nur noch vom Differenzwert. Welche Bedeutung besitzt nun der Differenzwert, dieses Maß der geographischen Variabilität, für die Begriffsbestimmung der Aberration- Exotypus? Haben wir für eine größere Anzahl Merkmale einer Art den Differenzwert ungefähr bestimmt und stellen die Häufigkeit der einzelnen Ditierenzwerte graphisch dar, dann erhalten wir — soweit nur ung ) nein ADOLF REMANE, Exotypus-Studien an Säugetieren I. 69 sich aus den bisherigen Angaben entnehmen läßt — etwa die in Abb. 1 dargestellte Kurve. Hierbei sind die verschiedenen Differenzwerte auf der Abzisse und die Zahl der Merkmale auf der Ordinate einge- tragen. Diese Kurve zeigt auf das Klarste, daß Merkmale mit niedrigem und sehr hohem Differenzwert sehr häufig, Merkmale mit mittlerem Differenzwert selten sind. Dadurch erhält die Kurve zwei Gipfel, einen nahe 0 und den anderen bei hundert und ein Tal um 50 herum. Diese Tatsache gestattet erst, die Merkmale nach dem Grad der geo- graphischen Variabilität in schwach und stark geogr. variierende zu o oo 20 Jo so so co ) 80 9 ‚00 Abbildung 1. Häufigkeitskurve der Differenzwerte (auf der Abzisse eingetragen) einer Art. Die Ordinate bedeutet die Zahl der Merkmale. (Schema). sondern, und sofort erkennt man, daß die geographischen Rassen *) durch einen hohen Differenzwert charakterisiert sind, da das wesent- lichste Kriterium der geographischen Rasse: Vorherrschen in einem Gebiet, Fehlen in einem anderen, einen hohen Differenzwert bedingt. Die Aberrationen (Exotypen) besitzen in weitaus der Mehrzahl der Fälle einen niedrigen Differenzwert. Wie aber die Kurve auf Abb.1 zeigt, sind die beiden Merkmalsgruppen mit niedrigem und mit hohem Differenzwert — wenigstens bei vielen Arten — nicht vollkommen scharf getrennt, sondern zeigen ein Übergangsgebiet. Wie soll nun in diesem die Grenzziehung zwischen beiden Gruppen, also in diesem Falle zwischen Aberration (Exotypus) und geographischer Rasse (Geo- 70 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. typus) erfolgen? Soll einfach der Differenzwert 50 als Grenze etab- liert werden, unter 50 — Aberration (Exotypus), über 50 = geogr. Rasse? Dagegen erheben sich manche Bedenken; zunächst läßt sich rein technisch die Bestimmung des Differenzwertes nur bis zu einem gewissen Maße objektiv durchführen, es kann also bei manchen zweifelhaften Fällen je nach der Wahl der Arealgröße etwa ein Wert von 48 oder von 53 herauskommen, also bald eine Aberration, bald eine geographische Rasse’). Ferner ist bekannt, daß die Häufigkeit von Aberrationen in einzelnen Jahren oder in größeren Zeiträumen Schwankungen unterworfen ist (vergl. den Melanismus der Schmetter- linge), und so könnte es kommen, daß man eine Varietät in manchen Jahren als Aberration (Exotypus), in anderen als geographische Rasse klassifizieren müßte. Schließlich sind ja die meisten Aberrationen nicht auf eine Art beschränkt, sondern kommen in homologer Art und Weise bei zahlreichen Arten vor. (Melanismus, Albinismus, Scheckung, Metopismus etc.) Nun kommt es vor, daß zweifellos homologe Varietäten bei einer Art einen ganz niedrigen, bei einer anderen einen hohen Differenzwert aufweisen. So ist z. B. Metopismus bei dem schwarz- weißen Colobus wie bei der Mehrzahl der Primaten überall selten, und besitzt einen sehr niedrigen Differenzwert. Bei dem nahen ver- wandten Piliocolobus aber ist Metopismus bei der Rasse Airkö von Sansibar häufig (über 70°/,), dagegen auf dem Festland selten (nur wenige Prozent), so daß der Differenzwert ca. 70 beträgt. Sollen wir hier den Metopismus bei Colobus als Aberration, bei Piliocolobus aber als geographisches Rassenmerkmal bezeichnen? Manche Autoren be- jahen es, ja ©. WETTSTEIN geht sogar so weit, ein und dieselbe Varietät bei ein und derselben Art einmal als geographische Rasse (sobald sie in einer Gegend eine geschlossene Population bildet), ein andermal aber als Aberration zu bezeichnen (sobald sie nur vereinzelt unter einer anderen Form lebt). Beispiel: Lacerta fiumana imitans auf der Insel Solta, L. f. var. imitans auf dem dalmatinischen Festland. Das ist aber ein ganz künstliches Verfahren und das Resultat eben ein künstliches System der Kategorien und nicht das gesuchte natürliche, können ja dadurch vollkommen identische Individuen in verschiedene Unterkategorien der Art zu stehen kommen! Betrachten wir vielmehr die in Abb. 1 dargestellte Kurve genauer und stehen wir auf dem Standpunkt, daß die beiden Gipfel der Kurve, der rechte und der linke, zwei wesensverschiedenen Unterkategorien der Art ent- sprechen, so ist es wahrscheinlich, daß das Ineinanderübergehen der ADOLF REMANE, Exotypus-Studien an Säugetieren I. 7! beiden Gipfel durch Überschneiden einer vom linken und einer vom rechten Gipfel ausgehenden Linie entstanden ist. Es wäre dann die eine zweigipfelige Kurve — wie es ja oft der Fall ist — durch Überschneidung zweier eingipfeliger Kurven entstanden. Nehmen wir dies an, so ist eine Grenzsetzung beim Differenzwert 50 ganz unnatür- lich, wie es ja die vorhin angeführten Tatsachen auch zeigen. Dem- nach steht zu erwarten, daß es auch Merkmale gibt, die einen Differenz- wert über 50 besitzen und doch ihrem Wesen nach zu dem linken Gipfel, in unserem Falle also zur Aberration gehören. Um diese Fälle zu erkennen, müssen wir uns nach Hilfs- mitteln in Gestalt von anderen durchschnittlichen Unterschieden zwischen Aberrationen und geographischen Rassen umsehen. Diese findet man leicht. Oben wurde ja schon erwähnt, daß homologe Aberrationen meist bei zahlreichen nahe verwandten Arten auftreten. Vergleicht man nun ein in seiner Beurteilung zweifelhaftes Merkmal mit dem homologen verwandter Arten, und findet, daß es bei diesen stets wie eine echte Aberration einen ganz niedrigen Differenzwert aufweist, so kann in dem zweifelhaften Falle die Entscheidung für Aberration getroffen werden. Weiterhin hatte ich (1927) darauf hingewiesen, daß im Varia- bilitätsgebiet zwischen geographischen Rassen und Aberrationen manche Unterschiede bestehen. Während die geographischen Rassen ‚sich im wesentlichen in quantitativ abgestuften Merkmalen von- einander unterscheiden, wie Größe, Intensität der Farbe, finden sich zwischen Aberration und Stammart oft auch qualitative Unterschiede z.B. überzählige Nähte, Zähne, Glieder, Fehlen einer ganzen Pigment- art usw. Schließlich möchte ich noch auf ein Merkmal hinweisen, das Aberrationen, die in einem Gebiet zur Vorherrschaft gelangt sind, von einer geographischen Rasse meist scheidet. Die geographischen Rassen gehen bekanntlich — sofern nicht scharfe geographische Schranken der Gegenwart oder jüngsten Gegenwart scharfe Grenzen hervorrufen — ganz allmählich ineinander über. Es schaltet sich also z. B. zwischen das Areal einer hellen und einer dunklen Rasse ein Gebiet ein, dessen Populationen eine mittlere graue Farbe auf- weisen. Bei Aberrationen ist der Übergang meist anders; hier finden sich keine Übergangspopulationen, sondern nur Mischpopulationen, in denen gemischt z. B. helle und dunkle Tiere auftreten. Soweit sich dieses durch eine Schwarzweißzeichnung darstellen läßt, gibt die Abb. 2 7 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. von diesen Verhältnissen eine schematische Darstellung. Es hängt dies z. T. mit Unterschieden im Vererbungsmodus zusammen, auf die ich hier aber nicht näher eingehen will. a. 1% Abbildung 2. a) Übergangsareal zwischen zwei geographischen Rassen. b) Übergangsareal zwischen einer in einer Gegend do- minierenden Aberration und der Hauptform. Schema. Alle die oben angeführten Unterschiede zwischen Aberration und geographischer Rasse sind, das betone ich ausdrücklich, nur durch- schnittlich und nicht absolut. Wie sie aber zur Klärung zweifel- hafter Fälle beitragen können, erläutere ich am besten wieder am Beispiel des Metopismus von Piliocolobus kirki. Das Maß der geo- graphischen Variabilität ließ uns hier im Stich, gleichwohl kann er nunmehr als Aberrationsmerkmal bestimmt werden, 1. weil das ho- mologe Merkmal bei verwandten Arten (allen Affen einschl. Mensch) stets einen ganz niedrigen Differenzwert aufweist, sich also wie eine echte Aberration verhält; 2. weil Metopismus einem Vari- abilitätskomplex angehört (überzählige Nähte), das sonst der geogra- phischen Rasse fremd, für Aberrationen aber charakteristisch ist; 3. weil sich zwischen das Gebiet der größten Häufigkeit (Sansibar) des Metopismus und seinem vollständigen Fehlen (große Gebiete des afrikanischen Festlands) bei Piliocolobus nicht eine Übergangsregion mit Tieren, für die eine halb oder undeutlich offene Stirnnaht cha- rakteristisch ist, einschaltet, sondern nur Mischgebiete, in denen me- topische und normale Individuen nebeneinander auftreten. Aber noch ist eine Schwierigkeit bei der Begriffsbestimmung der Aberration zu beseitigen. Messen wir z. B. bei einem Säugetier die Schädellänge und greifen das „Merkmal“ Schädellänge 236 mm heraus, so werden wir finden, daß in keinem einzigen Gebiet alle Individuen \ADOLF REMANE, Exotypus-Studien an Säugetieren I. 73 genau dieses Maß aufweisen, sondern stets nur ein bestimmter Bruch- teil. Dasselbe wird man bei jeder meßbaren Eigenschaft finden, falls man nur die Maßeinheit genügend klein wählt. Da aber ein so eng umgrenztes Merkmal überall nur vereinzelt auftritt, hat es sicher einen geringen Differenzwert. Sollen wir deshalb das Merkmal Schädellänge 2356 mm bei dem betreffenden Säugetier, oder etwa „Schädelindex 70,5 beim Menschen“ für eine Aberration erklären? Zweifellos nicht. Es ist also die Aberration nicht die einzige Unterkategorie der Art mit niedrigem Differenzwert. Ich habe oben bei der Aufzeichnung der Charakteristik, die die meisten Autoren als wesentlich für den Begriff der Aberration empfanden, als dritten Punkt aufgeführt: „Die Aberration soll meist deutlich durch eine morphologische Lücke von der Stammart ge- schieden sein.“ Bei der Betrachtung irgendeines Merkmals einer Po- pulation ergibt es sich aber oft, daß sich die Varianten ziemlich regelmäßig um einen Mittelwert scharen und meist eine normale Va- riationskurve bilden. Man hat dies oft für einen Ausdruck einer erblichen Einheitlichkeit der Population aufgefaßt, aber zweifellos mit Unrecht. Es ist sicher, daß auch die „wilden“ Populationen aus einer sroßen Zahl erbungleicher Individuen, aus einer großen Anzahl von Biotypen zusammengesetzt sind. Und trotzdem bilden sie, in zahl- reichen Merkmalen eine normale Variationskurve; man betrachte nur die statischen Erhebungen über den Schädelindex oder über die Körper- sröße einer Bevölkerung, Merkmale, bei denen sicher nicht von einer Erbgleichheit innerhalb der Bevölkerung die Rede sein kann. Wo- durch derartige Variationskurven bedingt sind, ob wirklich durch die abschleifende Wirkung der Selektion an den extremen Varianten oder nicht, bleibe dahingestellt, Tatsache ist ihr so häufiges Auftreten auch bei „wilden“ Populationen. Aber es gibt Ausnahmefälle, sei es, dab neben der Hauptvariationskurve eine oder mehrere kleinere Neben- kurven stehen oder daß die Kurve selbst zwei- oder mehrgipfelig ist. Auf solche Gestaltungen der Variationskurven ist schon oft der Aus- druck diskontinuierliche Variabilität angewandt worden, und in diesem Sinne kann „diskontinuierliche Variabilität“ als Kriterium der Aber- ration verwandt werden, denn die Nebengipfel oder -kurven werden gerade von den Aberrationen oder Exotypen gebildet. — Natürlich wird man es in vielen Fällen nicht nötig haben, ausgedehnte sta- tistische Untersuchungen anzustellen, sondern ein flüchtiger Überblick über die Population wird schon viele Aberrationen (Exotypen) er- 74 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. kennen lassen. Wenn wir eine Hasenpopulation einer Gegend be- trachten, so werden wir eine gewisse Variabilität der normalen Farbe nach der dunkleren und helleren Seite erkennen, ohne weiteres wird aber klar werden, daß melanistische und albinistische Hasen außerhalb dieser „Norm“ stehen und bei einer Kurvenzeichnung der Fellfarben Nebenkurven bilden würden. Natürlich gibt es auch bei der Feststellung der Zweigipfeligkeit der Kurven manche technische Schwierigkeiten; so kann bei sehr naheliegenden Gipfeln je nach der Größe des angewandten Maßes bald eine eingipfelige, bald eine zweigipfelige Kurve herauskommen, usw.; aber derartige Grenzfälle spielen offenbar eine untergeordnete Rolle, da für die meisten Aberrationen eine weite Trennung von der Hauptform charakteristisch ist. Daß für den Vergleich nur einheit- liches Material verwandt wird und nicht eine durch Geschlechts- dimorphismus oder verschiedene Altersstadien hervorgerufene Zwei- oder Mehrgipfeligkeit der Variationskurve zur Bestimmung der Aber- ration benutzt wird, ist ja für jeden Systematiker selbstverständlich. Die Bezeichnung Aberration wird dabei in der Regel auf den Nebengipfel oder auf die kleinere Kurve angewandt. Das kann in manchen Fällen zu Schwierigkeiten führen. Bekanntlich kommt es vor, daß in gewissen Gegenden oder bei manchen Arten die Aberration überwiegt, also den Hauptgipfel der Kurve bildet. Soll dann die Be- zeichnung gewechselt werden und das in den anderen Gegenden als Aberration bezeichnete Merkmal nunmehr als Hauptform deklariert werden und die sonstige Hauptform als Aberration? Sicher nicht. Doch möchte ich auf die Möglichkeiten, diese ziemlich nebensächliche Schwierigkeit zu beheben, hier nicht eingehen. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß sich die Aberration (Exotypus) durch das Maß der geographischen Variabilität (niedriger Differenzwert) und durch die Abgliederung von der Hauptform in Gestalt eines Nebengipfels oder einer Nebenkurve bei statistischer Darstellung der Häufigkeit der einzelnen Merkmale innerhalb einer Population bis auf wenige Grenzfälle bestimmen läßt. Diese Grenzfälle können durch weitere durchschnittliche Unterschiede zwischen Aberration und geo- graphischer Rasse und durch den Vergleich desselben homologen Merk- mals bei verschiedenen Arten in ihrer Zugehörigkeit bestimmt werden. Nunmehr muß aber die Frage erörtert werden, ob Erblichkeit oder Nichterblichkeit in die Kriterien aufgenommen werden darf. Meiner Meinung nach muß die Entscheidung unbedingt für „Erblichkeit“ tt ADOLF REMANE, Exotypus-Studien an Säugetieren I. 75 fallen. Eine Berücksichtigung der nichterblich bedingten Unterschiede würde dem Wesen der Systematik widersprechen, denn diese soll die Lebewesen ausgehend von den Individuen gruppieren. Nicht erb- lich bedingte Unterschiede beruhen aber, auch wenn sie auf verschie- dene Individuen oder gar Populationen verteilt erscheinen, nicht auf _Verschiedenheiten der Individuen selbst, sondern nur auf Verschieden- heiten der Außenfaktoren, die sich in den Individuen widerspiegeln. Prinzipiell kann jedes Individuum die verschiedenen Merkmale erhalten oder als Zustand durchlaufen. -Lassen wir derartige „Zustände“ zur Begründung systematischer Kategorien zu, was hindert uns dann, die verschiedenen Altersstadien ein und desselben Individuums als syste- matische Kategorie zu betrachten ? Im gewöhnlichen Sprachgebrauch wird aber der Begriff „Aber- ration“ auch mit nichterblichen Unterschieden meist eng verknüpft, wird doch häufig der Ausdruck „künstlich erzeugte Temperatur-Aber- rationen“ für die durch Hitze- oder Kälteeinwirkung erzeugten Ab- weichungen an Schmetterlingen gebraucht, und auch RENSCH kennt eine Gruppe der nichterblichen Aberrationen. Ich habe deshalb, um diesen wesentlichen Unterschied der hier behandelten Kategorie von der gewöhnlichen Fassung der Aberration zu betonen, den Namen Exotypus für erbliche Aberrationen eingesetzt. Der Name ist in Angleichung an das Wort Oekotypus, das TURESSON für die öko- logische Rasse geschaffen hat, gebildet, die geographische Rasse müßte dann Geotypus heißen. Ob sich diese Namen einbürgern werden, muß die Zukunft ent- scheiden. Es darf aber nicht die Forderung der „Erblichkeit“®) an die Merkmale einer systematischen Kategorie gestellt werden, ohne gleichzeitig die Möglichkeiten abzuwägen, die dem Systematiker zur Begründung der Erblichkeit oder Nichterblichkeit zur Verfügung stehen. An erster und wichtigster Stelle steht natürlich das Experiment. Aber dieses steht dem Säugetiersystematiker nur in so beschränktem Maße zur Verfügung, daß es praktisch vorläufig eine untergeordnete Rolle spielt. Immerhin sei darauf hingewiesen, daß die Zuchten in Zoologischen Gärten (schwarze Panther usw.) wertvolles Material liefern können. Zwar wird es meist nicht zur Klärung des Erbganges und der Zahl der beteiligten Faktoren ausreichen (und das interessiert ja den Systematiker weniger), aber zur Lösung der Frage nach der Erblichkeit an und für sich genügt es, Wo bisher das Experiment 16 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, III, 1928. bei Säugetieren angewandt werden konnte, hat es Erblichkeit der Aber- rationen der Systematiker feststellen können. Als zweites Mittel kann die Beobachtung der Jungen eines Wurfes herangezogen werden. Treten hier Aberration und Nor- malform in einem Wurf öfters gleichzeitig auf, so kann, wenn auch nicht mit unbedingter Sicherheit, so doch mit über 90°/, Wahrschein- lichkeit auf Erbbedingtheit der Aberration geschlossen werden. Je jünger die Tiere, desto größer die Wahrscheinlichkeit, da dann die Möglichkeit, Außenfaktoren als Verursacher der Unterschiede heran- zuziehen, immer geringer wird. Drittens kann allein schon die Verteilung der Merkmale inner- halb der Population manchen Aufschluß bringen. Ergibt sich dabei eine zweigipfelige oder mehrgipfelige Kurve, so ist die Beteiligung mehrerer erblich unterschiedener Formen wahrscheinlich. Und die Bildung von Nebengipfeln oder -kurven ist ja, wie wir gesehen haben, für das Wesen der Aberration charakteristisch. Voraussetzung ist natürlich auch hier, daß nur einheitliches Material untersucht wird, und nicht durch verschiedene Altersstadien, ökologische Rassen oder Material aus verschiedener Jahreszeit eine Zweigipfeligkeit der Kurve gebildet ist, die mit der der Aberration nichts zu tun hat. Aber auch dann ist der Schluß auf Erblichkeit der Aberration noch nicht sicher, denn es gibt zweifellos Fälle, in denen trotz erblicher Einheitlichkeit eine Population zwei- oder mehrgipfelige Kurven bildet. Die normale Variationskurve bei einer erblich einheitlichen Population wird ja bekanntlich dadurch hervorgerufen, daß zahlreiche Faktoren auf die Individuen abändernd einwirken, wobei sich die in positiver oder ne- gativer Richtung (vom Mittelwert aus) wirkenden Faktoren die Wage halten und diese sich in ihrer Wirkung nach den Zufallsgesetzen kombinieren. Sind positiv und negativ wirkende Außenfaktoren un- gleich häufig, entstehen schiefe Kurven; wird das Merkmal in seiner Gestaltung nur von einem oder einigen Außenfaktoren beein- flußt, so können leicht zwei- oder mehrgipfelige Kurven, unregelmäßige und selbst getrennte Kurven trotz erblicher Einheitlichkeit des Ma- terials entstehen. Dafür einige Beispiele: Ein krustenbildendes, fest- sitzendes Lebewesen, etwa Plumatella oder ein Süßwasserschwamm, wird in einer schilfbestandenen, steinigen Uferzone eines Sees in zwei ganz verschiedenartigen Wuchsformen auftreten, einer breiten, platten- artigen und einer spindel- oder röhrenförmigen. Eine statistische Auf- nahme würde hier zwei ganz getrennte Kurven ergeben. Die Ursache | | j / ADOLF REMANE, £xotypus-Studien an Säugetieren I. 77 davon ist jedoch die Abhängigkeit der Wuchsform von einem Haupt- faktor, der Unterlage, und da dieser in zwei ganz verschiedenen Formen, flache Oberfläche der Steine und röhrenförmige der Schilf- stengel, auftritt, muß die Wuchsform entsprechend zweigestaltet sein. In gleicher Weise können ja bekanntlich durch Infektionskrankheiten und Parasiten, die nur einen Teil der Population befallen, „Dimorphis- men“ usw. hervorgerufen werden. Auch BLAKESLEE fand ja bei Datura eine „graft infectious disease resembling a mutation“. Aber auch im Tier selbst können Faktoren liegen, die eine ein- heitliche Kurve einer erblich einheitlichen Population verhindern. Es handelt sich um Erbfaktoren, deren Reaktionsnorm nur einige ganz bestimmte Phaenotypen zuläßt oder bevorzugt, also Faktoren, die einer Art „alles oder nichts-Gesetz“ gehorchen. Hierher gehören die „umschlagenden Sippen“ von Ds VRIES. Bei Dipsacus silvestris treten zwei ganz verschiedene und geschiedene Wuchsformen auf: normale und zwangsgedrehte Ihr Auftreten wird durch die Ernährungsbe- dingungen bestimmt, eine gewisse „Zone“ der Ernährungsbedingungen ruft normalen Wuchs hervor, bei Überschreiten desselben tritt sofort in voller Ausprägung die zwangsgedrehte Wuchsform auf. Ähnlich scheinen die Verhältnisse bei dem berühmten Fall der Zweigipfelig- keit beim Ohrwurm (Zangenform) zu liegen. Auch hier ist sie nach den neuesten Untersuchungen von HUXLEY und DJAKOWoW nicht durch erbliche Verschiedenheiten innerhalb der Population hervor- gerufen. Aber betrachtet man diese Fälle zahlenmäßig, so ergibt sich, dab sie mit Ausnahme der durch Infektionen bedingten überaus selten sind gegenüber solchen Fällen, in denen Zweigipfeligkeit der Kurve auf erblich verschiedene Rassen zurückgeführt werden konnte. Der Säuge- tiersystematiker ist nun noch insofern gut gestellt, als die Infektions- krankheiten und ihre Veränderungen des Körpers bei Säugetieren am besten bekannt sind, und wohl nie ist eine Art oder Rasse auf der- artige Abänderungen begründet worden. Ziehen wir das Fazit, so ergibt sich, daß die Wahrscheinlichkeit, eine Aberration sei erblich bedingt, von vornherein unvergleichlich viel größer ist als das Gegenteil. Umgekehrt dürfen wir uns keinen Illusionen hingeben über das, was man aus der Verteilung eines Merkmals auf die Art der Erblich- keit desselben schließen kann. Es ist so gut wie nichts. Oft wird bei Häufigkeit eines Merkmals auf Dominanz, bei Seltenheit auf Re- zessivität geschlossen. Findet man zwei Merkmale in einer Population 78 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1923. im Häufigkeitsverhältnis 3:1, so wird auf einfache Mendelspaltung geschlossen usw. Das alles ist aber vollkommen unzulässig, „Konstanz des Spaltungsverhältnisses einer Population von F”? an bei beliebiger Vermischung“ kommt nur für Populationen in Frage, die von einer eleichen Zahl homozygoter Individuen beider Rassen ausgehen und keinerlei weitere Einkreuzung erfahren haben. Eine derartige Popu- lation dürfte aber in der freien Natur kaum zu finden sein und Häufigkeitsverhältnisse von Merkmalen, die mit bestimmten Mendel- spaltungszahlen übereinstimmen, sind bedeutungslose Zufälligkeiten. Selbst die Bezeichnung einer zwischen extremer Aberration und Hauptform stehenden Varietät als heterozygote Form bleibt stets ge- wagt. Aber diese Seite der Erblichkeitsforschung ist ja für den Systematiker weniger wichtig; wichtig ist vor allem, ob Erblichkeit vorliegt oder nicht, und das ist bei einer Aberration (Exotypus) sehr wahrscheinlich. Es kann also eine Varietät auch ohne vorheriges Vererbungs-Experiment in diese Kategorie eingereiht werden, wenn- gleich das Experiment sehr wünschenswert erscheint. Der Begriff der Aberration (Exotypus) beruht also nicht auf einem einheitlichen Prinzip, sondern ist durch Kombination mehrerer Einteilungsprinzipien, einem geographisch-ökologischen und einem rein morphologischen, gebildet. Aber das gleiche gilt auch von dem Artbegriff und anderen Kategorien, da ja die Systematik nicht vom Prinzip, sondern von den Tatsachen und der Praxis ausging. Als Kategorie wurden zunächst praktisch brauchbare Zusammenfassungen festgesetzt, die Frage ihrer exakten Definition wurde meist erst nach ihrer Aufstellung erhoben. Literatur. BLAKESLEE, A. F. — A Grafit-Infectious Disease of Datura resembling a Vege- tative Mutation. — Journal of Genetics 9. 1922. DJAKONOW, D. M. — Experimental and Biometrical Investigations on Dimorphie Variability of Forficula. — Journ. of Geneties 15. 1925. ELLIOT, D. G. — A Review of Primates. 3. FEDERLEY, H. — Die Bedeutung der polymeren Faktoren für die Zeichnung der Lepidopteren. — Hereditas 1, 1920. HÄCKER, V. — Allgemeine Vererbungslehre. 3. Aufl. 1921. | HUXLEY, J. S. — Discontinuous Variation and Heterogony in Forficula. — Journ. of Genetics 17, 1927. KLEINSCHMIDT, O. — Die Formenkreislehre und das Weltwerden des Lebens. Halle a. S. 1926. REMANE, A. — Art und Rasse. — Verhandl. d. Gesellsch. £. Physische Anthro- pologie 2, 1927. RENSCH, B. — Die Farbaberrationen der Vögel. — Journ. f. Ornithologie. 73, 1925. Du a rn A ws nu ADOLF REMANE, Exotypus-Studien an Säugetieren I. 79 SEMENOV-TIAN-SHANSKY. — Die taxonomischen Grenzen der Art und ihre Unterabteilungen. Versuch einer genauen Definition der untersten systema- tischen Kategorien. Berlin 1920, STRESEMANN, E. — Mutationsstudien an Vögeln. I-XXIV. — Journ. Ornitho- logie 71—73 und Ornithol.-Monatsberichte 31— 34, 1923—1926. WETTSTEIN, O. — Zur Systematik der adriatischen Insel-Eidechsen. — Anhang zu P.. KAMMERER, Der Artenwandel auf Inseln. Leipzig und Wien. 1926. Anmerkungen. ı) KLEINSCHMIDT schreibt hier in merkwürdiger Umkehrung der Sachlage: „Hier muß zunächst die Formenkreislehre einen fürchterlichen Begriffswirrwarr klären. Man hat vielfach Albinismen und Melanismen, sowie andere Pigmen- tierungsstörungen als Spielarten bezeichnet, aber sehr mit Unrecht, denn diese Erscheinungen sind abnorm, somit krankhaft. Das Fehlerhafte interessiert uns hier nicht.“ Gerade durch die Einführung oder Wiedereinführung objektiv kaum aßbarer Begriffe wie abnorm, fehlerhaft, krankhaft in die Systematik wird der Begriffswirrwarr gefördert. 2) Die Bezeichnung Mutation wird ganz mit Unrecht in der Systematik ge- braucht und muß aus ihr verschwinden. Mutation bezeichnet eine Erbänderung, also einen Vorgang, die Kategorien der Systematiker einen Zustand. Der Vererbungsforscher mag diesen Ausdruck auf die Folgen der Mutation, nämlich die mutierten Individuen übertragen, der Systematiker aber darf diesen Ausdruck nicht verwenden, denn 1. wissen wir über einen stattgehabten Mutationsvorgang meist nichts, sondern vermuten ihn nur, 2. muß dann letzten Endes jeder erbliche Unterschied innerhalb der Art, auch die geographische Rasse, eine Mutation sein, denn durch Erbänderung muß auch sie entstanden sein. 3) Diese Berechnungen gelten natürlich nur unter der Voraussetzung, daß die betreffenden Populationen die in der Radialstachelzahl am meisten diver- gierenden der Art sind. *) Und gleichzeitig die oekologischen Rassen. Da diese kaum bei Säuge- tieren existieren, sind sie in folgendem nicht mehr erwähnt. 5) Ob man dieser Frage Bedeutung beimißt oder nicht, hängt von der Auffassung des einzelnen über die gegenseitigen Beziehungen von Aberration und geographischer Rasse ab. Sieht man in den Aberrationen Vorstadien der geogr. Rasse und nimmt an, daß jede geogr. Rasse zuerst in Einzelindividuen innerhalb der Popu- lation aufgetreten ist, um allmählich zur herrschenden Form zu werden, so besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Kategorien, und das Auftreten von Übergangsformen ist selbstverständlich. Steht man aber auf dem entgegengesetzten Standpunkt — und das tut wohl weitaus die Mehrzahl der Systematiker — und sieht in den Aberrationen durch Unregelmäßigkeiten der Chromosomen- und Gen- verteilung entstandene Abweichungen analog den Groß-Mutationen der Vererbungs- forscher, in den geographischen Rassen aber durch gleichzeitige Veränderung ganzer Populationen entstandene Varietäten, so ist ein Suchen nach schärferer Unterscheidung beider Kategorien nicht nur erwünscht, sondern erforderlich. 6) Man verzeihe diese etwas unkorrekte aber kurze Ausdrucksweise. Natür- lieh ist jedes Merkmal sowohl durch Erblichkeit wie durch Umwelt bedingt. Hier handelt es sich darum, ob den körperlichen Unterschieden zwischen Aberration und Hauptform auch Unterschiede in der Erbmasse entsprechen. Ist dies der Fall, so spreche ich von einer erblichen Aberration. 80 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 2.) Beobachtungen am Fleckenroller. (Nandinia binotata (GRAY)). Von J. VOSSELER (Hamburg). Wie mangelhaft unser Wissen von den intimeren Gewohnheiten und Lebensäußerungen der Säugetiere auch heute noch ist trotz der mächtigen Fortschritte der biologischen Betrachtungsweise, zeigt uns jede Mitteilung über die uns umgebende Fauna, ja selbst über unsere Haustiere. Kein Wunder, daß wir auch von häufigeren Vertretern ferner Zonen oft kaum mehr kennen als die äußeren und inneren Merkmale, Namen und Heimat. Die Ursachen dieser Lücken sind bekannt. Zur Haltung von exotischen Säugern entschließt sich der Liebhaber eben schwerer als zu der von Vögeln, und ohne dessen sachverständige Mitarbeit ist z. B. über das Nachtleben der Tiere, vor allem über die Gewohnheiten der Nachttiere kaum etwas zu ermitteln, da die in den zoologischen Gärten gebotenen Gelegenheiten sich vorerst aus verschiedenen Gründen nur in beschränktem Maße zweckent- sprechend ausnutzen lassen. Selbstredend ist auch die Forschertätigkeit des Liebhabers, unter dem ich mir nicht nur den entsprechend vorgebildeten Laien, sondern und vor allem den Fachgenossen vorstelle, von allerhand Rücksichten eingeengt. Was könnte aber nicht alles erreicht werden mit einer Hingabe und Geduld, wie sie z. B. der Vogelfreund, Aquarien- oder Terrarienbesitzer oder Entomophile seinen Pfleglingen widmet, wie ergibig und fruchtbar müßte sich dieses noch so wenig gepflegte Gebiet für die psychologische Vergleichung, für die Erkenntnis der Entwicklung der geistigen Eigenschaften erweisen, wenn es einmal systematisch in Angriff genommen würde! — Dazu gehören aber allerhand Voraussetzungen, über die ich mich hier nicht verbreiten kann, deren wichtigste aber meines Erachtens eine innige Beziehung zwischen Beobachtungstier und Pfieger ist, am besten eine Art Freundschaftsverhältnis, wie es etwa zwischen Katze oder Hund und dem Menschen besteht. Ein solcher Zustand ist nur erreichbar, wenn man die Tiere gewissermaßen als Stubengenossen oder als Haustiere zu halten und ihnen entsprechende Freiheiten zu gewähren vermag. Einen besonderen Ansporn für diese Art der Säugetierpfege und Säugetierbeobachtung bildet die individuelle Mannigfaltigkeit der Exemplare einer Art, die größer als in einer anderen Tierklasse die aufgewandte Mühe auch dann reichlich lohnt, wenn das Interesse auf eine einzige Spezies beschränkt wird. Im folgenden sollen die früher in Ostafrika gesammelten und teilweise veröffentlichten ) Beobachtungen über Nandinia durch solche an einem zweiten jungen, wie das erste längere Zeit unter diesen Voraussetzungen frei gehaltenen Exemplar erweitert und ergänzt werden, das aus Kamerun J. VOSSELER, Beobachtungen am Fleckenroller. 81 stammend, mir Ende September 1913 etwa 8 Wochen alt von einem Schiffs- offizier gebracht wurde. Das Tier — ein Weibchen — soll während der ganzen Überfahrt nur mit Bananen gefüttert worden sein, machte aber trotz dieser einseitigen, für die Konstitution und das Gebiß eines katzenähnlichen Raubtieres scheinbar ganz unsachgemäßen Nahrung einen gesunden, mun- teren Eindruck. Der Größe nach war es etwa ein Viertel erwachsen. Ziem- lich zutraulich, gewöhnte es sich sehr leicht ein, lernte trotz der noch un- beholfenen Bewegungen sehr bald jeden Winkel der ihm zugewiesenen Räume kennen und schloß sich gern seinen neuen Pfiegern an. Seiner zarten Jugend und Pflegebedürftigkeit entsprechend wurde es in einem Arbeitszimmer freiem Lauf überlassen und nur während meiner Abwesenheit oder tagsüber in seiner Schlafzeit in einen schließbaren Käfig gesetzt. Bis Ende November 1913, also in der Zeit von 2 Monaten, verdoppelte es seine Ausmaße und hatte mit einer Körperlänge von 85 cm und einer Schwanzlänge von 41 cm reichlich die Hälfte seiner definitiven Körpergröße erreicht. Gegen den Schluß des ersten Lebensjahres dürfte das Wachstum vollends abgeschlossen sein. Abends erwacht das Tierchen zwischen 5 und 7 Uhr. Mit einem äußerst zarten, hellen, oft langgezogenen Piepen bettelt es um Freilassung aus seinem Tagquartier. Ein kurzer, tieferer Ton (etwa mm nasal) drückt unverkennbar die Befriedigung über die Erfüllung seines Wunsches aus und bildet gleichzeitig die Begrüßung seines Pflegers, die mit einem etwas un- gestümen und unsteten Hin- und Herschnuppern verbunden ist. Meist schließen sich dann noch einige Kletterversuche an seinem Herrn auf und nieder an, ein kurzes Verweilen auf dessen Schulter, und nun geht’s mit krummem Buckel und wagerecht oder halbhoch gehaltenem, wellenförmig wie der Körper wogenden Schwanz kreuz und quer durch das Zimmer. Bald wird hier über einen Gegenstand hergefallen, bald dort an Möbeln hochgeklettert. Seine Renn-Übungen erfolgen in kurzem Galopp und verursachen ein laut trampeln- des Geräusch, das der Vorstellung von einer „Schleichkatze“ ganz wider- spricht und das wohl nur dann mit einer gewissen Absichtlichkeit erzeugt wird, wenn das Tier sich sicher fühlt und seine Spiellust zeigen will, d. h. nahezu die ganze des Abends seiner Gesellschaft gewidmete Zeit hindurch. Spiel und Gesellschaft übertönen sogar das Verlangen nach Nahrung. Die meisten Nachttiere begeben sich nach ihrem Tagesschlaf auf die Futtersuche, nachdem sie allenfalls vor dem Verlassen ihrer Lagerstätte noch eine General- reinigung vorgenommen haben. Nandinia streckt und schüttelt sich da- gegen nur ein paarmal unter Gähnen, dann sucht sie Spiel und Unterhal- tung. Wohl leckt sie bisweilen die Pfoten oder kratzt sich hinter den Ohren, allein eine so umfangreiche Wäsche wie z. B. die Katze kann sie entbehren. Der kurze, etwas straffe aber ungemein dichte Pelz scheint sich immer selbst zu reinigen, denn seine Träger machen stets einen sauberen 6 8 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Eindruck, falls sie nicht in Gefangenschaft vernachlässigt werden. — Zum Spielen dient dem Tierchen so ziemlich alles Bewegliche: eine Papierkugel, ein Kork, der Vorhang, ein Tuchlappen oder auch die zu seiner Nahrung bestimmten Brocken. So sehr sein Magen knurren mag, so wenig gierig ist es darauf, daß es Bananen, Feigen und Fleischstücke zunächst spielend umarmt oder mit ihnen im Munde allerhand Bocksprünge vollführt, ehe es sich in einer Ecke einige Bissen davon nimmt. Die geringste Verlockung lenkt es aber davon ab. Rollende oder zugeworfene Gegenstände verfolgt es und wirft sich mit breitgestellten Vorderbeinen wie die Katze darüber her, hält sie zwischen den Pfoten und kugelt sich liegend darum herum. Ein häufiges, auch für spielende Hunde charakteristisches Niesen und Nase- rümpfen begleitet seinen Eifer, besonders während der Bearbeitung von Stoffen. Nach toller Jagd keucht es wie ein Hund mit offenem Mund. Großes. Vergnügen macht es ihm, Kleider zu packen und zu schütteln oder sich über die Füße der Besucher herzumachen. Am liebsten aber übt es seine Geschicklichkeit im Spiele mit der menschlichen Hand. Mit unglaub- licher Sicherheit erwischt es diese, wie sie sich ihm auch nahen mag, und knabbert nach der Art junger Tiere daran herum, nicht gerade immer die Kraft der Kiefer und die Schärfe seiner Eckzähne der Empfindlichkeit des Spielkameraden anpassend. Nach längerem Herumräkeln mit seinem Spiel- zeug geht das Rennen und Klettern wieder: los, immer unterbrochen von urdrolligen Aufforderungen an die Anwesenden zum Mitmachen, wobei das Tierchen sich einfach auf die Seite legt, hin und her wälzt und neckisch scherzend nach der nächststehenden Person schnappt. Findet sein Ge- baren keine Gegenliebe und fehlt andere Anregung, so muß zur Abwechs- lung der lange Schwanz herhalten. Während des ganzen Spiels wird der Mund fast kaum geschlossen und die Nase liegt in Falten. Alles wird erfaßt und zwischen den Zähnchen geknetet. Ohne Partner aber wird das Spiel bald langweilig. Schlagen alle Versuche zu einer Aufmunterung fehl oder ist er müde, so verkriecht sich der kleine Geselle in den Papierkorb, in einen halbvollen Erdnußsack oder unter das Gewand seines Herrn, sucht sich die behaglichste Lage, rollt sich zusammen und beginnt regelrecht zu schnurren. Nicht so anhaltend und gemütlich wie unsere „Miez“ aber doch _ mit unverkennbarem Ausdruck des Wohlbehagens. — Während des Spieles und der ganzen freien Bewegung ist außer dem schon erwähnten Niesen ab und zu noch ein im Übereifer ausgestoßenes, tönendes Seufzen, sonst nur das Aufschlagen der Schnauze beim Schütteln seiner Spielzeuge oder des Schwanzes beim Wälzen auf der Erde vernehm- bar. — So deutlich das ganze Tummeln der Nandinia von der Anwesen- heit und Teilnahme eines zweiten Lebewesens beeinflußt, ja fast abhängig ist und so gern sie ihrem Pfieger ihre Anhänglichkeit dadurch beweist, daß J. VOSSELER, Beobachtungen am Fleckenroller. 83 sie an ihm auf und ab klettert, ihn begrüßt und bei ihm verweilt, ihn seltener beleckt, so wenig mag sie es leiden, festgehalten zu werden. Für kurze Zeit läßt sich ihr Temperament vielleicht bändigen, dann aber sucht sie sich ohne Anwendung ihrer Waffen, aber mit aller Kraft, dem Griff zu ent- winden und gibt durch leises Quängeln, ärgerlich geworden durch tiefes, katzenähnliches Knurren ihren Unwillen zu verstehen. — Von den scharfen Krallen wird während des Spieles kein Ge- brauch gemacht, so leicht sich die Art sonst dabei vergißt und mit dem unermüdlich zufassenden Mund grob wird. Ein Zuschlagen mit den Tatzen nach Katzenart war nicht zu beobachten. Das Spiel mit Futterbrocken oder anderen kleinen Gegenständen ist kaum lauernd, dem der Katze oder der Ginsterkatze nicht vergleichbar, da es entschieden harmloser betrieben wird und anstelle der bei diesen Tieren schon früh bemerkbaren Gier und Anspannung aller Organe zur Erlangung der Sicherheit für das Fangen lebender Beutetiere mehr eine der Entwicklung des Körpers und der Aus- bildung der Muskeln dienende Übung ist, etwa wie bei Hunden, Bären, Wickelbären etc. In den einschlägigen Werken wird gewöhnlich her- vorgehoben, daß die Krallen nicht einziehbar seien. MATSCHIE ?) be- bemerkt, daß unter den Viverriden die Krallen nur bei der Zibeth- und Ginsterkatze bis zu einem gewissen Grade zurückgezogen werden können, Bei genauer Beobachtung findet man aber dieselbe Eigenschaft bei Nandinia sehr deutlich. Man kann sagen, daß die Krallen so gut wie bei der Katze zurückziehbar, nur relativ kleiner sind und in der Ruhe etwa 2 bis 3 mm über dem Boden stehen. Während des Kletterns werden sie vorgestreckt und eben durch diese Beweglichkeit ermöglichen sie dem Tiere das Ab- wärtsklettern mit dem Kopf voran, das natürlich durch eine entsprechende Stellungsveränderung der Beine, besonders der Hinterbeine und die eigen- artige Beschaffenheit der Fußsohlen unterstützt wird. Wie bei allen Be- wegungen hat auch beim Klettern der Schwanz eine Funktion. Die An- gabe HECK’s®), daß er nach unten eingerollt sei, bedarf der Berichtigung. Er wird, obwohl biegsam, fast stets vollkommen gerade getragen und wirkt nicht als Stütze beim Aufrichten. sondern als Balanzierstange beim Rennen und Klettern, bei den Seitenbewegungen und beim Wälzen aber wie eine Art Steuerruder, womit die eigenartige, seitliche zusammengedrückte Behaa- rung seiner Endhälfte und die starken Seitenmuskeln des dadurch verbrei- terten Wurzelteils vielleicht ihre Erklärung finden. Mit welchem Schwung und welcher Kraft er arbeitet, läßt sich aus dem lauten Aufklatschen ent- nehmen, mit dem er gelegentlich an feste Gegenstände anschlägt. Das Ver- hältnis seiner enormen Länge zum Körpermaße dürfte nur bei der mada- gassischen Fossa ein Gegenstück finden. | Die Spiellust nimmt mit dem Wachstum zu und trägt zur Erhöhung 6* 34 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1923. der Gewandheit der Bewegungen bei. Auch das erwachsene Tier wahrt diese Neigung nach meinen früheren Beobachtungen wenigstens bis ins dritte Lebensjahr und wahrscheinlich weit darüber hinaus. Es läßt sich leicht verfolgen, wie das anfangs etwas unbeholfene Tierchen etwa im dritten Monat seines Lebens flinker und in seinen Bewegungen bestimmter wird, wie es anfangs schwerfällig und ängstlich kletternd rasch die Kunst des Anlaufs und andere Vorteile ausnutzen lernt und wie die Sprünge weiter und sicherer werden. — Von dem Bewegungsbedürfnis wilder Tiere macht man sich gewöhnlich eine falsche Vorstellung. Nicht nurin Laienkreisen wird es fast regelmäßig überschätzt, obwohl uns unsere Haustiere manchen Fingerzeig dafür geben können. Von einem Nachttier setzt man voraus, daß es die ganze Nacht auf den Beinen sei. Das ist jedoch ebenso irrig wie etwa die Meinung, daß das Tagtier unter Tag keine Ruhepause mache. Nach der vorstehenden Darstellung könnte man vielleicht die Nandinia für ein unermüdlich lebhaftes Tier halten. Das wäre falsch, selbst wenn man die Erfahrung berücksichtigen wollte, daß junge Tiere eine größere, sich ja auch im Spiele bekundende Bewegungsenergie besitzen als erwachsene Man vergißt dabei, daß der reichlicheren Muskelarbeit der jungen Tiere auch ein mit dem Wachstum verbundenes größeres Ruhebedürfnis gegenübersteht und daß für ältere Tiere die physiologische Notwendigkeit wegfällt, durch besondere Bewegungen die Entwicklung des Körpers zu unterstützen. Nandinia macht wie alle an- deren Tiere je nach der Ausgiebigkeit der vorangegangenen Übungen früher oder später Ruhepausen, legt sich oft schon nach der ersten Viertelstunde, selten erst nach einer Stunde an ihren bevorzugten Platz, schläft dabei aber gewöhnlich nicht, sondern schaut sich die Vorgänge in der Umgebung an. In den Frühstunden ist sie oft bis 10 Uhr munter, schläft dafür manche Stunde in der Nacht. — Die Bemerkungen über das Spiel und die Bewegungen der Nandinia wären unvollständig ohne die Erwähnung der schon früher berührten Be- schaffenheit der Fußsohlen und Zehenballen. Ähnlich wie bei vielen Kletter- tieren, zZ. B. Affen und Lemuren, Eichhörnchen, Katzen usw. fühlen sich alle fleischfarbigen Sohlenteile der Füße feucht an. Durch diese Beschaffenheit wird das Klettern und Halten an glatten Gegenständen unterstützt, beson- ders an solchen, deren Härte den Krallen widersteht. Die Feuchtigkeit wird wahrscheinlich von Schweißdrüsen abgesondert. Die Grenzen zwischen behaarten und nackten Teilen der Fußsohlen sind so scharf, daß sie wie mit dem Messer geschnitten erscheinen. — Noch einige weitere Eigentümlichlichkeiten sind an den Gliedmaßen der Nandinia zu sehen, die ich nirgends erwähnt finde und deren Bedeu- tung noch zu ermitteln sein wird. Das ist einmal ein kleiner, ockergelber J. VOSSELER, Beobachtungen am Fleckenroller. 85 Haarfleck unterseits auf der sonst braun behaarten Spannhaut zwischen der dritten und vierten Zehe aller vier Füße, in deren Mitte ich ein Drüsenfeld unbekannter Bedeutung vermute; sodann ein Büschelchen von 5 bis 6 län- geren und einigen kürzeren Tast- oder Sinushaaren am ulnaren Unterende des Vorderarms etwa 1 bis 1,5 cm. vor der Grenze der nackten Sohle. Diese von F. FRITZ*) von der Hauskatze beschriebenen Organe (Carpal- Vibrissen) liegen auf einem deutlich fühl- und sichtbaren Höcker, dessen kurze Behaarung kaum merklich von der nächsten Umgebung absticht. Endlich sind alle Zehenballen mit Ausnahme der ersten (inneren) nach hinten keilförmig ausgeschnitten, die drei mittleren am deutlichsten. — Fortgesetzte und auch an den Exemplaren des hiesigen zoologischen Gartens bestätigte Beobachtungen weisen darauf hin, daß der Fleckenroller trotz aller so sinnfällig ausgeprägten Raubtiercharaktere zum guten Teil Pflanzen-, d. h. Früchtefresser ist, daß er sich längere Zeit sicher ganz vegetabilisch ernähren kann und oft alle Sorten von Fleisch, also seibst bei gebotener Gelegenheit, einer saftigen Banane zuliebe liegen läßt. Auch trockene Feigen, Datteln, Teebrot, Trauben zieht er meistens, wenn auch nicht immer, der animalischen Beigabe vor. Beim Fressen saftiger Früchte und Bananen hält er den Kopf wie die Halbaffen hoch und zerkaut sie mit weit offenem Mund. Fische, gekocht oder gebacken, liebt er offensichtlich neben Früchten am meisten. Lebende junge Ratten nimmt er ohne beson- dere Äußerung von Blutdürstigkeit, wie es einer Katzennatur entsprechen würde Von drei halbfingergroßen Ratten versteckte er eine, um sie am nächsten Tage hervorzuholen und zu verzehren. Auch andere Nahrungs- brocken und Spielzeug pflest er dann und wann unter Möbel oder in Winkel zu verschleppen, behält aber die Orte genau im Gedächtnis. Da- bei ist der Fleckenroller von Haus aus offenbar weder freßgierig noch futterneidisch, läßt sich ohne Zeichen der Erregung jeden Bissen vom Munde wegnehmen. Nur alte wilde Tiere kläffen beim Erfassen des gereichten Futters mit unangenehm-kreischendem Geschrei und schnappen hastig zu. Dies Benehmen mag aber wohl die Folge der Gefangenschaft und des Ver- kehrs mit dem Publikum sein. Häufig und den Spuren nach zu schließen, meistens des Nachts in seinem Behälter, wälzt er sich auf seinem Futter oder reibt die Halsseiten ®) daran, in ähnlicher Weise, wie Hunde sich auf Aas und anderen, für sie offenbar angenehm riechenden Stoffen oder wie die Katzen bis herauf zum Löwen sich auf Baldrianwurzel wälzen. Außer der oben genannten Nahrung verzehrt er als Allesfresser auch noch aller- hand andere Dinge: Milch mit Brot, Eierspeisen, selbst gekochte Möhren und Kartoffeln ete. — Milch und Wasser als seine bevorzugten Getränke schlappt er in eigentümlichem Zweitakt mit der weichen Zunge, sodaß die Aufnahme jedes zweiten Schluckes hörbarer ist als die vorhergehende. — 86 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Die Exkremente sind je nach der Hauptnahrung verschieden ; nach Ba- nanen- bezw. Fruchtfütterung hell gefärbt, fest, nach vorwiegender Fleisch- nahrung dunkler und weicher, aber auch weniger geruchlos als im ersten Falle. Der reichliche, fast farb- und geruchlose Urin wird in auffallend starkem, abgesetzten Strahl abgegeben, den man in ziemlicher Entfernung auf- schlagen hört. Für eine Viverride erzeugt Nandinia merkwürdig schwache Körperausdünstungen und wenig schlechte Gerüche, sodaß sie bei ein- bis zweitätiger Käfigreinigung im Zimmer gehalten werden kann, ohne lästig zu fallen. Dazu kommt noch, daß sie die Exkremente fast stets an der gleichen Stelle absetzt, mein Exemplar z. B. in seinem Käfig, so daß sie selbst bei 3-—4 stündigem Freilauf nirgends schmutzig macht. Dazu sucht sie dann in ihrem Behälter einen erhöhten Zweig aus. — | Die Sinnesorgane scheinen ungefähr in harmonischem Verhältnis ohne auffällige Bevorzugung eines besonderen ausgebildet zu sein. Das Auge ist sicher nicht schlecht, das beweist die Sicherheit der Bewegungen und der Abschätzung von Entfernungen. Die Pupille wird gewöhnlich als schmal, spaltförmig und senkrecht bezeichnet. Diese Beschreibung stellt aber wie in anderen Fällen nur den Zustand und die Form der äußersten Verengung dar, d.h. im grellsten Licht des Tages. Sobald die Beleuchtung schwächer wird, weitet sich die Pupille, wird wie bei der Katze gerundet, oval und sogar kreisförmig. Im Dämmerlicht und bei künstlicher Beleuchtung leuchtet das Auge je nach der Stellung zur Lichtquelle glühend gelb oder opalgrün. Eine absolute Lichtscheu kennt Nandinia nicht, selbst der Sonne weicht sie nicht unbedingt aus, jedenfalls tummelt sie sich zu den früher genann- ten Morgenstunden (erwachsene Exemplare unseres Gartens gelegentlich auch zu jeder anderen Tageszeit) vergnügt umher, ohne im geringsten den, Ein- druck einer Blendung zu machen. Die immer feuchte, nackte Nase mit ihrer seichten Spaltrinne möchte ich direkt als vorzüglich bezeichnen. In dem Freilaufbezirk liegen gewöhnlich reife Bananen, die wohl dann und wann beschnuppert, anderer Ablenkung wegen aber meist nicht berührt werden; nebenbei bemerkt gelingt das Aufbrechen der Fruchtschale nicht leicht. Sobald nun in einer Entfernung von 4 bis 5 Meter von dem mit Spielen beschäftigten Tierchen eine geöffnete Banane ihr Aroma ausströmt, zeigt - sich auch im gleichen Augenblick die Wirkung darin, daß die vorher gegen die ganze, doch auch nicht geruchlose Frucht fast indifferente Nase lebhaft wittert und das Tier geradewegs zu der betreffenden Stelle oder Person eilt. Ähnlich wirken auch andere Früchte (Feigen, Datteln), Fleisch be- deutend weniger. Ebenso sinnfällig wie auf ihre Lieblingsspeisen reagiert Nandinia auf verschiedene Alkoholica, obwohl sie kaum davon nippt, und. beschnuppert wie ein Hund alles Fremde und Neue. Kaum ist eine Flasche geölinet, wendet sich die feine Nase unter starkem Lufteinziehen nach der J. VOSSELER, Beobachtungen am Fleckenroller. 87 Richtung und folgt wie vom Magnet angezogen der Duftquelle. Als be- sondere Organe des Tastsinns sind die gut ausgebildeten Schnurr- oder Barthaare schon früher bekannt, die Sinushaare der Vorderbeine weiter oben erwähnt worden. Hierzu kommen nun noch bisher scheinbar über- sehene Sinushaare am Kinn, etwa 4 Stück auf einer flachen Warze nahe der Mitte der Unterseite, etwa 4 wie die vorigen nach rückwärts gerich- tete jederseits hinter dem Mundwinkel, endlich ungefähr 6 Stück lange, schwarze, vertikale auf der Stirn über jedem Auge. Obwohl nun, auch aus anderen Äußerungen zu schließen, die Art sicher ein hochentwickeltes Tast- gefühl besitzt, macht sie sich aus den z, B. den Katzen so außerordentlich angenehmen Liebkosungen (Krabbeln unterm Kinn, Streicheln ete.) so gut wie nichts, Auch andere Viverriden fand ich dafür durchschnittlich wenig emp- fänglich und mit diesen gemein hat Nandinia auch eine sehr geringe Weh- leidigkeit, sodaß sie ziemlich kräftige Insulte, z. B. Treten auf den Schwanz oder auf die Pfoten, ohne besondere Äußerung von Schmerz erträgt. — Das kleine gerundete Ohr muß außerordentlich empfindlich sein. Es reagiert auf die zartesten Geräusche durch einseitige oder gleichgerichtete Bewegungen einer oder beider Ohrmuscheln, deren lebhaftes Spiel das Tier sehr schnell über die Richtung der Schallquelle orientiert. — Die Vorgänge des Liebeslebens und der Fortpflanzung bei Nandınia konnte ich nicht beobachten, auch läßt sich aus anderen Berichten nichts darüber entnehmen. Ein Pärchen, in der angegebenen Weise erzogen, und zusammengewöhnt, könnte meiner Ansicht nach allein die fehlenden Aufschlüsse liefern. Die an meinen Zöglingen gemachten: Schätzungen und Bemerkungen über das Alter und Wachstum lassen immerhin folgern, daß die Art mit einem Jahr ausgewachsen, wahrscheinlich auch geschlechtsreif ist, daß in D.-O-Afrika (Amani) die Wurfzeit zwischen Oktober und De- zember, in Kamerun wohl zwischen Juli und August fallen wird. Der Zeit- abstand läßt die Möglichkeit zweier Würfe im Jahre offen. Die Zahl der Jungen dürfte nach der Zahl der Zitzen höchstens 4 betragen. — Das mit dem Sexualleben wahrscheinlich in Beziehung stehende, bei beiden Geschlechtern in der Bauchmitte vor den äußeren Urogenitalöffnungen liegende haarlose Drüsenfeld stellt sich im Leben bei meinem Weibchen etwas anders dar, als es von ALBERTINA CARLSSON ®) geschildert wurde. In normaler Lage bildet es eine 7 mm tiefe, 4 cm lange bis an die Vulva reichende und dort sich sehr verflachende Furche, die normalerweise nur durch eine entsprechende Linie im Pelz äußerlich erkennbar, aber schon durch geringe Spreizung der Hinterbeine zu öffnen und freizulegen ist. — Ihre Wände sind blaß, milchweiß, gegen die Tiefe zu von rötlichem Schimmer überhaucht. Auseinandergezogen entsteht ein Feld von 1,5 cm größter Breite von länglich-lanzettlicher, nach hinten stark verjüngter Form, 8 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. ‘dessen Flächen so gut wie haarlos sind, wenigstens makroskopisch. Die von A. CARLSSON erwähnten kleinen Querfurchen fehlen am lebenden Ob- jekt, entstanden also wohl erst postmortal durch Schrumpfung beim Kon- servieren. Das Sekret der Drüsen ist vielleicht infolge der Jugend der Tiere kaum nachzuweisen. Die einzige Andeutung davon bildet ein schwach fettiges Gefühl beim Bestreichen des Drüsenfeldes. Farbe fehlt ihm jeden- falls ganz, ebenso ein bestimmter Geruch. Möglicherweise entwickelt sich beides beim Eintritt der Geschlechtsreife oder Brunstperiode. Ganz bestimmt ist der Mangel eines Zibetgeruchs festzustellen und damit eine Bestätigung gegeben, daß das Organ den Zibetdrüsen anderer Viverriden nicht homo- log ist. — Durch sein unermüdlich fröhliches, stillvergnügtes Wesen ist der Fleckenroller einer der unterhaltsamsten Zimmergenossen. Seine graziös- täppischen Bewegungen während seines Tollens in freier Ungebundenheit, seine Reinlichkeit und Zutunlichkeit bieten seinem Beobachter eine umso senußreichere Überraschung, als sie ein Charakterbild enthüllen, daß dem Eindruck der äußeren Erscheinung und dem gewöhnlichen Verhalten der Art in den zoologischen Gärten ganz zu widersprechen scheint. Anziehend bleibt sein Wesen auch, wenn er in die Flegelmonate kommt und sein Übermut den Höhepunkt erreicht, der ihn zu allerhand gegen die Haus- ordnung verstoßenden Allotrias verführt. Ob er aber nun die sorgsam be- hüteten Zimmerpflanzen zerpfiückt oder mit Ausdauer den Papierkorb um- wirft und rollt, seinen Inhalt Stück für Stück mit steilen Sprüngen und hochgehaltenem Kopf im ganzen Zimmer umherträgt und zerstreut, ob er bei allen Hantierungen seines Gebieters die neugierige Nase dazwischensteckt, dort mit anfaßt, wo es am unnötigsten ist, oder dessen Hände mit Schram- men als Zeichen seiner höchsten Zuneigung bedeckt — —- gram sein kann man ihm nicht. — Wie alles so hat auch dieses Tier eine Kehrseite, eine ziemlich weit- gehende Unverträglichkeit mit seinesgleichen, einerlei welchen Alters oder Geschlechts, wenn nicht etwa zwei sich fremde gleichzeitig in einem ihnen neuen Behälter vereinigt werden. Das Herrengefühl eines älteren Insassen duldet eine Teilung eines Käfigraums in unserer Raubtiersammlung ohne sroßes Gezeter und sogar Beißen gewöhnlich nicht. Auch Käfignachbarn leiden mitunter unter dem doch bei frischen Wildlingen oft jäh hervor- brechenden Raubtiernaturell. Eine unserer prächtigen Fossa verlor durch eine Nandinia ein Stück Schwanz. Gesellig scheint die Art also nicht zu sein, obwohl sie sich so leicht und gern an den Menschen anschließt und auch fremden Personen gegenüber keinerlei Scheu oder Mißtrauen bekundet, sich also wie ein geborenes Haustier verhält. Die bisherigen Schilderungen zeigen uns einen Säugertyp, der aus ver= J. VOSSELER, Beobachtungen am Fleckenroller. Sg schiedenen anderen zusammengesetzt erscheint oder besser gesagt, den Stoff für die Entwicklungsrichtung mehrerer Ordnungen in sich trägt. Er bildet ein Konglomerat von Eigenschaften der Katzen, der Viverren und der Marder mit einigen Beimengungen vom Wickelbär und von den Makis. Der- artige Formen bezeichnet man gerne als Sammeltypen und legt sie stammesge- schichtlichen Betrachtungen zugrunde. Das gewöhnliche Prädikat für alle lautet dahin, daß es sich, wie auch bei Nandinia, um tiefstehende Formen handle, tiefstehend gemeinhin, nicht etwa nur in anatomischer oder entwicklungs- geschichtlicher oder geistiger Hinsicht. A. CARLSSON (. c.) stellt die Gattung nach vergleichend morphologischen und zootomischen Untersuchungen zu den Viver- riden und gibt an, daß sie in mehreren Hinsichten ein Bindeglied zwischen den Viverrinen und Herpestinen darstelle, aber ursprünglicher als beide sei. — Wie bei so vielen sogenannten niederen Tieren gibt jedoch der anato- mische Befund nichts weniger als einen zuverlässigen Maßstab für die Be- urteilung der geistigen Veranlagung (im weiteren Sinne) einer Art ab. Dies gilt in ganz besonderem Grade auch für den Fleckenroller. Bei einiger- maßen vertrautem Umgang überrascht er seinen Beobachter täglich durch neue unvermutete Äußerungen einer keineswegs gering einzuschätzenden In- telligenz. Schon der Umstand, daß seine Zuneigung nicht auf Futterfreund- schaft beruht, sondern auf dem Bedürfnis nach einem Spielkameraden, wider- spricht unserer gelehrten Voreingenommenheit von einer Korrelation zwischen somatischen und intellektuellen, bezw. psychischen Eigenschaften eines Tieres. Desgleichen liefert die Fähigkeit, sich erziehen und gewöhnen zu lassen, einen Beweis für eine höhere geistige Stufe als viele sogenannte höhere Tiere einnehmen, Nandinia lernt leicht gehorchen, d. h. sie läßt sich wehren, wenn sie sich ungebührlich benimmt, merkt sich Strafen, vermeidet Orte, die ihr mit Nachdruck verboten wurden, hat also auch ein gutes Gedächtnis. Genau unterscheidet sie leichte Klapse, die ihr scherzend verabreicht wurden von solchen gleicher Stärke, die eine Bestrafung sein sollen. Auf jene reagiert sie spielend, auf diese verfliegt die Lust zum Scherzen, das Tier duckt sich nieder und verharrt längere Zeit mit weit vorgestrecktem Kopf in einer Art Lauerstellung. Das Auge aber spiegelt deutlich ganz andere innere Vor- gänge wieder, die etwa als ein Suchen nach Versöhnung mit seinem Züch- tiger, weniger oder gar nicht als Ausdruck von Groll oder Niedergeschlagen- heit zu deuten sind. Ebenso wie die äußere Erscheinung erinnert auch die äußerst geringe Schreckhaftigkeit und Ängstlichkeit, das ganze Wesen, Ge- baren und Verhalten der Nandinia gegen seine Pfleger an den Wickelbären. Sie ist nur etwas heiterer, lebhafter, aufmerksamer, neugieriger, gewisser- maßen weniger phlegmatisch als dieser. Selbst eine gewisse Gelehrigkeit oder Erfindungsgabe läßt sich beobachten. Wie meine früheren älteren, so hatte auch das hier behandelte junge Tierchen schon in der ersten Woche 90 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. nach seiner Ankunft von selbst gelernt, den Käfig zu öffnen, indem es viel- leicht anfangs zufällig den Einhakriegel mit der Nase hochdrückte und die nach außen schlagende Tür öffnete, sodaß der Verschluß verbessert werden mußte. Eines Tages wurde sein Käfig so gestellt, daß es ihn nicht vom Boden erreichen konnte. Ohne langes Besinnen rannte das Tier nun in eine 4 Meter entfernte Ecke, kletterte an einem dort stehenden Akten- ständer hoch, sprang von da auf einen Schranktisch und gelangte über diesen im Galopp zum Käfig, den es mit einem zweiten Sprung erreichte. Diese Handlung vollzog sich so schnell, sicher und folgerichtig, daß sie den Eindruck erweckte, als wäre sie oft geübt worden. Ohne die Voraus- setzung einer ganz ausgezeichneten Kombinationsgabe ist ein so scharfes Erfassen einer ganz ungewohnten Sachlage, ein so rasches Erkennen des einzigen zum Ziel führenden Weges und der dazu notwendigen einzelnen Schritte kaum erklärbar. Unter unseren höheren Haustieren, wie Hund und Katze, würde ich keinem eine so vollkommen sach- und zweckgemäße Selbst- hilfe zugetraut haben, bin auch überzeugt, daß man schon weit im Tier- reich, selbst auch unter den Affen umhersuchen müßte, um ein zweites Bei- spiel dieser Art zu finden. Und dabei handelt es sich um ein drei Monate altes Tier niederer Ordnung! — Dieses eine Beispiel mag für viele andere genügen, die in übereinstimmenden Zügen den intellektuellen Stand des Fleckenrollers kennzeichnen, wohlbemerkt den Stand eines Weibchens wäh- rend eines Entwicklungsabschnittes. Dies muß deshalb hervorgehoben wer- den, weil erfahrungsgemäß bei den meisten Tieren, selbst beim Menschen die geistige Entwicklung keineswegs immer der körperlichen parallel ver- läuft, sondern sehr häufig früher abgeschlossen wird oder gar rückläufige Richtung annehmen und nach dem Geschlecht verschieden sein kann. Diese Verschiebungen der geistigen Potenzen nach Geschlecht und Altersabschnitten wären eingehenderer Forschungen wert, da sie für die Bewertung der psy- chischen Vorgänge unentbehrlich sind. Wie Nandinia sich in diesem Punkt verhält, ist noch zu ermitteln. Vorläufige Beobachtungen weisen darauf hin, daß ihre geistige Entwicklung zwischen dem 3. und 5. Monat die größten, hernach langsamere Fortschritte macht und in der Hauptsache, abgesehen von der Vervollständigung von Erfahrungen, etwa mit der Voll- endung des Wachstums abschließt, dann aber das erreichte Niveau beibehält, wenigstens bei der Art der Gefangenschaft, in der die Tiere bei mir ge- halten wurden. — So wenig diese Ausführungen auf Vollständigkeit Anspruch machen, so dringlich mögen sie darauf hinweisen, welch ein weites Feld der Zoo- logie noch brach liegt, welche bedeutsamen Probleme der Biologie bez. Etho- logie durch die Erforschung der psychischen Vorgänge, ihrer ontogenetischen und individuellen Entwicklung unter Einschluß ihrer hier nicht berührten NE PAR® Sen a Fe Re" Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 01 Beziehungen zu den Vorgängen während der Geschlechtsreife und Fort- pflanzung noch zu lösen sind. — Das Ergebnis würde ein Gegenstück zur bisherigen Klassifizierung der Tierwelt nach rein morphologischen Gesichtspunkten bilden können, d.h. eine Gruppierung der Arten nach dem Grade ihrer intellektuellen und psy- chischen Fähigkeiten, wenn man will eine Stufenleiter oder einen Stamm- baum von einem funktionellen Gesichtspunkte aus. — Anmerkungen. l) Aus dem Leben ostafrikanischer Säuger. — Zoolog. Beobachter 48, 1907 Nr. 6—9. 2) Die Säugetiere Deutsch-Ostafrikas, Berlin 1895 p. 70. 3) Das Tierreich. — Hausschatz des Wissens 2, p. 1138. Neudamm 1897. *) Über einen Sinnesapparat am Unterarm der Katze usw. — Zeitschr. f. wissensch. Zoologie 42, 1909, p. 291 u. £. 5) Am gründlichsten und regelmäßigsten übt er diese Gewohnheit bei der Darreichung von gekochten oder geräucherten Fischen aus. 0) Über die systematische Stellung der Nandinia binotata. — Zoolog. Jahrb., Abt. f. System., Geogr. und Biol. 13, 1900, p. 509 — 528. 02 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, III, 1928. 3.) Bemerkungen über die roten Stummelaffen. Von ERNST SCHWARZ. Die Stellung der braunen und roten Stummelaffen ist bisher noch allen Autoren unklar gewesen. Seit ROCHEBRUNE!) und TROUESSART?) begannen, sie auf verschiedene Untergattungen zu verteilen, ist diese Ansicht die herrschende geblieben und selbst der ausgezeichnete DE POUSARGUES°) hat sich davon nicht freimachen können. Auch MATSCHIE*) und LÖNNBER@°) sind ihr treu geblieben. — Bei ge- nauerer Betrachtung und nachdem alle Formen vom Gambia bis Zanzibar revidiert sind, ergibt sich mit Sicherheit, daß alle der gleichen Gruppe angehören und nur lokale Formen einer einzigen Art, Oolobus badıus KERR, sind, von denen fast überall nur ein einziger Repräsentant zu finden ist und bei denen allein im Gebiet des unteren Sanga eine geringe Überschiebung der Verbreitungsgebiete zweier Rassen statt- gefunden hat, die geologisch jungen Datums und von viel gerin- gerer Bedeutung ist als die sekundären Überdeckungen bei der Gruppe des Colobus polykomos. | Die Erklärung für diese Auffassung liegt in der außerordentlich großen individuellen Variation, die hauptsächlich die Färbung betrifft. Die Gebißunterschiede, die nach DE POUSARGUES®) die Untergattung Procolobus ROCHEBRUNE charakterisieren sollen und die ebenfalls individuell sind, haben geringere Bedeutung. Die Färbungsunter- schiede werden bedingt durch den jeweiligen Grad der Ausbildung von rotem und schwarzem Pigment, so daß die Gesamtfärbung ent- sprechend vorwiegend schwarz, braun oder rot ist. Die Variation kann in hohem Maße individuell sein, wie bei der Form des Ituri- Gebietes (Ü. b. ellioti), aber auch lokal mehr schwarz (C. b. badius), braun (O. b. powelli) oder rot (CO. b. tholloni) werden. Wohin die Auf- teilung in verschiedene Untergattungen führen kann, zeigt die Tat- sache, daß verschiedene Färbungsphasen der gleichen Lokalform von verschiedenen und z. T. sogar von denselben Autoren als Angehörige verschiedener Untergattungen angesehen worden sind. So ist die Form des Uelle- und Albert-See-Gebietes (0. b. powelli) beschrieben worden als Colobus (Prliocolobus) poweli MATSCHIE, Colobus (Tropicolobus) schu- botzi MATSCHIE und Colobus (Piliocolobus) brunneus LÖNNBERG. Die südlich anschließende, so sehr variable Rasse (CO. b. elliotti) ist als Pihio- colobus anzeliust MATSCHIE und Piliocolobus ellioti melanochir MATSCHIE i h v N " a - \ ERNST SCHWARZ, Bemerkungen über die roten Stummelaffen. 03 als Glied der roten aber als Colobus (Tropicolobus) multicolor LORENZ und Colobus (Tropicolobus) variabilis LORENZ als der braunen Gruppe zugehörig betrachtet worden. Die Schädel beider Arten der Gattung Colobus sind einander im Ganzen sehr ähnlich, unterscheiden sich aber in einigen wesent- lichen Merkmalen, die DE POUSARGUES’’) z. T. schon beschrieben hat. Oolobus polykomos: Bullae leicht erhaben, rauh, Apex breit, Spina tubaria kurz, breit, gerundet. Lamina lateralis pterygoidei nach hinten verlängert und mit einer breiten Spange seitlich an die Spina tubaria angelegt. Temporalleisten nicht zu einer Crista sagittalis vereinigt oder doch nur im Abschnitt der Parietalia. Oolobus badius. Bullae flach; Apex spitz, gekielt; Spina tubaria lang ausgezogen, zugespitzt. Lamina lateralis pterygoidei kurz, vor der Fissura ovalis endend und daher nicht bis zur Bulla reichend. — Crista sagittalis beim S immer gut ausgeprägt und von der Mitte der Frontalia an geschlossen. Wesentliche Unterschiede im Gebiß bestehen nicht. Doch zeigt bei C©. badius der Talon des M, eine etwas stärkere Neigung zur Ver- breiterung und gelegentlich zur Teilung in zwei getrennte Höcker, eine Eigenschaft, die DE POUSARGUES als charakteristisch für die Unter- gattung Procolobus angesehen hat, die aber nicht konstant ist, wie schon TROUESSART°) gesehen hat. Sie findet sich bei den ver- schiedensten Formen der Gruppe, ist aber nirgends konstant, nicht einmal bei ©. b. verus, wo DE POUSARGUES sie zuerst beobachtet hat; der Typus von Colobus cristatus GRAY (= verus!?) hat sie nicht. Die Gruppe des ©. badius ist offenbar die primitivere der beiden Arten der Gattung. Die Ausbildung der Crista sagittalis und die geringere Verknöcherung der Lamina lateralis pterygoidei entsprecheu mehr einem generalisierten Typus ebenso wie das Fehlen der Hyper- pigmentierung und der weißen Mähnen in der äußeren Erscheinung. Wie bei Ü©. polykomos finden sich verschiedene Ausbildungen der Kopf- frisur, von der primitiven Form des zentralen Wirbels bis zum langen, breiten, aufrechtstehenden Schopf oder Büscheln über den Ohren. Die primitive Frisur findet sich wie bei Ü. polykomos angolensis im Gebiet südlich des Congo bei ©. badius tholloni am besten ausgebildet. Die Ausbreitung der roten Stummelaffen dürfte ähnliche Wege gegangen sein wie die der schwarzen. Aus dem Ausstrahlungszentrum im Süden (tholloni) des alten Congobeckens geht entlang der Küste ein Zug nach Westen bis zum Gambia (bouwier:, preussi, pennanti, = Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. verus, badius, temminckü). Eine zweite Gruppe geht über den obersten Congo hinüber und breitet sich einmal auf seinem rechten Ufer strom- abwärts aus bis an und über den Ubangi hinaus (foai, graueri, ellioti, nigrimanus, oustaleti) und geht nach Norden bis über den Uelle und an den Albert-See (powelk), sodann über den Graben hinüber zum Ruwenzori (tephrosceles) nach Ruanda (gudoviusi) in die Utschungwe Berge (gordonorum) und nach Zanzibar (kirki). Im Gebiet der Kenya- Kolonie östlich des Ruwenzori, also am Elgon, im Mauwald, am Kenya und Kilimanjaro oder in Usambara, wo der schwarzweiße Colobus in verschiedenen Formen lebt, kommt heute keine Form der badius-Gruppe, die auf den dichten Regenwald beschränkt ist, vor. Nur ©. b. rufomi- tratus lebt in den Galeriewäldern des unteren Tana. Folgende Formen des Colobus badius werden hier anerkannt ?). I. Sektion des 0. b. badius KERR. 1. Colobus badius temminckü KUHL !9). Syn. fuliginosus OGILBY, rufofuligmus OGILBY. Verbreitung: Oberer Senegal, Gambia bis Französisch-Guinea, 2. Colobus badius badius KERR. Syn. ferrugineus SHAW, ferruginosus E. GEOFFROY, rufo- niger OGILBY !}). Verbreitung: Sierra Leone, Liberia. 3. Colobus badius verus VAN BENEDEN. Syn. olivaceus WAGNER, cristatus GRAY "?). Verbreitung: ?Liberia, Goldküste, Togo. | 4. Colobus badius preussi MATSCHIE °). Verbreitung: Bisher nur vom typischen Fundort Barombi am Elefanten-See, nördlich des Kamerun-Berges, bekannt, 5. Oolobus badius pennanti WATERHOUSE '*). Verbreitung: ?Fernando Po, II. Sektion des ©. b. tholloni E. RIVIERE. 6. Oolobus badius bouvieri ROCHEBRUNE ®°). Syn. likualae MATSCHIE. Verbreitung: Bisher nur vom unteren Sanga, Französisch- Congo, bekannt, 7. Colobus badius tholloni E. RIVIERE. Syn. lovizettii MATSCHIE. Verbreitung: Waldgebiet südlich des Congo, auch südlich der Kasai-Sankuru-Linie; Grenze nach Osten unbekannt. ERNST SCHWARZ, Bemerkungen über die roten Stummelaffen. 95 III. Sektion des ©. b. rufomitratus PETERS, 5, 10. Er. 12. 13. 14. 15. 16. 17. Colobus badius foai DE POUSARGUES. Syn. kabambarei MATSCHIE, lulindicus MATSCHIE. Verbreitung: Waldgebiet zwischen dem nördlichen Tanganyika und dem Congo. Colobus badius graueri DOLLMAN. Verbreitung: Gebirgswälder im Nordwesten des Tanganyika. Genaue Grenzen unbekannt. Colobus badius ellioti DOLLMAN. Syn. anzeliusi MATSCHIE, melanochir MATSCHIE, multicolor LORENZ, variabilis LORENZ. Verbreitung: Zone des dichtesten und feuchtesten Regen- waldes im Gebiet des Lindi, Semliki und Ituri-Aruwimi süd- lich bis zum Lowa bekannt (BARNS); Grenze im Nordwesten unsicher. Colobus badius powelli MATSCHIE. Syn. schubotzi MATSCHIE, dDrunneus LÖNNBERG. Verbreitung: Nördlicher Vertreter des vorigen in der Zone der Galeriewälder. Gebiet des Albert-Sees, des Uelle, Kibali, Bomokandi, Rubi, Likati; geht im Norden über den Uelle hinaus. Colobus badius nigrimanus 'TROUESSART ®). Verbreitung: Nur in einem Stück bekannt von Liranga, am Congo unterhalb der Ubangi-Mündung. Oolobus badius oustaleti TROUESSART !”). Syn. umbrinus MATSCHIE. Verbreitung: Bisher bekannt von Yumba am rechten Ufer des unteren Ubangi und von Bungi und Gombe am mittleren Sanga. Colobus badius tephrosceles ELLIOT. Verbreitung: Ruwenzori. Colobus badius gudoviusi MATSCHIE. Verbreitung: Bisher nur vom typischen Fundort, südöstlich des Burigi-Sees, Karagwe, bekannt. Colobus badius gordonorum MATSCHIE. Verbreitung: Utschungwe Berge, Ost-Afrika. Colobus badius rufomitratus PETERS. Verbreitung: Galeriewälder am unteren Tana, Ost-Afrika !?). 06 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. VI. Sektion des ©. b. kirki GRAY. 18. Colobus badius kirki GRAY. Verbreitung: Zanzibar. Anmerkungen. 1) Faune Senegambie, Suppl. Vert. fasc. 1, p. 95— 97 (1887). 2) Cat. Mamm. Suppl. p. 9 (1904). 9) Ann. Sci. Nat. (8) 3, p. 162 (1896). *) Mehrere Arbeiten mit Beschreibungen neuer Formen; zuletzt Sb. nat. Fr. p. 33841, 343—45 (1914). 5) ].c. p. 108—115 (1919). 6) Bull. Mus. Hist. Nat. 1, p. 98 (1895); Ann. Sci. Nat. (8) 1, p. 250 (1895). ?) 1. c, (1895). 8) Bull. Mus. Hist. Nat. 12, p. 444 (1906). 9) Die Literatur findet sich ausführlich bei ALLEN, Bull. Am. Mus. Nat. Hist. 47, p. 4385 —441 (1925). 10) Typus von Colobus temminckii KUHL. Museum Leiden. Cat. SCHLEGEL No.1; Cat. JENTINK a., & ad., ausgestopft, kein Schädel; e Mus. BULLOCK. Typus von Colobus fuliginosus OGILBY. Brit. Mus. No. 87.7. 15. 355. Balg aus ursprünglich ausgestopftem Stück, ohne Schädel. Dr, P. RENDALL coll.; West- Afrika (nach dem Sammler zu schließen Gambia), Paratypus von Colobus fuli- ginosus OGILBY. Mus. Paris. Gal. No. 183. pull. „Dela Gambie, decrit par MOGILBY venu en angleterre avec l’individu adulte (type) de la description de cet auteur. Achet€ par M. JOURDAN et Echange par lui au musee. 7 septembre 1837“; Type. Gambie. Mus. de Lyon. Alle diese Stücke zeigen das helle Rostrot und den schieferblauen Ton der Oberseite, der für die westliche Form des roten Stummelaffen charakteristisch ist. Bisweilen wird der Ton der Rückenfärbung tiefer, bis schwarz, ist jedoch fast immer heller und nie so ausgedehnt wie bei der Form von Sierra Leone und Liberia. ©. b temminckit habe ich in modernen Stücken gesehen vom Gambia (ARMITAGE, Brit. Mus.), Oberer Senegal (BOUKET, Mus. Paris), Französisch-Guinea (LIURETTE, MACLAUD, Mus. Paris). (Cercopithecus temminckü OGILBY, Library of Enter- taining Knowledge, Menageries I, p. 345 (1838), ist offenbar auf Colobus temminckü KUHL zurückzuführen, aber seit OGILBY irrtümlich immer in der Liste der Cercopithecus-Arten geführt worden. | 11) Typus von Colobus rufoniger OGILBY, Brit. Mus. No. 55. 12. 24. 407; e Coll. Zoological Society; Eingeborenenfell ohne Kopf, Hände und Füße, aber sonst in gutem Zustand und nicht ausgebleicht. 12) Typus von CÜblobus cristatus GRAY. Brit. Mus. No. 61.6.1.2; Q alt; „Purchased; sent with Colobus vellerosus J. E.G.* Der typische Fundort kann daher als Goldküste angenommen werden. Ein alter ausgeblichener, jetzt sehr gut aus einem ursprünglich ausgestopften Stück hergerichteter Balg; dazu Schädel. Im Museum Leiden befindet sich ein ausgestopfter C. b. verus, der von STAMPFLI angeblich bei Schieffelinsville, Junk-Fluß, Liberia, gesammelt ist (Cat. JENTINK B; Or. No. 8). Da von dem gleichen Ort BÜTTIKOFER (. b. badius { | ERNST SCHWARZ, Bemerkungen über die roten Stummelaffen. 07 mitgebracht hat, der auch noch weiter östlich bis nach der Elfenbeinküste geht (oberer Cavally, coll. AUZEMBERGER (18407), coll. SCHOMBURGK (19831); (Mus. Berlin), so klingt diese Angabe unwahrscheinlich. Derselbe STAMPFLI hat ja auch eine Meerkatze, die nach ihm (\, stampflüi benannt wurde, von Liberia mitgebracht, die sich später als identisch mit der viel östlicheren ©. n. martini erwies. Es ist also sehr wohl möglich, daß ST. das fragliche Tier nicht selbst erlegt, sondern es irgendwie erworben hat. | 13) Typus. Mus. Berlin No. 6588; Barombi, Elefanten-See, S.W. Kamerun; Dr. PREUSS coll,; Balg. Ein zweites gleiches Stück, etwas defekt, vom selben Fundort. 14) Lectotyp (hier fixiert). Brit. Mus. No. 41.1751; Fernando Po; G.KNAPP,; ein zweites Stück mit der gleichen Geschichte: B. M. No. 41. 1752 (Paratyp). Ein- geborenenfelle ohne Gesicht, Kopf und Füße. Diese beiden Exemplare sind so viel dunkler, schwarzbraun, auf dem Rücken und haben nichts von dem leuchtenden Rot von bouvieri, mit dem sie die hellen Wangen teilen, daß ich vorlaufig nicht der Meinung von DE POUSARGUES (Ann. Sci. Nat., Zool., (8) 1, pp. 260—63 [1895], 3, pp. 157—62 [1896]) folgen kann und bouvieri als Synonym hierher stelle. Dessen bisher bekannte Verbreitung im Innern deutet vorläufig auch nicht darauf hin, daß die KNAPP’schen Felle, auf die pennanti begründet ist, aus dieser Gegend stammen könnten, Allerdings ist (. b. pennanti in Fernando Po bisher nicht wieder gefunden worden. 15) Typus von Piliocolobus bowvieri ROCHEBRUNE. Mus. Paris, Cat. Gön. No. 1886— 109 (Galerie No. 133B); ausgestopft in der Schausammlung. d jun.; J. DE BRAZZA. Abgebildet bei DE ROCHEBRUNE. Ein zweites etwas dunkleres . Examplar (1886—110) mit gleicher Geschichte. Der typische Fundort ist: Mongo, rechtes Ufer des Congo, 2 Tagereisen zu Boot oberhalb der Alima-Mündung (vgl. J. DE BRAZZA in: P.S. DE BRAZZA, Conferences et Lettres de P. S. De BR. sur ses trois explorations dans l’ouest africain, p. 387 (1886). Die 3 Felle von Colobus (Piliocolobus) likualae MATSCHIE in Berlin stimmen in allen wesentlichen Merkmalen mit bouvieri überein. 16) Typus von Cblobus nigrimanus 'TROUESSART, Mus. Paris, Cat. Gen. Nr. 1968—33, Galerie Nr. 154C; J. DYBOWSKY coll. 1891; Or. Nr. 289, 12) Typus von Colobus oustalei TROUESSART. Mus. Paris. Cat. Gen. No. 1908—34 (Galerie No. 134B), J' alt. Yumba, Ubangi; J. DYBOWSKY. coll. 12.7.1891. Ausgestopftes Stück; Schädel extra. Typus von Colobus (Tropicolobus) umbrinus MATSCHIE; Mus. Berlin No. 17966; d’ alt. Bungi, mittlerer Sanga; G. ESCHERICH coll., Or. No. 178. In Paris ein zweites Fell (No. 1911--2150) von oustaleti mit gleicher Geschichte wie der Typus. In Berlin 2 Topotypen von „umbrinus“ (Nr. 17969, 17971) und 1 Stück von Gombe; alle diese Stücke stimmen im wesentlichen überein und zeigen wenig individuelle Variation. 18) Typus. Mus. Berlin No, 5545; 9’; Muniuni, Tana-Fluß ; FISCHER coll., Ausgestopftes Stück mit Schädel extra, Im British Museum befinden sich 2 Bälge aus neuerer Zeit, ebenfalls vom unteren Tana (B.M. No. 23.10.15.1—2; 3,9; K. CALDWELL coll.), die dem Typus völlig gleichen. 98 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 4.) Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. Von HAns VIRCHOW, (Berlin). Mit 26 Abbildungen, davon 16 auf den Tafeln I—V. Inhalt. Seite A. Einleitung. . . . NR Gesamtform des Fußskeletes Se B. Knochen... eu. cu... ei: a) Allgemeines. Bett... . .. . ul. b) Libio-Pibula. . 0. . ne anne a en ee Er €): Talus.. u... ls. latest Das en ke lese ke ee d) Calcaneus u ee ee are re e) Naviculare . . 114 Steg p. 114, Schnabel des Steges. p- Sal, Stege bei anderen Säugetieren 116. f) Onbolder N N RE NE NE Le a a IE 8) Cuneiformia . \Welne elle une ee N le h) Metatarsalien . ! .. 2 0 oe 00 u ei C. Gelenkbänder , ee a el ee Re A lc, a) Allgemeines . . ee ee ie ee ee ei b) Die einzelnen Bänder BL NE 123 Lig. malleoli lateralis anterius p. 198, Lig. malleoli lateralis posterius p. 124, Lig. calcaneo- fibulare superficiale p. 124, Lig. calcaneo-fibulare profundum p. 125, Lig. talo-fibulare p. 125, Lig calcaneo-tibiale p. 125, Lig. talo-tibiale p. 125, Lig. talo-calcaneum interosseum p. 127, Lig. cal- caneo-metatarsale plantare p. 128, Lig. calcaneo-cuboideum plantare p- 129, Lig. calcaneo-naviculare plantare p. 131, Lig. calcaneo-cuboideum laterale p. 131, Lig. calcaneo-naviculare dorsale p. 131, Lig. cuboideo- naviculare dorsale p. 182, Lig. cuneo-naviculare dorsale p. 132, Lig. Lig. navi-metatarsale dorsale p. 132, Lig. cuneo-cuboideum dorsale p.132, Lig. cuneo-cuboideum plantare p. 132, Lig. calcaneo-metatarsale me- diale p. 132, Lig. navi-metatarsale mediale p. 132, Lig. cuneo-metatar- sale dorsale p. 133, Lig. cuboideo-metatarsale dorsale p. 133, Lig. cubo- ideo-metatarsale laterale p. 133, Lig. cuboideo-metatarsale plantarep. 133, Lig. navi-metatarsale plantare p.133, Lig. rostro-metatarsale p. 133, Lig. basium metatarsalium transversum p. 134, Lig. basium metatarsalium zwischen 2. und 3. Metatarsale p. 134, Lig. basium metatarsalium zwischen 2. und 3. Metatarsale p. 134, Lig. basium metatarsalium zwischen 3. und 4. Metatarsale p. 135, Lig. basium metatarsalium zwischen 4. und 5. Metätarsale p. 135. D. Bewegungsmöglichkeiten a... 188 2) Allgemeines a ; 2 3 b) in den cruro- tarsalen und Miratarsalen Verbindungen Pe lit c) in den tarso-metatarsalen Verbindungen . . 139 d) in den metatarso-phalangealen und interphalangealen lerabikadiemsen 140 E. Gelenke @ o . . . [) Ü) ° o [) e . . o . . . . Ö . . e 141 a) Vorbemerkungen ..... 00 u un a. N re il b) talo-erurale Verbindung . . „eu. 0n un... EEG HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes, 99 Seite BR onleaneg:erurale Verbindungen et a7 Dietalo-enleameale, Verbindung: 20 vn re ee 149 Burtalosnavionlare, Verbindung, en ae en ol Brenleanee-cuboideale Verbindung nn. 2.2 were u... 101 Ba EHnisoRemenkume ee en“. 192 ran OB 2) AULBEITTEITER. Re en ae ee RR Era N ee er 57 2. JraspE Kcal ee 157 Se tele Talent eat alien ee wre Nähte LE 2 TIERE Saleslronanhon Br ee De er en 1335) .. tlsaealegay a RO ra N EEE Re 13) 6 NS noSterIon ee ee rd g\ Tibialis anterior . . » DAS IL Tea EN REN..0 09) h) Extensor digitorum Tigam. mike) N RE er R6O DeRtensor disitorum accessoriusı "2.1... Aura er nen u, 62 &) FERNMIEN oa Mohn a MEERE I oe er EEE | 07 , stereseäl, ara By haar a ee \ > Be nemerkunsy, ee se ld a. Vorwort. Die vorliegende Arbeit verdankt ihre Entstehung einem Zufall, nämlich dem Umstande, daß ich zu Weihnachten 1925 einen Hasen geschenkt be- kam. Ich entnahm demselben einen Unterschenkel mit Fuß, zergliederte ihn und war durch das Ergebnis der Untersuchung dermaßen gefesselt, daß ich im Anschluß daran eine ganze Anzahl von „Hasenpoten“ präparierte; auch zerhackte ein Wildprethändler, dem mein Eifer Spaß machte, einen Hasen im Fell, um mir ein Hinterviertel desselben zwecks nochmaliger Untersuchung der Beinmuskeln zu überlassen. Zwei Studierende der Medi- zin, ISOLDE HARTLAUB und HERTHA SCALE, unterstützten mich durch Halten der Präparate und Protokollieren. Der Vorsitzende der damals eben gegründeten „Gesellschaft für Säuge- tierkunde“, Herr HECK, nahm, sobald er von dem Thema hörte, sofort An- teil an demselben und bewies dies dadurch, daß er mir gestattete, photo- graphische Aufnahmen der Präparate in der photographischen Abteilung des Zoologischen Gartens herstellen zu lassen. Daraufhin machte Frl. GOLLE am 18. August 1926 12 Aufnahmen von einzelnen Knochen und von Knochenkombinationen. Ich war eigentlich überrascht, daß Herr HEcK, der als Direktor des Zoologischen Gartens täglich die seltensten und größten Tiere vor Augen hatte, sich für den Hasen erwärmte, aber ich mußte an- erkennen, daß er auch in diesem Falle, wie in so manchen anderen, in welchen ich schon sein Urteil bewundert hatte, eine feine Witterung zeigte. Weitere Aufnahmen waren nötig, um Tarsus und Metatarsus in der Zusam- mensetzung nach Form sowie Bänder und Muskeln zu veranschaulichen. Solche wurden in der Zahl von 17 im September 1926 in der photographischen Lehr- 7F 100 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. anstalt des Lette-Vereins durch Frau G. SCHMITZ und Schülerinnen dieser An- stalt hergestellt. Auf der Grundlage dieser Aufnahmen fertigte Frl. L. KRAUSE zunächst 10 Federzeichnungen, dann ein Jahr später noch weitere fünf, ich deren fünf. Dies umständliche Verfahren war nötig, denn die Photos selbst, so vorzüglich sie auch waren, hätten doch ihrer Natur nach nicht bieten können, was durch die wissenschaftliche Aufgabe verlangt war. Wiedergabe der Photos war nur bei den Abb. 1,2, 3, 4, 9, 26 möglich. Ich hatte bei dieser Untersuchung nicht ein von vornherein bestimmtes Ziel; mein Wunsch war nur, mich zu belehren. Allerdings waren meine Ge- danken von Anfang an mehr auf die Mechanik des Fußes gerichtet. Damit soll die morphologische Betrachtung nicht zurückgesetzt werden. Jeder, der sich mit einer morphologischen Aufgabe eingehend beschäftigt, wird ja von selbst auf funktionelle Betrachtungen geführt, ebenso wie der, der sich mit einer funktio- nellen Aufgabe beschäftigt, auf morphologische Betrachtungen. Es wird sogar von funktionellen Aufgaben aus die Morphologie auf ein Gebiet hingewiesen, welches sie im allgemeinen unbearbeitet läßt, auf das der Bänder. Es ist ja begreiflich, daß die Bänder zu morphologischen Betrachtungen nicht sehr locken, weil sie nach den Seiten hin mit anderen bindegewebigen Formationen in Verbindung stehen und oft nicht scharf abgegrenzt sind. Aber an sich haben auch sie Anrecht auf morphologische Berücksichtigung, denn die Vererbung steckt in allen Teilen des Körpers. b. WILHELM KRAUSE. Es liegt bereits eine Darstellung vor, welche zwar nicht ganz das Gleiche aber doch der Hauptsache nach das Gleiche behandelt, nämlich die Beschreibung des Kaninchens durch WILHELM KRAUSE. Ich weiche, was Beobachtung, Be- schreibung, Benennung anbetrifft, in so vielen Punkten von KRAUSE ab, daß ich mehrere Seiten damit füllen müßte, wenn ich alles das genau angeben und begründen wollte, worin die Abweichung besteht. Das würde eine zu unfreund- liche Einleitung zu meiner Arbeit sein. Auch werden meine Einwendungen wirk- samer sein, wenn sie an denjenigen Stellen gemacht werden, wo sie sich aus dem Zusammenhange ergeben. Auf keinen Fall handelt es sich, wie man wohl denken könnte, um Verschiedenheiten, die durch die Gegenstände, bei KRAUSE Kanin- chen, bei mir Hase, bedingt sind. Vielmehr wenn ich meine Befunde mit KRAUSE’s Darstellung vergleiche, so sehe ich deutlich, daß es sich in der Sache jedesmal um das Gleiche handelt. Natürlich ist nicht zu erwarten und auch nicht zu ver- langen, daß in einem Buche, welches die gesamte Anatomie eines Tieres ein- schließlich einiger mikroskopischer Anatomie behandelt, jeder einzelne Apparat so genau durchgearbeitet ist, wie in einer Sonderbearbeitung, die sich auf ein kleines Gebiet beschränkt. Die KRAUSEsche Anatomie des Kaninchens stellt eine achtunggebietende Leistung dar. Allein die Bewältigung einer umfangreichen Literatur (872 Nummern), ja nur das Ausschreiben so vieler Titel ist erstaunlich. Aber unbeschadet der Bewunderung für eine so umfassende Arbeit kann ich doch nicht umhin, mit Rücksicht auf den Gegenstand zu bemerken, daß abgesehen von einer ganzen Anzahl von unscharien und fehlerhaften Beschreibungen im Einzel- | HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 101 nen einige Benennungen vorkommen, welche Verstöße gegen die vergleichend- morphologische Auffassung darstellen. Am schlimmsten aber sieht es aus bei den Gelenken ; doch davon will ich lieber späterhin sprechen, wenn ich auf die Gelenke komme. c. Teile der Untersuchung. Die Untersuchung eines Bewegungsapparates, wenn sie vollständig sein soll, hat sich mit sieben Dingen zu beschäftigen: 1. mit den isolierten, durch Maceration gesäuberten Knochen, insbe- sondere den für die Gelenkverbindungen dienenden Flächen derselben ; 2. den Bändern, 3. den Muskeln, 4. den Bewegungsmöglichkeiten, 5. den Gelenken, 6. der Lage der Knochen zu einander in dem in Betracht kommenden keletabschnitt und in Stücken desselben, welche durch Zusammensetzung in Form festzustellen ist; 7. mit den Haltungen und Bewegungen des lebenden Tieres. Gelegentlich sind auch X-Bilder von Nutzen. | Alle diese Beobachtungen unterstützen, bedingen sich gegenseitig. Nicht nur versteht man von den Knochen aus die Gelenke, sondern auch von den Ge- lenken aus die Knochen; nicht nur von den Gelenken aus die Bewegungs- möglichkeiten, sondern auch von den Bewegungsmöglichkeiten aus die Ge- lenke, usw. Deshalb darf principiell auf keine dieser Untersuchungsarten verzichtet werden. Im vorliegenden Falle aber bleibt uns eine versagt, nämlich die der Bewegungen des lebenden Tieres. Es sei daher über diese Seite der Beobachtung nur das folgende Allgemeine gesagt: Manche Tiere benutzen dieselben Extremitäten zu verschiedenen Ver- richtungen, wovon ich ein hervorstechendes Beispiel bei früherer Gelegenheit besprochen habe, den Tigerfuß (Mechanik der Tigerzehen — Zeitschr. für Säugetierkunde 1, pg. 64—90. 1926), der einerseits Krallapparat, andererseits Stützapparat ist. In einem solchen Falle ist natürlich die Auf- gabe des Organismus, die Extremität passend auszugestalten, so daß sie mehreren Aufgaben in möglichst vollkommener Weise dienen kann, ohne daß die verschiedenen Aufgaben sich gegenseitig im Wege sind, besonders schwierig. Diejenige Extremität muß am leichtesten begreifbar sein, bei der sich keine solchen Komplikationen finden, die vielmehr einer einzigen be- stimmten immer gleichen Aufgabe streng angepaßt ist, oder bei der doch 102 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. wenigstens eine Hauptaufgabe dermaßen bestimmt in den Vordergrund tritt, daß sie die Gestalt des Organes beherrscht. Beim Hasen besteht für die Hinterextremität eine derartige einseitige Hauptaufgabe. Es ist der flüchtige Lauf, denn er allein sichert dem Tiere die Möglichkeit, in der feindlichen Welt auszudauern. Aber der Mechanis- mus dieser Bewegung entzieht sich wegen des schnellen Ablaufes der Be- obachtung. Daß Film und Zeitlupe uns helfen könnten, ist nach deren er- staunlichen Leistungen auf anderen Gebieten anzunehmen, aber sie haben sich wohl diesem Gegenstande noch nicht zugewandt. Auch ein Sohlenpolster, welches in anderen Fällen, wie bei Raubtieren und beim Känguru (Macropus rufus) wertvolle Winke für die Beurteilung der Stützaufgabe gibt, fehlt beim Hasen, dessen Fuß ringsum behaart ist. d) Gesamtform des Fusses. Bevor wir an die Einzelheiten herangehen, sei ein Blick auf die Gesamtform des Fußes geworfen, die ja die Resultante aus den Formen der Teile ist. Daher ist nicht nur die Gesamtform von den Teilen, sondern sind auch die Teile von der Gesamtform aus verständlich zu machen. Um von der Gesamtform ein richtiges Bild zu erhalten, muß das Fußskelet nach Form zusammengesetzt werden. Dies ist gemacht worden, (Abb. 11, 12, 13, 14 auf Tafel I und II) wobei aber die Zehen fortgelassen sind, da es nur darauf ankam, die Mechanik von Tarsus und Metatarsus klar zu machen. Unter dieser Arbeit habe ich gemerkt, daß, wenn man den Bau des Hasenfußes möglichst vollständig zur Anschauung bringen wollte, noch weitere Stück-Zusammensetzungen nötig waren. Da ich selbst dazu nicht gekommen bin und auch kaum noch dazu kommen werde so gebe ich die in Betracht kommenden Kombinationen an für den Fall, daß ein anderer, sei es aus Gründen des Unterrichtes, sei es aus solchen weiterer Forschung, sie herstellen will. Es sind ihrer 8, näm- lich die folgenden: 1. Talus und Calcaneus von dorsalflektierter Fußhaltung, 2. Talus und Calcaneus von plantarflektierter Fußhaltung, 3. Tibio-Fibula, Talus und Calcaneus, wobei Tibio-Fibula recht- winklig zur Fußachse steht, 4. Tibio-Fibula, Talus und Calcaneus, vom dorsalflektierten Fuße, 5. Tibio-Fibula, Talus und Calcaneus, vom plantarflektierten Fuße, HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 103 6. Vordertarsus (Cuboides, Naviculare, Cuneiforme II und III), 7. die 4 Metatarsalien, 8. ein Strahl von Stützstellung des Fußes. An der Form des Fußes fallen vier Merkmale auf: 1. Der Hasenfuß ist lang. — Die Länge ist eine gemeinsame Eigentümlichkeit der Lauftiere und vor allem der Springtiere; es ist jedoch in jedem Falle von Interesse, an welchen Knochen sie sich äußert. Beim Hasen sind es — abgesehen von den Metatarsalien und Phalangen — Talus und Calaneus (die übrigen Tarsalien nicht). Diese Verlängerung von Talus und Calcaneus wird ausgenutzt, wie sich zeigen wird, im Interesse des Mechanismus. 2. Der Hasenfuß ist schmal, jedoch nach vorn verbreitert. Die Schmalheit ist ebenfalls eine Eigentümlichkeit der Lauf- und Spring- füße. Sie tritt an den nach Form zusammengesetzten Füßen noch bestimmter und überzeugender hervor, weil hier die Knochen richtig zueinander gestellt sind und nicht einfach platt nebeneinander liegen. 3. Der Mittelfuß des Hasen ist symmetrisch gestaltet. Dies ist ebenfalls eine Eigentümlichkeit der Lauffüße. Man muß prüfen, wie weit die Symmetrie geht und an welchen Teilen sie sich äußert; nicht nur Knochen, sondern auch Bänder und Muskeln sind darauf- hin zu mustern. In sehr eleganter Weise äußert sich beim Hasen die Symmetrie in der seitlichen Abbiegung des 2. und 5. Metatarsale, indem das vordere Ende des 2. medianwärts und das des 5. lateralwärts abgebogen ist. Aber die Symmetrie ist keine vollkommene, da das 3. Metatarsale länger ist als das 4., das 2. länger als das 5. Das Fußskelet des Hasen (Tarsus mit Metatarsus) ist nach der plantaren Seite hin concav, bildet also, um den vom Menschen her gebräuchlichen Ausdruck anzuwenden, ein „Gewölbe“. Die Gewölbe- form tritt an dem nach Form zusammengesetzten Fußskelet des Hasen anschaulich hervor. Sie äußert sich sowohl in Längsrichtung wie in Querrichtung. Es ist sicher von Bedeutung, die Gewölbeform des Hasenfußes und anderer Säugetierfüße mit der des Menschenfußes zu vergleichen. Nach diesen einleitenden Bemerkungen gehe ich auf die Betrach- tung der einzelnen Teile über. 104 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1938. B. Knochen. a) Beschaffenheit der Hasenknochen. — Fett des Hasen. Dieselben zeichnen sich aus durch Härte und Festigkeit, wofür man auch wohl sagen darf: Dichte Das äußert sich in drei Er- scheinungen: 1. in dem hellen Klange beim Anschlagen, 2. in der Splitterung beim Zerschlagen, 3. in der Hartnäckigkeit, mit der diese Knochen beim Entfetten das Fett zurückhalten. Die dritte dieser Erscheinungen bringt mich darauf, eine Be- merkung über das Fett (Fettgewebe) hier einzuschalten, die für unsere mechanische Betrachtung nicht bedeutungslos ist. — Der Hase gilt als fettlos; es ist deswegen allgemein üblich, den Hasen vor dem Braten zu „spicken“. Er hat aber doch Fett, und es ist von Interesse, nachzusehen, wo dieses Fett sitzt und von welcher Art es ist. Es gibt drei typische Stellen und ihnen entsprechend drei Arten von Fett a) in der Bauchhöhle, besonders um die Nieren. Dieses Fett ist weiß und ist seiner Beschaffenheit nach als „Talg“ zu bezeichnen. b) Beim Präparieren der Bänder am Fuß bemerkt man in den Ecken zwischen den Bändern und Knochen winzige Klümpchen von weichem Fett. Dieses ist dunkelgelb gefärbt. Ob es mechanische Bedeutung habe oder ob diese versteckten Räumchen zur Unterbringung von Reservefiett ausgenutzt werden, lasse ich unerörtert. c) Das Knochenmark des Hasen ist sehr fettreich und hat dadurch ebenfalls eine intensiv gelbe Farbe. Es sei erlaubt, hier eine allgemeine Bemerkung anzuschließen : Es ist sehr wichtig, bei allen Säugetieren nicht nur auf Art und Menge des Fettes, sondern auch auf die Verteilung, die Topographie des Fettgewebes zu achten. Ein schla- gendes Beispiel dafür ist der Seehund, bei welchem unter der Haut eine dicke Fettschwarte als Wärmeschutz vorhanden ist, in der Tiefe dagegen, z. B. zwischen den Rückenmuskeln, wo das Fett ein mechanisches Hindernis schneller Bewe- gungen sein würde, dasselbe fehlt. Ich gehe nun an die Beschreibung der einzelnen Knochen. b) Tibio-Fibula. Tibia und Fibula sind in den unteren zwei Dritteln ihrer Länge so vollständig verwachsen, daß man auch keine Andeutung einer Grenze sieht. Das Köpfchen der Fibula ist von’ der Tibia getrennt; nach W. KRAUSE ist es mit ihr durch Knorpel verbunden. Ob das zutrifft, ist mir nicht ganz sicher; ich habe es nicht genauer unter- HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 105 sucht; jedenfalls ist das Köpfchen etwas gegen die Tibia beweglich. Die Möglichkeit einer Bewegung beruht auf der Dünne des freien Fibulastückes, indem dadurch die Elasticität des Knochens zur Gel- tung gelangen kann. Die Angabe von MAX WEBER, daß bei Lepus auch die proximalen Enden beider Knochen verwachsen seien (Die Säugetiere, Jena 1904 pg. 110), fand ich also nicht bestätigt. Das freie Stück der Fibula trifft auf das mit der Tibia ver- schmolzene Stück unter einem leichten Winkel, der allerdings 180° sehr nahe kommt, aber immerhin doch unter einem Winkel. Eine Erläuterung gewissermaßen zu dem Verhalten der Fibula bietet die Fibula des Känguru (Macropus rufus), auf welche ich des- wegen hinweise: Dieselbe ist in dem größeren unteren Abschnitt auf der der Tibia zugewendeten Seite tief rinnenförmig ausgehöhlt und mit dieser Rinne so fest an die Tibia angepreßt, daß man Mühe hat, im frischen Zustande beide Knochen von einander zu trennen. Das obere Stück der Fibula ist auch hier durch einen 180° nahe kommen- den Winkel gegen das angepreßte Stück abgegrenzt; nach der Mace- ration ist jedoch dieser Winkel nicht mehr bemerkbar, indem sich der Knochen durch das Trocknen gerade zieht. Über den Grund der Verschmelzung von Fibula und Tibia habe ich keine ganz feste Meinung gewonnen, und wo es keine feste Mei- nung gibt, da müssen die Möglichkeiten nebeneinander gestellt werden. Am nächsten liegt der Gedanke, daß durch die Verschmelzung der unteren Enden von Tibia und Fibula eine feste Gabel hergestellt wird, wodurch der Artic. talo-cruralis vereinfacht und gesichert wird. Doch fiel mir auf, daß die Sehnen der vom Unterschenkel zum Fuße gehenden Muskeln an das untere Einde der Unterschenkelknochen außerordentlich fest angepreßt sind. Es macht den Eindruck, als sei alles in dieser Gegend auf engen Raum zusammengedrängt, vielleicht um einen möglichst dünnen Körper herzustellen, der beim eiligen Lauf wenig Widerstand gegen Kraut und Luft bietet. Eine dritte Möglich- keit, die aber vielleicht mit der ersten zusammenfällt, liegt darin, daß durch die Verschmelzung von Tibia und Fibula erzwungen wird, daß gleichzeitig mit dem Artic. talocruralis auch der Artic. talocalcaneus spielen muß. Was damit gemeint ist, kann erst später klar werden. An der distalen Endfläche der Tibio-Fibula ist die Grenze beider Knochen leicht zu erkennen als eine tiefe Rinne, in welche die late- 106 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. rale Kante der Trochlea tali hineinpaßt, so daß man hier das Tibia- stück und das Fibulastück scharf unterscheiden kann. Distales Ende der Tibia. — Die Rinne für die mediale Kante der Trochlea tali ist lange nicht so tief wie die für die laterale Kante. Beide Rinnen sind durch eine Kante oder Leiste von einander ge- schieden. Auch am medialen Rande schließt die Fläche mit einer Leiste ab. Einen Malleolus med. kann man dies kaum nennen, höch- stens ein Rudiment eines solchen. Dieser rudimentäre Malleolus med. ist nicht wie beim Menschen nach unten convex, sondern nach unten concav, was bei der Betrachtung von der Seite her deutlich auffällt. Es gibt aber noch etwas an der Gelenkfläche der Tibia, worauf man gar nicht gefaßt ist, nämlich eine vordere Facette, welche unter rechtem Winkel zu der unteren Fläche nach vorn ansteigt. Diese Facette hat von hinten nach vorn eine Breite von 2,5 mm., was in Anbetracht der kleinen Verhältnisse recht erheblich ist. Es ist ein „Hockermerkmal“, was später seine Erklärung finden wird. Distales Ende der Fibula. — Die Fibula reicht weiter ab- wärts als die Tibia. Sie bildet daher einen Malleolus lateralis. Der letztere hat an seiner medialen Seite eine senkrecht gestellte, vorn höhere, hinten niedrigere, nicht ganz ebene Fläche für die Trochlea tali. Im Übrigen sieht dieser Malleolus lateralis wesentlich anders aus als der des Menschen. Das verdankt er dem Umstande, daß er mit dem Calcaneus gelenkig verbunden ist. Er ist daher nicht nach unten convex, sondern nach unten concav oder, noch genauer gesagt, die Fläche, durch welche er sich mit dem Calcaneus verbindet, ist in . dorsoplantarer Richtung concav, in querer Richtung eben (plan) (Abb. 24—26 auf Tafel IV und V). Die Krümmung ist jedoch nicht gleichmäßig; sie ist am stärksten an einer. Stelle, die näher dem hinteren als dem vorderen Rande liegt. Hinter dieser Stelle ist die Krümmung sehr gering; davor ebenfalls, ja eigentlich gar nicht vorhanden. Der hintere Abschnitt ist schmaler (in querer Richtung) und wenn man die Tibio-Fibula senkrecht hält, horizontal, der vordere fällt nach vorn ab. Auch an diese Fläche schließt sich vorn eine besondere Facette, ein „Hockermerkmal“ an, ebenfalls in sagittaler Richtung 2,5 mm breit aber anders gestellt als an der Tibia, steiler, mehr in der Flucht der vorderen Fläche der Fibula. Die eigentümliche Gestalt des Malleolus lateralis würde man gar HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 107 nicht verstehen, ja man würde sie gar nicht auffassen, wenn man nur den isolierten Knochen betrachtete. Man lernt sie erst begreifen, ja sie auch nur wahrzunehmen, wenn man die Beziehungen der Fibula zum Calcaneus in Betracht zieht. Das kann aber nicht geschehen, indem man die ausmacerirten Knochen aneinander hält, auch nicht vollständig, indem man am Gelenkpräparat abwechselnd dorsale und plantare Flexion macht, sondern nur wenn man auch noch die Unter- suchung mittels des Formverfahrens hinzufügt. An der Vorderseite des unteren Endes des Os cruris (der Tibio- Fibula) finden sich zwei schwache senkrechte Leisten von Je 5 mm (senkrechter) Länge, eine mediale und eine laterale, die Ansatzstellen der beiden Schenkel des starken Retinaculum des Extensor digitorum und Tibialis anterior. Die mediale Leiste steht 6 mm höher als die laterale; der Abstand beider in querer (horizontaler) Richtung ist 4 mm. R An der lateralen Seite des unteren Endes findet sich ein scharf hervortretender Höcker, hinter welchem die Furche für die Mm. peronaei abwärts verläuft, um dann unterhalb des Höckers nach vorn umzu- biegen (Abb. 12, 13, 17, 24). c) Talus. (Abb. 15, 16, 17 auf Tafel ID. Am Talus kann man ebenso wie am menschlichen Talus zwei Stücke unterscheiden, den Körper und den vorderen Fortsatz. Der Fortsatz ist, verglichen mit dem des Menschen, verhältnismäßig lang. Von einem „Kopf“ kann man nicht eigentlich sprechen und demgemäß auch nicht von einem Hals. Der Körper trägt die Rolle. Der Processus anterior ist in querer Richtung schmaler als der Körper. Seine mediale Fläche läuft allerdings in gleicher Flucht nach vorn wie die des Körpers, aber an der lateralen Seite ist er ausge- schnitten. Dadurch wird Platz gewonnen für einen zwischen Talus und Calcaneus hindurchgehenden Canalis tarsi, der aber nicht wie beim Menschen horizontal, sondern senkrecht gerichtet ist. Dieser Canalis tarsi ist gänzlich ausgefüllt von dem Ligam. talocalcaneum interosseum, von dem später gesprochen werden wird. Der Talus ist in großem Umfange eingenommen von überknor- pelten Flächen. Deren sind vier zu unterscheiden: a) die Fläche der Trochlea mit einer vorderen uud einer hin- teren Ergänzung, 108 Zeitschrift für Säugetierkunde Bd. III, 1928. b) die Hauptfläche für den Calcaneus, c) die Fläche für das Naviculare, d) eine kleine vordere Fläche für den Calcaneus. a) Fläche der Trochlea mit vorderer und hinterer Er- gänzung. Beillüchtiger Betrachtung nimmt man die vordere Ergänzung gar nicht wahr und betrachtet die hintere Ergänzung (Abb. II, 16) einfach als ein Stück der Gelenkfläche, weil sie deren Krümmung fort- setzt. Daß sie aber nicht ein Stück der Gelenkfläche sein kann, er- kennt man daran, daß selbst bei stärkster Plantarflexion am Gelenk- präparat, d. h. wenn die Rückseite der Tibia der Oberseite des Pro- cessus posterior calcanei angelegt wird, was bei der von Weichteilen und Haut umhüllten Extremität des lebenden Tieres gar nicht vor- kommen kann, die Tibia nicht bis ans untere Ende dieser Fläche gleiten kann, sondern von dieser ein Stück von 3 bis 4 mm Höhe frei läßt. Dieses Stück hat mit dem Gelenk nichts zu tun, sondern ist die Rinne, in welcher die Sehne des Flexor digitorum longus gleitet (s. später). Es ist von der größten Bedeutung für die mechanische Bewertung der Talusrolle und damit des Artic. talocruralis, daß man dieses hintere Stück in Gedanken abtrennt. KRAUSE behauptet vom Sprunggelenk des Kaninchens, es sei ein Schraubengelenk (l. c. S. 133). Diese Vorstellung kann entstehen, wenn man den Talus von hinten her betrachtet (Abb. 16), wo die Flexorfurche das Bild mitbestimmt, denn diese verläuft ab- und dabei etwas medianwärts. Betrachtet man aber die Trochlea von oben und verdeckt mit dem Finger die Flexor- rinne, so ist von einer Schraube nicht die Rede. Außerdem ist auch die Flexorrinne schmaler als die Gelenkfläche der Rolle. Die Rolle und die Flexorrinne zusammen nehmen *®/, des Cylinder- umfanges, die Rolle ohne die Flexorrinne nimmt nur die Hälfte des Umfanges ein. Die Rolle ist gekehlt; von den beiden Kanten ist die laterale be- deutend höher als die mediale (Abb. 16). Das vordere Ergänzungsstück (Abb. 8 und I11) ist in sagittaler Rich- tung 2 mm breit und liegt dem Halse flach auf. Mit dem ent- sprechenden Streifen an der Tibia (s. S. 106) bildet es ein „Hocker- merkmal“. An der lateralen Seite der Trochlea findet sich eine für den Malleolus lateralis bestimmte Fläche (Abb. 15). Diese Fläche ist sichel- HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 109 förmig, vorn 3,5 mm breit und hinten zugespitzt. Sie ist nicht ganz eben, sondern vorn leicht concav und hinten leicht convex. b) Fläche für den Calcaneus uud das Ligam. calcaneo- naviculare plantare. (Abb. II 15, II 17). — Diese Fläche faßt man am besten auf, wenn man von der Furche ausgeht, durch welche die- selbe geteilt wird. Diese Furche beginnt auf der lateralen Seite des Taluskörpers und verläuft von da an der unteren Seite bis zur me- dialen Kante, wobei sie ganz schwach gebogen, nach vorn concav, ist. Durch diese Furche wird die Fläche in zwei Abschnitte geteilt, einen hinteren und einen vorderen. Der hintere Abschnitt ist in horizontaler Richtung stark convex, in senkrechter Richtung eben. Der vordere Abschnitt beginnt oben an dem sichelförmigen Felde für den Malleolus fibularis und zieht sich nicht nur an der Furche hin bis zur unteren medialen Kante, sondern auch noch an der unteren Fläche (Abb. II 17) nach vorn bis an die Fläche für das Naviculare heran. Man wird kaum fehlgehen, wenn man diese Fläche als den Abschnitt einer Kugelfläche bezeichnet. Vorn, wo sie mit der Fläche für das Naviculare zusammenkommt, wird sie ganz schmal, ist aber an dieser Stelle nach unten vorgewölbt und bildet auf diese Weise einen Höcker (oder eine Nase), der als „Anschlag“ bei der Flexionsbewegung im Fuße wirkt, wie noch berücksichtigt werden wird. c) Fläche für das Navicuiare. (Abb. IL 15). — Hier haben wir es, abweichend von der eben beschriebenen hochkomplicierten Fläche mit einer einfach zu beschreibenden und leicht zu erfassen- den Fläche zu tun, nämlich mit einem Abschnitt einer Halbzylinder- fläche, welct:;e in senkrechter (dorsoplantarer) Richtung convex und in horizontaler (querer) Richtunz plan ist, einer Fläche, weiche aufs klarste anzeigt, daß sie einer rein flexorischen Be- wegzunge zwischen Talus und Naviculare dient. Es gehört schon eine gehörige Dosis Befangenheit dazu, dies nicht zu sehen. Das allerunterste verschmälerte Ende dieser Fläche biegt etwas aus der Fläche heraus (Abh. II 5), um auf den vorhin erwähnten Höcker über- zurehen. d) Vordere Fläche für den Calcaneus. — Dies ist eine in sagittaler Richtung 2 mm breite Fläche, welche rechtwinklig zu der eben beschriebenen Fläche steht und mit ihr in einer Kante zu- sammenstößt (Abb. II 15). An ihr gleitet eine winzige, auf einem 110 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Höcker der medialen Fläche des Proc. anterior calcanei stehende Fläche. Die geschilderten Gelenkflächen des Talus sind nur durch Kanten gereneinander abgegrenzt aber nicht durch Abstände voneinander ge- schieden. Daher sind auch die ihnen entsprechenden Gelenkräume nicht voneinander getrennt, sondern bilden einen einzigen kompliziert gestalteten Gelenkraum, ein Umstand, der im Folgenden in seiner speziellen und allgemeinen Bedeutung gewürdigt werden wird. d) Calcaneus. (Abb. 18 auf Tafel II). Am Calcaneus kann man sehr gut und für die Anschauung zweck- mäßiv einen Körper, einen hinteren und einen vorderen Fortsatz unterscheiden. a) Processus posterior. (Abb. 1118). — Der Proc. post. ist, verglichen mit dem des Menschen, verh. lang, wie ja gewöbnlich bei schnellaufenden Tieren, und verh. niedrig. Vom Körper nach hinten nimmt die Niedrigkeit zu. Nur am Ende verstärkt er sich wieder, sowohl in der Höhe wie in der Breite. Man kann vielleicht diese Verdickung als „Tuber“ bezeichnen, obwohl sie nicht so aussieht wie das menschliche Tuber und auch nicht die gleiche mechanische Wertigkeit hat. Von dem Tuber gehen an der lateralen Seite zwei Rippen aus, die eine an der Grenze der oberen und lateralen Fläche nach der Trochlea calcanei, die andere an der Grenze der unteren und lateralen Fläche bis zum Proc. anterior (Abb. IV 24). Man darf wohl beide als Versteifungsrippen betrachten. Die Rückseite des Proc. post. ist von der Rinne für die Plan- tarissehne eingenommen (Abb. Ill). Die beiden Ränder der Rinne springen nach hinten vor, und zwar der mediale Rand stärker als der laterale. Die Rinne setzt sich noch ein Stück weit auf die Unter- fläche fort und endiet hier an einer feinen queren Furche. Bis hier- her reicht der Schleimbeutel der Plantarissehne. Noch an der Rück- seite, dicht über dem unteren Ende derselben, findet sich ebenfalls eine feine aber sehr scharfe Furche mit abwärts gerichteter Konvexi- tät. Vielleicht bezeichnet diese das untere Ende der Epiphyse. — Die Rinne ist also, da sie in sagittaler Richtung konvex und in querer Richtung konkav ist, „sattelförmig“, ein Wink für die Beu:- teilung mancher Gelonkkörper! ; HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. alal b) Corpus. — An dem Körper sind zu beschreiben 1. die Trochlea calcanei, 2. das Sustentaculum, 3. die Hauptgelenkfläche für den Talus, welche z. T. auf dem Sustentaculum liegt. 1. Trochlea calcanei (Abb. II 14, III 22, IV 23, IV 24, IV 25, V 26). — Ich wähle die Bezeichnung „Trochlea calcanei“ in Analogie mit Trochlea tali, bin mir aber dabei vollkommen dessen bewußt, daß weder die Gestalt, noch die mechanische Wertigkeit eine solche Bezeichnung voll rechtfertigen können. Dieselbe darf also nur cum grano salis genommen werden. Die Gelenkfläche der Trochlea calcanei ist in querer Richtung plan, in sagittaler Richtung konvex. Damit ist aber noch wenig ge- sagt. Ich bin über diesen merkwürdigen Gelenkkörper erst allmäh- lich zur Einsicht gekommen, und ich will die Stufen meiner Erkennt- nis hier schrittweise vorführen, weil nur auf diesem Wege der eigenartige Mechanismus ganz klar werden kann. Zuerst, indem ich bemerkte, daß Tibia und Fibula verwachsen sind, und daß die Tibia auf dem Talus und gleichzeitig die Fibula auf dem Oalcaneus schleift, nahm ich es für selbstverständlich, daß die beiden Bewegungen um dieselbe Achse geschehen, daß also Trochlea tali und Trochlea cal- canei mechanisch, wenn auch nicht anatomisch, eine Einheit bilden. Bei genauerer Besichtigung der Knochen bemerkte ich jedoch, daß die Achsen für beide Trochleae nicht zusammen fallen können, sondern daß die Achse für die Trochlea calcanei tiefer (mehr plantar) liegen müsse. Indem ich durch noch häufigere Betrachtung mit der Gestalt der Knochen noch mehr bekannt wurde, fiel mir auf, daß die Trochlea calcanei in dorsoplantarer Richtung größer sei als in proximodistaler Richtung, daß sie also ein Stück eines Cylinders von nicht kreisför- migem, sondern elliptischem Querschnitt sein müsse; und endlich wurde mein Blick so weit geschärft, daß ich wahrnahm, daß die Trochlea var keine regelmäßige Gestalt hat, sondern hinten steiler und vorn flacher abfällt. Inzwischen war mir bei Bewegungsprüfung am Ge- lenkpräparat aufgefallen, daß der Gelenkspalt bei Dorsalflexion an der hinteren Seite und bei Plantarflexion an der vorderen Seite weit aufklafft, und von dieser Tatsache erhielt ich dann genauere Einsicht durch Anwendung der Skeletzusammensetzung nach Form (Abb. IV25 und V 26), Auf diesem Wege gelangte ich allmählich, Schritt vor Schritt, zu derjenigen Vorstellung, die im folgenden vorgelegt wer- den wird, Sl Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Vielleicht würde niemand im Stande sein, diesen Gelenkkörper stereometrisch vollkommen zu charakterisieren; wahrscheinlich würde auch niemand sich damit abgeben, dies zu tun; sicher aber würde es niemandem gelingen, wenn man ihm den isolierten Calcaneus in die Hard gäbe, sei es mit, sei es ohne Knorpelüberzug, anzugeben, wie dieser Gelenkkörper verwertet wird. Dies kann erst festgestellt werden, wenn man die Gelenke im Zusammenhange untersucht. Natürlich sind bei der Kleinheit der erwähnten Formen derartig feine Un‘erschiede schwer zu erkennen, und man wird es demgemäb begreifiich finden, daß ich sie nicht auf den ersten Blick wahrnahm. Hätte der Hase die Größe eines Elephanten, so wäre es wohl schneller gegangen. Derartig kleine Formen, wie wir sie hier vor uns haben, müßte man, um sie für einen weiteren Kreis demonstrierbar zu machen, entsprechend vergrößern. Hockermerkmal am Calcaneus. — An die Vorderseite der Gelenkfläche der Trochlea calcanei schließt sich ein in proximodistaler Richtung 2 mm breites Feldchen an, welches auf der Oberseite des Processus anterior liegt und mit der entsprechenden Fläche an der Fibula (S. 106) zusammen ein „Hockermerkmal“ darstellt. Es ist be- merkenswert, daß sich ein Hockermerkmal sowohl an Tibia und Talus wie an Fibula und Calcaneus findet. Über die Bedeutung wird später gesprochen werden; dabei wird sich zeigen, daß die mechanische Be- deutung beider nicht genau übereinstimmt. Die betreffende Fläche am Calcaneus erblickt man auf den Abb. 8, I 11, IV 24, IV 25, V 26. 2. Sustentaculum tali (Sustentaculum pro talo). — Das Susten- taculum tritt nicht an derjenigen Kante hervor, welche die obere und die mediale Fläche des Calcaneus miteinander bilden, sondern weiter unten an der medialen Fläche, sogar dem unteren Rande der letzteren näher wie dem oberen. Es ist 3 mm breit in querer Richtung und 4,5 mm lang, also in Beziehung gesetzt zur Länge des Knochens (34 mm) sehr kurz. Die untere Fläche desselben ist eingenommen durch den Sulcus flexoris digit. comm., die obere durch eine Gelenk- fläche. Diese steht jedoch nicht horizontal (auf die Längsachse des Knochens bezogen), sondern ist medianwärts und nach vorn abhängig. Hieran möchte ich gleich eine Bemerkung knüpfen über die Lage des Talus zum Calcaneus. | KRAUSE gibt (für das Kaninchen) an, der Talus liege nicht auf dem Calcaneus, sondern an dessen medialer Seite. Das scheint auch HANS VIROHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 113 richtige, wenn man die beiden Knochen von oben anblickt. Betrach- tet man sie aber von unten her, so bemerkt man, daß doch der Talus auf dem Sustentaculum aufsitzt (Abb. 12). Da aber dessen obere Fläche wie angegeben geneigt ist, so würde der Talus abrutschen, wenn er nicht durch das starke Ligam. talocalcaneum interosseum gehalten würde. 3. Hauptgelenkfläche für den Talus. — Ebenso wie wir bei der Gelenkfiäche am Talus ausgingen von der Rinne (S. 109), so gehen wir bei dem Oalcaneus am besten aus von der Kante, welche in diese Rinne paßt. Die Kante beginnt oben an der medialen Seite der Trochlea calcanei und läuft von da aus abwärts, indem sie dabei immer mehr aus der Fläche heraustritt und zugleich sich leicht nach vorn biegt; mit ihrer unteren Hälfte bildet sie die obere Kante des hinteren Randes des Sustentaculum. (Abb. II 18). An die Rückseite der oberen Hälfte der Leiste schließt sich eine Fläche an, die 4,5 mm breit (in horizontaler Richtung) und 5,5 mm hoch ist. Mit der Leiste zusammengenommen ist sie in horizontaler Richtung konkav. An der vorderen Seite der Leiste liegt eine leicht konkave Fläche, die sich nach unten fortsetzt in die Fläche auf der oberen Seite des Sustentaculum (s. S. 112), Jedoch ist an der Stelle des Übergangs eine Einschnürung; auch können beide Abschnitte der Fläche vollkommen voneinander getrennt sein, wie es z. B. auf der Abk. II 18 zu sehen ist. Wenn man sieht, wie schön die Leiste des Calcaneus und die Furche des Talus aufeinander passen, so bekommt man gleich die Vorstellung, daß die Leiste in der Furche laufen müsse, und daß diese Einrichtung zur ‚Führung‘ bei der Bewegung des Talus gegen den Calcaneus diene. Das ist auch der Fall, aber nur für die obere Hälfte der Leiste. Die untere Hälfte der Leiste oder, was dasselbe sagt, die obere Kante des hinteren Randes des Sustentaculum dagegen hat eine andere mechanische Verwendung. Um dies zu verstehen, muß man am Talus die Stelle aufsuchen, die unmittelbar vor dem unteren Ende des Sulcus flex. digit. comm. liegt (Abb. 5). Diese Stelle schlägt, wenn Talus und Calcaneus gegeneinander im Sinne der Plantarflexion bewegt werden, an den hinteren Rand des Susten- taculum an, und auf diese Weise kommt eine sehr wirksame Knochen- ‚hemmung zu Stande. ec) Processus anterior. — Der Proc. ant. trägt drei Gelenk- flächen, je eine für Cuboides, Talus und Naviculare. 8 114 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 1. Gelenkfläche für das Cuboides. (Abb. II18). — Diese ist die größte. Sie ist in horizontaler Richtung konvex, jedoch steht die Schnittebene für die Konvexität schief, mit dem medialen Ende tiefer. Rechtwinklig dazu ist die Fläche konkav. Sie hat also die gleiche Krümmung wie die Facies cuboidea am Calcaneus des Menschen. Das ist sehr auffallend, da dieser morphologischen Übereinstimmung nicht eine funktionelle entspricht. Denn beim Menschen sind wir gewohnt und berechtigt, diese Oberflächengestaltung mit der abduktorischen Bewegung in Verbindung zu bringen. Beim Hasen fehlt aber eine solche und es ist nur flexorische Bewegungsmöglichkeit vorhanden (s. später). 2. Gelenkflächefür das Naviculare (Abb. IL18). — Es ist eine winzige Gelenkfläche, welche an der vorderen oberen medialen Ecke des Calcaneus steht, median- und etwas vorwärts gerichtet ist und mit der Facies cuboidea in einer Kante zusammenstößt. 3. Vordere Gelenkfläche für den Talus (Abb. 8) — Eine winzige, nur 2 mm große Gelenkfläche, die durch einen besonderen kleinen Knochensockel getragen wird und medianwärts schaut. So klein sie ist, so ist sie doch für die Bewegung des Talus gegen den Calcaneus, bezw. des Calcaneus gegen den Talus sehr wichtig. An ihr schleift das früher erwähnte sichelförmige Feld am Kopf des Talus. e) Naviculare. Das Naviculare ist, an der dorsalen Seite gemessen, 7,5 mm lang und 9 mm breit. Es artieuliert mit allen sechs übrigen Tarsalknochen: mit dem Talus, Calcaneus, Cuboides, 3., 2., 1. Cuneiforme, bezw. da das letztere zu einem Fortsatz des zweiten Metatarsale geworden ist, mit diesem. Die Gelenkfläche für den Calcaneus ist lateral- und rückwärts, die für das Cuboides lateral- und vorwärts, die für das Cuneiforme III. und ebenso die für das II. vorwärts, die für das Cuneiforme I. vor- und medianwärts gerichtet. Alle diese Ver- bindungen gehören straffen Gelenken an. Nur die nach hinten gegen den Talus gerichtete Fläche hat eine größere Bedeutung. Sie ist ein Abschnitt einer Hohlzylinderfläche, welche in dorsoplantarer Richtung gekrümmt ist. Am Naviculare befindet sich ein besonders zu besprechender plantarwärts gerichteter Fortsatz, welcher sich am unteren Ende zu einer Platte verbreitert (Abb. 5, 112,113). Diese Platte ist 5 mm breit (in querer Richtung) und 11 mm lang (in proximodistaler Richtung). HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes, 115 Ihre freie (plantare) Fläche ist im Längsrichtung leicht gehöhlt; der mediale und der laterale Rand derselben laufen parallel, vorn ist sie quer abgestutzt. Da sie 11 mm, der Körper des Naviculare aber nur 7,5 mm lang: ist, so überragt sie diesen erheblich und zwar geschieht dies nach vorn (distalwärts). Dieses vordere Ende liegt unterhalb des (plantarwärts von dem) 2. und 3. Cuneiforme, berührt aber diese nicht, sondern bleibt von ihnen durch einen Abstand, vom 3. Cunei- forme sogar durch einen erheblichen Abstand geschieden. Diesen Fortsatz hat W. KRAusz (beim Kaninchen) wohl bemerkt und als „bedeutende Hervorragung“‘ erwähnt, aber sonderbar gedeutet. Er behauptet nämlich, „daß beim Gehen hauptsächlich mit diesem Knochen der Boden berührt wird“ (l. c. S. 134). Man versuche ein- mal, sich das vorzustellen! — Der Hase verwendet seine Beine, um im flüchtigen Lauf dem Verderben zu entrinnen, und dabei sind Tarsus und Metatarsus steil gegen den Boden, mit dem hinteren Ende höher- stehend, gerichtet. Es gehört aber auch, wenn das Fußskelet des Hasen richtig, d. h. nach Form zusammengesetzt wird, die erwähnte Platte gar nicht zu den tiefstliegenden Stellen desselben. Und end- lich: unter der Platte, gegen die Haut zu, liegt erst noch die Sehne des Flexor digit. comm. und die Plantarissehne. Die Behauptung also, daß die Platte des Naviculare zum Stützen auf dem Boden diene, ist von allem Unzulänglichen, was über die Mechanik des Le- poridenfaßes gesagt werden konnte, das Dürftigste. Ä Ich habe eine andere Vorstellung von der Bedeutung dieser Platte und hatte sie schon vor Jahren, bevor ich den Hasenfuß betrachtete, an den Füßen anderer Säugetiere gewonnen. Meine Vorstellung suche ich zur Anschauung zu bringen durch die Bezeichnung „Steg“, indem ich dabei denke an das Plättchen, welches auf der Violine befestigt ist und über welches die Saiten hinweggeführt sind. So ist auch die Sehne des Flexor digit. comm. über (bez. unter) der Platte des Naviculare hinweggeführt und gleitet in der Aushöhlung derselben. Natürlich hinkt dieser Vergleich wie die Mehrzahl der Ver- gleiche; aber er ist doch dazu gut, darauf hinzuweisen, daß eine innige funktionelle Beziehung zwischen dieser Platte und der Flexor- sehne bestehen muß. | Diese Beziehung könnte nun an sich von zweierlei Art sein: 1. könnte sich das Naviculare und durch Vermittelung des Naviculare die Mitte des Fußskeletes auf die Sehne stützen und dadurch das Fußgewölbe gesichert werden; 2. könnte der Steg das Lager für die 8* 116 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Sehne des Flexor vervollständigen und dadurch die Sehnen sicher gegen die Zehen leiten, zugleich so daß die Mm. interossei nicht ge- drückt werden. Ich möchte mich für die zweite dieser beiden Möglichkeiten ent- scheiden und zwar deswegen, weil das nach vorn ragende Ende des Steges frei hervorsteht und sich nicht an die Basen der Metatarsalien anlegt. Der Steg wird ergänzt bezw. nach vorn fortgesetzt durch ein Ge- bilde, welches ich den „Schnabel“ des Steges nenne. (Abb. III 20). Der Schnabel ist nicht, wie es bei KRAUSE heißt (l. c. S. 168) ein „Sehnen- blatt“, entspringt auch nicht an der unteren Fläche des Naviculare, sondern ist eine fibröse Platte, die so steif ist wie Knorpel, und die sich an das vordere Ende des Steges, aber nicht nur an dieses, son- dern auch an die Tuberositas des Cuboides anschließt. Sie ist da, wo sie sich an den Steg: ansetzt, ebenso dick wie dieser, verdünnt sich aber nach vorn. Das vordere Ende setzt sich unmittelbar in die Mm. interossei fort (s. später), welche an ihm entspringen. Steg und Schnabel bilden also, wie man sieht, eine Einheit; der Schnabel ist eine Fortsetzung des Steges. Deshalb muß nach einer gemeinsamen Erklärung für beide gesucht werden. Diese kann darin gefunden werden, daß durch den Schnabel das Lager für die Flexor- sehne noch weiter nach vorn geführt wird, wozu dann die Ursprungs- gelegenheit für die Interossei hinzukommt. Stege bei anderen Säugetieren. — Stege kommen auch bei anderen Säugetieren vor, wahrscheinlich bei sehr vielen derselben. Dies allein würde schon die Vorstellung von der Wichtigkeit der- selben verstärken. Aber es kommt noch etwas anderes hinzu. Es ist nämlich nicht immer der gleiche Knochen, welcher zur Stegbil- dung verwendet wird. Außer dem Naviculare kommt auch das dritte Cuneiforme in Betracht. Diese beiden Knochen liegen aber doch wenigstens schon von vorn herein an der Stelle, und es bedarf nur einer geringen Umwandlung, um sie für die Stegbildung passend zu machen. Ganz anders ist es mit dem Tapir. Hier ist der Rest des ersten Strahles bezw. des ersten Metatarsale in Gestalt eines kleinen Knochens, der nicht länger als breit ist, unter das Fußskelet ge- schlagen und stützt die Flexorsehne, während er sich selbst wieder gegen das 3. Metatarsale stützt. Auch beim Känguru (Macropus rufus) wird der Rest des 1. Metat. als Steg verwendet. Dieser Umstand, daß morphologisch ungleichwertige Knochen für den gleichen funktio- nellen Zweck verwendet werden, zeigt, wie wichtig dieser Zweck ist. HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 117 f) Cuboides. Am Cuboides ist die Tuberositas verhältnismäßig viel kräftiger als beim Menschen. Indem nun auch beim 5. Metatarsale die Basis an der plantaren Seite der Gelenkfläche in Form eines Wulstes vorspringt, so entsteht zwischen beiden Knochen eine Rinne, welche sich nach der medialen Seite hin erweitert. g) Cuneiformia. Das 3. Cuneiforme hat an der dorsalen Seite eine Länge von 6 mm und eine Breite von 5 mm; das zweite hat an der dorsalen Seite eine Länge von 4,5 mm und eine Breite von 3 mm. Das erste ist, wie gesagt, zu einem Bestandteil des 2. Metatarsale geworden. | h) Metatarsalien. Es gibt nur 4 Metatarsalien, indem das erste auf einen ge- ringen Rest reduciert und dieser in das zweite einverleibt worden ist. Abb. IT 19). Bei W. Krause findet sich Beschreibung und Abbil- dung eines jugendlichen, nicht einmal embryonalen Stadiums, woraus mit großer Deutlichkeit zu ersehen ist, daß auf dieser Stufe die Anlage des ersten Cuneiforme, die Basis des ersten Metatarsale und das . zweite Metatarsale noch getrennt sind. Das dritte Metatarsale ist am längsten (56 mm), das 5. am kürzesten (46 mm). In der Länge der Metatarsalien tritt die Streckung des Hasenfußes besonders anschaulich hervor. Der Fuß erhält da- durch eine eigentümliche Eleganz. Diese wird vervollständigt durch eine Reihe von Merkmalen, die aber in ihrer Gesamtheit nur voll zur Geltung gelangen, wenn der Fuß in Form zusammengesetzt ist. Zu diesen Merkmalen gehören die Biegung und die Drehung der Me- tatarsalien. Das dritte Metatarsale allein ist ganz gerade; das zweite ist nach der medialen Seite, das 5. und auch schon das 4. nach der lateralen Seite abgebogen, so daß dadurch die Breite des Mittelfußes vorn 26 mm wird, während sie hinten nur 16 mm betrug. Von der Drehung innerhalb der Schäfte der Metatarsalien erhält man eine sehr bestimmte Vorstellung, indem man einer- seits die dorsalen Flächen der Basen der Metatarsalien, anderer- seits die scharfen Leisten an den Unterseiten der Köpfchen, durch welche die Lager der Sesambeine voneinander getrennt werden, ins Auge faßt. Wenn man an dem nach Form zusammengesetzten Fuße die Köpfchen der Metatarsalien von vorn her betrachtet, so stehen 118 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. die Leisten derselben zwar nicht genau aber doch annähernd parallel, weichen jedenfalls nicht so sehr voneinander ab, wie man nach dem Anblick der Basen erwarten würde Es muß also in den Schäften Drehung vorhanden sein. Den Grad derselben kann man erkennen, wenn man nacheinander jedes Metatarsale so stellt, daß die dor- sale Fläche seiner Basis horizontal ist. Man sieht dann: Am Metatarsale III gar keine Drehung, am Metatarsale IV und ganz ebenso am Metatarsale V ist die Leiste fast um 45°, aber doch nicht ganz um 45°, medianwärts gedreht. Es ist klar, was diese Drehung innerhalb der Metatarsalien be- deutet: Sie ist notwendig, damit die Zehen „richtig“ auf den Boden aufgesetzt werden können, während doch der Fuß in der Gegend der Basen der Metatarsalien stark in querer Richtung gewölbt ist. Da- mit gewinnt dasjenige eine festere Grundlage, was über die Gewölbe- form des Hasenfußes in der Einleitung (S. 103) gesagt worden ist. Die Schmalheit des Mittelfußes in der Gegend der Basen der Metatarsalien bewirkt, daß die Mittelfußknochen sozusagen nicht recht Platz finden an den Tarsalien, wenigstens der dritte und vierte. Der zweite allerdings hat durch die Einverleibung des Restes des ersten sowie des ersten Cuneiforme besondere Bedingungen gewonnen; der dritte artikuliert in ganzer Breite seiner Basis mit dem dritten Keil- bein; der vierte dagegen artikuliert nur in Breite von 3,5 mm und der fünfte nur in Breite von 3 m mit dem Cuboides. Um diese mangel- hafte Verbindung auszugleichen, stützt sich das vierte Metatarsale mit einem niedrigen Fortsatz vor seiner Basis auf das dritte und das 5. mit einem gleichen Fortsatz auf das vierte. An den Basen der Metatarsalien finden sich knopfartige Höcker, mit denen wir uns in den folgenden Abschnitten zu beschäftigen haben werden, und deren Lage wir uns daher schon jetzt recht genau ein- prägen mögen. Das 5. Metatarsale hat an der lateralen Seite seiner Basis einen Knopf zum Ansatz der Sehne des Peronaeus brevis (Abbild. I11.). Die übrigen Höcker können in ihrer Lage nur richtig aufgefaßt werden an dem nach Form zusammengesetzten Skelet. Der des 3. und ebenso der des 4. Metatarsale ist rein plantarwärts ge- richtet; der des zweiten dagegen (Abb. II 19) ebenso sehr, ja fast noch mehr lateralwärts wie plantarwärts, wie sich daraus erklärt, daß an ihn die Sehne des Peronaeus longus tritt. Am 5. Metatarsale findet sich nicht eigentlich ein Höcker, sondern eine scharfe mediale Kante, die durch einen Abstand von nur Amm von dem Knöpfchen des HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 119 zweiten Metatarsale getrennt ist. Da die Sehne des Peron. longus sich bereits an die Basis des 5. Metatars. fest ansetzt und von dort ausals „Band“ zum 2. Metatarsale weiterzieht, und da das 5. Metatarsale noch überdies durch ein starkes mit der Peron.-Sehne verwachsenes Band, das Ligam. basium metatars. transversum (s. später), mit dem 3. Metatars. verbunden ist, so ist gegen quere Abplattung, welche bei der Belastung von obenher eintreten möchte, hinreichend Vorsorge getroffen, wozu auch noch der steife im Vorhergehenden besprochene Schnabel kommt, indem er sich sowohl am Naviculare wie am Cubo- ides befestigt, und das Ligam. metatarsorostrale --- ein weiterer Bei- trag zur Gewölbstruktur des Hasenfußes! Die Köpfchen der Metatarsalien haben ebenfalls sehr be- stimmt ausgeprägte Merkmale, und es ist sicher bei einem für schnellen Lauf so spezialisierten Tiere jede Einzelheit von Wichtigkeit. Die Gelenkflächen sind auch nach der dorsalen Seite herum entwickelt; ja es sind sogar, anscheinend um die Dorsalflexion der Zehen aus- gibig zu ermöglichen, auf der dorsalen Seite Gruben hinter den Köpfehen nach Analogie der Fossa olecrani des Menschen vorhanden Scharfe Leisten, welche die Lager für die je zwei Sesambeine trennen, beginnen niedrig auf den distalen Seiten der Köpfchen und setzen sich, höher werdend, auf die plantaren Seiten fort, sogar noch etwas über die Gelenkflächen proximalwärts hinaus (Abb. II 19). Wenn man von diesen Leisten absieht, so sind die Gelenkflächen nicht gleichmäßig, sondern dorsal nach kürzerem, plantar nach längerem Radius gekrümmt. In querer Richtung sind die Flächen fast gerade. Man kann sie also nicht als kugelig bezeichnen und müßte aus ihrer Gestalt schließen, daß die Gelenke zwischen Mittelfußknochen und Zehen beim Hasen rein flexorisch benutzt werden. Die Köpfchen bez. die Gelenkflächen derselben sind an der dorsalen Seite schmaler als an der plantaren Seite — Für die Seitenbänder finden sich nicht 'Wülste sondern scharf eingetiefte Gruben (Abb. II 19), und zwar nicht kreisrund sondern elliptisch, in Längsrichtung der Knochen aus- gezogen. C. Gelenkbänder. a) Allgemeines. Während man bei der Untersuchung und Beschreibung der Knochen einigermaßen an Genauigkeit gewöhnt ist, so ist das Gleiche bei den Bändern nicht immer der Fall. Und doch verlangen gerade die Bänder den höchsten Grad von Sorgfalt. Wendet man diesen 120 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. an, so hat man auch Freude und Genuß von der Beschäftigung mit den Bändern. Mechanische Eigenschaften der Gelenkbänder. — Die Bänder sind undehnbar (unelastisch). Dies wird nur deswegen in Erinnerung gebracht, weil immer noch wieder Einzelne glauben, die „Geschmeidigkeit“ mancher Bevölkerungen und mancher Tiere auf gesteigerte Elastizität zurückführen zu können. Wie sollte es wohl zuverlässige Gelenke geben, wenn deren Bänder elastisch wären! Die Bänder teilen noch eine zweite Eigenschaft mit den Sehnen: sie sind vollendet biegsam. Die Biegsamkeit wird abgeändert, wenn nicht ganz aufgehoben durch die Einwirkung von Konservierungs- flüssigkeiten, Alkohol und noch weit mehr durch Formalin. Deswegen darf man auch Angaben über Bewegungsmöglichkeiten in Gelenken nur machen auf Grund der Untersuchung von frischem Material. Auch die Präparation der Bänder, d. h. die Isolierung gegenüber der Um- gebung, ist nur am frischen Material gut möglich. — Auf die Faser- richtung ist streng zu achten; nach dieser sind die Bänder parallel- faserig, fächerförmig und gedreht. — Nach dem Verhältnis der Breite und Dicke gibt es strangförmige, bei denen Breite und Dicke ungefähr gleich sind, und platte, bei welchen die Breite mehr oder weniger bedeutend die Dicke übertrifft. Ein weiterer Unterschied ist der von dicht und licht („licht“ im Sinne von locker. Im dichten Bande schließen die Fibrillen- bündel so dicht einander, daß zwischen ihnen kein Zwischengewebe vorhanden ist, so daß man eigentlich gar nicht von „Bündeln“ sprechen kann; im weniger dichten Bande ist zwischen den Fibrillenbündeln mehr Bindegewebe eingelagert. Das ist ja nun schon ein mikros- kopischer Unterschied; trotzdem: macht er sich makroskopisch bemerk- bar: Das dichte Band ist weiß, weil es optisch homogen ist und das Licht vollkommen zurückwirft, das nicht so dichte Band hat einen ge- wissen grauen Schein. Die Gelenkbänder des Hasenfußes sind weiß, sind also dicht, vielleicht mit Ausnahme des Ligam. navicuboideum. Auch die Beziehung zum umgebenden Bindegewebe spielt eine große Rolle: manche Bänder grenzen an lockeres Bindegewebe, von welchem sie sich leicht isolieren lassen, andere grenzen an dichteres Gewebe. Die Gelenkbänder des Hasenfußes grenzen alle an lockeres Bindegewebe und sind daher scharf abgesetzt und leicht zu isolieren. Stets muß man sich vor Augen halten, daß die Gelenkbänder zwei Aufgaben zu erfüllen haben: 1. bestimmen sie mit den Gelenk- HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 121 körpern der Knochen zusammen den Gang der Bewegung, sind also in diesem Sinne Ergänzungen der Gelenkkörper; 2. bestimmen sie, bis wohin die Bewegung gehen darf, hemmen diese. Man darf aber über letzterem einen Unterschied nicht vergessen, den wir noch zu machen haben: Es gibt Bänder, die in allen Lagen des Gelenkes gespannt sind, und andere, die nur in einer Lage ge- spannt sind, also auch nur für eine Lage ihre volle Bedeutung haben. Das uns geläufige Beispiel ist das laterale Seitenband des mensch- liehen Kniegelenkes; in viel auffälligerer Weise tritt aber diese Eigen- tümlichkeit beim Ligam. tibionaviculare des Faultieres (.Dradypus) hervor. Man wird aus den vorausgehenden Bemerkungen gesehen haben, daß ich die Aufgabe nicht in einer Systematik der Gelenkbänder, son- dern in deren Mechanik sehe. Allerdings muß die Systematik vor- ausgehen. Benennungen der Gelenkbänder. — Die Gelenkbänder des Hasenfußes wird man wohl nicht anders benennen können, als man es mit Gelenkbändern gewöhnlich macht, indem man nämlich in dem Adjektivum die Namen der beiden Knochen vereinigt, an welchen sich das Band befestigt. Daraus entwickelt sich nun allerdings leider ein Konflikt mit der morphologischen Betrachtungsweise,- denn eine Anzahl dieser Bänder befestigt sich anders, an anderen Knochen als die homologen Bänder beim Menschen, muß also bei Anwendung des senannten Benennungsprinzipes andere Bezeichnungen erhalten als die homologen Bänder. Das ist natürlich störend, wenn nicht gar ‘verwirrend. Man darf sich aber durch dieses Bedenken ja nicht da- von abbringen lassen, die morphologische Betrachtung im Auge zu behalten, denn nur sie zeigt uns deutlich, was aus morphologisch gleichwertigen (homologen) Bildungen werden kann. Ein Beispiel sei hier gleich angeführt, die Ligamm. calcaneocuboidea. Beim Menschen können wir drei Ligg. calcaneocuboidea, bezw. drei Abteilungen des Ligam. calc-cub., unterscheiden: ein rectum, ein obliguum und ein trans- versum. Ein obliguum und ein transversum gibt es beim Hasen nicht; sie hätten auch gar keine Bedeutung, da es beim Hasen keine Ab- duktion im Fuße sondern nur Flexion gibt. Das rectum befestigt sich beim Menschen an der Tuberositas des Cuboides, springt aber von dort hinüber zu den Basen der lateralen Metatarsalien; beim Hasen ist es in zwei Bänder zerfallen, ein oberflächliches und ein tiefes. Das oberflächliche befestigt sich aber gar nicht am Cuboides 122 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. sondern geht über dieses hinweg zum 5. Metatarsale, ist also ein „calcaneo-metatarsale“; das tiefe ist ein „calcaneo-cuboideum“, Dieses Beispiel zeigt, daß man durch den Vergleich tierischer Gelenkbänder mit denen des Menschen nicht nur die tierischen, son- dern auch die menschlichen schärfer auffassen lernt. Ich gehe nun zur Betrachtung der einzelnen Bänder des Hasen- fußes über. Ich berücksichtige dabei nicht die metatarsophalangealen und die interphalangealen Gelenke. Ich habe also von den tarsocru- ralen, den tarsalen nnd den tarsometatarsalen Bändern zu sprechen. Von solchen fand ich 31, deren Namen ich zunächst aufführe: Ligam. malleoli lateralis ant. n n n post. calcaneo-fibulare superficiale „ n » profundum talo-fibulare calcaneo-tibiale talo-tibiale talo-calcaneum interosseum S calcaneo-metatarsale plantare calcaneo-cuboideum plantare calcaneo-naviculare plantare calcaneo-cuboideum laterale calcaneo-naviculare dorsale es cuboideo-naviculare dorsale cuneo-naviculare dorsale „ cuneo-cuboideum dorsale rn cuneo-cuboideum plantare calcaneo-metatarsale mediale 5 navi-metatarsale mediale h n " dorsale * cuneo-metatarsale dorsale 4 cuboideo-metatarsale dorsale » > laterale 5 a „ plantare ‘ n navi-metatarsale plantare ® metatarso-rostrale 5 basium metatarsalium plantare transversum Ligamm. 5 n plantaria (4). Die Beschäftigung mit den Bändern des Hasenfußes ist reizvoll, weil diese scharf abgegrenzt sind, und weil bei dem Vergleich mit den Bändern des menschlichen Fußes allerlei interessante Erwägungen auftauchen. Man kann die Bänder des Hasenfußes nach ihren Beziehungen zu der Mechanik des letzteren in drei Gruppen bringen: in eine hintere HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 123 oder die der „freien“ Gelenke des Tarsus, eine mittlere oder die der straffen Gelenke des Tarsus, und eine vordere oder die der tarso- metatarsalen Verbindungen. Die hintere Gruppe streckt sich aber an einer Stelle an die vordere heran, nämlich mittels des Ligam. cal- caneo-metatarsale plantare. b) Die einzelnen Bänder. 1. Ligam. malleoli lateralis anterius. (Abb. 1, 8) — Ein 5 mm langes und 3 mm breites Band, an der Vorderseite des unteren Endes des Os cruris gelegen, vom Malleolus lateralis an die Tibia gehend. Ein anscheinend zweckloses Band, da Tibia und Fibula ver- schmolzen sind. Die Frage drängt sich auf, ob es ein Erbteil sei Abb. 1. Skelet des linken Fußes mit Bändern von der dorsalen und etwas von der lateralen Seite. Die Drehung wurde vorgenom- men, um das Ligam. talo-cal- caneum interosseum voll zur Anschauung zu bringen. Vergr. 5:8. b. Ligam. basium metatars. zwischen Metat. IV. u. V. ca-cu Ligam. calcaneo-cuboide- um laterale. ca-na. Ligam. calcaneo-navicu- lare. ca-t. Ligam. calcaneo-tibiale. c-c. Ligam. cuneo- cuboideum. cc-m. Ligam. cuneo-cuboideo- ' metatarsale. c-m. Ligam. cuboideo-metatars. zum 5. Metatarsale. cf. p. Ligam. calcaneo-fibulare profundum. ef- s. Ligam. calcaneo-fibulare superficiale. m. Ligam. malleoli laterali anterius. n-cu. Ligam. navi-cuboideum. P. Sehne des Peronaeus lon- gus. R. Retinaculum extens. digit et tibialis ant. T, Ansatzstelle des Tibialis ant. ta-ca. Ligam. talo- caleaneum “ interosseum. ta-t Ligam. talo-tibiale. 124 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. aus einer Zeit, da beide Knochen noch getrennt waren. Ich wage nicht zu antworten. | 2. Ligam. malleoli lateralis posterius. (Abb. 2) — 3mm lang und 1,5mm breit. An der Rückseite gelegen, sonst wie das vorige. Auch es scheint zwecklos; immerhin schleift die laterale Kante der Talusrolle an ihm, so daß man an eine Pfannenlippe denken könnte, wie auch beim anterius. 3. Ligam. calcaneo-fibulare superficiale. (Abb. 3, 5, 8). — Befestigt sich einerseits am hinteren Rande des Sulcus peronaeo- cl. Yan | L.f RN Di )) | a Abb. 2. Os cruris, Talus und Calcaneus der linken Seite von hinten. Vergr. 5:11. C. Trochlea calcanei. L. ef. p. Ligam. calcaneo-fibul. profundum. L. cf. s. Ligam. calcaneo-fibul. superficiale. L. ct. Ligam. calcaneo-tibiale. L. m. Ligam. malleoli later. posterius. L. tf. Ligam. talo-fibulare L. tt. Ligam. talo-tibiale. Pe. Peronaeus-Rinne. Pl. Furche für den Plantaris. S. Sulcus flexoris an der Unterseite des Sustentaculum. T. Trochlea tali. HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 125 rum des Os cruris und biegt, um an den Calcaneus zu gelangen, stark nach vorn, so daß es bei starker Dorsalflexion einen Halbkreis bildet und nur bei starker Plantarflexion gerade gestreckt ist. Es setzt sich am Calcaneus in Breite von 7mm an, so daß der vordere Rand ganz in Längsrichtung des Fußes übergeht. Dadurch wird er- reicht, daß bei Plantarflexion die vorderen und bei Dorsalflexion die hinteren Fasern gespannt sind. 4. Ligam. calcaneo-fibulare profundum. (Abb. 3, 5, 8). — Dieses Band ist breit und stark und entspricht in der Anordnung genau dem Ligam. calcaneo-fibulare des Menschen, indem es sich einerseits an .der Spitze des Malleolus lateralis, andererseits an der Außenfläche des Calcaneus darunter und dahinter befestigt. Die beiden zuletzt genannten Bänder kreuzen einander recht- winklig, stehen also zu einander in dem Verhältnis „gekreuzter“ Bänder. Am Os cruris entspringt das oberflächliche hinten, das tiefe vorn. Bei Plantarflexion ist das oberflächliche, bei Dorsalflexion das tiefe Band gespannt. Das tiefe Band hindert nicht die Fibula am Zurückweichen, wohl aber am Vorweichen gegenüber dem Calcaneus, ist also ein Hemmungsband gegen zu weit gehende Dorsalflexion; das oberflächliche ist wie auch das mediale Ligam. calcaneo-tibiale Hem- mungsband gegen Plantarflexion. 5. Ligam. talo-fibulare (Abb. 2). — Befestigt sich einer- seits an der Stelle des Os cruris, welche der Fibulagrube beim Menschen entspricht, andererseits an der lateralen Fläche der Talus- rolle hinten, entspricht also dem Ligam. talo-fibulare posterius des Menschen. Ein dem Ligam. talo-fibulare ant. des Menschen gleich- wertiges Band gibt es nicht. 6. Ligam. calcaneo-tibiale (Abb. 4). — Entspringt an der medialen Fläche der Tibia oberhalb der Spitze des Malleolus medialis und geht nach unten und vorn, wo es sich bedeutend verbreitert, so daß es, während es an der Tibia nur 2mm breit war, auf 1O mm zu- nimmt. Es befestigt sich z. T. am Sustentaculum, z. T. reicht es noch weiter nach vorn und verschmilzt dort mit dem medialen Rande des Ligam. calcaneo-naviculare plantare. 7. Ligam. talo-tibiale (Abb. 4). — Ein sehr kräftiges Band; geht von der Spitze des Malleolus medialis an die mediale Fläche der Talusrolle, und zwar setzt es an der Tibia breit und am Talus schmal an, ist also fächerförmig. Es läßt zwei Züge, einen hinteren und einen vorderen erkennen, welche in der Faserrichtung verschieden sind. 126 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Die beiden letztgenannten Bänder zusammen vertreten das Ligam. deltoides des Menschen; es sind also an dessen Stelle zwei getrennte, in der Richtung sich kreuzende Bänder getreten. Entfernt man alle Fußknochen mit Ausnahme des Talus und alle Bänder mit Ausnahme des Ligam. talo-tibiale und talo-fibulare, so daß man ein Präparat bekommt, welches nur aus Os cruris, Talus, Ligam. talo-tibiale und Ligam. talo-fibulare besteht, so sitzt doch der Talus sicher in seinem Lager und läßt sich in demselben ungestört bewegen. An einem solchen Teilpräparat fällt auch auf, daß das Skelet des linken Fußes mit Bändern, Sehnen und Extensor digtiorum accesorius von der lateralen Seite. Vergr. 5:10. A. Abductor radü V. ca-m. Ligam. calcaneo-metatars. plantare. ca-cu. Ligam. calcaneo-cuboid. laterale. cf. p. Ligam. calcaneo-fibul. profundum. ef. s. Ligam. calcaneo-fibul. superficiale. cu-m. Ligam. cuboideo-metatarsale. E. Sehnen des Extensor digitorum. e. Extensor accessorius. f. Schleuderband. P. b. Die beiden nach vorn gehenden Sehnen des Peron. brevis. P. 1. Sehne des Peronaeus longus. Pla. Sehne des M. plantaris. Re. Retinac. extensoris digit. et tibialis ant. Ro. Schnabel des Steges. e ta-ca. Ligam. talo-calcan. interosseum. HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 1927 Ligam. talo-fibulare mehr horizontal, das Ligam. talo-tibiale mehr senkrecht gerichtet ist, beides so wie beim Menschen. 8. Ligam.talo-caleaneuminterosseum (Abb. 1,3, 8). — Es lohnt sich, dieses Band genau zu beachten. Es ist kurz, aber breit, dabei horizontal gerichtet; sein vorderes Ende reicht fast bis an das vordere Ende des Talus, sein hinteres Ende dagegen ist von dem hinteren Ende des Talus weit entfernt. Es geht von der medialen Fläche des Processus anterior calcanei zur lateralen Fläche des Talushalses. Sein Ansatz ist am Calcaneus 8 mm., am Talus 6mm breit. Es ist eine straffe Bandmasse zwischen den dicht nebeneinander liegenden Knochen- stellen. — Was ist es nun, was wir an diesem Bande ablesen können? N N N - r \ SEE TIL SU _IIIQUÄUI III LT, PIZERR N Z— IIIIQAI KÜNN RU Ne UA IS An RE un = ca-/ | CU-M Abb. 4, Skelet des linken Eußes mit Bändern von der medialen Seite. Vergr. 5:10. A. Abductor radii II. ca-m. Ligam. calcaneo-metatars. mediale, ca-t. Ligam. calcaneo-tibiale. cu-m. Ligam. cuneo-metatarsale. Re. Retinaculum extens. digit. et tibialis ant. Ro. Schnabel des Steges. T. Sehne des Tibialis ant. ta-t. Ligam, talo-tibiale. — 17 /, 7 H, 28 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Die horizontale Lage desselben erklärt sich daraus, daß der Talus mehr neben wie über dem Calcaneus liegt; die Kürze und ebenso die Breite sind bedingt durch die geringe Beweglichkeit beider Knochen eegreneinander, und die Lage des Bandes weiter vorn wird verständ- lich, wenn man beachtet, daß bei den Bewegungen des Talus gegen den Calcaneus sich der Talus hinten bedeutender und vorn nur wenig hebt und senkt. Die Achse für die drehende Bewegung beider Knochen gegeneinander darf man etwa in die Mitte des Bandes legen, und dahin würde auch dem Augenscheine nach der Mittelpunkt des Kreises fallen, von welchem die Furche im Talus einen Abschnitt bildet. 9. Ligam. calcaneo-metatarsaleplantare (Abb. 3, 5). — Dieses Band zeigt uns wieder etwas sehr Interessantes, aber nicht für sich allein sondern in Verbindung mit dem Ligam. calcaneo-cuboi- deum. Beide Bänder zusammen stellen das Homologon des uns be- ‚kannten Ligam. calcaneo-cuboideum plantare des Menschen vor, welches sich vorn an den Wulst des Cuboides ansetzt, aber dann noch weiter zieht zu den Basen der lateralen Metatarsalien. Beim Hasen haben wir dafür zwei Bänder, je eines zum Metatarsus und zum Cuboides; also auch hier Zerspaltung eines beim Menschen einheitlichen Bandes in deren zwei, worin sich feinere Spezialisieruug ausspricht. Das Liram. calcaneo-metatarsale plantare liegt nicht rein plantar sondern plantar-lateral. Es ist sowohl am medialen wie am lateralen Rande scharf begrenzt und beginnt hinten dicht vor der hinteren Ecke des Calcaneus. In seiner Mitte liegt es dem Knochen fest auf und ist dadurch stärker abgeplattet, 4mm breit. Vorn, wo es freier liegt, verschmälert es sich auf 3mm und wird entsprechend dicker. Noch weiter vorn geht es über die Kante des Cuboides hinweg, welche etwas tiefer (mehr plantar) steht als die Basis des 5. Metatarsale. Dabei ist es in eine Rinne des Cuboids eingelassen. Zuletzt zieht es etwas dorsal- und noch mehr medianwärts, um die mediale hintere Ecke der Basis des 5. Metatarsale zu erreichen, an welcher es sich befestigt. Zwischen dem Bande und der Kante des Cuboides befindet sich ein Schleimbeutel, der aber nicht mit dem Artic. cuboideo-meta- tarsalis kommuniziert. — Der vordere Abschnitt des medialen Randes des Bandes grenzt an den lateralen Rand des „Schnabels“, ohne mit ihm verwachsen zu sein. Dadurch ist eine starke Biegung des Bandes vor seinem Ansatz an das Metatarsale bedingt (Abb. 5), die sonst nicht verständlich sein würde. HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 129 10. Ligam. calecaneo-cuboideum plantare (Abb. 5). — Dieses Band befestigt sich einerseits an einem Wulst der plantaren Seite des Calcaneus dicht hinter dem vorderen Ende des Knochens, andererseits an der Tuberositas des Cuboides. Der Abstand beider Wülste beträgt 10 mm. und diesem Abstande ist die Länge des Ban- des gleich. Die Faserung des Bandes ist rein längs gerichtet. Fassen wir nun die beiden zuletztgenannten Bänder zu einer Einheit zusammen, wozu uns ja ihre enge Zusammenlagerung und die gleiche Faserrichtung berechtigen, und vergleichen wir dieses Ge- bilde mit den Ligamm. bezw dem Ligam. calcaneo-cuboideum des ca-cu. p. Ligam. calcaneo-cu- Abb. 5. ‘ Linker Fuß von unten nach Entfernung des Schnabels. Vergr. 5:8. BR DE I.” II. 2. Metatarsale III. 3. — VIL4., — . Re = ; E SQ NV: 5 = r SAaE Wr E a: b. Ligam. basium metatars. G z 3 a R 3 transversum. z SE ar Ned C. Tuber calcanei mit Rinne G R £ S = \ a für Plantaris-Sehne. 2 Sy M! Ar N ca-cU. l. Ligam. calcaneo-cu- \z j \ = J Sy Ä boid. laterale. RNNTaN: ze: 21 boid. plantare. a ee: ERHFETICITIN" Ir ae III N 277 ca-m. Ligam. calcaneo-meta- tars. plantare. ca-n. Ligam. calcaneo-navicul. plantare. ,D. ca-t. Ligam. calcaneo-tibiale. cf. p. Ligam. calcaneo-fibul. profundum. ef. s. Ligam. calcaneo-fibul. superficiale. eu-m.1. Ligam. cuboideo-meta tars. laterale. cu-m. p. Ligam. cuboideo-me- tatars. plantare. N. „Steg“ des Naviculare. n-m. m. Ligam. navi-metatars. mediale. n-m. p. Ligam. navi-metatars. plantare. P.Sehne desPeronaeus longus. R. Rest des „Schnabels“, r-m. Ligam. rostro-metatarsale, am Schnabel abgeschnitten. S. Sustentaculum. Ta. Talus mit Sulcus flexoris digitorum. ta-t. Ligam. talo-tibiale. 9 130 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Menschen, so finden wir mehrere Unterschiede, von deren Hervor- hebung wir nicht nur Nutzen haben für das Verständnis des Hasen- fußes, sondern auch für das des Menschen. Das Erste ist, daß diese Bandmasse beim Hasen nicht in der unbestimmten Weise wie beim Menschen ausstrahlt zu den Basen der drei lateralen Metatarsalien, sondern in ganz klarer Weise an die Basis des 5. Metatarsale tritt. Dieser Ansatz reiht sich damit ein in das Bild der hochdifferenzirten tarso-metatarsalen Bänder, von denen wir im weiteren Verlauf zu sprechen haben werden. Das Zweite ist die Schichtspaltung in ein oberflächliches Ligam. calcaneo-metatarsale und ein tiefes Ligam. calcaneo-cuboideum. Dies zeigt an, daß beim Hasen die Unabhängigkeit des 5. Metatarsale gegen das Cuboides größer ist als beim Menschen. Das Dritte ist folgendes: Auch beim Menschen ist die calcaneo- cuboideale Bandmasse in Abteilungen zerlegt, sogar in deren drei, eine gerade, eine schiefe und eine quere (oder doch fast quere). Aber diese Teilung ist von ganz anderer Art und Bedeutung als die beim Hasen: alle diese drei Abteilungen sind Ligamenta calcaneo-cuboidea, ein rectum, ein obliguum und ein transversum (letzteres nach BAR- KOW; citiert nach HENLE, Handbuch Bänderlehre 2. Aufl. 1872, S. 180). Für das transversum ist sogar extra ein Ursprungsfeld am vorderen Ende der plantaren Fläche des Calcaneus ausgetieft.e. Ob man diese drei Abteilungen als „Ligamenta“ oder als „Partes“ des einen Ligam. calcaneo-cuboideum auffassen will, ist eine Frage von sekundärer Be- deutung. Ich habe sie schon vor Jahrzehnten, bevor ich etwas vom Hasen wußte, als selbständige Bänder auf Grund der Präparation be- trachtet. Aber wenn man sich gar nicht um diese Unterschiede der Faserrichtung bekümmert, wie es in der B.N. A. geschehen ist, in- dem dort nur von einem „Lig. plantare longum“ die Rede ist (l. c. S. 43), so zeigt das, daß man sich von der verschiedenen funktio- nellen Bedeutung: dieser Bänder nie Rechenschaft gegeben hat: Das längsgerichtete Band dient zum Schutz gegen die Durchbiegung bei der Belastung von oben her, das quere beschränkt die Abduktion nach der medialen Seite, das schiefe vereinigt in sich beide Auf- gaben. Von da aus wird auch verständlich, warum der Hase kein schiefes und kein queres Band dieser Art hat: Diese Bänder fehlen ihm nicht etwa, um die abduktorische Bewegung nach der medialen Seite frei zu lassen, sondern weil es bei ihm gar keine solche Be- wegung gibt, solche Bänder also überflüssig sind. HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes,. 131 Eine vierte Bemerkung müßte die Länge des Ligam. calcaneo- cuboideum des Hasen betreffen; doch das kann erst im Anschluß an das folgende Band klar gemacht werden. 11. Ligam. calcaneo-naviculare plantare (Abb. 5). — Dieses Band befestigt sich einerseits am vorderen Rande des Susten- taculum tali, andererseits an der proximal-plantaren Kante des Navi- culare. Das Band weicht in zwei Beziehungen von dem gleichnamigen Bande des menschlichen Fußes ab: 1. darin daß es nicht schief-, sondern längsgefasert, und 2. darin, daß es an seiner oberen Fläche nicht mit Faserknorpel belegt ist. Das erstere steht damit in Zusammen- hang, daß die Bewegung in dem Artic. talo-navicularis nicht ab- duktorisch sondern flexorisch ist; das zweite damit, daß bei dieser Bewegung das Band gebogen wird, also nicht steif sein darf. Betrachtet man den Bänderfuß von der plantaren Seite, so be- merkt man, daß das Ligam. calcaneo-cuboideum und das Ligam. calcaneo-naviculare eng aneinander schließen, und daß sie gleich-, nämlich längsgefasert sind. Sie erscheinen daher auf den ersten Blick wie ein Band; das sind sie eigentlich auch, eine Platte, welche sich hinten am Calcaneus und vorn am Naviculare und Cuboides anheftet. Der geringste Abstand von Sustentaculum und Naviculare ist Amm.; so lang ist also das Lig. calc.-navic. in minimo. So lang ist aber auch das Ligam. calcaneo-cuboideum. Aber dieses ist gegen das Ligam. cale.-naviculare verschoben, indem sowohl sein Ursprung wie sein Ansatz weiter distal liegen. Die gleiche Länge beider Bänder läßt sich darauf zurückführen, daß sie beide in gleicher Weise in Anspruch genommen werden, nämlich um der Durchbiegung des Fußes bei der Belastung von oben zu widerstehen. Damit hat auch das seine Erledigung gefunden, was bei der Be- sprechung des Ligam. calcaneo-cuboideum unerörtert blieb, nämlich warum das genannte Band an den beiden Knochenwülsten und nicht unmittelbar an den Rändern des Gelenkspaltes ansetzt. Würde es letzteres tun, so würde seine Länge nicht der des Ligam. calcaneo- naviculare gleich sein können, dessen Länge wieder durch den Ab- stand des Sustentaculum von dem Naviculare bedingt ist. 122 Tısam. ealeaneo-ceuboideum laterale (Abb. 1, 3). — Es geht von der dorsal-distal-lateralen Ecke des Calcaneus an die dorsal-proximal-Jaterale Ecke des Cuboides hinter die Furche für den Peronaeus longus. 13. Ligam. calcaneo-naviculare dorsale (Abk. 1.) — 9% 89 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Besteht aus zwei Abteilungen, die durch eine Spalte getrennt sind; entspringt, 4mm breit, an der dorsal-distal-medialen Ecke des Cal- caneus und befestigt sich 6 mm breit auf der dorsalen Seite des Naviculare. Um die mechanische Bedeutung dieses Bandes richtig zu ver- stehen, muß man ein Teilpräparat in die Hand nehmen, welches aus nichts weiter wie aus dem Calcaneus, Naviculare, Ligam. calcaneo- naviculare plantare und Ligam. calcaneo-naviculare dorsale bestehe. Es fällt dann zunächst rein anatomisch auf, daß die Faserrichtung beider Bänder rechtwinklig zueinander steht, indem das plantare derselben genau längs und das dorsale genau quer gefasert ist. Sucht man dann die beiden Knochen gegeneinander zu bewegen, so bemerkt man, daß dies nur in ganz geringem Grade möglich und daß die Be- wegung eine fiexorische ist. 14. Ligam. cuboideo-naviculare dorsale (Abb. 1, 8) — Ein schmaleres Band, verläuft schief von der hinteren medialen dorsalen Ecke des Cuboides zur vorderen dorsalen lateralen Ecke des Naviculare. | 15. Ligam. cuneo-naviculare dorsale (Abb. 8). — Ein kurzes aber 4mm breites Band von der distal-dorsalen Kante des Naviculare zur proximal-dorsalen Kante des 3. Cuneiforme. 16. Ligam. navi-metatarsale dorsale (Abb. 8). — Bildet in seinem hinteren Abschnitt den lateralen Rand des eben erwähnten Bandes; vorn wird es frei, 1 mm breit und setzt sich an die mediale Kante des 3. Metatarsale. Vom Naviculare an gemessen, hat es eine Länge von 15 mm. 17. Ligam. cuneo-cuboideum dorsale (Abb. 8), — Ein schwaches queres Band von der dorsal-medialen Kante des Cuboides zur dorsal-lateralen Kante des 3. Cuneiforme. b 18. Ligam. cuneo-cuboideum plantare — Es ist ein sehr starkes Band, geht schief von der plantaren Kante des 3. Cunei- forme an das Cuboides. 19. Ligam. caleaneo-metatarsale mediale (Abb. 4) — Geht vom medialen Abschnitt des vorderen Randes des Sustentaculum tali, bezw. zweigt sich ab vom medialen Rande des Ligam,. calcaneo- naviculare plantare zum Processus styloides metatarsalis II, ist glänzend weiß, 2 mm breit und macht einen sehr kräftigen Eindruck. 20. Ligam. navi-metatarsale mediale. — Entspringt an einem Wulst der medialen Fläche des Naviculare und geht vor- und HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 133 etwas medianwärts gerichtet an den Griffel des 2. Metatarsale; ist 5 mm lang und 1,5 mm breit. 21. Ligam. cuneo-metatarsale dorsale (Abb. 4, 8), — Ein ganz kurzes, 3 mm breites Band, welches quer von der dorsal- medialen Kante des Cuneiforme II genau quer zum Processus styloi- des metatarsalis II hinüberzieht. 22. Ligam. cuboideo-metatarsale dorsale (Abb. 1). — Ein 3mm breites aber sehr dünnes Band, 4mm lang, welches von der dorsal-distalen Kante des Cuboides an die dorsale Kante des 4, Metatarsale geht. 23. Ligam. cuboideo-metatarsale laterale (Abb. 11, 13 15, 23). — Geht von der dorsal-distal-lateralen Ecke des Cuboi- des distal- und lateralwärts an die proximale Seite des Knöpfchens des 5. Metatarsale. 24. Ligam. cuboideo-metatarsale plantare — Ich möchte die Beschreibung der noch folgenden Bänder durch eine Be- merkung einleiten: die Äußerung von KRAUSE, die vorderen Tarsus- bänder seien (beim Kaninchen) ohne Interesse (l. ec. S. 134), ist ganz falsch und läßt sich nur daraus erklären, daß dieser Fuß zu klein ist. Wäre der Hasentarsus so groß wie der Menschentarsus, so würden alle diese Bänder als sehr bedeutungsvoll sofort erkannt werden. Sie sind glänzend, also dicht, und sämtlich scharf abgegrenzt gegen die Umgebung. Auch ist in ihrer Anordnung stets eine klare Zweckbe- stimmung zu sehen. Das Ligam. cuboideo-metatarsale plant. (Abb. 5) befestigt sich an dem Wulst des Cuboides zwischen den Furchen für den Pero- naeus longus und für das Ligam. calcaneo-metatarsale plantare und andererseits an einem flachen Wulst der plantaren Seite der Basis des 5. Metatarsale; es überbrückt mit dem Ligam. calcaneo- metatarsale plantare zusammen die Furche des Cuboides. 25. Ligam. navi-metatarsale plantare (Abb. 3. — Ein schr schönes starkes, scharf abgegrenztes Band, welches vom vorderen Ende des Steges zum 4. Metatarsale geht, an welches es sich 12 mm vor dem hinteren Ende ansetzt. Ich fand das Band in einem Falle 15 mm, in einem zweiten 19mm lang. Sein hinterer Ab- schnitt ist mit der Oberseite des Schnabels des Steges fest verbunden; es wird also von dem Schnabel großenteils verdeckt. 26. Ligam. rostro-metatarsale (Abb. 5). — Es befestigt Sich am 5. Metatarsale an der gleichen Stelle wie das Ligam. cal- 134 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. caneo-metatarsale (s. S. 128). Von da geht es fast quer median- wärts, aber doch zugleich etwas distalwärts und tritt in den Schnabel des Steges 7 bis 8mm vor dem Ouboides ein. Das Band ist 1,5 mm breit und sehr kräftig; es trägt zur Sicherung des Schnabels bei. 27. Ligam. basium metatarsalium transversum (Abb. 5, 6). — Ein queres, sehr starkes, 6mm langes und 2 mm breites Band zwischen dem plantaren Höcker an der Basis des 3. Metatarsale und der Basis des 2. Metatarsale.e Es muß hier gleich erwähnt werden, daß die Sehne des Peronaeus longus, indem sie sich fest an der Basis des 5. Metatarsale ansetzt, von da bis zu ihrer Endigung am 2. Metatarsale auch nichts anderes ist als ein Band, was sich auch darin äußert, daß sie sogar mit dem Ligam. trans- versum, dem sie anliegt und mit dem sie gleichgerichtet ist, ver- wächst. Dadurch kommt ein doppelt starkes Band zu Stande, welches in wirksamer Weise der Verbreiterung des Fußes, dem Auseinander- weichen der Basen der Metatarsalien bei der Belastung von oben widersteht. Abb. 6. 7 Basen der Metatarsalien des linken Fußes 77.-/M.von der plantaren Seite. Vergr. 5: 11. II. 2. Metatarsale. v4 III. 3. — IV. 4. — Va: _ b.1. Ligam. basıum metatars. vom 4. zum 5. Metatarsale. b.t. Ligam. basium metatars. transver- p sum vom 3. zum 5. Metatarsale. n-m. Ansatzstelle des Ligam. navi-me- tatars. plantare. P. Sehne des Peronaeus longus. Die vier noch zu erwähnenden Ligamenta basium metatarsalium sind sämtlich nicht quer, sondern mehr längs gerichtet, also von der Anordnung, an welche man bei solchen Bändern zu denken pflegt, abweichend, was natürlich auch seine funktionellen Gründe hat. 28. Ligam. basium metatarsalium zwischen 2. und 3. Metatarsale. — Ein kräftiges 2mm breites Band von der proxi- mal-plantaren Ecke des 3. Metatarsale zur lateralen Kante des 2. Metatarsale. 29. Ligam. basium metatars. ebenfalls zwischen 2. und HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 135 3. Metatarsale aber in anderer Anordnung. — Ein kräftiges 2 mm breites Band von der lateralen Seite der Basis des 2. Metatarsale distalwärts gerichtet zur medialen Seite des 3. Metatarsale. Die beiden letztgenannten Bänder sind ihrer Anordnung nach als gekreuzte Bände zu bezeichnen. 30. Ligam. basium metatarsalium zwischen 3. und 4 Metatarsale — Kräftiges mm langes, in einen dorsalen und einen plantaren Strang geteiltes Band von der Basis des 4. Metatar- sale distalwärts zur lateralen Seite des 3. Metatarsale. 3l. Ligam. basium metatars. zwischen 4. und 5. Meta- tarsale. — Schwaches Band in der gleichen Anordnung wie das vorige, aber zwischen 5. und 4. Metatarsale. Da ohne Zweifel die Fülle der Bänder-Bezeichnungen etwas Ver- wirrendes hat, so gebe ich noch eine kurze Übersicht, wobei ich mich auf das Wichtigere beschränke. Ich füge die Nummern aus dem vor- ausgehenden Verzeichnis bei, um das Auffinden zu erleichtern. a) Ligamenta cruro-tarsalia. — Hier sind zu nennen die zwei Paare gekreuzter Bänder (Nr. 3 und 4, 6 und 7) und das Ligam. talo-fibulare (Nr. 5). b) Ligamenta intertarsalia. — Hier hebe ich hervor Ligam, talo-calcaneum interosseum (Nr. 8), Lig. calcaneo-cuboideum plantare und calcaneo-naviculare plantare (Nr. 10 und 11), Ligam. calcaneo- naviculare dorsale (Nr. 13), Ligam. calcaneo-cuboideum laterale (Nr). ec) Ligamenta tarso-metatarsea und Ligamenta ba- sium metatarsalium. — Hier sind zu unterscheiden Quersicherungen und Längssicherungen. 1. Quersicherungen. — Schnabel des Steges, Ligam. rostro- metatarsale (Nr. 26), Ligam. basium metatars. transversum (Nr. 27), plantares Stück der Sehne des Peronaeus longus. 2. Längssicherungen. — Ligam. calcaneo-metatarsale plan- tare (Nr. 9), Ligam. calcaneo-metatarsale mediale (Nr. 19), Ligam. navi-metatarsale plantare (Nr. 25). Bemerkenswert ist in dieser dritten Gruppe zweierlei: die außer- ordentliche Stärke der Quersicherungen, um die Querwölbung zu schützen, und die Befestigung einer Anzahl der Längsbänder nicht unmittelbar vor den Gelenkspalten, sondern etwas weiter distal, wo- durch ein gewisses Pendeln der Metatarsalien ermöglicht wird, was der Spreizung der Strahlen zugute kommt. 136 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. d) Ligamenta metatarso-phalangea und interpha- langea. — Mit diesen habe ich mich nicht genauer beschäftigt. Am Schlusse dieses Abschnittes darf man sagen: die genaue Be- trachtung der Bänder hat sich gelohnt, gerade weil sie genau war, auch abgesehen von der Beziehung zu den Gelenken, die ja ohne sie nicht verständlich sein würden. Es haben sich Bänder gefunden, die genau so sind wie die des Menschen, andere, die von ihnen in be- stimmter und klar motivierter Weise abweichen; einige, die beim Menschen vorhanden sind, fehlen beim Hasen, andere finden sich beim Hasen, die es beim Menschen nicht gibt; ja es ist in einigen Fällen die Ähnlichkeit der Bänder größer als die der zugehörigen Knochen- stellen. Damit haben die Bänder ihr Anrecht auf morphologische Beachtung erwiesen. D. Bewegungsmöglichkeiten. a) Allgemeines. Bewegungsmöglichkeiten und Gelenkformen gehören zusammen. Die Bewegungsmöglichkeiten sind bedingt durch die Gelenkformen und die Gelenkformen werden von den Bewegungsmöglichkeiten aus verständlich, untersuchen aber muß man sie beide getrennt. Man darf nicht bestimmte Schlüsse über Möglichkeit, Art und Ausdehnung von Bewegungen machen auf Grund der Untersuchung von isolierten Knochen, zusammengetrockneten Skeleten und konservierten Leichen. Das mache ich mir immer zur Regel, und jeder andere sollte es auch tun. Den Palaeontologen, die sich mit Tieren zu beschäftigen haben, von welchen nur die weichteillosen Skelete erhalten sind, muß man es zugute halten, wenn sie die Phantasie zu Hilfe nehmen, was sie auch reichlich tun, und wobei zuweilen sehr widerspruchsvolle Dar- stellungen der Haltungen und Bewegungsmöglichkeiten ausgestorbener liere herauskommen. Bei Tieren, die jetzt noch leben, sollte es selbstverständlich sein, daß man Angaben über Bewegungsmöglich- keiten nur macht auf Grund der Untersuchung von frischem Material. Hat man solches nicht zur Verfügung, so soll man ruhig sagen: „Ich weiß es nicht!“ und soll es anderen, die in der Erlangung frischen Materiales glücklicher sind, überlassen, die Lücke zu füllen. Tut man dies nicht und setzt Willkür und Annahmen an die Stelle von Tatsachen und Beobachtung, so zerstört man damit die Achtung für die Kenntnis der Bewegungsmöglichkeiten, und das ist sehr zu be- HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 137 dauern, denn diese Kenntnis ist ein Glied in der Kette der Betrach- tungen, welche zusammen zum Verständnis der Gelenkmechanismen gehören, und wenn man ein Glied in der Kette schwächt oder ent- fernt, so beraubt man die ganze Kette ihrer Tragfähigkeit. | Bei W. Krause finden wir den Satz: die Beweglichkeit „des Fußes“ — beim Kaninchen — „im Ganzen ist eine sehr geringe“ (l. ec. S. 133). Sollten bei dieser Bemerkung die Bewegungen des Fußes gegen den Unterschenkel und die der Zehen gegen die Meta- tarsalien mit eingeschlossen sein, so wäre dieselbe erstaunlich falsch, denn diese Bewegungen sind sehr ausgedehnt; wenn aber nur die Be- wegungen innerhalb des Tarsus gemeint sind, so ist die Äußerung zutreffend. b) Tarso-crurale und intratarsale Bewegungsmöglichkeiten. Zwischen den Bewegungsmöglichkeiten des Hasenfußes und denen des Menscheufußes bestehen zwei wichtige Unterschiede: 1. Beim Menschen können die Bewegungen des Fußes und die Be- wegungen im Fuße nicht nur unabhängig voneinander ausgeführt werden, sondern werden es auch beständig; beim Hasen müssen sie immer gleichzeitig ausgeführt werden, sind gekoppelt. 2. Beim Menschen besteht die Bewegungsmöglichkeit im Fuß in Abduktion (im Sinne von HENKE), beim Hasen in Flexion. Um darüber klar zu werden, was mit diesen Sätzen gemeint ist, muß ein Blick auf den menschlichen Fuß geworfen werden; und da das, was über dessen Bewegungsmöglichkeiten zu sagen ist, nicht all- gemein bekannt ist, muß ich hier dasjenige wiederholen, was ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe. („Nach Form aufge- stelltes Skelet eines Pes equinovarus“ Klinische Wochenschrift 1926). Fußbewegungen des Menschen. — Die Fußbewegungen des Menschen — genauer: Fußbewegungs-Möglichkeiten — sind Be- wegungen (Bewegungsmöglichkeiten) des Fußes und Bewegungen (Bewegungsmöglichkeiten) im Fuß. Die Bewegungen des Fußes sind Bewegungen des Talus gegen die Tibia, die Bewegungen im Fuß Be- wegungen zugleich im Artic. talocalcaneus, calcaneocuboideus und talo- navicularis. Bei den Bewegungen des Fußes wird der Fuß im ‚Ganzen dorsalwärts und plantarwärts flektiert, bei den Bewegungen im Fuß wird der Vordertarsus nebst Calcaneus gegen den Talus median- und lateralabduktorisch bewegt, wobei, wenn die Fußspitze medianwärts geführt wird, gleichzeitig der mediale Fußrand gehoben werden muß- 138 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Diese beiden Bewegungsarten bestehen nicht nur als getrennte Möglichkeiten im Skelet, sondern sie werden auch vom lebenden Körper getrennt ausgeführt, und zwar beständig. Heutzutage, bei den kurzen Kleidern, dünnen enganliegenden Strümpfen und ausge- schnittenen Schuhen der Mädchen und Frauen hat man täglich tausend- fach Gelegenheit, sich davon zu überzeugen: Beim wohlgebildeten Schritt wird nur der Fuß gegen den Unterschenkel bewegt (abge- sehen von den Bewegungen der Zehen gegen die Metatarsalien), es findet aber gar keine Bewegung im Fuße statt. Man sieht wohl ge- legentlich einmal eine gewisse abduktorische Mitbewegung bei Schrei- tenden und noch eher bei Laufenden, aber man fühlt dann immer gleich, daß dies fehlerhaft ist. Umgekehrt hat man auch zur Beob- achtung der Bewegungen im Fuß, die reichlichste Gelegenheit an demselben Untersuchungsmaterial, z. B. in der Untergrundbahn, wenn weibliche Wesen einen Fuß über den anderen schlagen und ihn auf dem lateralen Fußrand aufruhen lassen, und man kann sich leicht davon überzeugen, an seinem Fuß und an einem anderen, daß solche Bewegungen in ausgibigem Maaße möglich sind ohne irgend eine Anderung der Stellung des Talus gegen den Unterschenkel. Diese Tatsachen, welche sich täglich an hunderten von Beispielen vor unseren Augen von selbst abspielen und trotzdem in der Aus- drucksweise der Anatomen und Praktiker (Orthopäden) keinen Nieder- schlag gefunden haben, wurden hier nur zur Sprache gebracht, um durch Vergleich von Menschenfuß und Hasenfuß die Eigenart der Bewegungsmöglichkeiten des letzteren schärfer zu kennzeichnen. Diese Eigenart besteht, um es zu wiederholen, darin, daß auch die intra- tarsalen Verbindungen fiexorisch und nur flexorisch in Anspruch ge- nommen werden, und darin, daß die tarso-cruralen und intratarsalen Bewegungsmöglichkeiten miteinander zwangsmäßig verbunden sind. Man wird nicht fehlgehen, wenn man das koppelnde Stück in diesem reichkombinierten Mechanismus in der Verbindung des Calcaneus mit dem Os cruris erblickt. | Vom Standpunkte der Teleologie (Zweckmäßigkeit) aus gesehen ist der gefundene Zustand begreiflich: Die abduktorische Bewegung: innerhalb des Tarsus, nützlich für das Klettertier und daher aufs Höchste gesteigert beim Faultier (Dradypus) und in dessen talo-cal- canealer und talo-navicularer Verbindung sich spiegelnd, ist für das Lauftier entbehrlich, ja sie würde für den Hasen, der um sein Leben laufen muß, eine Gefahrquelle sein, da in den rein flexorischen $ ’ “ n $ je HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 139 Ablauf seiner Fußbewegungen einmal plötzlich eine abduktorische Bewegung einschnappen könnte. Die Verkoppelung der Bewegungen in der tarso-cruralen und in der intratarsalen Verbindung aber be- deutet Gewinn, da zwangsmäßig, zusammengeschlossen ist, was sonst durch Muskeltätigkeit, also Innervation, also Gehirnarbeit zusammen- gespielt werden müßte. Was hier im anatomischen Sinne Kompli- kation ist, bedeutet im funktionellen Sinne Vereinfachung. Es wäre nun hier am Platz, für jede der fünf in Betracht kom- menden Einzelverbindungen in Graden genau anzugeben, wie groß der Betrag an Flexionsmöglichkeit ist. Diesen habe ich jedoch nur für die Verbindung von Os cruris und Calcaneus bestimmt, und zwar mit Hilfe der Skeletzusammensetzung nach Form, worüber ich später noch sprechen werde. Die Flexion von Mittellage, d. h. derjenigen Lage, bei welcher das Os cruris rechtwinklig auf der Längsrichtung des Fußes ist (Abb. IV, 24, V, 26, V, 25), nach dorsaler Endstellung (Abb. 8) beträgt 52°, nach plantarer Endstellung (Abb. 8) 87°, also zusammen 139°. In der talo-cruralen Verbindung ist der Ausschlag auch sehr groß, aber nicht so groß wie der genannte; vielleicht wird man sagen dürfen, daß die Ausschlägein der talo-cruralen und in der talo-calcanealen Verbindung zusammen ebensoviel ausmachen wie der in der calcaneo-cruralen Verbindung für sich. Die Ausschläge in der talo-navicularen und in der calcaneo-cuboidealen Verbindung sind sehr unbedeutend. c) Tarso-metatarsale Bewegungsmöglichkeiten. Alle Metatarsalien sind sowohl flexorisch wie abduktorisch be- wegbar, freilich flexorisch nur in geringem Grade, nur zur Federung. 1. Flexion. — Das 5. Metatarsale ist stärker flektierbar als das 4., das 4. stärker als das dritte. Das zweite ist gegen den Tarsus gar nicht flektierbar, da es mit dem 1. Keilbein verwachsen und mit dem 2. Keilbein unbeweglich verbunden ist. Dafür ist aber das zweite Keilbein und in gleicher Weise der Griffel des 2. Meta- tarsale gegen das Naviculare beweglich. Das dritte Keilbein ist auch gegen das Naviculare etwas beweglich, aber weniger als das 3. Me- tatarsale gegen das 3. Keilbein. 2. Spreizung. — Die Spreizungsmöglichkeit zwischen den Metatarsalien ist, nachdem die Haut und das Bindegewebe entfernt sind, erheblich (s. Abb. III, 21), und zwar ist die zwischen dem 3. und 4. noch beträchtlicher als die zwischen dem 2. und 3. und als die EZ 140 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. zwischen dem 4. und 5. Sind Haut und Bindegewebe nicht entfernt, so werden die Metatarsalien durch die Interdigitalfalten der Haut und die Ligamenta natatoria, die auch hier recht kräftig sind, be- sonders das des zweiten Intermetatarsalraumes, mehr zusammenge- halten, doch ist auch dann noch die Spreizungsmöglichkeit recht be- achtenswert. Wie weit beim lebenden Tier die Spreizung der Meta- tarsalien aktiv durch Muskeltätigkeit und wie weit passiv durch Widerstände des Bodens zu Stande kommt, wird sich wohl nicht ausmachen lassen. Aber auf eines muß hier noch hingewiesen werden. auf das Verhältnis von abduktorischer (und adduktorischer) Bewe- gungsmöglichkeit der Metatarsalien und der Zehen. Auch die Zehen bezw. die ersten Phalangen sind abduktorisch (und adduktorisch) be- wegbar, aber in geringerem Grade als die Metatarsalien. Was das heißen will, wird deutlich durch den Vergleich mit dem Menschen; X-Bilder des Fußkünstlers UNnTHAn, der Violinvirtuose, Kunstschütze und noch manches andere in einer Person ist, kurz „alles machen“ kann mit seinen Füßen, zeigen, daß selbst bei extremer Spreizung der Zehen der Abstand der Köpfchen des 1. und des 5. Metatarsale nicht größer ist als bei aneinanderliegenden Zehen. (Röntgenbilder von dem Fuß des Fußkünstlers Unthan — Zeitsch. f. Ethnol. Jg. 1916, p. 271-277; s. dort S. 276). Beim Menschen also werden die Zehen gespreizt, beim Hasen vornehmlich die Metatarsalien. Dieser Unter- schied macht Unterschiede im Verhalten der Muskeln verständlich, mit denen wir uns im folgenden zu beschäftigen haben werden. d. Metatarso-phalangeale und interphalangeale Bewegungsmöglichkeiten. 1. Seitliche Bewegungen. — Zwischen Metatarsalien und ersten Phalangen sind seitliche Bewegungen in mäßigem Grade mög- lich, wovon soeben gesprochen wurde; zwischen den Phalangen fehlen sie, 2. Flexion. — Prüfung der Flexionsmöglichkeit nach Entfernung der Beugesehnen und Strecksehnen führt zu einem überraschenden Ergebnis: a) Plantare Flexion. — Die ersten Phalangen sind gegen die Metatarsalien um fast 90° beugbar; an der dann eintretenden Hemmung sind auch die großen Sesambeine beteiligt, indem sie sich mit ihren proximalen Enden an die Metatarsalien, mit den distalen Enden an die ersten Phalangen anstemmen. Die zweiten Phalangen sind gegen die ersten um 90°, die dritten gegen die zweiten gar nicht beugbar. EDIT Zr Nr re a RE dE e a 5 HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 141 b) Dorsale Flexion. — Die ersten Phalangen sind gegen die Metatarsalien um annähernd 90°, um 90° sind auch die dritten Phalangen gegen die zweiten, die zweiten aber gegen die ersten gar nicht beugbar. Um dieses seltsame Verhalten besser einzuprägen, wiederhole ich die Einzelheiten noch einmal in anderer Reihenfolge: Die ersten Pha- langen sind gegen die Metatarsalien sowohl in plantarer wie in dor- saler Richtung annähernd um 90° beugbar; die zweiten Phalangen gegen die ersten in plantarer Richtung um 90°, in dorsaler Richtung gar nicht die dritten Phalangen gegen die zweiten in plantarer Richtung gar nicht, in dorsaler Richtung um 90° beugbar. Wie weit und in welchen Kombinationen das iebende Tier diese Bewegungsmöglichkeiten ausnutzt, ist schwer zu sagen, da hier den Muskeln nicht nur eine befördernde sondern auch eine hemmende Aufgabe zufällt. E. Gelenke. a) Vorbemerkungen. Ich kann es nicht umgehen, der Besprechung der Gelenke des Hasenfußes einige Bemerkungen über Gelenke im allgemeinen vor- auszuschicken, weil es sich dabei um Dinge handelt, die unbedingt klar sein müssen, von denen ich aber nicht annehmen darf, daß sie es auch sind. | Das erste und zunächst einmal wichtigste ist folgendes: Wer von Gelenken sprechen will, muß deutlich wissen und sich deutlich erklären, ob von Gelenken im räumlichen (topographischen) Sinne oder von Gelenken im funktionellen (mechanischen) Sinne die Rede sein soll. „Ein Gelenk im räumlichen Sinne ist eine Verbindung von zwei oder mehr Knochen, welche einen gemeinsamen, durch eine Kapsel begrenzten Hohlraum umschließen; ein Gelenk im mechanischen Sinne ist eine Verbindung von zwei oder mehr Knochen, welche eine be- stimmte Bewegungsiorm bedingen“. (Nach Form aufgestelltes Skelet eines Pes equinoyarus. — Klinische Wochenschrift, 1926). Ich wieder- hole hier mein Bedauern, daß wir für „«elenk“ in dem einen und „Gelenk“ in dem anderen Sinne nicht zwei verschiedene Ausdrücke haben; dadurch würden viele Unklarheiten und Mißverständnisse ab- geschnitten werden. Die Angelegenheit ist so wichtig, so grundlegend, 142 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. daß ich auch hier wieder, um klar zu machen, um was es sich han- delt, auf das klassische Beispiel verweise, welches wir an der oberen Extremität haben: „Das Ellbogengelenk ist ein Gelenk im räum- lichen Sinne, ebenso ist es die Artic. radioulnaris inferior. Im mecha- nischen Sinne dagegen haben wir im Ellbogen zwei von einander unabhängige Verbindungen oder Gelenke, die Artic. humeroulnaris und die Artic. radioulnaris superior. Die letztere aber ist mit der Artie. radioulnaris inferior zu einer mechanischen Einheit verbunden, obwohl beide räumlich weit von einander getrennt sind“. (1. c.) Für die medizinische Praxis stehen oft die Gelenke im räum- lichen Sinne im Vordergrunde des Interesses wegen der Verletzungen und Erkrankungen und demgemäß wegen der Behandlung; für die Bewegungslehre dagegen treten sie an Bedeutung zurück, die Gelenke im mechanischen Sinne dagegen in den Vordergrund. Die geringe Bedeutung der „Gelenke im räumlichen Sinne“ wird durch vergleichende Betrachtungen noch besonders sinnfällig. Zwischen Atlas und Epistropheus finden sich beim Menschen und anderen Pri- maten zwei Gelenke (im räumlichen Sinne), der unpaare mediale Artic. atlanto-odontoideus und der paarige laterale Artic. atlanto- epistrophicus lateralis; bei anderen Säugetieren ein einziges Gelenk (Dies immer im räumlichen Sinne gemeint). Es liegt auf der Hand, daß das im mechanischen Sinne gar keinen wesentlichen, sondern nur einen graduellen Unterschied bedeutet. Ein anderes Beispiel treffen wir beim Hasen. Bei diesem stehen, wie schon gesagt wurde, alle Gelenkflächen am Talus und demgemäß die ihnen entsprechenden „Ge- lenke“ (im räumlichen Sinn) in Zusammenhang; das sind: die Ver- bindungen von Tibia uud Talus, Fibula mit Calcaneus, Talus mit Cal- caneus, Talus mit Naviculare, Calcaneus mit Cuboides. Also alle diese Verbindungen, welchen beim Menschen vier „Gelenke“ (im räum- lichen Sinne) entsprechen: Artic. talo-cruralis, Artic. talo-calcaneus lateralis = posterior (räumlich!), Artie. talo-calcaneo-navicularis und Ar- tic. calcaneo-cuboideus, liefern beim Hasen ein einziges „Gelenk“ (im räumlichen Sinne). Es liegt auf der Hand, daß, wenn wir unserem Ziele, dem Ver- ständnis des Mechanismus der Bewegung, zustreben, wir uns von diesem Begleiter auf unserem Wege, der Betrachtung der Gelenke ‘ im räumlichen Sinne, der uns immerfort Knüppel zwischen die Beine wirft, befreien müssen. Also von nun an soll nur von (felenken im mechanischen Sinne die Rede sein. Aber wenn wir auch dadurch HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 143 eine Unklarheit los geworden sind, so warten unserer doch andere Schwierigkeiten. Die nächste derselben will ich an einem Beispiel zeigen: Beim Menschen gibt es im Tarsus, wenn man von den straffen Gelenken des Vordertarsus absieht, drei Gelenke (diesmal nun im mechanischen Sinne): Artic. talo-calcaneus, Artic. calcaneo-cuboideus und Artic. talo-navi- cularis.. Anatomen und Praktiker haben sich natürlich intensiv be- müht, diese Verbindungen mechanisch aufzuklären. Eine sehr gründ- liche und wie mir scheint, sehr befriedigende Darstellung ist durch ALFRED DöNnITz geliefert worden. („Die Mechanik der Fußwurzel“ Dissert. med. Berlin 1903). D. hat jedes dieser drei Gelenke klar dargestellt und sogar für jedes derselben die Achse genau fest- gestellt. Aber, wenn man die Bewegungsmöglichkeiten prüft — am frischen Präparat und am Lebenden —, so findet man, daß diese drei Gelenke nicht getrennt von einander sondern immer nur gleich- zeitig spielen können. Das wird durch die Bänder erzwungen. Diese drei Gelenke sind also gekoppelt und zwar sind sie band- gekoppelt (durch Bänder gekoppelt‘. Wenn jemand daraus Veran- lassung nimmt, diese Dreiheit als ein Gelenk zu bezeichnen und es vorzieht, in solchem Falle von einem „zusammengesetzten Gelenk“ (im mechanischen Sinne) zu sprechen, so kann man ihm nicht ent- gegnen, dies sei falsch. Ganz ebenso liegt die Sache beim Hasenfuß, nur noch kompli- zierter: Indem sowohl Talus wie Calcaneus mit dem Os cruris arti- kulieren, sind die Articuli talo-cruralis und calcaneo-cruralis zu einem „zusammengesetzten“ Gelenk verbunden?), aber indem sich mit der Bewegung von Talus und Calcaneus gegen den Unter- schenkel zwangsmäßig auch die Bewegung des Talus gegen den Cal- caneus und sogar die des Naviculare gegen den Talus und die des Cuboides gegen den Calcaneus verbindet, so ist es logisch, auch diese Bestandteile in die größere Einheit mit aufzunehmen. Man kann dem Sachverhalt entweder dadurch gerecht werden, daß man von „ge- koppelten Gelenken“ oder dadurch, daß man von einem „zusammen- gesetzten Gelenk“ spricht. Also auch. „Gelenk im mechanischen 1) Es gibt auch muskelgekoppelte und knochengekoppelte Gelenke. 9) Übrigens einem sehr interessanten Gelenk, indem die eine Hälfte des- selben ein strenger Ginglymus und die andere eine gänzliche unsystematische Bildung ist. 144 Veitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Sinne“, wenn. man von dem räumlichen Sinne ganz absieht, kann etwas Verschiedenes bedeuten, je nachdem man damit die Einzelver- bindung zweier Knochen oder die Gesamtheit der zu einem Gelenk- mechanismus zusammengehörigen Stücke meint. Das sind die Betrachtungen, zu denen man kommt, wenn man die Angelegenheit „Gelenk“ beharrlich bis zu Ende durchdenkt, und wenn man darauf achtet, in welchen Sinne das Wort „Gelenk“ in der Literatur angewendet ist. Dadurch daß das in so verschiedenem Sinne geschieht, haftet dem Wort „Gelenk“ eine erhebliche Unsicher- heit an. Das wird auch immer so bleiben, denn man wird von „Ge- ienk“ bald in diesem, bald in jenem Sinne sprechen, je nachdem es für dem Zusammenhang bequem ist. Die Unsicherheit braucht aber nicht zur Unklarheit zu führen, wenn man sich nur in jedem einzel- nen Falle die Frage vorlegt, in welchem Sinne diesmal das Wort ge- meint ist. ; „Systeme von Gelenkformen“ — Es ist noch eine weitere Bemerkung . allgemeiner Natur vorauszuschicken, bevor wir an die besonderen Gelenke des Hasenfußes kommen, über „Systeme der Ge- lenkformen“. — In Lehrbüchern der Anatomie und in Sonderbear- beitungen der Gelenklehre ist es üblich, die Besprechung mit einem „System“ der Gelenkformen zu beginnen. Dadurch wird dem gläu- bigen Anfänger — beabsichtigt oder unbeabsichtigt — die Vorstellung beigebracht, als sei ein Gelenk begrilfen, wenn man es nur an einen bestimmten Platz in einem solchen „System“ hineingeschoben hat. Die meisten machen sich wohl niemals klar, daß diese Systeme Re- likte sind aus einer Zeit, wo unter der Herrschaft der Ding-an-sich- Philosophie und einer vorwiegend sprachlichen Schulerziehung die Neigung zum Deducieren und zum Klassificieren übermächtig war und das zarte Stimmchen der Empirie oft überschrie Ein System der Gelenkformen, sozusagen eine Registratur, in deren Fächer jede vor- kommende oder wohl gar jede überhaupt mögliche Gelenkform säuber- lich hineingeschoben werden könnte, gibt es nicht; und wenn man, mit feinerem Wirklichkeitssinne begabt, sich die Plätze im System ansieht, an welchen manche Gelenkformen unterzubringen wären, So bemerkt man, daß es sehr .häufig Prokrustesbetten sind, in welche die armen Gelenke nicht ohne Verstümmelung hineinzuzwängen wären. RUDOLF Fick hat in seinem großen Lehrbuch bereits hinter der Übersicht der Gelenkformen einen „Artic. irregularis“ aufgeführt (l. c. S. 14), sozusagen einen Sammeltopf, in weichen alle Gelenkformen HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 145 geworfen werden können, die im „System“ nicht Platz haben. Man mache nur ja diesen Sammeltopf recht groß, denn es ist vieles, was in demselben Aufnahne finden muß! Schon das Hüftgelenk ist nicht immer ein reines Kugelgelenk; beim Reh und beim Strauß setzt sich die Überknorpelung auf einen Teil des Halses fort. Und nun gar die Talusrolle; welche Fülle der Formen! — Fick regt an mehreren Stellen seines Buches dazu an, vergleichende Untersuchungen der Ge- lenke zu machen. Ich gehe weiter uud erkläre, daß jeder, der sich ein Urteil in Gelenkfragen bilden will, verpflichtet ist, sich mit ver- gleichender Anatomie der Gelenke gründlich zu beschäftigen. Das ist auch der einzige Weg, um die Scheuklappen loszuwerden, die uns bei der Beschäftigung mit den Gelenken von nur einer Species immer wieder zu sprießen drohen. Gelenke des Hasenfußes — Wir werden es im Wesent- lichen mit den Verbindungen des Hintertarsus zu tun haben, mit den Verbindungen von Ös cruris mit Talus, Os cruris mit Calcaneus, Talus mit Calcaneus, Talus mit Naviculare, Calcaneus mit Ouboides. WILH. KRAUSE behandelt diese Verbindungen als selbständige Gelenke („Articulationes“) (l. c. S. 134). Ich halte diesen Weg, wenn er auch angesichts der im Vorausgeheuden erwähnten Koppe- lung dieser Verbindungen nicht bis ans Ende des mechanischen Ver- ständnisses führen kann, doch für zweckmäßig, ja nötig, um in das Problem hineinzukommen. Allerdings gegen die Charakterisierung der einzelnen Gelenke habe ich Bedenken. Nach KRAUSE Ist die Artieulatio talo-cruralis ein Schraubengelenk, die Artic. calcaneo-cru- ralis ein Schraubengelenk (l. c. S. 133), in der Artie, talo-calcanea ist die Fläche des Talus ein ellipsoidischer Umdrehungskörper, die Artic. talo-navicul. ist ein beschränktes Kugelgelenk, die Articul. calcaneo-cuboidea für sich allein ein Schraubengelenk, aber mit Rück- sicht auf die Anteilnahme des Os naviculare ein Kugelgelenk. Wenn ich mich frage, ob ich auf der Grundlage dieser Dia- gnosen mein Ziel erreiche, die Bewegungen des Hasenfußes, so wie sie sich bei Prüfung der Bewegungsmöglichkeiten erkennen ließen, und die Mechanik dieses Fußes zu begreifen, so muß ich sagen: So werde ich dieses Ziel nicht erreichen! KRAUSE zeigt sich hier ganz als ein Systemgläubiger alten Schlages, mit der Besonderheit der Vorliebe für Schraubengelenke, wie aus seiner Äußerung hervor- geht: „Vielleicht lassen sich bei genauerer Untersuchung alle Gelenke des Kaninchens auf diesen Typus zurückführen“ (l. c.S. 48). Ich will 10 146 | Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. mich aber nicht auf eine Besprechung dieser Diagnosen einlassen, da es ja doch sein könnte, daß beim Kaninchen einiges anders ist als beim Hasen, sondern zu den Einzelverbindungen des Hasentarsus übergeben. b) Die talo-crurale Verbindung. Nach dem, was über die Knochen (S. 106, 108), Bänder (S. 125), Bewegungsmöglichkeiten (S. 137) dieses schönen Scharniergelenkes schon gesagt wurde, ist kaum noch etwas hinzuzufügen. Es sei nur noch wieder an folgende vier Punkte erinnert: 1. Der hintere Abschnitt der überknorpelten Fläche auf dem Ta- lus gehört nicht zur Gelenkfläche, sondern zum Lager für die Sehne des Flexor digitorum. 2. Vor der Gelenkfläche der Trochlea befindet sich eine kleine Fortsetzung derselben auf der oberen Seite des Processus anterior tali (S.108), welcher eine Gelenkfläche am Os cruris entspricht (S. 106), und zwar tritt die Berührung beider Flächen ein am Ende der Dor- salflexion des Fußes. Beide Flächen zusammen stellen ein „Hocker- merkmal“ dar, sie dienen zur Hemmung der Dorsalflexion (also Knochenhemmung!). Die mechanische Verwendung des Talus-Hocker- merkmals ist nicht genau die gleiche wie die des Calcaneus-Hocker- merkmals, und durch den Vergleich beider wird jedes von ihnen schärfer charakterisiert. Der Unterschied besteht darin, daß bei dem T-H-M in dem Augenblick, wo die Berührung eintritt, die beiden Flächen auch schon in ganzer Ausdehnung aneinander liegen, bei dem C-H-M dagegen in dem Augenblick, wo die Berührung ein- tritt, sich nur die hinteren Ränder beider Flächen berühren und erst bei extremer Dorsalflexion völlige Berührung eintritt (Abb. V 26). Deswegen hat auch die betreffende Fläche an dem fibu- laren Stück des Os cruris eine andere Lage als die an dem tibialen Stück (s. S. 106). Die Hockerfläche auf dem Calcaneus dient also nicht zur Hemmung sondern zur Stützung, indem bei extremer Dor- sallexion die Fibula ganz von der Trochlea calcanei abgerollt wird und auf dieser keinen Halt mehr findet. 3. Die laterale Kante der Trochlea tali ist bedeutend höher als die mediale Kante. Bei diesem Anblick kam mir die Vorstellung — ich bin aber nicht sicher, ob dieselbe mechanisch gerechtfertigt ist —, daß, wenn bei einem gekehlten Zylinder die beiden Randkanten gleichhoch sind, die Führung der Leiste des Lagers zufällt, die in die Kehle des Zylinders paßt; daß dagegen, wenn, wie in unserm Bee HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 147 Falle, die beiden Kanten des Zylinders ungleich hoch sind und die höhere Kante in eine tiefere Rinne des Lagers paßt, dieser höheren Kante des Zylinders die Führung zufällt. 4. Die einander entsprechenden Flächen der Trochlea tali und des Os cruris schließen bei allen Lagen von extremer Plantarflexion bis zu extremer Dorsalflexion. Dies ist eigentlich „selbstverständlich“ und wird hier nur deswegen ausdrücklich gesagt, weil es in dem Artic. calcaneo-cruralis so auffallend anders ist. Um es also noch zu untersteichen: In denselben Lagen, in welchen Os cruris und Cal- calneus so auffallend voneinander klaffen, schließt das gleiche Os cruris mit dem Talus eng aneinander. c) Die calcaneo-crurale Verbindung. In dem Abschnitt über die Knochen habe ich mitgeteilt, wie ich nur allmählich zum Verständnis der Trochlea caleanei und der mit ihr verbundenen Fläche des Os cruris gelangt bin (s. S. 111). Ich habe mich bemüht, die Flächen so genau wie möglich zu beschreiben, und in den Abb. III 22, IV 23, IV 24, IV 25, IV 26 sind dieselben mit der größten Sorgfalt wiedergegeben. Aus der Beschreibung ging zweierlei hervor: 1. keiner der beiden Gelenkkörper besitzt eine einfache, gleich- mäßig gekrümmte Gestalt; 2. die beiden Gelenkflächen sind nicht kongruent gekrümmt. Das letztere ist eigentlich die selbstverständliche Konsequenz des ersteren, denn wenn die fibulare Fläche des Os cruris ebenso ge- krümmt wäre wie die Fläche der Trochlea calcanei, so wäre Bewe- wegung beider gegeneinander (Man sehe nur die Figuren!) überhaupt nicht möglich. Bedingung für Bewegungsmöglichkeit bei solchen Flächen ist Inkongruenz. Es ist offenbar, daß ein Gelenk mit derartigen Gelenkkörpern in kein „System“ paßt; es in ein solches hineinzwängen heißt nichts anderes als Unterwerfung unter die Schablone und Verzicht auf die Erforschung eines zwar nicht leichten aber durch seine Eigenart an- ziehenden Problemes. Um zu erfahren, welche Stellung die Facies calcanea des Os cruris zur Trochlea calcanei in den verschienen Phasen der Flexions- bewegung annähme, blieb nichts anderes übrig als die Zusammen- setzung der Knochen nach Form. Es wurde dabei in folgender Weise vorgegangen: 10* 148 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. An einem frischen enthäuteten Hasenfuß mit Unterschenkel wurden Os oruris, Talus und Calcaneus soweit geschabt, daß ein sicheres Lager für die drei genannten Knochen gewonnen werden konnte, jedoch mit sorgfältiger Schonung der Gelenkbänder. An dem so vorbereiteten Präparat wurden nacheinander dem Fuße drei verschiedene Stellungen gegenüber dem Unter- schenkel gegeben: „Mittellage“ (Abb. IV 24), Plantarfiexionsendstellung (Abb, IV 25), und Dorsalflexionsendstellung (Abb. V 26). Unter „Mittellage“ ist dabei diejenige Stellung verstanden, in welcher der Fuß rechtwinklig zum Unier- schenkel steht. In jeder dieser Stellungen wurde Gypsabguß der medialen Seite genommen. Die Formen wurden nach dem Trocknen geschwärzt, da- mit bei den photographischen Aufnahmen die Knochen sich besser abhöben. Dann wurden die Knochen für diese Aufnahmen in die Formen eingelegt und angeklebt, und zwar jedesmal nur Os cruris und Cälcaneus. Aufnahmen von immer nur zwei Knochen sind unbedingt nötig, um zu einer sicheren und vollständigen Analyse der Formen und damit der Vor- gänge zu kommen. Sind mehr als zwei Knochen in dem Bilde vereinigt, so ist zwar das Verhältnis dieser zwei Knochen zueinander auch in dem Bilde enthalten, aber es ist mit anderen Zügen vermischt und durch sie teilweise verdeckt; die Aufmerksamkeit sammelt sich nicht ganz ausschließ- lich auf das Verhältnis gerade dieser zwei Knochen ; das, worauf es an- kommt, drängt sich nicht unabweislich auf. Eine weitere Vorbereitung bestand noch darin, daß in Mittellage ein Strich angebracht wurde, der zur Hälfte auf der Trochlea calcanei, zur Hälfte auf dem Os ceruris lag (Abb. IV 24, IV 25, IV 26). Dadurch wurde es möglich, den Grad der Exkursion festzustellen, indem die Winkel gemessen wurden, welche bei dorsaler Flexion und bei plantarer Flexion die beiden Stücke des Striches miteinander bildeten. Es ergab sich, daß von Mittellage nach Dorsalflexion eine Winkel- änderung von 52° und von Mittellage nach Plantarflexion eine solche von 87° erreicht wurde. Die Gesamtflexion betrug mithin 139° (s. S. 139). Dieser Betrag ist größer als der der Flexion zwischen Os cruris und Talus. Was sodann die Stellung des Os cruris zur Trochlea calcanei betrifft, so ergibt sich, wie die Abb. IV 25 und V 26 zeigen, daß in der plantarflexorischen Endstellung (Abb. IV 25) die Gelenkfläche der Fibula zwar nur mit ihrer hinteren Hälfte, mit dieser aber vollständig auf der Trochlea calcanei aufruht, daß dagegen bei dorsalflexorischer End- stellung (Abb. V 26) das Os cruris ganz über die Trochlea calcanei weg- HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 149 gekippt ist und sich nur noch mittels seiner fibularen Hockerfläche auf die Hockerfläche des Calcaneus stützt. Auf diese Weise wird noch nicht der „Mechanismus“ des Artic. calcaneo-cruralis aufgerechnet, aber Kenntnis von Tatsachen gewonnen, die bei dem Versuche der Aufklärung dieses Mechanismus nicht über- gangen werden dürfen; und wir sind eines losgeworden, was uns vom Wege hätte ablenken können, nämlich die Einreihung dieses Ge- lenkes in ein „System“. d) Die taio-calcaneale Verbindung. Als ich anfing, mich mit den Bewegungsmöglichkeiten des Hasen- fußes zu beschäftigen und am frischen Bänderpräparat den Unter- schenkel dorsalflexorisch und plantarflexorisch hin- und herbewegte, schien es mir anfangs, daß sich dabei die Lage des Calcaneus zum Talus gar nicht ändere. Beim genauerem Zusehen bemerkte ich doch eine Bewegung am hinteren Ende des Calcaneus und endlich auch eine am vorderen Ende desselben. Diese Bewegungen bestanden da- rin, daß, während das hintere Ende sich hob, das vordere gesenkt wurde, und umgekehrt; aber die Bewegung am vorderen Ende war weniger beträchtlich als die am hinteren Ende. Daraus ging zweier- lei hervor: 1. daß die Achse für diese Bewegung ungefähr quer stehen, 2. daß sie dem vorderen Ende des Talus näher als dem hinteren sein muß. Um zu genauerer Anschauung zu kommen, mußte auch hier wieder das Formverfahren zu Hilfe genommen wer- den. Das Ergebnis dieses Verfahrens ist aus den Abb. III 22 und IV 23 zu ersehen. Um dem Leser das Verständnis derselben zu ermöglichen, sei folgen- des bemerkt: Die zugrunde liegenden Photos sind nicht etwa gewonnen, indem Talus und Calcaneus mit ihren Bändern aus der Gesamtheit des Fuß- skeletes herausgenommen und dann für sich gegeneinander bewegt wären, sondern in derselben Weise wie es bei der vorigen Verbindung beschrieben wurde (S. 148), d. h. so, daß an dem ganzen Bänderpräparat des Fußes das Os ceruris abwechselnd in dorsalflexorische und plantarflexorische Stellung ge- bracht und von der medialen Seite her Formen bei den verschiedenen Stellungen gemacht, dann aber nach dem Ausmacerieren der Knochen immer nur Talus und Caleaneusin die (geschwärzten) Formen gelegt und in ihnen getypt wurden, Der Grund für diese Beschränkung auf zwei Knochen ist bei der vorigen Ver- bindung angegeben (S. 148). Um die Deutlichkeit zu steigern, wurden die in natürlicher Größe aufgenommenen Knochen nachträglich noch vergrößert. 150 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Auch hier muß wieder gesagt werden, daß mit der Gewinnung dieser Bilder und der durch sie vermittelten Anschauung nicht etwa der Mechanismus dieser Verbindung völlig erklärt ist, aber daß doch Tatsachen bekannt geworden sind, welche bei der Erörterung dieses Mechanismus nicht unbeachtet bleiben dürfen. Für das volle Ver- ständnis ist ja auch in Betracht zu ziehen, daß wegen der Koppelung mit den übrigen Verbindungen des Tarsus der Einfluß geprüft werden muß, den diese auf unsere Verbindung haben. Auch sind die Bänder zu berücksichtigen. Mit letzteren kommen wir allerdings, wie es scheint, leicht zu- recht, denn es kommt im wesentlichen nur das Ligam. talo-calcaneum interosseum in Betracht. Dieses Band macht durch seine Kürze und Breite verständlich, daß der Ausschlag der Bewegung nur gering sein kann, und durch seine Lage näher dem vorderen Ende des Talus die Lage der Achse. Die beiden Gelenkflächen dieser Verbindung schließen bei allen Lagen. Damit ist schon gesagt, daß wir hier stereometrisch ein- fachere Gelenkkörper erwarten dürfen als es bei der vorigen Ver- bindung der Fall war. Aber einfacher ist nicht einfach; das sieht man, wenn man genauer hinblickt: An der lateral- und abwärts schauenden Fläche des Talus haben wir, wie schon beschrieben wor- den ist (S. 109), eine gebogene Rinne, deren Biegung, soweit die Kürze derselben erkennen läßt, ein Stück eines Kreisbogens ist. Vor dieser Rinne und von da auf die Unterseite des Knochens sich fortsetzend, treffen wir eine Gelenkfläche, die sich wie ein herausgeschnittenes Feld aus einer Kugeloberfläche ausnimmt. Aber hinter der Rinne liegt ein weiteres, in horizontaler Richtung konvexes Feid, wodurch die Freiheit, welche die Kugelfläche für sich bieten würde, aufge- hoben und die Bewegung auf einen bestimmten Gang, den der Flexion, eingeengt wird. Es darf auch nicht vergessen werden, daß außer der eben beschriebenen Hauptgelenkfläche des Talus für den Calcaneus auch noch eine kleine vordere Gelenkfläche vorhanden ist, die in den Gelenkkörper mit einbezosen werden muß, wenn man dessen stereo- metrische Natur kennzeichen will. Jedenfalls ist soviel klar, daß ein solcher Gelenkkörper sich in keinem „System“ der Gelenkformen findet. Noch wieder zu erwähnen ist, daß bei der Plantarflexion die hinter der Rinne gelegene Stelle des Talus an den hinteren Rand des Sustentaculum anschlägt, wodurch die Bewegung ein Ende findet. Also wieder Knochenhemmung. Eee 32. EDER SI VERDERBEN HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 151 e) Die talo-navinulare Verbindung. Wenn man sich mit den beiden vorausgehenden Verbindungen abgeplagt hat, so ist es eine Wohltat, die Gelenkkörper der talo- navicularen Verbindung in die Hand zu nehmen, denn hier hat man stereometrische Formen von elementarer Einfachheit, recht etwas wie es der Systemgläubige sich wünscht. Das vordere Ende des Talus zeigteinen Abschnitt einer glatten, nicht gekehlten Walze und die Rück- seite des Naviculare das entsprechende Stück eines Hohlzylinders. Aber Gelenkkörper allein machen kein Gelenk. Auch die Bänder haben ein Wort mitzureden, und in diesem Falle ein sehr gewichtiges. Das kann man schon merken, wenn man bei der Prüfung der Be- wegungsmöglichkeiten die Erfahrung macht, daß der Ausschlag in dieser Verbindung ein sehr geringer ist und nichts von der freien weiten Bewegung hat, die man diesen schönen Gelenkflächen zutrauen würde. Es sind aber nicht etwa starke Bänder zwischen Talus und Navicu- lare, welche die Bewegung so einengen, sondern koppelnde Bänder zu den Nachbarknochen: Ligam. calcaneo-naviculare plantare und Ligam. calcaneo-naviculare dorsale, das eine längs, das andere quer gerichtet, gestatten, wie schon gesagt wurde (S. 132), dem Naviculare nur eine geringe Bewegung gegen den Calcaneus; das Ligam. talo- calcaneum interosseum, wie ebenfalls schon gesagt wurde, dem Cal- caneus nur eine geringe Bewegung gegen den Talus. Dadurch und durch die weitere Koppelung über das Cuboides ist die geringe Be- wegung des Naviculare gegen den Talus veranlaßt. — Die dorsale Kapselwand zwischen Talus und Naviculare ist dünn, aber straff. — Bei Plantarflexion findet, wie schon erwähnt wurde, Anschlag der plantar-proximalen Kante des Naviculare gegen die „Nase“ am vor- deren Ende der plantaren Seite des Talus statt — der dritte Fall von Knochenhemmung im Tarsus des Hasen. f) Verbindung von Calcaneus und Cuboides. Von den fünf Einzelverbindungen, welche den tarso-cruralen und intratarsalen Gelenkmechanismus des Hasenfußes zusammensetzen, ist mir keine so unverständlich geblieben wie die calcaneo-cuboideale. Nicht daß die Gelenkflächen stereometrisch besonders schwer zu be- greifen wären. Sie ähneln außerordentlich denen des gleichen Ge- lenkes beim Menschen und sind daher gerade so gut wie diese be- greifbar. Aber gerade das, daß sie denen des Menschen gleichen, ist das Befremdliche. Denn beim Menschen sind sie wegen der im Tar- 152 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. sus stattfindenden abduktorischen Bewegung am Platz, beim Hasen aber fehlt diese abduktorische Bewegung. Um diese Äußerung verständlich zu machen, muß an folgendes erinnert werden: Am menschlichen Calcaneus ist die Facies cuboi- dea in horizontaler Richtung konvex, rechtwinklig dazu konkav. (Die Schnittlinie für die Konvexität liegt nicht genau horizontal, sondern mit dem medialen Ende tiefer, dementsprechend die Schnittlinie für die Konkavität mit dem oberen Ende mehr medial). Diese Gestalt ermöglicht die abduktorische Bewegung, weil auch der Talus in der gleichen Richtung wie der Calcaneus konvex ist. Beim Hasenfuß ist eben- falls die Facies cuboidea des Calcaneus in horizontaler Richtung konvex und rechtwinklig dazu konkav, aber die Facies navicularis des Talus ist nicht in horizontaler Richtung konvex, sondern sie ist wie gesagt Abschnitt einer Walze, in senkrechter Richtung konvex, aber in hori- zontaler Richtung eben, ein klarer Hinweis, daß dieses Gelenk mit Abäuktion nichts zu tun haben will. Eine solche wäre ja auch ganz unmöglich, da abweichend vom menschlichen Fuß im Hasenfuß der Calcaneus ein ganzes Stück weiter distalwärts ragt als der Talus, sein vorderes Ende also neben dem Naviculare liegt, eine Bewegung wie die beim Menschen in dein OHOPARTschen Spalt also gar nicht möglich ist. Auch ist im Bandapparat, wie beim Ligam. calcaneo- metatars. plant. und beim Ligam. calcaneo-cuboideum plant. gesagt wurde (S. 127, 128), auf abduktorische Bewegung gar nicht Bedacht genommen. g) Schlußbemerkung zu den Gelenken. Wenn wir uns die fünf im Vorausgehenden besprochenen Ge- lenke zusammenfassend vor Augen stellen wollen, so können wir dies unter der Figur einer Quincunx tun. Wir haben zwei tarso-cru- rale Verbindungen, die talo-crurale und die calcaneo-crurale, zwei Verbindungen zwischen Vordertarsus und Hintertarsus, die talo-navi- culare und die calcaneo-cuboideale, und dazwischen die talo-calcaneale. Die beiden medialen sind Zylindergelenke; in ihren Gelenkkörpern kommt die rein flexorische Bewegungsmöglichkeit des Fußes klar zum Ausdruck; in den drei anderen Verbindungen ist das nicht in so einfacher Weise der Fall. ER EEE N HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 153 F. Muskeln. a) Allgemeines. Die Beschäftigung mit den Muskeln des Hasenfußes erhält ihr großes Interesse dadurch, dab bei einigen Muskeln Ursprünge oder Ansätze auf andere Stellen des Skeletes verlegt sind, als wo wir sie beim Menschen zu sehen gewohnt sind, wodurch dann mit eisem Male ganz andere Wirkungen erzielt werden. Um das klar hervor- treten zu lassen, ist es natürlich notwendig, ganz genau die Homo- logien der Muskeln festzustellen, was am besten dadurch zum Aus- druck gebracht wird, daß man möglichst die Namen beibehält, an die man vom Menschen her gewöhnt ist. WıILH. KRAUSE hat das nicht immer getan, wodurch eine gewisse Unklarheit in seine Darstellung gekommen ist. Von den durch die menschliche Anatomie uns geläufigen Muskeln fehlt eine ganze Anzahl: der Abductor, Flexor und Adductor hallucis, was angesichts des Fehlens des ersten Strahles nicht zu verwundern ist; aus demselben Grunde finden wir die Abwesenheit des Extensor hallueis longus und brevis begreiflich; wir vermissen aber außerdem noch an der Plantarseite den Flexor digitorum brevis, Flexor digito- rum tibialis und Quadratus plantae. b) Triceps surae (Abb. 7, 9). Die beiden Gastrocnemius-Köpfe entspringen an den Condylen des Femur; der Soleus entspringt schwach und schmal mit einer dünnen Sehne entweder am Köpfchen der Fibula oder unmittelbar daneben an der hinteren Kante des Condylus lateralis tibiae. Die Triceps-Sehne nimmt mit ihrem Endstück, welches an der Rückseite des Proc. poster. calcanei gelegen ist, eine steifere Be- schaffenheit an, und dieses Endstück ist ringsherum an der Hinter- fläche des Calcaneus befestigt, nicht nur an deren unterem sondern auch an dem oberen und an den seitlichen Rändern, so daß der zwischen ihm und dem Knochen gelegene Schleimbeutel auch gegen den hinter der Triceps-Sehne gelegenen Schleimbeutel des Plantaris abgeschlossen ist. Von einem „Beutel‘‘ der Triceps-Sehne könnte man eigentlich dem Wortlaute nach gar nicht sprechen, da er nach hinten durch das steife Sehnenstück abgeschlossen ist, sondern nur von einem Spalt; immerhin überragt derselbe den oberen Rand der Rückseite des Calcaneus um ein kleines Stückchen. 154 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. c) Plantaris (Abb. 3, 7, 8). Der Muskelbauch des Plantaris ist ebenso voluminös wie einer der Gastrocnemiusköpfe Da er vor dem Gastrocnemius liegt, so muß die Sehne, um am unteren Ende des Unterschenkels hinter die des Triceps zu kommen, eine Spiraltour um letzere ausführen, wobei sie an der medialen Seite der Triceps-Sehne vorbeigeht. Die Sehne be- findet sich nun zunächst an der Rückseite des Proc. poster. calcanei in einer Rinne, welche ausgepolstert ist von dem Endstück der Tri- ceps-Sehne. Sie liegt aber hier nicht frei, sondern an dieser Stelle verbreitert sie sich zu einer Kappe, welche sich zu beiden Seiten und unten an den Calcaneus ansetzt. So entsteht an der Rückseite des Calcaneus ein zweiter Schleimbeutel, der aber eine Strecke weit nach oben ragt zwischen Triceps- und Plantaris-Sehne. Gehen wir weiter in die Sohle, so wandelt sich die Kappe wie- der in eine kräftige Sehne um, und diese teilt sich in vier gleichfalls kräftige Sehnen. Das geht so vor sich, daß zuerst die Sehne in der Gegend des vorderen Endes des Talus in zwei gleichstarke Sehnen zerfällt, von welchen die mediale in einer durch die Flexorsehne ge- bildeten Rinne liegt. Aus jeder dieser beiden Sehnen gehen zwei Sehnen hervor, aus der medialen zur 2. und 3., aus der lateralen zur 4. und 5. Zehe Dabei herrscht in beiden Fällen das eigentümliche Verhältnis, daß jedesmal die mediale Sehne, in dem einen Falle die 2., in dem anderen die 4., aus einer plantaren, die laterale Sehne, in dem einen Falle die 3., im anderen die 5., aus einer dorsalen Schicht der gemeinsamen Sehne hervorgeht. Die vier Sehnen breiten sich in der Gegend der Articc. metatar- sophalangei wiederum zu Kappen aus, die sich an die plantaren Kanten der beiden Sesambeine anheften und mit diesen Knochen und den Ligamenta intersesamoidea zusammen Röhren bilden, durch welche die Sehnen des Flexor digitorum hindurchtreten. Davor teilt sich jede Plantarissehne in zwei Zipfel, welche die Flexorsehne zwischen sich hindurchtreten lassen, sich an der dorsalen Seite der Flexorsehne vereinigen und sich in Gruben an den Basen der zweiten Phalangen befestigen, nachdem sie zuvor mit der Beugesehne zusammen durch eine starke Schlinge hindurchgegangen sind. Das geschilderte Verhalten ist nun zwar, indem es auch bei an- deren Säugetieren genau ebenso vorkommt, nichts für den Hasen Be- sonderes, es ist jedoch, verglichen mit dem Verhalten anderer Sehnen, etwas sehr Besonderes wegen der dreimaligen Knochenbefestigung HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 155 und verdient deswegen in dieser der Mechanik des Hasenfußes ge- widmeten Betrachtung eine ausdrückliche Erwähnung. Nehmen wir einmal an, die Befestigung der Plantarissehne am Tuber calcanei sei eine ganz feste, so würden das plantare Stück der Sehne und die aus ihm hervorgehenden vier Sehnen nur noch die Bedeutung von Bändern haben, welche zur Sicherung der Lage der Knochen dienen aber selbst gar keine flexorische Tätigkeit ausüben könnten. Etwas davon trifft sicher zu, und in diesem Zusammenhange dürfte die Tat- sache Bedeutung haben, die bei den Bewegungsmöglichkeiten erwähnt worden ist, daß nämlich die zweiten Phalangen gar nicht gegen die ersten dorsalwärts flektiert werden können. d) Fiexor digitorum. (Abb. 7, 9). Es gibt beim Hasen nur einen Flexor der Zehen, und wir sehen uns damit vor die Frage gestellt, welchem der beiden Flexoren des Menschen derselbe entspreche. Der Umstand, daß man beim Menschen einen „Flexor digitorum“ und einen „Flexor hallucis“ unterscheidet, veranlaßt mich zu einer Bemerkung. Es ist bekannt, daß die beiden Flexoren bei ihrer Kreuzung in der Sohle in Verbindung treten und daß dabei der sogen. „Flexor hallucis“ auch an der Versorgung anderer Zehen, besonders der zweiten beteiligt wird. Daher sind die üblichen Bezeichnungen unzutreffend, und es liegt ja auch auf der Hand, daß dieselben nur ein Erzeugnis des „generalisierenden Schematismus“ sind, des Philologentums, welches in der Anatomie auch noch an anderen Stellen Unfug treibt. Weil wir am Vorderarm einen selbständigen Flexor pollicis neben einem Flexor digitorum haben, deswegen muß es auch am Fuß einen Flexor hallueis geben. Wir müssen die beiden Namen ersetzen durch „Flexor digitorum tibialis“ (für Fl. digitorum communis) und „Flexor fibula- ris* (für Fl. hallucis). | Welchem der beiden entspricht nun der beim Hasen allein vor- kommende Flexor? Beim Tiger, obwohl er keinen ersten Strahl am Fuße besitzt (nur ein kurzes Reststückchen des Metatarsale), ist doch der an der Fibula entspringende Flexor bedeutend stärker als der an der Tibia entspringende, und das führt schon auf den Gedanken, daß, wenn einer von beiden gänzlich schwindet, es der Flexor tibialis sein wird; und das ist auch beim Hasen der Fall, wie daraus hervor- - geht, daß der Flexor, wie übrigens auch KRAUSE beschreibt, mit an der Fibula entspringt und, soweit er dies an der Tibia tut, an deren 156. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Rückseite vorwiegend am lateralen Rande (an der ganzen oberen Hälfte) und lateral vom Tibialis posterior. KRAUSE unterscheidet (beim Kaninchen) zwei Ursprungsportionen, eine schwächere dem Flexor tibialis entsprechende und eine stärkere dem Flexor fibularis entsprechende (l. c. S. 168), deren Sehnen sich am unteren Ende des Unterschenkels vereinigen. Dies mag richtig sein; auch ich habe gefunden, daß sich die Sehne schon am Unter- schenkel sogar in drei Sehnen zerlegen ließ, ohne daß diese Teilung sich in die Sohle fortsetzte. Die Sehne ist vielmehr in der Rinne an der Rückseite des Talus (s. S. 108) und an der Unterseite des Susten- taculum einheitlich und zerfällt erst wieder in der Sohle in die vier Sehnen zu den Zehen. Von der Sehne des Flexor und den ausihr hervorgehenden Sehnen wäre nur noch zu erwähnen, daß die noch ungeteilte Sehne in der Rinne des „Steges“ gleitet, daß sie ihrerseits die halbe Plantarissehne in eine Rinne aufnimmt (p. 154), daß die Sehnen durch die Röhren hindurchgehen, die von den Plantarissehnen und den Sesambeinen ge- bildet werden (p. 154), daß sie mit den Plantarissehnen zusammen durch Schlingen gegen die zweiten Phalangen gehalten werden (p. 154), und daß sie an den plantaren \Vülsten an den Basen der ersten Pha- langen ansetzen. e, Lumbricales. Es gibt ihrer drei, wie auch KRAUSE (für das Kaninchen) angibt (l. c. S. 168). Sie entspringen, getrennt voneinander, in den Gabeln der vier Beugesehnen und gehen in drei überaus dünne Sehnchen über, die bei dem ersten und zweiten, welche den beiden längeren Strahlen zugehören, sehr lang sind. Die Lumbricales sind nicht be- sonders dünn, aber weich und entweder alle oder doch einzelne von blasser Fleischfarbe, so daß sie einen schwächlichen Eindruck machen. Die Sehnen gehen an den medialen Seiten der Köpfchen des 3. bis 5. Metatarsale vorbei bis an die Basen der ersten Phalangen, wo sie, ob- wohl mit dorsal gerichteter Tendenz, doch die Strecksehnen nicht er- reichen, sondern im Bindegewebe endigen. Dieser Befund stimmt mit der Angabe von KRAUSE ziemlich ge- nau überein, denn was dieser als zweite, dritte und vierte Zehe be- zeichnet, ist morphologisch die dritte, vierte und fünfte. — Übrigens habe ich bei mehrfachem Präparieren die Ansätze variierend gefunden, worauf ich aber nicht eingehen will. HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 157 Unerwarteterweise wird durch Zug an diesen ärmlich erscheinen- den Muskelchen eine recht kräftige Beugung der ersten Phalangen hervorgerufen. f) Tibialis posterior. (Abb. 7). WILH. KRAUSE nennt ihn (beim Kaninchen) „Extensor digiti primi pedis proprius“. (l.c. S.165). — Diese Bezeichnung können wir aus mehreren Gründen nicht gelten lassen: 1. ist die Zehe, die dabei gemeint ist nicht die erste sondern die zweite (die erste fehlt); 2. geht er nicht nur an eine Zehe sondern an deren zwei; 3. müssen wir den morphologisch anerkannten, d.h. den beim Menschen üb- lichen Namen beibehalten, und das ist Tibialis posterior. Freilich ist er einem solchen nicht sehr ähnlich, weder im Ursprunge noch im Ansatz; nur die Anlagerung der Sehne an das Naviculare führt uns gleich auf den richtigen Weg. Aber auch an dieses ist sie nicht angewachsen, nur angelagert. Entscheidung muß die Innervation bringen. KRAUSE selbst teilt mit, daß er vom N. tibialis versorgt werde (l.c. S. 343), und das ist auch beim Hasen der Fall, nämlich mittels eines Zweiges, der zwischen dem medialen Gastrocnemius- kopfe und dem Popliteus medial- und abwärts verläuft. Der Muskel entspringt an der medialen Fläche der Tibia, wobei eine hintere stärkere Portion dicht unter dem oberen Rande des Con- dylus medialis ansetzt, eine schwächere (dünnere) vordere Portion erst 20 mm tiefer beginnt. Der Ursprung am Knochen hört an der Grenze des oberen und mittleren Drittels des letzteren auf. Die _ starke Sehne bleibt an der Tibia an der medialen Seite, eher noch dem vorderen Rande xgenähert, bis zum Malleolus medialis, wo sie durch ein Retinaculum festgehalten wird. Von da aus läuft die Sehne vor- und etwas plantarwärts gegen einen Höcker an der medialen Seite des Naviculare, befestigt sich aber nicht an diesem, sondern wird gehalten durch ein eigentümliches Retinaculum, welches von der Sohlen- fascie geliefert wird. Es sei deswegen ein Wort über diese gesagt. Eine Aponeurosis plantaris gibt es nicht. Es gibt jedoch eine außerordentlich dünne Fascia plantaris, deren Präparation dadurch er- schwert wird, daß sie streckenweise mit der Haut fester verbunden ist. Von dieser Fascie geht ein Zipfel, der sich gegen den genannten Knochenhöcker zuspitzt, an diesen, und das ist das Retinaculum. Durch dieses neue Hypomochlion ändert der Muskel seine Rich- tung von neuem. Zu gleicher Zeit teilt sich die Sehne in deren zwei, bg ILL Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, III, 1928. \ ZEN { EN ER N \ ER DISS RS Vi SE SUSE II S — —ı =, I Linker Fuß mit Sehnen von der medialen Seite. Natürl. Gr. E. Extensor digitorum longus F. Flexor digitorum f. Ligam fundiforme. Pl. M. plantaris. Re. Retinac. der Sehnen des Extensor digit. und des Tibialis ant. R. t. distales Retinac. des Tibialis posterior. t. II. Sehne des Tibialis post. zum 2. Strahl. t.I1II.. — — _— — zum 3. Strahl. Ti. a. Sehne des Tibialis anterior. Ti. p. Musc. tibialis posterior. Tr. Triceps-Sehne. HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 159 eine mediale, welche auf der medialen Seite des 2. Metatarsale weiter- läuft, und eine laterale, welcher unter spiraliger Drehung auf die dorsale Seite des 3. Metatarsale tritt. Die mediale Sehne ist wie die übrigen Sehnen der Dorsalseite des Hasenfußes schmal, die laterale dagegen verbreitert sich beträchtlich und verdünnt sich entsprechend, so daß sie der Aufmerksamkeit entgehen kann, was wohl auch die Ursache dafür ist, daß KRAUSE sie (beim Kaninchen) nicht erwähnt (l.c. 8.165). Einen Grund für dieses eigentümliche Verhalten der Sehne vermag ich nicht anzugeben. Einmal fand ich im Retinaculum, unmittelbar am Naviculare, ein winziges Knöchelchen. Ob man dieses in Beziehung setzen darf zu dem Tibiale externum des Menschen, muß ich unentschieden lassen. Die Sehne zum 2. Strahl bleibt auf der tibialen Seite des Meta- tarsale und vereinigt sich, indem sie auf die Basis der 1. Phalanx weitergeht, mit der Sehne des Abductor digiti II zu einer Sehne, welche von der Mitte der Phalanx an mit der Strecksehne verbunden ist. Die Sehne zum dritten Strahl vereinigt sich schon in der Mitte des Metatarsale mit der Strecksehne. Zug an der tibialen Sehne er- gibt Abduktion des 2. Metatarsale und der 2. Zehe nach der tibialen Seite, Zug an der lateralen Sehne Dorsalflexion der Zehe ohne das Metatarsale zu beeinflussen. Auf die Wirkung wird beim Peronaeus brevis zurückgekommen werden. g) Tibialis anterior. (Abb. 7, 9, II 14). Der Muskel ist bis oben hin vollkommen getrennt vom Extensor digitorum, doch sind die Sehnen beider, indem sie durch die Schlinge am unteren Ende des Unterschenkels hindurchtreten, so fest anein- andergepreßt, daß sie wie eine Sehne erscheinen. Der Muskel ent- springt am oberen Fünftel der lateralen Fläche der Tibia und an der Fascie, an letzterer so weit nach der lateralen Seite hinüber, daß er das obere Ende des Extensor digitorum und das der Peronaei be- deckt. Die Sehne ist ebenso stark wie die des Extensor digitorum ; sie geht nach dem Durchtritt durch die Schlinge ab-, vor- und medial- wärts an die plantare Kante des 2. Metatarsale, wo sie sich 11 mm vor dem hinteren Ende des Knochens ansetzt. Die erwähnte Schlinge ist 5 mm breit, außerordentlich stark und steif und am Knochen schief befestigt, mit dem medialen Ende höher. Zug an der Sehne des Tibialis anterior ergibt reine Dorsal- flexion. 4160 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. h) Extensor digitorum. (Abb, 3, 7, 9). Derselbe entspringt am Femur ebenso wie der des Kaninchens (s. bei KRAUSE. c. S. 166) und so vieler anderer Säugetiere, wo- durch die Koppelung der Kniebeugung mit der Dorsalflexion des Fußes bedingt ist. Seine Sehne teilt sich dann nach Durchtritt durch die Schlinge in vier gleichstarke Sehnen zur 2. bis 5. Zehe. Von diesen bleiben die zur 2., 4. und 5. Zehe schmal, die zur dritten verbreitert sich auf dem distalen Ende des Metatarsale. Die Sehnen zur 2. und zur 5. Zehe sind bereits oberhalb des Schleuderbandes selbständig, die- jenigen zur 3. und 4. Zehe trennen sich erst distal von demselben. — Die Sehnen teilen sich nicht wie beim Menschen an den Enden der ersten Phalangen in je drei Züge, von denen der mittlere am Köpf- chen der ersten Phalanx endigt, sondern gehen ungeteilt über das erste interphalangeale Gelenk hinweg zur 2. und 3. Phalanx. Zug an der Sehne erzeugt starke Dorsalflexion (sogar spitzwink- lige) des Fußes, während die Wirkung auf die Zehen nicht so erheb- lich zu sein scheint. Diese Bewegung des Fußes wird vermittelt durch das Schleuderband, weiches sich demgemäß auch durch besondere Festig- keit auszeichnet. Die Wirkung auf die Zehen stellt sich in folgen- der Weise dar: Zug an der Strecksehne nach Durchschneidung der Beugesehnen erzeugt Streckung der 1. Phalanx gegen das Metatarsale und zugleich der 2. Phalanx gegen die erste. — Die dritten Pha, langen stehen immer, solange die Strecksehnen erhalten sind, in Dor- sallexion und schnappen auch, wenn sie plantarwärts flektiert werden, in Dorsalflexion zurück; wird jedoch die Strecksehne auf der Mitte der 2. Phaianx durchschnitten, so hört diese Federung auf. Schleuderband. (Abb. 3, 7, 8, 9). — Dasselbe sieht wesent- lich anders aus als das der Affen. Während bei diesen beide Schen- kel der Schieuder an der gleichen Stelle befestigt und von da an ganz frei sind, so daß die Schleuder sich sowohl seitlich wie auch in proximodistaler Richtung frei bewegen kann, ist der mediale Schenkel beim Hasen in großer Ausdehnung am Knochen angewachsen und weiter proximal wie der laterale befestigt. Beide Schenkel sind an der dorsal-medialen Kante des Calcaneus befestigt, der laterale in der Nähe des vorderen Endes derselben, der mediale Schenkel weiter hinten (weiter proximal wie der laterale), so daß die ganze Schleuder schief gezogen ist. Zu noch größerer Sicherung ist an dem medialen Schenkel ein Hilfsband angebracht, welches sich an der dorsalen HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 161 Tarsus des linken Fußes mit Gelenkbändern und Schleuderband von der dorsalen Seite. Vergr. 5:9. Ca. Hockerfacette am Calcaneus. ca-cu Ligam. calcaneo-cuboid. laterale. ca-m. Ligam. calcaneo-metatars. mediale. ca-t. Ligam. calcaneo-tibiale. cf. p. Ligam. calcaneo-fibul. profundum. cf. s. Ligam. calcaneo-fibulare superficiale. en-cu. Ligam, cuneo-cuboid. dorsale. en-m 1. Ligam. cuneo-metatars. zum 3. Metatarsale. en-m 2. Ligam. cuneo-metatarsale zum 4. Metatarsale. cu-m. Ligam. cuboideo-metatars. laterale. f. 1. Crus laterale des Ligam. fundiforme. f. m. Crus mediale des Ligam. fundiforme. m. Ligam. malleoli lateralis anterius. n-en. Ligam. navi-cuneiforme zum 3. Keilbein. n-cu. Ligam. navi-cuboideum. P. Sehne des Peronaeus longus. R. Retinaculum extensoris digit. et tibialis ant. Ta. Hockerfacette am Talus. ta-t. Ligam. tibio- talicum. t-ca. Ligam. talo-calcaneum interosseum. Ti. Ansatzstelle des Tibialis anterior. 11 162 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Fläche des Naviculare befestigt und von da aus rück- und lateral- wärts zur Schleuder zieht. Der mediale Schenkel verdeckt zum Teil das Ligam. talo-calcaneum interosseum. Das Schleuderband ist am Scheitel 3 mm breit; die gleiche Breite hat auch der laterale Schen- kel, der mediale entspringt wegen seines schiefen Ansatzesam Knochen 8 mm breit. — In einem Falle fand ich in dem medialen Schenkel der Schleuder ein kleines Knöchelchen, welches der oberen lateralen Ecke des Naviculare auflag, aber nicht mit ihr artikulierte, sondern durch Bindegewebe mit ihr verbunden war. I) Extensor digitorum accessorius. (Abb. 1). Ein ganz dünner platter und daher leicht zu übersehender Mus- kel, auch von KRAUSE nicht erwähnt, welcher am vorderen Rande des lateralen Schenkels der Schleuder, an der distal-dorsalen Kaute des Calcaneus entspringt und an die Sehnen des Extensor digitorum geht, Da er schief zu diesen Sehnen gerichtet ist, so ist sein oberer medialer an die Sehnen angrenzender Rand kurz, der untere laterale Rand lang, so daß er eine dreieckige Gestalt hat. Bei genauerem Zu- schauen stellte sich in einem Falle heraus, daß der Ansatz nur an die zur 4. und 3. Zehe gehenden Sehnen ging, in anderen Fällen auch an die anderen Sehnen. Ersteres verstärkt die Deutung, daß wir es in diesem kümmerlichen Gebilde mit einem Vertreter des Extensor digi- torum brevis des Menschen zu tun haben, denn auch bei diesem fehlt und zwar ausnahmslos, die Sehne zur 5. Zehe. Es ist allerdings wieder einmal auffallend, daß unter so ungeheuer abgeänderten Ver. hältnissen ein so winziger Zug seine morphologische Beharrlichkeit erweist. k) Peronaei. Wir finden hier die zwei durch ihre Ansätze beim Menschen so wohl charakterisierten Sehnen wieder, diejenige, welche (beim Menschen) durch den Sulcus ossis cuboidis zum 1. Metatarsale führt, und die zur Tuberositas des 5. Metatarsale; aber außer ihnen zwei andere, eine, welche an der lateralen Seite des 5. Metatarsale, und eine, weiche an der dorsalen Seite des vierten Metatarsale nach vorn verläuft. Von diesen vier Sehnen aus lassen sich die zugehörigen Muskelanteile ohne Gewaltsamkeit bis an die Ursprünge trennen. Daher darf man es auch nicht als falsch bezeichnen, wenn jemand von vier selb- ständigen Peronaei beim Hasen sprechen will. Doch möchte ich AT RE EBEN KLEE EEE EEE HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 163 WILH. KRAUSE nicht in der Anwendung der Bezeichnungen „Pero- naeus primus“ bis „quartus* (l. c. S. 166) folgen, schon aus dem Grunde, weil wir dabei einen „Peronaeus tertius“ bekommen würden, eine Bezeichnung, die beim Menschen für einen anderen, beim Hasen und beim Kaninchen nicht vorkommenden, Muskel vergeben ist. Zu entscheiden, was in dieser Namensfrage das „Richtige“ ist, muß der vergleichenden Morphologie überlassen bleiben; für die vorliegende, auf die Mechanik des Hasenfußes hinzielende Betrachtung scheint es mir praktisch, die Bezeichnungen „Peronaeus longus* und „brevis“, an die wir gewöhnt sind, beizubehalten und die beiden weiter nach vorn laufenden Sehnen dem letzteren zuzurechnen. Dies läßt sich noch durch zwei Gründe verstärken: 1. bleiben die drei Sehnen, die- jenige zur Basis des 5. Metatarsale und die beiden weiter nach vorn ziehenden, bis an die Basis des Metatarsale heran eng aneinander ge- schmiegt und erst ganz zuletzt biegt die Sehne zur Basis des 5. Me- tatarsale scharf ab, um sich an ihre Ansatzstelle, das Köpfchen, zu begeben; 2. haben wir die Analogie mit der medialen Seite der Me- tatarsalgegend, wo der Tibialis posterior ebenfalls zwei Sehnen nach vorn schickt. Ursprünge — Der Peronaeus longus entspringt nur ganz oben an der Tibia und liegt am oberflächlichsten, und sein Muskelbauch hört schon an der Grenze des oberen Drittels der 'Tibia auf. Er ist also nicht sehr kräftig. Die Portion zur Basis des 5. Metatarsale hat die stärkste Sehne und den stärksten Muskelbauch und entspringt am tiefsten, von den anderen bedeckt. Die Portion zur 5. Zehe ent- springt hinter dem Peronaeus longus nur oben an der Tibia, die Portion zur 4. Zehe noch weiter hinten. Wichtiger sind uns die Ansätze. Peronaeus longus (Abb. 3, 6, 9). Da es ein erstes Me- tatarsale nicht gibt, so ist dem Peronaeus longus die Ansatzstelle, die wir vom Menschen her kennen, entzogen, und man kann neugierig sein, wie er sich behilft. Die Angabe von WILH. KRAUSE (für Ka- ninchen), daß er an der plantaren Fläche des Cuboides ansetze, (I. c. S. 166), trifft (für den Hasen) nicht zu: er geht an die Basis des zweiten Metatarsale. Es ist interessant, bei dieser Gelegenheit unter morphologischem Gesichtspunkt Tibialis anterior und Peronaeus longus zu vergleichen: Der Tibialis anterior behält, indem der Rest des ersten Metatarsale mit dem zweiten Metatarsale verschmolzen ist (S. 116), doch seine An- 11* 164 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. satzstelle, die eigentlich nur dadurch begründet ist, daß er außer der Dorsalflexion auch Hebung des medialen Fußrandes zu besorgen hat, eine Bewegung, die es beim Hasenfuß gar nicht gibt. Da haben wir also ein Beispiel von der zähen Beharrlichkeit morphologischer Ver- hältnisse. Der Peronaeus longus geht auch an der Plantarseite so Abb. 9. Linker Fuß mit Sehnen von der lateralen Seite. Natürl. Gr. . M. extensor digit. comm. und Sehnen desselben. . Flexor digitorum. . Ursprünge der Peronaei. . IV. Sehne des Peron. brevis zum 4. Strahl. . V. Sehne des Peron. brevis zum 5. Strahl. .1. Sehne des Peron. longus. Pl. Sehne des Plantaris. Re. Retinaculum peronaeorum inferius. Ro. „Schnabel des Steges“. T. a. Sehne des Bibialis anterior. Tr. Tricepssehne. Hrn ET. nenne HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 165 weit als er kommen kann. Er verhält sich aber hier in besonderer Weise: Er geht am Cuboides durch eine tiefe Rinne, welche auf der lateral-distalen Kante, mehr auf der lateralen als auf der distalen Seite, liegt. Dann tritt er zwischen die Metatarsalien und Tarsalien und heftet sich zunächst ganz fest an den nach der proximalen Seite ragenden Griffel des 5. Metatarsale. Auf dem Wege zur Basis des zweiten Metatarsale ist er noch wieder fest mit Höckern des 4. und des 3. Metatarsale verbunden. Außerdem ist er auch noch auf dem Wege vom 5. bis zum 2. Metatarsale fest mit der proximalen Seite des Ligam. basium metatarsalium transversum (s. S. 133), verwachsen. Abb. 10. Basen der Metatarsalien des linken Fußes von der proximalen Seite gesehen. Vergr. 5:11. . Tuberculum metatarsalis quinti. . Cuneiforme secundum. . Sehne des Peronaeus longus. . Griffel des 2. Metatarsale mit Facies navicularis. nyn< Es liegt auf der Hand, daß von der Basis des 5. Metatarsale an die Sehne nicht mehr als Sehne eines Muskels, sondern nur als Band wirken kann. Als solches findet sie aber, mit dem Ligam. basium transversum verschmolzen, kraftvolle Verwendung zur Sicherung der Querwölbung in der Gegend der Basen der Metatarsalien. — Von dieser Beobachtung aus gewinnt auch eine Tatsache Bedeutung, die gewöhnlich unbeachtet bleibt, daß nämlich auch beim Menschen die Sehne des Peronaeus longus nicht frei im Sulcus ossis cuboidis liegt, sondern teilweise angewachsen ist; was hier beim Menschen begonnen ist, das ist beim Hasen vollendet. Zug an der Sehne des Peronaeus longus ergibt reine Dorsal- flexion des Fußes, und zwar nicht erst von rechtwinkliger Stellung des Fußes, aber doch noch nicht von extremer Plantarflexion an. Peronaeus brevis (Abb. 24), — Für die Sehne, die zum Knöpfchen an der Basis des 5. Metatarsale geht, ist nichts weiter zu bemerken. Die Sehne, welche an der lateralen Seite des 5. Metatarsale nach vorn läuft, verbreitert und verdünnt sich in der Gegend des Köpf- chens des 5. Metatarsale, so daß sie kappenartig mit der lateralen Wand der Kapsel des Artic. metatarso-phalangeus V, verbunden ist. 166 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Zug an der Sehne erzeugt Abduktion und Dorsalflexion, vor allem aber Abduktion der 5. Zehe und des 5. Metatarsale. Die Sehne zum 4. Strahl tritt neben dem Köpfchen des Metatar- sale an die laterale Seite der Extensorsehne und überschreitet in ganz dünner Ausbreitung das Gelenk zur 1. Phalanx, wo diese Ausbreitung mit der Extensor- und mit der Interosseussehne zusammenhängt. Zug an der Sehne erzeugt Dorsalflexion der Zehe. Ich will nicht versäumen, hier an den Peronaeus brevis des Menschen zu erinnern. Bekanntlich geht von dessen Sehne gewöhn- lich ein Zug nach vorn bis an die Basis des 5. Metatarsale. Ich. habe bei dem großen Material, welches mir im Laufe der Jahre vor die Augen kam, immer auf diesen Zug geachtet und dabei die Er- fahrung gemacht, wie ja auch andere Anatomen, daß eine außerordent- liche Variation herrscht: in einigen Fällen läuft eine klare Sehne bis an die Zehe, in anderen Fällen fehlt sie ganz, in noch anderen reicht ein sehniger Streif mehr oder weniger weit nach vorn und verliert sich aufgefasert im Periost. Man ersieht daraus, daß es sich um eine phylogenetische Erbschaft handelt, die sich beim Menschen in ge- ringeren oder höheren Graden der Rückbildung befindet. Nachdem im Vorausgehenden sowohl die Sehnen des Tibialis posterior als die nach vorn bis zu den Zehen reichenden Sehnen des Peronaeus brevis des Hasen besprochen sind, sollen sie noch einmal im Zusammenhange betrachtet, jedoch eine kritische Bemerkung vor- ausgeschickt werden. Das anatomische Präparat bietet uns für das Verständnis der Be- wegungen eines Körperteiles das Hilfmittel, daß wir an den Sehnen ziehen können, um zu sehen, wie sie einzeln wirken. Die Wirkung des Zuges wird aber beeinflußt durch verschiedene Umstände, von denen ich drei hier nennen will: den Widerstand von Antagonisten, seitliche Verbindungen der Sehnen mit Nachbarsehnen und Ansatz einer Sehne nicht nur an einem Knochen sondern an deren zwei. Für diese drei Umstände finden sich in unserem Gebiet Beispiele, und deswegen komme ich darauf. 1. Beispiel: Stellt man den Hasenfuß rechtwinklig zum Unterschenkel und bringt man zugleich die Zehen in Beugestellung und zieht nun an der Sehne des Plantaris, so erhält man Plantarflexion des Fußes, zugleich aber Streckung der Zehen wegen Widerstandes des Extensor digitorum. 2. Beispiel: Die vier Sehnen des Extensor digitorum sind nicht nur untereinander, sondern auch mit den beiden Sehnen des Tibialis posterior HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 167 und mit den beiden nach vorn gehenden Sehnen des Peronaeus brevis durch eine straffe und gar nicht schwache Haut — man nenne sie „Fascie“ oder sonst wie — verbunden, sodaß das Spiel dieser Sehnen sich bis zu einem gewissen Grade gegenseitig beeinflußt. 3. Beispiel: Die an der lateralen Seite des 5. Metatarsale nach vorn laufende Sehne des Peronaeus, geht wie im Vorausgehenden gesagt wurde, nicht nur an die Basis der ersten Phalanx, sondern auch an das Köpfchen des Metatarsale, sodaß zugleich Abduktion der Zehe und des Metatarsale bewirkt wird. Trotz der durch solche Komplikationen gebotenen Vorsicht werden wir aber doch den Zug an den Sehnen mit Nutzen als ein Mittel zum Studium der Muskelwirkungen verwenden. Und da ist denn hervorzuheben, daß es einen überraschenden und sehr lebendigen Eindruck macht, wenn beim Ziehen an der Sehne des Tibialis poste- rior gleichzeitig die dritte Zehe gestreckt und der zweite Strahl medianwärts abduciert wird, und wenn ganz ebenso beim Ziehen an der Peronaeus-Sehne gleichzeitig die 4. Zehe gestreckt und der 5. Strahl lateralwärts abduciert wird. Streckung (Dorsalflexion) der Zehen und Spreizung der Strahlen sind also gekoppelt. Wir haben gesehen, daß in der Anordnung der Sehnen des Tibi- alis posterior und des Peronaeus brevis Symmetrie angestrebt und in hohem Grade erreicht ist; dieser anatomischen Symmetrie ent- spricht offenbar auch Symmetrie der Wirkung. Das lockt zu einem Vergleich mit den nämlichen Muskeln des Menschen. Nach DucHENNE (Physiologie des mouvements. — Paris 1867) bringt der Tibialis posterior des Menschen den Fuß in Mittellage zwischen Dorsal- und Plantarflexion und abduciert stark nach der medialen Seite (l. c. S. 497); der Peronaeus brevis bringt den Fuß in die gleiche Mittellage (mit geringer Kraft) und abduciert stärker als der Peronaeus longus (l. c. S. 497). Hiernach besteht auch beim Menschen symmetrische Wirkung aber in anderer Weise als beim Hasen. Beim Menschen sind die beiden Muskeln teils Synergisten, teils Antagonisten; Synergisten, indem sie beide in Mittellage führen, Antagonisten, indem sie beide abducieren, der eine medianwärts, der andere lateralwärts. Synergisten sind sie mit Beziehung auf die Be- wegung des Fußes, Antagonisten mit Beziehung auf die Bewegungen im Fuß, d.h. im Tarsus. Beim Hasen sind sie nur Synergisten. Da es bei ihm Ab- duktionsmöglichkeit im Tarsus nicht gibt (s. S. 136), so können beide 168 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Muskeln nicht antagonistisch wirken. Synergisch aber betätigen sie sich in dreifachem Sinne: 1. den Fuß dorsalwärts flektierend, 2. Zehen strek- kend, 3. Strahlen abducierend. Das Letztere aber, obwohl dabei der eine Strahl medianwärts und der andere lateralwärts bewegt wird, ist doch nicht Antagonismus sondern Synergie, denn die Abduktion des 2. Strahles nach der medialen Seite hindert den 5. Strahl nicht, gleichzeitig nach der lateralen Seite abduciert zu werden; vielmehr verbünden sich beide Strahlen zu gemeinsamer Aufgabe: zur Spreizung und damit zur Verbreiterung der Stützfläche. Immerhin, so groß und so überraschend auch die Übereinstimmung beider Muskeln ist, so ist sie doch nicht vollständig, weder anatomisch noch funktionell. Ana- tomisch haben wir die beiden Unterschiede, 1. daß die Sehne des Peronaeus zur 4. Zehe nicht dicker ist wie die übrigen Streckzehen, die Sehne des Tibialis post. zum 3. Strahl dagegen hautartig verbrei- tert ist und sich schon von der Mitte des Metatarsale an mit der Exten- sorsehne verbindet; 2. daß die mediale Sehne des Tibialis an die Streck- sehne tritt, die laterale Sehne des Peronaeus aber dies nicht tut. Funk- tionell, d. h. bei Zug an den Sehnen ergibt sich folgendes: Peronaeus brevis. — Zug an der Sehne (oberhalb des Mal- leolus) erzeugt bei allen Stellungen des Fußes Abduktion des 5. und 4. Strahles, des 5. stärker wie des 4.,, und zu gleicher Zeit Streckung der 4. Zehe; außerdem aber kräftige Dorsalflexion des Fußes und zwar nicht erst von rechtwinkliger Stellung derselben an. Tibialis posterior. — Zug an der Sebne (oberhalb des Mal- leolus) erzeugt Abduktion des 2. Strahles und Streckung der 3. Zehe, aber nicht Abduktion der letzteren. Dorsalflexion des Fußes, und zwar bis zu spitzwinkliger Beugung desselben, läßt sich nur hervor- rufen, wenn der Fuß auf der Seite liegt; ist jedoch die Sohle nach unten gewendet, so gelingt die Dorsalflexion nicht, offenbar weil das Gewicht des Fußes nicht überwunden werden Kann. So belehrt uns nicht nur der Mensch über den Hasen, sondern auch der Hase über den Menschen; zum mindesten regt er uns an, die Frage der Fußmechanik noch einmal zu überdenken. — Die gleiche Anregung werden wir auch erhalten bei der noch ausstehenden letzten Muskelgruppe des Hasenfußes. I) Interossei und Abductores (Abb. III 21). Bei dieser Gruppe bin ich um den Namen verlegen. Es handelt sich um 8 Muskeln, die sich nur in zwei Merkmalen unterscheiden: A ER HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 169 darin, daß die vier mittleren, weil sie zu den längeren Strahlen ge- hören, länger sind, und darin, daß die beiden Muskeln eines Paares sich spiegelbildlich zueinander verhalten. Sonst gleichen sie sich so vollständig, daß darauf mit der Eleganz die anatomischen Präparate des Hasenfußes beruht. Man möchte das harmonische Bild nicht zer- reißen, indem man zwei Namen anwendet. Andererseits, da es kein erstes Metatarsale und demgemäß auch keinen ersten Intermetatarsal- raum gibt, so kann es auch keinen Interosseus an dieser Stelle geben sondern einen „Abductor radii II*, ebenso wie am lateralen Rande einen Abductor radii V. Es kommt hinzu, daß diese Muskeln gar nicht zwischen den Metatarsalien, sondern an deren plantarer Seite liegen, und daß sie auch gar nicht an den Metatarsalien, son- dern an dem Schnabel des Steges entspringen. Der Wunsch nach einer einheitlichen Bezeichnung ist vorhanden. „Abductores“ für alle würde auch nicht gehen, da dies nur für die Hälfte gilt; die vier an- deren sind Adductores. Auch tritt, wie man durch Zug an den Mus- keln feststellen kann, die seitliche Bewegung sehr in den Hintergrund gegenüber der flexorischen. Der treffendste und für alle gleich gut passende Name wäre „Flexores phalangium primarum“. Der Unterschied von dorsal und plantar fällt fort, da sie alle plantar liegen, den Metatarsalien zwar eng angeschmiegt, aber nicht an ihnen ent- springend. Die vier Paare dieser schlanken Muskeln sind bis in die Nähe ihres Ursprunges am Schnabel des Steges ohne weiteres voneinander zu trennen; nur wenig ganz lockeren Bindegewebes liegt zwischen ihnen. Dagegen sind die zwei Muskeln eines Paares während ihres Verlaufes an der plantaren Seite des Metatarsale bis dicht an das distale Ende des Knochens heran miteinander vereinigt, so daß man begreifen kann, daß KRAUSE nicht von 8, sondern von 4 Interossei spricht (l. c. S. 168). Dagegen möchte ich zwei Bedenken äußern, ein funk- tionelles und ein anatomisches. Das funktionelle besteht darin, daß, wenn wir ein solches Paar, welches doch immer zwei Ansätze hat, einen an der tibialen und einen an der fibularen Seite, für einen Muskel nehmen wollen, er dann nur flexorisch wirken kann und die Möglichkeit abduktorischer und adduktorischer Bewegung ganz weg- fällt; das anatomische Bedenken besteht darin, daß in jedem der vier Paare sich ein sagittal gestelltes sehniges Septum findet, von welchem ausdie Fasern nach beiden Seiten auseinandergehen. Allerdings scheintees mir, daß die flexorische Wirkung, Beugung der ersten Phalangen, weit- 170 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. aus überwiegt über die Spreizung. Zug an beiden Muskeln eines Paares zu gleicher Zeit erzeugt starke Flexion dieser Phalangen. Am distalen Ende eines Metatarsale weichen die beiden Interossei eines Paares auseinander und treten, indem sie sehnig werden, je einer an die mediale und an die laterale Seite des Köpfchens des Metatar- sale. Die Sehnen gehen dann neben der Basis der 1. Phalanx vor- und dorsalwärts und setzen sich, so wie wir es an den menschlichen Fingern zu sehen gewohnt sind, an die Strecksehne an, sind aber auch mit dem Bindegewebe zur Seite des Köpfchens des Metatarsale und der Basis der ersten Phalanx und dadurch mit den Sesambeinen verbunden. Am Schnabel hängen alle acht Muskeln zusammen, bilden aber doch nicht einfach eine Masse, sondern man kann mit Hilfe ihrer sehni- gen Bestandteile die einzelnen Anteile ziemlich gut trennen. Dabei ergibt sich denn vor allem, daß der Ursprung des letzten Muskels, d. h. des lateralen des 5. Strahles, ganz nach der medialen Seite hin- überreicht und dabei die anderen zudeckt. Dadurch erhält er eine schiefe Richtung, was seiner abduktorischen Wirkung zugute kommen dürfte. Auch der Ursprung der beiden Muskeln des 4. Strahles ist ausgebreitet und deckt seinerseits wieder den der beiden Muskeln des ‚3. Strahles, deren Ursprung aber auch wieder ausgebreitet ist. — Der Schnabel setzt sich unmittelbar in die sehnigen Bestandteile der In- terossei fort. Auch hier fühlen wir uns veranlaßt zu einem Vergleich mit den homologen menschlichen Muskeln in der Hoffnung, dadurch nicht nur die Muskeln des Hasen, sondern auch die des Menschen (der Pri- maten) schärfer beleuchtet zu finden. Wir müssen dabei unterscheiden zwischen den Beziehungen zur Flexion und denen zur seitlichen Be- wegung (Abduktion und Adduktion). | a) Flexion. — Dadurch, daß beim Hasen die Ursprünge der Muskeln auf den Schnabel des Steges und damit nach der plantaren Seite und weiter proximalwärts verlegt sind, wird größere Länge der Muskeln und günstigere Zugrichtung gewonnen. — Wichtiger aber ist das zweiie. b) Seitliche Bewegung. — Als „Mittelebene“ d. h. als diejenige Ebene, von welcher weg Abduktion und zu welcher hin Adduktion stattfindet, muß eine sagittale Ebene angenommen werden, welche zwischen dem 3. und 4. Strahl liegt. Dadurch, daß die Muskeln nicht an den Metatarsalien entspringen und von diesen an die Zehen gehen, HANS VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes. 171 wird veranlaßt, daß die seitlichen Bewegungen nicht solche der Zehen sind, bei welchen die Metatarsalien in Ruhe bleiben, sondern solche der ganzen Strahlen, wobei es nur auf die Beschaffenheit der tarso- metatarsalen und der metatarso-phalangealen Verbindungen ankommt, an welcher der beiden Verbindungen die größere seitliche Bewegung möglich ist. Dies ist, soweit meine Erfahrung reicht, die tarso-meta- tarsale Verbindung. Es handelt sich also beim Hasen um seitliche Bewegungen der Strahlen und nicht so sehr der Zehen. G. Schlußbemerkung. Ich möchte die vorausgehende Mitteilung durch folgende Bemerkung abschließen: Der Hasenfuß hat das, was er von Anfang an versprach, sobald die Haut entfernt war, bis zum Schluß voll gehalten: die Schärfe der Knochenformen, die Klarheit der gut abgegrenzten weiß- glänzenden Bänder, die Eigenart der Gelenkformen, die Besonderheiten der Muskeln bereiten dem, der mit dem menschlichen Fuß vertraut ist, eine Fülle reizvoller Überraschungen. Man bedauert zum Schluß nur, daß nicht alle Einzelheiten durch Figuren veranschaulicht, diese Figuren in stärkeren Vergrößerungen gegeben, Knochen, Knorpel und Muskeln getönt werden konnten, um dem Leser das Verständnis zu erleichtern. i 172 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 5.) Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters (Cricetus cricetus L.) Von M. EISENTRAUT (Berlin.) Mit 20 Abbildungen, davon 6 auf den Tafeln VI und VII. A. Einleitung. Bei einer Durchsicht der Literatur über die Lebensweise des Hamsters, speziell über die Baue, findet man nur wenige und relativ dürftige Angaben. Die einzige mir bekannte ausführliche Arbeit stammt aus dem Jahre 1776 von SULZER, der in seinem Büchlein: „Versuch einer Naturgeschichte des Hamsters“ seine recht . sorgfältigen Beobachtungen und Untersuchungen niedergeschrieben und damit die Grundlage für alle späteren Biologien des Hamsters gegeben hat. Ihn finden wir auch noch häufig in der letzten Auflage von BREHMS Tierleben zitiert. So ausführlich SULZER auch sonst Körperbau und Biologie des Hamsters be- handelt, so ist doch gerade die Beschreibung der Baue stark verallgemeinert, wenn auch im wesentlichen richtig dargestellt. Leider findet man nirgends Abbildungen oder Skizzen, die die Art der Baue, ihren Verlauf und ihre Ausdehnung erkennen lassen. Ich möchte daher im folgenden eine etwas eingehendere Beschreibung der Hamster- baue geben. Untersucht wurden etwa 50 Baue und zwar sämtlich in der Umge- bung von Groß-Kyhna (unweit von Halle a.S.) Die Baue, die sich sämtlich auf Feldern mit schwerem, humusreichen Lehmboden befanden, wurden in Zwischen- räumen von meist einigen Wochen von August bis Oktober, einige wenige auch im Dezember, Januar und Februar gegraben. Dies ermöglichte mir, einerseits die frischen Baue der Junghamster aus dem letzten Wurf in ihrer Entstehung und ihrem weiteren Ausbau zu verfolgen, andererseits die Spätsommer- und Herbstbaue der alten Hamster, die Vorbereitungen zum Winterbau und diesen selbst genau kennenzulernen. Es ergab sich dann von selbst, auch einige Beobachtungen über das Verhalten der Hamster im Winter: Winterschlaf, Aufwachen, Nahrungsaufnahme u. a. anzustellen, Fragen, die in der Literatur des öfteren diskutiert sind und über die noch manche Meinungs- verschiedenheiten bestehen. Ich erwähne hier nur die zusammenfassenden Arbeiten von BARKOW, LANG und MERZBACHER, Diese Beobachtungen wurden durch Versuche an gefangenen Hamstern weitgehend ergänzt. Beim Graben wurden, nachdem zuvor die Lage und Entfernung der Aus- gangsöffnungen festgelegt war, der Verlauf der Röhren, die Lage und Ausdehnung der Kammern und was sonst bemerkenswert war, genau skizziert und die be- treffenden Maße eingetragen. Bei dem oft mühevollen Graben wurde ich von meinem Freunde Walter Kirmse und ganz besonders von meinem Bruder unterstützt, ohne dessen Hilfe ich schwerlich die gewünschte Zahl von Bauen hätte aufdecken können. In der Literatur wird übereinstimmend angegeben, daß der Hamster 2 mal im Jahre Junge wirft. Nach BREHM (S. 323) fällt der erste Wurf in die letzte Hälfte des Mai-Monats, der zweite in den Juli. Nach meinen Beobachtungen kommt auch der August für den zweiten Wurf in Betracht, sofern es sich hier nicht etwa um einen dritten Wurf handelt!). Am M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 173 28. 8. grub ich einen Mutterbau mit sechs noch blinden Jungen, die etwa 6—8 Tage alt sein mochten; sie waren demnach etwa am 20. August geboren. SULZER vermutet (S. 148), daß die Jungen etwa nach 3 Wochen den Mutterbau verlassen und sich eigene Baue graben. Diese Angaben dürften nach meinen Beobachtungen ungefähr zutreffen. Bei einem Abendspaziergang am 9, 9, traf ich nacheinander auf 2 Junghamster von recht geringer Größe, von denen der eine, ohne daß ich ihn vorher bemerkt und gereizt hätte, mich fauchend ansprang. Der andere drückte sich zunächst einige Minuten lang dicht an den Erdboden, um dann mit großen Schritten erst langsam, dann schneller sich davon zu schleichen. Während nach meinen Erfahrungen sonst der verfolgte Hamster möglichst schnell seinen schützenden Bau zu er- reichen sucht, konnte ich diesem eine weite Strecke über das freie Feld folgen, ohne das er in der Erde verschwand. Es hatte durchaus den An- schein, daß beide Junghamster noch keinen eigenen Bau gegraben und wohl erst vor kurzem den Mutterbau verlassen hatten. Dies würde mit dem Be- fund am 28. 8. übereinstimmen. So war es nicht verwunderlich, daß ich beim Graben am 10. 9. noch die ersten Anlagen von Jungbauen, bestehend aus nur einer einzigen schrägen Röhre, vorfand. Daneben wurden am 10. 9. und dann auch am 24. 9. andere mehr oder weniger weit ausgeführte Baue von Hamstern der letzten Generation gefunden, sodaß mir eine zusammenhängende Ent- wicklungsreihe der Jungbaue vorliegt. B. Die Baue. °) . a) Baue der Junghamster. Abb. 1 stellt den ersten Anfang eines solchen Baues dar. Vor der schrägen, einwärts führenden Öffnung (6 em Durchmesser) liegt frische 25 3 Abb.1i1. Erste Anlage Abb,2. Bau eines Abb. 3. Bau eines Junghamsters eines Jungbaues (ge- Junghamsters (gegraben am 24.9.) graben am 10. 9.) (gegrab. a. 10. 9.) 174 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, Erde. Die Röhre geht 25 cm in die Tiefe und ist 40—50 cm lang, Am Ende befindet sich der Junghamster (J'), eifrig wühlend, wie die frisch- gegrabene Erde zeigt. Weiter ausgeführt sind dann die Bäue in Abb. 2 und 3: Abb. 2 zeigt den einfachsten Typ eines Jungbaues. Der schräg ab- wärts führende Gang a verläuft im Bogen und geht in eine Tiefe von 35 cm. Nach einer Länge von 60 cm erweitert er sich und führt in die Wohnkammer WK. Von dieser führt ein Gang c etwa 30-40 cm weiter und ist ganz mit Erde verschüttet; am Ende befindet sich der Hamster (9). Auch dieser ist dabei, sich weiter einzuwühlen. Am Anfang dieses Ganges liegen Exkremente (#). Der folgende Bau (Abb. 3) wurde 14 Tage später gegraben. Ein schräger Gang a (Durchm. 8 cm) führt im Bogen, 40 cm tief, zur Wohn- kammer WK. Von hier gehen 2 Gänge ab: der blind endende, mit frischer Erde verschüttete Gang c, an dessen Ende der Junghamster sich weiterzu- wühlen versucht, und der Gang 5b, der nach einer Entfernung von 40 cm senkrecht nach außen führt; die Öffnung hat einen Durchmesser von 6 em. Im Nest befinden sich Grünfutter und ausgefressene Hafer-Spelzen., Diese 3 Baue bilden, wie leicht ersichtlich, eine fortlaufende Entwick- lungsreihe. Als erstes haben wir die vom Schlupfloch ausgehende schräge Eingangsröhre. Es folgt die Nestkammer, von der ein Blindgang in anderer Richtung weitergegraben wird. Wie die späteren Abbildungen zeigen, ist es der erste Schritt zur Erweiterung des Baues und zur Anlage der Vorratskammern. Ein äritter vom Nest ausgehender Gang führt mit senkrechter Ausgangsöffnung, dem Falloch, wieder ins Freie. Während der Bau 1 erst im Entstehen ist, sind Bau 2 und 3 bereits bewohnt, wie das Vorhandensein von Nestmaterial in beiden Bauen, von Kot (Bau 2) und von Nahrungsstoffen (Bau 3) zeigt. Ob die Baue der Junghamster stets 2 Ausgänge haben, kann natürlich nur schwer mit Bestimmtheit entschieden werden, da sie ja mit der Zeit stets noch weiter ausgedehnt werden und man niemals vorher sagen kann, ob ein Bau mit nur einer Öffnung noch zu einem solchen mit 2 Öffnungen erweitert worden wäre. Aus dem Folgenden aber wird hervorgehen, daß Baue von Alt- hamstern mit nur einer Öffnung nicht selten sind. Diese Baue der Junghamster bilden den Grundtyp für die einfachste Bauanlage; von ihnen lassen sich meist leicht alle die ver- schiedenen Arten der Altbaue ableiten. M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 175 b) Spätsommer- und Herbstbaue älterer und alter Hamster. a) Baue mit zwei Öffnungen. Die Altbaue, soweit sie bereits längere Zeit bewohnt sind, unterscheiden sich von den eben besprochenen Jungbauen durch ihre mehr oder weniger weitgehende Vergrößerung, die teils durch Verlagerung der Nestkammer und größere Ausdehnung der Gänge, in Hauptsache aber durch Anlegen von Vorratskammern bedingt wird. So verschiedenartig zunächst auch diese Baue zu sein scheinen, so können wir doch nach ihrer Anlage bestimmte Übereinstimmungen feststellen, die es erlauben, einzelne Bautypen zu unter- scheiden. Wir wollen zunächst von dem in Abb. 3 wiedergegebenen Jung- bau ausgehen und von diesem den Typ der Baue mit zwei Öffnungen ableiten. Abb. 4 zeigt einen am 11. 9. gegrabenen Bau eines älteren Q, der durch seine geringe Größe auffällt. Nach den Angaben von SULZER verlassen die QQ nach der Aufzucht der Jungen häufig den Mutterbau und graben sich einen neuen Bau. Wir dürfen wohl mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß auch der in Abb. 4 wiedergegebene erst vor kurzem angelegt ist, was ja mit den oben angeführten Daten für den letzten Wurf und das Selb- ständigwerden der Jungen übereinstimmen würde, In seiner Anlage entspricht er nahezu vollkommen dem Jungbau in Abb. 3. Von der Nestkammer WK in einer Tiefe von 35 em gehen 2 Ausgangs- röhren ab: die längere, im Bogen aufsteigende Schräg- röhre & mit dem Schlupfloch, die kürzere d mit dem | senkrechten Ausgang, dem Falloch. Ferner führt a von der Kammer ein kurzer Blindgang c ab, an Abb. + dessen Ende sich der Hamster befindet. Eine kleine Neuangelester Bau eines Nostausbuchtung enthält leere Spelzen ; neben dem Nest alten Q (gegraben am 11. 9.) selbst befindet sich etwas Grünfutter. Wie bereits erwähnt, führt der bei den bisherigen Bauen blind endende Gang c in älteren Bauen zu den Neuanlagen und Erweiterungen. Einen solehen möge Abb. 5 erläutern. Die beiden Öffnungen, von denen das Schlupf- loch nieht mehr benutzt und teilweise bereits verschüttet, beim Graben aber noch deutlich erkennbar ist, liegen nahezu 2 m voneinander entfernt. Von der begangenen Steilröhre führt außerhalb des Baues ein langer, gut aus- getretener Wechsel von nahezu 2 m Länge ab. In der Kammer WK,, in die die beiden Röhren münden, liegt einiges altes Nestmaterial; sie dürfte die erste, nicht mehr bewohnte Nestkammer darstellen. Der Gang c führt in die bewohnte Nestkammer WK,. Diese hat 2 Ausbuchtungen, von denen die größere (20 cm lang) von dem Hamster zur Ablage seiner Exkremente 176 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. benutzt wurde, wie der reichlich angehäufte Kot zeigt. Im Nest selbst befindet sich etwas Grünfutter. Ein Gang d führt von dieser Nestkammer weiter zu 3 Vorratskammern. Die erste (VK,), von rundlicher Gestalt, enthält © I U /so WKı > C WKa Ne d YKyN VK3 N YK % Abb. 5. Bau eines alten Q' (gegraben am 24. 9.) M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters, 177 nur wenige Körner. Die zweite (VK,) streckt sich mehr in die Länge und ist mit Weizenkörnern voll angefüllt; ebenso die dritte kleinere (VK,), in die der Gang ausmündet. In der letzten befindet sich als Unterlage eine dünne Schicht Stroh. Der Hamster, ein altes 0’, hat sich bis zum Ende dieser gangartig auslaufenden Kammer geflüchtet und ist dabei, sich weiter einzuwühlen. Die Tiefe des Baues beträgt etwa 50 cm. — Dieser Bau entspricht in seiner ersten Anlage (bis zum Gang c) dem vor- hergehenden. Die zuführenden Gänge a und db zeigen größere Ausmaße, was jedoch für den Bautyp belanglos ist. Erweitert ist der Bau durch Anlage einer neuen Nestkammer und von 3 Vorratskammern, die durch den Gang d miteinander verbunden sind. Es liegen mir noch zahlreiche andere Baue vor, die die gleiche Anlage zeigen und sich nur in ihrer Ausdehnung und in der Lage und Zahl der Vorratskammern voneinander unterscheiden. Da hierin, wie leicht verständ- lich, kein Bau dem anderen gleicht, würde eine Beschreibung aller Einzel- heiten zu weit führen. Dem hier beschriebenen Typ der Baue mit 2 Öffnungen entspricht ungefähr die von SULZER gegebene Allgemeinbeschreibung der Hamsterbaue, die wir dann auch bei BREHM wiederfinden. Wir dürfen diesen Typ wohl als relativ häufig annehmen. Durch nachträglichen Verfall kann jedoch die klare Anlage dieses einfachen Bautyps verschwinden, Wie Abb. 6. Bau eines älteren 3’ (gegraben am 11. 9.) 12 178 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. bereits Bau 5 zeigte, ist die schräge Röhre nicht mehr begangen und teil- weise verschüttet, wenn auch noch deutlich erkennbar. Nach den Angaben von SULZER und auch nach meinen eigenen Erfahrungen ist es stets die schräge Röhre, die aufgegeben wird; es bleibt dann also nur das Falloch als Eingangs- und Ausgangsröhre übrig. Einen solchen Bau zeigt Abb. 6. Gleichzeitig möge er auch als Beispiel für eine andere Anordnung der Kammern dienen. Es gehen von der Nestkammer WXK außer der senkrecht ins Freie führenden Zugangsröhre und einer gangartigen Ausbuchtung a!, die viel- leicht früher zu dem jetzt nicht mehr erkennbaren Schlupfloch geführt hat, 2 Gänge ab. Der eine Gang (d) mündet nach kurzer Entfernung in eine kleinere Kammer VXK,, in der keine Vorräte gefunden wurden. Der zweite Gang (c) erweitert sich bald zu einer kleinen Vorkammer YK, in der sich etwas Hafer und grüne Kleeblätter vorfinden, die wohl dem Hamster zum Tagesverbrauch dienen. Der Gang verengt sich wieder, um dann in einer großen langgestreckten leeren Kammer VÄ, auszulaufen, von der wiederum 3 Kammern abzweigen. Die mittlere rundliche VYX, und die langgestreckte VÄX_„ sind voll mit Hafer angefüllt. Letztere ist in der Mitte zusammengeschnürt und dadurch in 2 Abteilungen geteilt. Die hintere läuft in eine Verengung aus, in der der Hafer bereits zu keimen beginnt, also wohl zuerst angehäuft ist. Ein kurzer Gang führt dann endlich in die Kammer VX,, die ganz mit frischer Erde verschüttet it. Am Ende befindet sich der eifrig weiterwühlende Hamster, ein J der ersten Jahres- generation. Der letztbeschriebene Bau ist seinem Äußeren nach ein Bau mit nur einer Eingangsöffnung, seiner Anlage nach gehört er jedoch zu dem Normal- typ der Baue mit 2 Ausgangsöffnungen. Das Vorhandensein des senkrechten Falloches, das stets von innen nach außen gegraben wird (vergl. SULZER S. 111), setzt das frühere Bestandenhaben eines Schlupfloches voraus. 8) Baue mit einer Öffnung. Es liegen mir nun aber auch eine ganze Reihe von Bauen vor, die von vornherein nur mit einer Öffnung, dem schrägen Schlupfloch, angelegt sind und bei denen keine Anzeichen auf eine früher vorhanden gewesene zweite Öffnung hindeuten. Wir können sie als Typ der Baue mit einer Öffnung bezeichnen. Auch hier soll von den einfachen Bauen ausgegangen werden. Abb. 7 zeigt einen, nach seiner geringen Ausdehnung zu schließen, erst neu angelegten Bau eines S der ersten Jahresgeneration, dessen Anlage uns aus Abb. 3 bereits bekannt ist. M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters, 179 Der schräge Gang «a mündet nach kurzer Entfernung in die Nest- kammer WXK, von der 2 blind endende Gänge (b und c) weiterführen. Be- merkenswert ist, daß in dem Gang 5 nach kurzer Entfernung vom Nest ein neuer Gang abzweigt, der etwa 10 cm senkrecht nach oben führt. Es ist dies zweifellos der Ansatz zu einer senkrechten Ausgangsröhre, die jedoch nicht weitergegraben ist. Am Ende des Ganges 5b befindet sich der Hamster. Daß der Bau bereits längere Zeit bewohnt ist, zeigt das reichlich vorhandene Nestmaterial und das im Nest befindliche Grünfutter. Wir haben also hier den Übergang von einem Bau mit 2 Öffnungen zu einem solchen mit nur einer Öffnung. Abb. 7. Neu angelegter Bau eines Abb. 8, Einröhriger Bau eines Hamsters älteren J’ (gegraben am 24. 9.) (gegraben am 24. 9.) Bei einem anderen hier nicht abgebildeten Bau, der die gleiche An- lage zeigt, sind die in Abb. 7 blind endenden Gänge weitergeführt und gehen zu Vorratskammern bezw. zu einer zweiten Nestkammer. Noch klarer ist die Anlage eines einröhrigen Baues in Abb, 8. Hier ist der schräge Gang «a zwar wesentlich länger, mündet aber dann auch in die Nestkammer WK, in der sich wiederum Grünfutter befindet. Es führt hier nur ein Gang (c) in verschiedenen Windungen weiter. Leider wurde kein Hamster gefunden. Die Anlage dieses Baues läßt sich leicht auf den in Abb. 2 wiedergegebenen Jungbau zurückführen. Einen weiter ausgeführten Bau dieses Typs mit nahezu vollkommen gleicher Anlage zeigt Abb. 9. Die erste Nestkammer WK, ist bis auf wenige Überreste von Nestmaterial leer, also nicht mehr in Benutzung. Der Gang c teilt sich nach längerem Verlauf. Die gerade Fortsetzung des Ganges mündet nach kurzer Entfernung in eine kugelförmige Vorratskammer VK, in der etwa 1!/, kg Weizen aufgespeichert sind. Der zweite im 12* 180 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. rechten Winkel abbiegende Gang d mündet in eine geräumige Nestkammer WK,. Der Hamster hat also wie bereits in Abb. 5 seine Nestkammer bei Ausdehnung des Baues nach hinten verlegt. Von dieser gehen 2 weitere Vorratskammern aus, die eine (VÄ,) durch eine kleine Verengung von der Nestkämmer getrennt, die andere (VK,) sich unmittelbar an sie anschließend. Beide enthalten zusammen etwa 2—21!/, kg Weizen. Am Ende der Kammer VK, befindet sich der Hamster, ein altes d. Die Tiefe des ge- samten Baues beträgt etwa 40 cm, der Gang d führt um ein geringes tiefer. Die Anlage dieses Baues zeigt keinerlei Anzeichen für eine früher vorhanden gewesene zweite Öffnung nach außen. Er stellt uns somit einen verhältnismäßig einfachen Bau mit nur einer Ausgangsröhre dar. UK | VK; 45 VK; yaD- Ä 40 Abb. 9. Bau eines alten G (gegraben am 10. 9.) Weit komplizierter ist der Bau gleichen Typs in Abb. 10, der von einem alten 5’ stammt. Auch hier haben wir keinerlei Anzeichen einer früheren zweiten Ausgangsröhre Das Schlupfloch mit der so häufig auf- tretenden Windung führt in eine langgestreckte Nestkammer WX, die 2 Ausbuchtungen zeigt. In der kleineren (E,) findet sich reichlich Kot- anhäufung, und ebenso auch vor und in der zweiten längeren Ausbuchtung (E,). Außerdem liegen vor der zweiten Ausbuchtung Haferspelzen, die vielleicht auf früher hier abgelagerte Vorräte deuten. Im Nest selbst finden sich Grünfutter und allenthalben leere Spelzen. Die Nestkammer ist in diesem Falle endständig, die den Bau fortsetzende Röhre c zweigt bereits M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 181 schon vor dem Eingang zum Nest ab. Nach kurzer Entfernung teilt sie sich. Der Gang d führt in eine geräumige Vorratskammer VK,, die mit Hafer angefüllt ist. Auch die zwei kurzen, von ihr abgehenden Blindgänge sind mit Hafer gefüllt. Der weiterleitende Gang e führt nach einiger Ent- fernung in eine zweite kleinere Vorratskammer VXK,, die wiederum mit Hafer vollgestopft ist. Kurz vor dieser Kammer zweigt ein völlig mit frischer Erde verschütteter Blindgang f ab, an dessen Ende sich der Hamster befindet. Außer diesem ist ein kurzes Stück des Ganges e ver- schüttet. Es ist anzunehmen, daß der Hamster bei der drohenden Gefahr versucht hat, sich weiterzugraben, und mit der losgewühlten Erde die kurze Strecke des Ganges e und den neugegrabenen Blindgang f hinter sich ver- schüttet hat. Ein ebenfalls völlig verschütteter Gang ist der bisher nicht erwähnte Verbindungsgang g. Er stammt wahrscheinlich von der ersten Anlage des Baues und ist jetzt unbenutzt. Die Gesamtmenge der Vorräte beträgt Sn kg Hafer. Die Ausdehnung des Baues entspricht dem Alter des Hamsters. Ein kleinerer mir vorliegender Bau mit nur einer Vorrats- kammer von einem jüngeren Hamster zeigt nahezu die gleiche Anlage. Abb, 10. Bau eines alten Z (gegraben am 11. 9.) 182 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. y) Baue mit zwei gegenüberliegenden Öffnungen. Im Anschluß an diese Baue möge sich ein besonderer Typ von Bauen mit 2 Öffnungen anschließen, da er sich am zwanglosesten von dem vorher- gehenden ableiten läßt, ein Typ, der relativ häufig von mir gefunden wurde und einen einheitlichen Bautyp darzustellen scheint. Es handelt sich um Baue mit zwei gegenüberliegenden Öffnungen. Die Baue, die ich diesem Typ zuordnen möchte, sind langgestreckt, meist nur mit einer einheitlich durchlaufenden Röhre, die an ihren beiden Enden ins Freie führt. Abb. 11 zeigt einen solchen Bau, der von einem co der ersten Jahres- generation bewohnt wurde. Abb. 11. Bau eines älteren Z (gegraben am 24. 9.) Der schräge Gang a, dessen Ausgang bereits verschüttet ist und demnach vom Hamster nicht mehr begangen wurde, mündet in eine geräumige Nestkammer WK.. Ein kurzer Gang c führt von hier in eine kleine leere Kammer VK,. Nach hinten setzt sich die Nestkammer unmittelbar in eine sich mehr und mehr verengende Vorratskammer (VK,) fort, wie wir dies bereits in Abb. 9 kennengelernt haben. Das Nest in der Kammer WK, ist ziemlich zerzaust, dahinter befindet sich Kot; die Vorratskammer enthält ausgekeimten Hafer. Dies alles macht den Eindruck, daß dieser Teil des Baues nicht mehr bewohnt ist. Die Vorratskammer VK, setzt sich fort in einen langen Gang d (in der Abbildung nicht in seiner ganzen Ausdehnung wiedergegeben), der teilweise mit loser Erde, vermischt mit Spreu und Kot, verschüttet ist. Er mündet nach einer Länge von 130 cm in eine neue Nestkammer WK, mit frischem Nestmaterial. Zweifellos haben wir es hier mit dem bewohnten Teil des Baues zu tun. Von dieser Nestkammer geht ein kurzer Blindgang (e) ab. Ein zweiter Gang (b), in geradliniger Fort- setzung des Ganges d, verläuft weiter, biegt dann rechtwinklig um und führt am Ende senkrecht nach außen. Es wurde mit Graben am senkrechten Gang angefangen, der Hamster hatte sich durch den halb verschütteten Gang d bis zum Ende der verschütteten alten schrägen Ausgangsröhre geflüchtet. Frische Vorratskammern wurden nicht gefunden, die alten waren bereits, wie M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 183 die vorhandenen Überreste zeigten, bis auf den ausgekeimten Hafer in der Kammer VK, leergefressen. Den gleichen Bautyp zeigt Abb. 12. Die schräge Öffnung führt mit einem relativ langen, teilweise verschütteten Gang a in eine Kammer (WK,), in der sich nur einige Spelzen vorfinden und die wohl wie beim vorher- gehenden Bau die alte Nestkammer darstellt, wenn auch kein eigentliches Nestmaterial gefunden wurde. In einer Erweiterung vor der Kammer liegen Kot (E) und wiederum Spelzen. Die Nestkammer setzt sich mit einer kurzen gangartigen Einschnürung in eine ausgedehnte Vorratskammer VK, fort, die 4—4'/, kg Hafer enthält. Hieran schließt sich der uns schon von Bau 11 bekannte lange Gang, der dann rechtwinklig umbiegt und in die bewohnte Nestkammer WXK, mündet. Außer dem Nestmaterial findet sich hier etwas Hafer. Von der Nestkammer geht ein Gang 5 ab, der erst schräg, dann steil nach oben führt und nach außen mündet. Leider konnten 55 Abb. 12. Bau eines alten (?) Hamsters (gegraben am 10. 9.). 184 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. die abzweigenden Gänge e, f und g infolge der vorgerückten Tageszeit nicht weiter gegraben werden. Wahrscheinlich handelte es sich um so häufig auftretende Blindgänge oder Zuleitungsgänge zu anderen Vorratskammern. Der Bewohner, zweifellos ein altes JS, wurde nicht gefunden, er hatte sich wahrscheinlich in einen der 3 nicht gegrabenen Gänge zurückgezogen. Beide Baue, 11 und 12, zeigen deutlich die gleiche Anlage. Die ganze Bauart ist leicht von einem einröhrigen Bau abzuleiten. Ein solcher ist weiter ausgedehnt und die Neuanlage durch eine zweite Ausgangsröhre wieder mit der Außenwelt in Verbindung gesetzt. Der Altteil der Baue ist mehr oder weniger verlassen und bereits teilweise verschüttet. c) Mutterbau. Nach SULZER und BREHM unterscheiden sich diese von den übrigen Bauen hauptsächlich durch ihre größere Zahl von Ausgängen. Dies kann ich an dem von mir am 28. 8. gegrabenen Mutterbau (Abb. 13) durchaus bestätigen. Die schräge Eingangsröhre a führt bis in eine Tiefe von 40 cm. Nach einer Entfernung von 80 em zweigt nach rechts ein kurzer Gang b ab, der dann senkrecht nach außen führt. Ein zweiter Gang c stellt wohl den Anfang zu einer zweiten senkrechten Ausgangsöffnung dar. Mit der Nestkammer WK und der sich unmittelbar daran anschließenden, mit 4 Abb. 13. Mutterbau (gegraben am 28. 8.). M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 185 Hafer gefüllten Vorratskammer VK endet der Gang. Im Nest befinden sich 6 noch blinde, schätzungsweise 6—8 Tage alte Junge. Am Eingang zur Vorratskammer liegt frischer Klee, der den Jungen bereits als Nahrung diente (vgl. S. 194). Kurz vor der Kammer führt ein neuer Gang (d) recht- winklig weiter, von dem zwei senkrecht nach außen mündende Röhren (e und /) abgehen. Am Ende des Ganges dist das O eifrig beim Weiterwühlen. Das ganze letzte Ende dieses Ganges ist mit loser Erde verschüttet. Eben- so ist auch ein kurzes Stück des Ganges a voll Erde gestopft. Es bleibt dahingestellt, ob dies Stück schon vor dem Ausgraben von der Mutter ver- stopft wurde, oder erst beim Beginn (vgl. S. 190). Gegenüber den Angaben von BREHM (S. 320), daß von der Nest- kammer zu allen Fallöchern besondere Röhren abgehen, ist bei dem vor- liegenden Bau beachtenswert, daß die Nestkammer blind endet, daß von ihr also keine Gänge weiterführen. d) Winterbaue. Wie übereinstimmend in der Literatur angegeben, gräbt der Hamster im Herbst seinen Bau tiefer, um sich nach Verschluß seiner Ausgangsröhren dorthin zurückzuziehen und seinen Winterschlaf zu halten. SULZER be- richtet, daß der Hamster häufig seine Röhren derart fest verstopfe, daß die geschlossenen Gänge von der umgebenden Erde nicht mehr unterscheidbar seien. Dies mag wohl der Grund gewesen sein, weshalb ich beim Graben am 31. 10. soviel Mißerfolge hatte, obgleich nur Baue gegraben wurden, “ vor denen relativ frische Erde lag. Es konnte an diesem Tage nur ein noch nicht geschlossener Bau mit neu angelegtem Winterteil vollständig gegraben werden. Von den übrigen Bauen wurde höchstens die erste Anlage freigelegt, dann war plötzlich jede Spur eines weiterführenden Ganges verschwunden. In einigen Fälien konnte festgestellt werden, daß eine Röhre teils senkrecht, teils schräg tiefer nach unten führte. Es kann also mit Recht geschlossen werden, daß sich die Hamster bereits in ihren neu angelegten Winterbau zurückgezogen und die Zugangsröhren verrammelt hatten. Daß nicht alle Winterbaue tiefer angelegt werden, zeigt der noch nicht verschlossene Bau vom 31. 10, und ebenso der im Januar völlig aufgedeckte Bau, der in Abb. 14 wiedergegeben ist und in seiner ganzen Anlage außerordentlich klare Verhältnisse zeigt. Vor der Öffnung liegt frische Erde, ein Zeichen, daß der Hamster vor nicht allzulanger Zeit im Freien gewesen war (Januar!). Infolgedessen war auch die Erde in dem völlig verschütteten ersten Abschnitt des Baues nicht derart fest, daß ein genaues Verfolgen der Gänge und Kammern un- möglich gewesen wäre. Und doch war es nur ein Zufall, daß der hintere Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 186 Abb. 14. :’Winterbau eines | N VKz alten g' (gegraben am 22.1.). M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 187 Teil des Baues gefunden wurde, denn mit der Kammer VK,, bis wohin noch alles verschüttet war, schien plötzlich der Bau aufzuhören. An allen Seiten fühlte sich die Erde fest an und keine losere Stelle deutete auf eine Fortsetzung hin. Nur ein zufällig geführter Spatenstich legte den gerade von da ab wieder offenen Gang frei. An dieser Übergangsstelle vom ge- schlossenen zum offenen Teil hatte also der Hamster den Gang besonders fest verrammelt. Verfolgen wir zunächst den Verlauf des Baues genauer. Die Ein- gangsöffnung @ führt mit einer Biegung schräg nach unten. Bis zu der Stelle, wo sie in die Kammer WXK,, zweifellos die alte Nestkammer — ein Rest von Nestmaterial findet sich noch vor — mündet, ist sie offen; von da ab aber ist zunächst alles verschüttet. Die Kammern VK,, VK,, VK, und VK, dürfen wir wohl als alte Vorratskammern ansprechen, die sie ausfüllende Erde ist allenthalben mit Spreu durchsetzt. Wie schon erwähnt, öffnet sich am Anfang des Ganges c der Bau wieder und ist von da ab völlig frei. Der Durchmesser der folgenden Gänge ist außerordentlich groß, im Durchschnitt 9 cm. Gleich am Anfang verzweigt sich der Gang. Die Röhre h führt zum Nest, die Röhre d zu den Vorratskammern. Von letzterer führt vorher ein neuer Gang (e) unmittelbar nach oben ab und endet 25 cm unter der Erdoberfläche. Der Gang f führt etwas tiefer und endet blind. Ihm benachbart liegt die Vorratskammer VK,, in der sich Weizen und Kartoffeln bunt durcheinandergemischt befinden, in der Vorratskammer VK, liegen nur Kartoffeln; beide Kammern sind nicht mehr voll gefüllt. Der Gang 9 verbindet diese Räume mit dem Nest. Die Nestkammer WK, ist relativ groß und ganz mit feinstem Nestmaterial aus Halmscheiden gefüllt. Vor der Nestkammer ist eine kurze Ausbuchtung, in der etwas Weizen und einige Kartoffeln liegen, von denen eine frisch angebissen ist. Es hatte den Anschein, daß der Hamster diese zum augenblicklichen Gebrauch etwas in „Reichweite“ gebracht hatte. Hinter dem Nest, am Anfang des Ganges %k liegt reichlich Kot. Das Nest selbst ist dicht geschlossen, beim Auseinander- breiten finden wir den festschlafenden Hamster, ein altes S (vergl. Tafel VI, Abh. 15—18). Dieser Winterbau entspricht seiner Anlage nach einem Bau mit nur einer Öffnung. Wir dürfen annehmen, daß der verschüttete Teil den alten Bau und der offene Teil den neu angelegten Winterbau darstellt. Die alten Kammern haben einen größeren Rauminhalt als die Winterkammern. Es ist zu vermuten, daß der Hamster bereits im Herbst einen Teil seiner Vorräte aufgezehrt und den Rest in die neuangelegten Kammern gebracht hat. Daß die Hamster schon vor der Winterruhe ihre Vorräte angreifen, darauf deuteten ja auch einzelne Befunde an den früheren Bauen hin (vergl. den Bau in Abb. 11 vom 24. 9.). 188 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. e) Zusammenfassendes über die Beobachtungen an und in den Bauen. In obiger Beschreibung der Baue ist versucht worden, einzelne Bau- typen zu unterscheiden und ihre Entstehungsweise klarzulegen. Schon aus den Beschreibungen und beigefügten Skizzen geht zur Genüge hervor, wie stark die Baue im einzelnen variieren können, sodaß im Grunde ge- nommen kein Bau dem anderen gleicht. Es möge daher genügen, hier nur noch auf einige allgemeine Punkte zusammenfassend einzugehen. a) Bauanlage. Die Ausdehnung der Baue ist im allgemeinen von dem Alter der Tiere abhängig. So haben Junghamster die kleinsten Baue. Die Baue der Hamster der ersten Jahresgeneration (vergl. Abb. 6, 7, 11) sind natur- gemäß größer als die der Junghamster, aber meist weniger umfangreich als die Baue der Althamster (vergl. Abb. 5, 9, 10). Die ausgewühlte Erde liegt stets vor der schrägen Öffnung, dem Schlupfloch. SULZER bemerkt hierüber sehr richtig: „Man kann sagen, das schiefe gehe hinunter, indem es von außen hineinwärts gegraben, das senkrechte gehe herauf, indem es von innen herausgebohrt wird (S. 111).“ Der Abfallwinkel des Schlupfloches variiert sehr stark. Meist macht der Gang eine oder mehrere Biegungen, um dann nach kürzerer oder wei- terer Entfernung stets in die Nestkammer zu münden (vgl. auch SULZER, S. 113). Das Falloch führt teils im ganzen Verlauf direkt senkrecht ab- wärts, teils biegt es nach kurzer Entfernung im stumpfen Winkel um. Die Lage des Falloches zum Nest variiert; wie in Abb. 7—10 gezeigt, kann es auch ganz fehlen (Baue mit nur einer Öffnung), sodaß wir SULZER nicht beistimmen können, wenn er sagt: „Eine jede Grube hat wenigstens zwey Löcher, davon eines schief hinunter, das andere senkrecht herauf geht“ (S. 111). Häufig kann man, besonders wenn der Boden durch Nässe längere Zeit aufgeweicht ist, von der begangenen Öffnung aus einen mehr oder we- niger deutlich ausgetretenen Wechsel beobachten. An einem der von mir gegrabenen Baue betrug die Länge desselben nahezu 2 m (vergl. Tafel VII, Abb. 19). Die Gänge und Kammern liegen, wenigstens in den von mir unter- suchten Spätsommer- und Herbstbauen, fast stets in gleicher horizontaler Ebene. Wie die in den Skizzen eingefügten Zahlen zeigen, schwankt die Tiefe der Baue untereinander, doch sind Tiefen von 45—55 cm recht häufig). Wenn nach BREHM die Tiefe der Baue 1—2 m beträgt, so kann sich dies nur auf die Winterbaue beziehen. Daß diese, von den alten Bauen ausgehend, tiefer angelegt werden, wurde auch von mir beobachtet, M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 189 wenn es auch nicht gelang, einen solchen Winterbau völlig auszugraben, und daher die Tiefe nicht angegeben werden kann. Wie zwei von mir gegrabene Winterbaue zeigen (Abb. 14), kann die Neuanlage auch in wagerechter Richtung weitergeführt werden. Der Durchmesser der Gänge richtet sich im allgemeinen nach der Größe, also dem Alter der Tiere. Bei den Junghamstern der letzten Gene- ration waren etwa 6 cm die Regel, bei alten Hamstern wurden durch- schnittlich 8, selten 9 cm gefunden, Größe und Gestalt der Kammern variiert. Im allgemeinen sind die Nestkammern stets rundlich und nahe dem Eingang gelegen. Bei älteren, vergrößerten Bauen werden sie teilweise neu angelegt und liegen dann weiter vom Eingang entfernt. Die Zahl der in die Nestkammer mündenden Gänge ist verschieden. Sind es drei, so führt meist der eine zum Falloch, der andere zum Schlupfloch und der dritte zu den Vorratskammern. Dies würde den von SULZER (S. 116) gemachten Angaben entsprechen. Oft aber ist die Nestkammer in einen Gang eingeschaltet, mit anderen Worten, es führen also nur zwei Gänge von ihr ab. Teilweise ist die Nestkammer auch Endkammer und der weiterführende Gang zweigt schon vorher ab. Auch die Vorratskammern sind bisweilen in einen Gang eingeschaltet und bilden somit nur eine meist langgestreckte Erweiterung desselben. In vielen Fällen aber liegen sie am Ende eines Ganges, wo dann bei alten Tieren oft gleich mehrere abzweigen. Teilweise schließen sie sich auch unmittelbar an die Nestkammer an oder sind nur durch eine kleine Ver- engung von ihr getrennt. Die Gestalt der Vorratskammern ist entweder kugelig oder mehr oder weniger langgestreckt, wobei sie sich dann am Ende häufig allmählich verjüngen. Im einzelnen muß hier auf die Ab- bildungen verwiesen werden. Die Wände der Kammern sind meist glatt und ziemlich fest, eine Erscheinung, auf die schon SULZER aufmerksam gemacht hat, und als deren Bedeutung er Schutz vor eindringender Feuch- tigkeit annimmt (S. 116). $) Nestmaterial. Das Baumaterial des Nestes bestand in den meisten Fällen, wie auch. schon von SULZER angegeben, aus den weichen Halmscheiden. Nur in einem Falle waren Strohhalme verwandt. Diese waren breit zusammen- gedrückt und durch häufiges Knicken weich und geschmeidig gemacht. Während in den Sommer- und Herbstbauen das Nestmaterial nur den Boden bedeckte, dem Hamster also nur als Unterlage diente, war in den beiden aufgedeckten Winterbauen dieganze Kammer mit Nestmaterial ausgefüllt. Der im Januar im festen Winterschlaf ausgegrabene Hamster war von allen 190 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Seiten dicht von Nestmaterial umgeben. Auch die in Gefangenschaft ge- haltenen Hamster hüllten sich vor ihrem Schlaf ganz in ihr Nest ein. y) Kotablagerung. In vielen Fällen wurden in den Bauen selbst überhaupt keine Exkremente gefunden, so daß wir annehmen müssen, daß der Hamster sein Geschäft außerhalb des Baues verrichtet, oder daß er beim Weitergraben den Kot mitsamt der Erde aus dem Schlupfloch nach außen transportiert hat, wie häufig die mit Kot vermischte, frisch ausgestoßene Erde zeigte. In einer ganzen Reihe von Fällen aber wurde frischer und älterer Kot auch in den Bauen selbst gefunden. | | Im BREHM lesen wir: „In dem nach dem Schlupfloch führenden Gange erweitert sich oft kurz vor der Kammer eine Stelle aus, wo der Hamster seinen Mist abzulegen pflegt“ (S. 320). Nach meinen Erfahrungen ist diese Verallgemeinerung nicht ganz zutreffend. Ablagerungen vor dem Nest wurden nur in 2 Fällen beobachtet (z. B. Abb. 12). Weit häufiger lag der Kot unmittelbar hinter dem Nest. Eine Erweiterung wie von SULZER beschrieben, war durchaus nicht immer vorhanden (vergl. Abb. 2; außerdem bei zwei nicht abgebildeten Bauen). In dem Winterbau (Abb. 14) lag der Kot unmittelbar hinter dem Nest. In drei von mir beobachteten Fällen befanden sich die Exkremente in einer besonderen gangartigen Ausbuchtung der Nestkammer. Der Bau in Abb. 10 besaß sogar zwei mit Kot angefüllte Erweiterungen, von denen die eine nur klein, die andere dagegen 25 cm lang war. In dem Bau 5 war sie 20 cm lang und voll mit Exkrementen gefüllt; in dem nicht abgebildeten Bau etwa 8cm. Wenn also SULZER schreibt: „Man kann nicht sagen, aaß sie eine besondere Kammer zum Abtritt hätten, sie gehört mit unter die vom Hamster erdichteten Märchen“ (S. 116), so trifft dies doch nicht ganz zu. Wenn man auch nicht im Hinblick auf die Nest- und Vorratskammern von einer „Kotkammer“ sprechen kann, so scheint doch jene beschriebene, blind endende gangartige Anlage nur für die Kot- ablagerung bestimmt zu sein. Wenn in einem hier nicht näher beschriebenen Falle in einer teilweise verschütteten Kammer Exkremente zwischen der mit Spreu vermischten Erde gefunden wurden, so kann man wohl annehmen, daß diese erst nachträglich beim Zuwühlen dorthin gebracht wurden. 0) Das Verklüften der Gänge, SULZER sagt: „Das Schlupfloch ist, nachdem man einen halben Schuh, oder einen ganzen, oder noch tiefer gegraben hat, jederzeit mit Erde ver- ‚stopft, ohngefehr auf einen halben Fus .. .“ (S. 114). Dieser Allgemein- gültigkeit kann ich nach meinen Beobachtungen durchaus nicht beistimmen. M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters, 191 Nur in einigen wenigen Fällen war ein Stück einer begangenen Röhre mit Erde verschüttet (vergl. z. B. den Mutterbau Abb. 13 und den Altbau Abb. 10). Ich möchte jedoch in diesen Fällen eher annehmen, daß die den Gangteil ausfüllende Erde beim Auswühlen einer neuen Röhre zunächst dorthin transportiert wurde, um dann nach außen geschafft zu werden, daß sie also beim Unterbrechen der Wühlarbeit im Gange liegen blieb. Sonst wurde frisch gewühlte Erde stets nur im letzten Teil des Baues, meist in einem Blindgang gefunden, in dem sich dann jedesmal am Ende der Hamster be- fand. Es kann wohl angenommen werden, daß der Hamster, sobald er die Gefahr merkt, bemüht ist, sich weiter einzugraben. Dabei wirft er dann naturgemäß Erde hinter sich und „verklüftet* somit den Gang. Daß der Hamster in einem Bau mit mehreren Öffnungen zu der noch offenen Röhre zu entkommen versuchte, wurde niemals beobachtet, Etwas anderes ist es dagegen mit dem Verschluß der Röhren zum Winter hin. Dies dürfte wohl zunächst eine Schutzmaßnahme gegen die einsetzende Kälte sein. Hierbei werden dann die Gänge meist außerordent- lich fest mit Erde verstopft, was ein Weiterverfolgen oft unmöglich macht. GC. Das Sammeln von Vorräten, Wie in der Literatur angegeben, sammeln die 070’, sobald die Ernte reif ist, Vorräte ein. So wurden denn auch in den betreffenden, von mir gegrabenen Bauen stets mehr oder weniger große und zahlreiche Anlagen von Vorratskammern gefunden. Doch waren diese in einigen Fällen nicht mehr sämtlich gefüllt (vergl. Abb. 11), oft waren nur noch die Überreste, Spreu und Spelzen, manchmal auch einige in den Ecken und Nischen zu- rückgebliebene, meist stark ausgekeimte Körner vorhanden. Dies legt den Schluß nahe, daß der Hamster auch dann schon von seinen Vor- räten zehrt, wenn der Bau noch offen und auch draußen noch Nahrung vorhanden ist. Die Art der Vorräte richtete sich stets nach dem, was auf den Fel- dern gebaut war. Die von mir auf Haferfeldern gegrabenen Hamster hatten Hafer, die auf Weizenfeldern gegrabenen Weizen eingetragen. Es wurden aber auch andere Vorräte, besonders Kartoffeln, Hederichsamen und in ge- ringen Mengen auch andere Unkrautsamen (einmal auch ein Paar Wurzeln) gefunden, die nach der Reife der Früchte zu schließen, noch relativ spät im Jahre gesammelt wurden. Nach der Zusammenstellung von SULZER (S. 131) über die Nahrungsstoffe des Hamsters, trägt er so ziemlich alles für ihn Genießbare ein, Leider konnte ich bei den Junghamstern niemals die fertige Anlage des Winterbaues und der Vorratskammern — nach SULZER legen sie nur 192 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. eine Kammer an — feststellen, da am 31. 10. die Junghamsterbaue bereits fest geschlossen waren und infolge der dichten Verrammelung ein völliges Aufdecken der wahrscheinlich in beträchtliche Tiefe gehenden Baue trotz vieler Mühe nicht gelang. Ich kann daher auch über die Art und Menge der eingesammelten Wintervorräte nichts aussagen. Da zur Zeit der An- lage der Baue (etwa am 11. 9.) die Getreidefelder bereits abgeerntet waren, so kommen Körnerfrüchte für sie nicht mehr in Betracht. Nach dem, was in den Bauen von Althamstern gefunden wurde, ist wohl anzunehmen, daß auch die Jungen als Wintervorrat den noch spät im Jahre reifenden Hederich- samen, Kartoffeln und ähnliches eintragen. . Dasselbe gilt wohl auch für die Q9, die nach den Angaben von SULZER, solange noch Junge im Bau sind, keine oder nur wenige Vor- räte aufspeichern und sich häufig nach dem Auswandern der Jungen neue Baue anlegen. In dem am 28. 8. gegrabenen Mutterbau befand sich nur eine kleine, mit etwa °®/, kg Weizen gefüllte Vorratskammer. Ein anderer, am 11. 9. gegrabener Bau eines Q enthielt nur eine ganz geringe Menge Hafer, ein dritter am gleichen Tage aufgedeckter, zweifellos erst wieder neu angelegter Bau gar keine Vorräte. Die Menge der von mir in den einzelnen Bauen der Sg‘ gefundenen Vorräte ist im Vergleich zu den in der Literatur angegebenen Zahlen recht gering. SULZER berichtet von alten Hamstern: „.. . man findet nicht selten in einem solchen Bau drey Metzen, bis ein Viertel Frucht, ich weiß, daß man fünf bis sechs Metzen Saubohnen bey einem gefunden hat“ (S. 117) °). Vorräte von 50 kg, wie wir auch bei BREHM angegeben finden, dürften wohl zu den größten Seltenheiten gehören. Zunächst täuscht man sich beim Ausgraben einer Vorratskammer über die Menge der Vorräte ganz erheb- lich. Wenn beim Anstechen einer Kammer die Körnermengen hervorquellen und man beim Herausschaffen der Körner einen ganzen Berg voll anhäuft, so überschätzt man leicht das Gewicht der Menge, das dann beim genauen Nachwiegen ganz erheblich abnimmt. Die größte von mir gefundene Menge betrug 6!/, kg Hafer (Abb. 10). Andere Zahlen sind: 4°/, kg Hafer (Abb. 6), 4!/ „kg Hafer (Abb. 12), 3°/, kg Weizen (Abb. 9), 2!/, kg Weizen (Abb. 5). Zu berücksichtigen ist allerdings bei diesen Zahlen, daß das Ein- sammeln der Vorräte bei den betreffenden Hamstern noch nicht abgeschlossen war und nur erst die Getreideernie in Betracht kam. Gewiß hätten sie auch noch Kartoffeln, Hederichsamen — in dem am 31. 1. gegrabenen Bau wurden 31/,—4 kg zu Tage gefördert — u.a. eingetragen. In dem im Januar ge- grabenen Bau (Abb. 14) eines alten Hamsters fanden sich 2 kg Kartoffeln und 1!/, kg Weizen (vgl. Taf. VII, Abb. 20). Hierbei ist allerdings wieder zu berück- sichtigen, daß der Hanıster im Laufe des Winters einen Teil seiner Vorräte bereits aufgezehrt hatte, sodaß nicht mehr die Gesamtmenge vorlag. Jedoch M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 193 kann diese nach der Ausdehnung der vorhandenen, teilweise geleerten Kammern höchstens das Dreifache von dem noch vorhandenen betragen haben, sodaß als Höchstmenge etwa 12 kg anzunehmen ist. Jedenfalls sehen wir, daß die angegebenen Vorratsmengen noch längst nicht an die oben erwähnten Zahlen früherer Beobachter heranreichen. Wir haben keinen Grund, derartige Angaben ohne weiteres in Zweifel zu ziehen, wenn sie auch vielleicht hie und da stark übertrieben, oder uns nur die Ausnahmefälle berichtet sind.. Wie können wir uns aber einen der- artigen Unterschied in der Menge der gesammelten Vorräte erklären? — Beobachtungen an gefangenen Hamstern zeigen, daß diese alles, was ihnen an Nahrungsmitteln erreichbar ist, eintragen. Ein im Zimmer aus seinem Käfig entflohener Hamster schleppte in einer Nacht aus einem Behälter mit Weizen mehrere Pfund in sein Versteck. In den nächsten Nächten trug er alles, was in den aufgestellten Fallen ausgelegt war, ein, indem er jedesmal wieder geschickt einen Ausgang aus den Fallen fand. Erwähnt sei hier auch eine Beoabachtung, die Herr Kunstmaler ERICH SCHRÖDER an einem von mir gefangenen Junghamster machte. Das Tier war durch eine Unachtsamkeit in den Keller entflohen und hatte sich von hier einen Gang ins Freie gewühlt. Jede Nacht erschien der Ausreißer wieder im Keller und holte innerhalb von etwa fünf Tagen über 7 ua kg Gemüse (4—5 kg Petersilienwurzeln, im übrigen Sellerieknollen, Mohrrüben und Kartoffeln) fort und häufte sie in den außerhalb des Kellers gegrabenen Gängen und Vorratskammern an. Darauf trug er, nachdem ihm dies wieder genommen .war, innerhalb von 3 Tagen 31/,—4 kg gleiche Fruchtarten ein. Er hätte zweifellos noch mehr entführt, wenn nicht alle Vorräte aus dem Keller ent- fernt worden wären. SULZER erwähnt (S. 144), daß der Hamster auch im Frühjahr Vorräte (frisch gesäte Sommersaat), bisweilen einige Pfund, einträgt, wenn sie ihm nur irgendwie erreichbar sind. Diese Beobachtungen lassen vermuten, daß der Hamster alles für ihn Genießbare einträgt und zusammenhäuft, und daß er dies rein instinktiv aus dem ihm angeborenen Sammeltrieb tut und zwar wohl zu jeder Jahres- zeit. Daß dies nun gerade im Herbst vor Beginn des keine Nahrung spendenden Winters geschieht, ist ja natürlich, da eben dann gerade die meisten Früchte reifen. Wir dürfen also kaum das Vorrätesammeln auf eine weise Vorausahnung des kommenden Winters zurückführen, sondern eben auf jenen ausgeprägten Sammelinstinkt, der durch das Erblicken jeder irgendwo vorhandenen Nahrung ausgelöst wird. Hiervon ausgehend, glaube ich jenen Unterschied in der Vorratsmenge bei den von mir gemachten Beobachtungen und den früheren Angaben in der‘ 13 194 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Literatur erklären zu können durch die Veränderung des modernen landwirt- schaftlichen Betriebes gegenüber dem vor etwa 150 Jahren, zur Zeit SULZERS, auf dessen Beobachtungen sich ja die meisten Angaben beziehen. Damals wurden mit den noch relativ primitiven Mitteln nur kleinere Flächen bebaut, und jeder Landwirt baute das, was er zum Leben brauchte, also vielerlei Frucht- arten, die nacheinander reiften; ihr Einernten dauerte lange. Dem Hamster stand so eine lange Zeit zum Eintragen zur Verfügung und eine größere Liste von Fruchtarten. Seinem ausgeprägten Sammelinstinkt zufolge konnte er also große Mengen einsammeln. Heute dagegen werden mit Hilfe der ver- besserten landwirtschaftlichen Maschinen große Flächen bebaut, und zwar oft nur mit einer bestimmten Fruchtart, je nach der Güte des Bodens; °) das Abernten geht schnell vor sich. Der Hamster, der nur in der näheren Umgebung seiner Baue sammelt, hat oft nur ein oder zwei Fruchtarten zur Verfügung und die Vorratsquelle ist bald wieder verschwunden. Es fehlt also jetzt dem Hamster Zeit und Gelegenheit, seinen Sammelinstinkt so wie früher zu betätigen, er muß sich mit wenigen Vorräten begnügen. Daß diese Vorräte ihm trotzdem für seinen Lebensunterhalt ausreichen, ist schon bei einer flüchtigen Berechnung ersichtlich, und könnte auch aus dem, was Hamster in Gefangenschaft fressen, leicht berechnet werden. Häufig wurden in oder unmittelbar am Nest kleine Mengen von Grün- futter gefunden. Es war zu beobachten, daß die Hamster mit Vorliebe Hederichblüten und -blätter, daneben auch andere Unkrautblätter und Klee eintragen. Wir dürfen annehmen, daß der Hamster diese im Laufe des Tages, den er wohl meist im Neste verbringt, verzehrt. In dem am 28. 8. gegrabenen Mutterbau befanden sich unmittelbar hinter dem Neste frische Kleeblätter. Wie eine nähere Untersuchung zeigte, hatten die noch blinden, etwa 6—8 Tage alten Jungen bereits von dem Klee gefressen. Ihr Magen war voll mit zerkleinerten Kleeblättern ange- füllt und die Kotballen im Enddarm bestanden ganz aus den unverdauten Blattresten. Auch BREHM berichtet, daß die Junghamster bereits am fünften Tage anfangen, an Weizenkörnern zu nagen, D. Der Winterschlaf. Es soll mit den folgenden Ausführungen weniger ein Beitrag zur Frage des Winterschlafes selbst, als vielmehr ein Beitrag zur Biologie des Hamsters gegeben werden, da der Verlauf des Winterschlafes bei diesem Tier gegenüber anderen (Murmeltier, Ziesel, Igel) relativ wenig untersucht ist. Die Beobachtungen an ge- fangenen Hamstern sollen im wesentlichen nur den normalen Ablauf des Winter- schlafes im Freien näher beleuchten. Es soll daher hier nur beiläufig und vergleichs- weise auf die Winterschlafserscheinungen bei anderen Tieren eingegangen werden. Bezüglich‘ zusammenfassender Angaben sei auf die Arbeiten von BARKOW, M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 195 LANG uud MERZBACHER hingewiesen; bei letzterem findet sich auch ein aus- führliches Literaturverzeichnis. Das erste Anzeichen der beginnenden Winterruhe ist das Verschließen der Baue. SULZER sagt: „Dieses Zumachen geschieht bey vielen schon zu Anfang des Weinmonats, bey anderen um dessen Mitte“ (S. 160). Beim Graben am 31. 10. fand ich die meisten Baue bereits geschlossen. Relativ frische Erdhaufen vor dem teilweise noch erkennbaren Schlupfloch zeigten, daß die Hamster ihren Bau weiter und, wie verschiedentlich festgestellt werden konnte, tiefer in die Erde gegraben hatten. Auch auf den bereits wieder umgepflügten Feldern war frische Erde ausgeworfen. Der alte Bau, der stets noch deutlich zu erkennen war, war teils mehr, teils weniger mit Erde verschüttet. Nur ein Bau mit Bewohner wurde am 31. iO. noch völlig unverschlossen gefunden und konnte ganz aufgedeckt werden. Am gleichen Tage wurde ein Junghamster noch im Freien beobachtet. Dies zeigt, daß der Termin des Verschließens der Baue bei den einzelnen Individuen recht verschieden sein kann. Die Beobachtung SULZER’s, daß der Hamster zuerst das Schlupfloch verschließt und dann das Falloch, kann ich bestätigen. Ebenso ist es woh, zweifellos zutreffend, daß der Hamster auch nach dem Verschluß der Öffnungen noch teilweise den Bau erweitert und mit der losgewühlten Erde seinen alten Bau soweit als möglich ausfüllt, wie dies der im Januar gegrabene Bau (Abb. 14) sehr deutlich zeigt. Das Schlupfloch ist meist völlig, das Falloch bis auf die senkrecht aufsteigende Röhre verschlossen. (Näheres über die Winterbaue vergl. S. 185). Über den Beginn des Winterschlafes liegen mir keine eigenen Beobach- tungen vor. BARKOW konnte bei gefangenen Hamstern beobachten, daß sie bereits schon im November in den Winterschlaf verfielen (8. 78.) MARES berichtet sogar, daß ein Hamster bereits im September bei 16° Wärme einschlief. Doch dürfte dieser frühe Termin wohl nur aus irgend- welchen störenden Gefangenschaftseinflüssen erklärt werden können. SULZER nimmt an, daß der Hamster noch 6—8 Wochen nach Verschluß der Öffnung wach bleibt und von seinen Vorräten zehrt und daß er dann, wenn „die rauhe Witterung des Winters bis in das Innerste seiner Wohnung dringt, . in einen tiefen, verschiedene Monate durch dauernden Schlaf“ versinkt (S. 161). Über die Dauer des Winterschlafes gibt auch BECHSTEIN an, daß sie vom ersten Schnee bis in die wärmeren Tage des März währt (S. 460). Im Gegensatz dazu berichtet dann allerdings BREHM: „Auch im Freien müssen die Hamster mitten im Winter aufwachen; denn zuweilen öffnen sie ihre Löcher im Dezember bei einer Kälte von mehreren Graden unter Null und laufen ein wenig auf den Feldern umher“ ($S. 324). Ehe ich über meine eigenen Versuche an gefangenen Hamstern berichte, 13° 196 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. möchte ich einige im Freien gemachten Beobachtungen anführen, die die Angaben von BREHM. bestätigen. Zwei im Garten ausgesetzte Hamster wurden noch im November im Freien gesehen, nachdem bereits stärkerer Frost eingesetzt hatte Am 3. Dezember wurden bei starkem Frost an zahlreichen Fallöchern Spuren gefunden, die ein kürzliches Begangensein der Röhre zeigten. Es lag nämlich in den Röhren frisch gewühlte, lose Erde, während die Erde sonst 20 cm tief steinhart gefroren war, sodaß z. B. auch der Versuch, einen Bau auszugraben, nach zweistündiger Arbeit aufgegeben werden mußte. In einem sehr weiten, etwas vom Schnee verwehten Loch sah man deutlich den rundlichen Ausschnitt, aus dem der Hamster nach außen geschlüpft war. Leider war die Erde so fest gefroren und der nur wenig gefallene Schnee so körnig und vom Wind verweht, daß sich Fährten nicht abdrücken konnten. Zahlreiche Fährten wurden dagegen am Eingang und in unmittelbarer Nähe von einigen Bauen am 25. und 26. 12. gefunden, nachdem kurz vorher Tauwetter eingesetzt hatte und der Erdboden aufgeweicht war. Am 21.1. lag vor einigen Bauen frisch ausgewühlte Erde An diesem Tage gelang es dann auch, einen vollständigen Bau mit schlafendem Hamster auszu- graben. Wie bereits bei der Besprechung dieses Baues auf S. 187 erwähnt, war neben dem Nest eine kleine Erweiterung, in die der Hamster wohl zum augenblicklichen Gebrauch einige Weizenkörner und Kartoffeln gebracht hatte, von denen eine frisch angebissen war, ein Zeichen, daß der Hamster vor kurzem von seinen Vorräten gefressen haben mußte. (Vergleiche die Bildserie auf Tafel VI). Frisch gewühlte Erde wurde dann wieder am 19. 2. vor einigen Bauen gefunden. Der bereits auf S. 193 erwähnte Hamster des Herrn Kunstmalers E. SCHRÖDER trieb seine Räubereien im Keller im Dezember bei einer Temperatur von 8 und mehr Kältegraden, nachdem er vorher mehrere Tage im warmen Zimmer gehalten und stets wach geblieben war. Bei dieser Temperatur hatte er auch seine Gänge vom Keller aus in die Erde (loser, troekner Sandboden) und einen Gang nach außen ins Freie gegraben. Alle diese Beobachtungen zeigen zur Genüge, daß der Hamster nicht durchgehend schläft, sondern von Zeit zu Zeit aufwacht und dann von seinen Vorräten frißt, bisweilen auch wohl seinen Bau verläßt, um ihn dann aber wieder fest zu verrammeln. Beobachtungen an gefangenen Tieren be- stätigen diese Schlüsse vollauf. Die zu den Versuchen verwandten Hamster wurden in einer mit Draht überspannten Kiste mit reichlichem Nestmaterial in einen außerhalb stehenden Holzschuppen gebracht, dessen Temperatur meist etwas höher als die Außen- temperatur war und infolge der windgeschützten Lage beim schnellen Umschlag der Außentemperatur nur geringe Schwankungen zeigte. Nur bei M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 1097 stärkerem Frost sank das Thermometer im Schuppen unter Null, zeigte aber sonst stets einige Wärmegrade. Diese Temperatur dürfte etwa der im Hamsterbau herrschenden Temperatur entsprechen. Außer an Sonntagen wurde jeden Tag, wenigstens die Außen- und Innentemperatur und die Futterentnahme kontrolliert und je nach der Ver- suchsanordnung der Zustand des Tieres beobachtet. Die Versuche wurden am 1. 12. angesetzt und bis Mitte März durchgeführt, sodaß mir zur ge- naueren Beobachtung genügend Zeit zur Verfügung stand und hin und wieder notwendige Kontrollversuche eingeschaltet werden konnten. Alle Versuche im Einzelnen genauer aufzuführen, würde zu weit führen. In Tabelle I und II sind einige Beobachtungen, die für die folgenden Aus- führungen wichtig sind, zusammengestellt. Gleich hier sei erwähnt, daß die Beobachtungen sich insofern etwas schwierig gestalten und zahlreiche Kontrollversuche erforderlich machen, da der im Winterschlaf liegende Hamster bei der leisesten Berührung aufwacht, der normale Fortgang des Winterschlafes dadurch also gestört wird. Da häufig die Körpertemperatur festgestellt werden sollte, war ein solcher störender Eingriff nicht zu vermeiden, was bei der Durchsicht der Tabellen berücksicht werden muß. | Schon aus den wenigen in den Tabellen I u. II zusammengestellten “ Beobachtungen geht hervor, daß der Hamster relativ häufig aufwacht und dann Nahrung zu sich nimmt. So ist aus Tabelle II ersichtlich, daß der Hamster II etwa vom 15. 2. bis zum 19. 2., dann wieder vom 20. 2. bis 23. 2. schlief. Der Hamster I (Tabelle I) schlief etwa vom 11.1. bis 15. 1. Da die Hamster nicht gestört wurden, konnte nur an der Futterentnahme das Aufwachen festgestellt werden. Infolgedessen kann auch die Dauer des Schlafes nur ungefähr angegeben werden und nicht auf die genaue Stunde, da man ja nicht weiß, zu welcher Tages- oder Nachtzeit der Hamster ge- fressen hat. Zahlreiche andere Versuche in gleicher Anordnung verliefen mit etwa dem gleichen Resultat. Durch dauernde Kontrollversuche konnte festgestellt werden, daß der Hamster jedesmal dann regelmäßig schlief, wenn kein Futter entnommen war, was ja bei der Bewertung der Beobachtungen in den Tabellen von Wichtigkeit ist. Es kann somit als sicher gelten, daß der Zeitraum des Schlafes nur wenige Tage beträgt. Als längste Zeitdauer wurden 5 Tage beobachtet. Die Dauer des Wachseins zwischen den einzelnen Schlaf- zeiten ist verschieden und zwar je nach der Dauer und Stärke der Störung länger oder kürzer. Bei intensiver Störung kann die Zeit des Wachseins mehrere Tage betragen. Wurden die Tiere überhaupt nicht gestört, so schliefen sie meist bereits am folgenden Tage wieder. 198 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. TabelleI. Beobachtungen am Hamster I vom 30. XII. 27 bis 26.1,28. Außen Raum Datum Futterentnahme Temperatur 30. XII — 5° _ 31. XIL| — 4 | — 1 | hat gefressen 1.1. —5 _ 2.1.1 —- 7| — 2 — 3.1 — 5 |-31,) hat gefressen 4.1. |-7,y,|- 2215| „ $ 5.I. | + 4 |+ 21/, nichts getressen 6.1. |+31/,| 4+ 2 | hat gefressen 7.1L.1+3|+2| „ ; 8.I. | +8 9.1. | 3) A, 5 10. I. |+51/, |+ 8!/, |nichts gefressen 11.1 |+61,|+41/,| hat gefressen DL ao 13. I +2!/,| + 3 nichts gefressen 14. I. ” ” ” 15. 1. 16. I. +31,|4+41/,| hat gefressen 17.1.1 +1 |+31,, = a 1 ee 19.1. | — 11+12% 5 2 20. 0 — 2 nichts gefressen 21. I. —21,| —Y,| hat gefressen 22.1. | — 23.1. | +1|/ +1 = 0; 24. I | + 5 | + 4 nichts gefressen 2 | 26. I 0 — 2 | hat gefressen Zustand d. Hamsters tiefer Winterschlaf wach, faucht in leicht. Winterschlaf wach, faucht im tief. Winterschlaf wach, träge ” „ leichter Winterschlaf (war also a. vorh. Tage wach). leichter Winterschlaf, |12— 18 wohl am Sonntag wach leichter Winterschlaf wach, sehr träge ” n „ völlig wach wach, sehr träge N Bemerkungen — wacht infolge Berührung all- mählich auf — nichtkontrolliert — |wacht infolge Be- rührung allm. auf wurde nicht ge- stört — nach 23/, Std. in- folge Berührung erwacht 361/, nicht kontrolliert (Sonntag) 7 |allmählichesAuf- wachen wurde nicht ge- stört wurde nicht ge- stört wurde nicht ge- stört wurde nicht ge= stört wurde nicht ge- stört nicht kontrolliert (Sonntag) wacht allmäh- lich auf wacht allmäh- lich auf wurde nicht ge- stört nicht kontrolliert (Sonntag) wurde nicht ge- stört wurde nicht ge- stört .|wurde nicht ge- | stört | | M. EISENTRAUT, Uber die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 199 Tabelle II. Beobachtungen am Hamster II vom 7. II. 1928 bis 24. II. 1928. nn (ee ————— Außen | Raum Datum Futterentnahme | Zustand d. Hamsters Bemerkungen Temperatur 7.M.| +3 +3!) — | wach, sehr lebhaft war am Tage vorher ausgesetzt 8. L.| +7 15 : hat gefressen | sehr lebhaft, faucht == 9. M.|+9|/ + 5 e wach, springt aus dem Nest 10. 1. | +4 +5 " wach, bleibt im Nest, faucht 11. I. | +81, +5 5 wach aber müde, läßt sich stoßen 12. I. | +3 — wurde nicht kontrol- liert (Sonntag) 18. II. +21/,|+38 /,| hat gefressen im Winterschlaf erwacht allmählich | Körpsr-Temp. 8!/g 14. I. ie: + 3 „ n wach, bleibt im Nest |wurde nicht weiter gest. 15. II 4 ZI Ö ” ” | n » „ b) 16. II. | + i1| + 8 nichts gefressen „ 5 4 x 17. I 1 el ” ” n 2) n ” 18. II =1 3 "Ja air 4 ” ” RE ” » 2) 19. IL. | +4 nicht kontrolliert (Sonntag) 20. II. +21), i441/,| hat gefressen | demnach wohl am wurde nicht gestört Tage vorher aufge- wacht 21. II. | — 2 | il), nichts gefressen i n 22. II. — all Se 2 ” ” ” D) „ 23. II. 0m, | >, es 24. II. | — 3 |+1!),| hat gefressen liegt wieder im Infolge der Berührung I|Winterschlaf, also am | wacht er wieder all- | Tage vorher aufge- mählich auf. | | | wacht | Die Abhängigkeit von der Temperatur ist nicht ganz klar ersichtlich. Jedenfalls schläft der Hamster sowohl bei Graden unter Null als auch bei einigen Graden über Null. (Vergl. Tab. I). Dies scheint mir mit Rücksicht auf die Angaben über andere Winterschläfer und die sich hierauf gründenden Verallgemeinerungen nicht unwesentlich zu sein. Berichtet doch LANG (8. 17): „Die Winterschläfer unter den Säugetieren — sie schlafen bei einer Temperatur von 4 5° bis 4 10°C. ein — bleiben bei einer Temperatur von 0° und darunter wach. Wenn ein warmblütiger Winter- schläfer bei — 5°C. in tiefer Narkose liegt, so erwacht er, sobald die Temperatur auf 0° oder darunter sinkt.“ PFLÜGER gibt als Minimal- temperaturen, die den Weckreiz auslösen an: für das Murmeltier 4 4° R,, für die Fledermaus + 3,5° R., für die Haselmaus + 2,3°R. und für den 200 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Igel-- 2,5° R., Angaben, die jedoch nicht ohne Widerspruch geblieben sind (Genaueres vergleiche MERZBACHER S. 223). Ob der Hamster dann, wenn er stärkerem Frost ausgesetzt wird, aufwacht, konnte nicht untersucht werden. Im Freien dürfte dies wohl nur ganz selten eintreten. Über die Temperaturstufe, bei der der Hamster in den Winterschlaf verfällt, liegen mir einige Beobachtungen vor, die gewisse Schlüsse zulassen. Ein im normalen Zimmer gehaltener Hamster ist zwar außerordentlich träge und müde, verfällt aber nicht in den Winterschlaf. Ein Hamster, der lange Zeit im kalten Raum gehalten war und hier stets in festen Winterschlaf verfiel, wurde in einen Raum gebracht, in dem nahezu gleichbleibend eine Temperatur von 12—13° Wärme herrschte. Hier war er nun bei der täg- lichen Kontrolle ständig wach, wenn auch außerordentlich träge. Als er dann aber wieder in einen etwas kälteren Raum gebracht wurde, lag er am 2. Tage bei einer Raumtemperatur von 9° Wärme im leichten Winterschlaf (Körper- temperatur 10°). Als dann die Raumtemperatur wieder etwas stieg und sich zwischen 9 und 11° hielt, blieb er 10 Tage wach. Am elften Tage, als die Raumtemperatur auf 8'/,° gefallen war, lag der Hamster wieder im be- ginnenden Winterschlaf (Körpertemperatur 18°) und dann nach 2 Tagen, nachdem er vorher wach gewesen, bei einer Raumtemperatur von 9° in . relativ festem Winterschlaf (Körpertemperatur 91/,°). Diese Beobach- tungen zeigen, daß etwa bei einer Außentemperatur von 9° der kritische Punkt des Einschlafens liegen dürfte, (Vergl. hier auch MERZBACHER’s Angaben über andere Winterschläfer S. 222). Wenden wir uns nun zu der Besprechung des Winterschlafzu- standes selbst. i Der erste, der mit Sicherheit den Winterschlaf des Hamsters feststellte, war JOH. CHRIST. HILDEBRAND (1769). Er versuchte die Frage zu klären, wie es kommt, daß der Körper während des langen, lethargischen Zustandes nicht in Fäulnis übergeht, und findet als Grund hierfür hauptsächlich den festen Luftabschluß. SULZER war es dann wiederum, der den Winterschlaf des Hamsters genauer untersuchte und auch Beobachtungen an gefangenen Hamstern anstellte.e Da diese anfangs nur bei völligem Luftabschluß in den festen Winterschlaf verfielen, macht er diesen Faktor neben der Kälte haupt- sächlich verantwortlich für das Eintreten des Winterschlafes. Er konnte nämlich beobachten, daß seine Hamster, wurden sie in offenen Kisten gehalten, auch bei Kälte nicht einschliefen, dagegen wurden sie in einer Kiste in der Erde vergraben, bald in den lethargischen Zustand übergingen. Diese An- nahme muß er jedoch infolge gegenteiliger Beobachtungen an den im nächsten Jahr beobachteten Hamstern bereits im Anhang seines Buches (S. 204) in Zweifel ziehen. Ä Daß die Kälte ein wesentlicher Faktor für das Eintreten des Winter- M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 201 schlafes ist, ist nach dem obengesagten nicht von der Hand zu weisen, Doch dürfte die Kälte nicht den einzigen Faktor darstellen. Denn wie schon erwähnt, konnten SULZER, und dann auch BARKOW (Vergl. S. 78) feststellen, daß einige von ihnen gehaltene Hamster auch bei starker Kälte nicht einschliefen. Schon SULZER suchte ja daher nach anderen Faktoren (Luftabschluß). Die von mir beobachteten Hamster verfielen, nachdem sie aus dem warmen Zimmer in den kühlen Versuchsraum gebracht waren, stets erst nach einiger Zeit in den Winterschlaf. Der Hamster I brauchte 10 Tage. Anfangs war er noch mehr oder weniger lebhaft, wurde dann immer träger, um endlich eines Morgens fest zu schlafen. Besonders deutlich zeigt dies der Hamster II. Während einer Versuchszeit von 6 Tagen, in denen er im kalten Raum stand, schlief er überhaupt nicht ein, sondern war stets lebhaft und angriffslustig, obgleich die Temperatur sehr niedrig war (an einem Tage unter Null), Nachdem er dann wieder nach kurzer Unterbrechung am 6. 2. (vergl. Tabelle II) ins Kalte gestellt war, war er bis zum 9. 2. sehr lebhaft, fauchte beim Öffnen der Käfigtür oder beim Berühren des Nestes; noch am 9. sprang er beim Füttern mit einem plötzlichen Satz aus dem Neste. Am 10.2. war er viel ruhiger, fauchte zwar noch, blieb aber im Nest sitzen. Am 11. 2. lag er still im Nest und versuchte sich erst nach mehrmaligem, festen An- stoßen zur Wehr zu setzen. Am 12. 2. (Sonntag) wurde er nicht gestört und lag am i3. 2. im Winterschlaf. Der am 21.1. im Winterschlaf ausgegrabene, am 23.1. in den Versuchs- raum gebrachte Hamster, der durch den Transport und den Aufenthalt im warmen Zimmer in seiner bisherigen behaglichen Ruhe nicht wenig gestört war, schlief erst am 1. 2., also nach 11 Tagen wieder ein. Aus diesen Beobachtungen habe ich den Eindruck gewonnen, daß ausgesprochene Ruhe und längere Abgeschlossenheit für den Eintritt des Winterschlafes maßgebend sind. Dies würde ja auch aus dem oben erwähnten Beobachtungen SULZERS hervorgehen, wenn auch nicht, wie er anfangs angenommen, ein Luftabschluß notwendig ist. Wenn also ein äußerer Faktor, die Kälte, zum Eintritt des Winterschlafes notwendig ist, so kommt doch auch die auf den physiologischen Zustand des Hamsters einwirkende Abgeschlossenheit als maßgebender zweiter Faktor hinzu. Daß der Hamster diese im Freien ohne weiteres hat, braucht nicht näher er- wähnt zu werden. — Wie weit noch andere Faktoren für den Winterschlaf maßgebend sind, soll hier nicht weiter erörtert werden, da keine näheren physiologischen Untersuchungen angestellt werden konnten. Es sei hier auf die zusammenfassende Arbeit von MERZBACHER verwiesen (S. 222 ff.) Über die Körperlage des Hamsters während des Winterschlafes gibt 202 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. SULZER und auf ihn sich berufend auch BARKOW und BREHM die Seiten- lage an, eine Beobachtung, die mich durchaus verwundert. Sowohl der im Freien ausgegrabene Hamster wie auch die in Gefangen- schaft beobachteten zeigten stets die Bauchlage. Der Kopf ist abwärts unter die Brust gebogen, die Schnauze liegt nahe dem After, die Vorderfüße sind dicht zusammen unter den Körper gelegt, die Hinterfüße etwas nach vorn gezogen, so daß das Hinterteil mehr aut den Oberschenkeln liegt, und der Schwanz ist nach innen gelegt. In dieser Lage gleicht der Hamster einer von oben nach unten zusammengedrückten Kugel. Die Haare stehen nach allen Seiten vom Körper ab, die Ohren sind stark eingezogen und, im Fell versteckt, nur wenig sichtbar. Nach den Beobachtungen an gefangenen Hamstern glaubt BARKOW bezüglich der Nerventätigkeit drei Grade des Winterschlafes annehmen zu können (S. 353). Im ersten Grade schwinden die höhere Sinnestätigkeit und das Bewußtsein nicht, die Augen sind geöffnet, das Tier reagiert auf jeden Reiz, ist aber unfähig, sich aufrecht zu erhalten und zu gehen, „es windet und krümmt sich, winselt und schreit aufs kläglichste“ (S. 353). Im zweiten Grade schwindet die höhere Sinnestätigkeit und das Bewußtsein, die Augen sind geschlossen und das Tier zeigt nur noch Reflexbewegungen. Im dritten Grade sinken alle Lebensfunktionen bis auf ein Minimum, das Tier liegt schlaff da und es erfolgen auf äußere Reize keine Gegenwirkungen. Leider berichtet BARKOW nichts über die äußeren Umstände, unter denen die Hamster gehalten und beobachtet wurden: Außentemperatur, Abstand der Beobachtungen, Störungen; auch über die Körpertemperatur finden sich bei ihm nur wenige Angaben. Alle drei Grade habe auch ich bei meinen Hamstern feststellen können. Doch möchte ich diese nicht so scharf trennen, wie es BARKOW tut. Meines Erachtens handelt es sich bei den zwei ersten Graden nur um einen all- mählichen Übergang vom Wachen in den lethargischen Zustand des Winter- schlafes, den der dritte Grad darstellt. Der zweite und dritte Grad sind dann nur wenig verschieden. Einen genaueren Anhaltspunkt zur Feststellung des augenblicklichen Zustandes des Tieres bildet die Körpertemperatur‘). Allerdings ist es schwierig, beim einschlafenden Hamster das langsame Abnehmen der Lebensfunktionen festzustellen, denn wird das einschlafende oder auch das bereits festschlafende Tier nur im geringsten berührt, so beginnt, wie schon erwähnt, augenblicklich wieder das langsame Erwachen, so daß ein Weiter- verfolgen des Einschlafens nicht mehr möglich ist. Die Körpertemperatur des nicht winterschlafenden Hamsters liegt nach meinen Beobachtungen stets über 32° (vergl. auch Tabelle I u. II). Die höchste Körpertemperatur be- trug 36!/,°, im Durchschnitt schwankte sie zwischen 33 und 35°. M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 203 Wie bereits erwähnt, wird der Hamster vor dem Eintritt des Winter- schlafes immer träger; die Körpertemperatur jedoch vermindert sich nicht oder nur ganz minimal und hält sich stets in den oben angegebenen Grenzen (vergl. Tab. T). Bei Hamstern im beginnenden Winterschlaf wurden Temperaturen von 28° und 25° gefunden. Das Verhalten der Tiere entsprach hier etwa dem, wie es BARKOW für Hamster in dem von ihm angenommenen ersten Grad angibt. In weiter fortgeschrittenen Stadien betrug die Körpertemperatur z.B. 18, 14 oder 12°. Solche Tiere fingen oft schon beim Näherkommen, teilweise auch erstbeim Öffnen des Nestes an zuschreien, strampelten mitden Füßen und reagierten auf jede Berührung, jedoch blieben die Augen geschlossen. Das wieder völlige Aufwachen dauerte je nach der schon fortgeschrittenen Tiefe des Schlafes etwa 1!/, Stunden. Bei Temperaturen von 8°, die einige Male festgestellt wurden, war der Hamster weit weniger empfindlich, er bewegte sich erst auf Berührungsreize hin, streckte Kopf und Gliedmaßen und sperrte mit- unter das Maul weit auf. Dieser Zustand dürfte wohl dem zweiten Grad BARKOW’S entsprechen. Festschlafende Hamster im Zustand der nahezu völligen „Leblosigkeit“ hatten eine Körpertemperatur von 4°/,—6°; dies dürfte die Minimaltemperatur des festschlafenden Hamsters darstellen. Auch BARCKOW gibt als geringste Temperatur 3°/,° R. (= 4°/, C.) an. Hamster in diesem Zustand bewegten sich nicht und reagierten auf keine Berührungsreize. Nahm man sie in die Hand, so fielen Kopf und Gliedmaßen zunächst aus ihrer Lage heraus. Sehr bald aber traten dann Streckbewegungen der Glieder ein. Die Abhängigkeit der Körpertemperatur von der Außentemperatur trat dann in Erscheinung, wenn letztere höher als die Minimaltemperatur des Hamsters war. So betrug die Körpertemperatur eines winterschlafenden Hamsters 9!/,° bei einer Außentemperatur von 9°; in einem anderen Falle bei gleicher Außentemperatur 10°. Der Schlaf war jedoch dann niemals so fest wie bei einem Tier, das die Minimaltemperatur erlangt hatte. Leider konnten in Ermangelung eines gut abtemperierbaren Raumes keine eingehenderen Untersuchungen angestellt werden. Allerdings sind ja auch beim Hamster. dementsprechende Versuchsmöglichkeiten sehr gering, da er, wie gesagt, bei Außentemperaturen über 9° nicht mehr einschläft, und da bei einem Sinken der Außentemperatur unter 6—4°/,° ein Sinken der Körpertemperatur nicht mehr erfolgt ?). Wie lange es dauert, bis der Hamster vom wachen Zustand in den festen Schlaf verfällt, die Körpertemperatur also von etwa 32° bis auf 5—6° sinkt, konnte ich nicht genau feststellen. Wir dürfen wohl annehmen, daß dies ganz allmählich vor sich geht. Leichter ist es, das Erwachen des Hamsters zu beobachten, Hierbei kann man dann alle Stadien, die der ein- 204 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. schlafende Hamster durchläuft, in umgekehrter Reihenfolge wiederfinden, Interessant ist es, das Erwachen der Lebensfunktionen mit der Zunahme der Körpertemperatur in Vergleich zu ziehen. In Tabelle III mögen einige Beispiele beschrieben werden. Tabelle III. Aufwachen eines Hamsters am 5.1. 12 Uhr: Der Hamster liegt im tiefen Winterschlaf, gibt keinen Laut von sich und reagiert auf keine Berührung. Die Körpertemperatur beträgt 6%. In die Hand genommen, streckt er nach einiger Zeit die Glieder weit von sich, in Hauptsache die Vorderfüße, reckt dann auch etwas den Hals. Es er- folgen in Abständen tiefe Atemzüge. 13,15 Uhr: Beim Aufdecken des Nestes und bei Berührung bewegt sich der Hamster, dehnt und biegt sich, sperrt bisweilen das Maul weit auf und gibt röchelnde und schreiende Laute von sich, reagiert auch langsam auf lokale Reize, besonders am Vorderkörper durch Wenden des Kopfes, beißt aber nicht zu. Die Augen sind fest geschlossen. In Abständen erfolgen tiefe Atemzüge. Die Körpertemperatur in der Brustgegend be- . trägt 8—81/,0, zwischen den Hinterfüßen noch 6°, 14,10 Uhr: Der Hamster atmet kurz und schnell, zittert mit krampfartigen Zuckungen am Körper (besonders Vordergliedmaßen und Kopf.) Beim energischen Berühren röchelt oder faucht er hin und wieder. Die Ab- wehr-Reflexbewegungen sind stark; die Augen noch völlig geschlossen. Körpertemperatur in der Brustgegend 19°, zwischen den Hinterfüßen 81/,°. 14,20 Uhr: Schnelles kurzes Atmen, die kram:pfartigen Zitterbewegungen sind stärker als vorher, der ganze Vorderkörper ist in Bewegung. Die Körper- temperatur beträgt vorn 25°, hinten etwa 10°, 14,25 Uhr: Gleiches Verhalten, Augen noch immer geschlossen. Körpertemperatur vorn 251/,, hinten 12°, 14,27 Uhr: Augen ein klein wenig geöffnet. 14,29 Uhr: Der Kopf wird etwas aufgerichtet, das Zittern hält noch immer an. Körpertemperatur vorn 281/,°0, hinten 13°. 14,33 Uhr: Augen fast ganz auf, Hamster sucht sich zu wehren und faucht beim Näherbringen des Thermometers und beißt in dieses. Körpertem®Peratur vorn 31. & 14,37 Uhr: Augen sind völlig geöffnet, der Vorderkörper ist vollkommen wach, das Zittern läßt nach, der Hinterkörper ist dagegen noch wie gelähmt, Körpertemperatur vorn 320, hinten 14°. Es erfolgt nun auch allmählich das Erwachen des Hinterkörpers. Das Zittern hört völlig auf. 15,25 Uhr: Der Hamster sitzt offen im Nest, ist etwas eingeschüchtert aber völlig wach, beißt anfangs ins Thermometer, sucht sich dann aber zu verkriechen. Körpertemperatur 341/99, In kürzeren Abständen wurde ein aus dem kalten Versuchsraum in das warme Zimmer gebrachter festschlafender Hamster kontrolliert. Die Beobachtungen sind in Tabelle IV zusammengestellt. q v b, M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 205 Tabelle IV’. Beobachtungen an einem aus dem festen Winter- schlaf erwachenden Hamster. Beobach- tungs- zeiten 1218 1125 1130 1135 1140 1145 1150 1155 12 1208. 210 1215 1220 1225 1230 12?5 1240 1245 1250 1255 ‚} i 1305 1310 13123 13:15 1316 1318 1320 1322 1324 1335 1326 1327 1329 1350 1338 1385 1337 .1840 Körper- tempera- tur Bemerkungen über den Zustand des Tieres Tiefer Winterschlaf Tiefe Atemzüge, in Abständen von ca. 15 Sek. Tiefe Atemzüge sehr regelmäßig alle 10 Sek. Tiefe Atemzüge, unregelmäßig ca. 6—8 Sek. Atemzüge ca. 4-5 Sek., nicht mehr so tief Atemzüge ca. 3—4 Sek. Atemzüge ca. 2-3 Sek. Atemzüge unregelmäßig ca. 2 Sek. Atemzüge schwer zu zählen, da sehr unregelmäßig; Bauch, Brust u. Schultergegend im krampfartigen Atembewegungen. Dehnt die Glieder bei Berührung, Reflexbewegungen wenig ausgeprägt. Maul geöffnet, Atemzüge ca. 1'/, Sek., im allgemeinen nun gleichbleibend, Beginn von Krampfbewegung in Vorderfüßen. Zucken in Schultergegend. Krampfbewegung nimmt zu Krampf nimmt zu Krampf z. T. mehr, z. T. weniger Krampf geht mehr in ein Zucken über. Zucken in der Schnauzenspitze Dauerndes Zittern im Vorderkörper Oeffnet das Maul. Kaubewegung d. Unterkiefers, Greifbe- wegung des Vorderfußes Augenspalt- offen, dann wieder geschlossen Augen wieder geöffnet Versucht sich aufzurichten "Zittern setzt hin und wieder aus Augen ganz auf, beißt beim starken Berühren Zittern nur ab und zu, Temp. zwischen Hinterfüßen 19°, Hinten noch wie gelähmt Zittern hört ganz auf Sitzt aufrecht, sichtlich ermüdet putzt sich, Gehbewegungen noch ungeschickt aber sonst völlig wach. 206 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Aus diesen 2 Beispielen sehen wir, wie die langsame Zunahme der Lebensäußerungen parallel geht der Zunahme der Körpertemperatur. Zu- erst nehmen die wichtigsten Lebensorgane, Herz und Lungen, allmählich ihre volle Funktionen wieder auf; der Vorderkörper erwärmt sich schneller als der Hinterkörper (vergl. auch MERZBACHER S. 227). Deutlich ist das Zunehmen der Empfindlichkeit und das Wiedererwachen der höheren Sinnes- funktionen zu beobachten. Relativ lange scheint das Steigen der Anfangs- temperaturen zu dauern bis etwa zu einer Körpertemperatur von 13—15°. Dann erfolgt ein immer schnelleres Steigen bis zur Bewußtseinstemperatur, die etwa bei 30—32° liegen dürfte. Gleiche Beobachtungen über das Steigen der Temperaturen konnten auch bei anderen Winterschläfern gemacht werden. (Vergl. MERZBACHER S. 229.) Es ist hierbei natürlich zu berücksichtigen, daß während der von Zeit zu Zeit vorgenommenen Kontrolle stets wieder neue äußere Reize auf den Körper ausgeübt wurden. Je stärker und öfter diese Reize erfolgten, um so schneller und stürmischer geht das Erwachen vor sich. Hamster, die nur einen erstmaligen Berührungsreiz empfingen, wurden langsamer wach als solche, die dauernden Reizen ausgesetzt waren. Die Zeit des Aufwachens dauerte bei dem in das warme Zimmer gebrachten Hamster (vergl. Tab. IV) nur 21/, Stunden. Als längste Zeit wurden etwa 4 Stunden beobachtet. Dafür, daß das Aufwachen des Hamsters im Freien viel ruhiger ver- läuft als bei denen, die durch öftere Berührung immer neue Reize empfangen, spricht folgender Versuch. Ein festschlafender Hamster wurde in seinem Käfig ins warme Zimmer gebracht, und nur zum Zwecke der Beobachtung das obere Nestmaterial aufgedeckt, das Tier aber im übrigen nicht aus seiner Lage gebracht oder sonst irgendwie berührt. Durch die dauernd einwirkende Wärme wurde der Hamster allmählich wach, je- doch ging hier das Erwachen wesentlich ruhiger vor sich. Die krampf- artigen Bewegungen waren geringer, wenn sie auch nicht ganz ausblieben. Bis zum völligen Erwachen lag der Hamster in seiner gebeugten und zu- sammengerollten Lage. Erst als er völlig wach war, hob er den Kopf und blickte mit weit geöffneten Augen um sich. Welcher Anfangsreiz bei dem Hamster im Freien wirksam ist, ist nur schwer zu sagen, jedenfalls kann es sich hier nur um einen inneren Reiz handeln. Wie LANG nach Beobachtungen von VALENTIN angibt, erwachen die Murmeltiere von Zeit zu Zeit, um Kot und Urin zu entleeren. Man könnte vermuten, daß auch vielleicht beim Hamster der Erwachungsreiz durch den Druck der allmählich sich füllenden Harnblase ausgelöst wird. Fassen wir noch einmal kurz die Beobachtungen über den Winterschlaf zusammen: : | | M. EISENTRAUT, Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. 207 Im wachen Zustand hat der Hamster eine Körpertemperatur über 32°, Vor Beginn des Winterschlafes wird der sonst so lebhafte Hamster immer träger, eine wesentliche Abnahme der Temperatur ist jedoch nicht zu be- merken. Der eigentliche Beginn des Winterschlafes setzt dann erst mit dem Sinken der Körpertemperatur unter 32° ein. Das Abnehmen der Körper- temperatur geht ganz allmählich vor sich und mit ihr das langsame Ab- nehmen der Lebensfunktionen. Die tiefste Temperatur, bei der der Hamster dann im festen Winterschlaf liegt, beträgt 6— 4°/, ° Celsius. Die Minimaltempe- ratur wurde sowohl bei einer Außentemperatur von mehreren Graden über Null, als auch bei Graden unter Null beobachtet. Die kritische Temperatur- stufe, bei der der Hamster in Schlaf verfällt, liegt etwa bei 9°. Im Freien sinkt die Temperatur im Bau wohl nie unter 0°. Das Erwachen aus dem festen Winterschlaf erfolgt auf den geringsten Berührungsreiz. Je nach der Häufig- keit und Stärke der äußeren Reize dauert das Aufwachen kürzere oder längere Zeit. Mit zunehmender Temperatur treten die Organe allmählich wieder in ihre volle Funktion ein. Auch der nicht gestörte Hamster wacht in relativ kurzen Abständen wieder auf und nimmt Nahrung zu sich. Die längste Schlafdauer betrug bei gefangenen Hamstern 5 Tage. Als ein den Winterschlaf auslösender Faktor muß neben der Temperatur eine voran- gegangene längere Ruhezeit angenommen werden. E. Anmerkungen. 1) Es wäre, nach der geringen Zahl der Jungen zu urteilen, möglich, daß der relativ späte Wurf von einem Q der i. Jahresgeneration stammt, da nach den Angaben von SULZER diese bereits im gleichen Jahre geschlechtsreif werden. 2) Sämtliche Abbildungen der Baue sind im Maßstab 1:22 wiedergegeben. Die gestrichelten Partien stellen die verschütteten Teile des Baues dar, die bei- gefügten Zahlen geben die Tiefe an. Es bedeuten WXK = Wohnkammer oder Nestkammer, VYK — Vorratskammer, E — Ort der Ablage der Exkremente; die Buchstaben a b c usw. bezeichnen die einzelnen Röhren, ein Kreuz (XX) den Ort, wo der Hamster beim Aufdecken des Baues gefunden wurde. Die schräge Aus- gangsöffnung (Schlupfloch) ist als Ellipse gezeichnet, die senkreckte (Falloch) als Kreis. 3) Je nach der Beschaffenheit des Bodens dürfte wohl die Tiefe der Baue und ebenso ihre Ausdehnung variieren (vergl. SULZER S. 122). Die hier beschriebenen Baue waren in schwerem, humusreichen Lehmboden angelegt. “) 4 Metzen = ein Viertel, ein Viertel Weizen — 30—32 kg. 5) Dies kommt wenigstens für die Gegend in Betracht, in der ich Gelegen- heit hatte, Hamster zu graben. Hier werden auch im allgemeinen Feldfrüchte wie Erbsen, Wicken, Bohnen, von denen SULZER (8. 117) angibt, daß sie be- sonders reichlich eingetragen werden, nicht angebaut. 8) Die Körpertemperaturen konnten nur äußerlich durch festes Andrücken des Thermometers gemessen werden. Jedoch dürften die so gefundenen Grade nur ganz gering, — besonders bei den niederen Temperaturen, — von der Innen- 208 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. temperatur abweichen (wohl nur Bruchteile von Graden). Vergl. die Angaben von BARKOW S. 160f. Sämtliche Temperaturen sind in Celsius-Graden angegeben. ?) Über die Abhängigkeit der Körpertemperatur von der Außentemperatur bei anderen Winterschläfern vergl. MERZBACHER S. 232. F, Literaturverzeichnis. BARKOW, H.C.L. Der Winterschlaf nach seinen Erscheinungen im Tierreich. Berlin 1846, Verlag A. Hirschwald. BECHSTEIN, J.M. Gemeinnützige Naturgeschichte Deutschlands Bd. I. Leipzig 1789, Verlag S. L. Crusius, BREHMS Tierleben, Säugetiere II. 4. Aufl. Leipzig und Wien 1918. HILDEBRAND, J. Chr. Wahrnehmungen von den Hamstern und deren ohne Fäulniß und Lebensgefahr einige Monate hindurch dauernden Ohnmacht oder Schlafsucht. Neues Hamburger Magazin 5. 1769. LANG, A. Über den Saisonschlaf der Tiere (Rektoratsrede) Zürich 1899. Verlag O. Füßli. MARES, M. F. Experiences sur l’hibernation des Mammifereres.. C.R.d. 1a Soc. de Biol. 1892. MEKZBACHER, L. Allgemeine Physiologie des Winterschlafes. Ergebnisse der Physiologie 3, 1904. PFLÜGER, E. Theorie des Schlafes. Pflügers Archiv 10, 1875. SULZER, F. G. Versuch einer Naturgeschichte des Hamsters, Göttingen und Gotha 1774. Verlag J. Chr. Dieterich, u Zeitschrift für Säugetiorkunde, Bd. III, 1928. 209 6.) Der Hamster als Hausgenosse. Von ELISABETH NAUNDORFF (Dresden). Mit drei Abbildungen auf Tafel VII. Obwohl die Zähmbarkeit des Hamsters bekannt ist, fanden die vielen angenehmen Eigenschaften dieses Nagers wenig Beachtung. #r gilt als mürrischer, ja bösartiger Geselle, den zu zähnen kaum der Mühe lohnt. Ich habe jedoch kein Nagetier besessen, das mir mehr Freude gemacht hätte als diese drolligen, kleinen Burschen. Zur Hamsterzähmung gehört allerdings viel Geduld; zunächst fährt der Hamster auf jeden ihm vorgehaltenen Gegenstand los und verbeißt sich oft so fest, daß er sich hochzielen läßt. Wenn man ihm, während er läuft, sacht über den Rücken fährt, wirft er sich sofort schnarchend herum, stellt sich zähnewetzend in Angriffsstellung und beruhigt sich erst, wenn sich kein Feind zeigen will. Diese Manöver machten fast alle fünf Hamster, die ich besessen habe. Ich hatte stets Jungtiere, 3 mal O0 Q und 2 mal SC, von denen ich das eine wieder weggeben mußte, weil seine Bissigkeit meine Angehörigen beängstigte und ungewöhnlich lange dauerte. Schon junge Hamster können empfindlich verletzen: mir würde durch einen gefütterten Lederhandschuh der Daumennagel durchbissen. Es ist Vorsicht mit ihnen geboten. Aber nach wenigen Wochen lernten sie alle, daß sie es mit keinem Gegner zu tun hatten, wenn sie Drohgeberden gegen eine vorge- haltene Möhre oder dergleichen harmlosen und freßbaren Gegenstand richteten. Im Gegensatz zu anderen Nagern ist der Hamster leicht mit Lecker- bissen zu ködern. Da er nicht bloß frißt, sondern mit einer unermüdlichem Sammelwut sich die Backentaschen füllt, ist seine Aufnahmefähigkeit unbe- grenzt. Wenn die Backentaschen maximal gefüllt waren, verlangten meine Hamster in ihren Käfig getragen zu werden. Sie zeigten mir dies, indem sie über meinen Arm auf meine Schulter liefen. Da ich sie stets auf der Schulter trug, gewannen sie alle diese Gebärde. Im Käfig wurden die Backentaschen rasch ins Vorratsnest geleert — ich gab stets ein dichtes Heunest als Versteck — dann erschienen die Hamster wieder und wünschten eine neue Ration. Das von WILBELM BARTELS im BREHM erwähnte „Männchen machen auf Befehl“ lernten sie in ähnlicher Weise alle. Sie richten sich ja ohnehin bei jedem Geräusch auf die Hinterpfoten auf, eine Stellung, in der sie auch fressen und sich putzen. Letzteres geschieht sehr häufig, ihr Drang nach Säuberung ist stark. Sie sind vollständig geruchlos, erledigen ihre Bedürf- nisse nur in ein und derselben Käfigecke und verunreinigen sich nie, wenn man sich mit ihnen beschäftigt. Sie werden unruhig wie eine Katze und verlangen fortgetragen zu werden, wenn sie ein Bedürfnis haben. Mein erster Hamster „Nuppi“ (Abb. 1 und 2) bettelt auf dem einen 14 510 ELISABETH NAUNDORF, Der Hamster als Hausgenosse. Bild um eine Kirsche und zeigt sich auf dem andern mit prallgefüllten Backentaschen. Ich band ihm manchmal ein Bändchen um den Hals, und ging mit ihm im Garten spazieren. Er versuchte nie zu graben, sondern galoppierte zu einem Sandhaufen, in den die Kinder einen vielmündigen Tunnel gebaut hatten. In diesen schlüpfte er gern ein und aus. „Nickel“, mein 2. Hamster, hatte eine absonderliche Vorliebe für ungenießbare Gegenstände. Er stopfte in die Backentaschen, was er gerade fand, und was hineinging: Radiergummi, Knöpfe, Läppchen, vor allem Bänder. Die holte er sich, wo er sie nur erwischen konnte. Er zog die Haarschleifen aus den Haaren kleiner Mädchen und stopfte sie hinein, und es war sehr komisch anzusehen, welche Schwierigkeiten er hatte, wenn das Band länger war, als in eine Backentasche hineinging, und nun querüber und lästig im Mäulchen lag, sodaß er es immer wieder heraus- und hereinziehen und neu ordnen mußte. Ich unterstützte diese Vorliebe, da er dabei sehr drollig aussah, und begann meine Hamstervorführung damit, daß ich ihn, elie ich ihn zeigte, ein langes Band hineinstopfen ließ, das ich am Ende hielt. Ich setzte ihn auf den Tisch und zog das Band heraus, zum Ärger des Hamsters, der es vergeblich drinzubehalten versuchte und, sobald ich losließ, das ganze eilig wieder hineinstopfte. Als zweites „Kunststück“ hatte ich ihm so oft Lecker- bissen an das Kettchen der Gaslampe gehängt, daß er auf eine kaum merk- liche Handbewegung hin schon sich aufstellte und das Kettchen zu sich herabzog. Dann folgte „Sich-Totstellen“: ein Liegenbleiben auf dem Rücken, bis er auf ein Zeichen der Hand aufstehen durfte. Auch das lernten alle meine Hanıster. Zuletzt, wenn „Nickels“ Backentaschen voll Belohnungen gestopft waren, undich sah, daß er fortwollte, nahm ich irgendwo am Tische Platz und rief ihn, worauf er mich sofort suchte, mir mit einem großen Satz auf den Schoß sprang, und dann auf meine Schulter kletterte, Er erkannte mich sicher unter sämtlichen Anwesenden einer Tischrunde und ging nie zu anderen als zu mir. Den Beweis, daß Hamster auch von Haus aus sanft und schüchtern sein können, lieferte mir mein Hamsterpärchen „Lili-Put* (Abb. 3.) Sie waren von Anfang an, obwohl eben gefangen, scheu und gutmütig und bissen nur, wenn sie erschreckt wurden, Sie waren aber auch unintelligenter und langweiliger als ihre streitbaren Artgenossen. Ihre Hauptfreude war das Graben, das ich ihnen in einer Kiste voll Erde oder im Garten — dort allerdings am Bändchen, denn sie wären nicht wiedergekommen — täglich gewährte. Große Erdbrocken wurden mit den Zähnen zerkleinert, die Vorderbeine scharrten die Erde unter den Bauch, die Hinterbeine schleuderten sie hinaus, es ging mit großer Geschwindigkeit. Mir fiel auf, wie unempfindlich die Hornhaut ihrer Augen sein muß: Erdbröckchen auf den Augen schienen sie gar nicht zu stören, Miteinander vertrugen sich die Beiden stets ausgezeichnet. Leider mußte ich sie weggeben, ehe ich eine Zucht anfangen konnte, Zeitschrilt für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 211 7.) Ein neuer Pavian aus Nord-Rhodesia. Von ERNST SCHWARZ (Berlin). Unter den Pavianen des Berliner Zoologischen Museums finde ich eine Form, die noch unbeschrieben ist. Es ist mir eine Freude, ihren Namen mit dem vierzigjährigen Amtsjubiläum des Herrn Geheimrat HEcK in Verbindung zu bringen. Papio cynocephalus jubilaeus SSp. n. Typischer Fundort: Missale, 14° 0° S., 33° 10°0.,N. O. Rhodesia. Typus: Zoologisches Museum Berlin No. 36551, 9 ad; C. WIESE coll. Ein großer, ziemlich langbeiniger Pavian, mit braunen Händen. Behaarung ziemlich lang und lose, mit einem deutlichen Schopf im Nak- ken, in der Schulterregion nur mäßig verlängert, an den Schenkeln lang und dicht, auch am Schwanz dicht, aber ohne ausgesprochene Quaste. Auch die Arme und die Unterseite ziemlich dicht behaart. Die weißlichen Haare der Wange reichen bis auf die Seiten des Rostrums, das sie dicht bedecken und lassen eigentlich nur die Schnauze und den Nasenrücken selbst frei. Färbung: Oberseite lohfarben mit schwarz gesprenkelt, die langen Haare mit zwei deutlichen hellen Binden, deren Farbe auf dem Rücken etwa „Chamois“ (Ridgway XXX) ist, an den Körperseiten und der Unter- seite dunkler, etwa „Isabella Color“, am Kopf lebhafter („Honey Yellow“ XXX oder intensiver bis „Buckthorn Brown“ XV oder „Dresden Brown“ XV); diese breite helle Binde ist oft angedeutet, aber immer matter und nach unten undeutlich abgesetzt. Oberer Teil der Wangen etwa „Chamois“, unterer „Cream Buff“ (XXX), Kinn, Kehle und die hellen Gesichtshaare noch etwas heller. Außenseite der Arme und Beine dunkelhoniggelb, jene stärker, diese sehr wenig dunkel ge- bändert, Innenseite hellchamois. Hände und Füße lebhafter gefärbt als Arme und Beine, die Finger und Zehen intensiv braun („Cinnamon Brown“ XV). Schwanz in der distalen Hälfte auf der Oberseite stark schwarz gedeckt, die Spitze aber ziemlich gleichmäßig matt braun. Das Weibchen ist im ganzen dünnhaariger und matter gefärbt. Die Sprenkelung ist weniger auffallend und besonders auf der Brust ganz zurücktretend. Schädel: Am ähnlichsten dem von P. ce. cynocephalus aber in der Richtung nach £. c. porcarıus hin spezialisiert. Die Nasenkammer ist hinten mehr verbreitert und erhöht, ihr Dach ist deutlich mit Rillen und Gruben skulptiert und die seitlichen Wülste sind im Gegensatz zu cynocephalus schon deutlich zu sehen. 14* 212 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Maße des Typus: Kopfrumpflänge 955 mm; Schwanz 640 mm (am Fell gemessen). Schädelmaße: Basallänge 148.0 mm; Obere Länge 202.0; Gehirn- schädellänge 121.5; Gesichtsschädellänge 124.0; Palatallänge 92.1; Ge- hirnschädelbreite 81.9; Zygomabreite 116.5; Orbitalbreite 91.1; Rostral- breite (am C) 59.8; Maxillo-Alveolarbreite 51.5; Constrictio temporalis 57.7; kleinste Interorbitalbreite 14.6; Nasalia 63.0x12.2; obere Zahn- reihe C—M? 64.1; Länge der Mandibula 150.5. Verbreitung: Außer dem Typus besitzt das Berliner Museum noch 2 weitere Stücke dieser Form, die ebenfalls von ©. WIESE ge- sammelt sind, von Chifumbadzi und Quebrahanta im Gebiet des Capoche- Flußes in der portugiesischen Provinz Tete. Hierher gehören auch zwei junge Stücke von Ndole (coll. SHORTRIDGE) und ein Schädel aus Nord-Rhodesia, wahrscheinlich aus der Gegend von Petauke (coll. H. C. DoLLMAN) im British Museum Dieser Pavian stellt das erste Verbindungsglied in der Reihe dar, die P. c. cynocephalus mit P. c. porcarius verbindet. . Von dem kleinköpfigen, langbeinigen, dünnhaarigen hellen Babuin, der das südliche Tauganyikagebiet zwischen den Utschungwe-Bergen, der Küste, dem zentralafrikanischen Graben und dem Zambezi bewohnt (P. c. cynocephalus LINNAEUS) kis zu dem großköpfigen, schweren, langhaarigen dunklen Tschakma (P. c. porcarius BODDAERT) des Kaplandes und des südwestlichen Afrika finden sich in bezug auf Länge und Breite des Gesichts, Größe, Behaarung und Pigmen- tierung aile Stufen: P. c. jubilaeus zwischen dem zentralafrikanischen Graben und dem Sumpfgebiet des obersten Congo, P. ce. rhodesiae HAAG NER südlich des Zambezi, vielleicht bis zum Limpopo und P. c. griseipves POCOCK, den ich aus Transvaal und Inhambane gesehen habe und der in letzter Zeit häufig in den Zoologischen Gärten zu finden ist. Von P. ce. eynocephalus, dem er am nächsten steht, unterscheidet sich P. c. jubilaeus außer durch die beschriebenen Unterschiede am Schädel durch bedeutendere Größe, längere, dichtere und gleichmäßigere Behaarung, stärkere Pigmentierung und zwar stärkere Ausbildung des Phaeomelanins wie des Eumelanins, so daß die langen Haare immer zwei deutliche helle Binden haben, während bei cynocephalus nur eine deutlich definiert ist, sowie durch gedrungenere Gestalt. Der südlich des Zambezi anschließende P. c. rhodesiae HAAGNER zeigt schon das Zurücktreten des Phaeomelanins, wie es bei den südlichen Formen charakteristisch ist; er ist schon leicht grünlich und hat etwas schwarz gedeckte Hände, ein Merkmal, das beim 0” von P. c. griseipes Pocock schon deutlich ausgeprägt ist, während es das Q nur angedeutet hat. Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. IIT, 1928, 213 8.) Kreisförmige Stoßzähne bei einem rezenten Elefanten. Von L. DÖDERLEIN (München). Mit 13 Abbildungen auf Tafel VIII—XILI. Inhaltsübersicht. Seite A. Einleitung . . ee ee ae B. Rätselhafte Koeehriften I N a er a a | Besekweriskeis der Bestimmung °. I. 2. es an ehe. , 215 Ber Struktur des Dentin. u a une na, A et 31216 E. Bruchfläche eines Elefantenzahns . . N eilt F. Beobachtungen von ROTHSCHILD ET NEUVILLE. a 7220 EsBesebreibung des größeren Zahns . . nu tn en 6 . 221 ERoBesehreibung des schwächeren Zahns . .. . 2 u 2 nn. 223 Beerelsıch nit rezenten Hlefanten ’ . .u.. ik. „ala an Deals nn nt, 225 K, Zusammengehörigkeit der beiden Zähne . . 2. 2 2 2 em 2 2.2... 227 2. NZLLIIRTLEISIINER are Re N Se ER Eee Er: 2. SLTLEEALDESEN se, or Re A N IR Er: A. Einleitung. Vor einiger Zeit konnte ich für die Zoologische Staatssammlung: in München zwei mächtige hauerartige Zähne von ganz ungewöhnlicher Form erwerben (Abb. VIII1,2,IX 3). Diese sonderbaren Hauer stammten aus dem Nachlaß eines begeisterten Jägers und Naturfreundes, der größere Reisen in verschiedene Erdgegenden unternommen und eine bedeutende Sammlung von interessanten Geweihen und Schädeln hinter- lassen hatte. Über den ursprünglichen Erwerb und die Herkunft der beiden merkwürdigen Zähne war leider gar nichts mehr zu ermitteln. Beide Zähne zeigten bei einer Länge von nicht ganz 1 Meter eine fast vollständig kreisförmige Krümmung, sodaß die Entfernung der Spitze von ihrem unteren Rand bei dem größeren Zahn nur 19,5 cm, bei dem kleineren gar nur 11 cm betrug. Der eine hatte ein Gewicht von 5,67 kg, der andere ein Gewicht von 3,85 kg. Bei dem größeren war infolge einer besonders starken Abnutzung der Spitzenteil ganz auffallend comprimiert, bei dem anderen war er nahezu kKreis- rund geblieben. Beide zeigten unten eine weite, aber nicht sehr tiefe Pulpahöhle. | Die beiden Zähne waren ganz vollständig und nahezu unverletzt bis zu ihrem unteren Rande. Sie wiesen jedoch geringe Verwitte- rungserscheinungen auf in Form von mehr oder weniger tiefen Sprünge: in ihrer Endhälfte und einem Netz von oberflächlichen Rissen auf ihrer concaven Seite, 214 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Daß es sich um rezente Stücke handelt, bewiesen einige Reste von angetrockneten Weichteilen auf dem Wurzelteil des schwächeren Zahnes. Außerdem ließ der größere der beiden Zähne auf einer Seite die Spuren von etwa einem Dutzend kräftiger Hiebe erkennen, die mit einem scharfen Instrument, etwa einem Schwert oder einem schweren Jagdmesser auf eine Stelle geführt worden waren, ohne daß es dabei gelungen war, tiefer als wenige Millimeter in die harte Zahn- masse einzudringen. Vermutlich war damit der Versuch gemacht worden, den mächtigen Hauer an der Stelle, wo er aus der Alveole des Schädels herauskam, abzuhacken, bis sich die Unmöglichkeit heraus- stellte, auf diese Weise die Trophäe dem gefällten Riesentier zu ent- reißen. Dann erst scheint man darauf gekommen zu sein, die knöcherne Alveole selbst zu Öffnen, um den ganzen Zahn herauszuholen. Da- raus geht schon mit Sicherheit hervor, daß Menschen sich um die Bergung dieses seltsamen Zahnes bemüht haben, und zwar bald nach dem Tode des Tieres, ehe die Zeit ihren zerstörenden Einfluß ausübte. B. Rätselhafte Inschriften. Diese Zähne wurden offenbar als Trophäen eingebracht, und sie scheinen von ihren ursprünglichen Besitzern hoch in Ehren gehalten worden zu sein. Das beweisen zwei Inschriften in fremdartigen Schriftzeichen auf dem größeren der beiden Zähne (Abb. IX 4,5). Es sind das drei Zeilen, die tief in die Zahnmasse eingeritzt sind. Ich gab mir natürlich Mühe die Bedeutung dieser Inschrift kennen zu lernen. Denn schon der bloße Nachweis, wo und zu welcher Zeit die eingegrabenen Schriftzeichen in Gebrauch gewesen sind, gibt Aussicht, das Dunkel über die eigentliche Herkunft der Zähne etwas aufzuhellen. Doch gelang es mir bisher nicht, jemanden zu finden, der die Schrift kannte und zu lesen vermochte. Nach verschiedenen gänzlich negativ verlaufenen Anfragen bei angesehenen Schriftkundigen teilte mir Herr Professor Dr. BERG- STRÄSSER in München in dankenswerter Weise als Ergebnis seiner Bemühungen folgendes mit: „Auch Herr Professor Dr. LITTMANN in Tübingen hat nichts entziffern können, abgesehen von der Fest- stellung, daß die senkrechten bis schrägen Striche auf Nr. 1 die Zahl 7, auf Nr. 2 die Zahl 14 darstellen. Einige Zeichen haben ihn an arabische Wüstenalphabete erinnert, was ein Alter der Zähne von 1600—1700 Jahren bedeuten würde; doch ist es ihm richt gelungen, mit Hilfe solcher Alphabete die Aufschriften wirklich zu lesen.“ L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzähne bei einem rezenten Elefanten. 215 C. Schwierigkeit der Bestimmung. Ebenso rätselhaft wie die Inschriften blieb zunächst die Natur der beiden Zähne selbst. So wenige wie ich selber vermochten die verschiedenen von mir zu Rate gezogenen Kollegen, die sich mit rezenten und fossilen Säugetieren beschäftigt hatten, nach oberfläch- licher Prüfung eine Ansicht darüber zu äußern, die sich ernstlich ver- treten ließ. Denn zu den Absonderlichkeiten der äußeren Gestalt der Zähne gesellten sich noch solche der inneren Struktur. Kreisförmig gewachsene Zähne von Säugetieren sind ja jedem Zoologen wohlbekannt. Es handelt sich dabei ausnahmslos um wurzellose Zähne, die während des ganzen Lebens in die Länge wachsen und dabei normaler- weise eine bogenförmige Wachstumsrichtung einhalten. Wird dabei ihre Spitze nicht stetig gerieben und gewetzt und dadurch fortwährend abge- nutzt, so müssen sie allmählich eine Kreisform annehmen, wie das besonders an den oberen Eekzähnen von Dabirussa und gelegentlich bei den Stoßzähnen von Elephas primigenius beobachtet wird. In der Regel aber tritt bei solchen bogenförmig wachsenden Zähnen eine Abnutzung zwangsläufig da- durch ein, daß einem derartigen dauernd wachsenden Zahn im Oberkiefer ein entsprechender Zahn im Unterkiefer gegenüber steht, die sich dann gegenseitig abwetzen. Damit ist es unmöglich gemacht, daß ihre Länge ein gewisses Maß überschreitet, und daß sie sich kreisförmig auswachsen. Nur wenn unnormaler Weise einer der beiden gegenüberstehenden Zähne fehlt oder eine unnatürliche Lage hat, so daß sie nicht gegeneinander wirken und einander nicht abnutzen können, oder wenn Gelegenheit fehlt, Nage- zähne durch Nagen abzunutzen, ist ihnen die Möglichkeit gegeben, sich kreis- förmig oder spiralig auszuwachsen. In jeder größeren Sammlung finden sich abnorme Schädel von Nage- tieren wie Hasen, Eichhörnchen, Ratten usw., deren Nagezähne aus solchen Gründen kreisförmig ausgewachsen sind. Von Neuguinea und den Neuen Hebriden wird berichtet, daß die Eingeborenen den männlichen Schweinen die oberen Eckzähne ausbrechen, und daß infolge davon die ungehemmt wachsenden unteren Eckzähne eine kreisförmige und spiralige Form an- nehmen. Schweine mit derartig monströs ausgebildeten Eckzähnen stellen dort den wertvollsten Besitz der Eingebornen dar, die mit der Züchtung soleher Monstrositäten einen förmlichen Sport treiben. Auf Neu-Guinea sollen die unteren Eckzähne von Sus papuensis, deren obere Eckzähne man ausge- brochen hat, mitunter derartig wachsen, daß die Spitze des Zahns in seine eigene Pulpahöhle eindringt, so daß der Zahn einen geschlossenen Ring 216 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, darstellt. Auch von Hippopotamus sind spiralig gewachsene Hauer bekannt, Damit Zähne eine Kreisform annehmen können, müssen sie von vornherein ‘die Tendenz zu bogenförmigem Wachstum besitzen. Künstlich kann ein solches Wachstum nicht veranlaßt werden. Doch kommen alle diese ge- nannten Tierformen bei den vorliegenden rätselhaften Zähnen nicht in Betracht. Auch das war bald klar, daß unter den rezenten Säugetierformen (denn 'nur um ein Säugetier konnte es sich handeln), die mit besonders großen Stoßzähnen oder Hauern versehen sind, die bisher bekannten Cetaceen, Pinnipedier, Sirenen ebenso wenig wie Phacochoerus oder Hippopotamus in Frage kommen können. Die Zähne zeigen keine Spur von Schmelz und bestehen nur aus Dentin mit einem dünnen Mantel von Zement, der in ihrer Endhälfte teilweise abgenutzt ist und hier die abgeschliffene und polierte Dentinoberfläche freiläßt. Wenn es sich nicht um eine bisher völlig unbekannte Tierform handelt, könnte man die Zähne nur als Stoßzähne von Elefanten ansprechen unter der Annahme, daß auch bei ihnen die Stoßzähne sich einmal zu einer der- artigen unnormalen und offenbar höchst unzweckmäßigen Kreisform aus- wachsen können. Denn diese Kreisform übertrifft ja an Unzweckmäßigkeit weitaus die ebenfalls mitunter kreisförmig gebogenen Stoßzähne von Kle- phas primigenius, die aber bei sehr viel größerer Länge einen sehr viel größeren Radius besitzen. Aber der Gedanke, daß es sich um eine der bekannten lebenden Ele- fantenformen handeln könne, wurde hinfällig in dem Augenblick, als ich eine Beobachtung machte, die mir darzulegen schien, daß der histologische Bau des Dentins prinzipiell verschieden ist von dem, was man bisher über die Struktur des Dentins bei Stoßzähnen von Zlephas kannte. D. Innere Struktur des Dentins. Das distale Drittel des größeren der beiden Zähne ist auf der einen Seite bis in beträchtliche Tiefe so stark abgenutzt, daß das Ende des Zahnes, der bei der normalen Abnutzung eines gewöhn- lichen Elefantenzahnes einen ungefähr kreisrunden Querschnitt haben würde, sehr stark comprimiert und viel höher als breit erscheint und dabei dorsal wie ventral eine abgerundete Kante aufweist. Dadurch ist nicht nur die äußere Zementschicht beseitigt (Schmelz ist ja nicht vorhanden), sondern es sind auch die oberflächlichen Schichten des Dentins abgetragen, und die tieferen Schichten des Dentins kommen nn an Rn — —— — u. L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzähne bei einem rezenten Elefanten. 217 entblößt in einem glatt polierten Längsschliff zum Vorschein. Die Ansicht der Oberfläche eines derartigen Längsschliffes vom Dentin eines Elefanten zeigt dem bloßen Auge ein System von parallel zu einander und parallel zur Längsrichtung der Pulpahöble verlaufenden helleren und dunkleren Streifen, die den RETZIUS’schen und OWEN’- schen Linien entsprechen. Bei dem vorliegenden Zahn zeigt sich auch in der Tat in geringer Entfernung von der Spitze des Zahnes sehr deutlich ein derartiges System von ungefähr parallel verlaufen- den Längsstreifen, wie es normales Elefantenelfenbein erkennen läßt. (Abb. X 6). In einiger Entfernung von der Zahnspitze aber treten immer deutlicher zwischen je zwei der helleren Längsstreifen in großer Zahl und ziemlich regelmäßiger Anordnung kurze, schräg gerichtete sch wärz- liche Striche auf, die ungefähr parallel zu einander unter spitzem Winkel gegen die hellen Streifen verlaufen (Abb. X 7). Auf der einen Seite eines hellen Streifens sind sie aufwärts, auf der anderen Seite ab- wärts gerichtet, setzen sich aber nicht in die hellen Streifen selbst fort. Diese Struktur ist gerade noch mit bloßem Auge zu erkennen. Das Ganze erinnert an ein System von langen, schmalen, parallel nebeneinander liegenden Federn, deren Schäfte die hellen Streifen, deren Fahnen die schrägen Striche darstellen. Dieses fiederartige Bild ist außerordentlich charakteristisch und war mehr oder weniger deutlich noch mit bloßem Auge auf einem größeren Teil der natür- lichen glattpolierten Dentinoberfläche festzustellen. Nach Waschen mit Seifenbrühe und später mit Benzin, wodurch eine dicke darüber lagernde Schmutzschicht entfernt wurde, trat diese Zeichnung noch schärfer heraus. Beim Anblick dieser fremdartigen und charakteristischen Struktur des Dentins ließ sich der Gedanke nicht von der Hand weisen, daß es sich um die Zähne einer bisher völlig unbekannt gebliebenen riesenhaften Tierform handeln müsse, die noch in historischer Zeit gelebt hat und seither völlig verschollen ist. Denn auch der schwächere Zahn, der weniger stark abgeschliffen war, zeigte an einigen Stellen ebenfalls Spuren dieser eigentümlichen fiederartigen Struktur des Dentins, die nur viel weniger ausgeprägt in Erscheinung trat. Da es zunächst nicht sehr wahrscheinlich war, daß der zweite Zahn, der doch sehr stark von dem ersten abwich, von demselben Individuum stammte, schienen hier Zähne von zwei Exemplaren einer Tierart vorzuliegen, die in allen wesentlichen Merkmalen übereinstimmten, 9218 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, durch ihre kreisförmige Krümmung und durch die Struktur des Dentins aber sich auffallend von allen bisher bekannten Tieren unterschieden. Als ich nun aber an einer Stelle, die dies fiederartige Bild sehr schön zeigte, zu schaben begann und die oberflächlichen Schichten des Dentins an dieser Stelle abtrug, stellte sich heraus, daß die charakte- ristischen schrägen schwärzlichen Striche dabei immer undeutlicher wurden, und daß sie nur auf die oberflächlichste Schicht des frei- liegenden Dentins beschränkt waren. Bei stärkerer Vergrößerung wurde es ganz unzweifelhaft, daß die schwärzlichen Striche nur feinste Spalten vorstellen, die in erstaunlicher Regelmäßigkeit in der frei- liegenden Dentinfläche sich gebildet hatten. Sie waren nur sehr deutlich sichtbar geworden durch Schmutzpartikelchen, die sich in ihnen festgesetzt und sie völlig ausgefüllt hatten. Es handelte sich dabei offenbar um beginnende Verwitterungserscheinungen des Dentins. Daraufhin suchte ich nunmehr festzustellen, ob nicht an Stoß- zähnen von Elefanten sich wenigstens Spuren von derartigen schrägen Spalten nachweisen lassen, doch an dem spärlichen Material der Münchener Sammlung ohne rechten Erfolg. Da bat ich Herrn Dr. WALTER Koch, bei einem von ihm beab- sichtigten Besuch des Berliner Zoologischen Museums sein Augenmerk darauf zu richten, ob an dem dortigen reichlicheren Material nicht etwas derartiges zu beobachten sei. Tatsächlich entdeckte er dort an dem abgebrochenen Ende eines starken Stoßzahnes aus Kamerun, dessen freiliegende Dentinoberfläche etwas angewittert war, die ge- suchten Spuren (Abb. X 8). Das fiederartige Aussehen, das von zahl- reichen feinen Spalten herrührt, war unverkennbar vorhanden, nur sehr viel unregelmäßiger und zum Teil sehr viel gröber ausgebildet als an unserem Exemplar. In dankenswerter Weise überließ mir Herr Dr. POHLE dieses interessante Stück zur Untersuchung. E. Bruchfläche eines Elefantenzahns. Die Bruchfläche dieses Stoßzahnes gewährt einen überaus lehr- reichen Einblick in die ganze Struktur des Elfenbeins (Abb. XI 9). Das abgebrochene Ende des Zahns war etwa '/, m lang. Die Bruch- stelle selbst nahm ungefähr die Hälfte dieser Länge ein. Der Zahn hatte hier einen Durchmesser von 95 mm. Es muß ein ungeheuerer Kraftauf- wand nötig gewesen sein, dieses gesunde und durch und durch solide Zahnende abzubrechen. Was nun zunächst in ganz auffallender Weise an der Bruchfläche in die Augen fällt, ist die natürliche Zusammensetzung S L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzähne bei einem rezenten Elefanten. 219 der ganzen Dentinmasse aus dünnen, concentrisch aufeinanderliegen- den Schichten, deren Längsrichtung der des Zahnes entspricht. Sie sind sehr regelmäßig angeordnet und von gleicher Dicke. Die Dicke der einzelnen Schichten beträgt durchschnittlich 1 mm und nimmt von außen gegen das Zentrum allmählich ab. Diese Schichten be- ginnen sämtlich nahe der Pulpahöhle und erscheinen zusammengerollt wie ein Pack Kartonpapier und zwar so, daß sie einen Bogen von über 180° beschrieben haben, wenn ihr äußeres Ende an die Peri- pherie, die Oberfläche des Dentin, gelangt. Je mehr sich eine Schicht der Oberfläche nähert, um so spitzer wird der Winkel, den sie mit der Tangente des Zahnumfangs beschreibt. Die Zahl der Schichten zwischen der Pulpahöhle und der Peripherie beläuft sich in der Mitte der Bruchfläche auf etwa 50. Von etwaigen Gabelungen der Schichten ist nirgends auch nur eine Andentung zu erkennen. Wenn man aber an einer Stelle festgestellt hat, daß die Biegung, die die Schichten bei ihrer Einrollung beschreiben, im Sinn des Uhr- zeigers stattfindet, fällt es bald auf, daß sie an einer anderen Stelle serade umgekehrt verläuft. Tatsächlich scheint eine Biegung der Schichten gleichzeitig in den beiden sich einander kreuzenden Rich- tungen vorhanden zu sein. Auf der Bruchfläche überwiegt bald die eine bald die andere Richtung (Abb. XII 10). Das wird auch auf einem Querschliff durch einen Elefantenzahn besonders deutlich, wo dann die be- kannten als „Guillochage“ bezeichneten sich kreuzenden Bogenlinien ent- stehen, die für das Elefantendentin so charakteristisch sind (Abb. XII11). Auf der Bruchfläche liegt auf größeren Strecken die glatte, mit parallelen Längsrunzeln bedeckte Oberfläche einzelner Schichten frei an den Stellen, wo der Bruch so erfolgte, daß sich eine Schicht von der darunterliegenden ablöste. An anderen Stellen sieht man ein System von parallel zueinander verlaufenden scharfen Kanten, die dann die in ihrer Längs- oder Querrichtung gebrochenen Schichten darstellen. Während nun die reinen Längsbrüche der Schichten auf der Bruchfläche durch die parallel zur Längsachse fast geradlinig ver- Jaufenden Kanten der einzelnen Schichten kenntlich sind, sind die Querbrüche der Schichten durchgehends durch spitzwinklige Zacken ausgezeichnet, die sowohl in Längsreihen wie in schrägen Reihen auftreten und ein System von lanzettförmigen Figuren auf größeren Strecken der Bruchfläche darstellen (Abb. XT 9). Der spitze Winkel, den diese lanzettförmigen Zacken an allen Querbrüchen der Schichten zeigen,“ erinnert nun durchaus an die EHI Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, spitzen Winkel, die auf der Dentinoberfläche desselben Zahns die oben beschriebenen feinen schrägen Sprünge miteinander bilden und so die charakteristische fiederförmige Anordnung hervorbringen. Es kann gar kein Zweifel sein, daß die schrägen Sprünge, die. auf der Oberfläche den Beginn der Verwitterung anzeigen, und die lanzett- förmigen Zacken, die beim vollständigen Bruch des Dentin entstehen, homologe Erscheinungen darstellen, die nur quantitativ, nicht qualitativ sich von einander unterscheiden. Diese Erscheinungen müssen in der feineren Struktur des Elefantendentins begründet sein. Da nun unsere rätselhaften kreisförmigen Zähne die gleichen fiederartigen Erscheinungen in ganz ausgezeichneter Weise erkennen lassen, war es doch wieder wahrscheinlich geworden, daß die vor- liegenden Zähne nur als abnorm gekrümmte Stoßzähne eines rezenten Elefanten aufgefaßt werden müssen. In ihrer inneren Struktur sind keine Unterschiede zu finden. | F. Beobachtungen von RoTHScCHILD et NEUVILLE. Mittlerweile war mir auch die Abhandlung von ROTHSCHILD et NEUVILLE 1907!) bekannt geworden. Die darin mitgeteilten Tat- sachen und Abbildungen ergaben eine völlige Bestätigung der An- sichten über die Natur der rätselhaften Zähne, zu denen ich selbst bisher gekommen war: 1. Es finden sich in dieser Abhandlung unter den verschiedenen abnormen Stoßzähnen von Elefanten, die beschrieben und abgebildet werden, auch zwei Zähne, die einigermaßen ähnliche Kreisform auf- weisen wie unsere beiden Zähne (Abbildung auf S. 306 und 307). Nur ist bei unseren Zähnen, die bedeutend mächtiger sind, diese Kreisform in noch vollkommenerer Weise vorhanden. Die von den Verfassern auf S. 308 ausgesprochene Meinung, daß solche übermäßig gekrümmten Zähne immer schwach bleiben müßten, wird durch unsere beiden Stücke widerleet. Während das Gewicht des größeren auf S. 307 abgebildeten Zahnes vom oberen Kongo nur 2,7 kg beträgt bei einer Länge von 96 cm, sind unsere beiden Zähne bei nahezu gleicher Länge ganz bedeutend schwerer, der eine über doppelt so schwer. 2. Es finden sich ferner in derselben Abhandlung auf Tafel 24 Abbildungen von Längsschliffen durch Elefantenzähne, die eine mikros- kopische Struktur zeigen, die eine Erklärung für die fiederartige An- ordnung der feinen Spalten an unseren Zähnen zulassen. Schliffe von Elefantenzähnen, die mir sonst vorlagen, hatten keine befrie- L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzähne bei einem rezenten Elefanten. 221 digende Erklärung ergeben. Auch der Längsschliff durch den Zahn eines afrikanischen Elefanten bei ROTSHCHILD et NEUVILLE auf Tafel 24 wäre für die Erklärung nicht recht genügend. Hier zeigten die Dentinröhrchen, die die Owen’schen bezw. RETZIUS’schen Linien kreuzen, einen deutlichen wellenförmigen Verlauf. Aber überzeugend ist erst das Bild auf Tafel 24, das den Längsschliff durch einen „Dent Enigmatique“ wiedergibt, der mit einigem Vorbehalt ebenfalls als ein Elefantenzahn angesprochen wird (Abb. XII, 12). Dieser „dent enigmatique“ besitzt übrigens eine völlig von unseren Zähnen verschiedene Gestalt. Bei ihm nehmen streckenweise die Dentinröhrchen einen auf- fallend ziekzackförmigen Verlauf, was mit besonderer Deutlichkeit aufder rechten Seite der betreffenden Abbildung in die Augen fällt. Es scheint mir danach ganz unzweifelhaft, daß die schräge Richtung der feinen Spalten, die auf der Dentinoberfläche bei unserem Exemplar das fieder- förmige Ausschen verursacht, durch die Richtung, die die Dentinröhr- chen bei ihrem zickzackförmigen Verlauf einschlagen, bestimmt ist. Verlängert man die schrägen Striche, die das auffallende fiederartige Bild verursachen, von beiden Seiten einer hellen Linie soweit, daß sie sich auf dieser Linie treffen, so ergibt sich die gleiche zickzack- förmige Anordnung, die der Längsschliff des rätselhaften Zahnes von ROTESCHILD et NEUVILLE zeigt. Daß der normalere wellenförmige Verlauf der Dentinröhrchen in diesen Fällen in einen ausgesprochen zickzackförmigen übergeht, hängt vielleicht mit der unnormalen Aus- bildung des ganzen Zahns zusammen, die freilich bei dem stark ge- furchten und abgeflachten ROTHSCHILD’schen Zahn in ganz anderer Weise zum Ausdruck gekommen ist als bei unseren zu einem Kreis sebogenen Zähnen. Es würden dann in beiden Fällen kaum definier- bare Spannungsverhältnisse eine Rolle spielen, die beim Dickenwachs- tum der Zähne sich geltend machen und den normalerweise wellen- förmigen Verlauf der Dentinröhrchen in einen ausgesprochen geknickten zickzackförmigen Verlauf verwandeln. Doch zeigt auch das oben be- schriebene Ende des normalen Stoßzahnes eines afrikanischen Ele- fanten die gleichen schrägen Spalten wie unser abnormer Zahn. G. Beschreibung des größeren Zahns. Der größere der beiden vorliegenden Zähne stellt jedenfalls einen linken Stoßzahn dar. Er beschreibt 3/4 eines fast regelmäßigen Kreis- bogens, dessen Durchmesser 39 cm beträgt. Die Krümmung des Zahns, 222 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. liegt ziemlich genau in einer Ebene. Die Länge des ganzen Zahns, längs der convexen (ursprünglich ventralen) Seite gemessen, beträgt von der Basis bis zur Spitze 91 cm, auf der concaven (ursprünglich dorsalen) Seite nur 49cm. Die Entfernung der Spitze vom basalen Rand ist 19 cm. An der Basis hat der Zahn einen Umfang von 29 cm, bis zur Mitte seiner Länge bleibt der Umfang nahezu der gleiche, dann nimmt er ab, und 5 cm unterhalb der Spitze ist der Umfang nur noch 15 cm. Der ganzen Länge nach ist der Zahn etwas comprimiert; in dor- soventraler Richtung beträgt der Durchmesser an der Basis 9,7 cm, in querer Richtung 8,4 cm. Auch dies Verhältnis bleibt bis zur Mitte des Zahns das gleiche; von da an verjüngt sich der Zahn allmählich, und infolge der Abnutzung, die im letzten Viertel seiner Länge ziem- lich plötzlich einen auffallend hohen Grad erreicht, wird der Zahn zuletzt sehr stark comprimirt mit fast flacher äußerer (lateraler) Seite. 16 cm unterhalb der Spitze ist der Höhendurchmesser 7,6 cm, der Querdurchmesser 5,5 cm, 6 cm unterhalb der Spitze nur noch 6,6 cm, bezw. 3,7 cm. Die Tiefe der konischen Pulpahöhle bis zu ihrer Verengung er- reicht nur 9 cm). Das Gewicht des Zahnes beträgt 5,67 kg. Von der Basis an zeigt sich ein deutlicher Längswulst auf der Oberfläche des Zahns, der etwa dem Innenrand der convexen (ven- ‘“ tralen) Seite entspricht und hier eine stumpfe ventromediale Längs- kante hervorruft. Die Kante verschwindet in der äußeren Hälfte des Zahns, von wo an die Abnutzung Platz greift. Sonst zeigt die Ober- fläche des Zahns in seiner basalen Hälfte nur noch eine Anzahl schwacher, wenig ausgeprägter Längsriefen und -kanten sowie etwa 12 ganz schwache Querwülste, die aber nur auf der convexen Seite zu bemerken sind. Die Zementbedeckung des Zahns ist in seiner basalen Hälfte voll- ständig. Von da beginnt die Abnutzung, die das glatt polierte Dentin frei legt. Die Abnutzung tritt auf den verschiedenen Seiten des Zahns in sehr verschiedener Ausdehnung auf. Die Grenze des noch vor- handenen Zements hebt sich durch dessen weißen Rand ziemlich scharf dem gelblichen Dentin gegenüber ab und zeigt größere und kleinere längsgerichtete, zungenförmige Einbuchtungen. Auf der inneren (medialen) Seite liegt das Dentin schon in einer Entfernung von 43 cm unterhalb der Spitze (auf der convexen Seite gemessen) frei und greift in dieser Ausdehnung auch noch etwas auf die convexe Seite über. nn... TS ’ y F L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzähne bei einem rezenten Elefanten. 293 Die Breite der Abnutzungsfläche steigert sich ganz allmählich bis zur Spitze. Auf der Außenseite (lateral) beginnt die Abnutzung erst 21 cm unterhalb der Spitze, wird aber sofort so tiefgehend, daß hier die Oberfläche des Zahns einen concaven Absatz erhält, der in eine bis zur Spitze fast flache Ebene übergeht. Auf der concaven (dorsalen) und zum Teil medialen Seite des Zahns bleibt das Zement bis 3 cm unterhalb der Spitze unversehrt erhalten. Der Zahn endet nicht in einer Spitze, sondern in einer etwas abgerundeten senkrechten Kante. Dieser Zahn zeigt außerdem vielfach obe:flächliche Verwitterungs- spuren. Soweit das Dentin freiliegt, zeigen sich zahlreiche deutliche Längsrisse von verschiedener Stärke und Ausdehnung und auf der Außenseite besonders von dem concaven Absatz an die oben beschrie- benen fiederförmigen Verwitterungserscheinungen. Nahe der Spitze macht sich auf der concaven Seite des Zahns unterhalb der dort noch vorhandenen Zementschicht ein Abblättern der Dentinschichten in seinen Anfängen geltend. Auf der concaven Seite des Zahns läßt außerdem die Oberfläche ein netzförmiges System von kleineren und erößeren oberflächlichen Sprüngen in der dort vorbandenen Zement- schicht erkennen, doch nur in der distalen Hälfte des Zahnes. Die ungefähre Grenze des alveolaren Teiles des Zahns dürfte da zu suchen sein, wo die Hiebverletzungen sichtbar sind. Aus welchem Grunde und in weicher Weise gerade das im Leben nach hinten gerichtete Ende des Zahnes auf seiner äußeren (lateralen) Seite so intensiv gescheuert wurde, daß die Oberfläche des Zahnes hier eine Einbuchtung erfuhr, das muß eine besondere Bewandtnis gehabt haben. Die normale umfangreichste Abnutzung liegt auf der medialen Innenseite und zum Teil noch auf der ventralen (convexen) Ober- und Vorderseite und zeigt sich in derselben Weise und Aus- dehnung auch auf dem anderen schwächeren Zahn, der als ein rechter Stoßzahn anzusprechen ist. H. Beschreibung des schwächeren Zahns. Auch dieser kleinere Zahn, sehr wahrscheinlich ein rechter Stoß- zahn, beschreibt einen fast regelmäßigen und noch vollständigeren Kreisbogen mit einem Durchmesser von etwa 32 cm. Seine Spitze ist von seiner Basis nur 11 cm entfernt. Doch liegt bei ihm die Krümmung nicht in der gleichen Ebene, sondern findet in einer schwachen Spirale Statt, die eine Höhe von 13 cm erreicht. Die Länge des ganzen Zahns 224 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. auf der convexen Seite gemessen ist noch etwas bedeutender als die des ersten Zahns und erreicht 95 cm, längs der concaven Seite 59 cm. Die Drehung der Spirale ist rechts gerichtet, also nach außen, und die Zahnspitze dürfte im Leben nach unten gerichtet gewesen sein. Dieser Zahn ist außerdem durchgehends schwächer als der andere. An der Basis hat er einen Umfang von 21cm, die Basis selbst ist merklich verengt. Der Zahn nimmt dann zunächst an Umfang etwas zu bis auf 23 cm und bleibt so bis zur Mitte, um sich von da an all- mählich zu verjüngen. 5 cm unterhalb der Spitze hat er einen Um- fang von IScm. Dieser Zahn endet in einer stumpfen Spitze und ist an seinem Ende nicht comprimiert. Doch ist auch dieser Zahn seiner ganzen Länge nach etwas com- primiert, uud zwar zeigt sich das in seiner proximalen Hälfte am deutlichsten, wo die Abnutzung ja gar keine Rolle spielt. So ist der Höhendurchmesser an der Basis 7,9 cm, der Querdurchmesser 5,4 cm. In einer Entfernung von 31 cm bis 44 cm von der Basis ist der Zahn auf der convexen Seite auffallend corrodirt. Vor dieser Corrosion ist der Höhendurchmesser 8,0 cm, der Querdurchmesser 6,1 cm, nach der Corrosion 7,5, bezw. 6,0 cm. In einer Entfernung von 10 cm unter- halb der Spitze sind diese Durchmesser 5,2 und 4,4 cm. Die Tiefe der konischen Pulpahöhle ist nur 6,5 cm vom dorsalen Rand aus gemessen, 11cm vom ventralen Rand aus. Das Gewicht dieses Zabns ist 3,85 kg. Auch an diesem Zahn macht sich von der Basis an deutlich ein schwacher Längswulst auf seiner Oberfläche geltend, der eine nicht sehr ausgeprochene Kante zwischen der medialen und der ventralen Seite bildet. Doch ist diese Kante noch unbedeutender als bei dem anderen Zahn. Auch hier sind von der Basis ab ganz unbedeutende Längsriefen und -kanten und auf der ventralen Seite ganz schwache Andeutungen von ringförmigen Querwülsten zu bemerken. Der Zahn dürfte bis in kurze Entfernung von der Stelle, wo die Corrosion beginnt, in der Alveole gesteckt haben, denn vor dieser Stelle haften noch einige eingetrocknete Reste von Weichteilen an der Oberfläche besonders der medialen Seite. : Auf der concaven Seite ist die Zementbedeckung bis 5 cm unter- halb der Spitze vollständig vorhanden. Auf der convexen und der lateralen Seite ist der Zahn bis 13 cm unterhalb der Spitze abgenutzt, und auf der Grenze zwischen der convexen und medialen Seite liegt bis 42 cm unterhalb der Spitze das Dentin ganz frei. Diese Verhält- L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzähne bei einem rezenten Elefanten. 225 nisse sind also denen des anderen Zahns durchaus entsprechend. Doch macht sich auf der Außenseite (lateral) eine besonders tiefe Abnutzung und Aushöhlung: wie bei dem anderen Zahn in keiner Weise bemerkbar. Die Abnutzung nimmt überall ganz allmählich bis zur Spitze hin zu. Verwitterungsspuren zeigt auch dieser Zahn in ganz derselben Weise wie der andere. Rings um den Zahn bis 40 cm unterhalb der Spitze finden sich überall, wo das Dentin freiliegt, zahlreiche größere und kleinere Längsspalten. Aber die fiederartigen schrägen Sprünge, die bei dem größeren Zahn so aufallend regelmäßig und dicht ge- drängt sich fanden, zeigen sich hier nur sehr spärlich und unregelmäßig. Aber vorhanden sind sie auch. Nahe der Spitze zeigt sich auch hier unter dem Zement der Beginn einer Abblätterung des Dentins. Auch die Oberfläche der Zementschicht zeigt auf der concaven Seite eben- falls stellenweise ein dichtes Netz von Sprüngen. Aber bei diesem Zahn läßt auch das Zement sehr zahlreiche kürzere und längere Längssprüuge erkennen. Daß die Zementbedeckung bei beiden Zähnen auf der concaven und dem ihr zunächst liegenden Teil der medialen Seite des Zahns der Abnutzung nicht unterlag und fast bis zur Spitze intakt blieb, ist durchaus verständlich und im auffallenden Gegensatz dazu die aus- sedehnte Abnutzung dicht daneben auf der medialen Seite. Ebenso begreiflich ist es, daß unterhalb der Zahnspitze bei beiden Zähnen die äußere (laterale) und die convexe (ventrale) Seite des Zahns stark abgenutzt sind, allerdings beim linken Zahn die laterale Seite in außerordentlichem Maße. Wie bei dem schwächeren Zahn die eigentümlichen Corrosions- erscheinungen auf seiner convexen Seite zustande kamen, ist mir nicht erklärlich. Sie finden sich an dem Teil des Zahns, der bei er- hobenem Kopf gerade nach vorn gerichtet sein mußte. Es mögen gewaltsame Verletzungen der Oberfläche des Zahnes hier stattge- funden haben, die nachher durch Wetzen und Reiben wieder einiger- maßen geglättet wurden und den jetzigen höckerigen Zustand dieser Stelle ergaben. I. Vergleich mit rezenten Elefanten. Zum Vergleich mit den eben beschriebenen kreisförmigen Zähnen lassen sich bei den normalen Stoßzähnen von rezenten Elefanten in bezug: auf ihre äußere Gestalt folgende wesentliche Merkmale fest- stellen: 15 226 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 1. Die Zähne sind nur wenig gekrümmt. Ihre Krümmung stellt zwar ebenfalls einen Teil eines Kreisbogens dar, der aber einen sehr viel größeren Radius besitzt, sodaß die Entfernung ihrer Spitze von ihrer Basis bei einer Länge von etwa 1m nur wenig kleiner ist als die-Länge des beschriebenen Kreisbogens, während bei unseren kreis- förmigen Zähnen diese Entfernung nur etwa !/, bis !/, der Gesamt- länge beträgt. 2. Infolgedessen ist die Spitze der normalen Stoßzähne nach vorn und oben gerichtet, dagegen die Spitze unserer kreisförmigen Zähne nach hinten oder gar nach unten. 3. Bei rezenten Elefanten scheinen die Stoßzähne in der Regel drehrund zu sein mit einem Querschnitt, der in ihrem basalen Teil nur in geringem Grade von einem regelmäßigen Kreis abweicht, während die kreisrunden Zähne seitlich komprimiert sind, wenn auch diese Kompression nicht sehr bedeutend ist. Tatsächlich zeigen aber auch die Stoßzähne der rezenten Elefanten nur selten einen wirklich kreisförmigen Querschnitt. Meist sind auch sie etwas komprimiert, mitunter sogar sehr deutlich und zeigen dann einen ovalen Querschnitt, sodaß in dieser Beziehung kein Unterschied vorhanden ist gegenüber unseren kreisförmigen Zähnen. Auch die zu einer schneidenden hohen Kante abgeschliffene Spitze, die der eine unserer beiden Zähne zeigt, findet sich gar nicht selten auch bei den Stoßzähnen der rezenten Elefanten. 4. Bei den rezenten Elefanten zeigen die Stoßzähne gewöhnlich rings um ihren basalen Teil schmale, schwache, parallel nebeneinander verlaufende Längsrinnen getrennt durch schwache Längskanten. Diese mitunter ziemlich regelmäßige Kannelürung erinnert etwas an die antiker Säulen. Nach außen wird sie immer undeutlicher und ver- schwindet allmählich in der äußeren Hälfte der Zähne. Diese Kanne- lürung kann mitunter recht unregelmäßig werden, doch konnte ich unter den allerdings wenig zahlreichen Exemplaren, die mir vorlagen, kaum eines finden, bei dem sich eine der Kanten durch stärkere Ent- wicklung vor den übrigen auszeichnet. Höchstens bei einem unge- wöhnlich stark komprimierten weiblichen Stoßzahn ließ sich eine ganz schwache Andeutung einer etwas stärkeren Ausbildung einer der Kanten erkennen, die ventromedial gelegen ist. Dagegen ist bei unseren beiden kreisförmigen Zähnen neben zahlreichen meist sehr undeut- lichen Kanten eine stärker hervortretende ventro-mediale Längskante deutlich erkennbar, und über ihr ist die mediale Seite des Zahns L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzühne bei einem rezenten Elefanten. DOT merklich flacher als die etwas mehr gewölbte laterale Seite. Danach kann man bei ihnen leicht den rechten vom linken Zahn unterscheiden, was bei den rezenten Elefanten immer einige Schwierigkeiten macht. Das dürfte wohl neben der starken Krümmung der auffallendste und wesentlichste Unterschied unserer kreisförmigen Zähne von denen der rezenten Elefanten sein. Ein Zahn eines männlichen sumatranischen Elefanten von 60 cm Länge (2.65 kg schwer) mit einem Durchmesser von 79 und 74 mm läßt an seiner Basis 55 Längskanten erkennen, in seiner Mitte noch 44. Ein anderer besonders stark komprimierter weiblicher Zahn von 50cm Länge mit einem Durchmesser von 52 und 43mm mit beson- ders schöner Kannelürung zeigt ringsum an seiner Basis 38 deutliche Längskanten. 5) Die Abnutzungserscheinungen am Endteil der Stoßzähne machen sich bei den rezenten Elefanten rings um den Zahn gleich- falls sehr bemerkbar, und die Grenze der Zementbekleidung ist ebenfalls durch ein weißes Band ausgezeichnet, das mit größeren und kleineren Einbuchtungen rings um den Zahn verläuft. Das Dentin liegt hier auf der lateralen und medialen Seite in größerer Entfernung von der Zahnspitze frei als auf der ventralen und dorsalen Seite des Zahns, Doch sind die Unterschiede in der Abnutzung auf den verschiedenen Seiten des Zahns bei weitem nicht so bedeutend wie bei unseren kreisförmigen Zähnen. Bei einem Stoßzahn eines männlichen sumatra- nischen Elefanten (Abb. XII 13) von 60 cm Länge liegt auf beiden Seiten das Dentin frei bis zu einer Entfernung von 15 cm von der Spitze, ‘dorsal bis 12 cm, ventral bis 7 cm. Bei unseren kreisförmigen Zähnen ist es besonders auffallend, daß auf der concaven Seite die Zement- decke bis ganz nahe an die Zahnspitze erhalten bleibt. Ohne Zweifel ist diese Erscheinung, so bemerkenswert sie ist, unmittelbar durch die starke Krümmung der Zähne veranlaßt. K. Zusammengehörigkeit der beiden Zähne, Es wurde bisher als zweifellos hingestellt, daß der größere Zahn ein linker, der schwächere ein rechter Stoßzahn ist. Die Ansicht, daß es sieh um einen rechten und einen linken Zahn handelt, gründet sich vor allem auf das Vorhandensein der stumpfen Längskante, die an beiden Zähnen an der Grenze der ventralen Seite bis etwa zur Mitte ihrer Länge sich erstreckt und bei beiden Zähnen auf symme- 15* 228 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. trischen Seiten sich befindet. Danach können die beiden Zähne nicht der gleichen Seite angehören. Es fragt sich dabei nur, ob diese Kante die Grenze gegen die laterale (äußere) oder gegen die mediale innere) Seite des Zahns bezeichnet, die in Zusammenhang mit dem Auftreten der Kante etwas flacher wird. | Der schwächere Zahn beschreibt eine niedere Spirale, und es ist außerordentlich unwahrscheinlich, daß sich seine Spitze nach der me- dialen Seite richtete. Es mußte daher angenommen werden, daß dieser schwächere Zahn der rechten Seite angehört. Demzufolge muß der stärkere Zahn einen linken Stoßzahn darstellen. Damit steht durch- aus in Übereinstimmung, daß bei dem stärkeren Zahn, wenn es tat- sächlich der linke ist, die tiefe durch besonders intensive Abnutzung entstandene Aushöhlung im letzen Viertel seiner Länge sich dann auf seiner lateralen (äußeren) Seite befindet. Denn es wäre kaum erklär- lich, wie diese tiefe Aushöhlung auf der medialen Seite entstanden sein könnte. Sie kann nur hervorgerufen sein durch häufiges gewalt- sames Reiben in dorso-ventraler Richtung an einem sehr widerstands- fähigen festen Gegenstand, der sich aufkeinen Fall auf der medialen Seite des Zahnes befunden haben konnte, also zwischen der Wurzel des Rüssels und dem Zahnende. | Ferner zeigen sich auf der einen Seite des stärkeren Zahnes die Spuren kräftiger Hiebe, die mit einem Schwert oder Jagdmesser auf die Stelle geführt wurden, wo der Zahn etwa die knöcherne Alveole verläßt, also auf den untersten Teil des freien Zahnes. Mit diesen erfolglosen Hieben sollte vermutlich nach dem Tode des Tieres der Zahn abgehackt werden. Es ist aber ganz unmöglich, anzunehmen, daß diese kräftigen Hiebe auf die mediale Seite des Zahnes geführt wurden. Es ist selbstverständlich, daß sie nur auf die äußere, laterale Seite gerichtet sein konnten. Dieser stärkere Zahn kann also nur als linker Stoßzahn angesprochen werden. Daß die beiden Zähne von demselben Individuum stammen, schien mir zuerst sehr unwahrscheinlich. Bei aller Übereinstimmung in ihrem ganzen Bau sind sie einander doch so unähnlich, wie es bei zusam- mengehörigen Stoßzähnen desselben Individuums bei Elefanten jeden- falls eine große Seltenheit ist. Diese Unähnlichkeit beruht ja nicht so sehr in ihrer Form als in ihrer sehr verschiedenen Stärke bei etwa gleicher Länge. Und doch kommen auch bei Elefanten Fälle vor, bei denen die beiden Stoßzähne eine sehr verschiedene Mächtigkeit er- reichen. Ich konnte das an einem in der Münchener Staatssammlung L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzähne bei einem rezenten Elefanten. 229 befindlichen Schädel eines afrikanischen Elefanten feststellen, bei dem die Alveole des linken Stoßzahnes einen Durchmesser von 15 cm zeigt, während die Alveole des rechten Stoßzahnes stark zurückgebildet ist und nur einen Durchmesser von etwa 6 cm besitzt. ‘ Dabei ist das Backzahngebiß sowohl oben wie unten durchaus symınetrisch entwickelt. Die kreisförmige Ausbildung der beiden vorliegenden Zähne läßt auf eine tiefgreifende pathologische Veranlagung im Zwischenkiefer schließen. Die Faktoren, die die kreisförmige Krümmung mit kleinem Radius an beiden Zähnen veranlaßt haben, dürften kaum festzustellen sein. In diesem Falle würde aber auch eine weitere Abnormität, wie sie die verschiedene Stärke und Ausbildung der beiden Stoßzähne an einem Individuum darstellt, gar nichts besonders Erstaunliches mehr haben. Im Gegenteil kann man eher geneigt sein anzunehmen, daß eine solche abnorme Ausbildung einmal bei einem einzelnen Individuum an beiden Zähnen aufgetreten ist, die dann als interessante Kuriositäten mit besonderer Sorgfalt aufbewahrt wurden, als anzunehmen, daß diese absonderliche Krümmung, die noch äußerst selten beobachtet wurde, in ganz ähnlicher Weise bei mehreren Individuen vorkam, und daß diese abnormen Zähne dann in die gleiche Hand kamen. Da hat die Annahme, daß es die Zähne desselben Individuums sind, schließ- lich doch noch die größere Wahrscheinlichkeit für sich. L. Schlußfolgerung. Der Aufbau der beiden rätselhaften Zähne und ihre feinere Struktur, soweit sie beobachtet wurde, zeigt also keine grundsätz- liche Verschiedenheit gegenüber den Stoßzähnen von rezenten Ele- fanten. Abweichend von normalen Stoßzähnen ist nur die äußere Gestalt der beiden Zähne und zwar ihre kreisförmige Krümmung bei verhältnismäßig sehr kleinem Radius sowie die deutlich hervorragende ventromediale Längskantee Der Krümmung muß eine pathologische Veranlagung zugrunde liegen, und die Verstärkung der Längskanten steht vielleicht in ursächlichem Zusammenhang mit der abnormen Krümmung. 230 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. M. Anmerkungen. 1) M. de ROTHSCHILD et H. NEUVILLE 1907, Sur une Dent d’origine enig- matique. Archives de Zoologie experimentelle et generale. (4) 7, p. 270 bis 333, Tab. 22—24, Fig. 1—34. 2) Es scheint, daß die relative Tiefe der Pulpahöhle mit fortschreitendem Alter immer mehr abnimmt. Die mir vorliegenden kleinen Stoßzähne von Ele- fanten zeigen sämtlich eine sehr tiefe Pulpahöhle, während bei großen Stoßzähnen nur eine geringe Tiefe angegeben wird. a a ri ee Zeitschrift fur Säugetierkunde, Bd. III, 1928, 231 9.) Quellenstudien zur ehemaligen Verbreitung und zur Ausrottungsgeschichte der Kapländischen Tigerpferde. Von O. AnToNIus (Wien-Schönbrunn). . Angereget durch die bekannte Arbeit P. MATscHIE’ über „die afrikanischen Wildpferde als Vertreter geographischer Subregionen“, habe ich vor einigen Jahren begonnen, einschlägige Notizen aus der südafrikanischen Jagd- und Reiseliteratur, namentlich der älteren, zu sammeln. Ich habe diese Tätigkeit später in der spärlichen freien Zeit, die mir mein Beruf ließ, umso lieber und umso systematischer fortgesetzt, als ich merkte, daß manche wertvolle Angabe bisher den Zoologen unbekannt geblieben war, während andere z. T. unrichtig zitiert oder von einem allzu einseitigen Gesichtspunkt aus beurteilt worden sind. Dankbar gedenke ich dabei des Genusses, den die Durch- sicht dieser alten Bücher mir gewährt hat — ließ sie doch vor meinem geistigen Auge greifbar deutlich eine für alle Zeiten versunkene und verschollene Welt wieder erstehen, eine Welt überraschend reich an Lebensfülle, in die erst der sogenannte zivilisierte Mensch alle Scheuß- lichkeiten zielbewußter vollkommener Vernichtung hineingetragen hat. Daß die Veröffentlichung meiner Notizen — als bescheidenes Zeichen persönlicher Verehrung — gerade in der Festschrift für Prof. HECK erfolgen kann, erfüllt mich mit besonderer Freude! A. Die Quellen. Ich möchte zunächst die einzelnen Werke, die bemerkenswerte Angaben über die südafrikanischen Tigerpferde enthalten, in der Reihen- folge ihres Alters durchsprechen, die wichtigsten Stellen wörtlich zitieren und beginne mit dem ältesten Autor, der die beiden südlichen Formen Eguus zebra L. und Eguus quagga GM. auseinander hält: ANDREAS SPARRMANN. Dieser Forscher erwähnt das Zebra ein ein- ziges Mal und zwar vom Boter Rivier, zwischen Kapstadt und Warm- bad, dem heutigen Caledon (S. 126): „Heute sah ich zum erstenmal ganze Schaaren wilder Zebra, welche die Kolonisten „wilde Paerden“ (wilde Pferde) nennen. Sie gehen in ganzen Herden bey einander und sehen in ihreın schwarz und weiß gestreiften Kleide schön aus.“ | Das Quagga wird zum erstenmal auf S. 210 für die Umgebung von Swellendam erwähnt, also für die südliche Küstenebene, die Heimat 2993 | Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, des Buntbocks und des ausgestorbenen Blaubocks. Allerdings handelte es sich dabei um ein zahmes Stück, das möglicherweise auch einer nördlicheren Gegend entstammen konnte. Der Forscher macht Be- merkungen über die Unterschiede zwischen Quagga und Zebra, über die Zähmbarkeit beider Arten, über den Foetus, welchen er nach Europa mitgebracht hat und dessen „frischere Farben“ gegenüber er- wachsenen Tieren und sagt zuletzt bezüglich der Bauart des Quaggas: „Das Quagga, welches ich sah, hatte so völliges und starkes Fleisch auf dem Rücken und an den Lenden als man bey Pferden vielleicht selten antrifft.“ Im Osten der Kolonie traf SPARRMANN das Quagga am Schwarz- kopf-Fluß (S. 330), zwischen kleinem Sonntags- und Buschmannsfluß, etwa an der Stelle der später so genannten „Quaggas Vlaakte“ (S. 387), bei „Quammedacka“ (Comadagga) am Zusammenfluß von großem und kleinem Fischfluß (S. 410), bei Achterbruynties Hoogte (S. 445), am kleinen Fischfluß (S. 445), und im „Hassagai-Bosch“ am Buschmanns- fiuß (S. 583). Wenige Jahre nach SPARRMANN, von 1777—1779, bereiste der Engländer WILLIAM PATERSON die Kolonie nach Osten bis zur Kaffern- grenze, nach Norden bis über den Oranje hinaus. Die nüchternen Tagebuchnotizen, die er uns hinterlassen hat, sind in tiergeographischer Hinsicht wichtig, aber auch sonst recht anziehend. Er erwähnt das Zebra vom Breede Rivier (S. 17), vom „Grootvaders Bosch“ bei Swel- lendam (S. 21), vom Piquetberg (nördlich von Kapstadt, S. 76); diese Stelle ist interessant und sei wörtlich angeführt: „On my return I saw several Zebras, which inhabit the mountain; but as they are not found in considerable numbers, shooting them is prohibited“ — ein Beweis, daß die fürchterliche Wildvernichtung am Kap schon damals einsich- tigeren Leuten verderblich erschienen ist! Für das Oranje-Ufergebiet erwähnt PATERSON das Zebra wieder- holt, so z. B. S. 64, ferner S. 112 (siehe unten), S. 119, wo eine nächtliche Zebrajagd am Südufer beschrieben und das Fleisch als „very good food“ bezeichnet wird, und S. 126, wo das Zebra für das Nord- ufer (Löwenfluß) erwähnt wird. Das Quagga allein erwähnt PATERSON für die Karruflächen zwi- schen Rogge Veld und Hantam (S. 51), später an zwei Stellen aus- drücklich neben dem Zebra und zwar für die Salzpfanne im Hinter- land der Algoabai (S. 81) und für die Küstenwüste südlich der Oranje- Mündung (S. 112), O. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ. Tigerpferde. 233 Das gerade Gegenteil zu dem in seiner nüchternen Sachlichkeit so vertrauenerweckenden Engländer ist sein Zeitgenosse, der phrasen- reiche und phantasievolle Franzose FREDERIK LEVAILLANT, der über seine angeblichen Reisen zwei umfangreiche Werke geschrieben hat. Obwohl LEVAILLANT schon bei seinen Zeitgenossen nur sehr geringes Vertrauen gefunden hat und heute fast als Schwindler be- trachtet wird, der die Länder, die er vorgab bereist zu haben, z. T. nur vom Hörensagen kannte, unterzog ich mich der Arbeit, seine übrigens recht amüsant zu lesenden Werke genau durchzugehen, als ich beim ersten Nachschlagen merkte, daß MATSCHIE diesen Autor falsch zitiert, bezw. seine Angaben ganz unrichtig lokalisiert hat. LEVAILLANT erwähnt das Zebra mit genauer Ortsangabe nur viermal, und zwar 1790, Bd. I, S. 97 für den Boter Rivier, (vgl. SPARRMANN), ferner 1793, Bd. I, 197 für das Gebiet der 24 Flüsse nördlich von Kapstadt, Bd. II, S. 121 für die Camis-Berge und S. 251 für das Oranjegebiet. Wichtiger und interessanter als alle diese Angaben sind einige Bemerkungen in 1793, Bd. III, S. 35 f£.: „... et ce n’est que sous le vingt-cinguieme que j’ai trouv@ une espece d’äne sauvage de couleur isabelle. Cet animal est nomm&, par les Grands Namaquois, zebre blauc.“ Nach der folgenden Beschreibung würde es sich um einen ungestreiften Wildesel von Isabellfarbe handeln. LEVAILLANT erzählt weiter, daß er wegen der großen Scheuheit der Tiere trotz mehrtägiger (!) Verfolgung nicht zu Schuß kam, sondern nur eine Haut kaufen konnte, die zum Bedecken einer Hütte gedient hatte. Als uri goreb, weißes Zebra, bezeichneten nun die Hottentotten das Burchell- zebra — im Gegensatz zum ho goreb oder bunten Zebra (Zguus zebra L.) und zum nu goreb oder schwarzen Zebra (Zguus qu. quagga Gm.). Die Erzählung LEVAILLANT’s von der vergeblichen Jagd ist natürlich ebenso Erfindung wie die Behauptung, er habe eine verwundete Zebrastute ins Lager geritten und wie seine meisten anderen Jagdgeschichten, die den Stempel der Erfindung allzu deutlich aufgedrückt haben. Als älteste Erwähnung des Burchellzebras — abgesehen von PIGAFETTA — scheint sie mir immerhin interessant. Das gleiche gilt wohl auch für die wenige Seiten später folgende Notiz: „Souvent j’ai appercu, dans les plaines, des hardes de zebres et des hardes de kwaggas; mais toujours je les ai vues separ&es... Le kwagga est beaucoup plus petit que le zebre; ila un cri qui imite parfaitement l’aboyement d’un chien; quant a celui du zebre, il produit absolument le m&me son qu’ une pierre lanc&e avec force sur la glace.“ Die Beschreibung der 234 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1923. Stimmen ist nicht übel, die Beobachtung, daß beide Formen, wenn sie zusammen kamen, sich nicht mischten, wird später vielfach bestätigt, zuletzt noch von G. BLAINE. Es liegt daher die Vermutung nahe, daß auch die Angabe über das gegenseitige Größenverhältnis auf rich- tiger Beobachtung beruht. Da die jetzt im Kapland noch vorhande- nen Bergzebras durchweg eher kleiner sind als die Quaggas, so würde die Behauptung LEVAILLANT’s entweder dafür sprechen, daß sich bei den Bergzebras seit jener Zeit ein Rückgang in der Größe bemerkbar macht — was bei den ungünstigen Lebensbedingungen derartiger Rest- bestände leicht möglich wäre — oder aber dafür, daß das dem Autor offenbar auf Grund persönlicher Bekanntschaft besonders geläufige Zebra der Camisberge nicht der eigentlich kapländischen Lokalrasse Eguus z. zebra L., sondern einer größeren, vielleicht der südwestafrikanischen Equus zebra hartmannae MTSCH. angehört hat. Auf den Franzosen LEVAILLANT folgt in der Reihe der südafri- kanischen Autoren wieder ein Engländer, SIR JOHN BARROW, der während der ersten englischen Okkupation (1795 —1802) das Land als Beauftragter des Gouverneurs bereiste und darüber in einem be- rühmten, 1801 in London erschienenen Reisewerk berichtete. BARROW erwähnt ausdrücklich Quagga und Zebra zusammen (S. 95) für die Umgebung der Geelbeck-Fontein, einer Quelle oder Reihe von Tüm- peln, die als Raststelile in der älteren Reiseliteratur öfter erwähnt wird. Sie liegt im Südwesten der großen Karru, im heutigen Distrikt Prince Albert am Nordhang der Zwarteberge, zwischen Büffelfluß und Dwyka-Fluß. Ich erwähne dies deshalb so genau, weil MATSCHIE diesen Ort irrtümlich in Britisch-Kaffraria lokalisiert. Die nicht uninteressante Stelle bei BARROwW lautet wörtlich: „The hills that surrounded the plain of Geel-beck were composed of a dark purple coloured slate; and among these were seen prancing a small herd of that beautifully marked animal the zebra, and a great number of another species of wild horse, known in the colony by tbe Hottentott name of qua-cha.“ BARROW schließt daran Bemerkungen über die leichtere Zähmbarkeit des Quaggas und die Bösartigkeit des Zebras. Sonst erwähnt der Autor das Quagga für das obere (S. 253) und mittlere (S. 263) Seekuhflußgebiet, das Zebra für die Zuureberge und zwar den nördlichen Bergzug dieses Namens, im jetzigen Distrikt Steynsburg, wo er eine trächtige Stute dieser Art erlegte. Die Karte des Reisewerkes enthält an dieser Stelle die Eintragung „Plenty of Zebras in these mountains.“ Außerdem findet sich das Zebra einge- O. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ. Tigerpferde. 235 tragen in der Karru, neben dem Quagga, und leizteres allein im See- kuhflußgeebiet und westlich von den Kudu-Bergen im heutigen Distrikt Ceres. Schließlich erwähnt der Autor (S. 380) noch massenhafte Spuren von Quaggas und Zebras für die Lions Kuyl im Klein-Namaland. Sehr wichtig sind die Nachrichten, die der Deutsche HENRIK LICHTENSTEIN, der nachmalige Direktor des Berliner Museums, der zur Zeit der zweiten holländischen Okkupation (1802—1806) in Süd- afrika greweilt und das Land als Begleiter des Gouverneurs JANSEN nach allen Richtungen bereist und durchforscht hat, in seinem be- rühmten Reisewerke, das außerdem die erste gute Karte des Kaplandes enthält, niedergelegt hat. LICHTENSTEIN erwähnt das Zebra nur zwei- mal und zwar Bd. I, S. 265 für die Umgebung von Swellendam und II, S. 121 für die Zwarten Berge. Umso häufiger wird das Quagga genannt. Für die Kenntnis der Verbreitung dieses Tieres ist vor allem die Bemerkung in I, S. 469 wichtig: „Ebenso macht der Keissi eine merkliche Grenze in Absicht der Tiere, die dieses Land bewoh- nen. Westlich von diesem Flusse ist es angefüllt mit zahlreichen Herden von kleineren Antilopen und Quaggas... an der Ostseite halten sich ausschließlich nur die größeren Antilopen (besonders die Antilope oreas) auf, vornehmlich aber eine ungeheure Menge Elefanten.“ Dieser Keissi ist der Keiskamma der späteren Autoren und modernen Karten, der für das Küstengebiet also zweifellos die östliche Verbreitungs- grenze des Quaggas bildete. Durchweg auf das Gebiet des Fisch- flusses und der benachbarten kleineren Flüsse (Sonntags-, Buschmanns- fiuß) beziehen sich die Erwähnungen auf S. 525, 530, 564 und 580. Letztere sei wörtlich angeführt: „Von letzteren [sc. Quaggas] begeg- nete uns ein großer Trupp, der umzingelt und zusammengejagt wurde. Ich ritt eben einen munteren Hengst... und geriet mit diesem Tier mitten zwischen die wilden Pferde Er ließ sich nicht halten, mit ihnen in gestrecktem Galopp fortzujagen und ich bemerkte deutlich, daß er besonders eine Stute verfolgte, denn als diese sich etwas seit- wärts von den übrigen entfernte, lief er ihr nach... Es wurden von ihnen . . heute mehr als unsere zahlreiche Gesellschaft verzehren konnte, erlegt.“ — Im zweiten Bande des Werkes erwähnt LICHTENSTEIN das Quagga für die „Waayfontein“, zwischen Gareka und Zoutrivier (Saltriver der englischen Karten) im Nordosten der großen Karru (S. 38), dann für die Umgebung der erwähnten Geelbeckfontein (S. 124). Ge- lesentlich einer späteren Reise traf er zunächst ein gezähmtes Exem- plar im warmen Bokkeveld, jetziger Distrikt Ceres (S. 267), dann bei 236 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, Patrysse-Fontein im jetzigen Distrikt Fraserburg (S. 333) und fand das Fleisch „in hohem Grade unschmackhaft.“ Durch letztere Ge- gend verlief damals die Grenze der Kolonie; jenseits derselben fand unser Reisender das Quagga überaus zahlreich im Gebiet der Karree- Berge (S. 341, 344, 346) — „Die Quaggas kamen sogar zwischen unser weidendes Vieh und grasten ruhig neben ihnen, ein Beweis, wie wenig scheu dieses Tier an solchen Orten ist, wo es wenig oder nie gejagt wird.‘ Auf der Rückreise traf er die Tiere wieder in der- selben Gegend (S. 559££.). Jenseits der Oranje erwähnt LICHTENSTEIN „Quaggas“ für die Umgebung von Witwater, südwestlich vom jetzigen Griquatown (S. 416), für Klipfontein (Maputi, S. 459) und für die Koossi-Quelle (Khosis, S. 462 ff.). Da die folgenden Reisenden für diese Gegenden nur das „bunte Quagga“ erwähnen und die Unterschiede desselben gegenüber dem „dunkelfarbigen“ Quagga der Kolonie zum Teil ausdrücklich hervorheben, ist mit Sicherheit anzunehmen, daß auch LICHTENSTEIN solche Tiere vor sich gehabt und zwar offenbar das „echte“, heute gänzlich ausgerottete Burchellzebra, mit vollkom- men ungestreiften Beinen und weißem Bauch, dessen Unterschiede gegenüber stärker gestreiften Exemplaren des eigentlichen Quaggas ja tatsächlich sehr gering sind. Auf LICHTENSTEIN folgten nach der endgültigen Besitzergreifung der Kolonie durch England (1806) begreiflicherweise vor allem engli- sche Reisende, von denen WILLIAM BURCHELL, der „Entdecker“ des nach ihm benannten bunten Quaggas zuerst erwähnt sei. Leider scheint sich der berühmte Reisende über die Unterschiede der von ihm be- obachteten Wildpferde, als er zu den beiden eigentlich kapländischen Formen Zguus zebra und Eguus guagga eine dritte im Griqualand kennenlernte, nicht recht klar gewesen zu sein und so verwendete er nur im allgemeinen zwar den Namen „Quagga“ (im engeren Sinne) richtig, betrachtete aber das bunte Quagga, das GRAY später ihm zu Ehren benannte, als das eigentliche Zebra und bezeichnete diese letz- tere Art als Ziguus montanus, beziehungsweise mit dem von den Buren entlehnten Namen Wildepaard. Die Verwirrung, die dadurch in die systematische Nomenklatur der späteren Zeit getragen wurde (CUVIER, WAGNER usw.) ist bekannt. Gleichwohl verdanken wir dem pracht- vollen Reisewerk BURCHELL’s sehr wertvolle Angaben. Er erwähnt I, S. 138 Eguus zebra als zu seiner Zeit an dem nach diesem Tier benannten „Paardeberg“ bei Kapstadt schon ausgerottet, traf es aber noch (I, S. 265) auf den Bontebergen im Quellgebiet des Riet-Rivier O. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ. Tigerpferde. 237 östlich der heutigen Stadt Sutherland, an der Ostgrenze des gleichna- migen Distrikts — MATSCHIE zitiert irrtümlich „Red-River“. Eine zweite Angabe des „Zguus montanus“, nämlich gelegentlich einer Jagd an der schon von LICHTENSTEIN erwähnten Kossi-Quelle (II, 8. 275) dürfte wohl auf einer Verwechslung mit E. burchelli beruhen und eine dritte, die das Tier als angeblichen Bewohner der Kamhanni-Berge im südlichen Betschuanenlande anführt, kann, da ihr keine eigene Beob- achtung zugrundeliegt (II, S. 315) übergegangen werden. — Sicher auf Zquus qu. quagga beziehen sich folgende Beobachtungen: an der Jakalsfontein im jetzigen Distrikt Sutherland, (II, S. 258), am Zakrivier, der damaligen Grenze der Kolonie (I, S. 280), bei der Patrysse-fontein (T, S. 287) und am Brakkerivier (I, S. 289) unmittelbar jenseits derselben im jetzigen Distrikt Fraserburg. Sehr häufig traf der Reisende das Quagga entlang der östlicheren damals üblichen Reiseroute, die durch die heutigen Distrikte Murraysburg, Richmond, Hannover und Coles- berg führte; auf diese Gegenden beziehen sich die Angaben von Gras- station (II, S. 31), Astrildstation (II, S. 42), Quaggastation (II, S. 81, 83), Rhenoster-Poort (II, S. 90, 94), den Geranium-Rocks (II, S. 98), Pondstation (II, S. 109) und Wortelfontein (II, 184). „Quaggas* nennt der Autor die nördlich vom Oranje angetroffenen Kguus qu. burchelli zum Teil noch im Bericht über seine erste Reise — so I, S. 4531, 451 (Grootfontein), während I, S. 486 bereits der Ausdruck „Zebra“ an- sewendet wird (bei Klaarwater, dem späteren Griquatown, wo ein „Zebra“-fohlen den Jägern zulief). In dem Berichte über die zweite Reise in das Betschuanenland findet sich durchwegs die Bezeichnung „Zebra“, so bei Ongeluks-fontein (II, S. 259), bei der Kossi-Quelle (IL, S. 278), von der einige Seiten vorher (II, S. 273) das wildhorse („Eguus montanus, gewöhnlich, aber fälschlich Quakka genannt“) an- geführt ist, von Kuruman (II, S. 302), vom Makwariefluß (II, S. 315) und von Littaku (Il, S. 420). Fast gleichzeitig mit und unmittelbar nach BURCHELL bereiste der schottische Reverend JOHN CAMPBELL das Land. Ich bedaure, daß ich den Bericht über seine erste Reise, der 1815 in London er- schienen ist, gar nicht, den über die zweite nur in einer recht holperigen deutschen Übersetzung auftreiben konnte, denn der letztere enthält einige interessante biologische, wie auch wenigstens eine tier- geographische Beobachtung. Die Reise führte durch die Karru, über das eben (1820) gegründete Beaufort-West auf dem üblichen Wege an den Oranje und darüber hinaus nach Norden bis in das Gebiet 238 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, des Molopo und Maritzani. Das echte Quagga erwähnt der Reisende nur zweimal und zwar (l. c. S. 17) für die Gegend nördlich der „Drie Koppen“ (der three sisters der modernen englischen Karten, im Süden des jetzigen Distrikts Vietoria-West) und dann gelentlich der Rück- reise für das Oranje-Ufer bei Ramah (l. c. S. 283). Die Stelle beweist, daß dem Verfasser der Unterschied der südlichen und der nördlichen Quaggaform aufgefallen ist: „... dunkelfarbige Quaggas, die von denen jenseits des Großen Flusses merklich verschieden waren. Die letzteren waren schön schwarz und weiß gestreift wie Zebras. Die Gestalt des Körpers und die Anordnung der Streifen unterscheiden das Zebra hin- längelich vom Quagga..“ Es geht daraus hervor, daß die von dem Verfasser nördlich des Oranje beobachteten „Quaggas“ — wie ja an- zunehmen — durchweg Burchellzebras waren. Sie werden natürlich oft erwähnt, ich möchte aber, da diese Gegenden für uns weiter kein tiergeographisches Interesse haben, nur eine Stelle anführen (]. c. S. 142 und S. 163), in der der Verfasser von einer Begegnung mit einer nach Süden ziehenden Herde von mehreren hundert Stück berichtet — „... etwa hundert Schritt vor derselben ging der Leithengst einher... Sie machen alljährlich im Winter diese Wanderung von den nördlichen Hochländern in die Nachbarschaft des Malalarih, wo das Land nied- riger und die Witterung milder ist.“ Die betreffende Gegend ist der jetzige Bezirk Mafeking, das bevorzugte Überwinterungsgebiet die Gegend von Kunana, wo noch HoLUB massenhaft „Quaggas“ traf und wohl auch die Salzpfannengebiete von Groot-Chwang und Klein- Chwang (in der älteren Literatur meist Chooing, aber auch Chuaing und sogar Chooi geschrieben), von denen zum Beispiel HARRIS und CUMMING sprechen. — Sehr interessant ist, daß CAMPBELL an mehreren Stellen schon über die starke Abnahme des Wildes klagt, zum Beispiel S. 29 bezüglich des Griqualandes und S. 290 bezüglich der Gegenden südlich vom mittleren Oranje (Seekuhflußgebiet usw.). GEORGE THOMSON bereiste im Jahre 1823 die Kolonie und das Griqualand und berichtete darüber in einem prächtigen Reisewerke, das 1827 in London erschienen ist. Merkwürdigerweise ist dieses Buch, das auch eine Abbildung des Quaggas enthält, sowohl MATSCHIE als auch RIDGEWAY entgangen. THOMSON fand die Quaggas Vlaakte (englisch Quaggas flats) bereits besiedelt und erwähnt daher von dort auch kein Wild außer den berühmten Elefanten des Addo-Busches (l. ec. S. 15). Dagegen traf er am Zusammenfluß von großem und kleinem Fischfluß noch „flocks of quaghas, ostriches, springboks, and O. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ. Tigerpferde. 239 other wild animals“ (S. 29) und in „the plains gently declining from the Sneuwberg.. thousands of antelopes, quaghas, and gnoos“ (S. 55, Gegend der heutigen Distrikte Middelburg und Richmond). Groß war auch noch der Wildreichtum am rechten Ufer des Oranje, flußabwärts von Ramah: „numerous herds of game: quaghas, elands, gno0s, koodoos, hartebeests, gemsboks, and smaller antelopes .. The gnoo here was of a larger size, and apparently different from that of the other side of the Cradock [=Oranje], being of a dark blue colour, and having a black bushy tail, instead of a white one. I observed also two sorts of hartebeest.“ Ich führe diese Stelle (S. 67) wörtlich an, weil sie nicht nur interessant, sondern auch bezeichnend für den klaren Blick des Reisenden ist. Später wird Eguus quagga noch für die Umgebung der Slingerfontein in den Spioenbergen (jetziger Distrikt Calvinia) erwähnt (8. 326). Das Burchellzebra erwähnt der Autor (S. 91) für die Strecke zwischen Griquatown uud Kuruman: „J observed a new species of quagha, more distinctly striped than that of the Colony, and approaching in appearance to the zebra.“ — Außerordentlich wichtig ist die Feststellung des Zebras, die einzige Erwähnung dieses Tieres im ganzen Buch, am unteren Hartebeestrivier, einem südlichen Neben- flusse des Oranje im jetzigen Distrikt Kenhart (S. 255). Die Reisen- den kamen auf dieses Tier zu Schuß, nachdem in furchtbar öder Fels- wüste vier Tage lang kein Wild zu sehen war. Durch diese Angabe eines sehr verläßlichen Beobachters erfährt das bisher bekannte Ver- breitungsgebiet dieser Art eine wesentliche Erweiterung, auch wenn es sich, was ich mit Bestimmtheit annehme, dabei um die nördliche Form, E. zebra hartmannae, handelt. Die erwähnte Abbildung ist eine Tafel, die in Sepia-Zeichnung einige charakteristische Tiere des Landes darstellt: im Vordergrund ein Gnu, etwas weiter rückwärts zwei Quaggas, im Mittelgrund ein liegendes Gnu und einige Hartebeeste, im Hintergrund Strauße und Giraffen. Das im Profil gezeichnete Quagga gleicht am meisten der bekannten, auch bei RIDGEWAY wieder- gegebenen Quaggadarstellung von DANIELL. Der Kopf ist in bezug auf die Streifung entschieden verunglückt; von der nur wenig auf- geheilten Grundfarbe des Halses heben sich zwölf schmale dunkle Streifen ab, die auch in der weißen Mähne gut sichtbar sind; bis gegen die Lenden hin folgen dann noch neun verschieden breite, durchweg kurze Streifen; die Unterseite, die Beine bis zur halben Keulenhöhe und der dünne Pferdeschweif sind hell, beziehungsweise weiß. Wenn auch die Zeichnung des Tieres zweifellos ebenso falsch wiedergegeben 240 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. ist wie auf dem Bilde von DANIELL — der Fehler der viel zu schmalen dunklen Streifen ist genau der gleiche wie auf sehr vielen späteren Zebrabildern, zum Beispiel auch jenen der von A. HELD stammenden Zeichnungen bei MATSCHIE — so gibt das Bild doch den dunklen Gesamteindruck, der nur durch die helle Unterseite, Mähnen- und Schwanzbehaarung etwas aufgehellt wird, gut wieder. Den jetzt folgenden Autor könnte ich, so interessant sein Reise- werk auch ist, hier übergehen, wenn nicht das einstige oder sogar jetzige Vorkommen des echten Quaggas in Südwestafrika auch noch in neuester Zeit, z.B. von A. FISCHER und STEINHARDT behauptet worden wäre. Das alte Reisewerk von SIR JAMES ALEXANDER (1838) liefert den klarsten Gegenbeweis, ich erwähne es aber nicht nur aus diesem Grund, sondern auch, weil uns in seinem Verfasser wieder ein ganz ausgezeichneter Beobachter und vorzüglicher Schriftsteller entgegen- tritt, dessen Bericht über das Groß-Namaland und Damaraland wohl wert ist, wieder in Erinnerung gebracht zu werden. ALEXANDER wendet für die südafrikanischen Tigerpferde die BURCHELLschen Bezeichnungen ar, wie er ], S. 214 ausdrücklich mitteilt; er versteht also unter „Zebra“ das Burchellzebra, unter „Wildhorse“ das Bergzebra (E. zebra im weiteren Sinne), unter Quagga nur das echte Zguus guagga im eng- sten Sinne. Letztere Art tritt uns nun nur ein einziges Mal entgegen und zwar gelegentlich der Anführung der Unterscheidungsmerkmale der drei Tigerpferde an der oben zitierten Stelle. Erlegt oder beob- achtet hat der Autor, der sonst sorgfältig alle Jagden verzeichnet, diese Form im Groß-Nama- oder Damaraland niemals! Umso häufiger die beiden anderen Formen, das Burchellzebra und das Berg- bezw. Hartmannzebra. Letztere Art, das Wildhorse des Autors, tritt uns ent- gegen an der Ostseite der großen Karasberge — „a troop of wildhorses crossing rapidly the hill side“ (I, S. 214) und südlich Bullsmouth- Paß (Bullspoort), bei welcher Gelegenheit die „powerful limbs“ des erlegten Hengstes besonders erwähnt werden (I, S. 298). Bezüglich des von ihm „Zebra“ genannten Equus qu. burchelli sagt ALEXANDER (I, S. 191): — „zebras are every where in the land.“ Ausdrücklich er- wähnt wird die Art dann für die Gegend östlich von Bethanien (I, S. 246), nördlich von Bethanien (I, S. 257), wo damals ein Hotten- tottenjäger HENRIK die Tiere durch unausgesetzten Dauerlauf zur . Strecke zu bringen pflegte (I, S. 261#ff.), südlich Ausabip (I, S. 277) — „It was a fine sight to witness the mares, young males, anda a fol halt, whilst a powerful stallion, with his mane as if newly hogged, OÖ. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ. Tigerpferde. 241 and his tail switching his striped thigs, come on singly to reconnoitre my horse and the packing oxen“ — für die Kaikaap-Ebene (I, 296), den Bullsmouthpaß (II, S. 8), den Humarisfluß (II, S. 115), das rechte Ufer des Kuisib, südwestlich des Oosip-Berges (II, S. 121) — „on the plain we saw in every direction zebras grazing in herds of six or eight. I had never seen before such a number of these beautiful ani- mals together“ — und II, S. 143 — „a large troop of whitelegged zebras, with sleek coats shining in the sun, galopped across the plain“ — bei Niais (II, S. 173) — „It was a fine sight in the evening, the herds and flocks returning from their pastures, where they had been erazing in company with zebras and steenboks... by creeping amongst a herd of cattle one day ELLIOT shot a male zebra..“ Ich habe diese Stellen absichtlich ausführlicher zitiert, um damit von vornherein dem Einwand zu begegnen, daß man hier bezüglich des Nichtvorkom- mens des Quaggas keinen Schluß e silentio ziehen dürfe. Der Autor beweist in seinen Bemerkungen über die Tigerpferde so viel Interesse gerade für diese Tiere, daß er uns auch seine Begegnungen mit dem Quagga gewiß nicht verschwiegen hätte, wenn es ihm eben begegnet wäre. Gegenüber diesem Schweigen ALEXANDER’s fallen die älteren Berichte über das Vorkommen von Quaggas im Namalande, auf die sich FISCHER offenbar stützt, insbesondere das Tagebuch des Kapitän HENDRIK Hop über seine im Jahre 1762 unternommene Reise, die unter zahlreichen anderen wilden Tieren und neben wilden Pferden und Eseln auch „Quachas“ nennt, natürlich gar nicht ins Gewicht. An anderer Stelle (Morırz S. 177) spricht der gleiche alte Reisende übrigens nur von „wilden Pferden und gestreiften Eseln*, seine Reise- gefährten T. Roos und P. MARAIS erwähnen nur eine „große Menge wilder Pferde.“ Das zweite, eigentlich ältere Reisewerk SIR JAMES ALEXANDER’s (1837) enthält keine wichtigeren Angaben. Daß der Verfasser das Quagga unter dem Wild der Amakosa-plains insbesondere der Bonte- bok-Flats (im heutigen Distr. Catheart), welche er (I. S. 383) „Aboun- ding with game“ nennt, nicht anführt, sondern nur den Buntbock, Kudu und Gnu, ist aber vielleicht doch bemerkenswert, wenn man an die oben zitierte Bemerkung LICHTENSTEIN’ über die Faunen- grenze des Keiskama denkt, die allerdings wohl nur die küstennäheren Gebiete meint. Erwähnt wird in diesem Werke nur das Quagga und auch dies nur einmal (II. S. 52) für das linke Ufer des Großen Fischflusses bei Kaffrdrift. 16 242 | Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. SIR JAMES ALEXANDER’ Zeitgenosse und Freund war der be- rühmte Reisende SIR WILLIAM CORNWALLIS HARRIS, dessen prächtige „Portraits of game“ zu den schönsten, aber auch bekanntesten Werken über das alte Südafrika gehören. Viel weniger bekannt, aber, wie wir sehen werden, nicht weniger wichtig ist das eigentliche Reisewerk dieses ausgezeichneten Beobachters und gottbegnadeten Schilderers, das wir daher hier besonders berücksichtigen wollen. HARRIS reiste von dem 1820 gegründeten Port Elisabeth aus und berührte dabei auch die einst so wildreichen Quaggas-flats zwischen Sonntags- und Buschmannsfluß; von Wild traf er dort aber nur mehr drei Strauße, einige Springböcke und den „Rhebok“ (Pelea capreolus) und bezeichnet die Gegend als „miserable country“. Auf Tigerpferde traf er zuerst in der Parklandschaft südlich Klein-Chwang (,„Little- Chooi“), von wo (l. c. 8.55) „small troops of striped quaggas, or wild asses, and of brindled gnoos“ vermerkt werden. Später traf er es (S. 59) in der weiteren Umgebung noch häufig, nennt es aber zuweilen auch „zebra* — z.B. am Meritsanefluß (S. 65) —, gewöhnlich aller- dings „quagga* — z. B. am Mariquafluß (S. 159), in den Cashan (—Magalies-) Bergen (S. 192), südlich derselben, aber noch nördlich das Vaal: „Numerous hartebeests and quaggas were disturbed by our advance; and the white tailed gnoo, which now occurred for the first time since passing Kuruman, was again bellowing, stamping, and tossing its excentric head... . Pursuing a herd of many hundred elands, we were joined in the chase by the prettily striped foal of a quagga, which neighed and frisked by the side of our horses for a considerable time before it discovered its mistake* (S. 167). Vom äußersten Norden des späteren ÖOranjefreistaates, zwischen Valse- Rivier and Zand-Rivier verzeichnet er (S. 289) ebenfalls das Quagga ohne weiteren Zusatz — es wird also wohl noch das ihm damals noch geläufigere Bunte Quagga gewesen sein, denn für das Vet-Rivier-Ge- biet wird bereits ausdrücklich das echte Quagga angeführt: „At every step incredibie herds of Bontebucks, Blesbucks, and Springbucks with troops of Gnoos and squadrons of the common or stripeless Quagga were performing there complicated evolutions“. (S. 303). Wenige Seiten später erwähnt er für das Land südlich dieses Flusses, also etwa den heutigen Distrikt Winburg, ausdrücklich „the common Quagga. That animal had now entirely supplanted Burchells Zebra, and its flesh, although infinitely more yellow, rank, and oily than that of a horse, was greatly esteemed by the Hottentotts“. Diese Angabe ist OÖ. ANTONIUS, Qnellenstudien zur Verbreitung der Kapländ. Tigerpferde, 243 als die einzige, die wir über die Abgrenzung der Verbreitungsgebiete beider Quaggaformen im ÖOranjefreistaat besitzen, von ganz besonderer Wichtigkeit. — Die Beschreibung der drei Tigerpferde im Appendix ist im allgemeinen gut, nur scheint dem Verfasser beim Burchellzebra ein abnormales Stück vorgelegen zu haben, da er (S. 372) „an udder with four mammae“ erwähnt. Wenn er an der gleichen Stelle „Belly and legs pure white“ nennt, so dürfen wir daraus schließen, daß ihm vorwiegend die südlichste Form des Burchellzebras untergekommen ist. Die Beschreibung des Quaggas ist vorzüglich und ich gebe sie daher vollständig wieder: „About the height of the Burchells Zebra, but of a more robust form. Ears and tail equine, as in the precee- ding; the former marked with two black bands. Crest very high, surmounted by a standing mane banded alternately brown und white. Colour of the head, neck, and upper part of the body reddish brown; irregularly banded with dark brown stripes, stronger on the head and neck, and gradually becoming fainter until lost behind the shoulder. Dorsal line broad; belly, legs, and tail white. Still found within the Cape Colony. Inhabits the open plains south of the Vaal River in immense herds“. Auf HArRiıs folgt in der Reihe der Reisenden, denen wir wenigstens kurze Mitteilungen auf dem einschlägigen Gebiet verdanken, der Missi- onar ROBERT MOFFAT, der nachmalige Schwiegervater LIVINGSTONE'’S. Seinem Reisewerk entnehmen wir allerdings rur wenig — daß er im südlichen Groß-Namaland zweierlei Wildpferde traf: „zebras abounded, and wild asses, though less numerous than the former“ (S. 119). Natürlich ist mit dem Zebra Equus qu. burchelli, mit dem wild ass das Berg- bezw. Hartmannzebra gemeint. Später erwähnt er für die Tränke bei Chwang (Chooing) „a troop of quaggas“ (S. 462). Ich schließe hier einige Bemerkungen über Tigerpferde des Nama- und Damaralandes an, die ich der oben zitierten Zusammenstellung von MORITZ entnehme, weil mir die Originale nicht zugänglich waren. Der Missionar A. ALBRECHT (l. c. S. 203) erwähnt z. B. neben Elefant, Nashorn, Giraffe und „verschiedenen Arten von Böcken“ auch das „Quacha“. Es geht aus der burischen Bezeichnung für die Antilopen hervor, daß offenbar auch der Name Quagga nur im landläufigen (weiteren) Sinne gemeint ist und keineswegs als Beweis für ein Vor- kommen des echten EZguus guagga im Namaland gewertet werden darf. — Der Missionar JAMES BACKHOUSE erwähnt 1840 für die Gegend zwischen Oranje und Warmbad: „Das Bergzebra, Equus zebra 16* 944 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1998. der wilde Esel, ist hier häufig“ (S. 237). Der Missionar KLEIN- SCHMIDT fand 1842 auf der Reise nach Bethanien und Eikhams süd- lich vom Hutub-Fluß auf einer großen Ebene viele Zebras (S. 251) und schoß bei Aris „ein wildes Pferd oder Zebra. Es war sehr fett und beinahe so groß wie ein hiesiges zahmes Pferd“ (S. 255). Ersteres Zitat bezieht sich wohl auf Zquus qu. burchelli, letzteres auf Eguus 2. hartmannae. — Zwei Jahre später fand KNUDSEN zwischen Achaub und Gouhoas neben anderem Wild auch Zebras und erlegte eine Stute. Er bemerkt bei dieser Gelegenheit: „Das Fleisch des Zebras hat einen tranigen Geschmack, besonders das des weißen“ (S. 144). Es geht aus dieser Beobachtung, die in neuester Zeit durch G. BLAINE wieder bestätigt wird, hervor, daß dem Verfasser beide dortigen Zebraarten bekannt waren. — In den Aufzeichnungen ©. H. HAuns aus dem Jahre 1843 wird das „Zebra“ für die Umgebung von Elber- feld (Klein-Windhoek) und Rehoboth erwähnt — S. 177, bezw. 203. — Im Tagebuch RATm’s aus dem Jahre 1845 wird die Erlegung eines Zebrasim Bergland von Tsaobis angeführt (S. 230). — Das Vorkommen zweier verschiedener Tigerpferde am Kuisip erwähnt auch der Missi- onar SCHEPPMANN in dem Bericht über seine Reise von Rehoboth nach der Walfischbai (l. c. S. 239), wo er zunächst die Erlegung eines sehr mageren „Zebras“ erwähnt und dann weiter sagt: „Als wir nach der Rast ein Stück gefahren waren, schossen die Leute einen wilden Esel. Dieser Esel war nicht so mager als das erwähnte Zebra. Nur durch die Ohren, Mähne und Hufe unterscheiden sich die Esel von den Zebras; wenn sie im Felde laufen, kann man sie nicht ausein- anderhalten“(!) — Im Jahre 1846 erwähnt der gleiche Autor Zebras von einer Salzquelle im Hinterland der Walfischbai (S. 142). Es handelt sich dabei wohl um das heute noch vereinzelt dort auftretende Hartmannzebra, also die von ihm an anderer Stelle als „wilder Esel“ bezeichnete Art. — Dieses Tigerpferd ist zweifellos auch mit der Angabe J. S. HAHN’s, 1852, gemeint, der von dem Broekkros-Berg nördlich von Berseba sagt: „in dem Herzen des Berges hält sich noch das Zebra auf“ (S. 245). Zehn Jahre nach HARRIS bereiste der Schotte ROUALEYN GORDON CUMMING annähernd die gleichen Gegenden, wenn er auch im allge- meinen eine mehr westliche Route einschlug. CUMMING war ein guter Beobachter, aber ein in seiner Art ebenso erbarmungsloser Schießer wie die von ihm gebrandmarkten burischen Felljäger, die damals schon allenthalben ihr Unwesen trieben. Sein Reisebericht ist merk O. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ, Tigerpferde, 245 würdigerweise in Paris erschienen. Er fand auf den Thebus-Flats im Süden des jetzigen Distrikts Steynsburg zwar noch „countless herds of springboks*, aber keine Quaggas und größeren Antilopen mehr, erwähnt die ersten Gnus aus dem jetzigen Middelburg-Distrikt, wo sich auch die famose nächtliche „Quaggajagd“ zutrug, bei der einige Pferde eines Nachbars zur Strecke kamen, und bald darauf (S. 26) die ersten Quaggas. Zehntausende von Springböcken und große Herden von Quaggas, Gnus, Bläßböcken und Straußen werden für die Karru- Ebenen des jetzigen Colesberg-Distriktes erwähnt (S. 29) und „excellent sport among the wildebeests and quaggas“ für die Gegend zwischen de Beers Vley und dem Oranje. Merkwürdig und auffallend ist, daß der Autor für das von ibm als „Blesbok-country“ bezeichnete Riet- Rivergebiet neben Bläßböcken zwar Springböcke und schwarze Gnus, nicht aber Quaggas erwähnt (S. 54) — sollten sie als die wenigst raschen unter ihren Gesellschaftern damals schon den berüchtigten Felljägern in dieser Gegend zum Opfer gefallen sein? — „Zebras“, also natürlich Zpuus gu. burchelli, erwähnt der Autor im weiteren Ver- lauf der Reise im Betschuanaland und heutigen Nordwest-Transvaal noch oft. So z.B. S. 68 zwischen Koning und Kuruman, S. 70 bei Klein Chwang (Little Chooi); biologisch bemerkenswert ist darunter die Bemerkung auf S. 188, daß einem Jagdhund, der Zebras verfolgte, durch den Hufschlag eines solchen die Schulter zerschmettert wurde, so daß er getötet werden mußte. CUMMING ist der letzte Reisende, der das Quagga des Kaplandes selbst gejagt hat; für den Oranjefreistaat erwähnt es in seinem 1868 erschienenen Buche noch G. FRITScH, der bezüglich der Umgebung von Bloemfontein S. 131 nach Erwähnung von Gnu, Bläßbock und Springbock weiter sagt: „eine Gattung Wild, das gewöhnliche und das „bonte‘‘ Quagga, welches sonst diese Gegenden auch zahlreich besucht, erblickten wir damals zufällig nicht“. Ein Holzschnitt auf S. 135 stellt nach einer photographischen Aufnahme je ein Quagga, Gnu und Bläßbock lebend dar. Ersteres ist sehr stark gestreift, bis in die Flanken, doch scheinen sich die Streifen, die in der Schulter- gegend recht verschwommen sind, in der Rückenpartie in der Grund- farbe zu verlieren; der Aalstrich reicht bis zur Schwanzwurzel; der Schwanz ist eselartig, die Kruppe des sehr mageren Tieres eckig, die Beine rein weiß. — Das damals ebenfalls schon stark zurückge- drängte Burchellzebra fand der Reisende zuerst am Sitlagole (S. 292). Gleichzeitig mit FRITSCH reiste und jagte der Sammler und 246 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Händler J. CHAPMAN in Südafrika bis zum Sambesi. Die zahlreichen Erwähnungen von Quaggas in seinem Reisewerk beziehen sich fast durchwegs auf nördlichere Formen des Burchellzebras, insbesondere das ihm zu Ehren benannte Eqguus qu. chapmani LAYARD und fallen daher nicht mehr in den Rahmen dieser Studie. Interessant ist abers daß er am Antritt seiner Reise im Nordosten des Öranjefreistaats noch „myriads of quaggas, springboks, blesboks, and wildebeest or black gnus“ fand (S. 6) — diese Gegend kam also bezüglich der Wilävernichtung erst später an die Reihe. Das „Quagga“ ist wohl als Burchellzebra aufzufassen. Bemerkt zu werden verdient auch die Tatsache, daß der Autor, der ein gründlicher Kenner des Landes und Wildes war, das später von MATSCHIE als Eguus hartmannae aufge- stellte Bergzebra, das heute auf die Küstenregion beschränkt ist, nicht nur in dieser, sondern auch am Nosop angetroffen hat. Die betr. Stelle findet sich Bd. I. S. 331, nachdem unmittelbar vorher noch „Quaggas“ erwähnt wurden, und lautet: „On again crossing the river... we saw for the first time the Wildepaard (E. montanus), which gene- rally inhabits elevated or mountainous regions“. Eine recht gute Beschreibung des Hartmannzebras bietet die zweite Erwähnung Bd. II. S. 318.: „From Wilsons Fountain made a trek of about nine miles, during which we saw several zebras. This is not the small black zebra, such as are found in the colony, but a larger, dulier, heavier animal, with a good deal of yellow ochre about it, especially the stripes of the face. Iam inclined to think, that two different zebras, or Equus montanus, have never been described“. Zehn Jahre nach CHAPMAN und FRITSCH berichtete ERNST VON WEBER über seinen vierjährigen Aufenthalt in Südafrika. Er erwähnt das Quagga nicht mehr, wohl aber gedenkt er der fürchterlichen Wildschlächtereien im Oranjegebiet. Ein auf der Titeltafel mit dar- gestelltes Burchellzebra war ihm von einem Händler in Kimberley für diese Aufnahme geliehen worden. Und fast gleichzeitig bezeichnet F. E. BUCKLEY in der bekannten Studie das Quagga als ausgerottet. MATSCHIE (8.39) erwähnt allerdings noch eine Angabe HoLUB’s nach welcher „bei Colesberg heute noch 15 Exemplare geschont leben“. Sieht man aber die Originalstelle bei HoLUB nach, so findet man, daß sie folgenden Wortlaut hat: „Bei Cradock auf den flachen Häuptern einiger Tafelberge finden sich noch mehr denn 50 der eigentlichen Quaggas, ich glaube die einzige Art, die wir noch in Südafrika an- treifen. Mit Freuden beobachtete ich, daß sie von einigen der Farmer R ’ ® 4 O. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ, Tigerpferde. 247 geschont wurden; vor etwa 10 Jahren waren sie schon bis auf etwa 15 Stück herabgeschmolzen“ (l. c. I. S. 46), Diese Angabe, die für den Besuch HoLup’ im Jahre 1872 gilt, bezieht sich also erstens gar nicht auf Colesberg, sondern auf Cradock, und zweitens meint sie offenbar nicht das die Ebenen bevorzugende Quagga, sondern das heute noch auf diesen Bergen vorhandene Bergzebra; sie beweist also höchstens, daß zu jener Zeit auch gebildetere Reisende die beiden Wildpferde bereits verwechselten — wie dies fünfzig Jahre früher z. B. schon bei dem vortrefflichen THOMAS PRINGLE der Fall war, der für das östliche Kapland nur von „Quaggas“ spricht, auch dort wo ganz bestimmt das Bergzebra gemeint ist. Von späteren Werken ist hier nurnoch das stimmungsvolle Buch von H. A. BRYDEN zu erwähnen, weil es Daten über die Ausrottung des Quaggas in der östlichen Karru enthält. Nach diesem Autor wären die beiden letzten Quaggas dortselbst im Jahre 1858 beim Tigerberge unweit Aberdeen geschossen worden. „I have seen old quagga-skin sacks still in use in a Dutch farmhouse“ (l. c. S. 401). Dies war alles, was der Verfasser von dem einst so häufigen Be- wohner der Karru noch zu sehen bekam! — Das Zebra kam dagegen zur Zeit BRYDEN’s noch an vielen Stellen vor, aber stets an unzu- gänglichsten Teilen des Gebirges. Das Buch enthält auch als Titel- bild die erste Lebendaufnahme eines Bergzebrahengstes — „captured in Achter Sneuwberg near Graaff-Reinet, in 1877“. Wir werden also wohl annehmen müssen, daß das letzte Quagga, das in einem europäischen Tiergarten lebte und das im Jahre 1885 in Amsterdam einging, auch tatsächlich das letzte Exemplar dieser Art war, die mit seinem Tode aufgehört hatte zu existieren. B. Ergebnisse. Halten wir die oben zitierten Angaben über das einstige Vor- kommen der südafrikanischen Tigerpferde nebeneinander, etwa indem wir die Örtlichkeiten mit verschiedener Farbe in einer größeren Karte eintragen, so ergibt sich ein wesentlich anderes Bild, als man es bisher angenommen hat. Es ergibt sich für den Formenkreis von Equus zebra L. (also einschließlich hartmannae MTscH.) folgende Ver- breitung: im Südosten des Kaplandes bis zur Algoa-Bai (PATERSON), im Nordosten bis in den jetzigen Distrikt Steynsburg (BARROW), im Südwesten von der Küste bei Kapstadt und Swellendam (SPARRMANN) 248 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. bis tief in die Karru (Geelbeck, BARROW) und Bonteberge (BURCHELL), im Westen vom Piquetberg (PATERSON) über die Camisberge (LE- VAILLANT) bis an den unteren Oranje- (PATERSON) und Hartebeest- fluß (Taomson). Jenseits des Oranje von der Küstenwüste bis öst- lich der großen Karasberge (ALEXANDER) und an den Nosop (CHAP- MAN). Weiter nördlich scheint sich das Verbreitungsgebiet rasch zu verschmälern — ich möchte aber doch erwähnen, daß mir der bekannte Hagenbeck-Reisende und Tierfänger Freiherr v. REDWITZ, der selbst mehrere Hartmannzebra nach Europa gebracht hat, erst kürzlich mit aller Bestimmtheit versicherte, er habe dieses Tier nach Osten bis zur Etoscha angetroffen. Im äußersten Norden seines Verbreitungs- gebietes ist es nach BLAINE auf einen Küstenstreifen von 30 engl. Meilen beschränkt. Die Verbreitungsgrenze zwischen den beiden jetzt unterschiedenen geographischen Rassen Zquus zebra zebra L. und Equus zebra hart- mannge MTSCH. dürfte nach obigem nicht der Oranje sein, sondern es scheint, daß die größere Form auch noch zumindest in den Camis- bergen (LEVAILLANT) aufgetreten ist. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, daß gerade die Bergzebras der Umgebung von Kapstadt, wo sie seit langer Zeit ausgestorben sind, in der Färbung zwar dem typischen E. 2. zebra, in der Größe dagegen E. 2. hartmannae geglichen haben. Dafür spricht z.B., daß auch der alte EDWARDS, der in seinen Gleanings of Natural History ein typisch gefärbtes Bergzebra abbildet, dessen bedeutendere Größe gegenüber dem auf dem nächsten Bild dargestellten Quagga hervorhebt. Bei der damaligen Ausdehnung der Kolonie nur bis Swellendam werden wohl beide abgebildeten Tiere aus der näheren oder weiteren Umgebung von Kapstadt, also aus dem Südwesten des Kaplandes stammen. Bezüglich der Verbreitung des echten Quaggas, Eguus quagga quagg« Gm., müssen wir zunächst allerdings feststellen, daß Belege für sein Vorkommen innerhalb der eigentlichen südwestlichen Küsten- ebene, also etwa in den jetzigen Distrikten Piquetberg, Malmesbury, Paarl, Capetown und Stellenbosch, gänzlich fehlen. Zweifellos kann angenommen werden, daß die holländischen Ansiedler in der Umge- bung der Kapstadt zuerst das Bergzebra kennen lernten, da sie diesem und nicht dem viel pferdeähnlicheren Quagga den nächstliegenden Namen „Wildpferd“ gegeben haben. Andrerseits erwähnt schon der alte PETER KoLB, so deutlich er das Zebra beschreibt, den Namen Quagga oder, wie er ihn schreibt „qauaiha“ (l.c. S. 147, bezw. S. 360). O. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ. Tigerpferde. 249 Auch für die südliche Küstenebene, also die jetzigen Distrikte Caledon, Bredasdorp und Swellendam, ist das Quagga nicht sicher nachgewiesen, da die einzige Stelle, die es von dieser Gegend anführt (SPARRMANN) sich auf ein zahmes, möglicherweise von anderwärts ‘stammendes Tier bezieht. Im Südosten der Kolonie dagegen war es häufig und kam ursprünglich bis an die Küste vor — Algoabai (PATERSON) und deren unmittelbares Hinterland, z. B. die nach ihm benannte Quaggas Vlaakte (SPARRMANN, LICHTENSTEIN). Weiter nörd!ich bildete der Keiskamma die Ostgrenze (LICHTENSTEIN). Ob es in den Ebenen des Kaffernlandes ursprünglich fehlte, z. B. auf den Bontebok-Flats, ob es zur Zeit ALEXANDER’s dort schon ausgerottet war oder ob es von diesem Autor für die fragliche Gegend nur zufällig nicht erwähnt wurde, entzieht sich unserer Beurteilung. Im Inneren des Kaplandes war es allgemein verbreitet, wie nicht nur die vielfachen Angaben der Reisenden von SPARRMANN, PATERSON und BARROW an, sondern auch die zahlreichen, z. T. heute noch erhaltenen Ortsnamen beweisen. Ich erwähne von letzteren: je ein Quaggasfontein .im nördl. Bokke- veld (Distrikt Ceres), im Middel-Roggeveld (Distrikt Sutherland), nörd- lich der Nieuweveldberge (Distr. Beaufort-West) und an der Bahn- linie de Aar-Prieska (Distr. Britstown), einen Quaggaskop bei Fraser- burg und eine Quaggasputs beim Katkop-Berg im nördlichen Calvinia. Die Nordgrenze des echten Quagga wird etwa bezeichnet durch folgende Angaben: Küstenwüste südlich der Oranjemündung (PATER- son), Karruebenen nördlich de Beers Vley im Distrikt Hopetown (CUMMING), rechtes Oranjeufer bei Ramah (CAMPBELL, THOMSON), Vetriver, Distrikt Winburg (HARRIS). Gegenüber dem nördlicheren Verwandten, dem Burchellzebra, bildete zweifellos der untere Oranje die Grenze bis etwa zur Einmündung des Vaal. Jenseits des letzteren trat sicher nur Equus qu. burchelli auf, wie weit es aber südlich desselben vorgekommen ist, wissen wir leider nicht genau, da der Angabe von FRITSCH über das gemeinsame Auftreten beider Formen bei Bloemfontein die entschiedene Behaup- tung von HARRIS über das ausschließliche Vorkommen von Zqguus gu. quagga südlich des Vetriver gegenübersteht. Verdient die Angabe des aus eigener Anschauung berichtenden HARRIS auch den Vorrang vor jener FRITSCH’s, der in diesem Falle nur vom Hörensagen berichtet, so kann man doch ein sicheres Urteil nicht abgeben. Vielleicht lassen sich übrigens beide Angaben in Einklang bringen, wenn wir uns ver- gegenwärtigen, daß offenbar beide Quaggaformen mehr oder minder 250 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. ausgedehnte Wanderungen unternahmen, sozusagen ihre Winter- und Sommerstände hatten. So wie noch heute nach FISCHER die Quagga- form der Etoscha dort nur in der Trockenzeit in großer Menge auf- tritt, in der Regenzeit dagegen bis gegen die Küste zu streift, wie nach BLAINE in der Küstengegend zwischen Benguela und Mossamedes das „Bontequagga“ des inneren Landes alljährlich in der Regenzeit bis an die Küste vordringt, wo das Hartmannzebra jahraus jahrein lebt, wie uns CAMPBELL berichtet, daß die „Quaggas“ (recte Equus qu. burchelli) des Betschuanenlands im Herbst ihre viele Meilen ent- fernten Winterquartiere aufsuchten — so haben gewiß auch zumindest die Burchellzebras des Oranjestaates Wanderungen unternommen. Ob auch die eigentlichen Quaggas, dafür haben wir keine Beweise, werden es aber wenigstens für die Bewohner der dürren Karru-Gebiete doch wohl auch annehmen können. Das Fehlen der Tiere in Gebieten, in denen man sie sonst annehmen möchte — z. B. den Bontebokflats im Kapland (ALEXANDER), dem Rietrivergebiet im Oranjefreistaat (CUMMING ) steht vielleicht mit solchen Wanderungen in Zusammen- hang und wäre dann kein völliges, sondern nur ein zeitweises gewesen. Die offene Grenze zwischen diesen beiden Formen bedeutet aber noch eine andere Möglichkeit. Wo sich Tiere beider Rassen — wenn auch noch so vorübergehend, etwa auf einem gemeinsamen Winter- stand! — trafen, da war die Möglichkeit einer geschlechtlichen Ver- mischung, einer Erzeugung von Blendlingen gegeben. Denn die beiden Formen stehen sich so nahe, daß von einer geschlechtlichen Abneigung, wie sie zwischen artfremden Individuen im Freileben häufig ist, gewiß xeine Rede sein konnte. Wenn ein abenteuernder Junghengst der einen Rasse eine versprengte Stute der anderen ge- troffen hat, so hat er sie gewiß entführt und dann konnte wohl ein- mal ein Blendling entstehen, der zwischen den beiden ohnehin recht ähnlichen Formen in der Mitte stand. Ich glaube sogar einen solchen anführen zu können und zwar in dem bekannten Mainzer „Quagga“, das HILZHEIMER zu seinem Eguus burchelli paucistriatus stellt, während es SCHWARZ (1912) als echtes, wenn auch besonders stark gestreittes Quagga ansieht (Abbildung bei HILZ HEIMER (1912) Taf. 6, Fig.4). Wenn auch dieses Exemplar dem Quagga näher steht als dem typischen Burchellzebra, so erinnert es doch an letzteres durch den dunkelbraunen Farbton der Rückenstreifung, der viel dunkler ist, als an allen echten Quaggas, — auch den stärker gestreiften Individuen, von denen ich das Wiener, Baseler und Frankfurter aus eigener Anschauung Kenne. O. ANTONIUS, Quellenstudien zur Verbreitung der Kapländ. Tigerpferde. 251 Eine Abgrenzung des Verbreitungsgebietes zwischen Kguus quaggaL. im weiteren Sinne und Eguus zebra L. (einschließlich hartmannae MTscH.) erweist sich bei Berücksichtigung der oben wiedergegebenen Angaben als völlig ausgeschlossen. Wir sehen das angeblich auf die südlichen Randgebirge beschränkte Zebra nach Norden bis in die Zuureberge, also weit nördlich der großen Karru, verbreitet, treffen andererseits das Quagga, das doch nur nördlich dieser Randgebirge vorkommen sollte, südlich derselben an der Küste der Algoabai neben dem Zebra, finden beide Formen nebeneinander im Randgebiet der Karru, an den Quellen des Rietriver, in der Küstenwüste des Klein- Namalandes. Es handelt sich also hier sicher nicht um vikariierende Vertreter des gleichen Formenkreises, sondern um zwei spezifisch vollkommen von einander getrennte Typen, die ebenso nebeneinander im gleichen Faunengebiet auftreten, wie etwa Wildpferd und Halb- _ esel im eurasiatischen. Offenbar stellt Eguus zebra den älteren Typus dar, der ursprüng- lich weit über das ganze nicht bewaldete südlichste Afrika verbreitet gewesen sein dürfte und dem wahrscheinlich auch die spärlichen fossilen Reste kapländischer Equiden zuzuzählen sein werden. Dagegen halte ich mit SCHWARZ (1920) Equus quagga für einen Angehörigen des ostafrikanischen Faunengebiets und verhältnismäßig späten Einwanderer in Südafrika. Ein stärker bewaldetes Gebiet, vielleicht das Flußtal des Sambesi, mag während der quartären Pluvialzeit die Grenze zwischen beiden Typen gebildet haben. Als mit der zunehmenden Austrocknung des afrikanischen Kontinents die Einwanderungsmög- lichkeit für die nördliche Form gegeben war, rückte diese wie viele andere Elemente der ostafrikanischen Fauna nach Süden vor und bildete sich, je abweichender die Lebensverhältnisse des neu eroberten Gebietes in den vom ursprünglichen ostafrikanischen Verbreitungs- zentrum weiter entfernten Landstrecken waren, umso stärker in einer Entwicklungsrichtung um, die schon beim Zebra des Sambesi-Südufers erkennbar ist und beim echten Quagga der Karru ihre vorläufige Endform erreicht hatte — als der vordringende Weiße mit seiner europäischen „Kultur“ jeder Weiterentwicklung ein Ziel setzte. 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Wenn es mir heute möglich ist, etwas Neues über nordafrika- nische Schafe zu sagen, so danke ich das in erster Linie unserem Berliner Zoo, dessen verdienstvoller Leiter, Herr Geheimrat Heck, die Bedeutung der Haustiere für zoologische, anthropologische und ethnographische Fragen wie kaum ein Zweiter erkannt hat; der aber auch erkannt hat, daß die fremdländischen Haustiere von der Gefahr baldiger Vernichtung bedroht sind durch immer mehr wachsende Ein- fuhr hochgezüchteter europäischer Haustiere. So hat er denn seinerseits, soviel in seinen Kräften steht, dazu beigetragen, von diesen dem Unter- sang geweihten primitiven Haustieren zu retten, was zu retten ist. Er hat seit Jahren die verschiedensten fremdländischen Haustierrassen in dem seiner Leitung unterstellten Institut nicht nur gezeigt, sondern auch in der liberalsten Weise allen Interessenten zu untersuchen ge- stattet. Und so scheint es mir eine Pflicht der Dankbarkeit zu sein, einmal öffentlich auszusprechen, welche großen Verdienste Herr Ge- heimrat Heck hierdurch der Wissenschaft geleistet hat. — So sind denn auch sämtliche in diesem Aufsatz dargestellten lebenden Schafe nach Photographien, die im Berliner Zoologischen Garten gemacht sind, abgebildet. Nach zwei Seiten sollen sich meine Ausführungen erstrecken. Einmal sollen sie zeigen, daß auch die Schafe weit vielgestaltiger haben werden können, weit mehr voneinander abweichende Rassen haben bilden können, als man nach der verhältnismäßigen Einförmig- keit der europäischen Schafbevölkerung gewöhnlich vermutet. Die Hauptunterschiede der europäischen Schafrassen beziehen sich im wesentlichen auf die mehr oder weniger weite Wollerstreckung im Ge- sicht, am Schwanz und den Extremitäten, Lang- und Kurzschwänzig- keit, Schlappohrigkeit, Kurzohrigkeit und Hornlosigkeit. Die afrika- nischen Schafe werden zeigen, daß die Formenbiegsamkeit weit größer ist. Zweitens soll die Verwendbarkeit der Schafe für die Klärung der Frage nach der Besiedlung Nordafrikas gestreift werden. Da nämlich Schafe in Nordafrika ursprünglich nicht heimisch sind, müssen sie 254 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. nach dort importiert sein. Ihre heutige Verbreitung muß also bis zu einem gewissen Grade Fingerzeige über die Besiedlung Nordafrikas oder mindestens über ehemalige kulturelle Verbindungen bringen, wenn wir annehmen, daß wenigstens in späterer Zeit Haustiere nicht immer mit dem Volksstamm gewandert sind, dem sie ursprünglich angehörten, sondern durch Handelsbeziehungen weiter verbreitet worden sein können. Schon ADAMETZ hat ja in einer wichtigen Arbeit auf die Be- deutung der Haustiere für die Frage nach der Besiedlung Afrikas hingewiesen und dabei auch die Hausschafe mitbehandelt. Er hat sie jedoch entsprechend seinem Thema lediglich vom Standpunkt der Ha- mitenfrage aus beschrieben, während wir sie hier von einem allgemei- neren Gesichtspunkte aus betrachten wollen. Um dies zu tun, müssen wir versuchen, festzustellen, welche Rassen oder vielmehr Rassengruppen in Nordafrika beheimatet sind, was wir über den Ort ihrer Entstehung ausmachen können, wann sie nach Nordafrika gekommen sind und wieweit sie heute dort verbreitet sind. Bei der Beantwortung der. letzten Frage ist immer zu bemerken, wie wenig Reisende sich wirk- lich für die Haustiere der von ihnen besuchten Völker interessiert haben und brauchbare Nachrichten darüber mitgebracht haben. Das wichtigste davon hat ROBERT MÜLLER in seiner „Geographischen Verbreitung der Wirtschaftstiere“* gesammelt. An den Anfang der Betrachtung sei zur Erinnerung eine kurze Schilderung der Wildschafe, d.h. der Gattung Ov:s L. gestellt (Abb. XIII, 2—4), soweit deren Äußeres für unsere Zwecke in Betracht kommt), da wir so die im Hausstande erworbenen Abweichungen am besten er- kennen können. Alle uns interessierenden Wildschafe haben kurzes, straffes Haar, das sich höchstens beim Bock (Abb. XIII 2) am Halse zu einer Mähne verlängert, gelegentlich auch noch an der Kehle und den Ganaschen als lange Haarbüschel ausgebildet sein kann. Das Ge- sichtsprofil ist bei den Weibchen (Abb. XIII 3) und jungen Böcken (Abb. XIII 4) gerade, bei alten Böcken sind die Nasenbeine oft stark emporgewölbt, so daß das Profil unmittelbar vor den Hörnern schwach konkav, weiter nach vorn konvex wird (Abb. XIII 2). Die Ohren sind kleine Stehohren; die Hörner winden sich bei den Böcken schnecken- 1) Da diese Arbeit nicht nur für Zoologen geschrieben ist,’ sondern auch für Prähistoriker und Archäologen, muß hier manches erwähnt werden, was den Zoo- logen überflüssig erscheinen dürfte. Ich bitte den zoologisch geschulten Leser, dies auch im folgenden im Auge behalten zu wollen. M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 955 ‚förmig um die Öhren, wobei die Spitzen nach außen zeigen. Bei einzelnen Arten allerdings zeigen sie nach innen (die Hörner sind pervertiert). Bei anderen Arten findet sich eine solche Perversion in der Jugend, wird aber im Alter bei weiterem Wachstum ausgeglichen. Der Quer- schnitt der Hörner ist dreieckig mit einer vorderen Breitseite. Bei den Weibchen sind die Hörner kurz, aufrechtstehend, etwas rückwärts gekrümmt und zweischneidig; sie können gelegentlich fehlen. Der Schwanz ist ein kurzer, im Querschnitt runder Stummelschwanz. Die Farbe des Körpers ist ein verschieden getöntes Braun, das bei einigen auf jeder Seite einen oft über den Rücken verbundenen weißen Sattel- fleck zeigt. Schwarze Abzeichen an den Flanken, Beinen und Gesicht können vorhanden sein. Die Größe der für unsere Untersuchungen in Betracht kommenden mufflonartigen Wildschafe schwankt zwischen 65 und 90 cm Schulterhöhe. Die großen Riesenformen Zentralasiens, die Argaliartigen, scheiden für unsere heutigen Betrachtungen aus. Die Mufflonartigen verbreiten sich über Westasien von Punjab und Afghanistan bis an das Mittelmeer. Dazu kommt noch ein vereinzeltes Vorkommen in Korsika und Sardinien wohl als letzter Rest einer ehe- . malig weiteren (diluvialen) Verbreitung in Europa. Syrien, Palästina und wahrscheinlich auch Arabien haben sie nicht betreten. Zu allen Zeiten haben Wildschafe in Nordafrika gefehlt. Das dort einheimische sogenannte Mähnenschaf ist kein Schaf im zoologischen Sinne; es stellt eine besondere Gattung Ammotragus BLYTH dar, die erhebliche ana- tomische Unterschiede gegen die Gattung Ovis L., in welcher die echten Schafe vereinigt-werden, zeigt. Das Mähnenschaf kann also auch nicht Stammvater irgend einer Hausschafrasse sein, da die Hausschafe säm- lich zu den echten Schafen, d. h. Ovis L., gehören. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, weil das von nichtzoologischer Seite leicht über- sehen wird. (FROBENIUS U. OÖBERMATER 1915). Auch in seiner neuesten Arbeit übersieht das H. KüHn (Tagungsberichte der deut- schen Anthropologischen Gesellschaft, Leipzig 1928, S. 76) wieder, wenn er OsBoRN, The age of mammals etc, New York 1910, S. 432/433, als Gewährsmann für das Vorkommen von Wildschafen in Nordafrika angeführt. Die betreffende Stelle lautet: „Beside these plains and desert type of ruminants the hills were covered with wild sheep (Ovis palaeotragus) very similar to the existing Barbary sheep...“ Da aber Barbary sheep das Mähnenschaf (Ammotragus lervia) ist, so ist ohne weiteres klar, daß OSBORN an dieses, wovon Ovis palaeotragus nur eine Unterart ist, gedacht hat, und nicht das 256 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Vorkommen echter Schafe der heutigen Gattung Ovis L. in Nordafrika hat behaupten wollen. Alle Abweichungen von der obigen Beschreibung, die wir bei Hausschafen finden, sind im Haustierzustande erworbene Domestikations- merkmale. Ich möchte allerdings bei dieser Gelegenheit einmal scharf der Ansicht entgegentreten, daß die Domestikation irgendwie neue Merkmale bei den Tieren erzeugt. Das kann sie nicht. Es ist gar nicht einzusehen, wie nach der modernen Erblichkeitslehre die Domestikation an und für sich das Keimplasma in irgend einer Richtung erblich ab- ändernd beeinflussen kann. Ich kann mir keinerlei äußere Bewirkung durch Domestikation vorstellen, die z. B. Kräuselung der Haare hervor- ruft. Wohl aber kann ich mir denken, daß mutativ von innen, vom Keimplasma aus, gekräuselte Haare entstanden sind und daß der Mensch diese sich darbietende Mutation benutzt hat und daraus seine Wolle tragenden Haustiere gezüchtet hat. In der Natur wäre eine solche Mutante als dem Träger hinderlich ausgemerzt worden, da sie in der Beweglichkeit eingeschränkt hätte Mit einem Worte: alle sogenannten Haustiereigenschaften sind lediglich Mutanten, die der Mensch zur Bildung seiner Rassen benutzt hat. Es gibt also keine Domestikationsmerkmale bei dem Individuum, sondern Domestikations- merkmale sind Rassenmerkmale. Je weniger Domestikationsmerkmale eine Haustierrasse besitzt, je ähnlicher sie dem wilden Stammvater ist, als um so primitiver ist sie anzusehen; je mehr sie sich von dem wilden Stammvater entfernt, um so höher stehtsie. Die Begriffe „primitiv“ und „höher“ bedeuten also bei den Haustieren etwas ganz anderes als bei den stammesgeschichtlichen Betrachtungen wilder Tiere. Man kann aber nicht ohne weiteres sagen, daß eine primitive Rasse immer kürzere Zeit der Domestikation unterworfen gewesen sein muß als eine weniger primitive. Wenn eine Rasse allen vom Menschen an sie gestellten Anforderungen entspricht, kann sie Jahrtausende lang auf einem primitiven Zustand beharren. Aber man kann umgekehrt schließen: wenn eine Rasse zahl- reiche und weitgehende Domestikationsmerkmale aufweist, muß sie schon lange dem Haustierstande angehören. Freilich sind bedauerlicherweise niemals Untersuchungen darüber gemacht worden, wie lange eine wilde Art der Domestikation unterworfen sein muß, bis erheblich abweichende Mutanten auftreten und wie lange Zeit nötig ist, bis aus solchen Mutanten eine feste Rasse geworden ist. Es ist sowohl vom praktischen wie vom theoretischen Standpunkt aus bedauerlich, daß solche Ver- suche niemals gemacht worden sind. Jetzt, wo man im Begriffe steht, a 5 en Eu Er FERN M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 257 durch die Pelztierzucht neue Haustiere zu gewinnen, könnten solche Feststellungen nebenher ohne große Kosten gemacht werden. Aber es scheint bedauerlicherweise kein einziges wissenschaftliches Institut vorhanden zu sein, das sich vom wissenschaftlichen Standpunkte aus mit der Frage befaßt. Die durch Initiative Privater geschaffenen Institute beschäftigen sich lediglich von praktischen Gesichtspunkten mit der Pelztierzucht. Hier sollte der Staat eingreifen, bevor es zu spät ist. Es könnte eine Menge unendlich wertvollen Materials zu- sammengebracht werden. An den Schafen Nordafrikas lassen sich eine ganze Anzahl solcher Domestikationsstufen verfolgen von den primitivsten an. Ohne Zweifel sind, wenn wir von der Behaarung ausgehen und danach zunächst einmal die Schafe in zwei große Gruppen einteilen, Haarschafe und Woll- schafe, die ersteren die primitiveren. Die Haarschafe sind weit über Nordafrika und spärlich über Süd-Westasien verbreitet. Die Böcke aller Haarschafe neigen dazu, die Mähnen der männlichen Wildschafe zu behalten. Mit der durchaus anders ausgebildeten Mähne der Mähnen- schafe hat diese Mähne nichts zu tun, wie schon daraus hervorgeht, daß die Mähne der männlichen Mähnenschafe auch die Oberarme ein- hüllt, was bei keinem echten Schafe vorkommt. Zudem sind sie, wie schon gesagt, zoologisch keine echten Schafe; sie stehen vielmehr anatomisch den Ziegen (BURDELLE) näher als den Schafen, so daß die Ableitung irgendeines Hausschafes vom Mähnenschaf nicht einmal diskutiert werden kann. Wo also beim Hausschaf eine Mähne im männlichen Geschlecht auftritt, handelt es sich um ein primitives, vom wilden Stammvater überkommenes Merkmal. So kann auch die Mähne als solche keine nähere Verwandtschaft bei Hausschafen begründen. Wenn wir dies erkannt haben, werden wir unschwer unter den afrikanischen Haar- schafen zwei Rassegruppen erkennen, wie dies auch ADAMETZ (1920) in seinem schon erwähnten Werke getan hat: Die sogenannten Langbein- schafe (Ovis longipes FıTz.) für die der kurze Körper, lange Hänge- ohren, die langen hohen Beine, der bis über die Fersen reichende Schwanz und die vor der stark abfallenden Kruppe eingeknickte Rücken- linie, welche die Kreuzbeine scharf hervortreten läßt, charakteristisch sind. Bei den Böcken kann eine Mähne am Hals auftreten, bei der jedoch stets, auch wenn die Halsseiten verlängerte Haare tragen, die Haare längs der Mittellinie der Halsunterseite, besonders des Bugs, die längsten sind. Der übrige Körper trägt meist langes, rauhes Deck- . 7 258 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, III, 1928. haar. Die zweite Gruppe umfaßt Schafe von normalem Körperbau mit kurzem Schwanz, der allerdings gegenüber dem der Wildschafe et- was verlängert ist, langem, feinem Gesicht, normal langen Stehohren und schwach geramsten Profil. Eine Mähne ist bei den Böcken auch vorhanden, doch umhüllt diese von der Oberseite des Halses an den Halsseiten herabfallend den Hals wie ein Mantel, und erscheint längs der Mitte der Halsunterseite gescheitelt, da hier die Haare kürzer sind als an den Seiten. Der übrige Körper ist glatt- und kurzhaarig. Über die Benennung dieser Gruppe bin ich mir nicht ganz klar. ADAMETZ, der als Verbreitung Marokko, Senegambien, Guinea bis zum Kongo und Portugiesisch-Westafrika angibt, nennt sie Fezzan- Schafe. Offenbar hat sie LINNE als Ovis aries jJubata beschrieben, eine Bezeichnung, die wir, trotzdem auch die Böcke der Langbeinschafe eine Mähne haben, aus Prioritätsgründen beibehalten müssen. Als deutscher Name scheint mir Fezzanschaf bei der weiten Verbreitung dieser Gruppe nicht umfassend genug zu sein. Dieser Name muß auf die im Fezzan beheimatete Rasse dieser Gruppe beschränkt bleiben. FITZINGER’ Ausdruck „Mähnenschafe“ birgt die Gefahr der Verwechselung mit Ammotragus lervia, das deutsch meist als Mähnen- schaf bezeichnet wird, in sich. Vielleicht könnte man es als gemähntes Kurzschwanzschaf bezeichnen, wodurch der Unterschied gegen die nord- europäischen Kurzschwanzschafe betont ist. ADAMETZ ist geneigt, in dieser Gruppe die Schafrasse der Westhamiten zu sehen, während er die Langbeinschafe den Osthamiten zuschreibt. Neben jenen beiden oben angeführten Unterschieden scheinen mir Merkmale wie Hornlosigkeit, Schlappohrigkeit von mehr sekundärer Bedeutung zu sein, die leicht unabhängig von einander erworben werden können, und somit konvergente Erscheinungen darstellen können, ohne laß sie nähere Verwandtschaft anzudeuten brauchen. Hierhin gehört auch die mehr oder weniger starke Rammsung des Gesichtsprofiles. Sie wird meiner Meinung nach hervorgerufen durch die mehr oder weniger starke Entwicklung der Hörner. Beim Wildschaf sind die Hörner sehr stark und stehen stark seitwärts. Daher wird der zwischen ihnen liegende Teil des Stirnbeines durch ihre Entwickelung stark hervorgehoben. Die so entstehende Knochenschwelle ist nach vorn durch einen Absatz vom Gesicht getrennt, wodurch das konkave Profil der Wildschafe entsteht, während die Nase davor wieder konvex ist. (Abb. XIII 2). Bei geringer Entwicklung der Hörner und, wo sie vom Schädel aus nicht seitwärts, sondern mehr rückwärts und abwärts M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 259 stehen, wird der Teil zwischen ihnen, je mehr das der Fall ist, um so weniger emporgehoben, so daß das ganze Profil zunächst gerade und schließlich konvex erscheint. Verstärkt wird diese Neigung zur Aus- bildung eines konvexen Profils noch, wenn das bei den Wildschafen lang ausgezogene, feine Gesicht nicht in die Länge wächst, sondern kurz bleibt und sich dafür stark in die Höhe entwickelt. Diese Merkmale sind also, wie gesagt von sekundärer Bedeutung für Verwandschafts- fragen, aber wichtig für die Beurteilung der Höhe des Domestika- tionsstandes. Von der zweiten Gruppe der nordafrikanischen Hausschafe, den semähnten Kurzschwanzschafen, lebt zur Zeit eine kleine Herde aus Kamerun im Berliner Zoologischen Garten. Danach sind es kleine etwa 60 em hohe Schafe, die ungehörnten Weibchen sind überall gleich- . mäßig kurz behaart. Der Bock (Abb. XIII 5) trägt eine Mähne, die vom Nacken und Widerrist herabfallend, den ganzen Hals mantelartig einhüllt. Da die Haare längs der Mitte der Halsunterseite, wo ein schwarzer Streifen entlang läuft, kurz sind, erscheint hier die Mähne gescheitelt, sie hüllt also den Hals mantelartig ein. In dieser Form der Mähne besteht ein wesentlicher Gegensatz zu den Langbeinschafen, bei denen gerade die Mitte der Halsunterseite die längsten Haare trägt. Bei dem alten Bock beginnt sie schon auf dem Braun am hinteren Kieferwinkel, während sie bei den Jungen noch nicht soweit nach vorn reicht und das Gesicht noch freiläßt. Die Böcke haben ein kurzes, schwarzes, kreisförmig gebogenes aber kaum bis hinter die Ohren reichendes Gehörn. Die Ohren sind normale Stehohren. Am Kopf ist das Gesicht lang und das Profil ist fast gerade, bei den Weibchen lediglich mit einer ganz schwachen Einsenkung in der Höhe des vorderen Augen- winkeis, beim Bock ist die Nase davor schwach konvex. Sehr merk- würdig und interessant ist die Färbung. Abgesehen von schwarzen und gefleckten Tieren gibt es solche, bei denen der ganze Rücken und die Körperseiten leuchtend rotbraun sind, etwa von der Farbe wie sie der Rehbock im Sommer trägt. Die Unterseiten, die Hinterseite der freien Extremitäten, bisweilen auch deren Vorderseite, die Hinterseite der Keulen bis zum Schwanzansatz, ein Streifen längs der Mitte der Halsseiten, ein Streifen vor den Hörnern oberhalb der Augen bis an deren vorderes Ende, Kinn, Kehle, Unter- und Oberkiefer bis zum Unterkieferwinkel sind tief schwarz; ein Fleck vor und unter dem Auge ist weiß; die Ganaschen sind rotbraun wie der Körper. Die Ohren sind außen ebenfalls tief schwarz, weiß eingesäumt und mit 17% 260 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. weißer Spitze. Das Schwanzende ist weißlich. Daß die Farbe nicht selten ist, dafür spricht, daß alle zur Zeit im Berliner Zoologischen Garten lebenden Exemplare die gleiche Farbe haben bis auf ein schwarzes Tier. Bei dem einen Bock kommt dazu noch je ein weißer Fleck auf den Körperseiten, der dem Sattelfleck des Mufflons entspricht. Der andere Bock hat außer einem solchen Fleck ein schwarzes Band vom Knie längs der Körperseiten bis zu deren Mitte nach vorn. Ob die von ADAMETZ abgebildeten Fezzanschafe die gleiche Färbung haben, vermag ich nicht anzugeben, da ADAMETZ über die Färbung nichts sagt. Die Kopfzeichnung scheint ähnlich zu sein. Auf jeden Fall gleichen die Fezzanschafe in der Körperform nach der Ab- bildung genau den Kamerunschafen. Interessanterweise hat auch bei den Fezzanschafen der Bock wieder den weißen Mufflonfleck. Ein- zelne weiße Flecken und Stellen, wie sich z. B. einer am Hinterfuß des einen Fezzanschafes findet, kommen auch bei den Kamerunschafen vor. Abgesehen von der Farbe, einer Verkürzung der Hörner und einer nicht allzubedeutenden Verlängerung des Schwanzes zeigen diese Schafe den wilden Schafen gegenüber keinerlei Veränderung. Somit ist dieses Schaf nicht nur äußerst primitiv, sondern wohl überhaupt das primitivste unter allen lebenden Hausschafen. Kommt doch sogar bei einigen Vertretern noch das große, schwere Gehörn des Wildschafes vor, wie z. B. bei einem Schaf aus Bornu, das vor zwei Jahrzehnten im Berliner Zoologischen Garten lebte, allerdings schon weiß und schwarz gescheckt war (Abb. XIV 6). Bei dieser Primitivität müßte es leicht sein, den wilden Vorfahr ausfindig zu machen, wenn wir über die Wildschafe genügend unter- richtet wären. Versuchen wir festzustellen, was mit unseren Kennt- nissen der Wildschafe ausgemacht werden kann. Die wichtigen Arbeiten von SEVERTZOV und NASoNoY sind meist russisch ge- schrieben, so daß ich von ihnen höchstens die Abbildungen benutzen kann. Dies ist namentlich bedauerlich in Hinsicht auf die große Mono- gsraphie NAsonoV’s (1923), welche die Verbreitung der Wildschafe behandelt und in welcher ein Material verarbeitet ist, wie es bisher niemand zur Verfügung gestanden hat. Wenn auch SUSCHKIN (1925) erfreulicherweise in einer englisch geschriebenen Abhandlung die Ergebnisse beider Forscher mitteilt, so sehen wir doch aus dieser Arbeit wohl, welche Arten und Unterarten die beiden Forscher unter- schieden haben, aber nicht wie diese aussehen. Nach SUSCHKRIN sind die altweltlichen Wildschafe einzuteilen in zwei Sektionen die „Muffloni- M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 261 formes“ und die „Argaliformes“. Wenn ich die unter beiden Sektionen aufgeführten Arten und Unterarten übersehe, so scheint mir in der Fellzeichnung ein wichtiger Unterschied darin zu bestehen, daß die ersteren am Rumpfe bunter, die letzteren mehr einfarbig sind. Die Muffloniformes, die Mufflonartigen, haben am Körper eine Zeichnung die in der Regel bei vollausgebildeten alten mehrjährigen Böcken ein unscharf begrenztes dunkles Querband hinter den Schultern zeigt, dahinter ein weißliches Querband, das häufig nach unten auf den Körperseiten sich zu je einem weißen Fleck verbreitert, dem sogenannten „Sattel“ der mufflonartigen Wildschafe, dem Mufflonfleck. In den paarigen weißen Flecken an den Körperseiten der gemähnten Kurz- schwanzschafe ist, wie schon ADAMETZ mit Recht hervorhebt, ein Rest des Mufilonsattels zu sehen. Dieser Mufflonfleck zeigt also, daß wir den wilden Stammvater der gemähnten Kurzschwanzschafe nur unter den mufflonartigen Wildschafen zu suchen haben, die argali- artigen scheiden daher mangels eines Sattels aus. Die Verbreitung der mufflonartigen Wildschafe erstreckt sich auf dem asiatischen Fest- lande nach der Zusammenstellung bei SUSCHKIN, vom cilieischen Taurus über den Elbrus zur Halbinsel Mangischlak, Ust-Urt, und Buchara im Norden; von dort geht sie zum süd-westlichen Pamir (Gilgit), Pundjab, Beludschistan, von dort längs der Küste bis Laristan und von dort längs der Mesopotamien begrenzenden Gebirge zum Taurus. Außerdem hat die Gruppe einen Vertreter auf Zypern und isoliert auf Korsika und Sardinien. Da diese Gruppe im Norden in den aralokaspischen Steppen und im Osten in Indien tief in die Ebene bis zum Meeres- spiegel heruntersteigt, ist anzunehmen, daß das auch einst an der Süd- westgrenze der Fall war, wenigstens spricht die Häufigkeit von Dar- stellungen von Wildschafen auf altassyrischen und summerischen Siegeln (HILZHEIMER 1926) dafür. In dem eben umschriebenen Gebiet haben wir also die Heimat der gemähnten Kurzschwanzschafe zu suchen. Als Stammformen scheinen nun von dieser Gruppe zunächst die öst- lichsten und westlichsten Formen auszuscheiden. Bei den östlichen Formen, welche nach SuUSCHKIN als Ovis vignei BLYTH mit seinen Unterarten zu bezeichnen sind, scheint der weiße Sattelfleck hinter dem schwarzen Schulterband zu fehlen, oder höchstens ganz schwach entwickelt zu sein. Auch die beiden westlichen Vertreter kommen nicht in Frage. Abgesehen davon, daß es wohl kaum anzunehmen ist, daß Korsika und Sardinien in alter vorgeschichtlicher Zeit ein Kultur- centrum waren, von dem irgendeine kulturelle Erwerbung ausgegangen 262 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, ist, ist auch die Mähne viel zu gering entwickelt, als daß sie sich etwa. mit der mächtigen Mähne des gemähnten Kurzschwanzschafes ver- gleichen läßt. Beim europäischen Muffilon hat nämlich der Bock im Alter nur am Bug eine ganz kurze Mähne (Abb. XIII 2). An den Halsseiten sind die Haare vielleicht etwas dichter und länger als am übrigen Körper, was aber nur bei ganz genauer Betrachtung am Winterkleid zu erkennen ist. Diese äußerst geringen Spuren von Mähnenbildung finden sich aber erst in höherem Alter (Abb. XTII 2 u. 4). Bei dem cyprischen Mufflon kommt zu denselben Gründen wie bei dem europäischen Mufflon noch die eigentümliche Gestaltung der Hörner, welche infolge Abrundung der äußeren Kante im Querschnitt zwei- schneidig erscheinen. Somit bleibt das asiatische Gebiet westlich einer Linie übrig, die vom Aralsee die persische Ostgrenze entlang zieht. Von den hier be- heimateten Schafen scheinen sich die östlichen Formen, d. h. die, welche in der SuUScHKixschen Arbeit als Ovis orientalis GMELIN ZU- sammengefaßt werden und Ovis laristanica NASOoNOW durch besonders starke Entwicklung der Mähne auszuzeichnen. Unter ihnen dürfte also die Stammform des gemähnten Kurzschwanzschafes zu suchen sein. Und hier scheint mir nun, soweit ich es mit den mir zur Verfügung stehenden Hilfs- mitteln feststellen kann, Ovis laristanica, das nach NAsonow Südpersien bewohnt, das einzige zu sein, welches eine Hals und Schultern bedeckende Mähne besitzt. Bei der Bedeutung, welche hierdurch Ovis laristanica erhält, scheint mir eine besonders genaue Kenntnis von ihm von größter Bedeutung zu sein. Da mir Nasonow’s (1923) eingehende russische Originalarbeit aus sprachlichen Gründen nicht zugänglich ist, lasse ich hier LYDEKKER’s Beschreibung (1912) wörtlich folgen, die er von NAsonow erhielt, um so mehr als das LYDEKKERSche Werk nicht sehr weit verbreitet ist. Die Beschreibung Seite 260/61 ‚lautet: „In the winter coat the crown of the head, forehead, and muzzle are blackish; a black streak runs from the eye to the mouth, below which is a narrower one of grey; the occiput is brownish yellow, and the outer side of the ears is dark grey. A strong black ruff, with an admixture of brownish yellow hairs in the middle, decorates the throat; and there is also long blackish hair on the neck, extending on to the chest. The general colour of the upper side of the body is dark brownish yellow; but a dark band extends across the shoulders, behind, and parallel with this is a white band, and in front a white patch, with mingled . M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas.. 263 brownish hairs, extending to the neck, thus forming a kind of double saddle-patch. The dark of the upper parts is separated from the white of the belly by a blackish flank-band; the front and outer side of the forelegs above the knees is tawny black, with a streak of the same extending part way down the front below the white knee. Else- where the lower portion of the fore-legs is white, as is the same part in the hind-limbs; the upper portion of the latter being coloured like the back, but gradually darkening towards the hock. The tail is whitish. The summer coat is very different, the general colour of the upper-parts being chestnut, with, in place of the divided saddle-patch, a chevron of whitish spots with a dark band in front; while the black flankstripe is reduced to a patch behind the shoulder. The face is greyish yellow, with large dark spots on the muzzle, and the same black stripe connecting the eye with the angle of the mouth. The neck-mane and throat-ruff are practically absent“. Ich hebe hieraus besonders hervor die Gesichtszeichnung mit den schwarzen Augenstreifen, den schwarzen Scheitel und die starke Mähne, welche den ganzen Hals vom Nacken her einhüllt, alles Dinge, die wir bei dem gemähnten Fezzanschaf wiederfinden, welche aber den übrigen mufflonartigen Schafen fehlen. Auch betone ich den Unterschied in der Färbung und Zeichnung zwischen Sommer- und Winterkleid des Leibes, so daß hier wohl bei dem Haustier keine absolute Über- einstimmung zu erwarten ist, sondern nur eine ungefähre Das von NAsonow abgebildete Exemplar, das auch LYDEKKER wiedergibt, läßt die Entwicklung der Halsmähne gut erkennen. Vielleicht wäre die Mähne bei einem älteren Individuum voller entwickelt. Auf jeden Fall zeigt die vorliegende Abbildung, daß die Haare nicht nur an der Unterseite des Halses, sondern auch an dessen Seiten und Nacken bis zum Widerrist verlängert sind. Es scheint also hieraus hervorzugehen, daß Ovis laristanica NAsonow oder eine ihm verwandte und dann wohl auch geographisch nahestehende Form der Stammvater des gemähnten Kurzschwanzschafes ist, dessen Heimat somit in Per- sien oder, wenn wir bei den mangelhaften Kenntnissen, die wir über die asiatischen Wildschafe haben, vorsichtig sein wollen, zwischen dem persischen Meerbusen und dem kaspischen Meere, Aralsee und der persischen Ostgrenze liegt. Von hier also müßte es nach Afrika ge- kommen sein. Von einer Schädeluntersuchung, zu der mir zurzeit das Material fehlt, bleibt eine Bestätigung zu erhoffen. 264 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Wenn NAasonow als Hindernis gegen die Ansicht von der Ab- leitung der Hausschafe von Ovis arcar und damit allen in den Formen- kreis von Ovis orientalis GMELIN und Ovis laristanica NASONOW ge- hörigen Formen anführt, „eine ziemlich lange Mähne“ und „charak- teristische Haarbüschel, die von den Ecken des unteren Teiles des Kopfes ausgehen“, während die Hausschafe solche Haarbüschel nicht besäßen, so ist dem folgendes entgegen zu halten. Zunächst nämlich hat NAsonow die bei der Frage nach der Abstammung der Haustiere von mir immer wieder geforderte Beachtung der postembryonalen Ent- wicklung nicht berücksicktigt, sonst hätte er gefunden, daß die Mähne der Wildschafe sich allmählich im Laufe der Jahre entwickelt, und zwar von dem Bug und den hinteren Teilen des Halses beginnend und allmählich nach vorn fortschreitend. Es kommen also jene Haarbüschel erst alten, vollentwickelten Böcken zu. Bei der Tendenz der Haus- tiere, auf jugendlichen Stadien der Entwickelung stehen zu bleiben (HILZHEIMER 1926) würde also das Fehlen jener Büschel nichts be- deuten. Tatsächlich aber sind sie bei verschiedenen Hausschafen vor- handen. Von den zwei zurzeit im Berliner Zoologischen Garten lebenden Böcken der gemähnten Kurzschwanzschafe hatte der ältere an den Kieferecken, soweit hier das Gesicht braun ist, verlängerte Haare. Ferner habe ich solche verlängerten Haare bei verschiedenen ausge- stopften Schafen der zoologischen Sammlung der Landwirtschaftlichen Hochschule gefunden. Also gerade das von NAsonow hervorgehobene Merkmal spricht nicht gegen, sondern für die Ableitung gewisser Hausschafe aus dem Formenkreis orientalis, laristanica, vignei USW. Was nun die zweite Gruppe der Hausschafe anbelangt, so ist sie offenbar in Nordafrika viel weiter verbreitet, als die vorhergehende. „In dem Gebiet zwischen Ägypten und Abessinien gehören zur altägypti- schenRasse das vielfach hornlose, dünnschwänzige Etbai- und Bischarin- schaf, ferner die schon erwähnten Schafe der Nuer, Schilluk und Dinka, von welch letzterem Stamm ein Zweig sogar das wagerecht hörnige, mit dem altägyptischen vollkommen identische Schaf heute noch züchtet“, schreibt ADAMETZ (1920). Die Verbreitung ist aber eine noch viel srößere. Sie sind nach Westen bis zum Atlantischen Ozean vorgedrungen, wie einige von Herrn SPATZ für den Berliner Zoologischen Garten aus Rio de Oro mitgebrachte Schafe zeigen, die noch eingehender zu be- handeln sind. Auch ein von DUERST und GAILLARD, die sich ein- gehend mit dieser Schafgruppe beschäftigt haben, abgebildeter Widder- schädel aus Mogador in Westmarokko zeigt die weite Verbreitung an M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d, Besiedlungsfrage Nordafrikas.. 265 der Westküste Afrikas. Aus dem Inneren erwähnen diese Autoren als zu dieser Gruppe gehörig das Weddahnschaf (Tibesti) und bringen ferner die Abbildung eines hierher gehörigen Widderschädels aus Fezzan. Da außerdem, wie mir Herr Spatz mündlich mitteilte, auch die Tuaregs das Langbeinschaf besitzen, dürfte es über ganz Nord- afrika verbreitet sein, soweit dieses Wüste ist. Die Langbeinschafe sind eben die eigentlichen Wüstenschafe. Weiter nach Süden scheinen sie nur bis in das nördliche Abessinien vorgedrungen zu sein, wo die hier- her gehörige, Merwan genannte Rasse, beheimatet ist (MÜLLER 1903). In Abessinien traf L. HEck jr. andere Schafe (s. unten). Ebenso be- wohnt das Somaliland eine andere Rasse. | Auf diesem ungeheuren Gebiet ist natürlich die Rassenbildung sehr weit gegangen. Es gibt ungehörnte Rassen, solche, bei denen die Weibchen hornlos sind, solche, deren Böcke keine Mähne haben, und es gab mindestens in vorgeschichtlicher Zeit auch stehohrige Rassen. Die Tiere sind entweder einfarbig sandfarbig bis weiß, schwarz, ge- scheckt, oder wie das von DUERST und GAILLARD abgebildete zentral- afrikanische Schaf an der vorderen Körperhälfte weiß, an der hinteren schwarz. Niemals aber kommen mufflonartige Farben oder Zeichnungen vor. Der sehr lange Schwanz, die Körperform und das eigentümliche Gehörn zeigen an, daß sich diese Gruppe schon vielfach weiter von der Ausgangsform entfernt hat, als die vorhergehende. Selbst die primi- tivsten von ihnen, wie die stehohrigen des frühen Ägyptens haben sich schon so weit vom ursprünglichen Wildschaf entfernt, daß eine lange Domestikation angenommen werden muß. Besonders interessant sind die zurzeit im Berliner Zoologischen Garten lebenden Vertreter aus Rio de Oro (Abb. XIV 7). Der Bock ist am Widerrist 66 cm hoch, das Weibchen 64 cm. Die Farbe ist ein- farbig glänzend schwarzbraun mit weißem Schwanzende. Sehr inter- essant ist die Behaarung, sie ist nicht so glatt wie sonst, sondern ganz schwach andeutungsweise wollig. Eine eigentliche Mähne ist auch beim Bock nicht entwickelt, aber es scheint so, als ob die Teile, die sonst eine Mähne tragen mit etwas längerem, nicht so lockigem, mehr drahtigem und tiefer schwarzem Haare bedeckt sind. Gegenüber den mir sonst bekannten Vertretern dieser Rassengruppe zeichnen sich die Rio de Oroschafe durch besonders feines Gesicht aus. Dieselbe oder eine ganz ähnliche Rasse scheint auch die Oase Tibesti zu besitzen, wo NACHTIGALL (cf. MÜLLER ) Schafe „mit einem Vließ aus prächtigen, langen, schwarzen, glänzenden Haaren“ fand. Bevor wir auf die Frage 266 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. nach der Herkunft dieser Gruppe eingehen, müssen wir noch einmal die Hornform besprechen. Bei einigen ihrer Vertreter bildet das Ge- hörn, wie schon gesagt, eine lang ausgezogene, wagerechte Horizontale, bei der anderen eine kurze Spirale mit ganz enger Windung. Die Windung ist so eng, daß die Spirale völlig oberhalb und vor den Ohren verläuft. Diese stehen also hinter und unterhalb der Hörner, was beikeinem anderen Haus- oder Wildschaf vorkommt. Stets umgreifen die Hörner sonst die Ohren, selbst wenn sie so kurz sind, wie bei dem gemähnten Kurzschwanzschaf. In dieser engen Hornwindung liegt ein charakteristisches gemeinsames Merkmal aller Langbeinschafe. Unter der Erwägung, daß die beiden oben genannten Hornformen des Langbeinschafes sich nicht scharf gegenüber stehen, sondern die Windungen bei den horizontalhörnigen Schafen bald mehr, bald weniger ausgezogen sind, also Übergänge zwischen beiden vorhanden sind, glaube ich in der Gruppe mit den kurzen gewundenen Hörnern eine Erscheinung zu sehen, welche auf ein Verkimmern der Hörner deutet. Es ist bei ihnen gewissermaßen der äußere Teil der langen Hornspirale verschwunden. So bilden diese Langbeinschafe mit kleinen gewundenen Hörnern den Übergang zu den Hornlosen. Auf keinen Fall kann diese kurze Hornwindung als. primitiv angesehen werden, da sie keinerlei Beziehung zu der viel weiteren ganz anders verlaufenden Hornspirale der Wildschafe hat. Die Langbeinschafe bieten deswegen ein besonderes Interesse, weil sie einmal durch historische Dokumente als sehr alt nachweisbar sind, und zweitens ihre Herkunft genau zu ermitteln ist. An zwei ver- schiedenen Stellen finden wir alte Darstellungen dieser Schafe. Zu- nächst einmal in Ägypten. Hier finden sie sich schon auf Vasen und Schminktafeln aus vorhistorischer Zeit (CAPART 1904). Jedoch gehen diese Dokumente bemerkenswerterweise nicht über die Zeit der sogenannten 2. vorhistorischen Kultur, d. h. das Zeitalter der rot- semalten Tonware zurück. Die Schafe der damaligen Zeit, von denen übrigens auch ein Schädelrest aus Tuk (DUERST und GAILLARD 1902) vorliegt, sehen nach den vorhandenen Abbildungen schon ganz so aus, wie die späteren altägyptischen Langbeinschafe mit horizontal ab- stehendem Gehörn, Mähne der Böcke und langem Schwanz, aber sie: hatten noch Stehohren und die Weibchen waren gehörnt. Erst später bekamen sie Hängeohren und einzelne Weibchen fingen an hornlos. zu werden, wie bei der libyschen Beute des Königs Sahure (Hınz- HEIMER 1913), wo aber die Mehrzahl der Weibchen noch gehörnt ist. Diese ist die einzige bisher bekannte Schafrasse im alten Reich; M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas, 267 erst von der 12. Dynastie ab erscheint eine neue Rasse, das Fett- schwanzschaf, das nun allmählich bis zur 18. Dynastie das alte Lang- beinschaf verdrängt, und dann nur noch allein in Agypten weiterlebt. Für Altägypten sind die altägyptischen Langbeinschafe von hervor- ragender Wichtigkeit gewesen. Es war nämlich ursprünglich das von den Agyptern in Mendes als heilig verehrte Tier des Gottes Chnum. Erst als diese Schafrasse verschwand, wurde sie — und das ist be- achtenswert — durch die Ziege ersetzt. Offenbar stand für den Ägypter die mit schlichtem Vließ ohne Wolle bekleidete Ziege dem altägypti- schen Haarschafe näher als das neue mit Wolle bekleidete Fett- schwanzschaf. Noch an einer zweiten Stelle finden wir Darstellungen dieser Schafgruppe und zwar im nordwestlichen Nordafrika, im südlichen Marokko und Algerien, auf jenen Felsbildern, die gerade jetzt in den Vordergrund des Interesses getreten sind (Literatur siehe bei HILZ- HEIMER 1928), weil versucht worden ist, sie alspaläolithisch zu erklären. Was zunächst die dargestellte Rasse anbelangt (Abb. XV 8 u. 9), so zeigt sie ein typisches Langbeinschaf mit stark konvexem Profil, kleinen, kurz ober- halb und vor den Ohren gebogenen Hörnern. Die Ohren sind Hänge- ohren. Ein Halsband deutet an, daß wir es mit Haustieren zu tun haben, was freilich auch ohne dieses äußere Zeichen lediglich schon aus den genannten, weitgehenden und zahlreichen Domestikationsmerk- malen hervorgebt. Wo die Schafe besser ausgeführt sind, lassen sie eine. Mähne an der Unterseite des Halses und verlängerte schlichte Haare am Nacken und den halben Rücken hinaus erkennen. Esist darüber gestritten worden, ob und wo solche Schafe in Afrika noch leben. Eine Aufnahme eines aus Bornu stammenden Schafes, die vor etwa 20 Jahren im Berliner Zoologischen Garten gemacht ist, könnte das Modell zu dem nord- afrikanischen Felsbild Abbildung XV 9 gewesen sein. Wir sehen beide Male die gleiche Körpergestalt, denselben langen Schwanz, die kurzen eng: sekrümmten Hörnchen, unter und hinter welchen die hängend ge- tragenen Ohren sitzen, die gleiche Krümmung des stark konvexen Profiles und das kurze Gesicht. Wir dürften es also augenscheinlich beide Male mit der gleichen Schatrasse zu tun haben, die also noch heute unverändert in Nordafrika, wenn auch vielleicht etwas weiter südlich lebt, als sich die Felsbilder befinden. Auch die Rio de Oro- Schafe (Abb. XIV 7) zeigen gewisse Übereinstimmung damit. Der Nachweis, daß auf diesen Felsbildern ein Haustier vorkommt, hätte die Verfechter der Ansicht von dem paläolithischen Alter stutzig 268 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. machen sollen. Aber KÜHNn, der Hauptvertreter dieser Ansicht sucht sich dadurch zu helfen, daß er meint: „Es ist aber durchaus denkbar, daß die Tierzähmung zu kultischen Zwecken im Sinne EDUARD HAHN’s in Afrika früher entstanden ist, als an anderen Stellen.“ Dieser Argu- mentation können wir uns aber hinsichtlich der dargestellten Schafe aus 2 Gründen nicht anschließen. 1. kann es sich bei dem hohen Stande der Domestikation der abgebildeten Schafrasse nicht um ein zufällig zu kultischen Zwecken gezähmtes Tier handeln sondern es liegt eine schon lange domestizierte Rasse mit tiefgreifenden Domestikationsmerkmale vor. Ich stelle nochmals gegenüber: Wildschafe: kurzer Schwanz, konkaves Gesichtsprofil, große die Ohren umgreifende Hörner, Stehohren, lange feine Schnauze; Schafe der Felsbilder: sehr langer Schwanz, stark konvexes Gesichtsprofil, Kleine verkümmerte Hörner mit enger Krümmung, Hängeohren, kurze hohe Schnauze; alles Kennzeichen, die auf eine lange Domestikation hinweisen. 2. aber kann die Zähmung nicht in Afrika -erfolgt sein, aus dem einfachen Grunde nämlich, weil es in Afrika keine wilden Schafe gibt und auch nie gegeben hat. Die französischen Paläontologen haben die Reste der diluvialen Fauna wohl ziemlich vollständig zu Tage gefördert, darunter auch Reste des Mähnenschafes, niemals aber solche eines echten Schafes.. Es ist auch aus tiergeographischen Gründen nicht anzunehmen, daß jemals ein echtes Schaf in Afrika gelebt hat. Die Gattungen: Schaf, Ziege, Mähnenschaf, schließen sich in ihrer Ver- breitung gegenseitig aus, so daß nie und nirgends die Verbreitung eines Angehörigen einer dieser Gattungen im Gebiet einer anderen vorgekommen ist. Es würde also die Voraussetzung, daß es jemals in Nordafrika echte Wildschafe gegeben hat, aller tiergeographischen . Erfahrung widersprechen. Ferner ist das Hausschaf nicht das einzige Haustier auf diesen Felsbildern. Nach OBERMAIER (1927) ist auch die Ziege dargestellt und zwar gleichfalls durch ein Halsband als Haustier kenntlich. Auch die Ziege kann nicht in Nordafrika gezähmt worden sein, und zwar aus demselben Grunde nicht wie das Schaf, weil es nämlich in Nordafrika niemals wilde Ziegen gegeben hat. Somit beweisen diese beiden Haustiere, daß mindestens diejenigen Bilder, auf denen sie dargestellt sind, nicht paläolithisch sein können, sondern jünger, mindestens neolithisch sein müssen. Wenn sich also bei diesen Bildern aus naturwissenschaftlichen Gründen unzweifelhaft ergibt, daß die von Prähistorikern und Archäologen vorgenommene Altersstellung M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 269 falsch sein muß, so folgt daraus, daß die Kriterien der Vorgeschichte und der Archäologie nicht hinreichend sicher sind, um eine Alters- stellung von Felsbildern in Nordafrika zu beweisen. Vielmehr scheinen die Zeitbestimmungsmethoden dieser beiden Wissenschaften dringend der Nachprüfung bedürftig zu sein. Es geht nicht an, wie es KÜHN (1928) in seiner letzten Veröffentlichung tut, die Bedenken der Natur- wissenschaft einfach mit einem Achselzucken beiseitezulegen. Auch für die Vorgeschichte gilt der Satz: „Wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren!“ d. h. in unserm Falle: „Wo keine Wildschafe vorhanden waren, konnten auch keine gezeichnet werden.“ Aber selbst wenn es in Afrika Wildschafe gegeben hätte, ist KüHn’s auch jetzt wiederholte Ansicht: „Es liegen hier möglicherweise die Anfänge einer Tierhaltung im Sinne EDUARD HAHN’ zum Zwecke des Kultus vor“, deshalb nicht annehmbar, weil eine weitgehend veränderte, also lange domestizierte Haustierrasse vorliegt. Daß aber die Domestikation von Pflanzenfressern ohne Pflanzenzucht unannehmbar ist, hat uns derselbe EDUARD Hann gelehrt. Sollte aber vielleicht jemand die Behauptung aufstellen wollen, daß etwa in Nordafrika ein Wildschaf mit allen diesen Merkmalen gelebt habe, so läßt sich, abgesehen von der Unwahrscheinlichkeit, die eine solche Annahme schon an und für sich hätte, leicht der Nachweis führen, daß es Hausschafe aus dieser Gruppe gegeben hat, die noch primitivere Merkmale besitzen, also in mancher Hinsicht wildschafähnlicher sind, als die auf den nordafrikanischen Felsbildern dargestellten. Das altägyptische Langbeinschaf hatte, wie Abb. 1 zeigt, noch die Stehohren des Wildschafes (s. u.) und das altmeso- potamische Langbeinschaf (s. u.) hatte ebenfalls noch zahlreichere primitive Merkmale, wie den normalen unveränderten Wildschafkopf mit dem langen Gesicht und einem verhältnismäßig kurzen Schwanz (Abb. XV 11). Also gerade die Schafe der Langbeingruppe mit primitiven Merkmalen fanden sich in alter Zeit im Osten. Auch die Verbreitung deutet auf Herkunft der Gruppe aus Asien. Es herrscht auch nicht etwa, wie KÜHn das jetzt behauptet, irgend eine Meinungsverschiedenheit der Naturwissenschaftler darüber, ob jemals ein Wildschaf der heutigen Gattung Ovis L., zu der also die Hausschafe gehören, in Afrika gelebt hat. Es ist vielmehr niemals diese Behauptung von einem Naturwissenschaftler ausgesprochen worden. Es geht also nicht an, hier die Einwände der Naturwissenschaftler einfach beiseite zu schieben und zu sagen: „Die Methode ist richtig, 270 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. die Tatsachen sind falsch!“ Sondern die archäologisch-prähistorische Methode reicht zurzeit zur absolut einwandfreien Datierung eben nicht aus. Wir müssen mit OBERMAIER ein non liquet sprechen, wobei die Möglichkeit zugegeben werden kann, daß einige der Felsbilder paläolithisch sein können. Wenn also die Langbeinschafe nicht aus Afrika stammen, wo ist dann ihre Heimat? Die Untersuchungen von DUERST und GAILLARD (1902) haben gezeigt, daß der Stammvater in Asien zu suchen ist unter Schafen, die sie als Ovis vignei bezeichnen. Damit ist freilich noch nicht gesagt, daß ihre spezielle Körpereigentümlichkeit als Lang- beinschafe auch in Asien herangebildet sei. Ich hatte vielmehr früher angenommen, es seien primitive Schafe, die den Vigneischafen noch ähnlicher waren, nach Afrika gekommen und wären hier zu Langbein- schafen umgezüchtet worden. Die Möglichkeit dazu liegt durchaus vor. Nach SCHARFF haben die Träger der ersten vorgeschichtlichen Kultur in Ägypten bereits Schaf, Ziege und Hund als Haustiere gehabt. Vom Hunde wissen wir, daß es ein Windhund war; wie Schaf und Ziege dieser Periode aussahen, wissen wir nicht. Hier rächt es sich eben, daß in Ägypten niemals Tierknochen aus prähistorischen Nieder- lassungen gesammelt sind. Wir wissen daher nicht, ob die ersten nach Ägypten gekommenen Schafe Langbeinschafe oder bemähnte Kurz- schwanzschafe waren. Selbst das Auftreten von Langbeinschafen in Vorderasien, die sich heute eingesprengt bis nach Indien finden, braucht noch nicht zu beweisen, daß die Langbeinschafe in Asien herausgebildet sind. Diese könnten sich ebenso gut später von Afrika, wie andere Haustiere z.B. der Esel, nachdem sie in Afrika Langbeinschafe ge- worden waren, wieder als solche in ihre ursprüngliche Heimat, nach Asien verbreitet haben. Aber eine neue Eirwerbung der vorderasiati- schen Abteilung der Berliner Museen scheint zu beweisen, daß die Langbeinschafe schon in Vorderasien entstanden sind und fertig aus- gebildet nach Agypten kamen. Es wurde nämlich auf dem Wege des Kunsthandels 1926 das Bruchstück eines Kalksteingefäßes erworben, das nach Schätzung der Assyriologen der 1. Hälfte des 3. Jahrtausend v. Chr. angehört. Darauf ist das typische bisher lediglich für alt- ägyptisch gehaltene Langbeinschaf dargestellt (HILZHEIMER 1928a). Es ist das die erste und bisher einzige Darstellung des Langbeinschafes aus Vorderasien (Abb. XV 11). Wenn ADAMETZ glaubt, auf einer Votiv- platte des Königs Ur-Nina das Langbeinschaf feststellen zu können, so muß er durch eine unzureichende Abbildung getäuscht worden sein, M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 271 da sich das fragliche Tier durch Kinnbart und über den Rücken ge- klappten Schwanz als Ziege erweist. Zudem ist es auch, wie ADAMETZ selbst schreibt, durch wolliges Vließ von den Langbeinschafen unter- schieden. Dagegen stellt die von mir erwähnte Erwerbung der vorder- asiatischen Abteilung der Berliner Museen ein typisches Langbeinschaf dar, ohne Wolle, dafür aber mit kräftig ausgebildeter Halsmähne und charakteristisch, wenn auch etwas ungeschickt dargestellten horizon- talen Hörnern. Die primitive Kopfform läßt noch deutlich im Profil die Einsattlung über den Augen erkennen und das lange feine Gesicht zeigt den für den Bock charakteristischen konvexen Nasenrücken davor. Wir sehen also, wie naturgetreu die Darstellung ist. Sie unterscheidet sich deutlich von den üblichen Schafdarstellungen von gleichaltrigen Siegelzylindern aus Mesopotamien, die stets das Wollschaf mit normalen schneckenartig gewundenen Hörnern zeigen. Abb. 1. Altägyptisches horizontalhörniges Langbeinschaf, noch mit Stehohren. Auf einem Gefäßscherben der 2. vor- geschichtlichen Kultur. Nach J. CAPART. In zwei bedeutungsvollen Punkten weicht das altmesopotamische Langbeinschaf allerdings von dem altägyptischen der allerältesten Zeit ab. Es hatte schon Hängeohren, welche ja in Agypten erst zur Zeit der ersten Dynastien auftreten. In dieser Beziehung ist es also den ältesten ägyptischen Schafen, d.h. den Schafen der 2. vorgeschicht- lichen Kultur Ägyptens, gegenüber, fortgeschrittener. Dagegen hat es einen kurzen Schwanz. In dieser Beziehung ist es primitiver als alle bekannten altägyptischen Schafe. Diese Mischung von fortgeschrittenen und primitiven Merkmalen beweist, daß es sich nicht etwa um Rück- - ' transport einer in Afrika herangezüchteten Rasse handelt. Die Rasse DI: Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1923. ist vielmehr in Vorderasien entstanden und von hier 'nach Afrika gebracht worden, natürlich zu einer Zeit, als sie noch keine Hängeohren hatte. Ob sie dabei die Träger der Badarikultur oder der 2. Kultur mitbrachten, kann nach dem heutigen Stand unseres Wissens nicht entschieden werden. Dagegen läßt sich mit einiger Gewißheit sagen, daß diese Schafe nach Ägypten aus dem Süden ge- kommen sein müssen. NEWBERRY (1928) vertritt neuerdings die Ansicht, die verschiedenen Impulse der Kulturentwickelung seien stets über das Delta gekommen. Abgesehen davon, daß NEWBERRY seine Argumente der historischen Zeit entnimmt, sie also für die vorhistorische keine Beweiskraft zu haben brauchen, stimmen sie für die Haustiere auch in historischer Zeit nicht. Die Katze, welche in Ägypten nicht vor der Zeit der 5. und 6. Dynastie nachweisbar ist, stammt sicher aus dem Süden, nämlich von der nubischen Falbkatze. Ebenso stammt der in vorhistorischer Zeit schon als Haustier nachweisbare Hausesel sicher aus dem Süden, aus Nubien oder Abessinien. Daraus, daß er auf jenem bekannten von CAPART (1904) abgebildeten Schieferstück aus der Negadazeit mit dem horizontalhörnigen altägyptischen Lang- beinschaf zusammen abgebildet ist, braucht noch nicht notwendig eine Zusammengehörigkeit zu folgen. Das Schaf ist eben ein Tier der No- maden, und besonders ist das Langbeinschaf eine Rasse, die in Steppen- und Wüstengegenden beheimatet ist. Andererseits war Nordafrika, worauf ich verschiedentlich hingewiesen habe, selbst noch zur Zeit der 1. Dynastien erheblich feuchter als heute. Gab es doch selbst in späthistorischer Zeit im Delta noch erhebliche Sümpfe In prähistorischen Zeiten aber muß das ganze Delta ein kaum zu passieren- des Sumpfland gewesen sein, das für Nomaden mit Schafherden völlig undurchdringlich war. Wir wissen, daß Nomaden große und selbst reissende Flüsse überwinden. Daß sie aber, zumal schafzüchtende Nomaden, tief in ein Sumpfland eindringen sollten, ist um so unwahr- scheinlicher, als schon gewöhnliche Schafe gegen feuchtes Klima höchst empfindlich sind. Um wieviel mehr müssen es erst Wüstenschafe sein. Für Nomaden muß also in vorhistorischen Zeiten Ägypten von Norden her völlig unzugänglich gewesen sein, wo hingegen ich keine Schwierig- keit für ein Einwandern von Süden sehe. Der schmale Meeresarm bei Aden konnte kaum ein Hindernis bilden. Nachdem sich dann das 7 Schaf in Afrika im Osten ausgebreitet hatte, konnte es leicht nach I Westen vordringen. Für eine umgekehrte Wanderung, der KÜHN das Wort redet, sehe ich in Afrika keinerlei Möglichkeit. Ob Kultur- M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 273 erzeugnisse in Nordafrika von West nach Ost gewandert sind, kann ich nicht erörtern. Die Schafe können jedenfalls nicht als Beweis für derartig gerichtete Kulturströme angeführt werden. Ihre ost-westliche Wanderung kann nicht bezweifelt werden. Noch zwei weitere Rassen der Haarschafe haben wir in Nordafrika. Die eine finden wir in Abessinien: es ist das hornlose, mit verkümmerten Ohren versehene Kurzohrschaf (Abb. XVI 12), das einzige Haarschaf, das einen Fettschwanz trägt. Nach Exemplaren, die ich im Berliner Zoo- logischen Garten sah, ist es ein Schaf, das nach Körperform, Behaa- rung und Haarfarbe einem Langbeinschaf gleicht, sich aber von allen Langbeinschafen dadurch unterscheidet, daß es einen Fettschwanz und an Hals und Kehle eine Wamme trägt. Die Kurzohrigkeit bedeutet keine Besonderheit; Kurzohrschafe kommen spontan auch sonst vor und treten auch anderwärts rassebildend auf. So hat uns WRIEDT (1927) erst kürzlich berichtet, daß in Südschweden öfter mutativ Stummelohrschafe erscheinen, daß die Nachkommen zweier Stummelohrschafe stets wieder Stummelohrschafe sind, so daß es leicht wäre, daraus eine stummel- ohrige Rasse zu bilden. Auch scheinen in Abessinien Kurzohrschafe nicht sehr alt zu sein, da noch abessinische Abbildungen aus dem 14. Jahrhundert nach C. KELLER Fettschwanzschafe mit normalen Ohren und Hörnern im männlichen Geschlecht zeigen. Das Auftreten von Fett- schwanz und Wamme deuten vielleicht bei dieser lediglich auf diereichen Weiden Abessiniens beschränkten Haarschafrasse auf eine Kreuzung mit Fettschwanzschafen hin, die wohl an Ort und Stelle und zwar erst in jüngerer Zeit entstanden ist. Es ist nämlich wahrscheinlich, daß Langbeinschafe nicht immer schon hier ihre Südgrenze fanden, sondern einst weiter nach Süden gingen. Wir finden nämlich im äußersten Süden Afrikas bei den Hottentotten ein Haarschaf mit langem, geraden, an der Spitze nicht umgebogenen Schwanz, der sich von der Wurzel bis zu der auf der Erde schleifenden Spitze gleichmäßig ver- jüngt, eine Schwanzform, die wir sonst bei keiner Schafrasse wieder- finden. Und dieses Hottentottenschaf war schon zur Zeit der ersten Entdecker in Südafrika heimisch (KRONACHER 1928), ist also nicht etwa durch Europäer dorthin gebracht, oder durch europäische Importe be- einflußt worden. Möglicherweise ist das dieselbe Rasse, die STUHLMANN nach R. MÜLLER 1903 in Ostafrika fand, die als im Besitz eines langen schmalen bis über die Fersen reichenden Fettschwanzes beschrieben wird. Wenn dies der Fall ist, würde sie uns den Wanderweg des Hottentottenschafes angeben. 13 274 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Das letzte Haarschaf, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, ist das Stummelschwanzschaf, das heute in Afrika die Somalihalbinsel bewohnt (Abb. XVI 13). Seine Hauptheimat ist Arabien, von wo es sich bis nach Persien hin verbreitet hat (MÜLLER 1903). Es ist wohl das jüngste Schaf Afrikas. Über die Zeit seiner Einwanderung können wir allerdings nicht einmal eine Vermutung äußern, doch dürfte sie schwerlich vor mohamedanischer Zeit erfolgt sein. Es ist weiß, mit schwarz abgesetztem Kopf und Vorderhals, hornlos und hat Hängechren. Das bezeichnendste Merkmal aber ist die eigenartige Schwanzbildung. Bei dem Stummelschwanzschaf sammelt sich nämlich in der Schwanzbasis zu beiten Seiten eine große Fettmasse an, hier ein Polster bildend, aus dem das kurze dürre Schwanzende hervorstarrt. Wie alle Schafe mit Fettentwicklung am Hinterende des Körpers hat es eine mächtige Wamme, die namentlich bei alten Böcken tief von Kehle und Brust herabhängt, also zweigeteilt ist. Wenn wir auch über die Einwanderung dieser Schafe nicht unter- richtet sind, so sind wir es doch über die einzige noch fehlende Gruppe nordafrikanischer Schafe, die Fettschwanzschafe, um so besser. Von der 12. Dynastie an erscheinen sie in immer steigender Anzahl in Agypten, bis sie schließlich etwa von der 18. Dynastie ab das ur- sprüngliche Langbeinschaf völlig verdrängen. Hierbei wird wohl we- niger zufälliges Eindringen, als der bewußte Austausch eines hoch- wertigen Haustieres gegen ein minderwertiges anzunehmen sein. War doch das Fettschwanzschaf dem altägyptischen Langbeinschaf, von dem man höchstens Fleisch und Milch hatte, an Zahl seiner nutzbaren Pro- dukte überlegen. Lieferte es doch außer diesen Dingen noch Wolle, da es ein Wollschaf ist, und ein hervorragendes Speisefett. Das war aber wichtig für ein Volk, das, wie die alten Ägypter das Schwein, wenn auch nicht völlig ablehnten, so doch sehr gering achteten. Un- schätzbar war aber dieses Schaf als Fettlieferant für die zahlreichen Nomaden Afrikas. Unser wichtigster Fettlieferant, das Schwein, ist als mit geringer Wanderkraft begabt, für Nomaden wertlos. Daher kommt wohl ihre feindselire Verachtung dieses Tieres. Da ihnen so dieser Fettlieferant fehlt, sind sie um jeden anderen dankbar, zumal wenn es ein so hervorragendes Speisefett liefert, wie das Fettschwanz- schaf. So ist „in dem ganzen nördlichen Afrika, so weit sich dessen steppenartige mit Salzsümpfen bedeckte und mit Halfagras bewachsene Hochebenen ausdehnen, in Tripolis, Tunis, Algier und Marokko“, das Fettschwanzschaf verbreitet. Es ist wohl in Asien aber verhältnis- M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 275 mäßig spät entstanden. Auf jenen bekannten Siegelzylindern aus Meso- potamien, die schon dem Etanakreis angehören, sehen wir zwar Woll- schafe abgebildet, aber ohne Fettschwanz. Erst in erheblich jüngerer Zeit, etwa vom 9. Jahrhundert v. Chr. ab (Kisch, Palast des Sinacherib, Broncetore vom Balawat usw.) treffen wir auf den Wandbildern meist schwergehörnte Schafe mit halblangem Fettschwanz, die sich somit in Vorderasien im 2. Jahrtausend herausgebildet haben dürfte. Noch jünger sind die Formen mit langem Fettschwanz, der sich am Ende wieder aufwärts biegt. Sie haben sich wohl im Laufe des 1. Jahrhunderts v. Chr. in Syrien und Arabien herausgebildet. Wenigstens berichtet uns HEropor (III, 13), daß man den arabischen Schafen ein Wägelchen unter den Schwanz zu binden pflegte, damit sie ihn nieht durch Nach- schleifen verletzten. Und PrLinıus erzählt, daß die syrischen Schafe einen ellenlangen Schwanz hätten. Ob nun die langschwänzigen Fett- schwanzschafe Nordafrikas selbständig hier herangezüchtet sind oder neueren Transporten ihr Dasein verdanken, ist wohl kaum festzustellen. Eine kleine Herde sehr eigentümlicher Fettschwanzschafe aus Tripolis (Abb. XVI 14) befindet sich zur Zeit im Berliner Zoo. Sie gleichen nach Körperform und Behaarung (Wollbildung) etwa den kaukasischen Fettschwanzschafen, aber das dürre distale Ende des Schwanzes ist nicht wie bei sonst allen afrikanischen Fettschwanz- schafen aufwärtsgekrümmt, sondern hängt schlaff herunter. (Es er- scheint bei Abb. 14 zwischen den Hinterbeinen). Die Farbe ist die üblich schmutziggraue der Schafe; Kopf und Extremitäten sind braun. Die beiden z. Z. im Zoo lebenden Böcke haben vier Hörner. Somit können wir unter den Schafen Nordafrikas 5 verschiedene Schichten unterscheiden, die zu verschiedenen Zeiten von Asien her nach Afrika eingewandert: sind: 1. Das bemähnte Kurzschwanzschaf. Es ist wohl das älteste afri- kanische Hausschaf. Seine Heimat ist anscheinend das südliche Persien. Es ist heute auf das mittlere Nordafrika beschränkt. Außer Ausgangs- und Endpunkt ist nichts über seine Wanderung bekannt. Es ist wohl der Begleiter der ältesten (vorhamitischen?) Kultur und zeigt, welche Wege diese gegangen ist und wie weit sie nach Westen vorge- drungen ist. 2. Das Langbeinschaf. Die Heimat des wilden Vorfahren ist das östliche Vorderasien, wo es schon vor dem 3. Jahrtausend zum Lang- beinschaf umgezüchtet worden ist. Es erscheint dann sicher nachweis- bar zur Zeit 2. vorgeschichtlichen Kultur in Agypten und war um 18* 276 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 2700 schon über Agypten hinaus nach Westen vorgedrungen, da es unter der lybischen Beute des Königs Sahure abgebildet ist. Für die Zeit seines ersten Erscheinens in Westafrika (Marokko) wird die rich- tige Altersstellung der Felsbilder von Wichtigkeit sein, die nicht älter als neolithisch sein können. Das Langbeinschaf ist in Afrika der Be- gleiter der hamitischen Kultur, deren Verbreitung und Wanderweg in Afrika es anzeigt. Ob es mit den Hamiten in Afrika erscheint oder schon früher dort war, kann zurzeit noch nicht festgestellt werden. Es kann nach Afrika nicht über das Delta gekommen sein, sondern hat wahrscheinlich die Straße von Bab-el-Mandeb benutzt, wo es sich auf seiner Wanderung nach Norden und Westen mit dem Esel verband. 3. Die Wolle tragenden Fettschwanzschafe wandern in histo- rischer Zeit vom Jahre 2000 an ein und werden durch die ägyptische Kultur weiter verbreitet. 4, Die nur an den Grenzen Nordafrikas wohnenden Stummelschwanz- schafe und fettschwänzigen Haarschafe sind entweder (die ersten) jüngerer Import zur Araberzeit oder autochthon (die zweiten) in den letzten Jahrhunderten entstanden. | 5. Ende des vorigen und in diesem Jahrhundert haben die Fran- zosen feinwollige europäische Schafe nach Algier und Marokko gebracht. Literatur. ADAMETZ, LEOPOLD, (1920). Herkunft und Wanderung der Hamiten er- schlossen an ihren Haustierrassen. — Osten und Orient, 1. Reihe: For- schungen. Wien. BURDELLE, E., (1926). Quelques characteres anatomiques du Mouflon & manchettes (Ovis tragelaphus). — Rev. hist. nat. appl. Paris. CAPART, I., (1904). Les de&buts de l’art en Egypte. Bruxelles. DUERST, I. U. und GAILLARD, CLAUDE, (1902). Studien über die Ge- schichte des ägyptischen Hausschafes. — Revue de traveaux relatifs a la Philologie et & l’Archaeologie egyptiennes et assyriennes. 24. Paris. FROBENIUS UND OBERMAIER, (1915\. Hadschra Maktuba. München. HILZHEIMER, MAX, (1913). Die Tierdarstellungen. Das Grabdenkmal des Königs Sahure. Die Wandbilder. — 26. wissenschaftliche Veröffentlichung der deutschen Orientgesellschaft Leipzig {J. ©. Hinrichs). | HILZHEIMER, MAX, (1926). Säugetierkunde und Archäologie. — Zeitschrift für Säugetierkunde 1. HILZHEIMER, MAX, (1926). Natürliche Rassengeschichte der Haussäugetiere. Leipzig u. Berlin. M. HILZHEIMER, Nordafrikan. Schafe f. d. Besiedlungsfrage Nordafrikas. 277 HILZHEIMER, MAX, (1928a). Artikel: Vorderasien, II. Haustiere 31/32. — Ebert’s Reallexikon der Vorgeschichte. Berlin (De Grujter & Co.) im Erscheinen. HILZHEIMER, MAX, (1928b). Naturwissenschaftliches zu Kühn’s Alters- stellung der „nordafrikanischen Felskunst“. — Zeitschrift für Ethnologie. 53. (1927). KELLER, C., Die Haustiere als menschlicher Kulturerwerb. In: KRÄMER, H,, Der Mensch und die Erde 1. S. 244. (Bong & Co.). KRONACHER, (1928). Allgemeine Tierzucht. 1. Abteilung. 3. Auflage. Berlin (Parey) S. 354. Abb. 243. KÜHN, HERBERT, (1926). Beziehungen und Beeinflussungen der Kunst- gruppen in Paläolithikum. — Zeitschrift für Ethnologie 58. KÜHN, HERBERT, (1927). Alter und Bedeutung der nordafrikanischen Fels- zeichnungen. — Ipek, Jahrbuch für prähistorische und ethnographische Kunst. KÜHN, HERBERT, (1928). Die nordafrikanischen und ägyptischen Felsbilder der Eiszeit. — Tagungsberichte der Deutschen Antropologischen Gesell- schaft 1928. LYDEKKER, R. (1912). The sheep and its cousins. London. pg. 260/261. MÜLLER, ROBERT, (1903). 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Aus dem Pathologischen Museum der Universität Berlin. Mit 8 Abbildungen auf Tafel XVII. Das Studium des Ganges der halbaufrechtgehenden Menschen- affen ist für die Erkenntnis der Beziehungen zwischen Mensch und Affe von großer Wichtigkeit. Nach der bisher üblichen Anschau- ungsweise soll der menschliche Fuß aus dem Greiffuß der Affen hervorgegangen sein und die bei den Affen abgespreizte Großzehe durch Herannahme an den Fuß zu einer für den Menschen charakte- ristischen Stützzehe und sogar zum Hauptstützpunkt des Vorder- fußes geworden sein. Es müßte also gelingen, bei den besten Auf- rechtgängern unter den Menschenaffen eine derartige Adduktions- stellung der großen Zehe beim Gange zu beobachten. Nach meinen Untersuchungen !) kommt eine derartige Adduktion beim Aufsetzen des Fußes niemals vor. Das Gegenteil behauptet WEIDENREICH, der in seiner für viele als grundlegend geltenden Abhandlung über den Menschenfuß?) über die Adduktion des Hallux folgendes schreibt: „Im Stand wird bei den Anthropomorphen der Hallux weit abgespreizt und leichtflektiertaufgelegt. Auch dielateralen Zehen sind gebeugt. Geht aber nun der Affe, so muß er eine Plantar- flexion des ganzen Fußes ausführen und den Hallux an die Unter- lage andrücken, um einen besseren medialen Stützpunkt für den Fuß zu gewinnen. Das ist aber nur dadurch möglich, daß er die Oppositionsmuskeln des Hallux stark kontrahiert, also mit dem Hallux die gleiche Greif- oder Klammer- bewegung macht wie mit den übrigen Zehen. Der Pe- ronaeuslg. und die in gleichem Sinne wirkenden kurzen Muskeln, besonders auch der Adduktor Ha werden so beim Abheben des Fußes, d.h. beim Gang, in ganz besonderem Maße be- ansprucht; sie ziehen den Ha heran und pressen ihn auf dem Boden fest. In dem Maße, wie der 1. Strahl genähert wird, kann er aber, in sich versteift, Stützpunkt werden, wenn mit zunehmender Aufrichtung, wie wir sahen, das Schwergewicht M. WESTENHÖFER, Der Gang des Gibbon in Beziehung zum Menschenfuß. 279 des Körpers mehr auf die mediale Fußseite verlegt wird. Der 1. Strahl wird dann zu einem schräggestellten kurzen Strebebalken und dadurch noch weiter gefestigt und verstärkt.“ Wenige Zeilen später spricht dann WEIDENREICH ohne weiteres von der vollen- deten Anlagerung des ersten Strahls. Nach diesen Zeilen ge- winnt man den Eindruck und ist überzeugt, daß infolge des aufrechten Ganges die große Zehe durch eine Art Greifbewegung an den Fuß heran- gezogen und zum Stützpunkt des Fußes wird. -Und doch ist diese Anlagerung nur auf dem Papier vor sich gegangen, und nicht der geringste Beweis für die Tatsächlichkeit des Vorgangs erbracht worden. Entscheidend für diese Frage kann natürlich nicht die Theorie, sondern nur die Praxis sein, d. h. der Beweis für oder ge- gen kann nur durch die Beobachtung am lebenden Tier erbracht werden. Schon das übliche Affenmaterial der zoologischen Gärten ist dafür geeignet, trotzdem hier nicht völlig natürliche Verhält- nisse vorliegen. Schwerlich dürften aber durch Gefangenschaft wesent- liche Änderungen im Gang der Tiere herbeigeführt werden. Als gänzlich einwandsfrei für die Beurteilung wird man Beobachtungen an Tieren gelten lassen, die zwar in einer losen Gesellschaft mit dem Menschen leben, aber nicht als Haustiere zu betrachten sind und nur gelegentlich als Einzelindividuen aus der Wildbahn in seinen Besitz gelangen, dabei aber in der gewohnten Umwelt ver- bleiben. Das trifft für den Gibbon zu, der als „Affe Bimbo“ in dem schönen Chang-Film der Parufamet zu sehen ist. Der Vertreter der Parufamet, Herr JENSEN, dem ich auch an dieser Stelle meinen besten Dank ausspreche, hat mir in entgegenkom- menster Weise den Film privatim mit den gewünschten Verlangsamun- gen und Unterbrechungen vorführen lassen und gestattet, die für unsere Frage wichtigsten Stellen herauszuschneiden und in geeigneter Vergrößerung reproduzieren zu lassen. Die Bilder sind auf dem Filmstreifen außerordentlich klein, manchmal nur millimetergroß und unscharf. Bei Vergrößerungen werden sie leider nicht schärfer, sondern die undeutlichen Umrisse werden noch vergröbert. So sind auch auf den hier wiedergegebenen Bildern die Umrisse sehr un- scharf, aber das, was wir sehen wollen, zeigen sie doch mit hin- reichender Klarheit. Da im hohen Grase oder im Walde auf den Bildstreifen der Fuß des Gibbon verschwindet, blieb als einzige Stelle des Films der Lauf über den Baumstamm übrig, der genü- gend breit ist, um in seiner Wirkung ebenem Boden gleich gesetzt 280 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. zu werden. Um Einwendungen zu begegnen, habe ich das Bild eines auf ebenem Boden gehenden Gibbon des Londoner Zoolo- gischen Gartens hinzugefügt. Liegt der Gibbon in Ruhe ausgestreckt (Abb. 1), so sehen wir erstens seine schönen langen und geraden Beine, die in dieser Hin- sicht menschenähnlicher sind, als die irgend eines anderen Anthro- pomorphen. Zweitens sehen wir die Adduktion seiner großen Zehe oder besser des ersten Strahls, denn es handelt sich stets um Adduk- tion und Abduktion vom 1. Mittelfußknochen und seiner Zehe, nicht etwa der Zehe allein. Fuß und große Zehe bilden die schein- bar gleich starken Arme einer Zange (s. später auch Abb. 8). Auch in der hockenden Ruhestellung, die er mitten im Lauf auf dem Baumstamm vorübergehend einnimmt (Abb. 2), ist der erste Strahl an den Fuß herangenommen. Unter den folgenden Laufbildern sehen wir nur bei Nr. 6 mit der nötigen Klarheit, wie beim Auf- stützen des linken Fußes und kurz vor dem Abschwingen (am Ende des Abrollens) des rechten Beines, also in dem Augenblick, wo der linke Fuß die ganze Last des Körpers trägt, der erste Strahl rechtwinklig vom Fuß abgespreizt wird. Er erscheint uns da- her in stärkster Verkürzung, fast nur wie ein Punkt. Nicht ganz so deutlich und einwandsfrei kann man in Abb. 4 sehen, daß der erste Strabl beim Aufsetzen des ersten Fußes im Begriff ist, abgespreizt zu werden, d.h. aus der beim unbelasteten Fuß addu- zierten Haltung in die abduzierte des belasteten aufgesetzten Fußes überzugehen. Für die Beurteilung der großen Zehe genügen die Abb. 1,2 und 6. Die anderen habe ich eingefügt, um zu zeigen, daß auch die Haltung des Gibbon, wenigstens dieses Gibbon, beim Lauf eine andere ist, als sie gewöhnlich (z. B.in BREHM’s Tierleben und in RANKE®’s, Der Mensch) dargestellt und beschrieben wird. Er läuft rasch und ohne erkennbare seitliche Schwankungen gerade aus, seine Arme sind nicht wie Balancierstangen in der Schulter horizontal vom Körper abgestreckt, sondern ganz im Gegenteil dieht an den Körper herangenommen, im Ellenbogen leicht gebeugt, wenn auch nicht recht- oder spitz- winklig, wie beim Kommando Laufschritt beim Militär und in der Schule, aber doch mit einer nicht zu leugnenden Ähnlichkeit der Haltung eines mäßig rasch laufenden Menschen. Auch die Haltung des Körpers besonders in den Abb. 6 und 7 ist die eines laufenden M. WESTENHOFER, Der Gang des Gibbon in Beziehung zum Menschenfud. 281 nach vorn gebeugten Mannes, ein Eindruck, der durch die geraden Beine und die besonders langen Unterschenkel noch verstärkt wird, nur ist der Rücken zu sehr gekrümmt, etwa wie bei einem alten Manne. Jedenfalls kann man den Gang dieses Affen als den menschenähnlichsten betrachten. Ganz einwandfrei tritt das Ver- halten der großen Zehe bei belastetem und unbelastetem Fuß bei dem Gibbon des Zoologischen Gartens in London in Erscheinung (Abb. 8), dessen Bild ich durch Vermittlung der Redaktion der A. J.Z. der Presse-Photo Ges. in Berlin verdanke, die es von ihrem Londoner Korrespondenten vor einigen Jahren ohne nähere An- gaben erhalten hatte. Es erübrigt sich, nach Vorführung dieser tatsächlichen Be- wegungen des Gibbon auf die theoretischen Betrachtungen WEI- DENREICH’s näher einzugehen, nur so viel möchte ich an dieser Stelle hervorheben, daß die Kontraktion der Muskeln der Fußsohle einschließ- lich aller Zehen beim Gehen bei allen Landtieren infolge zwangsläufi- ger Dehnung der Sehnen und Aponeurosen gewissermaßen automatisch reflektorisch, nicht willkürlich eintritt. Dadurch wird der Fuß aufden Boden angepreßt und eine aktive Greif- oder Klammerbewegung vorgetäuscht. Natürlich kann diese Zusammenziehung willkür- lich verstärkt werden z. B. bei besonderer Belastung (Stehen auf einem Bein) und bei Bewegungen des frei abgehobenen unbelasteten Fußes. Der M. peronaeus Ig. ‚zieht‘ den ersten Mittelfußknochen richt „heran‘‘ sondern fixiert dessen Basis und läßt sie bei stär- kerer Abspreizung (z. B. durch starke Belastung) plantarwärts ro- tieren ), so daß man ihn im Hinblick auf diese Funktion als Fixator und Rotator bezeichnen könnte Es handelt sich auch deswegen bei den Bewegungen der Großzehe, wie ich am Beispiel des Gorillafußes gezeigt habe, zur um reine Adduktion und Abduktion, aber nicht um Opposition. Ganz besonders aber muß darauf hingewiesen werden, daß auch die menschliche Großzehe, wie ich ebenfalls in meiner Kletterarbeit ausgeführt habe, beim Barfußgehen (Naturvölker) und besonders bei starker Belastung die Abspreizbewegung erkennen läßt, eine Bewegungsrichtung, die in frühen Entwicklungsstadien durch ein dauerndes Baumleben (z. B. bei Affen) zum Greiffuß führen mußte, d. h. aus dem primären Standfuß wurde der spätere Greiffuß. Es wäre doch sehr merkwürdig, wenn der Mensch durch den auf- rechten Gang aus der Greifzehe durch Adduktion eine Stützzehe 282 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. erworben hätte und nun wieder, weil er aufrecht geht und seinen Fuß stärker belasten muß, dazu kommt, beim Gehen die Groß- zehe abzuspreizen und so einen richtigen „Circulus vitiosus“ zu durchlaufen. Was für den besten Aufrechtgänger unter den Affen, den Gibbon, gilt, gilt natürlich auch für alle anderen jetzt lebenden Anthropomorphen und erst recht für die fossilen tertiären oder noch älteren, aus denen angeblich der Mensch entstanden sein soll. Es gilt auch ganz allgemein für alle Tiere mit Greiffüßen, die beim Übergang zum reinen Bodenleben die Großzehe eher ganz ver- lieren, wie viele Beispiele beweisen, als daß sie sie an den Fuß herannehmen und dort fixieren. Alle diese Tiere haben auch keine zum Boden gerichtete Ferse, sondern der Calcaneus liegt entweder flach, d. h. parallel zum Boden, oder sein Hackenfortsatz ist genau umgekehrt wie beim Menschen vom Boden gehoben. Ein Tier mit der Haltung des Gibbon kann weder eine bodenwärts gerichtete Ferse noch ein hohes Längsge- wölbe des Fußes besitzen. Will man daher einen sogenannten „Urmenschen“ rekonstruieren, wie es kürzlich W EINERT getan hat?), so muß man auf diese statisch-dynamischen Verhältnisse Rücksicht nehmen. Die Rekonstruktion WEINERT’s zeigt das Skelet eines solchen im Gang befindlichen Urmenschen (Neanderthalers) fast genau in der Haltung unseres Gibbon (Abb. 7), zumal wenn wir uns den dicken Pelz und die Muskulatur entfernt denken. Dieses Wesen hat ein mit seiner Haltung durchaus im Widerspruch stehendes Fußgewölbe und eine zu Boden gerichtete Ferse, was beides auf vollkommen auf- rechte Haltung hindeutet*)., Die große Zebe ist dicht an den Fuß herangenommen, anscheinend sogar weniger abgespreizt, als es bei barfußgehenden Menschen aller heutigen Rassen der Fall ist. WEINERT hat mit dieser Rekonstruktion unabsichtlich eher die Vermutung gestützt, daß dieses Wesen im Begriff ist, seine ehemals aufrechte Haltung zugunsten einer vorwärts gebeugten, mehr halbaufrechten aufzugeben, worauf auch der gekrümmte Oberschenkel und das abwärts geneigte Becken hinweisen. Aber auch dann müßte das Fußgewölbe verschwunden und ein Plattfuß mit herabgesunkenem Talus an seiner Stelle zu sehen sein. So ist dieser Fuß aus doppeltem Grunde für das dar- gestellte Wesen eine Unmöglichkeit: Die richtige Darstellung des Fußes hat für die menschliche Stammesgeschichte mindestens M. WFESIENECHER, Der Gang des Gibbon in Beziehung zum Menschenfuß. 283 die gleiche, wenn nicht noch höhere Bedeutung als die des Schädels, steht doch der Fuß, wie schon KLAATSCH richtig erkannt hatte, im Brennpunkt der Frage der Menschwerdung. Anmerkungen. 1) Über die Klettermethoden der Naturvölker und die Stellung der großen Zehe. Arch, f. Frauenkunde u. Konstitutionsforschung 13, H. 5. 2) Zeitschr. f. Morphologie und Anthropologie 22, p. 237/38. ®) Volksaufartung, Erbkunde, Eheberatung 3, 1928. 4) Über die Entstehung der Ferse und des Sprunggelenks der Landwirbel- tiere. Arch, für Frauenkunde und Konstitutionsforschung 12, H, 4. 284 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 12.) Beiträge zur Biologie von Sorex vulgaris L. Von A. WAHLSTRÖM (Heidelberg). Drei Waldspitzmäuse wurden von mir gefangen gehalten. Bei solch geringer Reihe von Beobachtungsobjekten ist es schwer zu entscheiden, wo es sich bei deren übereinstimmendem Verhalten um Artgut handelt, wo um individuelle Ähnlichkeit. Erst der Vergleich mit verwandten Arten ermög- licht in dieser Hinsicht manche, freilich nicht immer sicheren Schlüsse. Da nun die drei Waldspitzmäuse in ihrem Verhalten überaus ähnlich waren, dabei von verwandten Arten oft erheblich abwichen, liegt der Gedanke min- destens nahe, es komme in den Beobachtungen im wesentlichen der Art- charakter zum Ausdruck. Es werden deshalb, soweit es zur Charakteristik von Sorex vulgaris Anschauliches beizutragen scheint, im folgenden auch andere Arten zur Betrachtung herangezogen. | Bei dem großen Zeitaufwand, den die subtile Beobachtung kleiner Tiere erfordert, war es in der kurzen Frist nicht möglich, ein hundertstel von dem zu erfassen, was erschöpft werden möchte, um so mehr, als grundsätz- lich abgesehen wurde von allen das Leben oder die Gesundheit der Tiere gefährdenden Versuchen. Der Aufsatz kann daher nur als vorläufige Arbeit gelten. Eingewöhnung. Die erste Waldspitzmaus fing ich hellen Tags ober- irdisch in einem Auwald. Sie fraß nachher im bewegten Transportglas Köcherfliegenlarven und Flohkrebse, also Wassertiere, und ging im Terrarium sofort an rohes Pferdefleisch, also ebenfalls fremde Nahrung. Nach etwa zwei Monate währender Haltung lieh ich das Tier zu öffentlicher Schaustellung aus, aber schon am andern Tage ging es ein, zweifellos infolge ungenügender Sorgfalt in der Verpflegung. Die beiden anderen Stücke wurden mir frischgefangen gebracht. Auch sie fraßen sofort, ohne die geringste Scheu zu zeigen, Küchenschaben, Stuben- fliegen und rohes Rindfleisch. Sie lebten sich gut ein und erlagen nur un- glücksweise nach einem und nach zweieinhalb Monaten akutem Nahrungs- mangel. Ohnedies würden sie, im Gegensatz zur herrschenden Meinung, bei ihrer strotzenden Gesundheit gewiß auch in Gefangenschaft noch lange ge- lebt haben. Benehmen in der Gefangenschaft. —Das Verhalten im Terrarium zeigte, daß Sorex vulgaris in seinem Temperament beträchtlich von ver- wandten Arten abweicht. Leider stehen zum Vergleich nur Crossopus fo- diens PALL-, Wasserspitzmaus, und Crocidura leucodon HERM., Feldspitz- Ä. WAHLSTRÖM, Beiträge zur Biologie von Sorex vulgaris L._ 285 maus, also Angehörige anderer Gattungen, zur Verfügung. Es wäre nun be- gehrenswert, auch noch spezifische biologische Unterschiede innerhalb der Gattung Sorex zu ergründen; denn im Vergleich mit nächstverwandten Arten zeigt sich oft, daß manche Tatsache, die hingenommen wurde, nicht selbstverständlich ist. Nach den Beobachtungen hatten die Waldspitzmäuse die geringe Scheu als Frischfang mit der Wasserspitzmaus gemein und unterschieden sich hierin stark von der in zwei Exemplaren eingehend beobachteten, ungemein schüch- ternen Feldspitzmaus. Während aber die Wasserspitzmaus auffallend früh zu einem fast lästigen Futterbettler geworden war, bewahrten die Wald- spitzmäuse immer Zurückhaltung. Nie jedoch, es ist zu betonen, waren sie in solchem Maße menschenscheu, wie es die Feldspitzmäuse bei gleicher Be- handlung monatelang blieben. Ich führe an, daß die Wasserspitzmaus, wenige Minuten, nachdem sie einer Katze abgenommen war, selbst wieder ihrer Beute nachging, daß die Waldspitzmäuse schon nach eintägiger Bekanntschaft mit dem Menschen sich um Berührungen durch die Hand keine Sorge mehr machten, sondern un- mittelbar danach fraßen, daß dagegen .die Feldspitzmäuse sich in der ersten Zeit der Gefangenschaft so gut wie gar nicht im Freien zeigten uud noch nach Monaten lieber stundenlang fasteten, als sich der Gefahr der Berührung aussetzten. Reizbarkeit bei Ruhestörungen. — Dem sonstigen Wesen ent- sprechend ist diese bei Sorex vulgaris viel geringer als bei Orossopus, bei dem schon ein leichtes Anblasen des Nestes genügte, um einen wilden Zorn- ausbruch auszulösen, geäußert durch giftiges Zwitschern und Kreischen. Sorex vulgaris ließ sich dadurch kaum auftreiben. Ebenso war es nie mög- lich, die eine darauf geprüfte Waldspitzmaus durch Schlagen mit einer Gänse- feder oder einer am Schwanz festgehaltenen toten Maus zu ärgern und zum Kreischen zu veranlassen, was bei der Wasserspitzmaus unfehlbar sofort gelang. Verhalten gegen die Beute. — Die Waldspitzmäuse zeigten sich um vieles weniger fürchterlich als die berserkerhafte Wasserspitzmaus, der das Morden Kaum je zu viel ist. Sie waren aber allesamt weit mordgieriger ‘als die im Vergleich zu ihnen frommen Feldspitzmäuse, denen der Kampf entschieden wenig Freude macht, und die das Töten meist nur aus Hunger auf sich nehmen. Stürzte sich die Wasserspitzmaus mit Wut noch auf die tote Maus, preßte sie sich ganz wie ein Wiesel an, verbiß sie sich fest, so wagte die Waldspitzmaus nur sich langsam der Maus zu nähern und rannte, kaum daß sie dort war, mehrmals unter größter Angst wieder zurück, bis sie nach dem 5. oder 6. Mal sich getraute, Freßversuche anzustellen, 286 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Einem kleinen Grasfrosch gegenüber war die Waldspitzmaus ein wenig mutiger. Sie berührte ihn zwar nur sehr vorsichtig und schien vor seinem Angstfiepen jedesmal beträchtlich zu erschrecken, so daß es dem Frosch im Freien mehrmals hätte gelingen müssen, sich zu retten, wofern dann nicht die Spitzmaus hungriger und entschlossener gewesen wäre. So aber wurde er schließlich gepackt und trotz seines immer kläglicheren Fiepens zunächst nimmer losgelassen. Als er dann wieder entwischte, fing sie ihn rasch und nun auch gierig wieder ein. Dann setzte sie ihm mit Bissen in Kopf und Rücken derart zu, daß er sich ergab und schließlich reglos auf dem Rücken lag. Die Spitzmaus fraß ihn auf. Bewegung. — In der Bewegungsfreudigkeit hielten die Waldspitzmäuse die Mitte zwischen der ewig unruhigen, quecksilbrigen Wasserspitzmaus und den stillen, nestsüchtigen Feldspitzmäusen. So sprangen die beiden zwei- einhalb, bzw. einen Mcnat lang beobachteten Waldspitzmäuse, genau ver- merkter Beobachtung nach, zu meiner Verwunderung nicht ein einziges Mal an einer Glasscheibe des Terrariums hoch, während die Wasserspitzmaus in den 9 Monaten ihres Gefangenlebens von der ersten Stunde der Käfigung an gerechnet, tagtäglich Hunderte von Malen in den durch die Glasscheibe gebildeten Ecken emporhüpfte; sie bewegten sich aber ohne erkennbaren Zweck sehr viel häufiger als die Feldspitzmäuse. In allen Bewegungen ist die Waldspitzmaus zierlicher und gewandter als die richtig tölpelhafte Wasserspitzmaus, abwechslungsreicher als die faulere Feldspitzmaus. Wie die Wasserspitzmaus richtet auch die Waldspitz- maus sich recht häufig auf den Hinterfüßen auf, um zu winden, hat aber dann nicht den lächerlichen Kampf mit dem Gleichgewicht zu bestehen, wie jene. Die Feldspitzmäuse aber konnten in nun 14 bew. 5!/, Monaten der Gefangenschaft nicht ein einziges Mal auf den Hinterfüßen stehend gesehen werden. — Trotz größerer Geschicklichkeit machte die genau beobachtete Waldspitzmaus von ihrer Kletterfähigkeit bei gleich reichlicher Gelegenheit lang nicht so viel Gebrauch wie das hierin fast unermüdliche, plumpeifrige Crossopus-Exemplar. Immerhin zeigte auch die Waldspitzmaus eine gewisse Ausdauer, die bei den ruheliebenden Feldspitzmäusen undenkbar ist. Sie brachte es fertig, 20 und mehr mal einen 15 cm hohen, bleistiftdicken, rauhen Stab bis zur Spitze zu erklettern, um abspringend das den Käfig deckende Fliegengitter zu erreichen. Dort unternahm sie dann mühelos eine kleine Wanderung. Es fiel besonders auf, daß dieses Tier mit voller Ziel- bewußtheit so rasch wie möglich nach jedem Fehlsprung, oft ein Dutzend Male den Kletterstab wieder aufsuchte, bis ihm endlich der geplante schwierige Sprung nach der Decke gelang. Den Feldspitzmäusen fehlt dagegen die Fähigkeit, sich mit dem Rücken nach unten hängend weiter zu bewegen, nach den an den beiden Exemplaren angestellten Versuchen vollkommen. A. WAHLSTRÖM, Beiträge zur Biologie von Sörex vulgaris L. 287 Scheuerplatz. Sich-trocken-reiben. — Eine der Waldspitzmäuse hatte im Fichtengezweig ihres Behälters eine Stelle entdeckt, wo sie sich bequem scheuern konnte. Sie ging dort stets an genau der gleichen Stelle mit sichtlichem Behagen langsam kriechend vielemal vor- und rückwärts. VOSSELER weist darauf hin, daß diese Gewohnheit mit den Seitendrüsen in Zusammenhang stehen dürfte, denn auch andere Tiere mit drüsigen Körper- stellen reiben diese, besonders zu Fortpflanzungszeit, an fremden Gegen- ständen. Es wurde ferner beobachtet, daß die Waldspitzmaus, desgleichen die Feldspitzmaus, wenn sie naß geworden ist, sich mit Selbstverständlichkeit an Boden und Wänden trocken zu reiben beginnt. Die Wasserspitzmaus wird nicht naß, doch reibt auch sie sich an Boden und Gegenständen, um sich von Schneckenschleim zu befreien. Das Verfahren der Spitzmäuse führt, der angewandten Mühe und Ausdauer entsprechend, zu wahrem Erfolg, im Gegensatz zum Beispiel zum Hunde, der sich nur sehr unvollständig trocken- reibt. Daß eine Spitzmaus bei solcher Gelegenheit sich auf den Rücken ge- worfen und so nach Hundeart sich gewälzt hätte, wurde nie gesehen; viel- mehr trocknet sie ihren Rücken, indem sie abwechselnd von beiden Seiten her sich an Wänden abstreicht. Um die Eigenart nochmals hervorzuheben, wird betont, daß gebadete Muriden sich nicht darauf verstehen, sich trocken zu reiben, sondern, naß geworden, in der gewöhnlichen Weise sich zu putzen beginnen. Tagliebe. — Die Tagliebe dieser Spitzmausart zu messen schien nicht möglich, weil keine zuverlässigen Anhaltspunkte dafür gefunden werden konnten, ob die sich weniger im Freien zeigende Art wirklich aus Licht- scheu oder mehr aus Schlafbedürfnis, Bequemlichkeit und Wärmeliebe — dann wohl auch nachts — das Nesthocken unnötig langem Aufenthalt im Freien vorzieht. Tatsächlich zeigten sich bei gleich rasch sättigender Fütte- rungsweise die Waldspitzmäuse viel seltener als Ürossopus, aber viel häu- figer und anhaltender im hellen Raum als Orocidura lewcodon. Eine der Waldspitzmäuse verlegte sogar manchmal spontan ihren Schlafplatz aus dem dunklen Nest auf einen 5 cm über dem Boden hinlaufenden wagrechten Fichtenzweig, in dessen Nadeln sie sich für halbe Stunden einbettete. Un- geziefer im Nest als Ursache kunnte nicht festgestellt werden. Die Annahme einer größeren Tagliebe der Art erhält um so mehr Recht, als die Wald- spitzmäuse, wahrscheinlich infolge der kürzeren Gefangenschaftsdauer, viel weniger zahm waren, als es die eine Feldspitzmaus in nun 14 Monaten all- mählich geworden ist. (Die schüchterne Feldspitzmaus hat es gelernt, auf ein akustisches Zeichen aus dem Nest zu schauen und eine Fliege in Emp- fang zu nehmen, während bei den so viel frecheren Waldspitzmäusen eine solche Futterfreundschaft noch nicht erreicht worden war). 288 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Nist- und Nestgewohnheiten. — Um ihr Verhalten zu prüfen, wurde einer Waldspitzmaus der Nesteingang mit ihrem eigenen Nestinhalt — Heu und altes Laub — verstopft. Ab und zu lief das Tier hin und riß etwas vom Inhalt heraus, arbeitete aber nicht entfernt mit der Ausdauer irgend einer Mäuseart. Nach mehr als 2 Stunden hatte es den Eingang noch nicht geöffnet und hatte sich notdürftig in einer dem Leibe gerade passenden halbkugeligen Höhle eines Astes eingerichtet ohne wärmende Stoffe dorthin zu tragen und außen um sich aufzuhäufen. Auch die Waldspitzmaus, die sich einen Schlafplatz in Fichtenzweigen erwählt hatte, trug niemals Bau- stoffe dorthin, sondern begnügte sich mit der lebenden Nadelunterlage. — Die allgemeine große Hiltlosigkeit bei voller Gesundheit wurde einer der Waldspitzmäuse zum Verhängnis. Eines Tages war nämlich dem Tier eine kleine Pappschachtel mit engem Eingang als Nest aufgestellt worden; als Füllsel waren kleine Papierstücke verwendet. Am folgenden Morgen war die Spitzmaus tot, verhungert. Die Papierblättchen hatten sich bei der Arbeit des Tieres von innen flach vor den Ausgang gelegt und hatten anscheinend nicht entfernt werden können. Dementgegen hätte sich eine Maus in gleicher Verlegenheit wohl zu helfen gewußt. Überhaupt ist Sorex vulgaris im Nestbau genau so wenig eifrig, sorg- fältig und gewandt wie die verglichenen verwandten Arten: ich habe in genauer Beobachtung der drei Arten nie eines der Tiere zu Nest tragen sehen, auch nicht ein trächtiges Waldspitzmausweibchen. Ferner fällt auf, daß nicht einmal dieses tragende Tier das vorgegebene Nestmaterial erkennbar zerschliß. Freilich war allen diesen Tieren ein ihren Wärmeforderungen an- scheinend entsprechendes Lager bereitet, den erwähnten Fall zweistündiger Aussperrung ausgenommen. Gute Versorgung hält aber bei Mäusen auch die weniger baulustigen Männchen nicht zurück, gelegentlich immer wieder etwas am Neste zu verbessern, durch Zerschleißen des alten oder durch Zu- tragen neuen Materials. Wie die andern beobachteten Spitzmausarten hat auch Sorex vulgaris die Gewohnheit, unmittelbar nach dem Einschlüpfen ins Nest zur Sicherung mit dem Rüsselchen aus dem Eingang zu winden; dies geschieht auch, wenn die Tiere in Angst das Nest aufgesucht haben. Die Gewohnheit ist bei Crossopus noch ausgeprägter, bei Orocidura leucodon nicht so sehr entwickelt. Die drei Waldspitzmäuse hielten streng auf Sauberkeit im Nest. Hinein- geschobene Nahrungsbrocken entfernten sie unverzüglich und schleppten sie wie die andern Spitzmäuse in eine möglichst entfernte Ecke des Käfigs. Nur wenn die Wegschaffung schwere Arbeit verursachte, unterblieb sie. Dann z. B., wenn ein großer Wurm in Heu verwickelt ins Nest gestopfit wurde. Hier zeigte sich, wie auch sonst überall, die geringe Arbeitslust und -kraft der Waldspitzmaus im Vergleich zur Wasserspitzmaus. F A. WAHLSTRÖM, Beiträge zur Biologie von Sorex vulgaris L.L_ 289 Ortsgedächtnis. — Bei der Unterordnung des Gesichtssinns darf es als Beweis für sehr entwickeltes Ortsgedächtnis gelten, daß die obengenannte Spitzmaus ihren Kletterstab stets sofort wiederfand, um so mehr als sein Fuß in einem Gewirr anderer liegender und aufrechter Zweige versteckt war. Hierher gehört auch das ganz mühelose Finden des Nesteingangs nach ein- maliser Kenntnisnahme. Versuche erwiesen, daß beim Aufsuchen des Nestes nicht der Geruch der leitende Sinn war. Das Nest befand sich in einem umgestürzten Blumentöpfehen, der Eingang in der Seitenwand in 3 cm Höhe über dem Boden. Wurde ein gleich großer und gleich orientierter, aber neuer Nesttopf an Stelle des alten duftvertrauten gesetzt, so war die Spitzmaus in ihrer rasenden Fahrt zu Bau nicht gehemmt. Dementgegen verursachte eine nur unbedeutende Drehung des Eingangs um !/ ‚ des Umfangs völlige Verwirrung, auch wenn das alte, mit benütztem Nistmaterial gefüllte Töpf- chen verwendet wurde: das Tier rannte viele Male um das Haus und lief dabei jedesmal an dem doch offenen Eingang vorbei. Es vermochte erst nach vielen Fehlversuchen die Pforte an der gewohnten Stelle zu finden, und erst nachdem die durch die Störung verursachte Erregung etwas abgeklungen war, den allmählich einwirkenden Geruchseindrücken Aufmerksamkeit zu schenken. Es suchte und fand dann schnuppernd den Eingang in wenigen Sekunden. Reinigungstrieb. Putzvorgang. — Der Reinigungstrieb ist bei Sorex vulgarıs wie bei den verglichenen Spitzmäusen lang nicht so lebhaft wie z. B. bei den mäuseartigen Nagern. Die Waldspitzmaus putzt sich selten und schwach; gleichwohl ist das Fell stets tadellos. Der Putz- vorgang ähnelt dem anderer Spitzmäuse, er wurde in einem Aufsatz über die Wasserspitzmaus ausführlich geschildert. Wasserscheu. — Das Wassergefäß wurde nie durchwatet. Eines der Tiere fiel bei ungeschickter Untersuchung eines neuen Wasserbehälters in diesen hinein; es rettete sich so schnell wie möglich und mied danach sehr ängstlich die Stelle, wenn es dorthin getrieben werden sollte. Von der Wasserliebe der nahverwandten Art ist keine Spur vorhanden. Lautäußerungen. — Die Schreilust ist gering im Vergleich mit Crossopus. Es wurden zwei verschiedene Laute wahrgenommen, ein Wispern und ein Kreischen. Das Wispern hat Sorex vulgaris mit Crocidura leucodon ungefähr gemein. Es ist an Zartheit fast dem Summen stechlustiger Schnaken ver- gleichbar;, nur ist es kein singender Ton, vielmehr eine in häufiger Ab- wechslung leicht steigende und fallende Reihe unzählig oft abgerissener, aber sogleich hastig wiederaufgenommener Tönchen. Es ist ein Zeichen gelinder Aufregung; so ertönt es z. B. beim neugierigen Durchschlüpfen neu ins Terrar gesetzter Büsche, 19 290 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Das Kreischen, der Zorn- und Angstschrei, ist der Erinnerung nach viel mächtiger als der entsprechende Laut bei den gegenwärtig gehaltenen Feld- spitzmäusen; es ist aber, obschon im Grundcharakter dem Kriegsruf der Wasserspitzmaus sehr ähnlich, doch viel blasser als dieser und nicht so stark gedehnt. Das Kreischen wurde bei Sorex vulgaris noch seltener als das Wispern beobachtet, unter anderm einmal, als das Tier am Schwanz auf- gehoben wurde. Bei Ürossopus dagegen bieten sich zum Überdruß viele Gelegenheiten, den Zornruf zu hören, unfehlbar so oft man sich mit dem Tier beschäftigt. Für das aufdringliche scharfe Zwitschern, das dieser seinem Kreischlaut stets vorangehen läßt, findet sich nach meinen Beobachtungen bei Sorex vulgaris kein Analogon. Nahrungssuche. — Wie erwartet, scheidet beim Nahrungserwerb der Gesichtsinn aus. Hauptarbeit leistet der Geruchsinn. Nebenbei wird auch der Gehörsinn verwendet: die im Nest ruhende Spitzmaus erschien, wenn sie Appetit hatte, sofort auf das erste Summen eben eingeworfener Fleischfliegen im freien Raum, also ehe sie Witterung haben konnte. Fressakt. — Der Fressakt bietet das gleiche Bild wie bei anderen Spitzmäusen. An großen Stücken wird nicht nach Art des Kaninchens genagt, sondern dem Gehiß entsprechend, ähnlich der von Hunden und Katzen häufig geübten Weise, werden die Brocken mit den Vorderfüßen gegen den Boden gestemmt und unter manchmal ruckweisem Ziehen kleine Teilchen abgerissen. Dabei hebt sich das Hinterhaupt stark gewölbt über den Nacken heraus. — Auch kleine Bissen werden niemals mit den Vorderpfoten zum Munde geführt. Mehlwürmer u. dgl. werden vielmals abwechselnd rechts und links gekaut. — Einen starken Tauwurm zu fressen, macht Sorex vul- garis viel mehr Mühe als dem kräftigeren Crossopus; mindestens benötigt dieselbe pausenlose Fraßleistung viel mehr Zeit. — An einer toten Maus untersucht die hungrige Waldspitzmaus zunächst alle Körperöffnungen und entschließt sich dann gewöhnlich, den Kadaver am Ohr anzuschneiden. Sie verzehrt meistens zuerst das Gehirn und zieht dann allmählich das Innere immer weiter heraus, bis schließlich die umgestülpte Haut mit den Füßen, dem Schwanz und den Ohren zusammenhängend übrig bleibt. Die stärkeren Knochen einer Maus, die von der Woasserspitzmaus regelmäßig gefressen wurden, bezwingt die Waldspitzmaus nicht, sie bleiben ebenfalls übrig. Nahrungs- und Wasserbedarf. — Die tägliche Beobachtung und der augenscheinliche Hungertod aller drei Pfleglinge erweisen, daß der Nahrungsbedarf enorm, und die Fähigkeit zu fasten auch bei gutem Er- nährungszustand sehr gering ist. Trotzdem wurde von den Waldspitzmäusen nie ein Vorrat angelegt, wogegen Ürossopus darin sehr eifrig war. Wie bei Crocidura leucodon ist das Wasserbedürfnis von Sorez vulgaris A. WAHLSTRÖM, Beiträge zur Biologie von Sorex vulgaris L.. 291 minimal. Die Tiere erhielten oft wochenlang kein Wasser; wurde ihnen dann solches vorgesetzt, so beachteten sie es entweder nicht, oder sie be- rührten einmal neugierig mit der Rüsselscheibe die Oberfläche ohne zu trinken. Eines der Tiere trank am 18. Tag der Gefangenschaft erstmals Wasser, ohne daß ein Zusammenhang mit der Ernährung erkennbar gewesen wäre. Die Waldspitzmaus frißt wohl die meisten genügend kleinen, unge- schützten Tiere, Es folgt eine Übersicht über die Geschmacksneigungen des die längste Zeit beobachteten Tieres. Insekten wurden im allgemeinen sehr gern genommen. Vielerlei Arten von Grashüpfern, Nachtschmetterlingen und Fliegen waren begehrt und wurden in riesiger Menge gefressen; auch wenn dieselbe Art in großer Individuenzahl vorgesetzt wurde, ließ der Appetit nicht erkennbar nach. In mehreren Fällen wurden solche Insekten dem Fleisch von Säugetieren vorgezogen. — Unbeliebt waren Tagschmetterlinge. Leider fehlen hier wie im folgenden bei Spinnen und Schnecken eingehende Beobachtungen darüber, welche Arten bedingt und welche unbedingt verschmäht wurden, Spinnen wurden in vielerlei Arten gern gefressen, darunter selbst die bei manchen Vögeln unbeliebten Kanker. Die langen Beine dieser Tiere wurden bis auf das allerdünnste Ende, das übrig blieb, unter sehr langsamem, beiderseitigen, gründlichsten Kauen gefressen; sie verschwanden unglaublich langsam im Munde. In einem Fall verschmähte eine Waldspitzmaus vor- gselegte Kanker, vielleicht infolge reicher Sättigung an Pferdefleisch. Schnecken. — Wegschnecken und Gehäuseschnecken wurden, wenig- stens wenn sie zerschnitten und wehrlos waren, ebenso gern angegangen wie von Ürossopus; doch wurden die Waldspitzmäuse über kräftige, stark schleimende Schnecken im Gegensatz zu dem sehr agilen Orossopus nicht Herr, so daß anzunehmen ist, daß im Freileben nur kleine Schnecken an- gegriffen und bewältigt werden. Es scheint ferner, daß Gehäuseschnecken den Nacktschnecken etwas vorgezogen werden. Vogel- und Säugetierfleisch. — In einem Fall wurde die fette Haut eines Sumpfvogels dem Fleisch der Hausmaus und dem Tauwurm deutlich vorgezogen. Die Spitzmaus fraß das ganze ihr überlassene Balgstück gierig auf, wobei sie zuerst nach Art mancher Raubsäuger die Federn dicht am Grunde abbiß. Sonst war eine besondere Vorliebe für die eine oder andere der gebotenen Säuger- und Vogelfleischarten nicht zu bemerken. Das Fleisch der eigenen Art wird ebenso gern wie anderes gefressen. Häufig bestimmen Nebenumstände, etwa Bequemlichkeitsgründe, die Wahl. So wählte das Versuchstier, dem eine tote Hausmaus und ein Kadaver der eigenen Art vorgesetzt wurden, die Hausmaus und fraß die leicht erreichbaren Teile heraus. Als dann die tote Waldspitzmaus zerlegt wurde, ging das Tier sofort zu dieser über. 19* 292 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Um ein Bild zu geben von der Unregelmäßigkeit des Geschmacks der Waldspitzmaus werden einige Beispiele verschiedenen Verhaltens gegen den Tauwurm noch angeführt. 1. > Die Spitzmaus fraß lieber zwei Dutzend Küchenschaben und eine große Anzahl Stubenfliegen als die vorgelegten Würmer; nur von einem einzigen fraß sie ganz wenig. Dabei ist zu beachten, daß sich dies in der ersten Gefangenschaftsstunde so begab, daß es sich also nicht um die bei vielen Tierarten auftretende Abwendung vom Tauwurm als Gefangenschaftsfolge durch Verwöhnung handeln kann. Über Nacht wurden dann die Würmer sämtlich bis zur Festlegung zerzwickt — nicht aber irgendwie aufgestapelt. Es scheint daher fraglich, ob das Tier wirklich einen Vorrat anlegen wollte, oder ob es nicht nur durch die Bewegungen der Würmer, denen es auf dem beschränkten Raum immer wieder begegnete, zum Beißen veranlaßt wurde, Andrerseits ist es nicht unmöglich, daß die freilebende Waldspitz- maus einen absichtlich festgelegten Wurm auch ohne ihn an einen bevorzugten Platz geschleppt zu haben als Vorrat betrachten und ihn bei ihrem vorzüglichen Ortsgedächtnis einfach wieder aufsuchen möchte. Die Wasserspitzmaus freilich, die über ein nicht geringeres Ortsgedächtnis verfügt, schleppte alle eroberte Nahrung auf einen Haufen. In dem eben geschilderten Fall fraß die Spitzmaus im Lauf der Nacht eine große Menge Feldhasenfleischh von den Würmern gewiß nur geringste Mengen. . Ein großer Tauwurm wurde zwar zerzwickt, aber nur sein Kopf- ende gefressen, die Spitzmaus zog das Fleisch einer Waldmaus vor. Ein großer Tauwurm wurde bis auf ein kleines Endstück gefressen, obwohl Hausmaus- und Grasfroschfleischh beides an sich beliebt, vorhanden war. . Ein großer Tauwurm wurde zur Hälfte gefressen; die Spitzmaus hatte sich hauptsächlich an Feldhasenfleisch gehalten. Die Resthälfte des Wurmes lag vollkommen beweglich da; die Spitzmaus hatte also in diesem Fall auf die Festlegung verzichtet. Fortpflanzung. — Nur weniges konnte beobachtet werden: Ein Ende August gefangenes Weibchen warf in der Nacht vom 10./11. September 6 Junge. Dem Tier war die Trächtigkeit nicht anzusehen gewesen, obwohl es täglich zur Prüfung seines Befindens betrachtet worden war. Dies ist ein Gegensatz zu den Verhältnissen bei manchen andern kleinen Säugern, Mäuseartigen z. B., bei denen die Weibchen am Ende der Schwangerschaft bei gleicher Jungenzahl unförmig ausgesackte Bäuche schleppen. A. WAHLSTRÖM, Beiträge zur Biologie von Sorex vulgaris L. 293 Das 6. der Jungen lag tot unter der Nestmulde und wurde von mir erst einen Tag später entdeckt. Dabei ergab sich eiu beträchtlicher Größen- unterschied gegenüber den 5 lebenden Jungen. Auch im weiteren wuchsen die jungen Spitzmäuse im Vergleich zu jungen Mäusen und Ratten er- staunlich rasch — man konnte sie förmlich wachsen sehen. Die Ernährung der Mutter mit Säuger- und Vogelfleisch unter fast gänzlichem Ausschluß niederer Tiere scheint für diese selbst und für den Wurf durchaus zu genügen, Die Jungen sahen mit ihren langen Schädeln und den schon sehr be- weglichen langen Rüsseln sehr sonderbar aus; die Walzenform des nackten Leibes bedingte eine gewisse Robbenähnlichkeit. Ganz im Gegensatz zu den kurz nach der Geburt so unbeholfenen Mäuseartigen, die sich nur mühevoll umzudrehen vermögen, krochen die eintägigen Spitzmäuse schon mit größter Gewandtheit und Schnelligkeit über- und untereinander durch, ohne dabei die von der Mutter geschaffene Nestmulde zu überschreiten. Beim Sauggeschäft und bei ihrem fortwährenden gegenseitigen Drängen, wie bei Bewegungen der Mutter oder bei Berührung durch die menschliche Hand verhielten sich die Jungen völlig lautlos, im Gegensatz zu den Jungen vieler Mäuseartigen, die bei diesen Gelegenheiten durchdringend piepen. Die Mutter verbrachte, wie andere Mütter von nackten Jungen, alle verfügbare Zeit im Nest, d. h. sie verließ den Wurf nur zur Nahrungs- aufrahme und zur Entleerung. Störungen nahm sie nicht übel. Die Jungen lagen mit dem Älterwerden immer häufiger auf dem Rücken und sahen bei ihrer Feistheit ungemein behaglich aus. Vor dem 6. Tag waren sie bis auf Brauen und Schnurrhaare nackt, nun legte sich ein zartes Grau über die leuchtende Fleischtarbe der Haut. Am 18. September lieh ich das Muttertier mit seinem Wurf zu Studien- zwecken aus. Obwohl größte Sorgfalt anempfohlen war, fand ich doch schon am andern Morgen das alte Tier tot. Die Jungen waren noch munter. Den vom stellvertretenden Pfleger als Futter für die Nacht gegebenen Hühner- kopf hatte die Spitzmaus sauber skelettiert und war dann anscheinend ver- hungert — ohne sich an den Jungen zu vergreifen. Das Muttertier lag noch im Tode über den Jungen. Eine Mäusemutter, mit ihrem Wurf 10 Stunden ohne Nahrung gelassen, verhungert nicht. Es wurde nun versucht, die Jungen bei säugenden Wanderratten und säugenden Hausmäusen anzulegen; aber obwohl mir gutmütige Ammen zur Verfügung standen, mißlang dies, da die Jungen durchaus die Zitzen nicht ergriffen, obwohl sie so hungrig waren, daß sie fortwährend an den eigenen Hinterfüßen und an den Körpern der Geschwister Lutschversuche machten. Sie wurden deshalb, wenn auch ohne Hoffnung auf guten Enderfolg, mit Kuhmilch aus dem Federkiel ernährt. Sie tranken diese fremde Nahrung auch im Anfang ohne jedes Sträuben, da damit das Rüsselchen benetzt 294 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. werden konnte, sie tranken sogar mit Gier große Mengen und gediehen bei künstlicher Wärme und Tag wie Nacht fortgesetzter Fütterung überraschend gut: sie blieben nicht nur munter und prall, gähnten, streckten und kratzten sich, sondern sie wuchsen auch, und die Behaarung machte deutliche Fort- schritte.e Am Abend des dritten und am vierten Tag starben sie aber nachein- ander unter plötzlicher Erschlaffung. Ein Versehen in der Pflege wurde nicht bewußt; vielleicht waren gewisse Reservestoffe nun aufgezehrt. Am 11. Lebenstag waren die Jungen noch blind. — Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 295 13.) Beiträge zur Kenntnis von Tachyoryctes RÜPP. Von OscAR NEUMANN (Berlin) und HAnS-JoACHIM RÜMMLER (Berlin). Mit 8 Abbildungen und 4 Tabellen. Das zusammen mit Rhizomys GRAY die eine Unterfamilie der Spala- cidae bildende Genus Tachyoryctes RÜPP. ist relativ noch wenig bekannt. Zwar sind aus Ostafrika eine Reihe von Arten beschrieben worden, doch läßt die Kenntnis der weiter nördlich in Abessinien lebenden Formen sehr zu wünschen übrig. Zu dem von RÜPPELL 1835 beschriebenen T'. splendens aus Gondar, welcher der Typus der Gattung ist, und dem ebenfalls von RÜPPELL 1842 beschriebenen T. macrocephalus aus Schoa, kamen nur T. splendens somalicus OSG00D 1910 aus Ujawaj, Berbera und 7. chees- mani THOMAS 1928 vom Tana See hinzu. Unter anderm fehien also Nachrichten und Untersuchungen über das Vorkommen der Gattung im Gebiet der südäthiopischen Seeenkette und des Omo. Aus diesen beiden Gebieten besitzt nun das Berliner Zoologische Museum schöne Serien von Tachyoryctes, die von den in den Jahren 1900/1901 von Freiherr von ERLANGER und dem zuerst genannten Autor unternommenen Expeditionen nach Abessinien herrühren. Die Untersuchung dieses noch nicht bearbeiteten Materials soll daher die Aufgabe folgender Zeilen sein. Es kann leider an dieser Stelle und zusammen mit der Besprechung der neuen abessinischen Formen nicht, wie es eigentlich erstrebenswert wäre, eine Überarbeitung der gesamten Gattung und aller schon beschriebenen Arten und Unterarten erfolgen, da das zur Verfügung stehende Material der ostafrikanischen Arten für diesen Zweck noch zu gering ist. Wir sind daher ständig um die Vervollständigung desselben bemüht und hoffen, bald die uns vor Augen stehende zusammen- fassende Bearbeitung liefern zu können, Schon bei flüchtiger Durchsicht der erwähnten Expeditionsausbeute hatte es sich gezeigt, daß die Formen der äthiopischen Seenkette und des Omo- gebietes mit den bisher bekannten nicht vollkommen übereinstimmen. Sie unterscheiden sich, von kleineren Differenzen in der Farbe des Haarkleides abgesehen, hauptsächlich durch die Condylobasallänge des Schädels, deren Variationsbreite bei erwachsenen Individuen gleichen Fundortes sich scharf von der eines anderen unterscheidet, also für verschiedene Fundgebiete ver- schieden konstant ist. Leider hat RÜPPELL in seinen Beschreibungen von macrocephalus und splendens Schädelmaße nicht angegeben. Deshalb sei in Tabelle 1 eine Übersicht über die Maße der beiden Arten gegeben, die von RÜPPELL schen Originalexemplaren genommen sind, für deren Über- lassung wir Herrn Dr. MERTENS (Senckenbergisches Museum) bestens danken. 2096 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Tabelle 1: Schädelmaße von T. spl. splendens und T. macr. macrocephalus. u ERITERTErTE N: 3 235 |» aslänlöse2s2 se Sammler | Fundort No. Asa) e | 5 323 #2 4482323 5 2 855|%2 | A 352[521320555[% aeis| Es Sc Ay ee, > s| si A | T. spl. . | | splendens RÜPPELL | Gondar er © [4151248192 | — 67 |es2 sı oa ; „. Penekb.Mus. _. | 40.6 28.8 9.2 | 29.6 6.5 |20.5\8.0 |8.6 |5.4 Senckb.Mus.| : ; rss — je1sl2selas so7/ao [29.5184 |03 [5.6 BZM. Ä HEUGLIN i Bus ee nee: | — B.Z.M. N i os 9 jaral aan | — \69 |ozelan ao T. macroc. macrocephal.| RÜPPELL | Schoa N —_ [64.2 39,8] 12.7|44.8| 5.7 | 42.8| 12.0) 13.3] 8.6 ö : B.Zz.Mm. |< |ea5ls9.9l — |c.50 6.8 | — | 12.2] 13,7|9,5 Der Schädel Nr. 728 ist derselbe, nach dem die Abbildung der Original- beschreibung von Z. macrocephalus gezeichnet wurde. Zur besseren Ver- gleichsmöglichkeit geben die Abbildungen 1 u. 2 einen Schädel der Rüppell- Abb. 1. T. spl. splendens. Dorsal- Abb. 2. T. spl. splendens. Seitenan- ansicht des Schädels. (Etwa !/, nat. sicht d. Schädels (Etwa !/, nat. Größe). Größe). Nach Senckbg. Mus. Nr. VII Nach Senckbg. Mus. No. VII y1ib. y1ik. schen Cotypen von T. splendens. Mit T. splendens somalicus erwiesen sich nach den gegebenen Maßen identisch die vom erstgenannten Autor und dem Freiherrn v. ERLANGER am Gara Mulata gesammelten Stücke. Tabelle 2 zeigt die Maße der ausgewachsenen Exemplare. Mit der letzten beschriebenen abessinischen Form, 7. cheesmani haben die Stücke aus der Gegend des Abassi Sees, wie Tabelle 3 ergibt, übereinstimmende Schädelmaße. Die Frage zu entscheiden, NEUMANN u. RÜMMLER, Beiträge zur Kenntnis von Tachyoryetes RÜPP, 297 Tabelle 2. Schädelmaße von 7. splendens somalicus. ı 1 je) © 3= g 2:8 I5 | s|ı2 Se 8.08 .lo2e2| 2 2Z.M. oo Ta|Ig2| 8 |%0%2 oo oo leer Sammler Fundort ei ee 23 Be | 5242| 2 N. [2 88 e2| a 35353882055:|% SE IA Se = az ° | le PD Sur eil,e NEUMANN | Gara Mulata | 36601 | — | — |25.8| — | — |65 |30.5| 8.5 | 9.5 | 4.4 4 i 36604 | — | 41.8| 24.8| 9.9 | 29.5| 6.6 | 29.11 8.4 | 8.7 | 4.2 = n 36607 | — | 40.9| 24.5! 9.5 | 28.4! 6.5 | 28.7! 8.0 | 9.1! 4.2 ä 3 36610 — |422| 25.01 9.1 |28.0| 6.1 |29.5| 8.3 | 9.5 | 4.7 N 5 | 86612 | — | 42.5] 25.4! 9,5 |ca2u| 6.7 30.4] 8.8 | 9.6 | 4.7 r > 836613 | — | 40.7| 24.1| 8.9 | 23.9] 6.2 | 29.2| 8.3 | 8.9 | 4.3 HILGERT Hara | 86618 | — | 41.8] 24.8| 9.1 | 30.3, 6.8 | 29.5 8.5 | 9.1 | 4.9 ob der durch eine Variationsbreite der Condylobasallänge von 47 mm bis 50 mm sich von den anderen unterscheidende Tachyoryctes vom Abassi-See cheesmani ist, ist für uns augenblicklich unmöglich, und wir verzichten daher auf besondere Namengebung, hoffen aber durch einen späteren Vergleich der Originalschädel hierzu definitiv Stellung nehmen zu können; aus zoogeogra- phischen Gründen ist eine Identität unwahrscheinlich, Es besteht also zwischen dieser Form und den beiden splendens Repräsentanten bezüglich der Variationsbreite der Condylobasallänge eine Lücke vou 4 mm. Tabelle 3. Schädelmaße von T. splendens ssp. n.? - [e») E - a 6 B- 3 Slesao a üsäsäels2leg:: Sammler Fundort ne r 22% 2 e es n3 = SIE 2123|2 r. | 1585 s=| m 33531:230555| 5% oO Ss ıH S S fe zZ Ze Fe Ze een NEUMANN | Abassi? | 36622 | & |49.8| 30.3! 11.5|34.5| 7.3 |33.2| 9.1) 9.6 5.9 x „.? | 86621 | & 49.7! 29.7| 10.5 35.3! 6.9 | 33.2] 10.0| 10.5 6.2 v.ERLANGER Aberadscho | 36654 | — | 48.9| 29.1| 10.8ca34| 7.4 | 33.5| 9.8 10.9| 6.5 5 R 36655 | — |49.6| 29.8 11.5| — | 6.9 | 32.3) 10.0) 9,8| 6.3 = Wonda 36653 | — | 47.3 28.2| 10.81ca84| 7.1 |32.4| 10.3 9.8] — s & ı 86651 ,— | — |28.1| — |ea33| 6.7 182.9] 9.2) 9.4 — Tachyoryctes splendens omoensis ssp. n. Typus: B.Z.M. No. 36641, Q ad, F.Sch. Fundort: Bolagoschana, Doko. O. NEUMANN S. 12. 2. 1901. Material: 3ad 9, 3 ad, 1 juv.: Bolagoschana, Doko. 2 ad J', 6 adQ, 1 juv. Q,1juv. Q: Djala, Gofa. 1 juv. ad. Q: Malo. lad Z, 2juv. Q, 1juv.9: Gardulla. Sammler: O0. NEUMANN. Fell. Die Farbe!) des einzelnen Haares des Typus ist dunkelbraungrau mit mehr oder minder dunkelbrauner Spitze. Die Gesamtfärbung ist in der Rückenmitte dunkelbraun und wird den Flanken zu etwas heller. Die 298 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Behaarung des Bauches besteht im Gegensatz zum übrigen Körper aus kurzen, nicht sehr dicht stehenden, dunkelgrauen Haaren mit kleinen, hellgrauen, des öfteren nahezu weißlichen Spitzen. Die dunklere Färbung der Rücken- mitte setzt sich bis auf die Oberseite des Kopfes fort und wird hier sogar noch eine Kleinigkeit dunkler. Die Felle aus Doko haben, soweit erwachsen, alle die gleiche Färbung. Das Stück aus Malo hat keine dunklere Rückenmitte, aber dunkleren Kopf und zeigt den Flanken zu verhältnismäßig häufig Haare mit hell-gold- glänzenden Spitzen. Der Bauch ist, da das Tier noch nicht erwachsen, dunkler als. der des Typus. Das erwachsene Exemplar aus Gardulla hat eine mehr rötlich- braune Rückenfärbung und einen ebensolchen Kopf. Am Bauch treten zwischen der graubraunen Grundfärbung büschelweise hellbraune Haarspitzen auf. Die Stücke von Gofa unterscheiden sich vom Typus durch mehr rötlich braunen Rücken und den anders gefärbten Bauch, der ein Gemisch aus rötlichbraunen und braungrauen Farbtönen darstellt. Schädel. (Abbildung 3 und 4). Beim Schädel des Typus ist eine Crista sagittalis nicht zur Ausbildung gelangt, ein kleines Interparietale ist vorhanden. Die Zähne sind bereits weit heruntergekaut. Jochbogen in seinem vorderen Teil kräftig entwickelt, Vorderseite der Schneidezähne hellbraunrot. Der Schädel gleicht im Aufbau und Anordnung dem der anderen schon be- schriebenen Formen. Abb. 3. Abb. 4. T.splendens omoensis. Dorsalansicht des T.splendens omoensis. Seitenansicht des Schädels. Nach B.Z.M. No. 386611. Schädels. Nach B.Z.M. No. 36641. (Etwa 4, nat. Größe). (Etwa 1/, nat. Größe). Ebenso zeigen die einzelnen Schädel desselben Fundortes unter sich, wie auch Vertreter der Fundorte untereinander, keinerlei auffallende Unter- schiede in der Form. Wichtiger ist jedoch, daß die Schädelmaße zusammen eine Variationsbreite ergeben, die die Exemplare dieser vier Fundorte scharf von den anderen bekannten zu trennen gestattet. Eine Übersicht über die ‚Schädelmaße der erwachsenen Stücke gibt Tabelle 4. Die Tatsache, daß das untersuchte Material hauptsächlich aus Q besteht, ist wahrscheinlich NEUMANN u. RÜMMLER, Beiträge zur Kenntnis von Tachyoryctes RÜPP. 299 eine Erklärung dafür, daß eine Crista sagittalis fast gar nicht oder sehr selten ausgebildet ist. Das S aus Gardulla hat, obwohl es erwachsen ist, nur eine schwache Andeutung einer Crista. Tabelle 4 Schädelmaße von Z. splendens omoensis ssp. n. ' [) © [eD} El, ee are B.z.Mm. 8 Sa 3elke Ss Eslöäse!gil|® Sammler Fundort alseıs43: 5 173342832338 < . |8 88823237 53820552|% I) (@) = Ss <= | 8 En RR ee lese nal Doko | 36641 | 9 a 26.4 30.01 9.8 7.1 |31.6| 9.5| 9.6| 5.8 i € se642 | 142.4 2581 28.7 9.11 6.9 |31.4| 9.6| 9.9 5.6 i i 36643 | © | 45.8| 27.5 30.0| 10.1) 7.5 | 31.4] 10.0) 10.1) 5.6 i x 36644 | 9" |43.9| 26.11 29.1) 9.2] 6.8 |30.6| 9.6) 9.8| 5.2 : = 36645 | © | 43.1! 25.81 31.51 9.6] 7.7 |31.8| 9.7| 10.7| 5.6 2 ü se646 | 146.71 27.8|31.1 10.2| 6.8 |sı.a| 9.1 9.2| 6.2 ; Malo | 36648 | Q | 42.0| 25.9| 30.5| 9.8] 7.4 |30.0| 94] 9.71 5.5 { Gofa | 36627 | & | 44.9| 27.4ca32! 10.2| 7.3 |31.6| 90, 9.9| 5.7 R A 36623 | © |44.5| 27.1\ca80| 9.8) 73 |322| 93) 10.0| 5.8 h & 36629 | © 43.4 26.6ca30) 9.7) 7.3 |31.4| 9.6 10.1| 5.6 $ a 36630 | © 46.5 28.3 — 10.5) 7.3|32.9| 90| 9.e| 6.1 & i sess2 | © | 43.8 25.9 ca30| 10.7 7.3 31.2] 8.7 9.5 5.5 Ä i 36633 | © 1541230 ca3L| 10.4| 7.0 E n 9.3] 6.1 B Gardulla | 36623 | & |43.9| 26.6| 29.5| ı0.7) 6.4 31.4 8.9! 9.2| 5.3 Bemerkungen. Das die Fundorte enthaltende Gebiet wird begrenzt im ‘Westen und Norden vom Omo, im Osten vom Abaja-(Margarita-) und Gandjule-See und im Süden vom Sagan und bildet so ein für sich abgeschlossenes Gebiet, so daß hieraus schon auf das Vorkommen einer besonderen Form geschlossen werden könnte. Gewißheit und volle Berechtigung für das Aufstellen einer besonderen Unterart für dieses Gebiet ergibt sich dadurch, daß die Variations- breite der Condylobasallänge sich scharf von denen der anderen abessinischen Formen trennen läßt. Im Hinblick hierauf darf man dem Unterschied in der Färbung des Felles zwischen den Malo- und Doko-Stücken auf der einen und den Exemplaren von Gofa und Gardulla auf der andern Seite keine weitgehendere Bedeutung zumessen, obwohl nicht unerwähnt bleiben darf, daß die zuletzt erwähnten in der Farbe sich an die Stücke von der Gegend des Abassi Sees anschließen. Das Entscheidende ist aber nach unserer Meinung die genau bestimmte Variationsbreite der Condylobasallänge. In diesem Zusammenhange sei erwähnt, daß der zuerst genannte Autor auch in Falle, Schoa, ein Exemplar der splendens-Gruppe erbeutet hat: B. Z. M. No. 36620, 9 ad. Maße: Condylobasalläge 43,6; Palatallänge 26,6; Bulla 10,2; Jochbogenbreite 30,4; Interorbitalbreite 6,6; Unterkieferlänge 30,4; Obere Molarenreihe: 8,1; Untere Molarenreihe 8,9; Ineisivbreite 5,7, Die Maße würden zwar gut zu Omoensis passen, doch scheint in der 300 Zeitschrift für Säugetierkunde, Pd. III, 1928. Größe der Molarenreihe ein Unterschied zu bestehen. Im Fell ähnelt es dem splendens aus Gondar, zeigt jedoch das Rot nicht so vorherrschend, so daß das Rotbraun mehr dem braunen zuneigt. Im Vergleich mit den Fellen von omoensis zeigt es Ähnlichkeit mit den Stücken aus Gofa, ist jedoch rotbrauner als diese und zeigt in der Mitte des Bauches die braungraue Grundfärbung vorherrschend. Infolge der Geringfügigkeit des Materials müssen wir uns leider versagen, näher auf die systematische Stellung ein- zugehen, und werden das Versäumnis nachholen, wenn, wie zu erwarten steht, mehr Material aus dieser Gegend eingetroffen ist. Diagnose. T. splendens omoensis beweist durch den übereinstimmenden Besitz des allgemeinen Schädelbaues, gleicher Zahnform und ähnlichen braunen Haarkleides seine Zugehörigkeit zur Species Z. splendens und unterscheidet sich von den übrigen Unterarten durch die Größe der Condylobasallänge des Schädels, die zwischen 42 mm und 47 mm variiert und deren am häufigsten vorkommender Wert in der Nähe von 44 mm liegt. Tachyoryctes pontifex sp. n. Typus: B. Z. M. No. 36649, & ad, F., Sch. Fundort: Buka, Kaffa. O. NEU- MANN S. 3. 3. 1901. Material: Außer dem Typus ein J juv. aus Kaffa ohne nähere Bezeich- nung. B. Z. M. No. 35650. Gleicher Sammler wie oben. Fell. Rücken und Flanken des Typus zeigen eine einheitliche dunkel- rotbraune Färbung, die den Kopf in einer nur ein klein wenig dunkleren Tönung mit einschließt. Bauch braungrau mit in vereinzelten Büscheln stehenden hellen glänzenden Haarspitzen. Bei dem jüngeren Stück sind Rücken, Flanken, Kopf dunkelbraunschwarz, der Bauch dunkler als der des Typus. Schädel (Abbildung 5 und 6). Typus 36650 Condylobasällänge 55,1 49,3 Palatallänge 32,9 29,4 Bulla 11,9 10,8 Jochbogenbreite ca. 36,5 ca. 35 Interorbitalbreite 6,7 7,0 Unterkieferlänge 37,3 34,1 Obere Molarenreihe 11,7 11,5 Untere Molarenreihe 11,6 11,6 Ineisivbreite 4,1 6,3 Der allgemeine Schädelbau zeigt in einzelnen Punkten eine etwas andere Anordnung als bei den bisher beschriebenen Formen. So haben die Parie- talia eine eigenartige schmale, seitlich zusammengedrückte Form. Das Supraocei- pitale ist im oberen Verlauf der Linea nuchalis med. nach innen gewölbt statt NEUMANN u. RÜMMLER, Beiträge zur Kenntnis von Taachyoryctes RÜPP. 301 wie sonst nach außen. Die Breite der Schädelkapsel, gemessen an der schmalsten Stelle der Squamosumbreite und ausgedrückt in Prozenten der Condylobasal- länge beträgt nur 33°/,, während dieser Wert sonst im äußersten Falle nur bis auf 37°/, heruntergeht. Die Intermaxillaria scheinen in der Längs- richtung zusammengedrückt, da sie in ungefähr gleicher Länge wie sonst eine viel bedeutendere Höhe haben. Die lateralen Begrenzungslinien der Nasalia bilden im Gegensatz zu ihrem sonst fast geradlinigen Verlauf eine doppelt geschwungene Linie. Die Interorbitalbreite ist im Verhältnis zur Condylobasallänge kleiner als bisher bei einem splendens-Repräsentanten be- schrieben, nämlich 12,2°,, gegen 14—18°/, bei den beschriebenen Formen. Die Crista sagittalis ist gut ausgebildet, das Interparietale nahezu ver- schwunden, die Basalnaht verwachsen. Die Vorderseite der Ineisivi ist dunkel- braunrot und ohne Andeutung einer Längsfurche. . Die Molarenreihe des zweiten Exemplars zeigt noch deutliche Spuren der inneren Furche. Eine Crista sagittalis ist noch nicht ausgebildet. Das Stück zeigt, da es noch nicht erwachsen ist, zwar die oben erwähnten Be- sonderheiten schon angedeutet, aber nicht in der Ausbildung wie der Typus. Abb. 5. T. pontifex. Dorsalansicht des Schädels. Nach B. Z. M. No. 36649. (Etwa 1/, natürl. Größe). Bemerkungen. Die Verschiedenheiten des Schädels gegenüber den beschriebenen Vertretern von 7. splendens verglichen mit den Unterschieden, die ihn von macrocephalus trennen, geben ihm geradezu eine Mittelstellung zwischen beiden Gruppen. Heraus aus der splendens-Gruppe hebt ihn die geringe Interorbitalbreite, die, wenn er ein Repräsentant dieser Gruppe sein sollte, mit der steigenden Condylobasallänge sich auch‘ vergrößern müßte, also größer als 7,4 mm sein müßte. Sein Condylobasal-Interorbital-Index nähert sich mit 12°/, dem von macrocephalus, der 9—10°/, beträgt. Ebenso hat er mit diesem die nach innen gebogene Linea nuchalis med. und die schmalen Pa- rietalia gemeinsam. Nicht überein mit macrocephalus stimmt der Schädel durch die mehr geradlinig nach hinten verlaufende hintere Partie der Schädelkapsel, die bei macrocephalus nach hinten unten abfällt und so dem Schädel die beinahe regel- mäßig gebogene Profillinie verleiht. Bei der vorliegenden Form bildet da- 302 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. gegen, genau wie bei splendens, die Crista sagittalis eine von einer Geraden wenig abweichende Linie. Ferner ist die Schädelkapsel von macrocephalus bei ungefähr gleicher Länge bedeutend breiter. Aus all diesem geht zur Genüge hervor, daß wir es bier mit einer zwischen macrocephalus und splendens stehenden Form zu tun haben. Die Aufstellung einer neuen Art darf nun wohl durch die vorhergegangenen Erwägungen als berechtigt nach- gewiesen sein, was durch die Tatsache unterstützt wird, daß Kaffa ein von den übrigen Verbreitungsgebieten verschiedenes Urwaldgebiet darstellt. Ent- sprechend seiner Mittelstellung zwischen beiden Arten nennen wir die neue Form 7. pontifex. Abb. 6. T.pontifex. Seitenansicht des Schädels Nach B. Z. M. No. 36649. (Etwa 1/, nat. Größe). Diagnose. Tachyoryctes pontifex besitzt die allgemeinen Merkmale der Gattung und unterscheidet sich von macrocephalus durch braunes Haar- kleid, geradliniges Schädelprofl, schmalere Schädelkapsel, und geringere Condylobasallänge, von spendens dagegen durch weit unter dem Minimum liegende Interorbitalbreite, Nach-innen-Wölbung des oberen Teiles der Linea nuchalis med., besonders schmale Parietalia und größere Condylobasallänge und Jochbogenbreite. Tachyoryctes macrocephalus hecki ssp. n. Typus: B.Z.M. No. 36656 ad. F., S. Fundort: Abakkara, etwa 150 km westlich des Abassi Sees im Grenzgebiet zwischen Djamdjam und Arussi Galla gelegen, v. ERLANGER S.13. 2. 1901. Material: Der Typus ist leider das einzige zur Zeit verfügbare Stück dieser Form. Fell. Der größere Teil des einzelnen Haares ist dunkelbraungrau, die Haarspitzen in der Rückenmitte braun, den Flanken zu hellrötlichbraungelb werdend. In der Gesamtfärbung gleicht das vorliegende Stück dem im B.Z.M. vorhandenen von RÜPPELL aus Schoa. Schädel (Abb. 7 und 8). Condylobasallänge 60,6 Palatallänge 31.9 Bulla 1343 NEUMANN u. RÜMMLER, Beiträge zur Kenntnis von Tachyoryctes RÜPP. 303 Jochbogenbreite 43,5 Interorbitalbreite 6,2 Unterkieferlänge ca. 42,— Obere Molarenreihe 13,0 Untere Molarenreihe 13,8 Ineisivbreite 7,2 Basalnaht verwachsen. Eine Crista sagittalis ist ausgebildet, auch läßt die Abnutzung der Molarenreihe das Alter als erwachsen bestimmen. Der all- gemeine Bau des Schädels gibt durch seine gleichmäßig gebogene Profillinie seine Zugehörigkeit zu macrocephalus zu erkennen. Desgleichen sind der Condylobasal-Interorbital-Index in Höhe von 10,2°/,, die absolute Interor- bitalbreite, die mehr langgestreckte Form des Foramen interorbitale, die Abb. 7. T. macrocephalus hecki. Dorsal- ansicht des Schädels. Nach B. Z. M. No. 36656. (Etwa 1/, nat. Größe). Form der Jochbogen Zeichen für die Zugehörigkeit zu macrocephalus. Unter- schieden davon ist er durch geringere Größe und schmale Intermaxillaria und Nasalia, so daß die Intermaxillarbreite in Procenten der Condy- lobasallänge umgerechnet nur 18°), gegen 22 und 21°), beträgt. Ein weiterer, allerdings geringfügiger Unterschied besteht darin, daß die Nasalia in ihrem mittleren Verlauf nach oben gewölbt sind, wäh- rend sie bei der Schoa-Form bis zur Mitte flach oder nach unten ein- gebogen sind. Die Parietalia haben nicht die für macrocephalus charak- teristische schmale Form, sondern ähneln mehr der der splendens-Gruppe. Die Linea nuchalis med. scheint, soweit sie nicht weggebrochen ist, sich der nach außen wölbenden Form zu nähern. Die bei den Schoa-Stücken deutlich sichtbare schwache Längsfurche auf der Vorderseite der Ineisivi ist hier gerade noch angedeutet. Farbe der Vorderseite der Schneidezähne ist ein helles Rotbraun. Der vordere Rand des als Seitenwand des Foramen in- fraorbitale verwendeten Maxillare bildet ähnlich wie bei pontifex einen 304 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. Teil eines ‘nach vorn und unten gerichteten Kreisbogens, während bei splendens dieser Rand einer geraden Linie angenähert ist und bei macro- cephalus nach Durchlauf eines kleinen Teils einer Bogenlinie plötzlich nahezu senkrecht nach unten abfällt. Abb. 8. T. macrocephalus hecki, Seitenansicht des Schädels. Nach B.Z.M. No. 36656, (®/, nat. Größe). Bemerkungen. Der von der terra typica des macrocephalus durch das Hauaschtal und das Seengebiet getrennte, in einem anderen zoographischen Gebiet liegende Fundort läßt schon das Auftreten einer besonderen Form vermuten. Dazu kommen die oben dargelegten Unterschiede in der An- ordnung, der Größe und der Gestalt einzelner Schädelteile. Wir nehmen das vierzigjährige Amtsjubiläum Geheimrat HECK’s zum Anlaß, ihm diese neue Subspecies zu widmen und geben ihr deshalb den Namen Tachyoryctes macrocephalus hecki. Diagnose. T. macrocephalus hecki gehört durch sein gelbbraunes Haarkleid sowie Größe und Form des Schädels zur Spezies macrocephalus, unterscheidet sich aber von mac. macrocephalus durch Form und Größe der Intermaxillarregion des Schädels. | Schlußbemerkungen. Wie wir schon oben bemerkten, nehmen wir als ziemlich sicher an, daß auch der Zachyoryctes von Falle, Schoa, sowie der vom Abassi See und vielleicht sogar der von Gardulla und Gofa neu zu benennen sein werden, ziehen es aber bei den wenigen vorliegenden Stücken und dem Mangel an gutem Vergleichsmaterial aus Nordabessinien vor, nur die Maße unseres Materials hier tabellarisch anzuführen und verzichten vorläufig auf Namengebung. Wir nehmen an, daß die Expedition des Field Museums in Chicago größere Serien von Tachyoryctes in diesen Gegenden gesammelt haben wird, und daß Herr W. H. OsGooD bald auf den Gegenstand zurückkommen wird. Eins scheint uns aber schon heute festzustehen, daß im Süden des abessinischen Reiches südlich des Hauasch die Zachyoryctes-Formen (mögen es nun Species oder Subspecies sein), die östlich der südäthiopischen Seenkette (die den Norden der großen ostafrikanischen Grabenspalte ausfüllt) vorkommen, von denen der Gebirge, die westlich des Grabens und besonders im Omogebiet leben, verschieden sind. NEUMANN u. RÜMMLER, Beiträge zur Kenntnis von Tachyoryctes RÜPP. 305 Zusammenfassend ist zu sagen, daß, obwohl wir uns anfangs nicht einig waren, ob die hier beschriebenen Tachyoryctes-Formen als Arten oder Unterarten aufzufassen, d. h. ob sie ternär oder binär zu benennen seien, uns schließlich doch dazu entschlossen, nur pontifex binär zu benennen, hauptsächlich weil sein Condylobasal-Interorbital-Index, und seine Jochbogen- breite zwischen der macrocephalus- und splendens-Gruppe vermitteln. Das letzte Wort aber über den genauen systematischen Wert der bisher beschriebenen „Arten“ und „Unterarten“ wird u. E. erst dann zu sprechen sein, wenn es gelingt, einen möglichst großen Teil des überhaupt vor- handenen Materials, sowohl des abessinischen wie des ostafrikanischen, in der Hand eines Bearbeiters zu vereinigen. Denn ein Vergleich der von HOLLISTER gegeben Schädelmaße des im U. S. National Museum vor- handenen Materials mit unserem abessinischen und den Typenmaßen der beschriebenen Formen, erweckt den Anschein, als ob von den vier Maßgruppen von splendens mindestens drei auch in den anderen Schädelmaßen überein- stimmende wiederkehrten, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß auch pontifex dem von HELLER 1910 vom Kenia beschrieben 7. rex bezüglich der Maße und sonstigen Schädelbildung sehr ähnlich erscheint. Es ist uns jedoch sehr unwahrscheinlich, daß es demnach 3 oder 4 Tachyoryctesarten geben sollte, die dann je einen Vertreter sowohl in Abessinien als auch in Ostafrika hätten. Eine weitere Frage, die erst später entschieden werden Kann, ist die, inwieweit die sehr deutlichen Unterschiede in der Färbung des Felles specifischen bezw. subspecifischen Wert haben oder inwieweit diese Unter- schiede auf Haarwechsel nach der Trocken- und Regenzeit zurückzuführen sind. Anmerkungen. 1) Die Färbung des Felles genau zu beschreiben, stößt bei Tachyoryctes auf große Schwierigkeiten, da das einzelne Haar zwei verschiedene Färbungen zeigt. Der größere, untere Teil ist im allgemeinen dunkelbraungrau, während die Spitze in einem helleren Braun schimmert, das bis zum hellen Rotbraun und manchmal zu einem goldig glänzenden Gelb werden kann. Es hängt nur von der Dichte des Haarkleides, die ja durch mancherlei Umstände, zum Beispiel auch bei der Prä- paration, eine Abänderung erfahren kann, ab, ob nur die Haarspitzen den Gesamt- eindruck ausmachen, — dann erscheint die Färbung einheitlich wie meist im Rücken und den Seiten —, oder ob auch der untere Teil der Haare an einzelnen Stellen oder allgemein zum Vorschein kommt, so daß eine Art Sprenkelung wie oft am Bauche entsteht. Da die Haare im allgemeinen stark glänzend sind, ist der Gesamteindruck auch je nach der Richtung des bei der Betrachtung vor- handenen Lichtes verschieden. 20 306 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd, III, 1928. Literatur. HELLER, Smithsonian Miscellaneous Collections 56, No. 9, p. 4, 1910. HOLLISTER, East african Mammals in the United States National Museum. Smiths. Inst. U. S. Nat. Museum Bull. 99, pt. 2. OSGOOD, Ann. Mag. Nat. Hist. (8) 5, p. 276, 1919. RÜPPELL, Wirbelthiere Abyssiniens, p. 35, pl. XII, 1835. RÜPPELL, Mus. Senckenb. 3, p. 97 und 115, pl. VII, fig. 2, pl.X, fig. 2, 1845. THOMAS, Ann. Mag. Nat. Hist. (10) 1, p, 302, 1928. V. Notizen. 1.) Ein großes Hautkorn bei einem Rinde. Durch die Liebenswürdigkeit der Herrn Schlachthofdirektors von WERDER (Flensburg) gelangte das Anatomische Institut der Tierärztlichen Hochschule in Berlin in den Besitz des in Abbildung 1 und 2 der Tafel V dargestellten Kopfes. Derselbe stammt von einer Angeler Kuh, die auf dem Flensburger Schlachthof zur Schlachtung kam. In der Mitte der regio nasalis ragt ein über- aus kräftig entwickeltes Hauthorn hervor. Dasselbe ist 35 cm lang und hat an seinem Grunde einem Umfang von 26 cm. In der Literatur sind derartig stark entwickelte Hauthörner nicht bekannt. . Bisher wurden nur solche von 15—20 cm Länge angegeben. Das Hauthorn, cornu cutaneum, ist eine durch Hypertrophie des Papillar- körpers und des stratum corneum der Haut entstehende Neubildung. Die Haut- hörner sitzen meistens fest auf der Haut und sind an der Oberfläche mit Längs- und Querstreifen, Rinnen und Wülsten bedeckt. Hauthörner sind bisher bei Pferden am Kopf und an den Extremitäten, bei Rindern am Kopf und am Rumpf, bei Schafen am Halse und an den Ohren, bei Hunden an der Stirn, den Ohren und an den Flanken beobachtet worden. Dr. F. SCHÖNBERG (Berlin). 2.) Mus musculus subcaeruleus SSp.n. TYPUS: B. Z.M. Nr. 385270, Q ad., F. Sch. Fundort: Malse bei Appeln bei Bremerhaven, K. FRITSCHE S. 24. 1. 1925. Material: 18 F. Sch. Umgebung von Bremerhaven, 6 F. Sch. von Alfeld a.L. Fell: Die Farbe des Haares des Rückens, der Seiten, der Außenseiten der Beine und der Ohren ist blauschwärzlich. An den Seiten haben die Haare graue Spitzen, sodaß sich die Seite vom Rücken abhebt. Die Farbe der Unterseite und der inneren Beinseiten ist hellgrau, mit durchscheinendem Wollhaar. Dieses ist am ganzen Körper schwarzblau, jedoch auf der Unterseite heller als auf dem Rücken. Schnurrhaare blauschwärzlich. Die Farbe der Füße ist dunkelgrau mit 1/, mm langer, kaum wahrnehmbarer Behaarung. Viele Exemplare haben reinweiße Zehenbehaarung, besonders an der Hinterextremität, die sich dann scharf von den dunklen Beinen abhebt. Der Schwanz ist einfarbig schwärzlich mit kaum wahr- nehmbarer Behaarung. Maße: Gesamtlänge 155—185 mm, Schwanzlänge bis 85 mm, Ohrlänge bis 14 mm, Hinterfußlänge bis 18 mm, Rückenhaarlänge 7—8 mm im Winterpelz, Bauchhaar 2 mm. Condylobasallänge 20,3 mm, Palatallänge 10,8 mm, Interorbitalbreite 4,0 mm, Jochbogenbreite 11,0 mm, Schädelbreite 9,9 mm. (Maße d. Typus). Bemerkungen: Vereinzelt kommen unter den Tieren auch Stücke vor, die 20* 308 Notizen. etwas grauer gefärbt sind, besonders im Winterpelz. Der Unterschied in der Färbung zwischen diesen Stücken und der typischen Mus musculus musculus L. von Uppsala, von der mir Stücke vorliegen, ist aber so groß, daß eine Unter- scheidung ohne Mühe möglich ist. Ob es sich bei diesen Stücken um Farbaberra- tionen handelt, möchte ich nicht entscheiden. Wie weit das Verbreitungsgebiet der Form geht, ist noch festzustellen. Unter den mir vorliegenden 100 Stücken des B.Z.M. aus dem östlichen und mittleren Deutschland, für deren Überlassung ich Herrn Dr. POHLE meinen wärmsten Dank ausspreche, finden sich Stücke mit den angegebenen Merkmalen nicht wieder. K. FRITSCHE (Bremerhaven.) ü 3.) Expeditionsnachrichten. Ende Februar des Jahres ging unser durch seine Reisen in Nordafrika be- kanntes Mitglied, Herr PAUL SPATZ, von neuem auf Expedition und zwar dies- mal ins Senegalgebiet. Die Landung erfolgte in Dakar. Nach Erledigung der Formalitäten ging’s mit der Bahn nach St. Louis und dann zu Schiff den Senegal hinauf bis Podor und Bougue, von wo die Rückreise angetreten wurde. Die Expe- dition, an der außer Herrn P. SPATZ auch sein Sohn RICHARD und der Präpa- rator F. BOCK teilnahmen, hatte besonders unter der Hitze zu leiden, die größere Märsche unmöglich machte, so daß die Reisenden sich nie allzu weit vom Fluß entfernen konnten. Trotzdem scheint der Erfolg zufriedenstellend zu sein. An lebenden Tieren werden 2 Schimpansen, Paviane, 1 Löwe, 4 Strauße u. a. genannt. Auch die Ausbeute an totem Material ist größer als erwartet, doch scheinen Antilopen ganz zu fehlen. Am 10. Juni gedenkt Herr SPATZ sich wieder in Dakar einzuschiffen. Etwa gleichzeitig ging unser Mitglied, Herr Dr. ERNST MAYR, auf eine Expedition nach Neu-Guinea und zwar speziell in das Arfak-Gebirge, wo er sich der Erforschung der Säugetier- und Vogelfauna widmen will. Am 5. April 1928 landete er in Manokwari an der Nordküste von Holländisch Neuguinea, am 12. 4. fuhr er nach Momi weiter. Seine Begleitung bilden drei javanische Präparatoren, die ihm das Zoologische Museum in Buitenzorg mitgab. Am 20.5.1928 kehrte Dr. LUTZ HECK von seiner Anfang November 1927 begonnenen Expedition in den nördlichen Teil des ehemaligen Deutsch-Ost-Afrika zurück. Es war zwar der Zweck der Reise, lebende Tiere nach Europa zu bringen, doch wurden auch eine Anzahl toter, also Häute und Schädel, mitgenommen. Das Gesamtergebnis an lebenden Säugetieren umfaßt ‘15 Chlorocebus, 5 Cerco- pithecus leucampyx, 3 Papio, 1 Nanger, 1 Connochaetes, 5 Giraffa, 3 Hippopotamus, 9 Hippotigris, 1 Diceros, 2 Tigrina, 2 Acinonyx, 1 Genetta, 1 Mellivora, 1 Hystrix, 1 Pedetes sowie 2 Hausziegen. Außerdem kamen 3 Massai und 3 Neger mit nach Deutschland. Das gesamte Material und die Eingeborenen wurden auf dem Ge- lände der Zooarena zu einer Ost-Afrika-Schau vereinigt. H. POHLE (Berlin). 4.) Personalnotizen. | Herr Dr. HILZHEIMER, Direktor der naturwissenschaftlichen Abteilung des Märkischen Museums der Stadt Berlin ist zum korrespondierenden Mitgliede des Archäologischen Institutes des Deutschen Reiches gewählt worden. H. POHLE (Berlin). VI. Anhang. 1.) Bestimmungen für die Aufnahme von Arbeiten in die Zeitschrift für Säugetierkunde. A. Aufnahmebedingungen. a) Es werden nur Arbeiten aufgenommen, die sich mit Säugetieren be- schäftigen, jedoch mit der Beschränkung, daß sogenannte vorläufige Mittei- lungen nicht angenommen werden. Die Zeitschrift zerfällt in vier Abteilungen: I. Gesellschafsmitteilungen. ‚IL Referate, IH. Originalarbeiten. IV. Notizen. b) Unter I werden außer den die Gesellschaft betreffenden Mitteilungen in den Sitzungsniederschriften nur kurze Zusammenfassungen (höchstens 25 Petitzeilen) der auf den Versammlungen der Gesellschaft gehaltenen Vorträge abgedruckt, ganz gleich, welches der Inhalt dieser Vorträge ist, ec) Unter II werden referierende Aufsätze abgedruckt, wenn sie auf einer. Versammlung der Gesellschaft als Vortrag gehalten wurden und wenn ihr Abdruck von Wert erscheint. d) Unter III werden nur Öriginalarbeiten veröffentlicht, ganz gleich, ob sie als Vortrag auf Gesellschaftsversammlungen gehalten wurden oder nicht. Die Arbeiten müssen wissenschaftlich wertvoll sein und Neues bringen. Spekulative oder polemische Aufsätze sind unerwünscht. e) Unter IV werden einerseits kurze Mitteilungen über Einzelbeobach- tungen, dann Notizen über Forschungsreisen und schließlich Veränderungen in den Personalverhältnissen abgedruckt. f) Die Arbeiten (II und III) dürfen weder ganz noch teilweise in einer der vier Kongreß-Sprachen bereits veröffentlicht sein. Die Darstellung muß kurz und in fehlerfreiem Deutsch (ausnahmsweise auch Englisch) ge- _ halten sein. Jeder Arbeit soll eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse angehängt werden. Das Zerlegen einer Arbeit in mehrere, ein- 310 Anhang. zeln zu druckende Teile ist nach Möglichkeit zu vermeiden. Der Titel soll kurz sein, Doppeltitel sind unerwünscht. &) Der Herausgeber bestimmt den für jede Arbeit oder jeden Teil zu benutzenden Schriftgrad (Petit, Borgis, Korpus), sowie die Herstellungsart der Abbildungen. Er hat das Recht, überflüssige Redewendungen oder Längen der Arbeit zu streichen. B. Das Äußere des Manuskriptes. a) Schrift. Die Manuskripte sind in Maschinenschrift herzustellen. Handschriftliche Niederschriften werden nur angenommen, wenn der Ver- fasser sich verpflichtet, die höheren Satz- und Korrekturkosten seiner Arbeit zu tragen. Die Manuskriptbogen sind nur einseitig zu beschreiben. b) Auszeichnung der Schriftarten. Methodisches, Nebensäch- liches etc. sind vom Autor für Kleindruck anzumerken. Es geschieht dies bei Maschinenschrift durch Schreiben ohne Zwischenraum. Durch Unterstreichen sind folgende Schriftarten zu bezeichnen: Personennamen ——..ereessnnnndanneeressnnnnennnnneneeeen (KAPITÄLCHEN) Gattungs- und Artnamen LI. nn (Cursiv) Wichtige Sätze |< -- eo. (Gesperrt) Kapitelüberschriften u (Petit fett) Abschnittüberschriften — (Korpus fett) Arbeitsüberschrift mm (Cicero fett) c) Orthographie. Der Genitiv von Personennamen ist stets mit Apostroph zu schreiben. BATE’s ist von BATES zu unterscheiden. Die Artnamen werden stets mit kleinen Anfangsbuchstaben geschrieben, also auch dann, wenn sie den Genitiv eines Personennamens bilden. Beispiel: Lutra matschiei. ss ist stets von ß zu unterscheiden. Nur so läßt sich z. B. Maße von Masse deutlich trennen. d) Fußnoten und Anführung anderer Arbeiten. Die Fußnoten sind durchlaufend zu nummerieren. Nur so werden Irrtümer beim Umbruch vermieden. Die Fußnoten werden im allgemeinen am Ende der Arbeit vereinigt. Das Anführen von Buchtiteln und Zeitschriften gehört nicht in den Text, den sie störend unterbrechen würden, sondern in ein besonderes Schriften- verzeichnis am Ende der Arbeit. Die Ziffern der Zeitschriften sind immer . arabisch und unterstrichen anzugeben, z. B. 28, (nicht XXVIII). Sie werden dann gedruckt 28. A Bei Anführen mehrerer Schriften desselben Verfassers werden diese am Anhang, | 311 besten durch Beifügung der Jahreszahl (bei gleicher Jahreszahl außerdem durch einen Buchstaben) unterschieden, z. B. GERVAIS (1841). e) Abbildungen. Die Abbildungen sind auf das Allernotwendigste zu beschränken. Was sich ebensogut beschreiben läßt, braucht nicht abge- bildet zu werden. Was sich kürzer und klarer bildlich darstellen läßt braucht nicht beschrieben zu werden. Die Vorlagen der Abbildungen sind in reproduktionsfähigem Zustande einzureichen. Müssen sie erst in einen solchen versetzt werden, so gehen die Kosten zu Lasten des Autors. Als Abbildungen kommen in erster Linie Strichzeichnungen in Betracht, Photographien oder Tonzeichnungen nur dann, wenn sich das Dargestellte durch Strichzeichnungen nicht ge- nügend klar wiedergeben läßt. Die Vorlagen für die Abbildungen sind nach Möglichkeit etwas ver- größert anzufertigen, damit sie bei Strichätzung auf °®/, bis 1/,, bei Photo- graphien auf °/,, bis ®/, verkleinert werden können. Die Verkleinerung ist auch bei den Schraffierungen zu berücksichtigen, da die Striche bei zu geringem Abstand bei der Verkleinerung zusammenlaufen. Ebenso ist die Beschriftung entsprechend groß zu halten; im Druckstock darf die Höhe eines Buchstabens nicht unter 1 mm sein. Die Breite der verkleinerten Abbildungen darf 12,5 em nicht übersteigen, bleibt aber besser sogar unter 11,2 cm. Die Beschriftung der Abbildungen muß, soweit sie nicht an den Rand der Abbildung gesetzt werden soll, in die Vorlage eingezeichnet werden. Die Figuren-Erklärung ist nicht auf die Zeichnung zu setzen, sondern auf ein besonderes Blatt der Niederschrift. f) Verschiedenes. Bei allen erwähnten Sammlungsstücken ist die Katalognummer dieser Stücke anzugeben. Bei neu beschriebenen Arten ist der Typus genau zu bezeichnen. C. Sonstige Bestimmungen. a) Korrekturen. Die Autoren sind verpflichtet, zwei, in besonderen Fällen auch drei Korrekturen ihrer Arbeiten zu lesen. Für die Korrektur sind die „Allgemeinen Korrekturvorschriften“ (im DUDEN abgedruckt) maßgebend. Die Kosten für Korrekturen, die Veränderungen des Manuskriptes sind, fallen dem Autor zur Last. b) Sonderdrucke. Der Autor erhält 50 Sonderdrucke unentgeltlich. Weitere werden zum Selbstkostenpreis geliefert, wenn die Bestellung spätes- tens mit der Rücksendung der zweiten Korrektur erfolgt. 312 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928. 2.) Index der Personennamen. ABEL 42 BURDELLE 257, 276 ADAMETZ 254, 257, 258, 260, 261, 264, | BÜTTIKOFER 96 270, 271, 276 ADLON 12 CALDWELL 97 AKTIENVEREIN D. ZOOLOG. GAR- | CAMPBELL 237, 238, 249, 252 TENS ZU BERLIN 2 CAPART 266, 272, 276 ALBRECHT 243 CARLSSON 34, 87, 89 ALEXANDER 240, 241, 242, 248, 249, | CHAPMAN 246, 248, 252 250, 251 CHUN 8 ALLEN 96 COMARRA 50 v. ALLESCH 18 CORTEZ 51 ANDERSSEN 15 CUMMING 238, 244, 245, 249, 250, 252 ANTONIUS 29, 42, 231 CUVIER 236 ARISTOTELES 8 ARMITAGE 96 DANIELL 239, 240 AUZEMBERGER 97 DEEGENER 42 DJAKONOW 77, 78 BACKE 60 DIETRICH 6 BACKHOUSE 243 DÖDERLEIN 5, 42, 213 BARKOW 130, 172, 194, 195, 201, 202, | DOFLEIN 49 203, 206, 208 DOLLMAN 212 BARNS 95 DÖNITZ i43 BARROW 234, 247, 248, 249, 251 DOPPELMAIER 30 BAUMLER 58 DRAHN 18, 21, 22, 25, 30, 42 DE BEAUX 29, 55 DRESSEL 12 BECHSTEIN 208 DUCHENNE 167 BERGSTRÄSSER 214 DUNCKER 15 BLAINE 284, 244, 248, 250, 252 DUERST 42, 264, 265, 266, 270, 276 BLAKESLER 77, 78 DYBOWSKY 97 BOCK 308 BÖCKMANN 8, 10, 15 ECKSTEIN 21, 23, 27, 42 BODINUS 10 EDWARDS 248, 257 BONNET 96 EISENTRAUT 172 BONN 62, 63 ELLIOT 64, 78, 241 BÖKER 29 ENDE 8, 10 BOLK. 32 ENGELHARD 61 BRANDES 36 v. ERLANGER 295, 296, 297, 302 BRASS, A. 17, 18, 19, 22, 23, 25 ESCHERICH 97 BRASS, E. 18, 21, 22, 23, 30 ESSER 27 DE BRAZZA 97 EXINGER 62 BREHM 6, 15, 16, 172, 177, 184, 185, | EYMOUTH 62 188, 190, 192, 194, 195, 202, 208, 209, 280 FECHNER 21, 22, 23, 25 BRESSLAU 34 FEDERLEY 65, 78 BRYDEN 247, 252 FESTA 29, 56 BUCKLEY 246, 252 FICK 21, 42, 144, 145 BURCHELL 236, 248, 252 FISCHER 25, 42, 97, 240, 241, 250, 252 Index der Personennamen., 313 FORBES 52 FRANCUS 63 FREUDENBERG 2 FRITSCH 245, 246, 249, 252 FRITSCHE 307, 308 FRITZ 85 FROBENIUS 255, 276 GAILLARD 264, 265, 266, 271, 276 GEITNER 12 GOLLE 99 GOMANSKY 20, 21, 22, 23, 25 GOMARA 51 GÖTTE 7 GOTTWALDT 62, 63 GRABOWSKY 2 GRIMM 8 v. d. GROEBEN 30 HÄCKER 68, 78 HAGENBECK 2, 9, 10 HAHN 244, 268, 270 HANSEN 42 HARRIS 238, 242, 244, 249, 252 HBARTIG 17, 18, 20, 21, 22, 23, 25 HARTLAUB 99 HECK, HEINZ 2, 10 HECK, LUDWIG 1, 8, 5—16, 18, 19, 21, 22, 23, 25, 27, 42, 83, 99, 211, 231, 252, 304 HECK, LUTZ 10, 16, 22, 265, 308 HEINROTH 13 HELD 240 HELLER 305, 306 HELWINGS 62, 63 HENLE 130 HENKE 137 HENRIK 240 HERMANN 56 HERODOT 275 HESSE 30 HEUGLIN 296 HILDEBRAND 200, 208 HILGERT 297 HILZHEIMER 15, 17, 18, 19, 20, 21, 2223725, 27, 28, 30, 32, 42, 56, 250, 252, 253, 308 HOFFMANN 7, 8 HOLLISTER 55, 305, 306 HOLUB 238, 246, 252 HOP 241 HUXLEY 77, 78 JACOBI 32, 42 JANSEN 235 JAUREGUI 50, 53 JAWORSKI 32 JENTINK 96 - JOURDAN 96 INGEBRIGTSEN 21 KAPF 52 KÄRGER 52 KELLER 273, 277 KERBERT 22 KIRMSE 172 KLAATSCH 282 KLEBS 50 KLEINSCHMIDT 65, 78, 79, 244 KLINGHARDT 18, 20, 21, 22 KLIER 6 KNAPP 97 KNOPP 9 KNUTSEN 244 KOCH 32, 33, 218 KOLB 248, 252 KRAUSE 100, 104, 108, 111, 115, 116, 117, 183, 137, 145, 158, 155, 156, 157, 159, 160, 162, 163, 169 KRONACHER 42, 273, 277 KRUMBIEGEL 23, 25, 49, 62 KÜHN 253, 268, 269, 272, 277 KÜHNEMANN 23 KULMUS 63 KUNDT 7 LANCELOTTI 50, 53 LANG 172, 195, 199, 206, 208 LECHE 21 LEHMANN 20, 21, 22, 23, 25 LEISEWITZ 25, 33 v. LEITHNER 33 LEMM 21 LEPSI 33 LEUCKART 8, 9 LEVADITI 50 LEVAILLANT 233, 248, 252 LICHTENSTEIN 235, 236, 237, 249, 252 LITTMANN 214 LIURETTE 96 LIVINGSTONE 243 LÖNNBERG 92 LUCHS 21 LYDEKKER 262, 263, 277 MACLAUD 396 MAGDEBURG 353 MAGISTRAT BERLIN 2 MAJOR 57 MARAIS 241 MARES 195, 208 MARIUS 63 MARSHALL 8 v. MARTENS 8 314 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1923. MATSCHIE 23, 33, 34, 35, 83, 92, 231, | RANKE 280 233, 234, 237, 238, 240, 246, 252. | RATH 244 MAYR 19, 28, 308. RECK 35 MEISSNER 15. | v. REDWITZ 248 MENDEL 18, 22, 28. REICHE 9 MERTENS 23, 60, 295. REINWALDT 35 MERZBACHER 172, 195, 200, 201, 206, | REMANE 35, 64 208. RENDALL 95 METSCHNIKOFF 50. RENSCH 78 MEUSEL 11. RHUMBLER 42 MÖBIUS 33. RIESENTHAL 21 MOFFAT 243, 252 RIDGEWAY 238, 239, 252 MOHR 33 de ROCHEBRUNE 92, 97 v. MOLO 33 ROOS 241 MORITZ 241, 248, 252 ROTHSCHILD 220, 221, 230 MOSLER 2, 42 ROUX 50 MOST 22, 42 RUHE 9 | MÜLLER 20, 23, 265, 277 RÜMMLER 17, 18, 20, 21, 22, 23, 25, MÜLLER, FERDINAND 21 27, 28, 295 MÜLLER, ROB. 254, 273, 274 RÜPPELL 295, 296, 302, 306 MÜLLER, R. 7. 6, 7 MÜNZESHEIMER 38, SALECK 61 SARASIN 42 NACHTIGALL 265 a NASONOY 260, 277 se NAUNDOREE 209 SCHARFF 270, 277 N en CHAPPMANN 244 NEUMANN, CH. 20, 21, 22, 23, 25 a = \T NEUMANN 0. 18, 19, 21,23, 24,35, | ee NEUVILLE 219, 220, 22:, 280 a Re NEWBERRY 272, 277 1, 9, NICOLLE 50 ! SCHMITZ 100 .. = 11] NÖLLER 20, 22, 23, 24, 42 ee v. NOTTHAFFT 54 SCHNEIDER 7 SCHREBER 55 OBERMAIER 255, 268, 270, 276, 277 SCHRÖDER 22, 198, 196 OGILBY 96 SCHRÖTER 57 OHNESORGE 17, 2!, 22, 23, 27, 42 SCHUBOTZ 42 OSBORN 255 SCHWARZ 17, 18, 19, 20, 21, 22, 23, OSGOOD 305, 306 25, 35, 92, 211, 250, 251, 252 SCHWENDENER 8 PALMER 35, SCHWIDETZKI 21, 35 PATERSON 232, 247, 248, 249, 252 SEMENOV 64, 65,-79 PAULSEN 8 SEVERTZOYV 260 - PETERS 8 SHORTRIDGE 219 PFLÜGER 199, 208 SIEMENS 10 PIGAFETTA 233 SIEVERT 20 PLINIUS 275 SOKOLOWSKI 35 POCOCK 56 SPARMANN 231, 232, 247, 249, 252 POHLE 5, 17, 18, 19, 20, 21, 22, 28, 24, | SPATZ, P. 20, 22, 28, 36, 264, 265, 808 25, 83, 35, 42, 218, 308 SPATZ, R. 308 POMPECKJ 20 SPREHN 36 de POUSARGUES 92, 93, 97 STAMPFLI 96 PREUSS 97 STANG 22, 241 PRIEMEL 42 STEHLIN 36 PRINGLE 247, 252 STERNFELD 22 Index der Personennamen. STEINHARDT 240, 252 STICHEL 36 STRAUCH 18, 20, 22, 23, 36, 42 STREHLKE 17, 20, 23, 25 STRESEMANN 79, 81 STRÖSE 42 STUHLMANN 273 SOLZER 1GB, 173, 175, 177, 185, 188, 189, 190, 191, 195, 200, 201, 207, 208 SUSCHKIN 260, 261, 262, 277 178, 109» 192, TADOROWA 36 THÄTER 2 THOMAS 306 THOMSON 238, 248, 249, 252 TIERÄRZTL. HOCHSCHULE ZU BERLIN 2 TREITSCHKE 8 TROUESSART 92, 93 TURESSON 75 TUROYV 36 UNTHAN 140 VALLENTIN 20, 22, 23, 25 VALENTIN 206 VIRCHOW 25, 98 184, 193, VOSSELER 36, 80, 287 de VRIES 64, 77 WAGNER 55, 236 WAHLSTRÖM 284 WAUER 27 WEBER 25, 42, 105 v. WEBER 246, 252 WEIDENREICH 278, 279, 281 WEINERT 282 v. WERDER 307 WESTENHÖFER 21, 23, 24, 278 WETTSTEIN 79 WIESE 211, 212 WILL 7 WINOGRADOW 36 WOLFGRAMM 18, 21 WRIEDT 273, 277 WUNDERLICH 2, 10 W-Y-N 63 | ZEDLITZ 25 ZEHLE 23, 60, 61 ZELLER 8 ZIMMER 42 ZIMMERMANN 37 ZUKOWSKY 37 316 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. III, 1928, 3.) Index der Tiernamen. — Acinonyx 29, 31, 308. — hecki 16. — jubatus 55, 56. — guttatus 56. — ngorongorensis 53. lanea 56. rex 56. Ammotragus lervia 20, 255, 258, 268. — palaeotragus 255. Amphictis 33, 34. Anthropomorphae 282. Antropopithecus 14, 23, 24, 50, 308. Antidorcas 242, 245. Antilope cervicapra 37. — oreas 235. Antilopinae 19, 36, 235. Apodemus 29, 31, 55. Arctomys marmotta 194, 199, 206. Arctogalidia bicolor 37. Argas 50. Argaliformes 261. Artiodactyla 33. Asinus 20. Babirussa 57, 215. Bassarieyon 17. Bdeogale nigripes 14, 27. Bison bonasus 29, 30, 32, 33, 34, 86. Boocercus 26, 55. Boophilus 50. Bos primigenius 33. — taurus 20, 30, 3L, 307. Bovidae 33, 50. Bradypus 121, 138. Budorcas 25. Bubalis 14, 239, 242. Camelus 52. Canidae 19, 50. Canis curvipalatus 19. Canis eruesemanni 14. — familiaris 19, 20, 50, 270, 807. — reissei 30. Capra hircus 20, 268, 270, 308. Carnivora 19, 29, 102. Castor fiber 37, 60—63. Cavia cobaya 36, 49. Cephalophus doria 24. Cercocebus 50. Cercopithecus 50, 308. aethiops 35. martini 97. stampflü 97. Cervidae 33. Cervus elaphus 14, 17. Cervus porcinus hecki 16. Cetacea 215. Chlamydophorus 26. Chiroptera 35, 54. Choiropotamus 57. Chrysocyon 14, 24. Citellus 26, 194. Colobus 35, 66, 78, 92—97. angolensis 93. anzeliusi 9. badius 92, 93, 94, 96. bouvieri 93, 94, 97. brunneus 92, 9. cristatus 93, 94, 96. ellioti 92, 94, 9. ferrugineus 94. ferruginosus 9. foai 94, 95. fuliginosus 95, 96. gordonorum 94, 95. graueri 94, 95. gudoviusi 94, 9. kabambarei 95. kirki 94, 96. likualae 94, 97. lovizettüi 94. lulindicus 95. melanochir 95. multicolor 93, 95. nigrimanus 34, 95, 97. olivaceus 94. oustaleti 94, 95, 97. pennanti 93, 94, 97. polykomos 92, 93. powelli 92, 94, 9. preussi 93, 94. rufofuliginus 9. rufomitratus 94, 9. rufoniger 94. 96. Index der Tiernamen. 317 Colobus schubotzi 92, 95. Genetta 37, 308. — temminckü 94, 95. Gäraffa 16, 19, 26, 243, 308. — tephrosceles 94, 95. Gorilla 14, 24, 281. — tholloni 92, 93, 94. — umbrinus 95, 97. Hippopotamus 16, 215, 308. — variabilis 93, 95. Hippotigris 17, 231—251, 308. — vellerosus 96. Homor 60.028 122.106, 1071107112, — verus 93, 94, 96. 117, 120, 122, 125, 126, 128, 130, Oonnochaetes 239, 241, 242, 245, 308. 133, 136, 187, 138, 140, 142, 148, — hecki 60. 152, 153, 155, 162, 163, 165, 166, Oricetus 32, 50, 173 — 200. 1605,163,,.2.170 10.2487 231,282. Crocidura leucodon 285— 290, 308. Hyaena 14, 19. Crocotta 21. Hylobates 50, 218— 283. — togoensis 14. Crossopus fodiens 2834—290, Jaculus 20. Öryptoprocta 14, 83, Ötenomys 23. Lacerta 70. Cuon 14. Lama glama 50, 51, 52, 53, 54. Oyclopes 14. — huanacus 51, 53. Oynopithecus aethiops 50. — vicugna 52, 53. — hecki 16. Lemuridae 34. Lepus 30, 35, 74, 215. Dama schaeferi 33. — europaeus I98—171. Damaliscus 242, 246. — ghigüüi 29. — albifrons 14, 245, Lophiomys 14. — pygargus 241. Loxodonta 19, 34, 55, 235, 238, 243. Dasypodidae 53. Lupulella 19. Desmodus 54. Lutra 27. Diceros 16, 19, 243, 308. Lutreola 36. Dicotyles 57. Dromiciops 26. Macacus 50. Dryomys 66, 113. Macropus rufus 102, 105, 116. Mandrillus 37. Elephas 66. | Martes zibellina 30. — cyclotis 14. Megachiroptera 54. — primigenius 23, 215. Muffloniformes 261. Epimys 49, 50, 215. Mus 35, 50. Eguus asinus 270, 272. Mus minutus 31. — burchelli 233 — 250. — musculus 308. — caballus 20, 30, 50, 307. — subcaeruleus 307, 308. — chapmanı 246. — sylaticus 31. — hartmannae 234—251. — wagneri 31. — hemionis 31. Muscardinus 35, 199. — montanus 236, 237, 246, Mustelinae 34. — paucistriatus 250. Myosxidae 37. — quagga 231— 251, — zebra 331— 251. Nandinia 34, 80—91. Erinaceus 20, 194, 200, Neomys 32, 281—290.. Notoryctes 26. Felis 19, 84. — deliensis 30. Onotragus 14. — domestica 36, 50, 91, 272, Okapia 19. — ocreata 272. Ornithodorus 50. — pardus 55, 66, 75. Ornithorhynchus 14. — spelaea 31, 32. Orycteropus 14. — tigris 30, 101, 155. Oryctolagus 99, 100, 133, 137, 145, 146, — uncia 14. 156, 157, 159, 160, 168, Gazella 20. | Ovibos 84. 318 Zeitschrift für Säugetierkunde, Bd. 3, 1928. Ovis ammon 14, 255. Spirochäte 49 —52. — arcar 264. — dentium 49. — aries 20, 50, 253—277, 307. — duttoni 50. — jubata 258, 259, 266, 275. — equina 50. — laristanica 261, 263, 264. — icterogenes 49. — longipes 257, 264, 265, 270, 271,275. | — obermeieri 50. — musimon 255, 260, 262. — ovinia 50. — orientalis 262, 264. — nodosa 49. — vignei 261, 264, 270. — pallida 49, 50, 54. — recurrentis 50, 54. Papio 50, 308. — refringens 50. — cynocephalus 211, 212. — theileri 50. — griseipes 212. vespertilionis 54. - » mundamensis 30. Str epsiceros 241. — jubilaeus 211, 212. Sus domestica 32, 50, 59. — porcarius 211, 212. — majori 56, 59, — rhodesiae 212. — meridionalis 57, 58, 59. Pelea 242. | — vpapuensis 57, 215. Perameles 23. — sardous 57. Perissodactyla 33. — scrofa 56-59, 274. Phacochoerus 57, 215. — vittatus 57, 58, 59. Phoca 10%. Piliocolobus anzeliusi 92. Tachyor yctes 235— 8306. — bowvieri 9. cheesmani 295, 297. — brunneus 92. — hecki 16, 302, 303, 304. — kirki 70, 72. — macrocephalus 295, 296, 301, 302, 303, — likualae 9°. 304, 365. — melanochir 932. — omoensis 297, 298, 299, 300. — powelli 92. — pontifex 300, 301, 302, 305. Pinnipedia 215. — somalicus 2935, 296, 297. Fitimys 37. | — splendens 295, 296, 300, 301, 302, Platyrrhina 50. 303, 305. Plecotus 33. — rex 305. Primates 50, 710, 72, 84, 142, 170, 278, | Talpa 36. 281. Tapirus 1i6.. Procolobus 92, 93. Taurotragus 242. Prometheomys 36. Terpone 14. Prototocyon 19. Theropithecus 25, 27. Pseudobassaris 33. Tigrina 308. Pteronura 14. Tolypeutes 26. Tragulus annae 14. Fhinoceros 25. Tropicolobus multicolor 93. Rhinopithecus 24. — schubotzi 92. — umbrinus 97. Scirtopoda 36. — variabilis 93. Sciuridae 84, 215. Tuscaretta tubulosa 68. Sciurus pauli 14. Tylopoda 52, 54. Semnopithecus 50. Sigmoceros 37. Ungulata 19. Simia 14, 36, 50. Ursus 14, 32, 34. Sirenia 215. Sivatherium 19. Vampyrus 54. Solenodon 24. Sorex vulgaris 234—29. Zaedyus 53. Spalacidae 2395. Zenkerella 24. | i | KBitzıunG = u | der | Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde Bi; ; | EV. | Abschnitt 1. Allgemeines. s 1. Name. Der Verein führt den Namen: Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde e. V. Er ist unter Nr. 4802 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin-Mitte, Abtei- lung 167, eingetragen. $ 2. Zweck. Zweck des Vereins ist die Förderung der Säugetierkunde nach allen Rich- tungen und durch alle Mittel, insbesondere durch gegenseitigen Austausch der gesammelten Erfahrungen und Beobachtungen in regelmäßig abzuhaltenden Ver- sammlungen und durch Herausgabe der „Zeitschrift für Säugetierkunde*. SEaESitz. Sitz des Vereins ist Berlin. $ 4. Geschäftsjahr. Das Geschäftsjahr des Vereins ist das Kalenderjahr. Abschnitt 2. Mitglieder. $ 5. Erwerb der Mitgliedschaft. Mitglied der Gesellschaft kann jede Person, Personengemeinschaft und jede Anstalt werden. Der Erwerb der Mitgliedschaft wird eingeleitet durch Anmeldung bei einem der Vorstandsmitglieder. Über die Aufnahme entscheidet allein der Vorstand. $S 6. Verlust der Mitgliedschaft. Verlust der Mitgliedschaft tritt ein: a) durch Tod des Mitgliedes, b) durch Austrittserklärung beim Geschäftsführer, c) durch Ausschluß. Der Ausschluß kann vom Vorstande ausgesprochen werden, einmal, wenn das Mitglied bei Einziehung des Beitrages durch Nachnahme die Zahlung verweigert und dann, wenn das Mitglied den Bestrebungen des Vereins zuwiderhandelt. In dem ersten Fall ist der Vorstandsbeschluß endgültig, im anderen steht dem Be- treffenden das Recht der Beschwerde bei der Hauptversammlung zu, deren Be- schluß endgültig ist. Jedes Mitglied bleibt der Gesellschaft mit seinem Beitrage für das folgende Jahr verpflichtet, wenn die Austrittserklärung nicht spätestens am 1. Dezember eingeht. $ 7. Rechte und Pfiichten der Mitglieder. Die Mitglieder haben das Recht, an allen Veranstaltungen der Gesellschaft teilzunehmen. Sie haben in allen Mitgliederversammlungen Sitz und Stimme und erhalten die Vereinszeitschrift ohne besondere Bezahlung. Sie haben die Pflicht, den Verein und seine Ziele zu fördern und die Satzungen einzuhalten. Ferner 2 haben sie einen stets von der Hauptversammlung für das nächste Jahr festzu- setzenden Beitrag im März eines jeden Jahres zu entrichten. Er kann auch in zwei Halbjahrsraten gezahlt werden. Wird der Jahresbeitrag oder die erste Rate nicht spätestens im Mai eingezahlt, so wird er auf Kosten des Mitgliedes durch Nachnahme erhoben. $ 8. Besondere Mitglieder. Der Vorstand hat das Recht, korrespondierende und Ehrenmitglieder zu er- nennen. Sie sind von der Beitragspflicht entbunden. Die Ehrenmitglieder haben dieselben Rechte wie die anderen Mitglieder, Abschnitt 3. Leitung des Vereins. s 9. Vorstand. Vorstand im Sinne des B. G. B. ıst der Geschäftsführer. s$ 10. Erweiterter Vorstand. Die Leitung der Gesellschaft liegt in den Händen des erweiterten Vorstandes, Dieser besteht aus drei Vorsitzenden, einem Geschäftsführer, einem Schriftführer, einem Schatzmeister und einem Beisitzer. Vier Mitglieder des erweiterten Vor- standes müssen Fachzoologen, zwei davon Säugetierspezialisten sein. Einer der Vorsitzenden muß seinen Wohnsitz außerhalb Berlins haben. Die Mitglieder des erweiterten Vorstandes vertreten sich im Behinderungsfalle in der oben an- gegebenen Reihenfolge. $ 11. Wahl des Vorstandes. Die Wahl des Vorstandes geschieht alle 2 Jahre in der Hauptversammlung nach Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder schriftlich und geheim. Beim Ausscheiden eines Mitgliedes des erweiterten Vorstandes während der Wahlzeit ist dieser berechtigt, sich durch Zuwahl selbst zu ergänzen. Der 1. Vorsitzende ist nach Ablauf seiner Wahlzeit für die nächste Wahlzeit nicht wieder wählbar, die beiden anderen Vorsitzenden nicht wieder in ihr Amt. s 12. Rechte und Pflichten des Vorstandes. Der 1. Vorsitzende vertritt die Gesellschaft nach innen. Die anderen Vor- sitzenden sind seine berufenen Vertreter. Der Geschäftsführer vertritt im Ein- vernehmen mit den übrigen Vorstandsmitgliedern die Gesellschaft nach außen und erledigt die laufenden Geschäfte. insbesondere ist er der Herausgeber der Vereins- zeitschrift. Der Schriftführer hat über jede Versammlung und Sitzung der Ge- sellschaft, sowie über jede Vorstandssitzung eine Niederschrift herzustellen, die nach Genehmigung durch die betreffende oder nächste gleichartige Versammlung von ihm und dem Vorsitzenden der Versammlung zu vollziehen ist. Der Schatz- meister zieht die Beiträge ein, führt die Kasse und verwaltet das Vermögen der Gesellschaft. s 13. Beirat. Zur Unterstützung des Vorstandes wählt jede zweite Hauptversammlung durch Zuruf einen Beirat von 21 Mitgliedern, von denen höchstens 12 in Berlin wohnen dürfen. Die Beiratsmitglieder gelten als Vertrauenspersonen der Gesell- schaft und sind daher in allen wichtigen Fragen zu Rate zu ziehen. 3 Abschnitt 4. Mitgliederversammlungen. $ 14. Hauptversammlung. Alljährlich findet eine Hauptversammlung statt, welche mindestens 14 Tage vorher den Mitgliedern bekannt zu machen ist. Auf jeder Hauptversammlung hat der Vorstand über die Verwaltung seines Amtes Bericht zu erstatten. Jede Hauptversammlung bestimmt den Ort der nächsten. $ 15. Mitgliederversammlung. Mitgliederversammlungen können vom Vorstande nach Bedarf einberufen werden. Er muß eine solche einberufen, wenn mindestens der 4. Teil der Mit- glieder es schriftlich unter Angabe zu besprechender Angelegenheiten verlangt und zwar innerhalb der auf den Eingang des Antrages folgenden 4 Wochen. Eine solche Versammlung ist jedem Mitglied mindestens 14 Tage vorher mitzuteilen. $ 16. Sitzungen. Allmonatlich findet in Berlin eine wissenschaftliche Sitzung statt. Der Vor- stand hat das Recht, diese Sitzungen während der Sommermonate (Juli—September) ausfallen zu lassen. $ 17. Allgemeine Bestimmungen. Der erweiterte Vorstand bestimmt Zeit, Ort und Tagesordnung jeder Ver- sammlung. Er ist verpflichtet, Anträge, die von mindestens 6 Mitgliedern ein- gebracht werden, auf die Tagesordnung der gewünschten Versammlung zu setzen, wenn sie rechtzeitig, d. h. 4 Wochen vorher, beim Geschäftsführer eingehen. Die Beschlüsse werden, soweit nicht durch diese Satzung anders bestimmt, stets mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt. Die Einladung zu den Versammlungen erfolgt durch Postkarte oder Brief. Abschnitt 5. Besondere Bestimmungen. & 18. Satzungsänderung. Satzungsänderungen können nur auf Hauptversammlungen beschlossen werden, wenn sie auf der mitgeteilten Tagesordnung gestanden haben. Beschlüsse von Satzungsänderungen bedürfen einer Mehrheit von ?/, der erschienenen und !/; der vorhandenen Mitglieder. $ 19. Auflösung. Die Auflösung der Gesellschaft kann nur in einer zu diesem Zweck besonders einberufenen Mitgliederversammlung beschlossen werden. Zur Gültigkeit des Be- schlusses ist die Zustimmung von ?/;, der vorhandenen Mitglieder der Gesellschaft erforderlich. Die Abstimmung der nicht erschienenen Mitglieder hat schriftlich zu erfolgen. Im Falle der Auflösung fällt das Vereinsvermögen an die Säugetier- abteilung des Zoologischen Museums der Universität Berlin. Berlin, 13. März 1926. Dresden, 23. April 1927. ee EEE Abb, 11. Abb. 12. Abb. 18. Erklärung der Tafel I. Skelet des rechten Hasenfußes, ohne die Zehen, in Form zusammen- gesetzt, von der don: len Seite, Vargr. 5:8. Das gleiche Skelet wie in der Abbild. 11 von der plantaren Seite Vergr Das gleiche Skelet wie in der Abbild. 11 von der medinlen Seite Vergr. Zeitschrift für Süugotierkunde, Band 3, 1928, Abb. 11. Zu H. VIRCHOW, Abb. 12, ‚ Anatomie und Mechanik des Hasonfußes, "Tafel I. ar Er | | | nn m nn u —— nn ee: Zeitschrift für Säugetierkunde, Band 8, 1928. Tafel Il. Erklärung der Tafel Il, Abb. 14. Das gleiche Skelet wie in der Abbild, 11 von der lateralen Seite, Vorg 8 Abb. 15. Linker Talus von der lateralen Seite, Vergr. : Abb. 16. Linker Talus von hinten. Abb. 17. Linker Talus von der plantaren Seite, ZINN en ce. ma, Facies enleanea major, durch eine Furche in zwei Felder ge- teilt, was nicht immer der Fall ist Z: DAR e. mi, Facies caleanen minor, GEHT, ZRPE ın. Facies malleolaris medialis n, Facies navienlaris. S. Suleus flexoris di Abb, 18. Linker Calcaneus von der medialen Seite ce, Fucies cuboidea n. Facies navieularis. S. Sustentaculum, welches den unteren Abschnitt der Facies talicn major trigt. ochlea calcanei. t. ma, Fao Purche in ein oberes und ein unteres Stück geschieden, was nicht immer der Fall ist. t. mi. Fi talica major, durch eine acies talica minor. Abb. 19. Linkes zweites Metatarsale von der lateralen Seite. Cr. Orista capituli. cu. Facies artioularis für 3. Keilbein. m, 'Tubevositas für ein zum 3. Metatars. gehendes Band. n. Facies navieularis. p- Knopf für die Sehne des Poron. longus. $. „Griffel“ = 1. Cuneiforme. Abb. 14 Zu H. VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hnsenfußes, re Lee) > 3. ? “ a a nn un Erklärung der Tafel Ill. Abb. 20. Skelet des linken Hasenfußes mit Bündern von der plantaren Seite. Zeigt den „Schnabel des Steges“. Natürl. Gr. Abb. 21. Linker Fuß mit den acht „Interossei“ von der plantaren Seite Die vier Strahlen sind unnatürlich auseinandergespreizt. Natürl, Größe. Abb. 22. Talus und Galcaneus des linken Fußes in Form für plantare Flexion Zeitschrift für Säugetierkunde, Band 3, 1928, Patel IT. Abb, 2 Abb. Abb. 21. Zu H. VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Husenfußes Eu a en 7° 2 = Ir A A i) “N, a a er ‘ u Erklärung der Tafel IV. Abb. 28. Dieselben Knochen wie in Abb. 20 in Form für dorsale Flexion. Abb. 4, Os eruris und Caleaneus des linken Fußes in Form von der Interalen Seite bei rechtwinkliger Stellung des Cnleaneus zum Os eruris mit Strich für Winkelmessung. Abb. 25. Dieselben Knochen wie in Abb, 17 in Form für plantare Flexion von der lateralen Seite. Zeitschrift für Süugetierkunde, Band 9, 1925, In In ii in II |) \\) Vafel IV. Abb. 28. Abb. 24: Zu H VIRCHOW, Anntomie und Mechanik «des Hasonfulles i \ } = a Zeitschrift für Stugetierkunde, Band 3, 1928. Tafel V. Erklärung der Tafel V. Abb, 26. Dieselben Knochen wie in Abb. 24 und in Form für dorsale Flexion von der lateralen Seite. Zn H. VIRCHOW, Anatomie und Mechanik des Hasenfußes, Abb. 1. Seitonans Abb. 2. Frontal: ht sicht Abb 1. Abb. 2 An T. SCHÖNBERG, Ein großes Hautliorn bei einem Rinde. Erklärung der Tafel VI. Abb, 15. Schlafnest mit im Winters 21. 1. 25. Nest geschlossen, Links neben dem Nest liegen Karte ılaf liegenden Hamster, gegraben am feln, die vorderste angebissen. Abb. 16 Nest geöffnet; der Hamster in natürlicher Lage. Abb. 17 u. 18. F chlafender Hamster aus dem Nest genommen Zeitschrift für Säugetierkunde, Band 3, 1928. Zu M, Abb, 15 Abb 17 EISENBART, Über die Tafel VI. Abb, 16. Abb. 18. Baue und den Winterschlaf des Hamsters. rn mann innen Zeitschrift für Siugetierkundo, Band 3, 1428. Tafel VII. Erklärung der Tafel VI, Abb. 19. Hamsterbau mit cn. 2 m langem Wechsel; aufgenommen am 24, IN. 27, es alten Hamsters (*) mit Kartoffeln und W. = 2. Zu M. EISENTRAUT Über die Baue und den Winterschlaf des Hamsters. bb. 19 2 Abb. 20. Abb. 20, Vorratskammern ei aufgenommen am 21. I. Abb. 1. „Nuppi® bittet um eine Kirsche Abb. 2. „Nuppi“ mit gefüllten Backentaschen Abb. 3. „Lili-Put“ Alle drei Bilder sollen das Vertrautsein der Tiere mit dem Menschen zeigen Abb, 1 Abb. B. Zu E, NAUNDORF, als Hnus- Dor Hamst —_ —i _ ——-- n [ehe > ee u — tn Ba nn nn an nenn er men me m nn nn en - > — — ö u - = _ - = . _ ag > > Ä — w ö ‚. w “ u . anf Pi A “ TER - En e . P = Z = m “ - RE Mir Ps F 3 ” ee en 7 u; ee 7, den. EEE u nn = m > Sen 3 nk a an 5 er Eng dene en Dad er De NT nen ne ro ten n n B er” es — - en u El BE I a a an BEER R - Li “ = Di ’ a Fe er a: a De —_ ee, „ — men, ern Trend 1 Wem BL \ = a nn mm ee u nn nn une Ber‘ 7 f n r Abb. 1 Abb. 2, Erklärung der Tafel VI. . Größerer Qinker) Zahn von der lateralen Seite mit Inschriften und Hiebverletzungen. Am Beginn des äußeren Drittels ist die buchtige Gronze der Zementdccke sichtbar: */; nat. Gr. Größerer (linker) Zahn von der medialen Seite. Zementdecko reicht auf der concnven Seite bis nahe an die Spitze. Soweit die Li visse gehen, liegt das Dentin frei. Einige der Liugskanten sind bar, Die kräftige ventromediale Lüngskante liegt am eonvexen Rand der basalen Zahnlulite. 2; nat. Gr. ‚cht- Zeitschrift für Säugetierkunde, Band 3, 1928, Tafel VIH. Abb. 1. Abb. 2. Zu L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzühme bei einom rozenten Blefanton, en ng | ee Ze u Zeitschrift für Siugetierkunde, Band 3, 1928, Tafel IX, Erklärung der Tafel IX. Abb. 3. Schwilcherer (rechter) Zahn von der medialen Seite mit der korro- \ dierten Stello am convoxen Rand. %/; nat. Größe. Abb. du. 5. Inschriften auf der Interalen Seite des größeren Zahns. %,, nat. Größe. | Abb, 3. Abb. 5. Zu L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzilhne bei einem rezenten Elefanten, Y f P ER. eh Br Na f 3 en en mtr FE gs ae run A AT “ Ja H EEE EEE Re \ ni, En: F Ru % r es er -. en Äu 2: . B.- Zeitschrift für Süugetierkunde, Bd. 3, 1928, Tatel N. Abb. 6. Erklärung der Tafel X. Abb, 6. Dentinoberfläiche von der lateralen Seite des größeren Zahns nahe der Zuhnspitze. 4 X nat. Gr. Abb. 7. Dentinoberfläche von der lateralen Seite des größeren Zahns in weiterer Entfernung von der Spitze, mit fiederartigem Ausschen. 4% nat, Gr. Abb. 7. Zu L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzühne bei einem rezenten Elefanten. a: 0 tt En Zeitschrift für Situgetierkunde, Band 3, 1928, Tafel XT. © 3 < Erklärung der Tafel XI. Abb. 8. Dentinoberfliche am abgebrochenen Ende eines starken minnlichen Stoßzahns von einem afrikanischen Blefanten, mit fiederartigem Aus- sehen (Zool. Mus. Berlin). 21/, x nat. Größe. Abb. 9. Proximaler Teil der Bruchflüche des Zahns von Fig. 8. Besonders deut- lich sind die parallelen Lingskanten der durchgebrochenen Schiehten und die spitzwinkeligen Zacken an den Querbrüchen 2 \ 4 Zu L, DÖDERLEIN, Kreisförmigo Stoßzührne bei einem rezenten Elefanten. Deren au ß 4 5 N N i Tr nn ee in Abb. Abb. Abb. Abb. Erklärung der Tafel XIl. Zentraler Teil der Bruchfläche des Zahns von Fig. 8 mit der Pulpa- höhle und den in verschiedener Richtung gebogenen Schichten. 4], nat. Gr. - Oberfläche vom Querschliff eines Blefantenzahns mit peripherer Zementschieht und zentraler Pulpahöhle. Das dazwischenliegende Dentin außen und innen mit besonders deutlicher Bogenstreifung Berlin). 9%, nat. Gr. 6 („guillochage‘‘). (Zool. Mus Längsschliff eines abnormen Blefantenzahns nach ROTHSCHILD et NEUVILLE mit stark wellenförmig (links) bis zickzackförmig (rechts) verlaufenden Dentinröhrchen. Endteil eines Stoßzahnes von einem männlichen sumatranischen Ble- fanten mit deutlicher Abgrenzung der Zementdecko von dem frei- liegenden Dentin an der Zahnspitze. Am anderen Ende berinnt die deutliche „Kanellürung“ (Zool, Mus. München), 1/3 nat. Gr. Zeitschrift für Siiugetiorkunde, Band 3, 1928. TafelPXIL. Zu L. DÖDERLEIN, Kreisförmige Stoßzühne bei einem rezenten Elefanten. Abb. 2 Abb. 3 Erklärung der Tafel XII. Alter Mufflonbock aus Korsika mit schwachem Mufflonfleck und schwa- cher Mühne längs der Halsunterseite und am Bug. Man achte auf das über den Augen eingeknickte Kopfprofil und das sehr lange Ge- sieht. Typische Form des Wild Infolge Einwärtsbiegung der Hornspitzen sind die Haare üher den Schultern abgerieben E. SCHNEIDER phot Kopf eines Mufflonschafes (9) aus Korsika mit Gesichtszeichnung. Es sei besonders auf die dunklen Streifen zwischen Auge und Mund- winkel hingewiesen. Dieselbe Gesichtszeichnung haben auch die jungen Böcke bis zum 2. oder 3. Lebensjahr. E. SCHNEIDER phot . Jüngerer Mufflonbock aus Korsika mit stark ausgebildetem Mufflon- fleck, noch ohne Mühne E. SCHNEIDER phot. Zeitschrift für Säugetierkunde, Band 8, 1928. Zu M HILZHEIMER, Nordafrikanischo Hausschafe. Abb. 8. Tafel NIIT & Br “ 275 Mana = ng eo : En a A Le re an ee Sn Abb. 5. Abb, 6 Abb. 7. Erklärung der Tafel XIV. Bock des gemiilnten Kurzschwanzschafes mit Muiflonfleck. (Expl. aus Kamerun.) E. SCHNEIDER phot. Gemähntes Kurzschwanzschaf aus Bornu mit schwerem mufflon- artigen Gehörn, P. KOTHEB phot. Langbeinschaf aus Rio de Oro. (’ und Q). 3ock fast ohne Mühnen- bildung. B. SCHNEIDER phot. Zeitschrift fir Säugetiorkunde, Band 3, 1928, Abb. 6 Tafel NIV. Zu M HILZHEIMER, Nordafrikanische Hausschafo. Abb. Abb. Abb. Alb. Erklärung der Tafel XV. 8. Langbeinschaf auf einer Felszeichnung aus Marokko nach OBER- 0. MAIER. Zeigt gut die Behaarung, die Hängeohren, die verkümmerten lörner und das kurze, hohe konvexe Gesicht. Langbeinschaf auf einer Felszeichnung aus Djebel es Seba nach FROBENIUS. Hier ist der lange Schwanz gut zu erkennen. Langbeinschaf (I) aus Bornu mit starker Mähnenbildung, kleinen Hörnewn und konvexem Profil. Gleicht genau den auf den nordwest- afrikanischen Felsbildern dargestellten Schafen (vgl. die Abb, Su. 9). Dr. 0. HEINROTH phot. Darstellung eines Langbeinschafes (9) mit halblangem Schwanz, v Kopfform, aber Hängeohren und an- füß vor 2500 v Mähne, noch wildschafartig rn auf einem Kalkst: scheinend horizontalem Gel Chr. Original in der vorderasiat, Abtlg. d. Berliner Museums. Zeitschrift für Säugetiorkunde, 3. Band, 1928. Zu M. HILZHEIMER, Nordafvikanische Hnusschafo. Tafel NV. ” ER Be ö EG Fi $ er Tafel NVI. Zeitschrift für Süugetierkunde, Erklärung der Tafel_XVI. Abb. 12. Abessinisches stummelohriges Fettschwanzschaf (I) mit aufwärts Y distaler Schwanzhälfte. Hornlos und mit starker Wammen- E. SCHNEIDER phot. bildu Abb, 13, Schwarzköpfiges hüngeohriges Somalischaft (F und Q) mit Ver- kümmerung und Verkriüimmung der distalen Schwanzhälfte. (Stummel- schwanzschaf), Starko Wammenbildung- B. SCI aus Pripolis mit herunterhän: DER phot der, seitlic IDER phot, Abb. 14. Fettschwanzschaf (JS distaler Schwanzhälfte, E. SCHN Zu M. IITLZHBIMER, Ne urikanische Hausschnfe, * 2 ? ‚ re a ee in le lee ri rae 3 A LER ER head en Da ee " L nn ee re SET Pu \ Yo Be A Ar ö a‘ ö An N ge EOEN Zu M. WESTENHÜFER, Der Gang des Gibbon Abh. 1 Abb, Abb. 6. Abb, $. 1 ‘sg puug opunyaogoFang any ApLarospaz "856 AX [FL Seiser en m en a ae —— Au 32 \.F0p >; ’ >) Em) Pi I - A N ak y in. 5 u Lkr IN. At I in Ha Me ’ en um wit A I v4 m „N au N I "ol B I I j a N N D. T j) h \ ) a . I ‘ 3 A 5 ar AN NER ' ! a ‚Aa TITTEN Brig an, AHA YL ang er Mr a TIır Li ads A, iR, “ TE rad ntc ah NEBASRANN ARE 188, h6@h8 4 m Kerr ai aä HT, NIE En Le ar} ei Arion 2 IN wY a dıe2 eat nam NZ mei Ana LTE UV klin DIrPR “R Th I N r k AR AR & | e aan | LATE An. un IT air x TETLTTN Tr Emen EN, SUSRL am Rs | Finl ap ITT en PIE na RRBPRFRFFRER NE REES AUR AREA van Anl L Are“ N ker 2 BRITEN AT aaa NER UL TETBBRBBR. 511 TR 1.101: OETEELTTTE WLTY NA anERlsBEirrr: Ä WLTTRRnN Li non gun" a Re na AAN IBAN Alan, rn" PT Y.7 we a2 Pre u na" 06 - Ay Ak RR “aahäuha, | a A ' all = nn) Rh ılıyı Fryebhn- Paanna. .) ne FIRE AT BR | de EEEBRAA SIT TITFETIET TIL zum mau, Di _ En ku 5 u! 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